N IP, 7%, Smithsonian = R Institution % @® Libraries GITE of HERMAN L. LANG il Pu AM N Br ri N N " “ Ä AR I" be? IOR Rh Bd) Brehms Tierleben Zehnter Band. Allgemeine Naturkunde. Brehms Tierleben. Vierte, neubearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Prof. Dr. Ludwig Heck, Dr. Sriedrich Hempelmann, Prof. Dr. Richard Heymons, Prof. Dr. William Marihall 7, Dr. Otto Steche und Prof. Dr. franz Werner herausgegeben von Prof. Dr. Otto zur Straffen. 13 Bände. mit etwa 2000 Abbildungen im Text und auf mehr als 500 Tafeln in Sarbendruck, Atung und Holzichnitt fowie 13 Karten. Der NMlenich. Von Prof. Dr. Johannes Ranke. Dritte Auflage. 2 Bände. Mit 695 Abbildungen im Text (1714 Einzeldaritellungen), 7 Karten und 64 Tafeln in Sarbendruck, Holzichnitt und Tonäßung. Völkerkunde. Von Prof. Dr. Friedrich Raßel. Zweite Auflage. 2 Bände. Mit 1103 Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt. Die Pflanzenwelt. Von Prof. Dr. Otto Warburg. 3 Bände. Mit mehr als 900 Abbildungen im Text und iiber 80 Tafeln in Sarbendruck und Äung. Pflanzenleben. Von Prof. Dr. Anton Kerner von Marilaun. Zweite Auflage. 2 Bände. Mit 448 Textbildern (mehr als 2100 Einzeldaritellungen), I Karte und 64 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt. Erdgeichichte. Von Prof. Dr. M. Neumayr. Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. 2 Bände. Mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt. Das Weltgebäude. Eine gemeinveritändliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Zweite Auflage. Mit 291 Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck, Atzung und Holzichnitt. Die Tlaturkräfte. Ein Weltbild der phyfikaliichen und chemiichen Erfcheinungen. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Sarbendruck, Atjung und Holzichnitt. feipzig und Wien. Bibliographifches Inititut. Brehms Tierleben Allgemeine Kunde des Tierreichs. Mit etwa 2000 Abbildungen im Text, über 500 Tafeln in Sarbendruck, Kupferäßung und Holzichnitt und 13 Karten. Vierte, vollitändig neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Prof. Dr. Otto zur Straiien. Säugetiere — Eriter Band. Leipzig und Wien Bibliographiiches Inititut 1912. I Copyright 1912 by the publiihing houfe Bibliographifches Inititut Meyer, Leipzig. Alle Rechte vom Verleger vorbehalten. Die Säugetiere Alfred Brehm. Neubearbeitet von Ludwig Heck. Eriter Band: Kloakentiere — Beuteltiere — Infektenfreiier — Slattertiere — Erdferkel Schuppentiere — Xenarthra. mit 100 Abbildungen im Text und 30 Tafeln von H. Frey, K.£. Hartig, W. Heubad, R. Kretichmer, W. Kuhnert, 6. Müßel, P. Neumann, M. Queiifer, A. Reichert, C. Roloff, €. Schmidt, $. Schmidt-Kahring, A. Specht, $. Specht fowie 21 Tafeln nach Photographien. UT HSONIAR MAR 15 2uu2 LIBRARIES Feipzig und Wien Bibliographiiches Inititut 1912. \* / / 27 # J Vorwort. Die Säugetiere find für den Menfchen als feine nächjten Verwandten in jeder iveellen umd reellen Beziehung die wichtigften Tiere; über jte wird umfer zoologifches Hausbucdh alfo gewiß am vielfeitigften befragt. Trotdem konnte aud) die vorliegende Abteilung nicht über einen vierten Band ausgedehnt werden, Jollte nicht die buchhändlerifch notwendige Umfangsgrenze des Wertes zum Schaden feiner Verbreitung überschritten werden. Unter diefen Umftänden muß ich es darauf ankommen lafien, dat mancher Lefer auf diefe oder jene an fich berechtigte Frage in den Säugetierbänden noch feine Antwort findet, und kann mich bei dem Bewußtfein beruhigen, daß ich in jahrelanger Arbeit alle meine Kräfte daran- gejett habe, dem alten „Brehm“ möglichjt viel Neues einzufügen, ohne dadurc) aus jeiner Form und jenem Getjte herauszufallen. Der Geift des Werkes, wie er dem urfprünglichen DVerfaffer vorjchwebte und diefen in gewiffer Beziehung zu einem Klaffiter machte, war nun zweifellos der, an der Naturgefchichte des Tierreichs zeitgemäße, neuzeitliche Natur= und Welt anfchauung zu bilden. Im diefem Sinne aud an den vier Säugetterbänden das Nötige oder wenigftens dag Nötigfte ab- und zuzutun, den alten „Brehm“ im ein- zelmen zu erneuen, damit ev im ganzen wieder der alte werde, das war für den De- arbeiter eine jchwere Aufgabe. Ih habe fie fo angefaßt, daß ich zunächit eine ganz neue anatomische Einleitung gefchrieben und diefe veich) tluftriert babe, wobei Brofeffor Bol vom Anatomisch-Biologischen Injtitut der Berliner Univer- fität mir fehr danfenswerte Hilfe leiftete. Bei diefem „Blid auf die Gelamtheit der Säugetiere” habe ich aber die Betrachtung des Körperbaues auf diejenigen Gigentümlichfeiten bejchräntt, welche die Säugetiere von den anderen Wirbel- tieren, insbefondere den Bögeln, unterscheiden. Auch bei den verjchtedenen Säuge: tierordnungen bin ich immer in dem einleitenden Kapitel „Allgemeines“ wieder VIIL Vorwort. ähnlich verfahren, indem ich aud da das IAnatomifch-Charakteriftiiche in Wort und Bild hervorgehoben und bei der Illuftration an die Stelle der ftereotyp wiederkehrenden Skfelette der früheren Auflagen Lieber neue Abbildungen bezeich- nender Skelett: oder Weichteile gejett habe. Soviel ich vermochte, habe ich mic) Ächließlich auch bemüht, die Bedeutung jeder einzelnen Säugetierform im Haushalt der Natur aus dem Zufammenhang zwijchen Körperbau und Lebens- weile verftändlich zu machen, diefelbe tiefere Natuverfenntnis für die „Brehm“ -Lefer anzubahnen, wie fie fo vorbildlich Schmeil und andere für den naturgeschicht- lichen Unterricht in der Schule anftreben. So hoffe ih, an meinem Teile den all- gemein geäuferten Wunfch nad wiffenfchaftlicher Vertiefung von „Brehms Tier- (eben” mittel3 neuerer und neuefter Forfhungsergebniffe nicht ganz unerfüllt gelafjen zu haben. Ehbenfo galt mein Streben wefentlicher Erweiterung nad der Oeite der zeitgenöfftichen Säugetierfyftematif hin. Hierin wurde das „Dierleben“ auf die masgebende Grundlage des Trouefjartfhen Säugetierfataloges gejtellt und zugleid) der jehr vermehrten Formenkenntnis Rechnung getragen, die während der legten Jahrzehnte den meiteften Kreifen durch die zoologiichen Gärten vermittelt worden it. Wie ich die Zahl der bejchriebenen oder wenigjtens erwähnten Arten ver: mehrt babe, lehrt ein Vergleich der im erjten Bande behandelten Ordnungen der Kloafentiere, Beuteltiere, Infettenfreffer, Flattertiere, Zahnarmen, deren Inhaltsverzeichnis in der dritten Auflage alles in allem 79 Arten, in der vierten Auflage deren über 300 aufweilt. ES wird jest nicht mehr vorfommen, daß jemand ein im zoologilchen Garten oder Mufeum nicht ganz ungewöhnliches Säugetter im „Brehm“ vergebens Tucht. Die einzelnen Schiloerungen, namentlich auch des Lebens der Säugetiere, habe ich mich bemüht, in ihren Quellen deutlicher und dadurd zuverläfftger, lozufagen dofumentarisch zu gejtalten, daß ich die Gewährsmänner nicht mittelbar und verjchletert, Jondern unmittelbar, möglichjt zitierenderweife und mit biblio- graphiichen Nachweifen zu Worte fommen ließ. Die gelehrten Lefer, denen ich damit befonders zu dienen hoffe, bitte ich, aus dem volfstiimlichen Hauptzwed de5 Werkes es verjtehen zu wollen, wenn ich in diefer Beziehung nicht immer ganz exatt verfahren fonnte. Dies wirde die Lesbarkeit des Werkes für das große Publitumm z1 empfindlich beeinträchtigt haben. Anderfeits hoffe ich, mir einen gemwilfen Dank der Gelehrten dadurd zu verdienen, daß ich bei meiner Bearbeitung der „Säugetiere“ für deren Lebenstunde auch den Inhalt derjenigen Literatur auszumugen juchte, die in den wifjenschaftlichen Sahresberichten und Bormwort. IX Nachmwerjen zu fehlen pflegt. Ceit Sahren fehe ich zu diefem Zwed regelmäßig eine ganze Neihe in= md ausländischer Jagd» und Tierliebhaberzeitungen durch und habe die erfreuliche Überzeugung gewonnen, daß diefe große Mühe fich Tehr wohl verlohnt. Die wejentliche Erweiterung und die auberordentlichen Mittel, die Verlag und Herausgeber dankenswerterweile der Slluftration zuteil werden lieken, mußte den Säugetieren zufolge ihrer geringften Artenzahl verhältnismäßig am meisten zugute kommen. HZunächjt gereicht die große Anzahl Kuhnerticer Farbentafeln auch den Säugetierbänden m den Mugen jedes, der nur einen flüchtigen Blif hineinwirft, zu effeftvollem Schmude, zumal diefem vielgereiften Künstler ganz bejonders reichliche Gelegenheit gegeben wurde, Selbjtgejchautes aus Afrika und Indien darzuftellen. Aber auch andere hervorragende Tiermaler wurden gewonnen, ihr DBejtes zu geben; jo R. Friefe für nordeuropätches, 6. Rungtus für nordamerifaniihes Großwild. Schließlich, aber nicht zulekt, muß 8. %. Dartig bier genannt werden, der gerade die jchwierigften, weil nur indirekt, mittels bildlicher und Mufeumsvorlagen zu löfenden Aufgaben in einer Were bewältigte, wie dies mur durch ein ungewöhnlich glückliches Zufammen- wirken fünjtlerifcher Gejtaltungsfraft mit ebenjo großem wiljenfchaftlichen Interefje und Verftändnis möglich erjcheint. Die in diefe Auflage neu eingeführte photograpbiiche Slluftration kann wieder das Meifte und Befte bei den Säugetieren bieten, weil diefe vermöge ihrer Körpergröße und zahlreichen Vertretung in den Zoologifchen Gärten für den Bhoto- graphen die bequemften und bäufigjten Modelle find. Bon Säugetieraufnahmen ut denn auch im In= und Auslande ein großer Vorrat vorhanden, und aus diefem wurde das Gute und Bafjende genommen, wo e8 fich bot. Much einzelne glückliche Gelegenheiten juchte ich nach Möglichkeit auszunugen und fand in diefem Bejtreben bei Liebhaberphotographen und anderen Befizern interefjfanter Aufnahmen, vor allem bei meinen Kollegen, ftetS dantenswerteftes Entgegen- fommen. Zum Orundjaß habe ich photographiiche Slluftration bei ven Ralfen der Haustiere gemacht, weil diefe meiner Überzeugung nad) einwandfrei nur durd) anerkannte Ausftellungsfieger illuftriert werden können. In diefer Beziehung follen Haustterfenner und =züchter nicht mehr über den „Brehm“ Lächeln dürfen. ie im Texte felber, jo ift auch bei den Texrtzeihnungen mehr als früher darauf Bevacht genommen worden, die Quellen zu nennen, aus denen gefchöpft wurde. Hier ift auch die gegebene Stelle, den Vertretern der willenfchaftlichen Anftalten den jchuldigen Dank für ihre ebenfo bereitwillige als wertvolle Unter- Vorwort. ” jtügung auszufprechen, befonders Direktor Brauer und Kuftos Matjchie vom Königlichen Mufeum für Naturtunde, Diretor F. ©. Schulze und Kuftos Berndt vom Zoologischen Uniwverfitätsintitut bier. Troß diefer bereitwilligen Unterftügung von wifjenjchaftlicher Seite wird vieles in meiner Arbeit noch unvollfommen fein, zumal mancher Gefichtspuntt ganz neu bineingetragen und aller Anfang jhwer tft; um jo dankbarer will ich fein für jeden fachlichen Winf, wo und wie noch was beijer zu machen. Huch der Redaktion bin ich verpflichtet für mancdherlet Mitarbeit, Hilfen, VBor- und Nachprüfungen jowie für die Aufitellung des fyitematiihen Inhaltsverzeich- niffes und des alphabetifchen Negifters, und Ichließlich verdient noch Erwähnung, dab BP. Sahn- Franktınt a. M. mit feinem ungewöhnlichen Willen und Gedächtnis die einwandfreie Geftaltung des Textes durch Mitlefen der Korrekturen jehr gefördert bat. Berlin, Zoologifher Garten, März 1912. Ludwig Her. Juhalts=Überficht. Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere Seite 1 1. Unterflaffe und 1. Ordnung: Bloakentiere (Monotremata). Familie: Schnabel- oder Ameifenigel (Echid- nidae). Seite Echidna (Schrabeligel) . 61 Auftraliiher Schnabeligel, E. "event typica Shaw £ ol Bapuaniicher Schnabeligel, m a. lJawesi Rams. Per :02 Tasmanischer Scnabeligl, an a. setosa E. Geoffr. : 62 Pro&chidna orenbelige) zul 2. Unterflafje und 1. Unterordnung: Polyprotodontia. Familie: Bentelratten ee Didelphys 99 or ertnäihes oo, D. ee niana Kerr. : 100 Cajaca, D. paraguayensis Oken ? 107 Metachirus 108 Sihleinanzkeulelratte, A. erassteandatne Desm. 108 Caluromys ee an Note Wollbanrbeutefratte, ei laniger Desm. i 110 Selbe MWollhaarbeutefratte, c nhalender Linn. . 110 Marmosa . e ll Amergbeiitelvakte, m. Beillk Dean. 111 M. murina Linn. . ; 112 M. emiliae Thos. . 112 M. beatrix 7hos. . 113 Peramys ea «118, °| Dreijtreifige Bentelfpiemans, P. ameri- | cana Müll. . 113 | P. domestica Wagn. 114 Dromiciops 115 D. gliroides Thos. 115 Chironectes . a Schmwimmbeutler, Ch. minimus Zimm. 116 2. Ordnung: Seite Druiinfcher Langjchnabeligel, P. bruijni Ptrs. et Doria . =. 12 Schwarzitacheliger noabeigrn 8 nigroaculeata Rothsch. . 72 Familie: Schnabeltiere (Ornithorhynchidae). Ornithorhynchus : 72 Schnabeltier, O. anschas Sn ö 72 Waitorefi 86 Beuteltierre (Marsupialia). Samilie: Naubbeutler (Dasyuridae). Anteiienbeutler (Myrmecobiinae). Myrmecobius ß 119 Ametfenbeutler, M. fees Waterh. . 119 Eigentlihe Naubbeutler (Dasyurinae). Phascologale (Beutelipighörnden) . 122 Tafa, Ph. penicillata Shaw . . . . 122 Beutelgilbmaus, Ph. ir Waterh. 123 Sminthopsis . 124 S. fuliginosa Wagn. . le DDR Weihfüßige Beutelfpigmaus, S. a Waterh. . R 125 Dijchmänzige Beutelfpikmaus, S. crassi- caudata Gould. 125 Dasyuroides . 125 D. byrnei Spencer 125 Antechinomys u te Fe 125 Deutelipringmaus, A. Janiger Gould 125 Dasyurus (Beutelmarder). 126 Gemeiner Tüpfelbeutelntarder, Dr viver- rinus Shaw . 127 Geoffroys Bene, D. en Gould R 128 Vordauitraliicher Beeren) D. hal lucatus Gould . 128 Neuguinea -Beutelmarder, D. ehe tatus Schl. 128 XI Seite Sleckiehwanz-Beutelmarder, D. macu- IE JEGIER ern ek) Sarcophilus . . . . no 1) Teufel, S. satanicus Thos. ee u OL) Thylaceinus . . . 132 Beutelwolf, Th. onocerhalts Bas 132 Yamilie: A Notorycetes . ... 4 134 | nhlone San . 184 | Beutelmaulwurf, N Samnilie: Benteldadyfe (Peramelidae). Beragale . . 2 521400 Ohrenbeutelbadhs, P. ot Reid 1400) Ban Mafenbeutler). . . . „142 tafenbeuteldachs, P. nasuta Geoffr.. 24 Guns Streifenbeuteldahs, P. gunni Gno. .. 144 Wejtauftralifcher Eheifenheuklbats, P bougamvill&i Q.@. » 7... 8.144 P. fasciata Gray . . . 144 Sturznafenbeuteldachs, P. beta Gar. 145 BedoreyanaQ, Ge. ra rn 27 Choeropus . . . 148 | Schweinsfuß, Ch. atanots a A 2. Unterordnung: Diprotodontia. gamilie: Kfetterbentler (Phalangeridae). Tarsipedinae. Tarsıpes . . .» 151 üfjelbeutler, 7. ee et Ver. 151 Stleinbeutler (Phalangerinae). Distoechurus . . 154 Sederichiwanz- ana D. ir Pirs. 154 Acrobates Omarsflugbeitien) 154 A. pygmaeus Shaw . 155 A. pulchellus Rothsch. . 155 Dromicia (Schlafmausbeutfer) =3:196 Diefhwänziger Schlafmausbeutler, D. Dana Desm.. mn. Far 156 Gyamobelideusen 0. Nez Alughautlofes Beuteleihhorn, G. lead- beateri McCoy. . 2. 2... 0158 | Petaurus (Slugbeutlr) . . . 2 22.2.1538 | Kurzlopf - Slugbeutler, P. breviceps Waterh.. . . este) Eichhörnchen: Sttobeutier, P. sciureus DR no Sa Bee Dactylopsila. . . . er lo Streifenphalanger, D. trivirgata EN 162 Petauroides . . . . a 1 Kiejenflugbeutler, P. ln Kr she Pseudochirus (Ningelihwanz-Rhalanger) . 163 Inhalts-Überfidt. Gewöhnlicher a‘ P. peregrinus Bodd.. . . . „ 163 Dafiphalanger, P. lemuroides Co 1. . 164 Weitlicher Ningelichtvanz - a 18, occidentalis Thos.. . . . 164 Eoofs Ningelihwanz - inter, 'p4 cooki Desm. . . . 165 Gelber Rhalanger, P. eher Colt. .=165 Dahls PBhalanger, P. dahli Coll.. . . 165 Pralbertisifzors.. 2, 22 2 Pl BP. schlegele Jene. 2. 4. Ze 66 P. canescens Waterh. . - : » . . 166 B.forbesie7 hose 6 Phalanger (Kusfus) . . . . 166 Züpfelfusfus, Ph. maculatus E. Geoffr. 167 Trichosurus (Kujus) . . . 169 Gewöhnlicher a T. yulpesala Kern 170 Dunkler Fucskufu, T. v. ee op 173 Hund3lufu, T. caninus O9. _ . . . . 174 Deutelbärartige ee Phascolaretus . . . ee Stoala, Ph. einereus Goldfuß . TA Hamilie: Plumpbentler (Phascolomyidae). Phascolomysr. er De var He: we le Tasmaniicher Wonbat, Ph. ursinus GUEST ee Mitchells WW Breititienwontbat, ombat, Ph. mitchelli Owen 181 Ph. latifrons Owen 182 Familie: Springbentler (Macropodidae). Greiffußhüpfer (Hypsiprymnodontinae). Hypsiprymnodon . . . es 5 les) Öreiffußbüpfer, H. neSch ine Rams. . 188 Stängurubratten (Potoroinae). Bettongia. . . lt DOpofjuntratte, B. Heel Gray 9,190 B. eunienlus:Og2 22 27 mu 2 2 ea B. Jesuenri:0. Gr. nF. re Aepyprymmuus . . . ee al Note Kängurubratte, s Tufbacns Gray 192 Caloprymnus . . ar ılh) Serben Ü. campestris Gould! 2.2 = El 93 Potorous ... . 5 0 oleR: Eigentliche ne p. tridac- tylus Kerr RE Ne 5 194 P. gilberi 'Gowa. NEE 272, 196 Känguruhsinengern Sinne (Macro- podinae). Lagostrophus . . . il Sebändertes Ränguruh, L. fasciatus REN TOSp2 We N Eee 910 Inhalts-Überjidt. Seite Lagorchestes (Hajenlänqurußs) . . . 213 Rotbauchfängurud, M. billardieri Desm. Semwöhnliches Hafenfänquruh, L. Ip Derbyfänguruh, M. eugenii Desm. . roides Gould Van er. 214 | Barntafänguruh, M. parma Waterh. Bottiges Hafenfängurud, L. irenins | Bedfordsfängurud, M. bedfordi Thos. Gould : 214 Bademelon, M. thetidis F. Cuv. . Brillenfängurud, L. Gereiletus Gould 215 Brown Slänguruh, M. browni Rams. . Leichhardts Brillenfängurud, L. ec. leich- Arufängurub, M. brunii Schreb.. hardti Gould : ! 215 Gebranntes Kängurud, M. ee Onychogale Nageiswanzlänguuße). 215 Gould. Zügelfängurub, O. frenata Gould 216 Vilcor -Sängurud, m. leo Moby. Halbmondfängurud, O. lunata Gould 217 Kap York-FKängurud, M. coxeni Gray . Vagelihwanzkängurub, ©. unguifera Slinfes Kängurub, M. agilis Gould . Gould a ls: MER EEITE Bennett3 Kängurub, M. bennetti Gould Petrogale (Felfenfänguruße). er 218 Rothalsfängurud, M. ruficollis Desm. . Selfenfänguruh, P. penicillata Ga . 219 Nüdenjtreiffänguruh, M. dorsalis Gray Gelbfußfängurud, P. xanthopus Gray. 219 Schwarzichwanzfänguruh, M. ualabatus Pabrachyotis. Gould el Less. et Garn. . Kleines Feljenfängurub, P. coneinna Greys Känguruh, M. greyi a. Gould Se: ee) Srntafänguruh, M. irma Jourd. . Dendrolagus (Baumkängurußs). 223 Barrys Stängurub, M. parryi Benn. Bürenfängurub, D. ursinus Schl.et M in, 224 Wallaroo, M. robustus Gould Braune Baumfänguruh, D. inustus M.r. argentatus Rothsch. . Schlaer MdL. ah: 295 M.r. erubescens Sci. Großes Baumfänguruh, D. maximus M.r. alligatoris Thos. Rothsch ae 2 : 225 | M.r. woodwardi Thos. . Bennett Bauimlängurud, D. henaektin. Hirfchlänguruh, M. r. cervinus Thos. nus Vis . 225 Siabellfängurub, M. r. isabellinus Gould Dorcopsis . enlick ar: 227 Notes Riejenfänguruh, M. rufus Desm. D. mülleri Sehl. RENNEN a 228 Antilopenfänguruß, M. Me Macropus (Öroßfußfängurußs) . 229 | Gould Kurzihwanzfängurub, M. en urus Sraues Nietenkingurun, Mr. ataiene GR. 230 Zimm. 3. Unterflaffe: Monodelphia. 3. Ordnung: nfeftenfreffer oder Kerfjäger (Insectivora). Samilie: Borftenigelartige (Centetidae), OÖ. gracilis F. Mayor Eigentliche Borjtenigel (Centetinae). Mi 0 Ex Zeuge \ ierogale i Centetes (Borjtenigel) . 263 | M. longicaudata Thos. Tanref, C. ecaudatus Schreb.. 263 . R, : - |. Limnogale : Hemicentetes (Halb-Borjtenigel) . 265 L. mergulus F'. Mn yor. Streifentantef, H. semispinosus @. Cuv. 265 Geogale Schwarzfopftanref, H. nigriceps Gthr. 295 ts L _E E Gr ie di ” Erieulus (Sgeltanrel) . 265 Gemwöhnlicher Sgeltanref, E. setosus SERKEDE 2. 262 ) > nr Telfairs Igeltanrel, E. telfairi Martin 265 Potamogale . 3 Otterjpimaus, P. Tele Du Chaillu XIII = = ID 0 Q DD m DD oa D&D @& oo on — DD ID W mE 266 266 266 266 266 264 266 266 Familie: Otterjpismansartige oa: 266 266 Neiswühlerartige (Oryzoryctinae). Familie: Schlisrüfler (Solenodontidae). Oryzoryctes (Reistanrets) 266 | Solenodon OÖ. tetradactylus A. M.-E. et rar 266 | S. paradoxus Brät. O. hova Grandid. 266 | Almiqui, S. cubanus Ptrs. 268 268 2683 XIV Seite Familie: Goldmulle (Chrysochloridae). Chalcochloris ; 271 Hottentottenmiull, Ch. Holtentorne "Smith 271 Stumpfmull, Ch. obtusirostris Pirs. 271 Chrysochloris al Kapifcher Goldinull, Ch. aurea ‚Ball. 271 Ktiefenmull, Ch. trevelyani Gthr. 271 Familie: Spismausartige (Soricidae). Spigmäufeim engern Sinne (Sorieinae). Sorex (Spigmäufe in engjten Sinne) . . . 276 Waldjpibmaus, S. araneus Linn. . . 276 Alpenjpigmaus, S. alpinus Schinz . . 281 Zwergipismaus, S. minutus Linn. . . 281 Eoopers Spigmaus, S. cooperi Bachm. 283 Amerifaniihe Spibmausarten ’ 2 Neomys (Wafjerfpigmäufe) . » . 2... 284 Wafjeripigmaus, N. fodiens Pall. 2 [e e) Qu Veldjpigmäufe (Crocidurinae). Grocduras en: .....290 Hausjpigmaus, C. ET: Hon mM. : . 290 Veldipigmaus, C. r. leucodon Herm. . 291 Groge Spigmaus, C. flavescens Js. Geoff 2.» 5 N Wimperjpigmaus, © Aa San ea 292 Bachyura-.." 2a Yertes ae 2 298 Braune Mojchusipismaus, P. murina Imm. :.» 292 Graue Mofäusfpismaus, Pr. Kasales DR a Heliosorex . . nA an 29 H. roosevelti a mie IB Diplomesodon . . . Ch D. pulchellus Tichtn. RSS EENL LOS Anurosorex . . . Sa a 293 A. squamipes 4. m. AR ee 293 A. assamensis Anderson . 2» 2. ...293 Chimarrogale . . . DT 7 E23 Ch. himalayica Gray . . . . .... 298 Ch. platycephala Tem... . . ......293 Neetpealar ar. ee ee gg N.telegans A. ME. 2 N 2 er 993 Samilie: Maufwurfartige (Talpidae). Bijamfpigmäufe (Myogalinae). Uropsilus. . . Aa DIA U. sorieipes A M. -E. a Browmichus an a u ER al Spismull, U. talpoides Tem... . . . 294 N@urotrichus. . . . *. 294 Myogale (Bii anifbibmänfei tm engern Sinne) 294 Bifamfpismaus, M. pyrenaica E. Geoffr. 295 | M. moschata Pall. . . . . 295 | Desman, Anhalts-Überjidt. Seite Maulwürfeimengern Sinne alle a SEE: .. 500 Paaneiiiher teen s. aqua- tieus. Zinn a ee 00) ECHVanDE ta Pe A| S.breweri, Bachm. rer 30 C Mn laraser 0: a 302 Sternmull, ©. ae on 1.2302 SeaptonyX,7 ou... 0 2 ea Talpaı un 1930) Maulwurf, m. europaea nn, E03 Nömifcher Maulwurf, T. romana Thos. 320 Blinder Maulwurf, T. caeca Sa . . 320 Altati- Maulwurf, T. altaica Nikolsky . 320 Langrüfjel-Maulwurf, T. longirostris ALM ER. 2 a 20 Surzihwanz - Maulwurf, micrura Hdgs.. 1 en T.zobusta Nehrg. 2 en en a! Yamilie: Sgelartige (Erinaceidae). Sgelimengern Sinne (Erinaceinae). Erinaceus. . . a WE N 32 E. albulus Stol. RE 32A DE ERSENIEL JE 5 een B.xconcolor Martın. ru 324 E. algirus Dw. . . . 282 E. europaeus dealbatus Sirinh, er 32n Sgel, E. europaeus Zinn... „ . 22.827 Ausländiihe Igel. . .» . nu. m .0844 Haarigel (Gymnurinae). Hylomys..22. RER en A) Stleiner Siena H. suilla Schl. et DU ET ee ee Bl Gymnura . . . 346 Großer Fattenigel, 6. gymnura Raffl. 346 Yamilie: Rüffelfpringer en Macroscelides . . : el) Elefantenfpigmans ; M. proboseideus SHOT: EIN Br Stlippen = Nüffelfpringer, M. rupestris 4A. Smith . . 549 Norvdafrifanifche Stefantenbihmans, An TOZetIE UV ee : dd Petrodromus (Rüffefratte) a ae ae Bo Prtetradactylus Zorss er r 5 pl Bierzehige Rüfjelratte, P. sultani Thos.. 351 Rhynchocyon (Rüffelhündden) . . . . . 8352 Geflectes Nüffelhündchen, Rh. eimei Pins. u.n 20 220 3 Neichards Rüfjelhündchen, Rh. reichardi Ich 352 Betersiches Niffelbtindehen, Rh. Da Inhalts-Überficht. Dunkfles Nüfjelhünddhen, Rh. stuhl- En manni Misch. 353 Hamilie: Spishörndhen (Tupaiidae). Tupaia. 354 Tana, T. Gans Raffı. A 354 Malaien-Spishörnden, T. Pereineh Rafl.. 356 I xV Seite Ptilocerecusen > 356 Sederihwänztges Chieböruben, P. lowi GE en 336 Familie: Pelzflatterer (Galeopithecidae). Galeopithecus . . . 50 Staguang, G. volans en, 20.809 4. Drdnung: Ylattertiere (Chiroptera). 1. Unterordnung: Groß-Zlattertiere (Megachiroptera). Familie: Flughundartige (Pteropodidae). Pteropinae. Pteropus (Flughunde im engiten Sinne) . 397 Stalong, P. celaeno Herm. . i 397 Alugfuchs, P. medius Tem. - 400 Bürenflughund, P. pselaphon Tem. . 406 Roussettus (Nadhthunde) . 2... 41406 Balmenflughund, stramineus E. Geoffr. 406 Kilflughund, R. enlie E. Geoffr. 407 Halsbandflughund, R. collaris IT. 407 Alughunde deuticher Stolonien 409 Cynopterus (Surznajen- Slughunde) 410 Gemwöhnlicher Kurznajen- Flughund, C. sphinx Vahl 3 410 Grandidierd Ylughund, C. enlihss Pirs. 410 Pteralopex (Höderzaptr- ee all Epomophorus (Epauletten - Slughunde) 411 Hanmterfopf- Slughund, E. monstrosus Allen . 5 411 Epauletten - Slughunde Dehlier Solonten 413 Langzungen-F$lughunde (Carponycterinae). Lanazungen- Zlughunde Deutich- ee 414 Carponycteris 414 Stleiner en afand) 0. mi- nimus E. Geoffr. 414 Eonyeteris 414 Söhlenttiggeune E. en Dobe: 414 Nesonycteris. . . . hal Woodfords u uahind, N. woodfordi Thos. 414 | 2. Unterordnung: Bleinfledermänfe (Mierochiroptera). Sektion: Freifhwänzige (Emballonurina). Yamilie: Klappırafen (Rhinopomidae). Rhinopoma (Stlappnafen) . 416 Hgyptiiche lappnafe, Rh. ere Ti E. Geoffr. 416 Samilie: Glattnafige Freifchwänze (Emballo- nuridae). Emballonurinae. Saccopteryx (Tajchenfledermäufe) . 417 Taphozous (Grabflatterer) A EEEATE Nadtbäuchiger Orabflatterer, T. nudi- ventris Ortzschm. . 418 Grabflatterer deutjcher Stolonien . 418 Col&ura (Doppelnajenflatterer) . 418 C. afra Pirs. 418 Schmwanzfledermäufe (Diclidurinae). Diclidurus 418 Weihfledermang, D. alkue w ER 418 Samilie: Hafenmanfflatterer (Noctilionidae). Molossus . 420 Note Buldoggfidemas, MH. ae E. Geoffr. 420 Stajtanienbraune Pulboggftebermuus, M. glaucinus Wagn. . 420 Sroßohrige al lea Mm. pe- rotiss Vfiedms na ao Chiromeles 421 Vactfledermaus, Ch. aan: Horsf. 421 Nyctinomus (Faltlippenfledermäufe) . . . 422 N. taeniotis Raf. . 422 N. johorensis Dobs. . 422 N. australis Gray 422 Mystacops / 423 anfeelandiliherraus? M. enbereuläte Gray . 423 Familie: Blattnafen (Phyllostomidae). Blattfinne (Mormopinae). Chilonycteris 429 Mormops „ 2: N RN ar 29 Blainvilles Blattkinn ; ı“. blainvillei Leach. 429 Eigentlihe Blattnafen (Phyllostominae). Vampirus. er 430 Großer B Bamkir, v. nee Linn. . 430 Lonchorina 43] Stleiner Bampir, L. aurita Binms 431 XVI Seite Phyllostoma (Spießblattnafen) . as Gemöhnliche a e, Ph. hasta- tumepalar a an u ch Hemiderma . . . ee 32 Brillen - Blattnafe, H. perspieillatum NT I ee Glossophaga . 432 Spigntausartiger A ee G. soricina Pall. 3 i 433 Phyllonycteris ERS ter, Vorne 53) Sezeforns Langzungendanıpir, Ph. seze- kornlıGal.veirBivs: ee 2488, Artibeus 5 434 | A. jamaicensis reach 434 A. planirostris Spix . 434 en k 454 Sadonkilun Aosse 434 Uenturio 454 Diphylla . . 435 Stleiner Sales, D. eandale a A430 Desmodus. $ ea Großer Blauer, D. rotundus E. Geoffr. 435 Sektion: Bindefhwänzige(Vespertilionina). Samilie: Hufeifennafen (Rhinolophidae). Hipposiderinae. Hipposideros. 2 ; 437 H. commersoni E. Geoffr. 5 437 H. ce. marungensis Noack . 437 H. caffer Sund. 437 H. armiger Hadgs. 437 Hipposideros= Arten Togos . 438 Triaenops . : 438 Dreizacdnafe, T. äfer Pia, 488 Anthops 438 Blumennafe, Me Ans Thos. 438 Cigentlihe Hufeifennafen (Rhinolophinae). Rhinolophus . Ta 439 Swergbufeifennafe, Rh. Sn Bechst. 439 Große Hufeifennafe, Rh. ne equi- num Schreb. EIeE i 441 Außereuropäifche Ehinolophnsiefeien . 444 Samilie: Glattnajfen (Vespertilionidae). Barbastella (Breitohren) . u EHER Mopsfledermaus, DB. barbastellus Schreb. 447 Plecotus . r Ä 448 Ofrenfledermang, P. Aura Di i 450 Snhalts-Überfidt. Vesperugo BSiwer afledermaug, Y. Pine ein Sonn Abendjegler, V. noctula Schreb. Nauharmige Alederniaus, V. Torsten Kuhl . Spätfliegende Sebermanz, v. esasktn Schreb. Umberfledermaus, V. Note Na Bweifarbige Fledermaus, V. murinus Dan.» Didfuß, V. Dach ern. Vesperugo=-Xrten deutjcher Kolonien Silberhaar- Fledermaus, V. noctivagus TEC wi er I Seletterfledermaus, V. nanus Ptrs. Schwielenfuß, V. tylopus Dobs. . Batjan-Schwielenfuß, V. batchianus Mtsch. 2 Nycticejus (Scwirrfledermänfe) Grüne Fledermaus, N. borbonicus Geoffr. Surzohrfledernmaus, N. schlieffeni Ptrs. Lasiurus ; 5 Weifgraue Elche. L. Bahs= Note Fledermaus, = oral Müller Murina Weibauch- fe 4A. M.-E. Myotis (Mausohren) ß Wafjerfledernaus, M. daubeatonm Tieie) Teichfledermaus, M. dasyeneme Boie Bartfledermaus, M. mystacinus Leisl. . Note Bartfledermaus, M. bocagei Ptrs. Mausohr, M. myotis Bechst. . Großohrige Fledermaus, M. bechsteini Leisl. . Öefranite Kuhl . ; Gerwintperte Flederntaus, M.. emarg se E. Geoffr. ı Welmwitichs Fledermaus, A. w elmitschi Gray . Braune Lee. Kerivoula. ; Schmetterlings= Sichern, ® Diet Pall. le ie ER, K. africana Dobs. Miniopterus . M. schreibersi Nat M. scotinus Sund. Thyroptera Myzopoda. cinereus M. leucogastra ledermaus, M. nattereri Sledermaus, M. lucifugus > [eN Inhalts-Überfigt. 5. Ordnung: Erdferfel oder Nöhrchenzähner (Tubulidentata). Seite Samilie: Erdferfel een Oryeteropus . Stapiiches Eröfertel, 0. capensis Enel, 479 480 O. aethiopieus Üthiopifches Erdferfel, Sund.. F 6. Ordnung: Schuppentiere (Pholidota). Familie: ee (Manidae). Manis . : . 493 Ce lmaarihuhpeniier, M. tetradae- tyla Linn. ; 7193 Dreizadiges Shunbenten M. re, Raf. 495 Steppenjchuppentier, M. temmincki Smuts . 5 E Pangolin, M. pentadactyla Linn. Hinterindifches Schuppentier, M. javanica Desm. h ; 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere (Dasypodidae). Weihgürteltiere (Tatusinae). Tatus . 506 eungiirteliges Beidgitlie, T. no- vemeinetus Linn... 506 Sceidenihwanzgürteltier, T. uroceras Lund . RN 5 508 Gr inansnlirieliier a. Tybridns NEST IE Arssy here, een hr DOS Hartgürteltiere (Dasypodinae). Dasypus Erna 508 Bremolfiges Gürtettier, D. villosus Fisch. : ; 509 Swerggürteltier, D. na men 509 Weigboritengürteltier, D. sexcinetus Linn. . 510 Uabassus adiiömangiiriettierey. 516 Ü. unieinetus Zinn. . 517 C. u. gymnurus Il. . 517 Priodontes 518 Niefengüixtektier, P. Baia E. Geoffr. 518 Tolypeutes ; h 520 Kugelgürteltier, 7. she Te 520 Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. T. conurus Js. Geoffr. . T. muriei Garrod. Sürtelmtulle (Chlamydophorinae). Chlamydophorus Sürtelmaus, Ch. na Bar, ln Ch. retusus Burm. XVII Seite 480 495 497 499 Samilie: Ameifenfrejier (Myrmecophagidae). Myrmecophaga . 528 Großer Ameifenbär, m. idaetyin Timm 528 Tamandua 538 Tamandua, T. ralkele a 538 Cyclopes 542 A ergameirenneire C. Udachyius Te 542 Samilie: Fanltiere (Bradypodidae). Choioepus (Zweizehenfaultiere) . 547 Unau, Ch. didaetylus Zinn. . 547 Bradypus (Dreizehenfaultiere) 548 At, B. tridactylus Linn. 548 Kapuzenfaultier, B. cuculliger Wagı. 548 Stragenfaultier, B. torquatus ZU.. 549 Nupbraunes Faultier, B. infuscatus Wagl.. { 549 Braunfopffaultier, B. chen: EN 549 II Berzeichnis Larbige Tafeln. Eingeweide einer Doggenhündin (mit Decdblatt) Bruijnicher und ne an Ichnabeligel . Schnabeltier Beutelipringmaus Beutelteufel Beutelmaulmwurf (mit Dertblatt) . Dieihmänziger Sen, R Stoala Bennetts Bonmlingur Ha Notes Niefenfänguruh . Dtteripigmaus Stapiiher Goldmull . Maulwurf. gel. : Norbafrifanifce Elernienplämaus Alugfuds . 2 Bwergbufeilennaje Großer Ameijenbär . Bolivifches Dreizehenfaultier . Schwarze Tafeln. Gierjtod und Gi | Gefhmadsorgane | Haut und Haar | Herz J Sfelett eined Bavians (mit Deckblatt) Schädel | Sebi; | Seloafentiere 1. Schnabeligelei, aus ee bett genomz men. 2. Schnabeltierei. der Abbildungen. Seite 3. Schnabeligelweibchen mit Jungen. 4—6. Sunger Schnabeligel von umter, von vorn umd von der Ceite, Schwarzitahheliger Langfchnabeligel. . . . 72 Beirtelltereul, 0 nase 22 200 2er 200 1. Mucura. 2. Grokohr = Opoffunt. 3. Dutica. 4. Gelbe Wollhaarbeutelvatte. 5. Snethlages Ziwergbeutelvatte. . Catita. Beuteltire I. . . . . ee 3 = Gemeiner <üpfelheutelmarber. 2. Niejenbeutelmarder. 3, u. 4. Beutelivolf. Beiteltiere I Men 2 an ei) 1. OhrenbeuteldachS. 2. Najenbenteldache. 3. Kurzfopf = Flugbeutler. 4. Eichhörnchen = Flurgbeutler. Beuteltieren Ve ne 016 1. Streifen = Phalanger. 2. Gewöhnliher Ningelihiwanz = Bhalanger. 3. Tüpfelfusfus. 4. Hundskufu. Beuteltiere Vz 22: a 192 1. Südmwejtauftralifche hoffinmiatte, 2. Rote Küngurubratte. 3. Bügelfängurud. 4. Nagelihwanzfängurud. Beuteltiere Vin. rl 1. Bennett Baumfängurud. 2. Feljenfünguruh. 3. Derbyfängurud. 4. Notbauchfängurud. Beuiteltiere nV Tees ee are 234 1. Zlintes Kängurud. [e>) 2. Rothalsfängurud. 3. Schwarzihtwanzfängurun. Beutelttere VILL . 1. Srmafängurub. [80] (eb) PBarıys Kängurud. . Barırys Künguruh mit Zungen. 4. Bergfängurud. Beuteltiere IX. ? N, Nötliches Bergkän Ah. 2. Sirjchfänguruh. 3, Graue Niejenfüngurud. 4. Albino vom Grauen Riejenfängurud. Snieftenfrejier I . r rom . Tanref. Sgeltantek. . Waldjpißmaus. . Schligrüßler. Snieftenfrefjer IL 1. Großohrigel. 2. Algier=Sgel. 3. Klippenrüfjelipringer. 4. Bierzehige Nüfjelratte. Sederihmwänziges Spishörnden . si: Merkwürdige ausländiiche Fledermäufe . . 366 Slattertiere I . 1. Schlafbaum liegende Sinuhe 2. Auftealifcher Flughund. 3. Malatifcher Flughund. Sn RR: le 2. Große eine 35 ee 4. Ziwergfledermaus. 5. Abendjegler. Mausohr Stapiiches Exdferfel Athiopifches Exdferkel| Schuppentiere I . 1—4. Weißbaud) = Schunpentier.. Schuppentiere II . Re 2. Steppenjchuppentier. Xenarthra Il . oovwr a . Langihwänziges Beihgürteltier.. . Weißboritengürteltier. . u. 4. Kugelgürteltier, zufammtengerollt. . Kugelgürteltier. Xenarthra II. S: Sroger Ameijenbär, een Zunges. 2. Großer Ameifenbär. 3, u. 4. Tamandıa. Xenarthra III 1-3. ke 4. u. 5. Biweizehenfaultier. Berzeihnis der Abbildungen. Seite | 278 356 394 450 538 ou > 180} Selljtiide von Grypotherium domesticum . 564 Abbildungen im Oert, Gliedmaßenendjtüc eines Nagelfäugetieres im Längsichnitt (Affenfinger) . Gliedntaßenenditüid eines frollenfäugetieres im Längsichnitt (Hundepfote) . Shiedmapenendjtüd eines Huffäugetieres im Längsschnitt (Wferdefuß) - Milhdrifen eines Scugeliereg (Gejäuge von Schwein) Placenta . : Säugetierfchädel il Be boppelen Gelerfoer bindung zum erjten Halswirbel (Delphin) . Erjter und zweiter Halswirbel eines Säuge- tieres (Bernhardinerhund) . : 1 Hintergliedmaßen von Sohlen- und gehen gängern Gehörfnöchelchen de3 Sigeiierea (Mferd). Schädel von Tritylodon, aus der N nation Südafrilas Vielhöderige Zähne von mgeheran aus hen Streideformation Nordamerikas Südafrifaniiche Theriodontenreite Vülchdrüfen des Schnabeligels Unterjeite eines weiblichen Schnabeligels Ar Brutbeutel . N Embryo des Schnabeligels ns Enahre Schüfjelförmige, amı Nande höderige Milch- zähne aus Unter- und Oberkiefer des jungen Schnabeltieres und vergrößerter Zahn eines Bielhöderzähners . 2 Hornzähne des ausgewachjenen Shuabeltiers Bedengegend und linfer Hinterfuß des Schna- belttiermänndens mit dem Sporn ; Bertenjfelett des Schnabeligels mit Beutel- fnoden . Nechter Borderfuß de Wafferf Hiabeltieres Linfer Vorderfuß des Wafjerfchnabeltieres Stellungen des Waijerichnabeltieres Stüd der Wirbeljäule eines Beuteltieres I Beden und Beutelfnocden . Beuteltierunterkiefer von hinten und von Br Seite Kopf eines etiva 2 Monate en Ben vom Bennettsfänguruh . Beuteljunges an der Hibe . Er 2 Geöffneter Beutel mit Jungen an der Bie ö Zwei Beuteltierfchädel (Bflanzenfreffer und Sleiiähfreifer) . Hinterfuß eines Beuteltieres ai Shnbaftylie und nagellofer Daumenzehe Kordamerifaniiches Opoffunt . Dilfhiwanz- Beutelvatte Dreijtreifige Beutelfpißmaus . Schwimmbeutler. ee 10 ou [e>) I 1 DD oa X 0,0] 90 RXX Pa we Ametjenbeutler Tafa Schweinsfuß . Küfjelbeutler . Zwerg = Flugbeutler . Zangenhand eines Fingelfeitvanz -Bhnlangers Schädel eines foiftlen aujtralifchen Riejenbeut- levs ; Tasmanifcher ombat. Fünfzehiger Hinterfuß des Greiffußhüipfers Sreiffußhüpfer \ Hinterfuß eines Slielenfännurnne a an Rushändcden . Gebändertes Känguruh eh aa ht8 af en- fängurud Selbfußfängurud Känguruh-Meuffeln . Obere Zahnreihe von Selercdın I a dura. Aa Hr Gehirn von ie ee : Almiqui ß i Waldipismaus und ne N Wafjeripigmaus . Winperipimaus Spismull . Desman Schädel: echter Oberarmnoden: 2 der Spigmaus . Vorderfuß des Maulvurfs Sternmull. Hautmusfel des Jgels in rien Bultande Rattenigel . TZana Kammzähne von Galesstthöcne a Ktaquang Serippe einer es in ee ar tung . i Gerippe einer en See B Schädel eines fruchtfrefjenden und eines infet- tenfrejjenden Flattertieres . P Senfrehter Duchfchnitt der 5 ee von Vesperugo serotinus 1 der Spibmaus, 2 des Maulwurfs 1 des Maulwurfs, Seite 120 | 123 | Berzeihnis der Abbildungen. Haare von Flattertieren i Unvollfommene Hafticheiben und ausgebildete Saugicheiben an Hand und Fuß verfchie- dener ledermäuie Gerippe des Kalong.. - Slughund, eine Frucht en Kopf der Nöhrennafe Ktalong . ä Halsbandffughund il ae : Präparat von einem männlichen sein, thus monstrosus, um den Niejenfehlfopf zu zeigen Stlappnafe Großer Bamıpir . Große Hufeifennafe . Mopsfledermaus Obrenfledermaus Swergfledermaus Abendjegler Wafjerfledermaus . Zähne von Erdferfel Stüd eines Querjchnittes durch einen an von Orycteropus capensis Bon Manis trieuspis: 1 eine Schuppe, mit zwei Stümpfen von Schuppen Nechter Borderarm und Hand von Dasypus gigas S Das Brujtbein mit De innenkanteiberhrer terungen von Tatusia Niejengürteltier . Gürtelmaus Großer Ameifenbär: 1 Borderteil de8 Steletts, 2 Unterkiefer und Brujtbein mit Zunge und Bruftbein- Zungen -Musfelapparat . Handinohen: 1 vom Großen Anmeijenbären, 2 vom Zwergameijenfrejjer Swergameijenfrejjer Nechter Borderfuß von Baier ae tylus ; Schädel des Bmeehenfalins A A Stelett des een americanum Sfelett des Mylodon robustus Glyptodon claviceps 2 Haut ECeite 368 Ein Bli auf die Gejamtheit der Sängetiere, Mie den Vogel an feinen Federn, jo erkennt man das Säugetier an den Haaren, und ebenfo wie dem Vogel durch jeine Federn, jo wird dem Säugetier durch dieje Haare, die ihm eigentümlich find, der Wärmejhuß gegeben, den e8 al Warmblüter, wie der Vogel, ganz bejonders nötig hat. Die Haare halten, wie die Federn und unfere fünftlihen Kleider, eine Lufthülle rings um den Körper feit, die die Abkühlung verlangjamt. Die Haare find Gebilde der Säugetierhaut (Cutis), die ebenfalls ihre Eigenart hat (Taf. „Haut und Haar“, ©. 10). Bon ihren drei Schichten, Oberhaut (Epidermis), Yeder- baut (Corium) und Unterhaut (Subeutis), zeichnet fich die mittlere durch ungewöhnliche Mächtigkeit und Feltigfeit aus: was wir Xeder nennen, ift nichts anderes als diefe Xederhaut in der Bearbeitung, die ihr der Gerber angedeihen läßt. Die Oberhaut anderjeits bejteht aus einer innern fogenannten Schleimfehicht mit weichem Gewebe, jaftreichen Zellen, und einer äußern Hornjihicht mit trocinen, vollftändig verhornten Zellen, die fih im Zuftande fort: währender Abjehuppung und Abjchilferung befinden durch die ftete Berührung mit Luft, Walfer und der Außenwelt überhaupt. Wo durch dichten Haarbejaß die volljtändige Loslöjung der ab- geitorbenen Teile verzögert wird, wie z.B. an der Kopfhaut des Menfchen, ijt diefer unaus= gejegte Verluft an Oberhaut deutlich zu beobachten. Die hellere oder dunklere Farbe der Haut hängt davon ab, ob und in welchem Maße das Gewebe der Ober: und Lederhaut Körnchen eines dunklen, braunen Farbjtoffes (Bigment) führt oder nicht. Die eigentliche Unterhaut ihlieglich zeichnet fih aus dur ihren Gehalt an Fett, das für den Wärmejchug wie als Neferveftoff gleich wichtig ift. Die ftarken Nachihub erfordernde äußere Schicht der Oberhaut wird immer wieder neu gebildet von der innern Schleimfchiht aus, die auf ihrer Grenzfläche nach der Zederhaut hin neßartig durchbrochen ift und danach zu Ehren ihres Entdecder3 Mal pighijches Neß heißt (Rete Malpighii; neuerdings Stratum germinativum, d. h. Keimjchicht, Bildungsihicht). Durch die Majchen diejes Nebes ragen Fegelfürmige Wärzchen der Xeder- haut, Bapillen, hervor, in die von untenher Blutgefäße eintreten. Auch die Haare (Pili) find Gebilde der Oberhaut; fie ftecken aber, um den nötigen Halt und bejfere Ernährung zu gewinnen, mit ihrem untern Teile, der Haarwurzel, in einer tief in die Lederhaut hineingejenkten Tajche, dem Haarbalge, und fien an ihrem unterjten Ende mit einer Verdifung, der Haarzwiebel, hut> oder hülfenförmig einem Leverhaut- wärzhen, der Haarpapille, auf. Der größte und allein fihtbare Teil des Haares, der Haarichaft, ragt als dünnes, jolives Haarfäochen frei über die Hautoberfläche empor. Das Haar bejteht aus der äußeren, fajerigen, elaftifchen Nindenfubjtanz oder Hornjcheide und der inneren, oft lufthaltigen Markjubitanz. Seine Oberfläche wird ferner noch überzogen von dem Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 1 2 Ein Blik auf die Öejamtheit der Säugetiere. dünnen, vollfommen durchfichtigen Oberhäutchen (Cutieula). Die vom helliten Weiß bis zum tiefften Schwarz wechjelnde Farbe des Haares wird durch feinen Gehalt an Farbjtoff- förnchen und Luft bedingt. Die Haarbälge liegen auf weite Streden des Körpers in derjelben Richtung jchief in der Haut und geben dadurd den Haarftrich an, der die umgelegten und dicht übereinander- gelegten Haare erft zu einem wirfjamen Wärmejhugmittel macht. ever Haarbalg ift mit einem ummwillfürlich bewegten Musfel verbunden, und wenn diefer, bei Schred und Angjt fich zufammenziehend, die Haarwurzeln jenfrecht in der Haut aufrichtet, jo ftehen uns „‚die Haare zu Berge”. Der Haarftrich geht nicht am ganzen Körper nach derjelben Richtung, wenn auch das Haar im allgemeinen natürlicherweile in der Bewegungsrichtung des Trägers, aljo von vorn nach hinten und von oben nach unten, fich umlegt: dem Tiere würde ja jonft alles „gegen den Strich” gehen. Wie jehr aber im einzelnen Körperhaltung und Bewegung für den Haarftrich maßgebend ift, jehen wir daran, daß das Haarkleid der ftetS hängend, mit dem Bauche nach oben Eletternden Faultiere vom Bauche nach dem Nücen zu gejcheitelt ift: für die landläufige Auffaffung „verkehrt“, für das Faultier und dejjen bejondere Lebens- umftände aber durchaus zwechmäßig. Überhaupt hängt bei genauerem Zufehen die Richtung der Haare ganz von Sone und Bewegung des Körpers und feiner Teile, des Numpfes und der Gliedmaßen, gegeneinander ab; das hat neuerdings ein englifcher Forjcher, W. Kidd, näher nachgewiejen. So entjtehen verjchiedene Haarfluren und Haarftröme und, wo fie zufammentreffen, Haartämme und Haar: wirbel. Bei manchen der leßteren find die Entftehungsgründe aber nicht ohne weiteres erfichtlich. Koch intereffanter ift die Gruppierung der einzelnen Haare auf der Körperoberfläche, weil fie, richtig betrachtet, aufflärende Streiflichter wirft auf das Verhältnis des Haares zur Schuppe, Feder und andern Hautgebilden. Das hat uns der Amfterdamer Zoolog Mar Weber gezeigt, dejjen anatomifches Werk über die Säugetiere uns bier überhaupt eine ergiebige Fundgrube fein, meift die wiljenjchaftlihe Grundlage liefern wird zum tieferen Ver: ftänonis der heutigen Säugetierformen und ihres Lebens. Weber geht von den Schuppen aus, jenen platten, dachziegelförmig übereinanderliegenden Oberhautverhornungen, die um eine flache, nach dem Schwanzende des Tieres umgelegte Unterhautpapille abgejchieden werden und dem mechanischen Schuße des Körpers gegen Stoß und andere Verlegungen dienen. Wir fennen fie von den Reptilien und ihre Umwandlung in Wärmefchußorgane, die Federn, bei den Vögeln am Körper, während an den Beinen die Schuppen erhalten geblieben find. Unter den Säugetieren kehren fie wieder als echte Hornfchuppen bei den Schuppentieren, nur daß hier der Erjab nicht plöblich wie bei der Schlangenhäutung, jondern allmählich und fortwährend entjprechend der Abnußung ftattfindet. Bei den Gürteltieren tritt die Oberhaut- verhornung mehr zurücd gegen Unterhautverfnöcherungen, und hinter und zwijchen diejen finden fih Gruppen von Haaren. Das deutet Schon darauf hin, daß Beihuppung und Be: haarung fi) nicht gegenfeitig ausschließen und erfeßen, wie Beihuppung und Befiederung (Federfüßige Hühner und Tauben), jondern als etwas nach Entftehungsart und Endzwed Ver: Ichiedenes nebeneinander ergehen. Das Haar mag in der Stammesgejchichte der Säugetiere die Schuppen um jo mehr vervrängt haben, je mehr MWärmeihug an Stelle mechanijchen Schußes nötig wurde. Weber weift aber nach, geftübt auf de Meyere, daß bei manchen Säuge: tieren heutigestag3 noch deutliche Beichuppung vorhanden ift und, wo fie verfehwunden ift, die Haare doc) in ebenjolchen Gruppen zufammenftehen, als ob noch Schuppen da wären. So an ven Gliedmaßen, namentlich aber am Schwanze von Beuteltieren, Nagetieren, Snfektenfreffern Haare und verivandte Gebilde. Hörner. 3 und nicht zuleßt natürlich bei den Zahnarmen, zu denen ja die Schuppentiere gehören. Der Große Ameifenbär hat an feinem prächtigen Fahnenjchweif trog der bufchigen Behaarung noch große, Ihwarze Schuppen. Die Säugetierhaare ftehen nun gewöhnlich, wie zwiichen Schuppenreihen geordnet, quer zur Längsachje des Numpfes oder des betreffenden Gliedes gruppenweie zufammen, und zwar meift zu dreien: ein ftärferes Mittelhaar und zwei Seitenhaare. Dieje fönnen wieverum durch) Erneuerung und Ausfadung ihrer Haarbälge Nebenhaare bilden, das Stammbhaar ann dann dem vorragenden®rannenhaar, dDieNebenhaare dem darunterfigenden Wollhaar entiprechen. Diefes dichte, weiche, Furze Unter oder Wollhaar ift bezeichnend für den Winterpelz der Säuge- tiere der gemäßigten und Falten Zone: es fällt im Frühjahr zugleich mit dem Grannenhaar aus; im Herbit wächit e$ wieder. Das Haarkleid wird alfo zweimal im Jahre gewechjelt. Man war zwar früher der Meinung, daß das weiße Winterkleid des Schneehajen 3. B. duch Ausbleichen des gefärbten Sommerhaares zuftande fomme, hat jich aber neuerdings überzeugt, daß auch im Herbjte immer ein Haarwechjel ftattfindet. Der einzige Fall einer Farbenveränderung des Haares, jolange es no) am Leibe jist, ift das Zimtbraunmwerden des Barribalbären vor der Härung; es hat ein Gegenftüc in dem fuchjigen Ton, den mande ihwarze Vogelfedern vor der Maufer annehmen. Nur rein tropische und hochnordiiche Tiere bejchränfen fich vielleiht auf einmaligen und allmählichen Haarwechjel: in den Antilopen- häufern unferer Tiergärten wird man nie ausgefallenes Haar jo mafjenweije herumliegen jehen wie im Frühjahr in den Hirfche und Bilongehegen, und jeder Kürjchner weiß, daß das Fell des Eisbären immer „‚gut” ift, einerlei, wann er gejchoffen wurde. Dasselbe gilt für das vortreffliche Belzwerk der Wafjerfäugetiere, das auch zu jeder Jahreszeit brauchbar ift. Yon ven jpezialifierten Tajthaaren mit ihren Bluträumen im Saarbalg wird unten beim Tajt- finn näher die Nede jein. Die Borften des Schweines, befonders ftarfe und fteife Haare, vermitteln den Übergang zu den großen, diden Stacheln des Stachelichweins, Sgels u. a., die in der Negel mit Haaren gemifcht find und jo dejto deutlicher zeigen, wie haarartige Bildungen wieder zu mechanijchen Schuborganen werden können. Natürlich haben fie durch ihre Größe ihre Bejonderheiten in Bau= und Entjtehungsweije. C3 gibt aber noch andere Hautgebilde am Körper des Säugetiere. Die allgemeine Neigung der Oberhaut zur Austrodnung und Verhornung ihrer äußeren Zellenlagen Fann an einzelnen Körperftellen ganz befonders ftark werden. Beijpiele dafür find: der hornige Überzug der Kiefer, der „Schnabel“ der Schnabeltiere; die Schwielen an der Brujt der Kamele und die „Kaftanien” an den Läufen der Pferde; der Schwanzjtachel des Löwen; der Schenfel- jporn des Schnabeligels. Diefe VBerhornungen der Oberhaut über Papillen führen mitunter zu jo anfehnlichen Gebilden, wie e$ das Najenhorn des Nashorns ift: troß jeiner Größe eine durch und durch faferige Hornmafje, die Leiftung eines darunterliegenden, ganz befonders kräftigen Bapillarfelves. Etwas anderes find die eigentlihen Hörner der Antilopen, Ziegen und Schafe, Rinder und die Geweihe der Hirsche. Hier ift immer ein Hautfnochen der Unterhaut beteiligt, beim Geweib- träger, dem Hirsch, in der denkbar weitgehendften Weije, jo daß der Unterhautfnochen die ganze jährlich gewechjelte Gemweihitange bildet, die mitjamt ihren feitlichen „Enden’ anfänglich immer von der jpäter „‚gefegten” (an Bäumen und Büfchen abgeriebenen) Haut, dem „‚Bajt‘, über: zogen ijt, bei den Hornträgern wenigitens jo wejentlid, daß das zeitlebens auf dem Stopfe fißen- bleibende Horn auf den größten Teil feiner ganzen Länge innerlich von einem großen, ftarten 1* 4 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. Knochenzapfen geftügt wird, um den herum es von der Stirnhaut aus abgejchieden wurde: eine hohle Hornjcheide um einen maffiven Knochenfern, weshalb die Hornträger Alntilopen, Ziegen und Schafe, Rinder) als Cavicornia (Hohlhörner) zufammengefaht werden. Bei ihrem Gegen Gliedmaßenendftüd eines Nagelfäugetieres im Längsjchnitt (Affen- finger). Na) einer Zeich- nung von WM. QDueißger. ftüd, den Hirjchen (Cervicornia), entipriht da8 Geweih dem innern Knochenzapfen, und als entjprechendes Gebilde für die Hornjcheide Fann allenfalls die vergängliche Bafthaut angejehen werden, die urjprünglich das Geweih bevecdt. Gewijje Mittelformen zwiichen Horn und Geweih tragen, ganz allgemein geiprocden, die Gabelantilope, weil fie ihre ge- gabelte Hornjcheide alljährlich abwirft, und die Giraffe, weil die Kirochen- zapfen auf ihrem Kopfe nicht gewechjelt werden und zeitlebens von be- haarter Haut überzogen bleiben. E83 hat überhaupt den Anjchein, als ob der merkwürdige Vorgang des Abwerfens doch nicht ganz ausschließlich auf das nöcherne Hirich- geweih bejchräntt jei. Auch bei Hohlhörnern (Kälbern, Antilopen, Wild- Ichafen) hat man eine Loslöjung der erjten, jugendlichen Hornjcheide beobachtet, und die Jndiihen Nashörner der zoologischen Gärten haben ung gelehrt, daß jelbjt das Najenhorn alle vier bis fünf Jahre abfällt und neu gebildet wird. Hautgebilde von grundlegender Bedeutung für die Bewegung und das ganze Leben der Yandjäugetiere find Jchlieglich noch die Verhor- nungen an den Enden der Gliedmaßen, die nur bei den wafjerleben- den Flofienfüßern (Seehunden und Verwandten) zurüdtreten und nur bei den Walen vollitändig fehlen. Sie teilen alle Zandjäugetiere in zwei große Hauptabteilungen, je nachdem fie das Endglied mehr nur von oben bevecfen Nägel, Krallen) over von allen Seiten, auch von unten, umtfleiven (Hufe), und die ganze Art und Weije der Ortsbewegung, der ganze Gebrauch der Gliedmaßen hängt Gliedmaßenendftüd eines Nirals zum wejentlichem Teile von ihrer Geftalt und Beichaffenheit ab. An wenigjten vollftändig ift Bededung und Schuß beim platten Nagel, wie ihn Halbaffe, Affe und Menjch befisen, zumal bier der Ballen an der Unterjeite des Endgliedes als tajtende ‚‚singerbeere‘ möglichft vergrößert und nad) vorne gerückt ift. Bei den eigentlichen Krallenträgern, allen übrigen Yand- läugern, außer den Yuftieren, find die beiden Teile der SKtralle Ichon deutlicher ausgebildet und erkennbar: die obere ftarke, harte, glatte Krallenplatte, die fich mit jeharfen Rändern nach) unten um das Endglied herummölben und das untere, weichere, ab: nußbarere Sohlenhorn von den Seiten her auf einen Jchmalen Mitteltreifen einengen fan. Bon hinten quellen dann nod) lenfäugetievesimLängsihnitt Die Zehenballen vor, die bei ven Zehengängern allein, bei den (Hundepfote),. Nah einer Zeichnung von M. Dueißer. Sohlengängern mit den hinteren Sohlenballen zujammen die Erde berühren und den Körper elaftiich tragen helfen. Nägel, Strallen und Hufe wachien Iebenslänglich, um der ftarfen Abnugung zu begegnen, und zwar erfolgt diejes fortwährende Nachwachjen von einer für diefen Zwedf befonders aus- gebildeten Deutterjchicht (Matrix) der Oberhaut aus, die in einer Hautfalte am Seitenrande des Nagels, dem jogenannten Nagelfalz, liegt. Von hier aus fchiebt fich der wachjende Nagel Hörner; Nägel, Krallen, Hufe. Hautprüfe. 5 über das jogenannte Nagelbett auf der Fingerjpise vor. Der Nagelfalz dient zur beijeren Befeftigung namentlich der platten Nägel und it beim Hufe am wenigiten ausgebildet, weil der Huf als fat völlig geichlofjene Hornfapfjel durch jeinen ausgedehnten Zufammenhang mit der Haut ohnehin jchon genügend befeftigt ift. Zu bejfonders dauerhafter Befeltigung der Kralle fann das Endftüd der Glievmaße längs gejpalten jein, das Nagelbett diefe Spalte mit ausfleiven und jo eine Yängsleijte an der Kralle bilden, mit der dieje zwijchen den beiden Hälften des Endjtüds feitfist: bei Gräbern, wie Maulwurf, Schuppentier. Bei Faultieren und Ahneijenfreffern, die in anderer Weife ihre Krallen ftarf gebrauchen, wird annähernd dasjelbe erreiht durch eine Längsfurdung des Nagelgliedes. Bei den Huftieren bejteht ein grumdlegender Unterjchied in der Verdikung und Ver: breiterung des Endgliedes. Die der Ktrallenplatte entiprechende Hornwand ummölbt diejes von vorne ganz und gar und Ichlägt fich hinten von beiden Seiten mit Iharfem Winkel in die Horn= johle (Sohlenhorn) ein. u den Zwilchenraum jpringt danı von oben noch Ddreiecdig Der Hornjtrahl vor, der ein ver: bornter Zehenballen ift. Die Schilderung und Benennung fnüpft an den Bferdehuf an, der die vollfommenfte Ausbildung zeigt. Die VBerhältnifje bei den anderen Yuftieren, namentlichden | nädjften Verwandten 068 ‚Pier: Gliedmapßenendftüd eines Huffäugetieres im Längsjhnitt (Pferdes des, Tapiren und Nashörnern, fuß). Nach einer Zeihnung von M. Queißer. lajfen ji) aber ohne Schwierig: feit auf jenes beziehen; nur Elefanten und Stlippfchliefer jtehen mit ihrer Fußbildung und deren Endbekleivung jede Gruppe wieder ganz für fich. Zur Haut gehören noch die Hautdrüjen. Der Drüfenreichtum ift überhaupt ein weis tere3 Kennzeichen der Säugetierhaut gegenüber der des Vogels, und zwar Fünnen fich die Drüfen gleihmäßig über die Körperoberfläche verteilen oder an bejtimmten Stellen anhäufen und zu Drüfenorganen zufammenjegen. An jedem Haarbalg figen eine oder mehrere Talg- drüfen; fie erhalten Haar und Haut gefchmeidig und fetten fie gegen Nawerden ein durch ihre Entleerung, die jedesmal eintritt, wenn der Haarmusfel fich zufammenzieht. Von Einzeldrüjen unterfcheidet man neben den Haarbalgdrüfen noch die ebenfalls für das Säugetier charakteriftiihen Schweißdrüfen, die nicht nur verjchiedene Abjonderungs: mafje und Abjonderungsweije, jondern auch verjchievenen Bau haben. Die Schweißorüfen gehören bekanntlich zur Wärmeregulierung des Körpers: fie fühle“ vie übermäßig erhißte Haut ab durch Verdunftung der von ihnen abgejonderten Schweißflüffigfeit, die in der Hauptjache aus Maffer mit etwas Salz und flüchtigen Fettfäuren befteht. Lebtere verurfachen, vajch ver dunftend, den nicht gerade angenehmen Geruch mancher Schweiße. hr Bau ift tubulös, 6 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. d. h. einfach fhlauchförmig, am Hinterende oft aufgefnäuelt, nicht aber veräftelt, und ihre Tätigkeit vollzieht ich jo, daß nichts von der innern Auskleivung, dem Zellenbelag des Schlauches, in die Abjonderungsmajje übergeht. Anders die Talgdrüfen, die ftetS mit den Haarbälgen verbunden find, geradezu als deren Ausbuchtungen entjtehen. Man nennt fie acinds, d. h. traubig, weil man ihren Bau mit dem einer Weintraube vergleichen fann. Sie haben vor allen Drüjen die Eigentümlichkeit, daß ihr mehrjchichtiger Zellenbelag durch fortwährenden Abfall und Zerfall im wejentlichen die Abjfonderungsmafje, ven Hauttalg, bildet. Namentlich die Talgdrüjen lagern fich jehr häufig in größeren Mengen zujammen, und zwar münden fie dann für gewöhnlich nicht in einem flachen Drüfenfeld auf der Höhe der übrigen Haut, jondern es entjteht durch Einjenkung der betreffenden Hautftelle eine Tafche, Hautdrüfe im höheren Sinne. Solche find bei den Säugetieren weit verbreitet, liegen vielfach in der Nähe der Gejchlechtsorgane und ftehen dann gemäß dem ausgebildeten Geruchsfinn der Säuger durch den ausgeprägten Geruch ihrer Abjonderung jedenfalls mit dem Gejchlechtsleben in Zulammenbhang. Die wichtigften Hautdrüfen der Säugetiere und für fie harakteriftiih find die Milch: prüfen des Weibchens, die übrigens in geringer Ausbildung befanntlich auch beim Männchen vorhanden find, ausnahmsweile jogar auch bei diefem in Tätigkeit treten fünnen. Konnte man doc auf landwirtichaftlihen Ausftellungen Schon Ziegenböde von der edlen Schweizer Saanerafje jehen, die Milch gaben, und auf deren ZJuchtwert fich infolgedeijen die Befiger nicht wenig zugute taten. Man hat einen grundlegenden Unterjchied gemacht zwiichen den Milch- prüfen der Kloafentiere (Schnabeltier und Schnabeligel), die ja überhaupt in vielen wejent- lichen Berhältnifjen ihres Zeibesbaues jo ganz abjeits jtehen, und denen aller übrigen Säuge- tiere, weil jene nach dem Plane der nur aufgefnäuelten Schweißdrüfen, diefe nach dem der veräftelten Talgorüfen gebaut find. Sicherlich ift das ein Unterfchied, der viel dazu beiträgt, daß man eben die Kloafentiere den anderen Säugetieren gegenüberftellt; anderjeit3 aber haben die neueren Unterfuchungen von E. Breglau (1907) über ‚Die Entwiclung des Mammar- apparates der Monotremen, Marjupialier und einiger Blacentalier‘, die in ihrem erjten Teile „Entwidlung und Urjprung des Mammarapparates von Echidna” behandeln, ge zeigt, dab beim weiblichen Schnabeligelfeimling die Milhdrüfen nur in ihren allerfrühejten Anfängen den Schweißprüfen der umliegenden Haut ähneln, jehr bald aber diefen durch ihre jtarfe Entwidelung weit vorauseilen. Jedenfalls im Zufammenhang mit ihrer jo jehr viel beveutungsvolleren Xeiftung jprofjen fie „‚bald als mächtige Drüfenichläuche hervor, die Ihon früh deutlich als Mammardrüfen zu erfennen find“ Nur in der allererften Anlage jtimmen die Mammardrüfen mit den Schweißdrüfen der Beutelhaut überein, gehen aber dann vollfommen eigne Wege, Abgejehen von den Kloafentieren, bei denen fie zerftreut und einzeln auf einem flachen Hautfeld münden, vergrößern fih die Milhdrüfen bei allen Säugetierweibchen zur Zeit, wo fie für die Jaugenden Jungen in Tätigkeit treten, derart, daß die betreffenden Hautftellen mehr oder weniger auffallend hevvortreten, und außerdem vereinigen fich ihre Mündungen zu jenen warzen- oder fegelfürmigen Endorganen, die unter dem Namen der Ziben (Mammae) befannt find. Die Entwidelung der ganzen Säuge oder Mammarorgane führt man auf den jogenann: ten Milchftreifen over die Milchleifte des Keimlings zurüd, die in der Bauhwand auf- tritt und von der Anlage der VBordergliedmaßen bis in die Weichengegend fich erftredt. Aus Michdrüfen, Ziben. Mammartafchen, Primäranlagen. -] Verfchiebung und teilweifer Rüdbildung diefer Milchleifte erklärt man auch die verjchiedene Lage und Zahl der Mildhdrüfen und Zigen, die mit der Xebensweije und der Zahl der Jungen sufammenhängt. Die Zahl Ihwankft zwiichen 22 und 2, die Lage Fann fich verjchteben vom Bauche und der Brut nach dem Nüden zu, ja bis in die Achjelhöhle und auf die Schenkel. Über Bau und Entwicelung der Ziße jowie der ganzen Mammarorgane überhaupt und die Beziehungen ihrer einzelnen Teile zueinander hat der große Heidelberger Anatom Gegen: baur feinerzeit zuerjt eingehende Unterfuchungen angeftellt. Gegenbaur lehrt uns zunächt unterjcheiven zwiichen wahren Zißen, bei denen einfach der mittelfte Teil des ganzen Milhdrüfenorgans mit den Ausführungsgängen fih in Gejtalt der Ziße vorjtredt, und falfhen (Pjeudo>) Zigen, die dadurch entitehen, daß der das Drüfen- feld umgebende Hautwall fih immer höher erhebt und immer näher zufammenjchließt bis zu einer engen Nöhre, dem jogenannten Strichfanal, an dejjen Grunde erjt die Mündungen der Milchdrüfen liegen. Milhdrüfen eines Säugetieres (Gefäuge vom Schwein). Der angejhnittene Teil zeigt die Strichfanäle in den Zigen. Nah einer Zeichnung von E. Roloff. Gegenbaur brachte dieje Verhältniffe jhon in Beziehung zu einem angeblichen im Säuge- tierftamme jcheinbar jehr alten Hilfsorgan bei der Fortpflanzung, der jogenannten Nanı= martajche, und fein langjähriger Gehilfe Klaatjch hat diefe Unterfuhhungen dann im Sinne der Abftammungslehre noch ergänzt und erweitert. Aber auch hierin haben Breblaus Unter: juchungen einen Wandel der wiljenfchaftlihden Anfichten bewirkt. Zum mindejten hat fich für die Mammarorgane der Schnabeligel ergeben, daß aus den Betrachtungen über ihre Ents jtehungsweie „‚ver Begriff Mammartajchen entgültig verfhwinden” muß. An ihre Stelle treten Breßlaus „Primäranlagen”, die für unfere Vorftellungen von der Stammesgejchichte der Säugetiere noch viel ergiebiger find. Diefe Primäranlagen beginnen „in ganz frühen Stadien des embryonalen Lebens” mit zwei „länglichen, leiftenartigen Verdietungen der Epi- dermis an der jonft noch durchaus gleichförmigen Bauchhaut“, die fich in der Längsachje des Körpers zu beiden Seiten an der Nabelöffnung vorbeiziehen. Sie „verhindern zu der Heit, wo fich der Verfhluß der Leibeswand in der Nabelgegend ausbildet, die Ausbreitung der Hautmusfulatur über die mittlere Fläche der Bauhhaut und geben jomit den erjten Anftoß zur Entftehung des hautmusfelfreien Bauhhautbezirfes, der das jpätere Beutelfeld daritellt”. Breßlau hält feine Vrimäranlagen — und das ift die allgemeine ftammesgejchichtliche Bez deutung diefer Bauchhautleiften — für „Überrefte von Brutorganen, die bei den (reptilis ichen) Vorfahren der Säugetiere in ähnlicher Weife ausgebildet waren, wie fie heute auch bei den Vögeln vorhanden find. Der Mammarapparat der Säugetiere ift nicht erft innerhalb diefer höchften Gruppe der Wirbeltiere als eine vollfommen neue Eimrihtung entitanden, 6) Ein Blid auf die Öejamtheit der Säugetiere. fondern im engiten Anfchluß an uralte Zuftände, wie fie bei den eierlegenden Nichtjäugetieren im Dienste der Brutpflege ausgebildet waren. Mit dem Übergang vom Eierlegen und Brüten zum Lebendiggebären und Säugen erfahren dann dieje Zuftände eine jpezifiiche Umänderung, die fie geeignet machte, auch unter den neuen Verhältnifien weiter im Dienfte der Brut- pflege tätig zu jein”. Wie alle übrigen Tiere und alle Pflanzen, verwirklichen für unjere heutige Natur: anfhauung auch die Säugetiere eine beftimmte Möglichkeit de3 Lebens, infonderheit eine beftimmte Möglichkeit dev Fortpflanzung und Jungenaufzudht. Die Säugetiere fangen ihre Jungen, d. h. fie ernähren fie in der eriten Lebenszeit mit einer flüfligen Abjonderung aus den bejchriebenen Hautorüfen des mütterlichen Körpers, der Milch, die alle zur Erhal- tung und Weiterentwidelung des Jungen nötigen Beitandteile enthält. Dieje Art der Jungen- aufzucht ift fo bezeichnend für die Säugetiere, daß fie ihnen den Namen gegeben hat, umd doch findet fich bei den Vögeln etwas Apnliches in der Kropfmilch der Tauben, mit der fie ihre Nejtjungen zuerjt füttern. Das junge Säugetier wird lebendig geboren, d.h. e$ macht den größten Teil feiner Entwidelung aus dem Ei und Keimling im Mutterleibe durch umd tritt, fähig zur Yuftatmung und Nahrungsaufnahme, zutage. Die Eihüllen werden gejprengt, und die Verbindung mit diefen, der Nabeljtrang, zerreißt bei der Geburt oder wird von der Mutter abgebifjen. Die Hüllhäute werden dann al Nachgeburt hinterher ausgejtoßen. Lebendiggebären fommt auch bei Kriechtieren, Lurden und Filhen vor; doch ift es hier im Grunde nur eine Verzögerung des Eierlegens, die man jogar Fünftlich herbeiführen fann bei Arten, denen fie für gewöhnlich fremd it. Sn allen diefen Ausnahmefällen entwidelt jih aber das verhältnis- mäßig große Ei auch im Mutterleibe aus fich jelbjt heraus vermöge der in ihm enthaltenen, ihn von vornherein mitgegebenen Bildungsmaffe des Dotters. Anders bei ven Säugetieren. Hier findet jtets, troß der Eihüllen und durch diefe hindurch, ja gerade mit ihrer Hilfe die Ernährung des Eies und Keimlings, eine Zuführung von Bildungsstoff aus dem mütterlihen Körper ftatt, und das ift ein grundlegender Unter: ihted in ver Entwidelungsgefchichte der Säugetiere gegen die aller andern Wirbeltiere. Durd) die Entvedungen bei den auftralifchen Kloafentieren (Schnabeltier und Schnabeligel) müfjen wir zwar neuerdings auch die zunächit als Wideripruch in fich jelbjt ericheinenden „‚eierlegen- ven Säugetiere‘ gelten lafjen. Aber, wie vorhin von verzögertem Gierlegen, jo fünnen wir jet von verfrühten Gebären jprechen, was ja auch bei den Känguruhs und andern Beutel- tieren unverkennbar ift, denn ein Wachstum des fertigen Kloafentiereies innerhalb der mitwachjenden Bergamentjchale und damit eine Ernährung dur) Säfte des mütterlichen Körpers ift nachgewiejen. C3 hat lange gedauert, bis der alte Grundfaß „Omne vivum ex ovo“ (Alles Lebendige aus dem Ei) aud für die Säugetiere unbeftreitbare Geltung erhielt, weil das eigentliche Säugetierei ein mifroffopifch Kleines Gebilde ift, eine einfache Zelle ohne erhebliche Dotter- mafje, gejchweige dem mehr oder weniger fefte Schale, ohne alle die ernährenden und ein- hüllenden Zugaben, die fich bei der volfstümlihen Vorftellung vom Ei in den Vordergrund drängen (Taf. „„Eierftod und Ei‘). Das Wejentlihe am Ei, der Teil, von dem alle Bildungskraft und alles Entwidelungs- vermögen ausgeht, it einzig und allein eine Zelle, und in diefer Form ungefähr fand der deutjchruffüiche Naturforicher Karl Ernft von Baer 1828 das Säugetierei im Eileiter der ‚ Kieritock und €i. Säugetier-Eieritock mit Graafichen Sollikeln (Kate). In den Ecken verichiedene Entwickelungsitufen Graaficher Sollikel mit je einem &i. Nach Zeichnungen von M. Queißer. Geichmacksorgane. TEEN end t den Geichmacksknoipen. i Schnitt durch eine Ringwallpapille der Zunge m vgl. S. 19. Geichmacksknoipen in itärkerer Vergrößerung. Vgl. S. 19. en von M. Queißer. Nach Zeichnung Fortpflanzung. Sungenaufzucht. Ernährung des Keimlings. 9 Hündin. Bis dahin hielt man auch in der Wilfenjchaft ein größeres Gebilde im Eierjtod des weiblichen Säugetieres, den jogenannten Graafichen Follifel, für das Ei, während er in Wirklichkeit nur die Bildungsjtätte für diefes ift und das eigentliche Eichen erjt in fich birgt. Zu gegebener Zeit plagt er und entleert das reife Ei in den Eileiter, was Anlaß zu ge- wiljen Schwellungen in der Gebärmutter und zu einem gewiljen Blutverlufte aus den Ge- Ichlehtsorganen gibt (Menftruation, Beriode, Regel). Nach der Befruchtung, die infolge der Begattung eintritt, aber durchaus nicht zugleich mit ihr einzutreten braucht, ift nun an der weiteren Entwidelung das Merkwürdigite, daß fich ein Dotterjad bildet, während das Säugetierei doch gar feinen erheblichen Nahrungspotter enthält. Das war früher ganz unverftändlich; heute Eönnen wir es erklären als Exrbjtücd von alten Vorfahren und VBorläufern der Säugetiere aus frühen Berioden der Erdgejchichte ber, die eierlegend im eigentlichen Sinne waren, Eier mit Dotter und Schale ablegten. Bon diefem Gefichtspunfte aus erjcheint der ganze Hergang und Gedantengang dann nicht mehr als natürlich: einer der vielen Fälle, wo eine an fich ganz rätjelhafte Tatjache aufgeklärt wird im Lichte der Naturanjchauung, zu der wir und jeit Darwin befennen. Alle weiteren Bejonderheiten der Säugetierentwidelung im Mlutterleibe begreifen fich aus der Notwendigkeit, den dotterarmen Keimling vom mütterlichen Körper aus mittels des mütterlihen Blutes fi ernähren, ausbilden und feinen Stoffwechjel bewerkitelligen zu lafjen. Dazu gehört von beiden Seiten eine mehr oder weniger ausgedehnte und innige Berührung von Schleimhautflächhen, durch die nach dem ausgleichenden Brinzip der. Dsmoje ‚ver Säfteaustaufch vor jich geht, und es werden zu diejem Zwece mehr oder minder voll fonmmene und verwicelte Einrichtungen getroffen, die bei den verichiedenen Säugetierordnungen verichieven find. Dem fertigen, bejchalten Ei der „‚eierlegenden‘ Kloakentiere wird, wie jchon erwähnt, noch ein gewiljes Wachstum im Mutterleibe ermöglicht dadurd), daß die pergament- artige Hülle fich weitet und Nahrungsjäfte durchläßt, die die umgebenden Schleimhautwände der inneren mütterlihen Gejchlechtsorgane abjondern. Für die Entwidelung des Keimlings aller übrigen Säugetiere tritt die bei den Vögeln und Kriechtieren ebenfalls vorhandene Harnhaut (Allantois) in erhöhte Tätigkeit: fie hat beim Säugetierfeim nicht nur die Atmung wie im Bogel- und Kriechtierei zu vermitteln, jon- dern auch die Ernährung vom Mutterförper aus. Neich mit Blutgefäßen durchzogen, wählt fie als Blafe aus dem Endvarım des Keimlings hervor und füllt mehr oder weniger ven Naum ziwiichen der innern jogenannten Shafhaut (Amnion) und der äußern (jeröjen) Keimhülle (Chorion) aus, während ihr „Stiel“, die hin= und rücdlaufenden Stammgefähe, die Hauptmafje des Nabelitranges biloet. Die einfachjte, unvollfommenfte Art, behufs jtärferen Stoffwechjels die Berührungs- fläche zwifchen den Keimbüllen und der umgebenden Gebärmutter (Uterus) zu vergrößern, tjt die Zottenbildung. Auf diefer Stufe jehen wir die meijten Beuteltiere jtehen bleiben, und damit ftimmt ganz überein, daß bei diefen die Jungen nad) jehr kurzer Tragzeit in jehr un- entwiceltem Zuftand geboren werden. Bei einigen fommt es aber jchon zu vollfommeneren Bildungen, ja jogar zu jenem befondern Wermittelungsorgan zwilhen Keimling und Mutter, das die Hauptmafje der höheren Säuger gegenüber den Beutlern auszeichnet, zur Placenta (Abb., ©. 10), deutjch (won der jcheibenfürmigen Geftalt beim Menjchen) „Mutter fuchen” genannt. Dieje Blacenta ift nach Herkunft und wejentlicher Bedeutung das Ergebnis einer Aneinanderlegung und Sneinanderdrängung, oft jogar Berwachjung von Chorion und AllantoiS einerjeits und Uterusihleimhaut anderfeits, die in verjchtedener 10 Ein Blid auf die Gejfamtheit der Säugetiere. Ausdehnung und Snnigkeit ausgebildet jein fan. Dana) unterjcheiden fich wieder die ver- jchiedenen Dronungen der placentalen Säugetiere und lafjen fi in Indeciduata und Deci- duata einteilen, je nachdem die Berwachlung jo ftark ift, daß bei der Geburt der Jungen unter Blutverluft ein Teil der Üterusichleimhaut der Mutter mit abgeriffen wird over nicht. Der Blutkreislauf ift natürlich vor der Geburt ein ganz anderer alS nachher, wenn die Lungen in Tätigkeit treten. Hier jei nur hervorgehoben, daß auch der Säugetierfeimling DN ————— 27 RR: / ee = Placenta. Oben: fhematifch der ganze Uterus mit dem Embryo; unten: ein Stüd, durchgefhnitten, nach der Natur. Aus Landoiz, „Lehrbud der Phyfiologie”, 12. Aufl., 2 Bde., Wien 1909. jeine Fifchitufe hat mit einfacher Herzkammer und paarig abzweigenden Hauptgefäßen, ent- jprechend ven embryonalen Kiemenbogen, ferner eine Reptilftufe, wie beim Krofodil, mit durch: Löcherter Herzicheidewand und unvolltommener Sonderung des venöfen und arteriellen Blutes, daß er überhaupt alle aufiteigenden Entwidelungsftufen des Wirbeltieres durchläuft: wieder eine Tatjahe, die nur auf dem Hintergrunde der Abjtammungsgefchichte verjtändlich wird. Die Säugetiere bilden mit den Vögeln die beiden Klaffen der warmblütigen, bei jeder Außentemperatur in der Umgebung gleihwarmen Wirbeltiere im Gegenjaß zu den Haut und Haar. Haar Talg- — Sy drüsen Haarbalg- marskel Haarbalg ——- Haar-” zwiebel Senkrechter Durchichnitt durch die Säugetierhaut mit Haaren, Talg- und Schweißdrülen. €in Haar mit Haarbalg, Haarzwiebel, Haarbalgmuskel und Talgdrülen iit der ganzen Länge nach getroffen; ebenio eine Schweißdrüfe. Sonit ericheinen dielelben Organe noch mehrfach im Schnitt, aber nur unvollitändig getroffen. vgl. S. 1. Nach Zeichnung von M. Queisser. Oberhaut Lederhaut Schweiß- drüse Unterhaut ‚N0]04 9 UoA Sunuydlaz Pen "U2WWDNADJO uvo1B uap pun uaddoyzaay u>ydıylojoq uappjuauy>ag ud uap “ulazwwoy.ıo\ pun -Jdnpy uop yıu ann wppfuauyas gem uoddvyyz40 7 AIWUUDYAOA IP: uauut uoa ZI2H / vyrdmozp aryaay | \ var D4oF wauunspdnDıL un] uappJusuyas gem “uaddoyy249]7 TIAULUDYALO, au ER mn IL IDUBDUMWT Jap ur DapyUuost 1 "70]04 I OA Sunugploz YIeN uawmpgpp>BynIg uogoad uap yım u>tinv uva zIaH sswuayydnopt DEN sanroyydnmır 34 un I \ LIUUDYLOA oyuvy LIUWUDYLOA 72a DILOF 2.197. 1muaBunT Warmblüter. Blutkreislauf. Blutkörperchen. LI faltblütigen, bejjer gejagt wechjelmarmen Kriechtieren, Lurchen und Fiihen, die, ohne hohe und feitftehende Eigenwärme, ungleich mehr von der Außentemperatur abhängig find. Eine jelbjtändige Eigenwärme fann nur aufrechterhalten werden durch vollfommeneren Blut- freislauf und rajcheren Stoffwechjel, rafchere „Verbrennung, jtärkere „ Heizung‘ im Körper und durch einen bejondern Wärmejhuß, den die Vögel in ihren Federn, die Säugetiere in ihren Haaren befiten. Der Blutkreislauf wird, wie bei ven Bögeln, vollfommen durch vollitändige Trennung des dunfeln, vendjen, mit Kohlenfäure und anderen Zerfallitoffen aus dem Körper belad- nen Blutes von dem hellen, arteriellen, nähr- und jauerftoffhaltigen. Auch im Herzen icheidet fich, wieder wie bei den Vögeln, beides dadurch, daß beide Borfammern und beide Hauptlammernvolljtändig durch Scheiwewände getrennt werden. Den großen Körperfreig- lauf bejorgt die (vom Tier jelbjt aus gejehen) rechte Vorfammer und die linfe Hauptlammer, ven Heinen Lungenfreislauf die linke VBorfammer und die rechte Hauptlammer, die daher weniger musfelfräftig ift, und die allbefannte, leicht wahrnehmbare Tätigkeit des Herzens geht num jo vor fich, daß erjt beide Vorfammern und dann beive Hauptlammern ftet3 gleich- zeitig ich zufammenziehen. Dabei wird das Blut zunächft dur die verbindenden Offnungen aus der Vorfammer in die Hauptlammer derjelben Seite getrieben, dann aber wird ihm durch die häutigsjehnigen Herztlappen verwehrt, wieder in die VBorkammern zurüczutreten, und jo gelangt das wieder mit Sauerftoff verjehene und dadurch) für ven Stoffwechjel von neuem leiltungsfähig gemachte Blut aus der Lunge durch die linke Borfammer und linfe Yaupt- fammer in den Körper, dagegen das mit den VBerbrennungsproduften des Stoffwechjels an- gefüllte Blut aus dem Körper durch die rechte VBorkammer und rechte Hauptlammer wieder in die Zunge. Der rafchere Stoffwechjel, die rajchere Verbrennung und jtärkere Heizung im Körper duch die Atmung wird ermöglicht Fraft der Kleinheit und großen Anzahl der jogenannten roten Blutkörperchen, jener mikrojfopijch-Kleinen, münzenförmigen Gebilde, die, in ver an fich hellen Blutflüffigkeit jchwimmend, diefer die rote Farbe geben, und denen es in Gemein- ichaft mit ihr obliegt, den Sauerjtoff aus der eingeatmeten Luft in der Zunge aufzunehmen und ebendajelbit die Kohlenjäure, das Zerfallproduft aus dem Körper, abzugeben. Da dies, wie jo viele ähnlihe Vorgänge bei Tieren und Pflanzen, auf einer Berührungs= und Flächenwirkung beruht, jo wird ohne weiteres Klar, was es für die Lebensenergie und Leis ftungsfähigfeit bedeutet, wenn beim Menschen 3. B. auf diejelbe Maffe 4/2 Millionen Blut- förperchen kommen, beim Frojeh nur Y/e Million, wobei allerdings nicht außer acht gelafjen werden darf, daß beim Frojch das einzelne Blutkörperchen viel größer ijt als beim Menichen. Sn diefer ganzen Eigenart der Warmblütigfeit find Säugetiere und Vögel gleich; die Vögel im Zufammenhang mit ihrer meist geringeren Größe und außerordentlichen Beiweglich- feit, die ftarken Wärmeverluft mit fich bringt, jogar noch wärmer im Blute und noch rajcher im Stoffwechjel. Dagegen bejteht in den Hauptverzweigungen des Blutgefäßiyitemz ein Form unterschied zwiichen Säugetieren und Vögeln, indem von den paarigen Kiemenbögen der Filch- ftufe des Keimlings bei den Vögeln ein rechter, bei den Säugetieren ein linfer Aorten- bogen als vom Herzen ausgehender Hauptitamm übrigbleibt. Dies macht eine bejjere Er- nährung der linten Hirnhälfte wahriheinlich, und damit bringt man wieder nad) dem Gejebe der Kreuzung der motorischen (Bewegungs=) Nervenfajern die Nechtshändigkeit der meijten Menjchen in Zufammenhang. Die Warmblütigfeit hat eine tehrfeite darin, daß das Leben des Warmblüters in ganz enge Schwankungsgrenzen feiner Körperwärme gebannt tft, namentlich 12 Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere. deren Herabjeßung nicht verträgt. Das Säugetier it mit wenigen Ausnahmen nicht im: ftande, einen Winterfchlaf, eine Winterftarre auszuhalten, und jhon eine verhältnismäßig jo geringe Erhöhung der Körpertemperatur, wie fie das Fieber darjtellt, gefährdet jein Leben. Eine mit Atmung und Stoffwechjel zufammenhängende Eigentümlichkeit der Säugetiere ift Ichlieglich noch die, daß fie allein ein quer durchgehendes Zwerchfell befiten, das die Brufthöhle mit den jogenannten edeln Organen, Herz und Lunge, von der Bauchhöhle mit den übrigen Eingeweiden volljtändig trennt und nur von der Speijeröhre, einigen Gefäßen und Nerven durchbohrt ift. Diefes Zwerchfell, das für gewöhnlich die Forın eines Kegel- mantel3 hat, wird dur Zufammenziehung feiner von der Kegelipige nad) dem Nande ver: laufenden Muskulatur abgeflacht und bewirkt dadurch ein Einjtrömen der Luft in die Lunge, die im Bruftforb, einem luftleeren Raum, an der Zuftröhre mit ihren beiden Hauptäften (Brondien) frei aufgehängt tft. Die oberen, jogenannten wahren Nippen, die mit dem in der Bruftmitte gelegenen Bruftbein Fnorpelig verbunden find, wirken dabei nur mit, während bei den Vögeln die völlig Fnöchernen Rippen durch eigne Bruftbeinrippenfnochen an dem großen, ebenfalls Fnöchernen jchiffsfielförmigen Bruftbein gelenten und jo durch ihre regel- mäßigen Bewegungen eine ebenjo Fräftige als gleichmäßige Atmung bejorgen. Minvdeitens ebenfo beveutungsvoll wie Blut und Blutgefäßiyiten ijt die zweite Körper- flüjligfeit, die Lymphe, obwohl man an fie, ihre Bahnen, Bewegungen und ZXeiftungen für gewöhnlich viel weniger zu denken pflegt, eigentlich nur beim Impfen und bei gewiljen Krankheiten. Sie ijt aber die eigentliche Ernährungs= und Ausgleihungsflüfligkeit, das, was das Volk die „Säfte“ des Körpers nennt. Wenn dieje fih Frankhaft vermehren zufolge un- genügender Arbeit der ausfcheidenden Organe, 3.B. kranker Nieren, jo fprechen wir von Wajjer- jucht; wenn fie „schlecht“ find zufolge anererbt fehlerhafter Zufammenfjeßung oder „‚verdorben‘‘ werden dur Eindringen von Krankheitserregern in Wunden, jo treten Krankheiten auf, wie 3. B. Sfrofulofe oder im andern Falle Blutvergiftung. Abgeftorbene Lympbzellen bilden aud ven Eiter, und in allen diefen Fällen macht fich die Bedeutung der Lymphe für Wohl und Wehe des Körpers nur zu jehr bemerkbar. Sie ift 8, welche die verflüffigte Nahrung, Fette, Eiweißkörper und Salze, aus dem Dünndarm aufnimmt. Diefe treten durch die Darm- wände hindurch vermöge des Gejeßes der Dsmoje, der Ausgleihung von Flüffigfeiten ver: ihiedenen Inhalts, die nur durch eine Membran, eine häutige Scheidewand, getrennt find. Sie gelangen zunächjt in Eleinfte Lücken zwijchen den Bellen der Darnıwände und werden dann in zartwandige Gefäße gejammelt, die dur Nüdjtauflappen perlichnurartige Umriffe er- halten. n diefem mit Nahrungsftoffen beladenen Zuftande fieht die Lymphe weißlih, milch: jaftähnlich aus und heißt in der Wiffenfchaft Chylus. Sie gelangt dann in das jogenannte Öefröfe (Mesenterium), die doppelte, etwas gefräufelte Haut, an der die Eingeweide in der Bauchhöhle aufgehängt find, und in deren zahlreihe Lymphdrüfen, beffer gejagt: Lympb- Inoten; denn fie find feine eigentlichen Drüfen, weil fie nichts abfondern. Dagegen haben fie mit vielen gleichartigen Organen im übrigen Körper, als deren größtes man heute die Milz betrachtet, eine andere große Bedeutung als Bildungsftätten für das zweite Formelement des Blutes, die zum Unterfchiede von den roten fogenannten weißen Blutförperhen (Leufocyten), die von amöboider, d. h. wechjelnder, den einzelligen Amöben- tierchen ähnlicher Form find. Dieje entiprechen den Blutzellen der wirbellojen Tiere. Sie haben noch eine ebenfo eigenartige al3 wichtige Aufgabe zu erfüllen: das Fefthalten und Belämpfen eingedrungener Krankheitserreger. Sobald joldhe durch eine Infektion, eine Wunde in den Körper gelangt find, fehwillt die nächitgelegene Lymphorüfe an, 3. B. bei einer „‚bösartig” 'suDlapg sauld 142[24S #2 wrb bar yo GETS, % un] safn,T sap aUaZ 'S UYIOUyNBzAnMENT "RZ fr oyoouysnipan Ir Ü / ROQUSAaT AN n_ puvJI 40p aabung "SC UBYIOUNIZANMDPUDH —— _ 3ayo8R -DVUy z uay9ouy -PUDYIPHLW \ N \ \ l \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ i \ \ \ \ \ c% In QUAD AAO N n \ \ R ’ | A \ % R \ \ zrDsjuo]namyos, ee \ \ 5 ' "unaq I } \ C 8 \aduouguadageg, , -19ssn]yaS‘, PqumzunmyaS” = N | ouypz +aerıarun \ -490T j ARE = \ N N : \ N 1 Taqtamursgenaıy \ _ 7 PUYMZOPISUNIS 1 / / ‘ uraquind EZ \ == unquason Pu \ TE aqamspwr” ursggdnvyasyund l Nuaaquung UROqY9of 1 uw mıyas Bwercfell, Lymphe, Lumphorüjen. Gfelett, Hinterhauptsgelenf, Halswirbel. 13 gewordenen Fingerwunde die am Ellbogen und in der Achjelhöhle, und diefer Zuftand dauert jo lange, bis e3 den weißen Lymphförperchen gelungen it, die anfänglich mit der befannten ungeheuerlichen Schnelligkeit ji vermehrenden Bakterien aufzuzehren. Zu den Lymphorüjen, bejjer gejagt: Blutbereitungsorganen, gehört wohl auch) die zwijchen Herz und Bruftbein liegende Thymuspdrüje, das, was 3. B. vom Kalbe in der Kunftiprache der Küche Kalbsmilcher, Kalbmilc), Briefe, ris de veau heißt: wie aus diejem Beifpiel erfihtlih, im Säuglingsalter ein ftattliches Gebilde, beim erwachjenen Tiere aber in der Negel bis auf geringe Nefte wieder geihwunden. Hier mag Ihlieglih noch die Schilddrüje (Thyreoidea) erwähnt werden, die halb- mondförmig vorn am Halje unterhalb des Kehlfopfes Liegt. Über ihre eigentliche Bedeutung it man noch nicht im flaren; man fennt nur eine fatale Wirkung von ihr, daß Ite nämlich durch Frankhafte Vergrößerung und Entartung den „Kropf“ bildet, hat aber zugleich die be- deutfame Erfahrung gemacht, daß man diejen bei der Operation nicht bis auf den legten Nejt entfernen darf, wenn man nicht noh Schlimmeres für die Gejundheit des Patienten herauf: beihwören will. Sit jchon die Entartung der Schilodrüfe, der Kropf, oft mit gedunjenem Aus- jehen, Quellaugen und Geiftesichwäche verbunden, jo treten nach vollftändiger Entfernung leicht noch jchwerere Störungen der verjchtedenften Art auf, die zum Tode führen, und es gewinnen dadurch Vermutungen einen Boden, wie, daß die Schilodrüfe, an die tatjächlich ftarfe Blutgefäße bherantreten, zur Regulierung des Blutdrudes in Kopf und Gehirn diene over zur Fernhaltung im Körper jelbit erzeugter fogenannter Stoffwechjelgifte vom Kopfe, eine Aufgabe, die eine gewilfe Verwandtichaft mit der oben angedeuteten Tätigkeit der Lymphorüfen im Körper hätte. Die Lympbgefäße Jammeln fich jcehlieglih in zwei Hauptitämmen, und zwar die aus ver hintern Sörperhälfte, aus dem Bauch und den Beinen, in dem jogenannten Brujtmilch- gang (Ductus thoracicus), der in die linfe Schlüfjelbeinvene, die aus der vordern Körper: hälfte, aus Bruft, Hals und Kopf, im jogenannten rechten Saugaderjtamm (Truncus Iymphaticus dexter), der in die rechte Schlüffelbeinvene mündet. So tft das Lymphaefäß- iyitem, das bei den Säugetieren ein dem Herzen entiprechendes Bewegungsorgan (Xympbe herz) nicht hat, an zwei Stellen mit dem Blutgefäßiyftem verbunden und ergießt jeinen Inhalt fortwährend in Diejes. Das Skelett, das Muskelfleifch und Eingeweide ftügende, Hirn und Rüdenmark ein- hüllende Knochengerüft, hat eine Reihe von Eigentümlichkeiten, die mit der Bewegungsweile und dem Nahrungserwerb des Säugetieres zufammenhängen und jo zu deijen Begriff gehören. Vorweggenommen jei jedoch ein ganz beftimmter Einzelunterjchied, der im Gegenjaß zu den Vögeln und Reptilien und in Übereinftimmung mit den Amphibien bejteht und daher in den Abjtammungs- und VBerwandtjchaftsverhältniffen der Säugetiere mit den übrigen MWirbeltierklaffen begründet fcheint: die Doppelte Gelenfverbindung (Abb., S. 14 oben) zwifchen dem Hinterhaupt (Oceiput) und dem erften Halswirbel (Atlas). Dieje erlaubt dem Kopfe gegen den Hals nur eine nidende Bewegung in jenfrechter Richtung, während die wagerechte Drehbewegung wiederum nur zwijchen dem erjten und dem zu diejem Zwede ganz eigenartig umgebildeten zweiten Halswirbel (Epistropheus; Abb., S. 14 unten) vor fich geht. Lebtere Einrichtung befigen die Vögel aber auch, und außerdem gelenkt ihr Hinter: haupt nur einfach mit dem Halfe: daher die große Drehfähigteit des Vogelkopfes nach hinten. C3 fommt hinzu, daß bei den Vögeln je nach der Länge des Haljes die Zahl der Hals: wirbel jehr jchwanft (zwifchen 8 und 23), bei den Säugetieren dagegen an die Siebenzahl 14 Ein Blid auf die Sefamtheit der Säugetiere. gebunden zu fein jheint. Auch bei der Giraffe find e8 nicht mehr, und beim Walfifch, der gar feinen erfennbaren und beweglichen Hals hat, find fie troß Verkürzung und VBerwachjung noch nachzuweifen. Nur bei den Faultieren kommt eine Vermehrung bis auf 10 vor, aber auch Säugetierfhädel mit der doppelten Gelenfverbindung zum erften Halsmwirbel (Delphin). Hinterhauptsloches. Nach einer Zeihnung von M. Dueißer. Die beiden Gelentflächen Tiegen zu beiden Seiten des Vol. ©. 18. da merfwürdigerweije nur bei der einen Gattung, die allerdings beim hängenden Stlettern den Kopf in ganz vogelartiger ABeile nach dem Nüden umzudrehen vermag. Sm übrigen muß das Sfe- lett der Säugetiere ihre gemein: hin jo ungleich leichtere und ein= fachere Bewegungsweije auf der Erde over im Waffer wider: jpiegeln, die fih nur im Flat- tern der Fledermäufe ganz aus: nahmsweije zum Wettbewerb mit den Vögeln erhebt. Die Säuge: tiere gebrauchen in der Regel alle vier Gliedmaßen mehr oder minder gleihmäßig, wenigitens nicht Jo grundverjchteden wie die Bögelihre Flügel und Beine, und demgemäß entjprechen auch VBorder- und Hinterbeine in der Kegel viel mehr dem fünfzehigen Grundplan der Yandwirbeltiergliedmaße oder entfernen fich von diefem wenigftens in gleicher Epistropheus---- \ \ Zahn des Epistropheus Erjterundzweiter Halswirbeleines Süugetieres(Bernhardiner= hund). ‚Der HYahn des Epistropheus ift der Iosgelöfte und untgebildete Wirbelkörper des Atlas. Nach einer Zeichnung von S. Frey. Vgl. ©. 13. Nichtung (Einhufer, Zweihufer). Hier mag ein allgemeines Wort Plab finden über ein Organ, das der unbefangene Unfundige mit großem Stole für den Menjichen allein in An- Ipruch zu nehmen geneigt ift, weil er das Gefühl hat, daß e3 den Menjchen erit zum Menjchen macht: die Hand mit dem gegenftändigen Daumen. Man jagt, durch fie wird der Menfch zum zweiten Schöpfer, fie macht ihn geichielt, der Natur nachzufchaffen. Und wenn man bedenkt, welche viel- fältige Verwendbarkeit und Xeiftungs- fähigfeit die Menjchenhand unter der Herrichaft hoher Intelligenz und feiner ‚senervation erlangt, jo ift das auch wahr. Nichtsdeftoweniger ift die Hand im Säugetierftamm ein jehr altes Gebilde. Darauf macht Karl Bogt mit Recht aufmerkjam, und das geht jchon daraus hervor, daß fich bei ihr der urjprüngliche fünffingerige Zuftand erhalten hat. Wie wir ihn von den niederen, faltblütigen Wirbeltieren Fennen, jo fehrt er unter den Säugetieren bei ® Bemwegungsweile, Hand, Fuß; Sohlen-, Hehengänger. 15 den ftammesgefchichtlich alten, nievrigftehenden Beuteltieren wieder, dann bei den ebenfalls altertiimlichen, zumeift auf das uralte Feitland Madagaskar bejchränkten Halbaffen und ichließlich auch bei den Affen. Bei diefen aber jchon in einer Weiterbildung, die fich im Zus rieftreten des Daumens nach Größe, Stellung und Leiftung äußert und, nachdem dieje Nüd: bildung einmal eingetreten ift, eine weitere Umbildung zur Menjchenhand gar nicht mehr ges ftattet. Die körperliche Vielfeitigkeit des Menjchen, der laufen, jpringen, Hettern, Schwimmen, graben, furzum alles kann, was die Säugetiere fönnen, bis auf das Flattern, aber jedes ein- zelme viel jchlechter alS diejenigen Säugetiere, die gerade an dieje Leitung einfeitig angepasst 2 4 Hintergliedmaßen von Sohlen- und Zehengängern (1 Pavian, 2 Hund, 3 Lama). Die Zußfnohen bi3 zur Ferje find duntel, die Beinfnochen oberhalb der Ferje hell angegeben. Nach einer Zeihnung von K. 2%. Hartig find, — dieje körperliche PVielfeitigkeit des Menfchen hat ihre Sehrjeite oder vielmehr ihre Vorausjegung in einer gewijfen Urfprünglichkeit. Auf fie gründen fich die jüngjten Verjuche von Klaatfeh und anderen, den Menfchen in der Erdgefhichte immer älter zu machen, ihn immer tiefer aus der Tiefe des Säugetierftammes unmittelbar heraufzuholen: die neujte Ent: widelung der Abjtammungsforihung. Auch das Endftüc der Hintergliedmaßen, der Fuß, beweilt uns, daß der Menjch mit feinen nächjten Verwandten im Tierreiche in vieler Beziehung auf einer primitiven, urjprüng- lichen Stufe der körperlichen Ausbildung verharrt, und auch hier gibt uns Karl Vogt wieder den richtigen abjtammungsgejchiehtlihen Gefichtspunft. Er hebt hervor, daß der Menjch mit den Affen und Halbaffen, ferner die Bären und anderjeitS wieder die niederjten Säugetiere, Die Beutel- und Kloafentiere, mit dem ganzen Fuße bis zur Ferje auftreten, Sohlengänger find, während die Hauptmafje der übrigen Säugetiere als Zehengänger vermöge verlängerter Fußmwurzelfnochen die Ferje, wie ein nach hinten gewinfeltes Sinie, mehr oder weniger hod) in 16 Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere. der Luft trägt und nur mit den Zehen den Boden berührt. Diefem Zuftand in der heutigen Säugetierwelt ftellt num Vogt die Tatfache gegenüber, daß die älteften vorweltlichen Vertreter, gleichviel welcher Gruppe, alle Sohlengänger waren, wie ihre Knochenrejte deutlich beweifen, und zieht daraus ganz folgerichtig den Schluß, daß nicht nur die fünffingerige Hand mit dem Daumen, jondern auch der fünfzehige, mit der ganzen Sohle auftretende Fuß, wie ihn der Menieh hat, genau genommen, ein primitives, urjprüngliches Merkmal ift. Und doch ift es wejentlich diefer Fuß, der — auch den dadurd lächerlich menjchenähnlichen „Tanzbären” — zum aufrechten Gange befähigt und fo erft Kopf und Hände für „höhere Zwede frei macht! Am Rumpffkelett ericheint die bewegliche Lendenregion bemerkenswert und ver: ftändlich durch das Erfordernis der Wendigfeit bei der Bewegung auf dem Lande und im Waffer, ebenjo wie anderjeitS die jchwierige Bewegung des Vogels in der Luft durch den in allen Teilen fejt verbundenen Rumpf erleichtert wird. Auch der Schultergürtel zeigt beim Säugetier geringere Ausbildung und Feltigkeit. Nicht nur, daß das Nabenjchnabelbein bis auf einen kleinen Fortfaß am Schultergelent (Processus coracoideus) verfünmert ift; oft bildet fich jogar das Schlüffelbein zurüd bis auf einige VBerfnöcherungen in einem elaftiihen Bande, und zwar bei allen denjenigen Säugetieren, die ihre Vorderglievdmaßen ungefähr ebenjo gebrauchen wie die hinteren, 2. ). zum Laufen und Springen. Bei ihnen ift dann der Körper elaftisch zwilchen den Vorder: beinen aufgehängt, was für ihre Bewegung (plößliches Anhalten im Laufe) manche Vorteile hat, während bei den grabenden Säugern wiederum das Schlüfjelbein äußerjt Fräftig ausgebildet üt. Sm allgemeinen treten aber am Schultergürtel des Säugetieres alle andern Teile hinter vem Schulterblatt (Scapula) zurüd, das verftärkt wird durch eine fchräge Leilte, die Schulter: gräte (Spina scapulae) und die jogenannte Schulterhöhe (Acromium), als Erjaß für das Naben ichnabelbein des Vogels. Die beveutfamen, ebenfalls aus der Bewegungsmeije zu erflärenden Unterjchieve, welche Bruftbein und Rippenforb bei Säugetieren und Vögeln aufweijen, find oben im Anjchluß an die Atmung bereits gejchildert worden. it dem Nahrungsermwerb des Säugetieres hängt jein Schädelbau zujammen und namentlich eine jeiner hervorragendften Eigentümlichkeiten, das Gebiß. Das Säugetier zeichnet fich in der Nahrungsaufnahme vor den übrigen Wirbeltieren dadurch aus, daß es feine Nab- rung nicht im ganzen oder in wenigen großen Stüden verichlingt, jondern fie mehr oder weniger jorgfältig zerkleinert, ehe e3 fie dem Magen übergibt. Das Säugetier (mit wenigen Ausnahmen) Faut feine Nahrung, und das prägt fich natürlich im Bau des SchädelS aus: in der Verbindung von Hirn= und Gejichtsteil (Schnauze, Schnabel) und in der Zufammen- jeßung und Bewegung des Unterkfiefers. Nur diejer ift am Säugetierjchädel beweglich; alles übrige bildet ein vollfonmen feft verbundenes Ganze, gegen das eben der Unterkiefer Dadurch um jo Fräftiger wirken kann. Anderfeits verfchmelzen die einzelnen Knochen des Hirnjchädels oft erit jehe jpät im Leben des Säugetieres miteinander, e8 bleiben jehr lange die Shädelnäbhte (Taf. „Schädel”), Suturen, al3 Ziczadlinien erkennbar, und das ift wieder auf das bedeutende Gröpenwachstum des Säugetiergehirns, des größten von allen, zurüdzuführen, dem der Schädel folgen muß. Der Unterkiefer befteht jeverjeitS nur aus einem, im ganzen alfo mur aus zwei Knochen: jtücen, die vorne mit wenigen Ausnahmen (Nager) ganz feft verbunden find und hinten mit einem mehr oder weniger Fräftig emporragenden Fortfab am Schädel gelenken. Die übrigen Teile des Unterkieferapparates, die in den anderen Wirbeltierklaffen eine freiere, vielfältigere Schädel. Säugetierichädel mit den Schädelnähten (Affe). Nach einer Zeichnung von M. Queißer. m Säugetierichädel mit vollitändigem Gebiß (Affe). vaı. s. 1718. Säugetierichädel mit Zahnwechiel (Affe). ve. s. 18. ach Zeichnungen von C. Roloff. NRumpfifelett. Schultergürtel. Schädelbau. Gebif,. 1874 Beweglichkeit desjelben ermöglichen (Os quadratum und Os articulare), jheinen vollitändig zu fehlen. Die Entwidelungsgefchichte des Säugetierfeimlings findet fie wieder und zeigt, daß fie in da3 Gehörorgan eingehen: das Säugetier hat nicht nur ein Gehörfnöchelden, wie die anderen über den Fichen ftehenden Wirbeltiere, jondern deren drei, die nach ihrer Form jogenannten Hammer, Amboß und Steigbügel, die zur Übertragung der Schall- wellen vom Trommelfell auf das eigentliche, innere Gehörorgan dienen. Der Steigbügel entjpricht dem einzigen Gehörfnöchelhen, das Amphibien, Reptilien und Vögel aufweilen; Amboß und Hammer aber find Quadratum und Articulare. Sole Verhältnifje werfen immer wieder helle Streiflichter auf die Tatfahe, wie die Natur gezwungen ift, mit dureh die Vererbung gegebenem Material zu wirtfchaften, wie fie aber zugleich duch die Anpafjung die Kraft befitt, das durch die Vererbung Gegebene umzuwandeln. Diefes durch die Vererbung Gegebene zur ua ann fommt auch beim Gebiß zum Vorfchein, \ ganz läßt es fich nicht unterdrücen. Die- jenigen Säugetiere, welchen als Ausnahme= fällen die Zähne nach der Geburt volljtän- dig fehlen (Kloafentiere, manche Zahnarme und Wale), haben fie wenigjtens vor der Geburt in den Anlagen, die allerdings aleich wieder verfchwinden, wieder aufgelöft und aufgefaugt werden. Sn der Vorwelt hat es auch Vögel mit Zähnen gegeben, die danac) Zahnvögel (Odontornithes) heißen. Und in den Faltblütigen Wirbel- tierklafjen ift vielfach eine reichliche, man möchte jagen: überreichlihe Bezahnung a ea vorhanden, die oft auch auf die Nachbar- ihaft der Kiefer (Gaumen, Kiemenbogen) übergreift. Dabei unterjcheivet fich dieje Menge von Zähnen in ihrer Form und damit ihrer Arbeitsleiftung meift wenig, und derjelbe Zu- jtand fehrt auch noch unter den Säugetieren bei einigen Zahnarmen wieder, die durchaus nicht alle wirklich ‚„zahnarm‘ find, wohl aber in der höheren, verichiedenartigen Ausbildung der einzelnen Zahngruppen fehr zurüditeben. Bei der Hauptmafje der Säugetiere tritt eine jehr zwechmäßige Arbeitsteilung unter den Zähnen ein: die verjchievdenen Gruppen übernehmen verjchiedene Tätigkeiten beim Nahrungs- erwerb, nehmen dementiprechend verjchiedene Form an, bilden fich befonders ftark oder jchwach aus und fehlen auch ganz, je nachdem zufolge der Eigenart des Nahrungserwerbs bei den ein- zelnen Säugetiergruppen für gewiffe Zahngruppen viel, wenig oder gar feine Verwendung it. Sehr zahlreiche, aber völlig gleichartige, einfach fegelfürmige Zähne, von denen immer einer in die Lüce zwiichen zweien des entgegengejegten Kiefers paßt, alfo ungefähr das Gebiß, wie e3 bei den Neptilien die Negel ift, finden wir unter ven Säugetieren beim Delphin. Solche Zähne fünnen nur zum Faljfen und Feithalten der Nahrung dienen. Sobald eine eingehendere Verarbeitung derjelben jtattfindet, treten gleich die verschiedenen, durd) die Arbeits- teilung bedingten Zahnformen auf. Am regelrechten, vollftändig ausgebildeten Säugetiergebiß untericheivet man: Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 2 18 Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere, 1. Schneidezähne (Incisivi). Sie bilden die mittelfte, im Kiefer am weitelten vorn- gelegene Zahngruppe, wirken gewöhnlich mit einer einfachen, wagerechten Oberkante gegen- einander umd üben dann diejenige erfte, einleitende Leiftung beim Nahrungserwerb, über die die Zähne der Kaltblüter überhaupt nicht hinausgehen: das Erfaffen der Nahrung. Die Schneidezähne können aber auch ganz verjchiedenartige Formen annehmen; der Stoßzahn, das Elfenbein des Elefanten, ift 3. B. au ein Schneidggahn, und jo lafjen fie fich Ichließlich mit Sicherheit nur nach ihrem Site bejtimmen. Der Oberfiefer befteht nämlich) aus zwei Teilen, dem vorderen, jogenannten Zwijchenkiefer und dem hinteren, eigentlichen Ober: fiefer, und man ift num übereingefommen, mur das als Schneidezahn zu betrachten, was im Zwifchenfiefer figt. m Unterkiefer ift dieje Zweiteilung nicht vorhanden, und man läßt fich dann bei der Beftimmung der unteren Schneidezähne von ihrer Form und Lage leiten. 2, Edzähne (Canini). Sie fißen neben den Schneidezähnen an der Ede, wo der Stiefer nach hinten umbiegt, und find dementjprechend in jeder Kieferhälfte nur einzeln ausgebildet, dafür aber in der Negel defto länger und ftärker, bei Raub und anderen wehrhaften Tieren (Wildjchwein) gefährliche Waffen. 3. Badzähne. Dieje legte Zahngruppe, die im hinterften Teile des Kiefer, in der Badengegend, fißt, hat die Aufgabe, die Nahrung zu zerkleinern, zu fauen, und da dies Kau- gejchäft bei verjchievenartiger Nahrung in verichtedener Wetje erledigt werden muß, jo wechjeln auch die Bachzähne mehr oder weniger in der Zorm. Sie nehmen nad) hinten an Größe und eigenartiger Oberflächenentwidelung zu und find im allgemeinen nicht fo einfach gejtaltet wie Schneide- und Edzähne, weil fie eben Kauflächen bieten müfjen, breite Mahlflächen für die Pflanzenfreffer, Jcharfe Scherenjchneiven für die Fleischfrejfer. Bei den Baczähnen unter: Jcheidet man wieder zwilchen den auf den Echzahn folgenden Küdzähnen (Praemolares) und den ganz hinten im Kiefer figenden wahren Badzähnen (Molares). Das führt uns auf eine nicht ohne weiteres verftändliche Eigentümlichkeit der Säuge- tiere, das Milhgebiß und den Zahnwechjel (Taf. „Gebiß“, bei ©. 17). Man nennt nämlich Xüchzähne diejenigen Badzähne, die chon im Milchgebiß vorhanden find, und eigent- liche Badzähne diejenigen, die erft mit dem Zahnwechjel im endgültigen Gebiß erjcheinen. Daß in leßterem mehr Badzähne Plab finden als in erjterem, läßt fich wohl unmittelbar be- greifen durch den inzwijchen herangewachjenen Kiefer, und das Verftändnis für den Erjab der Milchzähne vermittelt die Betrachtung der entjprechenden Zuftände bei den Kaltblütern, wo mit der Abnusung ein mehr: und vielfacher Nachichub von Zähnen ftattfindet, nur zeitlich nicht jo ftreng geregelt, jo daß jtetS mehrere Generationen von Zähnen vorhanden find; daher die Fülle von Zähnen. Bei den Säugetieren dagegen erfolgt nur ein einmaliger, in Zeit und Reihenfolge genau eingehaltener Wechjel, der lange vorher fchon vorbereitet ift. Doch gibt es Ausnahmen, 3. B. in jehr eigenartiger Weife beim Elefanten. Bau und Bildung des Zahnes haben einige Ihnlichfeit mit der des Haares. Der Zahn beiteht aus einem Oberteile, der allein fihtbaren Krone, aus einem Unterteile, der im Stiefer jtedenden Wurzel, und einem zwifchen beiden vermittelnden Zwifchenteile, dem fogenannten Zahnhals. Der Zahn ift, wie das Haar, jeinem Uriprung nad ein Hautgebilde, und zwar eine Yautverinöherung, und entjteht auf einer Cutispapille durch Abjeheidung von Zahn- bein, Dentin, d. b. einer dem Knochen ähnlichen Maffe, die fich dus parallelen, rings um einen innern Hohlraum (Zahmmurzelhöhle) angeordneten Röhrchen zufammenfegt. ES gibt Zähne, wie 3. B. die Naggzähne, die Schneidezähne der Nager, deren Vapille zeitlebens in Tätigkeit und deren Wachstum daher unbegrenzt ift, jo daß die Abnugung an der Gebif. Zahnmechjel. Zahnbau. Lippen. Zunge. Gaumen. 19 Spige immer wieder ausgeglichen wird. Meift wird das Wachstum aber zu einem bejtimmten Zeitpunft abgejchloffen, und dann fan man am Zahne unterjcheiden zwilchen der Krone, die, mit Schmelz überzogen, aus dem Zahnfleisch hervorragt, und der Wurzel, die, ohne Schmelz in den Kiefer eingefeilt, zur Befejtigung des Zahnes dient. Auch das Säugetiergebiß in feiner verfchiedenen Ausbildung ift das Ergebnis der beiden Grundfräfte, die in der Lebewelt einander entgegenwirken, der Vererbung und der Anpaljung, und zwar darf man im allgemeinen wohl annehmen, viele Einzelbelege jtügen die Annahme, daß das Milchgebi des Jungen mehr das Ererbte anzeigt, daS endgültige Gebiß mehr der Lebensarbeit de3 erwachjenen Tieres angepaßt ift. Jedenfalls it das Gebiß des Säugetieres ebenjo fennzeichnend für Abjtammung und Verwandtichaft wie anderjeits für Nahrungs und Lebensweife und damit die ganze Eigenart. In der Säugetieriyitematik jowohl der lebenden al3 noch mehr der vorweltlichen Formen, von denen oft nicht viel mehr als die Zähne erhalten it, ipielt das Gebif daher eine grundlegende Rolle, und man hat in den Zahnformeln einen jehr deutlichen und bequemen Ausdrud gefunden, um das Gebik eines Säugetieres mit Zahlen zu bezeichnen, indem man über und unter einen wagerechten Strich jchreibt, wieviel Schneide, Ed- und Baczähne in je einer Hälfte des Ober: und Unterfiefers vorhanden find. Die Badzähne Fann man dabei insgefamt angeben oder nach Züc= und wahren Badzähnen auseinanderbalten. Außer den Zähnen und noch vor diefen find bei der Nahrungsaufnahme des Säugetieres die in der Negel weichen, beweglichen Lippen tätig, die im Gegenjaß zu dem harten Bogelichnabel der Kaffe eigentümlich find, in ihrer Tätigkeit aber ausnahmsweife auch dur) die Naje (Elefant) oder die Zunge (Ameijenfrejjer) erjeßt werden können. Eine Art Gegenftücd zum Kropfe mancher VBogelgruppen (Körner- und Fleiichtrejier) bilden die Badentafhen mancher Säugetiere (Affen, Nager); fie fünnen indes nur zur Auf- bewahrung, nicht zu vorbereitender Verdauung dur Aufweihung dienen. Dieje bejorgen die Zähne, indem beim Kauen zugleich eine ausgiebige Abjonderung aus den unzähligen kleinen Mıumdhöhlendrüfen, die fich über die ganze Mundjchleimhaut verbreiten, und den drei Paar Speideldrüfen ftattfindet. Dabei leiftet jehr wejentliche Hilfe die Zunge, die zum Unterjchted von der jteifen Hornzunge der Vögel beim Säugetier ein äuferit bewegliches und mustulöfes Organ it. Bermöge deffen Fan fie mehr oder weniger weit aus dem Munde herausgeftredt werden, zur Reinigung des eignen Körpers und der Jungen, auch zum Ergreifen der Nahrung dienen (Giraffe). Die Zunge wirkt aber auch als Sinnesorgan dadurd, daß auf ihrem warzigen, mit mandmal verhornten (rauhe Zunge der Kasten) Bapillen bejesten Hintergrunde, der BZungenwurzel, die Gefhmadstnoipen oder Gefhmadsbeher (Taf. „Heihmadsorgane‘, bei ©. 9) fiten, und zwar hauptfächlich in den fogenannten Papillae circumvallatae und foliatae (Ningwall= und Blätterpapillen). Als Verlängerung der wagerechten Trennungswand zwiichen Najen= und Mundhöhle, des jogenannten harten Gaumens, tritt bei den Säugetieren noch der weihe Gaumen oder das Gaumenfegel auf, dejjen mittleres vorgezogenes Ende beim Menjchen und Affen das allbefannte „Zäpfchen“ (Uvula) dartellt. An der Seite, wo diejes Gaumenfegel zur Zungenmwurzel herab: fteigt, liegen auch die nicht weniger bekannten „Mandeln“ (Tonsillae), Iymphorüjenartige Öe- bilde, deren eigentliche Bedeutung, wie e3 fcheint, noch nicht aufgehellt ift; vielleicht dienen fie zum Abfangen von Krankheitservegern. Das Gaumenfegel bewirkt bei den Säugetieren eine 9* 20 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere, Scheidung der Mundhöhle in den vorderen, eigentlichen Mund und den hinteren Schlund oder Rachen (Pharynx), von dem nun noch weitere, tafchenartige Ausftülpungen ftattfinden fönnen. Magen (Ventrieulus) und Darm (Intestinum) de3 Säugetier3 falfen mehr, find im Verhältnis zur Körpergröße länger und umfangreicher al3 beim Vogel, d.h. fie find, natürlich nur ganz allgemein gefprochen, im Leibesbau das Spiegelbild einer grumdfäglichen Verjchie- denheit in der Lebens umd Ernährungsweile. Der Vogel ift fozufagen immerfort in Be- wegung und frißt immerfort; das Säugetier füllt feinen Magen, der bei jehr wenig nähr- ftoffpaltiger Pflanzennahrung durch mehrfache Teilung ungeheuer vergrößert jein Fann (Wieder- fäuer), in möglichit Furzer Zeit an und ruht und verdaut dann längere Zeit. Derjelbe Unterfchied befteht in der Entleerungsweife: man vergleiche nur den ftubenreinen Hund mit dem freigelafjenen Käftgvogel! Der Magen, in den die Nahrung durch die Speiferöhre (Oesophagus) gelangt, wird beim Säugetier mit wenigen Ausnahmen G. B. Seehund) zufolge der zunehmenden Größe quer geftellt und nach linfS (Curvatura major) mehr ausgebuchtet al3 nach recht (OÖ. minor). Außerdem bilden fich verichiedenartige Einfchnürungen und Ausjadungen, bei den Wieder: fäuern tritt jogar bekanntlich eine volljtändige Vierteilung ein; alles das läßt fich aber auf die zweifache Aufgabe zurüchühren, die der Magen zu erfüllen hat: die Aufjtauung und die Verdauung der Nahrung. Dieje Doppelmatur prägt fih auch bei vielen äußerlich gar nicht oder wenig geteilten Säugetiermagen aus: in der Verfchiedenartigfeit der inneren, hier drüfigen, dort drüfenlojen Hautbekleivung, an der die örtliche Arbeitsteilung im Magen deutlich zu erkennen ift. Der Magen ift durch den verengerten, mit einem Ningmusfel verjehenen Bförtner (Pylorus) mit vem Dünndarm (Intestinum tenue) verbunden, in dejjen vielfachen Schlangenwindungen die eigentlichen Nährftoffe aus dem verflüffigten Speije- brei aufgefaugt werden; Schleimhautzotten, die auf der Innenwand hervorragen, erleich- tern dieje Aufgabe durch Vergrößerung der Berührungsfläce. Bei der Berdauumg, die im Magen durchaus nicht abgejchloffen wird, hilft, während der Speijebrei langjam den Dünndarm durchwandert, noch die Baudhjpeicheldrüfe (Pan- creas) mit, deren Abjonderung die Fähigkeit hat, die vom Magen nicht verdauten Eiweißitoffe vermitteljt eines dem Bepfin ähnlichen Stoffes, des Trypfins, weiter zu verarbeiten und in Yölung zu bringen, ferner den Stärfegehalt der mehligen Speifen in löslichen Zuder ums zuwanveln (dies in noch höherem Grade als die Mundjpeicheldrüfen), endlich das Fett fein zu verteilen und wenigitens teilweife in Lösliche Verbindungen überzuführen. Die Leber dagegen, die größte echte Drüfe des Säugetierförpers (beim Elefanten fait zentnerjchwer!), Kann durchaus nicht einfach al Verdauungsdrüfe angejehen werden, wenn fie auch bekanntlich die Galle in den Darm abjeheidet, in vielen Fällen, nachdem dieje fi) vorher in einer Gallenblafe angejammelt hat. Die bittere Galle ift für die Verdauung jehr wejentlich, weil fie „al3 eine feifenähnliche Löfung eine gewiffe Verwandtiehaft fomopl zu wäjjerigen Flüffigkeiten al3 auch zu Fetten befitt” und dadurch nach dem immer wieder feine Herrichaft im Tierkörper beweifenden Gejege der Osmofe einen Ausgleich zwijchen beiden er- leichtert, wenn fie die trennende Membran, die Darmjchleimhaut, durchträntt. Dur) ihre Verbindung mit zwei Hauptftämmen des Blutgefäßfyftems, der durch die „‚Qeberpforte” eintretenden und danach jogenannten Rfortader (Vena portae) und der das Blut wieder abführenden unteren Sohlvene (Vena cava inferior), beweift aber die Leber, daß jie noch andere wichtige Aufgaben des Stoffwechjels zu erfüllen hat. Sie ift nämlich die Aufipeicherungsftätte für die aus der Nahrung ins Blut aufgefogenen Nährftoffe, RI S mn x S ı 8 s SQ v8 3 N vp78D Pq.amuoapu9aT —\ N ! N 79427709 uabow 41.109.499 > > y ö I N SI \ hi 99T ERZING NıPPyadsy uaayyom auogur napy9amz Ba: &E Ne j nd. Fienz Schmidt ahring: Eingeweide einer Doggenhündin. Rachen. Speijeröhre. Magen. Darm. Kehlfopf. Luftröhre. 21 die fie in den fogenannten Leberzuder (Glyfogen) verwandelt, eine dem Stärkemehl der Pflanzen und dem Dertrin oder Stärkegummi verwandte Verbindung; namentlich aber lagert fie in ihren Zellen bei jeder Verdauung große Mengen von Fett in Form von Kügelchen ab. Durd) Mast entjtehen jo die großen, zarten, weißen und wohlichmedenden Fettlebern. Wo der mittlere, engere und dünnmwandige Teil des Darmes in den derbwandigen End- und Diedarm (Intestinum crassum) übergeht, der wejentlich nur der Eindidung (Waller: auffaugung), Anfammlung und Formung der unverdaulichen Nahrungsreite, der Kotmafjen, dient, jackt fich der Blinddarm (Caecum) aus, der jehr groß jein (Bflanzenfrejjer) und auch ganz fehlen kann (Fleifchfrejfer), allo wohl eine gewilje Bedeutung für die vollfommene Ausnußung der wenig ausgiebigen Pflanzennahrung hat. Ein jo bedeutend in die Länge entwideltes, troßdem aber in die Bauchhöhle zufammen- gepadtes Organ, wie das Darmrohr, das beim Rinde 3. B. 25 m lang wird, bedarf natürlich einer bejonders zwedentiprechenden Anordnung und Befeftigung. Dieje wird einjchlieglich des Magens und der Anhangsorgane, namentlich der großen, jehweren Leber, beim Säugetier gewährleiftet durch verwicelte Verdoppelungen des Bauchfelles, das von jeiner gefräufelten Form fogenannte Gefröjfe (Mesenterium), das die Eingeweide an der hintern Bauchwand be= feftigt. Ein befonderer Teil, der jchürzenartig vom Magen vor den Baucheingeweiden her niederhängt, heißt ‚Net (Omentum), weil es, von Fettadern durchzogen, zwijchen diejen beim erwachjenen Tier von zahllojen Löchern negförmig durchbrochen ijt. Bon dem großen Unterjchiede im ganzen Atmungsmechanismus zwijchen Säugetieren und Vögeln war jehon oben beim Blutkreislauf und Zwerchfell die Rede, Ebenjo verjchieven it bei beiden Wirbeltierflajfen Sit und Bildung der Stimme. Da das Säugetier nicht entfernt die wohlausgebildete Stimme hat, wie die meijten Vögel fte bejigen (vgl. ©. 36), Aind jeine Stimmorgane auch viel einfacher gejtaltet. Wo die beiden Hauptäfte der Luftröhre, die Brondien, nah den Lungen abgehen, an der Stelle, wo das jchmetternde Vogellied der £leinen Bruft entquillt, finden wir beim Säugetier Feine Spur von einem zweiten, untern Kehlkopf; das Säugetier bildet vielmehr feine ganze Stimme im obern Anfang der Yuftröhre, dem befannten eigentlichen Kebl£opf (Larynx), durch verjchievene Stellung und Anjpannung der jogenannten Stimmbänder (Ligamenta vocalia), zweier innerer Schleimhautfalten, die zwischen fi einen Spalt, die Stimmrige (Glottis), freilaffen. Zwijchen den Knorpeln des Kehlfopfes Fönnen no mannigfadhe Anhangstafchen hervortreten, die man gewöhnlich al3 Rejonanzorgane zur Verftärkung der Stimme betrachtet (Brüllaffe). Der Kehlkopf der Säugetiere hat noch eine diefen eigentümliche Einrichtung, den Kehldedel (Epiglottis): er legt fich beim Schluden von vorn auf die Stimmrige nieder, während dieje bei den übrigen Wirbeltieren duch Mustelkraft gejchloffen wird. Neuerdings it man allerdings auch geneigt, ihn als Geihmadsorgan aufzufaffen, weil er zahlreihe Geichmadsfnojpen trägt. Die Luftröhre (Trachea) wird geftügt und offengehalten durch Anorpelringe, die auf der Hinterfeite, wo die Speiferöhre anliegt, gewöhnlich unterbrochen find, damit große Speile- brocden bequemer vorbeigleiten. Die Länge der Luftröhre richtet fich jelbitveritändlich nad) der Länge des Haljes. An ihrem untern Ende teilt fie fich immer in zwei Slfte (Bronchi) für die beiden Lungenflügel, die fich wieder in eine größere oder Kleinere Anzahl von Lungen: lappen teilen können. Snnerhalb der Lunge veräfteln fich die beiden Bronchien zu einem voll: fommenen „Bronchialbaum‘, dejfen feinfte Athen mit zahllojen hohlen, überaus dünmmwan- digen Anjchwellungen, den jogenannten Alveolen, bejegt find und mit ihren legten Spigen 22 Ein Bli auf die Gejamtheit der Säugetiere. in traubige, mit Alveolen bejegte Säcchen übergehen. Jr den Alveolen findet die eigentliche Atmung, d. h. der Gasaustaujch zwiichen Luft und Blut, dadurd) ftatt, daß fie mit einem dichten Haargefäßneß umfponnen find. Die Lunge (Pulmo) des Säugetiere unterjcheidet jich von der des Vogels durch ihre vollfommen freie Yage oberhalb des Zwerchfells, d. h. in der Brujthöhle. Verwachjungen mit der innern Hautauskleivung, dem Brujt= oder Nippenfell (Pleura), fommen nur ganz aus> nahmsweile (Elefant) und als unerwünschte Folge von Krankheiten vor; ebenjo fehlen in Ver- bindung mit der Zunge jtehende Luftjäce, auch bei ven Sledermäujen, während jolche bei ven fliegenden Vögeln zur Erleichterung des Körpergewichtes befanntlich eine große Rolle jpielen. Über den feineren und feinften Bau der Säugetierlunge bat der vielfeitige Berliner Zoolog Franz Eilhard Schulze an reichlichem und vielfältigem Material jeit Jahren eingehende Unterfuhungen angeftellt, die wohl einen gewiljen Abjchluß der wifjenichaftliden Erforichung dDiefes Drganes bedeuten, hier aber nicht im einzelnen wiedergegeben werden können. Nur ein Ergebnis jeiner Berechnungen möge hier Blab finden, weil es ein höchit lehrreiches Streiflicht auf den Zufammenbang des Baues der YZunge mit der ganzen Lebensenergie wirft und zeigt, welche Unterjchiede in diejfer Beziehung auch innerhalb der Klafje der Säugetiere noch bejtehen. Sp enthält nah Schulze die Kagenlunge etwa 400 Millionen Alveolen. Das etwa gleich große Dreizehige Faultier hat dagegen nur 6250000. Umgerechnet in rejpiratorijche, für die Atmung wirfiame Fläche, wobei die verschiedene Größe der Alveolen noch berüchtchtigt werden muß, ergibt das für die Kabe 20 qm, für das Faultier 5: den vierten Teil! Schulze it „‚ges neigt, diejen auffälligen Unterjchted darauf zu beziehen, daß die Kate als jpringendes Naub- tier eine jehr kräftige Musfelaktion ausübt, daher einen befonders regen Stoffwechjel hat und jomit eine große Nejpirationsflähe braucht, während das mit jeinen fichelfürmigen Krallen an Baumzweigen hHängende und ohne jegliche Anftrengung Blätter verzehrende träge Faultier nur wenig Bewegungen ausführt und daher einen viel weniger lebhaften Stoffwechjel hat als die Kate, jomit auch eine weit geringere Nefpirationsfläche braucht als jene. Die von Hausmann früher jchon feitgeitellte Tatjache, daß bei aneinanderjtoßenden Alveolenbläschen die Zwiichenwände durchbrechen, ift von Schulze endgültig bejtätigt und wiederum in jehr intereffanten Zufammenhang mit der verjchiedenen Lebensenergie der ver: Ihiedenen Säugetiergruppen gebracht worden. Er jagt darüber: ‚Am reichlichiten habe ich die Xöcher in den Alveolenjcheidewänden einiger Snjektivoren, jo bejonders des Jaels, des Maul- wurfs und der Spigmäufe, vor allem der Eleinften deutichen Spikmaus (Sorex minutus) ge funden. Selbjtveritändlich muß eine jo weit getriebene Berforation der Alveolenjepta (Alveolen- wände) von großer Bedeutung für die Erhöhung des Gasaustaufches jein, da hierbei die nur mit dünner Hülle umfleiveten Kapillaren fajt alljeitig von Luft umjpült find, während fie in den wenig durkhbohrten Septen anderer Säugetiere nur an zwei gegenüberliegenden Seiten mit der Luft in Berührung fommen. Da diefe erhöhte Nefpirationsgelegenheit ge- tade Tieren mit bejonders intenfivem Stoffwechjel zukommt, eriheint begreiflih. Bedarf doch der Maulwurf täglich etiwa jo viel tierifcher Nahrung, wie jein eignes Gewicht beträgt. Ebenjo gehören die Spismäufe, wie befannt, zu den gefräßigiten Säugetieren. Läßt man fie den geringiten Hunger leiden, fo fterben fie.” ‚sn der äußern Form der Nieren (Renes), die die flüffigen Ergebniffe des Stoffwechjels aus dem Körper auszujcheiden haben, beiteht ein weiterer großer Unterfchied zwischen Säuge- tieren und Vögeln. Die Säugetierniere hat in der Regel eine ganz beftimmte, durch ihren Lunge. Nieren. Gejchlechtsorgane. 25 gebogenen Umriß jehr bezeichnende Gejtalt, während man beim Vogel von einer joldhen kaum iprechen Fan, weil hier die Niere feit in allerlei Vertiefungen der benachbarten Knochen, namentlich des Kreuzbeins, eingepackt und eingevdrüct it. Einen Sammelbehälter für den aus den Nieren ausgefchiedenen und durch die beiden Harnleiter (Uretheres) weiterbeförderten Harn, die Harnblaje (Vesica urinaria), haben alle Säugetiere. Dagegen fehrt die Kloafe, der gemeinjame Endweg für Verdauungs=, Ausiheidungs- und Fortpflanzungsorgane der Vögel, in der Säugetierwelt bei der Kleinen, abjeits jtehen- den Gruppe der danach eben jo genannten Kloafentiere und bei den Beuteltieren, bei diejen aber nur im weiblichen Gejchlecht und auch da nicht immer, oft nur unvollfonmen, andeutungs- weije wieder. Bei der Hauptmafje der übrigen Säugetiere hat allein das männliche Gejchlecht ein gemeinjames Endjtük für Ausiheidungs- und Gejchlechtsorgane, Nieren und Hoden, die Harnröhre (Urethra). Die Gejhlehtsorgane, und zwar die weiblichen, haben durch die Art und Weile, wie fie die eigentümliche Fortpflanzung, das Lebendiggebären, bewerkitelligen, grundlegenden Anteil an dem jyitematifchen Begriffe des Säugetieres, ohne daß ihre inneren, wejentlichen Teile an fich von denen des Vogel3 verjchieden wären. Nur darin bejteht ein Unterjchied, daß beim weiblichen Säugetier beide Eierjtöde (Ovarium) ausgebildet und tätig find — mit Ausnahme der Kloakentiere, die in diefer Beziehung, wie in jo manchen anderen, ein vogelähn- liches Verhalten, d. b. nur einen zeugungsfähigen und einen verfümmerten Eierjtod, auf: weilen. Hußerlich bringt natürlich die jelbftändige Geftaltung der Ausfuhrwege gewilje Form unterjchiede gegen die gemeinfame Kloafe des Vogels mit fih in den Äußeren und inneren Schamlippen (Labia majora und minora) und der darauffolgenden Scheide (Vagina), die durch den jogenannten Muttermund zum eigentlichen Fruchthalter, der Gebärmutter (Uterus), und dem Gileiter (Tuba) einführt. Die Eileiter münden in der Nähe des Eierjtodes mit einem weit offenen gefranften Trichter in die Leibeshöhle Schlieglih kommt noch ein ver fümmertes Gegenftüc zum männlichen Penis, Clitoris, hinzu, das Schwellkörper bejigen und von der Harnröhre durchbohrt jein Fanı. Am männlichen Gejchlehtsapparat ift das auffallendite, daß bei den meilten Säuge- tieren eine ganz merkwürdige Lageveränderung der Keimdrüjen, der Hoden eintritt, die ent weder für immer oder wenigjtens für die Begattungszeit durch den Leijtenfanal in eine Hauts tajche außerhalb des Bauches, den Hodenjad (Serotum), hinabwandern. Er hängt bei der Hauptmaffe der Säugetiere unter, bei den Beuteltieren aber über der Harnwöhre, in die die Hoden (Testes) durch ihre im Anfangsteil aufgefnäuelten Ausführungsgänge Nebenhoden, Epididymis) mit einmünden, ebenfo wie die jogenannte Vorjteherdrüje (Prostata), deren alalifche Abjonderung die Bewegungen der Samenfäden fürdert. Jm Gegenjaß zu den Vögeln und Kloafentieren durchbohrt bei allen übrigen Säugetieren die gemeinjame Harn: jamenröhre (Urethra) auch noch das männliche Begattungsorgan (Penis), das zu innerer Begattung geeignet gemacht wird durch Schwellförper, in die das Blut einjtrömt, oder dur) eingelagerten Knorpel und Knochen. Zmitterbildungen find auch beim Säugetier möglich, da auch bei diejem die gejchlecht- liche Uranlage des Keimlings doppelt ift. In der Regel find die Säugetierzwitter aber Schein- zwitter, deren äußere Gejchlechtsorgane mit den inneren nicht übereinftimmen; meilt find e3 Männchen, deren Gejchlehtsorgane äußerlich zufolge unvollftändiger Entwidelung mehr oder weniger weiblich ausieben. 24 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. Zum lebenden Säugetier als foldhem joll uns die Betrachtung von Nervenfyjtem und Sinnesorganen überführen. Sind fie e$ doc, die den vorjtehend bejehriebenen Körper „beleben“, in Beziehung zur Außenwelt jegen und auf dieje wieder zurüchwirken Lafjen. Neuerdings ift man geneigt, eine größere Anzahl verjchiedener Sinne anzunehmen, 3. ®. einen bejondern Temperaturfinn, Drucfinn, Schmerziinn, weil fi) durch feine Verjuche nur beitimmte Stellen der Haut, die jogenannten Temperaturpuntte, Drudpunfte, Schmerz- punkte als die Vermittler der Wärme: und Kälter, Drud- und Schmerzempfindungen erwiejen haben. Bon den fünf Sinnen, die der Voltsmund nennt, ift einer auch bei den Säugetieren über den ganzen Körper verbreitet, weil er jede Berührung mit einem Gegenftande der Außen- welt wahrzunehmen hat: das Gefühl, der Taftfinn. Überall in der Haut liegen einzelne Taftzellen (Merkelfhe Zellen), an wenigen Stellen auch zujammengejeßte Taftlörperchen (Bacinifhe, Meißnerfche und Kolbenkörperchen), die alle daS gemein haben, daß ein Nerven: äftchen an fie herantritt, an oder in ihnen endigt, indem es fih aufs feinjte auffajert und Schlingennege bildet. Sie häufen fih an hervorragenden Stellen des Körpers, die oft mit fremden Gegenftänden in Berührung kommen, wie Lippen und Naje, Finger= und Zehen: ipigen, Handflächen und Fußjohlen. An den Lippen treten meijt noch in den Dienft der Ge= fühlsempfindung ausgebildete Tafthaare, deren Haarbalg in der Negel Hohlräume mit Blut enthält und reih an Nervenendigungen tft (Sinushaare), Man nimmt an, daß dieje Tafthaare, die namentlich bei Raubtieren, Snjektenfrejjern, Nagetieren vorfommen, dazu dienen, den Träger beim Durchichlüpfen von Diichten und engen Öffnungen über die Möglich- feit de Durchfommens zu unterrichten. Während fo in der allgemeinen Verbreitung des Gefühls über den ganzen Körper, der Natur und Aufgabe diejes Sinnes nad, eine weitgehende Gleichartigfeit zwiichen Säugetieren und Vögeln bejteht, ift die Bedeutung des Gejhmades oder, mit anderen Worten: die ‘Prü- fung der Nahrung durch die Zunge bei beiden Wirbeltierflaffen eine jehr verjchiedenartige. Schon die hornige Beichaffenheit der Vogelzunge deutet darauf hin, daß fie fich diefer Aufgabe mehr durch Betaften entledigt, und e3 gibt weitere gewichtige Anzeichen dafür, daß überhaupt im Leben des Vogels Gefhmadf und Geruch eine viel geringere Rolle jpielen al3 beim Säuge: tier. Bei diefem find Zunge und Gaumen als Si& einer feinen Gejhmadsempfindung be: fannt. Diejer Sinn hat aljo jchon einen bejchräntteren Sit, aber doch noch fein Organ, das ihm ausjchlieglich dient; vielmehr werden feine Wahrnehmungen durch die jogenannten Ge- ihmadsfnojpen oder Gejchmadsbecher vermittelt, die jowohl über den weihen Gaumen als über die Zungenmwurzel verftreut find (vgl. ©. 19). Hier figen fie am dichtejten in der Seiten- wand der jogenannten Ringmwall- und Blätterpapillen. Wie der Gefchmad die flüffigen Nahrungsitoffe und durch den Speichel verflüffigte Teilchen der feiten Stoffe, jo prüft der Geruch alles gasförmig fich Verflüchtigende und zugleich die Atemluft. Lestere Aufgabe ift natürlich die wichtigere und macht uns mande Einrichtungen des Geruchsorgans, der Nafe, erft verjtändlich. Damit find aber die Leiftungen des Gerucdhs beim Säugetier feineswegs erfchöpft, vielmehr erhebt fich diejer hier zu höherer Bedeutung als in irgendeiner andern Wirbeltierklaffe, was jchon die große räumliche Entfaltung feines Drganes vermuten läßt: der Geruch wird bei der Mehrzahl der Säugetiere geradezu zum Grundfinn, nach dem dieje ihr ganzes Tun und Lajjen einrichten, auf den fie ihr ganzes Sinnen: und Seelenleben gründen. Drei Baar Najenmujheln, mujchelartig eingerollte und duch Knochen gejtügte Vergrößerungen der Najenfhleimhaut, find jehr wohl ausgebildet, Nerveniyitem. Sinnesorgane. Sinne. 25 und an die beiden oberen Paare tritt der Niechnerv (Nervus olfactorius) in zahlreichen Iften durch zahlreiche Löcher des danach jogenannten Stiebbeins (Os ethmoideum) heran, das bei den Vögeln — und bezeichnenderweije beim Schnabeltier — nur ein Loch hat. Die unteren Mujheln dienen nur dazu, die oberen zu Schonen, indem fie die eingejogene Luft vorwärmen und nach Möglichkeit von Staub und Unreinigfeiten befreien. Daher find fie auch am jtärk- jten ausgebildet einerjeit3 bei Tieren, die im Kalten leben (Seehunde), und anderjeits bei jolchen, die ihre Nafe viel am Boden gebrauchen, wie die furzbeinigen Nagetiere, die jpürenden Kaubtiere. Gar feinen Riechnerv haben allein die Wale. Bei ihnen ift die Naje nur Luft: weg, und ihre äußeren Offnungen verfchmelzen zu dem jogenannten Spritloch, aus dem fie die von Seefahrern jo oft geichilderten ‚„Springbrunnen” ausitoßen. Die Säugetiernafe Fann fih zum Nüjfel verlängern und dient dann zum Wühlen nad) Nahrung in der Erde oder zum Ergreifen derjelben, Nebenarbeiten, die der Naje als jolcher aber doch näher liegen, als e8 auf den eriten Augenblid jcheint, weil ja beim Säugetier in der Negel der Geruch mithilft, die Nahrung zu prüfen. Beim Gehör muß zum Unterjhied von den Vögeln an die Dreizahl der Gehörfnöchel- hen erinnert werden, die oben bei Betrachtung des Schävels jchon erwähnt und erklärt ift. Am innern Gehörorgan ift den Säugetieren außerdem noch eigen die gewundene Form eines Teiles, der deshalb „Schnede” (Cochlear) heißt, im Gegenjaß zu der geitredten „‚Slajche‘‘ (Lagena) der Vögel. Ferner fehlt diejen das äußere Ohr, das bei den Säugetieren in der Kegel jehr gut ausgebildet und durch viele Muskeln fein beweglich ift. Seine Geftalt deutet oft unverkennbar auf jeine Rolle als Schallfänger hin, zumal wenn fie trichter= oder düten- fürmig ift wie bei den Yuftieren. Henneberg-Giegen hat uns aber ganz neuerdings nod weiter dahin aufgeklärt, daß an der Mufchelform noch überall fi die Einrichtungen nach: weijen lajjen, die zu einem VBerfchluß der Obröffnung gegen Waffer und Verunreinigung dienen oder bei den Vorfahren gedient haben, wenn fie auch heute nicht mehr gebrauchsfähig find. Diefes äußere Hervortreten des Ohres darf man aber nicht etwa als ein augenfälliges Anzeihen dafür nehmen, daß der Gehörfinn im Leben des Säugetieres eine größere Kolle jpielte al3 beim Vogel, der jehr fein hört, obwohl er gar feine äußere Ohrmufchel hat. Des äußern Ohres entbehren nur einige unteriwdiihe und einige Wafjerjäugetiere, die in ihrem Lebenselement die Schallwellen mit dem ganzen Körper aufnehmen Fönnen. Das Gejicht ift beim Säugetier bei weiten nicht jo der unbedingt vorherrichende Grund jinn wie beim Vogel, wo ein Auge mitunter jo groß und jo jhwer ijt wie das Gehirn, troß der äußeriten Sparjamfeit, die jonft im Bau des Vogels obwaltet. ES gibt erdwühlende Säugetiere, bei denen die Augen ganz verfümmern; aber nirgends im Säugetierreiche fin= den wir jo vollfommene Einrichtungen für reichlihe Ernährung des Auges, für rajche Ein- ftellungsfähigfeit auf die verfchiedenften Entfernungen, wie fie beim Vogel fait durchgängig vorhanden find. Trogdem haben uns neuefte Forihungen gelehrt, daß auch vom Säugetier Heinfte und feinjte Bewegungen jehr jcharf gejehen werden können, und zwar in einem un- geahnten Mafe, das weit über die Erfahrungen unferer Jäger am Wilde hinausgeht. Das Leuchten der Augen bei der Kate, aber auch vielen anderen Säugetieren, die im Dämmerlicht gut jehen, entjteht durch eine glänzende Austkleidung des hinterjten Augenbintergrundes (Ta- petum), welche die einfallenden Strahlen zurücwirft und aljo noch ein zweites Mal durd) die davor liegende lihtempfindende Nebhaut hindurchichidt. Die Stellung der beiden Augen zueinander ijt bei den verjchiedenen Säugetiergruppen jehr verjchieden: von dem Zuftande ganz oder falt ganz getrennter Gefichtsfelder, wie er bei 26 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. den Vögeln und übrigen Wirbeltieren die Negel ift, find alle Übergänge vorhanden bis zum einheitlichen Sehen beim Menichen, Affen. Die Nickhaut, die beim Vogel außer den beiden Augenlidern noch vom innern Augemvinkel her den Augapfel beveden kann, ift beim Säuge- tier nicht durch Mustelzug beweglich und fann bis auf eine halbmondförmige Falte (Plica semilunaris) verfümmern. Yon weiteren Hilfs: und Schußorganen zeichnen das Säugetier- auge noch ein Haarbejag der Lioränder, die Wimpern, aus. Das Zentralorgan für das ganze tierische Xeben, Gehirn und Rüdenmarf nebjt den Hauptnervenftämmen, lafjen jchließlich wieder mit aller Deutlichkeit erfennen, daß die Säuges tiere die nächiten Verwandten des Menjchen, des Gehirns, Denk und Sprechjäugetieres, find — das Wort „Tier in jenem umfajjenden Sinne gebraucht, in dem jchon Arijtoteles den Menjchen „Zoon politikon“, das gejellige, Itaatenbildende Tier, nannte. Die Entwidelung des nachweislichen Sites aller höheren und feineren Lebenstätigfeiten, des Großhirns, das aus dem unjcheinbaren Vorderhien der Filche duch immer mächtigere Entfaltung jeiner beiden Hälften (Hemifphären) jhon in den übrigen Wirbeltierklaifen immer mehr zum vorherrjchenden Großhien wird, erreicht innerhalb der Säugetierreihe ihre Voll endung dadurch, daß die beiven riefigen Hemifphären Tchlieglich alle übrigen Gebirnteile be- deefen und überlagern. Außerdem vermehren die Hemifphären ihren wichtigiten Bejtandteil, die jogenannte graue Nindenjubitanz, noch weiter durch Faltenbildung, und jo entitehen die durch Furchen (Sulei) getrennten Gehirnwindungen (Gyri), die jedoc) nicht nur das fürper- liche Anzeichen für höhere geijtige Entwidelung find, Jondern bis zu einem gewifjen Grade wenig- jtens auch durch die Körpergröße und Körpermafje bedingt werden. sede Yebenstätigfeit hat ihren Sig und Ausgangspunkt an einer ganz beitimmten Stelle im Gehirn, und fie wird gejtört, Jobald diefe Gehirnftelle, ihr Zentrum, zeritört wird durch Krankheit oder verfuchsweile mit Gewalt. Wie weit dies geht, möge eine kleine Blütenleje aus einem afademifchen Lehrbuch der Bhyliologie beweilen. Danach gibt 8 3. B. beim Hunde motorische Zentren für die Bewegungsnerven der Nacdenmusfeln, für die Beus gung und Drehung des Vorderbeines und ebenjo die Bewegung des Hinterbeines, für die Gejichtsmusfeln, für die wedelnde Schwanzbewegung, für die Schreitbewegung (Hebung der Schulter und Stredung des Vorderbeines), für den Schluß der Augenlider, für die Be- wegungen der Zunge, für ven Schluß der Kiefer, für Auf> und Abwärtsziehen der Mund- winkel ujw. Ebenjo wohlausgebildet und örtlich begrenzt im Gehirn find die Zentren für die bewußten Sinneswahrnehmungen, und jo fan ein Menfch oder Hund z.B. blind werden oder gemacht werden, während jein Auge mit allem Zubehör einjchlieglich des nach dem Gehirn führenden Sehnerven vollfommen gefund und unverlegt ift. Ein Zentrum fehlt allen Säugetieren, außer dem Menjchen überhaupt allen Tieren: das it das hochbedeutiame, nach feinem Entdeder, dem Vater der wifjenichaftlihen Menjchen- Eumde, jogenannte Brocajche Zentrum, das Gehirnzentrum für die gegliederte Wortiprache. Das gibt uns den richtigen Hinweis darauf, wo und wie die menschliche Sprache eigentlich zuftande fonımt, warum man fich nicht wundern darf, fie beim Menschen, troß verhältnismäßig einfacher Geftaltung der zum Sprechen verwendeten Organe (Kehlkopf, Zunge, Lippen), zu finden, bei den Tieren aber, jelbjt den menjchenähnlichen Affen, troß vielfach feinerer und viel- fältigerer Ausbildung derjelben Organe, troß reichlicher Ausftattung mit Nebenorganen eine Sprache nicht zu finden. Wenigitens feine eigentliche Wortiprache, feine Sprache im höheren Sinne, jondern nur Ausdruc verichiedener Gemütsbewegungen durch verjchiedene Laute. Gehirn. NRüdenmaf. Gehiinwachstum. Gehirnmajje. 27 Die Größe der einzelnen Gehirnzentren, die Zahl der in ihnen zufammenlaufenden Nervenfajern muß natürlih wachlen mit der zunehmenden Körpergröße des Tieres; Größe und Wachstum des Schädels werden aber wieder von ganz anderen Urjachen begrenzt. Daher wird bei den im allgemeinen großen Säugetieren das Gehirn jozufagen zur Windung ges zwungen, ohne daß dadurch gegenüber den kleineren Vögeln mit glatter Gehirnoberfläche von vornherein jchon eine höhere Intelligenz bewiejfen wäre. Dagegen it für die Abjchägung der Vögel auf höhere und höchite geiltige Fähigkeiten‘ immerhin bemerkenswert die jchwache Ausbildung der grauen Hirnrinde, die, von ven Papageien abgejehen, fait volljtändig fehlt, und ebenjo darf man der VBerbindungsbrüce zwijchen den beiden Hemilphären des Großhirns, dem Balken oder Schwielenförper (Corpus callosum), der erjt innerhalb der Säugetiere feine volle Größe erreicht, füglich eine Wirkung zufchreiben in dem Sinne, daß durch diefe reichliche Verbindung aller der verjchtedenen Zentren beider Hirnhälften miteinander deren Tätigkeit mehr vom Gehirn und Bewußtjein abhängig gemacht wird. Unbeitritten und befannt, aber bis jeßt, wie e3 jheint, nicht im geringjten erklärt tft die Tatfache der Kreuzung der Nervenfajern bei den Säugetieren, wonad jede Hirn- hälfte mit der entgegengejeßten Körperhälfte verbunden it, ein Schlagfluß auf der linken Hirnfeite alfo eine Lähmung auf der rechten Körperjeite hervorruft. Eher verfteht fih die Beobadhtung aus der Jugendgejchichte des einzelnen Säugetiere, dab das Wachstum des Gehirns jchon früh aufhört und daher das Verhältnis des Hirn: und Körpergewichts vom Säuglingsalter bis zum ausgewachjenen Zuftand fich in wahrhaft ungeheuerlichem Grade ändert. Nach Weber verhalten fich die beiden Gewichte beim Löwen mit 5 Wochen wie 1:18, mit 4 Monaten wie 1:80, mit 11 Monaten wie 1:184 und ichließlich beim alten Tiere wie 1:546. Der hier genannte Amfterdamer Anatom, auf deijen treffliches Werk über die Säugetiere wir noch öfter zurücigreifen werden, gibt auch hochinter- effante Zufammenftellungen der gleichen Verhältniszahlen bei großen und Kleinen Arten der- jelben Gattung: Zwergtigerfage 1:56, Leopard 1:168, Löwe 1:546. Dieje Zahlen beweijen, daß das Sinnen= und Seelenleben des Säugetieres eine gewilje Mindejtmafje an Gehien vor- ausjeßt, daß aber, nachdem dieje erreicht ift und die notwendigen Zentren ausgebildet jind, der weiterwachjende Körper Faum noch weitere Gehirnmalje verlangt. Pan hat auch Vergleiche gezogen zwifchen der Gehirnmafje jegt lebender Säugetiere und ausgeftorbener Verwandten, indem man Ausgüfje der Hirnfapjeln heritellte. Dabei hat fich durchgängig gezeigt, daß heute die Säugetiergehirne viel größer find, als fie in den älteren Erdperioden waren, und darin dürfen wir einen tatfächlichen Beweis für die in fich jchon wahrjcheinliche Annahme jehen, daß die Säugetiere im Laufe der Erdgejchichte nicht nur eine förperliche, jondern auch eine geiftige Entwidelung durchgemacht haben, und zwar diejenige, deren Spite wir heute im Menfchen jehen. Und wenn wir durch neuejte Erfahrungen wieder in der Überzeugung beftärft worden find, daß zwiichen dem heutigen Menfchengeift und dem heutigen Tiergeift doch eine breite Yücde Elafft, jo darf uns das nicht mehr wundern, als wenn wir auf der heutigen Erde auch das förperliche „missing link“ (fehlende Glied) zwijchen Menjh und Tier (Affe) nicht finden. Denn es ift wohl anzunehmen, daß diejes Gejchöpf, weder Menjch noch Tier, Tich nicht lange auf der Erde ohne Weiterbildung erhalten Eonnte. Müffen wir doch heute alle unfere tierischen Zeitgenofjen aus der jeßigen Erdperiode — umd ung jelbft mit — als durdaus, oft jogar erjtaunlich zwedmäßige Anpafjungen an gewille Lebensumftände, als höcht geichiekte, um nicht zu jagen: raffinierte Ausmugungen beitimmter 28 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. Lebensmöglichfeiten anerkennen, während uns die meiften „vorfündflutlichen” Tiere — und namentlich gerade die fojjilen Säugetiere — al3 mehr ‚oder weniger „‚grotesfe Ungeheuer“ ericheinen! Die Kenntnis der gleichzeitigen Pflanzenwelt und anderer Begleitumftände jtüßt aber unsre Überzeugung, daß diefe wie einer ausjchweifenden Vhantafie entiprungenen Formen tatjächlich weniger zwedmäßig waren als die in der allgemeinen Erjheinung gemäßigten, im einzelnen aber für beftinmnte Zwede vollendet ausgeftatteten Tiere von heute. So trugen jene gleichfam den Keim ihres Unterganges jhon in fich, und diefe müfjen wir ableiten von un- icheinbareren, weniger extremen, gerade deshalb aber auch Harmonischeren, der Weiterbildung noch fähigen Formen; der Weiterbildung fähig in dem Sinne, wie wir heute die gejamte Säugetierwelt nach den verjchtedenen Möglichkeiten der SäugetiersLebensarbeit auseinander: gelegt jehen: als Läufer, Springer, Schwimmer, Kletterer, Flatterer, Gräber; al3 Hand>, Krallen, Huf, Flofjen- und Fiihjäugetiere; als Fleiih, Fiüchz, Kerbtier:, Bflanzen- und Allesfrefjer; als Naubtiere, Nagetiere, Zahnarme, Wiederfäuer, Aüfjeltiere ujw. Die Säugetiere hat man, weil der Menfch körperlich zu ihnen gehört, ihm auch geijtig auf eine Weife nahe und an die Seite gejtellt, die fi mit unbefangener Beobahtung nicht verträgt und wiljenschaftlicher Kritif nicht ftandhält. Darin muß unbedingt gründlich Wandel gejchafft werden, und das ift gerade auf diefen Blättern hier um jo mehr Bflicht, als die früheren Auflagen unjers ‚‚Tierlebens‘ wohl nicht ganz unjchuldig an jener unberechtigten Vermenjchlihung der Tiere find. ‚Brüft man‘, jagt der große Yeipziger Bhilofoph Wundt in feinen „‚Borlefungen über die Menjchen und Tierjeele”, ‚alles, was von wohlverbürgten Beobachtungen vorliegt, genauer, und läßt man fich zugleich von jenem Gejeß der Sparjamteit leiten, nach dem zu verwicelten Erflärungsgründen erjt dann gegriffen werden darf, wenn die einfachen verjagen, jo läßt fich das gejamte intellektuelle Zeben der Tiere vollftändig auf die einfachen Affoziationsgejeße zurücdführen, während überall da, wo die entjcheidenden Merkmale einer wirflihen Neflerion over einer aktiven Verjtandes: over Vhantaftetätigfeit eintreten müßten, foldde Merkmale fehlen.“ Hed hat dies mit anderen Worten an anderem Orte jo ausgevrüdt: Es ift „bis jeßt noch fein einwandfreier Fall feitgeftellt, wo fich die geiftige Leitung eines Tieres über das Niveau erhoben hätte, das der Piycholog mit der von ihm fogenannten Aijoziation bezeichnet; das ift die Verbindung von Sinneswahrnehmungen und =erfahrungen mit Handlungen in zwed- mäßiger Weife, meift jo, daß die Handlungen dem perjönlichen Wohle oder der Erhaltung der Art des Tieres zugute fommen” Diefe Affoziationen find aber ganz äußerlicher Natur, be vuhen nicht auf Überlegung und wirklicher Einficht in den innern Zufammenhang nach Ur- Jade und Wirkung. Das haben zeitgenöffische Foricher in Nordamerika durdy lange plan- mäßige Verjuchsreihen erwiefen. Sie ließen allerlei Verfuchstiere (Ratten, Kagen, Affen) nur dadurch zur Nahrung oder Freiheit gelangen, daß die Tiere einen beftimmten, mehr oder weniger umftändlihen Weg fanden oder einen beftinmmten Mechanismus in Bewegung fegten. Sie lernten das alle jchneller oder langjamer; doch war ftetS unverkennbar, daß fie zunächit völlig planlos herumprobierten und dabei ganz zufällig früher oder fpäter das Nichtige fan- den. Dadurch war dann die entiprechende Ajjoziation gegeben, die fi jo befeftigte, daß die Verfuchstiere nad) einiger Übung in fpäteren Wiederholungsfällen jofort. das Zwedtmäßige zu tun wußten. Niemals aber fam es vor, daß ein Berfuchstier zunächft nichts getan, ondern verftändig überlegt und, nachdem e3 das Richtige erkannt, gleich mit feiner erften Handlung Geiltige Fähigkeiten 239 die zwedmäßige Lölung vollführt hätte Auch da alfo, wo Menjch und Tier gleicherweife zwedentiprechend handeln, Fommen fie auf verjchiedenen Wegen dahin: das Tier, auch das höhere und höchjte Cäugetier, mittels zufälliger, im Gedächtnis befejtigter Erfahrung, der Menjch mittels vernünftiger Überlegung und wirklicher Einfiht in den urfächlichen Zufammen- bang. Selbit da, wo tieriiche und menjchliche Leiftungen in einem Maße zufammenjtimmen, daß gar feine andere Erklärung mehr denkbar ericheint, als dem Tiere menjchliche Geites- fräfte zuzujchreiben, ftellen fich bei wirklich wifjenjchaftlicher Nachprüfung doch völlig andere Zu- jammenhänge und Entjtehungsweijen heraus. Ein Elajjiiher Schulfall für alle Zeiten ift der vor einigen Jahren jo viel genannte „‚Euge Hans“, das ‚‚gelehrte” Pferd des Herrn v. Often in Berlin, dem jein Herr angeblich die Bildung eines Volksjchülers, Lejen, Schreiben und Nech- nen, beigebracht hatte mit denfelben, nur der Sprachlofigkeit des Tieres angepaßten Mitteln, wie fie in der Volksichule beim Kinde angewendet werden. „Am Eugen Hans haben wir ge lernt”, jagt Hed, „daß bei Tieren geiftige Leiftungen möglich find, welche äußerlich und jchein= bar jpezifiich menjchlichen aufs Haar genau gleichen, innerlich und in Wirklichkeit aber auf ganz andere Weije zuftande fommen. Der Eluge Hans vechnete und buchitabierte jcheinbar genau wie ein VBoltsjchüler, und tatjächlich wußte er von Zahlen und Buchjtaben gar nichts, fondern achtete nur jeharf auf Kleinjte unbewußte Bewegungen des vor ihm ftehenden Men- ihen, die ihm anzeigten, wann er mit dem Huficharren (das beim ‚Unterricht‘ durch ein jehr gejchictes Syitem an die Stelle des Sprechens gejebt war) aufhören mußte, um Mohr: rüben und Brotjtücchen zu erhalten.” Das entdedt und duch Nachprüfungsverjuche bewiejen zu haben, ift das große VBerdienit Oskar Pfungfts, eines jüngeren Berliner Biychologen. ‚Man mache fih nur einmal Klar, fährt He fort, „wie zweifelnd wir notwendigerweije nach diefer Erfahrung allen jcheinbar ummiderleglichen Beweilen außergewöhnlicher Intelligenz gegenüberftehen müfjen, welche uns von Tieren in der Literatur berichtet werden!” Manch: mal it es ja offenbar, wie unnötig und unzulälltg hoch eine Handlung eingejchäßt wird. Sp bei der oft wiederholten Gejchichte von der Elefantenmutter, die ihr Kalb aus der Fall- grube retten will. Sie ‚„‚hält getreulich bei ihm aus, bis das Nahen der Jäger fie vertreibt. Man findet den Boden der Fallgrube hoch bevecdt mit Erde und Zweigen und jchließt dar- aus ohne weiteres, daß die Alte das alles mit Abjicht hineingeworfen habe, um dem Jungen das Herausklettern zu ermöglichen, während doch viel näher die einfache, fait jelbjtverjtänd- ihe Annahme liegt, daß fie unabjichtlich durch ihr Gewicht die Erde und die Zweige vom Nande der Grube hinabgevrüdt und hinabgetreten habe bei ihren fortgejegten Berfuchen, ihr Junges mit dem Nüffel wieder herauszuziehen”. Manchmal jeheint zunächit jede Hoffnung auf eine andere Erklärung als eben die vielbeliebte, daß die höheren Säugetiere jozujagen iprachloje Menjchen jeien, vergebens. In folhen Fällen müßte man immer der Sade auf den Grund gehen: man würde oft ftaunen über den Erfolg! Das Ergebnis einer jolchen Nahforihung Heds z.B. war, daß von einer langen, wunderjamen Rührgejihichte von einem Freundichaftsverhältnis zwifchen Wolf und Meerjchweinchen in einem Zoologiihen Garten, die von weiblicher Seite einem unferer vornehmjten Familienblätter eingejchiet wurde, nicht ein wahres Wort übrigblieb. Und mit wieviel anderen mag e8 ähnlich jein bei der übertriebenen, deshalb aber nicht weniger feiten Überzeugung fo vieler Tierliebhaber von dem „‚Menjchenverjtand” ihrer Lieb- linge. Im welchem Lichte ericheint da gleich alles, was dieje leiften, wie wird e3 unmiljent- lich ausgefjhmüct und übertrieben! Sicher aber ift jeder nüchterne Betrachter, jeder Kri- tiiche Brüfer ein „Lieb und verjtändnislofer Nörgler“, Und doch ift es wahrlich höchite Zeit, 30 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. daß wieder einfachere, unbefangenere Anjhauungen Plat greifen auf dem Gebiete der Tierz, zumal der Säugetierpiychologie, Toweit die große Menge der Tierfreunde und Tierliebhaber auf diejem fich betätigt. Auf dem Wege zur Kenntnis von der wahren Natur der geiftigen Yeijtungen der Tiere jucht man neben dem Xeitjeil der Logik und wifjenjchaftlichen Eraftheit noch nach dem Weg- weiter der Anatomie, des augenfälligen Befundes am Gehirn. Jin diefem Sinne will uns Edinger = Frankfurt a. M. dienen durch feinen Vortrag über „Die Beziehungen der ver: gleichenden Anatomie zur vergleichenden Piychologie”, den er auf dem dritten Kongreß für erperimentelle Piychologie hielt. Dort heißt e& zum Schluß: „Was aber alle Tiere vom Menjchen unterjcheidet, das ift die Gejamtgröße des Neencephalon” (nad) Edingers Namen- gebung die Gehirnteile, die den höheren geiftigen Leiltungen dienen, in erjter Linie die beiven Hemiiphären des Großhirns). „Ein riefengroßer Gorilla hat ein Fleineres Gehirn als ein Menjchenfäugling. Man ift geradezu verblüfft, wenn man e$ aus dem Schädel heraus- nimmt, ob der Kleinheit. Was bier fehlt, ift, abgejehen von der geringen Gejamtausbildung des hinteren und mittleren Abjchnittes, namentlich der Stirnlappen. Dieje Stirnlappen unter: jcheiven vor allem Menjeh und Tier. Die menjchliche Pathologie (in diefem Falle das Stu: dium der Gehirntrantheiten im Hinblid auf die damit zufammenhängenden geiftigen Stö- rungen) aber läßt vermuten, daß durch fie (die Stirnlappen) gerade die Möglichkeit zu den höheren feeliichen Funktionen, zu den Abjtraftionen, zur Begriffsbildung gegeben wird. Sie entiieleln Sich offenbar erjt mit ven Sprechfunftionen zufammen. So dürfen wir vermuten, daß die Säuger zu jehr vielen Handlungen, die Erlernen, Erfafjen, Behalten erfordern, fähig find, daß fie auch viele diefer Handlungen fombinieren können, daß aber die Fähigkeit zu Aditraktionen und aljo auch zu allen Handlungen, die auf joldhen beruhen, fehlt, oder daß jte ganz gering ift.‘” Neuere Unterfuhungen, namentlich von Vogt und Brodmann, lafjen übrigens vermuten, daß auch das Scheitelbien, das fich beim Menjchen ebenfalls durch Größe auszeichnet, Für die höheren jeeliichen Zeiltungen von wejentlicher Bedeutung ift. Aber nicht nur das: dank den eraften Unterfuchungen der beiden obengenannten Hirnforiher find wir heute jo weit, daß wir jagen fönnen: die vielfältige Ausbildung von Hirnzentren, die hifto- logische, unterm Mikroffop am Zellgewebe erkennbare Differenzierung von Bartialorganen ift e3, die den Menjchen auszeichnet. Der Menjch hat vielmal mehr Spezialgentren in feinem Hirn, die nicht niedere Sinmes- oder Bewegungszentren find. Was bei den Tieren, jelbjt bei den Menjchenaffen, ein gleichartig gebautes Hirnfeld ift, zerfällt beim Menjchen wieder in mehrere, al3 verichteven erkennbare Unterzentren. Jm menjhlihen Stienhirn allein find bis jest gegen 70 folche Zentren nachgewiejen. Das Tier, auch der Menjchenaffe, bringt es in demjelben Hirngebiete höchftens auf 12! Die Gefamtfläche der niederen Leiftungen dienenden Simmeszentven gegen die Gejamtfläche der großen Hirnrinde überhaupt beträgt beim Menjchen höchttens 20 Prozent, denen SO PBrozent übergeordnete, höheren Leiftungen dienende Hirn: gebiete gegenüberftehen. Schon bei einem Ducchiehnittsaffen der gefehwänzten Gruppen aus der Alten Welt ift das Verhältnis gerade umgekehrt; jo tief fteht er Schon unter dem Menfchen! He jeßt diefen Gedanfengang fort, indem er zu dem finnfälligften Hauptunterjchied zwilchen Weenjch und Tier, der Sprache, überleitet: „Es befteht eine Grenze zwifchen menjch- licher und tierischer Intelligenz; begriffliches, abftraftes Denken bleibt dem Tiere verjagt, und deshalb fehlt ihm auch diejenige Fähigkeit, die der ficherfte Beweis fire begriffliches, abjtrak- tes Denken ift, die Sprache. Das Tier befitt zwar gewiffe Elemente der Sprache, e3 erreicht gewijje Borjtufen zur eigentlichen Sprache im menfchlichen Sinne dadurd, daß es imftande Geijtige Fähigkeiten. Träumen. Spielen. 3l ift, feine Gemütsbewegungen durch Laute zu äußern, und im beten Falle auch gewiije Vor- itellungen, die mit Sinneswahrnehmungen und daraus entjtehenden Gemütsbewegungen zu- jammenhängen. Aber zur Sprache im höheren Sinne, zur begrifflihen Sprache mit logiich gegliederter Wort und Sabform, fommt es nicht — ganz einfach, weil das begriffliche Den- fen fehlt, dejfen Ausdrud die Wortjprache ift. Wundt meint daher: Auf die Frage, warum die Tiere nicht jprechen, bleibt aljo die befannte Antwort: weil fie nichts zu jagen haben, die richtigite" Und ic) möchte hinzufügen: Wenn man jo die Sachlage erfaßt, wie fte it, dann hat es auch gar nichts Verwunderliches mehr, daß am Kehlfopf, ver Zunge und den anderen etwa noch für die Zautbildung der Sprache in Betracht fommenden Organen des Menjchen fi nicht die geringfte bejondere Ausbildung und Einrichtung findet, die auf eine bejondere Fähigkeit diefer Organe hindeutet. Die gegliederte Wortiprache ijt eben feine Leiftung des menschlichen Ktehlfopfes und der menjchlichen Zunge, jondern eine Yeiltung des menschlichen Gehirnes. Dort, in unferem Gehirn, finden wir wirklich auch nachweisbar das Sprachvermögen (ofalifiert in dem jogenannten Sprachzentrum oder Brocajhen Zentrum (vgl. ©. 26), d. b. in der dritten Stienwindung. Aber nicht nur in diefem, das lediglic) dem eigentlichen Außer: lichen Sprechen dient; ihm gejellt fich noch als Gegenjtüd im Schläfenlappen, wahrjcheinlich der eriten Schläfenwindung, das in den 1880er Jahren von Wernide entdecte zweite Sprach- zentrum für das Verjtehen. Nun fönnen wir auch nicht mehr im Zweifel jein, wie wir den Befiß der Sprache beim Menjchen, das Fehlen beim Tier aufzufaffen haben. ES fehlt den Tieren nicht im Kehlfopf, Jondern im Gehirn, und daß die Sache jo liegt, das ift eben der bejte Beweis dafür, daß es doch einen tiefgreifenden Unterichied zwilchen menjchlichem und tieriichem Geiftesleben gibt. „Dagegen rücden zwei andere jeeliiche Betätigungen die höheren und höchiten Tiere in un= mittelbare Nähe des Menjchen, jeelifche Betätigungen, die ohne weiteres vielleicht gar nicht als bejondere, hervorragende Leiltungen erjcheinen. Jh meine das Träumen und das Spielen. Wir beobachten am Hunde im Schlafe oft ein Anurren, Winfeln und unterdrüdtes Bellen, verbunden mit Schwanzwedeln und zudenden Bewegungen der Beine. ntiprechende DBe= obachtungen hat man beim Pferde gemacht. Aus alledem jchließt man, daß die Tiere träumen, daß im Schlafe durch irgendwelche Neizungen in ihrem Zentralmervenfyjten ähnliche Reaktionen entjtehen wie im wachen Zuftande durch Sinneswahrnehmungen und die damit verbundnen Gemüts- und Körperbewegungen. Wie weit freilich dieje tieriichen Träume an das heran reichen, was die jelbfttätige Phantafie im menjclichen Traume leiftet, das it jchwer zu jagen, das wird wohl niemals ficher feftgejtellt werden. Smmerhin behält aber der Traum des Tieres durch den Anfchein feelifcher Betätigung von innen heraus, ohne nachweisbaren äußeren Anreiz, jeine Bedeutung. „Eine beffere Einficht al3 in die Träume haben wir in die Spiele der Tiere, und hier it auch ein Unterjchied zwifchen Menfch und Tier unjchwer erkennbar. Das Spiel des Tieres beichränft fich, Kritiich betrachtet, immer auf die jpielende Nachahmung der elementarjten Lebensbetätigungen: de3 Nahrungserwerbes und der Lebenserhaltung, alfo auf Jagd, Kampf und Flucht. VBergegenwärtige man fih nur irgendwelche jpielenden Tiere, jo wird man gar feine weiteren Beweife meiner Behauptung mehr verlangen. Troß diejer offenfichtlichen Ve: ihränfung im Inhalt des tieriichen Spiels bleibt do immerhin die Tatjache nicht zu unter: ihägen, daß; das höhere Tier mittels gewiffer Anfänge einer Phantafie imftande it, jeine ernfthaften, wilden Triebe bi3 zum harmlojen Spiel abzufhwächen, und es ift dabei wieder nicht zu verwundern, daß das Haustier am meilten die Spielluft bis ins erwachjene Alter 32 Ein Blif auf die Gejamtheit der Säugetiere, beibehält, weil bei ihm dur) den Einfluß des Menjchen die natürlichen wilden Inftinfte am meijten gemilvert find. „Ebenjo müfjen wir nach den neuejten Berichten und Erfahrungen beftreiten, daß der Gebrauh von Werkzeugen ein durchgreifender Unterschied zwifchen Menih und Tier wäre, Daß geijtig hochitehende Tiere in der Gefangenjhaft unter dem Beifpiel und Einfluß des Menjchen jehr wohl lernen, Werkzeuge zu gebrauchen, wenn fie nur körperlich dazu fähig find, beweifen uns zahme Elefanten und Affen mit ihrem Nüffel und ihren Händen. Wir hatten jahrelang im Berliner Zoologifchen Garten in einem Außenfäfig des neuen Affen- haufes einen japanifchen Notgefichtaffen, der — jedenfall dank der leuchtenden Vorbilder unferer Aktionär und Abonnentenjugend — ganz famos mit Sand und Steinen werfen fonnte wie ein Straßenjunge und dieje Jchöne Kunft tagtäglich zum lauteften Jubel der Bejucher übte, in der größten Wut und mit der unverfennbaren Abficht, jeinen Gegnern damit etwas Böjes anzutun. Dasjelbe berichten aber auch jo glaubwürdige Forfegungsreifende, wie z.B. Dsfar Neumann, aus Afrifa von den Herden wilder Baviane, die ja vielfach Feljenaffen ind, und neuerdings hat Zenker, ein vortreffliher Sammler und Kenner des Gorillas, in Kamerun beobachtet, daß das alte Gorillamännchen abgerifjene grüne Zweige mit Laub als Fliegenwedel benußt. So viel fteht aljo meines Erachtens feit, daß man den erfinderijchen Gebrauch von Werkzeugen heute nicht mehr als eine geiftige Fähigkeit hinjtellen kann, die auch in ihren einfachiten Anfängen dem Tiere ausnahmslos verjagt wäre. „Und jchließlich das ganze große Gebiet des Seelenlebens, das wir unter dem Namen ver Gemütsbewegungen zufammenfaffen! Jah möchte dazu nur im allgemeinen jagen: auch) hier find diejelben Grundlinien und Grundelemente vorhanden wie beim Menjchen; es it nur alles weniger Klar und bewußt als beim Menfchen, weil das begrifflihe Denken fehlt. Trogdem fann in vieler Beziehung eine jehr hohe und feine Ausbildung erreicht werden, umd das darf uns nicht wundernehmen. Denn wenn wir den wirkffamen Faktoren unjerer mo- dernen Naturanfchauung, der Anpafjung und natürlichen Zuchtwahl im Kampfe ums Dafein, auf Förperlichem Gebiete die wunderbare bildneriiche Kraft zufchreiben, die wir in den un- endlich mannigfaltigen Formen der Pflanzen= und Tierwelt vor uns jehen, jo müfjen wir folgerichtig eine ähnliche ausbildende Wirkung derjelben Faktoren auch für das Seelenleben annehmen und zugeben, daß auf diefen Wege jehr vieles triebmäßig von der Natur an gezüchtet jein fan, was zunächft in jedem einzelnen Falle al3 bewußter perjönlicher Ausdrud hochentwicelten Seelenlebens erfcheint. „Dur diefe naturwiljenschaftlicde Erklärung der triebmäßigen Anzühtung müfjen wir jogar, wenn wir unbefangen und wifjenschaftlih einwandfrei vorgehen wollen, auch die aller: feinften und edeljten Blüten tierischen Seelenlebens zu verftehen juchen, die anderjeit3 wieder geradezu als die Anfänge von Moral und Sittlichfeit erjcheinen. Sch faffe dabei von meinem naturwiljenschaftlichen Standpunkt aus, der aber hier bei Beurteilung von Tieren nicht wohl angefochten werden Fann, Moral und Sittlichfeit im Sinne der Unterdrüdung des naiven, rohen Egoismus, des rückfichtslofen Strebens nad) dem eignen Vorteil, als die Unterdrüdung diejes natürlichen Strebens, das jedem Organismus Fraft des Selbiterhal- tungstriebes innewohnt, zugunften des Wohles der Gejamtheit. Derartiges Fan fi) natürlich nur bei gejelligen Tieren entwideln; denn nur da ift eine höhere Gejamtheit vor- handen. Bei gejelligen Tieren, wenn fie nur fonft geiftig hoch genug ftehen, finden wir aber auch dieje erjten Anfänge der Moral, die Zurückitellung des perfönlichen, eignen Wohles hinter das Wohl der Gejamtheit. Jh erinnere nur an die Affenbanden, an die Elefantenherden Geijtige Fähigkeiten. Leben der Gejamtheit. Land- und Seefäugetiere. 33 und ihr inneres wohlgeoronetes Leben, und an den Hund, bei dem, wie wir in diefem Zu: jammenhange furz jagen fünnen, an Stelle der Gejamtheit von jeinesgleichen der Herr getreten ift, dem er ji) unterordnet.‘ E3 gab eine Zeit — und fie dehnte fich bis in die zweite Hälfte des vorigen Sahrhun- dert aus —, da unterichäßte man das Tier nach feiner geiftigen Fähigkeit, und da lag auch) zugleich, namentlich bei uns in Deutjchland, die Tierliebhaberei und Tierzucht jehr danieder. Dann Fam ein großer Umfhwung und Auffhwung in der Wifjenschaft durch Erfcheinen der epochemachenden Werfe Darwins und in den allerweiteiten gebildeten Kreifen unjers Vater: lande3 durch die erfte Auflage von „„Brehms Tierleben”. Namentlich Alfred Brehm, diefer geniale Tiermaler mit Worten, verjtand e3, durch jeine ftimmungs- und empfindungsvollen Schilderungen das Tier als lebendes Wejen dem Herzen jedes Lejers nahezubringen. Halten wir dieje Liebe zu unjeren Mitgejchöpfen feit, aber halten wir zugleich auch die wilfenfchaftliche Kritif und die unbefangene, ftreng objektive Forihung hoch! Denn nicht der ift der befte Tierfreund und Tierfhüger, der das Tier in übertriebenem Maße vermenfhlicht und in jentimentaler Weije verhimmelt, jondern derjenige, der ji) ehrlich be- mübht, ein wirklider Tierfenner zu werden, das Tier nicht zu unterfhäßen, aber auch nicht zu überihägßen. Wie wir oben bei Umjchreibung des Begriffes das Säugetier an fich durch Bejchreibung der wejentlichiten und unterfcheidenden Eigenjchaften feines Körpers al3 eine beftimmte Möglichkeit tieriihen Lebens erkannten, jo möge uns jegt ein Blid auf das Leben der Gejamtheit in großen Zügen die Art und Weije, die Mittel und Wege vor Augen führen, durch die diefe Xebensmöglichkeit verwirklicht und ausgenugt wird. Unter diefem Gefichtspunft jtellen jich die Säugetiere in ihrer Hauptmafje vor allem al3 Yandtiere dar. E3 gibt ja auch Seejäugetiere, die fich vortrefflich ins Wafjer hinein: gefunden haben, im diejes ihnen urjprünglich fremde Element, das ihrer innerften Natur als lungentragenden Luftatmern zuwider jein muß. Und diefe Anpaffung geht bis zur vollfom- menen Fichform, die dem Delphin 3. B. jeden Wettjtreit mit den virtuofeften Schwimmern unter den Fiihen erlaubt, ihm aber au), ebenjo wie diefen, längeren Aufenthalt auf dem Zande verbietet. Trotdem jind alle Seejäugetiere, wenn auch äußerlich noch jo fiichartig, doch ihrem innern Wejen nach, zum Atmen, an die Luft gebunden und müjjen die Naje wenig: jtens in kurzen Zwijchenräumen immer wieder über die Wafjeroberfläche erheben. Das Wafjer it ihnen nur Bewegungselement, in dem fie ihre Nahrung finden: Erwerbsgelegenheit, Arbeits- jtätte. Deshalb ift e3 aber auch für fie an fich gleichgültig, od Süß: oder Samwajjer; fie ge brauchen e3 ja nicht zum Atemftoffwechjel wie der Fiih. — Anderjeits hilft das Wafjer tragen, indem e3 jeden eingetauchten Körper um das Gewicht der verdrängten Wafjermenge erleichtert, und zugleich bietet daS Meer eine ungeheure Menge tieriicher Nahrung: daher finden wir in den Niejen des Meeres, den Walen, die Niefen der Säugetiere und der lebenden Tierwelt überhaupt, die die Niefen des Landes an Gewicht noch weit hinter fich Lafjen. Sn äußerem Gegenjaß, aber innerem Einklang damit gehören diejenigen Säugetiere, welche die Schtwierigfte Bewegung und den jehwierigjten Nahrungserwerb üben, zu den Kleinften: die „fliegenden, injektenfreffenden Fledermäuje — die fruchtfreffenden Flughunde find gleich wieder viel größer — und die Infektenfrejjer überhaupt (Spigmaus, Maulwurf), die zudem meilt auch noch in der Erde graben. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 3 34 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere, Abgefehen von den Schwimmern, Fliegern und Gräbern lebt die überwiegende Mehr- heit der Säugetierformen auf der Erde, und dieje ericheinen al8 Landtiere jehr „an die Scholle gebunden’ gegenüber den vielbeweglichen Vögeln, „‚vem leichtbejchwingten Volf der Lüfte”, deren Bewegungseifer durch das begleitende, mehr oder weniger melodijche Getön fich für uns oft zu dem lieblichen Bilde jauchzender Bewegungsfreudigfeit verflärt. Man darf aber nicht vergeffen, daß es am leßten Ende der ewig hungrige Magen, die jchnelle Ver- dauung und Wiederabjheidung des Vogels ift, die diejen Kleinen aan mit der hohen Blutwärme nicht zur Ruhe fommen läßt. Demgegenüber hat das Leben des Säugetiere etwas Geruhiges, Behäbiges und DBe- hagliches. ES kann fih feinen großen Magen füllen und dann wieder längere Zeit der Ruhe und Verdauung hingeben. Und das tut e3 au. Aus Mahlzeit und Ruhe jet ich in der Hauptjache jein Leben zufammen, wenn nicht irgendweldhe äußere Störungen durch Feinde, Unbilden der Witterung und ähnliches eine unliebjame Abwechjelung hineinbringen. Nicht, daß es den Säugetieren an Bewegungsfähigkeit fehlte! ES gibt Meifter und Virtuojen aller Bewegungsarten unter ihnen. Der Delphin wetteifert mit jedem Filch in pfeil- ichnellem Schwimmen, die Frühfliegende Fledermaus mit dem Turmfegler und der Schwalbe im gewandteften Ziczadflug zum Snfektenfang in der Luft; der Maulwurf bewegt fich ebeno ichnell wühlend unter der Erde wie laufend auf ihr. Das einhufige Pferd und die zweihufige Antilope entfliehen mit Windeseile über die Steppe und durchmefjen täglich weite Streden zur Tränfe; auch der jcheinbar jo plumpe Elefant legt in einer Nacht unglaubliche Entfernun- gen zurüd, und das Kängurub, ja jelbjt die Kleine Springmaus jpotten, auf ihren verlänger- ten Hinterbeinen in weiten Bogenfägen dahinhüpfend, jedes Verfolgers. An die Ferjen ihrer Beutetiere heften fich die Raubtiere, und dabei zeichnen fich die jchleichenden Kaßen durch ihre gewaltige Sprungfraft, die hegenden Hunde duch ihre unermüdliche Ausdauer aus, mittels der fie Schließlich das verfolgte Wild überwältigen. Auch den Baum und die Nährquellen, die er bietet, haben fich die Säugetiere durch Kletterfunft zugänglich gemacht: vom früchte- Ihmanfenden Bären und nejterplündernden Marder bis zum Eichhörnchen und zu den anderen Kletternagern, die den Nüffen und Samenzapfen nachgehen. Affen üben ihre Kletterfünfte jowohl im Urwald wie auf dem Feljengebirge, und auf legterem find gewifje Wiederfäuer, Ziegen und Schafe und manche abweichend angepaßten Antilopenformen, ganz und gar zu Haufe, wiljen fih unter allen Schwierigkeiten und Fährniffen diefer unmwirtliden Höhen zu behaupten. Selbjt im ewigen Schnee und Eife der Nordpolarzonen haben Säugetiere fi) heimijch gemacht (Eisbär, Eisfuhs, Nobben, Mojihusoche). Obwohl aljo an die Bewegungsfähigfeit der Säugetiere die vielfältigften und weitgehend: ten Anforderungen geftellt werden und fie diefen vollfommen gerecht zu werden willen, Jo ijt es doch ficher, daß fie fich viel weniger bewegen als die Vögel — dank einem geräumigeren, nicht jo ausichlieglich auf äußerte Gewichtserfparnis hindrängenden Leibesbau, den das Laufen auf der Erde geftattet. Die Nahrung jelbjt wird im weiteften Umfange aus dem ganzen Pflanzen: und Tier: reiche entnommen, und damit hängen wieder die verjchiedenen Gebiß: und häufig nicht minder die Gliedmaßenformen offenfichtlich zufammen, die bei den Säugetieren vorkommen. Nahrung und Bewegung, die ih untereinander beeinfluffen, modellieren jozufagen das Tier und be- wirken auch beim Säugetier die feltfamften, bewundernswerteften Anpaffungen. Man dente nur an den Nöhrenkopf und die Wurmzunge der Ameifenfreffer, an die Wideljhwänze der Klammeraffen und anderer Bewohner des ungeheuern Urwaldlandes von Südamerika, au Bemegungsfähigfeit. Nahrungsaufnahme. Gejchlechtsleben. Sefundäre Gejchlechtscharaftere. 35 die harten Stelzhufe des Klippfpringers und die weichen Spreizichalen der Sumpfantilope, an die jaugenden Haftjohlen der Klipp= und Baumjchliefer, die behaarten Sohlen des Eisbären und Schneehajen und vieles andere! Das Gebif vollends ift jo bezeichnend für die ganze Natur der verjchiedenen Säuge- tierformen, daß e3 das wejentlichite Hilfsmittel für die Abgrenzung der größeren Abteilungen de3 Säugetieriyftems gegeneinander bildet: vergleiche die Schneidezähne der Nagetiere, Edzähne der Affen, Naubtiere, Baczähne der Fleifchfrejjer, Sinfektenfrejjer, Bflanzenfrefjer! Eine innere UÜrjahe gibt eS, die eine regelmäßig wiederkehrende Ummälzung im ge- wöhnlichen Leben des Säugetieres, wie in jedem Tierleben, hervorbringt: die Fortpflanzung und Sungenaufzucht, die Folge jenes mächtigen, um nicht zu jagen übermächtigen Triebes, der, über die Selbiterhaltung hinausgehend, die Erhaltung der Art bewirkt. In Erfüllung diefer wichtigiten Lebensaufgabe zeigt ji das Säugetier nur von dem einen dahinzielenden Triebe beherricht: der Hirfch vergißt in der Brunft vor Aufregung und Eiferfucht die Aung, und die Bärin bleibt eingejchneit im Winterlager, das zugleich ihr Wochenbett ift, wochen: und monatelang bei ihren Kleinen Jungen liegen, ohne Nahrung zu fih zu nehmen. Sm Gejhlehtsleben tritt, wie im gewöhnlichen Leben, wieder ein bemerkenswerter Unterfchied zwifchen Säugetieren und Vögeln hervor, der begeijterte Vogelliebhaber geneigt macht, ihren Lieblingen eine bejondere ‚„‚moralifche Höhe‘ zuzufchreiben. Während nämlich die Vögel in Einehe leben und von diejer jchönen Kegel nur die Hühnervögel eine Ausnahme machen und diefe nicht einmal alle, herrjcht bei den Säugetieren die VBielweiberei, und hat man ein paarweiles Zufammenleben ganz ficher und dauernd eigentlich nur bei den Zwerg- antilopen und einigen verwandten Kleinen Antilopengattungen beobachtet. Sm Zufammenhang mit der Vielweiberei der Säugetiere fteht dann die auffallende Verjchiedenheit in der äußern Körpergeftaltung der beiden Gejchlechter, die auch bei den viel- weibigen Vögeln fhon ausgebildeten jefundären Gejhlehtscharaftere, namentlich joweit fie in bejonderer Größe und Stärke des Männchens und bejonderen Waffen bejtehen. Mit diejen Fämpft dann das männliche Säugetier zur Fortpflanzungszeit gegen Nebenbuhler um den Belis der Weibchen, jo daß in der Regel der Stärkite zur Plagherrichaft und damit auch) zur Zeugung kommt. Damit ift aber nicht gejagt, daß der Stärkjte immer die maßgebende Stelle zur Füh- rung und Regelung des täglichen Lebenslaufs der Herde wäre. Bei den Wildpferden trifft dies allerdings im Leithengft zu. Bei den Wiederkäuern aber, namentlich den Hirfchen, ift das Zeittier, das das Nudel anführt und über die Sicherheit der anderen wacht, ftetS ein altes, erfahrenes Weibchen; der ganz von feiner Leidenfchaft erfüllte Brunfthirich wäre au zum Sicherheitsdienft wenig geeignet. Dieje verjchiedene Verteilung der Pflihten im gejelligen Berbande hängt übrigens jedenfalls damit zufammen, daß der Wildhengit immer, der alte männliche Wiederfäuer aber nur zur Fortpflanzungszeit bei der Herde jteht. Db die alten männlichen Tiere im Notfall zum Schuße für die ganze Familie oder Herde gegen Raubtiere eintreten, richtet fich nach der allgemeinen, fliehenden oder angreifenden Natur der betreffenden Tierform: ein Unterjchied, auf den neuerdings wieder Th. Zell ganz richtig aufmerffam gemacht hat. Der Stier wird e$ ohne Zaudern tun; das hat Wijjmann beobachtet, und Brehm hat mit alten Affenmännchen dasjelbe erlebt. Entjprechend der jchwierigen Fortpflanzung der Säugetiere im allgemeinen mit ihrer langen Tragzeit und darauf noch folgenden Ernährung der Jungen aus dem mütterlichen Körper ift die Zahl der legteren im allgemeinen nicht jehr groß. Durch ganze Ordnungen 3* 36 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. (Affen, Halbaffen, Huftiere, Seefäugetiere) geht vielmehr die denkbar geringfte Zahl, die Ein- zahl, als Regel hHindurd; doch können auch in einem Wurf über 10, ja jogar über 20 Junge (Schweine) vereinigt fein. Ferner hängt die Zahl der Jungen, namentlich aber ihr Ent- widelungszuftand bei der Geburt, mit der Ernährungsweile der betreffenden Säugetiergruppe zufanımen, die beim Naubtier möglichjt frühzeitige Entlaftung der Mutter, beim Beutetier mög- lichft vollflommene Beweglichkeit des Neugeborenen verlangt. Hauptfächlich bei der Fortpflanzung zeigt fih auch, was den Cäugetieren von Laut: fähigfeiten und Kunjtfertigfeiten innewohnt. ES ijt nicht viel; fie ftehen darin weit hinter dem Vogel, dem Stimm und Baukfünftler unter den Wirbeltieren, zurüd. Die Stimme des Säugetieres ift gemeinhin weit entfernt davon, auf das Dhr des Men ichen melodisch und angenehm zu wirken; nur der Gibbon „fingt” eine halbwegs ‚‚mufitalifche” Tonleiter. Das geiftige Ohr des Jägers und NeiterS mag ja vom „Orgeln des Brunft- hirihes und dem „‚Geläute” der Hundemeute, vom „ungeduldigen‘ Wiehern des „evlen’ Rojjes jympathijch berührt werden; Jobald aber die Laute des Säugetieres nicht Durch die unter- gelegte Bedeutung verklärt werden, ift e8 gleich „ein Lied, das Stein erweichen, Menfchen rajend machen fan”. Mean denke nur an den armen Gjel und die vielgejhmähte Kaße! Das Säugetier gibt im allgemeinen überhaupt wenig Laute von filh, bleibt oft jelbit in der größten Bein und Todesqual jtumm. Am häufigsten find aber neben Schmerzens- tönen (Klagen des Hafen, Heulen des Hundes) doh noch Angit: und Schredlaute (Schmälen des Nehes, Pfeifen der Gemje und Antilopen), die dann auch Artgenofjen zur Warnung dienen können. Beim Bellen des Hundes, das ebenfalls hierher gehört, tritt an die Stelle des Artgenofjen der menschliche Herr des Tieres. Wo eine bejondere Brunftitimme ausgebildet üt, wie beim Hirjch, erklärt fie fich durch die hochgradige Erregung des Tieres, die fi auch in Tönen Luft macht. Beim Rotwild nicht, aber beim Neh gibt es einen entjprechenden Laut von weiblicher Seite: das Fiepen der Nie. Allgemeiner find bei den weiblichen Säugetieren gewilje Anlodungslaute für die Jungen, die deren Aufmerffamfeit erregen follen; fie gewinnen im Ohr des gemütvollen Tierfreundes leicht den Herzensklang bewußter, ftolzer Mutterliebe. Der mütterlicde Injtinkt veranlaßt das weibliche Säugetier auch zu etwas erhöhter Be- tätigung des jonft vielleicht fauum vorhandenen Bau: und Wohnungstriebes. Aber auch jebt geht die Leiltung vielfach nicht hinaus über Auffuchen einer für Lager und Wochenbett geeig- neten Ortlichfeit und ganz oberflächliches Herrichten durch Kragen und Auseinanderjeharren. Auf diefem ganzen Gebiete, wo der Vogel Meifter ift, bleibt das Säugetier Stümper. Mit ihren Wohnungsbauten, die fie über der Erde aus ten, Zweigen und Blättern errichten, Fönnen fih nur gewiffe Nager jehen laffen: jo der Biber mit feinen Wafferburgen und Dämmen, das Eichhörnchen mit feinen Sommers, Winter und Vorratsneftern und Zwerg- und Yajelmaus mit ihren Kugelneftbauten, die denen gewiffer Kleiner Vögel fehr ähneln und volllommen gleichwertig find. Sonft fonmt e8 bei den Säugetieren nur zu unterivdiihen Höhlenbauten, und auch hier ftehen die Nager wieder vornan, die fich überhaupt durch jehr ausgebildete Snftinkte und Fertigkeiten auszeichnen (Murmeltiere, Kaninchen, Hamfter, Mäufe ujw.). Die Heineren Raubtiere, die nicht Elettern können (Schafals, Füchfe, Dachje und ähnliche), folgen, und Ihließlich find unter den Zahnarmen die Gürteltiere virtuofe Erdwühler, unter den Snfetten- frefjern die Maulwürfe unterivdifche Baumeifter erjten Ranges. Dei den Höhlen oder Nefter bewohnenden Säugetieren findet fich auch jene merkwürdige Fähigkeit, die ungünjtige Jahreszeit ohne Nahrung zu überdauern, die man unter dem Namen Stimme. Wohnungsbauten. Winterichlaf. Wanderungen. Schußfärbungen. 87 des Winterjchlafes begreift und in ihrer Zwecdwirkung dem Wandern der Zugvögel ver- gleichen Fan. Die Winterjchläfer, die fih aus den Ordnungen der Naubtiere, Fledermäufe, Sinjektenfrejjer und Nager zufammenjeßen, führen uns ihr eigenartiges Vermögen in den ver- Ichiedenen Abjtufungen vor: vom Bären, bei dem es eigentlich nur in gewöhnlidem Schlafen mit Faften befteht, während font alle körperlichen Tätigkeiten, fogar Neifung und Geburt der ungen ungejchmälert vor jtch gehen, und dem Dachs, bei dem nach den neueften, im Berliner BZoologifhen Garten begonnenen Beobachtungen Thon eine Ruhezeit der Frucht im Mutter- leibe eintritt, durch Eihhörnchen und Hamjter, die, zeitweile wach, von den eingetragenen Vor- räten zehren, zu den Schlafmäufen und Murmeltieren, die unter weitgehender Herabminderung ihrer Herzichläge, Atenzüge und Körperwärme in eine Falte Totenftarre verfallen, aus der man fie nicht ohne weiteres erweden Fann, ohne ihr Leben zu gefährden. Die Fledermäufe gebrauchen beide Auskunftsmittel, den Winter mit feinem Mangel an fliegenden Snjekten zu überjtehen: die meilten halten Winterjchlaf wie die Säugetiere, und manche wandern wie die Vögel. Sind fie doch auch die geflügelten Säugetiere! Namentlich in der nordamerifanifchen Union find neuerdings alljährliche Wanderungen zwijchen den Nord- und Südftaaten feitgeftellt und dadurch entiprechende ältere Beobachtungen aus Europa und Ajten mittelbar bekräftigt worden. ES gibt aber auch andere echte, regelmäßige Wanderer unter den Säugetieren. Hier wäre vor allem das Renntier jowohl der Alten als der Neuen Welt zu nennen und der nordamerifanische Bifon, wenn er nicht ausgerottet wäre. Fait alljährlich wandern auch die fibiriichen und nordamerifanijchen Eichhörnchen; doch find hier feine bejtimmten, regelmäßig wiederkehrenden Richtungen und Zugitraßen mehr zu erkennen, jondern nur noch ein mafjenhaftes Zufammenjtrömen an wechjelnden, dies Jahr hier, im nächjten wo anders bejonders reichlich fließenden Nährquellen: wo die Baumjamen gut ge- raten find, da erjcheinen zur Neifezeit Unmengen von Eichhörnchen, nachdem angeblich vorher einzelne Vorläufer das Gelände ausgefundjchaftet haben. Sp werden wir übergeleitet zu den ganz unregelmäßigen Majjenwanderungen von Säugetieren, die Nahrungsmangel bewirkt. Als Urheber von folchen hat der norwegijche Lemming im Auslande eine gewifje Kiterarifch=hiftoriihe Berühmtheit erlangt, die au) in jeiner Heimat duch Augenschein fich begründen läßt. Hiftoriih find heute längjt die viel- bejchriebenen Springbod-Treften, nachdem im füdafrifanifchen Gold» und Diamantenland die Springböde, wie alle anderen Antilopen, wo nicht ausgerottet, doch jo vermindert find, daß fie feinem Jäger mehr tagelang am Ochjenwagen vorbeiziehen. Gar fein Wandern im Sinne irgendwelcher Hin= und Rücdbewegung, jondern eine ein= fache Ausbreitungserjheinung ift die Überflutung Europas erjt mit der Eleineven, Ichwarzen Hausratte und dann mit der größeren, grauen Wanderratte in geichiehtlicher Zeit, die in ihrem Fortjchreiten von Land zu Land und von Ort zu Ort aftenmäßig belegt ift. Wie innerhalb des allgemeinen Rahmens des Säugetierlebens jede einzelne Säugetier- form wieder in bejtimmte Lebensumstände fich hineinpaßt dur Ernährung, Bewegung und ihre anderen Lebenstätigfeiten, jo auch durch ihre äußere Erjeheinung. An Pracht und viel- fältiger Austattung mit allen möglichen Farbenzufanmenjtellungen erreicht ziwar das Säuge- tierfell nicht entfernt das Bogelgefieder; aber weitgehende Shugfärbungen kommen vor, und merkwürdigerweife gerade auch da, wo jeheinbar die auffallendjte Buntheit vorliegt. Mag man nun mit Recht oder mit Unrecht die Duerftreifung des Tigers und des Zebras mit den BYlattformen des Schilfvihungels und der Grasjteppe in Zufammenhang bringen, die Flede des Leoparden und der Giraffe mit ven Sonnenringeln, die durch das Blätterdach der Bäume v8 Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere. Fallen: Tatjache ift e8, von allen Neifenden bekräftigt, daß man jelbjt diefe im Tiergarten und Mufeum jo bunt wirkenden Großtiere draußen in der Wildnis nur jehr jhwer fieht, weil ihre Geftalten fchon auf furze Entfernung mit ihrer Umgebung mehr oder weniger ver- ichwimmen. Der Tierförper wird durch Linien= und Fledenzeihnung für das Auge zer- ichnitten, aufgelöft, und die fein gejprenkelte „Bildfarbe”, eine unfcheinbare Mifchfärbung aus helleren und dunkleren Tönen, wie fie unfer Wild meift bejigt, bringt diejes wieder jo voll- fommen mit dem Hinter und Vordergrund zufammen, daß e3 fich gar nicht mehr abhebt. Ein Haffisches Beifpiel dafür ift der Hafe im Lager. Wenn im Gegenfaß die fuchlige Sommer- decfe des Nehes auf grüner Saat weithin leuchtet, jo ift dazu zu bemerken, daß der „rote Bo auf diefem Kulturland von der Natur nicht jo herausgebildet worden ift, jondern eher vielleicht auf dem Untergrund der dürren Waldblätter. Die Bedeutung der weißen Färbung des Eisbären und der Schnegziege, des weißen Winterpelzes des Schneehajen, Eisfuchjes und Hermelins ift nicht mißzuverftehen; ebenjowenig die Sandfarbe der Wüftentiere: der aftatiichen Wildefel, Gazellen, des Wüftenfuchjes, der Springmäufe und anderer. Bei der nicht geringen Anzahl nächtlich lebender Säugetiere müfjen wir unterfcheiden zwilchen echten Nachttieren, die namentlich auch durch die Beichaffenheit ihrer eulenähn- lichen Augen mehr oder weniger ausschließlich auf Nachtleben und Tagjchlaf angewiejen find, wie der Nachtaffe, viele Halbaffen, Injektenfrefjer, Beuteltiere, und jolden Beutetieren, Die, wie unfer Wild, fich gewöhnt haben, des Nachts oder wenigjtens jpät abends und frühmor- gens ihre Nahrung zu juchen, aus Furcht vor den NRaubtieren. Freilich haben dieje ihre Feinde es ebenfalls jehon längit gelernt, fie in der Dämmerung zu verfolgen. Neben ausgeprägt gejelligem wird auch vollfommen einjiedlerijches Leben innerhalb der Säugetiere gepflegt. Im vielen Gruppen bringt nur die Baarungszeit und die Jungenauf- zucht mehrere zufammen, und die Gemeinjchaft wird wieder aufgelöft, jobald ihr Zwed erfüllt ift. Dies hängt von der Entwidelungszeit, dem Eintritt der Selbftändigfeit ab, die im allgemeinen und im Verhältnis zum Menjchen auch bei den großen Formen jchnell erreicht wird. In allen diejen verjchievenen Möglichkeiten, die notwendige LXebensarbeit des Säuge- tieres zu bewältigen, ift je eine Säugetiergruppe Meijter; dafür jteht fie dann in allen anderen Beziehungen zurüd. Bloß der Menjch kann außer dem Fliegen alles, was die übrigen Säuge- tiere fünnen; freilich jchlecht gegen die zu vergleichenden Meifter im Säugetierreiche, die Läufer, Kletterer u. a. Eins aber gibt es, worin er fich über fie alle erhebt: er hat jein Ge= hirn entwidelt und erjeßt die förperlihen Fähigkeiten der Tiere durch geiftige derart voll- fonmen, daß er die Erdrinde und jeine Mitbewohner auf diejer immer mehr beberricht. Eine Schredensherrichaft, die überall das Gleichgewicht in der Natur jtört und vielerortS mit graufiger Schnelligkeit die Ausrottung der fchwächeren Gegenpartei nach fich zieht. Nicht ohne Bitterkeit möchte man heute jchon jagen, daß e8 Tiere, namentlich größere Säugetiere, nur da noch gibt, wo der Menfch fie noch nicht vertilgen konnte oder — in der bei weiten Eleineren Minderzahl der Fälle — fie nicht weiter vertilgen wollte. Die traurige Zeit, wann der Menfch mit feinen Kubtieren und Nuspflanzen auf der Erde allein jein wird, warın ihm Gleichgültiges oder gar Schädliches nur noch) gnädig geduldet fein wird, der Kuriofität halber, dieje öde ehrfeite unferer Kulturentwidelung, die ohne Zweifel gerade die Säugetiere am härteften trifft, glauben wir vorauszujehen mit unerfreulicher Klarheit. Weniger Har fchaut unfer Blie rücwärts. Anfang und Ürjprung der Säugetiere ftehen immer noch nicht feft, obwohl ihre Gejchichte und Vergangenheit durch zahlloje Zeugniffe aus den verfchiedenften Exrdfchichten jehr Nachttiere. Gejelliges und einfiedlerifches Leben. Urjprung der Säugetiere, 39 veichlich belegt find, weil Schädel und Knochen der Säugetiere jehr feit und widerjtandsfähig find und alfo auch leicht durch Verjteinerung fich erhalten. Allerdings gilt dies in vollem Unfange nur für größere Formen, und darin liegt wohl nicht zum wenigiten der Grund, warum gerade die ältejten uns überfonmenen Belege über Säugetiere jo unvollitändig find, ih auf Zähne, Kiefer: und Schädelrefte bejchränfen, d. h. auf die härtejten, auch im Waffer dauerhafteften Skeletteile. Denn die älteften Urahnen der Säugetiere und auch die Über- gangsformen zu ihnen haben wir uns klein zu denken; darüber befteht jet fein Zweifel mehr — ihon nach der allgemeinen Anjhauung und Erfahrung, daß in jeder Tiergruppe die ältejten, einfachjten und urjprünglichiten Formen auch die Hleinjten find. Die Säugetiere folgen eben- falls diejer Regel: die älteften Nejte von Säugern und Säugerähnlichen, die wir bis jeßt Shädelvon Tritylodon, aus der Karrooformation Südafrifas. Aus NR. Owen, „Palaeontology“, London 1869. 1 Bon oben, 2 von der Seite, 3 von unten. fennen, gehören Eleinen Tieren an. ES find einerjeits ein Schädelbruchjtüd und ein Fuß- abdrud von einem faninchen= oder hafengroßen Tier (Tritylodon und Theriodesmus) aus der obern Karrooformation, d. h. aus der mittlern Terraffe des jüdafrikanischen Tafellandes; anderjeit3 Eleine Badzähne aus einer jowohl in Sübdeutichland als in Südengland ver- tretenen, viele Knochentrümmer führenden Schiht, für die fi der englifche Name Bonebed (Snochenlager) eingebürgert hat. Dieje Funpftätten, jomwohl der obere Karroo= al3 der Bones bedjandftein, gehören zur Triasformation, d. h. an den Anfang des zweiten großen Ent- wicdelungszeitalters der Erdrinde, wenn wir das jüngfte, in dem wir jelbt leben, al3 das fünfte betrachten, und die Karrooformation ift in der Triasformation wieder die allerältejte, liegt jozufagen an der Grenze zwifchen Altertum und Mittelalter der Erde. So weit oder vielmehr noch weiter zurüd müjjen wir alfo den Urjprung der Säugetiere verlegen; denn ihr gleich zeitiges Vorkommen in Süddeutichland und Südafrifa beweilt, daß fie zu Ende der Trias auf der Erde jehon weit verbreitet waren. Schauen wir und nun um nad weiteren Anfnüpfungspunften, jo findet fich zunächit eine hochbedeutjame Übereinftimmung der vorerwähnten älteften foifilen Säugetiere mit den niedrigft organifierten jeßt lebenden, den Schnabeltieren Auftraliens. Dieje haben im aus: gewachjenen Zuftand nur eine Art Hornzähne (vgl. die Abbildungen ©. 40 und ©. 57), in 40 Ein Blid auf die Öefamtheit der Säugetiere. ihrer Jugend aber ein Milchgebiß von echten Zähnen, und deren Schüffelform mit einer Kette Kleiner Höcer am Rande zeigt unverkennbare ynlichkeit mit den Keinen Zähnen aus dem württembergijchen Bonebed von Ehterdingen, auf die die foljile Gattung Microlestes gegründet ift, und die dann weiter mit der zweiten württembergijhen Gattung Triglyphus, der englijchen Plagiaulax und den füdafrifanijchen Tritylodon und Theriodesmus zur Auf- ftellung der älteften foffilen, allen anderen gegenüberjtehenden Säugetierordnung der Multi- tubereulata (Vielhöderzähmer) over Allotheria geführt hat. ES hindert uns nichts, dieje uralten Anfänge der Säugetiere auf Erden, wie im Gebiß, jo auch in anderen wejentlichen Zügen des Leibesbaues jchnabeltierähnlich zu denten, namentlich auch mit derjelben unvoll- fommnen Säugetierfortpflanzung, „‚eierlegend“, und diejer erlaubte Gedanfengang Hilft uns dann wieder einen Schritt vorwärts auf der Sude nad) ver Wurzel des Säugetierjtamms. Die Schnabel- tiere zeigen nän- lich im einzelnen nod weitere Ab- weihungen vom Säugetierbauplan, die der Unfkun= dige, verlodt durch ven angeblichen „Schnabel“, als Bogelähnlictei- Vielhböderige Zähne von Säugetieren aus der Kreideformation Nordamerikas. ten deuten könnte, Nah Marjh. 1 Oberer Lüdzahn von Cimolomys graeilis, 2 oberer Mahlzahn von Tripriodon . ‚ "E eaperatus, 3 oberer Mahlzahn von Tripriodon caelatus. die aber u Wirk- lichkeit Reptilien- ähnlichkeiten find. Tatfächlich hat der Vogel mit dem Säugetier ftammesgefchichtlich nicht das geringjte zu tun; Vögel und Säugetiere find vielmehr die beiden gleichwertigen, aber von- einander vollftänbig unabhängigen Sol unter den Wirbeltieren, die fih zur Warn: blütigfeit erheben. Für die Vögel bleibt auch die enge, unmittelbare Stammesverbindung mit den Nepti- lien, wie fie von Yurley, dem großen Zeit: und Bolksgenofjen Darwins, zuerft behauptet und bewiejen wurde, wohl bis in alle Zukunft beftehen; jeheint fie doch dank dem weltberühmten DBeweisjtic der Archaeopteryx ewig unerjchütterlih! Dagegen hat an der zweiten Ableitungs- reihe, Amphibien Säugetiere, die derjelbe Forfcher auf Grund des übereinftimmenden Be: fundes doppelter Gelenkhöder am Hinterhaupte aufftellte, mit der tiefergehenden Einficht in Stammesgejhichte und Einzelentwicelungsgefchichte immer mehr der Zweifel gerüttelt, und neuerdings hat fich in diefer Beziehung eine wejentlihe Wandlung der wiffenfchaftlichen An- jihten vollzogen. Wer vollends die eingehenden, zielbewußten Unterfuchungen des Freiburger Anatomen Gaupp einigermaßen verfolgt und feinen überzeugenden Vortrag über „Die Ber: wandtjchaftsbeziehungen der Säugetiere, vom Standpunkte der Schädelmorphologie aus er- örtert”, auf dem Grazer Zoologenkongreß 1910 gehört hat, der mußte fi) wohl oder übel zu Bielhöcerzähner. Säugetierzähner. Wärmejchub. 41 dem Slauben befehren, daß der doppelte Gelenthöcder am Hinterhaupte gar nicht jolche grund- jägliche Verfchiedenheit bedeutet, wie man bis dahin annahm, daß er vielmehr aus dem einfachen erft entjteht im Zufammenhang mit der den Säugetieren eignen Umbildung der beiden exten Halswirbel, mit anderen Worten: daß auch die Säugetiere von Reptilien abzuleiten find, und ziwar von folchen ausgejtorbenen Formen, denen unter den lebenden neben der abweichenden, altertümlichen Brücdenechfe (Hatteria) Neufeelands die Eidechjenartigen am nädjften jtehen. Einzelhinweife in diefer Nichtung hatte man jhon lange. Nicht nur, daß die Schnabeltiere im Halsjfelett nach Flower eine Annäherung an die Reptilien erkennen lafjen: e8 gibt auch fojiile Reptilien mit zweiteiligem Hinterhauptsgelenf und einem Gebiß, nad) dem fie Tiherio- dontia (Säugetierzähner) heißen, weil fi am diejenm Gebiß verjchievene Zahngruppen, Südafrifanifhe Theriodontenrefte Aus R. Owen, „Palaeontology“, London 1869 1 Schädel von Lycosaurus, von der Seite, 2 von vorn, 3 einzelner Zahn. Schneide-, Ef und Bacdzähne, unterjcheiden lajjen, annähernd jo wie bei ven Säugetieren. Die Formverfehiedenheit und Arbeitsteilung unter den Zähnen bahnt fih alfo hier bereits an. Der bejte Beweis für den Mifch- und Übergangscharatter aller der hier in Frage fom- menden Formen ift aber, daß man die obengenannte Gattung Tritylodon erjt zu der Säuge- tierordnung der Vielhöcerzähner und dgun wieder zu der Neptilienordnung der Säugetigr- zähner gejtellt hat. R. Broom erklärt in feiner neueften Arbeit („Proc. Zool. Soc.“ 1910) nach „jorgfältigem Studium des Typuseremplars” in Zondon Tritylodon für „das älteite Vielzähnerfäugetier”. Zu richtiger Würdigung der Sachlage gehört jhließlich noch, daß die jüdafrifanifche Karrooformation nicht allein dafteht, jondern als ein Teil eines verfunfenen Feftlandes angejehen wird, das Südafrifa mit Vorderindien verband und dort mit den gleichen Berfteinerungen al3 Gondwanaformation wieder zum Vorjhein Fommt. Unter dem n- dischen Ozean mögen aljo, wie jo manchen erdgefchichtlichen Nätjels Löjung, vielleicht auch die Beweisftücde für die Abjtammung der Säugetiere begraben liegen. Der entjcheivende Schritt bleibt jedenfalls die Umwandlung der Haut: der Erfaß des reptiliichen Banzerfchubes gegen Verlegung duch einen Wärmejhuß gegen Wärmeverluft, der die Erhaltung einer höheren Eigenmwärme und Lebensenergie, die Warmblütigfeit, möglich machte. Diefe ift bei Schnabel: tieren und Beuteltieren noch erheblich niedriger alS bei den übrigen Säugetieren. 42 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. Eng an Urjprung und Gefchichte der Säugetiere jchließt fich nach unferer heutigen Natur: anjhauung die geographiiche Verbreitung. Wir find von vornherein überzeugt: wie fie jeßt liegt, fann fie nur das Ergebnis fein der Gefamtzahl von Formen, die aus den früheren Erdperioden auf die jebige überfommen find, und der Mögfichfeiten, die diefe Formen dur) die Verteilung von Wafjer und Land und andere wejentliche Xebensumftände hatten, fich auf der Erde zu „verbreiten im urjprünglichen Sinne des Wortes, d. h. durch Vermehrung und Auswanderung fich auszudehnen. Hierbei haben al3 Schranke Klima und alles, was dazu gehört, in leter Linie aljfo auch) die Pflanzenwelt als Nahrung der Tierwelt, ficher jtet3 eine große Rolle gejpielt, obwohl ebenfo ficher Eingewöhnung und Afklimatifation niemals ausgejchloffen waren und oft ftattgefunden haben. So gibt e8 3. B. Füchje in allen Zonen und Klimaten. Sm allgemeinen hat man aber als Anhaltspunkte für die Beurteilung aller diefer Verhältniffe in den vergangenen Erdperioden nur die Pflanzen= und Tierwelt, und man hält fich für die Feitländer mit Vorliebe gerade an die Säugetiere, weil dieje, zumal in den jüngeren Erdjhichten, am reichlichiten erhalten find. Der Geograph Fann aljo hier dem Zoologen und Botaniker wenig helfen: hält er fich doch um: gekehrt an dieje, und jo wollen, bejjer gejagt, jo müjjen wir mit der allgemein angenommenen, eben aus den Pflanzen» und Tierreften erichlofjenen Borausfegung beginnen, daß Icon im Altertum der Erdrinde, jeit deijen vorlegter Beriode, der Steinkohlenzeit, die Verteilung von Waffer und Land ungefähr diejelbe war wie heute, namentlich die großen, zufammenhängenden Fseltlandsmafjen Jchon auf der nördlichen Halbkugel vorhanden waren. Wir müfjen uns von unjeren obigen Betrachtungen über den Urjprung der Säugetiere nur erinnern, daß zur Zeit ihrer erjten Anfänge, zwijchen Altertum und Mittelalter der Erde, in der Trias, noch eine Zandbrüce von Indien nach Afrika beftand, die inzwischen in den Jndifchen Ozean verjunfen ift. Die großen nordiihen Fetländer, die aljo mehr oder weniger ungejchmälert über zwei Drittel aller unterjcheivbaren Erdrindenformationen bis auf die Gegenwart überdauert haben, betrachtete man nun als die Hauptbildungsitätten der Pflanzen- und Tierwelt und jomit auch ver Säugetiere. Man dachte fih, daß hier befonders ausbreitungsfähige, im Kampf ums Dajein ftarfe Formen fich herausgebildet und fortdauernd in der Richtung vom Pol nad) dem Aquator ausgeftrahlt hätten, und jprach fo von einer Polflüchtigfeit der Organismen, die man früher jehr natürlich mit der allmählichen Abkühlung der Erdrinde in Zujammen= hang brachte. Die nicht mehr bezweifelte, wenn auch noch nicht erklärte Eiszeit macht uns aber diefe einfache Vorftellung fürderhin unmöglich, zumal wenn wir foldhe Kälteperioden nicht nur zwiichen Tertiärzeit und Gegenwart, jondern au) am Ende des paläozoijchen Altertums der Erdrinde annehmen müfjen. Wir ftellen uns alfo heute vor, daß e3 gleichjam fortdauernd aufeinanderfolgende Berbreitungswellen gewejen find, welche die verjchievdenen Pflanzen und Tierformen vom Nordpol nach dem Aquator und darüber hinaus getrieben haben, nicht Eraft äußerer Urfachen, fondern vermöge ihrer innern Ausbreitungskraft im Kampfe ums Dafein, und wir jehen heute noch eine Probe auf dieje innere Kraft aus großen Feftländern ftam- mender Formen in der Erfahrungstatfahe, daß fie, wenn fie mit abgelegenen und abgejon- derten „snjelformen zufammenfommen, diefe binnen Eurzem überwältigen und verdrängen, wie 3 von eingejchleppten Unkräutern und tierifchem Ungeziefer bis zum Sperling, der Vanderratte und dem Kaninchen hinauf oft genug beobachtet worden ift. Zwilchen den Be- wohnern großer Feftländer tobt eben ein viel erbitterterer Kampf ums Dasein als zwifchen der geringen Bevölkerung einer Infel, und Tier- und Pflanzenformen, die diefe harte Schule durch- gemacht Haben, find ganzanders geftählt und gewappnetzur Groberungneuer Verbreitungsgebiete. Geographiiche Verbreitung. Drmithogäa. Notogäa. Übergangsgebiete. 43 Wenn e3 alfo nicht der äußere Zwang zunehmender Abkühlung der Erdrinde war, der in den verjchiedenen Erpperioden Tiere und Bflanzen Fchubweile von Norden nad Süden trieb, fondern gleichjam ein innerer Drang, ein gewiljes aktives Beftreben fampfgeftählter Formen nach weiterer Ausbreitung, jo wird dieje Bewegung auch nicht in den Tropen haltgemacht haben, jondern noch weiter nad) Süden vorgedrungen jein, joweit Landbrücen reichten. Nur wo dieje zerrifjen wurden duch Meererhebung oder Landjenkung, konnten nachfolgende Ber- breitungsjchübe nicht mehr hindringen. So wird auf einmal die Tatjache verjtändlich, daß die entlegenften Feftländer und Snfeln auf der Erde, wenn überhaupt, dann nur eine jolhe Säugetierwelt befiten, die wir aus anderen Anzeichen als älteren Urjprunges und niedrigerer Drganifation erkennen. Auf den - Süpdfeeinjeln, joweit fie nicht an Auftralien und Neuguinea anjchließen, fehlen Säugetiere ganz und gar bis auf Schwein und Hund, die mit dem Menjchen hingefommen find. Ebenjo auf dem uralten Kontinent Neufeeland, wenn wir nicht ganz vagen Erzählungen von einem jagenhaften fijchotterartigen (wohl befjer: jchnabeltierartigen?) Tiere, dem Woitotefe der Ein- gebornenjprache, ernjteren Glauben jchenten wollen, der dort an den heißen Quellen haufen joll. Der engliihe Syftematifer Sclater, der zuerft zufammenfafjende zoogeographiiche Begriffe zu jchaffen juchte, nannte diefe Länder Drnithogäa (Vogelervde), weil fie, jäugetierlos, als höchftorganifierte tierifche Bewohner nur Vögel beherbergen. Zweierlei Ausnahmen davon müfjen allerdings anerkannt werden: die See= und die Luft: jäugetiere, die von dem Feitlande entweder ganz unabhängig find, wie die Wale und Seefühe, oder wenigjtens in geringerem Maße abhängig, wie die Robben und Fledermäuje, weil jte ihre Nahrung in einem andern Bewegungsmittel, im Meere oder in der Luft, juchen und finden. Bei ihnen ift der Wanderung der weitefte Spielraum gelafjen, und zumal die Verbreitung der Seefäugetiere ift jelbjtverjtändlich viel mehr von der Bejchaffenheit und dem Nahrungs: gehalt des Meeres als des Landes abhängig. Die Verbreitung der Wale vor allem läbt ich ganz und gar nicht mit den zoogeographijchen Feitlandsreichen in Verbindung bringen, und von den Seefühen läßt fih nur jagen, daß fie an den tropiichen Küften des Atlantijchen und Smdischen Ozeans leben. Schon eher erjcheinen die Robben und Fledermäuje geographijch ge bunden mit Beziehung auf Feftländer und zugehörige Injeln, aber lange nicht in dem Mabe, wie dies im folgenden für die übrigen Säugetierordnungen in ungefähren Umrifjen jEizziert werden fan. Schon darin zeigt fich gleich wieder ihre Ausnahmeftellung, daß neufeeländijche Küften von Obrenrobben bejucht werden, und daß e8 nicht nur auf Neujeeland, jondern auch) auf den Süpdjeeinjeln Fledermäuse gibt. Aus gleichem Gefihtspunft wie die Drnithogäa ift natürlich erjt recht die benachbarte, faum weniger entlegene Region und nächjte z0ogeographiiche Stufe zu betrachten, die von Säuge- tieren außer Mäufen nur die Kloafen- und Beuteltiere, alfo die ältejten und niedrigitorgani- jierten Säugetiere, enthält: Auftralien mit Neuguinea und den zugehörigen Eleineren Injeln. Für diefes Gebiet einjchließlich der Ornithogäa hat man den Ausdrud Notogäa erfunden. Hier fommt man in der zoogeographijchen Einteilung aber jchon nicht aus ohne das Hilfsmittel der Übergangsgebiete, Ein jolches, das indoauftralifhe oder auftromalatijche, erftreckt fih von Neuguinea weftlich über die Keinen Sunda=njeln und Moluffen bis nad) Gelebes einschließlich, wo immer noch eine Beuteltiergattung vorkommt. Zwifchen den jo nahe benachbarten Snjeln Borneo und Celebes nahm der engliiche Tiergeograph Wallace eine iharfe Grenzlinie für indifhe und auftraliihe Tierwelt an; diefe Wallacefche Linie wurde aber neuerdings von dem Amfterdamer Säugetierforicher Mar Weber jo umgedeutet, dab 44 Ein Blid auf die Gejamtheit der Säugetiere. wir mit ihr abermals in ein Übergangsgebiet fommen, in dem von Meften nad Often die aliatiihen Formen ab> und die auftraliihen zunehmen. AnderjeitS glaubt man immer mehr an eine frühere Berbindung Auftraliens mit Süd- amerika, das al3Neogäa ein weiteres 3oogeographiiches Neich bildet, weil dort auch Beuteltiere vorkommen. Allerdings mit einer jpät entdecten Ausnahme (Caenolestes) nur Beutelvatten (Didelphyidae), d. h. Angehörige derjenigen Beuteltierfamilie, die einft auch in Europa und Nordamerika vorkam, aber erit im Tertiär, alfo in der Neuzeit der Erorinde. Daher wird man fie doch wohl natürlicher von Süden eingewandert denken und die Arten, die jeßt in den Vereinigten Staaten vorkommen, als nördlich vorgejhobene Boften auffaffen. Im übrigen hat Sidamerifa eine reiche Säugetierwelt; alle Ordnungen find vertreten mit Ausnahme der alter: tümlichen Halbaffen und Infektenfreijer. Dabei zeigt fich die beveutfame Erfcheinung, daß zwifchen der Alten und Neuen Welt zwar feine Gleichheit, wohl aber eine unverfennbare Ähnlichkeit, ein gewiljer Parallelismus befteht: hier wie dort Affen, Raubtiere, Nagetiere, Huftiere, aber in verjehievenen Formen und Formenreihen. Nach Karl Vogt ift dies jchon jeit dem Eozän, dem Anfang der Neuzeit der Erde, jo gewejen und nur fo zu verjtehen, daß durch eine nördliche Landverbimdung die Einwanderer aus dem obengenannten nordiihen Bildungsherde ein: jtrömten, fi) dann aber in der Neuen Welt jelbitändig weiterentwidelten. Die nordameri- fanijche Wegftrede ift wohl in diefem Sinne von einer größeren Anzahl jüngerer Verbreitungs- wellen überflofjen worden, die die älteren verwijcht, Südamerika aber nicht erreicht Haben; daher troß der Verbindung durch die Landenge von Banama die verhältnismäßig große Verfchieden- heit in der Tierwelt der beiden amerifanifchen Feftländer. Vertreter der legten Einwanderung in Nordamerika find noch deutlich zu erkennen, 3. B. im Bifon, EI und Wapitihirjch, in der Schneeziege, im Orizjly= und Baribalbären, Fuchs und Wolf, im Waldmurmeltier und anderen, die alle ihre nächjten Verwandten in Nordeuropa und Afien haben. ‚sm Gegenjaß zu diefen Alte und Neue Welt verbindenden wifjenschaftlihen Tatfachen bilden die Antilleninfeln ein zoogeographijches Gebiet für fich, gerade was die Säugetiere anlangt. Schon auf Trinidad, das vor der Mündung des Drinofo liegt, nicht weiter ent- jernt al3 England vom übrigen Europa, macht fich diefer durchgreifende Unterfchied geltend: alle Affen, Raubtiere, Zahnarme fehlen, dagegen ift auf den Antillen (Kuba), und nur hier, eine eigentümliche Snjektenfreffergattung (Solenodon) vorhanden. Ebenjo kommen die merk: würdigen großen Baumratten (Capromys) nur auf den Antillen vor. Mit Nordamerika betreten wir das ungeheure Gebiet der bisher jchon oft erwähnten zufammenhängenden Feitlandsmaffen, die vom Nordpol bis zum quator und darüber hinaus reihen und neuerdings als Arktogäa (Norderde) zufammengefaßt werden. Dieje Arktogäa enthält, wie fie die Hauptmaffe des Feftlandes darftellt, fo die Hauptmafje der Zandtiere, auch der Säugetiere. Alle Ordnungen find hier vertreten bis auf die Beutel: und Kloakentiere; die Arktogäa muß daher als die Heimat und Bildungsftätte der höheren Säugetiere betrachtet werden. Natürlich walten aber in verschiedenen Teilen diejes rieligen Gebietes mehr oder weniger weitgehende Unterjchiede ob, und danach laffen fie) auch für die Säugetiere vier Untergebiete (Regionen) unterscheiden: 1) Holarktijche Region, die eimerjeitS das jogenannte Eurafien, d.h. Europa und das in Klima, Pflanzen und Tierwelt ihm ähnliche Nord und Mittelafien bis nad) Japan, anderjeits Nordamerika umfaßt und danach in eine Baläarktijche (altweltlichnordijche) und eine Nearktijche (meumeltlich-nordijche) Subregion zerfällt. Erftere Zufammenfaflung macht die früher beliebte Aufitellung einer zirfumpolaren, etwa dureh den Nordpolarfreis Neogäa. Arktogäa. Holarktifhe Region. Sonorijches und Mediterranes Übergangsgebiet. 45 begrenzten Region überflüfltg; leßtere Zweiteilung dagegen ericheint durchaus geboten [yon nad) dem, was wir oben über die Verfchiedenheit troß der Ihnlichkeit, ven Parallelismus zwijchen Alter und Neuer Welt jagen mußten. Eine ganze Anzahl Familien find ja dem paläarktiichen und nearktiichen Gebiete gemeinjam, aber fie bilden dann in beiven Subregionen verjchiedene Gat- tungen und Arten. So unter den Snjektenfrejjern die Spigmäufe und Maulwürfe, unter ven Naubtieren die echten Zuchle, die Wölfe und Füchle, die Bären, die Seeotter, Bielfraße, Dachje, die eigentlichen Marder und Wiefel; unter den Flojjenfüern die Walrofje; unter den Nagern die Badenhörnchen, Murmeltiere, Ziefel, Biber, Wühlmäufe, Lemminge, Süpfmäue, Pfeifhafen und Hafen. Unter den Huftieren machen die Bijonrinder, die Ziegenantilopen, die Wildichafe, die Hiriche die Zufammengebörigfeit beider Subregionen zu einer höheren Einheit bejonders auffallend. Dagegen bilden die Ziegen, die auf die Alte Welt beichränft find, ein unterjcheidendes Merkmal zwilchen nearktifchem und paläarktiichem Gebiet; von den Hirichartigen die Mojchustiere, die nur in Oftafien vorfommen, und von den Antilopenartigen die jonderbare Gabelantilope, die umgekehrt nur im nordamerikanijchen Wejten lebt und im Syjtem ganz vereinzelt dafteht. Eigentlihe Schweine gibt e8 in der Neuen Welt nicht; fie werden Dort ver: treten durch die Vefaris oder Nabelfchweine. Bon Nagetieren find rein altweltlich, paläarktiich, die Schlafmäuje (Siebenfchläfer), eigentlihen Hamfter, Springmäufe und Pferdejpringer; von Kaubtieren die Wajchbären nearktifch, die Kagen= und Marverbären paläarktijch. An beide Subregionen gliedert fi nun wieder je ein Übergangsgebiet an mit ge: mijchter Tierwelt, auch was die Säugetiere anlangt: an die Nearktis das jeßt Sonorijches (nach Sonora, dem nordweftlihiten Staate Mexikos) genannte, das den Übergang von Nord: nah Südamerifa macht, aljo zu einem ganz andern tiergeographiihen Reiche, zur Neogäa; an die Baldarktis das Mediterrane (Mittelmeer:) Gebiet, das Europa mit dem eigentlichen Afrika, in der Kunftiprache der Zoogeographen zwei Negionen der Arktogäa, die Dolarktijche mit der Athiopiichen, verbindet. Unter dem Sonorifchen Übergangsgebiet darf man fich aber nun nicht etwa nur das jfüdlichjte Nord- und Mittelamerika denken, diefe Länder gehören nach ihrer Tierwelt jhon ausgejiprochen zum fidamerifanifchen, neogäifchen Neiche, es beginnt vielmehr bereits mit dem 43. Grad nördl. Br., d. h. nördlich von New York, und erjtredt fi bi! nah Kanada hinein. Bon der nearktifchen Subregion bleibt aljo überhaupt nicht mehr viel übrig, woraus erhellen mag, wie [ hwer 63 ift, in der Tiergeographie überhaupt reine Begriffe herzuftellen. Tatjähhlic) verbreiten fich füdamerikanifche Formen jo weit nah Norden; wir nennen beijpielsweije nur Puma, Wafhbär, Stinktier (Skunt). Anderfeits jprechen aber wieder gewichtige Gründe aus Gegenwart wie Vergangenheit gerade der Säugetiere für tiefgehende zoogeographijche Abtren: nung Südamerikas und feine Erhebung zu einem jelbftändigen neogätjchen Neiche, Nur einigermaßen einen Begriff zu geben von der Bedeutung des heutigen Mediterranen Übergangsgebietes im Lichte der erdgejchichtlichen Vergangenheit, von der großen Rolle, die 3 im Tertiär, der der unfern vorangehenden Erdperiode, gejpielt hat bei Ausbildung und Verteilung gerade der Säugetierwelt, da3 würde weit über die engen Grenzen hinausführen, die unferen kurzen zoogeographijchen Betrachtungen hier gejtedt find. E3 mag nur erwähnt werden, daß früher Landbrücen das Mittelmeer überjpannt haben müfjen, die natürlich aud) zu Wanderungen von Landtieren benußt wurden, und e$ mögen ftatt vieler anderer und: ftätten nur die beiden Mafjenlager für tertiäre Säugetierrefte von Pilermi zwijchen Athen und Marathon und in den Siwalifhügeln am Südfuße des Himalaja genannt werden, Die al3 Beweis gelten, da Afrika feine Säugetierwelt, feine Menfchenaffen, jeine Fülle von 46 Ein Blid auf die Gefamtheit der Säugetiere. Antilopen und feine viefenhaften Prachtitüce an Giraffen, Elefanten, Nashörnern und Fluß- pferden aus Europa und Aien erhalten hat, man nimmt an: unter dem Zwange der Eiszeit, die auf die warme Tertiärzeit folgte und diefe wärmeliebenden Tierformen aus Europa und Indien in3 heiße, von der Bereifung verjchonte Afrifa hineintrieb. Daß joldhe Wegitreden zurüd- gelegt werden können, dafür jpricht die Verbreitung der eigenartig fchönen Wildziegengattung der Thars (Hemitragus), von der zwei Arten in Sndien, die dritte in Arabien lebt. Heute enthält das Mediterrane Übergangsgebiet, zu dem man außer Südeuropa und Afrika nördlich der Sahara auch das ganze Borderafien bis nach Belutichiftan und Afgha- niftan rechnen muß, tatjächlich eine bunt zufammengemwürfelte Mifchtierwelt aus Europa, Afrika und Afien (Indien), zoogeographiich geiprochen: aus der Holarktifchen, Athiopifchen und Drien- taliihen Region. Wir finden da einen Affen, von Nordafrika jogar bis Gibraltar übergreifend, dort allerdings jest Fünftlich erhalten: den Ichwanzlojen Magot aus der oftaftatiichen, wejentlich indifchen Familie der Makafen. Ein ganz eigentümlicher vorgef'hobener Voften! hnlich Lebt in den Atlasländern (jeßt nur noch in den Korfeichenwäldern an der tunefifch-algeriichen Grenze) ver jüdlichhte geographiiche Ausläufer des Edelhirfches zufammen mit dem Löwen, Leoparden und der Gejtreiften Iyäne, mit jeinem Hauptvorfommen in Europa nur verfnüpft duch eine zwerghafte Snjelform auf Sardinien. Das Mähnenjchaf, das einzige afrikanifche Wildfchaf, hat jeinen nädhjtwohnenden Verwandten im Mufflon auf Sardinien und Korfifa, begegnet aber in Tunis und Tripolis der Kuhz und der Schraubenantilope (Bubalis und Addax), deren Verwandte mit der Hauptmaffe der Antilopen alle im eigentlichen Afrifa füdlich der Sahara leben. Dagegen hat die Antilopengattung der Gazellen ihre eigentliche Heimat in ven Wüjten und Steppen des Mediterranen Gebietes, der Dambirsch (zweite, jeltene Art in Perfien) in defjen Wäldern, die Bezoarziege, Stammform der Hausziege, auf defjen Gebirgen. Andere Wildziegen, Steinböce, fommen in Spanien und auf dem Sinai vor, Wildfchafe be- wohnen außer Nordafrifa, Sardinien und Korfifa auch ganz Vorderafien bis ins Jndusgebiet. Aus Afrika Schiebt fich eine Jchneumonart bis Spanien, eine Ginfterfagenart jogar bis Frank veich vor, und am entgegengejegten Ende rücken die gelben innerafiatiichen Wildejel bis nad Zurkeftan und Transfajpien ins Mediterrane Gebiet ein. Eine äußerft reichhaltige Säuge- tierwelt: von allen Grenzen her etwas. Lydeffer möchte das Mediterrane Übergangsgebiet veshalb zu einer jelbftändigen Negion erheben; dadurch witrde e$ aber nicht einheitlicher. 2) Der Atbiopifchen Region, d. h. Afrika füdlih der Sahara, ijt eine gewijje Ein- heitlichteit nicht abzuftreiten. Sie hat aber auch die beftgefchlofjenen Grenzen; denn der breite nordafrifanische Wüftengürtel hat die gleiche Abiperrungswirfung wie der Sndifche und At- lantijche Ozean, und eine ähnliche lebenfeindliche Zone jet fich durch Arabien und Aien fort. Die Sahara liegt zwar, nachweisbar durch ihre Gefteine, feit alten Zeiten der Exrdrinden- geichichte, teilweife Schon feit der Altertumsftufe der Steinkohlenformation, troden über dem Meere, it altes Feftland wie das übrige Afrika. Trogdem muß fie durd) Ummirtlichfeit und Planzenleere als Verbreitungsichrante gewirkt haben gleich einem Meere: wie wäre e$ jonft zu erklären, dab, nach der Gleichheit und nahen Verwandtihaft der Formen zu urteilen, Afrika jeine Tierwelt, namentlich feine Säugetierwelt, aus Indien bezogen hat, wie bei Er: wähnung der großen Tertiärfundftätte der Siwalikhügel oben fchon angedeutet wurde? Durch das heutige Niltal nad Süden vorrüdfend, mühjen fie eingewandert fein: die Schimpanfen und Paviane, die Elefanten, Nashörner und Flußpferde, die Zebras, Giraffen, Büffel, Antilopen ufw. Die Einwanderer fanden freien Spielraum zur Weiterentwidelung in die Breite, zur Bildung vieler Arten, namentlich großer Huftiere, und jo entjtand. die überreihe, großartige ÜtHiopifche Region. Weftafrifaniiches Waldgebiet. 47 Säugetierwelt, die wir heute vom nördlichen Wendefreis ab in Mittel- und Südafrika jo jehr anftaunen und bewundern, aber ebenjofehr auch bedrohen, zum Teil jchon wieder vernichtet haben: gleichfam ein Bild auf die Gegenwart forterhaltenen Tertiärs, wie e3 in diejer lebt- vergangenen Erdperiode unter wärmerer Sonne au unjer Vaterland bot. Eben wegen diefer Neichhaltigkeit läßt fih die Säugetierfauna der Äthiopiichen Region vielleicht am Fürzeften Fennzeichnen durch die Formen, die fehlen: das find vor allem die Bären und die Hiriche. Warum fie den Weg nah Afrika nicht gefunden haben, it jchwer zu ver- ftehen. Bären gibt es allerdings mit Ausnahme des abweichenden Lippenbären (Melursus) auch in Vorderindien nicht, Hiriche aber dejto veichlicher. Das Fehlen der Wildziegen und Wildfhafe bis auf einen abeffinifchen Steinbod und eine jüdarabiiche Tharziege ift Ichon eher begreiflich, weil man fich Ziegen und Schafe als Hochgebirgstiere Faum weite Streden heiber Tiefländer durchiwandernd denken Fanı. Sm übrigen ergibt fich vielfach eine gewilje parallele Äpnlichkeit mit Indien, der Drien- talifchen Region, wie nad) unjeren ganzen wohlbegründeten Vorftellungen nicht anders zu ev warten ift. In Afrifa Schimpanfen und Gorillas, in Indien der Drang, ebenjo Stummelaffen-— Schlanfaffen, Meerkagen - Schwanzmafafen, Paviane- Stummelmafafen. Unter den alter tümlihen Halbaffen erinnern die weitafrifaniihen Gattungen Potto (Pterodieticus) und Bärenmafi (Arctocebus) lebhaft an die indijchen Plumploris und erläutern uns zugleich jehr ichön die oben bereit3 ausgejprocdhene allgemeine Grundanjhauung über die Verbreitung der Säugetiere, daß wir vermöge der aufeinanderfolgenden Verbreitungswellen erdgefchichtlich immer jüngerer Formen die älteften in den entlegenften Gebieten finden werden. Derjelbe Barallelismus wiederholt fich auffallend mit den indischen Zwergmofchustieren, Kantjchils (Meminna, Tra- eulus), und dem weitafrifanifchen Waffermofhustierchen oder Hirjchferkel, daS bezeichnender- weile foifil aus dem rheinischen und franzöfiihen Miozän (Mitteltertiär) al3 Dorcatherium eher befannt war denn lebend als Hyaemoschus. Diejes im weitejten Sinne hirichartige Tierchen fteht in Afrika ganz vereinzelt da, während an die beiden genannten Halbaffen jic) noch die Gattung Galago anjhließt, die bis zur Oftküfte Durchgeht. Davon abgejehen, bleibt aber Weftafrifa durch die drei genannten altertümlichen Säugetiere ausgezeichnet, die zu der übrigen Tierwelt nicht vecht paffen wollen, und deshalb mag die zoogeographiiche Unter: iheidung eines Weftafrifanifhen, um den Meerbufen von Guinea herumliegenden Wald- gebietes hier erwähnt werden, die der Berliner Vogelkundige Neichenow fidh zu eigen gemacht hat; fie hat ihre Berechtigung. Unter den Snfektenfveffern find die Rohrrüßler (Maeroscelides, Rhynchoeyon) Afrita eigentümlich, ferner die Goldmulle (Chrysochloris), die nahe Beziehungen zu den mada- gaffischen Tanrefigeln (Centetes) haben, und die ebenfalls nur mit Madagaskar (Gattung Geogale) näher zufammenhängende Gattung Potamogale, ein ganz merkwürdiges Wajjer- tier mit feitlich zufammengedrücktem Ruderfchwanze, das durch die dreipigige (rituberculare) Form feiner Badzähne auf die älteften Säugetierformen bis zur Kreide zurüchweilt. Mit Bezug auf das erwähnte weftafrifaniihe Waldgebiet mag hervorgehoben werden, dab aud Potamogale nur dort vorkommt. Die Raubtiere jegen die Parallele zwifchen Afrifa und Indien fort. So haben unter den Viverriven die Zibetfagen (Viverra) und Schneumons (Herpestes) hier wie dort ent iprechende Arten, während die Ginfterfagen (Genetta) auf Afrika bejehräntt find. Nur eine abweichende Form (Poiana) von der Infel Fernando Po im Ouineabufen hat ihr Faum unterfcheidbares Gegenbild, den Linfang (Prionodon), in Hinterindien und wirft jo doc) 48 Ein Blit auf die Gejamtheit der Säugetiere. wieder ein helles Streiflicht auf die zoogeographiichen Beziehungen des Weltafrifaniichen Wald: gürtel3 zur Drientalifchen Region, zumal ihrem malaiifchen Untergebiete. Anderjeits lebt wiederum in Weftafrika, aber dis ins Nafjaland nad) Diten dringend, ein auch in der äußern Erjeheinung weit abgeirrtes Glied der rein indifchen Gruppe der Balmroller (Paradoxurus): der Zweifledvoller (Nandinia), der in mancherlei Hinficht jeines Xeibesbaues als eines der primitiv- jten, niedrigftftehenden Raubtiere gilt. Schließlich hat das heutige Mfrifa unter den hyänenähn- lichen Raubtieren noch zwei Charaktergeftalten aufzuweien: die Fleine Zibethyäne oder den Erd- wolf (Proteles), eine Art Mittelding zwilchen Geftreifter Hyäne und Zibetfage, und den bunten Hyänenhund, einen hHyänenartig ausjehenden Wilohund, der in Meuten große Huftiere jagt. Bei den afrilanischen Nagern vertreten die Stelle der echten Flughörnchen die diejen fich annähernden Dornihwanzhörnchen (Anomaluridae) mit zwei Reihen Hornihuppen unter dev Schwanzwurzel. Auch echte Hamfter gibt es in Afrifa nicht, wohl aber hamfterartige Mausnager im weiteren Sinne, zu denen man aud) die merhvürdige Mähnenratte (Lophiomys) rechnen fan. Der ausjhlieglih füdafrifaniiche Springhaje (Pedetes) fieht aus wie eine große, abweichende Gattung der afrifaniichemediterranen Familie der Springmäufe (Dipodi- dae); nach dem Gebiß und anderen Merkmalen jtellt man ihn aber neuerdings in die Sektion der Eichhornförmigen neben die Dornjchwanzhörnden und dann jogar in die Sektion der Stabelihweinförmigen. Die quaftenihwänzigen Stacheliehweine oder Quaftenftachler (Athe- rura) geben wieder das Beifpiel wenig verjchiedener Gegenbilber in Weftafrifa und Hinterindien. Bon Stadeliehweinartigen im weitejten Sinne (Hystricomorpha) ijt noch die biberähnlich aus: jehende Ferkel: oder Borjtenratte (Aulacodus over Thryonomys) rein äthiopijch, hat aber alle ihre zahlveihen Berwandten, namentlich die Biberratte, den Nutriabiber der Kürichner, in Süd- amerika. Dieje Verbreitungsverhältnifje der Stahelichweinnager hat man mit zum Anlaß genommen, eine frühere YLandverbindunga zwifchen Südafrifa und Süpdamerifa und einen dieje vermittelnden füdpolaren Kontinent, Antarktita, zu vefonjtruteren; eine jolche Hilfskonftruftion ericheint aber, für die Nager wenigftens, unnötig angefichts fojjiler Funde in Arktogäa, die alle nötigen Verbreitungsmöglichkeiten von dorther eröffnen. Dasjelbe gilt von den Zahnarmen, zumal dieje jegt, wie es auch Weber in jeinem maß- gebenden Werke tut, in drei jelbjtändige Dronungen zerlegt werden, von denen nur die rein äthiopiichen Exrvferfel (Ordnung Tubulidentata) und die äthiopijcheorientalifchen Schuppentiere (Ordnung Pholidota) hierher gehören. Lebtere find wieder eines der jchon mehrfach hervor: gehobenen Beijpiele genau entiprechender Barallelformen in Mrita und Indien. Solche reihen jich weiter an durch die Ordnung der Rüffeltiere, d. h. die Elefanten; unter den Unpaarhufern durch die Nashörner und Pferde (hier Zebras und graue Wildefel; dort gelbe Wildejel, außer: dem echte Urwildpferde). Bei den Baarhufern ift nicht zu verfennen, daß die Unterfchiede zwichen den Schweinen und Rindern der Äthiopiichen und DOrientalifchen Negion fchon tiefer gehen. Bei der vielgeftaltigen Sammelgruppe der Antilopen vollends ift von irgendwelchen Tarallelismus gar feine Nede mehr: fie haben in Indien nur wenige Vertreter, entfalten ich dagegen in Afrika in einer Fülle von Formen, die, wie gefagt, an den Huftierreichtum des Tertiärs erinnert. Das Flußpferd ift heute rein äthiopifch, bewohnte aber in hiftorifcher geit noch den Unterlauf des Nils und ift foffil noch viel weiter verbreitet. hnliches gilt von ver Giraffe und ihren fofjilen Verwandten, denen fich lebend noch die neuefte Senfation aus Afrika, das Dfapi, gejellt. Die Heine rätjelhafte Ordnung der Klippfchliefer (Hyracoidea) mit dem murmeltierartigen Ausjehen und dem nashornartigen Anochenbau gehen in einer Art bis nad) Syrien, find aber jonft rein äthiopiich. Madagafjiihe Region. Drientaliiche Region. 49 3) Die Madagajjiihe Region umfaßt einzig und allein die njel Madagaskar und die zugehörigen Kleinen Snjeln Mauritius, Reunion, Rodriguez, die Seychellen und Komoren. Wir find aber genötigt, diejes Kleine njelgebiet vollfommen gleichwertig und jelbjtändig neben die großen Tiergebiete der Alten Welt zu jtellen, weil e3 tatjächlich eine durchaus ver: ihhiedene, ganz eigne Tierwelt befigt, vor allem eine ganz eigne Säugetierwelt. Von der Fülle des benachbarten Afrika finden wir nur ein einziges Huftier, ein Flußjchwein; das Flußpferd ift wieder ausgejtorben. Beide müjjen von Afrika herübergefhwonmen fein, al das tren- nende, heute über 1800 m tiefe Meer noch eine jcehmale, jeichte Meerenge war; dies fünnte Ihäßungsweije gegen Ende des Tertiärs, in der Pliozän= over Pleijtozänzeit gejchehen jein. Alle jpäteren oder weniger wafferliebenden und jehwimmtüchtigen Einwanderer der Athiopijchen Region waren abgejchnitten. Dagegen fanden ältere Säugetierformen, vor allenı die alter- tümlichen Halbaffen auf Madagaskar ein abgefchlofjenes Gebiet, auf dem fie allein herrichen, jih bis heute behaupten und zu einer ähnlichen Fülle von Gattungen und Arten in die Breite entwideln konnten wie die Huftiere in Afrifa. Madagaskar ift das Halbaffenland wie Auftralien das Beuteltierland; was anderswo vorkommt, find nur einzelne, verjprengte Formen. Auf Madagaskar gibt es von Halbaffen viel mehr verichtedene Arten, al3 von allen anderen Säugetierordnungen zujammengenommen. Auch was von Naubtieren vorfommt, nur Schleichfagenartige (Viverridae), find alles altertümliche, in der Organijationsreihe niedrig- jtehende Formen. Cine Gattung (Eupleres) wurde anfänglich für einen Snjektenfrefjer ge- halten, und der einzige größere Räuber, die Foffa (Cryptoprocta), bildet eine Art Borjtufe zur Kae mit Kagenjchädel und Katengebiß, aber Schleichfagenfüßen. Ebenjo find die Tanrefs (Centetes) primitive gel, an deren Gebiß Jich Beziehungen zu den Beuteltieren erkennen laffen. Much die vorfommenden Nagetiere, eine Anzahl hamfterartiger Mäufe, fund aus: Ichließlich madagajjilc. Madagaskar ift eben ein ähnlich Kleines, aber auch ähnlich jelbjtändiges Feltland wie Neufeeland, nur erdgejchichtlich viel jünger, in diefer Beziehung eher mit den Antillen gleich- zuftellen. Sn der altertüimlichen Säugetierordnung der Snfektenfreffer haben die madagaj= jihen Tanrefs ihre nächjten Verwandten in den antilliichen Schlitrüßlern. 4) DVrientalifhe Region. hr Inhalt an Säugetieren mußte zum Bergleihe mit der AÄthiopifhen Negion, die in jo vielen Beziehungen als ihr Abbild und Abkömmling er: icheint, fchon jo oft erwähnt werden, daß wir ung jeßt defto kürzer falfen fönnen. Die Drien- talifhe Region hat aber außer diefen engen Beziehungen zur Athiopifchen noch eine breite Berührungsfläche mit der anftogenden Holarktiichen durch deren jüdlihen Grenzwall, das Himalajagebirge, gemeinfam. Dazu fommt die Verbindung mit den zertrümmerten Feitlands- vejten, den durch Landjenkungen und Einbrüche entftandenen Injeln des malaitih-auftraliichen Übergangsgebietes. Shre Grenzen find aljo nicht? weniger al3 gut geichlojfen, weshalb fie auch troß aller Neichhaltigkeit ihrer Tierwelt nur ganz wenige ihr wirklich und ausihließlich eigentümliche Säugetierformen hat. E3 find nur drei: der Flattermali, der neuerdings als bejondere Ordnung (Galeopitheeidae) zwifhen Fledermäufe und Snjektenfreijer gejtellt wird; die jpitföpfige, jonft aber eichhornartig ausjehende Anfektenfrejjerfamilie der Spishörnchen (Tupajidae) und die ganz abjonderlihen Halbaffenformen der Gejpenftertiere (Tarsiidae), beides ganz Eleine Gruppen mit ein, zwei Gattungen oder Arten. Alle find drei abweichende, altertümliche Formen, vornehmlich aus dem binterindifch-malaiifchen Untergebiet, die nad) unjeren allgemeinen tiergeographiichen Vorjtellungen auch ganz folgerichtig an die entlegen- jten Enden der vom nordiichen Bildungsherde heranfliegenden Verbreitungswellen gehören. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 4 50 Ein Blif auf die Öefamtheit der Säugetiere. Dasselbe trifft in noch viel höherem Maße zu bei der weit auseinandergejprengten Verbreitung der Tapire einerfeits im neogätjchen Neiche Süd= und Mittelamerifas, anderjeitS im hinter- indifch-malaiifchen Untergebiete der Drientaliicden Negion. Lebteres Untergebiet enthält aber auch die übrigen charakteriftiichen Gattungen der Drientaliichen Region, wenigftens weit mehr als das vorderindifche. Wir nennen: den Drang, die Gibbons, Najen= ımd Schlanfaffen, Plump- und Schlankloris, die meisten vorkommenden Kleinvaubtiere, von Hirichartigen die Puntjafs und Kantjeils. Der Gehalt an Bären und Hirjchen, der die Drientaliiche Negion vor der Athiopijchen auszeichnet, verteilt fi) ungefähr gleihmäßig auf die vorder= und hinter: indische Hälfte; beide Säugetiergruppen verbinden über den Himalaja weg und nach Nord» often die Drientalifche Negion mit der Holarktijchen. Dasjelbe leiften durch ihre füdarabijche Art die Tharziegen gegenüber der Athiopifhen Negion. Die Paarhufer zeigen eine reiche Entfaltung der Schweine und Ninder bis zu den abweichenden Gattungen des Hirichebers und der Anoa auf Celebes; die Antilopen dagegen bleiben weit zurüc hinter der Formenfülle Afrikas, enthalten unter anderem aber die merfwürdige Vierhornantilope, Sn die foeben gezognen äußeren Grenzlinien der Säugetiermaffen im großen wollen wir als Gegenjaß jchließlich noch einzeichnen den Umwiß der Kleinften Einheit für die tier- geographiiche Betrachtung, der viel umftrittenen Spezies over Art. ES jcheint, daß wir auch in der Säugetierfunde mit einem ganz beftimmten geographiichen Gehalt diefer yftematifchen Einheit rechnen können; wenigftens wird diefer Standpunkt von Paul Matjchie, dem Ver: walter der Säugetierfammlung des Berliner Mufeums, auf das entjchiedenfte vertreten. Matjchie nennt das Säugetier eine „Funktion“ jeines engeren Baterlandes und meint damit, daß es in feiner feinften Ausgeftaltung, jozufagen feiner legten Übermodellierung abhängig jei von jeiner Umgebung, jeinen äußeren Lebensumftänden, die in jedem natürlich abgegrenzten Teile der Erdoberfläche wieder etwas andere find. Dadurch Fommt er dazu, den Wajjer: jcheiven ımd den durch fie getrennten jelbjtändigen Flußiyftemen eine grundlegende Bedeutung für die Artbildung beizumefjen. Diefe Forihungen find gerade jeßt exit in der Entwidelung begriffen, und es liegt in der Natur der Sahe, daß man eigentlich erft dann ein abjchließendes Urteil darüber aus- Iprechen dürfte, wen die gefamte Säugetierwelt nach diefem Gefichtspunft durcchgearbeitet wäre. Sp viel muß man aber heute jehon jagen: die Zeiten find für immer vorbei, da man auf die Gtifette eines Säugetierbalges einfach „Südafrifa” oder gar bloß ‚Afrika‘ jchreiben durfte. Hat doch die moderne Syftematik die Zahl der unterfcheidbaren und unterjchiedenen Säugetierarten jeit 1878 von 2000 auf 7000 gebracht! Dazu fommen noch etwa 4500 foflile, die uns hier weniger angehen. Man wird nicht feblgehen in der Annahme, daß die Spaltung in Arten, alfo in die Kleinften Iyftematifch-geographifchen Einheiten, jelbft wer fie dem gleichen Gejege folgt, fich bei verfchiedenen Säugetierformen verfchieden ftarf und deutlich ausprägt, je nachdem diefe Formen mehr oder weniger zur Abänderung neigen. So darf man 3. D. wohl jagen, daß man die Kuhantilopen ungleich befjer unterjheiven fan als die grünen Meerkagen umd die grünen PBaviane. Man muß aber auch annehmen, daß für die Formprägung bei den Säugetieren ver- icbievene Gründe wirkfiam find. Wenn auf einem Hochgebirge die Quellen mehrerer Haupt: flüfje mitunter ganz nahe beifammen liegen, jo werden die dort wohnenden Hochgebirgs- Jäuger fich kaum umterfcheiden, vielleicht aber auf verfchiedenen, durch Tiefland getrennten Hochgebirgsjtöden, wenn diefe auch zu demjelben Flußgebiet gehören. Dskar Neumann Speziesbegriff. Waflerfcheidenregel. Artenzahl. 51 bat jüngft erjt wieder darauf hingemwiefen, wie im jüdlihen Abejfinien die Nebenflülje des Hauafh und Blauen Nil fih von Dften und Weiten annähern, ja jogar zwijcheneinander übergreifen: dort werden gewiß diefelben Säugetierformen im Nil- und Hauajchgebiet an- zutreffen jein. Anverjeit3 find für Kleine Säugetiere große Ströme eine VBerbreitungsgrenze, 3. B. der füoruffiiche Diyepr für Berlziefel und gewöhnliches Ziejel. Wo im Laufe der Zeit das Antliß der Erde fich geändert hat, Flüffe einen andern Zauf genommen, Durchbrüche mehrere FSlußgebiete zu einem vereinigt (Kongo, Sambeft), andere wieder nachträglich getrennt haben, da haben fich natürlich auch die VBerhältniffe der Säugetierverbreitung und =artbildung ver: wijcht und verwidelt. Das trifft gerade bei den weitlichen Stromgebieten unjers Baterlandes (Rhein, Wejer, Elbe) zu und mag verschulden, daß unfere deutiche Säugetierwelt nicht jo Klare Beijpiele für die Wafjerjcheidenregel hergibt wie etwa die afrifaniiche. So viel ift aber gewiß: jelbjt dieje vielgeijhmähte „ Speziesmacherei, die als trocfne Balg- zoologie und öder Mujeumsfram von gewiljer Seite immer wieder öffentlich aufs tiefjte ver- achtet wird, muß man gelten lafjen — zunächjt al3 Beweis erweiterter, verichärfter und ver- feinerter Kenntnis, aus der aber früher oder jpäter ficher auf irgendeine Weije eine vertiefte Erkenntnis entjpringen wird: das Endziel aller Wiljenichaft. Grite Unterflaffe und erjte Drdnung: Stioafentiere (Monotremata). Der deutjche wie der wijjenjchaftlihe Name wollen ihrer Wortbedeutung nach dasfelbe jagen: Tiere mit einer Kloafe, d. h. einem gemeinfamen Vorraum, einer Öffnung für die jejten und flüfligen Erzeugniffe des Stoffwechjels jowohl als für die Gebilde der Fortpflan- zung. Dieje Eigentümlichfeit, die wir jonjt nur bei den Bögeln und faltblütigen Wirbel tieren finden, zeichnet die Kloakentiere aus, und man hat deshalb jogar an ihrer Säuge- tiernatur zweifeln wollen. Säugetiere find fie jedoch auf alle Fälle; denn fie ernähren ihre Nachfommenjchaft in der eriten Lebenszeit durch eine Drüjenabjonderung des mütterlichen Körpers. Allerdings find die fraglichen Hautdrüjen anderer Natur, und ihre Abjonderung geichieht auf andere Weife al3 bei allen übrigen Säugetieren. Dazu fommen eine ganze Reihe weiterer abweichender Verhältnifje der Fortpflanzung und des Leibesbaues, die jcheinbar an die Vögel erinnern, in Wirklichkeit aber auf niedere, Faltblütige Wirbeltiere, die Reptilien, hinmweijen. Das alles rechtfertigt volllommen die Abtrennung der Stloafentiere von jämtlichen anderen Säugetieren umd ihre Erhebung zu einer bejondern Unterklafje. Da die drei Gattungen, zwei landlebende und eine waljerlebende, aus denen die ganze Unterflaffe bejteht, gleicherweile einen „Schnabel, d. h. einen Hornüberzug über die Kiefer tragen, jo jollte man alle drei unter dem Namen „Schnabeltiere” zufammenfafjen. Daß die Schnabeltiere im allgemeineren Sinne ihre Jungen wirklich jäugen, jteht jchon lange unzweifelhaft feit; aber erft die genauen Unterfuchungen Gegenbaurs lehrten die wahre Katur ihrer Säugewerkzeuge fennen. Die von dem erjten Entdecer gemachte, Tpäter als Fabel bezeichnete Angabe, daß das Schnabeltier Eier lege, Jah man jchon im Anfange des vorigen ‚sahrhunderts als volle Wahrheit an. Aber dieje richtige Anficht wurde befämpft, al3 Mecel Zalgorüfen am Wafjerjchnabeltiere auffand, die von anderen Naturforichern früher nur als Schleimdrüfen betrachtet worden waren, da bei den Schnabeltieren alle äußeren Saugwarzen fehlen; die Drüfen, die an den Seiten des Bauches liegen, öffnen fi) in vielen feinen Gängen der Haut, die aber auch an diefen Stellen mit Haaren bedect ift. Weil nun manche männ- liche Säugetiere ähnliche Drüfen an denfelben Stellen haben, glaubten die erften Zergliederer nicht, daß fie bei dem Wafferichnabeltiere wirkliche Säugewerkzeuge vor fich hätten, bis Medfel bewies, dab die genannten Drüfen beim männlichen Schnabeltiere nicht entwicelt find. Owen unterjuchte jpäter (im Jahre 1832) die Drüfen und fand, daß jede etwa 120 Öffnungen in der Haut hat, und daß eine Nährflüffigkeit durch fie abgefondert wird, fand auch den ges ronnenen Drüjenaft im Magen der Jungen. Deshalb reihte er die Schnabeltiere der Säuger: Elafje ein. Aber am 2. September 1884 berichtete Haade der Noyal Society of South Auftralia Allgemeines, 53 in Adelaide, daß er einige Wochen vorher in einem großen, bis dahin unbekannten Brut: beutel eines lebenden Schnabeligelweibhens das in der Situng von ihm vorgezeigte Ci ge junden habe, und an demjelben Tage wurde in Montreal eine Kabelmeldung verlejen, die den dort verjammelten Mitgliedern der Britiih Aijociation die Mitteilung machte, daß ein anderer, damals in Auftralien arbeitender Forjcher, Galdwell, die Schnabeltiere als Eierleger erfannt habe. Dieje Entvedungen mußten eine enge VBerwandtjchaft der Schnabeltiere mit ven übrigen Säugern wieder frag- licher ericheinen lafjen, um jo mehr, als Gegenbaur im Jahre 1886 nad): wies, daß die Drüjen, die den aus: gebrüteten Jungen der Schnabel: tiere Nahrung liefern, nicht wie die Milchorüfen aller anderen Säuger in ihrem Bau mit Talgdrüfen über: einftimmen, jondern umgewanoelte Schweißdrüjen darftellen. Sie ver= einigen auch nicht — wiederum im Gegenjaß zu allen übrigen Säuge- tieren — ihre Ausführungsgänge zu einer vorftehenden Zibe, jondern lafjen fte zerftreut auf dem Boden einer jchüfjelförmigen Einjenkung ver Bauchhaut münden, auf dem Drüfenfeld des Brutbeutels. Defjen Beziehungen zu den jogenannten Brimäranlagen und deren jtammes- geiehichtlihe Bedeutung haben wir nach den neuerlichen Unterfuchungen von Breßlau oben in der allgemei- nen Einleitung (©. 6/7) bereits furz gewürdigt. Bezeichnendermweije findet jich diefer unvollfommene, deshalb aber um jo wahrjcheinlicher auf die | | BB <, erften Anfänge der Säugetiere zu: FT Ken her einmindend. Nas Hanke rücweijende Zuftand der Hilfsorgane zur Jungenaufzucht gerade bei den Schnabeltieren, aber auch nur bei diejen, heute noch erhalten und in Tätigkeit. Ebenjo fönnen die jungen Schnabeltiere nicht jaugen wie andere Säugetiere, und die Nahrung, die ihnen die Mutter bietet, Fann feine Mil) im gewöhnlichen Sinne fein. Der befannte, ehemals Jenenjer Zoolog Richard Semon hat wejentlich den urtümlichen Säugetieren zuliebe in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Forichungsreife nad Auftralien unternommen, ins „Land der lebenden Foifilien‘‘, wie er jelbjt jo treffend jagt. Er beftätigte vor allem, daß beim Schnabeltierweibchen genau wie beim Vogelweibchen nur die linfe Hälfte des ganzen Gejchlechtsapparates wirklich) mit Erfolg arbeitet, nur der linfe Eierftod Gier ausftößt und nur der linfe Eileiter jolche zur Reife bringt. Sm Gegen: jab zum Vogel, wo in der Negel rechts alles verfümmert oder gar ganz geichwunden it, 54 1. Drdnung: loafentiere. fieht man aber beim Schnabeltier — und das ijt wohl wieder ein Zeichen jeiner jtamımes- gejchichtlichen Altertümlichkeit — äuberlic nichts von Nücbildung auf der rechten Seite; ja in der Brumftzeit tritt hier jogar, wie linis, die übliche Schwellung ein, und es werden auc) im rechten Gierftod Gier gebildet, fie fommen aber nicht zur Reife. Niemals fand fich ein ausgejtoßenes reifes Ei im vechten Eileiter. Dagegen zeigt fih wieder ein Unterjchied vom Bogelei und vom Ei im gewöhnlichen Sinne überhaupt darin, daß das Schnabeltierei, nad)- dem e3 befruchtet und von jei- ner Schale umgeben it, in diefer Hülle noch beträchtlich wählt: es muß aljo, während es im Eileiter liegt, von rings= umber aus dem Körper der Mutter noch ernährende Säfte aufnehmen, und die Schale muß fich mit weiten. Sie ift von lederartiger Bejchaffenheit und frei von Kalkjalen, und das Schnabeltierei ähnelt daher durchaus nicht einem Bogelei, jondern einem Schildfrötenei (Taf. ‚„„Rloafentiere I“, 1 u. 2). Chemische Unterfuhungen ha= ben gezeigt, daß die Schale, wie bei den Neptilien, aus einer Hornjubftanz befteht, die aller- dings jchlieglih auch die or= ganiiche Grundlage der Bogel- eijchale bildet. Die erjte Entdedung des Schnabeltiereies durch einen an= dern Jenenjer Zoologen, Wil- helm Haade, während jeiner Tätigkeit am Mufeum zu Ade- Unterfeite eines weibliden Schnabeligel3 mit Brutbeutel. laibe ut du interejjant, als dab Nah Haade. jte nicht mit jeinen eignen Wor- } ten gejchildert werden jollte: „Aber die Fortpflanzung des Schnabeligel3 war bis zu meiner Entdefung eines vorüber: gehend gebilveten und ein Ei bergenden Brutbeutels am Bauche des Weibchen nichts bekannt. Anfang Augujt 1884 erhielt ich ein Pärchen Schnabeligel von Kangaroo SSland. Einige Wochen jpäter las ich einige Bemerkungen Gegenbaurs über die von Owen vor langer Zeit bejepriebenen halbmondförmigen Fältchen am Bauche des Meibehens, auf deren Boden fich die Brujtrüfengänge öffnen. Gegenbaur hatte nach diefen Vertiefungen vergeblich an jeinen in Weingeift aufbewahrten Stücen gejucht; ich befchloß deshalb, das lebende Tier daraufhin zu befichtigen. Ein Diener mußte mein Schnabeligelweibchen an einem Hinterbeine in die Höhe halten, und ich betaftete den Bauch des Tieres. Hier fand ich zwar nicht die beiden von Kloakentiere. 1. Schnabeligelei, aus dem Brutbeutel genommen. 2. Schnabeltierei. 6, 11At.GrC, .S2S. 51. Britisches Museum, Herb. G. Herring-London phot. 3. Schnabeligelweibchen mit Jungem. l/s nat. Gr. Aufgenommen im Zoologischen Garten Berlin. 6 + 6. Junger Schnabeligel von unten (mit der Kloake), von vorn und von der Seite. 4. OÖ. Heinroth - Berlin phot. 5 u. 6. Georg E. F. Schulz - Friedenau phot. Allgemeines. 99 Dwen bejchriebenen und abgebildeten Fältchen, wohl aber eine große, zur Aufnahme einer Herrenuhr genügend weite Tajche, den vor Ablage des Eies, zur Aufnahme diejes gebildeten, jpäter mit dem wachjenden Jungen ji ausweitenden, nad) Entwöhnung des leßteren wieder verftreichenden Brutbeutel, als dejjen legte Nejte meiftens feine jeitlihen Falten, in welchen die Öffnungen der Bruftorüfen liegen, zurüczubleiben fcheinen. Nur ein Tierfundiger wird meine Bejtürzung begreifen fünnen, als ich aus dem Beutel ein Ei hervorzog, das erite ge- legte Ei eines Säugetieres, das einer wiljenjchaftlichen Gefelliehaft vorgezeigt werden Fonnte und fich jegt neben der ausgejtopften Mutter und ihrem in Weingeift gejegten Brutbeutel im Mujeum zu Adelaide befindet. Diejfer unerwartete Fund verwirrte mich derart, daß ich die nur unter jolhen Umftänden erflärliche Torheit beging, das Ei heftig zwifchen Daumen und Zeigefinger zu drüden und ihm jo einen Nit beizubringen. Sein dünnflüffiger Inhalt war leider, wohl infolge des Einfangens und der Gefangenhaltung feiner Mutter, in Zerjegung übergegangen. Die Länge des elliptijchen Gies betrug 15, jeine Diele 13 mm; feine Schale war derb per- gamentartig wie die vieler Striechtiereier.” Der Brutbeutel ift der Beutel in dem befannten Sinne, wie er bei den Beuteltieren wiederfehrt, und auch der ihn ftügende Beutelfnochen ift vorhanden (Abb., ©. 60). Durch) dieje grundlegende Eigentümlichfeit verbinden fi) aljo die Schnabeltiere mit der zweiten großen, nädhjt ihnen nie= drigft organifierten Säugetiergruppe, mit denen fie auch) die auftralijche Heimat teilen. Der Schnabeltierbeutel ijt aber beim Schnabeligel nur dann vorhanden, wenn er gebraucht wird, jonjt verjchwindet, „‚verjtreicht” er nieder, indem die Hautfalte fich glättet, und beim Wajjerichnabel- tier wird er überhaupt nicht mehr gebildet. Er hat erft Embryo des Schnabeligels mit Eizahn, das Ei — nur ein einziges Mal in 60 Fällen hat Semon Aacarıne ee Zwillinge beobachtet — und dann das Junge zu beher- side Beeianen genen I Tueae ufw.“, bergen, während feine jeitlichen Teile das Drüjenfeld be- deefen und jedenfalls auch deifen Abjonderung zufammenhalten, die dur einen glatten, unmillfürlichen Mustel ausgepreßt wird. Semon vermutet, daß die Schnabeligelmutter das abgelegte Ei mit ihrem Schnabel in den Beutel Hineinbefördert, und zwar nimmt er an, daß fie es „über den Boden weg hinein= jchiebt”” unter ihrem Bauche hin. Der Enge der Mundfpalte wegen hält er e8 für unmög- (ih, daß das Ei mit den Lippen gefaßt wird, wie die Beuteltiere dies nachgewiejenermaßen mit ihren neugeborenen, wenig entwicelten Jungen machen. Der Embryo wächft im Ei vermöge der vor der Ciablage aufgenommenen Nährftoffe weiter, biS er eine Länge von 1!/a cm erreicht hat; dann jprengt er die Eijchale mittels feines Eizahnes, der fich im Zwotfchenkiefer, mitten auf der jonft noch Furzen und weichen, Fed aufgejtülpten Schnauze gebildet hat und wieder abfällt, nachdem er jeine Schuldigfeit getan hat: genau wie beim Neptil und beim Vogel, wenn fie aus dem Ei friehen. Wie num der Embryo im Beutel Nahrung aufnimmt, wiffen wir immer noch nicht. Anfaugen Fan er fich nicht, weil Zigen fehlen. Wir müfjen annehmen, daß er die nährende Abjonderung der Alten aus den beiden Drüfenfeldern aufleckt. Dünnflüffige Mich im gewöhnlichen Sinne 56 1. Ordnung: Kloafentiere. kann dies, abgefehen von der abweichenden Natur der Drüfen, auch deshalb nicht wohl fein, weil das Junge dann unter Umftänden beim Trinken ertrinfen würde, wenn es mit dem Kopfe in einer feitlihen Drüfenfeldtaiche ftedt. Wir werden uns die abgejchtedene Nähr- flüffigfeit vielmehr die und zähe zu denken haben. Den Darm der Jungen jand Semon stets prall damit gefüllt, im Magen manchmal jogar einen volljtändig feiten Pfropfen, die Flüffigfeit gerinnt auch zu einer Fäjeartigen Mafje, und ihre weißliche Farbe zeigt fi) durch zahlreiche Fetttröpfchen verurjacht: alles milhähnliche Eigenjchaften. Die genaue chemijche Unterfuhhung ergab aber, daß es feine eigentliche Milch, fondern ein Eiweißförper it; es fehlt Miledzuder und Phosphorfäure. Das Junge verläßt den Beutel, wenn es eine Länge von 8S—9 cm er: veiht bat, und um Diejelbe Zeit breden auch Die Stacheln hervor; in diefem Stadium findet man es in fleinen Erdhöhlen. Nächitder Fort: pflanzungsweijeijt Ihon äußerlich eine auffallende Eigen- tiimlichfeit der Schnabeltiere ihr „Schnabel“, in dem gewiß gar mancher Stolz zu Darwin fich befen- nende Laie jchon 1 und 2 Shüjjelföürmige, am Nande Höderige Milhzähne aus Unter- und Dber- den ‚Übergang tieferdesjungen Schnabeltieres; vergrößert und natürlihe Größe; 3 vergrößerter Jahn N R eines Vielhböderzähners (Microlestes). Nah Thomas. zum Dogel“ greif- bar vor Sich zu jehen wähnt. Aber abgejehen davon, daß es einen Übergang vom Säugetier zum Vogel gar nicht geben Kann, weil beide ftammesgejchichtlich nicht das geringfte miteinander zu tun haben, zwei ganz jelbftändige und gleichwertige Hauptäfte am Wirbeltierftammbaum find (vgl. >. 40/41): 8 ift oben in der anatomischen Einleitung fchon gezeigt worden (vgl. ©. 16/17), wie der Unterkiefer der Säugetiere fih von dem aller übrigen Wirbeltiere dadurch unter: Ipeidet, daß er jederfeits nur aus einem Sinochenftück befteht, weil die übrigen zu den Gehör: nöchelhen geworden find. Dies ift auch bei ven Schnabeltieren nicht anders, und wenn man ihre Kiefer wegen des hornigen Überzugs alfo mit einem gewiffen Nechte einen Schnabel nennen mag, jo bleibt es immer ein Säugetierfchnabel. Die Säugetiernatur zeigt fi aber noch deutlicher dur) den Neft eines Milhgebifjes beim Wafjerfchnabeltier: zwei Baczähne oben und drei unten in jeder Kieferhälfte, und die Form diefer Mildhzähne gibt einen ehr beveutfamen Hinweis: Ketten Heiner Höcer am Nande tellen eine gewijfe Beziehung her zu den Zahnformen der nach unjerer jegigen Kenntnis aller- älteften, im untern Tertiär jchon wieder ausgeftorbenen Urfäugergruppe der Vielhöderzähner Allgemeines. 97 (Multitubereulata). Dieje Milhzähne des Wafjerichnabeltieres werden wieder aufgefaugt, wenn fie abgerieben jind; die Zahnhöhlen fchliegen fi) und beveden fich mit Hornplatten, Hornzähnen, die dann zeitlebens zum Kauen dienen. Am Skelett der Schnabeltiere galt früher al3 auffallende VBogelähnlichkeit die vollitän- dige Ausbildung des Rabenjchnabelbeins (Os coracoideum), die Doppelte Verbindung zwijchen Schulter und Bruftbein. Dank jehr fcharfen neueren Unterfuchungen, welche die verjchiedenen Zufammenjeßungen und Entjtehungsweijen des fraglichen Sinochens bei Vögeln und Kalt- blütern ganz Eargelegt haben, find wir heute ficher, daß das NRabenjchnabelbein der Schnabel- tiere genau dasjelbe ijt, was wir „auch bei anderen Säugern, wenn auch nur in legten Nejten‘‘, tiederfinden. Troßdem bleibt eine unver: fennbare Neptilien= und dadurd) mittelbar auch Vogelähnlichkeit im Körperbau der Schnabeltiere bejtehen. Sie äußert fi) in einer ganzen Keihe von Eigentümlich- feiten, von denen hier natürlich nur die wichtigften und allgemein verftändlichjten Furz angedeutet werden können. Bor allem fehlt — jedenfalls im Zujammenhang mit der nur linfsjeitigen Tätig: feit des weiblihen Fortpflan= zungsorgang — der eigentliche, beiden Gileitern gemeinjame Sruchthalter (Uterus); die Ei- leiter münden vielmehr getrennt Hornzähne de3 auögewadjfenen Shn abeltiers. 1 Dbertiefer, 2 Uns E } { terfiefer. Nah einem Präparat des Hoologifhen Univerfitätsinftitut3 Berlin in die Kloafe. Das männliche gezeichnet von 2. Hartig. Gegenbild zu diejem reptilien- artigen Zuftand ift das lebenslängliche VBerbleiben der Hoden in der Leibeshöhle, ferner Lage und Aufgabe des Beni, der, an der hinteren Kloafenwand angebracht, nur den Samen zu leiten, aber nichts mit der Urinentleerung zu tun hat, die aus der Harnblaje unmittelbar in die Kloafe erfolgt. Das Gehirn überrajcht durch verhältnismäßige Größe; doch fehlt, wie bei den Beuteltieren, der Balken, die wichtige Verbindung der beiden Großhirnhalbkugeln. Im einzelnen ift eS fehr verjchieden bei Schnabeligel und Wafjerihnabeltier, wohl im Zu= jammenhang mit der verjchiedenen Lebensweile. Jm allgemeinen aber wird auch das Gehirn der Schnabeltiere durch eine „tiefe Kluft” von dem der übrigen Säuger gejchieden, und ‚3 bietet mancherlei Beziehungen zum Neptiliengehien“. Dasjelbe gilt für den Paufen- fnochen, in dem das Trommelfell ausgejpannt it, für Form und Verbindung der Gehör- fnöcheldden, und ferner namentlich für den feineren Bau des Labyrinths und die geringe Aufwindung der Schnede, wodurdh die Schnabeltiere eine Mitteljtellung zwiihen Säugern und eidechienartigen Reptilien einnehmen. Das Wichtigite ift aber, daß Herz und Blutgefäb- Iyftem (Venenfyften) Anklänge an Reptilienzuitände erkennen lafjen; denn damit hängen wieder 98 1. Ordnung: Rloatentiere. die niedrige Körperwärme und deren für Warmblüter unerhörte Schwanfungen zujfammen, die bei den Schnabeltieren feftgeftellt find. Durch diefe in das ganze Leben und Wejen To tief eingreifende Eigenichaft erweifen die Schnabeltiere fich vielleicht am allerunmittelbariten als ein „missing link“, als ein Bindeglied zwiihen Warm= und Kaltblütern, „wer auch zuzus geben ift, daf; diefes Glied nicht genau in der Mitte liegt, jondern entjchieven nach der einen Seite, der Säugetierfeite, hinneigt”“ Eine größere Anzahl von Mefungen, die Semon an Schnabeligeln anftellte, ergaben ,‚die überrajchende Tatjache, dab ihre Temperatur in viel weiteren Grenzen jehwankt als die der Höheren Säuger. Während bei legteren unter normalen Verhältniffen die Temperatur nahezu fonftant it und höchjtens um Bruchteile von Graden ihwankt, jcheinen bei ven Monotremen Schwanfungen von 7%, S’ und mehr vorzufommen. E3 jcheint nach alledem, als ob die Monotremen weder zu den wechjehvarmen Tieren (ogenannteKalt- blüter, deren Temperatur mit der der äußeren Luft Schwanft), noch auch, ganz jtreng genommen, zu den dDauerwarmen Tieren (jogenannte Warmblüter, die eine fonjtante Temperatur beiigen) zu rechnen find, jondern daß jte auch in diejer phyliologiihen Beziehung ein Bindeglied zwiichen wechjehvarnıen Rep- Bedengegend und linker Hinter- FEN und dauerwarmen Säugetieren fuß des Schnabeltiermänndens darftellen.” (Semon.) mit dem Sporn, von hinten und oben gejehen. Nah einem Präparat Einige weitere, allen Schnabel- de3 BZoologifhen Univerfitätsintituts a Y =" Berlin gezeichnet von 2. Hartig. tieren gemeinjame Eigentümlichkeiten hängen wohl mit der Yebensweije zus jammen. Hierher gehört der ftark ausgebildete Hautmuskelichlauch, der dazu dient, den Körper zujammenzurollen: eine namentlich bei dem ftachelbewehrten Schnabeligel jehr wirffame Schußeinrichtung, die ja von unjerm gel allbefannt it. Hierher gehört namentlich auch die nicht nur unter den Säugetieren, jondern unter allen Wirbeltieren ganz einzig daftehende Bejchaffenheit des Magens, dejjen innerer Wand alle Drüjen fehlen. Bedenft man dann das Verjchiwinden der eigentlichen Zähne, die im allgemeinen durch den Hormichnabel, im bejondern noch durch einzelne Hornplatten auf den Kiefern und jogar auf der ‚unge erjegt werden, jo fommt man zu der VBorftellung, daß die Schnabeltiere ihre Jnjekten-, WVurm>, Schneden= und Mufchelnahrung mit ganz andern Mitten und Werkzeugen auf: Ihliegen und die Nährftoffe daraus fich zu eigen machen als die übrigen Säugetiere. Der Magen mit feiner mangelhaften Ausftattung, die übrigens rücdgebildet, beim Keimling an- ders it, jieht jo aus, als ob er nur der Auffpeicherung und etwa weiterer Zerkleinerung dienen Zönnte. Vielleicht übernimmt, was er leiften follte, der Darm. Vogelähnlich Fönnte auch der Sporn am Hinterfuß der Schnabeltiermännchen ericheinen, üt e3 aber tatjächlich in feiner Hinficht. Semon erflärt den Sporn mit aller Sicherheit für ein gejchlechtliches Erregungsorgan, pofitive Beobachtungen darüber liegen aber bis heute nicht vor. Das merkwürdige Horngebilde fißt auf einem überzähligen Anocdhen an der nach innen Allgemeines. 39 gedrehten Ferje, it Durchbohrt und fteht durch einen langen Ausführungsgang in Verbindung mit der jogenannten Schenfelorüfe, die auch nur die Schnabeltiere haben. Die Abjonderung ift zu verfchiedenen Jahreszeiten verjchieden ftark und tötet zu gewiljen Zeiten Berfuchskanindhen. Deshalb hat man das Ganze für einen Giftapparat erklären wollen, während damit in Wirk- lichkeit nur der gejchlechtliche Charakter, der Zufammenhang mit der Brunft bewiejen wird. Auf diejen deutet auch die ganz geringe Ausbildung beim Weibchen. Sn ihrer äußern Erjcheinung find die Schnabeltiere Eleine Säugetiere mit gedrungenen, etwas plattgedrücktem Körper, jehr niedrigen Beinen, Kleinen Augen, kurzem Schwanze und auswärts geftellten Füßen mit fräftigen Krallen. Die äußere Ohrmufchel fehlt ganz, wie bei Reptilien und Vögeln. Am Schädel verfhwinden viele Nähte jehr früh, wie auch die Rippenfnorpel vollftändig verfnöchern. Die Speicheldrüfen find groß, der Blinddarın jehr furz. © jtellen fi die Schnabeltiere der modernen Naturbetrahhtung dar al3 ein nicht ohne weiteres zu verjtehendes Gemijch einerjeits von altertümlichen Eigenjchaften in Fortpflanzung und Jungenaufzucht, die auf die unvollfommenften Anfänge aller Säugetiernatur zurückweifen, und anderjeitS von weitgetriebenen Speztalifierungen und Anpaffungen an ganz bejtinmte Lebensumftände und Lebensweilen — das tjt der Teil ihrer Organijation, der e8 ihnen eben ermöglicht hat, wenigjtens auf dem abgelegenen Feitlande Auftralien ich bis heute zu erhalten. Das Wafferjcehnabeltier it ein vorzüglider Schwimmer, Taucher und Gründler nah Mu- iheln, Schneden und anderem niedern Getier im Wafjer, der Schnabeligel ein ebenjo vor- zügliher Scharrer, Stecher und Wurmzüngler nah Ameifen und anderer Kleiner Beute auf dem Lande; im Haushalte der heutigen Natur jpielen beide aber nur eine ganz unmejent- liche, Faum merfliche Rolle, und wenn fie dem heute Aujtralien beherrichenden Weißen irgend- wie jchävlich oder läjtig würden, oder wenn er auch nur mittelbar in ihre Lebensbedingungen einzugreifen Grund hätte, wären jte gewiß jehr jehnell vom Erdboden verichwunden. Bis jet jtellen ihnen aber nur die jelbjt ausjterbenden Eingeborenen nad, von Kulturmenjchen Füm= mert fih nur der Foricher um fie. Möge es jo bleiben, daß wir uns an diejem eigenartig aufgepußten Neftchen Urjäugertum noch lange erfreuen können! Dean hat die Unterklajfe der Kloafentiere, um ihren tiefgehenden Unterjchied von allen übrigen Säugetieren gebührend hervorzuheben, Promammalia oder Prototheria genannt; d. h. wörtlich Borjäuger, Urjäuger, was fie als Vorjtufe zu den eigentlichen Säugetieren, deren Jungen wirflih an Ziten der Mutter jaugen, fennzeichnen joll. Die Unterklafje be jteht, wie oben in der Überjchrift Schon ausgeiprochen, nur aus einer Ordnung, den Kloafenz, oder, wie wir deutjch jagen wollen, den Schnabeltieren im weiteren Sinne: Monotremata, zu deutjch wörtlich „Einlocher”, ein Name, der fih eng an die wejentlihe, Thon äußerlich wahrnehmbare Eigentümlichfeit, die Kloafe, anjchließt. Diefe Ordnung umfaßt die beiden auch im vorjtehenden beveitS erwähnten Samilien: die Landjchnabeltiere oder Schnabeligel (Echidnidae) und die Wafjer: oder eigentlichen Schnabel: tiere im engjten Sinne (Ornithorhynchidae). Beide unterjcheiden fich durch die Yebens= und Ernährungsweife und damit zufammenhängende Merkmale. Der Schnabel der Schnabeligel als Ameijenfreifer ift jchmal, röhrenfürmig, mit Eleiner Mundjpalte und wurmförmiger Zunge, der des eigentlichen Schnabeltieres als Wafjerferfjägers, Mufchele und Schnedenfreifers enten- artig breit, mit weiter Mundipalte und breiter Zunge, und während das Schnabeltier den Ihönen, dichten Pelz der Wafferfäugetiere trägt, haben die Schnabeligel neben Haaren noch) mehr oder weniger Stacheln, eine offenbare Schußeinrichtung. Das Schnabeligelweibchen 50 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabel- oder Ameijenigel. hat den echten Beutel, in dem es, wie oben bereit3 bejchrieben, Ei und Junges bis zu einer gewiffen Entwidelung mit fi herumträgt, und einen jehr ftark ausgebildeten Beutelfnochen, der diefen Beutel ftüßt; beim Schnabeltierweibchen hat man bis jeßt vom Beutel gar nichts finden fönnen: es legt jedenfalls die Gier, ganz ficher aber die Jungen, die ja im Wafjer ge: fährdet fein würden, in feiner Erohöhle am Ufer ab und wärmt und nährt fie dort: es ift allem Anschein nach nicht nur ein „‚eierlegendes“, jondern auch ein „brütendes” Säugetier. Don ihm Fennt man nur eine Art, die aljo den ganzen Jnhalt der Gattung und Familie bildet; dagegen hat man unter den Schnabeligeln zwei Gattungen unterjchieven: Stacheligel (Echidna) und Haar= oder Vliesigel (Proöchidna oder Zaglossus), je nachdem die Hautbefleivung vorwiegend aus Stacheln oder Haaren befteht. Außerdem haben die Haar: igel einen längeren, etwas nach unten gebognen Schnabel und in der Negel nur drei Krallen an ven Gliedmaßen, ausnahms- weile aber, wie Mar Weber nacı- gewiejen, fünf oder vier. ae x Die Familie der Schnabel: over Ameijenigel (Echidni- dae) kennzeichnet fi Durch plum= pen, von Staheln und Haaren bevedten Leib, den walzenför- migen, vollftändig zahnlofen, nur am untern Ende gejpaltenen Schnabel, den kurzen Schwanz: EIER tummel, die freien, unvollfont- Bedenjfelett des Schnabeligels mit Beutelfnoden. la einem 2 ; Träparat des Zoologifchen Univerfitätinjtitut3 Berlin gezeihnet von 2. Hartig. men beweglichen gehen und die langgeftredte, dünne, wıurme artige Zunge, Die, wie bei anderen Ameijenfrejjern, weit aus dem Maule hervorgeftrect werden fan. „sn ihrer äußern Erjheinung weichen die Ameijenigel viel mehr von dem Schnabeltiere ab als im innern Leibesbau. Der kurze Hals geht allmählich in den gedrungenen, etwas fachgedrücten jchwerfälligen Leib und auf der andern Seite in den länglichrunden, verhältnis: mäßig Heinen Kopf über, von dem fich die langgeftredte, dinne, walzen= oder röhrenförmige Schnauze jharf abjegt. Dieje ift auf der Oberfeite gewölbt, unten flad, an der Wurzel noch ziemlich breit, verfchmälert fich aber gegen das Ende hin und endigt in eine abgeftumpfte Spiße, an der fich die jehr Kleine und enge Mundfpalte befindet. Der Oberkiefer reicht ein wenig über den Unterkiefer hinaus; die Kleinen eiförmigen Nafenlöcher ftehen faft am Ende der Oberjeite des Schnabels, dort, wo die nadte Haut, die ihn überzieht, weicher wird und der Schnauze einige Beweglichkeit erlaubt. Die Eleinen Augen liegen tief an den Seiten de3 Kopfes umd zeichnen fich vor allem dadurch aus, daß fie außer den Lidern nod) eine Nicdhaut haben. Bon äußeren Ohrmufcheln fieht man nicht die geringfte Spur: der Gehörgang liegt weit hinten am Kopfe unter der ftacheligen Bededung verborgen, tft auffallend weit, erjcheint aber nur in Geftalt eines Schliges, weil er von einem Hautfaume bevedt wird, den das Tier beim Laufchen emporheben, jonft aber mit Hilfe der das Hußere umgebenden Borften wor Bee a nn on Bruijnicher (links) und Schwarzitacheliger (rechts) Langichnabeligel. Auftraliiher Schnabeligel. 61 vollftändig jchließen fan. Die Gliedmaßen find verhältnismäßig kurz, jtark, etwas plump und gleichlang, die Hinterbeine weit nach rüchwärts und auswärts gekehrt, die Vorderbeine gerade, die Zehen wenig beweglich, mit langen, breiten und jtarfen Scharrfrallen bewaffnet, die be- jonders an den Vorderfüßen hervortreten. An der Ferje des Hinterfußes jteht beim Männchen der oben bejchriebene Horniporn heraus. Die Zunge kann weit über die Kiefer hervorgeftreckt werden und empfängt von großen Speicheldrüfen einen Elebrigen, zur Anleimung der Nahrung geeigneten Schleim. Von Zähnen findet fich feine Spurz im Gaumen aber ftehen Querreihen Eleiner, derber, jpißiger, rücdwärts gerichteter, hornartiger Stacheln, die neben den auf der Zunge befindlichen die Stelle der Zähne vertreten. Über das Haar: und Stachelfleid hat der Kuftos-Adjunkt Toldt an £. £. Naturhiftoriichen Hofmufeum in Wien eingehende Unterfuchungen angeftellt und dabei gefunden, daß namentlich die bei ven jogenannten Haarigeln vorkommenden verjchiedenen Haarformen „vom einfachen Haar an alle Übergänge bis zur Stachelforn zeigen”. Der Stacheligel jeheint fein Feines, aber großdotteriges, pergamentjchaliges Ei immer nur in der Einzahl zu legen; wieviel Gier der Haarigel legt, und wie er fie bebrütet, it nicht befannt. Cbenjowenig ift die Brütedauer beim Stacheligel feitgejtellt. Das dem Ei entjhlüpfte Junge ift gleich denen der Beuteltiere winzig Klein, nadt und blind und unter jcheidet fich bejonders durch feine Furze Schnauze von den Eltern. E3 jcheint lange im Brutbeutel der Mutter zu bleiben. Die Ameifenigel bewohnen Neuguinea, Auftralien und Tasmanien. Shre „Verbreitung erftreeft fi demnach von dem gemäßigten Tasmanien, das eine mittlere Wintertemperatur von 8°C hat und gelegentlich eine winterliche Schneedede trägt, bis nahezu zum Aquator”. Bon den beiden die Familie bildenden Gattungen ift die der Stacheligel, Schnabeligel im gewöhnlichen Sinne (Echidna @. Cwv.), vor allem durch fünfzehige Füße gekennzeichnet. Alle Zehen find befrallt, die Krallen an den Vorberfüßen breit, wenig gebogen und nach vorn gerichtet, die Daumentralle Eleiner als die übrigen; die Krallen der Hinterzehen find jchlanter, nach außen gebogen -und von jehr verjchiedener Länge, da die Stralle des Hinterdaumens nur kurz, ftumpf und abgerundet ift und die der zweiten, oft auch noch die der dritten ehe die Krallen der vierten und fünften an Länge weit übertrifft. Der Schnabel hat ungefähr diefelbe Länge wie der übrige Teil des Kopfes; er ift gerade oder leicht aufwärts gebogen. Neben den 7 Halswirbeln finden wir 16 Rüden, 3 Lenden>, 3 Kreuz: und 12 Schwanz: wirbel, im ganzen aljo 41 Wirbel. Die Heimat der Schnabeligel ift Auftralien, Neuguinea und Tasmanien. In jedem der genannten Gebiete wird die Art durch eine bejondre Unterart vertreten. Der Auftraliihe Schnabeligel, Echidna aculeata typica Shaw, dejjen Größe die Mitte hält zwiichen den Maßen des Bapuanifhen und des Tasmanischen Schnabeligels, hat einen verhältnismäßig langen Schnabel. Gefiht und Obhrengegend find entweder gänzlich) oder doch vorwiegend mit glatten Borjten bevedt, die auf der Stirn und auf jeder Wange einen Streifen unbededt lafjen. Die Farbe des Kopfes ijt nicht oder Faum heller al3 die des Kücens. Die Rücenjtacheln find lang, fteif und ftark, erreichen oft eine ZYänge von 6 cm und bededen gewöhnlich die zwifchen ihnen ftehenden Haare vollftändig. Ihre Farbe it am Grunde ein blafjes Gelb, das in der Mitte in Drangegelb und an der Spige in Schwarz übergeht; einige wenige find in ihrer ganzen Ausdehnung gelb. Die Haare auf dem Rüden find Schwarz oder tiefbraun, fehlen indefjen oft fat ganz, überragen jedoch auch gelegentlich, vielleicht 62 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabel- oder Ameijenigel. zu gewiffen Sahreszeiten, die Stacheln des Hinterrüdens. Die Beine und die ganze Unter jeite bedect ein dunfelbrauner, jtark mit glatten Borften gemifchter Pelz. Nah Hans Frie- denthal zeigen die Haare des Schnabeligels merhwürdigerweile keine Hhnlichkeit mit denen von Beuteltieren, wohl aber mit Jgelhaaren, und dieje Übereinftimmung „ft eine jo große und geht in jo feine Einzelheiten, daß man jehwer an bloß funktionelle Anpafjung glauben fan“. Die breiten, fteifen und geraden Borderfrallen nehmen von den Seiten des Fußes nach der Mitte hin gleihmäßig an Länge zu. Der Hinterdaumen trägt einen funzen, ftumpfen Nagel, die zweite Hinterzehe eine jehr lange und Fräftige, nad außen und hinten gedrehte Kralle, während die trallen der übrigen Hinterzehen ganz Klein und Schwach und augenjchein- lich ohne große Bedeutung find. Der furze Schwanz ift Fegelförmig, ebenmäßig gerundet und an jeiner Spige vollfommen nadt. Die Länge des Tieres beträgt 40 cm, von denen etwas über 1 em auf den Schwanz fommt. Die Unterart gehört dem gejamten Feftlande von Auftra- lien an und fommt nach Haade auch auf Kangaroo Jsland an der Südfüfte von Auftralien vor. Von diefer auftraliichen Unterart unterjcheidet fih der Bapuaniihe Schnabeligel, Echidna aculeata lawesi Ramsay, durch geringere Größe, fürzere Nüdenftacheln, zwiichen denen das Haar fihtbar wird, jtachligere Bededfung des Kopfes, der Beine und des Bauches und durch verhältnismäßig längeren Schnabel. Die dritte Kralle des Hinterfußes tft nur Va bis "/2 jo lang al3 die zweite und nur wenig größer als die vierte. Diejer Schnabeligel tjt bis jeßt nur von Port Moresby in Südoftneuguinea befannt; nach Haade dürften Stacheln, die er als Widerhafen von Pfeilipigen bei den Eingeborenen des Stricklandflufjes im Snnern Neuguineas fand, von ihm berrühren. Der Tasmaniihe Schnabeligel, Echidna aculeata setosa E. Geoffr., ijt größer als die auftralifche Unterart, da er bi3 zu 50 cm lang wird; der Behaarung des Kopfes, der Seiten, des Bauches und der Beine fehlen die Borften. Die Farbe des Kopfes ift gewöhnlich ausgejprochen heller al3 die des übrigen Körpers. Die Nirdenftacheln find furz und did und werden überragt und mehr oder weniger verdedt Durch die zwilchen ihnen ftehenden Haare; die Stacheln auf den Schultern, Flanken und Hüften bleiben indefjen länger als die Haare. Die Nüdenhaare find dunkelbraun, die des Bauches merklich heller; auf der Bruft findet Jich gewöhnlich ein an Ausdehnung wechjelnder Fled weißer Haare. Das Längenverhältnis der Hinterkrallen weicht beträchtlich von demjenigen der auftralifchen Unterart ab, da die dritte fait jo lang und Fräftig wie die zweite ift und die vierte und fünfte weit überragt. Ausnahmen von diejem und dem übrigen Verhalten der Unterart fommen indefjen vor. Die lebtere ift bis jeßt nur von Tasmanien bekannt; möglicherweije findet fie fi) auch in Victoria, alfo im jüdlichjten Australien, das in Klima und Tierwelt Tasmanien ähnlich ift. Der Schnabeligel bewohnt mehr die gebirgigen Gegenden als die Ebenen und fteigt hier und da bis zu 190 m über den Meeresipiegel hinauf. Aber ‚innerhalb ihres Verbreitungs- gebietes“, jagt Semon, „trifft man die fcheuen Ameifenigel mn feineswegs überall an. Nur dichte, unzugängliche Serubs und Urwälder, wilde, zerriffene Felsgegenden werden von ihnen bewohnt; höcyit jelten findet man vereinzelte Eremplare im offnen, lichten Bufh, und felbft aus ven dichten Serubs ziehen fie fich zurüc, wenn in ihrer Nähe menfchliche Anfiedelungen emporwachjen”. Die Beichreibung, die Semon von diejen feuchteren „Scrubs gibt, zeigt ung deutlich den Zufammenhang diefer Standorte des Schnabeligel3 mit feiner Ernährungsweife. Man darf wohl annehmen, daß an jolden feuchteren Stellen das niedere Tierleben am reichjten, der Tiich des Schnabeligels alfo am beften gedecft ift; denn Semon fchreibt weiter: PBapuanijher und Tasmanijcher Schnabeligel. 63 ‚uf feinen nächtlichen Streifzügen jucht der Ameifenigel nah Würmern und Kerbtieren aller Art, die er mit feiner jpigen, rüfjelförmig verlängerten Schnauze aus ihren Berfteden in Erdlöchern, zwiihen Steinen, unter moofiger Rinde aufjtöbert. Seine Hauptnahrung aber bilden Ameifen, die er wie andere Ameijenfreffer erbeutet, indem er feine lange Zunge in den Ameijenhaufen jteckt, bis diejelbe von den bijligen Snfekten bedeckt ift, und fie dann jchnell wieder einzieht. Seine äußere Körperhaut ift jo feit und die, daß fte ihn wie ein Banzer gegen die Biffe der Ameijen jhüst, die in Auftralien durch ungemein ftreitbare und wehrhafte Bölfer vertreten find.” — „Dagegen bietet diefer Panzer gegen die zahlreichen Zeden des auftraliichen Bufches feinen Schuß, und felten traf ich ein Eremplar ohne diefen PBarafiten an.” — „Sm Darm von Echidna findet man häufig einen eigentümlihen Bandwurm.’” Der Schnabeligel verbirgt fich bei Tage; nachts Fommt er hervor und geht jehnüffelnd und grabend der Nahrung nad. Seine Bewegungen find lebhaft, zumal beim Scharren, welche Kunft er meifterhaft verfteht. Beim Gehen, das jehr langjamı gejchieht, jenkt er den Kopf zur Erde und hält den Körper ganz niedrig; beim Graben jebt er alle vier Beine gleichzeitig in Bewegung und vermag, wie die Gürteltiere, fich geradezu vor den Augen des Beichauers in die Erde zu verjenfen. Es tft nicht eben leicht, in der Dämmerung diejes erdfarbige Tier wahrzunehmen, und man findet es eigentlich bloß zufällig auf, wenn es in jeiner ruhelojen Weije von einem Orte zum andern läuft. „Doc au) da, wo die Tiere häufig find, Fann man jahrelang leben, ohne ein einziges zu Gefiht zu befommen, und viele Kolonijten, die jonft jedes Tier und jede Pflanze im Busch Fennen, haben nie oder doch nur ausnahmsweije einen Ameijenigel gejehen. Das liegt nicht allein in der Lebensweile der Tiere, die eine vor- wiegend, wenn auch nicht ausjchlieglich, nächtliche ift... Betr Echidna kommt zu der nächt- lichen Lebensweije noch die Unzugänglichfeit der Standorte und das jcheue, geräufchloje Aejen der Tiere felbjt hinzu, die, jobald Gefahr zu drohen jcheint, ihre Wanderung einjtellen und wie durch Zauberkraft in wenigen Minuten geräufchlos im Boden verjchwinden.” Wie alle übrigen Ameifenfreffer mischt der Schnabeligel viel Sand over Staub, auch trodines Holz unter feine Nahrung; denn man findet feinen Magen ftetS damit angefüllt. Ges legentlich findet man auch Gras in legteren. Menn man einen Schnabeligel ergreift, rollt er ich augenblidliih in eine Kugel zujame men, und es ift dann jehr jchwer, ihn feftzuhalten, weil die jcharfen Stacheln bei ver heftigen Bewegung des Zufammenfugelns gewöhnlich empfindlich verwunden. Ein zufammengerollter Schnabeligel läßt fich nicht leicht fortichaffen, am beiten noch, wern man ihn an den Hinter- beinen padt und fich um alle Anftrengungen und Bewegungen nicht weiter Fümmert, Hat er einmal eine Grube von einiger Tiefe fertiggebracht, jo hält es außerordentlich jchwer, ihn fortzuziehen. Nach Art der Gürteltiere fpreizt er fich aus und drüdt jeine Stacheln jo feit gegen die Wände, daß er an ihnen förmlich zu Eleben jcheint. Die jtarken Klauen jeiner Fühe werden hierbei jelbitverjtändlich auch mit angewendet, um fich joviel wie möglich zu befeitigen. An anderen Gegenjtänden weiß er fih ebenfalls anzuflammern. „Nenn mir‘, jagt Bennett, „ein Stacheligel gebracht und in die Pflanzenbüchje geitect wurde, um jo am leichtejten fortgejchafft zu werden, fand ich, zu Haufe angefommen, daß das Tier an den Seiten der Büchje wie eine Schüffelmufchel auf dem Felfen angeklebt war. Man jah nur einen wüjten Stachelhaufen. Die Spigen des Stachelfleides find jo jcharf, daß auch die leijejte Berührung ein empfindliches Schmerzgefühl hervorruft. Ganz unmöglich war eS, einen dergeftalt ein= gepferchten Stacheligel herauszubringen, und nur dasjelbe Verfahren, welches man bei den Schüffelmujcheln amvendet, konnte ihn bewegen, loszulaffen. Wir brachten einen Spaten 64 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabel- oder Ameijenigel. langjam unter jeinen Leib und hoben ihn dann mit Gewalt empor. Hat man ihn einmal in der Hand, jo zeigt er fich völlig harmlos.” Die Behauptung der Eingeborenen, daß das Männchen feinen Angreifer mit dem Sporn am Hinterfuße verwunde und eine giftige Flüffigkeit aus ihm in die Wunde ftrömen laffe, ift nach allen angeftellten Berfuchen al3 eine Fabel anzufehen. Der männliche Schnabeligel verfucht gar nicht, ich jeines Spornes zur Verteidigung zu bedienen, wie er überhaupt Faum an Abwehr denkt. Gegen die vierfüßigen Feinde verteidigt er fich wie der gel durch Zus jammenrollen, und wenn er Heit hat, gräbt er fich jo jchleunig wie möglich in die Erde ein. Dennoch wird der Beutelwolf jeiner Meijter und frißt ihn mit Haut und Stachel. Der Schnabeligel joll, wenn er fich jehr beunruhigt fühlt, ein jchwaches Grunzen aus- ftogen. Semon bezweifelt das ftarf, und auch von den beiden Eremplaren des Berliner Gartens hat man nie au nur den leijeften Ton vernommen, trogdem fie Wißbegierigen ihon oft ihre Kloafe zeigen mußten und dabei, an den Hinterbeinen hochgehalten, mit aller Macht jich fträubten. Über die Sinne eines fo eigenartigen, dicht am Boden fich bewegenden Tieres, wie e8 der Ameifenigel ift, ließe fich jelbft bei genauerer Beobadtung, als fie an diefem jcheuen Nachtwandler möglich it, jehwer Beftimmtes jagen. Die durchbohrte Siebbeinplatte, durch) die der Niechnerv in vielen Offnungen hindurchtritt, um fich über reichliche Riechmuschelflächen zu verteilen, läßt auf hohe Ausbildung des Geruches jchließen, und einen joldhen jet ja aud) die jchnüffelnde Nahrungsfuche voraus. Anderfeit3 jheint e3 nach dem lebhaften Offnen und Shhließen des borjtenbejegten Gehörganges, als ob den Sicherheitspienft wejentlich das Ohr zu leijten habe; dabei mag jedoch auch das allgemeine Gefühl des ganz auf der Erde ruhen: den Körpers mithelfen, der jo jede Erderichütterung gewiß gut aufnimmt. Das fleine, blöde Auge hat wohl am wenigjten zu bedeuten. Eingehende Schilderungen über das Freileben des Tieres hat im Jahre 1881 der Sohn Bennett3 gegeben, der in Begleitung eines Eingebornen namens Johnny viele Schnabeligel aufluchte, um ihre Fortpflanzungsgejchichte Feitzuftellen. „Mein erjter Ausflug mit Johnny“, jagt er, „‚offenbarte viele der mir entgegenftehenden Hinderniffe. Wir jahen viele Spuren, aber feine Tiere. Der Boden war aufgewühlt, als ob eine große Anzahl Schweine ihn bearbeitet hätte, was die Ameifenigel mit ihrem Schnabel bewerfftelligen, um die Kerfe unter dem ab: gefallenen Laube aufzudeden. Sie wenden fih dann geftürzten morjchen Bäumen zu, um fie gänzlich zu entrinden, den Mulm herauszukragen und die Kerbtiere zu verzehren, die fich als fleine Käfer, Ameifen und eine Art weißer, jaftiger Würmer erwiejen. BViele kleine trodnne Bäume waren von den Schnabeligeln bei der Nahrungsjuche entwurzelt. Sie find bejonders auf die Zermiten erpicht, die kleine, etwa 18 Zoll hohe Tonhügel bauen. Dieje greifen fie äußerjt planmäßig an, indem fie ringsum gegen das Neft vordringen, die Erde aus dem Wege räumen, an der Berührungsftelle des Neftes mit dem Boden eine Furche ziehen, alles, was ihnen in den Weg kommt, verichlingen, endlich in der Mitte ein Zoch anbringen und das ganze Neft ausräumen, fein Wefen, das von ihrem Befuche berichten könnte, übriglafjend. Die Sol- datenemje (eine große wehrhafte Ameife) rühren fie nicht an; ihre Nefter befanden fich dicht bei den Termitenbauten, aber unberührt. Die großen Zuderameifen, die Sandhügel von ungefähr 16 Zoll Höhe und 4 Fuß Durchmeffer auffchichten, greifen fie an, indem fie fich zunächit mit ausgejtrecter Zunge auf den Hügel legen und die Ameifen, die mit ihr in Berührung fommen, in den Wiund ziehen; jo bleiben fie oft ftundenlang liegen. Bei diefer Gelegenheit fommt un: zweifelhaft der Sand in ihren Magen. Dann graben fie einen Gang von einer Seite zur Schnabeligel: Sinne. Termiten- und Ameijenjagd. Frei» und Gefangenleben. 65 andern ıumd verjehlingen die einladendjten Bilfen, auf die fie jtoßen. Bei Tage wandern fie nicht viel umher, da fie mit ihrer Suche ein paar Stunden vor Sonnenuntergang be- ginmen. Sie hören jehr leicht, jo daß man jich jehr vorfichtig und langjam bewegen muß, da fie beim geringjten Rafcheln eines Blattes ih Duden und fidh jofort in den Boden zu icharren beginnen, was mit den Beinen ausgeführt wird, indem fie den ganzen Körper in das Grab verjenfen umd fich die Erde auf den Rüden wühlen. Die Schnelligkeit, mit der fie diefes bewerfitelligen, it beinahe unglaublih, und von aufgewühlter Erde ijt nach) dem Verjchwinden des Tieres wenig zu jehen. Gewöhnlich graben fie nicht in der Nichtung des Kopfes weiter; nur einmal habe ich diejes geichehen jehen, als ein Stacheligel in eine Kite gejeßt war, in der Erde unter der Kijte verfchwand und in einer Entfernung von 10 Fuß jenjeit3 eines Zaunes herausfam.” Über das Betragen gefangener Schnabeligel berichten Haade und neuerdings Semon. Haade hat in Auftralien wiederholt Schnabeligel gehalten und, abgejehen von der Fort- pflanzung, namentlih über ihre Kletterfunft und Hungerfeftigfeit Beobachtungen angejtellt. „Den eriten Stacheligel, welchen ich erhielt‘, jchreibt er, „hatte ich in meinem Arbeitszimmer unter eine umgeftülpte Kijte gejeßt, in welcher es ihm wenig zu gefallen jchien. Er trachtete unabläjfig danach, aus dem Gefängnifje zu entweichen, und ftrecite, wo zwiichen Fußboden und Kiftenrand genügender Raum war, fortwährend jeine lange Zunge tajtend heraus. Endlich war es ihm während der Nacht gelungen, die jchwere Kijte zu heben und ftch zu befreien. Lange Zeit juchte ich ihn vergeblich. Schließlich Fand ich ihn zu meinem größten Erjtaunen in einer andern, etwa 40 em hohen Kite, welche oben offen und zur Hälfte mit etwa fauftgroßen in Bapier gewidelten Goldquarzftüden gefüllt war. Beinahe verdedt, jchlief er behaglich zwijchen den eingemwidelten Quarzitüden, die ihn gegenüber dem ebenen Fußboden als die geeignetite Zagerjtätte erjchienen jein mochten. Zwei andere Stacheligel jeßte ich, eingedenf der wahrgenommenen Kletterfertigfeit der Tiere, in dem ausgedehnten Erdgejchojje des Mus jeumsgebäudes in Adelaide in eine gegen 1 m hohe und 50 cm weite Tonne. Ein Entwei- hen aus diefem Gefängnifje, das die übliche Tonnenform bejaß, jchien unmöglich. Troßdem gelang e3 einem der Tiere, zu entlommen. Nach tagelangem Suchen fand ich es eines Mior- gen wieder bei jeinem Gefährten in der Tonne; e8 mochte diefen gehört haben und hatte jich zwifchen Wand und Tonne wieder zu dem Nande der leteren heraufgearbeitet, um jic) von hier aus in die Tonne fallen zu lafjen. Da ich die Tiere zergliedern und zu diefem Ende von hinderlichem Fette befreien wollte, Lieb ich fie Hungern und fand dabei, daß fie ohne jtcht- bare Störung ihres Wohlbefindens mindejtens einen Monat lang falten fönnen. Den Darm eines Stacheligels fand ich nach etwa jehswöchigem Falten ausjchlieglich mit Sand, der dem Tiere zur Verfügung geftanden hatte, gefüllt.’ Haade ericheint deshalb die Einfuhr von lebenden Schnabeligeln gar nicht jo jchwer, und er hat injofern recht behalten, als im legten Jahrzehnt vorigen Jahrhunderts eine ganze Anzahl lebend nah Europa fam dank einer Anregung Walter v. Rothichilds, des Beligers des TringMufeums, der fih damals mit der Syftematik der Gruppe bejchäftigte. Der erite Schnabeligel, der, von Neiche- Alfeld eingeführt, 1895 in den Berliner Zoologijchen Garten fam, lebte dort über 14 Jahre und pflanzte jich mit einem jpäter dazugefauften Weibchen jogar fort (f. unten). Die Pflege machte gar feine bejonderen Schwierigkeiten. Man füttert die Tiere ähnlich wie die Ameijenfreffer mit einer Milchjuppe oder — wohl noch beijer — mit Mahlfleifh, das man mit Eigelb anrührt und mit Ameifenpuppen überjtreut. Semon ergeht fich in jehr interefjanten Schilderungen des Gefangenlebens und daran Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band D 66 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabel- oder Ameifenigel. anjchließenden Betrachtungen des Seelenlebens eines vom Menjchen jo verfchtedenen Säuge- tieres, wie e3 der Schnabeligel ift. „Das Gehirn von Echidna ift für ein auf der Stufenleiter jo niedrig ftehendes Gejchöpf auffallend groß; im Verhältnis zur Körpergröße voluminöjer al$ das der Beuteltiere, außer: dem ausgezeichnet durch reichlihe Furchen und Windungen feiner Oberfläche... Es ift un- gemein jehmwierig, einzudringen in das Seelenleben und die Verftandestätigkeit von Gefchöpfen, die im ihrer ganzen Organijation noch jo bedeutend von der unjrigen abweichen... Ein Tier, das fich Jehwer oder gar nicht an die veränderten Lebensbedingungen der Gefangenjchaft gewöhnt, ijt deshalb noch nicht notwendigerweile dumm; eines, das auf folche Neize, die ung ftarf beeinfluffen, nur träge reagiert, noch nicht Schlechthin ftumpfiinnig... Eine gefangene Eehidna erjcheint allerdings ziemlich dumm und jtumpffinnig. Eine große Furchtjamkeit ver- hindert, daß die Tiere eigentlich zahın werden, obwohl te fi) allmählich an ihren ‘Pfleger ge- wöhnen. Unftreitig ift ihre Intelligenz viel größer als die wohl aller Reptilien, obwohl fie weit unter der der Vögel und höheren Säugetiere und wohl auc unter der der meilten Beuteltiere fteht. Auffallend it ihr ungemein ftark ausgeprägter Freiheitsprang. Der Gefangenschaft juchen fie fih mit allen Mitteln zu entziehen und wenden zu diefem Zwede eine gewaltige Energie auf. Tagsüber verhalten fie fih meist ruhig in ihrem Gefängniffe und fcheinen ganz in ihr Schidjal ergeben. Bei Nacht aber erwacht in dem jcheinbar jo lethargiichen Tiere eine ftaunenswerte Negjamfeit und Willenskraft. Aus Kiften Klettern fie leicht hinaus, loje auf: gelegte Kiftendedel werden herabgeworfen, leicht zufammengenagelte Kijten, deren Bretter nicht überall dicht gefügt find, vermittelit der Fräftigen Ertremitäten geiprengt. Da ich den Schwarzen nur für lebende Eremplare den vollen von mir ausgejeßten Preis zahlte und die Leute von ihren weiten Streifereien nicht immer noch an demjelben Tage zu meinem Lager zurückehren konnten, mußten fie häufig die Tiere über Nacht gefangen halten, ohne natürlich zu diefem Ziwede pafjende Behälter mit fich führen zu können. Wurden die Tiere nun mit Starken Schnüren an einem oder zwei Beinen gefejjelt, jo gelang es ihnen über Nacht faft regelmäßig, die Bande abzuftreifen, jo fejt diejelben auch zugejchnürt fein mochten. Auf ihre eigne Haut nahmen die Tiere dabei nicht die geringjte Rüdficht. Die Schwarzen waren über die ihnen hieraus erwachjenen Verlufte jehr ungehalten und halfen fich damit, daß fie die Beine der Tiere durhbohrten und die Schnüre durch die Wunde zogen. Das war denn ein ficheres Mittel, aber jo graujfam, daß ich jeine Anwendung unterjagte, al3 ich davon er- fuhr. 3b gab dann den Schwarzen Kleine Säde mit, in die fie die Tiere über Nacht ein- binden fonnten. Waren die Säcde dicht und wurden fie jorgfältig zugebunden, jo erfüllten fie ihren Zwed;; waren die Schwarzen aber mit dem Zubinden leichtfinnig, jo gelang e3 dem willensjtarfen Urjäugetier über Nacht, die erfehnte Freiheit zu erfämpfen.‘ E35 muß bier ausdrüdlich hinzugefügt werden, daß beim Schnabeligel von bewußtem Freiheitsdrange im menjchlichen Sinne natürlich feine Neve fein fan. ES handelt fich einfach um den mit der Dämmerung erwachenden inftinktiven Trieb des Nachttieres nach Bewegung und Nahrungsjuhe. Diejer Trieb wirkt, folange er unbefriedigt ift, und defto ftärfer, je länger er unbefriedigt bleibt und je mehr Schwierigkeiten fich feiner Befriedigung entgegenftellen. Be: denkt man ferner, daß der Schnabeligel al3 Ameijenfreffer und Erdwühler gewohnt jein muß, bei jeiner nächtlichen Nahrungsfuche und vorfommendenfalls audh Sicherung durch rajches Eingraben jederzeit jtarte Förperliche Anftrengungen aufzuwenden, und daß er im Verhältnis zu jeiner Größe tatjächlich große Körperkfräfte hat, jo wird feine, mit menjchlihem Maßjtab gemeffen, ungeheure Energie jeyon weniger bewundernswert, eben weil fie rein inftinktiv und Schnabeligel: Gefangenleben. Geijtige Fähigkeiten. 67 unbewußt ift, jede Klare Einfiht in eine Schwierigkeit des Bejtrebens oder die Unmöglichkeit des Gelingens fehlt. Kommen nun noch Förperliche Schmerzen hinzu, jo werden die An- jtrengungen verdoppelt vermöge des ebenfalls inftinktiven Triebes, den Schmerzen durch die Flucht zu entgehen, und diefem Triebe wird rücdjichtslos nachgegeben, felbjt wenn dadurd auch die Schmerzen verdoppelt werden. Daher das jelbitquälerische Toben gefangener Tiere, das man ehr zu Unrecht mit menjchlichem Helden und Märtyrertum hat vergleichen wollen. Semon fährt weiter fort: „Bei einer derartigen Gelegenheit Eonnte eine intereffante Be- obachtung über den Ortsfinn der Ameijenigel gemacht werden. Ein gefangener Ameijenigel wurde aus jeinem Scrub 6 km weit bis zu meinem Lager in einem Sad getragen. Über Nacht gelang es ihm, fich zu befreien. Einer meiner Schwarzen ging feinen Spuren nad, die in gerader Richtung zu dem fajt eine Meile entfernten Punkte führten, an dem das Tier gefangen worden war. Syn ver Nähe der alten Fangitelle fand es fich denn ruhig jchlummernd in einer jelbitgegrabenen Höhle. Erwägt man, daß das Tier in einem Sad in mein Lager getragen worden war, und daß e$ in gerader Nichtung zu jeinem alten Aufenthalt zurüdging, jo liegt es am nächlten, an den Geruchsjinn zu denfen, von dem fich das Tier zurückleiten ließ.” Wir möchten es fir ausgejchloffen halten, daß unter den gegebenen Umständen der Ge- ruchsfinn auf joldde Entfernungen wirken fan: der untrügliche Ortsfinn der Tiere und Natur- völfer ijt eben eine ung Kulturmenjhen völlig unbegreiflihe Tatjache, deren wiffenfchaftliche Erklärung vorläufig nicht einmal verfucht ift. „Begleitet von feinen Hunden, durchftreift ver Schwarze den Serub und jucht nach den Führten und Grabjpuren de3 Ameijenigels... Bon einer Spur tft vielfach für unjer Auge nichtS zu entdeden; jelbjt wenn man uns darauf hinweift, jozujagen mit der Naje darauf ftößt, jehen wir nichts. Für das Auge des Schwarzen, das von frühefter Jugend bis ins hohe Alter unabläfjig geübt und trainiert wird, genügen eben die Kleinften- Zeichen, ein umgewandtes Steinchen, dejjen dunklere und feuchtere Oberfläche nach oben fieht, oder einige gefnickte Gras: halme, um eine Spur jelbjt zu Pferde in rafcher Gangart zu verfolgen. Das Verfolgen der Ehidnafpuren tft jchon deshalb Feine leichte Aufgabe, weil diejes Tier bei feinem nächtlichen Unnberftreifen im Scrub, jenem Hin= und Herlaufen auf der Sude nah Ameijenhaufen, oft ein Kreuz und Quer fich jchneidender Fährten erzeugt. Oft hat man zwei oder drei Stunden lang zu wandern, fich durch Mfazienbüjche durchzuminden, über gefallene Stämme zu Klettern, immer in gejpannter Aufmerkjamfeit, um den Faden nicht zu verlieren, bis man endlich den ftacheligen Gejellen in einem Feljenverfte oder in einer jelbjtgegrabenen Höhle jhlummernd findet. In drei Fällen unter vier ift eS$ dann no ein Männchen, die viel häufiger find als die Weibchen. An den männlichen Tieren aber lag mir wenig, und ich bezahlte ven Schwarzen nur eine Kleinigkeit für fie, nahm fie ihnen zeitweilig jogar gar nicht ab. Das tft dann recht ärgerlich für den Jäger, ein Troft ift nur der fette Braten, den der ‚Gauara‘, wie Echiona von den Schwarzen am Burnett genannt wird, abgibt. Vandhe Weipen find derjelben Anficht. Sch für meine Berfon kann fie nicht teilen, weil die Ehiona einen mir fatalen Geruch und Beigeihmad befist. Bejonders in der Brunft- zeit verbreiten beide Gejchlechter einen ausgejprochenen Geruch, der wohl zum gegenjeitigen Auffinden der Gejchlechter und zur jeruellen Erregung dienen mag. Er ift eg auch, der dem Fleiih der in der Haut geröfteten Tiere den eigentümlichen Beigefchmad verleiht. Die Zubereitung feitens der Schwarzen ijt eine ähnliche, wie fie die europäischen Zigeuner dem sgel zuteil werden lafjen,; die Tiere werden ausgenommen, aber nicht abgehäutet, dann mit Haut und Staheln über dem Feuer over in der heigen Ajche geröftet. Die Spedichwarte, 5* 68 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabel- oder Ameifenigel. die vor der Brunft ungemein jtark entwicelt it, aber während derjelben jehwindet, gilt als beiondere Delikateife. „Beim Suchen erwiefen fih auch die Hunde der Schwarzen nüßlich; wenigftens manche derjelben, die ganz aus eignem Antriebe eine Ehionajpur aufnahmen und auf derjelben fort-- arbeiteten, bis fie daS Yager der Tieres fanden. Mein bejter Jäger, Jimmy, erbeutete mit jeinen Hunden gewöhnlich zwei over drei, niemals mehr als vier an einem Tage. Selten fan er mit leeren Händen heim.’ Sn den zoologischen Gärten lernen wir die energische Mustelfraft der Schnabeligel, wie fie Bennett und Semon bejchreiben, bei jever Gelegenheit kennen und ebenjo ihre er- jtaunliche Fertigkeit, fih in einer Ecke ihres Käfigs am Boden und an den Wänden feitzus prejfen. Den Tierpfleger erinnern fie durch diejes ftörriiche Gebaren immer wieder an die Sürteltiere, nur daß fie noch viel jehwerer als jene aus jolcher Ecke loszuheben find. Dies gelingt nur mit aller Gewalt, und ohne blutigen Schnabel geht es in der Kegel nicht ab. Ein Beweis, daß der Schnabel im Leben nicht jehr hart jein fanıı: er muß ja auch, mit vielen Nervenendungen verjehen, als feines Taftorgan dienen und trägt die Najenlöcher, aus denen die helle Schleimhaut zutage tritt, ganz vorn an der Spibe. Über die Brunftzeit des Schnabeligels und feine Entwidelung zur Gejchlechtsreife lejen wir in Semons großem Forihungsreifewerfe noch: ‚Die Brunjtzeit ver Echidna aculeata var. typica beginnt im Burnettdiftrift (24—26° füdl. Breite, 150-—152° djtl. Yänge v. Gr.) gegen Ende des Juli: Sm Jahre 1892 fand ich das erjte Eremplar mit einem Ei im Uterus am 23. Juli. Mitte Auguft war etwa die Hälfte der mir gebrachten Weibchen trächtig oder hatte Eier im Beutel. Ende Auguft hatten fajt alle ausgewachjenen Weibchen Eier im Uterus oder Beutel over Junge im Beutel. „Anter den gefangenen Weibchen ließen fich um dieje Zeit zwei durch ihre Größe ver: jchievene Kategorien unterjcheiven. Die eine war in allen Körperdimenfionen Eleiner als die andere. Die Dvarien diefer Eleineren Kategorie waren ausnahmslos unentwidelt und unreif. Eier im Uterus oder Beutel oder auch Beuteljunge wurden niemals bei ihnen gefunden. Sch halte dieje Kategorie, denen eine ähnliche Kleine, ebenfalls unreife Kategorie von Männchen entipricht, Für einjährige Tiere, die noch nicht voll ausgewachjen find. Zu diefem Schluß wird man mit Notwendigkeit dadurch geführt, daß um diefe Zeit Kleinere Tiere überhaupt nicht gefunden werden. Biel zahlreicher ift die zweite, größere und gefchlechtsreife Kategorie, die Jich zufammenjeßt aus den Tieren, die zwei Jahre alt over älter find. Daß diejelben min- dejtens zweijährig find, wird dadurch bewiejen, daß th Zwilchenformen zwilchen ihnen und der einjährigen Generation nicht finden.” Über das einzigartige Wachstum des Eies in und mit der Schale jagt Semon: „Uns gleich den Eiern der Neptilien und Vögel behält das Echidna-Ci im Uterus nicht feine Größe bei, jondern e8 wächlt um ein Vielfaches feines urjprünglichen Volumens. Troß feines Dotter- veichtums gleicht e8 in diefer Beziehung vielmehr den Eiern der Marfupialier und PVlacen- talier.” Mit anderen Worten: Obwohl das Schnabeligelei eine Schale hat und abgelegt wird, bleibt e$ doch injofern ein Cäugetierei, als e8 in der Schale noch Nährfäftezufuhr von der Mutter erhält und die Schale jelbft auf die gleiche Weife wächlt. „‚So wog“, fährt Semon fort, „ein aus der Schale genommenes Uterinei 0,02 g, ein aus der Schale eines Beuteleies genommener Embryo aber 0,12 2, aljo das Scechsfache. Dabei hatte fich auch der Durchmefjer der Schale jehr beträchtlich vergrößert; er betrug beim Uterinei 4,5 mm; das in diefer Schale liegende Ei hatte einen Durchmeffer von 4 mm. Der Durchmeffer eines Beuteleies beträgt aber Schnabeligel: Mustelkraft. Fortpflanzung. 69 ducchjchnittlich 15 mm oder, da die meijten Eier nicht genau Fugelrund, jondern ellipjoidijch find, großer Durchmefjer 16'/a mm, fleiner Durchmefjer 13 mm. Die Schale wird während diefes Wachstumsprozejjes nicht nur weiter, jondern auch dicler und jchwerer. Das Gewicht der Schale eines Uterineies betrug 0,006 &, das einer Beuteleifchale 0,15 g. Der Schalenquer- ichnitt des Uterineies betrug 0,012 mm, der des Beuteleies 0,14 mm.‘ Semon gibt dann die Yänge des jüngjten Embryos, den er in einem Beutel fand, mit 5,5 mm, die des Äältejten mit 15 mm an und nennt daber den Vorgang, wenn der Embryo im Beutel frei wird, die Eifchale jprengt, „Geburt“: ein Beweis, wie man bei den Schnabel- tieren in die Brüche fommt mit den für die Säugetiere geläufigen Ausdrüden! Gleich nad) diefer Geburt wird die gejprengte Eifchale aus dem Beutel entfernt, Dotterfad und Allantois jchrumpfen zufammen und bilden für einige Zeit am Nabel einen vertrocdneten Anhang, der endlich abgejtogen wird. „Da feine Zigen vorhanden find, fan das Junge fi nicht anjaugen. Jh fand es jtetS frei im Beutel liegen. Größere Mengen Milch jah ich niemals im Beutel. Wahr- icheinlich wird alles, was jezerniert wird, jofort vom Jungen aufgeledt.“ „Das Junge durdläuft eine weitere Entwidelung im Beutel, biS eS etwa die Länge von SO— 90 mm erreicht hat, zu welcher Zeit aber die Stacheln hervorzubrechen beginnen. Bon Mitte Oktober an fanden meine Schwarzen verichiedene derartige Eremplare außerhalb des mütterlihen Beutels in Eleinen Erdhöhlen. Berüdfichtigt man, daß die erften reifen IBeib- hen Ende Juli gefunden wurden, die erjten freien Jungen aber Mitte Dftober, jo kann man das Alter der legteren von der Befruchtung des Eies bis zum Freileben des Jungen mit an- nähernder Sicherheit auf 10 Wochen berechnen. Die Schwarzen gaben mir übereinjtimmend an, daß die Alte zunächit noch einige Zeitlang zum Jungen zurückfehrt, um es in den Beutel aufzunehmen und zu jäugen. Wenn fie nachts ihren Streifereien nachgeht, entledigt fie fich der beträchtlichen, ihr unbequem werdenden Laft, indem fe für das Junge eine Kleine Höhle gräbt, zu der fie nach beendigter Streife wieder zurücfehrt. Daß fi das wirklich jo verhält, fann man aus den friihen Spuren der Alten in der Nähe des Lagers der Jungen und auch daraus entnehmen, daß der Magen folder Zungen Milch enthält. Wir beobachten aljo bei diefem niederjten Säugetier ebenfo wie bei dem verwandten Ornithorhynehus eine ausgeprägte Brutpflege, die fich ähnlich wie bei den Beuteltieren über die Zeit hinaus ausdehnt, während welcher das Junge im Beutel getragen wird.‘ Sp Scmon, der zielbewußte und erfolgreiche Erforjeher der Fortpflanzung und Ent widelungsgejchichte des Schnabeligels. Bei der umvergleichlichen Eigenart der Sache jchien e3 wohl angebracht, feine eignen Worte möglichft unverfürzt hierher zu jegen, und zwar um jo mehr, als man bei der eriten und bis jeßt einzigen Fortpflanzung de3 Schnabel: igels in der Gefangenschaft aus naheliegenden Gründen den wißbegierigen Tierbeobachter hinter dem jorgjamen Tierpfleger zurücjegen zu jollen glaubte. Sec berichtete über dieje erite Schnabeligezüchtung in der Berliner Gefellichaft Naturforichender Freunde und auf der Kölner Naturforiher-Verfammlung. „‚Begattungen des Vaares, wobei die beiden Gejchlechter mit den Köpfen nach entgegengejegter Richtung und mit den breiten Schwanzenden inein- ander eingehaft liegen, blieben zwar nicht unbemerkt, wurden aber zunächit nur für Verjuche gehalten, zumal fie fich fortgejegt wiederholten. Ende April wurde jedoch beobachtet, dab das Weibchen den Bemühungen des Männdens fich durhaus abgeneigt zeigte; e3 drückte jich platt und feit auf den Fußboden, wenn das Männchen es in die Begattungslage zu bringen juchte. Und am 7. Mai wurde das Junge gefunden. E3 ftaf mit dem Hinterleib in der Bruttajche 70 1. Ordnung: KRloafentiere. Zamilie: Schnabel- oder Ameijenigel. und war ungefähr S cm lang. Genauere Meffung verbot jeine fräftige Beweglichkeit, das fort: währende Streben, fich zufammenzurollen. Wenn wir überhaupt diejen erjten, jeltenen Fall für alle möglichen Beobachtungen und Feititellungen nicht jo intenfiv ausgenußt haben, wie dies im rein wilfenichaftlichen Snterejje ohne Nücjicht auf das Wohl der Tiere vielleicht wünjchenswert gewejen wäre, fo bitte ich, dies damit zu entjchuldigen, daß wir jtets fürchten mußten, durch MWegnehmen des Jungen und Unterfuchung der Alten das eritere jo zu jhädigen und die lebtere jo zu vergrämen, daß dadurch das Gelingen der Aufzucht in Frage geftellt worden wäre. ‚IA der jungen Echidna fiel auf, daß Ite fich in der bejjeren Jahreszeit Mai) und in der warmen Hand noch ganz befonders warm anfühlte. Sie jah fleiichrötlich aus und war ohne alle Haare oder Stacheln. Der Alten wieder untergehalten, hing fie jofort wieder feit, Bauch gegen Bau), die Hinterhälfte in der Tajche. ‚fang Juni wurden einige photographiiche Aufnahmen gemacht. Bis dahin fand nur Wachstum des Jungen ftatt, eine Veränderung nur in der Jarbe, die etwas mehr ins Schiefer: graue ging. Wenn die Alte umberlief, trug fie das Junge am Bauche mit fich herum, und zwar glaubt der Wärter gejehen zu haben, daß e3 auch mit dem Niücken nach dem Bauch der Mutter in der Tajche jtaf. Am 9. Juni wurde die Alte genauer unterfucht. Wenn man jie an den Hinterbeinen hochhielt, war dann die Tajche nur als flache Grube am Bauche ab- gezeichnet, jo daß man den Eindrucd hatte, al3 ob die Tajche bereits wieder verftrichen und nur zwei jeitliche musfulöfe Hautwände noch übrig jeien. Auf jeder diefer Hautwände er- hob jich eine Art Zißenmwulft, eine einigermaßen ausgedehnte Stelle mit rauher, poröjer Haut, offenbar die Mündung der Milhorüfen,; wir waren aber nicht imftande, durch Druck irgend- welche Flüffigfeit daraus zutage zu fördern. ‚sm Laufe des Monats Juni wuchjen dem Tiere dann die Haare und au Stadheln, legtere zuerjt am Nande des ovalen Körperumrifjes und über ven Itaden weg. An 22. wurden die Augen offen gefunden. Am 6. Juli war das Junge gut 20 em lang, Haare und Stacheln überall gleichlang; die Stacheln fehlten aber noch in der mittleren Längslinie über dem Rüd: grat. Jr der Zwifchenzeit war auch bemerkt worden, daß die Alte von Zeit zu Zeit das Junge, das fie nun nicht mehr am Xeibe trug, in jeiner Ede aufjuchte. Sie ftand dann über ihm, 5 lag unter ihr auf dem Nüden (die Nüdenlage nahm es überhaupt für gewöhnlich ein) und man fonnte gewilfe pumpende Bewegungen von ihm wahrnehmen. Sonjt konnten wir leider über das Säugegejhäft gar nichts Genaueres feititellen; wir mußten uns dabei beruhigen, daß das Junge jehr gut genährt wurde und prächtig gedieh. Am 15. Juli waren weiße Spiten an den älteften Stacheln zu jehen, und am 16. wurde beobachtet, daß das Junge-etwas vom Sutter der Alten ledite, nachdem es an deren Futteritelle gebracht worden war. „Durch zufälliges Anftogen hat der Wärter inzwiichen auch Mil aus den Zißenwüljten der Alten austreten jehen, und auch ich jelbit Fonnte foldhe mit leichter Mühe aus diefen Wülften herausdrüden. Sie ift di‘, etwas gelblich, fahnenartig. Wenn die Alte mittels des Hautmustel- Ihlauches Ti) zufammenkrümmt, ftülpen fi die Ziternmoülfte vollftändig fozufagen in Gruben ein. „Das junge fühlte fich gegen Ende Juli bedeutend kühler an, Fühler als die Hand, und grub ji Schon in den Torfmull ein, der al3 Lagerftreu diente. Die Krallen hatten im Verhältnis diefelbe Yänge wie bei den Alten und waren jebt jhwarz gefärbt, während fie urjprünglich hell waren; auch die Sporen an den Hinterfüßen waren bereits deutlich vorhanden. Die Haare am Kopf und an ven Beinen hatten jett denjelben bräunlichichwarzen Ton wie bei den Alten.” Leider am das ‚yunge nicht auf, fondern wurde am 15. Auguft in jehr gutem Ernährungs= zuftand aus unbefannterlirfache tot aufgefunden; e3 war alfo nur etwa 4Monatealt geworden. Schnabeligel: Exfte Züchtung. Körperwärme. Langajchnabeligel. 71 Umfaffende Unterfuchungen über die Blutwärme von Neptilien, Vögeln, Schnabel= und Beuteltieren find 1897 von einem auftraliihen Vhyfiologen, Merander Sutherland, gemacht und dabei diejenigen Semons am Schnabeligel gerade in der beveutfamften Hinficht ergänzt worden dadurch, daß nämlich eine unzweifelhafte Abhängigkeit von der Außentemperatur nachgewiejen wurde. Und zwar it diefe Abhängigkeit vorhanden in einem Mafe, daß man jtaunend den Schnabeltieren auch aus diefem Grunde eine ganz abgefonderte und niedere Stellung im Säugetterreiche anmweijen muß: ein an einem falten Morgen gemefjener Schnabel: igel hatte nur 22° Eigenwärme, ein zur heißen Mittagszeit in einem Sade weither geichlepp- ter 36,6°. Ein Tier, bei dem jolde Schwankungen der Körperwärme vorfommen, möchte man faum mehr zu den Warmblütern oder gleichwarmen Tieren rechnen. Didfield Thomas vom Londoner Natural Hitory Mufeum fieht in den drei Schnabeligel- arten jozujagen beginnende Arten, die aber noch nicht weit genug fich herausgebildet haben, um mehr denn als Unterarten anerkannt zu werden. Shre Verichiedenheiten führt er auf ver: ichiedene Elimatiiche und andere Lebensumftände zurüd; jo das lange, dichte Haar des Tasmaz niihen Schnabeligels auf das feuchte, Falte Klima jeiner Heimat; die jtärfere Hinterklaue bringt er in Beziehung zu dem jchwereren und daher auch jehwerer zu bearbeitenden Boden. Nach unferen heutigen zoogeographiichen und den darauf aufgebauten jyjtematiihen Ar- Ihauungen tft es jedoch wahricheinlich, daß man auch in den verjchtevenen natürlichen Ge- bieten des auftraliichen Feitlandes verjchiedene Schnabeligelformen wird unterjcheiden können. Der Anfang war jhon von Robert Eollett gemacht mit einer jehr ausführlichen, Schön illuftrier- ten Arbeit über den nordgqueensländiichen Schnabeligel, den er als E. acanthion von den gewöhnlichen abtrennte. Thomas z0g ihn aber in jeiner Nachprüfung der ganzen Gattung wieder zu E. aculeata. Viel weitgehender und ganz bedeutend find die Unterichievde der zweiten Schnabeligel- gattung, der Langjchnabeligel (Proöchidna Gerv., Zaglossus). Sie jprechen ji jchon in der ganzen äußern Erfcheinung derart aus, daß die Abtrennung als bejondere Gattung durhaus gerechtfertigt erjcheinen muß, auch wenn die Dreizahl der Krallen nicht bei jedem einzelnen Stücd fich wiederfindet, jondern auch jolche mit hinten vier und vorn fünf Krallen vorkommen. Das ift vielleicht wieder ein Zeichen, daß die einzelnen Merkmale der Schnabeligel noch nicht alle in gleichen Maße feit ausgeprägt find, oder auch, daß es unter den Yangjchnabel- igeln ebenfalls noch mehr geographijche Formen gibt, al3 wir bis jeßt unterjcheiden gelernt haben. Früher hielt man vor allem das gleichmäßig dunkfelbraune oder Ihwarze Wollhaar- fleid, daS wenig oder gar nicht mit glatten Borjten gemifcht ift und nur jpärliche, Eurze, meiftens ganz weiße, zuweilen am Grunde braune Stacheln in fich verbirgt, für eine durc)- gehende Eigentümlichkeit der Gattung, die man danah Haarz oder Vliesigel nannte. Seit der neuerlichen Entdedung einer abweichenden Art geht das aber nicht mehr an, und man hat als auffallende und feitjtehende Unterjchiede der ganzen Gattung nur noch den großen, etwas nach unten gebogenen Schnabel, der ungefähr doppelt jo lang ijt wie der übrige Teil des Kopfes, und die eigentümlich hochbeinige Geftalt, die das ganze äußere Anjehen des Yang: ichnabeligels gegenüber dem gewöhnlichen Schnabeligel augenfällig verändert. Die beiden befannten Arten der Langjchnabeligel leben im Welten und Nordweiten, aljo im bolländiichen Teile der Injel Neuguinea, auf deren Südoften, wie wir wiljen, die ges wöhnlihen Schnabeligel mit einer Art vom auftraliichen Feitland her übergreifen. 72 1. Drdnung: Sloafentiere. Familie: Schnabeltierartigez Der Bruiinihe Langiehnabel= over Haarigel, Proöchidna bruijni Pirs. et Doria, it bereits im Jahre 1876 von dem damaligen Berliner Mujeumspireftor Peters und feinem Genuejer Kollegen Doria bejchrieben worden. Er ift ungefähr 1/, m lang, alfo jo groß wie die größten Schnabeligel. Haar und Stadhelfarbe ift die oben für die Gattung bejehriebene; nur am Kopfe wird das Haar manchmal ganz hell, beinahe weiß. Ehenfall3 aus dem holländiichen, aber dem weftlihen Neuguinea (Charles-Louis:Berge) beichrieben umd al3 neue, bejondere Spezies im Jahre 1892 vor der Londoner Zoologiichen Gejellichaft gut begründet, ift ver Shwarzftadelige LZangjchnabeligelvon Walter v. Roth: ihild, P. nigroaculeata Rothsch., den jein Bejchreiber auch lebend gehabt hat. Diejer jhilvert ihn als viel größer, mit äußerft ftarfen Gliedmaßen und viel Fürzeren Strallen, al3 der Bruijniche hat. Das Haarkleid ift nicht dicht, wollig mit wenigen zerjtreuten Stacheln, fondern lang, borjtig und jpärlich über den Körper verteilt, die Beine falt nadt. Stacheln find dagegen beinahe jo zahlreich vorhanden wie bei einem echten Schnabeligel; fie jind von großer Länge und Dice und hornichwarzer Farbe. Die Krallen find wohl fürzer als bei P. bruijni, dafür aber viel breiter und auf der Unterjeite ausgehöhlt. Schließlich ift auch der Schwanz des Schwarzitacheligels viel länger und gedrungener. Über das Freileben der neuguineifchen Haarigel willen wir jo gut wie gar nichts; es muß ja aber wohl ähnlich verlaufen wie das der auftraliihen Stacheligel. Auf die Jagd verftehen jich die Bapuas nach) Semon nicht; das Tier jpielt offenbar in ihrem Leben gar feine Rolle. Sm Sabre 1911 ift der exjte lebende Schwarzitacheligel in den Amjterdamer Zoologiihen Garten gefommen. Auf jeiner photographiichen Abbildung nach dem Leben treten die Eigen- tümlichfeiten des Tieres, die hohen, ftarten, man möchte jagen: elefantenartigen Beine, die dunfeln, wie dice, abgefnipjte Eifendrähte ausjehenden Stadyeln, die äußeren Ohren umd der lange, etwas gebogene Schnabel jehr jhön hervor. Als Lieblingsnahrung des Tieres gibt jein Pfleger Kerbert Negenwürmer an. Sn demjelben Jahre erhielt der Amfterdamer Garten noch ein zweites Gremplar: viel Kleiner, ganz jehwarz behaart, mit verhältnismäßig wenigen, ganz weißen Stadeln. Seit furzem bejigt auch die FE. u. Ef. Menagerie in Wien- Schönbrunn einen Zangjchnabeligel, und auch diejer gleicht in Behaarung und Bejtachelung weder dem Haar= noch dem Schwarzitacheligel. * Die zweite Familie der Kloakentiere, Schnabeltierartige im engern Sinne (Ornitho- rhynchidae), bejteht nur aus der einen Gattung Schnabeltiere (Ornithorhynchus |d. h. VBogeljchnabel] Blumenb., Platypus) mit einer einzigen Art, dem eigentlihen Schnabel: tier, O. anatinus (d. h. entenartig) Shaw (paradoxus, d. h. auffallend, wiverfinnig; Taf. bei ©. 74). Das Schnabeltier trägt in feinem Vaterlande verjchievene Namen. Die Eingeborenen nennen 63 je nach den verjchievdenen Gegenden Jungmore, Mallangong, Tambriet, Tohumbuf und Mufflengong. Im Munde der Kolonijten bat jich merfwürdigerweile der zu bejeitigende Name Platypus, der wiljenjchaftlich längft veraltet ift (weil er jehon jeit 1793 für eine Käfergattung vergeben ift), erhalten, und in ganz Queensland wird das allen Anfieolern wohlbefannte Tier allgemein „Platypus“ genannt. Sein Berbreitungsfreis bejchränft fi}, foviel man bis jet weiß, auf den Süden des Staates Südauftralien, auf Victoria, Neufüdwales und Queensland, nordwärts bi zum 18. Grade jüdlicher Breite. Auch in Tasmanien wird es gefunden; im Welten Auftraliens Schwarzitacheliger Langichnabeligel. Aufnahme des ersten lebend eingeführten Exemplars im Zoologischen Garten zu Amsterdam. Langjchnabeligel. Schnabeltier. 13 dagegen jcheint eS zu fehlen. Am mittleren und oberen Burnett, wo Semon das Tier be: obadhtet hat, war es überall häufig, wo immer fi) geeignete Standorte am Fluß vorfanden, Der Röhrenjchnabel der Schnabeligel kehrt wenigftens annähernd Ähnlich unter den Zahn armen bei ven Ameijenfrejiern wieder, wenn auch ohne den Hornüberzug; aber der platte, vorn noch etwas verbreiterte und abgerundete Entenjchnabel des Schnabeltieres jteht im ganzen Säugetierreich einzig da. Zulammenjegung und Inöcherner Aufbau duch Verlängerung des Gefichtsteiles des Schädels find diefelben wie bei den Schnabeligeln, es walten aljfo auch die- jelben Unterfchiede vom Bogeljchnabel ob wie bei diejent. Die Säugetiernatur verrät fich jogar auch äußerlich durch das bereits erwähnte Milch- gebiß von oben 2 und unten 3 Badzähnen auf jeder Seite, mitunter im ganzen auch nur 8, die, was ebenfalls bereits betont wurde, den charakteriftiihen VBielhöcerzähnen der erdgejchicht- lich ältejten Urjäugergruppe ähnlich jehen und nad) der Abnugung dur Hornplatten, Horn- zähne erjeßt werden. Dieje find im vorderen Teile der Kiefer Schmal, Iharffantig wie Schneide: zähne, hinten breit, flachhöcerig wie Badzähne. Der Überzug des Schnabels wird verjchieden bejchrieben, die hornige Beichaffenheit be- ftritten. Wenn jchon vom Schnabeligel die Härte des Durchichnittsvogelihnabels nicht erreicht wird, dann erjt recht nicht vom Schnabeltier, das mit jeinem Schnabel beim Gründeln im Schlamm noch viel feiner nach der Nahrung taften und fühlen muß alS jener auf und in der Erde. Zu diefem Zwed ift der Schnabeltierfchnabel noch von einem nadten, jehr feinfühligen Hautfaum umgeben. Die Nafenlöcher liegen in der Oberfläche des Schnabels, weiter von jeinem Ende entfernt al3 beim Schnabeligel. Die kleinen Augen fißen ho) im Kopfe, die verjchliegbaren Ohröffnungen nahe am äußern Augemminfel. Eine Hautfalte, die vom Schnabel aus wie ein Schild über den Borderfopf und die Kehle fällt, ijt dem Tiere injofern von großem Nugen, als fie beim Futterfuhen den Schlamm vom anftoßenden Pelze abhält und beim Graben in der Erde die Augen jhügt. Die Zunge ift fleifchtg, aber mit hornigen Zähnen bejegt und hinten durch einen eigen- tümlichen Knollen erhöht, der den Mund vollftändig jchließt. So wird der Schnabel zu einem vortrefflihen Seiher, der das Tier befähigt, das Waffer durchzuipüren, Geniegbares von dem Ungenießbaren zu jondern und erjteres vor dem gemädlichen Durchkauen in den geräumigen Badentajchen aufzujpeihern, die fich längs der Kopfleiten hinziehen. Alle dieje Eigentümlich- feiten gehören zu den hochipezialifierten Einrichtungen, welche die heutigen Kloafentiere in Anı- pajlung an ihre Zebensweife neben ihren urtümlichen Merkmalen beiten. Dasjelbe gilt auch für den ebenjo merfwürdigen wie zwedmäßigen Bau der fünfzehigen, mit Schwimmbhäuten verjehenen Füße. An den Vorderfühen, welche die größte Musteltraft haben und ebenjowohl zum Schwimmen wie zum Graben dienen, bededt die Schwimm- haut einen Teil der Krallen, ift dort jehr biegjam und dehnbar und jchiebt fi, wenn das Tier gräbt, zurüd. Alle Zehen find jehr ftark, ftumpf und vorzüglich zum Graben geeignet. Die beiden mittleren find die längiten. Weiter weiß man anjcheinend nichts, weiter findet man wenigitens nichts über diefe wohl ganz einzig in ihrer Art daftehenden Füße. Sn ihrem milro- jfopifchen Gewebebau genauer unterfucht jheinen fie wicht zu jein, und jedenfalls deshalb wird auch nirgends bejhrieben, wie das Zurücjchieben oder Zurüdjchlagen der überragenden Schwimmbhäute vor fich geht, wenn das Tier graben will. Ebenjowenig jpricht fich irgendein Be= obachter darüber aus, wie e3 eigentlich auf dem Lande läuft, obwohl das mit jolchen bis zum Übermaß ausgebildeten Shwimmfühen, genauer betrachtet, als ein wahres Kunjtitüc ericheinen muß. Wie die Mufeumseremplare ausgeftopft find, alfo wie eine Ente mit ausgebreiteten 74 1. Ordnung: Kloafentiere. Yamilie: Schnabeltierartige. Schwinmbäuten, kann das Schnabeltier auf feinen furzen, breitgeftellten Beinen faum laufen, zumal die Schwimmbäute jelber in der Zahl und Richtung der Zehen noch von ftarfen Ver- difungen durchzogen find, die den überragenden Teil ver Shwimmhaut noch bejonders jtüßen und verjtärken, zu weichen Zurücjchlagen gewiß aber noch weniger fähig machen. Dagegen ichreiben diefe verdidten Zehenfortfegungen, wenn man jo jagen darf, eine ganz bejtimmte Faltung der gefamten Schwimmbhaut, ja des ganzen Fußes jo genau vor, daß man, je länger, je mehr zu der Annahme gedrängt wird: das Schnabeltier jchlägt auf dem Lande den ganzen Vorderfuß bis zum Handgelenk nach hinten um und läuft auf der äußeren Handfläche. Da: durch erklärt Tich auch der Jonft ganz unverftändlihe Befund, daß auf dem Handrücden das Haar ftark abgenußt oder verfchwunden ijt bis zu einer jcharfen Querlinie über der Hand» wurzel. Die kurzen Hinterfüße wenden jih nach rüchwärts und erinnern an die des Seehundes, wir- fen auch hauptjäch- . ih vüchwärts und nach außen. Sbre erite gebe ijt jehr furz; die Nägel find alle rüchwärts ge= frümmt und länger und jchärfer als die ver Vorderfüße; die Schwimmbaut aber Nehter VBorderfuß des Wafferfhnabeltieres. *s5 natürliher Größe. Nah einen gebt IbAT bis en die Spirituseremplar. des Diufeums für Naturkunde Den gezeichnet von KR. Hartig. 1 mit gehemvurzel. Heim N aan up hinten, ol augen ehner ey 6 lenugentihien etwas über den Sehen und nach innen gewendet, ein jpigiger und beweglicher Sporn, der ziemlich weit ge= dreht werden Fann. Das Schnabeltier ift etwa 60 em lang, wovon etwa 14 em auf den Schwanz fommen. Die Männchen find erheblich größer als die Weibchen. Der plattgedrüdte Leib deutet auf das Wafferleben und die jchwinmende Bewegung hin. Der Schwanz ift platt, breit und am Ende, wo lange Haare den Auslauf bilden, plößlich abgejtußt, bei älteren Tieren unten entweder ganz nact oder doch nur von einigen wenigen groben Haaren bededt, bei jungen Tieren voll- jändig behaart, weil diefe Haare wahrjcheinlich erft im Verlaufe der Zeit abgejchliffen werden. Der Pelz des Schnabeltieres bejteht aus dichten, groben Grannen von dunfelbrauner Färbung mit filberweißer Schattierung; darunter liegt ein fehr weiches, dem des Seehundes und des Seeotters ähnliches Wollhaar von graulicher Färbung. An der Kehle, der Bruft und dem untern Leibe find Pelz und Haar viel feiner und jeidenartiger. Der obere PBelz it, namentlich an den äußeren Spisen, verhältnismäßig hart; denn die Haare find dort breit und lamenförnig, bilden auch einen Winkel gegen die dünneren, der Haut zunächit jtehenden. Die allgemeine Färbung der Grannenhaare ift rot oder jehwarzbraun, auf der untern Seite [dmußig grauweiß und am Kinn, am Grunde der Beine, dem Hinterbauche und OU[2qDUDS TE 1: = Schnabeltier: Fußbau. Größe. Pelz. Erjte Bejchreibung. 75 dem After oft matt Faltanienbraun; ein Kleiner King um das Auge ift weiß und gelblich gefärbt. Die obere Seite zeigt bald hellere, bald tiefere Färbung, weshalb man gemeint hat, verjchiedene Arten von Schnabeltieren annehmen zu dürfen. Die Füße find braunrot; der Schnabel ift oben jchwarz, unten gelb und jchwarz. unge Tiere unterjcheiven fih von den alten durch das jcehöne, feine, filberweige Haar an der unteren Fläche des Schwanzes und dicht über den Füßen. Ein eigentümlicher Ftichgeruch, wahrjcheinlich von einer öligen Abjonderung herrührend, jtrömt von dem Belze aus, zumal wenn er naf ift. Bennett jen. reifte zuerjt im Fahre 1832 und dann noch einmal 1858 nach Auftralien und teilte jeine Erfahrungen zuerft in einer gelehrten englischen Zeitichrift, dann in einem be- jondern Werfe ausführlich mit. Später berichteten Bennetts Sohn und R. von Lendenfeld über die Yebens- weile des Schnabel: n tieres; neuerdings m [ In IN, M HIN WM Semon und Topic JM MM 5 se FINN) N. 11 h durch Sirta. | . ‚N N \ „ lm) INN): Dem älteren HN N N N | HN || NN. W \ Bennett verdanken wir die erite gute Schilderung diejes in der Tat wiver- jinnig ausjehenden Gejchöpfes,dasnoc lange nad jeiner Entvedunggoricher und Laien in Er= jtaunen jeßte. Ge- dl jr ’ sl 5- Dre PAR RER Bene Et ! italt und Lebens- Sinfer Borderfuß des Wafjerjhnabeltieres. #5 natürliher Größe. Nach einem .- - ’ ( iritigere . 3 Nr & ur _ = Berli AUT 3 R. g, 5 -tia. . weile erichienen jo Spirituseremplar des Dufeums für Naturfunde in Serlin ‚gezeichnet von 8. 8%. Hartig 1 mit SUSE natürli zufammengelegten Shwimmbhäuten, 2 die Shwimmhäute auseinandergezogen bzw. gejpretzt. jeltfjam, daß Bennett si einzig und allein zu dem Zwede nach Auftralien reijte, um diejes Tier fennen zu lernen. Bis dahin waren bloß unbejtimmte Nachrichten zu uns gekommen. Man erfuhr eben nur, dab das Schnabeltier im Waffer lebe und von den Eingeborenen eifrig gejagt werde, weil e3 einen ihmadhaften Braten liefere und Eier lege; legteres glaubte man als Fabel erklären zu müjjen, bis 1884 Galdwell über feine Auffindung der Eier berichten fonnte. „Die nächte Woche, am 24. Auguft, jehoß ich einen Ornithorhynchus, welcher das erjte Ei abgelegt hatte; jein zweites Ei war in der Mündung des Uterus, der teilweije erweitert war. Diejes Ei hatte eine große Ähnlichkeit mit jenem der Echidna, obwohl es ein wenig breiter und in dem Stadium eines I6ftündigen Huhnembryos war. Den 29. Auguft jandte ih eine Nachricht mit dem Telegramm: „Monotremes oviparous, ovum meroblastic‘ (Monotremen eier legend, Ei weichjchalig) zu der benachbarten Station, von wo fie ein Pojtbote übernahm und meinem Freunde, Profejjor Liverfidge, an der Univerfität in Sydney übergab, damit er e8 der ‚Britiih Affociation in Montreal‘ vorlege.”” Galdwell mußte leider wegen eines Fieber: anfalles jeine weiteren Forihungen einftellen, und bei Semon hoffen wir vergebens auf die nötigen Ergänzungen. Semon jchreibt vefigniert: „Über die Entwidelung der Eier nach der Ablage und der Zungen nah dem Ausjchlüpfen fan ich leider feine Angaben machen. Ya 76 1. Ordnung: Kloafentiere. Yamilie: Schnabeltierartige. hatte nicht das Glüd, in den zahlveihen Bauen, die ich zufammen mit meinem weißen Ge- fährten öffnete, jemals Eier oder Junge zu finden. Meine Schwarzen zeigten gegen dieje Ar- beit die größte Abneigung und mochten fich überhaupt nicht um Ornithorhynchus fünmern. Wir jelbjt waren zu jehr von den zahlreichen anderen Aufgaben, dem Auffinden und Konfer- vieren der Oeratodus- Gier, Wanderungen mit den Schwarzen in die an Echidna reichen Ge- genden, Jagd nad Beuteltieren, abjorbiert, um der mühjeligen und enttäufchungsreichen Arbeit des Grabens nach Ornithorhynchus-Xejtern unfere volle Kraft und Zeit widmen zu können.” Eine anfhhauliche Borftellung, wie die Schnabeltiermutter ihre Jungen nährt, verdanten wir den Beobachtungen eines lange Jahre in Auftralien anfäfjigen Böhmen, Alois Topic, die jein Yandsmann, Brofefjor Sirta in Hohenmauth, danfenswerterweife veröffentlicht hat. Topic berichtet 1899 nad) Sixta folgendes: ‚Die beiten Kenner desOrnithorhynchus pflegen die Golo- aräber zu jein, welche fich ebenjo an den jandigen Ablagerungen der Flüffe und Bäche halten wie der Ornithorhynchus. Es gejchieht oft, daß fie, an den Ufern nach Gold grabend, zu- fälligerweife auch ein Ornithorhynchus=%Xeft öffnen. Bei einem jolden Zufalle fanden fie im Net zwei Eier, aber durch Unvorfichtigkeit zerquetichten fie diejelben, jo daß Topic bloß bäutige Schalen zu jehen befam. Das Schnabeltier gräbt fich fnapp unter dem Wafjerjpiegel einen in jein Nejt führenden Gang, welcher gegen das fteile Flußufer bergauf fteigt; Ddiejer Gang ift nicht geradlinig, jondern zicdzad. Das Neft ift jo groß wie eine Schüffel und jo hoch wie ein LZaib Brot und liegt über der SJnundationslinie, damit das Hochmafljer nicht hineindringen fan. Zur Zeit der Nijtung rupft das Weibchen fich jelbit und dem Männchen das Haar vom Rüden, um damit das Nejt zu poljtern. Das Weibchen hat feine Milchzigen, e3 legt jih auf den Nücden, und die beiden Jungen drücen die Mildh aus, indem fie mit ihren Schnäbeln um die kleinen, jiebartigen Löcher herumklopfen; die Milch fließt herab in eine Hautrinne, welche das Weibchen mit den Longitudinalmusfeln in der Medianlinie des Bauches bildet, und aus diejer Rinne jchluden fie die Mild. Die Jungen bleiben im Weit, bis fie 12 cm Größe erreicht haben; dann riechen fie heraus, und bei 20 em Größe wagen Ste fich, von der Mutter begleitet, aufs Wafjer. Nah der Säuggzeit pflegt das Weibchen jehr mager zu jein.“ Die Eier gleichen nach Semon in jeder Beziehung denen des Schnabeligels. Er ‚fand niemals weniger und niemals mehr al3 zwei Eier. Wenn einige Male Gelege von drei und jelbjt vier Jungen gefunden worden find, jo handelt e8 fi) wohl um Ausnahmen. Ein Beutel fommt bekanntlich beim Schnabeltier niemals zur Entwidelung, ein Verhalten, das jicherlich als ein jefundär entjtandenes aufzufaljen ift. Ornithorhynchus ift aber ein viel jeß- bafteres Tier al Echidna. Da es im Wafjer jeine Nahrung findet, braucht es Feine jo weiten Streifereien anzuftellen wie diefe und Fan nach jedem Ausfluge jofort zu feinem Neft am Flußufer und zu jeinen dort befindlichen Eiern und Jungen zurückehren.” Das Fehlen des DBeutels beim Schnabeltier hängt unbedingt mit dem Wafjerleben zufammen. Die Drunftzeit von Ornithorhynchus beginnt am Burnett etwas jpäter als die von Echidna, nämlich um Mitte Auguft. Ende Auguft 1891 hatten faft alle Weibchen, die ih jhoß, Eier in ihren Gileitern. Wie bei Echidna gibt eS eine nahezu, aber nicht ganz ausgewachlene Generation, die in beiden Gejchlechtern in diefer Brunftperiode noch nicht zur Gejchlechtsreife gelangt. An der Fortpflanzung nehmen nur die zweijährigen und älteren Generationen teil.‘ ‚„‚luch bei Ornithorhynchus wurde (von Semon, wie bei Echidna) ein entjchiedenes Überwiegen des männlichen Gejchlechtes beobachtet, jo daß auf ein erlegtes Weibchen immer 2—3 erlegte Männchen Famen.” Daher wohl au Topits Angabe: „Die Männchen ziehen zur Brunftzeit von einem Flufje zum andern, um die Weibchen zu juchen.“ Schnabeltier: Fortpflanzung und Jungenaufzucht. Standorte. dd Sn dem unten bejchriebenen Bau fand der jüngere Bennett zwei junge, vermutlich etwa 1 Monat alte Tiere. Sie lagen zu einer Kugel zufammengerollt und bedecdten mit dem Schwanze den auf dem Bauche oder Nücen ruhenden Schnabel und mit einem Vorder: fuße den Schwanz. Die Jungen waren 5 em lang, rund und wohlgenährt, von grauer Farbe, nadt und jamtglänzend; ihre Augen waren noch nicht völlig geöffnet. Wenn man fie jtörte, zifchten oder pfiffen jte, ähnlich wie eine junge Ente. Obwohl fie feine Nahrung erhielten, jtarben fie doch erjt nach mehreren Tagen und blieben bis zu ihrem Tode auch jehr lebhaft. Zwei nur 11-—12 em mefjende Junge aus einem andern Nejte warf derjelbe Be- obachter ins Waller; fie Ihwammen kräftig, konnten aber troß aller Bemühungen ihren Kopf nicht über Waller halten. Bei Tage jchliefen fte; in der Nacht waren fie jehr unruhig. Obwohl e8 gelang, ihnen etwas gelüßte Mil einzuflößen, die fte ledfend zu fich zu nehmen ihhienen, vermochte man doch nicht, fie am Leben zu erhalten. Sie jtarben nah 4 Tagen, ohne während diejer Zeit wahrnehmbar abgemagert zu Jein. Am liebften bewohnt das Schnabeltier ruhige Stellen der Flüfje, jogenannte Altwäiler, deren Ufer laubige Bäume bejchatten. Nah Semon ‚folgt e3 den fließenden Gewäljern von den Quellgebieten bis in die Ebene hinunter. Die Hauptbedingung für jein Vorkommen it die Einfchaltung einigermaßen ausgedehnter Austiefungen in das Flußbett, in denen das Waffer langjam fließt, jo daß fich auf dem Grunde Schlamm abjegen und eine Vegetation von Wafferpflanzen fich entwideln kann, die zahlreichen Waffertieren: Würmern, rebjen, Snjekten- larven, Schneden und Mujcheln, zum Aufenthalt dienen. Hter jucht und findet das Schnabel- tier feine Nahrung, hier ift es beim Untertauchen vor den Augen jeiner Verfolger verborgen, bier bleibt ihm in Perioden einer länger andauernden Dürre, die das übrige Flußbett aus- trocnet, fast immer etwas Waffer. Si folchen Zeiten wandern übrigens diejenigen Schnabel- tiere, die fleinere Austiefungen bewohnen, jobald der Wafjerjtand darin allzu tief finkt, zu den größeren, wafjerreichen, die bejjer vor dem Austrodnen gefhüßt fd. Dann fann man in leßteren eine Zunahme, ein Zujfammendrängen der Schnabeltierbevölferung Eonjtatterei. Sn jeinem Neviere legt das Schnabeltier ich am Uferrande einen mehr oder weniger fünfts lihen Bau an, ift dabei aber nach Semon ziemlich wähleriih. Für die Anlegung jeines Baues bevorzugt eS die jteiler anfteigenden, baummuchstragenden Ufer vor denen, die mit geringerem Neigungswinfel zum Fluß abfallen. Die Konfiguration des Ufers muß eben eine jolche jein, daß das Tier eine unter dem Wafferjpiegel beginnende Nöhre anlegen fan, die, jehief auf- jteigend, eine Höhe von mehreren Metern über dem Wafjerjpiegel gewinnt. Bei dem ungemein wechjelmden Wafferftande der auftraliichen Flüffe ift, damit der Bau diefen Anforderungen genügen joll, das Tier jehr Häufig genötigt, feine derzeitige Wohnung aufzugeben und einen neuen Bau anzulegen. Sp fand ih denn von den zahlreichen Röhren, die ich öffnete, die Mehrzahl unbewohnt und jhon jeit längerer oder kürzerer Zeit von ihrem Bewohner verlafjen. Wird durch Hochwaljer und Flut die Konfiguration des Flußufers jtark geändert, jo Fan man unter Umftänden beobachten, daß die Schnabeltiere jene Stelle verlafjen und fich weiter flußaufwärts oder flußabwärts anfieveln.” Die erite Höhle, die Bennett jah, lag an einem jteilen Ufer zwijchen Gras und Kräutern, dicht am Fluffe. Ein etwa 6 m langer, vielfach gewundener Gang mündete in einen geräumigeren Keffel, der wie der Gang mit trocnen Wafjerpflanzen beftreut war. Gewöhnlich hat aber jeder Bau zwei Eingänge, einen unter dem Wafjerjpiegel, den andern etwa 30 em darüber. Zuweilen kommt es vor, daß der Ein: gang bis 1,5 m vom Rande des Wafjers entfernt ift. Da die Röhre von unten jchief im die Höhe läuft, ift der Keffel jelten dem Eindringen des Hochwafjers ausgeiegt. Auch jeheint ich 18 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabeltierartige. das Tier hiernadh zu richten und, je nach der Höhe des Wafjerftandes, die Nöhre entjprechend weit, mitunter bis 15 m Länge auszudehnen, Genauere Bejchreibung mehrerer Schnabeltierbaue hat jpäter der Sohn Bennetts ge geben. Der Gang des erjten war ungefähr 10—11 cm breit und S cm hoch und verlief stetig in Schlangenwindungen nad oben; ungefähr 1,5 m vom Eingange befand fich eine Kammer an der rechten Seite, 30 cm lang, 15 em hoch und 21 em breit, 1,5 m weiter eine zweite, ähnlich der erjten. Noch 3 m weiter befand fich ein größeres Gemacdh, 50 em lang, 31 cm breit und 26 em hoch. ES barg ein Neft aus trocdnem Graje, Rohritengeln und Gufalyptusblättern; leßtere waren jwarz, aljo offenbar vom Grunde des Wafjers geholt. Einen Ausgang nach oben bejaß die Neftkammer nicht. Ein zweiter Bau bejaß drei Seiten: fammern. Wie beim eriten lagen fie höher als die Yaufröhre, ihren Zwec vermochte Bennett nicht zu ergründen. DVerjchieden von diejen Schnabeltierbauen der Ebene waren die, welche It. v. Zendenfeld an den Gebirgsbächen der auftraliichen Alpen fand. ‚Der Bau bejteht nicht aus einer einfachen, geraden, chief aufwärts ziehenden Röhre, jondern meilt aus einem Neß- werfe von mehreren, oft gewundenen, labyrinthiich miteinander zufammenhängenden Gängen. E3 läßt fi in der Regel ein Hauptweg unterjcheiden, der 0,5—1,5 m unter der Wafjerober: fläche zwijchen den Wurzeln der am Ufer ftehenden Sträucher und Bäume beginnt und unter einem Winkel von 20-45 Grad jchief nach aufwärts führt. Der untere, vom Wafjer erfüllte Teil des Ganges zieht fi durch das dichte Wurzelgewirre hin, und er ift oft gar nicht durch) das Ervreich angelegt. Bon dem oberen, troden liegenden Teile des Hauptganges gehen mehrere Nebengänge von ähnlicher Ausdehnung wie der Hauptgang ab. ch habe bis vier folcher Nebengänge beobachtet, alle bis auf einen gehen auch ins Waffer hinab und verlieren fic) zwijchen den dichten Wurzeln, während einer oberhalb der Wafjerfläche ebenfalls hinter Wur- zelmaffen ausmündet. Soviel ic) jehen fonnte, haben die unter Wafjer mündenden Ausgänge weite Öffnungen, während der obere, in der Luft mündende Gang nicht offen ift, jondern derart von Wurzelmafjen abgejchlofjen wird, daß ein Schnabeltier unmöglich hindurch Fönnte. Diefer Gang fcheint nur zur Durdlüftung zu dienen. Die Gänge find etwa S—15 cm weit, im allgemeinen ift der obere, unverzweigte Teil des Hauptganges enger als die unteren Streefen, und zwar jo jhmal, daß fi) ein Schnabeltier darin nicht umdrehen Fan. Am Ende des Hauptganges, 1—-2 m über der Wafjeroberfläche, liegt das Nejt: eine platte, 30—50 em breite und 25-—-30 em hohe, rundliche Höhle, die mit den zarten Blättern von Wafjer- pflanzen und dergleichen ausgepolitert ift. Hier legt das Weibehen zu Beginn des Sommers mehrere weichhäutige Gier.’ Man fieht die Schnabeltiere zu jeder Zeit in den Flüffen Auftraliens, am häufigiten jedoch während des Frühlings und der Sommermonate, und e$ fragt fi, ob fe nicht viel- leicht einen Winterfchlaf halten. Sie find eigentlih Dämmerungstiere, obwohl fie auch wäh- vend des Tages ihre Verftecfe auf furze Zeit verlaffen, um ihrer Nahrung nachzugehen. Meift begeben fie fich, nach Semon, furz vor Sonnenaufgang in den Fluß und verweilen dort, bis die Sonne voll aufgegangen ift, ebenfo abends von etwas vor bis furz nad) Sonnenunter- gang, was jedesmal einem Zeitraum von 20—30 Minuten entjpridt. Wenn das Wafjer recht Klar ift, Fann man den Weg, den das bald tauchende, bald wieder auf der Oberfläche ericheinende Tier nimmt, mit den Augen verfolgen. Will man es beobachten, jo muß man ganz regungslos verweilen; denn nicht die geringite Bewegung entgeht jeinem fcharfen Auge, nicht das geringfte Geräujch feinem feinen Obhre. Semon erzählt: „Jeder verdächtige Laut bringt es zum Verjchwinden. So fah ich einmal eins jofort untertauchen, al in 1 km Schnabeltier: Baue. Lebensweiie. 19 Entfernung ein Schuß fiel. ES kam aber bald wieder zum Vorjchein, was e8 entjchieden nicht getan haben würde, wenn es durch einen Yaut in größerer Nähe erjchredit worden wäre. Einmal verjcheucht, Juchen die Tiere fait jtetS ihren Bau auf und fommen an dem betreffenden Morgen oder Abend nicht mehr zum Vorjchein.” Selten bleibt das Schnabeltier länger als 1 over 2 Minuten oben; dann taucht e$ und erjcheint in einer Kleinen Entfernung wieder. „tb und zu jah ich“, erzählt Semon, „das Tier auch jpielend an der Oberfläche herum- Ihwimmen und plätjchernd auf Furze Zeit tauchen, gleichwie um fich zu vergnügen... Sn zwei verjchiedenen Fällen beobachtete ich ein Schnabeltier im Trodinen, auf dem Grafe der Fluß: bant liegen, jich dehnen und ftreden und feinen Pelz reinigen und pugen. In beiden Fällen glitten die Tiere, al3 fie meine Gegenwart bemerkten, ins Waffer, tauchten unter und waren verjhwunden, indem fie ihren Bau durch die unter dem Wafjeripiegel auffteigende Röhre ge- wannen. Der oberirdiiche Zugang wurde in beiden Fällen nicht benußt.” Wie Bennett an gefangenen beobachtete, hält fich das Schnabeltier gern am Ufer, dicht über dem Schlamme, und gründelt hier zwilchen den Wurzeln und unterften Blättern der Waffergewächje, die den Hauptaufenthalt von Kerbtieren bilden. Die Nahrung, die es während feiner Weidegänge aufnimmt, hauptjächlich Kleine Wafjerferbtiere und Weichtiere, wird zunächit in den Baden: tafchen aufbewahrt und dann bei größerer Nuhe verzehrt. Sehr anjchaulich jchildert dies Semon: „syn der Zeit des auftraliichen Winters, alfo Juni bis Ende August, wenn die Nächte falt find, darf man ficher fein, die Tiere beit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang im Fluffe zu finden. Sit man morgens frühzeitig am Fluß und erwartet das Anbrechen des Tages, jo fann man, jobald die erjten Sonnenftrahlen die Wafjerfläche treffen und die Gegenftände unterjcheivbar machen, im Fluß einen Gegenftand von 1—2 Fuß Länge unterjcheiden, der wie ein Brett flach im Wafjer Ihwimmt. Zuweilen liegt er eine Zeitlang regungslos da, dann plöglich wieder ift er verfchwunden, um nad einigen Minuten an einer andern Stelle auf- zutauchen. 3 ijt dies das Schnabeltier, welches im Schlamme des Flußbettes fein Morgen: frühjtüc Jucht. Mit feinem platten Entenjchnabel gründelt es im Flußiehlamm nach Snjetten- larven, Würmern, Schneden und bejonders nah Mujheln. Was es findet, wird nicht jofort verzehrt, Jondern zuerst in den geräumigen Badentajhen aufgejpeichert. Sind dieje gefüllt, dann erjt beginnt das Gejchäft des Zermalmens und VBerfchludens der Nahrung an der Ober- flähhe. Wenn man aljo das Tier regungslos an der Oberfläche treiben fieht, jo ijt es mit der Zerkleinerung feiner Nahrung bejehäftigt. Jh Konnte vielfah am Burnett die DBe- obachtung machen, daß die Hauptnahrung unjers Tieres aus einer hartichaligen Muschel (Corbieula nepeanensis Less.) bejteht, welche man oft in Fülle in den Badentajchen auf: gejpeichert findet. Zum Zerkleinern diefer Nahrung find Zähne natürlich jchlechte Wert- zeuge; fe find viel zu jpröde und brüchig und werden deshalb bald abgenußt. Hornig ver: dichte Kieferränder find ungleich befjere Hilfsmittel, jo harte Nüffe zu fnaden. Und jo ijt wahrjcheinlich der Diangel der Zähne und fein eigentümlicher Erjag aus der Mujchelnahrung des Schnabeltieres zu erklären.‘ Topie „bat mehrere Schnabeltiere ausgeweidet, und immer fand er den Magen mit einer breiartigen, Schwarzen Maffe gefüllt. ES ift jehr wahricheinlich, daß das Schnabeltier auch Fiichlaich verzehrt, weil dort, wo e3 fih aufhält, feine Fiiche zu jehen find. Die Fiiche jelbit aber frißt es nicht, da jonjt einige Nefte derjelben in jeinem Diagen gefunden worden wären.’ „denn das abjonderliche Gejchöpf auf dem Boden hinläuft“, erzählt Bennett, „‚eriheint 8 dem Auge als etwas Übernatürliches, und feine jeltfame Geftalt erjchredt den Furchtiamen leicht. Kaben flüchten augenblidlich vor ihm, und jelbjt die Hunde, die nicht bejonders darauf S0 1. Ordnung: Kloafentiere. Yamilie: Schnabeltierartige. abgerichtet find, jtarren es mit gejpisten Obren an und bellen, fürchten fich aber, es zu be- rühren.” Derjelbe Bennett ließ viele Baue aufgraben und hatte jo den Vorteil, mehrere Schnabeltiere in der Gefangenjchaft zu beobachten. „‚Der Eingang oder die Borhalle des Baues“, berichtet er, „war groß im Verhältnis zur Breite des ferneren Ganges; denn diefer wurde um fo enger, je weiter wir vorrücten, bis er zulegt der Stärke des Schnabeltieres ent- ipradd. Wir verfolgten ihn bis auf 3 m Tiefe. Plößlich tauchte der Kopf eines Schnabel: tieres aus dem Grunde hervor, juft, als wenn es eben im Schlafe geftört worden und ber: untergefommen wäre, um zu fehen, was wir wünjchten. Doch fehien e8 der Überzeugung zu leben, daß unjere lärmende Arbeit nicht zu jeinem Bejten gemeint fei, denn es 30g fich eiligjt wieder zurüd. Beim Umdrehen wurde es am Hinterfuße ergriffen und herausgezogen. Es ihien fich darüber jehr zu beunruhigen und zu verwundern; wenigjtens war es entjchieden als eine Wirkung feiner Furcht anzufehen, daß es jchleunigft, nicht eben zu unjerem Ver: gnügen, jeine jehr unangenehm riechende Ausleerung von fich gab. Das Tier ließ feinen Yaut hören, verfuchte auch feinen Angriff auf mich, fraßte aber mit den Hinterfüßen meine Hand ein wenig, indem e8 entrinnen wollte. Seine Kleinen, hellen Augen glänzten; die Off- nungen der Ohren erweiterten ich bald und zogen jich bald zufammen, als ob es jeden Laut hätte auffangen wollen, während fein Herz vor Furcht heftig Elopfte. Nach einiger Zeit jchien 8 fich in feine Lage zu ergeben, obwohl eS mitunter doch noch zu enttommen juchte. Am Felle durfte ich es nicht fafjen; denn diejes ift jo lofe, daß das Tier fih anfühlt, als ob es in einem dien Belzjade jtede. Wir taten unfern Gefangenen, ein erwachjenes Weibchen, in ein Faß voll Gras, Flußichlamm, Wafler ujw. E3 fragte überall, um feinem Gefängnifje zu entfommen; da e3 aber alle Mühe vergebens fand, wurde es ruhig, roch zufammen und jchien bald zu jchlafen. Si der Nacht war e3 jehr unruhig und fragte wiederum mit den Vorder: pfoten, als ob es fich einen Gang graben wolle. Alm Porgen fand ich e3 feft eingejchlafen, den Schwanz nach innen gekehrt, Kopf und Schnabel unter der Bruft, den Körper zujam- mengerollt. AlS ich jeinen Schlummer jtörte, Inurrte e8 ungefähr wie ein junger Hund, nur etwas janfter und vielleicht wohllautender. Den Tag über blieb es meift ruhig, während der Nacht aber juchte eS aufs neue zu entfommen und Enurrte anhaltend. Alle Europäer in der Kachbarichaft, die das Tier jo oft tot gejehen hatten, waren erfreut, endlich einmal ein lebendiges beobachten zu können, und ich glaube, e3 war dies überhaupt das erjtemal, daß ein Europäer ein Schnabeltier lebendig fing und den Bau durchforjchte. ‚US ich abreifte, fteckte ich meinen ‚Mallangong‘ in eine fleine Kifte mit Gras und nahm ihn mit mir. Um ihm eine Erholung zu gewähren, weckte ich ihn nach einiger Zeit, band einen langen Strid an fein Hinterbein und jeßte ihn an das Ufer. Er fand bald jeinen Weg ins Waffer und jchwanm ftromaufwärts, offenbar entzücdt von den Stellen, die am dichteften von Wafferpflanzen bevecdt waren. Nachdem fich das Tier jatt getaucht hatte, Froch es auf das Ufer heraus, legte fich auf das Gras und gönnte fich die Wonne, ih zu Fragen und zu Fämmen. Zu diefem Neinigungsverfahren benußte es die Hinterpfoten wechjelweite, lie aber bald die angebundene Pfote der Unbequemlichfeit halber in Ruhe. Der biegjame Kör- per Fam den Füßen auf halbem Wege entgegen. Diefe Säuberung dauerte über eine Stunde; dann war das Tier aber auch glänzender und glatter als zuvor. Einige Tage jpäter ließ ich e3 wiederum ein Bad nehmen, diesmal in einem flaren Fluffe, wo ich jeine Bewegungen deutlich wahrnehmen Fonnte. Najch tauchte e8 bis auf den Boden, blieb dort eine furze Weile und jtieg empor. ES jchweifte am Ufer entlang, indem e3 fich von den Gefühlseindrücken jeines Schnabel3 leiten ließ, der als ein jehr zartes Taftwerkzeug vielfach benußt zu werden n er Schnabeltier: Lebensweile. jcheint. ES mußte fih ganz gut ernähren, denn jo oft es den Schnabel aus dem Schlamme zurüchog, hatte e3 ficherlich etwas Freßbares darin, weil die Freßwerkzeuge dann in der ihm beim Kauen eigenen Bewegung nach jeitwärts gerichtet waren. VBerfchtedene Kerbtiere, die dicht um das Tier herumflatterten, ließ es unbeläftigt, entweder weil es fie nicht Jah, oder weil es die Speije vorzog, die der Schlamm gewährte. Nach feiner Mahlzeit pflegte es manc)- mal auf dem rafigen Ufer halb außer dem Waffer fich niederzulegen oder fich rüchwärts zu biegen, indem es jeinen Belz fämmte und reinigte. In jein Gefängnis fehrte es jehr ungern zurüc, und diesmal wollte eS Jich durchaus nicht beruhigen. in der Nacht hörte ich ein Kragen in jeiner Kite, die in meinem Schlafzimmer jtand, und jtehe: am nächiten Morgen fand ich fie leer. Das Schnabeltier hatte glücdlich eine Latte losgelöft und feine Flucht ausgeführt. So waren alle meine Hoffnungen fernerer Beobachtungen vereitelt.“ Auf einer neuen Neife gelang e8 Bennett, einen Bau mit jchon behaarten Jungen zu entdecken, die er eine Zeitlang beobachten fonnte. „‚Eines Abends famen meine beiden kleinen Lieblinge gegen die Dämmerftunde hervor und fragen wie gewöhnlich ihr Futter; dann aber begannen fie zu jptelen wie ein paar junge Hunde, indem fte einander mit ihrem Schnabel angriffen, ihre VBorderpfoten erhoben, übereinander wegkletterten ulm. Fiel bei diefem Kampfe einer nieder, und man erwartete mit Bejtimmtheit, daß er fich jchleunigit erheben und den Kampf erneuern würde, jo fam ihm wohl der Gedanke, ganz ruhig liegen zu bleiben und fich zu fragen, und jein Mittämpe jah dann ruhig zu und wartete, bis das Spiel wieder anfing. Beim Herumlaufen waren fie außerordentlich lebendig; ihre Huglein ftrahlten, und die Off- nungen ihrer Ohren öffneten und jchlofjen fih ungemein jchnell. Ste können, da ihre Augen jehr hoch amı Kopfe jtehen, nicht gut in gerader Yinte vor fich jehen, jtogen daher an alles an und werfen häufig leichte Gegenftände um. Oft jah ich fie den Kopf erheben, als ob jte die Dinge um Sich her betrachten wollten; mitunter ließen fie tch jogar mit mir ein: ich jtreichelte oder fraßte fie, und fie ihrerjeits Kießen fich diefe Liebfojungen gern gefallen oder bijjen jpielend nach meinem Finger und benahmen fich überhaupt auch hierin gänzlich wie Hündchen. Wenn ihr Fell naf war, fämmten fie nicht nur, jondern pußten e3 genau jo wie eine Ente ihre en 53 wurde dann auch immer viel jchöner und glänzender. Tat ich jte in ein tiefes Gefäß oll Waffer, jo juchten fie jehr bald wieder herauszufommen; war dagegen das Waffer jeicht und ein Rafenftüct in einer Edle, jo gefiel e3 ihnen ausnehmend. Sie wiederholten im Wafjer genau diejelben Spiele wie auf dem Fußboden, und wenn fie müde waren, legten fie fich auf den Itajen und fämmten fi. Nach der Reinigung pflegten fie im Zimmer ein Weilchen auf und ab zu gehen und fich dann zur Ruhe zu begeben. Selten blieben fie länger als 10—15 Minuten im Waffer. Auch in der Nacht hörte ich fie manchmal fnurren, und es jchien, als wenn fie jptelten oder fich balgten, aber am Morgen fand ich fie dann immer ruhig jchlafend in ihrem Nejte. ‚Anfangs war ich geneigt, fie als Nachttiere zu betrachten; ich fand jedoch bald, dab n Leben jehr unregelmäßig ift, indem fie jowohl bei Tage als bei Nacht ihre Ruhejtätte z1 völlig verjchiedenen Zeiten verließen; mit dem Dunkelhwerden jchienen fie jedoch lebendiger und laufluftiger zu werden. Nur zu dem fihern Schluffe konnte ich fommen, daß fte ebenjogut Tag: wie Nachttiere find, obwohl fie den fühlen, düfteren Abend der Hibe und dem grellen Lichte des Mittags vorziehen. ES war nicht bloß mit den Jungen jo, auch die Alten zeigten fich gleich unzuverläffig. Eines Abends, als beide umberliefen, jtieß das Weibchen ein Quiefen aus, als wenn e8 jeinen Gefährten riefe, der irgendwo im Zimmer hinter einem Hausgeräte verjtecft war. Er antwortete augenbliclich in ähnlihem Tone, und das Weibchen lief nach) der Stelle, von welcher die Antwort fam. Höchit pofjierlich war es, die jeltfjamen Tiere gähnen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 6 82 1. Ordnung: Rloafentiere. Tamilie: Schnabeltierartige. K.T. HARTIQ. 1919. | Stellungen des Wafjerfhnabeltieres. Nah den Spirituseremplaren de Mujeums für Naturkunde in Berlun entworfen und gezeichnet von K. 2. Hartig. Schnabeltier: Lebensweife. Fleiich. 83 oder fich reden zu jehen. Sie ftredten dabei die Vorderpfoten von fih und dehnten die Schwimmbhäute joweit wie möglich aus. Dft wunderte ich mich, wie fie es nur anfangen möchten, auf einen Bücherjchrank oder dergleichen hinaufzufommen. Endlich jah ich, wie fie ji) mit dem Rüden an die Mauer lehnten und die Füße gegen den Schrank jtemmten, und jo, dank ihren ftarfen Rüdenmusfeln und jcharfen Nägeln, äußert jcehnell emporfletterten. Das Futter, welches ich ihnen gab, war Brot in Wafjer geweicht, hart gefochtes Ei und jehr fein zerjtüceltes Fleifh. Milch jchienen fie dem Wafjer nicht vorzuziehen. Bald nach meiner Ankunft in Syoney wurden zu meinem großen Bedauern die Tierchen magerer, und ihr Fell verlor das jchöne glänzende Ausjehen. Sie fraßen wenig, liefen jedoch noch munter in der Stube umber; allein wenn fie naß wurden, verfilzte fich der Pelz, und fie wurden nicht mehr jo jeynell troden wie früher. Man jah ihnen das Umwohljein überall an, und ihr Anblid konnte nur noch Mitleid erregen. Am 29. Januar jtarb das Weibchen, am 2. Februar das Männchen. ch hatte fie nur ungefähr 5 Wochen am Leben erhalten.‘ Aus den ferneren Beobachtungen, die Bennett machte, erfahren wir, daß das Schnabel- tier im Wafjer nicht lange leben fan. Wenn man eins audh nur auf 15 Minuten in tiefes Wafjer brachte, ohne daß es eine jeichte Stelle finden fonnte, war e3 beim Herausneh- men völlig erjchöpft oder dem Tode nahe. Auf jeiner zweiten Reife erfuhr Bennett, daß beim Schnabeltier die Hoden der Männchen vor der Baarungszeit wie bei den Vögeln anjchwollen und jo groß wie Taubeneier wurden, während te jonjt nur die Größe Kleiner Erbjen haben. Er erhielt auch wieder mehrere lebendige Schnabeltiere. „Zwei Gefangene, die mir am 28. Dezember 1858 gebracht wurden“, jagte er, „waren jo furchtjam, daß fie, um ein wenig Luft zu jehnappen, nur die Schnabel- Ipige aus dem Waffer herausjtedten; dann tauchten beide jchleunigit wieder unter und jchienen jehr wohl zu wiljen, daß fie beobachtet würden. Die längjte Zeit, die fie unter dem Wajjer zus bringen konnten, ohne aufzutauchen, war 7 Minuten 15 Sekunden. Als wir fie von weiten beobachteten, Froch das eine aus dem Wafjerfajfe und verfuchte zu entfommen. Dies beweift, daß die Schnabeltiere entweder durchs Geficht oder durchs Gehör bemerkt haben mußten, wenn man fie beobachtete; denn jolange wir dabei jtanden, verfuchten fie nie zu entfommen und erjchienen überhaupt jelten an der Oberfläche. Nach und nach wurden fie zahmer, zeigten ih auf dem Wafjer und liegen fich jogar berühren. Das Weibchen pflegte feine Nahrung zu verzehren, indem es auf dem Waffer jchwanım. ES war viel zahmer als das Männchen, das lieber auf dem Grunde blieb. Kam den empfindlichen Najenlöchern etwa Staub zu nahe, jo war ein Sprudeln zu bemerfen, als ob fie ihn wegtreiben wollten. Gelang ihnen dies nicht, Jo wujchen fie den Schnabel ab. Wenn ich das Männchen bei Nacht ftörte, pflegte es wie gewöhnlich zu Inurren und nachher ein eigentümliches jchrilles Pfeifen auszuftoßen, wohl einen Ruf für feinen Gefährten. Bereits am 2. Januar ftarb das Weibchen, während das Männchen noch bis zum 4. lebte.“ Nah Topic hält das Schnabeltier unter dem Wajffer manchmal bis 10 Minuten aus. Nah 13 Minuten ertrinkt e8, was der Genannte durch zahlreiche Verfuche fichergeftellt hat, wenn er die lebenden, im Fiihneß gefangenen Tiere duch Untertauchen in Wafjer töten wollte. Die Auftralier jollen troß der widerlichen Ausdünftung das Fleifch des Schnabeltieres jehr gern ejjen. „Die Neuholländer‘‘, jo erzählt einer der eriten Berichterjtatter, „‚Sißen mit Eleinen Speeren bewaffnet am Ufer und lauern, bis ein jolches Tier auftaucht. Erjehen fie dann eine Gelegenheit, jo werfen fie den Spieß mit großer Gejchielichkeit nach diefem Wildbret und fangen e3 ganz gejchiett auf diefe Weije.“ Anders berichtet Semon. „Von meinen Schwarzen 6* 54 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabeltierartige. konnte ich wenig Auskunft über die Lebensgewohnheiten des Tieres, das fie ‚Jungjumore‘ nennen, erhalten; denn fie pflegen dasjelbe nicht zu jagen, weil fie jein Fleifch gänzlich ver- ihmähen. Wie Bennett berichtet, haben aber die Eingeborenen am Wollondilly und am Yas- fluß in New South Wales einen andern Gefchmad und find auf Schnabeltierfleiich jehr erpicht. ‚Bon den weißen Ktoloniften wird das Schnabeltier nicht verfolgt. Zwar ift das Pelz werk jehön und dicht; eS erinnert etwas an den Maulwurfspelz, hat aber längere Haare. Für Belzwerk ift indejjen in einem jo warmen Lande wie Queensland wenig Bedarf...” Semon Fonnte eine ziemliche Menge von Schnabeltierfellen mit nach Haufe bringen, die, zu Belzmüsen verarbeitet, für einige verftändnisvolle Freunde und ihn jelbjt ein intereffantes Grinnerungsftüd an das eierlegende Säugetier bei den Antipoden darftellen. Semon fand auch bald heraus, auf welche Weije das Tier am beiten zu erlegen jet. „seven Morgen noch vor Anbruch des Tages erhob ich mich und eilte zu jolchen Stellen des (Boyne-) Flufjes, die ihrer ganzen Bejchaffenheit nach mit Wahrjcheinlichkeit als Jagdrevier der Schnabeltiere anzujehen waren. Denn nur in tieferen und breiteren Stellen des Flufjes, wo die Tiere beim Untertauchen dem Auge verihwinden und fich deshalb ficher Fühlen, wo das Wafjer langjamer fließt und jtch auf vem Boden eine reiche Tier und Pflanzenwelt an= jieveln kann, hat man, wie bereits gejchildert, auf Schnabeltiere zu rechnen. Wenn das Schnabeltier fich an der Oberfläche des Waflers befindet, Fan es mit jeinen Kleinen, tief im Belzwerk verjtecten Augen genau beobachten, was über ihm am anfteigenden Flußufer vor lich geht. Ebenjo jeharf it fein Gehör, und der geringite verdächtige Yaut genügt, um das jeheue Tier zu vertreiben. ES it deshalb ein vergebliches Bemühen, fich heranchleichen zu wollen, jolange es an der Oberfläche verweilt. Man hat regungslos wie eine Bildjäule jtehen zu bleiben, bis es untergetaucht ift, dann jpringt man jofort vorwärts auf die Stelle zu, an der es verichwunden it; jowie es auftaucht, bleibt man wieder jtehen, und dies wiederholt man, bis man auf Schußweite herangefommen it. Man bat jich ganz ähnlich zu verhalten wie beim Anfpringen eines Auerhabns. It man auf Schußweite heran, jo erwartet man mit erhobenem Gewehr das erneute Wievderauftauchen des Wildes. Denm jchon das Erheben der Alinte würde genügen, um das Tier zu erichreden und auf Nimmerwiederjehen zu vericheuchen. Einmal vericheucht, läßt fih das Schnabeltier an demjelben Morgen oder Abend jeher nicht wieder bliden. Als ich erjt einmal diefe Methode heraus hatte, tft mir faum jemals ein Schnabeltier entgangen, obwohl feine Jagd bei den Koloniften für jchoierig gilt. Auch das üt ein faljches Vorurteil, daß das Tier zähe und Jchwer zu erlegen jet. Ein jeder Treffer tötet e3, jelbjt wenn er nicht den Kopf, jondern nur den Yeib trifft. Gewöhnlich lagen die Tiere im Feuer, einigemal hatten fie noch etwas Lebenskraft und verfuchten danır regelmäßig, durch Tauchen den einen unter Waljer gelegenen Eingang ihres Baues zu erreichen und jo zu enttommen. Niemals jah ich fie den VBerfuch machen, durch den andern, über Waffer befind- lichen Zugang ihren Bau zu gewinnen. Sind die Tiere jedoch jehwer verwundet, jo find ihre Verfuche, zu tauchen, fruchtlos, da der Körper Ipezifiich bedeutend leichter ijt als das Wafjer, und 8 zum Tauchen eines bedeutenden Kraftaufwandes bedarf. Die angejchoffenen Tiere hörte ich einigemal ein dumpfes Stöhnen ausftogen.” Nach Topit jhwimmen Schnabel: tiere mit dem Bauche nach oben auf dem Waffer, weil Bauch und Schwanz fehr fetthaltig find. „sb verluchte auch”, erzählt Scmon weiter, „Die Tiere in Schlingen zu fangen und weiß, daß dieje Methode Schon verfchiedentlich geglückt ift. Man bringt die Shlingen vor dem über Wafjer befindlichen Zugang des Baues an und fängt das Tier dann, wenn es den Bau verläßt oder dahin zurückehrt. Zah hatte mit diefer Methode feinen Erfolg, was ich auf drei Gründe Schnabeltier: Jagd. Feinde. Gefangenschaft. fol5) zurüctühre. Cinmal wird wohl in den meijten Fällen der unter Waffer befindliche Zugana als Aus= und Einlaufsrohr benußt, und der über Waffer befindliche Zugang dient bloß als Ventilator und nur gelegentlich als Pforte. Dann aber kann man es faum vermeiden, jeine Schlingen vor Bauen aufzujtellen, die längit verlafjen find. Das Schnabeltier liebt es, daf; der über dem Wafjer befindliche Zugang feines Baues ji einige Meter über dem Waffer- jpiegel befindet. Steigt nun das Wafjer im Fluß jehr hoch, oder fällt e3 anderjeits jehr tief, jo genügt der Bau nicht mehr den Anforderungen, und das Tier verläßt jein altes Heim und gründet jich eine neue Wohnftätte. Dies kann in einem Jahre mehrere Male vorkommen, deshalb findet man an Stellen, die dem Schnabeltier als Wohnftätte zufagen, neben be- wohnten immer eine ganze Neihe von verlafenen Bauen. Da der über Waller befindliche Zugang jelten befahren wird, jo ijt es durchaus nicht leicht, einem Bau von vornherein an- zufehen, ob er bewohnt ift over nicht. ch glaube alfo, daß ich meine Schlingen in vielen Fällen vor längit verlafjenen Bauen aufgejtellt habe. ‚sn Baynıdah hatte ich während meines kurzen Aufenthaltes eine anjehnliche Menge von Schnabeltieren erbeutet, auch hier in meinem Kamp am Boyne hatte ich anfangs noch ziemliches Glück, bald aber hörte das auf, und zwar im gleichen Mahe, als die Nächte wärmer wurden. Waren die Nächte recht Falt, jo konnte man zuweilen am hellen Tage noch die Schnabeltiere im Wafjer herumjchwimmen und ihre Nahrung aufjuchen jehen. Als es wärmer wurde, war e$ damit zu Ende. Auch in der Morgen und Abendoämmerung waren die Tiere danır jeltener zu finden, und in der wirklich heißen Zeit gelang es mir jo gut wie niemals mehr, fie anzutreffen und zu erlegen. Ganz genau diejelbe Erjcheinung beobachtete ich im folgenden Jahre, als ich im Juni 1892 an den Burnett zurücdfehrte und bis Ende Dftober dort blieb. ch fanın mir das nur jo erklären, daß in der wärmeren Jahreszeit die Tiere faft ausschließlich die Nächte zum Bejuche des Waffers benugen und den Tag über jchlafend in ihren Höhlen verbringen.’ Sp weit Semon über die Jagd. Wir juchen bei ihm vergebens eine Erklärung, warum das Schnabeltier jo jcheu ift, wenn es unter Tieren und Menjchen jo wenig Feinde hat. Es muß jolche aber doch haben over gehabt haben, jonjt wäre es eben nicht jo jcheu. Der Dingo, die Beutelraubtiere und die Naubvögel können jolhem gewandten Schwimmer und Taucher allerdings nichts anhaben, und wenn die Eingeborenen ebenfalls zum Teil wenigitens das tranig jehmedende Tier verfchmähen, jo ift tatjächlich Ichwer abzujehen, was es zu jo großer Vorficht und jo jchleuniger Flucht bei jeder Gelegenheit zwingt. ‚sm Boologiihen Garten zu Melbourne (Victoria, Auftralien) hielt man im Jahre 1888 Schnabeltiere in Gefangenichaft, wo fie ungefähr 5 Wochen lebten; rajch Ttechten jte dahin, bis fie, vollends abgemagert, zugrunde gingen, weil es unmöglich war, ihnen die natürlihe Nahrung auf irgendeine Fünftliche Art zu erjegen.”” Met jpäteren ging es nicht bejjer bis in die neuejte Zeit. Sn diejer Beziehung find wir heute auch noch nicht weiter. Gott jer’s geklagt! Lebend it noch fein Schnabeltier in Europa gemejen. Verfolgen wir die Vorgejchichte der Kloaken= oder Schnabeltiere rüchwärts, jo fommen wir vorläufig nicht weit. Wir kennen bis jeßt nur eine ausgejtorbene Schnabeligelart (Echidna oweni Krefft), die größer, und eine Schnabeltierart (Ornithorhynchus agilis de Vs), die fleiner war als die lebenden Arten, und dies find Angehörige der beiden lebenden Gattungen, nächite Verwandte der lebenden Formen, die uns über deren Abjtammung und weitere Berz wandtichaft gar nichts jagen fünnen. 86 1. Ordnung: Kloafentiere. Familie: Schnabeltierartige. Einen Hinweis auf dieje finden wir erjt wieder an der Schwelle des Altertums der Erod- rinde, in der füdafrifaniichen Karroo und der jüveutichen und füdengliichen Bonebedformas tion der Trias. Dort treffen wir auf die allerältejte Urjäugergruppe der Vielhöcderzähner (Multitubereulata), deren Badzähne eine unleugbare Ähnlichkeit mit dem Milchgebif des Schnabeltieres zeigen und dadurd eine gewilje Berwandtichaft ihrer uralten Träger mit den Stloafentieren beweilen. Ein Abftammungsverhältnis läßt fich aber daraus bis jegt nicht her- leiten; dazu find die Funde zu einfeitig, meilt nur einzelne Zähne. Die Frage nach der Ab- stammumng der Kloafentiere fommt aljo einftweilen noch auf die allgemeinere nach dem Ur- iprung der Säugetiere überhaupt hinaus, die oben Schon nach) Möglichkeit erörtert ift. Nur eins muß noch gejagt werden: daß die Kloafentiere mit ihrer Mifehung von primi- tiven und bochipezialilierten Eigenjchaften, ihrem Urfäugertum in der Fortpflanzung und im übrigen ihrer weitgetriebenen Anpafjung an bejtimmte Lebensweifen (Land- und Wafjerleben) notwendigerweile eine lange Borfahrenreihe vorauszujegen, deren Endformen in der Gegen: wart fie einjtweilen find, Einen noch wichtigeren Beitrag jedoch als die Schnabeltiere dürfte zur Naturgefchichte der niederften Säugetiere das einzige urangejejjene Landjäugetier Neujeelands liefern. Diejes ähnelt äußerlich einem Fiichotter, lebt am und im Wafjer wie diejer und tjt heute wahricheinlich auf die Gebirgsjeen der neufeeländiihen Südalpen bejehräntt. Man hat es wiederholt gejehen, einmal jo nahe, daß man ihm einen Beitichenhieb verjegen fonnte, auf den es mit einem jchrillen Schrei im Wafjer verichivand. Julius von Haaft Jah jeine Spuren im Schnee. Gleichwohl ift es noch nicht gelungen, jeiner habhaft zu werden. eufeeland hat von allen Ländern der Erde die tiefitjtehende Vogelwelt; wohl möglich, daß fein einziges lebendes eingeborenes Säugetter jo tief unter den Gabeltieren jteht wie diefe unter den Beutlern und jomit noch wichtige und vielleicht ungeahnte Auffchlüffe über die Uranfänge der Säuge- tiere liefert. N. v. Lendenfeld jagt darüber in jeinem Werke ‚„Neufeeland“: „Endlich joll noch ein braunes, otterähnliches Tier von Kaninchengröße, daß die Maoris Waitorefi nannten, in den Gewäfjern der Süpdinfel vorfommen.” Die Driginalmitteilungen Haafts find in Hochjtetters „Neujeeland” nur in einer An: merfung wiedergegeben: „Mein Freund Haaft Schreibt mir über ven Waitoreft unter dem 6. Juni 1861: ‚3500 Fuß über dem Meere habe ic) am obern Mihburtonflug (Südinjel, Provinz Canterbury) in einer Gegend, wo nie zuvor ein menschlicher Fuß wandelte, häufig dejjen Sührten gejehen. Diejelben find denjenigen unjeres europätichen Fiichotters ähnlich, nur etwas Kleiner. Jedoch erft das Tier jelbjt wurde von zwei Herren, die am Lake Heron in der Nacd)- bariehaft des Aihburton 2100 Fuß hoch eine Schafitation haben, gejehen. Sie bejchreiben das Tier als duntelbraun, von der Größe eines ftarfen Kaninchens. ES gab, als mit der Beitiche nach ihm gejchlagen wurde, einen pfeifenden Laut von fi und war jehnell im Wafjer zwiichen Schneegras verjchwunden. Das war im Jahre 1861, aber heute, nach 50 Jahren, it allem Anfcheine nach auch nicht mehr befannt; wir haben wenigftens nichts weiter über den rätjelhaften Waitorefi finden fönnen. Zweite Unterflaffe und zweite Ordnung: Beuteltiere (Marsupialia). Für die große Menge find die „Beuteltiere‘” die langbeinigen, hüpfenden Kängurubs: ihnen hat man im Zoologiichen Garten die Jungen aus dem Beutel am Bauche hervorguden jehen und fich darüber erjtaunt. Daß die Beuteltiere eine große, vielgeftaltige, auf das ver- ichiedenartigfte fi ernährende und bewegende Säugetiergruppe find, in der es Fleijch-, Sn= jeften- und Pflanzenfrejjer, Käufer, Hüpfer, Kletterer und Gräber gibt, weiß nur der befjer eingeweihte Tierfreund. Die Überjehrift „Unterklaffe” zeigt aber chen, daß die Beuteltiere, ebenfo wie die Kloafentiere, in einem gewiljen Gegenjab zu allen übrigen Säugetieren jtehen, wiederum auf Grund gewiffer Eigentümlichkeiten der Fortpflanzung und der Fortpflanzungsorgane. Die Beuteltiere erheben fich Dadurch über die Kloafentiere, daß fie alle lebendiggebärend find ımd alle ihre Jungen an Zißen jaugen. Sie jind alfo Säugetiere im wahren, unein= geichränkten Sinne des Wortes, unterjcheiden fich aber doch in der Fortpflanzung von allen anderen Säugetieren. Das hat man in fyitematiichen Namen zum Ausdruck bringen wollen. Man hat die Beuteltiere al3 Didelphia (Doppeljcheiventiere) unterjchieden einerjeitS von den Kloafen- tieren al® Ornithodelphia (Vogelicheidentiere), anderjeits von den übrigen Säugetieren als Monodelphia (Einjcheidentiere), je nach der doppelten, der vogel= over, bejjer gejagt, veptilien- ähnlichen und der einfachen, unpaaren Geftaltung des weiblichen Endorgans. Ebenfo jonderte man die Beuteltiere zufammen mit den Stloafentieren als Aplacentalia, d. h. jolche niedrig: jtehende Säugetiere, die jene innige, unter dem Namen des Mutterfuchens oder der Placenta befannte Verbindung zwifchen Mutterleib und Keimling nicht ausbilden, von den höheren Säugetieren, den Placentalia, die fie haben. Da wir heute aber wiljen, daß es aud) ges wilje Beuteltiere zu derartigen verwidelten Einrichtungen bringen, läßt fich die jcharfe Trennung der Säugetiere in Aplacentalia und Placentalia nicht mehr aufrechterhalten. Nicht einmal der Beutel jelbft ift durchgehends vorhanden, jondern unvolltommen aus: gebildet oder er fehlt, wo die Zahl und Anordnung der Zigen ihm wiverjtrebt: bei gewifjen amerifanijchen Beutelvatten. 63 fommt hinzu, daß die Hauptmafje der Beuteltiere auf den fünften, entlegenen und in jo vieler Beziehung eigentümlichen Erdteil Auftralien zufammengedrängt tft, dort aber in einer ganz erftaunlichen Mannigfaltigfeit auftritt, ähnlich wie die Halbaffen auf Madagastar. In der Hauptjache lebt nur eine Beuteltierfamilie, und zwar diejenige der Beutelvatten (Didelphyidae), die in früheren Erdperioden auch in Europa vorkam, heute in Amerita. Ferner ift nach den neueren Unterjuchungen eines auftraliihen Forichers, Alerander Sutherland, die Blutwärme der Beuteltiere zwar höher und jtetiger als bei ven Schnabel- tieren, aber doch nicht jo hoch und fo ftetig wie bei den übrigen Säugetieren. Ein Mittel 83 2. Ordnung: Beuteltiere. aus 16 verjehiedenen Beuteltierarten jtellt fih auf 36°, aljo etwa 3° nievriger alS bei den höheren Säugern. Die niedrigjte Körperwärme nächit den Kloafentieren haben die Wombats mit 34°, dann folgt nach ergänzenden Meffungen Le Souefs im Melbourner Zoologijchen Garten der Flugbeutler oder das Zucereihhorn mit 35,7°, hierauf der Koala oder Beutelbär mit 36,49 im Mittel, auf das die nachweislich höhere Temperatur der trächtigen Weibchen eimvirkt; Männchen allein haben nur 35,2%. Sn der heigen Sonne erwärmten fich die Tiere bis auf 37,9%, an Falten Tagen und im Schatten maßen fie nur 35,2 oder 35,3%. Le Soukf stellte weiter fejt für die Beutelmarder 36°, für die Kufus 36,6%; aber auch hier wurde mit Außentemperatur und Wetter ein viel größerer Spielraum als bei den höheren Säugetieren beobachtet: von 35,5 bis 37°. Selenfa maß an Opofjums 37%. Känguruhs zeigten Blut- wärmen etwas unter der menschlichen, zwijchen 35,9 und 37°. Unter allen diefen Umständen fanın es jchließlich nicht wundernehmen, wenn man in den Beuteltieren eine ganze Zeitlang mehr gejehen hat als eine einfache Säugetieroronung, wenn man vielmehr | IN | glaubte, in ihnen eine Ss | 5 ie > € rt befondere Säugetier- EL a zn N welt vor fich zu haben, a ? primitive Wunzel und = ee erdaeihichtiih alten ; nr ar Ih ————— GT | Mutterboden aller üb- ——— rigen Säugetiere, uns Stüd der Wirbelfäule eines Beuteltieres mit Beden und Beutelfnoden. verändert forterhalten Von einer Beutelratte. Aus Bronn, a Drdnungen des Tierreichs”. Leipzig bis auf die Gegenwart indem abgelegenen und abgejchloffenen Auftralien, wo fein ftegreiches Eindringen jüngerer, höher und bejjer organi- jterter Säugetierformen mögli war. Dieje Anichauung wurde noch weiter jehr wejentlich gefejtigt durch die bejtimmende Tatjache, daß der Fonjervativfte Teil des Säugetierförpers, an den die Syftematifer Tich Tonft zu halten pflegen, das Gebiß, bei den Beuteltieren ebenfalls die verichtedenartigfte Ausbildung vom Naubtier= bis zum Nagetiergebiß zeigt. Nichtsdeito- weniger neigt heute wieder die allgemeine Anficht dahin, daß die Beuteltiere troß aller äußern Berichtevenheit Doc eine eng zufammengehörige, im innerjten Wefen gleichartige Gruppe find wie die Übrigen Säugetierordonungen; fie Fonnte fich nur in Auftralien, weil fie dort mit Kagern Mäufen) und Flevermäufen allein war, in einer ausnehmend reichen Fülle von Yhr- paljungsformen an die verschiedensten Lebensweilen entfalten. Ganz neuerdings („„Sib.Ber. d. Naturf. Fr.” 1909) dedten nun Hans Frieventhals Unter: juchungen jehr merkwürdige Übereinftimmungen auf im Bau von Beuteltierhaaren mit dem bei Tieren, die nach der heutigen Syftematif feine VBerwandtichaft zu Beuteltieren befigen. Die Beutelipigmaus (Sminthopsis) trägt ein Spigmausfell, der Beutelmaulwurf (Notoryctes) ein Maulwurfsfell, und Frieventhal „Fand zu jeiner Überraichung jelbft feine Bejonderheiten ver „smektenfrejjerhaare bei den obengenannten Beuteltierhaaren wieder”. Anderjeits haben alle Beuteltiere zwei ganz charakteriftiiche Einzelfennzeichen gemein, deren eines allerdings wenigitens mittelbar mit der eigentümlichen Jungenpflege im Beutel zujammenhängt und dementjprechend auch den Kloakentieren zukommt. Das ift zunächit der jogenannte Beutelfnochen, der jederfeits vorn auf dem Schambein des Bedens mit breitem Gelenke auflißt und auch aus der Anorpelmafje des Schambeines entjteht. Jedenfalls ift es > Allgemeines. 0) [9 nach Weber nicht eine einfache Verfnöcherung der Sehne des jchiefen Bauchmusfels, wie man bis dahin annahm. Auch die wohl als jelbjtverjtändlich betrachtete Bedeutung: Stüte des Beutels oder auh Schuß der Beuteljungen vor allzu jtarfem Drude des fich ausdehnenden Bauches will Weber nicht gelten lafjen; höchitens jollen die Beutelfnochen „bei der Komprejfion der Milhdrüfe pafliv mithelfen. m übrigen ift ihre Funktion unbekannt.” Dies gilt erjt recht für das zweite bezeichnende Merkmal des Beuteltierjfeletts, die jeharfe Einbiegung nach) innen, die das hintere, untere Ende des Unterfiefers, der jogenannte Processus angularis, zeigt. Und doch geht dieje Unterkieferform durch alle Beuteltiere durch, mit Aus- nahme einer einzigen Gattung (Tarsipes). Cuvier, der große franzöfische Syitematifer vom Anfang vorigen Jahrhunderts, erkannte daran mit genialem Kennerblid im Mufeum zu Drford den Unterkiefer eines fojjtilen Beuteltieres, und jeine trefffichere Kühnbeit, die vielen Zweifeln begegnete, wurde zwanzig Jahre jpäter von Owen durch jorgfältige Unterfuchung glänzend gerechtfertigt. Syn der Hauptjache bleibt es aber immer die eigenartige Fortpflanzung und ungen= pflege, die das Wejen der Beuteltiere ausmacht. Die Fortpflanzungswerfzeuge beider Ge- jehlechter find von denen der übrigen Säuge- tiere abweichend gejtaltet. ever Eileiter er- weitert fich zu einem bejondern Fruchtbalter, der in feine eigne Scheide mündet. Dieje beiven Scheiden verwacjjen gewöhnlid) in ber Düttel- Beuteltierunterfiefer von hinten und von ber linie bis zu einem gemwiljen Grade, und der Seite. Erftere Figur zeigt die j—harfe Einwärtsbiegung des urfpängihe ed Fänge dann noch weiter verwifchen und verwideln durch Ausftülpung eines Blindjades und nachträglichen Durchbruch, jo daß jcehlieplich die Scheide dreifach erjcheint. Die Scheiden münden in eine jehr flache Kloafe, „die jelbit ganz verjchwin= den Fann, namentlich bei den Arten, deren Scheiven einen bedeutenderen Blindjad bilden“. An den männlichen Gefhlehtsorganen muß dem aufmerkfjamen Beihauer auffallen, daß der Penis, der oft eine gejpaltene Eichel hat, jhwanzwärts vom Hodenjad jißt: gerade das umgefehrte Verhältnis, wie man e$ bei männlichen Säugetieren zu jehen gewohnt üft. E3 rührt von abweichenden Berlaufe der Samenleiter im Verhältnis zu den Harnleitern her. Sonft ift am männlichen Beuteltier merkwürdig, daß e8 im erwachjenen Alter von den jetundären Gejchlechtscharafteren des Weibchens gewöhnlich feine Spur zeigt, weder von den Bien, die in verfümmertem Zustande jonft jtets auch die Säugetiermännchen haben, noch vom Beutel. Beim jungen Männchen, mindeitens beim männlichen Beuteljungen it aber beides vorhanden. Das bedeutet nach unferen jegigen Anjchauungen jo viel, daß der Beutel eine uralte Einrichtung jein muß, nicht erft verhältnismäßig Ipät in der Stammesgejchichte der Beuteltiere erworben jein ann. Anderjeits wird uns das Fehlen des Beutels beim Männchen verftändlicher, wenn wir jehen, wie er auch beim Weibchen durchaus nicht in allen Gattungen vorhanden zu jein braucht. In der Fortpflanzungsweife ftimmen die Beuteltiere mit dem Schnabeligel überein durch den Beutel, der fi nach dem Kopfe oder nach dem Schwanze zu öffnen fan, wohl im Zufammenbang mit Körperhaltung und Bewegung in den verjchiedenen Beuteltierfamilien. Es gibt zu denten, daß er gerade bei der Familie, die auch den abweichenden Verbreitungsbezirt 90 2. Ordnung: Beuteltiere. hat, bei den amerifanijchen Beutelvatten, nicht immer vollftändig ausgebildet tft, jondern auf jeitlihe Hautfalten bejchräntt jein Fan. Kopf eines etwa 2 Mo= nate alten Beuteljun= gen vom Bennettsfän= guruh. Aus Weinland, „3901. Garten” 1861. Bon vorn aejehen, bi8 in die Obrgegend aufgefhnitten, Schnittflächen punftiert, aZahnleiften, b Vers tiefung im Gaumen für Die ige, e Schnittflähen, d Hütz tere Najenöffnungen, darunter der Kehlfopfzapfen, e Kanäle rehts und links desjelben für den Abfluß der Mil in die Spetjeröhre, £ muldenfürmige Bertiefung in der Zunge, in der die Zite ruht. Die Beuteltiere gebären zweifellos lebendig; aber was fie zur Welt bringen, ijt jozujagen eine Frühgeburt, die bei ihnen zur Negel geworden tft: ein nadter, ganz unentwidelter, winzig Kleiner Embryo (beim mannshohen Niejenfängurub 3. B. nicht länger als ein Eleiner Finger), jo unreif, daß er nicht entfernt imjtande wäre, außer förper- lihem Zujammenhang mit der Mutter weiterzuleben, jelbittätig zu jaugen und fich weiterzuentwideln. Trogdem kommt es bei einzelnen Beuteltieren, 3. B. dem Surznafenbeuteldachs, bis zur Bildung einer ganz unzweifelhaften, ausgeprägten ‘Blacenta. Für das frühgeborene Beuteltierjunge muß nach der Geburt no in ganz befonderem Maße gejorgt werden, und das gejchieht nicht nur durch den Beutel, in den e3 die Mutter jofort nach der Geburt hineinjchtebt, das Kleine Fleiihklümpehen zwijchen die Lippen fafjend, jondern noch weiter durch Geftalt und Ginrichtung der Zigen und Milchorüfen und eine Bildung am neugeborenen Beutel- jungen jelbjt, die Bevvard, der Brojektor der Yondoner Zoologijchen Gejellichaft, geradezu als ein ‚„Yarvenorgan’ bezeichnet und mit dem Haftorgan am Kinn der Kaulquappe vergleicht. Dies ift der Saug- mund, der alsbald entjteht, nachdem das Neugeborene die Ziße gefaßt bat. Dann verwahjen nämlich bis auf eine Kleine, rundliche Offmung um dieje herum feine Mumpdränvder. Das im Munde befindliche Ende der Ziße jchwillt an und „formt fich genau nach der Mundhöhle, jo daß das hilfloje Zunge, ohne Kraft auszuüben, daran hängen bleibt“ Zugleich hat jich der Kehlfopf in die Höhe gehoben und feit in die inneren Nafenöffnungen eingeichoben, ein Verhältnis, was wir nur bei den Walen wieder: finden und aus demjelben Zwede vie bei diejen zu verjtehen haben: um ein ungeftörtes Atmen Beuteljunges an der Zige (Rän- gurub). Aus Weinland, „Zool. Gars ten” 1861. zu jichern, unabhängig von allem, was vorn in der Mund böhle gejchieht und von da nach hinten um den Keblkopf herum in die Speiferöhre geführt wird. Auf Grund diejer An- paljungserjcheinungen an das Beutelleben erklärt Beddard das Beuteljunge nicht für einen unreifen SKeimling, jondern für eine wirkliche Yarve mit befonderen Einrichtungen, die nur für ihr Zarvenleben pafjen und fich nachher wieder verlieren, was tatjächlich mit dem Saugmund und der Kehlkopfnajenverbindung der Fall it. Die Ausführungsgänge der bauchitändigen Milhdrüfen vereinigen fich, wie bei den übrigen Säugetieren, zu Zißen, deren Zahl gewöhnlich 4 beträgt, auf 2 finfen und ausnahmsweije (bei einer Beutelrattenart) bis auf 27 jteigen fan. Durch einen bejonderen Musfel (Musculus compressor mammae) wird die Milchdrüfe zufammengepreßt und die Welch dadurch dem an der Zite hängenden Beuteljungen eingefprißt, jo daß diejes ganz ohne fein HZutun ernährt wird. Später fpaltet der Saugmund wieder auf, der Kehlkopf finkt herab, und das weiterentwidelte Junge jaugt dann jelbittätig wie jeder andere Säugling. Allgemeines. 91 Unferer modernen Naturanjchauung ericheint der Beutel und alle die Einrichtungen, die wir anjchließend an ihn hier bejchrieben haben, im engften Zulammenhang mit der unvoll- fommenen Fortpflanzung, der Frühgeburt der Beuteltiere, mit ihrer Unfähigkeit, die Leibes- frucht richtig auszutragen. Das junge Beuteltier, das nadt und blind, mit furzen Glieder: tummeln zur Welt fan, bleibt an der Ziße hängen, bis fich die Sinneswerkzeuge und Hliedmaßen entwidelt haben, und bei den mit entwiceltem Beutel verfehenen Formen ift ver Beutel jo lange nicht allein Neft und Zufluchtsort, jondern auch gleichlam ein zweiter Sruchthalter, noch ein- mal der Mutterleib. Bon bier aus macht das junge Deuteltier jpäter größere und immer größere Ausflüge; jeine ganze Kindheit aber verbringt es an der Ziße, und bei mehr als einem Mitgliede diefer merkwürdigen Ordnung, das bloß einen Monat over etwas darüber in dem wirklichen Sruchthalter ausgetragen wurde, währt die Tragzeit im Beutel 6—8 Monate. Bon vem Tage der Empfängnis bis zu dem, an dem das ‚sunge jeinen Kopf aus dem Beutel jteckt, vergehen bei dem Niejenfängurub ungefähr 7 Monate, von diejer Zeit bis dahin, wann e3 den Beutel zum erjtenmal verläßt, noc) etwa 9 Wochen, und ebenjo- lange lebt dann das junge Ge= Ihöpf noch teils im Beutel, Geöffneter Beutel mit Jungem an ber Zite (Kängurub). Na einem Präparat im Leipziger Zoologijhen Jnjtitut gezeichnet von U. Reichert. teils außerhalb desjelben. Die Zahl der Jungen fanıı jehr beträchtlich jein (Beutelratten). Zeigten uns die Fortpflanzungsverhältnifje eine durchgehende Gleichartigkeit und natür- lihe Zufammengehörigfeit der Beuteltiere, jo ijt dies bei der jonft verläßlichiten Grundlage ver Säugetieriyftematif, dem Gebiß, nur in jehr beichränktem Mape der Fall. Ausführ- liches bringt Dependorf darüber in feinen Studien „Zur Entwidelungsgejchichte des Zahn: iyitems der Marjupialier”. „Auch das Gebiß der Marjupialier ijt bereits jeit Jahren ein= gehenden vergleichenden Forihungen unterzogen worden. Die urjprüngliche Einheit diejes 99 2. Drdnung: Beuteltiere. DOrganfyftems hat bei ven Beuteltieren troß ihrer jonft jo vielen gemeinjamen Eigenjchaften durch Anpaffung an bejondere Lebensgewohnheiten jtark gelitten; jo finden wir bei den wenigen heute noch lebenden Beuteltieren eine verhältnismäßig große Anzahl der verjchievenartigiten Gebiffe... Dieje Bemerkung läßt fich bei der Entwidelung aller Gebifje der Beuteltiere machen, daß fich nämlich ihr einjt Durchgängiges njektiworengebiß in volljtändiger Auflöfung be= findet...” Nur in einer, allerdings jehr merkwürdigen Eigentümlichteit des Gebiljes Tind fih die Beuteltiere gleich: fie wechjeln mur einen einzigen Zahn, und zwar den dritten (bei foffilen Gattungen den vierten) Badzahn, von vorn gezählt; bei einer Familie (Phascolomyidae) bleibt jogar auch diefer ungewechjelt. Man hat ji) auf Grund eingehender Unterfuchungen iiber die eigentliche Bedeutung diefes Borganges lange geftritten und ihn in Zufammenhang gebracht mit der bejchriebenen Ernährungsweile des Beuteljungen, die vermöge der vollfom- menen Ausfüllung ver Saugmundhöhle durch die Ziße frühzeitiger Entwidelung eines Nilch- gebijjes und regelrechtem Zahnwechjel wohl binverlich jein mag. Wir dürfen aber jest mit Küfenthal das Beuteltiergebiß als ein bejtehen bleibendes Milchgebiß betrachten, nachdem ung der genannte Breslauer Zoolog gezeigt bat, wie bei der jungen Beutelvatte die zweite Be- zahnung dur Zahnkeime angelegt wird, aber mit Ausnahme des dritten Baczahnes nicht zur Entwidelung fommt. ac dem Gebiß zerfallen die Beuteltiere zunächit in zwei große Gruppen (Unteroronuns u gen), die fich Schon im ganzen Hußeren, nad Zwei Beuteltierfgädel Zeigen die verfgiedene Aus» Grnährungs- und Bewegungsweile unterjcheiz biloung des Gebifjeg je nach Nahrung und Lebensweije: 2 Me: ’ . 1 Fleifchfrefjer (Raubbeutler), 2 Pflanzenfreffer (Kängurub). den: die tierfreffenden Polyprotodontia (DViel- ine, ae des Tierreids”, porderzähner) mit Naubtiergebiß und die pflanzenfrejjenden Diprotodontia (Zweivorder- zähner) mit Nagetiergebiß. Die Bielvorderzähner haben oben bis 5, unten bis 4 kleine Schneide- zähne in jeder Kieferhälfte, einen großen Eefzahn und jcharfe, vier- bis fünfipißige Badzähne; fie find Naubtiere und njektenfreffer. Die Zweivorderzähner haben unten nur je einen langen, fräftigen, meijt nach vorn gerichteten Schneidezahn, der Eehzahn fehlt oder ift ganz Klein, die Baczähne find niedrig, breithöderig; die Nagetierähnlichkeit fanın jo weit gehen, daß die Schneidezähne genau wie bei den echten Nagern zeitlebens wachjen und nur vorn und an der Seite mit Schmelz überzogen find (Wombat). Heute ijt aber damit die Einteilung der Beuteltiere im großen nach dem Gebiß nicht mehr erichöpft, und zugleich hat unfere Kenntnis ihrer Verbreitung, auch abgejehen von den Beutelratten, eine unerwartete Erweiterung erfahren, als in Südamerika, und zwar in Ecuador, eine Gattung Kleiner Beuteltiere (Caenolestes) entdecit wurde, die nicht zu den Beutelratten gehören, dafür aber nichts mehr und nichts weniger als lebende Angehörige einer ausgeftorbenen, aus alten Tertiärichichten Batagoniens befannten Beuteltiergruppe (Epanorthidae) find. Da jie im Gebiß eine Übergangsform zeigen, zwar vergrößerte und nach vorn gerichtete innere Schneidezähne unten haben, aber jcharfe, vier bis fünfipisige Badzähne ohne breite Höder, Allgemeines. 93 jo hat man fie Paueitubereulata (Wenighöcderzähner) genannt. Diefe dritte Unterordnung müffen wir alfo noch zwifchen die Poly- und Diprotodontia als gleichwertig einfchieben, wenn fie auch nur den suhalt einer einzigen lebenden Gattung hat. Mit der Art des Gebifjes und der Ernährung wechjelt auch die Form des Gelenffopfes des Unterkiefers. Bei den fleifch- und Ferbtierfreffenden Beuteltieren ift die Bewegung die eines Scharniergelenfs. Der Gelenkkopf ift dementiprechend walzig, wenigitens rundlich. Yettere Form wird der Hauptjache nad) auch bewahrt, wo dem Unterkiefer Gleitbewegungen, namentlich auch jeitlich, gejtattet find. Bei den Phalangeridae it jelbjt Notation jeder Unterfieferhälfte, ähnlich wie bei den fimplieidentaten (eichhorn= und mausartigen) Nagern, möglich. (Weber.) Über die Fußformen der Beuteltiere und die Stufe, auf der fie in diefer Beziehung jtehen, jpricht fich Karl Vogt jehr beveutungsvoll aus. „Die Füße erleiden gleichfalls mehr- fache Miopififationen. Man fann nicht oft genug wieder: holen, daß die uriprümgliche Form der Füße fünf getrennte, mit Nägeln verjehene Zeben beitgt. Alle Formen mit we- niger Zehen und mit Hufen find Abweichungen vom ur: Iprünglichen Typus und durch einfeitige Entwidelung ent- jtanden. Das Abjtehen des Daumens, das jo weit geben fann, daß dieje Zehe jih den übrigen gegenüberftellt, it ebenfalls eine urjprüngliche, bei allen Säugetierembryonen von Anfang an in jehr ausgeprägter Weife auftretende Bildung. Hieraus ergibt fi nun, daß die meiften Beutel- tiere noch die urjprüngliche Fußform, d. b. fünf Zehen mit Nägeln, bejigen und daß einige Gruppen, wie die Beutel- ratten und Fingerbeutler, an ven Hinterfüßen einen gegen: tändigen Daumen zeigen. Reduzierte Füße finden wir namentlich bei den Kängurubs und Kängurubratten; doch Hinterfuß eines Beuteltieres (Rustus, > ROTEN, z 3 Phalanger) mit Syndaftylie(VBerwahjung folgt bei diefen Tieren die Reduktion einer andern Negel der zweiten und dritten Zehe) und nagel- als bei den placentalen Säugetieren. Bei ltr eh hal ihwindet zunächft der Daumen, jodann die fünfte Zeche, "hierauf die zweite und endlich die vierte, jo daß Ichließlich nur die Mittelzehe übrigbleibt, wie bei ven Pferden, over die mittlere und die vierte Zehe, wie bei den Wiederfäuern. Bei den Beuteltieren hingegen verfümmern die Zehen in regelmäßiger Folge von innen nach außen, von dem Daumen ber gegen die Mittelzehe bin, jo daß die Kängurubs ich beim Springen auf die mächtig ausgebildete vierte und fünfte Zebe ftügen. Dies ijt ein wichtiger Unterjchted für die morphologiiche Betrachtung der Füße.“ Eine Vorjtufe zu der eigenartigen Zehenverminderung ijt die jogenannte Syndattylie, das Verfümmern und VBerwachjen der zweiten und dritten Zehe, die bei ven Beuteltieren überall auftritt, abgejehen von Beutelratten und Naubbeutlern. Hierher gehört auch, daß die Daumenzehe mit einer einzigen Ausnahme ftets ohne Nagel it. ES gibt zu denfen, daß die Syndaftylie, die fich zunächit aus Eletternder Yebensweije erklärt, diejer wenigitens jehr aut fich einfügt, auch bei nichtkletternden Beutlern, und anderjeits wieder bei Eletternden Nicht- beutlern vorkommt. Jndes geben uns die Beuteltiere auch andere Anhaltspunkte für die Vor: jtellung, daß fie von Eletternden Vorfahren abjtammen: fo die Heine, entgegenjtellbare Daumen- zehe bei einem nächjten Verwandten des Kängurubs (Hypsiprymnodon) und die greifichwanz: artige Beichaffenheit des Schwanzes der Känguruhratte (Bettongia). 94 2. Oronung: Beuteltiere. Die rückgebildeten, zujanmengewachjenen Zehen werden aber zugleich noch zu einem andern Zwecke verwendet: fie dienen als „Bußhändchen“, wie Brandes e8 treffend nennt, und erfahren neben der NRüc- auch eine gewilje Umbildung. Sonft läßt fich über die Yeibesbildung der Beuteltiere wenig Allgemeines jagen. Ge- nauere Betrachtung und Bergleihung mit anderen Säugern ergibt, daß die Ungleichmäßigkeit ihrer oft an Mitglieder anderer Ordnungen erinnernden Geftalt nicht minder auffällig ijt als deren Unvollfommenbeit, verglichen mit Tieren, denen jte ähneln. Vergleicht man ein Beutel- tier etwa mit einem Naub- oder Nagetiere, jo macht fich jofort auch dem blödelten Auge be- merklich, daß der Beutler unter allen Umftänden minder ausgebildet, entwicelt und vollendet it als der ihm ähnliche Näuber oder Nager. gend etwas fehlt unjerem durch andere Tier: geitalten verwöhnten Auge ftet3, wenn e3 das Beuteltier muftert, und es erjcheint jomit die Anjichauung, daß wir e8 mit unvollfommenen, weniger entwidelten Wejen zu tun haben, durchaus gerechtfertigt. So kann es nicht wundernehmen, daß das Schidjal der Beuteltiere jeit der Entvedung Auftraliens dur die Europäer fich jehr zum Böfen gewendet hat und fie ihrem Ende ent- gegengehen, und zwar jchnell und ficher, wie alles auf der Erde, was dem ihr natürliches Leben verwüftenden Kulturmenjchen nichts nüßt oder gar jchadet. Die Kängurubs, die neben ven Schafherden noch ihr Futter juchen wollten, mußten weg, wurden auf weite Streden Auftraliens mit vereinten Kräften im großen vertilgt, weil angeblich durch ihre Witterung den Schafen die Weide verefelt wurde. Die merkwürdigen Kleinen Beutler alle, man jchlägt und ihießt fie tot, wo man fie trifft. ES find allerdings manche darunter, die einmal ein Huhn jtehlen oder eine Bflanze ankfnabbern. Der Beutelwolf fan jogar ein Schaf reißen, und der Beutelteufel joll ähnliches probieren; fte beide hat man auch bereits faft ausgerottet, und um ein fleines Beutelraubtier (Phascologale), das etwa unjerem Wiejel entipräche, aljo wohl überall th halten könnte, bemüht fich Heck für den Berliner Garten nun Jon zwanzig Jahre vergebens. Klaatjch Ichreibt 1905 auf der Fahrt von Auftralien nach Java: ‚Bezüglich der biefigen Marfupialierwelt fan ich nur jagen, daß mein Gejamteindrud eine große Enttäu- ihung tft. Daß die harmlojen Gejchöpfe jo radikal, jo ohne jedes VBerjtändnis und Gefühl ausgerottet würden, und daß diefes Ausrottungswerk jchon jo weit gediehen jei, das hatte ich nicht erwartet. Der hartherzige und fenntnisloje Kolonift jchießt alles zum ‚fun' (Spaß) — vielfach) ohne auch nur das Fell zu verwerten. Die Ausnußung des leßteren gejchieht außer: dem in jolhem Maßjtab, daß beim Fehlen jeder Schonung, jedes Jagdjhuges die Gefahr vorliegt, daß manche interejjante Form, wie Phascolarctos (Beutelbär), bald zu den aus- gejtorbenen Tieren aufrücen wird.” Unter jolchen Umftänden it es wirklich höchite Zeit, daß berufene Stimmen in Auftralien jelbit jich erheben gegen dieje finnloje Ausrottung der eigenartigen Säugetierwelt ihres Vater: landes, und daß Ddieje Stimmen in der öffentlichen Meinung und Gejeßgebung auch durch- dringen, ehe es zu jpät if. Das Beuteltier, Faum 300 Sahre entvedt und bis dahin Die ganze Säugetierwelt eines ganzen Erdteiles und einer ganzen Menjchenraffe: heute jchon ein arg gefährdetes ‚„Naturdenkmal”, das gegen völlige Vernichtung energisch geihüst werden muß! Das it eine Kehrjeite der Kultur, die der weiße Mann in Natur: und Menfchenleben der fremden Erdteile trägt. Der Vorfigende der Linne-Gefellfchaft von Neufüdwales jagt in jeiner feierlichen Jahresrede vom März 1906: „Ein Gegenftand, der die lebhafte Aufmerk: jamteit aller Naturfreunde in Auftralien erheilcht, ift die Erhaltung der eingeborenen Tierwelt. Die wahlloje und frevelhafte Vernichtung der Vögel und Säugetiere, die jeßt weit und breit Allgemeines. 95 über das Land geht, ift wahrhaft entjeglich... Dazu muß noch die fahrläffige Vernichtung der eingeborenen Tiere durch das für die Kaninchen ausgelegte Gift hinzugefügt werden. Durch den jorglojen Gebrauch des Giftes, entweder in Köderbroden oder im Waffer, werden ungeheure Mengen unjerer einheimiichen Säugetiere und Vögel getötet... Die Einführung des Schafes und Rindviehs, gar nicht zu reden von den Kaninchen, ift ein tiefgreifender Faktor gewejen in der Anderung des Gleichgewichts der auftraliichen Natur, und wenn außerdem noch nüßliche und harmloje Gejchöpfe bis zum VBerfchwinden verfolgt werden in einem Geijte reiner, dummer Brutalität, darf man jich faum wundern, daß die Natur uns das auf eine ganz unzweideutige Beije vergilt.’‘ leuerdings hat man auch zum Belzwerf ver Beuteltiere gegriffen in Ermangelung eines Beljeren, nachdem man die altgewohnten Belztiere des altatiihen und amerifanifchen Nordens allzujehr vermindert hat, und heute jpielt „auftraliiches Opofjum” (Fuchstufu, Trichosurus) und „Wallaby” (fleinere Känguruharten) im Nauchwarenhandel jchon eine große Rolle, Nicht lange wird eS dauern, bis fie eben „alle“ jein werden. Sp möchte man fürchten. Da er- öffnet uns aber Emil Braß, wohl einer unferer beiten Kenner der Rauchwarenverhältniffe, beruhigenderweije eine glüclichere ‘Berjpeftive, indem er die erjtaunliche Vermehrung der „Dpofjums“ und „Wallabies” auf dem Pelzmarkt nicht durch rücjichtslofe, auf Ausrottung hinausfommende NRaubjagd, jondern durch die Verminderung erklärt, die die natürlichen Feinde diejer Beutler, die Dingos und die Eingeborenen, jeit der intenfiveren Kultivierung Auftraliens erfahren haben. Möge die Zukunft ihm recht geben! Vorläufig find wir froh, daß wir noch eine gewilje Anzahl Beuteltierformen regelmäßig oder wenigjtens nicht gerade jelten auf vem Tiermarkt lebend haben fünnen, und vorläufig jieht man ja auch noch in jedem Zoologijchen Garten einige Känguruhs und andere Beuteltiere, allerdings mit wenigen Ausnahmen immer wieder diejelben. Manche andere dagegen find, wie gejagt, noch nie lebend dagewejen, ohne daß man einen triftigen Grund dafür abjehen könnte, An unjeren Pfleglingen in der Gefangenjchaft machen wir die Erfahrung, daß fie auch) in ihrem Seelenleben anderen Säugern nicht gleichfommen. Höchjtens die Sinnesfähigfeiten dürften bet ihnen annähernd auf derjelben Stufe jtehen wie bei anderen Säugetieren, die Spntelligenz dagegen tft immer unverhältnismäßig gering. yedes einzelne Beuteltier erjcheint, verglichen mit einem ihm etwa entiprechenden höheren Säuger, als ein geiftlojes, weder der Ausbildung noch der Veredelung fähiges, der Lehre und dem Unterrichte unzugängliches Ge- Ihöpf. Niemals würde es möglich gewejen fein, aus dem Beutelwolfe ein Menjchentier zu ihaffen, wie der Hund es ift. Gleichgültigfeit gegen die Umgebung, joweit es fi nicht um eine vielleicht zu bewältigende Beute handelt, aljo joweit der Magen nicht ins Spiel fommt, Teilnahmlojigfeit gegenüber den verjchiedenartigiten Berhältniffen jcheinen allen Beuteltieren gemeinjam zu fein. Bon einem Sihhfügen in die Verhältnifje, von einem An und Eingewöhnen bemerft man bei diefen zurücgebliebnen Gejchöpfen wenig oder nichts. Man nennt einzelne Raubbeutler bösartig und biffig, weil fie, in die Enge getrieben, ihre Zähne rücdjichtslos ge- brauchen, einzelne pflanzenfreffende Beutler dagegen janft und gutmütig, weil fie jich faum oder nicht zu wehren verfuhen, bezeichnet damit aber weder das Wejen der einen noch der anderen richtig. Aus dem wehrhaftejten Naubtiere, das im Anfange jeiner Gefangenjchaft wütend und grimmig um fich beißt, wird bei guter Behandlung nach und nach ein menjchen- freundliches, zutunliches Wejen: das Beuteltier bleibt fich immer gleich und lernt auch nad) jahrelanger Gefangenjchaft den ihn pflegenden Wärter Faum von anderen Leuten unterjcheiden. Ebenjowenig, als es fich dem Menjchen unterwirft, ihm etwas zu Gefallen tut, jeinen Wünjchen 96 2. Drdnung: Beuteltiere Wamilie: Beutelratten. fich fügt, Zuneigung und Anhänglichkeit an ihn gewinnt, befreundet es fich mit anderen Tieren, faum mit jeinesgleichen. Xiebe und Haß Icheinen in der Seele des Beuteltieres mur angedeutet zu jein; Gleichgültigfeit und Teilnahmlofigkeit bekundet jelbft die Mutter den Jungen gegenüber, mit denen fie fich mehr und länger bejchäftigt als irgendein höheres Tier. Keine Beuteltiermutter jpielt, Joweit mir befannt, mit ihren Jungen, feine belehrt, feine unterrichtet fie. Dagegen gibt die Känguruhmutter ihr Junges bei Gefahr rücfichtslos preis, indem fie die hemmende Laft einfach aus dem Beutel herauswirft. Das Junge lernt, wenn es fich im Beutel befindet, nach und nach in dem engen Streije jeines Wirfens Jich zurechtfinven und bewegen, flüchtet, einigermaßen jelbjtändig geworden, bei Gefahr in den Beutel zurüd, wird auch wohl von der Mutter hierzu eingeladen und verläßt den Beutel endlich, wenn der Mutter‘ die Laft zu groß, vielleiht indem es von ihr vertrieben wird, fehrt jedoch auch manchmal dann noch, jelbjt wenn es bereits Mutterfreuden genießt und für eigne Nachlommenjchaft zu jorgen hat, zeitweilig zu der Alten zurüc, um womöglich mit den nachgeborenen Gejchwiltern zu jaugen, erlangt aljo eine wirkliche Selb- jtänpigfeit erjt in einem jehr fpäten Abjehnitte jeines Yebens. Bon Shmarogendem Ungeziefer werden natürlich die Beuteltiere ebenjo geplagt wie alle anderen Säugetiere; vor allem haben auch) fte ihre bejonderen Kloharten, jogar -gattungen. Sp wurde in der 1906er Aprilfißung der Linnean Society of New South Wales von Froggatt der Floh des Beutelmarders und Beuteldachjes, Stephanoeireus dasyuri, vorgezeigt jowie feine LYarve, und als wahrjcheinlich hingeftellt, daß die Beuteltierflöhe oft im Beutel ihrer Wirte ausgebrütet werden, der ja tatjächlich auch die geeignetite, wärmjte und Ficherite Körperjtelle ift. Derfelbe Froggatt lenkte in verjelben Sigung auch die Aufmerkamteit auf eine bemerfenswerte Angabe in der neuejten Nummer des „Queenslander“, der von einem ichrecflichen Beuteltierfterben durch „Sandfliegen” berichtet. Infolgedeffen verjchwanden die Beuteltiere aus weiten Gebieten des Yandes vollitändig. Schocdweile fonnte man die Leichen sählen, während andere überlebende wie ihrer Sinne beraubt waren und von den Fell: jägern auf ganz furze Entfernung nievergejchoffen wurden. ES hanpelt ftch hier um eine Kriebelmücke oder Gniße (Gattung Sinulia), eine Verwandte der berüchtigten Kolumbatjcher Miüce, von dem gleicynamigen jerbiichen Dorfe an der unteren Donau jo genannt, deren jtachelbewehrte, in wolfenartigen Maffen ausjchwärmende Weibchen auch dort manchmal das eivevieh bis zu Tode ftechen. Erfte Unterordnung: Polyprotodontia. Bei auffteigender Neihenfolge jtellt man die rein amerifanijche Gruppe der Bentelratten (Didelphyidae) voran, nicht [owohl ihrer abgejonderten geographiichen Verbreitung wegen, als weil fie durch ihre fünfzehigen, in feiner Weile riicigebtldeten Gliedmaßen und ihr zahn- reiches, vollitändiges Gebiß den urjprünglichen Zuftand daritellen. Das amerikanische Vaterland können wir jeit der Entdecung des Caenolestes (©. 92) den Beutelratten nicht mehr allein zufchreiben; wohl aber hat dieje Entvedtung des Überlebenden einer tertiären Übergangsgruppe das jchon vorhandene Schwergewicht der Verbreitung der Beutelvatten in Südamerika jehr wejentlich verftärktt. Heute dünft es uns nicht mehr jo un: wahricheinlich, daß die Beutelratten über eine frühere Yandverbindung aus Auftralien na Südamerika gefommen jind und nicht über Nordamerika. Lestere Annahme hatte man früher mehr in Betracht gezogen, weil eine Beutelratte heute noch in Nordamerika vorfommt und Allgemeines. 97 jehr nahe Verwandte im europäiichen Tertiär vorfamen. Die Beltimmung eines folchen Knochenrejtes war das ©. 89 erwähnte Bravourjtüc des genialen Cuvier. Die Beutelratten jind Beuteltiere, die höchjtens die Größe einer Kate erreichen, aber auch oft die einer Maus nicht übertreffen. Der Leib ift gedrungen, der Kopf an der Schnauze mehr oder weniger zugejpißt. Der Schwanz ift meiftens lang und ein an der Spibe nacdter Greif: ichwanz, zuweilen furz und mehr oder weniger behaart. Die Hinterbeine find etwas länger als die vorderen, die Pfoten fünfzebig, alle fünf Zehen wohlausgebildet und bei einer Gattung dur Schwimmbäute verbunden, der nagelloje Hinterdaumen ijt gegenjeßbar. Den Weibchen einiger Arten fehlt die Taiche, bei anderen ift jte vorhanden, und zwar häufiger nach hinten als nach vorn geöffnet. Die beutellojen Arten werfen, wie es jcheint, eine bedeutend größere Anzahl Junge als die mit Beutel verjehenen; darauf hat Snethlage- Bara neuerdings auf: merkjam gemacht: ‚Vielleicht jteht das mit dem großen Schuß, den der Beutel den Jungen gewährt, in Zufammenhang‘“. Sn der Zahnbildung tritt das Naubtiergepräge entjchteven hervor. Das Gebiß weilt mit 5 oberen Schneidezähnen jeverjeits die größte Zahl diefer Zähne auf, die überhaupt bei irgend- einem Säugetier vorkommt. Die Zahnformel ift ZI: nicht weniger als 50 Zähne. Die Cd: zähne find ziemlich entwicelt, die 4 Badzähne jedes Kiefers mehr oder weniger jpit und jcharf: zadig, die 3 Lüczähne mit jpißigen Hauptzaden, die Schneidezähne, von denen im Oberfiefer jederjeits 5, im Unterkiefer jederjeits 4 jtehen, Kleiner oder größer, ftumpfer oder Ichärfer, die beiden mittleren des Dberkiefers meist vergrößert. Die Beutelratten gehören wohl eigentlich in den Wald oder wenigitens ins dichte Gras und Gebüfch, wo fie fich ihr Verftedl juchen. A der Gegenwart haben jich aber eine ganze Reihe von ihnen mehr oder weniger an den Menjchen gewöhnt und haufen in allerlei Schlupf- winfeln feiner Gebäude und Gehöfte ähnlich mit ihm zujammen wie bei ung Marder und Stis, Ratte und Maus. Eine Art bevölfert die Ufer Feiner Flüffe und Bäche, Ihwimmt vortrefflih und fucht in Erdlöchern Shut. Alle find Nachttiere und führen durchgehends ein einfames, herumjchweifendes Leben, halten ficd auch bloß während der Baarungszeit mit ihrem Weibehen zufammen. Jhr Gang auf ebenem Boden, bei dem fie mit ganzer Sohle auftreten, ift ziemlich langfam und unficher; die meiften vermögen aber, wenn auch nicht ohne alle Mühe, Bäume zu erflettern, fich mittels ihres zum Greifwerfzeuge gewordenen Schwanzes aufs zuhängen und ftundenlang in folder Stellung zu verbleiben. Unter ihren Sinnen jcheint der Geruch am beiten ausgebildet zu fein. Die geiftigen Fähigkeiten find jehr gering, obgleich Tich eine gewifje Schlauheit nicht leugnen läßt; namentlich wiljen fie Fallen aller Art zu vermeiden. Sie leben von kleinen Säugetieren, Vögeln und deren Eiern, auch wohl von Kleinen Lurchen, von Kerbtieren und deren Larven jowie von Würmern, weniger von Früchten und andern Pflanzenftoffen. Die im Wafjer lebende Gattung verzehrt hauptlählih Füche. Die eigen: tümlich zifchenden Laute ihrer Stimme laffen fie bloß dann ertönen, wenn jte mißhandelt werden. Bei Verfolgung jeßen fie fich niemals zur Wehr, pflegen vielmehr alles ruhig über fich ergehen zu laffen, wenn fie fich nicht mehr verbergen fünnen. Syn der Angit verbreiten fie einen ftarfen, widrigen, fat Fnoblauchähnlichen Geruch). ‚on der Mitte des Winters”, jagt Nengger von den in Baraguay lebenden Arten der Beutelratten, „im Auguft nämlich, jcheint bei ihnen die Begattungszeit einzutreten; wenigitens trifft man in diefem Monat häufig die beiden Gefchlechter beieinander an und findet im darauf- folgenden Monat trächtige Weibchen. Diefe werfen nur einmal im Jahre. Die Anzahl ihrer ungen ift weder bei den Arten noch bei den verjchiedenen Weibchen einer Art diejelbe. ch Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 7 98 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. fand bei einer Art bis 14 Junge, oft aber nur 8 oder 4 und einmal bloß ein einziges. Die Tragzeit dauert etwas mehr als 3 Wochen. Anfang des Weinmonats fommen die Jungen zur Welt und treten jogleich unter den Beutel over unter die Hautfalten am Bauche der Mutter, wo fie fih an den Ziben anfaugen und jo lange in diefem Zuftande bleiben, bis fie ihre voll- fommene Ausbildung erreicht haben. Dies gejchieht nach 50 und einigen Tagen. Alsdann verlaffen fie den Beutel, nicht aber die Mutter, indem fie fih, auch wenn fie jchon frefjen fönnen, in ihrem Bebze feithalten und jo von ihr noch einige Zeit herumgetragen werden. „Die Größe der neugeborenen Jungen, die nicht alle gleichzeitig zur Welt fommen, be- trägt höchjtens 12 mm; ihr Körper it nadt, der Kopf im Verhältnis zu den übrigen Teilen groß; die Augen find gejchloffen, die Najenlöcher und der Mund hingegen offen, die Ohren in Quer= und Yängsfalten zujammengelegt, die Vorderbeine über der Bruft, die hinteren über dem Bauche gefreuzt, und der Schwanz ift nach unten gerollt; fie zeigen auch auf äußere teize nicht die geringite Bewegung. Nichtsdeitomweniger findet man fie kurze Zeit, nachdem fie in den Beutel gelangt find, an den Ziben angejogen. Die Jungen bleiben nun beinahe 2 Monate im Beutel, ohne die Ziben zu verlafjen, ausgenommen in den legten Tagen. Sn ven eriten 2 Monaten bemerkt man feine andere Veränderung an ihnen, als daß fie bedeutend zunehmen, und daß fich die Borjtenhaare am Munde zu zeigen anfangen. Nach 4 Wochen werden fie ungefähr die Größe einer Hausmaus erreicht haben, der Pelz tritt über den ganzen Körper hervor, und fie fönnen einige Bewegungen mit den Borderfüßen machen. Nach Azara jollen fie fich in diefem Alter fchon auf den Füßen halten fönnen. Etwa in der fiebenten Woche werden Ste faft jo groß wie eine Natte; dann öffnen fich die Augen. Von diefer Zeit an hängen fie nicht mehr ven ganzen Tag an den Ziben und verlafjen auch zumeilen ven Beutel, fehren aber jogleich wieder in ihn zurüd, jobald ihnen Gefahr droht. Bald aber ver- ihließt ihnen die Mutter den Beutel, der fie nicht mehr alle faljen fann, und trägt fie dagegen während mehrerer Tage, bis fie ihren Unterhalt jelbit zu finden imftande find, mit fih auf dem Nüden und den Schenfeln herum, wo fie fih an ven Haaren fejthalten. ‚Bährend der erjten Tage nach der Geburt jondern die Milchorüfen bloß eine durch: fichtige, etwas Elebrige Flüfligfeit ab, welde man im Magen der Jungen findet; jpäter wird dieje Flüffigkeit immer ftärfer und endlich zu wahrer Mild. Haben die Jungen einmal die Zigen verlaffen, jo hören fie auf zu jaugen, und die Mutter teilt ihre Beute mit ihnen, bejonders wenn dieje in Bögeln oder Eiern bejteht. Noch will ich eine Beobachtung erwähnen, welche Barlet bei einem jäugenden Weibehen gemacht haben wollte. Weder er noch ich hatten je erfahren können, wie die Säuglinge fich ihres Kotes und Harnes entledigen. Nachdem während meiner Abwejenheit ein Weibchen, welches dajelbjt geworfen hatte, 5 Wochen lang von Barlet beobachtet worden war, berichtete er mir bei meiner Nückehr, daß die Jungen während der eriten Tage nach der Geburt feinen Kot von fich geben, daß dies erjt gejchieht, wenn fie wenigitens 24 Tage alt find, und daß dann die Mutter von Zeit zu Zeit zu diejem Zwede den Beutel öffnet.” Diofield Thomas, der vortrefflihe Säugetieriyftematifer des Londoner Mufeums, jagt in feinem Katalog der Beutel- und Stloafentiere über die Beutelratten, ihre Stellung im Syftem und im Haushalte der Natur ihrer Heimat: ‚Diele Familie ift ausnehmend gleihförmig, die Verjchiedenheiten ihrer Mitglieder be wegen fi) nur auf einem fehr Kleinen Spielraum. Ym ganzen find fie den Dasyuridae (Beutelraubtieren) jehr nahe verwandt, und e3 wäre eine jehr zweifelhafte Sache, fie von diejen (alS Familie) zu trennen, wenn fie nicht ihre abgefonderte geographijche Stellung hätten. Allgemeines. 99 Die Beutelratten nehmen in der neotropiichen (füdamerikanifchen) Region den Blab der Sn- jeftenfreffer der anderen Erdteile ein (Snfektenfrejfer gibt e8 in Südamerika fonft nicht); die große Mehrzahl Elettert und entjpricht in diefer Beziehung den Spishörnchen des Malatifchen Archipels, einige leben aber mehr oder weniger auf der Erde (Untergattung Peramys) und ähneln jehr unferen Spigmäufen in Geftalt und Lebensgewohnbeiten.” Schlägt man im Trouefjartichen Säugetierfatalog die Familie der Beutelrattenartigen (Didelphyidae) auf, jo blättert man zunächit über Seiten voll ausgeftorbener Arten der Öattungen Amphiperatherium und Peratherium aus dem Tertiär von Südamerika (Argen- tinien), Nordamerifa und Europa, namentlich Frankreich. Darunter trifft man auch auf das Peratherium euvieri Fisch., aus dem Gips des Partjer Borjtadtberges Montmartre. Aus der num folgenden langen NReihe von mehr als 30 lebenden Beutelrattenarten, bejchriebenen und benannten Spezies der Gattung Didelphys Linn., deren Jnhalt nach dem VBorgange von Thomas durch weitere Einteilung in fünf Untergattungen etwas überfichtlicher und verjtänd- licher gemacht wird, hebt fih eine Gruppe Eleiner, kurzihwänziger Formen heraus (Schwanz ungefähr halb jo lang wie Kopf und Aumpf zufammen und nicht oder faum greiffähig), die mehr auf der Erde leben umd fi jogar in die offenen Pamıpas Argentiniens hinauswagen. „Dort eignen fie fich eine Yebensweije an, die ihrer Natur eigentlich fremd it, und liefern jo einen Beweis für die Biegjamkeit und Anpafjungsfähigfeit des tieriichen Organismus.” 63 find dies die mausgroßen Zwerge unter den Beutelratten, die jegt in ver Öattung Peramys vereinigt werden, abjeit3 von der Hauptmafje der größeren, langihwänzigen, Eletternden Ur: waldformen. Dieje teilen fi) wieder vierfach: in die großen (Unterjchenfel mehr als 9 cm lang) DOpofjums im engiten Sinne, Gattung Didelphys, deren Fell mit langen, borittgen Haaren untermijcht ift; in die mittelgroßen oder Kleinen (Unterjchenfel Fürzer al$ S cm) Metachirus- Arten ohne Borftenhaare im Fell; in die mittelgroßen, wollhaarigen Philander-Arten mit dunklem Streifen über die Mitte des Gefichtes und in die Kleinen (Unterjchenfel Fürzer als 4,5 cm), Ichlanfen, jehr langichwänzigen oder Marmosa-Arten mit jtraffem Fell und ohne Gefichtsitreifen. Gar manchem, der neu an die Sache herantritt, mögen dieje Einteilungen und Unterjeheidungen £leinlih, unnötig und unnüß erfcheinen. Aber es gewährt doch eine un= gleich tiefere und befriedigendere Einfiht, wen ich durch die fünf Gattungen der Beutelratten mit ihren vielen Arten lerne, daß nicht einige wenige, jondern ein ganzes Heer von Ktlein- räubern in allen Abjtufungen die an Kerbtieren, Lurchen und Vögeln reihe Nahrungsquelle des jüdamerifanijhen Urwaldes ausnußt und jogar Kleine Borpoften in die Bampes hinausjchidt. Unter den großen Beutelratten der Untergattung Didelphys im engften Sinne müfjen wir wieder unterjcheiden zwijchen (A) größeren ohne oder mit nur verwajchener brauner, Ge- fichtsftreifung über Scheitel und Stirn und vom Auge zum Ohr, das im Alter jhwarz wird, und (B) Eleineren mit jehr [hart umgrenzter hwarzer Gefichtsitreifung, deren Ohren zeit: lebens roja durchicheinend bleiben. Zmwijchen beiden prägt fich auch eine Berjchtevenheit im Wejen und Benehmen aus nah ganz neuen Mitteilungen von Dr. Emilie Snethlage, der trefflichen Zoologin am Mufeum Göldi in Para, auf die wir unten zurüdfommen müjjen. Anderjeits hat fich herausgeftellt, daß diejelbe Art zwei „‚Bhajen’ bildet, wie Allen und andere Forjcher fih ausdrücen, die fih mit den Beutelratten bejonders bejchäftigt haben, d. b. hell und dunfel gefärbt vorkommt, ohne daß dieje äußerlich jo verjchieden erjcheinenden Stüde jelbjt in den feinften Schädel- und Gebigmerfmalen auch nur im geringjten voneinander ab: weichen. Nach allen diejen Gefichtspunkten läßt man jest fünf jelbjtändige Hauptarten großer an \ 100 3, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. Beutelratten gelten, deren jede noch einige geographijch durch Jnjelvorfommen oder jonjtwie enger begrenzter Unterarten enthält. Gruppe A. 1. D. virginiana Kerr aus dem Südojten der Vereinigten Staaten Nordamerikas: Gejicht ganz weiß bis auf die dunkle Augenumgebung. 2. D. mesamericana Oken aus Ntederfaltfornien, Nordnerito, Teras, Aufatan: Najenrüden und Oberwangen braun, jharf abgejeßt gegen mweißliche Unterwangen; Gejichtöitreifung fann jehr undeutlich fichtbar werden. Beide fünnen wohl als die Dft- und Veltforn Nord- anıerifas gelten, die bei vielen Säugetieren diejes Gebietes wiederfehrt. . D. marsupialis Zinn. (cancrivora; Taf. „„Beuteltiere I“, 1) aus dem füdlichen Mittel- und nördlichen und nordweitlichen Südamerika: Gefichtsitreifung immer vorhanden, aber jehr verwaschen. Farbe nteift dunkel, oft beinahe ihwarz; lange, tief Shwarzbraune Stichelhaare, Wollhaare amı Ende ebenfalls dunkelbraun, am Grunde gelb; jtarfe Liichzähne. 4. D. aurita Wied (Taf. ‚„„Beuteltiere I“, 2) aus dem djtlihen Südamerika (Brafilien, abgejehen vom äußerjten Norden): Gefichtsitreifung deutlich, aber nicht Iharf abgelegt. Ohren in der Jugend rofa, im Alter [hwarz. Stichelhaare in der Jugend braun, in Alter rein weiß. Schwache Lüczähne. Die beiden legteren Arten haben längeren Schwanz als die beiden eriteren. o SruppeB. 5. D. paraguayensis Oken (azarae) außer dent dftlichen und füdlichen Südamerika (Brafilien jüdlich des Amazonas bis nördliches Argentinien) auc dem Welten und Norden bis zum Meerbufen von Maracaibo angehörig. Hat im Einklang mit ihren abweichenden iyjtenratijchen Merkmalen ihre jelbjtändige geographifche Verbreitung, und zwar mit ihren Unterarten eine riefig ausgedehnte, die jich zum Teil mit der der vorigen dedt; geht aber füdlicher. Die langen, zahlreichen Stichelhaare rein weiß; das übrige Haar gelblihwei mit jhwarzen Spigen. Bei diejer Art Sondern fih Schon im Leben anı deutlichjten die auffallend langen „Zeithaare‘ im Toldtihen Sinne durch ihre weiße Jarbe von dem gewöhnlichen Ober und Unterhaar, deijen Spigen dunkel gefärbt find. Unter den Beutelratten it das Norvamerifaniihe Opofjjum, Didelphys vir- giniana Kerr, wohl das befanntefte. Weder die Färbung noch irgendwelche Anmut oder An- nehmlichkeit in jeinen Sitten zeichnen es aus, und jo gilt es mit Necht als ein höchft widriges Gejchöpf. Die Leibeslänge des Opofjums beträgt über 47 em, die des Schwanzes etwa 43 cm. Die Weibchen unterjcheiden fih nach) Selenfa äußerlich von den Männchen durch die jpibere GSejtalt der Schnauze und die etivas Kleinere Statur. Der Leib ift wenig geftredt und ziemlich ihwerfällig, der Hals furz und did, der Kopf lang, an der Stirn abgefladht und allmählich in eine lange, zugeipiste Schnauze übergehend; die Beine find Furz, die Zehen voneinander getrennt und falt von aleiher Länge, die Hinterfüße mit einem den übrigen Zehen entgegen: jeßbaren Daumen verjehen; der ziemlich Dice, runde umd jpigige Schwanz ijt bloß an jeiner Wurzel behaart, von da bis zu jeinem Ende nadt und von feinen Schuppenreihen umgeben, zwifchen denen nur bier und da einige furze Haare hervortreten. Das Weibchen hat einen vollfommenen Beutel. Das Opofjum ift, wie feine ganze Ausrüftung beweilt, ein Baumtier, auf dem Boden dagegen ift e8 ziemlich langjam und unbehilflich. ES tritt beim Gehen mit ganzer Sohle auf. Alle Bewegungen find träge, und jelbft das Laufen fördert nur wenig, obgleich e3 aus einer Neihe von paßartigen Sprüngen befteht. Zn ven Baumkronen dagegen Flettert das Tier mit großer Sicherheit und ziemlich hurtig umher. Dabei fommen ihm die abjtehenden Daumen jeiner Hinterhände, mit denen e8 die Afte umfpannen und fejthalten kann, und der Koll: Ihwanz gut zuftatten. Nicht jelten hängt es fih an legterem auf und verbleibt jtundenlang in diefer Lage. Sein jchwerfälliger Bau hindert e8 freilich, mit derjelben Schnelligkeit und Gewanodtheit zu Klettern, wie Affen oder Nager e$ vermögen; doch tft es auf dem Baume jo ziemlich vor Feinden geborgen. Unter feinen Sinnen ift der Geruch bejonders ausgebildet, Beuteltiere 1. oh 1 l. Mucura, Didelphys marsupialis Linn. Us nat. Gr., s. S. 100. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 2. Großohr-Opolium, Didelphys aurita Wied. lie nat. Gr., s. S. 100. Aufgenommen im Zoologischen Garten zu Parä. nz USED USLDSI30]J007Z wT UOLMOUSFINY "FIIES-S IDEEN 'PBIeA NZ UOJIED UONISI30]00Z um uaWWOUSaINY 'zI1L 'S's "ID eu al, "uSp A eINsPWop sAÄwrIId ‘D}yD) ‘9 'Sor/L deıpum esoumep dypapaynagbiamz saßpjyjaug 'S "PJed NZ USNIEN UOUDSIZ0J00Z u UOWWOUSsINY — 'OIL’S'S "ID Neu r 'PIed NZ UONJEN) UAUISI30]00Z Lu] UaLIWoUSaINY — "8OL'S'S "ID eu ©, "uuı7 Jopuepyd sAwoAnpy “dypapynagappyjom 290 "uuy7 wnssodo snıuy9erow ‘v3ınd '€ RE 5 Sr EEE Kordamerifanijches Opofjum: Aufenthalt. Lebensweife. 101 und das Spürvermögen joll jehr groß jein. Gegen blendendes Licht ift es empfindlich und vermeidet es deshalb jorgfältig. Sn den großen, dunfeln Wäldern jchleicht das Opofjum bei Tag und Nacht umher, ob- gleich es die Dunkelheit den Lichte vorzieht. Dort aber, wo es Gefahr befürchtet, ja jchon da, wo ihm das Tageslicht bejchwerlich Fällt, erjcheint es bloß nachts und verjchläft den ganzen Tag in Ervlöhern oder Baumbhöhlungen. Nur zur Zeit der Paarung lebt es mit feinem Weibchen zufammen; im übrigen führt e8 ein einfames Leben nach Art aller ihm nahe ver- wandten Tiere. E3 hat feine bejtimmte Wohnung, jondern benußt jeden Schlupfwinfel, den es nad vollbradhter Nachtwanderung mit Anbruch des Morgens entdect. ft ihm das Glüc bejonders günftig und findet eS eine Höhlung auf, in der irgendein jchwacher Nager wohnt, Nordamerifanifhes DOpoffum, Didelphys virginiana Kerr. 1/3 natürlicher Größe. jo ift ihm das natürlich um fo lieber; denn dann muß der Urbewohner einer jolhen Behaujung ihn gleich zur Nahrung dienen. „Mir ift, jagt Audubon, „als jähe ich noch jeßt eines diefer Tiere über den jchmelzen= den Schnee langjam und vorfichtig dahintrippeln, indem es am Boden hin nach dem jchnuppert, was jeinem Gejchmade am meijten zujagt. est jtößt es auf die friiche Fährte eines Huhnes oder Hafen, erhebt die Schnauze und jehnüffelt. Cnölich hat es fich entjchteden und eilt auf dem gewählten Wege jo jehnell wie ein guter Fußgänger vorwärts. Nun jucht es und jcheint in Verlegenbeit, weldhe Richtung es weiter verfolgen joll; denn der Gegenjtand feiner Ver- folgung bat entweder einen beträchtlichen Sat gemacht oder wohl einen Hafen gejchlagen, ehe das Opofjum feine Spur aufgenommen hatte. Es richtet jich auf, hält fih ein Weilchen auf den Hinterbeinen, jehaut fich um, jpürt aufs neue und trabt dann weiter. Aber jebt, am Fuße eines alten Baumes, macht es entjchteven halt. ES geht rund um den gewaltigen Stamm über die jchneebededten Wurzeln und findet zwifchen diefen eine Öffnung, in die es im Nu bineinjchlüpft. Mehrere Minuten vergehen, da erjcheint eS wieder, jchleppt ein bereits 102 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. abgetane3 Erdeichhörnchen im Maule heraus und beginnt ven Baum zu erjteigen. Langjam Elimmt e3 empor. Der erfte Zwiejel jcheint ihm nicht anzuftehen: es denkt wohl, e3 möchte bier allzufehr den DBlicen eines böjen Feindes ausgejegt fein, und jomit jteigt es höher, bis e3 die dichteren Zweige bergen fünnen, die mit Weinranfen durchflochten find. Hier jeßt es fich zur Nube, jehlingt jeinen Schwanz um einen Zweig und zerreigt mit den jcharfen Zähnen das unglüdlihe Eihhörnchen, welches es dabei immer mit den Vorderpfoten hält.” E3 verzehrt, wie wir aus Audubons Schilderung entnehmen können, alle Heinen Säuge- tiere und Vögel, die e8 erlangen fann, ebenjo auch Eier, manderlei Lurche, größere SKterfe, deren Larven und jelbft Würmer, begnügt fih aber in Ermangelung tierischer Nahrung mit Früchten, 3. B. mit Mais und nahrungshaltigen Wurzeln. Blut zieht e8 allen übrigen Speijen vor, und deshalb wütet es da, wo es Fanı, mit unbejchreiblicher Mordgier. In den Hühner: ftällen tötet e8 oft jämtliche Bewohner und leckt dann bloß deren Blut, ohne ihr Fleijch anzurühren. Diejer Blutgenuß joll es wie unjere Marder beraufchen, jo daß man es morgens nicht jelten unter dem toten Geflügel Ichlafend antrifft. Jm ganzen vorfichtig, wird es, Jolange es jeiner Blutgier frönen fan, blind und taub, vergißt jeve Gefahr und läßt ji), ohne von feinem Miorden abzuftehen, von den Hunden widerjtandslos erwürgen oder von dem erboften Yandmanne totichlagen. Allerdings ift es nicht leicht totzufchlagen, denn das Opofjum hat ein zähes Leben. „‚Er= wijcht, rollt es fich zu einer Kugel zujammen‘, jagt Audubon. ‚je mehr der Zandmann ralt, dejto weniger läßt es fich etwas von feiner Empfindung merken. Zuleßt liegt es da, nicht tot, aber erichöpft, die Kinnlavden geöffnet, die Zunge heraushängend, die Augen ge= trübt. — ‚Sicherlich‘, meint der Landmann, ‚das Vieh muß tot jein.‘ Bewahre, Yejer, «8 ‚opofjumt‘ ihm nur etwas vor. Und kaum tt der Feind davon, jo macht es fich auf die Beine und trollt fich wieder in den Wald.” Bei der erjten fich bietenden Gelegenheit jei bier gleich ein Wort eingefügt über die ‚‚Blutgier‘ der fleijchfreffenden Säugetiere, die diefe Tiere in den Augen des „‚human’ er: zogenen Durchjcehnittsmenichhen von heute jo greulich und widerwärtig macht. Sollte aber das Verlangen nach friichem, warmem, ungeronnenem Blute nicht ein jehr gejunder natür- licher Snftinkt jein, der den Fleilchfreifer antreibt, fih vor allem den beiten Yebensjaft feines Beutetieres anzueignen, weil er jelbjt nicht imftande ift, jeine Yeibesbejtandteile aus Pflanzen- jtoffen aufzubauen? Wenn man fieht, wie die Naubtiere in unjeren zoologischen Gärten durch die aus zwingenden Gründen verjchiedener Art nicht zu umgebende Fütterung mit dem Falten, ausgebluteten Pfervefleiih in jo mancher Beziehung beeinträchtigt werden, wenn man fteht, wie bei vielen beramwachjenden Menjchenfindern mit allerlei Eifen- und Blutpräparaten ver Blutbildung nachgeholfen werden muß, dann fan man fich je länger, je weniger der Überzeugung verschließen, daß Blut „ein ganz bejonderer Saft“ ift, und man verargt e8 dem Opoffum und anderen jchlechten und rechten Näubern der Tierwelt nicht mehr jo jehr, wenn fie fich mit Vorliebe einen Blutraufch antrinfen. Ebenjo muß die Fähigkeit und Gewohnheit des Opofjums, bei plöglich eintretender Ge= fahr ich tot zu ftellen, ins richtige Licht gerückt werden. An der Sache jelbft ift ja wohl nicht zu zweifeln; wie jollte jonft der Ausdrucd „playing ’Possum* (Opofjum fpielen) für ‚ich veritellen” in den Vereinigten Staaten iprihwörtlich geworden fein! Und fowohl der New Yorker Tiergärtner Hornaday in feiner „Amerikanischen Naturgefchichte” als Stone und * Cram in ihren „„Amerifanifchen Tieren” beftätigen fie. „Gib ihm einen Schlag auf den Kopf oder Rüden’, jchreibt Hornaday, „und e8 ftrecft fi) aus, Fraftlos, bewegungslos und Nordamerifanifhes Dpojjum: Nahrungsfuche. Lebenzzähigkeit. Totitellen. 105 augenjcheinlich ganz tot. Sein Atem ift jo furz und jchwach, das dicke Fell verbirgt fait ganz die Bewegung des Bruftfaftens.” Stone und Cram treten aber zugleich der Vorftellung entgegen, als ob das Oposjun fi bewußt tot jtellte, und möchten die Tatjache, entiprechend dem jonftigen Stumpffinn des Tieres, vielmehr ähnlich erklären wie bei jo vielen Käfern und Spinnen, nämlich als eine unbewußte Inftinkthandlung oder gar eine Art Schredlähmung, die dem Tiere durch trieb- mäßige Anzüchtung zu eigen geworden tft. Bei Käfern und Spinnen ift ja diefe Fähigkeit in überrajchendem Maße vorhanden: man betrachtet fie als Schußeinrichtung und nimmt aı, daß fie den Erfolg habe, das ftarr daliegende Tier von jeinen Feinden unerkannt und un: behelligt bleiben zu lafjen. Welchen Vorteil fönnte fie nun dem Opofjum bringen, das heute, vom Menjchen abgejehen, doch wohl mehr oder mindeftens ebenjojehr Verfolger als Verfolgter it? Dafür gibt vielleicht eine Plauderei Böljches über das Opojjum einen Anhalt. Böliche, der in paläontologischen Dingen Bejcheid weiß; wie Faum ein anderer volfstümlicher Schrift: jteller, macht darin auf das hohe erdgejchichtliche Alter der Beutelratten aufmerkfjam und malt in jeiner anjchaulichen Weife aus, wie die allerältejten Beuteltiere in der Trias und YJura- periode noch mit ven Sauriern, den Niejenechjen der Vorzeit, zufammengelebt haben müfjen. Wenn es nun ohne Zweifel in der Natur des Neptils liegt, daß es namentlich Durch Bewegungen jeiner Beute zum Zufaffen gereizt wird, follte fich dan nicht jchon eher ein Grund und Zwed für das Opoffum-Spielen abjehen lafjen bei jenen älteften, verhältnismäßig winzigen Beutel- tieren, die von ihren riejigen Zeitgenofjen gewiß jehr gefährdet waren: äußerlich Zwerge, nur innerlich durch das neue Lebensprinzip des Säugetieres überlegen! In der Gefangenichaft fieht man übrigens das Opofjum niemals fich tot jtellen, weshalb man verjucht fein Fönnte, zu glauben, dieje eigenartige Fähigkeit, die jonjt meines Willens im Säugetierreiche nicht mehr vorfommt, jei auch bei ihm heute in der Abjihwächung begriffen. Hornaday erzählt auch eine jelbjterlebte Gejchichte von der Lebenszähigfeit feines eriten Dpofjums, das er al3 Knabe für tot bereits eine halbe Meile am Schwanze mitgeichleppt hatte, al3 es an einer Umzäunung, durch die er froch, fich plößlich wieder fräftig feithielt. Er meint ferner jehr bezeichnend: troß der fortwährenden Verfolgung des Opofjums, jowohl wegen des „Mondlichtiports‘‘ (des nächtlichen Jagdvergnügens mit Hunden) als wegen des Wildbrets (das die Neger jehr lieben), bringt e8 das Tier noch fertig, fie) in feinem ganzen urjprünglichen Verbreitungsgebiete zu halten, und verjpricht, den eingeborenen Menjchen zu überleben. Nach Stone und Cram ziehen fich die Opofjums bei falten Wetter in ihre Schlupfwinfel zurücd und fommen nur gelegentlich zum Vorjchein, wenn draußen Schnee liegt. Man wirft umillfürlich ein: dann jpürt man fie eben am beiten; aber die Verfaljer führen weiter als fejtjtehende Tatfache an, daß man über Winter jelten Opoffums findet. Hier find wohl noch) Lücen in der Beobachtung eines font allbefannten Tieres, wie fie al Gegenjtücke in unferer heimischen Tierfunde auch nicht fehlen. Stone und Cram jehildern mit Vorliebe die Opofjummutter, die unter der Laft ihrer Kinderichar troß aller Häflichkeit etwas Nührendes hat: wie jie den Tag über verborgen in einem hohlen Baume jchläft oder im Gezweige halb im Sonnenschein und halb im Schatten „Döft” (dozes). Aber wenn das Tageslicht verbleicht und die Schatten durch das Unterholz friechen, danın macht fie fich auf, zu jeben, was die Nacht ihr zu bieten hat, dahimvatjchelnd zwischen den taufeuchten Blättern, hier eine Eidechje mit den Krallen faljend und dort einen unachtjamen Käfer, der ihr im den Weg fliegt. Oder fie folgt dem jchrillen Zirpen einer Grille und gräbt fie aus dem Boden aus. Wenn fie Glücd hat, entdeckt fie auch ein Nejt 104 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. voll Eier, Vögel oder Mäuje; das it ihr alles eins. Sie fann auch) bis auf die Spige des böchften Baumes Klettern, indem fie ihren Widelfchwanz md ihre handförmigen Füße wie ein Affe gebraucht, und ebenjo hängt fie Fopfunter am Schwanze und an einem Hinterfuß am Afte gerade über dem Vogelneft in ver richtigen Entfernung, um fich bequem zu Gemüte zu führen, was es enthält. Der Greifihwanz if ihr gleichfalls oft nüglich, indem er fie hält, wenn fie Weintrauben und Pflaumen pflücdt und andere Wildfrüchte des Waldes. „Das Opofjum ift der natürliche Feind der Baummvollvatte, eines jchädlichen Nagers, der in Unmengen die Marjchen an der Seefülte der Südftaaten bevölfert. Wenn die Sahres- mafje der pflanzlichen und tieriihen Nahrung des Opofjums nach ihrem Nuben und Schaden für den Menjchen in zwei Haufen geteilt würde, jo fan wenig Zweifel jein, daß der Haufen, dejjen Beleitigung ein Nuben für uns it, beträchtlich größer ausfiele... Troßdem wird e8 überall gehaßt und Schonungslos verfolgt. Zumal die Neger find eifrige Feinde des Tieres und erlegen e8, wann und wo fie nur fönnen, willen es auch am beiten zu benußgen. Das Wildbret des Tieres, für europäiihe Gaumen ungentießbar, weil ein äußerft widriger, ftart Inoblauchartiger, aus zwei zu beiden Geiten des Maftvarmes liegenden Drüjen ftammender Geruch fich dem Fleifche mitteilt und es verdirbt, behagt den Negern jehr und entjchädigt fie für die Mühe des Fangens. Die Neger der Süpdftaaten find überzeugt, daß das Opofjum eigens zu ihrem Nuben und Vergnügen geihhaffen tft. Sie jagen vielleicht mit Necht, daß fein weißer Mann den Genuß einer Mondicheinjagd auf das Dpofjum voll würdigen fann oder den delifaten Gejchmad eines gebratenen Opofjums... Das Opofjun wird ähnlich gejagt wie ver Walhbär. Die Neger gehen am liebjten truppweile mit zwei oder drei Firkötern. Eine Art muß zur Hand fein, Ichließlich auch eine alte Bogelflinte und ein Sad, um das Wild darin mitzunehmen. Wenn die Hunde eine friihe Fährte anfallen, folgen die Schwarzen, jo gut fie können, über Steine und Wurzeln im Dunkteln dahinftolpernd. Das Opofjum, erjchreckt durch den Yärın hinter ihm, bäumt zu jeiner Sicherheit bald auf und drüdt fich flach auf einen Zweig nieder oder jchmiegt fich in eine Ajtgabel, im Vertrauen, unbemerkt zu bleiben. Aber die Neger Juchen, Kienfadeln jchwingend, ihr Wild zu finden durch das Leuchten jJeiner Augen in dem fladernden Lichte, und wenn der Baum zu did ift, um ihn nieverzuhauen, und jchwer zu erklettern, wird die rojtige, alte Feuerwaffe in Tätigkeit gelebt. Aber fie fangen im allgemeinen ihr Opofjum viel lieber lebend, wenn möglich, indem fie es mit einer Stange von jeinem Mite herunterftoßen oder den Baum fällen. Sobald es den Boden berührt, fallen Hunde und Neger darüber her, die Hunde feharf darauf, das Opofjum totzubeißen, und ihre Herren, e8 unverlegt vor ihnen in Sicherheit zu bringen, und es ift oft eritaunlich, wieviel rohe Behandlung ein Opojjum aushalten kann ohne erniten Schaden. Manchmal wird es nach Haufe getragen, mit jeinem Schwanze am Ende eines gejpalteten Stodes hängend feitgeflemmt. Der Gedanke der Schwarzen, wenn fie e3 lebend heimtragen, it, es in der Sefangenfchaft noch einige Wochen fett zu machen; doch fie überfehen in ihrer Freude dabei ganz dte wirtichaftliche Seite der Sache; denn die Menge von Brot, Yams und Äpfeln, die das gefräßige Heine Vieh verbraucht, um einige Unzen Fett mehr anzufegen, ift zum Staunen.” Auch auf dem Bebwarenmarkt fpielt daS Nordamerifanifche Opofjum heutzutage eine immer größere Nolle — wie jo manches andere geringere Pelztier, wohl in Ermangelung eines bejjeren. ES ift hier zu unterjcheiden von dem „auftraliichen Opoffum” der Kürfchner, dem Beutelfuchs oder FJuchskufu der Naturgejchichte. Nach Emil Braß (‚Neue Deutiche Pelz- warerzeitung‘) Fommen jest 3— 400000 Felle jährlich zur Verarbeitung, die hauptjächlic) „auf Skunt3“ (Stinktier) Schwarz gefärbt werden. Sie ftammen allermeift aus den Südftaaten; Nordamerifanijches Dpojfum: Nußenu. Schaden. Jagd. Pelz. Gefangenschaft. Fortpflanzung. 105 nördlicher als in Sllinois und Indiana jpeint das Opofjum doch nicht mehr häufig genug zu jein, daß eine Yellausfuhr möglich wäre. Sm Tierhandel find Opofjums, und zwar noch öfter jüd- als nordamerifanijche, häufig und billig (das Stüd für 20 Mark) zu haben; es ift aber wenig Nachfrage danad. ES find zu jtumpffinnige Pfleglinge! Das Treiben des gefangenen Opojjums vermag den Beobachter faum zu erfreuen. Jh muß nad meinen Erfahrungen behaupten, daß diejes Tier noch lang= weiliger ijt als andere Raubbeutler. Negungslos in fi zufammengerollt liegt e3 den ganzen Tag über in feinem Käfige, und nur wenn man es reizt, bequemt es fi) wenigitens zu einer Bewegung: es öffnet den Rachen jo weit wie möglich und jo lange, als man vor ihm fteht, gerade, als ob e3 die Mauljperre hätte. Bon dem VBerjtande, den Audubon dem wildleben- den Tiere zujchreibt, bemerkt man feine Spur. ES ift träge, faul, Ihlaffüchtig und erjcheint abjchreefend dumm: mit diefen Worten ift fein Betragen in der Gefangenschaft am bejten bejchrieben. Nachts, jpäter, wenn eS eingewöhnt ift, auch am Tage, nimmt es fein Futter, das für diefen Allesfrefjer im zoologischen Garten nicht jhwer zujammenzuftellen ift, aus etwas Mahlfleiih etwa, Milh und Brot, und nad) einem Jahre oder zweien findet man es eines Morgens tot in derjelben Ede, wo und in derjelben Stellung, wie e3 jonjt immer jchlief. Sehr alt ift wohl im zoologifchen Garten noch Feins geworden. Mehr Interejje hat das Opofjum für den wiljenichaftlichen Foriher, der ji) mit der Keimesentwidelung im Mutterleibe bejhäftigt. Dies hat einer unferer hervorragenditen Em bryologen, der zu früh verjtorbene Emil Selenka, auf das eingehenpfte getan, indem er in jeinem Erlanger Univerfitätsinftitut viele Opofjums hielt, züchtete und unterfuchte. Dank feiner Arbeiten ift die Entwicelungsgeihichte des jungen Opofjums inner= und außerhalb des Nutter- leibes jeßt ganz Klargejtellt. Er macht in jeinem embryologiichen Brachtwerk auch viele wert- volle Mitteilungen über Wejen und Eigenart feines lebenden Forihungsgegenftandes. „Den ganzen Tag über findet man die Tiere jchlafend; die Männchen meijt ifoliert, die Weibchen immer über und nebeneinandergepfercht. Wiewohl fie mit ihren zahlreichen jpigen, iharfen Zähnen recht qut fich zu verteidigen imftande wären, benugen fie diefe Waffe doch nur gegen ihresgleichen. Zumal die Männchen beißen jich viel unter jhrill jchnarrendem Knurren, und fat an jedem Morgen findet fich ein oder da3 andere Tier mit Wunden am Schwanze und an der Schnauze. Mit anbrechender Dunkelheit und zumal des Nachts Klettern die Tiere gejchiet an Aftwerf und Drabtgeflecht umher. Auf der Erde bewegen fie fich jehr va; ihr Yauf ift ein behendes, watjchelndes Trippeln. „Die Brunft der Weibchen tritt normalerweie nur einmal im Jahre ein. ch beobachtete diefelbe von Ende Februar mit zunehmender Häufigkeit bis etwa Mitte April. Wenn aber den Muttertieren die Jungen furz nach dem Gebären aus dem Beutel fortgenommen wurden, oder wenn, was öfter vorfam, die Begattung aus Mangel an Gejchielichteit der Männchen nicht gelang, fo fönnen die Weibchen 46 Wochen jpäter zum zweiten Male im Jahre brünjtig werden, jpäteftens jedoch Anfang Juni. Die Brunft des Weibehens dauert jedesmal nur 3—5 Stunden. Nur während diejer Zeit zeigen die Tiere Trieb, ich zu begatten. ‚Nachdem eines Morgens die Begattung (d. h. der Beginn der Brunftzeit) Eonjtatiert war, lief ich die Männchen von den Weibchen durch eine Gittertür trennen, und e$ zeigte fich bald, daß die Brunft eines Weibehens mit Sicherheit erihloffen werden Fonnte aus der Miunter- feit, welche das Weibchen jowie fajt alle Männchen noch des Morgens zeigten. Zugleich Ihnüffeln die Tiere viel lebhafter, als e3 jonjt wohl der Fall zu jein pflegt, mit emporgeitredter Naje umber, und e8 kann feinem Zweifel unterliegen, daß die Männchen durch ihr Geruchsorgan 106 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. von der Brunft eines MWeibehens unterrichtet und dadurch munter erhalten werden. Einige der Männchen lafjen dann von Zeit zu Zeit einen eigentümlichen Schmaßenden, jchnalzenden Zaut hören, was jonft nie der Fall ift, und geben jo ihre Begattungsluft zu erfennen. Aber das Meibehen ergibt fich jelten ohne weiteres. Bisweilen erjt nach einigen Stunden, nad): dem mehreren Männchen der Kopf und die Naje überdeckt ift durch die Bilfe des Weibchens, gelingt es einem Männchen, fich im Naden des Weibchens fejtzubeißen, diejes auf die Seite zu werfen, mit den Vorderpfoten die Weichen desjelben zu umflanmern und mit den Hinter: füßen dejfen Hinterbeine zu umfaljen. Der legterwähnte Griff wurde öfters vom Männchen nicht gebraucht, und dann gelang die Begattung niemals. Etwa Y—!/a Stunde bleiben die Tiere vereint; beide liegen auf der Seite, da3 Männchen mit dem Bauche gegen den Nücden des Weibchens gekehrt, während das Weibchen die ganze Zeit hindurch ganz vegungslos, wie tot, daliegt. Selten wurde nach der erften Begattung noch ein zweites Männchen zugelaffen. „Die Entwidelungsdauer der Embryonen konnte auf das genauejte fejtgejtellt werden. Ziemlich genau 5><24 Stunden nach der Begattung beginnt die Furdhung des Cies, und nicht ganz 13 Tage, wahrjcheinlid 12 Tage 20 Stunden, nach der Begattung erfolgt die Geburt. Die Dauer der eigentlichen Trächtigkeit umfaßt alfo nur 7°/6 Tage!... Die Zahl der aufgefundenen Embryonen betrug meiftens 12—16... „Die Tiere pflegen während der Tragzeit häufiger ihren Beutel auszuleden, als dies jonft wohl geichieht. Das neugeborene Beuteljunge bejist eine intenfiv rötliche Farbe, weil die oberflächlichen Gefäße, ferner größere Arterien und Venen jowie das pulfierende Herz und die Leber durch die Haut dDuchihimmern. Die Epidermis war, infolge des Aufenthaltes im feuchten Beutel, Elebrig anzufühlen. Mehrfache Zählungen ergaben 24— 26 Atemzüge und zirfa 60 Bulsjchläge in der Minute. Mit dem warmen Atem behaucht, verbielten jich die Tierchen ziemlich ftille; Jobald fie aber mit Falter Luft in Berührung kamen, machten fie heftige, frampfhafte Bewegungen mit dem ganzen Körper und den Extremitäten. Die Zehen ver VBorderfüße trugen jceharfe, gelbbraune Krallen, die der Hinterfüße waren noch unbewaffnet. Der Saugmund umfaßte eine vieredige Öffnung; aus derjelben wurde öfters die Zunge hervorgejtrecdt, welche immer rinnnenartig gejtaltet war, gelegentlich ich jogar zu einem Rohre zujammenfaltete, eine Form, die jehr geeignet erjcheint zum Umfafjen der Zißen. Bon ven Sinmesorganen funktioniert noch feines, vielleicht mit Ausnahme des Geruchsjinnes. Das Beuteljunge beißt noch feine Geihmadsorgane Beim neugeborenen Opofjum funktionieren von allen Sinnen nur der ‚Wärmefinn‘ und vermutlich noch der Geruchsfinn.” Die weitere Entwidelung hat Selenka ‚nicht verfolgen können, weil die Beuteljungen jtetS jchon frühzeitig von den Muttertieren aufgefrelfen wurden”. Nach etwa 14 Tagen öffnet ji) der Beutel, den die Mutter durch befondere Hautmusteln willfürlich verengern und er- weitern Fann, und nad) etwa 50 Tagen find die Jungen bereits vollftändig ausgebildet. Sie haben dann die Größe einer Maus, find überall behaart und öffnen nun auch die Augen. ac) 60 Tagen Saugzeit im Beutel ift ihr Gewicht auf mehr al3 das Hundertfache des früheren gejtiegen. Die Mutter geftattet unter feiner Bedingung, daß ihr Beutel geöffnet werde, um die „sungen zu betrachten. Sie hält jede Marter aus, läßt fi) jogar über dem Feuer auf: hängen, ohne fich joldem Verlangen zu fügen. Erft wenn die Jungen die Größe einer Ratte erlangt haben, verlafjen fie den Beutel, bleiben aber auch, nachdem fie jchon laufen können, noch bei der Mutter und Llafjen diefe für fich jagen und forgen. Aus dem Leben der jüdamerikanifchen Didelphys= Arten mögen noch einige anfchauliche Schilverungen hier angefügt werden, die zeigen, daß die Tiere dort vielfach jo mit dem Menjchen Nordamerifanijhes Dpojjum: Entwidelung. — Südamerifanifche Arten. 107 zufammen haufen, wie bei uns der Steinmarder, und dabei fich bemühen, ihre Schlupfiwinfel jo wohnlich wie möglich einzurichten. So jchreibt Neinhold Henjel: „Häufig werden fie von Hunden in ihrem Verfted in hohlen Baumftämmen, die auf dem Boden liegen, gefunden, oder man bemerkt fie unter dem Dache wenig benußter Käufer, wo fie fich leicht durch die Stroh halme verraten, mit denen fie ihre Lagerjtelle zu poljtern pflegen. Gewöhnlich verlieren fie hierbei auf ven Balken und Sparren des Hauses einzelne Halme, fo daß man, durch diefe Spur geleitet, den eigentlichen Schlupfwinfel leicht entdeckt. Wenn fie gefunden find, fo lafjen fie fich bei Tage mit den Händen ergreifen, ohne daß fie einen ernftlichen Fluchtverfuch machen. Auch gehen fie gern in Fallen und bleiben natürlich in den Kaftenfallen, wie man fie bei uns auf Marder gebraucht, unverjehrt. Mit Fleifch, Drangen, jelbjt Branntwein find fie leicht zu födern, da fie Feine Nahrung verihmähen. Daher mahen auch ihre Unterhaltung und ihr Transport feine bejonderen Umjtände. Shre Lebenszähigkeit it jo groß, daß fie Nahrungsmangel und ihwere Berwundungen leicht ertragen. mdividuen, denen die Hunde alle Rippen gebrochen haben, jtellen fich tot und juchen noch, jobald fie fich unbemerkt glauben, die Flucht zu ergreifen.“ Snethlage-Bara nennt die „„Mucura”, wie die große Beutelratte D. marsupialis Linn. dort heißt, „elbjt in der Großjtadt noch häufig” und fonnte fich „‚elbjt in einem befreundeten Haufe überzeugen“, daß zuweilen ‚ihre Anmwejenheit durch ein vom Dach berabpurzelndes Yunges verraten” wird. Auch ift fie „ein regelmäßiger Bewohner des Mufeumsgartens, den man in hellen Nächten hin und wieder zu Geficht bekommt, wie er langjam auf Baummwipfeln, auf Zäunen und vergleichen umberjpaziert. Jm Innern ift die Mucura faft überall eines der gemeinjten Säugetiere”. ‚shre Hauptfortpflanzungszeit jcheint, wie bei vielen unserer hiefigen Säugetiere, in die legten Monate der Regenzeit, März und April, zu fallen.” Die Zahl der Jungen „‚beträat meiltens fünf bis jechs; ein Weibehen warf Ende März diefes Jahres hier im Zoologijchen Garten jechs Junge, die lange im Beutel ein jehr verjtedtes Leben führten. Sett, Ende Dftober, find fie etwa halbwüchjig und ganz jelbjtändig. Sm demjelben Wurf finden fich jehr verjchievene Färbungsvarietäten, jajt Ihwarze neben jehr hellen Tieren”. Der deutjche Ober: wärter Bertram des Zoologiichen Gartens in Bara hielt eine noch jehr junge Beutelratte in jeinem Zimmer. ‚Nachdem Bertram einige Zeit ganz im unklaren darüber geblieben war, wo jich jeine Mucura bei Tage aufbielt, entdeckte er fie jchlieglich in einem nicht regelmäßig benußten Stiefel. Nachdem fie hier einige Male gejtört worden war, wanderte fie aus und war wieder für längere Zeit verjhwunden, bis jich fand, daß fie durch einen jchmalen Spalt in eine Tıiihjchublade einzudringen pflegte, um im Hintergrunde ihren Tagesjchlaf abzuhalten. Auch diefen Zufluchtsort verließ fie nach einigen Störungen und fiedelte in die Nebenjchublade über, wo fte ji in einem Brieffuvert gewöhnlichen Formates häuslich einrichtete. Nachdem fie eines Nachts einen jhönen Nyetibius longicaudatus (Riefennachtihwalbe), der mindejtens jehsmal jo groß war wie fie jelbft, überfallen und durch Bijje in den Schädel getötet hatte, nahm ihre Zimmerlaufbahn ein Ende.” Ganz anders jhildert E. Snethlage die Kleinere Cajaca, Didelphys paraguayensis Oken (azarae), die fie auf Forihungsreiien in der PVrovinz Ceara, d. bh. mehr im Nordojt- winkel Südamerikas fennen gelernt hat. Snethlage erklärt e8 für ausgejchloffen, daß fie je eine gewöhnliche große Mucura, wenngleich ein jüngeres, Eleineres Stüd allerbelliten Farben- ihlages, ‚auch nur einen Moment mit D. azarae verwechjeln“ Eönnte: „jo groß tft Die Berjehiedenheit in Färbung, Zeihnung, Haltung und Ausdrud! „So häßlich, ja abjtopend die große Mucura fich zeigt, jo zierlih, hübjeh und elegant erjcheint die Gajaca, die aucd) den 108 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. harakteriftiichen Beutelrattengeruch in viel geringerem Mafe bejist... Die jeharf abgejebte Streifenzeichnung des Kopfes, die aus Schwarz und einem jhönen, warmen Gelblichweiß zus fammengefegte Färbung wirken ebenjo eigenartig wie Hübjh. Die jpite, feine Schnauze, die glänzenden, fehwarzen Augen und die großen, aufgerichtet und weit ausgebreitet getragenen, rofigen Ohren, deren innere Seitenränder fich faft berühren, geben dem Kopfe etwas Wüjten- fuchsähnliches.” Was Snethlage in Ceara jonft über die Cajaca hörte, machte ihr „ven Ein- vrud, daß dieje troß ihres Greifichwanzes mehr ein Erd= als ein Baumtier jei oder wenigftens mehr als ihre amazonifche Verwandte zur Erde herabjteige”. Das eine von zwei „in Spu, am Fuße der Serra grande de Jbiapaba” gejammelten „Weibchen mit je fünf Jungen” hatte denn auch der „Bräparator am Abhang der Serra auf halber Höhe zwijchen Felsblöden ichlafend gefunden”. Die Jungen waren „in ihrer Entwicelung etwa ebenjoweit fortgejchritten” wie die im Garten zu Bara geborenen der großen Mucura, „was vielleicht darauf Ichließen läßt, daß die Wurfzeit beider Arten diejelbe it. In der Gefangenjchaft führen die Tiere eine fast noch nächtlichere Lebensweife als die großen Mucuren... Bejonders die Mutter it (als alt gefangenes Tier) äußerft Icheu und zieht fich gewöhnlich jchon bei der geringjten Be- unrubigung durch vorbeitommende Menjchen hinter over in ihren Schlaffaften zurüd. Da= gegen lafjen fich die Jungen hin und wieder aus nicht zu großer Nähe betrachten. Sie figen dann eng aneinandergejchmiegt und jehen den Bejchauer auch ihrerjeitsS mit unverwandter Aufmerkjamfeit an. Während fie anfangs noch, obgleich Schon mehrere Zoll lang und voll ftändig behaart, bei jever Störung jehleunigit in den Beutel der Mutter flüchteten, Tcheinen fie fich jeßt, wo fie etwa halb ausgewachjen find, volljtändig von le&terem emanzipiert zu haben, ohne daß man jedoch irgendwelche Streitereien der Tiere untereinander wahrnimmt.” Aus der Untergattung Metachirus Durm. (kleinere Jormen ohne lange Srannenhaare, mit nur hellem Flec überm Auge, jonjt dunklem Kopf; Beutel Fann gut entwidelt jein, fi zurücbilden oder ganz fehlen) bejpricht Reinhold Henfel in feinen vortrefflihen „Beiträgen zur Kenntnis der Säugetiere Süpdbrafiliens‘‘ zwei Arten: die graue Duica, befjer vielleicht Chichica (nach Snethlage), M. opossum Linn. (quica; Taf. „„Beuteltiere I, 3 bei ©. 101), Schwanz din, Wurzeldrittel behaart, und die gelbe Didjhwanz=-Beutelratte, M. crassicaudatus Desm., Shwanzwurzel übermäßig verdict, Wurzelhälfte länger, Endhälfte kürzer behaart. Die Quica „ist viel feltener als die vorhergenannten” großen Arten, „lebt auch viel ver: borgener und kommt nicht oder nur zufällig in Häufer”. „Auffallend it, daß jo überwiegend viele Männchen von mir gefammelt wurden, und e3 wäre wohl möglich, daß die Weibchen durch die Sorge für die unentwicelten Jungen am weiten Umberlaufen gehindert wurden.“ Snethlage hat M. opossum, die Mucura hichica (d. h. Eleine Beutelvatte) der Baraenjer, im Freileben nicht beobachtet, weiß aber troßdem, daß fie „weder hier in Bara noch in der Umgegend, wo ich fie öfter in Fallen gefangen habe, jelten” ift. „Sie wird uns häufig zum Kauf angeboten, und einige Exemplare gehören zum feften Beltand unjeres Zoologijchen Gartens. Ein Weibchen, das wir tragend erhielten, warf im März; Snethlage Fan aber „wicht angeben, wieviel Zunge geworfen worden waren, da dieje nach einiger Zeit jpurlos verjhwanden. Nach meinen Erfahrungen mit anderen Beutelvatten nehme ich an, daß fie von ihren Käftggenofjen, vielleicht der eignen Mutter, aufgefreffen worden waren‘. Sonft findet Snethlage „die graue Mucura hichica nicht gerade bösartig“, muß aber berichten: „Eine von unferen drei jeit fat einem Jahre friedlich denjelben Käfig bewohnenden M. opossum tjt heute nacht von jeinen Gefährten getötet und angefreffen worden. Der Wärter fand eines der Tiere Eajaca. Duica. Dikjchwanz-Beutelratte. 109 heute morgen beim Verjpeifen des Kameraden... Sm ihren Bewegungen ift die graue Mucura hichica viel flinker als die beiden großen Beutelcatten.” Außerdem hat fie die Eigenart, „Daß fie häufiger von ihrem Kletterbaum herab zur Exde fteigt, wo fie mit Jchräg aufgerichtetem Schwanze umbherläuft. Shre Bewegungen im Gezweig haben gewöhnlich etwas Hufchendes und Plösliches... Von allen unjeren gefangenen Beutelvatten ift die graue Mucura am wenigiten icheu. Sie zeigt Jogar eine gewilje Neugierde, nähert fih dem Gitter und richtet fih auf den Hinterbeinen auf, um mit vorgeftredtem Kopf den nächtlichen Bejucher zu betrachten. Bei Tage zeigt fie jich nur ganz jelten, eigentlih nur, wenn fie geftört wird... Aufgeregt, ftößt Didjdwanz;=Beutelratte, Metachirus erassicaudatus Desm. 1/2 natürlicher Größe. fie Ichnarchende und heißer pfeifende Töne aus, ähnlich, aber jehwächer, wie fie die große Mucura hervorbringt. Auch fie ift ein Allesfreffer, bedarf aber weniger nötig der Fleiich- nahrung als D. marsupialis“. Göldt bezeichnet die Quica in jeiner „Kritiichen Nachleje‘ („Proc. Zool. Soc.“, 1894) als häufig gejehen im Urwalde jowohl als in der Nachbarichaft der Fazendas. In Schlingen, die eigens für Nagetiere beftimmt waren, fing er bejtändig „‚diejes ihpöne, aber dumme und unvorfichtige Beuteltier. Göldi brachte auch einmal ein ausgewach- jenes Eremplar gejund nach feiner Shweizeriichen Heimat und jchenfte e8 dem Bajeler Garten; an Bord hatte er es nur mit Früchten ernährt. m Berliner Garten hat man wohl noch nie eine lebende Quica gejehen, dagegen wiederholt die zweite, von Henjel beiprochene Art der Gattung, die Dicjehwanz-Beutelvatte, die ja an der verdidten und dadurch allmählich in den Numpf übergehenden Schwanzwurzel leicht Fenntlich ift. Nach Hensel ift diefe Art 110 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. ‚noch jeltener”. Er hat „sie nur bei Porto Mlegre auf einigen Injeln im Guahyba gefunden. Sie ift im Habitus und Benehmen ganz verjchieden von der vorigen, wie von allen größeren Didelphys-Irten; denn fie ähnelt darin ganz unjeren Mufteliven, namentlich dem Sltis, ift ebenfo jchnell wie diefer und beißt auch jo heftig, jelbjt bei Tage. Höchjt merkwürdig ift die ziegelvote Unterfeite am lebenden Tier, die jedoch |hon einige Stunden nach dejjen Tode zu verjchwinden beginnt”. Zu Henjels Vergleihung des Wejens des Tieres paßt ganz über- rafchend Thomas’ Bejchreibung feiner allgemeinen Erfcheinung: ‚sehr ähnlich der des Sibi- riichen Sltis (Putorius sibirieus)”. Eine Angehörige der Untergattung Caluromys Allen (Philander) ijt es, und zwar die Rote Wollhaar=-Beutelratte, ©. laniger Desm. (Philander, Didelphys lanigera), die fich in vielen Unterarten weit über Südamerika verbreitet und neben den großen Opofjums noch am häufigsten im Zoologischen Garten zu jehen ift. m Berliner Garten hatte man neuerdings eine Mutter mit vier herangewachjenen Jungen, die ihre Selbftändigfeit manchmal dadurch bewiejen, daß fie der Alten und fich gegenfeitig die nadten Schwänze zerbifjen. Sonit find es jehr gewandte und hübjeh ausjehende Tierchen mit dem furzen Kopfe, den Eleinen, runden Obren und dem dichten, rötlichen Wollpelze. Snethlage erklärt die zweite Art, die Gelbe Wollbaarbeutelratte, C. philander Zinn. (Taf. ‚„„Beuteltiere‘‘ I, 4 bei ©. 101), „Für die häufigite hier in der Stadt over ihrer näheren Um- gebung vorkommende... Doch mag diejer Eindrud zum Teil dadurc) veranlaßt fein, daß man fie häufiger als ihre Verwandten bei Tage zu Gefichte bekommt, wie auch unjere Käftggefangenen nicht fo dem Licht unzugängliche Verjtede auflugpen... Troß diejer geringeren Lichticheu müfjen aber auch fie ihrer Zebensweile nach als Nachttiere bezeichnet werden. Ein dichter, etwa 26 m hoher Bambusftrauc in unjerem Oarten fcheint mehreren ©. philander ftändig zum Aufenthalt zu dienen. Man fieht fie dort hin und wieder am Tage ftill auf derjelben Stelle figen und herab- Starren. Troßdem bei jolchen Gelegenheiten einige von ihnen getötet worden find, haben die Tiere ven Bla nicht verlaffen... Lärm und die nächte Nähe menjchliher Wohnungen jcheint Dieje Mucura nicht zu beläftigen. Am Stamm eines der Schönen Mangabäume, welche die Avenida de Nazareth, die Hauptverfehrsader von Bara, einfafjen, beobachtete ich eines Abends kaum 1/2 m über dem Boden ein Fleines Säugetier, das fi anjcheinend weder durch Worüber: gehende, noch duch die in Furzen Swilchenräumen daherjaufenden Wagen der eleftriichen Straßenbahn ftören ließ. Beim Näherkommen erkannte ich eine braune Mucura cichica, die fi) an den Stamm drüdte und mich mit ihren eigentümlichen gelbbraunen Augen mit auffallend Kleiner, punktförmiger Bupille ftarr anblidte. Sie ließ mich bis auf Armlänge heranfommen; dann fuhr fie allerdings geichwind am Stamm in die Höhe und verjchwand im Laub. Yung eingefangene C. philander fünnen gezähmt werden, wenn man fich viel mit ihnen befchäftigt. Sie lafjen fich dann jogar auf der Hand umbertragen, unterfcheiden aber genau zwiichen ihrem Pfleger und unbekannten Berfonen. Lebtere zijchen fie mit aufgerifjenem Rachen an, während fie auf erfteren zulaufen und ihn mit allen Zeichen der Freude begrüßen. Unjere Käftggefangenen werden nicht in gleicher Weife zahın, gehören aber ihrem Wejen nach zu den anziehendten, wenn auch nicht liebenswürdigften Bewohnern des Zoologijchen Gartens. Keine andere Beutelratte fordert fo dazu heraus, menjchliche Eigenschaften auf fie zu über: tragen; ich bin immer in Verfuhung, fie als die verkörperte Heuchelei zu bezeichnen. Die erite, die ich pflegte, war das Bild demütiger und furchtjamer Harmlofigfeit. Das wunder: hübjche Tierchen mit dem weichen, hellbraunen Maufepelz und dem elegant gezeichneten Kopf Note und Gelbe Wollhaarbeutelratte. Zmergbeutelratte. 111 ließ fich viel bei Tage jehen und ja dann aufgerichtet, mit gejenktem Haupte und den langen Schwanz wie einen Büßergürtel um die Lenden gejchlungen, am Boden, wobei es von Zeit zu Zeit heftig zitterte, over eS hing in ähnlicher Haltung Fopfabwärts am Gitter — die verkörperte Zerfnirfchung! Diejelbe Mucura entpuppte fich über Nacht als Tannibalifcher Mörder, indem fie eine neu hinzugejeßte Ihwächere Verwandte nicht nur tötete, fondern zum Teil auffraß.”” Die Bewegungen rühmt Snethlage ganz bejonders als „äußerft flink, hufchend und plöli. Die Tiere unterbrechen fajt auf einen Ruck den jchnellften Lauf, um ihn ebenfo unvermittelt wieder aufzunehmen. Beim Klettern und Laufen jehmiegt fich der lange Körper der Unterlage etwas an. Sie jeheinen nicht weniger al3. unjere anderen Beutelratten Baum- tiere zu fein; doch dürften fie zur Nahrungsjudhe auch auf den Boden herabfteigen, da ich fie manchmal in Erdfallen gefangen habe’. Die Nahrung jcheint hauptjählich aus Früchten zu bejtehen. Fleifch wird aber auch nicht verfchmäht. Die Untergattung Marmosa Gray ijt Klein (Unterjchentel Fürzer als 4,5 cm), ohne Beutel und bejfonders ausgezeichnet durch jehr langen Schwanz, der viel länger ijt als Kopf und Rumpf zujammen. Aus diefer Untergattung erwähnt Henjel die Zwergbeutelratte, M. pusilla Desm., unter dem Burmeifterjhen Namen Grymaeomys agilis nur kurz: „Ein Kleines Beuteltier, welches ich nur in einem einzigen Eremplar auf einer Injel des Guahyba bei Vorto Alegre erhielt, dürfte wohl der obengenannten Art (Zwergbeutelratte) angehören. Das Tierchen läßt fih in Größe, Habitus und Benehmen mit Mus sylvaticus vergleichen. E3 wurde unter einem vermoderten Baumftamm beim Ummenden vesjelben gefunden und konnte feiner Schnelligkeit wegen nur mit Mühe gefangen werden.” Göldi widmet derjelben Zwergbeutelratte, die er „Äußerft anmutig und wirklich jehr Ihön” findet, eine längere, liebevolle Schilderung. Zunächit möchte er die Thomasjche An- nahme, daß die Gattung Peramys weniger baumlebend jei, auch auf die Gattung Mar- mosa ausgedehnt wijjen und teilt dann aus jeinen vielen Beobadtungen ihres Freis und Ge- fangenlebens die eigentümlichiten Züge mit. „Jedermann, der die europäiiche Hajelmaus fennt, wird fich leiht eine Borjtellung von der Zwergbeutelvatte machen können. Trogdem fie jo verjchiedenen Ordnungen angehören, ift die Ahnlichkeit der beiden Tiere die denkbar treffenpite, was Größe, Fellfarbe, Bewegungen und zutrauliches Benehmen anlangt.” Die Zwergbeutel- ratte wurde Göldi oft gebracht von Arbeitern, die mit dem Abholzen und Abbrennen des Urwaldes beichäftigt waren. Die dabei entjtehenden Abfallhaufen von trodnen Blättern und Zweigen find, namentlih wenn Waffer in der Nähe läuft, ihr Lieblingsplab. ‚Tagsüber jieht man jte jelten, und e$ muß jchon etwas ganz Bejonderes pafjteren, um fie zu zwingen, ihr Berjted zu verlafjen, aber nur für einen Augenblid, bis fie eine andere Zuflucht gefunden hat. Cold ein Ereignis ift das Feuer, wenn das trodne Holz angezündet wird. Gefangen, leitet fie feinen Widerjtand und beißt nicht ernithaft. In einen hohlen Bambusrohr untergebracht, hält fie leicht einen Weg von mehreren Stunden aus. Um über die Nahrung in der Freiheit ins Hare zu fommen, war der natürlichjte Weg, die Ausleerungen frich gefangener Exemplare zu unterfuchen. Jh fand fie immer hauptfächlich zulammengejeßt aus den harten Rüd- jtänden von Kerbtieren und Kleinen Glievertieren, Käfern, Schmetterlingen, Fliegen. Da ic) jtetS eine blühende Mehlwurmzucht aus Europa zur Verfügung hatte, war e3 nicht jehwer, die Zwergbeutelratten einzufüttern. Bald werden fie jehr erpicht auf Mehlwürmer und rennen auf die Hand oder Pinzette los, die fie ihnen bietet. Sie frejjen aufrecht fiend wie die 112 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. Eihhörnchen und jo viele Nager, halten das neft mit den Händen, wober manchmal nur der erfte Finger, manchmal die eriten beiden den anderen entgegengejtellt werden, und zermalmen e3 jchnell mit fichtbarer Gier und hörbarem Schmagen. Diejer Anbli des anmutigen Tier: hens erinnert immer an die europätiche Hafelmaus. Die Augen, wie jeywarze, glänzende Berlen, geben dem Geficht einen eigenartig zutraulichen Ausdrud. Alle Bewegungen find plöglich, raich und werden mit Eleganz ausgeführt. Das Tier liebt Wafjer und Wild jehr und wird nicht lange zögern, wenn diefe Flüffigkeiten ihm in einem Löffel angeboten werden. ES trinkt oft und anhaltend, lappend wie ein Hund oder eine Kaße, und Wajfjer jcheint ihm jehr wichtig zu fein. Den Tag verichläft es gern in jeinem Neftverited‘, das es fich aus Blättern, Baunmolle und Werg herrichtet; aber jein Schlaf ijt nicht jehr tief, und kurze Tagesausflüge in den Käfig werden oft beobachtet. ES jcheint jehr empfindlich zu jein gegen Kälte und Näffe. Gegen Abend wird der Feine Beutler immer lebendiger und beweglicher, und die Nacht hin- durch ift er mehr oder weniger in bejtändiger Bewegung. ES tjt Fein Zweifel, daß jein Zeben vorzugsweile nächtlich tft, und daher ift eS auch leicht zu verftehen, warum man dieje Tiere ver- hältnismäßig jelten am Tage trifft mit Ausnahme der obenerwähnten Ereignifjfe. Nahezu alle meine Gefangenen entwijchten mir jchließlich während der Nacht; einer wurde noch fajt vierzehn Tage in meinem Arbeitszimmer beobachtet, ohne daß es gelungen wäre, fein Berjted am Tage zu entdeden. Er plünderte meine Raupen und Puppen aus auf feinen nächtlihen Naubzügen. Der Gang der Zwergbeutelratte ijt etwas verjchieven von dem eines Nagers gleicher Größe. E3 it ein Laufen, im allgemeinen nicht jo jchnell als das der Hausmaus. nm Schlafe wird der Schwanz aufgerollt, im Zaufen gerade ausgeftredt. Sch habe genug Beweife, daß die Zwerg- beutelratte nicht ganz unfähig tjt zu Klettern; aber ich bin ficher, daß fte fi) für gewöhnlich auf dem Boden aufhält, und daß man fie nur als jehr wenig baumlebend bezeichnen darf.“ Eine verwandte Art derjelben Gattung, Marmosa murina Linn., tft es, die unter dem Namen ‚„Ineasratte” in den alten Naturgejchichten eine gewiffe Berühmtheit erlangt hat. Sie wurde dort „dorsigera“, d. h. auf dem Nüden tragende, genannt und von ihr erzählt, daß fie in aufopfernder Liebe ihre Jungen auf dem Rücken trage wie der fagenberühmte Ineas feinen alten Vater. Zu diejer rührenden Schilderung gehörte dann ein äufßerjt pojfterliches Bild, auf dem die Jungen alle ihre Kleinen Widelfhwänze um den über den Rücken gejchlagenen Schwanz der Alten geringelt hatten. Tatjählic” mag ja jolche Situation einmal vorfommen; aber für gewöhnlich lafjen eS die Jungen doch wohl dabei bewenden, fi am Felle und Xeibe der Alten feftzuhalten, wo und wie fie gerade Fünnen. Die Aneasratte ift [hon mehrfach in einem Büfchel Bananen unbemerkt, jozufagen als ‚blinder Bafjagier“, nad) England ge- fommen (vgl. „Field“, 1908). In Bara und Nordbrafilien überhaupt heißen die Eleinen Beutelratten diefer und der folgenden Untergattung ‚‚Gatitas”. Smnethlage jhildert zunächit eine ihr zu Ehren von Tho= mas M. emiliae 7hos. (Taf. „‚Beuteltiere‘ IL, 5 bei S.101) genannte Art, „eine winzige Beutel- ratte von ziemlich dunkler Braunfärbung, mit hellem, weißlichgelbem Bauch und jchwarz umrandeten Augen. Der Schwanz ift über anderthalbmal jo lang wie der Körper, die Ohren jind groß und häutig, die Schnurrhaare ftarf entwidelt.” Es ift die Fleinfte bisher befannte Art der Gruppe. Das Snethlagejche Eremplar war in der Stadt „Para jelbjt gefangen worden und lebte einige Zeit in einem Eleinen Käfig auf meinem Schreibtijch, jo daß ich es beftändig beobachten Eonnte. Das äußerlich allerliebfte Gefchöpfchen war in feinem Wejen ziemlich langweilig. ES blieb ftet3 äußert jcheu und wild, zifehte und jperrte den Rachen auf, Bmwergbeutelratten. Dreiftreifige Beuteljpibmaus, 113 jowie man fi) ihm näherte, während es jonjt tagsüber teilnahmslos und allem Anjchein nach ihlafend in einer Ede jaß... Neun junge Tiere derjelben Art hatte ich jchon früher ein- mal... erhalten‘; jie jtammten aus einem Wurf und waren auf dem Nüden ihrer Mutter, die beim Fangen leider umkam, gefunden worden. Sie waren bereits halbwüchfig und unter- Ichieden fich durch hellere Naje von den älteren Stüden. Eine weitere, ebenfalls auf Grund Snethlagejhen Materials von Thomas neu be- jehriebene Art, M. beatrix 7hos., jtammt aus Ceara und heißt dort Gatita pequena. Die lebenden Tiere diejer Art fielen Snethlage durch die vrangegelbe Färbung der nadten Ohr: bafis und den gleichfarbigen Anflug an Pfoten und Schnauze auf. hr Lieblingsaufenthalt jollen die Maisftrohhaufen jein. „Außerdem jollen fie aber gern in die Häufer fommen und dort durd Zernagen von Wälche und Kleivern Schaden anrichten.” Tatfächlich hatte eine jolche Zwergbeutelratte, die €. Snethlage, „‚anjcheinend gut verwahrt, in einem feiten Beutel gebracht” worden war, über Nacht „ein fajt markjtüdgroßes Loch) in den Beutel genagt und war dadurd) entwichen”. Eine andere hatte zehn nadte erbjengroße Junge an den Zigen des beutellojen Bauches gehabt, dieje aber über Nacht aufgefreifen; danıı nahm ie Feine Nahrung mehr an. Jm Magen einer dritten, jofort nach dem Fangen getöteten fand Snethlage Refte von Snfektenlarven. Noch weniger baumlebend als Marmosa tft gewiß die legte Gattung, Peramys Less. Schon Henfel jagt über diefe: „Die Untergattung Microdelphys (= Peramys) bei Bur- meijter umfaßt jolche Arten, welche man nicht beijer charakterifieren kann, als e3 die deutjchen Kolonijten des Urwaldes tun, die fte als ‚Spigmäufe‘ bezeichnen. Sie find in der Tat durch die jpibe Schnauze, die kurzen Ohren, den kurzen Schwanz jo jpißmausähnlich, daß man fie oberflächlich Faum von den Soriciden unterjcheiden Fann. Sie find nicht jelten, entziehen fich aber durch ihre Kleinheit und verborgene Lebensweile jo allen Nachitellungen, daß man fie nur jelten erhält. Sie leben gern in der Nähe der Bäche, wo der Boden etwas feucht ijt, und bejonders, wo Bananen wachlen.” Und über die von ihm neu entvedte und bejchriebene P. sorex Hens. fügt er, noch weiter gehend, hinzu: „Der Habitus-ift jo vollitändig der einer Spigmaus, daß man die Art, auch was die Farbe betrifft, faft durch die Abbildungen illuftrieren Fönnte, weldhe Bucheran von Sorex occeidentalis und aequatorialis gegeben hat. Auch das Benehmen, die Art, zu laufen und zu beißen, erinnert durchaus an Sorex. Auch Göldi Schildert aus diefer Gruppe eine Art, die Dreiftreifige Beuteljpismaus, P. americana Müll. (Abb., S. 114): „Sie ift durhaus fein jeltenes Tier, wie Burmeijter meint, bewohnt mehr oder weniger ähnliche Ortlichkeiten wie die Zwergbeutelratte. Sie wird oft auf Waldwegen gejehen, namentlich in der Nähe des Wafjers. Sie ift ganz erdlebend und für ein Baumleben ungeeignet gebaut. Sch Fenne die Beuteljpigmaus auch jehr gut, was ihre Lebens: gewohnheiten und Eigenart anlangt, von meinen Studien an Gefangenen. Shre Nahrung in der Freiheit tjt ähnlich der der Zwergbeutelratte; aber ich lernte, daß fie verhältnismäßig größere Tiere angreift als jene: fie padt ohne Zögern Vögel und Säugetiere an, die beinahe jo groß find wie fie jelbft. Sch war unklug genug, eine alte Beuteljpigmaus und eine junge Hespe- romys squamiceps in denjelben Käfig zu jegen. Am andern Morgen fand ich von der lep- teren nichts mehr als ein Eleines Stüd Fell und den Käfig bejudelt von den unverfennbaren Spuren eines heftigen Kampfes. Die Eigenart diejer Gattung ift nicht jo aniprechend wie die der Zwergbeutelratte: Blutdurjt und eine blinde Luft an Graufamfeit find die hervorftechenden Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 8 114 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. Züge, und eine niedere Stufe der Sntelligenz macht die Zähmung zu einer jehr undankbaren Sade. Unkluge Naftlofigkeit und unbändiger Freiheitsprang zufammen mit unerfättlicher Freßgier find im allgemeinen die Urfachen eines verwunderlich rajchen Kräfteverfalls und Todes. unge Eremplare find troßdem nette Gejchöpfe, auffällig durch ihre großen Köpfe. Mit Milh und Snjekten können fie eine Zeitlang am Leben erhalten werden von Leuten, welche die nötige Zeit und Muße dazu haben.’ Dreiftreifige Beutelfpigmaus, Peramys ameriecana Müll. Natürliche Größe. Eo weit Göldis fejjelmde Schilderungen, an denen das Beveutjamfte zu jein jcheint, daß die hnlichkeiten der Kleinen Beutelratten (Gattungen Marmosa und Peramys) mit der Halelmaus und den Spißmäufen fih nicht auf die äußere Ericheinung bejchränfen, jondern fich auch auf das geiltige Wejen ausdehnen: bei der Zwergbeutelratte diejelbe Liebenswürdigfeit und Zu= traulichkeit wie bei unjerer Hajelmaus und bei ven Beutelipigmäufen diefelbe gefräßige Nube- lofigfeit und tollfühne Naubgier wie bei unferen Spitmäufen. Schließlich dürfen wir uns ja aber nach umjerer ganzen Naturanfhauung nicht wundern, wenn der körperlichen Analogie erjheinung eine geiftige entjpricht, in ähnlichen Körpern ähnliche Seelen wohnen. Mit einer weitverbreiteten Art(P.domestica Wagn.; Taf. ‚‚Beuteltiere‘‘T,6, beiS. 101), die von Paraguay durch den größten Teil Brafilieng geht, wurde Snethlage durch ihreSammelreife in Beuteljpigmäufe. Dromiciops gliroides. 115 Geara näher befannt. Dieje eigentliche „‚Catita” (S.112) der Cearenjer war jowohl in pu als auf der Hochebene der Serra von Sybiapaba eines der gemeinjten Säugetiere, jedenfalls die gemeinite Beutelratte. Eine wurde gleich gefangen, al3 Snethlage aus dem ihr angewiejenen Arbeits- raum auf einer Jarım einige Bretter hinausichaffen ließ. ‚‚Beim Aufheben der Bretter hujchte ein noch nicht handlanges, mit weichen, furzem, grauem Belz bevecdtes Säugetier davon... Zwijchen den Brettern fanden wir dann ein Nejt, eine flache, einfach, aber doch haltbar aus trodnen Blättern, Strohhalmen und Bapierfegen zufammengewebte Mulde.” Snethlage zweifelt „nicht, daß die Behauptung der Brafilianer, die Gatita jei die Erbauerin, der Wahrheit entjpricht. Wir haben in dem Zimmer, das wir zwei Wochen hindurch benußten, nie Spuren von Ratten, Mäufen oder anderen in Betracht fommenden Säugetieren wahrgenommen; wohl aber fingen wir jpäter in demjelben noch eine Catita, die über Nacht in den Wafjerfrug gefallen war. Ein halbleerer, nur mit Gerümpel, Stroh ujw. bejeßter Schuppen im Garten wurde gleich- falls von Catitas bewohnt: wir fingen dort mehrere lebend in Fallen. Eine von ihnen, ein großes, jtarfes Weibchen, hatte zwölf nadte, rojenfarbige Junge von faum Bohnengröße bei ih, die, zu einem Klümpchen geballt, an den Bauchzigen der Mutter fejtgejogen waren”. Auch diefe Mutter fraß nad der Gefangennahme ihre Jungen auf, obwohl fie mit größter Sorgfalt und Rüdjicht behandelt wurde; fie jelbjt aber „war ganz munter, fraß, joff und gedieh, bis ich fie kurz vor unjerer Abreife nach der Küfte töten ließ... Die graue Gatita Icheint wejentlich ein Erdtier zu fein und fih hauptjächli von Snjekten zu nähren. Unjere Gefangenen leben fast ausschließlich von gehadtem Fleiih; daneben frejjen fie etwas Banane”. Sn einem „für Baumbeutelratten beftimmten Käfig mit Kletterbaum und hodhgelegenem Schlaf- fältchen‘” fiel fich gleich eine zu Tode; Snethlage ließ ihnen daher „eine Zuflucht zu ebener Erde einrichten. Die Tierchen halten fich jehr verjteckt, noch mehr al3 unfere anderen Beutel- ratten... Augenbliclich verbergen fie fich in einer Ede unter dem breiten, überjtehenden Rand ihres Wafjerbehälters, und wer ihr Berjted fennt und gute Augen hat, Fan dort wohl die glänzenden Jhwarzen Augen und die großen, beweglichen, häutigen Ohren erkennen... Nie habe ich beobachtet, daß fie Kletterverjuche machen, außer, aufgeregt, am Drabtgitter in die Höhe. Dagegen müfjen fie vorzüglihe Springer fein; denn ein in ©. Paulo gefangenes Männchen entfam mir aus einer der befannten amerikanischen, über einen Fuß hohen Betroleum- fannen, die, zum Aufbewahren von Spiritusmaterial eingerichtet, nur in der Mitte des Dedels eine größere Öffnung hatte” Wenn nur nicht inzwischen jemand die Kanne umgeftoßen und wieder aufgejtellt hatte! ‚Daß die Catitas troß ihrer verjtedten und ganz nächtlichen Yebens- weile jo allgemein befannt find, erklärt fich wohl daraus, daß fie ganz regelmäßig in Häufern, und zwar im Innern, nicht unter dem Dache, wie die großen Mucuren, leben.’ Nachträglich, lange nach Erjcheinen feines Beuteltierfatalogs im Jahre 1894, hat Thomas jich veranlaßt gejehen, noch eine neue Beutelrattengattung aufzuftellen: Dromiciops 7hos. Dieje Gattung unterjcheivet fi) von allen anderen Opofjums durch die Furzen, pelzigen Ohren, den vielen, haarigen Schwanz, Schädel- und Zahnmerkfmale; fie vereinigt bezeichnende Punkte der Gattungen Philander und Marmosa und ijt der Ießteren am nädhjjten verwandt. Die Schädelunterfchiede find aber jo groß, daß fie, jelbjt wenn heute noch alle Dpofjums in eine Gattung gejtellt würden wie früher, doch die Abtrennung von Dromieiops al3 eigne Gattung verlangen würden. Größe und oberflächliches Ausjehen der einzigen Art, D. gliroides 7hos., erinnern leb- baft an Dromicia nana, den tasmanischen Bilh-Phalanger, und diefe Ähnlichkeit hat auch 8* 116 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beutelratten. zu dem Gattungsnamen die Anregung gegeben. Die Heimat Chile darf vielleicht den Ge- danken nahelegen, daß es fih um eine jpezialifierte Form des rauhen, Falten Hochlandes handelt. Eine Ihon äußerlich, durch die Lebensweife, abweichende und deshalb von jeher abjeits geftellte Gattung it der Shwimmbeutler (Chironectes IZ.), mit einem eingeborenen Kamen wohl auch Yapod genannt. Er gehört aber doch unbedingt zu den Beutelratten, und zwar ift er, nad) Thomas, in allen Berhältniffen jeines Leibesbaues der Untergattung Shmwimmbeutler, Chironeetes minimus Zimm. 1/3 natürliher Größe. Metachirus am ähnlichiten. Bis jett hat man nur eine Art, Chironectes minimus Zimm., auf geitellt und gibt dementjprechend als Verbreitungsgebiet „von Öuatemala bis Süpbraftlien‘ an. Den Schwimmbeutler unterjcheivet der Fußbau von feinen Verwandten. Die nadt- johligen Vorder- und Hinterfüße find fünfzehig, diefe aber merklich größer al3 jene und durch große Schwimmbhäute, welche die Zehen verbinden, jowie durch ftarke, lange und fihelförmige Krallen vor den VBorderfühen ausgezeichnet. Die Zehen der leßteren tragen bloß Kleine, jchwache und furze Krallen, die jo in den Ballen eingejenkt find, daß fie beim Gehen den Boden nicht berühren. Der Daumen ift verlängert, und hinter ihm befindet fich noch ein fnöcherner Fort- ja, aus einer Verlängerung des Erbjenbeines herrührend, gleichjam als jechite Zehe. Der jajt förperlange Schwanz it bloß an der Wurzel furz und dicht behaart, im übrigen mit Schmwimmbeutler. 117 verjchobenzvierjeitigen Schüippchen bekleidet. Der Kopf ift verhältnismäßig fein, die Schnauze lang und zugejpißt, der Belz wei. Das Weibchen hat einen vollftändigen Beutel, das Männchen einen dicht und pelzig behaarten Hodenjad. Zm Zahnbau ähnelt der Schwimm- beutler den eigentlichen Beutelratten falt volljtändtig. Unfer Tier hat im allgemeinen ungefähr das Ausjehen einer Natte. Die Ohren find ziemlich groß, eifürmig gerundet, häutig und nadt, die Augen Klein. Große Badentajchen, die fich weit rücdwärts in die Mundhöhle öffnen, lafjen das Geficht oft diefer erjcheinen, als es wirklich tft. Der gejtredte, walzenfürmige, aber eher unterjegte als jchlanfe Leib ruht auf furzen Beinen mit breiten Füßen. Der weiche, glatte, anliegende Pelz, aus zertreuteren, längeren Grannen und dichtem Wollhaar, ift auf dem Rüden jchön afchgrau gefärbt und fticht iharf ab von der weißen Unterjeite. Auf dem grauen Grunde des Nüdens liegen jechs jchwarze, breite Duerbinden, und zwar zieht fi) eine davon über das Geficht, eine über den Scheitel, eine über die Vorderbeine, die vierte über den Nücen, die fünfte über die Lenden und die jechjte über das Kreuz. Längs der Nücenlinte verläuft ein dunkler Streifen von einer Binde zur andern. Die Ohren und der Schwanz find |chwarz, die Pfoten oben hellbraun, die Sohlen dunkelbraun. Ausgewachjene Tiere haben etwa 40 cm Leibeslänge. Der Schwimmbeutler jcheint in feiner Heimat überall, aber jelten vorzufommen oder wenigitens jchwer zu erlangen zu fein; er wird daher auch noch in den wenigiten Sammlungen gefunden. Natterer, der 17 Yahre in Brafilien jammelte, erhielt das Tier bloß dreimal und auch nur zufällig. So darf es uns nicht wundernehmen, daß wir von feiner Xebens- weile noch faum etwas wijjen. Man hat erfahren, daß es hauptjächlich in ven Wäldern, an den Ufern Eleiner Flüjfe und Bäche fi aufhält und nach Art der meilten Wafjerläugetiere bauptjählih in Uferlöchern fich verftect oder mitten im Strome herumjchwimmt, jomit aber gewöhnlich der Beobachtung entgeht. ES foll jowohl bei Tage als auch bei Nacht nach) Nah- tung, Heinen Fiihen oder anderen Heinen Wafjertieren und Filchlaich, ausgehen, mit größter Leichtigkeit fchrwimmen und jich auch auf dem Lande rajch und behende bewegen fönnen. Man fagt, das Tier fehre, wenn es feine Bacdentajchen mit Nahrung gefüllt hat, nach dem Lande zurüd, um dort zu freifen, ähnlich wie das Schnabeltier. Daraus, dat e3 fich in Yalreufen gefangen hat, ann man jchließen, daß es ein gewandter Taucher it. Das Weibchen wirft etwa 5 Junge, trägt fie im Beutel aus und führt fie dann jchon ziemlich frühzeitig ins Wafjer. Ob die Jungen bei Gefahr in den Beutel zurücfehren, jich an der Mutter fejtflammern oder in Uferlöchern veriteden, ijt nicht befannt. Durch „die voll- jtändige Bruttafche des Weibchens”, jagt Karl Vogt, „wird die von einigen Naturforjchern aufgeitellte Theorie widerlegt, daß die Tajche der Beutler eine Folge der Anpafjung diejer Tiere an das LXeben in dürren, wafjerarmen Gegenden fei. Wie könnte ein Tier, das ein vollftändiges Wafjerleben führt, eine Bruttafche befigen, wenn die Urjache zu dDiefem Ge- bilde gerade in der entgegengejeßten Yebensweije zu fuchen wäre?” Lhpdeffer hält es zufolge de3 wohlausgebildeten Beutels, in dem die Jungen einige Zeit getragen werden, für ein- leuchtend, daß während diejer Veriode die Mutter jich vom Wajjer fernhalten muß. Göldi beftätigt die Seltenheit des „eigenartigen und Schönen Wafjer-Dpoffums” und ift jogar der Meinung, daß es dem Ausiterben entgegengeht. Cr konnte feine Beobachtungen über fein Freileben machen. Auch Henjel jchreibt: „Diejes interefjante Beuteltier it in Südbrafilien jo jelten, daß e3 mir nur gelang, ein Sfelett und drei ganze Tiere in Spiritus zu janımeln. Ob die Spezies noch füdlich vom Jacuhy (Hauptfluß des Staates Rio Grande do Sul) vorkommt, 118 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. ift mir unbefannt geblieben. ch möchte e3 aber bezweifeln, da ich jie nur an den reigend ichnellen Bächen des gebirgigen Urwaldes gefunden habe, und zwar fjowohl am Nordrande desjelben auf der Serra wie an jenem Südrande bei Santa Cruz (d Meilen nördlich bon der Stadt Rio Pardo).” Snethlage- Para erhielt ihre exite „Wafjerbeutelvatte”, wie jie den Schwimmbeutler ebenfalls vecht treffend nennt, nach Bericht ihres Sammler3 „merfwinrdigerweife in einem unbewohnten Haufe, das mindejtens 300 m von dem nächjten Wajjerlauf entfernt faq.’ Sein Benehmen dem Menjchen gegenüber nennt fie „geradezu rajend”; vor dem Gebiß ihres Gefangenen mußte man jich „ernftlich in acht nehmen, bis zu feinem Tode, der jchon nach wenigen Tagen eintrat.” An derjelben Gegend wurden noch mehrere Schtwimmbeutler gefangen. Daraus, daß jich dort „nur feine Bäche finden, die im Sommer falt ganz austrodnen”, jchließt Snethlage mit Necht, daß das Tier „nicht jo unbedingt an die Nähe größerer Wafjerläufe gebunden tft, wie die bisherigen LXebens- jchilderungen vermuten lafjjen”. Lebend Hat der Zoologische Garten Para die Ehichica D’aqua zweimal (1908 und 1909) gehabt: ein Beweis, daß jte in der Umgegend nicht jo ganz felten jein fann. Snethlage jelbjt hat das Tier aber nie lebend gejehen. * Mit der Familie der Nanbbentler (Dasyuridae) gehen wir zur auftraliichen Beutel- tierwelt über: fie vertreten auf dem auftraliichen Feltland, auf Neuguinea und den zu- gehörigen Bapuaniichen Injeln die Raubtiere und mjektenftejjer. Die Raubbeutler haben einen behaarten Schwanz, feinen Greifjchwanz, wie die Beutel- tatten. Sonjt weichen jie neben diejen in den veränderungsfähigiten und für die Xebens- weile bedeutjamjten Punkten, Gebiß und Fußbau, am wenigjten von dem urfprünglichen Srundtppus ab, wie man ıhn für das Säugetier annimmt: fie haben eine vollftändige Zahnreihe, ziemlich gleichlange und, vorn menigitens immer, fünfzehige Gliedmaßen. Zehenverwachjung, der erite Anfang der Nücdbildung, findet nie ftatt; nur der Hinter- Daumen fehlt öfters oder it, wenn vorhanden, Heiner und Frallenlos. Das Gebif it ein Naubtiergebiß: Heine Schneidezähne, große, jchneidende Echzähne, Baczähne mit jcharfen Spißen; bei der Hauptmafje der Formen im ganzen 42 oder 46 Zähne, bei einer abweichenden Gattung 50 oder 52. Die größeren Mitglieder der Familie ind räuberifche Fleischfrejjer, die Heinen mehr Snjektenfrejjer; eine abweichende Form ausjchhieglich Ameijenfreier. Im Snfektenfrejjergebiß mit feiner langen, füdenlofen, qleich- fürmigen Sahnreihe, in der die verjchtedene Formgeftaltung der verjchtedenen Yahnarten noch nicht weit vorgejchritten ift, fehen wir jet allgemein das urjprünglichite Säugetier- gebiß, und Träger jolcher Gebijje find wir von vornherein geneigt, al3 erdgejchichtlich alte Säugetierformen anzufehen. Tatjächlich iegen denn auch jchon im Jura, mitten im Mittel- alter der Erdrinde, eine ganze Menge unterjcheidbarer Beuteltierunterfiefer mit jolchen „snieltenfrejjergebijjen beifammen, die man nach der langen Neihe ihrer dreifpigigen Baczähne Tritubereulata (Dreihöderzähner) genannt hat — zum Unterjchied von den noch älteren Multituberculata (Vielhöcerzähnern) aus der Trias, die uns früher jchon als Verwandte der Schnabeltiere begegnet find. Und diefen Dreihöderzähnern ftellt der Münchener Baläontolog Zittel in jemem maßgebenden Lehrbuch noch zwei andere Gruppen, Trieonodonta und Protodonta, an die Seite, die alle noch zu unferer Beuteltierunterordnung Ameijenbeutler. 119 Polyprotodontia gerechnet werden, aber doch zugleich auch jchon bis zu den unterjten Wurzeln des Säugetieritammes hinführen „als die primitivjten bis jest befannten Säuge- tiere, deren Bezahnung noch auffallende Ahnkichkeit mit Reptlilien aufmweift”. Ebenjo ent- halten die Tritubereulata bei Sittel die Beutelratten, die Naubbeutler, die (von uns diejen als Unterfamilie zugerechneten) Spit- oder Ameijenbeutler und die Beuteldachje; ander- jeitS aber fann man nach dem Vorgang des amerifanifchen Säugetierpaläontologen Dsborn die ausgeftorbenen Formen der Gruppe mit einigen Übergriffen in die vorerwähnten Kachbargruppen (Triconodonta und Protodonta) als Prodidelphya (Borläufer der Beutel tiere) und Insectivora primitiva (Ur-Snjektenfrejfer) auseinanderlegen, je nachdent die Unterfiefer, die meijt allein erhalten find, für das Beuteltier die bezeichnende Einbiegung ihrer Hinterecde nach innen haben oder nicht. Dadurd) fällt mehr Licht auf die abjtam- mungsgejchichtliche Bedeutung diejer alten feinen Säugetierformen, und es erhellt, daß hier Neptilienartiges mit Beuteltier- und Snjektenfrejjercharafter zufammenfommt. Das reptilienartige Urjäugetier verkörpert namentlich Dromatherium sylvestre Emmons aus der oberen Trias von Nordcarolina, und Urbeuteltiere oder Ur-njektenfrejjer liefern die fojjilen Yamilien der Triconodonta und Trituberceulata, je nachdem der Unterkiefer die bezeichnende Einbiegung hat oder nicht. So jteht neben dem Amphitherium prevosti Blainv. (Familie Amphitheriidae) au dem englischen Jura, dem oben jchon erwähnten Orforder Probejtiik Cuvierjchen Sennerblids, der Dryolestes priscus Marsh. aus dem obern Jura von Whoming (Zyamilie Amblotheriidae), und unmittelbar neben diejen Fann der Ameijen- beutler des heutigen Auftraliens gejtellt werden. Der Ameifen- oder Spitbeutler, Myrmecobius fasciatus Waterh. (Ubb., ©. 120), vertritt al einzige Art die Unterfamilie der Ameijenbeutler (Myrmecobiinae). Sein Klörper ift lang, der topf jehr jpis, die Hinterfüße find vierzehia, die Borderfüße fünfzehig, die Hinter- beine etivas länger als die Vorderbeine, die Sohlen unbehaart, die Zehen getrennt. Der Schwanz ift jchlaff, lang und zottig. Das Weibchen hat feine Tajche: eine Tatjache, die jehr viel zu denfen gibt angefichts der nahen Verwandtjchaft des Tieres mit den Urbeutlern! An der Bruft befindet fich eine merkwürdige, zufammengefegte, durch mehrere Gänge fich öffnende Drüfe, die beiden Gejchlechtern zufommt. Auffallend ift das reiche Gebiß; denn die Anzahl der Zähne beträgt mehr als die irgendeines Säugetieres, mit alleiniger Aus- nahme des Armadill und einiger Waltiere, und zwar nicht weniger als 50—54, da jich in jeder Stieferhälfte, außer 4 Schneidezähnen oben und 3—4 unten, je 1 Eczahn, 3 Lück und oben 5, unten 5-6 Baczähne finden. Die Zunge ift lang, dünn, nach der Spiße zu verjüngt, durch eine ganz glatte Oberfläche ausgezeichnet und hervoritredbar. „Diefe ausnehmend merkwürdige Gattung”, jagt Thomas, „unterjcheidet fich von dem Reit der Familie in jolhem Grade, daß e3 fehr zweifelhaft ijt, ob nicht für fie eine bejondere Familie hätte gemacht werden müffen. Ihr Hauptinterefje liegt in der eng anjchliegenden Änntichfeit und vermutlichen Verwandtfchaft zu den mejozoijchen Polyprotodontiern, Beutel- tieren der englischen Surafchichten, eine hnlichkeit, die jo weit geht, daß zu vermuten ift, der Ameifenbeutler jei tatjächlich, wie der Ceratodus-Fijch, ein underänderter liber- lebender von den mejozoifchen Zeiten her und jomit aus einer Zeit, ange bevor die Didel- phyiden, Perameliden und Dajyuriden voneinander verjchieden fich herausgebildet hatten”; mindejten3 aber verdient das altertümliche Heine Tier den Rang einer Unterfamilie. Man darf den Ameifenbeutler mit Necht eines der jchönjten und auffallendjten 126 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Naubbeutler. Beuteltiere nennen. Sn der Größe ähnelt er ungefähr unjerem Gemeinen Eichhörnchen. Die Länge feines Leibes beträgt gegen 25 cm, die des Schwanzes etiva 18 cm. Ein reich- licher Pelz bededt den Körper, der Stopf ilt furz, der Schwanz dagegen lang, zottig behaart und jchwarz. Unter dem langen, ziemlich rauhen Grannenhaar liegt dichtes, Furzes Woll- haar, Schnurren ftehen an den Geiten der Oberlippen und Borjtenhaare unterhalb der Augen. Die Färbung ift höchit eigentümlich. Das Deergelb des vorderen Dberfürperz, das durch eingemengte weiße Haare Fichter erjcheint, geht nach Hinten zu allmählich in ein tiefes Schwarz Über, das den größten Teil der Hintern Körperhälfte einnimmt, aber durch weiße oder rötliche Duerbinden unterbrochen wird. Die eriten diejer Binden find umdeutlich und mit der Grundfarbe vermijcht, die folgenden rein gefärbt, die nächjten Ameifenbeutler, Myrmeeobius faseiatus Waterh. 1/3 natürliher Größe. Nah Gould, „Mannuals of Australia“, 1845—60, gezeichnet von 8. Hartig. wieder durch die Grundfarbe getrübt, die legte ijt wieder volfjtändig rein; doch trifft man bisweilen auch Abänderungen in bezug auf die Anordnung und Färbung der Binden, deren feitliche Hälften namentlich oft gegeneinander verjchoben find. Die Binden fommen dadurch zuftande, daß die an der untern Hälfte und an der Spibe Schwarzen, in der Mitte weißen oder rötlichen Haare in ähnlicher Weife wie bei der Zebramangufte angeoronet find. Die ganze Unterjeite des Tieres ift gelblichweiß, die Weichen find blaß fahlgelb, die Beine an der Außenfeite blaß bräunlichgelb, an der VBorderjeite weiß. Aufden Stopfe bringen jchwarze, fahlgelbe und einige weiße Haare eine bräunliche Färbung zuftande. Die Oberfeite des Schmwanzes zeigt eine grobe Mifchung von Blaßgelb und Schwarz; jeine Unterfeite ift lebhaft roftrot gefärbt. Naje, Lippen und Strallen find jchwarz. Das Wolldaar it weißlichgrau. Ungeachtet diefer merkffich voneinander abjtechenden Farben macht das Tier einen angenehmen Eindrud, der noch bedeutend erhöht wird, wenn man e$ lebend jieht. Gilbert, Goulds treuer, unglüdlicher Sammler, der oft Gelegenheit hatte, das Tierchen auf feinen Ameifenbeutler. 121 natürlichen Tummelpläßen zu jehen, jchreibt, daß es einem Eichhörnchen fehr ähnlich fieht, wenn e3 über der Erde dahinläuft, was e8 |prungmweije tut mit etwas erhobenem Schweife, dazwischen immer einmal jich aufrichtend umd auf den Hinterfüßen jitend. Aufgejcheucht, nimmt es regelmäßig einen abgejtorbenen Baum an, der auf der Exde Yiegt, und bevor es in die Höhle Hineinjchlüpft, jest e3 fich unabänderlich auf die Hinterfühe, um fich über die nahende Gefahr zu vergemijjern. Solche Zufluchtsorte weiß der Ameifenbeutler auch während der ärgjten Berfolgung auszufpähen und mit ebenfoviel Gefchiet wie Ausdauer zu behaupten. Nicht einmal der Rauch, das gewöhnliche Hilfsmittel des tückjchen Men- jchen, um ein verjtedtes Tier an das Tageslicht zu bringen, foll auf unfern Spibbeutler die beabjichtigte Wirkung ausüben. Die Hauptnahrung des Ameijenbeutlers ist fehon durch jeinen Namen bezeichnet. Man findet ihn auch vorzugsweife in folchen Waldgegenden, wo Ameijen in Menge vorfommen. Die Zunge jtredt er ganz nach Urt des Ameifen- bären unter die wimmelnde Schar und zieht jie, wenn fich eine Mafje der erbojten Slerfe an ihr feitgebiljen hat, rajch in den Mund zurüd. Außerdem foll er auch andere Kerbtiere und unter Umjtänden das Harz, das aus den Zweigen der Cufalypten fchwißt, verzehren. Sm Gegenjage zu den eigentlichen Raubbeutlern it der Ameijenbeutler im höchjten Grade harmlos. Wenn er gefangen wird, denft er nicht daran, zu beißen oder zu fragen, jondern gibt jeinen Unmut einzig und allein durch fchwaches Grunzen fund. Findet er, daß er nicht entweichen fan, jo ergibt er fich ohne Umftände in die Gefangenjchaft, ein Schidjal, das ihm, wie den meijten Ameijenfrejfern, gewöhnlich bald verderblich wird. Die eriten Exemplare, die in Europa befannt wurden, erhielt man durch einen eng- hichen Unterbeamten Dale, von einer Forichungsreife ins Innere am Schwanenfluß. „Zwei diejer Tiere wurden einige Meilen voneinander gejehen. Sie wurden zuerjt auf der Erde beobachtet; verfolgt, richteten beide ihre Flucht auf einige hHohle Bäume in der Nähe. Wir fingen eins; das andere verbrannte unglüdlicherweije bei unferem Bemühen, e3 heraus- zutreiben, indem wir den hohlen Baum ausräucherten, in dem es Zuflucht gejucht hatte. Sn den Gegenden, wo die Tiere lebten, fanden twir eine Überfülle abgejtorbener Bäume und Ameijenhaufen.” Das jo gefangene Eremplar Fam nach England in die Hände von Waterhoufe, der es unter dem jett allgemein befannten Namen bejchrieb. Da der Beutel fehlt, bejteht der einzige Schuß für die zarte Nachfommenjchaft in dem langen Haar, das die Bauchjläche der Mutter bedecdt. Der Londoner Zoologijchen Gejell- ichaft ift im Jahre 1889 von ihrem Mitglied PBrofejjor Homwes ein Präparat von einem weiblichen Ameijenbeutler vorgelegt worden, das die vier Ziben zeigte und an jeder „einen Heimen Embryo hängend“. * Auf die Unterfamilie Eigentlihe Raubbeutler (Dasyurinae) pajjen die Kennzeichen, die oben für die ganze Familie angegeben wurden, namentlich die geringere Zahl der Zähne (42 oder 46). Sie teilen fich wieder in Kleine, bis rattengroße, Snfektenfrejjer und größere, räuberische Fleifchfrejier, die anderen Säugetieren und Vögeln, auch den Haustieren des eingewanderten Nulturmenjchen gefährlich werden fünnen und deshalb, wie es jcheint, vielerort3 in Australien jchon vernichtet find. Wir beginnen mit den Heinen Infektenfrejjern, die fich mwenigitens in der Xebensweije nahe an den erdgejchichtlich jo alten Ameijenbeutler anjchliegen, und jtellen die Gattung 122 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. Phascologale Tem., Beuteljpishörnden, voran. Tatjächlich nehmen die Mitglieder diefer Gattung, nach Thomas, al3 ausgeprägte Baumtiere im Haushalte der auftralijchen Natur offenbar den Plab ein, den in der orientaliichen Region die Spihörnchen (Tupaia) ausfüllen und in der neotropijchen die Heinen Beuteltatten. Sn den 13 Arten der Beutelipishörnchen jehen wir aljo Heine, mehr oder weniger den Spishörnchen ähnliche Raubbeutler vor und. Die Leibesgröße diejfer Tiere ijt un- bedeutend, ihr Schwanz mäßig lang. Der gedrungene Leib ruht auf Furzen Beinen mit feinen, fünfzehigen Pfoten, die mit Ausnahme des hinteren, nagellojen Daumen mit ge- friimmten, jpißigen Krallen bewehrt find. Der Kopf ift jpib, die Ohren und Augen find ziemlich groß. Im Gebif fallen die merfwitrdig vergrößerten, oberen Schneidezähne auf; die jchlanfen Eezähne find nicht jehr groß, die jpisfegelfürmigen Lüczähne erinnern wegen ihrer Höder an das Gebif der Anjeftenfrejfer. Außer der üblichen Anzahl von Schneidezähnen finden fi 1 Eczahn, meijtens 3 Lüic- und 4 Bachähne in jedem Stiefer. Die Beuteljpishörnchen beivohnen Australien und die Bapuanijchen Injeln, leben auf Bäumen und nähren fich falt nur von Kterbtieren. Der weiten geographischen Verbreitung der Gattung Phascologale itber die ganze auftrafifch-papuanifche Region entjpricht die jtattliche Reihe geographifch begründeter Arten, auf die wir natürlich nur andeutungsweije eingehen fünnen. Zunächjt unterjcheiden jid) die auftralifchen und papuanifchen Beuteljpishörnchen dadurd), daß lettere einen gejtreiften Niürcfen haben, erjtere nicht. Die auftraliichen teilen fich wieder nach der Behaarung des Schwanzes, der an der Spite ringsum gleichmäßig bufchig jein kann (Ph. penicillata Shaw, d. h. gepinjelte) oder Furz behaart, nur auf der Oberfeite, etiva im Spißenteil, mit einer „sahne“ oder „Bürfte” (Beutelgilbmaus, Ph. flavipes). Thomas führt für alle dieje Arten auch Schädelunterichiede auf, jo daß jie nicht als bloße Farbenjpielarten gelten fünnen, und auch durch ihre Verbreitung erweifen fie fich im allgemeinen al mohlbegrenzte und qutbegründete tiergeographiiche Einheiten. Die größte Art ift die Tafa, wie die Eingeborenen in Neufidmwales, Coming-coming, wie fie mit einem der vielfach üblichen Wiederholungsnamen in Weftauftralien das Tierchen nennen, Phascologale penicillata Shaw. In der Größe gleicht fie etwa unferem Eich- hörnchen; ihre LXeibeslänge beträgt 24 cm und die Länge des Schwanzes 22,5 cm. Der lange, weiche, wollige, nur leicht auf der Haut Tiegende Pelz ijt auf der Oberjeite grau, an den unteren Leibesteilen aber weiß oder gelblichweiß. Die Mitte der Stirn oder des Scheitels dunfel, und auch die übrigen Haare haben jhmwarze Spiten; die Zehen find weiß. Der Schwanz ift in dem erjten Viertel feiner Länge mit glatt anliegenden, denen des Körpers ähnlichen Haaren bedect, im folgenden fürzer behaart, oben heller, unten brauner gefärbt, während die Endhälfte mit langen, bufchigen, Dunkeln Haaren befleidet ift. Die Tafa erjcheint als ein Heines, fehmucdes, Harmlofes Gejchöpf, ift aber angeblich eine der größten Vlagen der Anfiedler, ein wildes, blutdürftiges und Fühnes Raubtier, das ih in dem Blute der von ihm getöteten Tiere fürmlich beraufcht und auf feinen Raub- zügen bis in den innerften Teil der menschlichen Wohnungen einzudringen weiß. &3 jtiehlt jich durch den engjten Spalt, e3 Hettert, fpringt über Mauer und Hage und findet jo überall eimen Zugang. Zum Glück der Anfiedler fehlen ihm die Nagezähne unferer Ratte, und eine gute Tür reicht aus, e3 abzuhalten. Aber jedermann muß bedacht jein, HSühnerftälle und Taubenjchläge auf das jorgfältigjte abzuschließen, wenn er fein Geflügel erhalten will. Tafa. Beutelgilbmaus. 123 Dieje Lebensgejchichte muß übrigens reichlich blutig ericheinen: weiß man doch, wie Yeicht das Bauernvolf nächtlichen Tieren alles mögliche andichtet, um den dummen, feigen Trieb, alles Fremde zu vernichten, vor jich jelbit zu bejchönigen! Lydeffer jchwächt jte au) ab, indem er jagt: „sn einigen Gegenden ift fie (die Tafa) jo dreift, in die Käufer der Koloniften einzudringen, von denen jie (ob gerecht oder ungerecht, wiljen mir nicht) an- geflagt wird, ihnen das Geflügel zu würgen.” Gould, der alte Stlaljifer der auftraliichen Tierwelt, nennt die Tafa zwar eine „PBejt” für die Anfiedler; jene Schilderungen ihrer NUR N x Y MN R N IT. \ Tafa, Phascologale penieillata Shaw. 2 natürlicher Größe. Gefährlichkeit fehmwächt er aber jelbit durch Angaben des Mageninhalts wieder ab. „sm Magen einiger, die man öffnete, wurden Überrejte von Käfern gefunden und anjcheinend folche einer Pilzart.” Die Tafa lebt nach Gould nächtlich, Schläft am Tage in den Höhlen umgejtürzter Bäume. Abends fteigt fie ind Gezmweig und entfaltet dort die größte Be- mweglichfeit, jedenfalls auf der Injektenjagd. Gefangen, wird jie jehr wütend und macht die verzweifeltiten Anftrengungen, fich zu befreien, und dabei beißt jie jo gefährlich, daf jelbft die Eingeborenen faum zu bewegen find, eine Hand in den Bereich einer lebenden Tafa zu bringen. Sie nijtet in den Höhlen der Gummibäunte. Eine zweite, viel Heinere Art der Gattung mit gleichmäßig kurz und dünn behaartem, nur gegen da3 Ende etwas aufgebürjtetem Schwange ijt die Beutelgilbmaus, Phasco- logale flavipes Waterh., ein Tierchen, das etiva 13 cm lang wird und einen 8 cm langen 124 2. Drvdnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. Schwanz hat. Der ziemlich reichliche und weiche Pelz ift am Grunde tiefgrau, außen aber jchwärzlich mit gelber Sprenfelung, an den Geiten rot- oder odergelb, unten Yichter gelb, Kinn, Bruft und Bauch find weiß oder gelb, der Schwanz ift licht, hier und da aber dunkler gejprenfelt. Die weißbäudigen Stüde fommen vom Weften und Norden (var. leucogaster Gray), die gelbbäuchigen (var. typica) vom Dften Auftraliens. Bon Ph. flavipes Waterh. erzählt Gould, daß er fie oft über das umgefallene Holz rennen jah auf der Wajjerjeite der Ebene von Adelaide, und daß fie in Neufüdiales ähn- liche Drtlichfeiten bevorzugt und ähnliche Bewegungen und Gewohnheiten zeigt. S$hre Bewegung über die Baumjtämme bejteht aus einer Folge jehr rajcher Sprünge wie Die de3 gewöhnlichen Eichhornz, und fie fchlüpft um die Ifte Herum und unter ihnen durch mit gleicher Zeichtigfeit. Jr der Größe der Gejchlechter it ein beträchtlicher Unterjchied: das Beibehen ijt immer feiner als das Männchen. Das Neft und fein Standort fcheinen nad) Gilbert, Goulds Sammler, in den verjchiedenen Landesteilen zu wechjeln. Die Eingeborenen in der Nachbarjchaft des Morisflujfes behaupten übereinitimmend, daß es in einer leichten Bertiefung des Erdboden3 angebracht wird unter den überhängenden Blättern der Xan- thorrhoea (Grasbaum); anderjeit3 verjichern auch die Wilden von Perth, daß fie das Tier immer entweder in einem toten Stumpf oder zwijchen den Grasbüjchelblättern der Xan- thorrhoea aufjtöbern; am Sing Georges-Sund Scheint e3 fich wieder anders zu verhalten: dort fanden die Schwarzen heraus, daß das Weit, aus feinen Zweigen und furzen Gräjern aufgebaut, jehr genau dem des Najenbeutlers gleicht. Die Magen der unterjuchten Stüde enthielten die Überrejte von Snjeften verschiedener Art. „Am Sing Georges-Sund erhielt ich”, erzählt Gilbert, ‚‚ein Weibchen mit jieben anhängenden Jungen; fie waren wenig mehr als 1 cm lang, ganz nact und blind. Über die Ziten Iegt fich eine leichte Hautfalte, von der aus die langen Haare Der Unterjeite fich abwärts |preizen und fo Die Jungen bededen und ihüsen. Die Falte in der Bauchhaut ist die einzige Andeutung des Beutels, welche ich bei irgendeinem Mitgliede der Gattung gefunden habe. Die Jungen find jehr lebenszäh; Die obenerwähnten lebten nahezu zwei Tage, an den Ziben der toten Mutter hängend, und, eingetaucht in Spiritus, blieben fie noch beinahe zwei Stunden in Bewegung.” Die ganz Heinen auftralijch-tasmanijchen Spibbeutler mit großen, breiten, runden Ohren und furzhaarigem, manchmal verdictem Schwanze vereinigt Thomas nad) gemijjen Schädel- und Zahnmerkmalen in der Gattung Sminthopsis Thos. In der auftraliichen Natur nehmen jie genau die Stelle der Spigmäufe ein, und wir können fie deshalb deutjch einfach aujtra- liiche Beutelfpigmäufe nennen. Bon Sminthopsis fuliginosa Wagn. (murina) berichtet Gould nad) Gilbert: „sshre Lieblinaspläße find Friich ausgebrannte Stellen, namentlih wenn fie an Sümpfe und jeuchte Wiefen angrenzen.” Dort bewohnt fie zwifchen den verbrannten Grasfanten unteriwwiiche Galeriebauten, die nach Goulds Schilderung und Zeugnis ganz genau den Neitern einer Heineren Art Schwarzer Ameisen gleichen. Man Fann daher den Gedanken nicht unterdrüden, obwohl Gould und Gilbert nicht darauf gefommen zu fein fcheinen: daß die Beuteljpismaus eben die verlafjenen Ameifennefter bezieht. Gilbert fährt weiter jort: „sch bemühte mich, die Art in Gefangenfchaft zu halten; aber felten glüctte mir das länger als einige Tage. Sie ift ausnehmend Tebhaft in ihrem Wefen, und wenn fie ruht, hat ihr Körper einen furzen, ballartigen Umrif. Die Stimme ift auch nur dag einzige ziichende Geräufch, das den meijten Beuteltieren gemeinfam ift. Die Beuteljpismaus frißt Beutelipringmaus. Auftraliihe Beuteljpigmaus. Beuteljpringmaus. 125 bei Nacht und jcheint Hauptjächlich auf Infekten auszugehen; denn die Magen, die ich unterjuchte, enthielten Snjekten verjchiedener Art. „Die Weißfühige Beutelfpismaus, Sminthopsis albipes Waterh., bewohnt die toten Stümpfe der Grasbäume. Sie macht jich in diefen fein Neft, fondern feharrt nur ein wenig von den trocnen, faferigen Mafjen zufammen. Mehr alS eine fieht man jelten auf einmal... Die unterfuchten Magen enthielten Käferreite.” Über die Sminthopsis crassicaudata Gould, die Diefhwänzige Beutelipigmaus, der Gould eine eigene Gattung, Podabrus, gewidmet hat, läßt er jich von Gilbert berichten: „sc bedaure jagen zu müfjen, daß ich nicht imjtande gewwejen bin, irgendeine Aufklärung über Leben und Treiben diejer merfwindigen Art beizubringen. Das auffallendfte und eigenartigite Merkmal diefes hübjchen Tierchens ijt die Zorm des Schwanzes: man fann von ihm unmöglich die Haut abziehen, ohne ihn der Länge nac) aufzufchneiden... Weil feiner der Eingebornen das Tier fannte, möchte ich es für jehr felten halten.“ Bon der Horn Scientific Expedition to Central Australia wurde ein feines Beutel- taubtier mitgebracht und 1896 von dem Herausgeber der zoologijchen Ausbeute, dem Mel- bourmer Biologen Spencer, al3 Dasyuroides byrnei Spencer bejchrieben, das wegen feiner interefjanten Mittelftellung zwijchen verjchiedenen Naubbeutlergattungen und einer ganz bejonderen Eigentümlichfeit hier wenigitens erwähnt fein möge. E3 hat nämlich hinten nur vier Zehen; die Daumenzehe fehlt, und das genügt jchon, um es als Gattung von Phas- cologale zu trennen. Diejer ilt eS jonjt in feiner allgemeinen Crjcheinung jehr ähnlich, namentlich der Ph. eristicaudata Krefft, mit der Dasyuroides byrnei diejelben Gegenden in Snnerauftralien (3. B. Charlotte Waters) bewohnt. Dabei hat das merkwürdige Ber- haltıis jtatt, daß eS von D. byrnei nur fehr wenig Weibchen und von Ph. cristicaudata nur ehr wenig Männchen gibt. Die Schwarzen bei Charlotte Waters blieben deshalb hart- nädig Dabei, daß beide a8 Männchen und Weibchen zujammengehörten. Sn der all- gemeinen Erfcheinung find fich beide auch äußerjt ähnlich bi auf den Schwanz, der bei Dasyuroides nicht jo jtarf und die ilt. Sonit jchließt ich diefe Gattung jowohl an Phas- cologale als, wenn auch weniger nahe, an Sminthopsis an, farın aber wegen der Bierzehig- feit ihrer Hinterfüße mit feiner von beiden vereinigt werden. Yuch an Dasyurus zeigt jie durch gewille Zahnmerfimale eine Annäherung, allerdings weniger weitgehend als die Öattung Phascologale. Dieje bleibt auf alle Fälle ihre nächite Verwandte. Sonjt bei den Keinen Snfeftenbeutlern mehr zum Zujfammenziehen der unterjchiede- nen Formen geneigt, Hat Thomas fich doch bewogen gefühlt, Die Beuteljpringmaus, wie wir fie nach jeinem Borgang nennen wollen, al3 bejondere Gattung (Antechinomys Krefft) gelten zu lajjen wegen des allgemein jchlanferen, jpringmausartigen Baues. Die Ghedmaßen find ungewöhnlich verlängert: Vorderarm, Unterfchenfel und Hinterfuß un- verhältnismäßig lang; Daumenzehe fehlt ganz; Sohlen größtenteil3 behaart (mie bei den eigentlichen Springmäufen). Merkwürdig, dag Gould diefen Sandjpringer auf einem Baumaft abgebildet hat! ES erflärt fich daraus, daß feine Mitteilungen über Leben und Ireiben die Eremplare begleiteten, welche er erhielt. Die Beutelfpringmaus, Antechinomys laniger Gould, die einzige Art ihrer Gat- tung, ift ausgezeichnet durch jehr große Ohren, jehr langen und gequafteten Schwanz 126 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. und ungewöhnlich verlängerte Beine, deren Zehen unter fi) annähernd gleichlang find. Die vorherrschende Färbung des langen, feinen umd weichen Haares ift oben ein un- beitimmtes Graugelb, das an den Geiten und unten weiß wird. Die Gejamtlänge des Tieres beträgt etwas iiber 20 cm, die Länge des Schwanzes nicht weniger al3 12cm. Aus der Geftalt der jpringmausartigen Hinterbeine fonnte man auf hüpfende Fortbewegung der Beuteljpringmaus jchliegen, die Strefft auch durch Beobachtung feititellte. Die Heimat de3 jedenfalls Sterfe frejjenden Tieres ijt das füodliche Queensland und Neufüdiwales. Die eigentlichen Beutelmarder (Gattung Dasyurus E. Geoffr.) bilden den Kern der ganzen Naubbeutler: fie ftehen in Größe, Nahrung, Xebensweife zwijchen der bereits gejchilderten Mafje der Heinen Snektenfrejjer der Zamilie und den beiden größeren Fleifch- frefjern, die noch folgen, mitteninne. Soll man die Beutelmarder in ihrer allgemeinen Erfcheinung mit anderen Raubtieren vergleichen, jo möchte man an die Ginfterfagen denken, namentlich die Hinterindifchen Lin- jangs (Prionodon), nur daß die Beutelmarder umgekehrt: weiß auf dunflerem Grunde, geflecdt find. Der Schwanz ift lang, fein Greifjchwanz, jondern allfjeitig Dicht behaart; die Daumenzehe entweder jehr Hein oder gar nicht vorhanden; die Strallen find bei näherem Sujehen auffallend krumm und jcharf; die Sohlen geförnelt, nahezu oder völlig nadt. Der Beutel am Bauche öffnet jich jenfrecht nach abwärts, jeine Wände find ringsum von gleicher Tiefe, Die 6 oder 8 Ziken in nach auswärts gefrümmten Neihen angeordnet. Die Zähne haben entjprechend der Mitteljtellung der Beutelmarder noch mehr vom Snjeften- frejjer al3 bei den beiden folgenden Gattungen. Ein Lüdzahnmwechjel, wie er fonft für die meilten Beutler charakteriftijch ift, findet nicht Statt. — Die Beutelmarder find Baun- tiere, jowohl Fleiich- alS Snfektenfrejjer. Als „native cats“, Bujchfagen, gehören fie in Australien zu den bejtbefannten Beutel- tieren, weil fie jich dem Anjiedler durch ihre ernithaften ARäubereien im Geflügelhofe un- angenehm bemerkbar machen. In diejer Beziehung vertreten jie ganz unfere Marder, deren lab fie auch in der australischen Natur einnehmen Durch ihr Baumleben, Bogel- und Eier- rvaub. Nicht jo jehr Durch ihr Belzmwerf, obwohl diejes dank feinem netten Ausjehen jehr be- ftebt ijt; nach Braß kommen aber jährlich „faum mehr al3 10000” in den Handel „im dDurch- jchnittlichen Wert von etwa 2 Mark. Vor zwanzig Jahren Eofteten fie nur 15 Pfennig“. Thomas möchte zwei Arten (D. viverrinus und geoffroyi) für weniger ausjchließlich baumlebend halten, weil fie weniger ausgeprägt gefurchte Ballen an den Sohlen haben; er urteilt dabei nach Dem Beifpiel anderer Säugetierformen, bei denen die Stletterfähigkeit und Hetternde Lebensweije genau in demjelben Maße zu- und abnimmt wie die Entwidelung diejer ausgefprochenen Stletterorgane. Thomas gibt folgende Überficht der Beutelmarder: Mittelgroß oder Hein: LZeibeslänge 40 em, Schulterhöhe 15 cm und weniger. Schwanz nicht gefledt; Jußballen warzig wie die übrige Sohle. Ohne Daumen; Schwanz wird weiß gegen das Ende (nicht bei der fchtwarzen Spielart). D. viverrinus: Güdauftralien, Neufüdwales, Victoria, Tasmanien. Mit Daumen; Schwanz wird jchwarz gegen das Ende. D. geoffroyi: ganz Auftralien mit Ausnahme des äußerjten Nordens; im Often hauptfächlich im SIrnern mehr al in den Küftengebieten, wo er von D. viverrinus erjeßt wird. Nicht in Tasmanien. Vußballen getrennt, quer durchfurcht. Haar ftraff, nicht wollig; Ohren groß. Beuteltiere II. ur ar I. Gemeiner Tüpfelbeutelmarder, Dasyurus viverrinus Shaw. 7 nat. Gr., s. S. 127. — W. P. Dando, F. Z. S.-London phot. 2. Riefenbeutelmarder, Dasyurus maculatus Kerr. l/z nat. Gr., s. S. 128 Aug. Scherl, G. m. b. H.- Berlin phor. REN RE ıld Brei 3 u. 4. Beutelwolf, Thylacinus cynocephalus Harris. nat. Gr., s. S. 132. — 3. W. P. Dando, F. Z. S.-London phot.; 4. W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Beutelmavder. 12 u | D. hallucatus: Nordauftralien innerhalb der Tropen. Haar furz, mwollig; Ohren Hein. D. albopunctatus: Nordmweit-Neuguinea (Arfakberge). Groß: Leibeslänge über 60 cm. Schwanz gefledt; Fußballen getrennt, quer gefurcht. D. maculatus: Oft und Südauftralien, von Zentral-Queensland bi8 Tasmanien; hier am häufigiten. Der Gemeine Tüpfelbeutelmarder, Dasyurus viverrinus Shaw (Taf. „Beutel- tiere II”, 1), ijt eines der befanntesten Mitglieder feiner Ordnung: im Verein mit dem Fuch3- fufu, dem Beuteleichhorn und dem Wonmbat fällt ihm im Hoologiichen Garten gewöhnlich die wichtige Aufgabe zu, dem Publifum zu beweijen, daß es außer Känguruhs auch noc) andere Beuteltiere gibt. Für 40 Mark ijt er in der Negel von jedem Tierhändler zu haben, und man fauft ihn gern, weil ihm eine gewifje jaubere, zierliche Nettigfeit eigen ift durch das glatte gelblichgraue, weißgeflecte Haarkleid, ven bujchigen, gegen da3 Ende weiblichen und jpiß zulaufenden Schwanz, die schwarzen, hHervorjtehenden „Mausaugen” und das feine, fleifchrote Schnäuzchen. Sm längeren Berfehr enttäufcht er dann leider durch feinen Stumpfjinn, wie die Beuteltiere alle. Für die Gefangenschaft empfiehlt er fich nicht; denn er ijt eins der langmweiligiten Gejchöpfe, die ich fenne. Man fan ihn tmeder boS- haft noch gutartig, weder lebhaft noch ruhig nennen: er ift einfach langweilig. Sein Ber- jtand fcheint jehr gering zu fein. Dem Pfleger bemeijt er niemals Anhänglichkeit oder Liebe, wird auch niemals zahm. Wenn man fich feinem Käfige nähert, zieht er ji) in eine Ede zurüd, deckt fich den Aüden und jperrt fein Maul auf, joweit er fan. So gefährlich dies ausjieht, jo wenig hat es zu bedeuten; denn er wagt, wenn man jich ihm meiter nähert, feinen Widerjtand. Ein heijeres Blajen, das faum Fauchen genannt werden Fan, deutet auf innere Erregung; an eine andere, durch Bilje etiva betätigte Abwehr denkt er nicht. Das Licht fcheut er wie jeine übrigen Familienverwandten und zieht fich deshalb bei Tage jtet3 in den dunfeljten Winkel feines Käfigs zurüd. Da er gegen Witterungsein- flüffe nicht empfindlich it und fich mit jeder Tifchipeije begnügt, Fan er ohne jonderliche Mühe erhalten werden. Nohes oder gefochtes Fleisch jeglicher Art ift ihm eine erwünfchte Nahrung. Nach vollbrachter Mahlzeit jest er fich auf das Hinterteil, reibt Schnell die Vorder- pfoten gegeneinander und jtreicht ich damit die feuchte Schnauze rein oder pußt jich am ganzen Leibe; denn er ift fehr reinlich. Gezüchtet ift er unjers Wilfens noch nicht; e3 hat fich aber wohl auch faum jemand darum bejondere Mühe gegeben. Seine bemerfenswertejte Cigentümlichfeit ijt, daß er in zwei ganz auffallend ver- jchiedenen Yarbenfpielarten auftritt, die aber nichtsdejtoweniger vollitändig durcheinander laufen, nad) Gould fogar im gleichen Wurfe zu finden find, aljo mit irgendwelcher geo- graphijch begründeten Artenbildung allem Anjchein nach nicht das geringite zu tun haben. Trogdem ijt die abweichende Farbe, eine Art Schwärzling, der aber doch die weißen lede ebenjo deutlich zeigt, al D. maugei @eoffr. bejonders benannt worden. Den Lieblingsaufenthalt des Tüpfelbeutelmarders bilden die Wälder an den Küften des Meeres. Hier verbirgt er jich bei Tage in Erdlöchern unter Baummurzeln und Steinen oder in hohlen Stämmen. Nach Einbruch der Nacht ftreift er, jeiner Nahrung nachgehend, weit umher. Er frißt hauptjächlich tote Tiere, die das Meer ausgemworfen hat, jtellt aber auch Fleineren Säugetieren oder auf der Erde nijtenden Vögeln im Walde nach und ver- jhmäht ebenjo Kerbtiere nicht. Den Hühnerftällen ftattet er ebenfalls Bejuche ab und mwürgt nach Marderart ichonungslos das von ihm ergriffene Geflügel, jtiehlt auch wohl Fleiich und 128 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. Fett aus den Wohnungen der Menjchen. Sein Gang ift jchleichend und bedächtig, jeine Bewegungen aber find rajch und behende; doc) Hettert er jchlecht und Hält fich deshalb am liebiten am Boden auf, obwohl er zumeilen jchiefliegende Stämme zu befteigen pflegt. Die Anzahl feiner Jungen jchwankt zwifchen 4 und 6. Der Beutelmarder wird mit ebenjo großem Haffe verfolgt wie die bisher genannten Naubbeutler. Man fängt ihn oft in nam- hafter Anzahl in eifernen Zallen, die man mit irgendwelcher tieriichen Nahrung födert. Die nächjtverwandte Art, GeoffroyS Beutelmarder, Dasyurus geoffroyi Gould, icheint, nach Gould, im Gegenjaß zu D. viverrinus und maculatus, die fich in der Gegend zwifchen Gebirge und Meer aufhalten, ausjchlieglich auf die landmwärts gelegene Seite der Berge bejchränft zu fein. Daß diefe Art nicht jo ftreng nächtlich ift, bewies Gould „ein Grenplar, dem ich am Mittag begegnete, als ich Schweigend den Bufh am Murrayfluß in Südauftralien durchwanderte: eichhornähnlich fprang e3 auf den höchiten Zweigen eines Gummibaumes umher”. Der Nordauftralifde Beutelmarder, Dasyurus hallucatus@ould, ift Flein, nur halb jo groß al3 der gewöhnliche und zeigt nad) Thomas eine gemilje Annäherung an die Beutelfpishörnchen (Phascologale) durch dieje Stleinheit, eine fchlanfe Geitalt und den Bau der Hinterfüße; aber Schädel, Gebiß und Färbung find entjchieden die eines Beutelmarders. Das Fell it furz und grob, das Unterhaar dünn, wohl im Zufammenhang mit dem Stlima der Heimat; die Hauptfarbe gelblichbraun, Düfterer al bei den vorhergehenden; Ohren groß und blattartig, fehr dünn mit feinen, gelben Haaren bevedt. Der Schwanz ijt viel fürzer - behaart al3 bei den anderen Arten, an der Wurzel wie der Körper gefärbt, fonft jchtwarz. Der Neuguinea-Beutelmarder, Dasyurus albopunctatus Schleg., hat diejelbe Größe wie der vorige, aber etivas ftämmigeren Bau. Das Haarkleid ift furz, dicht und reich, viel fürzer al3 bei den anderen Arten; die Ohren furz, rumd, fajt nadt, der Hinter- rien beinahe jchwarz; die weißen lede jehr Hein; der Schwanz mehr Furzhaarig, ichwarz oder Dunfelbraun, die Spibe ohne Binjel. „Diefe Art”, jagt Thomas, „ilt, wie jo viele papuanijche Beuteltiere, jehr nahe ver- wandt mit einem nowauftraliichen Vertreter der Gattung, in diefen alle D. hallucatus, fan von diefem aber unterjchieden werden durch die Fürzere Schnauze, Fürzere Ohren, fürzeres, wolligeres Fell und durch den rötlichen oder rotgelben Ton in der Ullgemeinfarbe de3 Niüdkens.” Der Neuguinea-Beutelmarder ijt das größte Raubtier feiner Heimat, der e3 ja befanntlich an größeren Säugetieren fat vollfitändig fehlt. Der Fledfchwanz- oder Riejenbeutelmarder, Dasyurus maculatus Kerr (Taf. „Beuteltiere IT”, 2, bei ©.126), unterjcheidet fich auch, abgejehen von dem geflecten Schtvanz und der der Größe, Durch die verhältnismäßig plumpere und jchwerere Gejtalt von feinen Gattungsgenofien; das Weibchen ijt übrigens bedeutend Feiner, wie öfter bei Beuteltieren. An Farbe, mit dem dunfel faftanienbraunen, ins Drange fpielenden Grumdton auf der Ober- jeite, ift er wohl der fchönfte von allen. Er hat auch die fürzeften Ohren und die breitejte Schnauze. Standort und Zebensweife jchildert Gould fehr anjchaulich: „Steinige Rinnjale, die jich von den Bergen durch die Urwälder herunterziehen, find der Lieblingsaufenthalt diejes Tieres; hier verjchlieft es fich, wie unfer Sltis und Marder, zwischen großen Steinen und in Erdhöhlen; bei der Verfolgung von Vögeln erflettert e$ aber auch Bäume mit der größten Leichtigkeit. Vögel nebjt Nafenbeutlern und anderen Heimen Vierfüßern Kiefern ihm [apnayjajnag Beutelmarder. Teufel. 129 reichliche Nahrung. Es ijt ein jtreng nächtliches Tier, und man muß wohl annehmen: ein furchtbarer Feind des Geflügels: infolgedejjen wird e3 don den Anfiedlern al3 eine der größten Plagen (one of his greatest pests) betrachtet.” Wir haben den legten Ausdrud in der Überfegung gemildert; für Gould ift jedes Tier gleich eine „Veit“, dem auc) ein- mal ein Huhn fchmect. Soviel leuchtet allerdings ein: wenn jchon der fleine Beutelmarder von den Anfiedlern wegen jeiner Näubereien am Geflügel mit großem Haß verfolgt wird, jo ift dies mit dem großen gewiß etjt recht der Fall, und damit hängt es vielleicht zufammen, daß der Niejenbeutelmarder jo jelten in den Handel fommt; denn in der Yusrottung gehen ja befanntlich die großen Arten den Heinen immer voran. Thomas betrachtet diejelbe Sache jehr geiltvoll auf einem breiteren Hintergrunde. „Die Häufigkeit der Art in Tasmanien und ihre große Seltenheit auf dem Feitlande find von \interejje, weil jte zeigen, daß das Tier ji) dem Zuftand nähert, in dem fich Beutelwolf und Beutelteufel befinden, nämlich der vollitändigen Austottung in Auftralien, wo beide einjt lebten, und der dauernden Er- haltung auf der Infel Tasmanien. Warum die Heine Injel Tasmanien imjtande fein joll, die drei größten Beutelraubtiere in beträchtlichen Zahlen zu erhalten, die doch jedenfalls in einer gewiljen Ausdehnung einer dem anderen Konfurrenz machen, während jie fait oder ganz unfähig find, auf dem Feitland jich fortzuerhalten, das ift eine Frage, die noch viel Aufklärung verlangt. Das Dafein des Dingos in Australien it ohne Zweifel eine der Urjachen, welche an diefem merkwürdigen Sachverhalt mit jchuld find.” So viel dieje jinn- reichen Darlegungen berechtigteriveife zu denfen geben mitijen, jo möchten wir doch ander- jeit3 eine Bemerkung von Lumholg-Chrijtiania hierher jegen, der von jeinen Neijen in Dueensland im Jahre 1884 noch berichtet: „Phalangista archeri (der dort vorfommende Kufu) ijt der hHauptjächlichite Naub des Fledihwanz-Beutelmarderz, der mafjenhaft in der- jelben Gegend vorkommt.“ Sn der Gefangenschaft fieht man, wie oben jchon gejagt, den Riejenbeutelmarder jelten; doch ijt er im Berliner und Frankfurter Garten neuerdings vertreten getejen., Dort erhielt er „zeitweije lebende Futtertiere, die er mit großem Gejchie und mwiütender Blutgier mordete”. Ungleich häßlicher und im höchiten Grade abjtogend und widerlich ift der gleichfalls eine eigne Gattung bildende, auf die Infel Tasmanien (VBandiemensland) bejchränkte Bären- beutler, ver Teufel der Anjiedler, Sarcophilus satanicus T’hos. (ursinus). Die Nerkimale der Gattung Sarcophilus F. Cuv., die der Beutelteufel vertritt, find folgende: die Ge- jtalt ift gedrungen, der Kopf fehr groß, plump, die, breitfchnauzig, das Ohr kurz, außen behaart, innen nackt und faltig, das Auge Hein, der Stern darin rund, die Naje nadt, Die Lippe mit vielen Warzen bejeßt, der Schwanz furz, fegelförmig, jehr did an der Wurzel und fich rafch verfchmächtigend, während die niedrigen, etwas Frummen Beine unter jich ziemlich gleich exjcheinen. Das Gebif enthält einen Lüczahn weniger als das der Beutelwölfe. Der Pelz beiteht aus furzen, nirgends eigentlich verlängerten, jtraffen Haaren; die wellig gebogenen Schnurrhaare find dic, borjtig und kurz, ein auf den Wangen jtehendes Borjtenbüjchel außerordentlich verlängert. Der Kopf iit wenig oder dünn be= haart, und die rötliche Haut fchimmert zwijchen den jchiwarzen Haaren durch. Auf der Bruft des Beutelteufels jtehen ein weißes Halsband und in der Regel zwei weiße Flede; der ganze übrige Leib ift mit fohlihwarzem Pelze bekleidet. Die Gejamtlänge des Tieres beträgt ungefähr 1 m, wovon der Schwanz etiva 30 cm wegnimmt. Am Shitem ift die Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 9 130 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. Gattung in Rücficht auf die gleiche Zahl der Zähne enttveder mit Dasyurus vereinigt oder nur zweifelnd getrennt gehalten worden; nad) Thomas fann aber, wenn man nach dem Bau der Zähne urteilt, jtatt nach der Zahl, feine Frage fein, daß die Gattung Sarcophilus der Gattung Thylacinus näher verwandt ijt al3 der Gattung Dasyurus. Seinen bedeutungspollen Namen erhielt der Teufel wegen feiner angeblichen Wildheit und Unzähmbarkeit. Alle auftraliihen Beobachter der älteren Zeit find einjtimmig, daß man fich faum ein ungemütlicheres, tolleres, unfinnigeres und wütenderes Gejchöpf denken fönne als diefen Beutelteufel, defjen fchlechte Laune und Irger niemals endet, und dejjen Born bei der geringiten Gelegenheit in hellen Flammen auflodert. Nicht einmal in der Gefangenschaft und bei der forgfältigiten Pilege verliert er jeine Eigenschaften, und nie- mal lernt er den fernen oder Tieben, der ihn mit Nahrung verjieht und ihm Pflege angedeihen läßt, jondern greift auch feinen Wärter mit derjelben Gehäffigfeit und finn- lojen Wut an wie jedes andere Wejen, das fich ihm zu nahen wagt. Harris berichtet Dar- über jchon im 9. Bande der „‚Berhandlungen der auftralifchen Linne-Gefellichaft”: „Im Zuftande der Gefangenschaft fcheint er unzähmbar wild zu fein, beißt heftig und jtößt Dabei ein tiefes, plätrendes Sinurren aus. Ein Männchen und ein Weibchen, die ich ein paar Monate zujammengefettet in einem leeren Falje hielt, Fämpften bejtändig miteinander; ihre Yänfereien begannen, jobald e3 dunfel war (den ganzen Tag fchliefen fie), und jegten jich) mit Unterbrechungen die ganze Nacht hindurch fort, begleitet von einer Art Hohlen Bellens, nicht unähnlich dem des Hundes. Ganz unvermutet Tiefen fie auch eine Art Schnarchen hören, wie wenn der Atem lange Zeit zurücgehalten und dann plöglich aus- geitoßen wird.” Diefe Stelle wird von Gould zitiert, und auf fie gründen fich wahrjcheinlich mittelbar auch alle übrigen Seelenjchilderungen des „Teufels". Wenn man aber bedentt, was e3 heißt, zwei Naubtiere, die getwig — da3 fei von vornherein zugegeben — an fich ichon feine Lämmer find, zufammengefettet in ein Faß zu jteden, jo darf man fic) wahr- baftig nicht wundern, wenn dieje eingezwängten, bei jeder Bewegung behinderten Straf- gefangenen die denkbar übelite Laune gegeneinander und gegen die ganze Außenwelt an ven Tag legen. So belehrt uns hier das Zurüdgehen auf die Quelle in Höchit über- tafchender Weife darüber, wie manchmal übertriebene Borftellungen und vorgefaßte Mei- nungen in unjerem Schrifttum fich feitjegen. Hecd fchreibt Darüber: „Sch bin heute eigens nach unferem feinen NRaubtierhaus Hingegangen, um mich von dem Wejen unjers Beutel- teufel3 noch einmal jelbit zu überzeugen. Er erhielt gerade fein Trinkwajjer, und ich Elopfte ihm, während er trank, mit der Zivinge meines Negenjchirmes fortwährend auf den Kopf: er Tieß fich gar nicht ftören, jondern fchlappte fein Wafjer ruhig aus. Auf mein Geheih nahm ihm dann der Wärter mit der eifernen Srabe fein Fleijch wieder weg, al$ er gerade anfangen wollte, zu freien; auch das Tieß er fich ruhig gefallen. Bon Knurren und Beiken gar feine Spur! Nur wenn er über Tags aus dem Schlafe aufgejtöbert wird, dann quartt er etwas. Allerdings ift er wohl befonders fanftmütig unter feinesgleichen: ein ‘Baar, melches ich im Kölner Garten pflegte, zerbiß gar manchen Bejenftiel, wenn e8 beim Neine- machen umgefperrt werden follte; aber das tut jedes andere Tier gelegentlich auch." Und wehr- haft find die Beutelteufel, das muß man ihnen lafjen. „Troß ihrer verhältnismäßigen Stlein- heit”, jagt Gunn, ein anderer alter tagmanifcher Gewährsmann Goulds, „ind fie jo grimmig und beißen jo heftig, daß fie e3 mit jedem Hund gewöhnlicher Größe aufnehmen können.“ Über das Freileben des abjonderlichen, vielgefehmähten Tieres und fein Zufammen- treffen mit dem weißen Menschen berichtet Gould: „Der Bärenbeutler war einer der exjten Beutelteufel: Wefen. PVorfommen. Beißkraft. Fortpflanzung. 131 einheimifchen Bierfüßer, mit denen die frühejten Anjiedler in Bandiemensland zufammen- trafen. Seine Schwarze Farbe und unangenehme, unanjehnliche Erjcheinung erwarben ihm den Bolfsnamen ‚Teufel und ‚Bufchteufel. Er it jebt (1863!) in allen Fultivierten Gegenden jo jelten geworden, daß man ihn faum noch in der Freiheit jieht. &3 gibt aber noch große Bezirke in Bandiemensland, die vom Menfchen unbetreten find, und jolche Drtlichfeiten, befonders die felfigen Schluchten und ungeheuern Wälder auf der Weftjeite der Snjel, bieten ihm eine jichere Zuflucht... Während meines Befuches auf dem Felt- land von Auftralien fand ich feinen Beweis, daß das Tier in irgendeiner der Kolonien dort vorkommt; infolgedejjen muß Tasmanien allein als jeine Heimat betrachtet werden.” „sn feinem Wejen ijt e8 unzähmbar und wild bis zum Ääußeriten und verderblich nicht nur für die Fleineren Känguruhs und andere einheimijche Säugetiere, jondern es Fällt auch in die Schafhürden und Hühnerftälle ein, wo ihm nur eine Möglichkeit begegnet, jenem Vernichtungstriebe nachzugeben.” Durch Harris erfahren wir, daß die alten praftiichen Anjiedler fich den fcheußlichen Schädling recht wohl jchmeden Kiegen, nachdem fie ihn unfchädlich gemacht hatten: „Diefe Tiere waren fehr gemein in unferer eriten Anfiedelung Hobart Town und ganz bejon- ders verderblich für Das Geflügel ufw. Gie verjahen übrigens die Kolonien mit frischem Tleifch, das angeblich dem Stalbfleijch ähnelte. Als die Niederlafjung wuchs und der Erdboden urbar gemacht wurde, wurden fie aus ihren Schlupfwinkeln nahe bei der Stadt vertrieben in die noch unerforjchten Tiefen der Wälder. Man fonnte jie trogdem leicht erlangen, wenn man in den wenigjt bejuchten Teilen der Wälder Fallen aufitellte, die mit tohem Fleiich gefüdert waren; denn Diejes, einerlei welcher Art, Freiien fie wahllos und gierig. Wahrjcheinlich frejien fie aber auch tote Fische und andere Meerestiere, weil ihre Spuren oft im Sand an der ©eefüjte gefunden werden.” Bon jeinen obenerwähnten Gefangenen erzählt Harris noch: „Sie festen fich oft auf das Hinterteil und brauchten ihre Vorderpfoten, um die Nahrung zum Munde zu führen.” Hed hat das niemals beobachten fünnen. „Die Siefermusfeln find jehr jtark, jo daß fie die größten Knochen mit aller Bequem- lichkeit zermalmen können.” „Auch von diefer Fähigkeit“, berichtet Heck, „Haben mir meine Bleglinge bis jett feine bejondern Beweije gegeben, und jchlieglich ijt mir beim Beutel- teufel ebenjoiwenig wie beim Beutelwolf eine befondere Lichtjcheu aufgefallen, wenn auc) eine gewilje Schlafjucht am Tage auf nächtliches Xeben in der Freiheit Hindeutet.“ Bon dem Blutdurft und der Beißfraft erzählt Sirefft übrigens doch bemerkenswerte Beijpiele: „Einer, und nicht einmal ein großer, entwifchte Fürzlich und wiürgte in zivei Nächten 54 Hühner, 6 Gänfe, 1 Albatroß und 1 Kate. Er wurde in einer jtarfen Falle wieder gefangen mit einer Tür aus Cijenjtäben von Bleiftiftdicde und entfam wieder, indem er Ddiejes jolide Hindernis beifeite drehte und mit feinen mächtigen Zähnen entzweibiß. Um einen Begriff von der Stärke des Tieres zu geben, jei erwähnt, daß der Grobjchmied, der die Falle ausbejjerte, die Stäbe nicht ohne bejondere Werkzeuge in ihre Lage zurück biegen fonnte. Wenn er fich in einem YFuchseifen fängt, beißt jich der fchwarze Bären- beutler oft das feitgehaltene Bein ab und entfommt.“ Yuch auf dem Tiermarkt ijt der Bärenbeutler felten und teuer geworden (300 Mark das Stüd); doc) ijt er immer noch zu Haben. Gezüchtet ijt er unfers Wiffens noch nirgends. Die Anzahl feiner Jungen foll zwijchen 3 und 5 fchwanfen. Man behauptet, daß das Weibehen fie lange mit fich herumtrage. Weiter weiß man nicht3 über die Fortpflanzung. 9* 132 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Raubbeutler. Heute ijt die Gattung nur durch die eine tasmanische Art vertreten; auf dem auftralifchen Feitland gab e3 aber eine zweite, größere (S. laniarıus Owen), deren Nejte im Pleiltozän von Neufüidmwales und Queensland gefunden werden, alfo in die jüngjte erdgejchichtliche Bergangenheit gehören. Der Beutelwolf, Zebra= oder Beutelhund, Thylacinus cynocephalus Harris (Dasyurus, Peracyon eynocephalus ufw.; Taf. ‚„‚Beuteltiere II”, 3 u. 4, bei ©. 127), der ein- zige jeßt lebende Bertreter jeiner Gattung, ähnelt in der Tat einem wilden Hunde: an diejen erinnert fein gejtredter Leib, die Geitalt des Stopfes, die jtarf abgejegte Schnauze, die aufrecht jtehenden Ohren und die Augen joiwie der aufrecht getragene Schwanz. Sn jedem obern Kiefer finden jich 4, im untern 3 Schneidezähne, außerdem oben wie unten je 1 Eczahn, 3 Lüd- und 4 Bachzähne, zufammen alfo 46 Zähne. Die Beutel- fnochen werden durch jehnige Stnorpel vertreten, der Beutel öffnet jich nach) hinten. Der Beutelwolf, der, twie Der Beutelteufel, nur auf Tasmanten vorkommt, it das größte aller fleijchfrejfenden Beuteltiere. Seine Leibeslänge beträgt über 1m, die Länge des Schwanzes 50 cm; alte Männchen jollen, wie man behauptet, noch merklich größer, im ganzen etwa 1,9 m lang werden. Das Weibchen bleibt viel Heiner und unterjcheidet jich in jeinen Schädel und Zahnmerfmalen weit mehr als jonjt die beiden Gejchlechter bei den Beuteltieren. Der furze, oder anliegende Pelz it graubraun, auf dem Rüden 12—14mal ichiwarz quergeitreift. Die Nitdenhaare find am Grunde dunkelbraun und vor der dunfeln Spite auch gelblichbraun, die Bauchhaare blagbraun an der Wurzel und bräunfichweiß an der Spige. Der Kopf ist hellfarbig, die Augengegend weißlich; am vordern Augenminkel jteht ein Dunkler Fleck und über den Augen eine Binde. Die Strallen find braun. Nach dem Hinterteile zu verlängern fich die Nücdenhaare und erreichen auf dem Schenkel ihre größte Entwidelung. Das Fell it nicht eben fein, jondern furz und etwas wollig. Der Schwanz it bloß an der Wurzel mit weichen, font aber mit jteifen Haaren bededt; er ijt nicht jo Scharf vom Numpfe abgejebt wie beim Hunde, jondern geht durch Berdidung mehr allmählich in den Störper über. Der Gejichtsausdrud des Tieres it ein ganz anderer als beim Hunde, und namentlich) das weiter gejpaltene Maul jowie das größere Auge fallen auf. Seinen Rachen fann der Beutelwolf eritaunlich weit aufreißen. Zu jeiner ausgezeichneten Abbildung der eriten in London gezeigten Beutelwölfe jagt Gould: „Er muß als das gefährlichite aller Beuteltiere und aller einheimijchen Säuge- tiere überhaupt bezeichnet werden, und doch ilt er zu jchwach, einen erfolgreichen Angriff auf ven Menjchen zu machen. Er begeht aber jchwere Verheerungen unter den fleineren Säugetieren des Landes und unter dem Geflügel und den übrigen Haustieren des An- jtedfers; jogar die Schafe jind nicht ficher vor jeinen Angriffen und jchwer vor diejen zu behüten, weil fie bei der nächtlichen Natur des Naubtieres immer des Nachts gemacht werden. Dieje Zerjtörungen, die er ringsum anrichtet, haben ihn al3 natürliche Folge geradezu in den Auf des größten Feindes des Anjiedlers gebracht, und daher ijt er in allen fultivierten Gegenden nahezu ausgerottet; auf der andern Seite bleibt aber noch jo viel von Tasmanien im Naturzuftande und fo viel Waldland unberührt, daß noch reichlich Zu- fluchtsorte vorhanden find, two das Tier vor der Verfolgung des Menfchen ficher ift. Viele ‚sahre müfjen noch vergehen, bevor e3 ganz ausgerottet werden fan. Yndiejen abgelegenen Gegenden jagt e3 das Billardiers- und Bennettsfänguruh, Beuteldachfe, Schnabefigel und alle die Heineren Tiere." Schnabeligeleite fand Harris, dem wir die erjte Kunde dom Beutelwolf: Schädlichfeit. Ausrottung. Gefangenfchaft. 133 Beutelwolf verdanken, im Magen jeines Typuseremplares. Cine Prämie war bereits zu Goulds Zeiten auf den Stopf des „Bujchtiger3” (native tiger), tie er genannt wird, gejekt. Troß alledem find gerade ım lebten Jahrzehnt wieder einige Beutelwölfe auf den Markt gefommen umd nicht allzu teuer verfauft worden (das Paar 2000 Mark). Der Berliner Garten erhielt 1902 von Neiche-Alfed ein Paar, dejjen Männchen fait jechs Jahre aus- hielt. Der Londoner Garten mußte aber 20 Jahre warten, bis er nach dem erjten von Gould in jeinem großen Prachtwerf abgebildeten Paare ein zweites zeigen fonnte. sn der Gefangenjchaft it der Beutelmolf nach Gould ausnehmend jcheu. Wird er er- jchreckt, jo vennt und fpringt er in der heftigiten Weife im Käfig umher, zugleich einen furzen Kehlton ausjtogend, ähnlich wie ein Gebell; aber ob er diejen Laut auch in der Freiheit von jich gibt, ijt nicht beobachtet. m Berliner Garten hat man ihn von den Beutelmölfen manchmalgehört, findet ihn aber dem Fauchen der Kängurubs ähnlicher als wirkfichem Gebelf. Über bejondere Scheu der Tiere fonnte man dort nicht Hagen. Jm Gegenteil: „Die obligate Dojis Beuteltierftumpfjinn als jelbjtverjtändlich eingerechnet, benehmen jie fich recht ver- traut, fommen unruhig jchnüffelnd dicht an die Gitterjtäbe heran, wenn man diesjeit der Schranfe unmittelbar vor dem Stäfig jteht. An etviger Gier verlangen fie jtetS nach Fraß, wenn jte nicht jchlafen, und in ewig fich gleichbleibender Dummheit glauben fie immer wieder einmal, die Eijengitter durchbeißen zu können. Aus dem Schlafe auf weichem Strohlager im dämmerigen Nachtfäfig lajjen jie jich jchwer erweden, werwen aber auch nicht ungemütlich), wenn man dies verjucht.” (Hed.) Stich gefangene Beutelwölfe jollen jich im Anfange jehr trogig und widerjpenitiq gebärden, mit Stabenbehendigfeit in ihrem Käfige oder im Gebälfe eines Haujes umber- fettern und Säße von 2—3 m Höhe ausführen. Bei langer Gefangenjchaft legt fich wie die Beweglichkeit jo auch das wilde Wejen angefichts eines Menfchen; doch befreunden fich die Beutelmwölfe niemals wirklich mit ihrem Wärter, lernen ihn nur mangelhaft kennen und faum von anderen Leuten unterjcheiden, verhalten jich ihm gegenüber auch vollfommen gleichgültig und geraten höchitens angejichts des ihnen dargereichten Fleiiches einiger- maßen in Aufregung. Im übrigen laufen fie jtundenlang in ihrem Käfig umher, ohne jich um die Außenwelt viel zu fümmtern, oder liegen ruhend und jchlafend ebenjo teilnahmlos auf eimer und derjelben Stelle. hr Elares, dunfelbraunes Auge jtarıt dem Beobachter leer entgegen und entbehrt vollitändig des Ausdruds eines wirklichen NRaubtierauges. „rebteres 1jt jehr treffend gejagt, und wenn im übrigen die Beobachtungen über das Gefangenleben auseinandergehen, fo ift das eine Erfcheinung, die uns in der Folge immer wieder begegnen wird. Sie ift jo zu erklären, daß bei jedem Säugetier die perjönlichen Schiejale und Erfahrungen bei der Gefangennahme und während der eriten Gefangen- ichaft das Benehmen im jpäteren Gefangenleben mehr oder weniger beeinflufjen; nament- lich macht e3 meijt einen großen Unterjchied, ob das einzelne Tier ein ‚Wildfang‘, erwachjen gefangen oder jung aufgezogen it“. (Hecd.) Das erite Paar des Londoner Gartens begleitet Gunm noch mit einem Briefe aus Tasmanien voll froher, aber unerfüllter Hoffnungen auf qute Eingewöhnung und jogar Kachzucht: „Sch habe wenig Zweifel, daß die Beutelwölfe fich wohlbefinden und jehr wahrjcheinlich ich auch fortpflanzen werden; die Zahl der Jungen it 4 auf einen Wurf — ich Habe wenigjtens 4 im Beutel des Weibchens gefunden, aber e3 mögen oft auch weniger jein. Sie beivohnen die Höhen des Wejtgebirges (3500 engl. Fuß, ungefähr 1000 m), wo gelegentlich Schnee fällt für einige Monate des Jahres, wo die Erde zeitweife wochenlang - 134 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Notoryctidae. mit Schnee bededt ijt und wo e3 jtarfe Fröfte gibt; daher wüßte ich nicht, was ihnen am Rondoner Klima ernftlich Schaden follte.” Dazu meint Hed: „Tasmanten und London ift immerhin noch ein Unterjchied, und wenn die zoologiihen Gärten nicht aus zwingenden gejchäftlichen Gründen in den Groß- jtädten liegen müßten, jo wäre ihren Injafjen in mancher Beziehung wohler. Zu der oben gejchilderten Lichticheu Habe ich zu ergänzen, daß ich bei meinen Beutelwölfen von einer jolchen nie etwas wahrgenommen habe; ich habe inner nur den Eindrud gehabt, daß der Beutelwolf ein ausgeprägtes Najentier ift." Lie der Beutelteufel, hat auch der Beutelwolf ausgeitorbene Gattungsgenoijen (Th spelaeus Owen und major Owen) auf dem aujtraliichen Feitland, in Neufüdiwales und Queensland. Aber nicht bloß das; im untern Tertiär von Santa Cruz in PBatagonien gefundene Nejte werden von dem Entdeder, dem tätigen argentinischen Baläontologen Anegdino, auf nahe Verwandte des Beutelmwolfes gedeutet, Hathylacinus und Prothyla- einus genannt, und das it Doppelt bedeutungsvoll, weil dieje beutelmolfartigen Pata- gonier zugleich auch Beziehungen zu den Creodontia, den Urfleischfrejjern und Borläufern der heutigen Naubtiere, aufweijen. So führen uns nicht nur die Beutelratten (Didelphyidae) und der iwieder entdeckte Caenolestes (Epanorthidae) nad) Südamerika, jondern auch die Jaubbeutler (Dasyuridae) haben durch beutelwolfähnliche Formen ihre Verbindungen dahin und helfen jo die Idee der Landbrücde zwifchen Auftralien und Siidamerifa immer wahrscheinlicher machen und die noch weiter greifende, auch durch die Vilanzenmwelt ge- jtüßte Hypotheje von zeitweifen Landverbindungen zwijchen allen Feitländern der fitd- lichen Erdhälfte jtüßen. Ein fümmerliches Wefen fajjen wir folgen, den nach feinem allgemeinen Tiefjtande an Leib und Leben wohl die unterjte Stelle unter den Beuteltieren gebührte, wenn e3 nicht anderjeitS bejondere, weit getriebene Anpafjfungen an eine ganz bejtimmte, einzig- artige Bewegungsweije und Nahrungsfuche zeigte. Wir meinen den Beutelmaulwurf, Beutelmuflf, Notoryctes typhlops Stirl.: in diejer einen Art zugleich der gefamte Inhalt der yamilie Notoryetidae, die man an diejenige der Naubbeutler anjchließt, weil man im Beuteltieripitem feinen bejjeren Plab für jie findet. Der Beutelmaulwurf wurde exit im Jahre 1888 entdedt, und zwar von Stirling, dem Leiter des füdauftralifchen Mufeums in Adelaide. Der eingeborene Name it Urguamata. Bei der wiljenschaftlichen Befchreibung und Einreihung ins Syitem hat er dann nod) einige Schieffale gehabt, ehe er feine richtige Stelle erhielt. Durch die fpäteren Eremplare Stirlings, die auch in den Weichteilen qut erhalten waren, zeigte fich aber deutlich, daß der weibliche Beutelmaulwurf einen nach hinten geöffneten Beutel mit zwei Ziben hat, und damit war feine Natur und Stellung im Shitem ein- für allemal fejtgelegt. Dies bejorgte endgültig im Jahre 1892 Hans Gadow, der treffliche Wirbeltier-Anatom von der Cambridger Univerfität. Sm feiner erfchöpfenden Arbeit ftellt er auch die Eigentümlich- feiten zufammen, durch die der Beutelmaulwurf fich von allen oder den meijten Beutel- tieren unterjcheidet. Darunter ift die beachtenswertefte „das fcheinbare Fehlen der Beutel- nochen“. &s erklärt fich daraus, daß die winzigen Knöchelchen mit blogem Auge faum zu jehen jind und am naturgebleichten Skelett verloren gehen. Dagegen ijt als entjcheidendes Beutelmaulwurf (Notoryctes typhlops Stirl.). 1) Im Begriff, sich wieder in den Boden einzuwühlen, ca. ?/s nat. Gr. 2) a Klauen des rechten Vorderfußes von außen b Klauen des rechten Vorderfußes von innen c Rechter Hinterfuß von der Sohlenfläche nat. Größe. d Schnauze mit der verhornten Nase von vorn e Schnauze mit der verhornten Nase von der Seite Abbildung 2a und e neben b, d und e zeigen, wie verschieden Notoryctes in der Farbe sein kann. Beutelmaulwurf. a Beutelmull. 135 Beuteltiermerfmal außer dem Beutel auch der einmwärts gemendete Unterfieferfortjab vor- handen. Nachdem Gadomw dann die rückwärts gerichtete Offnung des BeutelS aus der gtabenden Lebensmweife des Tieres verjtändlich gemacht hat (wie bei den Beuteldachjen), widmet er dem Gebif eine längere Betrachtung, ausgehend von der Zahnformel: — ——. Dabei zeigt jich die Neigung, unten einen Schneidezahn, den Ecahn und einen Lüczahn zurücdzubilden; „das Merfwirdigite ilt aber, daß dieje Nücbildung in der Zahl oder in der Größe oder in beiden zweifellos in der linken Unterfieferhälfte jtärfer ift als in der rechten. Dieje Tatfache erjcheint mwohlbejtätigt in Anbetracht dejjen, daß don den neum unter- juchten Stüden die Iinksjeitige Rüdbildung bei nicht weniger als acht größer ijt; in der Größe allein bei drei, in den Zahlen bei fünf”. Eine Erklärung feines jonderbaren Be- fundes verfucht Gadow nicht; man wüßte auch nicht, wo jte zu finden fein follte. Am Ende feiner Arbeit fommt Gadomw bet Löjung der Frage, zu welcher Familie der lebenden Beuteltiere der Beutelmull die nächiten Beziehungen hat, zu dem Ergebnis, daß „fein entjcheidender Schluß erlaubt ijt außer ettva Dem, Notorycetes möge als eine ‚jehr alte und wenig differenzierte Form‘ aufgefaßt werden, welche einige Merkmale mit den meijten erijtierenden Beutlerfamilien gemein hat... Obwohl feine zahlreichen Ahnlich- feiten mit Zahnarmen offenbar alle erworben find dank der Kebensweije, find fie wichtig genug, Notoryctes den Rang einer Familie der polyprotodonten Beutler zu geben, ... die näher verwandt ijt mit den Dajyuriden al mit den PBerameliden.” Über die Körpermaße jteht merfwürdigerweife in der erten Arbeit Stirlings nichts; aus der Tafel in natürlicher Größe ergibt fich aber ohne weiteres eine Yänge von 12,5 cm. Bei der KHörperbejchreibung des Beutelmull3 bildet feine Eigenjchaft als Erdmwiühler ganz von jelbjt den leitenden Faden. Wir folgen dabei wieder Stirling. „Der Najen- rüden it bededt von einem harten, hornigen Schild mit einer Duerfurdhe, die eg in einen obern (Hintern) und einen untern (vordern) Abjchnitt teilt. Augen find äußerlich gar nicht fichtbar; nicht die Heinfte Offnung im Fell an der betreffenden Stelle entdeckt man... Wenn man aber den Schläfenmusfel zurüdjchiebt, zeigt ji) das Auge als eine beinahe freisrunde, jchwarze, Iinjenartige Scheibe an der innern Oberfläche des vor- dern Teiles diejes Musfels; e3 liegt unmittelbar auf der Kinochenhaut des Tränenbeins und an der Stelle unmittelbar hinter dem Ursprung des obern Randes de3 Jochbogens... Keinerlei Struftur, die einem Sehnerven gleicht, war fichtbar, objchon, wenn man den Pigmentfled von feinem Lager wegjchob, feine Fäden, offenbar ein verbindendes Gewebe, zu beobachten waren, die jich zur Knnochenhaut eritredten.” Selbitveritändlich Fanın bei diejem verfümmerten, nicht nur von Haut und Haar überzogenen, jondern jogar von Muskeln überlagerten Auge von Sehen, auch von Wahrnehmung irgendwelchen Licht- jcheines gar feine Rede fein. „Ohröffnungen find zu unterjcheiden, 2 mm im Durchmejjer, aber ganz verborgen im Pelz, welcher über ihre Ränder wegwäcdjt. Die Offnung ift von einer Ningfalte der Haut umgeben, die ihren Rand jehr jchwach über die Oberfläche des umgebenden Yelles erhebt." Ein äußeres Ohr ijt aljo nicht vorhanden, ein jolches fehlt ja aber vielfach bei den in der Erde und im Wajjer lebenden Säugetieren. „Der Schwanz ift eigentümlich, hart, jteif; größtenteils Tederig in Gewebe und Er- icheinung, ift er nach der Spite Hin ausgezeichnet durch deutliche Ningfurchen. Did am Anfas, läuft er in ein ftumpfes oder auch fnopfartiges Ende aus. Oberjeits dehnt jich das weiche Fell des Aunipfes ungefähr um die Hälfte feiner Länge auf ihn aus, dagegen ijt er unten und an den Seiten nadt fajt bis zum After. Ungefähr in der Mitte hat er zwei 136 2. Ordnung: Beuteltiere. Yamilie: Notoryctidae. jeitfiche Hervorragungen oder Anjchwellungen, was bewirkt, daß der Schwanz dort breiter ift als an der Wurzel. Dies it bejonder3 ausgeprägt bei einem Gremplar, aber bei allen iind Andeutungen derjelben Eigentümlichfeit vorhanden.” Cie jteht wohl in Zufammen- hang mit der ganz bejondern Art und Weife, wie der Beutelmull in der Erde oder viel- mehr im lojen Sande wühlt. „Die Gliedmaßen find furz und jtarf, das Haarkleid unten bis auf Hand und Fuß aus- gedehnt. Die VBorderglieder endigen in eine Hand von höchit eigentümlicher Bauart: ihr Gefüge ijt fo verdreht, daß e3 Faum verjtanden werden fann ohne Stenntnis feines Stnochen- baues. Die Hand ift jo gefaltet, daß in der Haltung, die fie beim fonjervierten Exemplar einnimmt, die zwei großen, jichtbaren Stlauen de3 dritten und vierten Fingers alle anderen Teile verwdeden mit Ausnahme des jtumpfen und breiten Nagels des fünften, welcher jichtbar ijt, weil er Hinten am Grunde de3 vierten hervorragt. An der Sinnenjeite diejer (Hauptfinger) und getrennt von ihnen durch eine tiefe Spalte, die ji) nach unten und hinten öffnet, liegt eine jteife, lederige und vielgerungelte Handfläche, aus der die jchlanten, frallenartigen Nägel des Daumens und zweiten Fingers hervorfommen. So fünnen danf diejer Faltung der Hand die Finger al3 aus ziwei Reihen beitehend bejchrieben werden mit einer Spalte dazwijchen, die äußere umfaßt den dritten, vierten und fünften, die innere den eriten und zweiten. Die Hintergliedmaßen find ebenfalls furz und jtarf, und Die Fußjohle it ganz nad) außen gedreht, jo daß der fünfte Finger vornan liegt. Die Sohle it vielfach gefaltet in verjchiedene breite, wuljtige Falten, die jchief Freuzmeije zur Sohle gerichtet find, und ijt wie die Handfläche bedect mit lederiger Haut, die bis zum Grunde der Nägel reicht und übergreift auf die obere Fußfläche.” Noch jchwieriger als bei den Fingern it vom vergleihend anatomischen Standpunft aus Verjtändnis und Daritellung der im Handteller liegenden Mittelhand- und Handmwurzelfnochen. Die Hand ijt jo ver- dreht und bietet jo viele Abweichungen von dem gewöhnlichen Bau, daß Stirling felbjt im Bweifel ijt, ob er das Richtige trifft. „Das Fell mag bei den drei Eremplaren (alle Männchen), bei denen es für genaue Bejchreibung gut genug erhalten war, bezeichnet werden als im allgemeinen von hell fahler Farbe, lang, weich und von fichtichimmerndem und jeidigem Ausjehen. Stellenmweife dunfelt es zu alänzender Goldfarbe, und an anderen neigt e3 wieder mehr zu jilberigem Schein. Die Farben von allen find bedeutend verblaßt, jeit jie im Spiritus fteden... Beiläufig ijt erwähnt worden, daß Die Tiefe der Färbung und die dunfleren Fleden auf dem Hinterförper bei verjchiedenen Jndividuen etwas mwechjeln, was Durch die (jpäter) er- haltenen Exemplare bejtätigt wurde. Jch möchte ferner behaupten, daß bei einem oder zwei der frijcheren Stücfe der Glanz des Felles, bejonders am Bauch und Streuz, fo leuchtend und Schön wechjelnd im Ton ijt, je nach dem Einfall des Lichtes, daß geradezu der Ausdrud ‚tijierend“ herausgefordert wird.“ Über den Hauptfundort de3 Beutelmulls, die zentralauftraliiche Jdracomra-Station, jagt Stirting: „Ebenen und Hügel von rotem Sand, mehr oder weniger bedect mit Spintfer und Afazien, bilden einen großen Teil diefer Gegend, und der Negenfalt it unbedeutend. Merfwürdig genug, alle Stüde, die ich bis jeßt erhalten habe, find inner- halb eines bejtimmten Umfreifes gefunden, vier Meilen von der Ydracoivra- Haupt- Itation, die an dem Flußbett des Finke felbft Iiegt und fait unabänderlic) zwifchen den Sandhügeln. mdes weiß ich von einem jehr guten Gewährsmann, daß das Tier auf der Undoolya- Station gejehen wurde, die unmittelbar füdlich der MacDonnell- Triften Beutelmull: Lebensweife. 137 liegt, und daß eins auch nach reichlichem Negen ertrunfen in Tempe Domwns gefunden wurde, einer Station ungefähr 120 Meilen wejtjüdwejtlich der Mlicequellen. Dieje Punkte werden die Verbreitung genügend bezeichnen, jomweit fie bi3 jet befannt ijt.“ Was Stirling weiter über die Zahl der Beutelmulle jagt und die Schwierigfeit, fie im Sande zu jpüren, dient auch zur Erklärung der jpäten Entdedung. „Sie jcheinen nicht jehr zahlreich zu jein. Sehr wenige Weiße in dem Bezirk hatten jemals einen gejehen, troß- dem jie bejtändig unterwegs waren, und nicht viele der Eingeborenen, mit denen ich zu- jammenfanı, erfannten die qut ausgeführte, farbige Abbildung, die ich bei mir trug. Man muß indes bedenken, daß ich nicht genau durch den Drt durchfam, der anfcheinend der Brennpunkt der Verbreitung it. Auch eine recht beträchtliche Belohnung, die ich anbot, bewirkte nicht, daß weitere Eremplare zum Vorjchein famen... Mit wenigen Ausnahmen find die Tiere von den Eingeborenen gefangen worden, welche mit ihrem wunderbaren Spinjinn auf der Fährte folgen, bis jte jie fangen. Deshalb können jte aber mit Sicherheit nur nad) Regen gefunden werden, der der Oberfläche des Sandes eine gewijje Feitigfeit gibt und fie jo befähigt, die Spuren zu bewahren, die alsbald jich wieder verwijchen würden, wenn er troden und loje ijt... Auch werden jie (die Beutelmulfe) nur bei warmem Wetter gefangen, jo daß die kurze Periode des jubtropiichen Sommerregens die günjtige Fangzeit zu fein jcheint. Auf diejes pafjende Zujammentreffen von Näjje und Wärme mußte Mr. Bilhop drei Monate warten, bevor er imjtande war, fie (die Beutelmulle) zu erlangen, und in allen Fällen wurden fie am Tage gefunden. „Beltändiges Wühlen jcheint der charakterijtiiche Zug ihres Lebens zu jein. Bilhop und Benham, welche das Tier in Freiheit gejehen haben, berichten beide, daß es, aus dem Sande auftauchend, einige Fuß an der Oberfläche zurücklegt in langjamem Tempo und mit eigentümlicher Schlängelbewegung, den Körper ganz flach auf die Erde gedrücdt, während es auf den Außenfeiten feiner unter den Bauch untergejchlagnen Borderklauen ruht. CS läßt jo eine eigentümlich gejchlängelte dreifache Spur hinter fi. Der Beutelmull dringt ichief in den Sand ein und geht unterivdijch entweder nur einige Fuß oder aud) viele Ellen weit, wobei er offenbar feine größere Tiefe erreicht als 2 oder 3 Zoll. Während er jo unterirdijch fich fortbewegt, Fann er oft entdeckt werden durch ein jchwaches Brechen oder eine Bewegung der Erdoberfläche über ihm. Beim Durchdringen des Bodens wird Die fegelförmige Schnauze mit ihrem hornigen Schußfchild jehr frei und natürlich als Bohrer gebraucht, auch die mächtigen, fchaufelförmigen Vorderflauen werden beizeiten in Tätigfeit gejest. Während er dem Auge entjchwindet, werden die Hinterfühe gebraucht, um den Sand rückwärts zu werfen, und diejer fällt Hinter dem Tier wieder ein, wie e3 vorwärts geht, jo daß feine dauernde Nöhre hinterbleibt, die jenen Weg bezeichnete. In einiger Ent- fernung wieder auftauchend, Durchmißt er einige Fuß auf der Oberfläche und fteigt dann hinab wie vorher. Sch Fonnte nichts darüber erfahren, ob er dauernde Baue macht oder einige Zeit bewohnt. Meine beiden Gewährsmänner fönnen gar nicht genug erzählen von der wunderbaren in Freiheit und Gefangenschaft beobachteten Schnelligkeit, mit der er wühlen fann. — Wir nahmen einen Spaten, Ioderten die oberite Exrdjchicht beim Hauje und jegten ihn (den Beutelmulf) nieder. Jch hielt meine Hand ganz dicht bei ihn, bis er ung beinahe aus dem Gejicht war, und dann fragte ich los, Hinter ihm her; aber er war zu flinf. So nahm ich eine Schaufel und begann, hinter ihm zu graben, Eonnte ihn aber nicht Friegen. Einer der Leute fam dann mit einer zweiten Schaufel, und auch eine eingeborene Frau, die fraßte; aber wir alle drei befamen ihn nicht.“ 138 2, Ordnung: Beuteltiere, Familie: Notoryctidae. Den Schluß bilden Mitteilungen über Nahrung und Gefangenleben, joweit von folchem überhaupt die Nede fein fann: „Dir. Bifhop, welcher wußte, daß ich in die Nähe fommen wiirde, machte große Anftrengungen, für mich einige derjenigen am Leben zu erhalten, die er gefangen hatte, und feßte fie, damit fie underjehrt blieben, in Cimer mit Sand; aber troß aller Sorge und Aufmerffamfeit lebte nur einer vier Tage lang. Tag und Nacht war das Geräusch ihres ruhelofen Wühlens zu hören. Nach meiner Anweijung, die ich auf Srumd der Unterfuchung des Mageninhalts eines der früher gefangenen Exemplare vorher gegeben hatte, verjah er fie mit Ameifen als Futter, aber fie fraßen feine. Sie fragen aber eine ‚Wichety‘ (eingeborener Name großer, weiger Maden, die als Nahrungsmittel bei ven Schwarzen fehr beliebt jind; es find die Larven gewiljer Bodfäfer und Schmetter- linge), und Mr. Benham teilte mir mit, daß einer bei Gelegenheit ein Stüd Brot ge- frejfen habe; aber er lebte nur einen Tag.“ Eine jtarfe Stüte erhält die Annahme, daß die Wichety einen Teil der Nahrung bilden, Durch die Tatjache, daß Mfazien reichlich vorhanden find auf den Sandhügeln, welche der natürliche Aufenthalt des Tieres zu fein fcheinen, und daß die fraglichen Larven an deren Wurzeln in einer Tiefe von ein Fuß oder mehr gefunden werden. Dieje An- nahme wird auch durch die Angaben der Eingeborenen und die Beobachtungen Mt. Biihops felbit beitätigt, welcher Spuren von unteriwijchen Höhlen rings um die Stämme der Afazienbüfche fand. „Die Eingeborenen behaupten, daß bei falten Wetter ‚Urquamata nicht mehr umgeht‘, und daß fie feuchten Sand lieben, was die früher gemachte Angabe bejtätigt, daß fie nur bei warmem Wetter nach Negen gefunden werden fünnen. Nichtspejtoweniger wurden bei einer Gelegenheit ziwei lebende Erempflare, die mit den gewöhnlichen Borjichtsmaßregeln in einem Behälter mit zwei Fuß tiefem feuchten Sand gejeßt worden waren, nad) einer Stojtnacht tot gefunden, obwohl der Behälter qut zugedect war; Diejes Ergebnis it nad) Biihops Meinung jo zu erklären, daß der Sand nicht tief genug war, um die Tiere aus dem Bereiche der Froftwirfung herauskommen zu lajfen, und er glaubt daher, daß fie im wilden Zujtande bis zu beträchtlicher Tiefe graben. „denn man in den Behälter hineinblidte, fand man den Urquanata gewöhnlich im Sande aufgerollt, aber nicht bedeckt von diefem, und wenn man die Hand von vorn unter- jchob, wollte das Tierchen in fie hineinflettern, und zerfragte fie über und über. ES fchien jehr jchnellhörig und erwachte ftet3 fofort, fobald man den Dedel des Behälters füftete. „Ein jehr jchwaches Pfeifen gab das Exemplar, das jo lange in Gefangenjchaft ge- halten wurde, manchmal von fich, wenn e3 in dem Behälter herummwühlte; aber e8 war nicht jicher, ob das ein Atengeräufch oder eine wirkliche Stimme war, und bon einem früheren Exemplar hörte man, wenn e3 fejtgehalten wurde, ein fchivaches Zirpen, mie das eines neu ausgejchlüpften Küchleins. Kleines der anderen Eremplare brachte übri- gens jemals einen hörbaren Laut hervor. edesmal, wenn der Sand durch frifchen, warmen und feuchten ergänzt war, fing das Tier jofort an zu wühlen, und an warmen, jonnigen Tagen, wenn e3 herausgelafjen wurde ins Freie, verfuchte es, wenn der Sand hart war, eine Heine Strede recht rajch zu laufen; aber wo die Oberfläche weich war, be- gann es jofort zu mwühlen, und fobald e3 einen quten Schuß getan hatte, fam es mit großer Schnelligkeit vorwärts, wenn auch nicht fo fehnell, wie nach einer Angabe in meiner eriten Arbeit zu vermuten.” Über Fortpflanzung und Jungenpflege fonnte Stivling gar nichts erfahren, und an Beutelmull. Beuteldachfe. 139 lebende Einführung des Beutelmulls nach Europa ift natürlich nicht zu denfen; einige große Mufeen, auch das Berliner, bejigen Spiritugeremplare. * Auch der Laie wird leicht die Mitglieder der Familie der Benteldachje, Najenbeutler oder Bandifut3 (Peramelidae) unterjcheiden fünnen. Die anfehnlich verlängerten Hinterbeine und die jehr abweichende Zehenbildung diejer Tiere find Merkmale, die jeden in das Auge fallen müjjen. Von den fünf Vorderzehen find nur zwei oder drei der mittleren groß und frei entiwicelt und mit jtarfen, fichelförmigen Strallen bejett. Die zweite und dritte gehe der Hinterfüße find miteinander bis zu den Nägeln verwachjen; die Daumenzehe fehlt oder ıjt verfünmmert, die vierte Zehe jehr lang. Der Leib ift im ganzen gedrungen, der Kopf, zumal am Schnauzenteile, jehr zugejpist, der Schwanz gewöhnlich fehr furz und vimm behaart, nur ausnahmsmweife lang und bujchig; die Ohren find meijt mäßig, bei einigen Arten aber auffallend groß. Der Beutel des Weibchens öffnet jich nach Hinten. sm Gebiß zählt man oben 4 oder 5, unten 3 Schneidezähne, 1 Eczahn, 3 Lüd- und 4 Bachähne in jedem Sliefer. Ihomas erklärt die Familie für ganz abjeit3 jtehend und jcharf begrenzt, nur mit den Naubbeutlern verwandt, aber auch von Ddiejen in vielen wichtigen Bunkten verfchieden. Sr Anbetracht ihrer Syndaftylie, der Berivachjung der zweiten und dritten Hinterzehe, find jie gemeinhin als Bindeglieder zwijchen den beiden großen Unterordnungen der Beutel- tiere, den tierfrejjenden Polyprotodontia und den pflanzenfrejjenden Diprotodontia, be- trachtet worden, und ihr Ullesfrejfertum bejtärkt diefe Meinung; aber wenn man den völlig polyprotodonten Charakter ihres ganzen fonjtigen örperbaues bedenkt bis herunter zu den Hand- und Fußmwurzelfnochen, die alle weit größere Ähnlichkeiten mit den Dasyuridae zeigen als mit den Phalangeridae, wird es wahrjcheinlich, daß diefe Annahme faljch it, und daß ihre Syndaktylie ganz unabhängig von der der Diprotodonten fich ausgebildet hat. Das Gebiß in den verjchiedenen Lebensaltern macht den Eindrud, al3 ob die Tiere fich in einem Übergang vom Snfektenfreffer zum Allesfreffer befinden: beim jungen Tiere ein echtes Snjektenfrejfergebiß, jehr jpib und fcharfzadig, beim ausgewachjenen bereits abgejtumpft, beim alten ganz glatt gejchliffen, die Sironen zum Teil vollitändig ver- Ihwunden, nur die Wurzeln noch vorhanden. Unter diefen Gefichtspunften jehen wir die Peramelidae al3 einen Ausläufer der Dasyuridae an ohne nähere Stammverwandtichaft mit den Diprotodonten. Die Beuteldachje Teben in Auftralien und Neuguinea, und zwar in Höhlen, die jie jich in den Boden graben und bei der geringften Gefahr eiligjt aufjuchen. Mitunter trifft man jie in der Nähe von Pflanzungen oder menschlichen Anfiedelungen, gemöhnlich aber halten jie fich fern von dem Erzfeinde aller Tiere. Die meijten Arten jcheinen gejellig mit- einander zu leben und eine nur nächtliche Xebensweije zu führen. Shre Bewegungen jind ziemlich rajch und eigentümlich, da ihr Gang aus einer Reihe Fürzerer oder weiterer Sprung- jchritte beiteht. Zur Nahrung dienen ihnen hauptjächlich Pflanzen, bejonders jaftige Wıur- zeln und inolfen; doch werdennebenbei auch Kerbtiere und Würmer oder Sämereien verzehrt. Alle Beuteldachie find jcheue und flüchtige, durchaus qutmütige, hHarmloje und fried- liche Tiere, die in der Freiheit vor jeder Gefahr zurüdichreden und dem Menfchen ängjt- lich zu entfliehen juchen. Sn der Gefangenschaft fügen fie jich ohne Widerjtreben in ihr 203 und werden fchon nac) furzer Zeit zahm und zutraulic. 140 2. Ordnung: Beuteltiere. Yamilie: Beuteldachfe. Die Familie umfaßt drei Gattungen, die fich äußerlich, abgejehen von Schädelmerf- malen, folgendermaßen unterjcheiden: An den Vorderbeinen zweite, dritte und vierte Zeche groß und gebrauchsfähig; erjte und fünfte vorhanden, aber Hein und Frallenlos. Hinterdaumen fehlt; Ohren enorm lang, Schwanz mit Haarbürfte nach oben. Peragale, Ohrenbeuteldache. Hinterd aumen vorhanden, aber frallenlos; Ohren mittellang oder furz; Schwanz ohne Bürfte. Perameles, Kajenbeuteldachs. An den Borderbeinen nur zweite und dritte Zehe gebrauchsfähig, vierte verfümmert; erjte und fünfte fehlen ganz. Hinterdaumen fehlt; Ohren lang; Schwanz mit Schwacher Bürfte. Choeropus, Schweinsfuß. Der jüd- und wejtauftraliihe Ohrenbeuteldachs oder laninchenbandifut, von den Eingeborenen Dalgyte genannt, Peragale lagotis Reid (Taf. ‚„‚Beuteltiere III“, 1), it oben fahlarau, unten weiß gefärbt, Kopf und Aumpf 40, Schwanz 20 cm lang oder auc) etivas darüber. Die Ohren find jehr lang, fait nadt, die Spigen fein gefranjt und der vordere Zeil ihrer Außenjeite ditm mit blafbraunen Haaren befleidet. Das Nücdenhaar ift lang, die Unterwolle jchiefergrau mit blajjeren Spißen, die langen Haare fahl oder braunjpibig, die Sohlen größtenteils did behaart, ausgenommen die Ferfe. Der Schwanz ift jo lang tie der störper ohne den Kopf, Durchiveg dick behaart, das Wurzeldrittel gefärbt wie der törper, das Mitteldrittel fchwarz oder dunkelbraun, die Haare rauh und oben länger als unten, das Enddrittel jcharf abjtehend, rein weiß; die Haare, auf der Oberjeite jehr ver- längert, bilden dort einen vorjtehenden weisen Kamm, eine Bürftenfahne. Der Sammler Shortridge hat neuerdings darauf aufmerfjam gemacht, daß der Ohrenbeuteldachs an der Schwanzjpibe einen ähnlichen Hornnagel hat, wie das danach genannte Nagelichivanz- Stänguruh („Proc. Zool. Soe.‘“, 1906). „Der Ohrenbeuteldachs”, berichtet Gould, „it einigermaßen häufig über die ganze Strecke des Graslandes im Inneren der Schwanenflußfolonie (Weftauftrallien) verbreitet. Er lebt Dort meift paarweije und fucht jich gewöhnlich Stellen aus, wo der Erdboden oje it und er mit feinen jtarfen Strallen ganz erjtaunlich gejchwind fich feine Baue graben fan. Sn Ddieje Höhlen flüchtet er immer zur Nettung, und da jie tief und Yang find, entgeht er dadurch oft den Berfolgungen der Schwarzen, die ihm um jeines Fleijches willen nachitellen.‘ Shortridge erklärt den Ohrenbeuteldachs außer Lejueurs Känguruhratte für das ein- zige Beuteltier, das fich wirkliche Höhlen gräbt, er vergleicht ihn als Exdgräber mit unjerem europätichen Dachs : wie Diejer joll er jich jo rafch im Erdreich verflüften, wie ein Mann nachgraben fann. Ferner meint er nach feinen Beobachtungen aus dem Jahre 1906, der Najenbeuteldach3 werde im Innern jet jeltener, man finde fo viel alte, verlajfene Baue; das Tier jcheine alfo aus Gegenden verfchhwunden zu fein, wo e3 früher häufig war — vielleicht infolge jahrelang anhaltender Dürre. „Die Nahrung befteht aus Infekten, deren Larven und den Wurzeln von Sträuchern und steäutern; bevorzugt ift eine große Made, die Larve einer Art Bockäfer (Cerambyx?), die in den Wurzeln der Afazien fißt und ebenjofehr auch von den Schwarzen begehrt wird.” Die Zahl der Jungen erklärt Gould für noch nicht genügend feitgeftellt, meift wohl 3 oder 4. Das Weibchen ijt Heiner al das Männchen. Gould hat es der Ohrenbeuteldachg, auch al3 Braten, jo jehr angetan, daß er jogar mit Beuteltiere II. ' 1. Ohrenbeuteldachs, Peragale lagotis Keid, 1/4 nat. Gr., s. S. 140. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 2. Naienbeuteldachs, Perameles nasuta Geoffr, l/4 nat. Gr., s. S. 143. — Verlag der Neuen Photographischen Gesellschaft, A.-G., Steglitz - Berlin. 3. Kurzkopf-Slugbeutler, Petaurus breviceps Waterh. ly nat. Gr., s. S. 159. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 4. Eichhörnchen - $lugbeutler, Petaurus sciureus. Shaw. nat. Gr., S. 160. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Ohrenbeuteldadhs: Lebensweife Nahrung. Gefangenleben. 141 dem utopifchen Gedanken Herausfommt, den Beuteldachs zu Nahrungszweden in England einzubürgern. „Daß fein Fleijch jü und zart ijt, habe ich reichlich ausprobiert. Gedünitet, ähnelt es dem des Staninchenz.” Über das Gefangenleben des Ohrenbeuteldachjes hat Mar Schmidt, der frühere ver- dienjtvolle Zeiter und Neugründer des Frankfurter Tiergartenz, jehr ausführlich berichtet. Seinen Mitteilungen jei das Folgende entlehnt. Die Beuteldachje find Dämmerungs- und Nachttiere, die den Tag verjchlafen. Die von Schmidt beobachteten Stüde, ein Männchen und ein Weibchen, jaßen am Tage zufammengeroflt dicht nebeneinander im Heu, in das fie jich mit dem Borderteile verbargen, auch gänzlich eingruben. Der Rüden wird dabei jtarf gekrümmt, der Kopf unter den Slörper gebogen, jo daß die Stirn den Boden berührt und die Schnauze zwijchen den Hinterbeinen jteckt, der Schwanz zwilchen den Schenfeln dur) unter den Bauch gejchlagen; die Augen jind gejchlojjen, die Ohren der Länge nach zu- jammengefaltet und ungefähr in der Mitte quer nach außen gefnickt. Kurz nach Ankunft im FSranffurter Tiergarten waren die Beuteldachje aus diefem Tagesjchlafe nur jchiwer zu iweden. Man fonnte jie anfajjen, jehütteln, jelbjt in die Hand nehmen, ehe jie erwachten; ipäter genügte e3, fie leicht zu berühren, um fie zu erweden. Hußerft felten fand man jte auch ohne äußere Beranlafjung einmal am Tage wach; doc) verließen jte jodann freiwillig ihre Höhle nicht. Erjt wenn am Abend jtarfe Dämmerung hereingebrochen it, ermuntern jich die Tiere, aber nur ganz allmählih. Man fieht zuerit das Heu, das fie birgt, jich ettwva3 bewegen und bald darauf eine jpißige Schnauze zum Borjchein fommten, die Ichnuppernd in die Höhe gerect, nach allen Seiten gewendet und bald wieder zurücdgezogen wird. Nach mehrmaliger Wiederholung erhebt jich das Tier mit dem ganzen Borderteile, jeßt jich aber bald wieder nieder. Die anfänglich noch Heinen und verjchlafenen Augen öffnen fich mehr und mehr, und die vorher jchlaff Herabhängenden Ohren richten jich auf. Unter fortwährendem Gähnen verläßt endlich der Beuteldachs, manchmal erit eine Stunde nach dem erjten Erwachen, die Bertiefung, in der er lag, und begibt fich an das Jutter- gejchirr, um feine Nahrung, Körner verichiedener Art, namentlich Weizen, Gerite, Hafer, Hanfjamen, Brot, gefochte Kartoffeln, Maifäfer, Engerlinge und Mehlwürmer, Ameijen- puppen und dergleichen, einzunehmen. Das Kauen gefchieht unter chmaßenden Lauten; das Futter wird mit den Zähnen ergriffen und mit den Vorderpfoten gehalten; Fleinere Bijjen, Ameifenpuppen, Weizenförner, werden mit der Zunge herbeigeholt. Schmidts Gefangene liebten Maifäfer, Engerlinge und Mehlwürmer jehr, waren aber jo dumm und träge, daß ihnen legtere oft unbemerkt davonliefen. Nachdem die Tiere gefrejjen haben, be- ginnt ein rajtlofes Hin- und Herlaufen in ihrem Käfige meijt längs der Wände. Beim Gehen jtüßen fie fich auf alle vier Beine; der Gang erinnert wegen der Ungleichheit der Glied- maßen an das Hüpfen der Hafen und Kaninchen; ihr fchnellfter Gang ijt ein Springen, bei dem der Leib in eine heftige auf und nieder fchaufelnde Bewegung gerät. m Siten vermögen die Beuteldachje alle Stellungen anzunehmen, fich auch auf den Hinterbeinen aufzurichten, fo daß, wie bei den Springmäufen, nur die Zehen den Boden berühren. Der Schwanz dient bei feiner Bewegung als Stüße, jondern wird jchlaff Herabhängend nach- geichleppt. Während der ganzen Nacht treiben die Tierchen jich jpielend umher, verfolgen ein- ander und ziehen fich exit mit Anbruch des Morgens wieder zurücd; doch findet jte jchon der erite Sonnenftrahl wieder auf ihrem Lager. Am Dezember fommen fie bereits nach 5 Uhr abends hervor und ziehen fich gegen 7 Uhr morgens zurüd; im Juni und Juli ermuntern jie fich exft abends gegen 10 Uhr und haben fich fchon vor 4 Uhr morgens wieder verfrochen. 142 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beuteldachfe. „Das Wefen unferer Beuteldachje”, jagt Schmidt, „ilt janft und harmlos. Man fan fie in die Hand nehmen und feithalten, ohne daß fie Miene machen, zu beigen oder zu fragen, faum daß fie verfuchen, fich der Hand zu entwinden; aber auch derartige Beftrebungen find nie gemwaltfam. Nur jehr felten, wenn man fie im ©chlafe ftört, zeigen fie eine zornige oder ärgerliche Gebärde, welche darin beiteht, daß fie die Mundminfel etwas öffnen und fomeit wie möglich nach hinten ziehen, entfprechend dem gähnefletjchen anderer Tiere; gleich- zeitig blafen fie anhaltend aus der Naje. Bei aller Sanftmut und Harmlofigfeit find fie indefjen feineswegs zutraulich, jondern ebenjfo Dumm tie die meilten anderen Beuteltiere. Sie fommen wohl zuweilen herbei, wenn man fie lodt oder ruft, und befchnüffeln den vorgehaltenen Finger; Doc) zeigt Dabei der Gefichtsausdrud undverfennbar, daß dies nur in- folge dummer Neugierde gejchieht. Sn den meilten Fällen hören fie gar nicht auf den Auf oder erjchreden vor ihm, wie bei irgendeinem anderen Geräufch, und flüchten eiligft in ihre Höhle. Derartige Eindrüde find indes feineswegs dauernd, es fommen vielmehr in der Negel die Tiere alsbald wieder hervor, als ob nichts vorgefallen wäre. Sm Gegenjab zu diefen gering enttwidelten geijtigen Eigenjchaften macht ihr Hußeres mitunter den Ein- drucf der Aufmerkffamfeit und des Berjtändnifjes, vorzugsweife wohl durch die aufrecht- jtehenden großen Ohren und Die jpigige Schnauze hervorgebracht, da das Auge geilt- und ausdrudstos erjcheint. Unter ihren Sinnen dürften Geruch und Gehör am jchärfiten fein. Sch bemerfte, al3 ich fie mit Maifäfern fütterte, daß fie das vorgehaltene Kerbtier nicht gleich jahen, und erjt, nachdem fie mehrere Male ganz zufällig die auf den Boden gefal- lenen Käfer gefunden hatten, merften fie fich den Zufammenhang des hierdurch entjtandenen Seräujches mit dem Lederbijjen, ohne jedoch gleichzeitig die Stelle des Falles zu unterjchei- den. &o oft jie in der Folge etwas fallen hörten, juchten fie eifrigjt im Sande umher. „Eine Stimme habe ich bis jebt nur vom Weibchen gehört, während das Männchen immer ganz jtumm war, man mochte mit ihm machen, was man wollte. Yımmt man das weibliche Erempflar in Die Hand, jo läßt e3 in Der Kegel ein leifes Pfeifen hören, melches gewöhnlich mit dem Ton, den die Ratten von fich geben, verglichen wird, aber nicht heijer, überhaupt zarter als jener lautet. Außerdem läßt das Weibehen unter den angegebenen Umftänden noch einen Ton hören, der indes nicht Durch die Stimmwerkfzeuge hervorgebracht wird, jondern in Zähneflappern bejteht; ich möchte ihn mit dem Tiefen einer Tajchenuhr vergleichen, nur lautet er weniger metallijch.” Auch Hed hat den Ohrenbeuteldachs gepflegt und gejchildert. Er jagt unter anderent: „ion Nücjicht auf feine nächtliche Lebensweife und Tagjchläferei erhielt unjer Beutel- dachs einen behaglichen Schlaffaiten, aus dem er jedoch auch am Tage nicht ungern her- vorfam, wenn er den frijch gefüllten Futternapf mit Milch und Weißbrot witterte. Des Kachts vertrieb er fich die Zeit damit und machte jich die nötige Bewegung dadurch, daß er jeinen Schlaffaften im Käfig mit dem Nüffel hin und her fchob. Da ich darin einen un- Ihäpdfichen Erjag für die wühlende Tätigfeit in der Freiheit erblickte, fieß ich den Kaften auch nicht Feitmachen. So hielt fich der Ohrenbeuteldachs fünf Sahre lang.“ Die eigentlichen Beuteldachje oder Nafenbeutler (Gattung Perameles @eoffr.) ent- halten die Hauptmafje der Familie, auf die gewöhnlich in Auftralien der Name Bandikut angewendet wird. Sie unterjcheiden fich, abgejehen von Schädel- und Zahnmerkfmalen, durch die mittellangen oder kurzen Ohren, welche die Iange, fpibe Nafe auffallender her- bortreten lajjen, und durch den Mangel der Bürfte am Schwanzende. DObhrenbeuteldadhs. Nafjenbeuteldad2. 143 Die Arten find gemein und mweit verbreitet, den Koloniiten wohlbefannt durch den Schaden, den fie in Gärten und beitellten Feldern anrichten. Fhre Nahrung befteht aus Wurzeln, Sinollen, Beeren, Fallobit und anderen Pflanzenftoffen, dazu Snfekten und Crod- wirmern; von legteren leben jie wahrjcheinlich Hauptjächlich, nach der großen Menge Erde zu urteilen, die man gemeinhin in ihren Magen findet. Die auftraliichen Arten find zwei unterjchiedlichen Gruppen zugeteilt, Die die Shite- matif um P. obesula und P. gunni jederjeits gruppiert hat. Dieje beiden Gruppen würden e3 verdienen, al3 Gattungen voneinander getrennt zu werden, wenn nicht in Neuguinea viele Ziwifchenglieder erhalten wären. Die Zweiteilung hatte Gould fchon vollitändig erfannt, der in jeinem Werke jagt, die Mitglieder der erjten Gruppe bewohnten tief gelegene, jumpfige Gründe mit dichten Pflanzenwuchs, die der anderen fteinige Berg- rücken der heißeren, höher gelegenen Landesteile. Die beiden Gruppen unterscheiden fich im allgemeinen folgendermaßen: Die Hoch- länder haben lange, pie Ohren, die, vorwärts gelegt, über das Auge hinausreichen, und die hintere Hälfte der Sohle ijt behaart; die Tiefländer haben Furze, runde Ohren, die nicht oder fnapp bis ans Auge reichen, und die Mitte der Sohle ijt nadt, falt oder ganz bis zur Ferje. Unter den lang und fpisohrigen Formen tft dann der gewöhnliche Najenbeuteldachs die einzige ungeftreifte Form. Die anderen haben dunfle Queritreifen. Bu diefen außer in Australien auch in Neuguinea heimifchen Beuteldachjen im engern Sinne (Perameles) gehört neben zehn anderen Arten der Najenbeuteldach3, Perameles nasuta @eoffr. (Taf. ‚„‚Beuteltiere III”, 2, bei ©. 140), ein Tier von eigentümlicher Geitalt, da3 mit einem Kaninchen faft ebenfoviel Ähnlichkeit Hat wie mit einer Spigmaus. Er trägt jeinen Namen injofern mit Recht, als er eine jehr lange Schnauze befigt. Namentlich deren oberer Teil ijt verlängert, und die Nafenfuppe ragt weit über die Unterlippe vor. Die jehr Furzbehaarten Ohren find unten breit, jpigen fich aber rafch zu; die Uugen find flein. Der gejtredte Leib trägt einen mittellangen, jchlaffen und Furzbehaarten Schwanz und ruht auf ziemlich ftarfen Beinen, von denen die hinteren faft noch einmal fo lang wie die vorderen find. Am vordern Fußpaare find die Innen und AUußenzehen bloß durch Warzen angedeutet und fo weit nach rückwärts gejtellt und unter den Haaren veritedt, daß e3 Schwierig ift, fie aufzufinden. Die übrigen drei Zehen, auf die das Tier auftritt, tragen tüchtige, fichelförmig gefrümmte Krallen. Der nicht eben dicke, aber ziemlich lange, jtraffe und rauhe, ja fait borjtenartige Pelz beiteht aus fpärlichen und Furzen Wollhaaren und längeren Gtannen. Oben ijt er bräunfich fahlgelb und fchwarz gejprenfelt, was Haupt- jächlich durch die Doppelfärbung der einzelnen Haare bewirkt wird, die unten grau jind und allmählich in Schwarz übergehen, oft aber noch in bräunlich fahlgelbe Spisen endigen. Die Unterfeite ift fchmubig gelblichweiß, die Oberjeite der Hinterfühe licht bräunlichgelb. Der Schwanz ijt oben jhwarzbraum, unten ficht Fajtanienbraun. Die Ohren find an den Nändern bräunlich behaart, aber die nadte Haut fchimmert überall zwifchen den Haaren hindurch. Erwachiene Tiere mejjen über 50cm, einjchließlich des Schwanzes, dejjen Länge gut 12cm beträgt, und find am Widerrijt etwa 10 cm hod). Gould hebt vom Langnajen-Bandikut hervor, wie wenig man zu feiner Zeit von ihm wußte, obwohl er den befanntejten Teil Auftraliens, den Djten, bewohnt, und bis heute it das nicht bejjer geworden. Wir find immer noch auf das angewiejen, mas Ddiejer Altmeister der auftralifchen Tierfunde uns mitteilt. Gould erhielt viele Stüde und 144 23, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beuteldachje. vergetijjerte fich dadurch, daß das Tier jpärlich zerjtreut ijt über die Landjtriche zroiichen Gebirge und Meer. &s bewohnt dürre, jteinige Pläße, und in allen Nevieren von diejem Charafter fommt es jelbjt in der Umgegend von Shoneh ebenjo häufig dor wie anderswo. Die Nahrung diejes Nafenbeuteldachjes bejteht aus Ziwiebelfnollen und anderen Wur- zen, die er mit jeinen jtarfen Vorderflauen leicht ausgräbt. Schon Gould teilt ihn troß abweichender Färbung der Gruppe zu, die man als Feljen- oder Hochlandsbeuteldachje bezeichnen könnte gegenüber den Sumpf- oder Tieflandsformen. Sunns Streifenbeuteldachs, Perameles gunni Gray, unterjcheidet jich vom vorigen durch jederjeits vier dunkle Duerjtreifen auf dem nicht boritigen, fondern weichen Fell, wie jie feiner ganzen Untergruppe eigentümlich find. Er lebt in Tasmanien. Gould zitiert über ihn jeinen Entdecder, dejjen Namen er trägt, zur Frage der Nahrung des Tieres: „ES ijt bisweilen angezweifelt worden, ob der Beutedachs Wurzeln frißt. Vor einigen Sahren hat mein Garten in Launcejton aber jchwer gelitten durch jeine Räubereien. Zwei Beete von Ixia maculata var. viridis wurden ganz leergeftejjen, jo daß diefe Pflanze bei mir ausgerottet war. Einige andere rien und Babianen wurden nachher in Angriff genommen, dagegen viele Gattungen fapijcher Zmwiebelgewächje dicht Daneben unberührt gelajfen. Crocus jchtienen eine bejondere Lieblingsjpeije zu jein; mo jte vorhanden waren, wurden jie jorgfältig herausgefucht, mit der Wurzel ausgegraben und gefrejjen, und das auch zu einer Jahreszeit, wo noch gar feine Blätter über der Erde erjchtenen, um den Standort der Pflanze anzuzeigen. Tulpen jchienen weniger zu jchmeden, obwohl auc) jie gelegentlich gefrejien wurden. m Busch entdecte ich jpäter eine neue Art inollenpiß, angefrejjen, auf Dem Grunde einer einige 20 cm tiefen Höhle, welche, glaube ich, das Werf eines Beuteldachjes war. Mein Eindrud ift, daß der Beuteldachs zum guten Teile, wenn nicht überhaupt, von Wurzeln und Pilzen Tebt.” Anders der Streifenbeutedachs von aujtraliichen Feitland mit feinen beiden geogra- phischen Unterarten, die fich nur ducch fehwächeren und jtärferen Gegenjaß ziwijchen Hell und Dunkel in der Fellzeichnung unterscheiden. Bom Wejtauftralijchen Streifen- beuteldach3 P. bougainvillei Quoy et Gaim. (myosurus) berichtet Gould jelbjt: Seyne Nahrung beiteht aus Anjekten, Samen und Sörnern. Er gräbt jchnell und leicht Höhlen in die Erde, und in diefe und in die hohlen Stümpfe gefallener Bäume flüchtet er zum Schuße, wenn er von jeinen natürlichen Feinden verfolgt wird. Sonjt hauft er im Dichteiten Busch; Diefichte von Kafuarinenjämlingen find fein bevorzugter Schlupftvinkel. Er macht ein feit zufammengefügtes Weit in einer Vertiefung am Boden von Gras und anderen Stoffen, die in Farbe und Ausjehen dem Gras und Kraut ringsum jo ähnlich find, daß das Neft jehr jchwer zu entdeden it, und dieje Schwierigfeit wird noch gejteigert dadurch, dat Feine jichtbare Offnung für den Aus- und Eingang der Tiere vorhanden ijt. Das Veit ijt gewöhnlich von einem PBaare bewohnt. Die Jungen find entweder 3 oder 4 an der Zahl. Gilbert bemerft, daß diefer Art am jchwierigiten das Fell abzuziehen it von allen Beuteltieren, die er fernen gelernt hat; die Haut ijt tatjächlich jo zart, daß das Gewicht eines daran hängengelaffenen Beines genügt, diefes vom Störper abzureißen, und oft trifft man lebende Stüde, denen der Schwanz ganz oder teilweife fehlt. Der eigentliche Streifenbeuteldachs, P. bougainvillei fasciata Gray, muß mit der jcharf ausgeprägten, abwechjefnd dunffen und helfen Querftreifenzeichnung des Rumpfes ein Streifenbeuteldadhje. Kurznafen-Beuteldadhs. 145 jehr hübjches Tierchen fein. Schade, daß e3 jo wenig lebend eingeführt wird! Hier hat man e3 noch nie gejehen; wir müjjen daher wiederum auf den Altmeijter Gould zurüdgreifen. „Dieje elegante Art erfreut jich einer weiten Verbreitung über den Often und Süden Auftraliens, wird aber mehr in den Teilen getroffen, die man in der Kolonie ‚das Innere‘ nennt, al3 zwijchen dem Gebirge und dem Meere. Ir Neufiiwwales find e3 die feljigen Bergrüden, die aus den Gebieten nach dem Darling und Namoifluffe zu abziveigen, two man jie jtet3 findet. In Südauftralien jagte ich den Streifenbeuteldachs jelbjt auf den Steinfeldern und Berghalden, welche jich nach der großen Srimmung des Murray- flufjes hinabziehen. In meinen Aufzeichnungen finde ich folgende Angabe: 1. Juli 1839. um eritenmal den Streifenbeuteldachs erlegt in dem Revier, das den großen Busch an der Straße zum Murray) begrenzt. Ych jtörte das Tier von den Slamme eines der feljigen Bergrüden auf; nach einer jcharfen Jagd von ungefähr 100 NYards juchte es Schuß unter einem Stein und wurde leicht erbeutet. &3 eilte über den Erdboden dahin mit ganz be- Deutender Schnelligkeit und mit einer Bewegung ganz ähnlich dem Galopp eines Schweine2. Diejem ift es auch ähnlich in der Zähigfeit, mit der fein Fell am Fleisch hängt. Bei Offnung des Magens fand jich, daß er die Nejte von Raupen und anderen Injekten enthielt, einige Samen und fajerige Wurzeln. Das Fleiich erweilt jich, gebraten, als ein delifates, vortreff- liches Eijen, wie das der meilten, wenn nicht aller Mitglieder der Gattung.’ 63 folgt die zweite, längere Reihe von Beuteldachjen, die mehr kurze und runde Ohren haben und mehr feuchten Sumpf und Urwald bewohnen. Sie teilt jich wieder in die hier- her gehörigen Arten Tasmaniens und des australischen Feitlandes, denen jich eine aus dem jüdöftlihen Teile Neuguineas anjchließt, und in die Hauptmajje der Neuguineaformen. 63 zeigt fich dabei aber, wie oben jchon gejagt, daß die Arten von Neuguinea Übergangs- formen bilden, die eine Teilung der Gattung Perameles in zwei doch nicht erlauben. Die befanntejte und wichtigjte Art der ziweiten, mehr das feuchte Tiefland bemohnen- ven Gruppe ijt der Kurznajen-Beuteldachs, P. obesula @eoffr., den jchon Gould ent- Iprechend gefennzeichnet Hat. „Sch hatte viel Gelegenheit, diejes Tier in der Freiheit zu beobachten, jowohl in Bandiemensland als in Neufüdtvales, und fan perjönlich feititellen, daß e3 eine Vorliebe für tiefliegende, feuchte, jumpfige Pläte verrät, die mit einer dichten, grünen Pflanzendede itberwachjen find, wie man folche am Nande und auch im nern der großen Wälder trifft. Mit Beobachtungen für meine ‚Vögel Auftraliens‘ bejchäftigt, habe ich jehr oft auf das meijt unfichtbare Neft diefer Art getreten und das jchlafende Paar darin aufgewect, welches dann mit äußerjter Schnelligkeit wegjtürzen wollte und im dichten Bujh Schuß juchte unter einem Stein oder hohlen Baumftumpf; d. h. wenn fein Lauf nicht aufgehalten wurde durch eine Ladung aus meiner Flinte oder durch meine Hunde.“ ach feinem Helfer und Sammler Gilbert zitiert Gould: „Diejes Heine Tier ijt häufig in jedem Teile der Kolonie und findet fich in jeder Art von Gelände: an dick bebujchten Pläßen, im hohen Grafe, das längs der Flußufer und Siunpfe wächlt, und auch im dichten Unterholz fowohl auf trodnem Land als an feuchten Stellen. ES macht ein Nejt aus furzen Stüden von trodnen Keijern, grobem Grafe, Blättern ufw., manchmal gemijcht mit Erde und dem umgebenden Erdboden jo täufchend ähnlich angelegt, daß nur ein geübtes Yuge den Bau entdeden fann. Wenn es auf trocdner Stelle gebaut ift, jo ilt die Dede flach und in gleicher Höhe mit dem Erdboden, in feuchten Lagen aber ragt das Neft oft her- vor in Form eines Haufens bis zu einer Höhe von ungefähr 30 cm. Die Wege für Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 10 146 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Beuteldacjfe. Ein- und Ausgang werden von dem Tiere beim Einfahren und Ausjchlüpfen jehr gejchict geichloffen. Der Sturznajen-Beuteldachs Findet fich allgemein paarweije. Aus dem Neft getrieben, nimmt er das exjte bejte Wurzel- oder Erdloch an, das er trifft. Obwohl feine gewöhnliche Nahrung aus netten bejteht, frißt er gelegentlich auch Körner, umd ich habe ihn mehrmals in großer Anzahl in einem Weizenjchober gejehen.” Shortridge fand al3 Mageninhalt jtet3 Flügeldeden und Beine von Käfern und Geradflüglern, alaubt aber, daß der Kurznafen-Beuteldachs auch Wurzeln und andere Pflanzenkfoit frißt. Die Kolonijten nennen ihn „native pig“, die Eingeborenen „Duaint“. Den Kurznajfen-Beuteldach! hat auch Semon am Burnettfluffe beobachtet. Als er, in die Srre gelocdt Durch fein jtörriiches Pferd, das jich nicht fangen laffen wollte, in flarer Mondnacht fein Lagerfeuer juchte, jah er vor fich „ein Feines Tier von Kaninchengröße herumfpringen und einen grunzenden Lodruf ausjtogen. &3 war ein Männchen des jo- genannten Bandifuts... Mein Kamp erhielt nachts fait regelmäßig den Bejuch eines oder mehrerer Bandifuts, die dort Heine Überbleibfel von Fleifch und Brot vom Boden auflafen, ohne Sich fonft irgendwelche Übergriffe zu erlauben. Jeden Morgen fahen wir die frifchen Spuren umferer harmlojen Gäfte um unjeren Kochplaß und unfere Speijelaube herum, bejonders während meines eriten Aufenthaltes am Burnett, als ich feine Hunde im Camp hatte. Die Tiere waren damals jo vertraut, daß fte uns ganz nahe famen, wenn wir ichweigend und unfere Pfeifen rauchend die Abendfühle genojjen. In hellen Mondnächten hörte ich einige Male den grunzenden Brunftichrei des Männchens. Wird ein Bandifut aus jeinem Lager von Hunden aufgejtöbert, fo läßt er fich nicht lange he&en, fondern läuft nur jo weit, bis er den nächiten hohlen Baumftumpf findet, in den er jich verfriecht. Er vermag jenen Körper in jehr enge Höhlungen zu zwingen, in die ihm fein Hund nac)- folgen fann, und er jcheint über die Anwejenheit und Natur jolcher Berjtede in der Um- gebung feines Lagers genau unterrichtet zu jein.“ Das von Semon heimgebrachte Material hat Dependorf zu eingehenden Gebißjtudien u.a. auch am Surznajen-Beuteldachs benußt. Er findet dejfen Gebiß zunächit injektivoren- ähnlich. „Die Zähne jind furz nach ihrem Durchbruch Scharf und fpis, verlieren aber mit der Zeit ihre Schärfe und ihre Spiten. Die Nahrungsweife des Tieres hat fich mit der geit teilweife verändert. Die PBerameliden find halbwegs Ommivoren geworden. Die gähne eines jungen, ganz behaarten Tieres find noch volfitändig injeftivorenähnlich; die Zaden treten an allen dDurchgebrochenen Zähnen noch fcharf hervor. Bei dem erwachjenen Tiere mit vollftändigem Gebif find die Zähne bi auf den vierten (Erjaß-) Lüczahn und legten Bachzahn bereits abgeltumpft. Gin jehr interejiantes Bild von der vollitändigen Abnusung des Gebijjes gibt uns der Unter und Oberfiefer eines alten Perameles. Die Stronen der Zähne find glattgejchliffen, in der Mitte von rechts nach finfs ausgehöhlt. Die Zähne von Ober- und Unterfiefer greifen wie die Üfte einer Schere ineinander. Teil- meije it aber die Strone vollitändig verichwunden, es jteden nur noch die Wurzeln in den Bahnhöhlen, die fich verlängert haben. Wir finden an Stelle eines Bachzahnes drei oder vier berjchtedene Wurzelteile. Won Zaden ift feine Spur mehr zu finden.” Diefe allmähfiche und deutlich jich daritellende Abnubung des Gebijjes, die einer gemifchten Nahrung zu- grunde Tiegt, hat den Anjeftivorentypus volfftändig verwilcht. „ES ift durchaus wahr- jcheinfich, daß Perameles, ebenjo wie e3 bei Phascolaretus oder Trichosurus oder irgend- einem Diprotodontier fchon der Fall ift, durch feine Anpafjung an das omnivore oder herbivore Leben mit der Zeit ein ganz anderes Gebiß erhalten wird. Den Übergang hierzu Kurznafen-Beuteldadhe. 147 bildet bereits die jpätere Entwidelung einzelner Zähne und zeigen jchon die ausgefallenen Lüchzähne und Schneidezähne an.“ Auch für entwidelungsgejchichtliche Studien ijt der Sturznajfen-Beuteldachs ein jehr danfbarer Gegenjtand: James B. Hill fand 1896 bei ihm eine echte Allantois-Blacenta von jcheibenförmigem Typus. Die „Embryonalhüllen haben diejelbe allgemeine Anordnung wie bei Phascolaretus. Die Allantoisgefäße... legen jich eng der Uterusjchleimhaut an und dringen in die Mafje der Schleimhaut ein, indem fie kurze Zottenfortjäße bilden. Diefe Gefähzotten treten in enge Beziehung zu den mütterlichen Stapillaren, welche jich auf und nahe unter der Oberfläche der Schleimhaut verzweigen, jo da embryonales und mütterliches Blut leicht jich mischen und austauschen fünnen.” Das it aber bei den höheren Säugetieren Wejen und Ziwed der PBlacenta. Als Heimat des eigentlichen turznafen-Beuteldachjes, der am ganzen Rumpf graugelb gefärbt ift, wird Oft, Sid- und Wejtauftralien angegeben. In den übrigen Teilen des Teitlandes unterjcheidet man Bertreter. Mit grauorangefarbigem Rumpf und hellerem Borderrücen schließt jich dann zunächjt der jüdneuguimeijche Perameles moresbyensis Ram- say von Port Moresby an. Die übrigen Neuguimeaformen unterjcheiden jich wieder durch die Schwanzlänge und die Entwidelung der Grannenhaare. Ganz neuerdings („Zoologijcher Anzeiger” 1910) hat 2. Cohn (am Städtischen Mu- jeum in Bremen) „Die papuanijchen Perameles-Arten” noch einmal mit dem Auge des Katurforjchers von heute Durchgemuftert und dabei an der Hand verschiedener Merkmale, wie Haarkleid, Bezahnung, Gaumenbildung, feititellen fönnen, daß die ganze Gattung Pera- meles ji) von Süden her nach Norden ausgebreitet hat. hre urjprünglichiten Arten bewohnen noch heute Tasmanten, das jüdliche und jüdweitliche Australien, wo ja auch in pleijtozänen Sinochenhöhlen in Neufüdtales Nejte von Berameliden gefunden wurden, mwäh- rend die jüngjten Arten heute in Neuguinea heimisch jind und von dort die Wanderung weiter nach Dften in den Bismard-Irchipel begonnen haben. Über eine der papuanifchen Arten, die nur noch vier obere Schneidezähne haben, die durch Größe, lange Schnauze und furze Beine ausgezeichnete Perameles doreyana Quoy et Gaim. macht Hagen in jeinen Beobachtungen und Studien „Unter den Bapuas“ einige hübjche Mitteilungen aus dem Leben: „Das Durch fein Gejchrei für die Landichaft charakteriftiichite, zugleich das häufigite Säugetier ilt ein Beutelmarder (irrtümlicher Ausdrud für Beuteldachs!), Perameles doreyana, der ebenfalls durch die ganze Infel hin vorkommt. E3 it ein Tierchen mit harten, jtacheligen Grannenhaaren, ähnlich, aber größer wie eine Ratte, das ich namentlich gegen Abend in den Lalangjavannen auf dem Boden zwijchen dem Gejtrüpp der Brach- jeder umhertreibt. &3 läßt jedoch fein Gefchrei den ganzen Tag über hören, meijt aus ven fahlen Lalangmwiejen heraus. Dasjelbe ilt Höchit merkwürdig. Sch Fan wahrhaftig nicht jagen, ob diejes helfe, laute, dDurchdringende Quiefen in zwei Abjägen von zivei oder nur don eimem einzigen Tiere herrührt; denn ich habe jie während des Ktonzertes nie zu Gejicht befommen troß aller Mühe und trogdem die Töne faum fünf Schritt jeitwärts von mir aus der Grasiteppe heraus erichallten. Vielleicht jtellt eg ein Duett zwiichen Männchen und Weibchen vor; denn es flingt genau wie ein promptes, minutenlang dauerndes Frage- und Antwortjpiel zmwijchen zivei Jndividuen. Abends mit Einbruch der Dämmerung beginnen fie ihren Raubzug, und dann farnn man fie auf dem Anftand erfauern. Über fahles oder mit furzem Gras bejtandenes Terrain hüpfen jie in furzen, wwiejelartigen Sprüngen dahin. 10* 148 2. Ordnung: Beuteltiere, Familie: Beuteldadjfe. „uch diefes Tier wird natürlich von den Eingeborenen gegejjen. Das erite Exemplar, welches ich erhielt, war von einem befreundeten Herrn mit dem Stod erichlagen und den chwarzen Arbeitern überlajjen worden. WS ich ein paar Minuten jpäter Hinzufam und der Herr mir von jeinem Yang erzählte, beeilte ich mich, ihn für die Sammlung zu retten. Gegen ein tüchtiges Stüd Stautabak faufte ich ihn von den Schwarzen, welche ihn bereits, hübjch in grüne Blätter eingejchnürt, zum Braten ins Feuer gejteckt hatten, zuric, fonnte aber dem zijchenden und dampfenden Paket leider nur noch den gar ge- fochten Schädel unverjehrt entnehmen.” Zum Sclufje unjerer Schilderung der eigentlichen Beuteldachje mag noch eine höchit merkivirdige, aber jehr erklärliche Berkettung von Jrrtümern erwähnt werden, die zur Aufitellung einer angeblich jchwanzlojen Beuteldachsgattung Anuromeles aus Deutjch- Keuguinea geführt hat. Der Urheber diejer inzwijchen wieder gelöfchten Gattung, Profejjor Heller vom Dresdener Mujeum, hatte Die drei erjten Stüce von dem befannten Sammler E. Wahnes erhalten. Später brachte diejer abermals ein ungejchwänztes Weibchen, „das aber zu jeinem Befremden zwei gefchwänzte Junge im Beutel trug.” Der Sammler fnüpfte an diefen Fund die Bermutung, „da die befanntlich jehr unvollfommen zur Welt gebrachten Jungen zuweilen von den Zißen abfallen, beim Suchen nach diejen den furzen Schwanz eines der Gejchtwiter finden und durch Anfaugen dejjen Verfinmmerung berur- jachen”. Allein 2. Cohn macht in feiner eingehenden Mrbeit über „Die papuanischen Perameles-Irten” mit Recht darauf aufmerffam, daß das jtch anjaugende zweite Junge „\elbjt dabet viel eher zugrunde gegangen wäre, al3 eine jo tiefe Schädigung des Schtwanzes (jeines Gejchwilters) eintreten fonnte‘, und spricht die Meinung aus, daß die jchwanzloje zorm „eine fejte lofale VBarietät it. Wenn wir jie als folche anerkennen, fo wäre auch der Fund der gejchwänzten Jungen im Beutel eines ungejchwänzten Weibchen unschwer zu erklären, jobald wir ung die Mendelichen Gejeße der Vererbung bei Baftardierungen ver- gegenwärtigen”. Nach diejen wird Borhandenfein des Schtwanzes bei den Beuteldachjen als dominierende (dorherrichende) Eigenjchaft zu betrachten fein, Fehlen des Schtwanzes als rezejjtve (zurüctvetende), da es offenbar viel mehr gejchtwänzte als ungejchwänzte Stüde gibt. Die gleiche Tide des Zufall waltete bei der Entdeckung, Bejchreibung und Benennung der Gattung Schweinsfuß oder Stußbeutler (Choeropus Og:lb.), der legten, Durch den Fuß- bau abweichenden Gattung der Beuteldachsartigen. Man mußte an jpäteren Eremplaren erfennen, daß die Schwanzlojigfeit des erjten nur ein Ausnahmefall war. Der Schweinsfuß oder Stußbeutler, Choeropus castanotis Gray, erinnert lebhaft an die Nüffelfpringer unter den Infektenfrejfern. Der ziemlich Schlanke Leib ruht auf jehr dünnen und hohen Beinen, deren hinteres Paar gegen das vordere bedeutend ver- (ängert it. Die Schnauze ift jpißig; die Ohren find fehr lang; der Schwanz ift mittel- lang, dünn behaart und mit einem unbedeutenden Kamme verjehen. An den Vorder- füßen finden fich bloß zwei entwidelte Furze, gleichlange Zehen mit furzen, aber ftarfen Nägeln; die erite und fünfte Zehe fehlen hier vollftändig, die vierte ift verfümmert; die Hinterbeine haben nur eine einzige große Zehe, die vierte, neben welcher die übrigen, jehr verfümmerten, fiegen. Man hat diefes merfwürdigen Fußbaues wegen dem Tiere feinen mwiljenjchaftlichen Namen gegeben, welcher foviel wie „chweinsfüßig“ bedeutet, obwohl bei Lichte betrachtet diefe Uynlichkeit nur eine geträumte ift. Unfer Tier erreicht ettva die Größe eines Heinen Kaninchens; feine Länge beträgt ungefähr 35 em, wovon 10 auf den Schweinsfuf. 149 Schwanz fommen. Der lange, locere, weiche Pelz it auf der Oberfeite braungrau, unterjeits weiß oder gelblichweiß, der Schwanz oben jchwarz, an der Spige und Unterfeite bräunlich- weiß; die großen Ohren jind mit rojtgelben, gegen die Spite hin mit Schwarzen Haaren be- deckt, die Vorderpfoten weiblich, die Hinterpfoten blaßrot, ihre große Zehe ift fehmusigweiß. Lhdeffer bezeichnet den Schweinsfuß in feinem Handbuch der Beuteltiere al einen (im Fußbau) jpezialifierten Ausläufer der durch den P. gunni bezeichneten Beuteldachs- gruppe und jtübt jich dabei auf Thomas, der im Beuteltierfatalog die Ähnlichkeit forohl der äußeren Erjcheinung als der Schädelmerfmale hervorhebt. Der Stußbeutler bewohnt ziemlich ganz Australien, vielleicht mit Ausnahme des äußerjten Nordens, Dftens und Nordoftens. „Er macht ein Nejt ganz ähnlich wie P. Schmeinsfuf, Choeropus castanotis Gray. Ya natürliher Größe. myosurus, nur daß e8 reichlicher mit Blättern ausgeitattet it. Man findet es manchmal im dichtejten Gejtrüpp, wo es durch die Dichtigfeit des Pflanzenmwuchjes äußerjt jchwer zu finden ift. Wie fein Gebiß anzeigt, beiteht die Nahrung des Schweinsfußes aus Snjekten und deren Larven jowie aus Bflanzenftoffen verjchiedener Art, anjcheinend Baumrinde, Hwiebeln und Sinollenwurzefn.” (Gould.) Kach Sturt findet man die Schweinsfüße im Darlinggebiet meilt im Graje jisend, und fann fie dann nach furzer Flucht leicht aus einem hohlen Baumjtumpfe mit dem Mefjer herausjchneiden. Im Freien fauern fie jich zufammen wie die Kaninchen und legen auc) tie dieje ihre breiten Ohren zurüd an die Schultern. Gefangene fragen jpärlih Gras und zarte Blätter, zeigten aber eine viel größere Borliebe für Fleiih. Trogdem jchien diefe Nahrung nicht ihrer Natur gemäß zu fein; denn fie gingen alle nacheinander ein. Srefft fand den Schweinsfuß einige Jahrzehnte jpäter zwar noch auf den Ebenen im Murraygebiet, mußte aber doch feititellen, daß er rajch jelten geworden war infolge der Zunahme des Nindviehes und der Schafherden. Nach vielen Bemühungen gelang es ihm, einige lebende Eremplare zu erhalten. „Zu Sonnenuntergang, al3 ich dabei war, meine 150 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Tiere für die Nacht zu bejorgen, entwijchte mir einer der flinfiten, indem er glatt durch die Drähte feines Käfigs Schlüpfte. Ar jchnellem Lauf rannte er auf einen der Sandftein- felfen, verfolgt von mir, allen meinen Schwarzen, Männern, Weibern und Stindern, und ihren Hunden. Das war eine glänzende Gelegenheit, die Bewegungen des Tieres zu beob- achten, und ich benußte jte. Der Schweinsfuß ging wie ein niedergebrochener Drojchfen- gaul einen funzen Galopp, das Hinterteil jichtbar nachjchleppend; wir hielten uns in Sicht des Flüchtlings, und nad) einem prachtvollen Rennen die Sandhügel auf und nieder, jtelfte ihn unjer VBorjtehhund in einem Bujch. Ein großer Blechkajten wurde als Wohnung für die Schweinsfühe hergerichtet und mit grobem Gras verjehen, wovon fie leben, wie die Eingeborenen mir jagten. Sneften, bejonders Grashüpfer, wurden auch hineingetan, und obwohl die Schweinsfüße anfangs unruhig waren und vergebliche Anjtrengungen machten, herauszujpringen, jchtenen fie Doch des Wiorgens völlig geborgen, nachdem fie ji) aus dem Gras und eigen dürren Blättern ein vollftändig gejchlofjenes Nejt gemacht hatten. Während des Tages hielten fie jich jtets in ihrem Verftecd, und wenn jie aufgejtört wurden, fehrten jte jchnell dahin zurüc; aber jobald die Some untergegangen war, wurden jie lebendig, Iprangen umher und Fraßten auf Dem Boden des Behälters in dem Bejtreben, ihre Freiheit wiederzuerlangen. ch hielt jie mit Salat, Gerjtenhalmen, Brot und einigen Ziviebel- mwurzeht bis jechs Wochen.” Lebend it der Schweinsfuß bis jest wohl überhaupt noch nicht eingeführt worden: was nach den jchlechten Erfahrungen mit der Gefangenhaltung in feiner Heimat nicht anders zu erwarten ift. Zweite Unterordnung: Diprotodontia (Zweivorderzähner). Die erjte Jamilte der Diprotodontia, die Stletterbentler (Phalangeridae), bezeichnet DMdfield Thomasin feinem maßgebenden Beuteltierfatalog als die most generalized yamilie, was mir im Deutjchen mit „wenigit jpezialifiert” überjegen müfjen; er fügt hinzu, daß jie in Diejer Beziehung den Naubbeutlern bei den Bielvorderzähnern entiprechen, aljo wahr- jcheinlich die erdgejchichtlich älteiten, in der Gegenwart noch lebenden Formen der Unter- ordnung enthalten. Diefe Meinungsäußerung des eraften, vorsichtig abwägenden Shite- matifers [tmmt jehr jchön mit der von Wilhelm Haade und anderen vertretenen Grund- anjchauung, da Abjtammungsbetrachtungen beim Säugetier von der fletternden Lebens- weije md der dazugehörigen Störpergeitaltung al3 den Urjprünglichiten auszugehen haben. Karl Boat nennt die Stletterbeutler „Fingerbeutler” und „Handfüßer”, und in der Tat it das hauptjächlichjte iennzeichen, das fie zufammenhält, ihr fünfzehiger Greiffuf. Border- und Hinterfüße haben fünf Zehen. Während dieje aber vorn nach Größe und Be- frallung ziemlich gleichmäßig geftaltet find, der Daumen bald mehr, bald weniger gegenftändig, zeigen jie hinten eine ganz charakteriftische Ausbildung. Zunächft ift hier wieder die mit einer geilen Berichmächtigung verbundene, als Syndaftylie bezeichnete Verwwachjung der zweiten und Dritten Zehe eingetreten, die wir fchon bei den Beuteldachen fernen gelernt haben; die übrigen Zehen find aber Fräftig und qut entwicelt: die vierte die längjte, die fünfte itbri- gens Faum jchwächer. Die Daumenzehe ijt jehr ftarf, weit ab- und entgegenjtellbar, mit platten, nagellofjem Endballen. So bildet diefer Fuß auf dem Baumaft eine breit aug- und feit umgreifende Stllammerzange, wie fie für eine gewifje Art des Stletternz nötig ift. Die Bezahnung anderjeits erklärt Thomas ganz im Gegenjaß zum Fußbau für zu Nüfjelbeutler. 151 wechjelnd, um eine Zahnjormel für die ganze Familie aufjtellen zu fönnen. &3 find nämlich) in fehr ungleicher Zahl Heine, rücdgebildete Zähne vorhanden, die in derjelben Gattung und Urt nicht diejelben find, ja nicht einmal auf beiden Seiten der Stiefer bei ein und demjelben Individuum. Das find bezeichnenderweije Gebißzuftände, wie wir jie bei den Beuteldachjen während des Lebens allmählich Durch Abnußung fich herausstellen jahen. Die Schneide- zähne find lang und jtarf, das untere Baar jehr lang und zugejpist; der legte obere Tüczahn im allgemeinen jcharffantig und jchneidend. Die eigentlichen Badzähne haben entweder icharf jchneidende Känme oder jtumpfe Höcer (wohl im Zufammenbhang mit mehr gemifchter oder rein pflanzlicher Nahrung). Der Zahnmwechjel jpielt für gewöhnlich gar feine Rolle mehr, weil der Milchlüczahn im allgemeinen fehr Kein ijt, früh ausfällt und in vielen Fällen offenbar gar nicht in Gebrauch fommt. Namentlich it es jchwer zu entjcheiden, welcher Lüczahn aus der vollftändigen Reihe von vier weggefallen it, wenn, wie germöhnlich, nur drei vorhanden find. Der Schwanz ijt mit einer einzigen Ausnahme lang und, nad) Thomas, inımer mehr oder weniger Greifichtvanz, auch wenn er allfeitig lang behaart ift; manchmal ift er aber auch fehr durch die Art der Behaarung als typijcher Wideljchwanz ausgezeichnet. Der Beutel ijt gut entwidelt und öffnet jich vorwärts, wie bei allen Beutel- tieren, die jich mehr aufrecht Halten. Bei dreißattungen hat fich durch Bildung eines breiten, Borver- und Hinterbein je einer Seite verbindenden Hautjaumes eine Art Fallichirm gebildet, mit dejjen Hilfe die Beliger viele Meter weite Bogenjprünge nach unten jchwebend vollführen können. Ihomas hebt aber hervor, da in jedem einzelnen diejer drei Fälle die Entwidelung jelbjtändig vor jich gegangen fein muß; denn die drei Schwebeipringer jchliegen jich jeder aufs engite einer nicht chwebenden Gattung ohne Flughaut an, find aber unter jich gar nicht näher verwandt. Die geographische Verbreitung der Stletterbeutler dehnt fich über die aujtromalatijche, die papuanifche und die auftralifche Subregion aus: von Celebes bi3 Tasmanien. Die Einzelfchilderungen der Slletterbeutler beginnen wir mit einem höchjt merkwürdigen Heinen Beuteltier, dem Nüffelbeutler, Tarsipes rostratus Gerv. et Verr. (spenserae; Abb., S. 152), den man wegen feiner abweichenden Nahrung und damit zufammenhängen- den Kopf-, Zahn- und Zungenbildung zu einer bejonderen Unterfamilie (Tarsipedinae) erhoben hat. Er faugt nämlich Honig und frißt Injeften, und dementjprechend hat er eine fange, pie Schnauze und eine fehr dehnbare Wurmzunge. Die Bacdzähne jind ganz Fein und rückgebildet. Ebenfo find die Strallen verfümmert, mit Ausnahme derjenigen an den beiden miteinander verwachjenen, auf die Daumenzehe folgenden Hinterzehen. Die Behaarung ist furz, grob und harjch, oberjeit3 grau mit drei jchwarzen oder braunen Längs- ftreifen, an den Seiten blaß vojtfarben, unten gelblichweiß, an den Beinen grau, an den Füßen weiß. Der Blinddarm fehlt, was jedenfalls auch mit der eigenartigen Ernährungs- weile im Zufammenhang jteht. Ihomas kommt nach genauer, ftreng wifjenjchaftlicher Bejchreibung des Rüfjelbeutlers auf die merkwürdige hnlichkeit zu jprechen, die er in jo mancher Beziehung mit dem Heinen Ameifenbeutler unter den Vielvorderzähnern hat, meint aber, diejer habe alte, einfache Merkmale fat unverändert forterhalten, während der Nüjjelbeutler, obwohl er ebenfalls jolche bewahrt habe, doch augenscheinlich weit abgefommen jei von den ihm und den übrigen Setterbeutlern gemeinfamen Vorfahren. „Dieje Abweichung ijt Hauptjächlich hervor- gebracht durch die Spezialifierung feiner Gejchmads- und Ernährungsorgane und durd) die 152 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Entartung jener Zähne im Zufammenhang mit feinem Honigjaugen und auch jeiner mehr oder weniger injeftenfreijenden Lebensweife.” Das Schlanke, gegen 16 em mejjende Tierchen, von dejjen Länge gegen 9 cm auf den diinm behaarten Greifjchwanz fommen, bewohnt Weftauftralien. Die Gemahlin von Sir George Grey jchreibt über den NRüffelbeutler: „Wir hatten eine Zeitlang zwei in Rüffelbeutler, Tarsipes rostratus Gerv. et Verr. 2/3 natürlicher Größe. Nah Gould, „Mannuals of Australia“, 1845—60. unferem Bejib; das erjte Stück, das nach Haufe gejchiet wurde, ftarb, ich fürchte, Durch Ber- Hungern; denn man fagte mir, daß fie Wurzeln und Nüfe frejien; aber ich fand, daß diejes ein Srrtumm war, denn fie find Tierfreffer und verzehren Motten und Fliegen, wenigjtens tat es der lebte, Den wir hatten. Er pflegte Motten und dergleichen an den beiden Flügeln zu ergreifen und hielt fie mit feinen Vorderfühen; er fraß die Körper und warf die Flügel fort. Niemals jah ich ihn trinken. Er fchlief gewöhnlich während des Tages zu einer Stugel zujammengerofft, aber in der Nacht wurde er fehr munter und Fletterte auf Baumziweigen umher; er hing gern mittels feines Schwanzes an einem Heinen Zweige und fprang plößlich Nüffelbeutler. Kleinbeutler. 153 auf einen anderen.” „Hohnjon Drummond”, berichtet Gilbert, „Ichoß ein paat, während fie Honig aus den Blüten der Melaleuca jogen; er beobachtete fie genau und jah deutlich, wie fie ihre langen Zungen in die Blüte jteckten, genau nach Art der Honigjauger.” Gould, der alte Stlafjifer der auftraliichen Tierfunde, erhielt den Nüfjelbeutler von feinem Sammler Gilbert und zugleich folgende Mitteilungen: „Der Nüfjelbeutler findet fich im allgemeinen an allen pafjenden Ortlichfeiten vom Schwanenfluß bis zum König-Georgs-Sund; und doch fann man ihn nur jehr jchwer befonmen. Troß hoher Belohnungen, die ich anbot, brachten mir die Eingeborenen nur vier Stück. Eins von diejen, ein Weibchen, hielt ich mehrere Monate lebend, und es wurde bald fo zahm, daß es jich in die Hand nehmen und jtreicheln fieß, ohne die geringjte Furcht zu zeigen oder einen Fluchtverjuch zu machen. &3 ijt jtreng nächtlich, jchläft den größeren Teil des Tages und wird erit zur Nacht lebhaft. Wenn es sshiegen fangen will, jigt es ruhig in einer Ede feines Käfigs und folgt begierig ihren Be- mwegungen, wenn fie, angelocdt durch ZJuder, herumffiegen. Sobald aber eine Fliege recht jchön in feinem Bereich ift, fährt eg wie der Bliß drauflos und faht jte mit unfehlbarem Griff; dann zieht e3 fich in den Hintergrund des Käfigs zurüd und verzehrt fie mit Muße. Dabei jitt es ziemlich aufrecht, Hält die Fliege zwijchen den Borderpfoten und wirft immer Kopf, Flügel und Beine weg.” Über die Zucergier des Nüffelbeutlers jchreibt Gilbert noch: „Mit ein wenig angefeuchtetem Yuder auf dem Finger konnte man ihn im ganzen Käfig umberloden und dabei den wundervollen, dehnbaren Bau der Zunge beobachten, welche ich oft beinahe einen Zoll vor die Naje vorgeitreckt gejehen habe. Die Ränder der Zunge nahe der Spite find leicht gefägt.” Über die Schlafjtellung: „Wenn das Tier jchläft, ruht e3 auf dem Unterrücden, die lange Naje niedergebogen zwiichen die VBorderfüße, den Schwanz über beides hinweg und den Rüden wieder heruntergelegt.” 1906 bringt Thomas in einer rbeit über weitauftraliiche Säugetiere (‚‚Proc. Zool. Soe.“) nach den Neijenotizen des Sammler3 Shortridge noch die neue Angabe aus dem Leben des Tieres, daß es an den feuchten Oxtlichfeiten, die e8 anscheinend Tiebt, zwifchen den Zweigen der Ti-Bäume jich ein Kleines rundes Neft baut wie unjere Hafelmaus. Lebend ijt der Nüfjelbeutler wohl noch nie in Europa gewejen, und wie die Verhält- niffe neuerdings in Auftralien fich entwicelt haben, dürfen wir ihn auch jest und in Zukunft ebenjowenig auf dem Tiermarkt zu finden hoffen wie jo viele andere Heine Beuteltiere. * Die artenreichjte Unterfamilie der Sletterbeutler bilden die Kleinbeutler oder Pha- langer (Phalangerinae), die höchitens die Größe eines ftarfen Marders erreichen. Hr Schwanz ift gewöhnlich ein langer Greiffchwanz, die Schnauze furz und breit. Der Magen ijt einfach und drütfenreich, der Blinddarn fehr lang. Die Zähne find groß und qut entmwidelt. Die 11 Gattungen und 30 Arten der Kleinbeutler bewohnen den Heimatfreis der Familie. Sie find fämtlich Baumtiere und finden fich deshalb nur in Wäldern; bloß aus- nahmsweije fteigen einige auf den Boden herab, die meijten verbringen ihr ganzes Leben in den Sronen der Bäume. Fajt alle Arten verjchlafen den größten Teil des Tages oder ertwachen, vom Hunger getrieben, höchitens auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit fommen fie aus ihren Berjteden hervor, um zu weiden; Früchte, Blätter und Stnojpen find ihre Hauptnahrung. Einzelne nehmen zwar auch Vögel, Eier und Sterbtiere zu jich, andere dagegen freifen bloß die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeht im Boden nach und follen jich unteriwdifche Baue anlegen, in denen fie während der Falten 154 2, Ordnung: Beuteltiere, Familie: Kletterbeutler. Sahreszeit Schlafen. Im ihren Bewegungen unterjcheiden jich die Stleinbeutler mwejentlich voneinander. Die einen find lfangjam und äußerjt behutjam, gehen daher jchleichend ihres Weges dahin, die anderen zeichnen jich durch Lebendigkeit und Behendigfeit aus. Alle fönnen vortrefflich Klettern, einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greifichwanz und die bei vielen vorhandene Flughaut deuten Schon von vornherein auf jolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten jie mit der ganzen Sohle auf, beim Stlettern juchen jie jich joviel wie möglich zu verjichern. Die Mehrzahl lebt gejellig oder hält jich paarweije zufammen. Gie werfen 2—4 Junge. Die Stlembeutler jind meit janfte, Harmlofe, furchtfante Gejchöpfe. Wenn fie verfolgt werden, hängen jich manche mittels des Schtwanzes an einen Ajt und ver- harren lange Zeit regungslos in diefer Stellung, jedenfall3 um fich Dadurd) zu verbergen. Sn der Gefangenjchaft befunden jie zwar zumeilen eine gemijje Anhänglichkeit an ihren Wärter, die meilten lernen diejen jedoch faum fennen. Bei einiger Pflege halten fait alle längere Zeit in der Gefangenjchaft aus. Hhre Ernährung verurjacht feine Schwierigkeiten. Wir beginnen mit ziwei ganz kleinen, jchlafmausähnlich ausjehenden Formen, die man gewiß in eine Gattung zufammenmwerfen würde, wenn nicht die eine (Öattung Acrobates Desm.) eine Fallichirmhaut hätte, die andere (Gattung Distoechurus Peters) nicht. Sonjt Jind fie fich jo ähnlich wie möglich: der Schädel bis auf die verjchiedene Größe genau der- jelbe, ebenjo der jehr charakterijtiiche, zweizeilig behaarte „sederichweif” und jogar ganz eigentümliche Haarbüjchel, die außen amı Ohrgrund und auf fleifchigen Warzen an der Snnenjeite des jonjt Dünnhäutigen Ohres jigen. Die fallichirmlofe Gattung Distoechurus mit der einzigen Urt D. pennatus Peters, Federihwanz- PBhalanger aus Nordweit- und Siid-Neuguinea, ijt die größere, von der Schnauzen=- bis zur Schwanzjpige etiva 16 cm lang. Das Fell ıjt weich, die und wollig, am stopfe längsgejtreift, am störper dunfel vötlichgelb, der Gegenjag zwijchen dem reich gezierten Stopfe und dem einfarbig Dunkeln Rumpfe jehr auffallend. Die Grundfarbe des Gejichtes ıjt weiß, Doch verlaufen zwei breite, jcharf begrenzte jchwarze oder dunfelbraune Binden vom Mundwinfel durchs Auge bis zum Scheitel zwijchen den Ohren. Unterhalb diejer jticht ein Schwarzer led hervor. Die Unterjeite it weiß mit nicht jcharf bezeichneter Srenzlinie. Der Schwanz ift, genauer bejchrieben, im Wurzelteile alljeitig behaart wie der Körper, im Übrigen oben und unten nact oder fait nadt, nur an beiden Seiten mit längeren Haaren befranft. Der Federichivanzbeutler ijt 1874 entdeckt und von Peters in den Annalen des Mujeums von Genua bejchrieben worden. Matjchie wird aber wohl auch heute noch recht haben, wenn er in einer neueren Schilderung der Tierwelt Neuguineas bemerkt: „Wo er lebt, wiljen wir noch nicht.“ Denn Semon fpricht fich ähnlich aus wie er, weiß nur von blind wütendem Gebaren des Tierchens in der Gefangenschaft zu berichten. „US wir es mit einigen Petaurus (Flugbeutler) zufammen in eine Stifte jtecften, die wir Durch ein Draht- gitter in einen Tierfäfig verwandelt hatten, fiel es jene Genofjen wütend an und verlegte eins der Tiere jo ftark durch Bilfe, daß es jtarb. Noch kurz vor feinem Tode verjuchte das Heine Gejchöpf mich zu beißen, als ich ihm ein weiches Wattelager bereitete.“ Von der mit Fallichiemhaut verjehenen Parallelgattung Acrobates Desm., Zwerg-. Slugbeutler unterjcheidet man jeßt zwei Arten: den auftralifchen, jchon im Gould Tederfhwanz-PBhalanger. Zwerg-Flugbeutler. 155 DIS II > N S SIIIIII SIUIZ> 1 II N Zmwerg-$lugbeutler, Acrobates pygmaeus Shaw. 1/2 natürlicher Größe. Nah Gould, „Mannuals of Australia“, 1845—60, gezeichnet von £. Hartig. enthaltenenA.pyg- maeus Shaw und den1892durchHon. Walter NRothichild bejchriebenen A. pulchellus Rothsch. bon einer fleinen Snfel im Nowen Holländiich = Neu- quineas. Nothjchild erklärt es mit Recht für eine äußerjt interefjante Tat- jache, daß er diejer bis dahin nur durch eine einzige Art in Auftralien vertretenen Gattung eine zweite Art aus Neuguinea hinzufügen und dadurch eine jo weite Verbreitung einer jo hoch jpezialiitierten Beuteltierform nachweijen fonnte. Über das Xe- ben des Tierchens weiß er nichts mitzuteilen. Der auftraliiche Zmweragflug- beutler mißt, nach Thomas, mit- jamt dem über förperlangen Schwanz nur 14,5 em, ijt aljo an eigentlichen Körpernaß ge= wiß das Heinjte Beuteltier und wohl auch eines der Eleiniten Säugetiere überhaupt. Bon Farbe ijt die auftraliiche Art oben fahlbräunfich, mit Grau gemijcht, unten, mit der Außenlinie der Flughaut und der Gegend Der Schwanziwurzel abjichließend, weißlich. Cine dunfle, Feilför- mige Zeichnung zieht jich vom inneren Augenwinfel nach dem Mumdwinfel und in zwet undeut- lich verlaufenden Streifen aucd) über das Auge hinaus nach Ohr und Wange Hin. Die zierliche Schnauze, Vorder- und Hinter- füße jind Schivach weiß behaart mit rötlich Ducchihimmernder Haut. 156 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Eine prächtige Abbildung und eine lebensvolle Schilderung der auftraliichen Art gibt Gould. „Diejes hübjche Tierchen, die ‚Dpofjum-Maus‘ der Stoloniften, it überall in Neufüdmwales ganz gemein; aber vermöge jeines nächtlichen Lebens, feiner Stleinheit und mweil es ausschließlich die hohlen Äfte der größeren Gummibäume bewohnt, fommt e3 dem gewöhnlichen Neijenden jelten zu Gejicht. Si beträchtlicher Zahl fehen es nur diejenigen, die wirklich im Bufch Leben, und auch fie lernen es nur unter bejfonderen Umständen fennen, am häufigiten, wenn ein At abgejchlagen wird, in dem es fich ver- borgen hat. Wenn dies am Tage pafjiert, fommt das Tier, das dann in tiefem Schlafe fiegt, gar nicht zum Borjchein; aber wenn, wie e3 mehrmals auf meinen Neijen vorfam, der Alt ins Feuer geworfen wird, dann treibt die Hibe den Heinen Einwohner bald heraus. Vier oder fünf auf einmal habe ich gelegentlich fo entdeckt, und jo erhielt ich auch forwoh!l die hier abgebildeten Stüde als zahlreiche andere, Die ich einige Zeit lebend hielt. Einen reizenderen Pilegling fann man fich gar nicht voritellen. Cine Billenjchachtel von der gewöhnlichen Größe ift ein pafjendes Heim für das winzige Gejchöpf; darin Tiegt es zujfammengerolft den Tag Über und wird mehr und mehr munter, wie die Nacht herannadt. Seine Nahrung bejteht in dem YJuderjaft, welcher jo reichlich in den Blütenfelchen der immerbfühenden Eufalypten vorhanden ijt; gut gejühtes Brot und Milch find dafür ein ausgezeichneter Erjab. Die Gemwandtheit, die e8 zur Nachtzeit in den Zweigen entfaltet, it jehr groß; es läuft nicht nur oben und unten an den Zweigen und rings um fie herum, jondern, unterjtügt durch Die Slughaut, die den Leibesjeiten und den Gliedmaßen anhängt, Ipringt es mit Der größten Leichtigkeit von einem Blütenbüjchel zum andern.” Wir lajjen die Gattung Dromicia Gray folgen, weil dDiefe Schlafmausbeutler nad) Ihomas zu den eigentlichen Flug- und den größeren Stletterbeutlern überführen. Ste find Heim, in ihrer allgemeinen Erjcheinung ausgejprochen mausartig oder vielmehr jchlafnaus- artig. Die Ohren find groß und Dünnhäutig, fait nadt, ohne Die Haarbitjchel der beiden por- bergehenden Gattungen. Flughäute find nicht ausgebildet. Die Borderkraffen find fehr furz und verfümmert und werden von den HZehenballen überragt; die hinteren find lang und jcharf wie gewöhnlich. Der Schwanz ift mausartig: walzenfürmig, rund, nicht zweizeilig be- haart, dDitm, wenigjtens im Endteil; an der Wurzel ift er behaart wie der Rumpf, fonft fein beijchuppt, gleichmäßig mit furzen, feinen Haaren bedect, ausgenommen die äußerjte Spiße: dort it er rauh und nadt, offenbar ein Greifjchiwanz. Schlafmausbeutler bewohnen in mehreren Arten Neuguinea, Weltauftralien und Tas- manten. Das ijt eine ganz merfwürdige geographiiche Verbreitung, weil fie fi) auf die drei Gebiete bejchräntt, die offenbar am meilten zur Forterhaltung alter Formen geeignet jind. Den gewöhnlichen oder Didfhwänzigen Schlafmausbeutler, Dromicia nana Desm. (gliriformis), jchidert Gould in Wort und Bid. „Das Fell ift fehr weich und did, oben grau oder gefblichgrau, der gelbe Ton an den Seiten vorherrschend, nach unten allmäh- lich verlaufend in Graumweiß oder Gelbweiß; der Schwanz wird nach der Spiße zu rötlich Hleischfarben, weil die Behaarung dort immer fpärlicher wird.” Die auffallende Verdidung des Schwarzes im Wurzelteile wird bei Gould fehr fehön abgebildet, im Text aber nicht erwähnt. Thomas führt fie auf Neigung zu Fettanhäufungen zurück und gibt an, daß jolche auch anderwärts am Slörper des Tieres vorfommen, namentlich in der ‚Gefangen- haft. „Falt alle Eremplare find ausnehmend fchwer zu Fonfervieren zufolge einer öligen Dickichwänziger Schlafmausbeutler. Didjhmwänziger Schlafmausbeutler. 157 Ausichwisung, die fie ganz überzieht." Das ift im Grunde diejelbe Eigenjchaft, ver- möge deren die altrömischen Schlemmer die wirklichen Schlafmäufe jo hoch jchäßten. Die Gejamtlänge beträgt, nad) Thomas, etivas über 20 cm. - „Er ift nirgends häufiger”, fährt Gould fort, „als in Bandiemensland, bejonders im nördlichen Teile der Jnjel. ch bin genügend vertraut mit den Lebensgewohnheiten der D. gliriformis, um behaupten zu können, daß e3 ein jtreng nächtliches Tier ift, und daß es von allen Bäumen die Bankjien vorzieht, deren zahlreiche Blüten es mit einen unerjchöpf- fihen Nahrungsporrat jowohl an Snfekten als an Saft verjorgen. Wenn ich mich nicht irre, frißt eS auch die zarten Knojpen und Spiben der Blüten. Am Tage jchläft e8 ge- wöhnlich, zufammengerolt in einem hohlen Ajt oder einem Spalt im Stamme, und dort fann man es leicht mit der Hand herausholen, wenn man jeinen Schlupfwinfel entdeckt hat. Diejer Zuitand Fehrt fich gänzlich um zur Nacht, wenn e3 mit der größten Leichtig- feit und Gemwandtheit über die Dünneren Zweige läuft und von Blume zu Blume pringt. Diejfe Fähigkeit wird ebenjo lebhaft betätigt, wenn e3 eingejperrt gehalten wird; dann ift e3 am Tage jo jchlaftrunfen, daß man es in die Hand nehmen fan ohne die geringfte Angit, es möchte entwijchen, während ganz das Gegenteil der Fall it, jobald die Nacht hereinbricht.” Gould möchte auch an eine Art allerdings undvollfommenen Winterjchlafes glauben: „Sch habe auch beobachtet, daß e3 während der Winternonate weniger lebhaft it als im Sommer, inden e3 tatjächlich eine Art Winterjchlaf eingeht, einigermaßen ähn- lich, nur nicht in derjelben Ausdehnung wie bei den Schlafmäufen. „denn irgendein Unterjchted zwilchen den Exemplaren in Freiheit und Gefangenjchaft wahrzunehmen tjt, jo wäre es der, daß lebtere träger in ihren Bewegungen find und zur settleibigfeit neigen. Mein hochgejchäßter Freund Thomas Bell, Esq., F. N. ©., war vier Sahre im Befit lebender Exemplare, die ihn das Material für eine Arbeit über ihr Leben und Treiben in der Gefangenschaft boten. ch nehme mir die Freiheit, aus diejer folgendes wörtlich wiederzugeben: ‚Sn ihren Gewohnheiten find fie den Schlafmäufen äußerjt ähnlich. Sie jchlafen den ganzen Tag und find, wenn geftört, nicht leicht in einen Zuftand wirklicher wacher Negjamfeit zu bringen; jpät am Abend fommen jie hervor und nehmen dann erjt ihr natürliches, rajches und Tebhaftes Wejen an. Sie laufen auf einem Heinen Baum umber, welcher in ihren Käfig geitellt ift, gebrauchen ihre Strallen, um fich an den Yiveigen feitzuhalten, und Helfen mit dem Greiffchwanz nach, der immer in Bereitjchaft gehalten wird zur Unterjtüßung, namentlich bei abjteigender Bewegung. Manchmal wird der Schwanz riichmärts gebogen, über den Rüden gelegt, und zu anderen Heiten, wenn das Wetter Falt ift, wird er nach der Unterjeite eng aufgerollt und fajt zwifchen den Schenken aufgetwidelt. Beim Frejjen fißen jie auf dem Hinterteil und halten das Futter in den VBorderpfoten, und diefe find dann mit dem Gejicht die einzigen Teile, die deutlich herausftehen aus dem Haarball, aus dem der Klörper in diefen Augenbliden zu bejtehen jcheint. Sie find volf- fommen harmlos und zahm, erlauben jedem, fie anzufafjen und zu jtreicheln, ohne daß jie je zu beißen verfuchen; aber fie beweifen nicht die geringjte Anhänglichfeit weder an die Perjonen ihrer jtändigen Umgebung noch an andere‘.” Das früher (Distoechurus-Acrobates) bereits gejchilderte Verhältnis zweier Parallel- gattungen, die eine mit, die andere ohne Flughaut, die jich beide bis auf diefen Punkt jehr ähnlich find, wiederholt jich bei Petaurus Shaw und Gymnobelideus McCoy. Während aber die legtere, das Flughautlojfe Beuteleichhorn, das 1867 vom Bakfluß im 158 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. füdauftrafiichen Staate Victoria bejchrieben wurde, ein Höchit jeltenes, nie lebend in Europa gemwejenes Tierchen it, von dem man nur eime Art, G. leadbeateri McCoy, fennt, ge- hören die eigentlichen Jlugbeutler oder Beuteleichhörnchen (Petaurus Shaw) in ihren verschiedenen Arten glüclicherweife zu den häufigeren Erjcheinungen auf dem Tiermarft. Sind fie es Doch hauptfächlich, die ung im Zoologijchen Garten heute noch vor Augen führen, daß es überhaupt „Stleinbeutler” gibt! Thomas möchte den flughautlojen Gymnobelideus für die Urform halten, aus der fich die höher jpezialifierten Petaurus-Irten mit ihrer Fallichirmhaut entwidelt haben. Dieje Fallichirmhaut erjtrect fich von der Außenjeite des fünften Fingers der Bordergliedmahe bis zum Hinterfußfnöchel, wo jie gerade über dem inneren Gelenffopf des Unterjchenfels an- gejeßt it. Man bezeichnet jie fälichlih auch al „Slughaut”, jie verdient diejen Namen durchaus nicht; denn das Tier fann fich mit ihrer Hilfe niemals in der Luft in die Höhe erheben oder auch nur dort in gleicher Höhe erhalten, jondern es muß jeine Höhe immer Hetternd gewinnen und farın mittels der Fallichirmhaut nur in langem Schwebelprunge einen entfernteren, niedrigeren Bunkt erreichen. In diejer eigenartigen Bemwegungsweije jind Die sltugbeutler Meijter und für den einjamen Neijenden am Lagerfeuer die anziehendite Belebung der australischen Mondnächte. Das Fell ift auffallend weich und jeidiq, fühlt jich an wie Samt; der lange Schwanz it allfeitig bufchig behaart bis zur Spite. Bejondere Drüjen, denen man eine Bedeutung für das Gejchlechtsfeben zufchreibt, finden fich auf dem Scheitel zwischen den Ohren und auf der Brujt; fie find beim Männchen mehr entwidelt al3 beim Weibchen. Die drei Hauptarten, neben denen man noch einige durch Übergänge zweifelhafte Unterarten auf- geitellt hat, unterscheiden fich, nach Thomas, äußerlich folgendermaßen: Groß, d. h. von der Schnauzen- bi8 zur Schwanzipiße gegen 75 em lang; Ferje unten dicht behaart: Petaurus australis Shaw (flaviventer; Gelbbaucd-Flugbeutler) aus den gebirgigen Kiüjten- gegenden von Neufüdmwales und Victoria. Kleiner, d. hd. von der Schnauzen- bis zur Schwanzfpige etwa 52 em und weniger lang; Ferje teil- mweije oder ganz behaart: größere Art (52 cm) P. sciureus Desm. (Eihhörnhen-Flugbeutler); untere Oberfläche der Terje gewöhnlich nadt; ein fehmaler nacter Streifen läuft rüchwärts bis unten ans Ende der Terje; aus DOftauftralien, von Queensland bis Victoria; . fleinere Art (36 cm) P. breviceps Waterh. (ariel; Kurzfopf-Flugbeutler); var. typicus von Queensland, Neufüdmwales und Victoria: Unterjeite der Ferje behaart, ausgenommen ein runder Flef am Ende, der von dem Hauptteil der nadten Sohle durch ein fchmales be= haartes Band getrennt ift; var. papuanus Thos. aus der papuanischen Subregion, von Gilolo weitlich bis Neupommern: Sohle weniger behaart, der nadte Hauptteil der Sohle mit der Ferjenjpige verbunden durch ein fchmales, nadtes Band. Bon diejer leteren Unterart jagt Thomas, daß die typijchjten und am jchärfjten ge- zeichneten Eremplare die von Neuguinea jelbjt und den ynjeln im Nordmweiten find, während anderjeitS die von den Aru-Injeln fo viele Ähnlichkeiten mit den auftralifchen Feitlands- erenplaren vom benachbarten Port Ejjington zeigen, „Daß ich e8 unmöglich fand, die beiden geographischen Nafjen jpezifiich zu trennen.” ITroßdem erfennt Thomas die papuanijche Form an auf Grund ihres fürzeren, dichteren Felles und der dadurch fchärfer Hervorjtechen- den Streifen und Flede, den jchmäleren, weniger gerundeten Ohren und der gelben oder orangefarbenen Unterjeite, und feine fortwährenden Vorbehalte beweifen nur, daß hier eine fücdenfoje Reihe von Übergängen vorliegt, an deren Enden Formen ftehen, die man unbedingt al3 „gute Arten” aufftellen wide, wenn man die Zwifchenformen nicht Fennte. Slugbeutler: Allgemeines. Kurzfopf-Flugbeutler. 159 sn den legten Jahrzehnten it auf dem Tiermarkt entjchieden die Heinjte Art, der Kurzkopf-Flugbeutler, Petaurus breviceps Waterh. (Taf. „Beuteltiere III”, 3, bei ©. 141), die häufigite. Der Kurzfopf-Flugbeutler verdient feinen Namen; denn er ist tatjächlich durch befonders furzen Kopf ausgezeichnet: ein nagetierähnlich geihwungenes Stirnprofil, vor dem das winzige, fleijchrötlich Schimmernde Schnäuzchen ungemein zierlich angejebt ilt. Ein weiterer Unterjchied von der größeren Art liegt in dem verhältnismäßig fürzeren und diünneren Schwanze; bei P. sciureus fällt jogleich auch der dicke Bufchichweif auf. Trogdem jagt Thomas: „Die Art gleicht, wenigjtens in ihrer typiichen Feitlandsform, in jeder Be- ziehung jo jehr P. sciureus, daß jie mit Sicherheit oft nur durch die bedeutend Fleineren Baczähne unterfchieden werden fan.” Namentlich wenn es jich darum handelt, unaus- gewachjene P. sciureus von ausgewachjenen P. breviceps zu unterjcheiden, mag e3 nötig fein, den jicheriten Prüfitein des Shitematifers, das Gebiß, heranzuziehen. Entiprechend der für- zeren Schwanzbehaarung ijt auch das ganze Fell nicht jo lang als bei P. sciureus; dagegen it Farbe und Zeichnung fait genau diejelbe. Die Grundfarbe ijt das nämliche Blaßgrau, vielleicht einen Schein dunkler, wenigitens bei den jüdlicheren Feitlandseremplaren, und die dunkle Zeichnung fißt an denjelben Störperteilen: ein dunfelbrauner oder jchwarzer LKängs- jtreifen fängt zwijchen den Augen oder noch vor diejen auf dem Najenrüden an und verläuft nach hinten über den Scheitel auf dem Nüdgrat entlang, tjt aber oft mehr oder weniger ver- wijcht. Am äußeren Grunde der innen und an der Spibe auch außen falt nackten Ohren fitt ein tiefjichivarzer led neben einem weißen oder blaßgelben, und ins Weiße oder Blafgelbe jpielt auch der ganze Borderfopf. Sehr rein ausgeprägt it diefe Yarbe am Bauche und auf der Unterjeite der Flughaut bis über den Rand weg; oben tft dieje Dunfelbraun oder gräulich, gegen die Körperjeiten Durch einen Schwarzen Streifen abgejeßt. Border- und Hinterfüße jind weiß mit rötlich Durchichimmernder Haut, wie die Nafe. Am Schwanze verdunfelt jich) das Grau nach der Spite hin bis zum Schwarz; die Spite felbjt it aber jehr oft wei. Der Hurzfopf-Flugbeutler it gewiß in jedem zoologischen Garten jchon gezeigt worden und hat jich auch hier und da fortgepflangt, z.B. im früheren Berliner Aquarium, das ja auc Säugetiere und Vögel hielt. Gustav Müsel zeichnete damals die Samilie und veröffentlichte auch einige Beobachtungen über das Junge. „Bald machte e3 jich daran, eigqne Crfur- jionen zu unternehmen, die jedoch, wenn es fich zu weit wagte, von Mama unterbrochen wurden, indem jie das Stleine mit ihren Vorderfüßen aufhob, an die Bruft legte und ihre Flughaut ihm zur jchüßenden Hülle geftaltete. Ye größer es wurde, dejto Tieber nahm das Junge auf dem Nücden der Mutter Plab, um jich jo von ihr umbhertragen zu fafjen.” Der Beutel jcheint alfo nicht fehr ausgebildet zu fein, jo daß das Junge nur jeine erjte nadte, blinde Xebenzzeit darin zubringt; wenn es behaart und jehend geworden üt, folgen dann noch zwei weitere Pflegejtufen, während deren es exit am Bauche und dann auf dem Rüden angeflammert getragen wird. Ein anderer Beobachter erzählt von dem jungen Flugbeutler des Berliner Aquariums noch: „Dasjelbe unternahm auf dem störper der Ulten die Fühniten KReijen und zeigte durch ein Hagendes Stimmen an, wenn e3 etiva den mütterlichen Boden verloren und jich in unbefannte Regionen verirrt hatte.“ „sn der Freiheit beiteht die Nahrung aus zarten Blatt- und Blütenfnojpen, Honig und Snekten; in der Gefangenjchaft bilden Brot mit Zuder und gejüßte Milch ein aus- gezeichnetes Erjagfutter”, jagt Gould. In den zoologiichen Gärten fügen wir noch Neis, Anisfuchen und Objt Hinzu und halten die Tierchen dabei befriedigend lange am Leben, wenn man bedenkt, daß entiprechend ihrer geringen Größe auch in der Freiheit ihre 160 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Lebensdauer wohl nicht jehr groß iit. Schade nur, daß wir die feinen Schwebefünftler in derftegel nicht jo unterbringen können, um ihre Talente auch nur einigermaßen fich entfalten zu jehen. &3 fehlen im zoologischen Garten die geeigneten Räume für fleine Tiere mit großer Bemwequngsfähigkeit; denn it das Gitter eng, fo ijt allermeift auch der Käfig Klein, und umgefehrt. So müjjen denn die Flugbeutler bei uns gewöhnlich mit einem Draht- bauer oder Ölaskajten fürltieb nehmen, und für den Tagjchlaf genügt das ja auch, wenn nur das Schlaffälthen mit Heu, Holz oder Stamelmolle gut ausgepolitert ijt. Aber des Abends, wenn der hujchende Nachtgeiit lebendig wird, da ijt e3 dann doch feine ungemifchte Freude, feine blißichnellen Streuz- und Querjprünge mit anzujehen, durc) die e3 im engen Ktäfig jein großes Bewegungsbedürfnis befriedigen muß, jo erjtaunlich gewandt auch dieje Kotbehelfiprünge jchon find. Man traut fie dem furzbeinigen, durch die wellenförmig längs der Leibesjeiten gefaltete Slughaut noch befonders platt und fett erfcheinenden Tierchen gar nicht zu! „So ging miv’3 auch heute’, erzählt Hed, „wo ich gerade dazufam, al3 unjer größerer Eichhörnchen-Flugbeutler fomohl wie das Heine Pärchen papuanifcher Kurzköpfe am Aufwachen waren. Die niedlichen Gejichter mit dem charakteriftisch verfchiedenen, flacheren und jteileren Profil Schauten fchon von dem hochgelegenen Schlupfwinfel herab, und der Eichhörnchenbeutler machte mir gleich das erite Tagewerf, das wohlige Reden und Dehnen dor, inden er jich mit den Hinterfüßen am Nande des Schlaffajtens aufhängte und die Slughäute bi zur Spannung ausbreitete. Ein ganz eigentümlicher Anblid: al3 ob das Tier plöglich alle körperliche Dide verlöre und fozufagen zum Handtuch wide! Die Heinen Kturzlöpfe, von eimen Stolonialbeamten aus Finjchhafen mitgebracht, waren im Nu unten am Milchjichälchen, und ich überzeugte mich dabei von neuem, daß das Männchen eine mweige Schwanzjpise hat, das Weibchen nicht.” Der größere Eihhörnhen-Flugbeutler (Taf. „Beuteltiere III”, 4), Petaurus sciureus Shaw, unterjcheidet fich, abgejehen von der Größe, auch durch gejtrecdteren Kopf, längeres Fell und bujchigen Schwanz von feinem Fleineren Verwandten. Farbe und geichnungen jind faft genau diejelben, der Grundton nur vielleicht eine Spur heller und die Streifen jchärfer, ebenjo die TFlede an der Ohrmwurzel. Die erjten Kolonijten von Neufüdwales nannten ihn „suggar-squirrel“, Zucereich- horn, und jchon aus dem Namen geht hervor, daß diefe Art ein volfstümliches Tier geworden it. Man Fann nicht leugnen, daß der Name pajjend gewählt ijt; denn nicht bloß in der Ge- italt, jondern auch in der Größe ähnelt das Tier unjerem Eichfägchen und noch mehr dem Zaguan. Der gejtredte und fchlanfe Leib erjcheint durch die Flughaut, die jich zwischen den Beinen ausjpannt, ungewöhnlich breit; der Hals ift kurz und ziemlich dic; der flache Stopf endet in eine furze, etwas jpigige Schnauze; der Schwanz ift fehr lang, rundlich, |hlaff und bufchig. Die aufrechtftehenden Ohren find lang, aber jtumpfipitig, die Augen groß und halbfugelfürmig vorjtehend. Der Pelz ift jehr dicht, außerordentlich fein und weich, der Fallfichirm behaart, und nur die Ohren find auf der Innenfeite nacdt, auf der Außenjeite dagegen wenigftens gegen die Wurzel hin mit Haaren bededt. Die ganze Dberjeite des Leibes ift afchgrau, der Fallfchirm außen dunfel nußbraun und weiß ein- gefaßt, die Unterjeite weiß mit jchiwach gelblichem Anfluge, gegen den Nand hin aber bräunlich. Ein voftbraumer Streifen zieht fi durch die Augen und verläuft gegen die Ohren hin, ein anderer, vorn roftbraun, auf der Stien lebhaft fajtanienbraun gefärbter Streifen läuft über den Najenrüden, die Stin und die Mittellinie des Nücfens. Der Eihhörnhen-Flugbeutler. 161 Schwanz it an der Wurzel licht afchgrau, an der Spibe jchwarz. Das Tierchen erreicht eine Gejamtlänge von 46 cm, wovon etivas über die Hälfte auf den Schwanz kommt. Man findet das Zudereichhorn von Queensland bis Victoria. Gould nennt es „nicht nur eine der elegantejten und jchönjten Arten der Gattung, zu der es gehört, jondern auch eines der gemeinjten Tiere des Landes; denn es ijt (oder war vielmehr zu Gould3 Zeiten!) allgemein verbreitet über ganz Neufüdmwales, wo es, gemeinjam mit anderen (auftraliichen) Dpofjums, die mächtigen und majeftätiichen Gummibäume bewohnt. Die Eingeborenen fangen es jowohl um des Fleijches alS um des Felles willen, das jte in einigen Teilen der Stolonie an die Ktolonijten verkaufen. Dieje verwenden es dann gelegentlich für diejelben Bwede, für die in Europa das Fell der Chinchilla und anderer Tiere verwendet wird — zum Bejat von Stleidern, für Boas uf.” Wo find dieje Heiten Hin? Hed hat vor einigen Sahren exit das erite Baar wirkliche Zudereichhörner gejehen, jonjt immer nur den fleinen Kurzkopf-Flugbeutler. ‚Sch beobachtete‘, fährt Gould fort, „daß es diejenigen Wälder vorzieht, welche die mehr offenen und grajigen Teile des Landes zieren. Durch Ausbreiten der Flughaut ijt e3 imjtande, enorme Sprünge zu machen und von Baum zu Baum zu gelangen, ohne die Erde zu berühren: wie andere Tiere, die ähnliche Bewegungen üben, jteigt e8 am Ende jeines Sprunges wieder etwas nach oben und vermeidet jo einen harten Unprall an den At, auf dem es fich niederläßt. Sch glaube, es bringt ziwei Junge zu- gleich zur Welt, weil ich zwei halberwachjene Tiere mit den Alten in derjelben Höhle fand. „Ein lebend gefangenes Eremplar ift jehr zahm geworden, und jeine Bewegungen, wenn e3 durch Die Zimmer laufen darf, find im höcdjiten Grade unterhaltend und an- ziehend: die geringjte Hervorragung genügt ihm, es läuft über Gejimje, Bilderrahmen und was da jonjt hängt mit der größten Leichtigkeit. Nachts wird es außerordentlich febhaft, fpringt in jeinem Käfig hin und her, indem es Schwanz und Flughaut ausjpreizt, jich wiederholt überjchlägt oder mehrere Purzelbäume hintereinander macht.” Semon jchildert den Keinen und den größeren Flugbeutler gemeinfam aus dem Ge- biete de8 Burnettflujjes, wo fie namentlich bei Tim Sheys Creek ungemein häufig jind bzw. zu Anfang der 1890er Jahre noch waren und von den Schwarzen „Uaa” genannt werden. „Mit größter Gewandtheit Hettern fie am Stamm der Eufalyptenbäume bis zum Wipfel in die Höhe. Dann breiten fie ihre Flughaut aus und gleiten in geräufchlojem Schweben janft abwärts auf einen entfernten Baum, dejjen Wipfel jte jofort wieder er- fimmen. ©o fah ich jie zuweilen Entfernungen von 40—50 m durchjchweben; niemals verfehlen fie ihr Ziel und find fogar imjtande, mitten im Fallfluge abzujchivenken und ji) auf einen andern Baum herabzulafjen al3 auf den, welchen fie urjprünglich als Biel auserjehen hatten.” Sehr anfchaulich ijt in diefer Schiderung das Wort „Zallflug”; e3 bezeichnet jehr treffend die Eigenart der Bewegung, deren bejondere Stunjt darin be- jteht, mittel3 der Fallichirmhaut der Schwerkraft entgegenzumirken und dieje ohne nennens- werte aktive LXeijtung zu äußert fürdernder Drtsbewegung auszunußen. Semon hat die flinfen Fallflieger auch gejagt und fchreibt weiter: „E3 war weit jchwie- tiger, dieje Tiere beim Mondjchein zu fchießen als die Opojjums (Fuchskufus). Die meijten erhielt ich lebend durch die Schwarzen, die die frifchen Stletterjpuren an den von ihnen bewohnten Bäumen wahrnahmen und fie aus ihren Mitlöchern herausholten, wen fie tagsüber der Auhe pflegten. Die Gefangenen zeigten fich ungemein wild, bijjig, unver- träglich, wahre Heine Teufel. Die meilten Weibchen hatten um diefe Zeit (Juli-Auguft) ihon Heine Beuteljunge, meijtens eins, zumeilen zwei.” Brehm, Tierleden. 4. Aufl. X. Band. 11 162 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Der Streifen-PRhalanger (Gattung Dactylopsila Gray) fügt fi) wohl am beiten hier ein, zumal wir bei Semon über ihn ITejen: „Eine ändere Zoım, Dactylopsila trivirgata Gray (Taf. „Beuteltiere IV”, 1), vermittelt jozujagen zwijchen den echten Flugbeutlern und den Phalangern und Opofjums, die feine Flughaut befiben; denn ihre Flughaut it viel undollfommener entwicdelt als die des echten Petaurus.“ Eine auffällige Eigentümlichkeit ift die unverhältnismäßige Länge der Zehen jomwoh!l an den Border- al3 an den Hinterfüßen. Vorn fommt dazu ein ganz abweichendes Längen- verhältnis der Finger untereinander: der vierte it der längite, dann folgt der dritte, fünfte, zweite, erite. Auch Hinten find vierte und fünfte ehe ungewöhnlich lang. Man hat für diefe Eigenart nach einer Erklärung gejucht und vermutet, daß namentlich der lange vierte Finger vorn dazu dienen mag, allerlei Injekten und Larven aus dem Fallholz und unter der Borfe hervorzuholen. AnderjeitS werden die Streifen-PBhalanger wieder al Blatt- frejier angejehen, wie der Neit der Bhalangerinen. Die hauptfächlichite Färbungseigentümlichkeit des Streifen-PBhalangers find drei Längs- ftreifen: in der Mitte auf dem Nüdgrat ein jchwarzer, zu beiden Seiten je ein weißer. Der jchwarze Mitteljtreifen endigt auf der Stirn; die beiden weißen ©eitenjtreifen ver- einigen fich dort und laufen zwischen den Augen breit über den Najenrüden herunter. Yuerdem fan man auch noch von zivei weiteren jchwarzen Streifen jprechen, die jeitlich der Nafe beginnen, fich breit Durch Auge und Ohr bis zur Schulter ziehen, dann aber auf der weißen oder gelblichen Grundfarbe als dunkler Anflug undeutlich nach hinten verlaufen, auch über die Außenjeite der Gliedmaßen und die Oberjeite des Schwanzes. Diefer it fonjt rund und alfjeitig behaart auf zwei Drittel feiner Länge, im Enddrittel mehr zwei- zeilig, unten nadt, exit [chwarz und an der Spibe weiß. 1907 fam der erite Streifen-PBhalanger in den Londoner Garten Dur) den ausgezeic)- neten Neuguineafammler Goodfellow — gerade ein halbes Jahrhundert jpäter, nachdem Wallace den eriten Balg an Gray gejchidt hatte. Ehe wir zur Hauptmafje der eigentlichen Bhalanger übergehen, mag hier der Riejen- fuagbeutler (Gattung Petauroides 7’hos.) gejchildert werden, der nad) Thomas zu jenen durch feine Schädel- und Gebikverhältniffe in demfelben engen Berwandtjchaftsperhältnis jteht wie Petaurus zu Gymnobelideus. Bei fritijcher Bergleichung fieht man am lebenden Tiere jchon, daß der feine Schwung im Profil, der die eigentlichen Flugbeutler aus- zeichnet, fehlt, der Kopf vielmehr ganz phalangerartig ift. Auch die Flughaut, die fich vom Handgelenk bis zum Sinöchel exjtreckt, it injofern anders, als fie am Unterarm und Unter- ichenfel nur einen fchmalen Saum bildet. Die Farbe ift grau, ohne irgendwelche Gtreifen- zeichnung, aber fehr wechielnd im Ton, bald beinahe jchwarz, bald blaß weihlichgrau oder auch ganz weiß. Einen ganz weißen Niejenflugbeutler hat Hed fchon einmal längere Beit im Berliner Garten gepfleat; das Tier hatte aber fhwarze Augen und Ohrränder, war aljo Doch Fein vollitändiger Mlbino. Die Ohren find fehr groß, reichen, vorwärt3 ge- legt, fait biS zur Schnauzenspiße und find innen nadt, aber außen vollitändig behaart mit demjelben Fell wie der übrige Kopf, was auch ein Unterjchied von den eigentlichen Alugbeutlern ijt. DVorder- und Hinterfüße find fehr Fräftig, mit ftarfen, hummen Stralfen. Der Schwanz it jehr lang, erheblich länger als Kopf und Aumpf zufammen, dicht und nach der Spige zu immer dunkler behaart; die Spibe felbft unterjeit3 nackt und greiffähig. Der Niejenflugbeutler verbreitet fich in feiner typifchen, über 90 cm langen Barietät Beuteltiere IV. 28 I. Streifen-Phalanger, Dactylopsila trivirgata Gray. 1/4 nat. Gr;, :s.1S..162: W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 2. Gewöhnlicher Ringelichwanz-Phalanger, Pseudochirus peregrinus Bodd. l/, nat. Gr., s. S. 163. W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 5. Tüpfelkuskus, Phalanger maculatus Z. Geoffr. U/:o nat. Gr., s. S. 167. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 4. Hundskufu, Trichosurus caninus Og. Yo nat. Gr., s. S. 174. — P. Kothe-Berlin phot. Streifen-Phalanger Niefenflugbeutler. Ringelfhwanz-PBhalanger. 165 (Petauroides volans Kerr var. typicus) über den ganzen Dften Auftrafiens, von Queens- fand füdlich über Neujiidiwales bis Bictoria. Altmeiter Gould, der unfer Tier „Großen Flugphalanger” (Petaurista taguanoides Desm. im Vergleich mit dem großen indifchen Flugeichhorn) nennt, fennt es befonders als „Bewohner der ausgedehnten Dicichte, die ich durch die füdöftlichen und öftlichen Teile von Neufüdtvales, von Bort Phillip bis zur Moreton Bay, zwifchen den Berggegenden und dem Meere erjtreden”. Er befpricht die wechjelnde Färbung und erklärt fich außerjtande, zu jagen, ob die weihen Crempfare rote Augen haben wie richtige Albinos. „Meinen gefangnen Riejenflugbeutlern”, jagt Heck, ‚konnte ich leider bis jebt feinen Raum anmweijen, der ihrer Bemwegungsfähigfeit auch nur einigermaßen entjprochen hätte, und jo weiß ich über jie auch nicht3 anderes zu berichten als über die Heinen eigentlichen Slugbeutler, zumal wir fie auch ebenjo gefüttert haben wie diefe.”' Die flughautloje, überhaupt äußerlich jehr verjchiedene, aber durch das Gebik nächit- verwandte Barallelform des Riejenflugbeutferz, die Ringelihwanz-Phalanger (Gattung Pseudochirus G@rlb.), jcheinen in der populären Naturgejehichte ext neuerdings Plab gefunden zu haben, obwohl jie Schon von Cook auf jeiner erjten Reife 1773 entdect wurden, in einer ganzen Anzahl ver- jchiedener Arten über Auftraltien und Neuguinea verbreitet find und an Leib und Leben mancherlei Eigentümliches haben. Bor allem fällt die „Zangenbildung”, wie man es nennen fann, am Vorderfuß auf, d.h. die gemeinjame Gegenüberftellung des Daumens und Zeige- finger3 gegen die drei übrigen, was beim Beutelbären (Phascolaretus) wiederfehrt. Diefe Bildung, die der ganzen Hand ettvas Zangen- Furgenband eines Rinz gelidwanz:-Phalangers. artige3 gibt, fommt jonjt bei Säugetieren nicht vor; ähnliches findet (Daumen und Zeigefinger jih nur bei Reptilien (Chamäleons). Ferner zeichnen die Ningel- Mk SEHR, Oak Ichmwanz-Phalanger mittelfange oder furze, rumdfiche Ohren umd ein ynstremata“ Core 1988. langer Greifjcehwanz aus, der, allmählich fich verfchmächtigend, im Endorittel furzhaarig und an der Spige unten nadt ift. Sm der vermwidelten Gejtaltung der Badzähne mitihren mondfichelförmigen Kauflächen zeigt fich Die nahe Berwandtjchaft mit dem Niejenflugbeutler, ebenjo aber eine Berjchiedenheit von den übrigen Phalangergattungen und die zweite deutliche Annäherung an den Beutelbären. Lebend find Ningelfchtvanz- Thalanger bis jett wohl nur in Zondon gewejen, haben ich aber nie lange gehalten. sm NRauchwarenhandel jpielen auch die Wicelfchwanz- Phalanger neuerdings als „Rungelichwanz- (ring tail-) Opofjum” eine getwiffe Nolle, allerdings eine ungleich geringere als das eigentliche „auftraliihe DOpofjum”, der Fuchsfufu; nach Braß fommen jährlich höchjtens 40000 ©tüd auf den Markt, die mit 6 Pence bis 1 Schilling bezahlt werden. Thomas verteilt feine zehn Zangenphalangerarten, die jich mittlerweile auf 13 vermehrt haben, auf drei Gruppen: eine rein auftralifch-tasmanijche, eine rein neuguineifche und eine nordauftralifch-[ünneuguineifche. Allen dDiefen Arten, deren Körperlänge einjchließlich Schwanz nach feinen genauen Maßangaben zwifchen 46 und 73 em jchwanft, jehreibt er nur eine bejchränfte Verbreitung zu außer einer. Dies ijt der Gewöhnlihe Ringeljchwanz- oder Wollige Phalanger, Pseudo- chirus peregrinus Bodd. (Phalangista lanuginosa; Taf. ‚„„Beuteltiere IV’, 2), als dejjen 11* 164 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Heimat Queensland, Neufüdmales, Victoria und Südauftrifien angegeben werden. Die allgemeine, aus Grau und Not zujammengejegte Färbung des ziemlich Furzhaarigen Telles mwechjelt jehr durch verjchiedenes Verhältnis der beiden Farben. Das Geficht Fanıı grau oder rötlich jein; Die Gegend um die Augen tft oft ausgejprochen rot im Gegenfaß zu der Mittellinie dazwijchen. Die verhältnismäßig großen Ohren find innen fajt nadt, außen behaart, gewöhnlich grau mit weißem Fled unten an der Ede, gelegentlich aber auch ganz tiefrot. Diejelbe Zarbe fann auch die Unterjeite des Körpers haben, oder Kehle, Bruft und Bauch find weiß, graumeiß, VBorder- und Hinterbeine außen rot, innen weiß. Dieje wechjelnde Färbung, die eine bemerkenswerte Eigentümlichfeit mancher Beuteltiere ift, erichwert natürlich die Artunterjcheidung, am lebenden Tiere menigjtens, ehr. Bei den beiden nächjten Verwandten des gewöhnlichen, dem Weftlichen Ringelfchwanz- Phalanger aus Weftauftralien, den Thomas als Ps. occidentalis T’hos. unterjcheidet, und dem Coof- ichen, Ps. cooki Desm., aus Tasmanien, fommt eine jcharfe Trennung durch geographifche Verhältnijfe dazu: den eriteren ftellt die für ein Baumtier unüberjchreitbare baumlofe MWiüfte nördlich der Großen Auftralichen Bucht für fich, den le&teren die Bapßitraße. Man gewinnt jo hier, wie manchmabbei den Beuteltieren, den Eindrud, Arten in äußerlich noch weniger fejter Ausprägung vor ji) zu haben und damit einen tieferen Blid in die Art- bildung tun zu Dürfen, als dies Die Säugetiergruppen fonjt erlauben. Über das Leben des Gemwöhnlichen Ringelihwanz-PRhalangerz fagt Gould nur, das Tier jei zur Zeit feines Befuches in Auftralien in den Angophora- oder „Apfelbaum”-Ehenen de3 oberen Hunterfluffes jehr Häufig gewejen, namentlich im Dartbroofiltrift. ‚Kaum mehr denn Halb jo groß mie der eigentliche Fuchsfufu”, berichtet Lhydeffer, „nirgends jo gemein wie diefer und nur jelten in den Gummibäumen angetroffen, bewohnt der Ningelihwanz-PBhalanger hauptjächlich den jogenannten Teebaum-Bufch, wo er in Heinen Gejellichaften lebt und fich ein Nejt baut, ähnlich wie unfer Eichhörnchen. Obwohl ge- wöhnlich auf einen Wurf nur ein Junges fommt, wird doch behauptet, daß gelegentlich big drei Junge im Beutel des Weibehens fteden. Das Fleisch riecht viel weniger jtarf und ift deshalb weit jchmadhafter als das des eigentlichen Fuchsphalangers. Yon Adelaide werden jährlich angeblich 2—3000 Felle nad) London ausgeführt.“ Der Matiphalanger, Pseudochirus lemuroides Coll., unterjcheidet fich von den übrigen noch durch den fchwarzen, auf jeine ganze Länge gleichmäßig dicht behaarten Schwanz, der fich fehr wenig verichmächtigt und in diejer Hinficht mehr mit Trichosurus übereinftimmt. Daher hat man ihn auch als bejondere Untergattung (Hemibelideus) ab- getrennt. Sein Entdeder, der norwegijche Zoolog Collett, der ihn 1884 zuerjt nach einem weiblichen Eremplar des Sammelteifenden Lumbolg befchrieb, jagt darüber: „Dieje Unter- gattung (Hemibelideus) bildet offenbar eine Übergangzftufe zwifchen den eigentlichen Pha- langern und der Gattung Petaurista (Petaurus): er hat den Schävel, aber nicht die Flug- haut der leßteren und den bujchigen, zylindrifchen Schwanz, aber nicht den Schädel der Phalanger-Untergattung Trichosurus.” Demnach gebührt vem Mafiphalanger eine ganz eigentümliche Wiüttelitellung zwifchen Riejenflugbeutler, Ringelfchwanz-Phalanger und Bujd)- Ihmwanz- Bhalanger, und er fönnte wohl als eine alte Nusgangsform fürdie anderen erjcheinen. Zwei andere Ningelihwanz-Rhalangerarten find geographiiche Vertreter des gewöhn- lichen (peregrinus): der für Weftauftralien, der Weftlihe Ringelfhwanz-Phalanger, Ringelihwanz-Phalanger. 165 Ps. occidentalis T’hos., von Bertd, Schiwanenfluß, König-Georgs-Sund, wurde von Thomas erit 1888 bei Abfafjung feines Beuteltierfataloges aufgeitellt; der tasmanische, Coofs Ningelihwanz-Phalanger, Ps. cooki Desm., bereits auf Coofs dritter Reife 1784 entdedt. Gould jagt über den eriteren, den er aber Phalangista cooki nennt: „Der Coofjche Phalanger ijt jtreng nächtlich in feiner Yebensweife, jchläft tagsüber in Spalten und Höhlen der größeren Bäume und verläßt jeinen Schlupfwinfel mit Anbruch der Dunkelheit; dann jteigt er manchmal zur Erde herab, aber häufiger Hettert er auf die jüngeren Bäume, um bon den Blüten und zarten Schößlingen der Eufalypten zu frejien. Sein Fleijch ift zart, jaftig und mwohljchmedend und wird fehr gelobt von den Eingeborenen.” Über den feßteren: „Ss fand, daß Diejes Tier entjchieden denjenigen Gegenden von VBandiemensland den Vorzug gibt, die von jandigem Charakter und nur jpärlich mit Gummibäumen bejtanden jind, fo wie die Snjeln im Flujfe Derwent und die Ebenen am Nordufer diefes Stromes; aber e3 war nicht zu finden in dem dichteren und feuchteren Bujch am entgegengejeßten Ufer. Unfere gewöhnliche Art und Weije, diejes Tier zu jagen, war, zu wenigen in Mond- nächten auszuziehen. Sobald dann mit Hilfe eines oder zweier Feiner Firköter eins ent- deckt wurde, entiveder auf Dem Boden oder im Geziveig der Bäume, fo war es nicht Schwer zu jehen, wenn es nad) dem Monde zu mit dem Gejicht hervorgudte, und wenn man e3 gejehen hatte, war e8 noch viel weniger jchiver zu fchießen, weil es niemals verfuchte, jich zu flüchten. Mr. Gunn gibt an, daß das Tier bis Launcejton gemein ijt und Dort ge- wöhnlich Ningelfhwanz-Dpoffum genannt wird. Alle diefe Opoffums fommen ums Zivie- fit aus den Baumbhöhlen hervor..., eine oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang fieht man fie dann eifrig bejchäftigt, die Blätter der verjchiedenen Eufalyptusarten zu frejjen. DObftgärten in ländlichen Gegenden leiden manchmal von den Opofjums, die alle Blätter und jungen Triebe abfrejjen.“ Mr. Gilbert jagt: „Das Tier wird Ngö-ra genannt von den Eingeborenen von Perth und Kgorf bei denen von Sing George-Sund”, und ftellt feit: „Es bejchränft jich nicht auf DBaumlöcher, jondern fißt oft auch in Exrdhöhlen, deren Eingang durch einen Baumjtumpf gededt ijt; von da wird e3 oft Durch die Känguruhhunde aufgejagt. ES wechjelt jehr in der Sarbe des Felles, von ganz hellem Grau bis beinahe zu Schwarz. Einmal fing ich ein Paar in derjelben Höhle, Das diefe Gegenjäße der Farbe aufwies.” Mit dem Gelben Phalanger, Pseudochirus archeri Coll., gehen wir zur zweiten, breit- und Furzohrigen Gruppe der Wideljchwänze über und fommen zu einer dritten queensländiichen Art aus dem Herbertflußgebiet. Der Entdeder und Sammler Lumhols jagt darüber: „Iroßdem es, wie die anderen Phalanger, ein Nachttier it, it das Tier doch einen großen Teil des Tages in Bewegung, tie ich jelbjt gefehen habe. Die Schwarzen töten es, indem fie auf den Baum flettern und Stöde danach werfen, was oft eine jehr bejchwerliche Arbeit ift. Das Tier ijt nicht jehr jcheu; aber wenn es aufgeftört wird, läuft e3 jchnell weg von Baum zu Baum, jo daß ein jchwarzer Mann oft Schwierigkeiten hat, e3 zu erlegen, wenn er nicht zwei oder drei Slameraden findet, die e8 von verjchiedenen Bäumen angreifen.” Dahls Phalanger, Pseudochirus dahli Coll., wurde von einem andern norwegijchen Sammler, Knut Dahl, 189 in Nowdauftralien am Marienfluß entdedt und 1897 von Collett bejchrieben. Er nennt ihn Felsphalanger, mit dem eingeborenen Namen 166 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Wagoit: „Er bewohnt die Granitformationen der weitlihen Quellen des Marienfluffes, Arnhemland, und ift leidfich zahlreich Dort auf dem großen zentralen Tafelland. Am Tage verbirgt er fich zwijchen den folofjalen Steinwänden und verläßt die Feljen nur bei Nacht, wenn er auf der Futterfuche die Bäume erflettert. Die Nahrung beiteht Haupt- jächlich aus den weichen Teilen einer Beerenart mit großem Stein, wie eine riefige Küirjche (zur Gattung Zisyphus gehörend?). Er jehläft nie in hohlen Bäumen, wie feine Ber- wandten; aber er wird, wenn aufgejagt, gelegentlich aud) auf einem Baume Zuflucht juchen.” Der Felsphalanger hat aljo allem Anjchein nach abweichende Züge in jeinem Leben, die diefe Art Doppelt interejjant machen. Über die papuanifchen Arten, Pseudochirus albertisi Pirs., Ps. schlegeli Jent., Ps. canescens Waterh., Ps. forbesi T’hos., jagt Matjchie in jeiner „Tiervelt Neuguineas": „Die Heineren Formen haben die Größe einer Natte. Sie leben in Gebirgswäldern und follen Kejter bauen, die denen unjerer Eichhörnchen ähnlich jind. Namentlich auf Eufalyptus- und Terminalia-Bäumen findet man fie häufig paarweije; fie fcheinen von den Früchten diefer Bäume fich zu ernähren.” Um die Unterfamilie der eigentlichen Phalanger (Phalangerinae) zu erjchöpfen, bleiben noch zwei Gattungen zu jchildern, die fich jozujagen an entgegengejegten Enden den Ringel- ihwanz-Bhalangern (Gattung Pseudochirus) anjchliegen: die aus allen zoologischen Gärten befannten Fuchsfufus, Beutelfüchfe oder eigentlichen Phalanger im engjten Sinne (Gattung Trichosurus, früher Phalangista) aus Aujtrafien und die faum jemals lebend ge- zeigten Kusfus (Öattung Phalanger) aus der auftrafifch-malatischen Snjelwelt. Die erjteren mit längeren Ohren und bujchig behaartem, wenn auch an der Spite unterjeit3 nadtem und greiffähigem Schwanze finden ihr Anfnüpfungsglied im Mafiphalanger, Ps. lemuroides, der jich unter jenen Gattungsgenojjen auch jchon Durch mittellange Ohren, oben bis zur Spise gleihmäßig jtarfe Behaarung und Furzen, nadten Spitenteil des Schwanzes aus- zeichnete; an die Kusfus anderjeits, mit ihren kurzen Ohren und dem am Endteil rundum nadten Widelfchwanze, gemahnt fchon der Schlegels-Phalanger, Ps. schlegeli, durch feine auch oberjeits nadte Schwanzjpise. Wir haben gejehen, daß die Gattung Pseudochirus ver- möge ihrer Borderfußbildung auch eine gewilje Arnmäherung an die dritte Unterfamilie, die Beutelbären (Phascolarctinae), daritellt. Sp zeigen die Widelihvanz-Phalanger jehr ihön, wie man fic) zoologishe Verwandtjchaftsverhältniffe in der Negel zu denfen hat: nicht Fettenförmig, jondern mit mehreren Anfnüpfungspunkten in verschiedenen Richtungen. Die Kusfus (Gattung Phalanger Storr) haben diefelbe Anzahl Zähne (5) wie die Jüngelichwanz-Bhalanger. Aber während bei diefen die 3 Lückzähne in Größe und Ent- jernung voneinander wechjeln, ijt der legte Lüczahn der Kusfus groß und breit, jchräg ge- jtelft und jcharf fchneidend, und die 4 Höder der echten Badzähne, die bei den Ringel- Ihwanz-Phalangern ganz getrennt ftehen, verbinden fich bei den Kusfus paarweije zu Qurer- feiften. Topijcher Beuteltierzahnmwechjel: ein großer Milchfüczahn, der lange erhalten bleibt. Der Greifjchwanz ift im Endteil nicht nur unten, jondern auch oben nadt, glatt oder ge- förnelt, grob gerungelt. Der Vorderfuß zeigt nicht die Zwei- zu Dreiteilung der Ningel- Ihwanz-Phalanger, ftummt vielmehr im Bau ganz mit dem der amerikanischen Beutelratten überein. Die Kusfus find von plumper, Furzbeiniger Geftalt und ungefähr Kabengröße, Eigentlihe Phalanger. Kusfus. QVüpfelfusfus. 167 haben mittellange oder furze Ohren, jenkrecht geitellte Bupillen, was den Gefichtsausdrud befanntlich jehr beeinflußt, und dichten, mehr oder weniger wolligen Pelz. Sie verbreiten ih von Nordqueensland über die aujtrontalaiische Negion bis Celebes und find, wie jchon das Nuge bemeilt, ftrenge Nachttiere. Der Tüpfellusfus oder Wangal der Bewohner Wrus, Phalanger maculatus E. Geoffr. (nudicaudatus, brevicaudatus; Taf. ‚„‚Beuteltiere IV’, 3, bei ©. 163), eine der Ihönften Arten der Gattung, erreicht ausgewachjen eine Gejfamtlänge von 1,1 m, wovon der Schwanz etwa 48 cm wegnimmt. Ein Dichter, wolliger, feidenweicher Belz befleidet ven Leib. Seine Färbung ändert vielfach ab. Die in der Regel weiße, gelblich oder graulich überflogene Dberjeite des Pelzes wird Durch große, unregelmäßige, brennend tojtrote, tiefbraune oder Schwarze Tledfe gezeichnet, die auf der Außenjeite der Beine ver- Ihwimmen; die Unterjeite it immer ungefledt und rein weiß, die Füße find rojtfarben, Ge- ficht und Stirn bei alten Tieren lebhaft gelb, bei jüngeren rojtgelb, die Ohren oft weiß und die nadten Teile rötlich; der weiße Schwanz zeigt nur ausnahmsweife einige Tlede. Bei jungen Tieren find leßtere fichter, bei jaugenden grau. — Der Tüpfelfusfus bewohnt nicht alle Snfeln öjtlich von Celebes bis Neuguinea und Nordauftralien. Sein weitlichites Wor- fommen, das bis jeßt befannt ift, find die Saleyer-Jnjeln fünlich von Celebes; er fehlt auf den Moluffen, mit Ausnahme der füdlichiten, Ceram, findet fich dagegen auf einigen der Seinen Sundainjeln (Flores, Timor), ferner auf Aru, Key, geht durch Neugumea durch, unterjcheidbare Unterarten bilvdend, nach Süden bis in den nächjtbenachbarten Teil Auftraliens, Nordqueensland, nach Often bis auf die Admiralitätsinjeln. Wir vewanfen die erjten Nachrichten über das Leben des Tieres dem Holländer Balentyn. Er erzählt, daß auf Amboina unter dem Gefchlechte der Wiejel der Kuskfus oder Kufu, wie ihn die Malaien nannten, eines der feltfamjten wäre. „Die großen Arten find fehr böfe und gefährlich, weil imjtande, wenn fie auf einem Baume jißen und von jemand am Schwanze gehalten werden, den Mann in die Höhe zu ziehen und dann fallen zu laffen. Auch wehren fie fich mit ihren feharfen Tagen, die unten nacdt find, fait wie eine Kinderhand, und bedienen fich ihrer wie ein Affe; dagegen verteidigen fie jich nicht mit den Zähnen, objchon jte in diefer Beziehung recht gut ausgerüftet find. Das Ende des Schwanzes ift nadt und Frumm; damit Halten jie fich jo feit an den Zweigen, daß man fie nur mit genauer Not abziehen fan. Sie wohnen in Wäldern, auf Bäumen, befonders wo e8 Holzjamen gibt. Auf Ceram und Buru gibt es mehr als auf Amboina, weil fie hier die Menfchen jcheuen, die jie in eigentümlicher Weife fangen, um jie zu ejjen; denn fie find ein Ledferbiffen für die Eingeborenen und jchmeden gebraten wie die Kaninchen. Uber die Holländer mögen fie doch nicht. Man muß die am Schwanze aufgehangenen itarr anfehen, dann Yafjen fie aus Furcht den Schwanz lo3 und jtürzen vom Baume. Aber nur gewifje Leute vermögen die Kusfus von den Bäumen ‚herabzujehen‘. Wenn jte auf dem Boden herumgehen und überrajcht werden, find fie in einem Augenblide auf dem Baume. Ingitigt man fie, jo harnen fie vor Schreden. Zwifchen den Hinterfühen befindet jich ein Beutel, worin 2—4 Junge aufbewahrt werden, die jo feit an den Saugwarzen hängen, daß beim Abreigen Blut fließt. Fajt jedes Weibchen, das man findet, hat Junge im Sade; fie müfjen mithin immer trächtig gehen.” Duoy und Gaimard bemerfen, daß der Tüpfelfusfus die Faultiere Amerikas vor- zuftellen fcheine. Ex fei ebenjo jtumpf und bringe den größten Teil feines Lebens in der 168 2. Ordnung: Beuteltiere. Yamilie: Kletterbeutler. Dunfelheit zu. Vom Lichte beläjtigt, ftect er den Kopf ziwiichen die Beine und ver- ändert dieje Lage bloß dann, wenn er frejjen will; dabei beweilt er eine große Gier, jo ftumpf er font auch ift. Sn den Wäldern nähren fich alle befannten Arten von würzigen Früchten; in der Gefangenjchaft frejjen fie, wenn ihnen Pflanzennahrung mangelt, auc) tohes Fleisch. Ihr Betragen im Käfige oder Zimmer ift ebenjowenig angenehm wie ihr An- jehen. Sie find langjam und till, Schläfrig und grämlich, freifen gierig und jaufen jehr viel. Mit ihresgleichen vertragen ste fich Fchlecht, hauen oft unter Kinurren und gellendem Schreien aufeinander los, fauchen wie die Kaben, zijchen und zerren einander. Während des Tages jehen ihre großen farminroten Augen, deren Stern auf einen fchmalen Spalt sufammengezogen ift, eigentünmlich dumm umd blöde aus; in der Nacht leuchten fie wie die anderer Nachttiere: dann erinnern fie in vieler Hinjicht an Die der Loris. Wenn fie nicht frejien oder jchlafen, Tecden fie jich an den Pfoten oder am Schwanze; einen andern Zeit- vertreib fcheinen fie nicht zu Fennen. Die Tiere heigen übrigens bloß auf Amboina Kuskus: in Australien nennt man jie Gebun, auf Waigiu Rambame oder Schamfchan, auf ru Wangal; wahrjcheinlich führen fie auf jeder njel einen befondern Namen. Mohnife erzählt in feinen ‚„‚Bliden auf das Pflanzen- und Tierleben in den nieder- Yändischen Malaienländern‘ von Amboina, daßdort die Kuskuten in außerordentlicher Menge borfommen und eine Lieblingsnahrung der eingeborenen Bevölferung bilden: „Sn den Monaten Mai und Yumi find fie jo fett, daß Häufig, wie ich felbit gejehen habe, bei dem Kiederfturze eines aus dem Baume herabgejchojjenen Kusfus auf die Erde das Tell des- jelben plagt. Die Zeit, mo die Beutelratten am fettejten jind, trifft mit der Neife der tüchte von Durio zibethinus zujammen. Alsdann lebt die Bevölkerung von Amboina, wie fich ohne Übertreibung behaupten läßt, faft ausjchhiegfich von den genannten Früchten und dem Fleifche jener Tiere. Europäer dagegen machen hiervon niemals Gebrauch.“ Nach Wallaces Beobachtungen ernähren fich die Kusfuten fait ausjchließlich von Blättern und verjchlingen von diejen jehr bedeutende Mengen. Infolge der Dice ihres Pelzes und ihrer auffallenden Lebenszähigfeit erlangt man fie nicht leicht. Ein tüchtiger Schuß bleibt oft in ihrer Haut ftecfen, ohne ihnen zu jchaden, und jelbit wenn fie das Rüdgrat brechen oder ein Schrotforn ins Gehirn erhalten, jterben fie oft erjt nach einigen Stunden. Lodeffer hat in jeiner Naturgejchichte der Beuteltiere noch einige Nachrichten über das Leben des Tüpfelfusfus zufammengetragen. In Auftralien wird diefer Kusfus be- ichrieben als ein jcheues, einjiedlerifches Gejchöpf, das fich nur felten jehen läßt, wenn e3 auch am Tage häufiger beobachtet wird als bei Nacht. ES jcheint fpärlich verteilt zu jein über den lichten Bufchwaßd, namentlich in der Nachbarjchaft der Buchten und Sümpfe, 100 e8 allgemein einzeln gefunden wird. Obmohl diejer Kusfus, wie feine Verwandten, wahrscheinlich in der Hauptjache von Pflanzenftoffen lebt, Hat er doch einen fchlechten Ruf bei den Koloniften, bei denen er gemeinhin „Tigerfage” genannt wird, wegen angeb- licher Räubereien im Hühnerftall. Über den Tüpfelfusfus von Katfer-Wilhelms-Land, einen ebenfall dort vorfommmenden fleineren, Ph. orientalis Pall., von bräunficher, nach dem Bauche zu allmählich in Grau über- gehender Farbe mitdem hellbraunen Rüdenftreifen, berichtet Hagen in feinen Beobachtungen und Studien „Unter den Papuas”: Diefe Tiere „haben einen durchdringenden, eigentümlichen Geruch, der oft im Wald auf ihre Spur bzw. ihr Verftecf Hinleitet. Beim Waldfchlagen werden fie von unjeren jchwarzen Arbeitern öfters gefangen, aber fie bleiben auch in der Gefangenschaft langmeilige, mürrifche und biffige Gejellen, deren man bald überdrüfjig Tüpfelfusfus und Verwandte Kufus. 169 wird. Ein großes, altes, jchneemweißes Männchen, das ich eine Zeitlang lebend hielt, fraß mit Borliebe faure Zitronen. Aus dem Fell, namentlich der Keineren, braunen Art machen jich die alten Bapuagreife und die Kahlküpfe Perücken.‘ ‚orbe3 berichtet über die Nücenftreiffusfus der Moluffen (Ph. orientalis Pall.), daß fie „zahlreich find und im Mai alle Weibchen ein Junges im Beutel zu haben jheinen. Eines don diefen mar ein winziges Gejchöpf, ungefähr 5 em lang, ganz im Beutel verborgen und an der Zite der Mutter angejaugt mit feinen Lippen, die zu einer runden Öffnung umgeformt find“. Zur Fortpflanzung fchildert weiter U. B. Meyer (‚‚Reije nad) Celebe3‘‘) von Ph. cele- bensis Gray: „Die Eingeborenen der Minahafja nennen das Tier „Nufji‘‘, die Malaiijch Sprechenden „Rufju”. ch jah einmalim März 1871 in der Nähe von Menado um 11 Uhr mittags zwei fich Paarende auf einem hohen Baume. Das Weibchen hielt fich aufrecht, indem e3 mit den Borderfüßen einen Zweig umflammerte. Beim eriten Schuß trennten fie jich, aber erjt nach mehreren Schüfjen fiel einer von etwa 80 Fuß Höhe mit gefpreizten Beinen herab und lebte nod). Auf die weiteren Kusfusarten, deren Zahl fich fortwährend noch vermehrt, fönnen wir nicht eingehen. &3 jei deshalb hier nur noch gejagt, daß man zwei Untergattungen unterjcheidet, je nachdem die Ohren innen dicht behaart (Eucuscus), beinahe oder ganz nadt (Phalanger im engeren Sinne) find. E83 muß aber wohl noc) eine dritte neuguineifche Gruppe mit langer feidiger Behaarung anerkannt werden. Daß die Kusfus, obwohl fie von den Eingeborenen jo viel gejagt werden und Ddieje jonft jo gern mit Tieren Taufchhandel treiben, Faum jemals lebend nad) Europa gelangen, it wohl aus ihrer Natur al3 Blatt- und Grünfrefjer zu erklären. Solche find ftet3 — aud) in anderen Gäugetiergruppen (Affen, Halbaffen, Antilopen) — jchwer an Erjabfutter zu gewöhnen, find jchwierige und Hinfällige Pfleglinge. Sr den Londoner Garten ift übrigens hier und da Doch fon einmal einer gefommen — allerdings nur, um rajch wieder zu jterben —, und im Februar 1910 zeigte Direktor Darling von der Britifchen Neuguinea- Gejellichaft der Londoner Zoological Society einen ausgeftopften vor, den er lebend in Eng- land gehabt hatte, zugleich mit der Behauptung: „wenn das Tier jchlief, blieben die Augen offen mit ganz zufammengezognen PBupillen”. Das erinnert bedenklich an das Märchen vom Hafen, der „mit offenen Augen jchläft”. Wer will bei einem jo jtumpfjinnigen Tiere, wie dem KHusfus, das in Europa noch matter wird, jagen, warn es wirklich jchläft? Biel häufiger gelangen die Rufus (Trichosurus Zess.) zu uns, den Susfuten jehr nahe verwandte Stletterbeuteltiere, mit ebenfolchem Gebi; wie dieje, äußerlich unterjchieden durch rundlichen Augenftern, ziemlich große Ohren, glatthaarigen Pelz und bis auf die Unterjeite der Endfpibe behaarten Schwanz. Diejem verdanken jie ihren Gattungsnamen, der „Haarjchtwanz” bedeutet. Im Zahnıbau, und zwar an den Lüczähnen, findet Thomas Unklänge an die Familie der Känguruhartigen (Macropodidae), namentlich den mer würdigen Greiffußhüpfer (Hypsiprymnodon), der eine gewijje Wermittlerrolle zwijchen beiden Kamilien zu fpielen fcheint. Sonjt vergleicht er jie mit den Widelichwanz-Bhalangern (Gattung Pseudochirus), die ja gewiljermaßen den Ausgangspunkt für die übrigen größeren Kletterbeutlerformen bilden, und findet die Kufus, „wenn auch weit verjchieden von Pseu- dochirus in ihren Schädel und Zahnmerfmalen, jo doc) nicht Leicht durch äußerliche Kienn- zeichen zu umgrenzen”. Die Borderfühe find aber offenbar mehr von dem gewöhnlichen Bau 170 2, Ordnumg: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. (ein Daumen den vier übrigen Fingern entgegenftellbar), und der Schwanz am Ende dichter behaart, was übrigens bei Pseudochirus lemuroides annähernd aud) jchon jo ijt. CS bleibt aber trogdem ein unverfennbarer Greifichwanz. Schließlich ift nach Thomas die Berfärbung des PBelzes, die durch die Abjonderung einer Brujtdrüfe verurjacht wird, in den meijten Fällen ein leichtes Mittel, die Angehörigen der Gattung zu erfennen. Eine Drüfe mitten auf der Bruft, die beim Ameijenbeutler und den Beutelratten wiederfehrt, it nämlich noch ein befonderes Kennzeichen der Kufus. ur zwei Arten, die eine mit noch einer abweichend gefärbten Abart, werden bis jebt unterichieden, und zwar: la) der Gemwöhnliche, gelblichgraue Fuchsfufu, T. vulpecula var. typicus, der jich über ganz Auftralien verbreitet mit Ausnahme der nordöftlichen Kap- NorkHalbinjel; 1b) der Dunkle, tief umbrabraune oder rauchfarbige Fuchsfufu Tas- maniens, das Dunkle Opofjum T. vulpecula var. fuliginosus; 2) der in denfelben beiden Sarbenvarietäten auftretende Hunds= oder urzohrfuju, T. caninus Og., von Süd- queensland und Neujiüdwales, jchon äußerlich unterjchieden Durch die furzen, runden Ohren, die nicht jo lang wie breit find. Bejonders interejjant ijt Dabei, daß der furzohrige Hunds- fuju eine engere Verbreitung und jeine abweichenden Standorte zu haben jcheint. Gould jagt jchon Darüber: „Er ijt in feiner Verbreitung viel enger begrenzt, indem er, foweit meine Kenntnis reicht, ausjchlieglich auf die Bujchdidichte von Neufüdmales, namentlic) die in der Nachbarjchaft des Hunter-, Elarence= und Ricpmondflufjes und auf den Zedern- bufch des Liverpoolgebietes bejchränkt ijt.” Und Thomas läßt jich neuerdings von De Vis bejtätigen, daß der Hundsfufu „in Queensland als ein von T. vulpecula ganz verjchiedenes Tier angejehen wird, und daß er nur den ‚scrub‘ (Bujchdichicht) bewohnt, niemals im offenen Wald mit der andern Art zufammen gefunden wird“. Der Gemwöhnlihe Fuchskuju, FSuhsphalanger, Trichosurus vulpecula Kerr, hat mit einem Fuchje nur duch Kopf, Ohr und Schwanzform eine ganz entfernte Ännlichkeit. Die Leibeslänge beträgt 60 em, die des Schtwanzes 45 cm. Der Leib ift lang und gejtrect, der Hals furz und dünn, der Kopf verlängert, die Schnauze furz und zugejpigt, die Oberlippe tief gejpalten. NAufrechtitehende, mittellange und zugejpikte Ohren, feitlich gejtellte Augen mit länglichem Stern, nadte Sohlen, platte Nägel an den Hinterdaumen und jtark zufanmengedrücte, fichelförmige Krallen an den übrigen gehen, ein undollfommener, nur durch eime flache Hautfalte gebildeter Beutel beim Weibchen und ein Dichter und weicher, aus jeidenartigem Wollhaar und ziemlich furzent, jteifen Srannenhaar beitehender Pelz Fennzeichnen das Tier noch außerdem. Die Farbe der Dberjeite it bräumlichgrau nrit rötlichfahlenm Anfluge, der hier und da jtarf hervortritt, die Der Unterfeite licht orfergelb, die des Unterhaljes und der Bruft meift rojtrot; Rüden, Schwanz und Schnurren find jehwarz, die innen nadten Ohren auf der Außenfeite Ficht odergelb, am innern Rande jehwarzbraun behaart. Junge Tiere find Yicht afchgrau mit Schwarz gemifcht, unten aber wie die Alten gefärbt. Außerdem fommen viele Abände- rungen bor, namentlich auch Weißlinge. Der Fuchskufu bewohnt Auftralien und Tasmanten und ijt eines der Häufigjten aller auftraliichen Beuteltiere. Wie die Verwandten, lebt er ausfchhießlich in Wäldern auf Bäumen und führt eine durchaus nächtliche Lebensweife, fommt fogar ext 1 oder 2 Stunden nach Sonnenuntergang aus feinem Berjted hervor. Die Fuchsphalanger find in manchen Gegen- den zahlreicher als in anderen und bevorzugen die Nachbarjchaft des Wafjers. Ar jolchen Fuchskusu. 171 Lieblingsplägen wird man jicher eins oder mehrere der Tiere finden; troßdem verlangt e3 ein geübtes Auge, fie in den Schatten des Abends oder im Mondjchein zu entdeden. Das Auge muß dann jeden At mit dem Mond dahinter genau durchmuftern, und es werden dann die aufrechten Ohren des Phalangers oft feine Gegenwart verraten, wenn er langgejtredt auf dem Ajte oder halb verborgen in einer Spalte liegt. Sp ausgezeichnet er auch Hettern Fann, und jo vortrefflich er zu folcher Bewegung ausgerüftet ijt, jo träge und langjam erjcheint er im Vergleiche zu anderen ähnlich gebauten Tieren, zumal zu Eichhörnchen. Seine Trägheit joll jo groß fein, daß er ohne bejondere Schwierigfeiten von einem einigermaßen geübten Stletterer gefangen werden fan. Sobald er Gefahr merft, hängt er jich mit feinem Schwanze an einem Aite oder Zweige auf und verharıt längere geit in dDiefer Stellung, hierdurch oft genug den Bliden feiner Verfolger entgehend. Wird er aufgefunden, fo weiß er faum der ihm drohenden Gefahr zu entrinnen, und auch bei ihm gilt dann das „Vom Baume-Sehen”. Der Greiffhwanz wird viel benußt; denn der Fuchakufu führt eigentlich feine Bewegung aus, ohne jich mittels diejes ihm unentbehr- lichen Werfzeuges vorher gehörig zu verjichern. Sn der Tat, wenn ein jterbendes Opofjum im Fallen von dem Mite, auf dem es jaß, zufällig mit dem Schwanze um einen andern Alt fat, jo ftirbt es in diefer Tage und bleibt dort hängen. Hier fan wohl frampfhafte Zujammenziehung der Muskeln im Todesfanıpfe eine ganz bejondere Straftentfaltung zumwege bringen; im zoologijchen Garten hat Hed nie auch nur annähernd jolche Leijtung vom Fuchskufu gejehen, dort geht die Tätigkeit des Schwanzes nicht viel über ein Altı- prejfen an Gibjtange und Gitter hinaus: es muß allerdings zugegeben werden, daß man da3 Tier faum jemals in einem genügend großen Raume mit Einrichtungen unterbringt, an denen e3 derartige Künjte zeigen fünnte, wenn es fie verjteht. Auf ebenen Boden joll e3 noch viel langjamer fein als auf Bäumen. Die Nahrung beiteht größtenteils aus Pilanzenftoffen; jedoch verichmäht es ein Kleines VBögelchen oder ein anderes jchwaches Virbeltier feineswegs. Seine Beute quält der ungejchidte Räuber nac) Marderart exit fängere Zeit, veibt und dreht jie wiederholt zwijchen feinen Vorderpfoten und hebt jie end- fi) zum Munde, öffnet mit dem fcharfen Gebiffe die Hirnfchale und frißt zunächit das Gehirn aus. Dann exit macht erfich an dasübrige. Wie der Fuchzkufu im Freien Tiere überrumpelt, Hat man nicht beobachten fünnen. Während der Baarungszeit, jeltener jonjt im Sahre, jtößt er einen lauten, fehmetternden Schrei aus, den man auf beträchtliche Ent- fernung durch den ftillen Wald hört. Der Fuchskufu pflanzt fi nur einmal im Jahr fort und bringt nur ein Junges auf den Wurf, das zuerjt von rötlicher Farbe it; gelegent- lich aber findet fich auch ein Pärchen Junge im Beutel. Die Eingeborenen ftellen dem Tiere eifrig nach und betrachten fein Fleijch, troß des für uns höchjt widerlichen Geruches, al3 einen vorzüglichen Lederbijjen, mwijjen auch das Fell vielfach zu verwenden. Einen aus Kufupelz; gefertigten Überwurf tragen fie mit der- jelben Befriedigung wie wir einen Zobel- oder Edelmarderpeß. Sm der Tat gibt das weiche, wollige Fell ein auch von den Weiken gejchägtes Pelzwerf. Die Felle fommen unter der Bezeichnung „Auftralifche Opojjums” in den Handel; in den 1860er Jahren waren e3 30000 Stüc, gegenwärtig find es, nach Braß, rund 3 Millionen Stüd jährlid). Se nach Größe, Schönheit und Farbe jchwankt der Preis eines Stüdes zwijchen 60 Pfennig und 2 Mark für die graue Abart, während die jchiwarze, deren Fell in Rußland und Schweden — wohl al? Erjat für den Biber — für Herrenpelzkragen beliebt ijt, nach Braf 1907 3. 8. bi8 12 Mark gebracht hat; von ihr fommen aber auc entjprechend ihrer 172 2. Ordnumg: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. beichränften Verbreitung (InjelTasmanien) nur einige taufend Stücd jährlich in den Handel. Die fchtwarzen Felle waren jchon zu Goulds Zeiten höher gefchägt. Jnterejjant ijt e3 zu fehen, wie die Belzhändler in ihrer Unterjcheidung der Dpofjumfelle aus den verjchiedenen Gegenden Auftraliens viel weiter gehen als die verjchrieenen „Speziesmacher” unter den Shitematifern. Braß unterjcheidet unter den Shönenfellen aus Neufüidmwales „die blauen Prima”, die fogenannten red heads, die am Naden und Kopf rötlich fchimmern; die Mel- boutnefelle, Feiner al3 die Sydnenfelle, aber Zarbe bejjer, mehr jilbergrau; Adelaidefelle, jehr feines Blau, Häufig mit einzelnen länger hervoritehenden Schwarzen Haaren untermifcht, Haar fürzer, auch hier „Sefunda-Notföpfe” recht häufig; Felle aus Queensland und Weit- australien vötlichgrau, flach (furzhaarig), jchlechter als die anderen. Derjelbe Bra nimmt, wie jchon in unferer Einleitung zu den Beuteltieren erwähnt ift, eine neuerliche Vermehrung des auftraliichen Opofjums an, zufolge der Abnahme der eingeborenen Feinde des Tieres. Aber auch der alte Gould jagt Schon über deijen Häufigkeit: „Während meiner Reifen in Auftralien fam mit fein lebendes Säugetier häufiger zu Geficht, und Feines brachten die Eingeborenen öfter ans Lagerfeuer zum Ejjen. Diejes Tier macht einen beträchtlichen Teil der Nahrung der Eingeborenen aus, die ihn eifrig nachitellen und, wenn fie einen Baum entdedt haben, in dem e3 fich verfrochen hat, diefen mit überrafchender Gewandtheit erflettern. Haben fie jich vergemwifjert, wo das Tier fißt, jo wird mit der Eleinen Art ein Zoch gejchlagen, das den nadten Arm durchläßt, dann das Tier am Schwanz gefaßt — das Hauen und Stlopfen am Baume veranlagt es nicht, aus jeinem Schlupfwinfel hervorzufommen —, und bevor e3 Zeit hat, zu beißen oder jeine Fräftigen Strallen zu gebrauchen, wird e& gegen den Baum gejchlagen, daß es jein Leben aushaucht, und auf die Erde hHeruntergeworfen. Der Fänger geht dann zu jeinem Lager mit der Ausficht auf eine gute Mahlzeit. ch habe jelbjt das teifch oft gegeijen und fand e3 gar nicht übel.” Heute werden die Kufus viel in Schlingen gefangen. Nach Shortridges Aufzeichnungen gelegentlich einer Sammelreije in WWejt- auftrafien, die D. Thomas veröffentlicht hat (Proc. Zool. Soc.“ 1906), fommt der Sufu ftets auf der bequemeren Seite den Baum herunter, wenn die Neigung des Stammes auch nur ganz gering it. Wenn man daher auf diefer Seite unten am Fuße des Baumes die Schlinge mittel3 eines querüber geneigten Stodes fängifch |tellt, Yäuft das Tier jicher hinein. Die nächtliche Jagd der Weiken Australiens auf das „‚’possum‘‘ fchildert Semon. Er erklärt es für „jehr Schwierig, im Mondlichte fichere Schüfje abzugeben, weil man das Korn des Viliers nur dann deutlich fieht, wenn man gegen den Mond zielt, jo daß es direft be- ichienen wird. DieferMethode bedienten wir uns, um die zahlreichen Opoffums zu fchießen, die nachts im Gezweig der Eufalyptusbäume ihr Wejen trieben. hre Nahrung bejteht außer gelegentlich erbeuteten Injeften, Eiern, jungen Bögeln vorwiegend aus grünen Pilanzenteilen der Eufalypten, und diefe verleihen dem Wildbret einen eigentümlichen, rwidrigen Gejchmad, fo daß man es nur im Notfall benubt, um feinen Hunger zu ftillen. „su Coonambula machten fich die ’possums zeitweife dadurch unliebfam bemerflich, daß fie die Weinftöde im Garten befuchten und die ganz Heinen, unreifen Weinbeeren mit Leiden- haft fragen, während fie fpäter die großen und reifen Beeren in Auhe ließen. Wir töteten in einer Mondnacht im Garten zwölf Stüc.’ ‚si neuerer Zeit fommen lebende Fuchsfufus oft nach Europa. Die meiften Tier- gärten bejiben einige. Die Gefangenen zeigen fich fanft und friedlich, d. H. fie verfuchen nicht zu beißen, find aber jo dumm, teilnahmlos und träge, daß fie nur wenig Vergnügen gewähren. Solange es hell ift, fuchen fie fich den Bliclen foviel wie möglich zu entziehen, Gemwöhnlider FZudhsfufu Dunkler Fuchskufu. 173 vergraben fich tief in daS Heu und verbergen fich in anderen Schlupfwinfeln, rollen jich zufammen, legen den Stopf zwijchen die Beine, jchmiegen das Geficht an den Bauch und verichlafen fo den ganzen Tag. Stört man fie in ihrem Schlafe, jo zeigen fie fich gewöhn- fich äußerjt mürrifch und übellaunig. Erjt gegen Abend werden fie munter und find dann jehr lebendig. Man ernährt jie mit Milchbrot, Fleifch, Früchten und verjchiedenen Wurzeln und hält fie in einem nicht allzu Heinen Käfig; diefer darf jedoch nicht zu Schwach fein, weil jie ihn ziemlich leicht durchnagen. Zwei gefangene Fuchsfufus, die ich pflegte, zerbifjen zolldide Gitterjtäbe, zwei andere die Bretterwand ihres Käfig und entflohen. Ein großer Neifighaufen in der Nähe ihres früheren Aufenthaltes bot ihnen Zuflucht. Nachts Tiefen fie im arten und dem zu diejem gehörigen Gehöfte umher oder Hletterten auf dem Gehege und nahejtehenden Bäumen auf und nieder. Der eine der Entflohenen wurde wieder ein- gefangen und rief nun allabendlich mit lauten „SKuf, Fuf, fuf” nach feinem Gefährten. Diejer pflegte dem Nufe zu folgen, vermied aber jehr vorjichtig alle ihm gejtellten Fallen. ©o trieb er fic) 14 Tage lang im arten umher, Holte fich jede Nacht das für ihn bereit- geftellte Futter und verfchivand wieder. Endlich verfah er fi) und büfßte dies mit feiner Freiheit. Ein Weibchen, das unterwegs ein Junges erhalten hatte und in meinen Beji fam, behandelte ihr Kind mit großer Zärtlichkeit, hielt e8 Tag und Nacht in den Armen und lebte auch mit dem erwachjenen Sprößlinge durchaus friedlich. Unangenehm werden die Gefangenen dadurd), daß jie einen fampferähnlichen Geruch verbreiten, der im ge- ichloffenen Naume jehr empfindlich jein Fann. Troß der meijt engen und ungeeigneten Haft hat jich der Fuchzfufu auch in zoologifchen Gärten jchon fortgepflanzt, jo vor einigen Sahren in Breslau. Seine Haltung und Fütterung macht feinerlei Schwierigkeiten. Ein Yager mit Heu oder Torfitreu; wenn esjein kann, einige Kletterjtangen; al3 Nahrung Mohrrüben, Brot, gefochter Reis, Mais, Obit und manchmal eine Dattel oder Feige: jo lebt das Tier jahrelang, am Tage fchlafend, des Abends und nachts in mehr oder weniger lebhafter Bewegung. Eichen- und anderes Yaub wird jehr gern ge- freffen, ein junger Sperling dagegen, den Hed verjuchsweife feinen Kufus in den Käfig jegen fieß, wurde nicht angerührt. Man darf die Tiere alfo wohl für ausgejprochene Pflanzenfrefjer halten. Weißlinge müfjen ziemlich häufig jein, da fienicht ganz felten lebend eingeführt werden. Den in Tasmanien lebenden Dunkeln Fuchsfufu, das Dunkle Dpofjum der Pelzhändler, T. v. fuliginosus Og., fehildert Goulds Sohn in einem Briefe an den Vater jehr anfchaulich, mit Humor und nicht ohne einen Hauch von Heimmehpoejie. „Sch lag da, ihaute zum Mond und den Sternen empor, dachte an die Heimat und hörte traumverloren das Feuer fnijtern. Da jtört aus der Höhe ein teuflifches, fchnatterndes, grunzendes Lachen mich auf, und ich entdede ein rauchichwarzes Opofjum, das mich von jeinem Aft herunter betrachtet und feine Slofjen über mich macht. Sein Ruf wird von anderen erwidert, und e3 beginnt eine Art von Konzert, welches mit Zwifchenpaufen die ganze Nacht fortgejeßt wird...” Gould (Vater) verbreitet fich zunächjt über die Berfchiedenheit des auftraliichen Feitlands- und de3 tasmanifchen Opofjums und hebt dabei hervor, daß auch das lettere grau gefärbt jein fann wie das eritere, daß der Pelz des tasmanischen dichter und mwolliger und ein aus ihm gefertigter Schlafrod dreimal joviel wert ilt. Sn den Tierhandel kommt das Dunkle Opofjum nicht viel feltener als das gewöhnliche graue; ich habe e3 aber bis jeßt immer nur in der dunfeln, an Bruft und Baud) rötlichen, am Schwanze ganz jchiwarzen Färbung gejehen. 174 2, Drdnung: Beuteltiere. Familie: Pletterbeutler. Auch der Furzohrige Hundsfufu, Trichosurus caninus Og. (Taf. „Beuteltiere IV‘, 4, bei ©. 163), wird lebend eingeführt, it 3. B. im Hamburger Garten al3 Gejchenf irgend- eines Kapitäns oder Schiffoffizierz fait jtet3 anzutreffen. Sn jeiner biologischen Sonderart al3 ausfchließlicher Bewohner der „brushes“ und „scerubs“ von Neufüdmwales wurde er bereit3 oben gefennzeichnet, in der Gefangenschaft benimmt er fic) genau jo wie der Gemöhnliche Kufu. Den Soala oder Beutelbären, Phascolarctus cinereus @Goldfuss, den einzigen Ber- treter der Unterfamilie der Beutelbärartigen (Phascolarctinae), Haben auch die jcharfen Spitematifer unjerer Tage bis jet nicht in mehrere Arten zerfpalten können. Die ver- gleichenden Anatomen weijen ihm an feiner Zangenhand, deren Finger zivei zu drei ein- ander gegenüberjtehen, und an jeinen breiten Bacdzähnen mit ihren vier jpigen Hödern und den Davon ausitrahlenden Bogenfalten mehrfache Beziehungen zu den Wideljchwanz- Phalangern nach, die ja, wie oben jchon angedeutet, die Ausgangsformen der größeren Kletterbeutler zu fein fcheinen. Anderjeit3 vereinigt ihn Winge fowohl wegen Shnlich- feiten im Außeren, in der plumpen, fcehwanzlofen Geftalt, al auf Grund folcher im Schädel-, Gebiß- und übrigen Leibesbau mit dem Wombat (Gattung Phascolomys), der bei Thomas nicht nur eine bejondere Unterfamilie, wie der Stoala, jondern gleichzeitig neben den Stletterbeutlern und Känguruhartigen eine dritte Familie, Die der nagetier- artigen Beuteltiere in der Unterordnung der Yweivorderzähner, bildet. Alfo Beziehungen verjchiedener Art und nach verjichiedenen Richtungen: hier vorbereitend auf einen bei einer anderen Gattung (Phascolomys) noch weiter getriebenen Zuftand, dort jelbjt eine Weiter- bildung von einer urjprünglicheren Ausgangsform (Pseudochirus) her! Der jchwanzloje Leib ift gedrungen, der Kopf jehr did, Furzichnauzig, das Maul mit Badentafchen verjehen, das Ohr groß und bujchig behaart; die an Border- und Hinter- gliedmaßen fünfzehigen Pfoten bilden wahre Greiffüße. An den vorderen find die beiden inneren Sehen den Drei anderen entgegenjegbar; die Hinterfüße Haben einen ftarfen, nagel- lojen, aber ebenfalls gegenjeßbaren Daumen und in der Größe jehr ungleiche Zehen, die mit fcharfen, langen und gefrümmten Nägeln bewaffnet und jomit zum Stlettern jehr geeignet jind. Sm Gebif fallen die ungleichen oberen Schneidezähne, unter denen der erite der größte und ftärkite ijt, die Heinen Edzähne und die mehr höderigen Mahlzähne auf; von erjteren zählt man oben Drei, unten nur einen, von Lüczähnen einen, bon DBaczähnen vier in jedem Sliefer, während Eczähne nur im Oberfiefer vorhanden find. Der Name „Beutelbär” it bezeichnend; denn wirklich Hat der Koala in der Geftalt wie in feinem Gange und in der ganzen Haltung entjchiedene hnlichfeit mit einem jungen Bären. Seine Länge beträgt etwa 60 cm, die Höhe am Widerrifte ungefähr die Hälfte. Der Gejamteindrud ift ein eigentümlicher, Hauptfächlich wegen des dien Kopfes mit den auffallend rauhbehaarten, weit auseinander ftehenden Ohren, den fleinen Augen und der breiten und ftumpfen Schnauze. Die Behaarung ift fehr lang, fat zottig und dicht, Dabei aber fein, weich und mwollig, das Geficht längs des Nafenrüdens und von der Schnauze bi3 zu den Augen beinahe nadt, die Behaarung der Aufen- und Innenfeite der Ohren und die des übrigen Leibes um fo dichter, die Färbung der Oberfeite rötlich afchgrau, Die der Unterjeite gelblichweiß, die der Außenfeite der Ohren fehtwarzgrau. DOftauftralien von Queensland bi3 Victoria ift die Heimat des Beutelbären. Paarweife, mit jeinem Weibchen, bewegt er fich auf den höchiten Bäumen mit einer Langjamfeit, Koala. SE A 2 7 Hundsfufu. Roala. 175 die ihm auch den Namen „Auftralifches Faultier” eingetragen hat. Was ihm an Schnellig- feit abgeht, erjegt er reichlich durch die unglaubliche Sorgjamfeit und Sicherheit, mit der er Hettert, und die ihn befähigt, felbit die äußerften fte zu betreten. Nur Höchit jelten, jedenfalls bloß gezwungen durch den Mangel an Weide, verläßt er die Baumfronen und wandert über den Boden, womöglich noch lYangjamer, träger und unbehilflicher als auf den Üften, zu einem andern Baume, der ihm neue Nahrung verfpricht. Er ift ein halb nächtliche Tier, wenigitens verjchläft er die größte Helle und Hibe des Tages tief verjtedt in den Stronen der Gummibäume, die jeinen bevorzugten Aufenthalt bilden. Gegen Abend beginnt er feine Mahleit. Nubig und unbehelligt von den übrigen Gejchöpfen der Wild- nis, mweidet er äußerft gemächlich die jungen Blätter und Schößlinge der Afte ab, indem er fie mit den Vorderpfoten fejthält und mit jeinen Schneidezähnen- abbeißt. Syn der Dämmerung jteigt er wohl auch zuweilen auf den Boden herab und wühlt hier nach Wur- zeln. Sn feinem ganzen Wefen und Treiben offenbart er einemehr alS gewöhnliche Stumpf- heit. Man nennt ihn ein überaus qutmütiges und friedliches Tier, das nicht jo leicht in Erregung zu bringen ift und fchweigfam feinen Gejchäften nachgeht. Höchitens dann und warn läßt er feine Stimme vernehmen, ein Dumpfes Gebell, welches bloß, wenn er jehr hungrig ijt oder Hartnächg gereizt wird, in ein gellendes, fchrilles Gejchret übergeht. Yon Schreien des Männchens zur Brunftzeit it weiter unten die Nede. Bei großem Horn farnn e3 wohl auch vorkommen, daß er eine wilddrohende Miene annimmt. Aber es ijt nicht fo Schlimm gemeint; Denn er denft faum daran, zu beißen oder zu fragen. Stumpf- jinnig, wie er ilt, läßt er jich ohne große Mühe fangen und fügt jich gelajjen in das Un- bermeidliche, jomit auch in die Gefangenfchaft. Hier wird er nicht nur bald fehr zahm, jondern lernt auffallenderweije auch rajch jeinen Pfleger Fennen und gewinnt jogar eine gewilje Anhänglichfeit an ihn. Seine Speifen führt er mit den Vorderpfoten zum Maule, wobei er ji) auf das Hinterteil fest, während er fonft- die Stellung eines fißenden Hundes annimmt. Gould erzählt vom Koala: „Während meiner Zweijahrswanderung in Auftralien mar ein Teil meiner Zeit und Aufmerffamfeit auf die Tierwelt der dien und üppigen Bujc- dicichte gerichtet, die fich längs der Südoftfüfte vom Sllamwarra (füdlich von ShHoney) nad) Korwen bis zur Moretonbucht (bei Brisbane) eritreden. Sch verbrachte auch einige Zeit in den Zederndidichten der Gebirgsgegenden des Inneren, bejonders derjenigen, die an Die befannten LiverpooF-Ebenen angrenzen. Dort findet jich der Kioala überall, wenn auch nirgends jehr zahlreich: ein Pärchen, manchmal mit einem einzelnen Jungen, Tann man, wenn man nur fleißig jucht, in jedem Walde erlangen. Cr lebt jehr verborgen, und ohne die Hilfe der Eingeborenen wird man ihn zwifchen dem dichten Blattiwerf der großen Cufalypten jelten entdeden. Während des Tages ijt er jo verjchlafen, daß es jchwer ift, ihn aufzumweden und von feinem Nuheplat zu vertreiben. Die meiner eignen Ylınte zum Dpfer fielen, eriviefen jich äußerft lebensz3äh, Hammerten jich an die Yweige an, bis der legte Zebensfunfe aus dem Ktörper entiwichen war. ©o jchiver e3 für den Europäer jein mag, einen Soala im Schatten feines Zufluchtsortes zu entdeden, das jcharfe, geübte Auge des Eingeborenen findet ihn rajch, und ebenjo rajch fällt er ven fchiweren, mächtigen Sleulen zum Opfer, die gegen ihn mit der denkbar größten Treffjicherheit gejchleudert werden. Diefe Naturfinder ejjen fein Fleifch, nachdem fie es auf diejelbe Weife gebraten haben, wie das des Dpojjums und der anderen Bufchtiere.” Am Schlufje jagt Gould noch: „Gleich- wie nur zu viele andere größere Säugetiere Auftraliens, wird diefe Art ficher allmählich 176 2. Drdnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. jeltener und Schließlich ausgerottet werden.“ Der alte Stlafjifer der auftraliichen Tierfunde ahnte aljo vor beinahe einem halben Jahrhundert jchon, was uns jest Sllaatjch und Hart- meher bejtätigt haben: die unabwendbare Yustottung der Beuteltierwelt gerade in ihren merkwürdigiten Vertretern. | Bei Semon gehört der Beutelbär zu den „erjten Erfahrungen im Bufch”. Er jchreibt darüber: „Auf einem hohen Eufalyptus jahen wir den größten lebenden Baumbeutler, den Beutelbären, ‚native bear‘ der Stolonijten, jigen. Bemerfenswert ijt die Berfümmerung des Schiwanzes, die ihn von den meilten anderen Beuteltieren unterjcheidet und bei einem Baumtier befonders auffallend it. Betrachtet man aber die langjamen, bedächtigen Be- megungen des Tieres, jteht man, wie es beim Stlettern nur immer der fortlaufenden Straße, d. h. den Berzweigungen der Ate folgt und fich an fie mit feinen jcharfen, fräftigen Krallen anklanımert, nientals aber frei von At zu Wit |pringt, jo wird einem flar, Daß es des Schwan- zes nicht bedarf, der bei Baumtieren als Balancier- und Schwungapparat beim Springen und Hinüberjchwingen von At zu At dient. Jr diefer Beziehung erinnert Phascolaretus an die Yaultiere und wird auch) von einigen als aujtralifches Faultier bezeichnet.“ Cbenjo- gut fönnte man ihn mit einigen jchwanzlojen oder furzihmwänzigen Halbaffen (Botto, Blunp- und Schlanflori) vergleichen, die auf ähnliche lanajame Weife mit bedächtigen, aber feiten $Slammergriffen Schritt für Schritt Hettern. Über die Lebenszähigkeit berichtet unfer Forjcher weiter: „Mein Schuß veriwundete das Tier; im Fallen gelang es ihn aber, mit den Border- pfoten einen jtarfen Ait zu ergreifen und jeinen Sturz aufzuhalten. ©o hing e3 eine Weile frei an den Vorderfüßen und verjuchte vergeblich, die Hinterfüße nachzuziehen und jich ganz auf den Alt zu Schwingen. Da ich jeden Augenblid erwartete, e3 würde herabfallen, zügerte ich, einen zweiten Schuß abzugeben. Frank (Semons Begleiter) unterrichtete mic) aber über die Zebenszähigfeit und Straft diejer Tiere und fagte mir, fie könnten verwundet in diejer Stellung viele Stunden fich feithalten, ehe jie vor Erfhöpfung und Schwäche herabfielen. Mein zweiter Schrotichuß verwundete den Kopf und das linfe Borderbein. Eine Weile hing das Tier noc) allein am rechten Borderbein, dann jtürzte es jchiver herab und jtarb wenige Minuten darauf. E3 war ein jtarfes, voll ausgewachjenes Weibchen, das ein etiva halbjähriges Junges von 20 em Länge auf dem Rüden trug. Das arme Tierchen fammerte jich mit feinen fcharfen Strallen an feine tote Mutter an und wollte jich Durd)- aus nicht losreißen lajjen. ch dachte daran, es mit in mein zu errichtendes Lager zu nehmen und dort großzuziehen. Am nädhiten Morgen aber fand ich, daß es nachts den erfaltenden Störper feiner Mutter verlajjen hatte und entwichen war.” Später jammelte Semon noch mehr Material vom Beutelbären für jeine entwice- ungsgejchichtlichen Arbeiten und machte dabei auch weitere jchäßbare Beobachtungen über das Leben des Tieres. „Der Beutelbär ijt wohl zu kräftig und wehrhaft, um den Angriff der NRaubvögel oder der räuberischen Beutelmarder (Dasyurus) fürchten zu müjjen, und wohl auch zu groß, um leicht ein pajjendes Berjted zu finden. Er verbirgt fich, wenn er nicht äjt, einfach im Ajtwerf und ift, folange er jich unbeweglich Hält, bei jeiner unjchein- baren grauen Färbung auch gar nicht leicht zu jehen. Übrigens ift er feineswegs aus- Ihliehlich ein Nachttier; jehr Häufig jah ich ihn bei Tage in den Eufalyptusbäumen herum- Hlettern, wobei er die an den Flußufern ftehenden blue gum zu bevorzugen jcheint. Denn ic) fand ihn fajt nur in der Nähe der Flußufer oder auf den Bäumen an den Rändern tehender Gemäjjer.“ gu Vorjtehendem liefern „The Living Animals of the World“, worin das Slapitel Koala: Lebensweife. Fortpflanzung. 7X über die Beuteltiere von dem trefflichen Kenner Saville-Sent gefchrieben ijt, in anjchau- fiher Schilderung jehr wertvolle Ergänzungen. „AUnftatt fich in hHohle Bäume oder Spalten zu dverfriechen, wie die Opojjums und anderen Phalanger das tun, drückt fich der Feine ‚Bär‘ einfach feit an den At, auf dem er fitt, und indem er Kopf, Ohren und Gliedmaßen in eins zujammenzieht, verwandelt er jich in eine anjcheinend ganz gleichartige, rundliche Mafje von Pelz oder Moos und fchläft, jo unfenntlich gemacht, in Frieden. Aus einiger Entfernung fann tatfächlih nur ein geübtes Auge jolchen jchlafenden Bären von einem der runden, holzigen Ausmwüchje oder Bündel miltelartiger Schmarogergewächje unter- jcheiden, die in jedem Gummibaumhain ganz gewöhnlich vorfommen. Auf diefe Weife ihafft jich das Keine Tier Sicherheit vor Angriffen feiner Feinde, indem es die charafte- itiichen Eigentümlichfeiten feiner Umgebung nachahnt, wie das bei den Snjeften und anderen niederen Tierklajjen ja ganz allgemein ift. Eine genau entjprechende Schlafitellung nimmt übrigens, beiläufig gejagt, ein afrifanifcher Halbaffe, der Potto, ein... „Bemerkenswert ilt, daß im Gegenjaß zum Männchen der weibliche Sloala nur jelten bei hellen Tageslicht in Bewegung beobachtet wird. Wie bei den eigentlichen Bhalangern, wird die Nahrung hauptfächlich des Nachts aufgenommen oder während der furzen aujtrali- ichen Siielichtitunden. Während das Männchen zu bejtimmten Zeiten, bejonders in den Monaten März und April, über Tags fich viel nicht nur fehen, fondern auch hören läkt, verbringt das Weibchen den ganzen Tag oder den größeren Teil als untätige, fchlafende Mafje an einem pafjenden Aite hHängend... ‚Bärenjchiegen‘ in Auftralien ift daher ein jehr traurige Weidmannspergnügen, wie aus der Befchreibung von Wejen und Gewohnheiten des Tieres jchon entnommen werden fan. &3 mag ferner bemerkt werden, daß, wer einmal eines der wehrlojen einen Gejchöpfe Frank gejchoffen hat, faum geneigt fein dürfte, Diejes Experiment zu wiederholen. Den Schrei eines verwundeten Ktoalas hat man nämlich jehr treffend mit dem eines mißhandelten Kindes verglichen; nur ijt er nod) rührender. Wenn tödlich getroffen, bleibt e3 auch häufiger al8 andere Tiere fopfunter feit hängen, wie das amerikanische Saultier, und geht jo dem Säger häufig verloren. Bei den nicht jentimentalen auftraliihen Kürjchnern it aber nach dem Stoalabalg wegen feines weichen, Fraufen, ajchgrauen PBelzwerk3 unglücdlicherweife große Nachfrage, weil man daraus, das muß man zugejtehen, ganz eigenartig hübjche und warme Deden machen fann, wenn man den breiten, runden Kopf und die Biüjchelohren unverlegt erhält.“ Das Weibchen wirft bloß ein Junges. E3 fchleppt Ddiejes, nachdem e3 dem Beutel entmwachjen ijt, mit fich auf dem Rüden oder den Schultern herum. Das Junge Hammert jich feit an den Hals der Mutter an und jieht teilnahmlos in die Welt hinaus, wenn die Alte mit anerfennenswerter Vorjicht in den Kronen der Bäume umherkfettert. Über Fort- pflanzung und Jungenpflege berichtet Semon: „Zur Brumftzeit fchreien die Männchen mit weit jchallenden, jchluchzenden Lauten, meiltens abends und nachts, zuweilen aber auch am hellen Tage. Die Brunftzeit beginnt am Burnett Ende Oftober für die früheiten Eremplare. Erjt Mitte bis Ende November fand ich aber die Mehrzahl der Weibchen trächtig. Das Junge trägt die Mutter ein ganzes Jahr lang mit fich herum, bis jie im näcdjiten Jahre wieder trächtig wird. Wenn es einige Monate alt ift, wird ihm der Beutel zu dauerndem Aufenthalte zu Hein, und e3 beginnt neben der Muttermilch auch andere Nahrung zu nehmen. &3 wird dann von der Mutter auf dem Nücden herumgejchleppt, fehrt aber anfangs noc) jedesmal, wenn Gefahr droht, in den Beutel zurüd.“ Die Europäer fennen den Koala erjt jeit dem Sahre 1803. Der-erjte, und unjeres Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 12 178 2. Ordnung: Beuteltiere, Familie: Sletterbeutler. Wilfens einzige, lebende Stoala Fam im April 1880 in den Londoner Garten. „Viele Ber- juche”, berichtet Der Sekretär der dortigen Zoologijchen Gejellihaft, „ind von Freunden und Korrefpondenten der Oejellichaft in Auftralien gemacht worden, Gremplare diejes Tieres in die Gefangenschaft einzugemwöhnen; aber alle jind bis jebt fehlgefchlagen. Das vorhandene Eremplar, das von einem Händler in London gefauft tft, wurde glücklich Herübergebracht durch Fütterung mit getrocneten Eufalyptusblättern...” Diejes Ausfunftsmittel erfcheint recht probat, doch dürfte e8 auf Die Dauer auch faum geholfen haben; denn man hat weder bon längerer Xebensdauer diejes Londoner Erftlings noch von fpäteren Einführungen etivas gehört. Solche ift auch dem eifrigen Tierpfleger Seth-Smith nicht gelungen, der vor einigen Sahren eine Neife nach Auftralien machte, um eine Sonderausftellung auftralifcher Tiere für den Londoner Hoologischen Garten zufammenzubringen; er hat aber bei diejer Gelegen- heit doch einige Hübjche, wiedergebenswerte Beobachtungen an Stoalas machen fünnen. Sm Melbourner Tiergarten fah er einen einzelnen, der in einem TFafanengehege auf einem lebenden Eufalyptusbaum ja — wie in der Freiheit: nach Berjicherung des Direktors die einzige Möglichkeit, ein jolches Tier wenigftens einige Zeit am Leben zu erhalten. Allzu- fange leben Beutelbären auch fo gewöhnlich jelbjt in der eignen Heimat nicht. Eine hoch- erfreuliche Ausnahme machte ein Paar, das Seth-Smith auf ein Zeitungsgefuch aus Dueens- land exhielt: in demjelben Käfig, in dem das Weibchen bereits nicht weniger al fünf Jahre gelebt hatte. Der Vorbejtiter hatte es mit drei Monaten erhalten und beiden immer ihr natürliches Futter, Gummibaume- und Tibaumblätter, gegeben. Waijer tranfen fie niemals, zumal jie ihre Blätter angefeuchtet erhielten. Dagegen nahmen fie jehr gerne etwas reinen, trocdnen Lehm, der ihnen einen um den andern Tag aus der Hand angeboten wurde, und ebenjo waren fie jehr begierig auf Schwarze Piefferminzfügelchen, während fie fich aus Hguder gar nichts machten. Sie Tiebten ftarfe Gerüche, wie Kampfer, Cufalyptusejjenz und Kelfenöl. Der Bileger gebrauchte derartiges öfters gegen Zahnjchmerzen, und wenn er dann füttexte, fehnüffelte die Alte immer nach dem DI, wollte die Flafche aufreigen und anbeifen. Seth-Smith war ganz entzüct von der Zutraulichfeit und Gutartigfeit feiner Beutelbären. „even Morgen famen fte ihn ans Gitter entgegen, Kletterten ihm durch die geöffnete Käfig- tür auf die Schultern und waren glüclich, geliebtoft und herumgetragen zu werden. Troß- dem waren fie aber jehr furchtfam und drüdten jich feit an ihren Heren, wenn ein Fremder nahefam. Auf die Erde gejegt, war ihr einziger Gedanke, einen Anhalt zu finden, um wieder in die Höhe zu Klettern. Gewöhnlich juchten fie fich dazu Seth-Smiths eigne Beine aus und zmwickten ihn oft nicht Schlecht mit ihren mächtigen Klauen. Sie hingen fehr aneinander, und wenn nur eines aus dem Käfig genommen wurde, gebärdete fich Das andere wie unfinnig. Um jie an ein Reifefutter zu gewöhnen, gab Seth-Smith ihnen Brot mit Milch: fie nahmen e3 bereitwilligft und fchienen fich Dabei wohlzubefinden; allerdings wurden die Pfeffer minzpläßchen nicht vergeffen. Auch auf der Geereife ging e3 noch vierzehn Tage gut; dann aber — ob ihnen num das fältere Wetter an der Siüdfüfte Tasmaniens nicht befam oder das Sutter — fiechten beide dahin und waren binnen vier Wochen tot. Geth-Smith meint, mit einem Schnelldampfer umd einem Vorrat von Eufalyptusblättern im Kühltaum würde man mehr Erfolg Haben. Wer weiß? Ob twir bei der eilends fortjchreitenden Ausrottung überhaupt noch darauf rechnen dürfen, einen Yebenden Koala zu fehen? Das Londoner Eremplar wurde Damals von dem befannten Tierzeichner Wood im „Field“ abgebildet, und neuerdings folgten Diejer erften Abbildung nad) dem Leben mehrfache photographiiche Aufnahmen in Auftralien jelbjt, die das Yangjame, träge Tier wohl ohne befondere Schwierigfeiten Koala: Fofiille Verwandte. 179 gejtattet. Ebenjo bemwerfitelfigte der auch in unjerer Einleitung zu den Beuteltieren erwähnte auftraliiche PhHjiolog Sutherland feine Meffungen der Körperwärme beim SKoala jehr einfach in der Weife, daß er jeine VBerfuchstiere auf ihren Futterbäumen anleinte und, fo oft nötig, Herunterzog. Am Boologifchen Garten zu Melbourne Yäht man die Noalas im Bertrauen auf ihre Sehhaftigfeit überhaupt ganz frei, ohne daß fie jemals daran dächten, bon den großen Gummibäumen der Anlagen zu entwijchen; freilich haben fie unter diefen Umftänden, die ja ihrem Freileben genau gleichen, wohl faum das Gefühl der Gefangen- Ichaft. Gummibaumblätter jind aber Grundbedingung, und es it anjcheinend noch nicht einmal gleichgültig, von welcher Eufalyptusart fie fommen. Das Londoner Eremplar wollte die Blätter des fogenannten „blauen Gummibaumes”, der im dortigen Botanischen Garten viel fultiviert wird, gar nicht frejien; diefer Gummibaum jftammte allerdings aus Tasmanien. Da3 Tier nahm vielmehr ausjchlieglich Die Blätter des großen, fogenannten weißen, und de3 Sumpfgummibaumes. — Sn den Belzhandel fommt das Fell des Koalas wohl nur wenig. Der „aujtraliihe Bär” („native bear‘ der Kürjchner) it in der Hauptiache der Wombat. Wie die jüdamerifanifchen Faultiere, jo hat auch der auftralifche Beutelbär riefen- hafte vormweltliche Verwandte, die ihn mit der nächititehenden Beutlerfamilie der Gegen- wart, den Wombats, verbinden, und weiterhin finden wir mittel3 ausgejtorbener Gattungen auch den Übergang von den Sletterbeutlern zu der legten großen Beuteltierfamilie, den Springbeutlern oder Känguruhartigen. Da ift zunäcdhit ein großer fofiiler Beutelbär aus den Pleiftozänfchichten Dueenslands, der im Jahre 1889 entdedte Koalemus ingens de Vis, der dem lebenden jehr nahe zu jtellen, nur als Gattung von ihm zu unterjcheiden it. Da ift ferner, wenigjtens noch zur großen amilie der Bhalangeriden, den Stletterbeutlern im weitelten Sinne, gehörend und eben- falls aus dem Pleiltozän von Queensland, aber auch von Neufüdmwales und Victoria, der Beutellüme (Gattung Thylacoleo), der von feinem Entdeder, vem Elafjiichen engliichen Paläontologen Sir Richard Owen, für einen Naubbeutler gehalten und carnifex (D. h. fleijchfreffend) genannt wurde. Spätere vergleichende Unterjuchungen von Flower, den würdigen Nachfolger Dwens, an dem tatjächlich Lömwengrofen Schädel jtellten jedoch das Gebiß al3 weit abweichend von dem aller Fleifchfrejjer feit: ein Paar große, jcharfe Schneidezähne dicht nebeneinander in der Mittellinie und auf jeder Seite oben und unten ein mächtiger, zu einer Schneidenden Kante zufammengedrücdter Lüczahn, alle übrigen Zähne verihwunden oder verfümmert. Der fcherenartige Lüczahn jieht ja wohl nad) dem Neif- zahn eines Raubtieres aus; bei genauerer Betrachtung erweilt er fich aber viel ähnlicher dem entjprechenden Yahne der Känguruhratten, die neben den eigentlichen Känguruhs die ziveite Hauptabteilung der Springbeutler bilden. Man nimmt daher jest nicht mehr an, daß der Beutellüve ein Großräuber im eigentlichen Sinne gemwejen jei, wenn er auch, wie heute noch die Kusfus, Eeinere Tiere, die er zufällig in feine Gewalt befam, nicht verjchmäht haben mag; fondern man denft ihn ji als Pflanzenfrejier, der zwijchen feinen mächtigen Scherenbaczahnpaaren große Wurzelfnollen und holzige Zweige wie in einer NRübenfchneidemafchine zerkleinerte. Auch fonft erjcheint Durch die auffallend Kleine Hirnhöhle des Schädels das Maß von Intelligenz ausgejchlojjen, wie es zur Bewältigung größerer Beutetiere gehört, während die Saufähigkeit durch Kräftige Entwicelung der Sochbogen und aller anderen für den Anja der Kaumusfeln in Betracht fommenden Schädelteile aufs befte gewähnleijtet war. 12* 180 9. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Kletterbeutler. Eine Familie für fich bildet die Niejengattung Diprotodon: von dem Körperumfang eines großen Nashorns, aber noch bedeutend höher auf den Beinen. m den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts entdedte Stirling im Lake Mulligan, einer trodnen Saß- fagune ungefähr 600 englische Meilen nördlich von Adelaide, Hunderte von vollitändigen Sfeletten einige Fuß unter der Oberfläche. Er erklärt dies jo, daß während einer Trodenheit eine große Herde der Tiere auf der Suche nach Wafjer hineingeraten und im Schlamm ver- junfen fei, „wie die heute noch dem Bieh im Nowen Hundertweije pafjtert”. Zähne jind, wie bei den Känguruhs, oben 3 Baar, unten 1 Paar Schneidezähne vorhanden, Feine Gczähne, und die Baczähne von den Vorderzähnen durch eine große Küde getrennt. Das mitteljte obere Schneidezahnpaar, das der Gattung und Familie den Namen gegeben hat, it jehr groß, meißel- fürmig, nur vorm mit Schmelz überzogen und mächjt lebens- länglich weiter, wie bei den Nagetieren: eine Eigentümlichkeit des Gebiljes, die wir beim Wombatimaus- gedehnteiten Maße und auch bei den Klän- guruhs wiederfinden werden. Das einzige u untere&Schneidezahn- Schädel eines fofjilen auftralifhen Niefenbeutler3 (Diprotodon). Al3 Größenmaß ı jtab ift ein Menfchenfchädel beigefügt. Aus E. Ray Lantefter, „Extinet Animals“, London 1905. paat il ebenfalls jehr Ü N j) v {) „ groß,geradevdormärts gerichtet und Dadurch ebenfall3 Fänguruhähnfich, unterjcheidet fich aber durch fait walzen- fürmigen Umriß von den mehr platten, jpatelfürmigen Unterjchneidezähnen der tänguruhs. Die Füße jind fünfzehig und waren im Leben entweder mit Hufen oder wahrjcheinlich mit jtarfen, breiten Stralfen verjehen. Sm allgemeinen vermittelt Diprotodon den Übergang zwifchen den Phalangeriden und einer zweiten, etwas fleineren Niejenbeutlerform, dem Nototherium, das jeinerjeit3 wieder Beziehungen zu den Phascolomyiden (Wombats) hat, diefen in Schädel, Gfiedmaßen und Wirbeln fich jehr nähert, während der Unterkiefer eine Mittelform darftellt und die Badzähne denen von Diprotodon ähneln. Nototherium fennzeichnet fich auf den erjten Dlid durch feinen äußerft kurzen, breiten Schädel mit der jonderbar aufgemworfenen Vtafen- gegend. Die Zähne find an Zahl diejelben wie bei Diprotodon, aber die Schneidezähne nicht befonders groß und meißelartig. Die gefundenen Gliedmaßenfnochen, die man dem Nototherium zufchreibt, gleichen fehr denen des Wombatz, ftammen vielleicht auch wirklich bon der Niejenform eines folchen. Wenn fie zu Nototherium gehören, muß diejes troß jeiner Riejengröße ein höhlengrabendes oder mwenigften3 ein im Erdboden mwühlendes Tier gewejen fein. Die Baczähne Yafjen fich nach ihrem Bau Teicht in den mehr fpeziali- jierten Typ bei den Wombats überführen, jo daß man diefe und die Nototherien von einer gemeinjamen Stammform ableiten möchte. Gattung Diprotodon. — Plumpbeutler: Wombat. 181 Damit find wir bei den PBlumpbentlern oder Wombatartigen (Samılie Phasco- lomyidae) angelangt, zu denen der hier zu nennende Phascolonus gigas Owen, ein tapirgroger, ausgejtorbener Wombat, ebenfalls aus dem auftralifchen Pleiftozän, unbedingt gerechnet werden muß. Er unterjcheidet fich von der lebenden Gattung nur dadurch, daß die oberen Schneidezähne größer find als die unteren. Thomas jtellt in jeinem Beuteltierfatalog die Wombats ganz gleichwertig neben die großen Gruppen der Känguruhartigen und der PBhalangerartigen al3 dritte Familie der Unterordnung der Zweidorderzähner und gliedert dieje dadurch, mit anderen Worten gejagt, in die drei Typen der Springbeutler, Stletterbeutler und Grabbeutler; denn die Wombats ind ausgefprochene Erdgräber. Weber in feinem Säugetierwerf vereinigt fie dagegen nach dem DVorgange de3 dänischen Anatomen und Shitematifers Winge mit den Beutelbär- artigen, und es fällt tatfächlich jchon bei oberflächlicher Betrachtung auf, wie jehr im ganzen Gepräge ihrer äußern Erjcheinung Wombat und Soala übereinjtimmen; beide erjcheinen jo ähnlich, wie Fetternde und grabende Verwandte nur jein fünnen. Sonjt jehen wir heute in den Wombats die nagerartigen Beuteltiere: „angepaßt an ein Gräber- und Wurzelfrejjerleben”, jagt Thomas. hr Bau ijt in hohem Grade plump, der LZeib jchwer und did, der Hals jtarf und Furz, der Kopf ungejchlacht, der Schwanz ein Kleiner, fajt nadter Stummel; die Ghedmaßen jind furz, humm, die Füße fünfzehig, bewehrt mit langen, jtarfen Sichelfrallen, die bloß an den Hinterdaumen fehlen, die Sohlen breit und nadt, die auf den Hinterdaumen folgenden Zehen zum Teil miteinander verwachjen. Sehr auffallend it daS Gebif, weil die vorderen breiten Schneidezähne, von denen je einer in jedem tiefer jteht, Nagezähnen entjprechen. Außer ihnen finden jich oben und unten je ein Lüczahn und je 4 lange, gefrümmte Baczähne. 13—15 Wirbel tragen Rippen, 4—6 find rippenlos; das Ktreuzbein zählt 4, der Schwanz 12—16 Wirbel. Die Weichteile find durch einen Blinddarm mit Wurmfortjab ausgezeichnet. Das erite Wombatmaterial, was nach Europa fam, jtammte von einem Wrad bei der slinderöinjel der Furmeaurgruppe in der Baßjtraße; Gouverneur Hunter von Neufüidivales ichiete eS 1798 zur wiljenschaftlichen Unterfuchung nach England, und Bemwid nahm das neue Tier 1800 als Didelphys ursina (bärenartige Beutelratte) in feine „Naturgejchichte der Bierfüßer” auf. Bereits in den jechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Hat dann die Frage, wieviel Wombatarten zu unterjfcheivden find, die vergleichenden Anatomen und Shitematifer Englands und Auftraliens jehr erregt; Thomas erfennt in feinem maß- gebenden Beuteltierfatalog, dem wir folgen, nur drei Arten an. Der Tasmanifche Wombat, Phascolomys ursinus @. Cuv. (wombat; Abb., ©. 182), erreicht gegen 95 cm an Länge und hat kurze und gerumdete Ohren. Die Färbung it ein geiprenfeltes, dunfles Graubraun, das dur) die an der Wurzel dunfelbraunen, an der Spige zumeijt jilberweißen, hier und da aber jchivarzen Haare hervorgebracht wird. Sehr ähnlich, aber größer, it Mitchell3 Wombat, PhascolomysmitchelliOwen, die gewöhnliche Urt aus Neufüdmwales, Bictoria und Süpdauftralien. Früher hieß jie Ph. platyrhinus Owen, latifrons Gould. Lebterer Name (er bedeutet breitjtirnig) paßt dem Sinne nach noch bejjer auf die dritte Art, den Breitjtirnwombat, der jich tatjächlich Durch bejonders breite Stirn auszeichnet; deshalb hat ihn Owen ebenfalls Ph. latifrons genannt, und bei diejem Namen ijt aljo wohl auf den beijtehenden Autor zu achten. Außerdem unterjcheidet fich der Breitjtirnwombat durch behaarte Nafe, weshalb er bei Gould lasiorhinus heißt. 182 2. Ordnung: Beuteltiere Familie: Blumpbeutler. Der Breititirnwonbat, Phascolomys latifrons Owen, ijt gleichfal® meiit etwas größer als der Tasmanifche Wombat, reichlich 1 m lang, fein Haar weicher als bei den Ber- wandten md von licht mausgrauer Färbung. Ginzelne dunflere, fahlbraun und rötlich- braun gefärbte Haare jtehen zwijchen den übrigen und verleihen dem Pelz einen rötlichen Schimmer. Ein led über dem Auge, ferner Hals, Bruft und Innenfeite der Borderglieder find weiß. Die großen, vorjtehenden Ohren endigen in eine ziemlich fcharfe Spite. Der Breitftienwonmbat hat jo viel Ubweichendes, daß man ihn als Untergattung gelten laffen fönnte. Angas Fennzeichnet die Unterjchieve jehr treffend, da er im Botanischen Garten EM) AN | une] Na, A \\\ \N VAN | + \ 1 \/ IRTAU TAN FE NN /} kA IIND, if | Tasmanifher Wombat, Phascolomys ursinus G. Cw. (linf3), und Breitftirnwombat, Ph. latifrons Owen (vedtö). Yg natürlicher Größe. zu Adelaide beide Formen nebeneinander beobachten fonnte. „Das Fell der legteren (tasmanischen) ijt fehr rau und grob, von einem dunfeln, fprenfligen Grau; die Ohren ganz Hein, außen jchwärzlichbraun, innen weißlich; die Naje beinahe Schwarz und mehr sugeipist als bei dem eriteren (Breitjtirn); fie gibt dem Geficht einen Ausdrud, der etwas an den Stoala erinnert, während der andere (Breititien) frech, buldoggähnlich ausiteht ver- möge der größeren Breite des Gejichtes und der Weite feiner Nüftern. Die allgemeine Er- Iheinung des tasmanischen Wombats ift mehr bärenähnlich: im Stehen Frümmt er den Rüden beträchtlich und hält den Kopf nicht fo hoch; zudem ift der Ausdrud des Auges entjchieden wild, und das fehlt dem gutmütigen Blinzeln der jüdautralifchen Art.“ Tasmanien und die Infeln der Bafftraße find die Heimat der erjten Urt, Südauftralien die des Tegterwähnten Verwandten; Mitchell Wombat findet fich in Neufüdmwales, Victoria Breitftirnwombat und Verwandte, 183 und Siüdauftralien. Alle Arten leben in dichten Wähern, graben fich hier weite Höhlen und fehr tiefe Gänge in den Boden und verbringen in ihnen jchlafend den ganzen Tag. Exit nachdem die Nacht vollitändig eingetreten ift, Humpelt der Wombat ing Freie, um Nahrung zu fuchen. Diefe bejteht zumeijt aus einem harten, binjenartigenn Grafe, das weite Streden überzieht, jonjt aber auch in allerlei Kräutern und Wurzeln, welch letere durch Fraftvolles Graben gewonnen werden. lle Arten der Gattung fcheinen in ihrer LZebensiweije fich zu gleichen, und das von dem einen Gejagte wird auch für den andern gelten. Der Wombat jieht noch unbehilfficher aus, als er ilt. Seine Bewegungen find langjam, aber jtetig und kräftig. Ein jo ftumpfjinniger und gleichgültiger Gejell, wie er it, läßt jich nicht leicht aus feiner Ruhe bringen. Er geht feinen Weg gerade und unauf- haltfam fort, ohne vor irgendeinem Hindernis zurüczufchreden. Die Eingeborenen er- zählen, daß er bei feinen nächtlichen Streifereien oft wie ein rollender Stein in Wafjer- tinnen falle, an deren Ufern er trabt, dann aber, ohne fich beirren zu Yajjen, in der einmal genommenen Nichtung auf dem Boden des trochnen Bettes fortlaufe, bis er irgendiwo wieder freie Land gewinne, auf dem er dann mit einer Gleichgültigfeit feinen Weg fort- jee, als hätte e8 niemals ein Hindernis für ihn gegeben. Gefangene, die ich beobachtete, fajjen mir jolche Erzählungen durchaus nicht fo unglaublich ericheinen, wie man meinen möchte. &3 hält wirklich jchwer, einen Wombat irgendwie zu erregen, obgleich man ihn unter Umftänden erzünen fan. ©o viel ijt jicher, daß man ihn einen Troßfopf ohne- gleichen nennen muß, fall man es nicht vorziehen will, feine Beharrlichkeit zu rühmen. Was er fic) einmal vorgenommen hat, verjucht er aller Schwierigkeit ungeachtet aus- zuführen. Eine Höhle, die er einmal begonnen Hat, gräbt er mit der Ruhe eines Weltweijen hundertmal wieder aus, wenn man jie ihm verjtopft. Nach Angabe der auftralijchen Anfiedler ift er Höchit friedlich und läßt fich, ohme Unruhe und Ürger zu verraten, vom Boden aufnehmen und wegtragen, wird dagegen ein nicht zu unterichägender Gegner, wenn ihm plößlic einmal der Gedanke an Abwehr durch feinen Duerfopf jchiet, weil er dann wütend und in gefährlicher Weife um fich beißt. Sch Fann diefe Angabe beitätigen. Ge- fangene, die ich pflegte, benahmen fich nicht anders. Namentlich wenn man ihnen die Füße zufammenfchnürte oder fie auch nur an den Füßen padte, zeigten jie jich jehr erboft und bijjen, wenn ihnen die Sache zu arg wurde, jehr herzhaft zu. Aus Gouds Schilderung des Tasmanifchen Wombats, der die vorjtehenden Angaben über das Freileben entlehnt find, wäre noch nachzutragen, daß das Tier jelten weit von jeiner „Feitung” fich zu entfernen traut und beim Erfcheinen irgendeines „Störenfrieds“ ichleunigft dahin zurücflüchtet. Gould zitiert dann noch andere Gewährsmänner über den Tasmanishen Wombat, zuerit Baf, der die Stimme de3 wütenden, gereizten Tieres als einen „tiefen Schrei zwwifchen einem zijchenden und jchtoirrenden Ton, den man nicht weiter al3 30 oder 40 Yard3 (Ellen) hört”, bejchreibt. Baß verfolgte eines diejer Tiere, hob es don der Erde auf und legte e3 auf feinen Arm, wie man ein Kind trägt. E3 machte feinen Lärm oder irgendeine Anftrengung, zu entwijchen, nicht einmal einen Berfucdh. ©eine Haltung war fanft und unbewegt, und e3 zeigte feine Unruhe, obwohl es im Verlaufe des Marjches von einer Meile oft von Arm zu Arm wandern mußte und manchmal auch über die Schulter gelegt wurde. Wenn Bab aber jo weit ging, jich das Tier durch Zufammenjchnüren der Beine fichern zu wollen, während er e3 losließ, um ein Stüd einer neuen Hobart zu jchneiden, dann wurde e3 gereizt, zijchte, jtrampelte und fragte wütend und biß mit feinen mächtigen Schneidezähnen ein Stüd am Ellbogen aus Mr. Baß’ Rod heraus. ebt war 184 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Plumpbeutler. jeine Laune verdorben, und es fie fich nicht wieder bejänftigen auf dem ganzen Wege bis zum Boot, hörte nur auf zu ftrampeln und fich zu frräuben, wenn e3 ganz erjchöpft war. Tach Bak find beide Gejchlechter beinahe gleichgroß, Doch erwies jich das Weibchen, fo oft das Gewicht feitgejtellt wurde, als jchwerer: bei den Beuteltieren der einzige und bei den Säugetieren überhaupt ein feltener Fall! &. Bennett hebt die große Tiefe der Wombatbaue hervor und erzählt von einem zah- men Exemplar, das auf einer Zarın zu Been in der Tumat Country gehalten wurde, daß e3 fich nicht fehen Tieß, bis es Dunfel war, und dann mit Vorliebe die Milchbottiche vifitierte. Kenn Ddiefe zugededt waren, wußte der Wombat die Dedel zu entfernen, um fich in der Milch zu baden und zugleich davon zu trinken. Er ging auch gern in den Heinen Gemüfe- garten und fuchte dort den Salat auf, für den er eine große Schwäche hatte. Wenn man ihn nirgends fand, Inabberte er ficher an den Salatjtrünfen, ohne die Blätter zu berühren. An einem anderen Stüde machte Sir Everard Home bemerkenswerte Beobachtungen. „&3 wühlte fi) in die Exde, fo oft e8 Gelegenheit dazu hatte, und verjchwand jo mit einer überrajchenden Geichwindigfeit... E3 war jehr empfindlich gegen Kälte: eine Eigentünt- lichfeit, die man den auftralifchen Tieren fonft im allgemeinen nicht nachjagen Fan.” &3 fraß alle mögliche Pflanzenkoft, war aber befonders gierig auf friiches Heu, das es Halnı für Halm fraß, indem es Ddieje in Heinen Stüden zum Munde führte wie ein Biber. An Sntelligenz fehlte es diefem Wombat nicht, und er fchien anhänglich an diejenigen, die er gewohnt war, und die ihn gut behandelten. Wenn er dieje feine Freunde jah, legte er ihnen die VBorderpfoten auf Die Sinie, und wenn man ihn dann aufnahm, wollte er auf dem Schoße fchlafen. Er ließ fich von Kindern herumziehen und fchleppen, und wenn er fie wirklich einmal biß, jo geichah dies nicht in Angjt oder Wut. Wie jedes andere Tier, jo ejjen die auftraliichen Schwarzen auch den Wombat; jein sleijch Tteht- aber Dem der Känguruhs weit nach. Gould hat es auch probiert, fand es aber immer zäh, mit einem Mojchusgeruch, nichts weniger al3 wohlichmedend. Die Chinejen Dagegen, die Schon zu Gould Zeiten im füdlichen Auftralien fich feitgefegt Hatten, ver- Ihmähten das Wombatfleifch nicht. Bon deutjchen Forjchern ift Semon dem Wombat viel nachgegangen und hat nament- lich feine Höhlenbauten genauer unterfucht. „Der Wombat ift in dem bergigen jüdöftlicheren Zeile von Auftralien jomwie in Tasmanien nicht felten, fcheint aber die Nähe des Menjchen zu fliehen. Wenigjtens befanden fich alle Wombatbaue, welche ich auffand, im Herzen des wenig betretenen Urwaldes. Sr den (auftraliichen) Alpen liebt der Wombat bedeutendere Höhen und ijt ziwifchen 1400 und 1600 m am häufigjten. Er legt in größeren Gejellichaften jeine Baue an. Sch habe an mehreren Orten auf weite Streden den Boden von Wombat- bauen durchwühlt gefunden, doc) nie einen vereinzelten Bau angetroffen. Sm bezug auf das Terrain, in welchem der Wombat feinen Bau anlegt, fcheint er recht wählerifch zu jein; ich Habe die Baue ftet3 nur in rotem Lehm, niemals aber in fandigem, fteinigem oder humusreihem Boden gefunden. „Die ausgedehntefte Wombatanfiedelung traf ich etwa 15 km mwejtlich von dem Punkte, wo der Snowh Creek in den Mitta-Mittafluß mündet. &3 ift an jener Stelle ein Iehmiger, mit Hochtwald bededter Bergrüden von Wombatbauen derart unterminiert, daß es uns nur mit großer Schtwierigfeit gelang, unfere Pferde über jenen Bergrüden Hinüberzufchaffen, fie brachen fortwährend in die leicht angelegten Baue ein und waren faum vom Fled zu bringen. Sch ließ den Verfuch machen, einen der Gänge bis an fein Ende zu verfolgen Wombat: Baue. Fortpflanzung. Entwidelungsgefchichte. Gefangenleben. 185 und eventuell den darin vermuteten Wombat auszugraben. Der Boden mar recht weich und, abgejehen von den zahlreichen Wurzeln, die abgehadt werden mußten, war e3 leicht, den jeichten Gang bloßzulegen. Derjelbe erjchien vielfach und unregelmäßig gewunden, jenfte jich aber nirgends unter 0,66 bis höchitens 1 m unter die Oberflähe. Der Gang war ungefähr 0,25 m breit und ebenfo hoch. Nach einem Verlaufe von etwa 3 m verzmweigte fich der Gang, und dem einen der Ajtgänge folgend, famen wir bald zu weiteren Ver- zweigungen und jchlieglich in ein fürmliches Labyrinth von vielfach verzweigten Gängen. Bir trafen auf zwei größere, von den Gängen jeitlich abliegende, mit trodnem Grafe und mit Blättern ausgepoliterte runde Höhlen von Brotlaibform, die über 1 m breit waren. Dies waren offenbar Schlafpläbe des Wombats, aber jie waren leer. Der eine der Pläbe war noc warn, jo daß wir annehmen mußten, der Wombat habe fich zurücdgezogen. Die Erfolglofigfeit unjerer Arbeit einjehend, bejchlojfen wir, den Verfuch zu machen, die Tiere auszuräuchern. An mehreren der Eingänge wurde Feuer gemacht, allein fein Wombat fam hervor, wohl aber fahen wir, daß aus einigen, ziemlich entfernt iegenden Eingängen Nauch Herausfam. 3 Fann alfo feinem Zweifel unterliegen, daß die von den zahlreichen Löchern hinabführenden Gänge miteinander — teilmeije menigjtens — in Verbindung find. „Bei einer andern Gelegenheit juchte ich die Tiere durch zwei Heine Hunde aus ihrem Bau vertreiben zu lajjen. Die Hunde ftürzten fich eifriajt in den Bau, und gleich darauf ertönten Die fonderbariten und lächerlichjten Geräusche unter unferen Füken. Das war ein Fauchen, Bellen, Heulen und Zijchen, welches bald von diejer, bald von jener Seite zu fommen jchien. Wir beobachteten alle Zöcher in unferer Nähe, allein fein Wombat fanı hervor. Nac) einiger Zeit fam einer der Hunde arg zerzauft an die Oberfläche; er war an mehreren Stellen gebiljen worden. Den andern Hund habe ich nie wieder gejehen.‘ Sn eriter Linie zu entiwidelungsgejchichtlichen Zwecen nach Auftralien gereift, hat Semon natürlich auch über die Fortpflanzung Näheres mitzuteilen: „Das Weibchen des Wombats bringt mehrere Junge zur Welt. Die Eingeborenen verjicherten mich, man fände in der Regel zwei, jelten drei, aber niemals mehr Junge im Beutel des Weibchens. Nach anderen Angaben joll der Wombat 3—5 Sunge zur Welt bringen. Die Jungen find, wenn jie geboren werden, etwa nußgroß, jedocd) Scheinbar — nad) den Ausjagen der Ein- geborenen — höher entwidelt als die neugeborenen Klänguruhs. Sedenfalls find die Heinjten Wombatjungen, die ih in Mufeen gejehen habe, bedeutend höher entmwidelt als Die Heinjten Känguruhjungen. Obwohl das Wombatweibchen der Placenta entbehrt, jo ver- mitteln doch die Niejenzellen der anftogenden uteriellen und embryonalen Hautpartien eine direfte Verbindung zwifchen dem Embryo und der Mutter, wodurch) der erjtere ernährt wird.“ Über den Breitjtiontwombat, den er den haarnafigen (Ph. lasiorhinus) nennt, bringt Gould lange Zitate von Angas. „Das Exemplar im Adelaider Botanijchen Garten war etwas über ein Jahr vorher beim Gamler River ungefähr 30 Meilen nördlich von Ade- laide gefangen worden. &3 wird in einer Umzäunung an jtarker Stette und Halsband ge- halten, damit e3 nicht Durch Wühlen entwijchen fanır; es it vollfommen zahm und ver- jucht nie zu beißen, wie der gewöhnliche Wombat. &3 wird mit Stlete und Kraut gefüttert und trinkt nach Belieben Wafjer. Der einzige Laut, den e3 von fich gibt, it ein kurzes, tafches Grunzen, wenn es beläjtigt wird. Ein gut Teil des Tages verjchläft es, zu einem Ball aufgeroltt, die fleifchfarbene Nafe zwijchen die Vorverpfoten gejtect, und jcheint un- empfindfich gegen Hite und Negen. m wilden Zujtande ijt e3 ein ausgeprägter Exrd- gräber, der in großen Höhlen in den Salfiteingegenden lebt und feinen Bau exit gegen 186 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Plumpbeutler. Dunfelmerden verläßt, um Nahrung zu juchhen. E3 fiegt gerne auf dem Nüden wie ein Bär, gräbt fich drei oder vier Fuß tief in den weichen Boden feiner Umzäunung und fraßt dabei abwechjelnd mit den Vorderpfoten. Wenn geärgert, bietet e3 dem Feinde das Hinter- teil, ımd plöglich fich umdrehend, macht e8 einen Angriff auf feine Beine, offenbar zu dem Bmwede, ihn miederzumerfen; jonjt ift e3 vollfommen harmlos. &3 Yäuft für eine furze Strede fchnell in einer Art Galopp; aber bald ermüdet e3 und wird leicht gefangen. Ob- wohl in einigen Teilen der Stolonie, namentlich auf der Morfes-Halbinfel und um Port Lin- cofn, die Höhlen diefer Wombat3 fjehr zahlreich find, fieht man die Tiere doch nur felten. Viele der ältejten Solonijten jagten mir, daß fie niemals einen lebenden Wombat gejehen hätten. Sie (die Wombats) find äußerit Schwer zu erlangen wegen ihrer großen Furchtfams- feit. Die gewöhnliche Tangart ift, einen Schirm don Zweigen in der Nachbarjchaft ihrer Schlupfwinfel zu machen, hinter dem die Eingeborenen jich verbergen. Wenn nicht auf dem led tot, Frabbein jte (die Wombats) noch nad) ihrer Höhle Hin, wo es fchlechtewdings unmöglic) ijt, fie Herauszutreiben.“ Wie die meilten auftralifchen Tiere, hält auch der Wombat bei uns in der Gefangen- Ichaft vortrefflich aus. Bei quter Pflege und geeigneter Nahrung jcheint er fich fehr wohl- zubefinden, wird dann auch leidlich zahm, d. h. gewöhnt fich infofern an den Nenjchen, daß man ihm gejtatten darf, frei im Haufe umherzulaufen. Auf Tasmanien foll er der gewöhnliche Genojje der Tilcher fein und wie ein Hund zwilchen den Hütten umberlaufen. Kac) Liiten, die die Tiergärtner Schmidt und Bolau über die Lebensdauer ihrer Pfleg- Iinge in der Beitjchrift „Der Zoologische Garten” veröffentlicht Haben, lebten Wombat3 in Hamburg über 11 und 12 Jahre; in Frankfurt a.M. hielt einer jogar über 141% Jahre aus, lebte bei Aufitellung der Lijte (1878) noch. Bei uns zulande ernährt man den blöden, geiltig teilnahmlojen Gefellen mit grünem Futter, Möhren, Rüben, Früchten, örnern und Getreide ohne Mühe, und wenn man ihm etwas Milch geben will, verjchafft man ihm einen bejondern Genuß. Albert Geoffron Saint-Hilaire berichtete im Jahre 1862 für den „Hgool. Garten” über ein neu angejchafftes Wombatpaar im Parifer Jardin d’acelimatation: „Männchen und Weibchen vertrugen fich anfangs ziemlich Schlecht, Heute bejjer; doch trennen wir fie immer nocd) des Nachts. Diefe Wombats find aber durchaus feine fo eifrigen Grabtiere, wie wir erivartet hatten. Sie haben mächtige Strallen, aber jie gebrauchen fie nicht zum Wühlen. Sie fragen allerdings zumeilen den Najen auf, aber nur, um den Boden ihrer Lagerjtätte zu erneuern. Außerdem finden jie einen befondern Gejchmad am Wajfer, baden und wälen fich viel darin.” Schmidt-Franffurt fommt in einem größeren Auffage über die Über- winterung auch auf den Wombat zu fprechen. „Der Wombat fehien im Herbite durch die unfreundliche Witterung unangenehm berührt zu werden, weshalb er zur Überwinterung in das Zöwenhaus gebracht wurde, wo er nun fchon zweimal die rauhere Jahreszeit verlebt hat. Er wurde zu Anfang April wieder in feinen Behälter im Freien verjfeßt und weiß troß feiner mehr nächtlichen Zebensweife die Wohltat des warmen Sonnenfcheine3 gar wohl zu windigen; denn er verläßt in der Regel gegen Mittag feine Höhle, um fich einige geit von allen Seiten zu fonnen, worauf ex fich wieder bi3 zuc Dämmerung zurüdzieht.‘ Ein 1906 im Frankfurter Garten lebender Wombat „läuft jedem nad, nicht nur dem Wärter. Er Läht ji auf den Arm nehmen und alles mit fich machen. Beim Freilaufen im Garten heut er vor den Geelöwen, deren Behälter er nicht gern nahefommt.” sm Hamburger Zoologifchen Garten brachte man einen Breitftirnwombat „mit einem Springbeutler: Greiffußhüpfer. 187 Aguti zufammen. Er fürchtete fich anfangs vor dem feinen Tiere, jchloß jedoch jpäter mit ihm innige Freundjchaft und Tief es fich gern gefallen, wenn fein Genojje, Wärme juchend, jich dicht an ihn fchmiegte, ja ich fürmlich unter feinem Leibe verfroch.“ Sn England hat man breitjtirnige und andere Wombats zur Fortpflanzung gebracht und dabei beobachten fünnen, daß das Weibchen 3—4 Junge wirft und fie, wenigjtens jo- lange fie noch im Beutel jich befinden, mit großer Sorgfalt und Liebe pflegt und erzieht. Yuc al3 Pelztier wird der Wombat neuerdings verwendet; er geht auf den großen Nauchwarenverjteigerungen als „auftralifcher Bär” („native bear“). Braß jcehreibt darüber in jeiner „Neuen Belzwarenzeitung” (1908): „Während Die Felle frühernurgu Deden verarbeitet wurden und einen Wert von 6—8 PBence hatten, wurden jie dor einigen Jahren, nament- ih in Amerika, für Pelzfutter und dergleichen verwendet und jtiegen im Werte bis zu 3 Schilling das Stüd. Sm Sahre 1906 famen etwa 250000 Felle zum Erport nad) Europa. Hierzu fommen noc die nach Amerika direkt verfandten und die in Auftralien jelbjt verarbeiteten Felle.” Die Pelzzufuhr wird eben immer magerer, und au" muß alles, was Haare hat, jie lajjen! Sn der legten Familie der pflanzenfrejfenden Beuteltiere oder Yweivorderzähner ver- einigen wir die durch ihr Gebiß und durch ihre meistens jehr eigentümliche Oejtalt gefenn- zeichneten Springbentler oder Kängurnhartigen (Macropodidae). m obern Stiefer finden ich regelmäßig 3 Schneidezähne, unter denen der vordere am größten ijt, aber nur ausnahmsmweije ein Eczahn, im Unterkiefer ift nur ein breiter, meißelföürmiger Schneide- zahn vorhanden und fehlt der Eczahn ftet3; außerdem zählt man 2 Lüc- und 4 Bad- zähne in jedem Kiefer oben und unten. Der vordere Lüdzahn geht frühzeitig verloren; ein Zahnmechjel findet bei allen Arten ftatt. Die Springbeutler bewegen jich, ihrem Namen entjprechend, meijtens hüpfend vorwärts; einige Arten verjtehen e3 indejjen, Bäume zu erffimmen. Sn Übereinftimmung mit ihrer Fortbewegungsart find ihre Hinter- beine beträchtlich länger al die vorderen und befigen, während dieje alle fünf Zehen haben, durchweg nur deren vier, da die erite Zehe, die Daumenzehe, allen Mitgliedern der Jamilie mit Ausnahme einer einzigen Gattung und Urt (Hypsiprymnodon moschatus) fehlt. Die vierte Hinterzehe ift fehr groß und ftark befralft; ähnlich, jedoch jchmwächer, ijt die fünfte ent- wicelt, während die zweite und dritte jehr dünn und miteinander verwachjen find. Der lange Schwanz ift nur bei der ebengenannten Art Hypsiprymnodon moschatus nadt, bei allen übrigen behaart und zumeilen mehr oder weniger zum Greifen oder Wideln geeignet. Der Magen ift fakförmig, ein Blinddarm vorhanden, der Beutel groß und nach vorn geöffnet. Der Einteilung der Beuteltiere von Thomas folgend, verteilen wir die zwölf Gattungen der Familie, deren Berbreitungsfreis der der Unterordnung ift, auf drei Unterfamilie, die wir al3 Greiffußhüpfer, Känguruhratten und Känguruhs unterjcheiden. Die Unterfamilie der Greiffußhiüpfer (Hypsiprymnodontinae) bildet eine Art Über- gang von den Hetternden zu den hüpfenden Beuteltierformen dadurch, daß fie hinten eine entgegenjtellbare Daumenzehe (Abb., ©. 188) hat, und mußte deshalb in der vorjtehen- den allgemeinen Befchreibung der Familie fchon als Ausnahme erwähnt werden, aud) wegen ihres abweichenden nacten, fchuppigen Schwanzes. „Diefe Unterfamilie enthält nur eine einzige Art und nimmt eine jolche Mitteljtellung zoifchen den Macropodidae und Phalangeridae ein, da& beträchtliche Zweifel obwalten, welcher Zamilie fie zugemiejen 188 3. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. werden muß.” So meint Thomas, der fich aber Doch durd) das fänguruhartige Merkmal einer tiefen Grube Hinten und außen am Unterkiefer bejtimmen läßt, während er zugleich anerfennt, daß der allgemeine Bau der Zähne, der Hinterfüße und des Schwangzes jo jehr denen gemifjer Phalangeriden ähneln, daß dadurd) die Trennung zwijchen beiden Familien viel weniger feharf und bejtimmt wird, al3 man gemeinhin glaubt. Der Greiffußhüpfer oder das Mojchusfänguruh, Hypsiprymnodon moschatus Rams., ilt Hein, vattenförmig, etwa 41 cm lang, wovon 16 auf den nadten, fchuppigen, nach der Spibe zu dinneren Schwanz fommen. Die rumden Ohren find groß, dünn und nackt, die Hinterbeine nicht viel länger al3 die vorderen. Die Hinterfüße haben eine lange, den übrigen Zehen entgegenjtellbare Daumenzehe, jind alfo echte Greiffüße oder Hinterhände. An diefer Daumenzehe fehlt die Stralle, Die übrigen Hinterzehen haben gleichgroße Strallen; Die Strallen der Vorderfüße jind Hein und zart. Der Pelz ijt dicht und famt- artig, auf Düfterem Grunde roftig-orangegrau gejprenfelt, am meijten auf dem Rüden, weniger am Bauche, faum wahrnehmbar am Stopfe und an den Gliedern. Die Beine und Füße find braun, leßtere bis auf die Dberjeite der mittleren Hinterzehe nadt. | Über das in Queensland heimijche Tier jchreibt Ramfay: „Sch traf 5 diefen in hohem Grade beachtensmwerten und abjonderlichen Beutler zuerst im Januar 1874 während eines Bejuches des Herbertflufjes, mo er die dichten und feuchten Striche der Bufchwälder bewohnt, die die Flüjje einfajjen und die Abhänge der Küftengebirge jener Gegend befleiden. Das Tier iit feineswegs felten, jedoch jeiner zurüdgezogenen KXebensweije und der Dichten Bemwaldung feiner Aufenthaltsorte wegen zu allen Zeiten Fünfzehiger Hin- IKhmwer zu erlangen. Seiner LXebensweije nach ijt e3 im großen und Fuhouofers ar ganzen ein Tagtier, und feine Bewegungen find bei Gemütsruhe Feines- pryınodon mosehatus yegs unzierlich; es jchreitet fajt auf diefelbe Art wie die Känguruhratten ee vorwärts, denen es nahe verwandt ift; aber e3 bejchafft feine Nahrung as gonson 1055 Dutch Ummenden der Pflanzenreite auf dem Waldboden, wo es In- jeften, Wiirmer und Wurzelfnollen fucht, Häufig Balmbeeren (Ptycho- sperma alexandrae), die e3, auf den Schenfeln jißend, nach Art der Kufus in feinen Vorder- füßen hält, verzehrt oder zumweilen gräbt wie die Beuteldachfe. Mehr al3 eins oder zwei zujammen werden felten gefunden, wenn fie nicht von den Jungen begleitet werden. Sm März 1874 erhielt ich von S. Broadbent ein Weibchen mit zwei Jungen im Beutel, die jehr Hein waren und jungen Beuteldachjen ähnelten. Während desjelben Monats wurde ein halbiwüchfiges Junges in Gefellichaft eines erwachjenen Männchens und Weibchens ge- ihoijen. Die Tiere werfen offenbar während der Regenzeit, die von Februar bi3 Mai dauert.” Den strengen Mojchusgeruch haben beive Gejchlechter; doch fcheint er beim Weibchen noch jtärfer al3 beim Männchen zu fein. Lebend haben wir das Tier in Europa noch nie gejehen, jogar in den Mufeen ift eg eine Seltenheit. * Die Heinen Springbeutler der zweiten Unterfamilie, die vier Gattungen und neun Arten umfaßt, nennt man Känguruhratten (Potoroinae). Sie ähneln den größeren Greiffußhüpfer Känguruhratten. 189 Bertvandten jehr, unterjcheiden jich aber außer der geringen Größe durch die langen Nägel an den Mittelzehen der Vorderglieder und hauptjächlich durch das Gebiß, das im Dpberfiefer immer Ecähne, meijtens in guter Ausbildung, befißt. Die Unterfamilie it auf das Feltland Auftralien und Tasmanien bejchränft. Die Gattungen und Arten unterjcheiden jich bei genauer wiljenjchaftlicher Unterfuchung durch Schädel- und Zahrımerfmale leicht, äußerlich am Lebenden Tiere aber jchwer. Da müfjen die genaueren Längen-, Form- und Behaarungsverhältniffe des Schwanzes helfen, und außerdem verwendet Thomas vielfach bei allen Känguruhartigen das „rhinarium”, Greiffußhüpfer, Hypsiprymnodon moschatus Rams. !/s natiürliher Größe. die Muffel, d. H. den mehr oder weniger unbehaarten und mit geförnelter Haut Überzogenen Bwifchenraum zwifchen den Nafenlöchern in feiner verjchiedenen Form und Ausdehnung. Bmei Gattungen fchliegen fich infofern den übrigen Beuteltierfamilien noch mehr an, al3 bei der einen (Bettongia Gray) der Schwanz angeblich greiffähig, bei der andern (Poto- rous Desm.) die Drtsbewegung weniger ausgeprägt jpringend it. Das jtüst natürlich die allgemeine Anficht, daß die fpringenden und erdbetmohnenden Beuteltiere von Elettern- den Baumbemwohnern abzuleiten find. Die dritte und vierte Känguruhrattengattung (Aepy- prymnus Garrod und Caloprymnus Thos.) haben nur je eine At; die leutere vereinigt Merkmale der drei anderen in fich, ijt aber gerade deshalb von Thomas in jeinem Sataloa abgetrennt worden. Die mehr oder weniger greiffchhvänzigen Arten hat man eben deswegen Opojjun- tatten (Bettongia Gray) genannt. Ihr Schwanz ift dicht behaart, und die Haare find 190 2. Ordnung: Beuteltiere. Yamilie: Springbeutler. oben länger alS unten; Dadurch entjteht eine Art „Bürfte”. Die Najenfuppe it ganz nackt und hat einen mittleren Ausläufer nach unten, der in einer Spibe endigt. Die Ohren find jehr Furz und rundlich; dadurcd erjcheint der Kopf im Stirnteil breit, und das gibt dem Känguruhrattenfopf ein vom Känguruhfopf verichiedenes Ausfehen. Thomas hebt noch bejonders hervor, daß die Opoffumratten die einzigen am Boden lebenden Tiere find, die doch einen Greifichwanz haben, und nimmt auf die Gouldfche Er- zählung und Abbildung Bezug, wonach die Tiere tatfächlic) Gras und Neifer mit dem Schwarze tragen. Die vier Arten B. cuniculus Og., B. gaimardi Desm., B. penicillata Gray und B. lesueuri Quoy et Gaim. erklärt er für fehr verjchieden und leicht bejtimmbar durch Schädel und Zahnmerfmale, aber äußerlich ausnehmend ähnlich. Eine der größten Arten der Känguruhratten it die durch ganz Auftralien, mit Aus- nahme des Außerjten Nordens, verbreitete Dpoffumratte, Bettongia penicillata Gray, ein Tier von Kaninchengröße mit fehr Furzen, runden Ohren und ziemlich Tangen Haaren. Die Farbe der DOberjeite ijt graubraun mit jchwarzer und weißer Sprenfelung, die der Unterjeite [hmußig weiß oder gelblich. Die Opofjunratte ift durch einen Kamm Yanger, jehwarzer, bujchiger Haare im Enddrittel des Schwanzes bejonders ausgezeichnet und im ganzen 67 cm lang, wovon auf den Schwanz 31 em gerechnet werden müjjen. Über Lebensweife und Betragen teilt Gould, der das Tier Serboa-flänguruh (Spring- maus-Känguruh) nennt, etiva das Nachitehende mit: „Gleich den übrigen Arten der Gattung gräbt fich die Opofjumratte eine Höhlung im Boden zur Aufnahme ihres dietwandigen Grasneftes aus, dejjen Ausjehen mit der Umgebung fo vollfommen im Einflange jteht, daß man e3 ohne die jorgfältigite Prüfung ficher überfieht. Der Plab wird regelmäßig ziwiichen Grasbüfcheln oder in der Nähe eines Bufches gewählt. Bei Tage liegt ein3 oder ein Baar der Tiere in jolchem Nejte, den Bliden gänzlich entzogen, weil e3 die durch das Ein- friechen entjtehende Offnung immer forgfältig bedeckt oder fchließt. Die Eingeborenen freilich Tafjfen fich nicht täuschen. Sie entdeden faft jedes Neft und töten dann beinahe immer die fchlafenden Bewohner durch einen Schlag mit ihrer Keule. Sehr merkwürdig it es, wie diefe Hivergfänguruhs das dürre Gras zu ihrem Nejte herbeifchaffen. E3 geichieht dies nämlich mit Hilfe des Schwanzes, der fehr greiffähig ift. Das Tier faßt mit ihm einen DBüfchel und fchleppt denjelben zum beftimmten Orte: wie fonderbar und befujtigend dies ausjieht, Tann man fich denken. Auch im Oefangenleben jchleppen fie ich in gleicher Weife die Stoffe zu ihrem Lager herbei; wenigjtens taten e3 einige, die der Earl of Derby unter möglichjter Berüdjichtigung ihrer Lebenserfordernifje in feinem Tierparfe zu Sinomsley hielt. sn Auftralien beherbergen die trodnen Ebenen und Hügel, die fpärlich mit Bäumen und Biüjchen beitanden find, unfere Tiere. Sie leben zwar nicht in Herden, aber doch in stemlicher Anzahl zufammen. Exjt nach Einbruch der Nacht gehen fie nach Futter aus. Sie äjen Gras und Wurzeln, welch Ießtere fie durch Ausgraben gewinnen, und zwar, danf ihrer Gejchickfichkeit, ohne Bejchwerde. Dem Säger verraten die ausgefcharrten Löcher unter den Büjchen ihr Vorhandenfein. Wenn fie bei Tage geftört werden, eilen fie mit über- tajchender Schnelligkeit irgendeiner fehlenden Exrd-, Fels- oder Baumhöhle zu und bergen fich hier gewöhnlich in ertwünfchter Weife.” Der zweite jchon oft hier angezogene Beuteltierfenner, Krefft, dagegen fchreibt: „Sie ift nicht jehr jchnell und Leicht zu fangen, fogar von gewöhnfichen Hunden. Sch Habe zeitweife Dpofjumratten. 191 einige gefangen gehalten in einer Umzäunung von 7 Fuß hohen Fichtenjtangen, die fie mit einer erftaunlichen Gewandtheit erfletterten; jo entwijchten fie mir oft. Am Tage fand ich fie jtets in eine Edfe geduct, feit Schlafend, den Schwanz zwijchen den Hinterbeinen nad) borne gelegt, den Kopf zwijchen den Pfoten.” Shortridge bejtreitet neuerdings (1906) die Greiffähigfeit des Schwanzes troß Der Ubwärtsfrümmung. Er fand diefe Känguruhratten mafjenhaft auf jeiner Sammelreije durch Weftauftralien und nennt fie „große Kehrichtfeger”, die nachts alle im Lager herumliegenden Broden aufjammeln. Dabei find fie wunderbar vertraut, fommen auf zwei Schritt heran, wen man ruhig fist, jo daß man ihnen einen Stocdjchlag verjegen fann. Scheu gemacht, find fie aber ebenjo eritaunfich rajch, wiljen Hafen zu fchlagen und den Hund derart zu äffen, daß ein folcher jie nachts nicht fangen fan. Am Tage it dies eher möglich, weil der Flüchtling dann geradeswegs dem näcjten Schlupf- winfel zujtrebt. Seine mejtauftralifche Bettongia ogilbyi Gould (penicillata) bildet Gould in feinem Prachtiverk rötlichgrau ab mit oben fchiwarzem, unten rotem Bürftenjchtvanz. Bon ihrem Leben erzählt er nach Gilbert: „Diefe Art fceheint in allen Teilen der Kolonie (Weftauftra- Tien) gleich häufig zu fein, aber doch eine gemilje Vorliebe für die Weikgummimälder zu haben. Sie macht fie ein Neft von trodnen Reijern oder fteifem, grobem Gras unter dem Schuße der überhängenden Grasblätter der Xantorrhoea oder unter einem Bündel trociner Grashalme oder Stengel; der Eingang liegt an einer Seite und ilt in die Länge gezogen in Form einer Röhre oder eines Vorraums. Wenn fie aus dem Nejte getrieben wird, nimmt fie ihre Zuflucht zu einem hohlen Baume oder Stumpf; wenn folcher nicht zu finden ift, macht fie einen langen Umweg, bevor fie zum Nejte zurückkehrt. Das Tier it eine bevorzugte Speife der Eingeborenen, die jehr fir im Entdecden des Neftes find und den Heinen Injaffen gewöhnlich jo erbeuten, daß fie einen Speer durch das Neft Schleudern und jenen am Grunde feftbohren, oder daß fie den Fuß daraufjegen und ihn tottreten. Das Tier findet fich_ regelmäßig paarweife und, wie bei den echten Känguruhs, wirft das Weibchen das Junge aus dem Beutel, wenn es verfolgt wird.” Bon Bettongia euniculus Og. erzählt Gould Zeichner Richter einiges über das Gefangenfeben im Londoner Garten: „Die B. cuniculus fcharıten eine große Menge Stroh ufw. mit ihren Vorderfüßen zufammen, jchoben es rücdwärts zmwijchen ihre Hinter- füße, ringelten den Schwanz herum und hüpften fo mehrere Stunden in der Nacht herum. B. eunieulus und ogilbyi haben beide die Fähigkeit, die Doppelzehe des Hinterfußes zu erheben, um fich am Ohr und anderwärt3 zu fragen. Im Streit gebrauchen fie die Zähne und Vorderbeine nur wenig; ihr Hauptangriff beiteht darin, daß jie fich auf Die Geite werfen umd jehr jchnell und Fräftig mit den Hinterbeinen ausfchlagen. Sn der Öefangen- ichaft haben fie eine bejondere Vorliebe für Brot und gezuderte Milch. Sie find jehr zahm; felten, daß fie beigen oder ängjtlich wären, wenn man fie anfaßt. Wenn jie einmal ängit- lich werden, ftoßen fie eine Reihe von furzen Zifchtönen aus. Die zwei Arten fcheinen jehr feindfich gegeneinander zu fein. Sie trinfen eine große Menge Wafjer, 2 oder 3 Unzen auf einmal, mit der Zunge lappend. Sie fchlafen ftet3 den Schwanz zwijchen den Hinterbeinen hervorgeftect und um den Kopf geringelt, der zur Erde niedergedrücdt wird. Wenn man ihnen viel reines Heu gibt, deden fie fich vollitändig damit zu, indem fie fich eine Art Neft davon machen.” Nach Lodeffer bewohnt dieje tasmanijche Känguruhratte das offene, jandige oder felfige Waldland der Iufel und vermeidet den dichten, feuchten Bufch. 192 2. Drdnung: Beuteltiere, Familie: Springbeutler. Über das Leben der füdmweftauftealifchen B. lesueuri Quoy et Gaim. (Taf. ‚„‚Beutel- tiere V’, 1) berichtet Gilbert: „Ste ift ein echtes Herdentier, viele haufen zufammen in ausgedehnten, verziweigten Höhlen mit verjchiedenen Eingängen, por denen die ausgemwühlte Erde große Hügel bildet. Die Öffnungen find nicht, wie gewöhnlich, einfach runde Köcher, iondern in Form don Tunnel3 mit jenkrechten Seiten ausgegraben, fo forreft wie mit dem Spaten. Diejfe Bauten werden gewöhnlich an der Uferbanf angelegt, die fic) am Bad) oder Fluß Hinzieht, und find fehr zahlreich Tängs beider Ufer des Avonflufjes. Jch machte mehrere Berjuche, fie aufzugraben; e3 mißlang mir aber jedesmal, weil die Bauten bis zu einer Tiefe von 6 oder 7 Fuß, manchmal noch tiefer angelegt find und einer in den andern übergeht in endlojer Verwirrung. Die Boor-dee (Eingeborenenname für das Tier) geht ausschließlich zur Nacht auf Nahrung aus, und wenn man fich zu Sonnenuntergang nahe bei den Eingängen zu den Bauten ruhig anjebt, fo fan man viele jchießen, entweder beim Ausfahren aus der Nöhre oder beim fen in der unmittelbaren Nachbarfchaft. Sie ift eines der jchädlichiten Tiere für den Garten des Anjiedlers, das in Weftauftralien vorkommt, weil jie jede Pflanzenart annimmt, bejonders Erbjen und Bohnen, und ich fenne feine Art von diejer Größe, die ein jo lautes jtampfendes Geräufch Hervorbringt, wenn fie aufgejtört über die Erde dahinhüpft. Außer diefem Geräufch mit den Füßen ftößt fie auch, im erjten Yugenblid, wenn jie abjpringt, eine ganz einzigartige Reihenfolge von Tönen aus, die ic) nicht glaube bejchreiben zu fünnen. Viele Eremplare, die mir die Eingeborenen brachten, waren ganz mibfarbig entweder durch ihre jchmusigen Röhren oder durch den lehmigen Boden, in dem fie gefangen waren. Ein bemerfenswerter Umjtand bei diefem Tier ift noch, daß Außerit jchwer Erempfare zu treffen find, deren Fell auf dem Nücden nicht mehr oder weniger abgejchabt wäre, und ich Habe oft Stüde gejchofjen, die auf einem Teile des Nüdens ganz haarlos waren. Db dies die Folge einer Krankheit oder äußerer Umstände ijt, Fan ich nicht jagen; aber die Felle mehrerer, die ich unterfuchte, hatten ein fehr ähnliches Aus- jehen wie die von räudigen Hunden.” Hier jcheint die nächjtliegende Erklärung, daß die Tiere jich einfach den Nüdenpelz abjchaben, wenn fie in ihren weitverzweigten Erdhöhlen hoppelnd umbherkriechen, daß dort häufige Beikereien ftattfinden, die Männchen die Weib- hen und fich untereinander verfolgen ufw. „Die Boor-dee ijt auf das Innere bejchränft, und abgejehen von den oben bejchriebenen Höhlenbauten, hauft jie manchmal auch zwischen den Feljen.” — Shortridge bejtätigt 1906 die Schilderungen der gejelligen Lebensweife, hebt gebührend hervor, daß Lejueurs Opoffumratte neben Ohrenbeuteldachs (und Wombat) das einzige wirklich höhlengrabende Beuteltier it, und vergleicht ihr Leben und Treiben treffend mit Dem in eimer Kaninchenanfiedelung. Sn dem zoologischen Teil des Berichts über die „„Horn Scientific Expedition to Central- Australia“ wird B. lesueuri von Spencer 1896 das „gemeine Sandhügel-Nattenfänguruh” genannt, „nach der Zahl und der Größe feiner Höhlen zu urteilen, vielleicht die gemeinfte Beuteltierform auf den Sandflächen und Sandhügeln... Dort jahen wir fie oft auch bei Tage, und fie hatte ung gar manchmal zum Narren, mit wunderbarer Yurtigfeit und Ge- wandtheit zwifchen dem Bufchwerf und den Stachelichweingrasbüfcheln auftauchend und tieder verjchhwindend.” Die Öattung Aepyprymnus mit der einzigen Art A. rufescens Gray, Rote Kängurup- tatte (Taf. „Beuteltiere V’, 2), aus Neufüdmwalez, ift, nach Thomas, gekennzeichnet Durch die behaarte Naje, die rötliche Farbe, die hinten fchwarzen Ohren und den weißlichen Beuteltiere V. 1. Südweitauitraliiche Opoiiumratte, Bettongia lesueuri Quoy et Gaim. U; nat. Gr., s. S. 192. — O. Heinroth - Berlin phot. 2. Rote Känguruhratte, Aepyprymnus rufescens Gray. 6. nät. Gr., s. S. 192. W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Zügelkänguruh, Onychogale frenata Gould. U/s nat. Gr., s. S. 216. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 4. Nagelichwanzkänguruh, Onychogale unguifera Gould. U/s nat. Gr., s. S. 218. — A. Ellinger-Frankfurt a. M. phot. Dpojjumratte. Rote und Steppenfänguruhratte. 193 Hüftitreifen, der aber jehr undeutlich it. Es ift die größte und Fräftigjte Känguruhratte, namentlich hat jie die jtärfjten Hintergliedmaßen. Jhr Haar it auch harjcher und boritiger als das ihrer Verwandten. „Sn der Farbe fann man die Gejchlechter nicht unterfcheiden, aber in der Größe: das Weibchen it etivas Feiner al3 das Männchen.” „Sch fand fie”, jagt Gould, „jehr häufig auf den jteinigen, öden Hügelfetten, die die Sragebenen de3 obern Hunter einfafjen, und in allen ähnlichen Landichaften. Sie macht jich ein warmes Weit, in dem jie tagsüber zufammengerollt liegt; das Nejt wird unter dem Schuße eines gefallenen Baumes oder etwas verfrüppelten Bufches angebracht.” Auch Semon hat die Note Känguruhratte beobachtet, und zwar am Burnett: „Sn hohen Sraje des offenen Bufches Hat die Känguruhratte, ‚Barunga‘ der Schwarzen, ihr halb- fugeliges, wohlgefüttertes Nejt, in das fie fich während der Tageshibe zum Schlafe zurück zieht, und in dem fie fich jorgfältig mit einem Grasdach zudedt. Exit nach Anbruch der Dumfelheit erhebt fie fich und äjt Gräfer, befonders aber Sinollen und Wurzeln, die jte mit den jcharfen Strallen der Vorderpfoten ausgräbt. Sie gleicht einem Känguruh im feinen und hüpft wie jenes in weiten, behenden Sprüngen dahin. Das Aufichlagen der Hinter läufe auf den Boden hallt wie ein Fräftiger Schlag durch die jtille Nacht, vernehmlich bei der Heinen Ratte, Yauter beim Wallaby, weithinfchallend beim jchiweren Känguruh. Wie oft habe ich diefe Laute auf meinem Feldlager vernommen, am häufigiten die Sprünge der dreijten Känguruhratten, die ungejcheut unmittelbar an meinem gelte vorbeihüpften. Ein paar flinfe Hunde fünnen das Tier leicht einholen. Bei der Hebe jah ich oft, wie Weibchen, die ein größeres Junges im Beutel trugen, ji) in höchit unmütterlicher NBeife desjelben entledigten und e3 den Hunden preisgaben, um rafcher zu entfommen. Niemals fand ich mehr als ein Junges. Wenn fcharf bedrängt, verfriecht ji die Känguruhratte in irgendein Berjtef, meijtens in einen der vielen hohlen Baumftümpfe, die überall im Bufch zerjtreut fiegen. Da fie aber doch ein ziemlich großes Tier ift, gelingt es ihr nicht immer, einen paffenden Unterjchlupf zu finden, auch fünnen ihr Kleinere Hunde dorthin nachkriechen und fie herausziehen.” Die Steppenfänguruhratte, der ebenfalls zu bejonderer Gattung erhobene Calo- prymnus campestris Gould, ift, nach Gould, an dem plumpen Kopf, der gelben Farbe an den Seiten und dem eigentümlich ftraffen Haarkleid leicht zu erfennen und von anderen Arten zu unterjcheiden. Nach Waterhoufe find die jteinigen und jandigen Ebenen im Irmern von Südauftralien, die teilweife mit Busch beffeidet find, ihre natürliche Heimat. Bei der Gattung Potorous Desm. (Hypsiprymnus) hebt Thomas neben der nadten NTaje ganz bejonderz die furzen Hinterbeine hervor, die durchaus nicht unverhältnismäßig länger find als die vorderen und fo tatfächlich eine tiefgehende Berjchiedenheit ausmachen. Denn die DOrtsbewegung fann davon nicht unbeeinflußt bleiben, und Thomas erklärt auch die Mitglieder diefer Gattung für „weit weniger fpringend al3 irgendwelche anderen Kän- guruhartigen”. Er jtüßt fich dabei auf Gould oder vielmehr auf Beobachtungen, die dejjen Beichner Nichter an Eremplaren des Londoner Gartens gemacht hat: „Obwohl dieje Tiere ebenjoviel auf den Hinterbeinen jtehen wie die Bettongien, laufen fie doch auf ganz andere Weife, in einer Art Galopp, bei dem fie die Vorderbeine ebenjogut gebrauchen als die hinteren; jie verjuchen auch niemals, mit den Hinterbeinen zu jchlagen.“ Die Arten P. tridactylus Kerr (murinus), P. gilberti GowWd, P. platyops Gould Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 15 194 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. find äußerlich Höchtt ähnlich und ändern auch in ihren Schädelmerfmalen fo beträchtlich ab, da eine fichere Bejtimmung nichts weniger als leicht ift. Die Eigentliche Känguruhratte, Potorous tridactylus Kerr (murinus, apicalıs, rufus), ift anihrem länglichen Stopfe, den Furzen Läufen und dem Rattenfchwanze zu erfennen. Shre Leibeslänge beträgt 40 cm, die Länge des Schwanzes 25 cm. Der Leib it kurz und unterjebt, der Hals did, der Schwanz lang, flach, ziemlich jtarf geringelt und gejchuppt und noc) jpärlich mit einigen funzen, jteifen Haaren bedect, zum Teil aber nadt. Der lange, Iodere, jchwacdh glänzende Pelz ift oben dunkelbraun, mit Schwarz und Blafbraun unter- mijcht, auf der Unterfeite Schmußig- oder gelblichweiß. Die Haare haben dunfle Wurzeln und die der Oberjeite jchwarze Spigen; zwifchen ihnen ftehen aber fürzere, gelbjpigige. Der Schwanz ijt an der Wurzel und oben bräumlich, fängs der Geiten und unten fchwarz gefärbt. gur allgemeinen Einleitung feiner Schilderung fagt Gould: „Das heife und trochne Klima des auftraliichen Feitlandes jcheint für die Gattung Hypsiprymnus nicht fo gut zu pajjen wie die feuchtere Atmojphäre von Bandiemensland, und daher ift auch H. murinus nur in den fumpfigen und dDumpfigen Teilen der Dicfichte von Neujüdmales einigermaßen häufig. Der Bezirk von Sllawarra an der Botant) Bay (bei Shydney), die Bufchniede- rungen an den Flüfen Hunter, Manning und Clarence find die Hauptpläge, wo man fich mit Erfolg nach ihr umfieht.‘ Die Staaten Neufüdwales, Victoria, Südauftrafien und Tasmanien find die Heimat diejer tänguruhratte. Sie fiebt Spärlich mit Büfchen bejtandene Gegenden und meidet offene Triften. Auf ihren Wohnplägen gräbt fie fich zwiichen Grasbüjcheln eine Vertiefung in ven Boden, Feidet diefe mit trocdnem Grajfe und Heu jorgfältig aus und verjchläft in ihr, gervöhnlich in Gejelljchaft anderer ihrer Art, den Tag; denn auch jie ift ein echtes Nacht- tier, das exit gegen Sonnenuntergang zum Borjchein fommt. Das Lager wird ebenjo gejchict angelegt wie das der bejchriebenen Berwandten. sn ihren Bewegungen unterscheidet fich die Känguruhratte fehr wejentlich von den Känguruhs. Sie läuft nach meinen eignen Beobachtungen ganz anders und weit leichter als dieje, mehr nach Art der Springmäufe, d. h. indem fie einen der Hinterfüße nach dem andern, nicht aber beide zu gleicher Zeit beivegt. Diejes Trippeln, wie man es wohl nennen fann, gejchieht ungemein rajch und gejtattet zugleich dem Tiere eine viel größere Gemwandt- heit, als die jaßweije jpringenden Kängurubs fie an den Tag legen. Die Hänguruhratte it ichnelf, behende, lebendig und gleitet und Hujcht wie ein Schatten über den Boden dahin. Ein geibter Hund fängt fie ohne befondere Mühe, der ungeübte Yäger ftellt ihr vergeblich nach, wenn jie einmal ihr Lager verlaffen hat. Sn diefem wird fie auch von dem Menfchen (eicht gefangen, da fie ziemlich feit jchläft oder ihren ärgjten Feind jehr nahe an fich heran- fonımen läßt, ehe fie aufipringt. Hinfichtlich der Nahrung unterjcheidet fie fich von den bisher bejchriebenen Verwandten. Ste gräbt hauptfächlich nach Knollen, Gemwächjen und Buzeln und richtet deshalb in den Feldern manchmal empfindlichen Schaden an. Seit dem Bejtehen der Tiergärten fommt die Känguruhratte nicht felten lebend nach Europa. Sie hält fich vortrefflich bei jehr einfacher Nahrung und bedarf durchaus feines bejondern Schußes. Eine mit Heu ausgepoffterte Kifte oder ein Feines Erdhäuschen genügt ihr; gibt man ihr feine Behaufung, jo gräbt fie fich felbft ein Yager und füttert diefes, wie in ihrer Heimat, jorafältig mit Gras, Blättern und Heu aus. Das Lager ift fajt Eugel- rund, oben enger als in der Mitte, jehr glatt ausgefleidvet und oben jo gejchict bedeckt, daß Eigentlihe Känguruphratte. 195 man unter dem Bündel trodnen Grafes Schiwerlich eine Tiermohnung vermuten mürde. Erjt wenn man die obere Dede weahebt, jieht man die Känguruhratte in jich zujammen- gerollt oder mit anderen ihrer Art verjchlungen liegen, doch nur einen Augenblid lang; denn jobald das eindringende Licht fie erweckt, jtürmt fie mit einem Saße ins Freie und eilt dann fo fchnell wie möglich davon. Obwohl durchaus Nachttier, weiß fie fich doch auch bei Tage jehr gejchickt zu bewegen und Hindernifjen verjchiedenter Art gewandt und jicher auszumeichen. Zmwijchen Gitterwänden hindurch Hujcht, über fie hinweg jpringt jte mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit. Gefangene erjcheinen in den Sommermonaten anderthalb Stunden vor Sonnenunter- gang, im Herbjt und Winter verhältnismäßig fpäter und Hufchen und jpringen dann äußerjt fuftig in ihrem Gehege umher. ©o unwillig fie bei Tage über jede Störung find, jo neu- gierig fommen fie abends herbei, um den zu betrachten, der an das Gitter ihres Wohn- plages herantritt. Sie lafjen fich dann gern berühren, während fie bei Tage jede derartige Freundfchaftsbezeigung durch ein unmilliges Knurren, plögliches Entgegenjpringen und im Notfalle durch Biffe zurücdweifen. Englische Berichteritatter, welche die Känguruhratten in Auftrafien beobachteten, behaupten, jie wären jehr furchtjam; ich Fan dies nach meinen Erfahrungen nicht bejtätigen, fondern finde eher, daß jte mutiger find al3 die großen Springbeuteltiere. Namentlich die Männchen fönnen geradezu fühn genannt werden und find manchmal bösartig. Sie fürchten fich gar nicht vor dem Menjchen, jondern gehen ihm mit der Unverfchämtheit der Nager zu Leibe, wenn er fich ihnen in unerwünjchter QBeije aufdrängt. Gegen die eignen Jungen zeigt fich das Männchen oft boshaft, plagt nament- fich die jungen Männchen aus Eiferjucht auf alle Weije und zumeilen jo arg, dab jie der ewigen Quälerei exliegen. | Der Paarıngstrieb fcheint bei den Känguruhratten jehr heftig zu jein. Das Männ- chen jagt dann das ihm beigegebene Weibchen die ganze Nacht hindurch im Gehege umher, wirft e3 über den Haufen und beißt und mißhandelt es, wenn e3 fich nicht gutwillig fügen will. Ein von mir gepflegtes Weibchen wurde nebjt feinem jchon ziemlich großen jungen im Beutel bei foldher Gelegenheit von dem erhisten Männchen getötet, wahrjcheinlich, weil e8 diejes nicht zulaffen wollte. Die Fortpflanzung erfolgt drei= oder viermal im Laufe des Jahres; denn die Jungen wachjen außerordentlich jchnelf Heran. Eines meiner Weibchen brachte durchjchnittlich alle drei Monate ein Junges, woraus aljo heworgeht, daß Trächtigfeit3dauer und Entwidelung des Jungen im Beutel nur furze Zeit beanfjpruchen. Nach Berlauf eines halben Jahres haben die Jungen die Größe der Alten erlangt und jind jomit fortpflanzungsfähig geworden. Soviel mir befannt ift, bringen Känguruhratten vegel- mäßig nur ein Junges zur Welt. Nach meiner und anderer Beobachtung darf angenommen werden, daß unjer Stlima den Känguruhratten nicht gefährfich oder doch in viel geringerem Grade als den Känguruhs bejchtwerlich wird. Selbjt jtarfer Schneefall ficht fie wenig an, und jtrengere andauernde Kälte ertragen fie aus dem Grunde leichter als ihre Verwandten, weil fie, um zu jchlafen, jich in ihr warmes Neft zurücziehen. Somit erfüllen jie eigentlich die meijten Bedingungen, die man an ein bei ung einzubürgerndes Tier jtellen fan. hr Wildbret dürfte aller- dings dem des Hafen nachjtehen, aber vielleicht dem unferes Wildfaninchens annähernd gleichfommen. Einen Einbürgerungsverjuch Hat Friedrich Yalz-Fein in jeinem einzig ichönen Freitierparf, dem zoologischen Paradiesgarten Azcania Nova (füdrufjiiche Steppe, nicht weit von der Krim), gemacht, und er jchien gelingen zu wollen. Die Känguruhratten 13* 196 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. hatten fich ihr Nejt gemacht unmittelbar neben dem einer chinefiichen Königsfafanhenne, und beide fich jo fremden Tierarten hauften hier friedlich dicht beieinander. Ym ewig Haren Mondjchein des trodnen Steppenflimas jah man die pugigen Känguruhzwerge des Abends immer mit der ihnen eignen überjtürzenden Haft, wie Hals über Kopf, durch die Bosfetts über die Nafenflächen dahinhüpfen. Auc einige mildere Winter überftanden fie in ihrem warmen Weite; als aber dann ein echter „ruffischer” Fam mit der unvermeidlichen Beigabe dort im Süden, dem jchneidenden DOftjfturm, da erfroren jie doc). Bon jeinem H. apicalis, unjerm P. tridactylus, behauptet Gould, daß er ganz all- gemein Über Bandiemensland verbreitet und jelten nur an einer tiefgelegenen, feuchten Stelle, die mit Dichtem Graswuchs bekleidet it, nicht zu finden fei. „Un Tage liegt er, zujammengerofft, in feinem Nejt unterm Gras in einer Vertiefung des Bodens; aber ein feines Geräujch in der Nähe feines Schlupfmwinfels genügt, jeine Ruhe zu jtören, und ver- anlaßt ihn, mit faninchenähnlicher Firigfeit wegzufligen nach einem jichern Orte: er läßt jich jelten verleiten, auf eine offene Fläche hinauszuflüchten; wenn er hart bedrängt wird, nimmt er vielmehr unmeigerlich feine Zuflucht zu einem großen Baum oder Stein, Die überall vorhanden find. Seine Nahrung bejteht in Wurzeln, Gras und Kraut, Baunrinde und Baumblättern. Sch Darf nicht unterlajjen, zu bemerken, daß ich unter feinen Umftänden Hunde das Fleifch diejer Art habe annehmen jehen, weder roh noch zubereitet, während das der Bettongien jelten verichmäht wird.” Über P. gilberti Gould, den Gould jeinem treuen Gehilfen Gilbert gewidmet hat, läßt er Diejen felbjt berichten: „Diejes Tierchen fann der Itändige Begleiter des Halmaturus brachyurus (Sturzjchwanzfänguruh) genannt werden, weil man jie immer zufammen findet mitten im Dichtejten Didicht und im üppigen Pflanzenwuchs am Ufer der Sümpfe und fließenden Gewäjjer. Die Eingeborenen fangen e3, indem jie einen fangen, jchmalen Gang ins Dickicht brechen, in welchem eine Anzahl von ihnen jtehen bleiben, während andere, be- jonders alte Männer und Frauen, durch das Didicht gehen und durch Schlagen auf die Büfche und gellendes Gejchrei die aufgejchrecften Tiere vor fich her in den offenen Raum treiben, to fie jofort von den auf der Yauer Stehenden gejpeert werden. Auf diefe Weije tötet oft eine Horde Eingeborener eine ungeheure Anzahl beider Arten in wenigen Stunden. ch habe nicht gehört, daß H. gilberti in einem andern Teile der Kolonie gefunden worden wäre al3 beim Sing George Sound.” * Die Unterfamilie der Känguruhs im engeren Sinne (Macropodinae) enthält neben den Niejen der ganzen Ordnung auc) faninchengroße Tiere, aber durchweg hödjlit auf- fallend geitaltete Gejchöpfe. Der Leib der Känguruhs nimmt von vorn nach Hinten an Umfang zu; denn der entwideltjte Teil des Körpers ijt die Kendengegend, wegen der in merkwürdigem Grade verjtärkten Hinterglieder. Diejen gegenüber find Kopf und Bruft ungemein verjchmächtigt. Der Hinterteil des Leibes vermittelt faft ausschließlich die Be- wegung des Känguruhs, und fomit ist feine Entwidelung erflärlich. Das Känguruh vermag jeine Schwachen Vorderbeine nur in jehr untergeordnneter Weije zum Fortbewegen und zum Ergreifen der Nahrung zu benußen, während die fehr verlängerten Hinterläufe und der mächtige Schwanz ihm eine faßweife Bewegung möglich machen. Hinterbeine und Schwanz ind unbedingt das Bezeichnendfte am ganzen Tiere. Die Läufe haben ftarfe Schenfel, lange Schienbeine und verhältnismäßig verlängerte Fußwurzeln mit ftarfen und langen Zehen, von denen die vierte mit einem gewaltigen hufartigen Nagel bewehrt ift. Die Eigentlihe Känguruhratte Känguruhs, 197 Anzahl der Zehen beträgt hier, weil der Daumen fehlt, nur vier, und von diefen vier fommen nur zwei, die vierte und fünfte, für die Ortsbeivegung in Betracht; die zweite und dritte jind ganz ziwerghaft verfiimmert und zu einer Doppelzehe mit zwei Sirallen verivachjen. Zugleich aber find fie in ganz bejtimmter Nichtung umgebildet: als „Rub- händchen“, wie Brandes e3 treffend nennt. „Wenn man die fragliche Zehenbildung in der Nähe anjieht, jo fällt auf, daß die Stralfen in die Höhe ragen und die Doppelzehe jelber nicht in der Richtung der beiden anderen Zehen verläuft, fondern jchräg nach oben gerichtet it. Die Unterjeite der Strallen jchaut auch nicht auf den Boden, jondern nach der Mittellinie zu, jo daß eine Drehung von 90% vorliegen muß. Wenn man num die Tiere genügend lange beobachtet, jo hat man auch Gelegenheit, die Doppelzehe in Tätig- feit treten zu jehen. Während fich die Känguruhs an den Beinen, am Bauche und auf dem Rüden mit den Händen fragen, benugen jte das Hinterbein, um fich in der Nähe der Ohren zu juden: fie heben das Bein, |preizen die Doppelzehe rechtwinklig ab und fämmen nun mit den beiden Strallenzinfen des Zehenfammes die Haare.” Der SE ERSD TB re | Schwanz des änguruhs it verhältnig- un: er nn Se mäßig dider und länger als bei jedem IM : N andern Säugetiere und äußerjt mustel- fraftig. Sn Vergleich zu diefen Glie- dern jinfen die vorderen zu jtummel- haften Greifwerfzeugen herab, obwohl AD hiermit feinesmweg3 gejagt fein foll, daf —_, lie auch hinfichtlich ihrer Beweglichteit Hinterfuß eines Riefenfänguruhs mit dem Pughändden. verfiimmert wären. Die Borderfüße Aus „Mitteilungen aus dem Zool. Garten Halle”, 1910. des Känguruhs, die fünf mit runden, mäßig und unter jich gleich entwidelten Nägeln befrallte Zehen haben, werden von dent Tiere handartig gebraucht. Der Kopf erjcheint al3 ein Mittelding zwijchen dem eines Hiriches und dem eines Hafen. Gelegentlich der Auskunft über feine länguruheinfuhren jchreibt Profejjor Seit, der frühere Leiter de3 Frankfurter Tiergartens, an Hed, daß ein Zujammenhang und Zu- jammenflang zu erfennen fei zwijchen der Färbung der Känguruhs und dem Untergrund, auf dem jie leben: auf felfigem Boden jeien alle Arten jchrwärzfich, dunkelgrau oder dumfel- braun, auf jandigem gelbrot oder gelbbraun und auf fruchtbarem Humusboden alle Teb- haft braun, hellgrau oder bunt. Diefe Darftellung wird noch) interejjanter dadurd, daß Seit fie auch in3 Geographijche überjeßt; er fügt eine Kartenffizze bei, auf der die erit- genannte Bodenbejchaffenheit mwejentlich auf den Süden Auftraliens, die zweite auf den Norden und Weiten und die dritte auf den Dften entfällt. Weißlinge, Albinos, find, wie bei den Beuteltieren überhaupt, jo auch bei den Ktänguruhs nicht ganz felten; im Zoologischen Garten zu Melbourne find fie, wie man hört, fait jtets vertreten. Diefe Weißlinge jollen auf bejtimmte Ortlichfeiten bejchränft fein, d. h. mit anderen Worten: fie haben eine gewijje Vererbungskraft, die wir ja auch von den Weiß- fingen unferer Tierwelt fennen. Auftralien und feine Nachbarinjeln find die Heimat der Känguruhs; die weiten, gras- reichen Ebenen inmitten des Erdteiles bilden ihre bevorzugten Aufenthaltsorte. Cinige Arten ziehen bujchreiche Gegenden, andere feljige Gebirge den parfähnlichen Grasflächen 198 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. vor, noch andere haben fich zu ihrem Aufenthalte undurchdringliche Diefichte erforen, in denen fie fich exit durch Abbrechen von Äten und Zweigen Laufgänge jchaffen müffen, oder (eben, jo unglaublich dies auch [cheinen mag, auf den Felfen und Bäumen felbit. Die meijten Urten treiben bei Tage ihr Wejen; die Kleineren dagegen find Nachttiere, die fich bei Tage in feichten Vertiefungen verbergen und zu ihnen zurüdzufehren pflegen. Einzelne bewohnen auch Felfenklüfte, die fie regelmäßig wiederfinden, wenn fie auf jung ausgegangen waren. Sn den meilten Gegenden Auftraliens, die von Europäern bejiedelt wurden, hat man die Känguruhs zuricgedrängt. „Schon gegenwärtig”, erzählt vor geraumer Zeit der „alte Buchmann“, ein ungenannter, aber zuverläfjiger Beobachter, „fieht man im Um- freije von 30 Meilen um Melbourne faum ein einziges Känguruh mehr. Die Tiere jinDd der zwec- und rücjichtslojen Verfolgung der Anjtedler bereits erlegen. Häufig finden fie jich überall, wo der Europäer fich noch nicht feitgejfeßt hat. ch meinesteils traf jie bei Bort Phillip in jo großer Anzahl an, daß ich mit meiner Neifegejellichaft während unfers zwei- jährigen Aufenthaltes iiber 2000 Stücd erlegen konnte. Die Bejchaffenheit des Landes be- gimstigt jiehterungemein. Große zufanmmenhängendeWaldungen wechjeln mit weiten Ebenen, und joldhe Gegenden jind e3, die den Känguruhs alles zu ihrem Leben Erforderliche bieten. „shre liebiten Weidepläße find grasreiche Ebenen, welche von bufchigen Waldungen umgeben werden oder jolche umfchließen. Jın Sommer bevorzugen fie feuchte, im Winter troctne Gegenden. Das Wajjer jcheinen fie entbehren zu können; ich habe wenigitens oft Anjiedelungen von ihnen gefunden, die meilenweit von einen Gemwäjjer entfernt waren, und auch nicht beobachtet, daß fie des Nachts regelmäßig zu bejtimmten Wajjerlachen gefommen wären. Sede Herde behauptet einen bejtimmten Weideplag oder mehrere, die durch wohlausgetretene Pfade verbunden werden. Die Stücdzahl der Herden ijt ver- jchieden. ch Habe oft jolhe von 100 Stüd, meijt aber ihrer 50 zufammen gejehen; denn jie find jehr gejellig. Die Heineren Arten pflegen jich in geringerer Anzahl zufanımen- zuhalten; man fieht fie gewöhnlich einzeln oder höchjtens zu einem Dugend vereinigt. Ein und diejelbe Herde bleibt jtetS beieinander und vermijcht jich mit anderen nicht. Yeder Sejellfchaft jteht ein altes Männchen vor, und diefem folgen die übrigen blindlings nach, auf der Tlucht wie bei dem Weidegange, ganz jo wie die Schafe ihrem Leithammel. Am frühen Morgen und in der Abenddämmerung wweiden, während des Tages ruhen jie, wenn jte fich ungeftört fühlen, oft ftundenlang. Manchmal gewähren jie einen reizenden Anblid; einige weiden langjam das dürre Gras ab, andere fpielen miteinander, andere fiegen halb ichlafend auf der Seite. „B18 zur Baarungszeit lebt jede Herde im tiefiten Frieden. Die Liebe aber erregt auc) diefe Tiere und zumal die Männchen, welche dann oft ernithafte Kämpfe untereinander ausfechten. Nach der Baarungszeit pflegen jich die ältejten von der Herde zu trennen und im dichteren Walde ein einjames Leben zu führen.“ Die Känguruhs gehören unbedingt zu den beachtenswertejten Säugetieren. An ihnen ijt eigentlich alles merkwindig: ihre Bewegungen und ihr Auhen, die Art und Weije ihres Kahrungserwerbes, ihre Fortpflanzung, ihre Entwidelung und ihr geijtiges Wejen. hr Gang, den man namentlich beim Weiden beobachten fann, ift ein fchwerfälfiges, unbe- hilfliches Forthumpeln. Das Tier ftemmt feine Handflächen auf und fchiebt die Hinterbeine dann an den VBordergliedern vorbei, jo daß fie zwifchen diefe zu jtehen fommen. Dabei muß e3 jich hinten auf den Schwanz ftüßen, weil e3 fonft die langen Hinterläufe nicht jo hoch heben könnte, daß joldhe Bewegungen möglich wären. Aber das Klänguruh verweilt Känguruhs: Standorte. Benegungsweife. 199 in diefer ihm Höchjt unbequemen Stellung auch niemals länger, al3 unumgänglich notwendig it. Selbjt beim Abbeißen fibt es regelmäßig auf den Hinterbeinen und dem Schwanze und läßt die Vorderarme jchlaff herabhängen. Sobald e8 irgendeine Lieblingspflanze abgerupft hat, jteht es auf, um fie in der gewöhnlichen Stellung zu verzehren. Bet diejer jtüßt es den Leib auf die Sohle und gleichzeitig auf den nach hinten fejt auf den Boden gejtemmten Schwanz, wodurch der Körper ficher und bequem wie auf einem Dreifuße ruht. Seltener jteht es auf drei Beinen und dem Schwanze; dann hat es mit der einen Hand irgend etwas am Boden zu tun. Halb gefättigt, legt e3 jich, die Hinterläufe weit von jich geitredt, der Länge nach auf den Boden. Fällt es ihm in diejfer Stellung ein zu meiden, jo bleibt es hinten ruhig liegen und jtüßt fich vorn höchjtens mit den furzen Armen auf. Beim Schlafen nehmen die Heineren Arten eine ähnliche Stellung an wie der Haje im Lager: fie jegen fich, dicht auf den Boden gedrüct, auf alle vier Beine und den der Länge nach unter den Leib geichlagenen Schwanz. Dieje Stellung befähigt je, jederzeit jofort die Flucht zu ergreifen. Das geringjte Geräusch jchrect ein ruhendes Känguruh augenblicklich auf, und namentlich die alten Männchen reden fi) dann, um zu fichern, jo hoch wie möglich empor, indem fie auf die Zehenfpigen treten und fich mehr auf die Spibe des Schwanzes ftüßen. „le Känguruhs”, jagt Nicols, „haben eine ähnliche Gewohnheit wie die Kaninchen, daß fie mit den Hinterfüßen hart auf den Boden jchlagen als Mlarmjignal oder vielleicht auch nur al3 eine Art Auf, da fie feinerlei Stimme haben. ch habe niemals einen Ton von ihnen gehört, auch nicht im Todesfampfe, ausgenommen bei einer Gelegenheit, to ein jchwer verwundetes Wallaby, al ich es anfaßte, einen Laut von jich gab wie das Knurren eines Heinen Terriers, mich fcharf ins Bein big und mir die Hojen zerrig — das einzige Beifpiel, wo ich jemals eine Verteidigung bei diefen Tieren fennen lernte. Auf jehr beträchtliche Entfernungen fan man in ftiller Nacht den dumpfen Schall des Stän- quruhfußes beim Trommeln hören, drei» oder viermal hintereinander, und wenn man jid) mitten unter eine folche ‚Rotte‘ gejchlichen hat zwi;den Feljen, Farnkräutern und anderer guter Dedung, ift es jpaßhaft zu hören, wie die Känguruhs einander auf diefe Weije ihre Wahrnehmung der Anmwejenheit eines Feindes mitteilen, obwohl jein Standpunkt unjicher und infolgedeffen auch die bejte Fluchtrichtung nicht zu bejtimmen ijt.“ Wenn ein Känguruh irgend etwas Verdächtiges bemerkt, denkt e3 zunächjt an die Flucht. Hierbei zeigt e8 fich in feiner ganzen Beweglichkeit. E3 jpringt, wie bei jeder Bejchleuni- gung jeine3 Ganges, ausschließlich mit den Hinterbeinen, macht aber Säße, welche Die aller übrigen Tiere hinsichtlich ihrer Weite übertreffen. E3 legt feine VBorderfüße dicht an die Bruft, ftredt den Schwanz gerade und nad) rücwärts aus, jchnelft mit aller Kraft der gewaltigen Schenfelmusfeln feine Iangen, fchlanfen und federnden Hinterbeine gegen den Boden, wirft jich empor und fchiegt nun in einem flachen Bogen wie ein Pfeil durch die Luft. Einzeme Arten halten im Springen den Körper wagerecht, andere mehr jteil, die Ohren in einer Ebene mit dem Widerrift, während fie bei ruhigem Laufe gejteift werden. Ungejchreckt, macht das Tier nur Heine Sprünge von höchjtens 3m Weite; jobald e3 aber ängjtlich wird, verdoppelt und verdreifacht es jeine Anftrengungen. 3 jpringt mit dem rechten Fuße ein Hein wenig eher al3 mit dem linfen ab und auf, ebenjo tritt e3 mit jenem etwas weiter vor. Bei jedem Sate jchtwingt der gewichtige Schwanz auf und nieder, und zwar um fo heftiger, je größer die Sprünge find. Semon hebt befonders hewor, daß das Känguruh „ausfchließlich mit den Hinterbeinen jich vom Boden abjchnelft, nicht etwa auch mit dem Schwanze, wie viele glauben. Man fann dies feititellen, wenn 200 2. Ordnung: Beuteltiere Yamilie: Springbeutler. man die Spuren der Tiere am Boden unterjucht. Der Schwanz jehiwingt bei jedem Sprunge mit, berührt aber nicht den Boden.” Hed meint, daß namentlich der Niejen- fänguruhjchwang vermöge feiner Schwere und Musfelfraft al3 wippender Balancier dem vorgebeugten Körper beim Springen das Gleichgewicht Halten Hilft und zugleich die Sprungfraft erhöht. Drehungen aller Art führt das Känguruh mit 2—3 Fleinen Säben aus, ohne dabei erjichtlich mit dem Schwanze zu jteuern. Jmmer tritt e8 nur mit den gehen auf, und niemals fällt es auf die Borderarme nieder. Dieje werden von verichiedenen Arten verjchteden getragen, bei den einen vom Leibe gehalten, bei den anderen mehr an- gezogen und gefreuzt. Ein Sprung folgt unmittelbar dem andern, und jeder ijt mindejtens 3m, bei den größeren Arten nicht felten aber auch 6—1O m weit und dabei 2—3 m hoc). Schon Gefangene jpringen, wenn man jie in einer größeren Ummhegung hin und her jagt, bis 8m weit. 3 ijt erflärlich, daß ein ganz vortrefflicher Hund dazu gehört, einem Kän- auruh zu folgen, und in der Tat gibt e8 nur wenige Jagdhunde, Die Dies vermögen. Auf bedecdtem Boden hört die Verfolgung jehr bald auf; denn das flüchtige Känguruh fchnelft leicht über die im Wege liegenden Büjche weg, während der Hund diefe umgehen muß. Auf unebenem Boden bewegt e3 fich Tangjamer; namentlich wird es ihm jchiver, an Abhängen hinunterzueilen, weil e3 fich hier bei der Heftigfeit des Sprunges leicht überjchlägt. Übrigens hält das laufende Tier jtundenlang aus, ohne zu ermüpden. Unter den Sinnen der Klänguruhs dürfte das Gehör obenan jtehen; wenigjtens bemerkt man an Gefangenen ein fortwährendes Bewegen der Ohren nad) Urt unjers Hochwildes. Das Geficht ijt Schwächer und der Geruch wahrjcheinlich ziemlich unentwidelt. Der eine und der andere Beobachter weiß dennoch zu berichten, daß die Tiere ausgezeichnet Augen, vernehmen und wittern. Sonit find fie in hohem Grade geiftlofe Gejchöpfe; ihnen ijt jelbit das Schaf geiltig bei weitem überlegen. Alles Ungemwohnte bringt fie außer Fafjung, weil ihnen ein rafches Überjehen neuer Verhältnifje abgeht. Ihr Hirn arbeitet langjam; jeder Eindrud, den jie empfangen, wird nur ganz allmählich verarbeitet; e3 bedarf einer geraumen Zeit, bis fie ihn fich zurechtlegen. Das frei lebende Känguruh jtürmt bei roirklicher oder vermeintlicher Gefahr blindlings geradeswegs fort, läßt fich faum aufhalten und führt unter Umftänden Säße aus, bei denen e3 die jtarfen Stnochen jeiner Beine zer- brechen foll; dem gefangenen Känguruh erjcheint ein neues Gehege im allerhöchiten Grade bedenklich. E3 Fan zwijchen Eifengittern groß geworden fein und, auf einen andern Plab gebracht, an diejen fich den Kopf zerjchellen, wenn fein Pfleger nicht die Borficht gebraucht, e3 vorher tagelang in einen Stall zu fperren, in dem es jich den Schwachen Stopf nicht einrennen fann und gleichzeitig Gelegenheit findet, den neuen Raum fich anzujehen. Nach und nach beruhigt e3 fich, gewöhnt fich ein, Hüpft fich jeine Gangjtraße zurecht. Nebenan find vielleicht andere Känguruhs eingejtellt worden; der Neuling aber jcheut anfangs vor diefen entjeßlihen Gejchöpfen, und leßtere benehmen fich genau ebenjo wie er. Später freilih fänpfen Hänguruhs derjelben oder verjchiedener Art durch die Gitter Hindurc) heftig miteinander; denn für niedere Leidenschaften, wie Neid und Eiferfucht, ijt jelbit ein Känguruhhien hinreichend entwidelt. Den Menjchen lernt das gefangene Spring- beuteltier zwar fennen; doch bezweifle ich, daß es feinen Wärter von anderen Leuten unterjcheidet. EC tritt mit den Menfchen überhaupt, nicht aber mit einem einzelnen, in ein gewijjes Umgangsverhältnis, fegt mindeitens feine anfängliche Angftlichfeit allmählich ab, gelangt aber niemals dahin, einen wirklichen Freundfchaftsbund einzugehen. Dieje Ängjtlichkeit ift der hervorftechendfte Zug im Wefen umfers Tieres; ihr fällt e3 Känguruhs: Sprünge. Sinne. Geijtige Fähigkeiten. 201 gar nicht jelten zum Opfer. Nicht bloß durch Antennen ans Gitterwerf töten jich gefangene Springbeuteltiere: jie jterben im buchjtäblichen Sinne des Wortes vor Dummicheu. Shre Gefühle befunden jie zunächjt durch jtarfes Geifern, wobei jie fich Arme und Beine ein- näjjen, oft verfuchen, den Geifer abzuleden, und dadurch die Sache nur noch Ärger machen. Dabei laufen fie wie toll umher, jeßen fich hierauf nieder, fchütteln und zuden mit dem Ktopfe, bewegen die Ohren, geifern und jchütteln wieder. So gebärden fie fich, folange ihre Angit anhält. Em Ktängurub, das ich beobachtete, jtarb Furz nach einem heftigen Gemitter an den Folgen des Schredes. Ein Bligjtrahl war die Urjache feiner unfäglichen Bejtürzung. Scheinbar geblendet, jprang e3 jofort nach dem Aufleuchten des Blibes empor, jeste jich dann auf die Hinterbeine und den Schwanz, neigte den Sopf zur Seite, jehüttelte mit dem durch daS gewaltige Ereignis übermäßig bejchwerten Haupte, drehte die Ohren dem rollenden Donner nach), jah auf feine von Regen und Geifer eingenäßten Hände, beledte jie mit wahrem Feuereifer, atmete heftig und jchüttelte das Haupt bis zum Abend, um welche Zeit ein Lungenfchlag jenem Leben ein Ende machte. Bei freudiger Erregung gebärdet jich das Klänquruh anders. E3 geifert zwar auch und jchüttelt mit dem Stopfe, trägt aber die Ohren jtolz und verjucht durch allerlei Bewegungen der Vorderglieder jowie durch heiferes Medern jeinen unklaren Gefühlen Ausdrud zu geben. Sn freudige Erregung fann es geraten, wenn es jozujagen nach längerwährender Hirnaxbeit zur Überzeugung gelangt, daß es auch unter Känguruhs zwei Gejchlechter gibt. Sobald gewiljermaßen eine Ahnung der Liebe in ihm aufgedämmert it, bemüht es jich, diefer Ausdrud zu geben, und das verliebte Männchen macht nunmehr dem Weibchen in der jonderbariten Weije den Hof. ES umgeht oder umhüpft den Gegenjtand jeiner Liebe mit verjchiedenen Sprüngen, jcehüttelt Dabei wiederholt mit dem Stopfe, läßt das erwähnte heifere Medern vernehmen, das man am beiten mit unterdrüdtem Huften vergleichen fönnte, folgt der jehr gleichgültig fich gebärdenden Schönen auf Schritt und Tritt, ee jie von allen Seiten und beginnt dann den Schwanz, diejes wichtigite Werkzeug eines Känguruhs, zu Frabbeln und zu ftreichen. Eine große Teilnahme jchenft es auch der Tajche des Weibchens; es befühlt und beriecht fie wenigitens, jo oft e3 folches tun Fann. Wenn dies eine geraume Zeit gewährt hat, pflegt fich das Weibchen jpröde umzudrehen und vor dem zudringlichden Männchen aufzurichten. Das hüpft augenblidfich herbei und erwartet, jcheinbar gelajjen, eine verdiente Züchtigung, benugt aber den günftigen YAugen- blid, um das Weibchen zu umarmen. Lebteres nimmt diefe Gelegenheit wahr, um dem Zudringlichen mit den Hinterbeinen einen Schlag zu verjegen, findet aber, nachden es wiederholt umarmt worden ijt, daß es wohl auch nichts Bejjeres tun Fünne, und jo jtehen denn endlich beide Tiere innig umjchlungen nebeneinander, jchütteln und wadeln mit dem Ktopfe, bejchnuppern fich und wiegen fich, auf den Schwanz gejtüßt, behaglich hin und her. Sobald die Umarmung beendet ijt, beginnt die alte Gejchichte von neuem, und eine zweite Umarmung endet fie wieder. Das ganze Liebesjpiel jieht im höchiten Grade fomijch aus und erregt, wie billig, die Lachluft eines jeden Bejchauerz. Etwas anders geitaltet jich die Sache, wenn mehrere verliebte Männchen um ein Weib- chen werben. Dann fonmt es felbjtverjtändfich zu Kampf und Streit. Die zarten Liebes- beweije, die dem Schtwanze gejpendet werden, bleiben weg. Beide Gegner umhüpfen jich drohend und ftreben, fich jobald wie möglich zu umarmen. Sit ihnen das geglüct, jo ftemmen fie fich beide zugleich auf den Schwanz und jchlagen mit den hierdurch frei geivordenen Hinterbeinen aufeinander loS, verjuchen, fich gegenfeitig mit den scharfen Nägeln 202 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. den Bauch aufzurigen, prügeln jich auch gleichzeitig mit den Borderhänden. Derartige Zivei- fämpfe jind feineswegs ungefährlich, weil die Straft der Hinterbeine bedeutend ijt und die großen Nägel tiefe Winden jchlagen fünnen. Bejonders unverträglich fcheinen die fleineren Arten zu fein: fie liegen fich bejtändig in den Haaren und fragen jich gegenjeitig halb oder ganz Fahl. Die Vermehrung aller Kängurubs it Ihmwadh. Die großen Arten werfen jelten mehr al3 ein Junges. Troß der bedeutenden Größe einiger Känguruhs tragen die Weibchen eritaunlich kurze Zeit, die Riejenfänguruhg 3. B. nur 39 Tage. Nach) Ablauf diejer Zeit wird das Junge im eigentlichen Sinne des Wortes geboren. Die Mutter nimmt es mit dem Munde ab, öffnet mit beiden Händen den Beutel und jebt das feine, unfcheinbare Vejenaneinerder gitenfeit. Zwölf Stunden nad) der ®eburt hat das junge Riejenfänguruh eine Länge von etwas mehr al3 3 cm. 63 fann nur mit den Keimlingen anderer Tiere verglichen werden, denn es ijt vollfommen unreif, Durchicheinend, weich, wurmartig; feine Augen jind gejchlofjen, die Ohren und Najenlöcher erit angedeutet, die Gliedmaßen noch nicht ausgebildet. Zwischen ihm und der Mutter fcheint nicht die geringjte Ähnlichkeit zu beitehen. Gerade die Vorderglieder find um ein Drittel länger al3 die hinteren. Im jtarf gefrümmter Lage, den Furzen Schwanz zwijchen den Hinterbeinen nach aufwärts gebogen, hängt e3 an der Zite, ohne wahrnehmbare Bewegung, unfähig, jelbit zu jaugen. Sobald e3 an die Zibe angeheftet worden ijt, jchwillt dDiefe jo bedeutend an, daß die großen Lippen jie und der angejchwollene Teil der Saugmwarzen wiederum den Mund genau umjchließen. Soviel man bi&jeßt weiß, jaugt das junge Känguruh gar nicht, fondern wird ohne eigne Anjtrengung mit Milch verjorgt, indem ihm dieje aus den HZigen geradezu in das Maul ipribt. Fat 8 Monate lang ernährt es jich ausschließlich im Beutel; doch fchon etwas eher jtredt e8 ab und zu einmal den Kopf hervor, ift aber auch dann noch immer nicht imjtande, jich jelbjtändig zu beivegen. Den beobachtete an einem jehr jungen Niejenfängurud, daß e3 eifrig, aber langjam atmete und die Vorderfüße nur bewegte, wenn jie berührt wurden. Vier Tage nad) der Geburt Tief der genannte Naturforjcher das Junge von der Zige entfernen, um zu bejtimmen, wieweit e3 mit dDerMutter zufammenhänge, um die Milch fernen zu lernen und um zu fehen, ob ein jo unvollfommenes Tier eigne Kraft entwidelt, mern e3 fich darum handelt, die verlorene Zite wiederzuerlangen, oder ob e3 von der Alten wiederum an die Zibe angeheftet werden müfje. Als die Frucht abgenommen worden war, erjchien ein Tropfen weißlicher Flüffigfeit vorn an der Zite. Das Junge bewegte die Glieder heftig, nachdem es entfernt war, machte aber feine erjichtliche Anjtrengung, um feine Füße an die Haut der Mutter zu heften oder um fortzufriechen, jondern zeigte ich vollfommen hilflos. 3 wurde nun auf den Grund der Tafche gelegt und die Mutter freigegeben. Sie zeigte entjchiedenes Mibehagen, büdte jich, fragte an den Außenmwänden des Beutels, öffnete ihn mit den Pfoten, ftecte den Kopf hinein und bewegte ihn darin nach verjchiedenen Richtungen mit Leichtigkeit. Das Junge ftarb, weil weder die Mutter e5 wieder anjeste, noch ein Wärter dies zu tun vermochte. sngrwiichen it aber befannt geworden, daß ein junges Känguruh, das gemaltjam bon der Zie abgerifjen wurde oder zufällig abfiel, nach längerer Zwifchenzeit jich wieder anjaugte. Leisler erzählt, daß er ein etwas mehr entwideltes Junge, das, jchon beinahe falt, auf der Streu gefunden wurde, an die Zite anfeßte, und daf es weiterwuchs. Das gleiche gejchah bei jpäteren Werfuchen Omens. Geoffroy Saint-Hilaive hat auch einen Musfel nachgemwiejen, der über dem Euter Kegt und dem noch Fraftlofen Jungen die Milch Känguruhs: Fortpflanzung. 203 in den Mund preßt oder wenigitens preijen fan; denn eigentlich fehlt die Beitätigung diejer Angabe. Aus den übrigen und neuejten Beobachtungen geht hervor, daß das Klän- guruh, wenn e3 einmal eine gemijje Größe erreicht hat, jehr Schnell wächit, namentlich von der geit an, in der e3 Haare befommt. 3 ift dann fähig, jeine langen Ohren, die bis dahin jchlaff am Köpfchen herabhingen, aufzurichten. Bon num an erjcheint e3 jehr oft an ver Beutelöffnung, wenn die Mutter ruhig dafibt. Der ganze Kopf wird vorgejtredt, die Augen bliden um fich, die Armchen ftöbern auch jchon im Heu herum, und das Tierchen beginnt bereits zu frejien. Die Alte zeigt fich noch äußerit vorjorglich gegen das Junge, jedoch nicht mehr fo ängjtlich wie früher. Anfangs geitattet fie nur mit dem größten Wider- jtreben irgendwelche Berjuche, das Junge im Beutel zu jehen oder zu berühren. Gelbit gegen das Männchen, das eine lebhafte Neugierde an den Tag legt und fich bejtändig herbei- drängt, beninimt jie fich nicht anders als gegen den Menjchen. Sie beantwortet Zudring- lichfeiten Dadurch, daß fie jich abwendet, weilt fortgejegte Behelligung durch ein ärgerliches, heijeres Sinurren zuritk und verjucht wohl auch, jich durch Schlagen zu wehren. Von dem Yugenblide an, wo das Junge den Kopf zum Beutel herausitrecdt, jucht jte eg weniger zu verbergen. Das Kleine ijt auch jelbit äußerjt furchtjam und zieht jich bei der geringiten Störung in den Beutel zurüd. Hier jigt es übrigens feineswegs immer aufrecht, jondern nimmt alle möglichen Lagen an. Man jieht eg mit dem Kopfe herausjchauen und gar nicht jelten neben diefem die beiden Hinterbeine und den Schwanz hervoritreden, bemerkt aber auch dieje Glieder allein, ohne vom Slopfe etwas zu jehen. Sehr Hübjch jieht eg aus, wenn die Mutter, die mweiterzuhüpfen wünjcht, das aus dem Beutel herausjchauende Junge zurüctreibt: jie gibt dem Heinen Dinge, fall8 es nicht ohne weiteres gehorcht, einen ge- Inden Schlag mit den Händen. Geraume Zeit nach dem erjten Herausschauen verläßt das Sunge ab und zu feinen Schußort und treibt fich neben der Alten im Freien umher, noch) fange Zeit aber flüchtet es, jobald es Gefahr fürchtet, in den Beutel zurüd. Es fommt mit gewaltigen Sägen einhergerannt und jtürzt fich, ohne auch nur einen Augenblid an- zuhalten, fopfüber in den halbgeöffneten Beutel der ruhig auf ihren Hinterläufen jigenden Mutter, Fehrt fich um und jchaut aus der Beutelöffnung hervor. „Ende September”, jagt Weinland, dem ich Vorjtehendes nacherzählt Habe, „bemerften wir das im Januar geborene, weibliche Junge des Bennettjchen Känguruhs zum legten Male in dem Beutel; aber wenn die Tochter nunmehr auch auf den Schuß der Mutter verzichtete, hörte fie Doch nicht auf, Nahrung von ihr zu fordern. Noch am 22. Dftober jahen wir das Junge an der Mutter faugen, und zu unferer nicht geringen Überrafchung beobachteten wir an demjelben Tage jenes eigentümfiche Zittern und Zuden in jeinent Beutel, welches uns über den eignen Zujtand feinen Zweifel ließ. Der jonderbare, unjeres Wijjens noch nie beobachtete Fall jteht feit: felbjt jchon Mutter, ja bereits ein Junges im Beutel jäugend, verlangt diefes Tier noch immer die nährende Milch feiner Alten! Aber noch mehr Enthüllungen lieferte die leider notwendig gewordene Zergliederung des Muttertieres, welches fich durch Antennen an das Gitter den Tod zugezogen hatte. Es fand jich in dem Beutel ein bereit3 totes, noch nadtes Junge von 7 cm Länge, welches aljo mindejtens vor 2 Monaten jchon geboren worden war, und jomit jtellte jich Heraus, daß das Känguruhmeibchen unter Umftänden zugleich die Stinder zweier Würfe und mittel- bar noch fein Enfelchen jäugte: das erwähnte herangemwachjene, jelbit Schon tragende und jäugende und dejjen Kind joiwie das Feine nadte im Beutel.” Keifende in Auftralien berichten, daß fic) Känguruhmütter ihrer Jungen bei großer 204 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Gefahr, namentlich wenn fie jich verwundet fühlen, in eigentümlicher Weije entledigen. Falls fie fich nicht mehr imjtande jehen, mit dem Jungen vorwärts zu fommen, heben jie e3 jchnell aus dem Beutel, jeßen es auf den Boden und fliehen, bejtändig nach ihren Berfolgern fi) umjehend, weiter, jolange fie fönnen; fie geben das ‘Junge aljo gern zu ihren eignen Gunften preis, erreichen aber nur jelten ihren Ztwed, indem die hitig gewordenen Verfolger ihr Auge vorwiegend auf die Alte richten und an dem Jungen vorbeijtirmen. Die Nahrung ijt gemijchter Art. Gras und Baumblätter bleiben die bevorzugteite Speife, außerdem verzehren die Tiere aber au) Wurzeln, Baumrinden und Baumfnojpen, Früchte und mancherlei Kräuter. Shre Lieblingsnahrung it ein gemwiljes Gras, das ge- radezu Känguruhgras genannt wird und ihren Aufenthalt bedingt; außerdem äjen fie fich von den Spißen, Blättern und Sinofpen gewijjfer Sträucher. Die Kängurubhs find in ihrer Heimat das wichtigjte Wild und werden als folches auc) leidenschaftlich gejagt, von den Raubtieren wie von den Menjchen, von den Eingeborenen wie von den Weißen. Die Schwarzen juchen fich jo unbemerft wie möglich an eine Ge- jellfchaft weidender Känguruhs heranzufchleichen und verjtehen e3 meilterhaft, fie derart zu umitellen, daß wenigjtens einige des Trupps ihnen zum Opfer fallen. Bei Hauptjagden legen jich die einen in den Hinterhalt, und die anderen treiben ihnen das Wild zu, indem jie exit jo nahe wie möglich an die weidenden Herden heranfriechen, dann aber plößlich mit Gejchrei aufjpringen. Schrederfüllt wenden fich die Tiere nach der ihnen offen er- jcheinenden ©eite hin und fallen jomit ziemlich jicher in die Gewalt der veriteckten Jäger. Außerdem verjtehen es die Auftralier, Schlingen aller Art und Fangnege anzufertigen und gejchickt zu jtellen. Weit größere Berlufte als die eingeborenen Auftralier fügen die Weißen den Känguruhs zu. Man gebraucht alle denkbaren Mittel, um fie auszurotten, fängt jie in Schlingen, erlegt fie mit dem Feuergeivehre, jagt jie mit Hunden zu Tode, und zwar aus reinem Übermute, nur um jie zu töten; denn die erlegten läßt man im Walde ver- faulen. „Dies it der Grund“, jchreibt ein Ungenannter, „weshalb die Känguruhs in der Umgebung aller größeren Städte und Anfiedelungen bereit3 ausgerottet find. Und wenn dieje wüjte Jagd jo fortdauert, wird es nicht lange währen, bis fie auch im inneren zu den jelteneren Säugetieren zählen. Mich will e8 bedünfen, daß diejenigen, welche die sängurubs in folcher rüdjichtstofen Weile verfolgen, gar nicht imftande find, Die Tiere zu würdigen. Sch aber fann aus eigner Erfahrung verjichern, daß das Fleiich durchaus nicht Schlecht und das Fell wenigitens ebenjoqut, ja feiner als Stalbleder ilt. ‚Spart das Mehl, aber fallt über die Känguruhs her, pflegen die Bufchmänner zu jagen, wenn das Mehl zur Neige geht. Zwar will ich nicht beftreiten, daß das bejagte Fleisch nur ein untergeordnete Wildbret, weil troden und fade, jehr blutreich und dunfel von Farbe ift, auch nicht fo qut jchmecdt wie Hammelffeifch; wohl aber behaupte ich, daß man es nicht zu verachten braucht, und daß namentlich der Schwanz eine ganz ausgezeichnete Suppe liefert. „Die ergiebigjte Art, Känguruhs zu jagen, ift, eine Schüßenlinie zu bilden und die Tiere durch einen berittenen, von Hunden unterjtüsten Gehilfen fich zutreiben zu lafjen. Ein guter Treiber ift für die Jagd von großer Bedeutung. Die Kängurubs lafjen fich nad) jeder beliebigen Gegend hintreiben und halten die einmal genommene Richtung unter allen Umftänden feit, zerteilen fich wohl, weichen jedoch auch dann nicht von dem ein- gejchlagenen Wege ab. Die Schüßen feßen ficd am beten unter Bäume umd verharren in niedergebeugter Stellung, bi8 die Tiere in fchußrechter Entfernung angelangt find. Bismweilen Durchbricht der ganze Haufe die Schüßenlinie an einer Stelle; meift aber teilen jic) Känguruhs: Nahrung. Verfolgung. Jagd. 205 die Känguruhs beim erjten Schuffe und Saufen längs der Linie herunter. Wer das Schießen veriteht, exlegt bei jedem Treiben mehrere Stüd. Einer aus der Gejellfchaft muß, noch ehe die Herde in Schußmeite angekommen, einen Schuß auf fie abfeuern, um fie zu zerjtreuen, die übrigen müjjen womöglich zwei Büchjen fchußfertig bei fich haben und ihres Schuffes jelbjtverjtändlich ficher fein. ch meinesteils habe auf diefe Weife oft vier Stück bei einem einzigen Treiben erlegt. Niemals darf man fich verleiten lafjen, auf das zuerjt nieder- gejchofjene zuzueilen, weil man durch fein voreiliges Erjcheinen oft alle übrigen verjcheucht. Wenn die Ktänguruhs nicht zu ftürmifch Heranfommen, empfiehlt es fich, fie durch einen Pfiff anzurufen, da jie dann oft twie anderes Wild auf einen Augenblic ftugen und den flopf er- heben. Sie find übrigens jehr lebenszäh und laufen verwundet noch eine weite Stredfe weg. „E3 ift nicht zu verfennen, daß die eigentümliche Art der Tiere, zu Springen, Anfänger jehr verwirrt, und es auch für den ausgelernten Schüßen feineswegs leicht ift, ein in voller Slucht dahinjagendes Känguruh zu erlegen. Ein Schuß mit der Büchfe ift aus dem Grunde bejonderz jchmwierig, weil Hal und Bruft fehr verichmächtigt find, auf einen Schuß durch den Unterleib aber das Tier nur felten fällt. Wohlhabende Anfiedler pflegen die Kän- quruhs mit Hunden zu jagen und benußen hierzu eine Art Jagdhunde (Windhund-Mifch- linge), die man geradezu Känguruhhunde nennt. Gute Hunde jagen Känguruhs bald nieder, bejonders wenn der Grund feucht ift, und wiljen auch den gefährlichen Waffen der Tiere gejchieft zu entgehen. „‚Jächt immer nämlich geht die Känguruhjagd fo ungehindert vonftatten, wie man meinen möchte; denn auc) diejes friedliche Tier weiß jich zu verteidigen. Seine Stärfe liegt in den fräftigen Hinterläufen, deren vierte Zehe, wie befannt, einen jcharfen Nagel trägt. Mit diejem bringt e3 jeinen Feinden gefährliche Wunden bei. Junge Hunde geraten regel- mäßig in den Bereich der Hinterklauen; einige tiefe Verwundungen oder von dem mit den Hinterfüßen ausjchlagenden Känguruh empfangene Hiebe machen fie jedoch jehr bald vor- jichtig. m Notfalle jucht ich das Tier auch durch Beißen zu wehren: ich habe gefehen, daß ein altes Männchen einen Hund mit den Vorderarmen umflammerte und ihn zu beißen verjuchte. Auch der Menfch hat jich vorzufehen, um nicht die Kraft der Klauen an fich zu erfahren. ch bin zweimal in Gefahr gewefen, von einem Känguruh verrvundet zu werden, und beive Male mit einer Kraft zu Boden geworfen worden, daf mir Hören und Sehen erging, war aber jedesmal glüclicherweife dem Känguruh ganz nahe, jo daß ich die Schläge anjtatt mit der Ktlaue nur mit der Sohle empfing. Einmal wurde ich von einem alten Männchen förmlich angegriffen und war herzlich froh, als das Tier vor Erichöpfung zujammenbrach, ehe es jeine Kräfte an mir auslaffen konnte.“ Eine Känguruhhat (Hunting in the Australian bush) jchildert neuerdings („Field‘“, 1908) WI. N. Ogilvte jehr dramatifch. Die auftralifchen Schaffarmen im „Bujch“ Haben alle auch ihre „Meute“, und das find nicht immer Firköter, fondern fehr oft ein halbes Dubend recht qutgezogener Forterriers und einige Wind- und fchiwerere Känguruhhunde. Ahre tägliche Arbeit ift die Bertilgung der Allerweltsplage, des Kaninchens, unter Aufficht des Tierdefnechtes. Feittage find die Känguruhjagden, wenn der Bejiker und feine Gäfte mit- reiten; denn dann gibt e3 eine lange, aufregende Jagd und zuleßt jogar noch einen Endfampf. Nach einem Galopp von einer halben englischen Meile fangen die Hunde an aufzurücden; die Känguruhmweibchen halten die Spibe, die jchwereren „alten Männer” bleiben allmählich zurüd. Die befte Hündin ift zehn Längen voraus, ihr zur Seite der Farminjpektor, ein Ichneidiger fteiter. Yebt holt fie die Kängurubs ein und wirft fich auf ein Opfer. Diejes macht 206 2. Drönung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. eine le&te verzweifelte Anftrengung, toirft ich zur Seite und nimmt feinen Weg nad) einem Wafjertüimpel in der Nähe. Da hinein watet e3 bis an den Bauch, jest fich mit dem Rüden gegen einen Baum und erwartet fo den Angriff der Känguruhhunde, die ebenfalls ohne Zögern ins Wafjer jpringen und auf das Wild losichwimmen. Ein alter Rüde will ihm ftrads an die Stehle; aber das Känguruh packt ihn mit feinen furzen Wordergliedern und taucht ihn unter Wafjer. Jm jelben Augenblic machen zwei andere Hunde gleichzeitige Seitenangriffe, daß das Wafjer zu Schaum aufjprigt. Aber das Känguruh jtöht fie zurüc und toirft jich vorwärts in das feichte Wajjer. Wie die erjte Hündin nach ihm jpringen will, aibt es ihr einen graufamen Schlag mit feinen mächtigen Hinterbeinen, der ihr die Schulter aufreißt, wie mit einem Mejjer gejchnitten, und, rajch jich Drehend, verjeßt e8 auch der zweiten Hündin einen ähnlichen Hteb, daß jte heulend das Ufer hinauf flüchtet. Da fpringt der alte Nüpde, mutig, aber vorjichtig, genau im richtigen Yugenblid ein, und während die todbringende Känguruhklaue unjchädlich über ihn Hinausichnellt, fafjen feine Zähne in die Weichen des Wildes. Sekt ift es um das tänguruh gejchehen, und mit einem jchweren Stnüppelichlag auf jeinen Kopf endet jchlieglich einer der Neiter am Ufer das Trauerjpiel, während die Terriers in ihrer graufamen Art den großen Leichnam nachträglich noch Hin und her zerren. Das wertvolle Känguruhfell wird rafch abgeftreift und an den Sattel gehängt, die großen Hinterflauen werden al Trophäe mitgenommen. Dieje Trophäe und auch Die veriwertbare Känguruhdede mag, wie der friich-Fröhliche Sagpdritt jelber, dem einfamen Schaffarmer gerne gegönnt fein: jteht ihm Dabei doch das gleiche natürliche Fägerrecht zur Seite wie unjerem Weidmann im Baterlande! Golche gelegentliche, rein jportmäßige Jagd wird auch faum je zur Vernichtung des Kängurub- beitandes führen. Etwas anderes ift e8 aber, wenn der „praftiiche” Auftralengländer an- fängt, „das Gejchäft mit dem Vergnügen zu verbinden”, oder vielmehr durch „bedeutendes Steigen der Fellpreije” jich zu andauernder Klänguruhjagd begeiftern läßt, wie dies Emil Donnier (In the Australian bush, „Field“, 1909) offen eingefteht. Solcher „Sport, zu dem bezeichnendermweije von der zuftändigen Stelle die Erlaubnis gegeben wurde nur gegen die Verpflichtung, die Känguruhleichen einzufcharren — wohl, weil fie jonjt die Gegend ver- pejtet hätten! — muß notiwendig zur Ausrottung der Tiere fein qut Teil beitragen, wenn man ein Lager mit großem Schuppen zum Ausjpannen, Einjalzen und Trodnen der Häute errichtet und von da täglich beim erjten Morgengrauen mit zwanzig Hunden nach verjchte- denen Nichtungen auszieht. Da fommt der LXejer beinahe in Gefahr, feine Sympathien dem alten Känguruhmännchen zuzumenden, das den herannahenden Säger ohne weiteres annahm, nachdem es in der oben gejchilderten Weije an einem Baume Nücendedung gegen die Hunde gejucht Hatte. Snterejjant ift übrigens die anjchliegende Mitteilung Donniers don einem großen blinden Kängurub, das, mit hocherhobener Naje Witterung juchend, auf ihn zu Hüpfte, meil e3, durch das Geräufch der menschlichen Schritte aufmerfjam gemacht, offenbar andere Känguruhs in der Nähe glaubte. Koch merfwinrdiger, faft wie eine Gejpenftergejchichte oder auftralifches Sägerlatein, mutet ein anderes Erlebnis mit einem blinden Känguruh an, für das Bance Palmer ganz neueroings (September 1910) im ‚‚Field“ mit feinem vollen Namen eintritt. Er jchoß in finfterer Nacht auf eine jpufhafte weiße Erfcheinung, die ihm der zum Wafferholen gefchicte Schwarze jchredensbleich als „böjen Geift“ bezeichnet hatte. Bei der Nachjuche im erften Morgengrauen fand jich etwa Hundert Elfen von dem Wafjerloch die Löfung des Nätjels: Känguruds: Jagd. Austottung. Gefangenleben. 207 ein vollfommenes Albinofängurub, ein alter Bod von großer Höhe, faum ein dunfles Haar auf dem Leibe, mit hell rojenroten Augen. Offenbar var das Tier beinahe blind, hielt jich deshalb in dem Wabde um das Wafjerloch und wagte nicht, weit wegzugehen; nachts tajtete e3 fich dann zur Tränfe hinunter. Balmer teilt aus eigner Erfahrung noch bemerfenswerte Einzelheiten über ‚‚Kängurub- ichiegen in Auftralien” mit. Bor einigen Jahren jchon betrachtete man in Auftralien die Kängurubs als zur Auscottung verurteilt. Viele junge Leute legten jich ganz auf dieje Jagd, angeloct durch die Hohen Yellpreife; auch die Dürre verminderte die Tiere und die Snjeften- plagen, Mosfitos und Sandflöhe, gegen die fie fich wenig widerjtandsfähig zeigten. Das Graue Niejenfänguruh oder der Foreiter hält fich, woran der leßtere Name wohl anfnüpit, mehr in ven baumbejtandenen Revieren, fonımt jelten auf die offenen Flächen hinaus und it an jeinen Standorten vermöge feiner gut mit der Umgebung übereinjtimmenden Schuß- farbe jchwer zu fehen. &3 liegt faum im Feuer, außer wenn man ihm die Kugel ins Beden oder in die Kreuzwirbeljäule jagt. Palmer hat manche tödlich verwundet, jie aber nur durch Zufall eine Meile und weiter weg verendet gefunden. Das Note Niejenfänguruh lebt in Herden auf den offenen Ebenen und stellt, nach Palmer, Wachen aus, die bei nahender Gefahr warnen. Manche alte Böce erreichen eine ungeheure Größe, jo daß ihre trodne Haut noch drei bis vier englifche Pfund wiegt. Der Preis der Häute geht von 4 Schilling bis 1 Pfund, jo daß die Felljagd ein recht einträgliches Gewerbe tft. Manche TFelljäger machen aus- gedehnte Treiben, jagen die Känguruhs gegen Hohe Zäune und fchiegen jie vor diejen mit dem Revolver nieder. Andere jchiefen die Schwarzen auf die Jagd und taujchen von ihnen die Felle gegen Rum und Opium ein, find alfo ganz bejonders fympathiiche „Kulturträger”. Unter diejen Umftänden ivar bereits jeit geraumer Zeit die Sorge vor völliger Aus- rottung mancher Känguruharten leider nur zu begründet: drückte jte doch den alten Stlafjiker der auftraliichen Tierfunde, Gould jelber, fchon vor einem halben Jahrhundert! Bon ftaat- fihen Schußmaßregeln hat man jedoch nichtS gehört, bis ganz neuerdings eine Nachricht Durch die Zeitung ging, in gewijjen Schußgebieten jei das Töten der Känguruhs für zehn Jahre verboten worden. Des Näheren brachte die Zeitjchrift „Field“ 1908 eine Mitteilung über eine beabjichtigte „Reserve on Kangaroo island“, nach der am einen Ende diejer dem Meerbujen von Adelaide vorgelagerten Injel ein Bannbezirf von zunächit 67, jpäter 313 Quadratmeilen gejchaffen werden jollte als unantaftbare Zuflucht für die bedrohte eingeborene Tier- und Pflanzenwelt Auftraliens. Dort würden dann natürlich auch Die Känguruhs eine Freiftatt erhalten. Sn die Gefangenschaft fügen fich alle Arten Känguruhs verhältnismäßig leicht, lajjen jih mit Heu, Grünfutter, Blättern, Rüben, Körnern, Brot und dergleichen auch ohne Mühe erhalten, verlangen im Winter feinen fonderlich warmen Stall und pflanzen jich - bei geeigneter Pflege ohne Umstände fort. Obwohl fie die Wärne lieben und fich gern behaglich im Strahle der Sonne dehnen und reden, fchaden ihnen doch auch jtrengere Winter- fälte und Schnee nicht, fall3 jie nur ein trodnes und gegen Wind gejchüstes Plätchen haben, wohin fie fich zurücdziehen können. Dank diejer Genügjamfeit und Unempfindlich- feit gegen Witterungseinflüfje jtieht man Känguruhs gegenwärtig in allen Tiergärten als regelmäßige Erjceheinungen, züchtet auch alljährlich viele von ihnen, und ebenjfo mwirden lie Hleineren, umhegten und gejchügten Parken, in denen fie feinen Schaden anrichten fönnen, ficherlich zur Zierde gereichen. So wagte Philipp Freiherr von Böjelager den Verfuh, Bennetts Wallaby in 208 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Deutjchland einzubürgern, und zwar in derfheinprovinz, in einen 500 Heftargroßen Walde bei Heimerzheim. Hier wurden im jahre 1837 zunächit fünf Känguruhs, zwei Männchen und drei Weibchen, ausgejeßt. Ste überjtanden den Winter im Freien, troß des hohen Schnees und der bis zu 22,5 Grad Leljiug betragenden Kälte, recht qut und lebten zunächit von Waldäfung, da fie die Futterpläßge erjt jpät fanden; hier älten fie am liebiten Rüben, nahmen aber auch Hafergarben begierig an und zogen jpäter Kajtanien allem andern Futter vor. „Dabei zeigte es jich“, jchreibt Freiherr von Böfelager, „Daß fie vorfichtiger waren oder ichärfere Sinne hatten als die Nehe. Wenn fie nämlich mit diefen auf einem Schlage oder den Wiejen äjten und man hinanbirjchte, hatten ich die Känguruhs meistens fchon emp- fohlen, wenn die Nehe noch ganz vertraut waren.” Am 20. Auguft 1883 Hatte jich unfer Gemährsmann auf einer Kanzel nach einem Nehbocd angejegt: „Plößlich raufchten dicht hinter mir die Büjche, und gleich darauf jchlug etwas heftig unter der Kanzel, fo dad ich glaubte, der Nehbod jei dort am Pläßen. Unmittelbar danach bemerkte ich jedoch das Ktänguruh; es hüpfte weiter und jchlug dabei die Hinterläufe jtarf auf den Boden. Auf jolche Weife warnt diefe Art der Känguruhs. Der Ton Klingt ähnlich, nur viel jtärfer, wie das befannte ‚Bar=- Bar‘ der Kaninchen. Sofort jah ich auch zwei junge Klänguruds, ichon ftärfer als Hafen, fich vorfichtig und Leife über eine freie Stelle jchleichen.“ Über das geiltige Wefen der Tiere teilt Freiherr von Böjelager uns brieflich noch folgendes mit: „Genau wird man jie in diefer Hinficht exit fennen lernen, wenn fie jich jo weit vermehrt haben, daß man anfangen fann, fie zu jagen. Exit dann wird fich zeigen, ob e3 jchiwierig it, jte zu überliiten. Mir jcheint, daß fie Elüger find als der vielgepriejene Fuchs.“ Über die weiteren Schieffale der volfftändig in unferen nördlich-europäifchen (paläark- tiichen) Breiten afflimatifierten Känguruhfolonie macht Wilhelm Schufter auf Grund des ihm dom Böfelagerichen Haufe zugegangenen handjchriftlicden Materials folgende Mit- teilung: „Noch im Jahre 1890 war nur Erfreuliches von den Känguruhs zu melden. Nach- dem im Sommer 1890 jolche mit Sicherheit an vier verjchiedenen Stellen des Nteviers Heimerzheim fejtgejtellt worden waren, und zwar an einer bier, an zivei anderen je zwei und an einer vierten ein Stüd, alfo zufammen mindejtens neum, und nachdent jich dieje im Laufe des Sommers 1890 verdoppelt hatten, waren im Herbit 1890 mit den in benac)- barten Nevieren jich aufhaltenden Tieren zwijchen 20 und 30 Känquruhg vorhanden. Die Tiere hielten jich immer einzeln, nie in Nudeln auf. Se mehr ihrer wurden, dejto weiter breiteten jie ji) aus, bis die ganze Gegend dünn von ihnen bejegt war; fie verhielten ih alfo auch in Diejer Beziehung ähnlich wie das Reh. Yhr Benehmen hatte fich jeit der eriten Zeit ihrer Einbürgerung nicht geändert. Jm Mat und Juni fonnte man fie täglich beobachten, bloß der alte Bocd blieb falt immer unfichtbar. Nur ein einziges Mal wurde er hinter einem großen Neijerhaufen angetroffen, worauf er jogleich mit großem Getöje (itarkeım Aufichlagen der Käufe) in fabelhaften Fluchten abging. Tiere mit Jungen zeigten ih im Juni täglich abends und morgens. Am 18. Juni 3. B. jaß ein vorjähriges Tier auf einem Lohfchlag und Tieß fich die frischen Eichentriebe vorzüglich munden. (Auch die weiblichen Tiere, welche im erjten Lebenzjahre jtanden, hatten bei uns bereit3 wieder sunge.) Um die Mutter herum tolfte in weiten Fluchten ein Junges von Kaninchenjtärke. Ab und zu hajchte fie es im Vorbeifahren, ledfte und pußte e3 und fieß es wieder laufen. Die Känguruhs äften Gras und Blätter, namentlich die jungen Triebe der Weichhölzer, und hauptjächlich fchienen ihnen die der Salweiden zu fehmeden, jo zwar, daß mehrere Stöde zulegt totgeweidet waren. Wie leicht zu beobachten war, gebrauchten die Tiere Känguruhs: Einbürgerung. 209 beim en von Rüben (der gewöhnlichiten Winterfütterung neben Vogelbeeren) die hori- zontal ftehenden unteren Schneidezähne in eigentümlicher Weife. Sie jtießen diejelben mie einen Meißel oder ein Stemmteijen in die Nübe und brachen dann ein Stüd heraus; fie nagten alfo jelbjt bei Rüben nicht. Von ivgendwelchem Schaden, den die Tiere angerichtet hätten, war nicht8 zu merfen, nur einmal — im Augujt — wurde ein Bod in einem Hafer- fü am Waldrand betroffen. Von Juli ab verjchwanden die Känguruhs, wie in den vorigen Jahren, und nur gelegentlich jtieß man da und dort auf ein Stüd. Bei der großen Trodenheit im Herbit jpürte man fie auch wenig, nur die Lojung verriet ihre Anmwejen- heit; das Bennettjche Känguruh pflegt nämlich mit Vorliebe feine Lojung längere Zeit auf einer Stelle abzujegen. Dann Fam die Statajtrophe. Gegen Ende 1890 war die Ktänguruhfolonie fait ver- nichtet. Eine Wilddiebsbande lauerte an den Futteritellen dem jo lange gehegten Wilde auf. Die Wilddiebe fonnten die Kängurubs, wie begreiflich, nicht verkaufen, mußten fie daher verzehren, und das jollen jie auch getan haben. Nur dem Umftand, daß die Känguruhs anfingen, jich zu verbreiten, blieb e8 zu danken, daß fich Doch einige erhielten. Ein oder zwei Tiere jtanden 1890/91 im Stottenforit, wo jie infolge reicher Buchelmaft glücklich überwinterten. Sn den benachbarten Nevieren jollten noch einzelne ihren Stand haben.” Sn einem lebten Schreiben teilt Albert, der Sohn des 1898 veritorbenen PBhi- pp Freiheren von Böjelager, dem Pfarrer Wilhelm Scufter mit: „DVBiele Jahre jpäter erfuhren wir, in welcher Stneipe die Halunfen die Känguruhs verjpeilt hatten. CS ijt Dies um jo mehr zu beflagen, als die Tiere jich von 2 auf 35—40 Stüd vermehrt und ver- jchiedene Winter mit 18 und mehr Grad Kälte ohne Not überjtanden hatten. Man fonnte demnach den Einbürgerungsverfuch als volljftändig gelungen bezeichnen. rgend- welchen Schaden im Wald oder im Feld hatten die Känguruhs nie angerichtet.” Neuer- dings ift Fein Känguruh mehr verspürt worden. Übrigens wurde aus Ufingen im Taunus, wie Wilhelm Schufter befanntgibt, an verjchtedene Frankfurter Tagesblätter gemeldet: „sit jener jelben Zeit wurde ein Känguruh hier in der Nähe, im Walde von Brom- bach (an der Weilbach), lange gejehen, was von vielen Augenzeugen bejtätigt werden fann. Da3 Tier ift alfo von dem Ausjeßungsgebiet in der Nheinprovinz nach dem hinteren Taunus ausgewechjelt, was eine Wegitrede von rund 100 km ausmacht.“ Über einen zweiten gelungenen Verfuch, Bennettsfänguruhs in Deutjchland einzubür- gern, den des Grafen Witleben, konnte bereits 1897 berichtet werden. Heck jchreibt dar- über im „Tierreich“: „1889 wagte num auch Graf Witleben mit Glücd den Verjuch auf einem recht mannigfaltigen, mit verjchiedenen Gehölzen bejtandenen und von Wiejen mit Büchen durchzogenen Gelände jeiner Herrichaft Altdöbern in der Niederlaufig, auf dem überhaupt allerlei Wild gut gedeiht. Aus feiner Schilderung geht hervor, daß unfer Silima dem Bennettsfänguruh nicht die geringjte Gefahr bereitet; der le&te Zuwachs von drei Stücd, die Graf Wibleben al3 Gejchenf und Erjat für ein auf der Treibjagd gejchojjenes Stüd im Januar vorigen Jahres erhielt, wurde, obwohl direft aus Auftralien kommend, ohne weiteres zu den anderen ausgejegt und befand jich dabei durchaus wohl. Sehr be- merfensiert ilt ferner die Angabe, daß bei den Altdöberner Känguruhs bis jebt irgend- welche Tagesordnung nicht zu erkennen ijt, daß jie durchaus nicht feite Wechjel und zu beitimmten Stunden bejtimmte Standorte einhalten; ein Anjtand auf einen Bennettsbod wäre nac) Graf Wibleben meijt ein vergebliches Unternehmen, dagegen könnte einem der Gejuchte jehr wohl am andern Tage beim Spaziergang zu beliebiger Stunde über den Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 14 210 2. Drdnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Weg hüpfen: fo regellos erjcheint daS Xeben der Känguruhs. Nur die Brunft feheint fich in Altdöbern bereits auf den Auguft feitgejtellt zu haben, und drolfig ift, daran anfnitpfend, die Schilderung, wie das Junge, nachdem es im nächjten Frühjahr den Beutel verlafjen hat, der Alten alles genau nachmacht biS auf die Zahl der Sprünge und der Wendungen des Sopfes. Von Belang für weitere Einbürgerungsverjuche ift auch die unbedingte Ver- träalichteit des Bennettsfänguruhs mit allem möglichen andern Wild und am Ende auch die Schmadhaftigfeit des Wildbrets, von dem Graf Witleben insbejondere die Suppe, die das Schwanzjtüd Tiefert, nicht genug rühmen fan.” Dagegen nahın der übrige Wildftand, namentlich das befanntermaßen jo heifle und empfindfame Nehmwild, die hHüpfenden Spuk geitalten der fremden Eimdringlinge auf die Dauer doch übel auf, fieß fich von ihnen „ver- grämen”, und jo wurden denn die Känguruhs Schließlich wieder abgejchoffen. Übrigens famen auch von Altdöbern aus Fälle von Auswanderung vor, ein Bennettsfänguruh wurde von Landrat Freiheren von Manteuffel erleat, und daran anfnüpfend, teilte der Förfter Neichel auf ForitHaus Frauendorf im August 1899 der „Deutjchen Yägerzeitung” mit, „daß diejes Wild auch auf dem zwijchen Müdenberg und Nuhland gelegenen Frauendorfer Ne- piere jorwie auch in dem benachbarten Nevier Tettau vorfommt. Auch ich glaube beitimmt, daß dieje Känguruhs aus Altdöbern hier jeit Jahr und Tag eingewechjelt find; denn bereits im vorigen Jahre wurde ein Känguruh in der Nähe gejehen.” Auch diefen Auswanderern werden Jagdpächter und Wilddiebe, Hunde und Naubzeug Yängjt den Garaus gemacht haben: man hat nie wieder was von ihnen gehört. Sicherer als im Nevier des deutjchen Yägers, in dejjen fonfervatives Weidmanns- herz fie Doch nie jo recht eingehen, leben die winterharten, einbitrgerungsfähigen Fremd- inge im Barf der englijchen Tierliebhaber großen Stiles. So bei Sir Walter Rothichild in Tring (Hertjhire), der dort auch ein großes Mufeum mit foftbaren Seltenheiten unter- hält, überhaupt ein vollfommen zünftiger Zoologe und Shitematifer ift. Auch darüber hat Wilhelm Schufter im April 1906 an die „Deutfche Fägerzeitung” berichtet, und zwar aus Yugenjchein: „Sn dem Park und Waldland bei Schloß Ting in England find nun Kän- guruhs vollfommen eingebürgert. Es ijt ein ganz jtattlicher Trupp von Tieren, und der Anbli it befonders Hübjch, wenn man feitlih vom Schlofje aus auf die weite, talartige, grüne Wiejenfläche mit den weidenden Dambirjchen, Känguruhs und Nandus fieht: Drei Welten auf einer Wieje zufammen!” Nothichild hält fo in voller Freiheit neben dem Bennetts- fänguruh auch das Graue Niefenfängurub; dagegen hat er es nach feiner eignen Mütteilung in den don ihm herausgegebenen „‚Novitates Zoologicae“ vom März 1898 mit einer ganzen Heide anderer größerer und Feinerer Arten vergeblich verjucht; auch mit folchen, wo man, tie namentlich bei dem harten, diefbehaarten Bergfängurub (M. robustus), durchaus feinen Grumd für das Mihlingen abjehen fan. Sp war ihm 189 nur ein Weibchen des Noten Niejenkänguruhs übriggeblieben. Dies paarte fich mit einem Männchen der grauen Art und brachte einen weiblichen Mifchling zur Welt, der genau ausjah wie die Mutter, von dem fremden DBlute des Baters feine Spur erfennen Yieß. Dasjelbe wiederholte fich merhvirdigermweife bei dem zweiten Mifchlina, der männlichen Gefchlechtes war. Er wurde ganz brillantrot, noch tiefer, al8 wenn er ein reimblütiger roter Bord gewejen wäre, und man mußte jich mit der Erfahrung beruhigen, daß bei diefer Kreuzung alfo von der grauen Farbe der väterlichen Art nicht die geringfte Spur vererbt wurde. Die in Fachkreijen wohlbefannten Züchter Blaaum in Gooiluft (Holland) und Falz-Fein in AScania Nova (Süd- rupland) halten in ihren Tiergärten ebenfalls jeit Jahren fchon Känguruhs ganz frei, und Känguruhs: Einbürgerung. Einführung. Leder und Pelzwerf. 211 auf der großartigen Wiener Jagdausitellung 1910 war eine „PBrobe” jozufagen von den 30 Stück Rothalsfänguruhs zu jehen, die Fürit Hohenlode-Schillingsfürit in einem S00 Koch großen Wildpark auf feiner böhmischen Herrjchaft Podjebrad eingebürgert hat. Troß der fortjchreitenden Ausrottung war auf dem Tiermarft nie Mangel an Kän- gurubhs; man jah aber mit wenigen Ausnahmen immer wieder diefelben Arten: dag Graue und das Note Niejenfänguruh und neuerdings auch das Bergkfänguruh oder Wallaroo (M. robustus), von mittelgroßen Arten das Bennettsfänguruh und feine nächiten Ver- wandten Rothals- und Nüdenjtreiffänguruh (M. ruficollis und dorsalis), Schwarzjchwanz- fänguruh (M. ualabatus), von feinen Arten Notbauchfänguruh (M. billardieri), Feljen- fänguruh (Petrogale penicillata), Zügelfänguruh (Onychogale frenata). Da leitete vor einer Reihe von Jahren der Frankfurter Garten mit Hilfe des Sammelreifenden Görling und des befannten Tierhändlers Menges regelmäßige und umfajjende Beuteltiereinfuhren aus Auftralien ein und machte uns in eriter Linie eine ganze Neihe jchöner und interejjanter Känguruharten lebend befannt, von denen man bisher im Tierhandel und Tiergarten faum etwas wußte; jo M. fuliginosus, woodwardi, antilopinus, ocydromus, irma, agilis; Ony- chogale unguifera, lunata; Petrogale brachyotis. Leider jcheinen dieje interejjanten Ein- fuhren wieder ins Stoden geraten zu jein. Natürlich findet auch Leder und PBelzwerf der Känguruhs Verwendung; das ergab fich bei dem majjenhaften Hinfchlachten von felbjt. Heute fommen, nach Braß, von den großen Niejenfänguruharten „jährlich wohl 200000 Stüd in den Handel”, von den Fleineren Arten, den jogenannten Wallabies, „Durchjchnittlich mindeitens eine halbe Million zum Erport, während außerdem nicht unbedeutende Quantitäten in Auftralien jelbjt verarbeitet werden”. Das Leder der Kiejenfänguruds „it ehr zäh und jtarf, weshalb die Felle meijt zu Gerberzweden verwendet werden. Nur die jungen Tiere haben eine dünnere Haut und dichteres Haar, weshalb fie auch zu Belzzweden allein verwendet werden." Won Stand- punkt des Belzhändlers bejchreibt Braß das Fell des Grauen Niejenfänguruhs (und VBer- wandter) al3 „Dunfelmodefarbig, mit etwas Grau gemijcht, am Bauch, wo das Haar aud) länger ift, hellfaxbig, weißfich”. Das Haar des Roten Riejenkänguruns findet er jehr richtig „gröber”, e3 „wird deshalb wenig im Pelzhandel veriwendet. Am beiten it das Fell des Blauen Känguruhs (M. robustus), welches hell gelblichblau (das Weibchen) und recht weid) it. Auch die Haut ijt dünner als beiden anderen (Niejen-) änguruhs. Stärfer verbreitet im Belzhandel ijt das jogenannte Wallaby, worunter übrigens eine Menge Arten zufannten- gefaßt werden, die zoologisch nicht zufammengehören. Hierin hat jich eine bejonders -qroße Wertjteigerung in den legten Jahren herausgebildet. Während noch vor etwa 20 Jahren 3—4 BVence für gute Wallabies gezahlt wurden, fojten fie jet bald ebenjo viele Schil linge. Das Felfenwallaby (Petrogale penicillata) ijt mit einem weichen, dichten Fell von rötlichgrauer Farbe bededt, das viel zu Belzzweden verarbeitet wird. Die beiten fommen aus Keufüdmwales. Zahlreicher ijt noch das Sumpfwallaby (M. ualabatus). Die bräunlich- toten, geringelten Haare, die an der Spiße chwärzlich find, find härter, aber auch länger als beim Feljenmwallaby; Deshalb wird das Fell bejonders viel zu SOfunfsimitationen ujw. gefärbt." Das Buschfänguruh (M. bennetti) Hat graues, dünnes und hartes Haar, fein Fell wird aber ebenfalls viel zu Deden verwendet. Zur Einzelfchilderung der verjchiedenen Känguruhformen übergehend, jtellen wir die Heine, nur eine Art enthaltende Gattung Lagostrophus T’hos. voran, weil jie wohl noch 14* 212 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. am meilten Öhnlichfeit mit den Känguruhratten hat. Gould hielt fie exft für eine folche, jtellte fie dann in jeinem Prachtwerf zu den Hajenfängurubs (Lagorchestes), und Thomas erhob jie 1886 zu einer jelbjtändigen Gattung, 80 Jahre nach der erjten Bejchreibung des Tieres, das, 1804 auf den Injeln der Shart3 Bay in Weftauftralien von Peron und Refueur entdect, eines der am früheiten befannten unter allen auftralifchen Beuteltieren war. Unfer maßgebender Beuteltierigitematifer jah ih zu diefem Schritt genötigt, weil „die Unterjchiede in der Bezahnung zwijchen Lagorchestes und Lagostrophus nicht jo alltäg- licher und unwichtiger Natur” find wie jonjt in der jehr gleichartigen Familie der Kän- quruhartigen; fie bemweijen vielmehr, daß Lagostrophus nicht nur eine abweichende Nahrung haben muß, jondern auch eine abweichende Art und Weife, fie zu fich zu nehmen, gegenüber allen anderen Mitgliedern der Unterfamilie des Kängurubs. Die oberen Schneidezähne jind nicht jchmal und jcharfedig, jondern breit und flachhöcerig, und die unteren „tauchen nicht nach innen zwischen diejelben, jondern fommen flach auf ihre Spiten zu liegen“, jo daß „nur eine mahlende und nicht eine jchneidende Wirkung” ausgeübt werden fann. Einzig und allein unter den Kängurubs fehlt Lagostrophus auch die Fähigkeit, Die beiden Unterfieferäfte jelbjtändig zu gebrauchen, weil die Verbindung zwijchen ihnen, jtatt loje und jchmal, breit, feit und ftark ift. Bejondere Unterjchtede von den Hajenfänguruhs bejtehen noch in der nadten Nafen= muffel und der langen, harten Behaarung der Hinterfüße, die, ganz wie bei den Yeljen- fängurubs, die Schmale, nacdte Sohle fait ganz bedect, und die furzen, aber jtarfen und zugejpigten mittleren Hinterffauen verbirgt. Schließlich jteht auch die Färbung, die Quer- bänderung des Hinterrüdens unter den Klänguruhartigen ganz einzig da und fehrt unter den Beuteltieren überhaupt nur beim Beutelwolf und beim Ameijenbeutler wieder, ilt bei diejen aber viel jchärfer ausgeprägt. Alle dDiefe Unterjchtede Schäßt Thonas jo [chiver ein, daß er die Unterfamilie der eigent- lichen tänguruhs in zwei Seftionen teilt, deren eine nur feine neue Gattung Lagostrophus, die andere alle übrigen Känguruhgattungen enthält. Die einzige Art der Gattung Lagostrophus, das Gebänderte Känguruh, Lago- strophus fasciatus Per. et Les., bildet Gould in Lebensgröße ab: graugelblich, mit hellen Grannenhaaren und der eigentümlichen braunen Querbänderung, die bis auf den halben Nüden heraufreicht und durch einen Längsftrich über dem Nüdgrat in der Mitte verbunden it. In die Wilfenjchaft führten es Peron und Lejueur ein, die ihm bei der Erforjchung der Wejtfüjte Auftraliens auf der Dirk Hartogs- und benachbarten Injeln begegneten. Dort lebt es in niedrigen, undurchdringlichen Didichten, die von einer Wimfenart gebildet werden. „Von Ddiejen Büjchen beißt es die niedrigeren Ziveige und Dornen ab und bildet jich jo miteinander verbundene Gänge, in die es fich bei Gefahr flüchtet.‘ Später zeigte fich, daß das Bänderfänguruh eine weite Verbreitung auch auf dem auftraliichen Feitland hat. Goulds Sammler Gilbert fand es weit im Innern der Schwanen- fupßfofonie und gibt an, daß e3 von den Eingeborenen „Marnine” genannt wird. „Es findet jich nur im allexdiciten Geftrüpp, in den Niederungen und an den Rändern von Sümpfen, to der Heine Melaleuca-Bujc jo did wächlt, daß es für einen Menfchen ganz unmöglich it, jich einen Weg hineinzubahnen. Das Tier vennt darunter Hin und entjchtwindet jelbit dem vajchen Auge der Eingeborenen. Während eines Ausfluges ins Innere war Gilbert jo glücklich, einen feiner Schlupftwinfel zu Freuzen, aber fo dicht war der Pflanzen- wuchs, daß er nad) drei Tagen fehwerer Arbeit nur imftande war, ein einziges Eremplar Gebändertes Känguruh. Hafenfängurudhß. 213 zu bejchaffen. Er fügt hinzu, daß das Tier in Gefellichaft mit dem ‚Damas‘ (M. eugenii) zu laufen jcheint. Diejer war aber häufiger, zeigte jich fortwährend und täujchte ihn Dadurch; der Pilanzeniwuchs war viel zu die, um den einen dom andern unterjcheiden zu fünnen, ehe man jie gejchoffen hatte. Die Eingeborenen haben die Gewohnheit, dieje Didichte alle drei Sahre abzubrennen, und vernichten auf diefe Weife große Mengen der Tiere... Das Fleiich joll dem des Kaninchens ähneln, aber es hat einen leichten aromatischen Hauch, der wahr- jcheinlich von der Natur der Nahrungspflanzen herrührt; dieje find falt alle wohlriechend. ——= =— Gebändertes Kängurud, Lagostrophus faseiatus Per. et Les., und Leihhardts Hafentängurub, Lagorchestes eonspieillatus leichhardti Gould. !/s natürlicher Größe. „US Peron und Lejueur die Snjeln bejuchten, trugen alle Weibchen Junge im Beutel, und die Hingebung, mit der fie ihre Sprößlinge zu retten juchten, war wahrhaft berwunde- tungswürdig. Obwohl verwundet, flüchteten fie mit dem Jungen im Beutel und hießen nicht davon ab, bis fie, überwältigt von Mattigfeit und Blutverkuft, es nicht länger jchleppen fonnten; dann hielten fie an und, fich auf die Hinterbeine fauernd, halfen jie dem jungen mit den Borderfüßen aus dem Beutel und juchten es in Sicherheit zu bringen.“ Db hier nicht das einfache injtinftive Herauswerfen aus dem Beutel mit einem vermenjchlichenden Yıimbus umgeben it, jcheint zweifelhaft. Für die eigentlichen Hajenfänguruhs (Lagorchestes Gowd), wie Gould jie nach ihrer Größe, nach Farbe und Beschaffenheit ihres Felles nannte, gibt Thomas als 214 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. äußere Merkmale an: Dluffel ganz oder teilmeife behaart; mittelite Hinterfralle Yang und Stark, nicht im Haar des Fußes verborgen. Schwanz ziemlich Furz, nicht bujchig oder bürftig, vielmehr durchweg Furz behaart. Berbreiten jich über ganz Auftralien, fommen aber nicht in Tasımanien vor. Nac) Bajedomw, einem vielgereiften auftralifchen Landes- geologen, leben fie in jteinigen Gegenden der Granit- und anderer Gebirge des Innern und werden dort folgendermaßen gejagt: Lange Zäune bis zu !/, und ?/, Meile Länge werden aus Geftrüpp jo gebaut, daß jie einander allmählich ftch nähern und fchlieglich zufammenjtoßen. Syn diefen Winkel werden die Tiere hineingetrieben und totgejchlagen. Mitunter wird auch der Winkel offen gelafjen und zwifchen den Zaumenden eine tiefe Grube gegraben, die Leicht mit Neifig bedeckt wird. Vor diefe Grube legt man dann noch einen großen Stein oder Baumftumpf, über den das getriebene Tier fpringen muß, worauf e3 unmittelbar in die Grube fällt. Die drei Arten der Gattung unterjcheidet Thomas folgendermaßen: Unterhaar des Rüdens eintönig [hwärzlichhraun. Ohren fürzer al3 ein Drittel des Hinterfußes. wei weiße Seitenbänder: Brillenfänguruh, L. conspicillatus Gould. Diejes teilt fich wieder in zwei Unterarten: L. consp. typicus, von den Jnfeln an der Nordweitküfte Auftraliens, mit gelblich- grauem Rüden und trübgefärbten Bändern; L. ce. leichhardti Gould, vom nowdauftralifchen Feitland, mit tief gelbrotem Rüden und hellen Bändern, überhaupt fehr brillanten Farben. Unterhaar des Nüdens zweifarbig: dunkel fchiefergrau mit blafjeren Spigen. Ohren länger als ein Drittel des Hinterfußes. Seine Seitenbänder: Gewöhnliches Hafenfängurud, L.leporoi- des Gould, mit weiß- oder graufpißigen Rumpfhaaren und jhwarzem Fled am Ellbogen. Süpdauftra- lien und Neufüdwales; Yottiges Hafenfänguruh, L. hirsutus Gould, mit rotipißigen Numpf- haaren und ohne jchwarzen Ellbogenfled. Wejtauftralien. Das Gewöhnliche Hajenfänguruh oderder Hajenjpringer, Lagorchestes leporoi- des Gould, wird jo genannt, weil er im Wefen und Färbung vielfach an einen Hafen erinnert. Seine Länge beträgt gegen SO em, wovon etiva 35 em auf den Schwanz fommen. Der Leib it geitrect, die Käufe und Klauen find jchlanf, die Heinen Borderpfoten mit fcharfen, jpißigen Nägeln bewehrt. Die Schnauze ijt jamtartig behaart, die Ohren, die innen mit langen weißen, außen mit furzen [chivarzen und weißen Haaren bekleidet jind, laufen |piß zu. Der Hafjenjpringer bewohnt den größten Teil des innern Aujtraltien und erinnert auch in feiner Xebensweile vielfach an unjern Hafen. Wie diejer, ijt er ein Nachttier, Das jich bei Tage in ein tief ausgegrabenes Lager drückt und Jäger und Hunde nahe auf den Leib fommen läßt, bevor es aufjpringt, in unbewußten Vertrauen, daß fein mit dem Boden gleichgefärbtes Seid ihn verbergen müjje. Wirklich täufcht er die Hunde oft, und auch), wenn er vor ihnen flüchtet, wendet er gewilje Lilten an, indem er, wie Freund Lanıpe, plöglich Hafen jchlägt und fo eilig wie möglich rückwärts flüchtet. „Sm einer der Ebenen Sidauftraliens”, erzählt Gould, „jagte ich ein Hafenfänguruh mit zivei flinfen Hunden. Kachdem e3 ungefähr eine Viertelmeile laufend zurüdgelegt hatte, wandte es jich plöblic) und Fam gegen mich zurüd. Die Hunde waren ihm dicht auf den Ferjen. ch jtand vollfommen jtill, und fo lief das Tier bis gegen 6 m an mich heran, bevor e8 mich be- merkte. Zu meinem großen Erjtaunen bog es jedoch weder zur Rechten noch zur Linten aus, jondern jegte mit einem gewaltigen Sprunge über meinem Stopf weg. Ich war nicht imjtande, ihm einen Schuß nachzufenden.“ Das Zottige Hafenfänguruh, L. hirsutus Gowd, unterjcheiden, nach Gould, die verlängerten, rötlich gejprenfelten Haare, die reichlich über den untern Teil des Nücfens Hafenfänguruhs. Nagelidwanzfänguruhs. 215 verteilt jind und bejonder3 dicht an der Schwanzmwurzel jtehen, jofort von allen anderen Arten der Gattung. Gilbert teilt über die Lebensweife mit: An jenen Gewohnheiten ähnelt e8 gleicherweife den Opofjumratten und den Hafenfänguruhs. C3 richtet jich einen Bau her, an beiden Enden offen, mit einem Lagerfejjel an der Seite des Einganges, von dem e3 jich in den Bau ftürzt im Augenblicd, wo e3 aufgejtört wird. &3 äjt auf den offenen Stellen in der Nachbarichaft der Diefichte, wo niedriger, dichter Bujch ijt von ungefähr 2 Fuß Höhe; beim Laufen, und bejonders wenn e3 gejagt twird, jtößt es einen einzelnen Ton aus, ähnlich der Silbe „ting“”, jehr rajch wiederholt. Bajedom nennt es „Spinifer-Wallaby‘ oder „‚Cadny‘ und gibt als Eingeborenennamen „Tallgu‘ an. Spinifer it eine für die allertrodenften Gegenden Australiens charakteriftiiche Büjchelgrasart; dem- gemäß jagt Bajedomw von dem Tiere: ‚‚es lebt mitten in der Wüfte und muß eine folojjale Ausdauer im Ertragen von Durft bejigen”. Ferner: „jest beim Hüpfen nur einen Vorder lauf auf; den andern hält es dicht an die Bruft gezogen”. Das Brillenfänguruh, L. conspicillatus Gould, ift „Heiner als das gewöhnliche Hajen- fänguruh und unterjcheidet fich von diefem durch das dichtere und harjcher jich anfühlende Haar, die furzen Ohren, das Fehlen des jchwarzen Ellbogenfledes und die rote Färbung um die Augen, die von einem viel brillanteren Rojtton it”. Bei Leichhardts Brillenfänguruh,L. c. leichhardti Gould (Abb., ©. 213), dehnt jich diefe leuchtende Roitfarbe über die ganze Oberjeite aus, wirfungsvoll unterbrochen von den hellen Spiten der langen Grannenhaare; nach unten geht jie in Hellgrau über, und die beiden Seitenbänder quer über den Schenkel heben jich noch heller ab. „sch habe die Art leichhardti genannt“, jagt Gould jehr jehön und pietätvolf, „in dem Wunfche, den Namen des unerfchrodenen Neifenden verewigen zu helfen, der jo viel zur Erforichung Australiens getan hat...” Thomas jagt über das Verhältnis der unfcheinbaren Anjelform, die aber zuerit be- fannt war und die er deshalb typieus nennen mußte, zu leichhardti: „Diejes jhöne Heine Känguruh ift gewiß nicht artlich trennbar von L. conspicillatus, zu welchem es in dem- jelben Verwandtjchaftsverhältnis fteht, wie Macropus ruficollis var. bennetti zu der typi- ihen Form. 3 ift wahrjcheinlich über das ganze mittlere und nordweitliche tropijche Auftralien verbreitet, während L. conspicillatus bis jest nur von gewiljen snjeln an der Nordweitfüjte befannt ift. Die leßtere ift daher, obwohl die früher bejchriebene, in Wirk- fichfeit, in der Natur, nur die mattfarbigere und Furzohrigere Injelvarietät der Teitlands- form. &8 trifft fich recht ungfüdtich, daß die Gefege uns verbieten, dieje Tatjache in der Namengebung der beiden anzuerkennen und L. leichhardti als das Original und die \injel- forn als die VBarietät anzujehen.“ Die Nagelihwanzkfänguruhs (Onychogale Gray), die in ganz Auftralien, aber nicht in Tasmanien vorfommen, „bilden eine natürliche fleine Gruppe”, jagt Thomas, „Die Durch die Form der Schneidezähne und den eigentümlichen hornigen Auswuchs an der Schwanz- ipige ausgezeichnet ift. Diejes legtere Merkmal ift ganz einzig unter den Beuteltieren und findet fich unter den übrigen Säugetieren nur beim Löwen, der zumeilen einen ähnlichen Hornftachel am Schwanzende hat.” Wie beim Löwen ijt diejer jogenannte Schwanzjtachel einfach eine Anfchuppung der Oberhaut, begünftigt durch die langen, jteifen Haare der Schwanzquafte, welche die abgejtorbenen Hautjchuppen zwijchen jich fejthalten. 216 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Weitere Gattungsfennzeichen jmd: die behaarte Najenmuffel (bei einigen rten einzig und allein die Najenjcheidewand am Grunde nadt); die lange, jchmale, zufammen- gedrückte und ehr jcharfe mittlere Hinterkralle; der Iange, ich verjchmächtigende, Furz- haarige, nicht bujchige, aber gegen die Spike mehr oder weniger aufgebürjtete Schwanz mit dem eigentümlichen Hornjtachel oder Nagel. Die Arten — 68 find ihrer drei — unterjcheiden jich äußerlich folgendermaßen: gelb- tote Grundfarbe und jehr langen Schwanz mit großem, plattem Nagel hat O. unguifera Gould aus Nordweit- und dem nördlichen Innerauftralien. Graue Grundfarbe und mittel- langen Schwanz mit Heinem, rundem Nagel haben die beiden anderen Arten, die fich auch in der Fellzeichnung jehr ähnlich find, und zwar reichen bei O. frenata Gould, aus Djt- aujtralten (Queensland bis Victoria), Die weißen Schulterjtreifen b13 in den Naden, der in der Mitte Schwarz oder grau ilt; beiO. lunata Gould, aus Weft- und Südauftralien, enden lie jchon auf dem Schulterblatt, und der Vaden ijt Dunfeltot. Das Zügel- oder Jwergfänguruh, Onychogale frenata Gould (Taf. „Beutel- tiere V“‘, 3, bei ©. 193), 1jt jeßt eines unferer niedlichiten Schauftüce im Zoologijschen Garten, das auch durch zierliche Geitalt und Haltung, hHübjche Färbung und Zeichnung jehr anfprechend wirt. Es it nur von Hajengröße, aber wie es hoch aufgerichtet dajist und das feine Köpf- chen mit den nicht allzu langen Ohren hoch trägt, macht feine ganze Erjfcheinung innerhalb der gegebenen Känguruhumtijje einen durchaus harmonijchen, angenehmen Eindrucd, und die nette, bunte Zeichnung gibt ihm geradezu etivas Clegantes. Färbung und Zeichnung rechtfertigen vollauf den Namen Zügelfänguruh; denn es zieht jich jederjeit nicht nur ein weißer Yügelitreifen von der Naje bis unters Auge, fondern auch noc) ein zweiter weißer Strich vom Hinterkopf über die Schulter herunter bis hinter den Ellbogen. Dieje leßteren „luflagzügel” werden noch mehr abgehoben in ihrem obern Teile dadurch, daß Hinter- fopf und Hinterhals zwifchen ihnen jchwarz find, und in ihrem untern Teile dadurch, daß vor ihnen das Fell ebenfalls dunkel gefärbt it. Sonjt wird Die hellgraue Grundfarbe der Dberjeite noch angenehm aufgeftijcht durch die weiße Unterjeite und einen rötlichen Ton der Übergangsgegenden, der Körperjeiten und der Wartie von der Ohrmwurzel herunter über die Borderjeite der Vordergliedmaßen. Die jchwache Bürjte oben auf dem Schwanze wird ebenfalls Durch jchwärzliche Farbe hervorgehoben. „Beträchtlihe Schwankungen fommen im Gewicht der einzelnen Sndividuen dor und namentlich in der Größe und Schwere der beiden Gefchlechter: volljtändig ausgewachfene Männchen wiegen 10—12 Pfund, während die Weibchen nicht über 4 oder 6 hinausgehen.” Auch der erite Bejchreiber, Gould, ijt [chon entzütckt von dem Tierchen, nennt es geradezu „eines der reizendjten Dinger, die man fich vorjtellen fan. Sn feinem Wefen ijt es furcht- jan, harmlos und jcheu aufs äußerfte, und vermöge feines jcharfen Gehöres, das durd) die Entwidelung der Ohren fchon angezeigt wird, ijt es außerordentlich jchiwer zu erlangen. 63 ijt ein Bewohner der füdöftlichen Teile Auftralienz, und die nächjte Oxtlichkeit in der stolonie Neufüdwales, wo ich e8 beobachtete, war Brezi am Fluffe Mofai, von wo e3 jic) ins ‚simere verbreitet, jo weit wie ich Gelegenheit hatte vorzudringen. Gilbert entdedte in der Folge, daß e3 in den Heinen Bufchdidichten gemein ift, die über die ganzen Darling- Dünen zerftreut find. E3 bewohnt alle die niedrigen Bergreviere zwijchen 100 und 600 Fuß, die unfruchtbarer Natur find: heiß, troden, fteinig und dicht bedect mit bujchartig ver- früppelten Bäumen. Dieje Gegenden find auch der Wohnort des Rüdenftreifenfänguruhs Zügelfängurub. Halbmondfänguruh. 217 (Halmaturus dorsalis), mit welchem ich das Zügelfänguruh öfters vergefellichaftet fand; aber e3 unterjcheidet fich von diefer Art, die jich ftreng an die Dicfichte bindet, dadurch, daß es mehr die offenen Teile bewohnt und gelegentlich jogar die ganz freien Ebenen. Wenn es aufgejcheucht wird von feinem Lager, das ausjieht wie vom Hafen, unter einem Grasbüjchel oder fleinen Bujch, rennt es mit ganz refpeftabler Flüchtigfeit davon und gibt gememhin jelbit den beiten Hunden ein jcharfes Nennen auf; häufig entwijcht es jogar, wenn es den dichten Teil des Buches oder einen hohlen Baumjtunmpf erreicht. Eins, das ich erbeutete, fletterte, als e3 jcharf bedrängt wurde, auf der Annenjeite eines hohlen Baumes entpor, bis zu einer Öffnung beinahe 15 Fuß über dem Boden; von dort fprang es herab vor die Hunde und wußte noch einmal die Höhle eines gefallenen Baumftumpfs zu erreichen, aus dem e3 jchließlich mit der Hand herausgeholt wurde. „sn der Gegend von Brezi jagen die Eingeborenen dieje Art mit Hunden und erlegen jie oft mit Speeren, Bumerangs und anderen Waffen. Jn Gundermein am untern amot machte ich jelbft ein Treiben der Eingeborenen mit, bei dem die Tiere mit Neben gefangen wurden; dieje waren, wenn auch roh gemacht, Doch jehr gut pafjend für den Jwed. Am Rande de3 Bujches angekommen, trennte der ältejte Mann der Horde je zwei von den Übrigen, die ein Neß von ungefähr 25 Ellen Länge und 31, Fuß Breite nahmen und damit nach den Teilen des Bufches vordrangen, wo die Wechjel der Tiere am häufigiten waren, während der Kteit der Eingeborenen den Busch von der entgegengejeßten Seite betrat und mit lauten Gejchrei und Geheul die Känguruhs nad) den Neben zu trieben. Auf diefe Weije erhielten fie an einem einzigen Nachmittag jo viel Eremplare für mich, wie ich mwünjchte. „Die Nahrung beiteht in Gras und verjchiedenen Arten von Sträutern, und das leiich it, wie das der anderen feinen Klänguruhs, ausgezeichnet; wenn ich e3 haben konnte, 309 ich e3 allem anderen Fleijch vor.“ An jeinen Gefangenen hat Seit im Frankfurter Tiergarten beobachtet, daß jie „beim Fliehen die Vorderbeine weit auseinander halten, jo wie Petrogale penicillata” (Feljen- fängurub). He hat dasjelbe früher auch an anderen feinen Känguruharten beobachtet. Das Halbmondfänguruh, Onychogale lunata Gould, das wohl von der ungefähr halbmondförmigen Geftalt feiner Schultertreifen fo genannt ijt, ähnelt dem vorigen fehr; abgejehen von den oben bereit erwähnten Merkmalen, dem kürzeren Schulterjtreifen und dem roten Naden, unterjcheidet es äußerlich nur der dunflere Grundton der Dberjeite, der nicht jo rein grau, jondern überall mehr oder weniger rötlich dDurchmijcht ft. Gould erklärt das Mondfänguruh deshalb für „sicher weniger jchmudvoll, und es ijt auch viel Heiner in allen jenen Maßen”. „ch hatte feine Gelegenheit, es in der Freiheit jelbit zu beobachten; aber Gilberts Angaben unterrichten mich, daß der ‚Waurong‘, unter welchem Namen die Eingeborenen das Tier fennen, in den Gummimwäßern Wejtauftraliens gefunden wird, two es Stellen mit dichtem Busch und gejchloffenen Dieichten gibt. Auf den offenen Blößen dazmijchen wird es gelegentlich gejehen, wenn es fich jonnt, aber beim leichteiten Geräujch flüchtet e3 unverzüglich in den Schuß des dichten Busches. Den Hunden gelingt e3 manchntal, e3 auf offene Stellen herauszutreiben, worauf e3, tie die Känguruhratten, zum nächiten Baumloch rennt und dann leicht gefangen wird. Der Waurong macht fein Nejt, fondern nur eine Vertiefung im weichen Grund ziwiichen dichten Gebüjch, in der er während der Tageshibe Tiegt... &3 it zu bedauern, daß diejes jowohl wie andere Känguruhs die zarten 218 2. Drdnung: Beuteltiere Familie: Springbeutler. Tinten ihrer Färbung verlieren, wenn die Felle dem Licht ausgejebt werden; dies geht im porliegenden Falle jo weit, daß es jchmwer fällt, Mufeumzs- und friihe Eremplare alß zur jelben Art gehörig zu erfennen.” Daher erjcheinen auch die Gouljchen Tafeln oft jo „grell und bunt” nicht nur gegen ausgejtopfte Schauftüde, jondern ganz ebenjooft gegen lebende Neuanfümmlinge, die von der langen Reife im Kajten mitgenommen jind. Das eigentliche Nagelihwanzfänguruh,O. unguifera Gould (Taf. „Beuteltiere V’, 4, bei ©. 193), {ft das größte der Gattung und verdient jeinen Namen tatfächlich am meiften durch) den großen platten Schwanznagel, der bei den Gattungsgenoffen auch nicht annähernd jo ausgebildet ift. Dagegen gleicht e3 diejen in der leichten, jchlanfen Gejtalt vollfommen, ericheint jogar durch den längeren Schwanz noch eleganter. „ES gibt fein Känguruh”, jagt Gould, „unter den befannten Arten diejer großen Säugetierfamilie, das jo einzig in feiner Att it; jeine ganzen Umnifje jind dur) einen Grad von Eleganz gefennzeichnet, wie man ihn bei den Säugetieren jelten fieht...” Die Färbung it ebenfall3 jehr zart, hält fich aber injofern in einfacheren Grenzen, als die Scharfen Strichzeichnungen der anderen Arten fehlen. Die Hauptfarbe der Ober- und Außenjeite, einjchlieglich der Schenkel und Schwanzmurzel, it ein jchöner, gelbroter, hell oerfarbiger Sandton, der auf der Unterjeite, am Kopf und den Gliedmaßen in eine zarte, helle Milchfaffeefarbe übergeht. Wie PB. Cahrı fchreibt, war „zeitweije bei allen Stüden de3 Frankfurter Gartens der Kopf jehr heil, fajt weiß gefärbt; jest (im Juli) Fällt dies viel weniger auf, die Färbung jcheint alfo nach der Jahreszeit etivas abzuändern“. Hecd möchte diejes Abblajjen vielmehr auf diejelbe Urjache zurückführen, die Thomas in einer Fußnote zu feiner Bejchreibung für Mufeumsitüde hervorhebt: Bei lange dem Licht ausgejebten Exemplaren wird dieje (Milchkaffee-) Farbe nahezu oder ganz weiß, namentlich am Kopfe. Ähnlich erklärt e3 fich wohl auch, dad junge Tiere etwas lebhafter rötlich gefärbt find als erwachjene Stüde. Eine undeutliche helle Duerlinie geht über den DOberjchenfel; die Schwache Bürjte oben auf dem Schwanze ist jchwarz, diejer jelbit fonjt in der Hauptjache weiß. „Sein Enddrittel zeigt eine Neigung zur Ningelung (Ningelzeich- nung); die Jingel find braun und werden fortichreitend dunkler, fliegen zufammen mit der ganz jchwarzen Schwanzipige, die einen wohlausgebildeten Pinjel trägt.” (Thomas.) Bis zum Erfcheinen von Goulds Prachtwerf war nur ein einziges Exemplar des Nagel- Ihmwanzfänguruhs befannt, das von Bynoe auf einer Forfchungsreife mit dem Schiff „Deagle” an der Nordmweitfüite Auftraliens gefammelt war, und lebend ift das merfwitrdige Tier jicher nie in Europa gemwejen, bi8 e3 durch die Känguruheinfuhren von Görling und Menges in den FrankffurterGarten fam. Über die dortigen Stüce jchreibt Cahn: „Auch diejes ihöne Stänguruh hält fich in Gefangenschaft recht gut und pflanzt jich leicht fort; Doch bejigt e3 nicht die Tugend der Verträglichkeit, feinesfalls dDuldet ein erwachjenes Männchen lange einen jüngeren Nebenbuhler um jich herum.” Selienfänguruhs (Petrogale Gray). „&3 fejjelt nicht wenig, zu beobachten, mie die Nörperformen der verjchiedenen Känguruharten abändern und wie gut jede einzelne den natürlichen Lebensbedingungen angepaßt ift, die jenes große Südland unferer Gegenfühler, Auftralien, bietet; die Grasebenen, die Wälder, die Felder und die Bäume, alle werden jie bewohnt von Mitgliedern diefer ausgedehnten Familie. Unter diejen bilden die Feljenkänguruhs eine mohlbegrenzte Gruppe, deren Arten äußerft lebhaft an den beliebten Standorten fich herumtummeln.“ So leitet jchon Gould jeine Schilderung E - 4 Beuteltiere VI. 2. Selienkänguruh, Petrogale penicillata Gray. 1/jo nat. Gr., s. S.219. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 3. Derbykänguruh, Macropus eugenii Desm. 1/jo nat. Gr., s. S.232. — A. Ellinger- Frankfurt a. M. phot. ax 4. Rotbauchkänguruh, Macropus billardieri Desm. “/ıo nat. Gr., s. S. 231. — Dr. K. Priemel-Frankfurt a. M. phot. Eigentlihes Nageljdwanzfänguruh. Felfenfänguruh2. 219 der Felfenfänguruhs ein in volfftändig moderner Naturauffaliung, und Thomas fügt im Sinne de3 jcharfen Shitematifers unjerer Tage Hinzu: „Obwohl jehr nahe verwandt der zweiten und dritten Gruppe der Gattung Macropus (den mittleren und Keinen Wallabies), jind die Feljenmwallabies im ganzen ehrlich befugt, gattungsweije abgetrennt zu werden; fie bilden eine natürliche und Leicht zu umjchreibende Gruppe. Shre Lebensweije unter- jcheidet fich beträchtlich von der der Hochland-Wallabies, jie bewohnen feljige Gegenden und Hettern auf den Stlippen mit bemerfenswerter Gemwandtheit herum. Shre langen, bujchigen Schwänze dienen al3 Balancierftangen und jind daher nicht verdickt und verjtärkt zum Gebrauch als dritte Stüße, wie e3 bei den gewöhnlichen Wallabies der Fall it.“ Die jechs Arten der Feljenfänguruhs find von den Großfußfänguruhs durch ihr etwas abmweichendes Gebiß, die furzen Hauptkrallen der Hinterbeine und den an der Spibe bujchigen, porn und Hinten gleich diefen Schwanz unterjchiedene mittelgroße Springbeutler. Das jüdauftraliihe Felfen- oder Pinjelihwanzfänguruh, P. penicillata Gray (Taf. „Beuteltiere VI’, 2), erreicht, einjchlieglich des fürperlangen Schwanzes, 1,25 m an Länge und ijt tief purpurgrau, feitlich weigbraun, Hinten [hwarz, unten braun oder gelb- ih, an Kinn und Bruft weiß, auf den Wangen graulichweiß mit einem undeutlichen dunfeln Streifen, am Rande der dunfeln Ohren gelb, an Füßen und Schwanz jchivarz gefärbt. Das gleichgroße ojtauftraliiche Gelbfußfänguruh, P. xanthopus Gray (Ibb., ©. 220), it bla vrötlihbraun, mit Grau gemijcht, längs der Rüdenmitte dunkler, unterjeits weiß, eine Duerbinde über den Schenkel ebenjo, eine jeitliche, von der weißen Unterjeite jcharf begrenzte Längsbinde jhwärzlich, der Fußmwurzelteil gelb gefärbt, der Schwanz gelb und Ihwarzbraun geringelt. Mehr oder minder erhebliche AUbänderungen fcheinen beim Yeljen- wie beim Gelbfußfänguruh nicht jelten zu fein. Diefe beiden Arten haben bis jest allein auf dem Tiermarkt und im Zoologijchen Garten eine Rolle gejpielt. Das Gelbfußfänguruh ift aber in der neueren Zeit recht jelten geworden und auch unter den Frankfurter Einfuhren nicht vertreten; dieje Haben nur das nordweftauftraliiche Kurzohrfänguruh, P. brachyotis Gowd, Hinzufügen können, Dejjen Ohren nicht nur furz, jondern zum Unterfchied vom gewöhnlichen Felfenfänguruh auc) heil (einfarbig grau oder fahl, zumeilen mit weißer Spite) jind. Wenn man die großen Gouldichen Prachttafeln diejer Feljfenfänguruharten vergleicht, jo erfennt man, daß jie alle nur Abäanderungen ein und derjelben Färbung und Zeichnung jind, die in P. xanthopus ihre buntejte Ausprägung erreicht. Nur das auch durch feine geringe Größe ausgezeichnete Stleine Felfenfänguruh, Petrogale concinna Gould, macht einen ganz abweichenden Eindrucd durch feine — ähnlich wie beim Leichhardtichen Hajen- fänguruh — gelbrote, mit hellen Stichelhaaren durchjegte Ober- und die blajjere, graugelbe Unterfeite. Ganz neuerdings ist e3 denn auch von Thomas al3 bejondere Gattung (Pera- dorcas) abgetrennt worden, zumal nähere Unterfuchung ergab, daß es durch ganz ab- mweichende, merkwürdige Gebißverhältniffe ausgezeichnet ift, wie jie bei feinem Känguruh und Beuteltier, wohl aber bei einer Seefuh, dem Manati, wiederfehren. Die Zahl der Badzähne beträgt immer wenigitens 7; fie fallen mit der Abnusung vorm aus und werden von hintenher zeitlebens erneuert. (Val. „Nov. Zool.“, 1904, ©. 226.) „Die Kolonie von Neufüdmwales oder der jüdöjtliche Teil Auftraliens ijt die Heimat de3 Pinjelichwanzfänguruhs; das darf aber nicht jo verjtanden werden, daß es über diejen Teil _ 220 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. de3 Feftlandes allgemein verbreitet wäre, weil die Landichaften, die e3 fiebt und an die jein Bau bejonders angepaßt ift, jehr eigentümlich find und nicht in allen Teilen der Stolonie vorfommen. Die Gebirgszüge, die jich längs der Dftküfte von Port Phillip zur Moreton- bat erjtreden, deren Charakter feljig und fteil ift, gehören zu den Ortlichfeiten, wo es fich findet; niedrigere Hügel und die fteilen, felfigen Schluchten zwijchen den Bergen umd der See find ebenfalls Lagen, die es bewohnt; meine eignen Exemplare find in verfchiedenen Teilen des oberen Hunterbezirts gefammelt, im Liverpool-Nevier und auf den niedri- gen Hügeln, die in füdficher Nichtung verlaufen. Gemwandt und affenähnlich in feinen N IK” pl. Gelbfußfängurub, Petrogale xanthopus Gray. Yıo natürliher Größe. Bewegungen, treibt esjich (lebhaft, wie wenige Tiere, zwijchen jeinen heimischen Felfen herum und entgeht leicht der Berfolgung des Dingos oder eingeborenen Wildhundes, indem e3 von einer Feljenfante zur andern jpringt, bis es, auf dem Feljenfamm oben angefommen, vor jeinen Angriffen ficher ift. ES bejteigt auch mit Leichtigkeit Bäume, bejonders jolche, deren halb niedergeitredte Lage ihm bequemen Aufitieg bietet; aber ungleich lieber hauft e3 Doch zwischen Feljen mit vielen Abgründen und Höhlenschlupfiwinfeln, in die es fich bei dem leijejten Argwohn einer Gefahr hinabftürzt, fo gewöhnlich die Eingeborenen und feinen natürlichen Feind, den Dingo, meisternd. Zur Mündung diejer Höhlen und auf beträchtliche Entfernung den Berghang hinunter find richtige, harte, gut ausgetretene ‚Wechjel‘ gebildet, welche ebenjojehr die Flucht des Tieres zu feinem fichern Aiyle erleichtern, als fie zugleich jeine Nähe verraten. Obwohl das Tier in feinen Lebensgewohnheiten ftreng nächtlich ift, jieht man einzelne doch auch am Tage, wenn fie ich auf einem Felfenvorjprung oder Halb Pinfelfhwanzfänguruh. 221 umgefallenen Baume jonnen. Bei jolchen Gelegenheiten fann man jte leicht bejchleichen und fchiegen, und auf diefe Weife habe ich auch zahlreiche Eremplare für meine eigne Sammlung erbeutet.” (Gould.) Neuerdings schildert Dr. Schnee, der befannte Stolontalarzt und Naturforicher, gelegent- fich eines Ausfluges in die „Blauen Berge” von Neujiidwales eine Begegnung mit dem Pinjelfhwanzfänguruh in der Freiheit. „Schon war ich in der Nähe der ebenermähnten Steinmafje angelangt und bog um die Ede des Gejteins, als etiva zehn Meter vor mir hinter einem Baume ein jolches Tier hervorhüpfte. EI fehrte mir den Rüden zu und hatte meine Anmejenheit offenbar gar nicht bemerkt. Mit tändelnder Leichtigkeit Hüpfte es von einem Telsblod zum andern, wobei feine Bewegung fat an einen anprallenden und wieder enporjchnellenden Gummiball erinnerte. Dann drehte jich das Känguruh, wie es jchien, wie zufällig um und bemerkte dabei meine Anwejenheit. Da ich mich aber regungstos ftilf verhielt, jo jah es mich eine Zeitlang ruhig an, mobet es jeine Vorderfühe Hin und her bewegte, und hüpfte dann Hinter einen großen Stein, der eg halb verdedte, jo daß ich nur noch den hinten Teil feines Rüdens bemerkte. So jtanden wir beide eine Zeitlang unbeweglic). Als ich mich nun vorjichtig jeitwärts bewegte, jah ich das Ktänguruh in der Stellung eines jigenden Hafen hinter feiner Schußiwand fauern, wobei e8 eifrig nach mir jpähte. Endlich ichten e3 mit fich ins reine gefommen zu jein, beruhigt fam es hervor und hüpfte, wie vorher, von einem Blod zum andern, wobei e3 jich bisweilen aufjeßte, in welchen Momenten e8 lebhaft an ein Eichhorn erinnerte. Endlich jprang es höher hinauf und war zwijchen den tiefigen Blöden meinen Uugen gar bald entichwunden. ch beichloß, vorläufig Hier zu warten, ob vielleicht dasjelbe oder ein anderes Wallaby hervorfommen würde, und begab mid) deshalb zu einer auf dem Niüdfen des Berges liegenden Anhäufung mächtiger Steine, von denen aus ich jene Partie, wo das Känguruh verihwunden war, leicht im Auge behalten fonnte. Wie auf dem bisher zurücgelegten Wege jchon öfters, fand ich auch hier die Yojung diefer Tiere jo häufig, daß jich folche in jchmalen Spalten geradezu angejammelt hatte. Daß die Wallabies hier in auferowdentlicher Anzahl vorkommen, lag auf der Hand; außerdem bewies e3 folgender Umstand: Die einzelnen Felstrümmer auf dem Bergrüden zeigten, wie alle großen Steine diefer Gegend, die ich daraufhin anfah, tiefe Rinnen, zioijchen denen die ftehengebliebenen Partien nicht jelten rippenartig hervortreten, wohl eine Folge des Negens. An einzelnen Stellen der Feljen, offenbar jolchen, auf welche die Wallabies öfter zu fpringen pflegen, waren diefe Rippen ftarf, bisweilen völlig abgejchliffen, von mweiker Farbe, während die anderen Teile durch mikfroffopifche Flechten Schwarz erjchtenen.‘ Inzwischen hatte der Beobachter einen Schneefturm zu überjtehen. Dan jchildert er feiter: „Einen andern Pfad einfchlagend, fcheuchte ich nach wenigen Hundert Schritten unter einem riefigen, hohlfiegenden Felfen gleich zwei der gejuchten Tiere, ein großes und ein Hleineres, auf, welche dort wohl vor dem Schnee Schuß gejucht hatten, jest aber in mächtigen Säben bergan entflohen. Das erjte lief feitlich, wo die fteil abfallenden Felfen einer stage Feine Möglichkeit gervährt hätten, zu entfommen. Das Wallaby überwand indejjen mit einem mehrere Meter hohen Saße das Hindernis, ein zweiter folgte, und jchon im nächjten Augen- blief war das Tier aus meinem Gefichtsfreife entjchwunden. Wer e3 nicht gejehen hat, fann fich unmöglich eine VBoritellung von der Schnelligkeit machen, mit der ein Wallaby davon- ipringen fan. Der Weg, den ich bisher verfolgt hatte, führte fchließlich zur Offnung einer Höhle, durch deren zimmerhohe Wölbung ich eintrat, da es mittlerweile wieder zu jchmeien anfing. Nach Überfteigung weniger Felstrümmer befand ich mich in einer Hohen Halle. 222 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Sn ihrer einen Ede öffnete fich ein dunkler Spalt, welcher tiefer in den Berg führte, offen- bar der Eingang zu einer der vielen Höhlen diefer Gegend. An der Niwand des Ge- wölbes befanden fich) mwaijerfallartige Tropfiteinbildungen, jo daß die Wand nicht ganz fenfrecht, aber Doc) noch fehr fteil verlief. &3 fiel mir auf, daß einzelne, namentlich hervor- tragende Stellen wie glajiert ausjahen und von der gewöhnlichen Farbe des Gejteins völlig abwichen. Sie waren glasartig braum, jtellenmweije grünlich, dabei jpiegelglatt. &3 fonnte bei ihrer Anordnung feinem Zweifel unterliegen, daß es fich hier um die polierende Wirkung von Wallabyfüen handelte. Sch glaubte zunächt, daß die Tiere vielleicht jpielend die Wand Hinaufgejprungen wären, da ich mir die Sache nicht anders zu erklären vermochte. Erft mit der Zeit wurde ich auf mehrere jeitlich ganz verftect Legende Offnungen aufmert- jam, offenbar Eingänge zu Höhlen. Meine Vermutung bejtätigte ich, ich fonnte an den erwähnten Stellen deutlich die zu den verjchtedenen Köchern Hinführenden Wege erkennen. Leßtere waren deshalb fo leicht zu überjehen, da fie hinter fulifjenartig vorjpringenden Stalfplatten fich befanden, jo daß nıan fie exit dan zu fehen befam, wenn man fein Geficht ganz nahe an das Gejtein brachte, während jelbjt der dicht Davorjtehende nichts von ihnen bemerkt. An einem Felfen von etiva Manneshöhe, der vor diefer Wand mit den Höhlen lag, entdeckte ich gleichfalls eine jolche polierte Stelle. Bei eiliger Flucht Ipringen die Tiere bom Eingang her offenbar auf diejelbe und erreichen von dort mit einem zweiten Gabe die zu ihrem Schlupfwinfel führende Exrhabenheit.” So erhalten wir durch Schnee einen jehr anfchaulichen Einblid, wie das Binfelichiwanz- fanguruh fi) — man muß wirklich Sagen: raffiniert — in feinem feljigen Wohngebiet ein- zurichten verjteht, und welche Witterungsunbilden es dort aushalten muß. Aber auch über den yang des flinfen Tieres erfahren wir wenigjtens beiläufig etwas. „Sch bin aber nicht von den Bergen gejchieden, ohne mir ein lebendes Wallaby mitzunehmen, welches in der Kacht mit einer Schlinge gefangen wurde.“ Sn der Neuzeit hat man Gelbfuß- und Feljenfänguruhs wiederholt lebend zu uns gebracht, und gegenwärtig fieht man namentlich die leßteren in vielen Tiergärten. Cie unterjcheiven fich, abgejehen von ihrer Luft zu Klettern, in ihrem Betragen nicht von den Verwandten. Errichtet man ihnen in ihrem Gehege einen fünftlichen Felfen, jo Klettern lie gern an dejjen Wänden umher, nehmen verjchtedene ihnen mögliche Stellungen an und gewähren einen Hübjchen Anblid; ihre Stletterfertigkeit geht oft jo weit, daß jie 2—3 m hohe Gitter zu Üüberjteigen vermögen, denn fie erflimmen Felfen, wie es fcheint, nicht nur hüpfend, jondern auch Fetternd, und bedürfen nicht innmer, um eine Höhe zu gewinnen, den zum Aufjpringen erforderlichen Raum, fondern wifjen fich anderweitig zu helfen. Sn Stanfkfurt trieben fie fich, wie Haade mitteilt, viel auf den Dächern der 2 m hohen Stäffe des Hühnergeheges, in dem fie untergebracht waren, umher und gewannen diefe Höhe durch Erkffimmen der aus Drahtgeflecht beitehenden umd einige Stälfe berithrenden Ein- friedigung. Heds Erfahrungen gehen dahin, daß e3 feinen virtuoferen Springer, in die ZTiergärtnerpraris überjegt: feinen fchlimmeren Ausreifer, gibt als das Feljenfänguruh. syn Köln jaßen die Heinen Teufelsferle immer hoch oben auf der glücflicherweife durch Aufjasgitter geficherten Umfangsmauer des Gartens, an die ihr Gehege ftieß, und fießen fich da don der johlenden Dorfjugend gratis bewundern. Und im Berliner Garten hat man fie jo lange immer wieder vom Dach de3 (jeßt nicht mehr exiftierenden) Känguruhhaufes her- unterjagen müjjen, bi3 man diejes durch Schußgitter verbarrifadiert hatte. Wie fie hinauf- lamen, hat man nie beobachten fünnen; e3 ift aber anzunehmen, und das ftinmt mit Pinjfelfhwanzfängurug. Baumfänguruh:2. 223 Haades Erfahrungen im Frankfurter Garten überein, daß fie dazu Hetternd die Draht- gittervand ihres Geheges benußt haben. Daß fie im Stalle an zwei, ja jogar drei qlatte, jenfrechte Wände hintereinander anfpringen, ohne inzwijchen die Erde zu berühren, hat Hed mehr als einmal gejehen. „Sobald ich ins Känguruhhaus trete, lenfen jte gleich durch ihr Warnungszeichen, hartes Aufichlagen mit den Hinterläufen, ähnlich wie die Kaninchen tun, meine Aufmerkfjamfeit auf jich, und jowie ich dann näher fomme, geht das Springen los!” Wie andere Gebirastiere, Gemjen, Steinböde, haben auch die Feljenfänguruhs die Gewohnheit an jich, Tange bewegungslos auf einem Lieblingsplage auszuharren und mit großer Kunst auf fchmalen Kanten und fcharfen Graten des Gleichgewicht zu halten. Goulds Zeichner Richter rüuhmt ein jchönes Männchen des Kondoner Gartens aus dem Jahre 1853 als ganz ausgezeichneten Modellfiger, der ihm ftundenlang auf einem Baumfjtanım ftill hielt, und Waterhoufe erzählt ebenfalls aus alten Zeiten des Londoner Gartens von einem Cremplar, das ganz gewohnheitsmäßig auf eine jchmale Kante feiner Umzäunungsiwand aufzufpringen pflegte und dort feinen Körper im Gleichgewicht hielt auf eine Art und Weife, daß man e3 auf den eriten Bli für unmöglich hielt. Nachzucht erzielt man bei dem Feljen- fänguruh ebenfo leicht wie bei allen Känguruhs überhaupt. Die Baumfänguruhs (Dendrolagus Schleg. et Müll.) weichen in ihrer Lebens- und Bewegungsweije noch weit mehr ab von der großen Mafje der Känguruhs überhaupt als die Feljenfänguruhs; bei genauerer Beobachtung muß man aber bejtreiten, daß fie in ihrer Eigenart auch nur annähernd folche Meifter und Birtuofen jind wie jene. Gemiß, fie find Baumtiere; jie Fettern fofort auf einen Baum, wenn man ihnen einen jolchen bietet: aber wie! Man hat das Gefühl: jeder Junge, der ein halbwegs guter Turner it, macht es ebenjogut. „Ein gut Teil Schuld an diejem etwas abjprechenden Ixteil, das 1c) nicht ganz ohne Bedenken veröffentliche, mag ja die Behinderung tragen, die die Öefangen- Ichaftsverhältniffe jeden Tier auferlegen; aber ich räumte den drei erjten Baumfängurubs, die ich erhielt, den großen Mittelfäfig des Affenhaujes ein, in dem jonjt eine ganze Mieer- fagenfchar nach Herzenstuft fich austobt; ich hielt jpätere Eremplare wenigitens in einem zimmergroßen und zimmerhohen Käfig und hatte jtet3 natürlich für einen neuen pajjenven, mweitverzweigten Stletterbaum mit rauhen Nindenäften gejorgt. Troßdem blieb und bleibt der Anblic der Tiere andauernd und unverändert, auch nachdem etwaige Steifheit als Folge langer Reijehaft längjt überwunden jein mußte, der gleiche: mehr oder weniger jänmerlich und fümmerlich. Sch Fan mir nicht helfen: mir wird meijt einigermaßen angjt und bange, wenn ich fie ‚Klettern‘ fehe! Und dabei fann ich bezeugen, daß die Tiere nicht etwa geichwächt, abgemagert und aljo nicht imftande find, zu zeigen, was fie eigentlich fünnen. Sie find in gutem Emährungszuftand und im VBollbejis ihrer Kräfte; aber jte fünnen eben nicht mehr, und das, was fie fönnen, nicht beifer.” (Hed.) Wallace jagt auch fchon über die Baumfänguruhs: „Dieje Tiere unterjcheiden fich in ihrer Gejtalt nicht jehr wejent- lic) von Bodenfänguruhs und jcheinen faum genügend an ein Baum=- und Stletterleben angepaßt zu fein, da fie fich recht langjam bewegen und nicht bejonders feit auf den ten jtehen.“ Und an anderer Stelle: „Sie unterjcheiden fich hauptjächlich von den Erd- fänguruhs dadurcd), daß jte einen mehr haarigen Schwanz haben, der an der Bajis nicht verdickt ift und nicht al3 Stüße dient, und durch die mächtigen Sllauen an den Border- füßen, mit denen fie Die Rinde und die Zweige fajjen und die Blätter ergreifen, von denen lie fich nähren. Sie bewegen fich mit furzen Sprüngen auf den Hinterfühen, die nicht jehr 224 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. fit das Erffettern von Bäumen zu pafjen jcheinen, vorwärts. Eine mahrjcheinliche Annahme icheint die, da das Baumfänguruh modifiziert worden ift, um imjtande zu jein, jich in den weiten Wäldern Neuguineas von LYaubwerf zu emnähren, da diefe Wälder das große, natitrliche Charafteriftifum find, welches diejes Land von Auftralien unterjcheidet." Kenn ein Känguruh Hettern joll, jo fann man jich jchon von vornherein denken, daß jeine Wordergliedmaßen nicht jo furz und jchtwach fein dürfen wie bei den Erdfänguruhs. Ferner leuchtet ohne weiteres ein, daß ein musfulös verdidter Stüßjchtwanz, der das Tier wie auf einen Dreifuß jest, beim Baumfänguruh noch weniger Zwed haben würde als beim Felfenfänguruh, und in der Tat find dies die beiden Punkte, in denen die Baum- fänguruhs von allen übrigen jchon äußerlich jich unterjcheiden. Sie haben für ein Kän- guruh auffallend jtarfe, musfulöfe Arme mit mächtigen, jehwarzen Sichelffauen und einen ichlaffen, dünnen Schwanz, der höchiteng als Balancieritange zu gebrauchen ft; man jieht auch, dat er in verjchiedenen Richtungen vom Körper abgeitellt wird. Durch dieje Unter- ichiede fällt das Tier aber nicht im gerinajten aus dem Rahmen der tänguruhgeitalt heraus, jeder Laie jieht vielmehr auf den eriten Blick, was er vor jich hat, und man hört vor dem Ktäfig der Baumfänguruhs immer den jtaunenden Ausruf: Ach, ein Känguruh auf dem Baum! Die mwijjenjchaftlihe Spitematif fügt zur Charafteriftif der Gattung Dendrolagus noch hinzu, daß das Haar im Naden und zuweilen aucd) auf dem Nüden nach vorwärts gerichtet ift. Ferner zeigen bei näherer Betrachtung auch die Hinterfüße Eigentümlichkeiten, die auf das Baumleben Bezug haben: jte find breit und die beiden zufammengewachjenen Zehen (2. und 3.) nicht unverhältnismäßig Hein gegen die anderen (4. und 5.), deren Krallen annähernd jo ftarf und Frumm find wie an den Vorderfüßen. Cine weitere Eigentümlichfeit des Hinterfußes, die jchon am lebenden Tiere auffällt, ijt die breite, nacdte Sohle. Nach der Aufnahme eines Präparates des Melbourner Tiergärtners Le Souef bildet man jie grob geförnelt ab; im Leben und aus einiger Entfernung gejehen, er icheint jie mehr glatt, nicht ganz unähnlich einer menjchlichen Ferje und Sohle. Gie ichmiegt fich jehr innig an den Wit an, auf dem das Tier quer jist, und dient offenbar dazu, ihm dieje jehr beliebte Auheitellung zu erleichtern. Die Baumfänguruhs nähren fich in der Freiheit jelbjtveritändlich von alledem, was der Wohnbaum, ihre Nahrungsquelfe, ihnen bietet, alfo vorzugsweije von Blättern, Stnojpen und Schöflingen, wahrscheinlich auch Früchten. Shre Heimat ift das Waldland Neuguinea und das nach Tier- und Pflanzenwelt damit übereinjtimmende allernördlichjte Auftralien, namentlich Nordqueensland. Man unterjcheidet jest acht Arten. Am Bärenfänguruh, Dendrolagus ursinus Schleg. et Müll., aus Nordweit-Neu- quinea, fällt befonders auf, daß das vorwärts gerichtete Nadenhaar einen Duerfamm zmwi- ihen den Ohren bildet. Seinen Namen trägt e3 von der plumpen, unterjegten Geltalt. Es it ein ziemlich großes Tier von 1,25 m Länge, wovon etwas mehr als die Hälfte auf den Schwanz gerechnet werden muß, fein Leib gedrungen und kräftig, der Kopf Furz. Der Tel; bejteht aus ftraffen, fehwarzen, an der Wurzel bräunlichen Haaren; die Obhrenjpigen, das Gejicht und die Unterteile find hell, die Wangen gelblich, ein Aing um das Auge it dunkler. Nach Waterhoufe „unterjcheidet fich das Fell jehr von dem der gewöhnlichen Känguruhs nicht mur dadurch, daß es Harjch und glänzend ift, jondern auch dadurd), dat es nur eine Art Haar aufweift. E3 fcheint, al3 ob diejenige Haarform, welche bei ge-. möhnlichen Ktänguruhs die Hauptbededung bildet (das Wollhaar = Unterhaar), hier ganz T 4 5 MED N re ATZE a Bennetts Baumkänguruh. Bärenfänguruh. Braunes, Großes, Bennetts Baumfänguruf. 225 oder fait ganz fehlt, und daß die längeren, eingeftreuten Haare jener (Grannen) hier das ganze Haarkleid darjtellen." Tatjächlich it es aber nicht jo, wie fehon daraus hervorgeht, daß das Geficht ein anderes furzes, blaßbraunes bis graues oder weißliches Haar trägt, das nad Thomas nur „die Fortjegung” des furzen, wolligen „Unterhaares des Körpers” ift. Das Braune Baumfänguruh, Dendrolagus inustus Schleg. et Müll., ift dunfel- braungrau gejprenfelt; Gejicht braun oder jyivarz; Kinn, Kehle und Bruft weißlich; Zehen Ihwarz; Schwanz jchwarzweiß gemijcht; die Heinen, jpißen Ohren find did, aber furz be- haart, das Nadenhaar vorwärts gerichtet. ES war zu Goulds Zeiten jchon einmal lebend in London. „m Wejen fchien es träger zu jein als die Exrdfänguruhs, es brachte den größten Teil de3 Tages auf dem großen Aite zu, der in jenem Käfig angebracht war, und fonnte dort ftundenlang in döjiger, Schläfriger Haltung figen, den langen, bufchigen Schwanz born um den Körper Herumgefchlagen. Zu anderen Zeiten war es etwas lebhafter, jaß auf- recht und Tieß dann den Schwanz jenfrecht Herabhängen, ganz nach Art der Affen.” Nojenberg jchreibt über die beiden vorjtehenden Baumfänguruharten: „Beide Arten werden rajch zahm und gewöhnen jich leicht an ihren Pfleger, befunden auch nicht die nindeite Furcht vor Hunden. Die meinen Tiefen frei umher und folgten mir auf Schritt und Tritt, mit vajch ich wiederholenden Sprüngen der Hinterbeine. Das Klettern, wobei der Stamm oder At mit den VBorverfüßen umfaßt wurde, geichah etwas jchwerfällig. Sch fütterte fie mit PBflanzenfoft, namentlich mit reifen PBijangfrüchten, welche fie, auf den Hinterbeinen jigend, nach Urt der Affen, nur plumper, zum Maule brachten und verzehrten. Das Bärenfänguruh ift allen Papua auf Neuguinea unter dem Namen Niaai wohl- befannt und wird von ihnen oft gefangen.” Das 1899 von TH. Hon. Walter und W. E. Nothihild in ihren „„Novitates Zoologicae‘“ beichriebene Große Baumfänguruh, Dendrolagus maximus Rothschild, läßt fchon aus jeinem Namen eine Haupteigentümlichfeit, feine hervorragende Größe, erfennen. „Auf der Oberjeite des Schwanzes befindet fich nahe der Wurzel ein großes, ungefähr Freisrundes nadtes Bolfter von schwarzer Farbe und gerungelt und geförnelt wie die Sohlen der Hinter- füge.” Man kann fich nur denken, daß das eine Schwiele ift, die vom Anlehnen an den rauhen Baumftamm herrührt, wenn das Tier in einer Ajtgabel jchläft. Andere Baum- fängurubs haben jie auc). Bennett Baumfänguruh, Dendrolagus bennettianus de Vis, aus Nordqueens- land (Taf. „Beuteltiere VI“, 1, bei ©. 218), it, nach Sclater, „oben und unten dunfel mausbraun, Kopf und Halsjeiten rötlich; Schwanz und Ohren jchmwärzlich; ein led auf dem Rüden über dem Schwanze fchwarz; Unterfeite und Spibe des Schwanzes fchwärz- lich”. Über das Freileben zitiert Sclater den Melbourner Tierfundigen Le Souff: „Die Baumfänguruhs finden jich im allgemeinen auf oder beinahe auf dem Wipfel in jolchen Nevieren, mo das Holz nicht jo Hoch oder fchwer zu erflettern ijt. Sie bleiben tagsüber auf den höchiten Zweigen eines Baumes und fteigen zur Nacht herab, um von einem Baume zum andern zu gelangen. Gie fcheinen fich von VBogelneitfarnen zu nähren, von den Blättern gemwijjer Bäume und wahrjcheinfich von Wildobjt.” Im Berliner Garten jind bis jebt BennettS Baumkfänguruh, Bären- und Braunes Baumkfänguruh vertreten gewefen. Über das Gefangenleben hat Hed dem oben Gefagten Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 15 226 2, Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. hier nur nod) hinzuzufügen, daß es tödlich Tangmweilige Pfleglinge find, die auch die größte Tierbegeifterung nur zu bald erlahmen lafjen. „Die Känguruh- Dummheit, die mit viel mehr Recht fprichivörtlich zu werden verdiente als Die des Dchjen und Ejels, jcheint bei ihnen ihren Höhepunkt zu erreichen. Zu einer gewilfen Entjchuldigung gereicht ihnen allerdings, daß fie offenbar Nachttiere find; aber die Enttäufchung ift Doch zu groß, die gerade dieje Tiere um fo empfindlicher bereiten, weil man fie wegen ihrer Geltenheit und ihres her- borragenden wifjenfchaftlichen Sntereifes mit jo großer Spannung erwartet. Sch hatte ihnen ihr Käfigzimmer ganz nad) ihrer Eigenart eingerichtet, foviel ich mich in Diefe rad) der früheren Erfahrung Hineinverjegen konnte. Auch eine bequeme, mit Heu weich aus- gepofiterte Korbmulde al3 Schlafjtelle war da; fie wollten aber eigenfinnig am Ende eines Altes vor einem Heinen Fenfter jchlafen, und exit als ich diejes verhängte, gingen fie an die richtige Stelle. Ins Freie, eine mit überdachten Stletterbaum und Schlaftonne aus- geitattete Drahtvofiere, war nur das Männchen einmal zu bringen, und es stellte fich dort jo töricht an, Fraxrelte immer wieder mit unbejchreiblich ftupidem und entjettem Ge- jihtsausdrud an einem Holzpfoften ftatt am Stletterbaum in die Höhe, daß ich beide jeitdem ruhig im Snnenraum jigen lafje. Dort haben fie jich jest für ihre Verhältniffe und FZähig- feiten feidlich gut eingewöhnt, bereiten ung wenigitens feine Schwierigkeiten und Auf- regungen mehr durch irgendwelches unfinnige Gebaren. Syn der Negel fiben jie nieder- gebüdt in der Storbmulde und jchlafen oder ftieren vor fich Hin mit einer geijtigen Leere im Gejichtsausdrud, die mir bei feinem andern Säugetiere jo aufgefallen it. Manchmal zeigen fie auch ihre ‚Stletterfünfte‘: gar oft nur ein Frampfhaftes Ankrallen, ungejchictes Nutfchen, unficheres Springen und Balancieren, dazwifchen allerdings auch wieder einmal einige gejchidtere Sprünge und Griffe. Arm beiten machen fie anfcheinend das Springen bon der Höhe herab zur Erde; das gejchteht mit einer bemerkenswerten Sicherheit, ohne daß jte jemals nad) vorne fallen und jich auf die Hände ftügen müßten. Meift endet die Fahrt beim Futternapf, und hier muß ich ihnen wieder das qute Zeugnis ausitellen, daß fie feine heiffen Stoftverächter find. Das gewöhnliche Futter: Mohrrüben, Brot, Mais und Gerjte gequetjcht, Sileie und Häcjel, nehmen fie gut an. Apfelfinen mitjamt der Schale find ein Zederbijfen; nach folcher Mahlzeit leden jie fich forafältig die Arme ab, an denen der Saft heruntergelaufen ist. Sehr gern frejjen fie auch Grünfutter, und nad) friiher Quzerne waren fie fo gierig, daß fie dadurch zahm wurden, dem Wärter entgegenfamen und an ihm hochklettern wollten, wenn er diejes ungeduldig erwartete Sommer-Abendbrot brachte. Laub nahmen fie nur im Frühjahr und Vorjommer, als wenn fie wühßten, daß es jpäter wenig Nährgehalt mehr hat. Stleeheu lajjen jie als Erjat für Grünes gelten; anderes Heu muß aber fchon jehr gut fein, wenn es ihnen behagen fol. Auf der Erde hüpfen fie ähnlich wie die gewöhnlichen Kängurubs, halten den Schwanz dabei aber ander: in wage- rechter Linie oder flahem S-Bogen über den Boden erhoben.” Sm Gegenjaß zu der früheren Erfahrung mit den Bennett3-Baumfänguruhs zeigten fich die jpäter zufammen eingeführten Bären- und Braunen Baumfänguruhs im Berliner Garten von vornherein ganz zahm und vertraut im Innen- wie im Außenfäfig, deshalb aber nicht Flüger als die anderen. Wir fehen alfo auch hier wieder, daß das Benehmen eines Tieres in der Ge- jangenfchaft ganz von den Schieffalen abhängt, die e8 vorher durchgemacht hat. gum Schluffe noc, einige weitergehende Gedanken, die die Beobachtung lebender Baumkänguruhs anregt! Man hat von diefen Tieren unbedingt den Eindrud, und fchon Wallaces oben wiedergegebenes Urteil fpricht e8 ja deutlich genug aus, daß fie an ihre Baumfänguruhs: efangenleben. Anpafjung. Gattung Dorcopsis. 227 eigenartige Yebensweife nur unvollfommen angepaßt find, wenigjtens nicht annähernd mit jolcher Vollfommenheit, wie wir Dies in der Tierwelt zu fehen gewöhnt find, in unzähligen Sällen jogar mit Staunen erfennen und anerfennen müjjen. Vielleicht ift aber gerade das die wiljenschaftlich interefjantejte Seite der Baumfänguruhs. Denn einmal liefern jte ung den Beweis, daß es in der Natur überhaupt unvollfommene Anpaffungen gibt, und zum andern Mal zeigen jte, daß die Natur es da bei jolchen unvollfommenen Anpaffungen bemwenden läßt, mo jie genügen. Neuguinea und das anjchliegende nördlichite Australien ind großenteil3 Waldländer; da lag es für ein Fänguruhartiges Tier nahe, zum Nahrung3- erwerb auf die Bäume zu gehen. Wnderjeits fehlen dort größere Hletternde Naubtiere, die einem wenig leiftungsfähigen Baumtier in feiner Sphäre verderblich werden fünnten, und jo fünnen wir uns denken, daß das Baumfänguruh in feiner Heimat fich erhalten hat ichlecht und recht, wie wir e8 heute noch jein Leben friften jehen. &3 hatte eben nicht nötig, lich bis zum virtuojen Stletterer und Baumjpringer auszubilden; ungefährdet von Feinden, fonnte e3 auc) jo, wie es ift, ganz gut bejtehen, und deshalb ift es wohl jo geblieben. Bon den Baumfänguruhs zu den Erdfänguruhs leiten einige Formen über, deren Wejen als Bindeglieder auf die denkbar jchlagendjte Art mittelbar eriviefen wird, nämlich durch die wechjelnde wifjenschaftliche Behandlung und Wertichäßung, Die jte von den Shite- matifern erfahren haben. Da ift zunächit eine Gattung Dorcopsis Schleg. et Müll., die Garrod 1875 nach vergleichend-anatomijchen Studien über die Kängquruhs als jelb- jtändige ©eftion 2 der Känguruhartigen im engeren Sinne (Unterfamilie Macropodinae) binftellt neben die Seftion 1 der Känguruhs im engjten Sinne (Gattung Macropus Shaw). Ihomas macht dazu aber in jeinem Beuteltierfatalog jchon wieder die einjchränfende Bemerkung, ihm jchienen die unterjcheidenden Merkmale doch nicht ganz jo feititehend, wie Garrod annehme;-namentlich Tiefere die Entdedung einer neuen Dorcopsis-rt (D. maclayi) ein Bindeglied zwifchen den Gattungen Dorcopsis und Macropus. Und über die D. maclayi jelbit jagt er, das der Urbejchreibung zugrunde fiegende Typuseremplar jet womöglich ein Mifchling ziwifchen einer andern Dorcopsis-Art (D. luetuosa) und einem echten feinen Känguruh (Macropus browni)! lhnlich ging es mit einer weiteren, 1903 von Nothichild in feinen „Novitates Zoologicae“ aufgeitellten Ziwijchengattung Dendro- dorcopsis, die jowohl Dorcopsis al3 Dendrolagus nächitverwandt jein und beide mit den eigentlichen Känguruhs verbinden jollte. Nach Rothichilds vorläufiger Bejchreibung unter- jcheidet jie fich von beiden durch das viel mehr behaarte Najenfeld und die jehr furze Kralfe der mittleren Hinterzehe, hat aber die nacdte, runzelige Sohle der Baumkänguruhs und die verlängerten Hinterbeine von Dorcopsis, und während jie fich nach Schädel und Sebi als echtes Känguruh von der Gattung Macropus erweilt, jtellt jte jich durch ihre äußeren Merkmale angeblich zugleich als Baum und als Feljentier dar. Allein Furz darauf ichon mußte Rothichild fich von Thomas überzeugen lajjen, daß jeine neue Gattung feinen Beitand haben fünne, weil auch ihre äußeren Merkmale mehr „macropin“ jind, d. h. fie als Känguruh im engjten Sinne erweilen, als er zuerit Dachte; er zog jeine Dendrodorcopsis woodwardi daher wieder ein und benannte fie um in Macropus bernardus, weil der Nanıe Macropus woodwardi jchon anderweit vergeben war. ch glaube, dieje Furze hiftorische Darftellung fpricht genügend für fich und zeigt deutlich genug, wie es in der Wirklichkeit eigentlich zugeht: die Natur bildet die Tierformen aus einer im Getriebe des Naturganzen begründeten Notwendigfeit heraus mit der Trennung und Vereinigung der Merkmale, 15* 228 2. Drdnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. wie fie diefe ung meift unerfennbare Notwendigfeit mit jich bringt. Da wollen dann aber die Begriffsjchablonen der Shitematif nicht immer pajjen! Die Gattung Dorcopsis behält aber ihren Beitand. Thomas nennt fie im allgemeinen „macropodiform”, d. h. wie die echten Känguruhs gejtaltet, nur mit der Einjchränfung, daß das Mifperhältnis zwijchen den Border und Hintergliedmaßen nicht jo groß ift mie bei der Gattung Macropus. Außerdem gibt fich die nähere Berwandtichaft mit den Baumfänguruhs noch dadurch zu erfennen, daß das Haar im Naden, vom Hinterhaupt bis zum Widerrift, NIm AT ganz oder teil- I, 2 an weile nach bor- märt3 gerichtet it, und jchließ- fih auch Dda- durch, Daß die Hinterfrallen lang und ftark, nicht im Haar verborgen find. Der Schwanz ift nur gerade oben behaart, an der Spite nahezu nadt. Dasgroße und breite Na- jenfeld ift ganz nadt; der Kopf langundfjchmal; die Ohren Hein. Die Gattung Dorcopsis, für die jih außer Känguruh-Muffeln. 1 Macropus dorsalis, 2 M. irma, 3 M. giganteus, 4 M. robustus. d . 3 Aug D. Thomas, „Catalogue of the Marsupialia et Monotremata“, London 1888. em mwijjen- ichaftlichen nur der Kame „Silander” bei Gould findet, ift auf Neuguinea befchränft. Bis heute werden jechs Arten unterjchieden. | Dorcopsis mülleri Schleg. (Ned. Tijd. Dier.“ 1866), mit fchofoladenbraunen Rüden, weißem Hüftftreifen, weißlichen Armen und Händen, die bei Schlegel und Müller und bei Goufd D. bruni Schleg. et Müll. heißt, hat dadurch viel Anlaß zu Verwirrung und Vermwechjelung mit einem feinen echten Kängurub (Macropus bruni, bejjer brunii Schreb.) gegeben, das zwar nicht genau diefelben, aber doch unmittelbar benachbarte Gegenden Neu- quineas bewohnt, md diefe VBerwechjelung ift um fo weniger zu verwundern, als ihr durch eine täujchende äußere Ahnlichkeit beider Tiere der denkbar größte Vorfehub geleiftet wird. Ein Verhältnis, das übrigens merfwürdigerweije bei Dorcopsis Juetuosa und Macropus browni genau ebenjo wiederkehrt. Auch Gould ift von diefer nur zu erklärlichen Verwirrung ©attung Dorcopsis. Großfußfänguruhs. Kleine Wallabies. 229 nicht frei geblieben, und jo kommt es, daß wir bei ihm für Doreopsis den Bulgärnamen „Stuander” finden, der aus dem alten Neifewerf De Bruyns ftammt und nachweisbar dem „Doppelgänger” Macropus brunii zufommt. Bir liegen die Drdnung der Beuteltiere mit der Schilderung der Arten der Grof- fußfänguruhs oder Stänguruhs im engften Sinne (Macropus Shaw), deren Merkmale in der nadten Muffel, den mwohlentwidelten Ohren, dem abwärts gerichteten Nadenhaar, dem außerordentlichen Längenunterjchiede der Vorder- und Hinterbeine, der fehr langen Hauptfralle der Hinterfüße und dem dicken, nach der Spiße fich verjüngenden, glatt behaarten Schwanze zu juchen jind. Die nadte Muffel, die haarlofe, nur mit geförnelter Haut überzogene Umgebung der Najenlöcher (Rhinarium), ijt bei den einzelnen Arten wieder jehr charakteriftiich verjchieden in Form und Größe und fann daher der fyftematifchen Diagnofe dienen. Jür die Hüpfend auf der Exde fich bewegenden, von Gras und Straut lebenden Ange- hörigen diejer Gattung gilt vornehmlich alles das, was oben in unferer AUllgemeinfchilderung der Känguruhartigen oder Springbeuteltiere bereit3 gejagt wurde. Sie beivohnen in der Hauptmafje Auftralien, in wenigen Heinen Arten auch die Ofthälfte der auftromalatischen Subregion (Neuguinea und benachbarte Snjeln). Bei der Gattung Macropus liegt der eigentümliche Fall vor, daß man fie für die praftifche Überficht ehr leicht noch weiter teilen fan in feine Wallabies (Thylogale), mittlere Wallabies (Halmaturus) ımd große Känguruhs (Macropus), daß aber die jtrenge mwiljenjchaftliche Shjtematif, wie fie Thomas in feinem Beuteltierfatalog anwendet, zwei diefer Gattungen wieder einziehen mußte, weil außer der Größe doch nicht genügende Unterschiede vorhanden find, um fie zu begründen. Die feinen Wallabies, die zum Teil nur von Hafengröße find, [chließen jih am nächiten an die bereits gejchilderten Gattungen an und mögen ihnen deshalb hier folgen. Sie find e3 auch, die ji) am meiteiten in die Tropen verbreiten, über die Aru-fjnjeht und durch Neuguinea bis in den Bismard-Archipel. Wir unterfcheiden mit Thomas folgende Arten Feiner Wallabies, deren Hinterfuß weniger al8 15 cm lang ift: Rings um die Ohrwurzel und Nückjfeite der Hinterbeine jchön helltot, Naden grau oder braun, nicht rot: Behaarung Furz, grob und dünn; Hauptfarbe ein dunkler Sandton; weißer Hüftitreifen. M. coxeni Gray, Noroqueensland. Behaarung weich und dicht; Hauptfarbe Braungrau mit roter Zeichnung: Hüftitreifen deutlich; Flanken fattrot. M. stigmaticus Gould, Nordoitqueensland. Hüftitreifen undeutlich oder fehlend; Flanken rötlichgrau. M. wilcoxi MeCoy, Südqueensland und Neufüdmwales. Nings um die Ohrwurzel und Nüdjeite der Hinterbeine grau oder braun (tot): Behaarung dünn, eintönig jchofoladenbraun: Ihren Hinten jchwarz; weißer Hüftitreifen. M. brunii Schreb., Aru- und Kei-änfeln. Ihren Hinten braun wie der Kopf; Fein Hüftjtreifen. M. browni Rams., Djt- und Südoft-Neuguinea, Neupommern. 230 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Behaarung lang und die, auf dem Rüden verjchieden getönt: Schwanz mehr als dreimal jo lang wie der Kopf; Naden und Vorderteil gewöhnlich rot. Genie tiefrot, feine Spur eines dunfeln Nadenitreifens; Najenfeld breit und nat big zur Oberlippe. M. thetidis F. Cw. (Südqueensland), Neufüdmwales und Victoria. Genid mattrot oder grau mit dunfelm Nadenftreifen; Nafjenfeld endet unterhalb einer bejonderen Falte. Nücen grau, Schultern gewöhnlich rötlich; Nadenftreifen breit, undeutlich begrenzt. M. eugenii Desm., Weft- und Südweltauftralien. Hauptfarbe blaß ijabellfahl; Haar dicht und lang. M. bedfordi T’hos., Queensland oder Nordauftralien. Rüden, und Schultern eintönig matt grauvötlih; Nadenftreifen jchmat, deutlich begrenzt. M. parma Waterh., Südoftauftralien. Schwanz nur 2 mal fo lang wie der Kopf. Naden und Vorderteil braun wie der Rüden. Hinterfuß länger als 112 cm; Fell die und weid). M. billardieri Desm., Bictoria, Tasmanien. Hinterfuß fürzer aß 11 cm; Fell grob und harjd). M. brachyurus Quoy et Gaim., Wejt- und Süpdauftralien. Die Heinen Wallabies leben weniger auf den großen, offenen Flächen als im Bujch, im Sumpf und in den Bergjchluchten, wie das ja auch ihrer geringen Größe mehr ent- jpricht: fie juchen jich mehr gededten, bewachjenen Standort und fünnen fich an jolchem bejjer bewegen als die größeren Arten. Wenn jie ängjtlich und flüchtig werden, breiten alle die Heinen KHänguruhs (auch die Feljen- und Kagelihiwanzkänguruhg) wie voller Ver- zweiflung die furzen Arme aus. So halten jie wohl bei eiligem Hüpfen mit vorgebeugtem Körper bejjer das Gfleichgetvicht, was ihnen ihre Furzen (bzw. jchlaffen) Schwänze wahr- jcheinlich nicht in dem Maße erleichtern, wie den großen Arten die mächtigen Wipp- und Balancierjtangen, die fie in ihren diden, musfulöjen Schwänzen bejigen. Das Kurzichwanzfänguruh, Macropus brachyurus Quoy et Gaim., it äußerlich den beiden Känguruhrattenarten, mit denen e3 zufammtenlebt, täufchend ähnlich; man fann es aber von diejen Doch unterjcheiden durch die längeren Hinterbeine, den jchwarzen, verhält- nismäßig fürzeren und dideren Kopf, die dichter behaarten Ohren und die graue, nicht rot- jpigige Unterwolle. Gejtalt kurz, gedrungen, mit fehr Kurzem Schwanz (nur Doppelt jo lang wie der Kopf). Haar lang und die, aber grob, oben graubraun gefprenfelt, unten jchiefer- grau von Farbe, manchmal mit vötlihem Schimmer. Ohren jehr kurz, rund, ragen nur wenig über das lange Haar des Oberfopfes hervor. Weder am Kopf noch am Rumpf irgendwelche Zeichnung. Kopf grau gejprenfelt, Hände, Füße und Oberjeite des Schwanzes braun. Länge 83 cm. Zähne, nach Thomas, in ihren gegenfeitigen Größenverhältnijjen jehr verjchieden von denen aller anderen Arten der ganzen Gattung, die Badzähne jehr ähnlich denen von Dorcopsis. Vor Gould3 Neifen war das Tier in den europäischen Sammlungen äußerit jelten, das Typuseremplar im Barifer Mufeum das einzig befannte; e8 ftammte vom König-Georgs- jund. Gilbert traf das Kurzichwanzfänguruh dann häufig in all den jumpfigen Land- jrichen, die fat ganz Weftauftralien in kurzem Abftand vom Meere umziehen. Um Port Augufta bewohnte es damals alle Diefichte und wurde von den Eingeborenen zu Ende des Sommers in großer Zahl vernichtet; Dieje zimdeten dann den Bufch an, ftellten fich auf Kurzihwanzkfängurug. NRotbauhfänguruh. 231 einem offenen Plabe auf und fpeerten die Tiere, wenn fie dem Feuer zu entrinnen fuchten. Das Kurzichivanzfängurud wird von den Anfiedlern auch in Sprenfeln gefangen, die jte im Bufch auf feine Fleinen, gedecten Wechjet jtellen. Oftlich vom Darlinggebiet ift es nicht erlegt worden. Nach Gould zeigt Die düjtere Farbe, ebenjo wie bei der folgenden Art, jchon an, daß das Tier zwifchen Dichtem Gras und Bujchwerk an fumpfigen und feuchten Orten hauft. Das Notbauchfänguruh, Macropus billardieri Desm. (Taf. „Beuteltiere VI“, 4, bei ©. 219), wird oft mit dem vorigen verwechjelt, Den e8 in der Jarbe und dem allgemeinen Ausjehen ähnelt; es ift aber mit 110 cm Länge bedeutend größer, von den Schädel- und Hahnunterjchieden ganz abgejehen, und durch den gelben, orangefarbenen, an Tiefe der „arbe nach Hinten immer mehr zunehmenden Ton der Unterjeite ausgezeichnet, der ihm den Namen gegeben hat. Der Schwanz ijt etwas länger als beim Kurzichiwanzfängurud (2! mal jo lang wie der Kopf), aber doch immer noch jehr furz. Das Notbauchfängurug ift das gewöhnliche Heine Wallaby don Bictoria und Tas- manien, wo e3 jehr häufig it. „Wie das Kaninchen bei uns eines der gemeinjten und zahlreichjten Vierfüßer ift”, jagt Gould, „jo das tasmanische Wallaby für die Stoloniften von Vandienensland. Größer al3 ein Hafe, ijt diefes nügliche Tier äußerjt zahlreich in all den bujchbeitandenen und feuchten Gegenden der Infel... Offenfichtlich ift diefe Art viel dunffer in der Farbe als die meijten ihrer Verwandten, und ihr Stleid ift länger und zottiger — ein Haarcharakter, der dem jüdlichen, feuchteren und Fälteren Klima gut angepaßt ift, während der Farbenton fich in Übereinftimmung befindet mit dem Pflanzenmwuchs, zwijchen dem das Tier hauft. Das Innere der Wälder, zwijchen gejtürzten Bäumen und üppiger Vegetation, das jind die Drte, wo diejes Tier feine Pfade tritt. Aus diejfen taucht es jelten auf, und niemal3 nähert e3 fich dem Saume des Waldes, außer zur Nacht; daher wird e3 von gewöhnlichen Beobachtern jelten gejehen. &3 wird jehr leicht in Schlingen gefangen, die man auf feine Wechjel legt, und Taujende werden auf diefe Weije erbeutet nur wegen der Felle; der Jäger fanın e3 auch leicht erlangen, wenn er jich auf einer offenen Lichtung von bejchränkter Ausdehnung anitellt, begleitet von zwei oder drei Heinen, laut jagenden Hunden. Vor diefen hüpft es immer rundum und fommt jo zu Schufje, weil es, wie das Kaninchen, nie den Dxt verläßt, wo e3 geboren wurde. E3 ift folgerichtig auch von härterer Natur als irgendeine verwandte Art und würde fich mit einiger Sorg- falt und Ausdauer wohl leicht in England einbürgern lafjen. Das tasmanifche Wallaby it eines der jchmadhafteiten unter den Heinen Känguruhs und wird allgemein in Van- diemensland gegejjen.” Nach Gould muß es al3 ausgejprochen gejellig bezeichnet werden. Hunderte bewohnen ganz allgemein diejelben Waldreviere. Auch heute, wo fich zu ungunften der auftraliichen Tierwelt in ihrem VBaterlande jo viel geändert hat, muß das Notbauchfänguruh im auftraliichen Staate Victoria und auf der benachbarten Infel Tasmanien noch nicht felten geworden fein; denn e3 jpielt nicht nur im Pelzhandel als Sumpfwallaby unter den Heinen echten Känguruhs eine Hauptrolle, jondern it unter diefen auch dasjenige, welches lebend am häufigiten eingeführt wird. Syn den z00- logifchen Gärten, die Heine Känguruhs halten, ift eS daher feine ungewöhnliche Erfcheinung, wird aber vom PRublifum meijt für ein Junges der befannten großen Arten gehalten. E3 folgen einige nicht größere, wohl aber jchlanfere und Tangjchwänzigere Arten von Kleinfänguruhs, deren Unterjcheidung bejonders jchrierig it. 232 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. ©&o jagt Thomas gleidh beim Derby- oder Damafänguruh, Macropus eugenii Desm. (derbianus, dama), daS zuerjt 1816 durch Peron und Lejueur von der Eugeninjel befannt wurde: „Die genauere Betradhtung der zahlreichen Heinen Wallabies, die unter den Namen eugenii, derbianus, dama, houtmanni, gracilis und parma bejchrieben worden find, hat Anlaß zu vielen Zweifeln gegeben. Nach vielem Nachdenken und der Prüfung einer fehr großen Reihe von Exemplaren bin ich zu dem Schlufje gefommen, daß man unmöglich mehr als eine einzige weitliche Spezies zugeben fann, troß der in die Augen fallenden Berjchiedenheiten der Feitlandsform und der auf den Houtmanns-njeln fchon lange ijolierten. Die Unterichiede Schwinden aber bei Betrachtung großer Neihen, und die Eremplare von den Kleinen Snjelchen dicht an der Stüfte ftehen regelmäßig mehr oder weniger in der Mitte.“ Das Derbyfänguruh, Macropus eugenii Desm. (Taf. „Beuteltiere VI‘, 3, bei ©. 219), hat im Gegenjab zu dem plumpen Rotbauchfänguruh eine leichte, Schlanke Geftalt. Das für die Känguruharten jo charakteriftiiche Najenfeld endigt etwas entfernt vom Maule und öffnet jicd) an der Spige einer befondern Falte, die zur Oberlippe herabläuft; die Lippe jelbjt it, von vorn gejehen, viel mehr entwidelt als gewöhnlich, und dieje Einzelheiten, jo belanglos fie fcheinen mögen, gejtatten dem Kenner jchon die Beitimmung der Art. In allem übrigen dagegen muß, wie nac) dem Borjtehenden nicht anders zu erwarten, die Artbejchreibung mehr oder weniger weiten Spielraum lajjen, nicht bloß in Farb-, jondern auc) in Formmerfmalen. So ilt das Fell mehr furz bei den Feitlands>, länger bei den Snfeleremplaren, und die Ohren find bei den exjteren lang, bei den leßteren Furz. Auch Schädel- und Gebißunterjchiede find zwifchen beiden vorhanden. Die Hauptfarbe ift ein fprenfeliges Grau, das auf den Schultern ins Nötliche geht. Der Kopf it eintönig grau mit einem undeutlichen weißen Badenftreifen. Ein ebenfo jchlecht be- grenztes braunes Band läuft, zwischen den Ohren beginnend, über den Nacden herunter auf den Rüden, bisweilen kaum fichtbar, namentlich bei unausgewachjenen Stüden. Schul- tern, Halsjeiten und Arme haben eine rötliche Yarbe, die aber jehr wechjelt, in ihrer Aus- Dehnung fowoH! als in ihrem Ton; bisweilen (am Winterfell?) jind dieje Teile auch grau mit faum einem Anflug von Not. Ein folcher tritt aber an den Weichen, dem Hintern Numpf und den Hinterbeinen wieder auf. Kehle, Bruft und Bauch find weiß oder graumeiß, Hände, Füße und Schwanz find grau und werden an ihren äußeriten Enden beinahe schwarz. Gould, der unfer Tier al$ Halmaturus derbianus führt, berichtet von ihm: „Wie viele andere Heine Wallabies, liebt e3 diefe Art, im dichtejten Unterholz zu haufen; und fo bietet ihr denn der falt undurdppringliche Busch der Ziwerg-Cufalypten, der fajt Die ganze Känguruhinfel bededt, eine jichere Freiftatt, wo fie aller Wahrjcheinlichkeit nad) niemals ausgerottet werden wird. Der Pilanzenmwuchs ift Dort zu grün und zu feucht als Brennholz, und das Land zu arın, um das Ubholzen zu lohnen. Das Tier ift jehr Häufig in den Schluchten und Gräben, durch die e3 fich unzählige Wechjel macht, und fo dicht ift da der Pflanzenmwuchs, daß Fein größeres Gefchöpf als ein Hund ihm folgen fan. Noch Haben e3 die auf der Snfel wohnenden Menfchen im größten Überfluß zur Verfügung, jowohl um das Fell als um das leiich zu benußen; fie fangen e3 hauptfächlich in Schlingen, indem fie eine einfache Schleife an den Rand des Bufches legen; aber fie fchieken e3 auch, wenn e8 zur Nacht auf den offenen Blößen erjcheint.“ Das Derbylänguruh ift von den feinen Macropus- (Halmaturus-) Arten wohl die- jenige, Die man neben dem Rotbauchigen im zoologischen Garten am häufigften fieht. Derby-, Barma-, Bedfordsfänguruh. PBademelon. 233 Das Barmafängurud, Macropus parma Waterh., der öftliche Bertreter des vorigen, teilt mit diefen alle wejentlichen Merkmale; nur it die Farbe auf dem ganzen Nücken mehr mit Not gemijcht, und die vorderen Teile jtechen daher nicht jo ab gegen den Mittel- rücfen. Der weiße Badenftreifen und der braune Nadenjtreifen jind deutlicher abgegrenzt und der le&tere etwas jchmäler. Der Vorderhals ift rein weiß und fett fich Dadurch jcharf von den Halsjeiten ab; der Bauch ijt graumeiß. — US beiten Beweis, wie verjchieden das Parmafänguruh von allen anderen Heinen Wallabies in Neufüdmales ift, führt Gould an, daß e3 auch die Eingeborenen fofort hHerausfennen; fie bezeichnen e3 am Sllawarra, wo er jelbft es in Freiheit jah, mit dem Worte, das man zu feinem wiljenschaftlichen Spezies- namen gemacht hat. Neuerdings, 1900, ijt noch das Bedfordsfängurud, Macropus bedfordi Thos., Hinzu= gekommen, von Thomas nac) einem aus Queensland oder Nordauftralien ftammenden Erenplar aufgejtellt, das in Woburn gelebt hatte, in dem berühmten Tierpark des Herzogs von Bedford, des Borjikenden der Londoner Zoologijchen Gejellichaft und größten Tier fiebhaber3 unjerer Zeit. &3 unterjcheidet fi) durch fein langes Haar und Die eigentim- liche, blajje Rumpffarbe, ein eintöniges Sjabellfahl. Eine der hübjcheften Arten ift daS Badentelon, Macropus thetidis F. Cuv. Seine Länge beträgt 1,1 m, wovon 45 cm auf den Schwanz zu rechnen find. Das Fell ift lang und weich, die Färbung der oberen Teile ein Braungrau, das im Nacden in Nojtrot über- geht, die Der Unterjeite ift weiß oder gelblichweiß; die Seiten find rötlich, die Füße gleich- mäßig braun, die Vorderfüße grau; der mit furzen, harichen Haaren bededte Schwanz lieht oben grau, unten bräunfichweiß aus. Auch bei ihm macht Gould auf „beträchtliche Unterjchiede in der Färbung” aufmerffam: „bei den Eremplaren aus der einen Gegend überwiegt der rote Ton am Halje das Braun, während bei denen aus einer andern Das Gegenteil der Fall ft”. Das Pademelon bewohnt bufchreiche Gegenden von Sitdqueensland, Neujüdivales und Victoria und lebt hier einzeln und in Heinen Trupps, wegen feines zarten, Höchjt wohl- ichmedenden Fleifches, das dem Wildbret unfers Hafen ähnelt, eifrig verfolgt von den Eingeborenen wie von den Anfiedlern. Sm feiner Lebensweife ähnelt e8 durchaus jeinen Verwandten. „E3 hat nicht felten denjelben Standort und vergefellichaftet ji) jogar mit H. ualabatus, obwohl ihm die fehr feuchten Teile des Waldes weniger zuzufagen jcheinen al3 jener Art.” (Gould.) Macropus thetidis wurde zuerft von franzöfifchen Seefahrern nad Europa gebracht und hat feinen zunächjt ganz unverjtändfichen wifjenschaftlihen Namen von dem eines Schiffes, der Fregatte „Ihetis” des franzöfiichen Weltumfeglers Bougainville. Warum die Kolonisten ihm den ebenfalls griechisch Hingenden Namen „PBademelon” gegeben haben, it mir unerfindfich geblieben. Ein Pärchen, das ich pflegte, vertrug fich, wie die meijten Springbeutler, ausgezeichnet unter fich, nicht aber mit verwandten Arten. Nach dem Thomasichen Beftimmungsjchlüffel fügen fich hier die beiden feinen Macropus- Arten ein, die Neuguinea und benachbarte Injeln beivohnen. Gie jind der Wijjenjchaft jehr verjchieden ange befannt, die Kleinere exit jeit 1877, die größere dagegen fchon jeit 1714, und Stehen zu zwei Arten der Gattung Dorecopsis in einem ganz merfvindigen Doppel- gängerverhältnis täufchender äußerer Ähnlichkeit, für das jede Erklärung fehlt. 2334 2. Didnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Die fleinere Art, Bromwns Känguruh oder dunkles Wallaby genannt, Macropus browni Rams., it wohl das Feinfte echte Känguruh überhaupt, da fein Kopf und Rumpf, nach Thomas, zufammen nur 54 cm mejjen. Die Hauptfarbe ift ein graufprenfeliges Dunfelbraun, der Bauch gelb, die Ohren braun wie der Hinterkopf, von weißer Hüften- zeichnung faum eine Spur. lach jeiner Berbreitung it Bromns Känguruh auch ein Bewohner Deutjch-Neu- quineas und de deutjchen Bismard-Archipels, von Dort aber wohl noch nienal3 lebend zu uns gefommen. Sein Doppelgänger aus der Gattung Dorcopsis ijt D. luctuosa, von der e8 jich aber durch fürzeren Kopf und riictwärts gerichtetes Nadenhaar unterjcheiden läßt. Auf die größere Art (Kopfrumpflänge 77 cm), das Urufängurud, Macropus brunii Schreb., augdem Baradiespogellande der Aru- und Kei-njeln, bezieht man die erjte und ältejte Schilderung eines Känguruhs, die unjfer abendländisches Schrifttum überhaupt ent- hält. Der alte holländische Maler De Bruyn machte zu Anfang des 18. Jahrhunderts eine „heise over Moskovie door Persie en Indie“, bejchrieb fie 1714 und jchildert in diefer Neijebejchreibung unter dem Namen „Silander” ein Känguruh, das er in dem Landhaufe des Generalgouvernems in Batavia jah, folgendermaßen: „Bei diefem Tiere find die hinteren Beine viel länger als die vorderen, aber der außerordentlichjte Umjtand it, daß e3 eine fadartige Offnung am Bauche hat, in die die Jungen fich begeben, auc) wenn fie Ichon ziemlich groß jind. Mean fieht fie oft mit Kopf und Hals daraus hervorjchauen, wenn aber die Mutter läuft, find fie nicht fichtbar, jondern auf dem Boden des Sades.” Das Fell ift gegenüber dem dichteren und mehr weichiwolligen der vorigen Art kurz, glatt anliegend, die Unterwolfe fehlt fait ganz. Die Hauptfarbe ift eintönig jchofolade- braun. Eine weiße Badenbartzeichnung zieht fic) vom Maul bis unters Auge. Die Ohren ind Hinten jchwarz umd stechen dadurch von der braunen Allgemeinfarbe ab; aber der Scheitel zwijchen den Ohren ift auch manchmal fchwarz. Das Braun des Numpfes ist auf der Hintern Körperhälfte mit Grau durchiprenfelt, und über die Hüften zieht jich ein qut ausgeprägter weißer Streifen. Die Unterjeite ijt weiß, jchwac braun getönt, die Glied- maßen und Schwanz find grau oder braun, mehr oder weniger weiß geiprenfelt. — Bon jeinem Doppelgänger (Dorcopsis mülleri) unterjcheidet das Arufänguruh, das ebenfalls allem Anjchein nach noch nie lebend in Europa war, der viel Fürzere Kopf, die riictwärts gerichteten Nadenhaare und der deutliche weiße Hüftitreifen. Diejer helle Hüftjtreifen ift beim auftraliihen Gebrannten Klänguruh, Macropus stigmaticus Gould, am auffallendjten, weil er von der tiefroten Grundfarbe der Umgebung anı meilten abjticht. Auf Rüden, Schwanz und Vorderfeite ift die Färbung mehr mit Srau gemifcht. Die Gliedmaßen dagegen find leuchtend rot mit fehwarzen Endftücen, der Bauch weißlich, von zwei roftroten Kängsbinden eingefaßt. Gould gibt auf jeiner Tafel noch zwei undeutliche, helle Badenftreifen an, einen von der Nafenfeite unter dem Auge weg bis zum Ohr und einen etwas unterhalb über den Unterkiefer. Kopfrumpflänge 70 cm. 65 war damals nur ein Exemplar befannt, und diejes fam von Point Cooper an der Kordoftlüfte Auftraliens. ES wurde auf der Reife des Kriegsjchiffes „Rattlefnafe” erbeutet unter jehr eigentümlichen Umftänden, die der Flihrer Macgillivray folgendermaßen jehildert: „abe bei diefem Punkte jah Leutnant Simpfon, während wir unterm Winde nach der Küfte ummendeten, einen Dingo auf der Hete hinter einem Heinen Känguruh, das, von ihm en 2. Rothalskänguruh, Macropus ruficollis Desrm. Y/ıo nat. Gr., s. S. 238. W.P. Dando, F. Z. S.- London phot. 5. Schwarzichwanzkänguruh, Macropus ualabatus Less. et Garn. jo nat. Gr., s. S. 239. W.S. Berridge, F. Z. S.- London phot. Aru-, Gebranntes, Wilcor-, Kap Nork-, Flinfes Känguruh. 235 hart bevrängt, in Waller jprang und ins Meer hinausjchwamm. Dort wurde e3 von unjerem Boot aufgefijcht, während jein Verfolger auf einem Feljen ftehen blieb und tiefjinnig nach der erjtrebten Beute Hinftierte, bis eine Flintenfugel, die jehr nahe bei ihm einjchlug, ihn auf den Trab brachte.” Nach Europa fjcheint das Gebrannte Känguruh bis Heute noch nicht lebend gelangt zu fein. | Das Wilcor- oder Notfchenfelfänguruh, Macropus wilcoxi McCoy, aus GSüd- queensland und Neufüdmwales, erklärt Thomas einfach für den nichttropifchen Vertreter des vorigen. Er hält beide nur für Elimatifche Variationen ein und derjelben Urart. Weil aber der einzige verfügbare Vertreter der nördlichen Zorm (das Unterfuchungsmaterial jcheint aljo immer noch fpärlich zu fein) gemwijje Schävdel- und Gebifunterfchiede vom jüdlichen aufweift, zögert Thomas bis jet noch, beide zufammenzuziehen, obwohl er glaubt, dag Mittelformen gefunden werden. Eine folche jcheint ihm in dem von De Bis auf- gejtellten M. temporalis, nach dem Fundort zu urteilen, fchon vorhanden; doch genügt deren Bejchreibung noch nicht, weil darin nichts über die Zähne gejagt ift. Ein jolcher Ausblid auf die Wege, die die Syitematif zielbewußt, aber oft langjam und geduldig zu gehen hat, erjcheint uns interejjanter und flehrreicher al3 eine ausführliche Körperbejchreibung des Tieres; wir fügen daher hier nur noch an, daß, wie gewöhnlich bei tropiichen und nichttropiichen Vertretern, der leßtere, in unferem alle M. wilcoxi, lang- haarig, dafür aber weniger brillant gefärbt ift. Einen ähnlich interejjanten Ausblid gewährt die legte Stleinfänguruhart, die wir noch zu betrachten haben, das Kap Worf-Stänguruh, Macropus coxeni Gray (Klopfrumpflänge 70 em), aus den Küftenniederungen von Nordqueenslanıd. ES jtimmt nämlich mit den ein- zigen echten Känguruh, das dort noch vorfommt, M. agilis Gould aus der Gruppe der größeren Wallabies, durch furzes, fandfarbiges Haarkleid und weißen Hüftjtreifen, font aber verwajchene Zeichnung äußerlich fo vollfommen überein, daß es auf den erjten Blick viel mehr wie ein junges M. agilis ausjieht. Das fanın man natürlich nur al3 Beweis dafür veritehen, daß diejelben Lebensbedingungen auf verjchiedene Tierformen von außen her gleichmachend wirken; denn von der äußeren Ähnlichkeit abgejehen, find M. coxeni und agılıs nicht näher verwandt als irgend zwei andere Arten der Gattung Macropus. Kichtsvejtoweniger mag das Flinfe Känguruh, Macropus agilis Gould (Taf. „DBeuteltiere VII“, 1), hier folgen und die Reihe der mittleren Wallabies beginnen. 63 ıjt ein eigenartig hübjches Tier mit jeiner Sandfarbe, Hüften- und Kopfzeichnung, unterjcheidet jich aber nicht nur durch diefe Farbenmerfmale, jondern auch durch Form- eigentümlichfeiten: Furze Ohren und langen Schwanz, jehr bejtimmt von allen feinen Berwandten. Angejichts der Frankfurter Eremplare fällt es jchwer, ihm mit Thomas einen jchwereren und jtämmigeren Bau zuzuschreiben al3 anderen der Gruppe; man Tann viel- mehr nur das unterjchreiben, was Kahn über „ichlanfen Körperbau, jchmalen, jpibigen Kopf und langen Schwanz” mitteilt, jowie über „lebendiges, bemwegliches Wejen”, das ven Tiere ja jeinen Namen gegeben hat. Die Muffel ziwifchen den Nafenlöchern ijt in ihrer obern Hälfte bis auf einen Streifen an den Najenlöchern jelbjt behaart. Die Gejichtszeichnung it undeutlich: der braune Schnurrbartftreifen reicht nur halbwegs vom Auge zur Nafe; er mündet unten in den 236 2. Dridnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. weißlichen Badenjtreifen ein, Der wieder von dem weißen Kinn durch ein fandgraues Band getrennt ijt. Der Scheitel ift braun, wird zwifchen den Ohren noch dunkler, und diejes Braun zieht fi) auch als jchlecht begrenzter Streifen den Naden herunter. Die funzen Dhren find innen und am Grunde weiß oder gelblich, Hinten dunfel fandfarben, vorn an der Spige und am Rande jchwarz. Eine dunfelbraune Zeichnung verläuft vorwärts und abwärts vom Naden Hinter die Ellbogen. Bon der gelbjprenfeligen Wildfarbe der Dberjeite hebt fi die Unterjeite weiß ab, zumeilen hat fie einen gelben Ton. Arme und Beine weiß oder blaß jandfarben, Border- und Innenfeite der Beine immer mweiß. Hände und Füße werden an den Spiben jelten jchiwarz. Der Schwanz ift im erften Drittel oben jandfarbig wie der NRumpf, font weißlich, mit Ausnahme der äußerften Spibe, die gewöhnlich einen undeutlichen Schwarzen Binfel hat. „Das Tlinfe Känguruh Scheint in all den fumpfigen Niederungen an der Nordkfüfte . Auftraliens Häufig zu fein. CS wird als eine ehr flinfe Art bezeichnet, die den hinterher- geichieten Hunden leicht entgeht durch die außerordentliche Behendigfeit, mit der fie Durch das hohe Gras fpringt. Wenn gehebt, jucht fie oft Schuß in den Mangrovedicichten und jest dabei iiber die moraftigen Untiefen in einer Art und Weije, die jede Verfolgung vereitelt." (Gould.) Nach Macgillivray bevorzugt das Flinfe Känguruh bei Bort Ejfington 003 hohe Gras der Niederungen, bejonders Die Stellen, two der Bandanusbaum häufig it, unter dejjen Schuß es gewöhnlich fein Lager macht. Wenn es von Hunden verfolgt wird, eilt e8 fofort dem nächiten Schilf- oder Mangrovedicicht zu. Sn Frankfurter Garten hat man am Flinfen Känguruh außer regelmäßiger Nachzucht auch Die angenehme Erfahrung der Verträglichkeit gemacht, jo daß man Dort bei einem Heinen Trupp mehrere erwachjene Männchen halten fanıı. Nacd) Mitteilung ihres Pflegers Seit entwicelt fich in Frankfurt beim Flinten Hänguruh das anfänglich jehr kurze Haarfleid Ichnell zu langhaarigem, rauhem Pelz. Seine Bfleglinge offenbaren die ihnen eigentümliche DBemegungsluft auch dadurd), daß fie viel jpielen. Der befanntefte, in jedem zoologischen Garten fchon gezeigte Vertreter der größeren Wallabies und zugleich das größte unter ihnen ift das Bennettsfänguruh von der Jnjel Tasmanien, das fchon von Waterhoufe und in Übereinftimmung mit diefem neuerdings auch von Thomas mit dem Nothalsfänguruh aus Neufüdmwales und Victoria zu einer Art zufammengezogen wurde. Thomas unterjcheidet demgemäß: M. ruficollis var. typicus von Feltland, mit fürzerem Haar, heller Farbe und vortretender Zeichnung, und M. ruficollis var. bennetti von Tasmanien, mit längerem Haar, ftumpfer, düfterer Farbe und undeut- licher Zeichnung. Da8 Bennettsfänguruh, Macropus bennetti Gould, macht der dunkle, chrwärzlic) gejprenfelte Farbenton auf den erften Blick fchon Fenntlich. Nacken und Numpf find matt rotbraun, Die Ohren Hinten beinahe Schwarz, die Kopfzeichnung faum fichtbar, Bruft und Baucd Schmubig graumeiß, der Schwanz dunkler grau. Das Fell ift lang und dicht, die Unterwolle, die etwas hervorfchimmert, dunfel nußbraum mit fehwachem, rötlichem An- bauch. Das ausgewachfene Männchen hat ettva 120 cm Kopf- und Numpflänge, 100 cm Schwanzlänge und 15—25 kg Lebendgemwicht, das Weibchen ift angeblich ein Drittel Heiner. Man fieht Übrigens in den zoologischen Gärten auch Paare, bei denen der Unterfchied beider Gejchlechter nicht fo groß ift. FSlinfes Känguruh. Bennettsfänguruf. 237 Das Bennettsfänguruh lebt auf Tasmanien und den größeren Injeln der Baßitraße „von den jchneeigen Gipfeln des Mount Wellington und niedrigeren Bergen bis zu den Wäldern in den tiefiten Tälern. 3 zeigt aber eine entjchiedene Vorliebe für feuchte Lagen, mwird jelten, wenn überhaupt, auf heißen, fandigen Ebenen gejfehen. Smmer aber jucht es feine Zuflucht im diden Busch, wenn e3 verfolgt wird, oder folchen fteilen Selfenhöhen, die der Berfolgung mit Hunden unüberfteigliche Hinderniffe bieten.” (Gould.) zur den Menjchen nennt Gould das Bennettsfänguruh „das wichtigfte, weil fein Fleiih eine Mafjenware als Lebensmittel ift und fein Fell den Anfiedlern nicht un- beträchtlichen Nuten abwirft, da es in ungeheuern Zahlen jährlich verkauft wird. Die Hinterviertel werden von allen Schichten der Bevölferung gegejjen, vom Gouverneur der Stolonie bis zum Viehfarmer... Aber auch das Fell bietet einen bedeutenden Handels- artifel, wird im großen aus Vandiemensland nach England ausgeführt zur Fabrikation von Oberleder für Stiefel und Schuhe, wofür es fich vortrefflich eignet. Dabei wird es natürlich in ausgedehntejtem Maße für denjelben Zived auch in der Kolonie felbt verbraucht. Die Felle werden gewöhnlich auf dem led abgezogen, wo das Tier getötet wurde, und dann zum Trocnen auf dem Boden ausgeftredt; fie werden für 4 oder 6 Bence das Stüd an Leute verfauft, die die VBiehjtationen im Innern befuchen, um fie zu fammeln, und die fie in Hobart Town oder Launcefton wieder an andere verfaufen zum Verbrauch in der Kolonie oder zur Ausfuhr.” Heute ijt das gewiß vielfach ganz anders geworden, doch jpielt das Tell des Bennettsfänguruhs zufammen mit dem des Feitlandvertreters, de3 Rothals- fänguruhs, al3 „Bujh-Wallaby” auch im europäifchen Rauchwarenhandel unjerer Tage eine gewilje Rolle. Nach Braß werden jährlich etrwa 300 000 Felle nach Europa importiert. Das Haar ijt zwar etwas grob, die Felle eignen fich aber jehr gut zum Färben und liefern namentlich Skunfimitation. Der Wert ijt heute etwa 2 Schilling im Durchfchnitt. Auch über die Einbürgerungsfähigfeit und gelungene Einbürgerung fprechen Gould und Waterhouje fich jchon aus. So erzählt Waterhoufe: „Auf einem großen eingezäunten Grundftüd in Sr. Lordichaft Varf Hatte ich die Freude, viele Exemplare des Bufchfänguruhs in einem Zuftande verhältnismäßiger Freiheit zu fehen, und fie fehienen fich da wohl zu fühlen. Als ich daS Gehege betrat, in dem jie gehalten wurden, waren fie alle unter einigem Gebüjch verborgen, und ich wurde nichts gewahr von ihrer Anmwejenheit, bis, al3 ich mich ihrem Berjtedplag näherte, fie plöglich vorn hoch wurden und dann mit großer Gejchwindig- feit nad) einer entfernten Stelle flüchteten. Sn der Ruhe nehmen fie häufig eine eigen- artige Stellung ein: fie ftellen die Vorderfüße auf die Erde und fegen fich zu gleicher Zeit auf die Hüften, die Hinterbeine vorwärts gerichtet und ganz ausgejtrect, ebenjo den Schwanz, der zwifchen ihnen liegt.” Über andere gelungene Einbürgerungen, auch in Deutjchland, it oben bei der Allgemeinjchilderung der Känguruhs jchon berichtet worden. „m Einklang mit diefer Anpafjungsfähigfeit an unfer Nlima macht im zoologijchen Garten Haltung, Pflege und Zucht des Bennettsfänguruhs Teinerlei Schwierigkeiten. Wenn nur eine gemwilje Unart und Dummfcheu nicht wäre, durch die e3 jich manchmal jehr unliebjam hervortut! Heck berichtet darüber: „Namentlich ein Baar aus früheren Zeiten werde ich nicht vergejjen, das jahrelang hier im Innern des längst verfchtvundenen Kän- guruhhaujes gehalten wurde, weil eg wegen unverbejjerlicher Dummfcheu nicht in3 Freie gelafjen werden fonnte, nicht einmal in den Heinen, abgegitterten Borraum, alfo für die Bejucher gay nicht und auch für den Tierbeftand des Gartens nur als eingebildeter Wert eriftierte. Ich Tieß es daher eines Tages wohl oder übel doch Heraus und war dann 238 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. ftaunender, entjeßter Zeuge, wie beide Tiere binnen weniger Minuten gegen die Gitter fich zu Tode raften, jo daß fie als Leichen mit blutigen Köpfen am Boden lagen, nach- dem fie durch wiederholten heftigen Annprall mit dem Kopfe ein Gitter de3 VBorraums aus dem Nahmen geiprengt hatten und durch diefes Loch in den großen Auslauf gelangt waren. Ein wahrhaft greuliches Beilpiel jelbftmörderifcher Kopflofigfeit, wie ich es bei feinem mir anvertrauten Tiere wieder erlebt habe und auch nicht wieder erleben möchte!” Die buntere Feltlandsform, das Nothalsfänguruh, Macropus ruficollis Desm. (Taf. „Beuteltiere VII”, 2,bei©. 235), ift viel heller und hübjcher gefärbt, namentlich am Hals und Dberrüden jchön brauntot, woher e3 ja auch feinen Namenhat. Sonft ift Die Hauptfarbe grau, unten weiß oder graumeiß; ebenjo der Schwanz, Der nur an der Spike jchwärzlich wird, wie die Finger und Zehen. Das Geficht ift dunkelbraun mit undeutlicher Längsitreifenzeichnung. Die niedrigen Tafelländer von Neufüdmwales, namentlich die, in denen der Davedfia- bujch häufig ift, find Die Lieblingspläße diefer Wallabyart. Gould fand fie bejonders zahlreich auf der Schönen Belitung von Charles Throsby zu Bongbong, unmittelbar hinter Jlla- marra, und vergemwiljerte jich, daß jte jich judmärts von da beinahe bis Port Phillip und nord- mwärts zur Mioretonbat verbreitet; auch joll fie die größeren Snjeln in der Baßjitraße bewohnen. Das Nothalsfänguruh war früher im Tierhandel jeltener, fommt aber neuerdings ebenjooft oder öfter lebend zu uns als das Bennettsfänguruh. ES ift unter den mittel- großen Arten eine der hübjcheften und für die Schau im zoologischen Garten jehr beliebt, zumal e3 fich auch qut hält und leicht fortpflanzt. Im PBelzhandel geht e3 wie fein tas- manifcher Berwandter al3 „Bujch-Wallaby”. Über das Rücdenftreiffänguruh, Macropus dorsalis Gray, jagt Hed: „Dieje hübfche Urt, die ich Früher mehrfach gejehen und auch felbjt gepflegt habe, ift mir im Leben immer als eine Steigerung der vorigen noch weiter ins Bunte hinein erichienen. Sch möchte es deshalb hierher jtelfen, obwohl ich natürlich nicht beitreiten will, daß eS Durch die geringere Größe (Kopfrumpflänge 79cm) die allgemeine Yarbenverteilung von Grau und Not und den deutlichen hellen Hüftitreifen auch Beziehungen zu anderen Wallabies haben mag. Sein Hauptfennzeichen ıjt jedenfall im Namen jchon ausgejprochen: ein jchmaler, Tchiwarzer Längsitreifen, der ich von Hinterkopf und Naden bis über den halben Rüden herunterzieht.“ 63 febt im Jnnern von Queensland und Neufüdmwales und ift nad) Gould „bejonders häufig in all den Bujchdichchten, die die Hügelabhänge an den Flüffen Mofai und Namoi bededen“. Dagegen fommt es zwijchen diefen Höhenzügen und der Hüfte nicht dor, weil dort der Busch einen ganz andern Charakter Hat, Dichter und feuchter ift al3 auf den trocnen, feljigen Hügeln des Innern. Gould fand es dort in jolcher Menge, daß er jo viel Eremplare haben fonnte, wie er wollte, und es oft nur als Wildbret Ächoß. Das Fleifch erklärt er fiir ausgezeichnet. „Die Eingeborenen ziehen oft zur Jagd auf diefe Art aus und richten große Verheerungen unter ihr an, jowohl um das Fleifch zu ejfen al3 um die Selle zur Kleidung zu verwenden. Sie haben verjchiedene Fangmethoden: manchmal ge- brauchen jie große Nebe, dann wieder treiben fie mit Hunden einen Bufch durch und ihaffen jo den Sägern reichlich Gelegenheit, die Tiere zu jpeeren oder mit der Keule totzufchlagen, wenn fie über die offenen Stellen hinwegflüchten.” Durch einen glüdlichen, oder auch unglücklichen Zufall, wie man es nehmen will, it gerade beim Nüdenftreiftänguruh ettwas über eine Stimme des Beuteljungen befannt Nothals-, Rüdenftreif-, Shwarzihmwanz-, Greys Känguruh. 239 geworden. Wie Beddard 1904 in der Novemberfigung der Londoner Zoologijchen Gejell- ichaft mitteilte, gab ein folches, das den Tod feiner Mutter überlebte, Laute von fich. E3 war nur 6 englijche Zoll (etwa 15cm) lang und noch ganz nadt. Trogdem zappelte es heftig, al3 es aus dem Beutel genommen wurde, und Tief einen Ton hören, der mehr als eine Stimme denn al3 ein Zilchen bezeichnet werden mußte. Er war jchwer genau zu be- jchreiben und wurde in gleichmäßigen Zwijchenräumen hervorgeftoßen. Daß aber ein jo unvollfommen entmwicdeltes Gejchöpf überhaupt einen Ton hervorbringen fan, findet Beddard mit Necht bemerkenswert. Bom Rüdenftreiffängurud fiegt allem Anfchein nach auch der einzige Fall einer Zivillings- geburt vor, der bis jegt überhaupt bei einem Känguruh nachgemiefen ift. Der Hamburger Tierhändler Auguft Fodelmann jchreibt darüber an Hed, im Frühjahr Des Jahres 1907 habe bei ihm ein Weibchen dorsalis-Slänguruh Zwillinge befommen. Wie Nothals- und Nüdenftreiffänguruh jozujagen den mittleren Färbungstyp des Bennettsfänguruds ing Hellere und Buntere variieren, fo da8 Shwarzichwanzfänguruh, Macropus ualabatus Less. et Garn. (Taf. ‚„‚Beuteltiere VII“, 3, bei ©. 235), ind Dunkle. Gould nennt e3 geradezu jchwarzes Wallaby) und fennzeichnet e3 durch feine jchwarze und fatt roft- tote Färbung, fein rauhes, dichtes Haarkleid, furze Ohren und langen, jchlaffen Schwanz. Die Hauptfarbe ift ein dunkles Rötlichgrau, am Hinterrüden herrjcht das Rot vor. Das Unter- haat ijt lang, weich, dunfel graubraum, Stehle, Bruft und Bauch bejchreibt Thomas als blaßrot. Hände, Füße und Schwanz zeigen auch hier die schwarze Färbung ihrer Endjtüde, die bei Känguruhs jo oft wiederfehrt; außerdem hebt Gould als Kennzeichen noch einen „jett- ihwarzen” led unmittelbar neben dem Armanfab hervor. Kopfrumpflänge 82 cm. Zu Goußs Zeiten bewohnte das Schwarzihmwanzfänguruh „alle dichten Bufchdicichte von Neujüdmwales, bejonders foweit fie naß oder feucht jind”. Er „jagte e3 erfolgreich am Sllamwarra, auf den Heinen Snjeln an der Mündung des Hunter und im Liperpoolrevier. Sn den erjtgenannten Gegenden war e3 gerade an den näjjejten Stellen häufig, entweder im hohen Gras und in anderem üppigen Pflanzenmuchs oder ziwijchen den dichten Mangroven, deren Wurzeln von der Flut bejpült werden. Die Injeln an der Mündung des Hunter, namentlich Mosquito- und Ah SSlands, find nicht felten zum großen Teil überjchwenmt; dann jpringt e3 Durch die feichten Stellen mit offenbarem Genuß und Durchjchwimmt jogar den Fluß von einer nel zur andern. Auf dem Liverpoolrücden hält es jich, wie ge- bumden, an jolche Teile, die am feuchteften find, oft nahe den Berggipfeln, die häufig mit Nebel und Tau bededt find.” Co ift da3 Schwarzjchwanzfänguruh ein ausgejprochenes Sumpjtier oder wenigitens ein ausgejprochener Liebhaber feuchter Standorte und injofern jehr geeignet, unfere landläufigen Begriffe von der Lebensform des Känguruhs al jolchen zu erweitern. Am Tierhandel ift eS nicht gerade häufig, aber auch wohl wenig Nachfrage nad) ihm, da die zoologijchen Gärten ihre wenigen Känguruhgehege naturgemäß am liebjten mit den wichtigjten und befanntejten Arten zu bejegen pflegen. Zuleßt jchildern wir eine Gruppe zart grau und weißlich gefärbter, zierlich dunfel- gezeichneter Wallabies mittlerer Größe, die jomwohl zu den Heinen wie zu den großen Hän- gurubs Beziehungen haben. Grey3 Känguruh, Macropus greyi Gray (Kopfrumpflänge 81 em), fchreibt Iho- ma3 nad) Schädel und Gebik eine nähere Verwandtichaft mit den Kleinen Wallabies zu, 240 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. obwohl es äußerlich dem Rothalsfänguruh und anderen mittelgroßen Arten jehr ähnelt. Thomas erfennt die Stammoerwandtjchaft namentlich aus dem Fleinen Hirnkaften, der Form und der Schwachen Entwidelung der Schneidezähne und gewijjen Eigentümlichfeiten der Najenbeine, und da er in allen Gruppen eine Zunahme der Körpergröße von entjprechen- der Zunahme des Fazialındey begleitet fieht, diejfer aber beim Greys Känguruh jehr Hoch iit, fo glaubt er, die Art als „ein verhältnismäßig jpät, neuerdings (in der Erdgejchichte) erit großgewordenes Mitglied der Gruppe der Heinen Wallabies” betrachten zu müjfen. Sreys Kängurud jchließt jich in der Färbung noch einigermaßen an das Nothalsfänguruh an Durch rötlichen Ton auf Naden und Schultern und gelbliche Seiten, wird aber am Bauch, Schwanz und den Gliedmaßen ganz hell. Die Schwarze Gefichts-, Hand- und Fukzeichnung it namentlich am Kopf unterhalb des Auges gegen die weißen Baden und am Handgelenf gegen die rahmfarbigen Unterarme jcharf abgejegt; an den Füßen geht fie mehr allmählich in die helle Farbe der Unterjchenfel über. Bon den beiden folgenden, nad) dem allgemeinen Färbungscharakter hier mit ihn zufammengejtellten Arten unterscheidet jich Greys Klänguruh durch die Hinten rötlichen, im oberjten Drittel fchivarz gerandeten Ohren, deren NRandzeich- nung an der Spibe fich fehr verbreitert. Seine jtarfen und ebenmäßigen Hintergliedinaßen, die gegen die Schwachen, ver- fümmerten Vorderglieder einen großen Gegenjab bilden, deuten fehon auf rajche Be- wegungen hin, und in der Tat ift Greys Känguruh eines der flüchtigjten und behendejten jeiner Gattung. Seime Lieblingspläge jind die Niederungen nahe der Seefite, bejonders niedere Sandhügel und offene Gründe, wo die Erdoberfläche fahl und eben ift. Dazu iteht auch zweifellos die Form jeiner Sllauen in Beziehung, die mehr zugejpigt und dorartig ind al3 bei irgendeiner andern Art. „Die Landichaft, in der e3 lebt”, zitiert Gould einen Gewährmann Strange, der Greys Känguruh zwiichen dem Albertjee und dem Glenelggebirge (bei Adelaide) beobachtet hat, „ind weite, offene Ebenen, die von ausgedehnten Salzlaqunen durchzogen und bon Nadel- wäldern eingefaßt werden. An Schönen, fonnigen Tagen ift es in dem Salzwafjerbujch um die Lagunen und mitten in dem langen Gras auf den Ebenen zu finden. Sc jah nie- mals ein Tier, das jo jchnell auf den Füßen ift wie diefe Art; es jcheint fich nicht zu be- eilen, bis ihm die Hunde hübjch nahegefommen find; dann aber jchießt es davon, immer ein furzer und ein langer Sprung, die Hunde weit hinter jich lafjend. Bei nafjem Wetter bleibt e3 auf den Sandhügeln. ch habe mit vier jchnellen Hunden zwanzig Heben an einem Tage gemacht und nicht eins bekommen.‘ Bon lebender Einführung des Greys Känguruhs Hat man nie etwas gehört, obwohl man folhe in Anbetracht der engeren Heimat des Tieres von vornherein für jehr wahr- icheinlich halten follte. Dagegen steht fein mweftauftralifcher Verwandter, das Jrma- oder Handjchuhfän- guruh, Macropus irma Jourd. (manicatus; Taf. ‚„‚Beuteltiere VIII‘, 1), dejjen Stopf- rumpflänge 78 cm beträgt, in der langen Neihe verjchtedener Känguruharten, die neuer- dings im Berliner und Frankfurter Garten gezeigt worden find. 63 hat etwas dunflere Yarbentöne al3 das vorige; ein bräumliches Grau oben und ein helles Gelb unten, dafür aber auch eine fchärfere dunkle Zeichnung an Kopf und Gliedern. „Der Neigung aller Wallabies zu dunkler Färbung der Hände und Ohrenjpigen hat dieje Art am ftärkiten nachgegeben, denn wenn ihre Vorderfüße und Ohrjpigen jorgfältig in Il. Jrmakänguruh, Macropus irma Jourd. 1/0 nat. Gr., s. S. 240. — A. Ellinger-Frankfurt a. M. phot. 2. Parrys Känguruh, Macropus parryi Benn. ls nat. Gr., s. S.241. — W.P. Dando, F . Z. S.- London phot. 5. Parrys Känguruh mit Jungem. ja nat. Gr., s. S.241. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. Bit 4. Bergkänguruh, Macropus robustus Gould. U/ja nat. Gr., s. S.245. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. Grey3, Jrma-, VBarrys Känguruh. 241 Tinte getaucht worden wären, konnten fie nicht jchwärzer fein, und dieje Zeichnung fonnte nicht jchärfer abgeschnitten fein.“ (Gould.) Der dunkle Farbenton dect übrigens auch die ganze Außenjeite der Ohren umd die ganze mittlere Gejichtspartie von der Naje ibers Auge bis zur Ohrwurzel, jo daß das Tier nicht nur Schwarze „Handjchuhe”, jondern auch eine dunfle „Zarve’ trägt. Armen jind die Ohren jchön jenımelgelb oder rahmfarbig. Nacı Gould ijt diefes Känguruh in der ganzen Kolonie am Schwanfluß allgemein verbreitet, wo es nur unfruchtbare und bebufchte Neviere gibt mit eingejtreuten Zonen von Zwerg Eufalyptus. Aus diefen Schlupfiwinkeln fommt es gelegentlich hervor in die mehr offenen Gründe, um von dem Grafe zu äjen, das dort reichlicher wächjt al3 auf den Blöfen des Waldes. Gilbert teilt mit, daß e3 zu den flüchtigiten feiner Art gehört, daß e3 Hunde von beiten Blut verlangt, um e8 zu fangen. 3 Tiefert ein ausgezeichnetes Fleijch für die Tafel, und die Felle werden, zu Deden verarbeitet, im ausgedehnteiten Maße von denen gebraucht, deren Berufsgejchäfte und LXebensweile fie viel Zeit im Bujch zubringen läßt. „Das Frankfurter Exemplar erfreute Durch feine außerordentliche Zahmheit: dev Wärter fonnte e3 aufnehmen und umberjchleppen wie ein Sind feine Puppe. Nur mern wir alle zu gleicher HYeit e8 anfaßten, um fein Haarkleid zu unterfuchen, verriet e3 durch furz ab- geitoßenes, fauchendes Krächzen einiges Unbehagen. So etwas fieht der Tiergärtner mit Staunen, nachdem er jich hat gewöhnen müjjen, froh zu fein, wenn feine Kängquruhs fich nicht vor Dummijchen ihre Köpfe am Gitter einrennen!” (Hed.) Varrys Känguruh, Macropus parryi Benn. (Taf. „‚Beuteltiere VIII’, 2 u. 3), jegen wir an die lekte Stelle, weil wir das Tier wohl al3 eine Art Übergangsforn von den mittleren Wallabies zu den großen Känguruhs anjehen dürfen. Damit ftinmt auch da3 weiche, wollige Fell und die bläulichgraue Grundfarbe, die am Numpfe mehr oder weniger rötlich wird. Die dunkle Gejicht3- und Gliedmaßenzeichnung ift ungefähr diejelbe tie bei der vorigen Art, nur daß die Stirn fich mehr ins Graue aufhellt; die Obhrenzeichnung Dagegen ijt ganz anders. Die Ohren jind ungewöhnlich lang, innen weiß, außen drei- teilig gefärbt: an der Wurzelhälfte rotbraun, dann weiß und an der Spige wieder bramı. Nach Strange bewohnt Parıys Känguruh die feljigen Gebiete des Clarencedijtrikts im öftlihen Neufüdwales, wo es die Feljfenklippen bis zur Höhe von 2000 enal. Fuß bejucht; gelegentlich jteigt es in die mehr offenen Gegenden Hinab und wird auch ziwijchen ven grafigen Hügeln getroffen, die fic) aufwärts nach dem Hauptrücden ziehen. Sein allgemeiner Umtriß, die kurzen und ftämmigen Hinterbeine und die furzen, jtumpfen Nägel pajjen gut zu feinem Leben auf den Felfen. So flüchtig ijt diefes Tier, daß nur mit Hilfe der beiten Hunde einige Ausficht it, Stüde zu erlangen. &3 überholt tatjächlic) jedes andere Tier im Nu, und wenn es ordentlich im Schwunge ijt, Fann es fein Hund fangen. „Wie einige der größeren Känguruhs”, bemerkt jchon Gould, ‚‚bedarf auch diejes jchöne Tier des Schußes, jonjt wird e3 rafjch ausgerottet fein. Seine außerordentliche Gemwandtheit zwijchen den Feljfen und die unfruchtbare Natur der Gegenden, die e8 be= wohnt, dienen immerhin etwas noch) zu feiner Erhaltung.” Es wird gleichfalls leicht zahm und ijt dann jehr zutraulich und lenkjanı. Ein lebendes Exemplar wurde der Zoologijschen Gefelljchaft in London von dem Kapitän Sir Edwad W. Barry gejchenft, nach dem die Urt benannt ift. E3 ftammte aus Stroud, nahe bei Port Stephens, ungefähr vom 33. Grad füdl. Br., und war von Eingeborenen gefangen worden, nachdem e3 die gehegte Mutter aus dem Beutel geworfen hatte. Damals Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 16 242 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. war e8 etwas Feiner al3 ein Kaninchen, bei feiner Anfunft in England aber war e3 aus- gewachjen. ES wurde nie eingejperrt gehalten, bis e3 nach England eingejchifft wurde, jondern lebte in der Küche und Thief im Haufe und auf dem Grumdftücd umher wie ein Hund; jede Nacht nach Einbruch der Dunfelheit ging es in den Bufch oder Wald auf fung, und regelmäßig Fam es etwa um 2 Uhr morgens zu jeinem Freunde, dem Soc), zurüc, in defjen Bett es jchlief. Außer dem, was es bei feinen Ausflügen gefrejien haben mag, nahm es Fleisch, Brot, Pflanzenftoffe, furz alles, was ihm der Soc) gab. Zu diefem war e3 äufßerft zahm, aber font durfte ji niemand irgendwelche Freiheiten mit ihm erlauben. Wenn andere ihm nahe auf den Leib rückten, drücte e3 feinen Örger durch einen halb grunzenden, halb ziichenden, ehr mißtönenden Laut aus, der aus der Ktehle zu fommen jchien, ohne daß der Gefichtsausdrud fich dabei veränderte. Am Tage wagte e3 jich gelegentlich, aber nicht oft, hinaus bis zu beträchtlicher Entfernung vom Haufe, und dabei wurde es zu- mweilen von fremden Hunden gejagt, bejonders von joldhen, die Eingeborenen gehörten. hnen zu entgehen, hatte es aber feine Schwierigkeit Durch) feine außerordentliche Schnellig- feit, und e3 war eigenartig, das Tier auf einen Hügel und über den Gartenzaun jeßen zu jehen, bis es unter dem Schuße der zum Haufe gehörenden Hunde war, namentlich zweier bon der Neufundländer Rafje, an die es jich angejchlofjen hatte, und die nie verfehlten, ihm ihre Hilfe angedeihen zu lajjen, indem fie zur Verfolgung jeiner Feinde hervorbrachen. Für die größten Arten der Gattung Macropus, mit Denen wir Die ganze Familie der Känguruhartigen und damit die Beuteltiere überhaupt abjchließen, behielten auch Diejenigen Syjtematifer den genannten Gattungsnamen bei, die die mittleren Wallabies al3 Hal- maturus md die feinen al3 Thylogale abtrennten: jind Ddieje Niejenfänguruhg doch die hervorragenditen Bertreter ihrer Gattung, die den Begriff des Springbeutlers am auf- fallendjten verkörpern und auch für jeden Laien, der fie einmal gejehen hat, zu den unver- geplichen Tiergeitalten gehören. Coof, der eigentliche Entdeder und erite Erforicher luftralieng, war mit jeinem wiljenjchaftlichen Gefährten, dem jpäteren Sir Jojeph Banks, auch der erite Entdeder des Känquruhs, der unzmweideutige fchriftliche Beweije dafür hinterließ, daß er dies abjonderliche Tier in feiner Heimat und in der Freiheit gefehen hat. Er war mit jenem Schiff „Endeavour” nicht weit von der pflanzenreichen Botanybai in der Mündung eines Flufjjes vor Anfer gegangen, der danacd) Endeavour Niver genannt wurde. Unterm 22. Juni 1770 fchrieb er hier in fein Tagebuch: „Einige Leute, die ans andere Ufer des Fluifes gejchiett waren, um Tauben für die Stranfen zu jchießen, berichten bei ihrer Nücdkehr, daß fie ein Tier gejehen haben, jo groß wie ein Windhund, von jchlanfem Bau, einer Mausfarbe und äußerjt jchnell.” Und zwei Tage jpäter: „MS ich heute morgen eine Heine Strede vom Schiffe wegging, jah ich jelbit eines der Tiere, in Größe und Geftalt jehr ähnlich einem Windhund, und ich würde es wohl für einen wilden Hund gehalten haben, wenn es nicht, anstatt zu laufen, gejprungen wäre wie ein Haje oder Hirich. Mr. Banks hatte auch eine unvollfommene Ansicht von dem Tier und war der Meinung, daß e3 zu einer unbekannten Art gehört.” Am Freitag, den 6. Juli, unternahm Mr. Banks mit Leutnant Gore und drei Mann eine SJagd- und Forichungstour, und bei ihrer Nüd- fehr am Sonntag, den 8., berichtete er, daß fie am Tage vorher mit der eriten Morgen- Dämmerung jich auf die Suche nach Wild gemacht und auf einem Marjch von vielen Meilen vier Tiere derjelben Art gejehen hätten, von denen zwei Mr. Banks’ Windhund brav gehebt Großfänguruhs: Entdedung. Leibesbau. 245 habe; aber jie famen ihm aus auf weite Entfernung, indem fie über das hohe, dichte Gras iprangen, das jeinen Lauf hinderte. An diefem Tier wurde beobachtet, daß es ‚nicht auf vier Beinen läuft, jondern auf zweien vorwärts jpringt oder hüpft wie die Jerboa oder Mus Jaculus” (Springmaus). Endlich) am Sonnabend, den 14. Juli, hatte Mr. Gore, der an diejem Tage mit feiner Flinte hinausging, das Glüd, „eines diefer Tiere zu erlegen, die jo viel Gegenftand unferer Betrachtungen waren”. Am näcjten Tage wurde das erlegte Stüd zum Ejjen zubereitet, und Coof fand das Fleiich ausgezeichnet. Er bildet das Tier auch ab und nennt es in der Folge Känguruh (Kangaroo). Neuer- dings hat nun Noth, der treffliche Kenner Auftraliens und verdiente Kommiljar für die Eingeborenen, nachgewiejen, daß dieje in der Nähe des Coofichen Landungsplages das Tier heute noch „Gangaruh” nennen, womit die ganze Frage nach der Entjtehung des: Kamens ein für allemal erledigt Üt. Thomas gibt al3 Kennzeichen der großen Känguruhs im allerengjten Sinne neben der Größe und der ziemlich eintönigen, wenig gezeichneten Färbung den großen, jchiweren Schädel an, an dem, wie gewöhnlich bei den größeren Formen im Vergleich mit den Fleineren derjelben Gruppe, der Gefichtsteil mehr vergrößert erjcheint als der Hirnteil. Auch einige Schädelmerfmale unterfcheiden die großen Känguruhs noch von den Fleineren Wallabies. Das diprotodonte Gebik, namentlich die beiden großen unteren, wagerecht nach vorn umgelegten Schneidezähne, die meigelförmig zugejpißt jind und vermöge einer gemiljen Selbjtändigfeit der beiden Unterfteferhälften jcherenartig gegeneinander wirfen fünnen, zeigen die großen Känguruhs in der Schönsten Ausbildung; ebenjo die hinteren, ganz ins Unverhältnismäßige verlängerten Springbeine, an denen die vierte Zehe jehr Fräftig, die fünfte, äußerjte, erheblich jchwächer und die veriwachjene zweite und dritte nur ganz ihwach entwicelt find, jo daß ihre jchlaff in der Haut hängenden Strallen höchitens zum traten und Buben des Felles benußt werden fünnen. Die Borderglieder haben fünf Finger, die mit Frummen, ungefähr gleichjtarfen Krallen enden; jie werden nur bei ganz langjamer Bewegung auf die Erde aufgejeßt, Jonjt dienen jie zum Erfajfen der Nahrungspflanzen und anderen mehr dem Begriffe der „Hand“ entiprechenden Verrichtungen. Für gewöhnlich ruht das Körpergewicht auf den Starken, fangen Hintergliedern und dem ebenjo jtarfen und langen, musfulöjfen Schwanze wie auf einem Dreifuß, und in der ihm eignen Bewegung zeigt jich das Niejenfänguruh mit diefer körperlichen Ausstattung als die größte Fornt des wippenden und balancierenden Springers, den die heutige Tierwelt befitt, al3 jtaunen- erregender Birtuos in feiner Art. Die furzen Borderbeine werden über der Bruft gefreugt, ‚So daß man fie fajt gar nicht jieht; nur die fangen, hageren, aber jtarffnochigen und jehnigen Hinterbeine, deren Muskulatur annähernd wie beim Strauß auf die leulen hinaufgejchoben üt, berühren den Boden, hauptjächlich mit der großen vierten, breit und Hufartig befrallten Zehe. Die mächtige Musfelmafje des langen, diden Schwanzes hält dem Vorderförper in der Luft das Gleichgewicht und verjtärkt, elaftijch wippend, die Sprung und Schwungfraft der zujammenfnidenden und wieder hochichnellenden Hinterbeine. So „liegt“ das Tier in ungeheueren, bis 10m und darüber (nac) Semon) weiten Säßen dahin und erjcheint für die trocnen Grasebenen feines vielfach jo unmirtlichen Heimatlandes wie gejchaffen. Schon Omen wies darauf hin, daß dort, ebenjo wie in Afrika, rajche Ortsbewegung eine Xebenzs- notiwendigfeit it für alleTiere, die ohne grünes Futter und friichesWajfernicht leben fünnen. Nicols fügt fehr lebendige Schilderungen von Stellungen und Bewegungen hinzu: „Unter den eigenartigen Stellungen, die die Känguruhs einnehmen, verdient eine 16* 244 2. Dridnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. bejonder3 merkwürdige Erwähnung. Um befjer über da3 hohe Gras oder Farnfraut hinmwegjehen zu fünnen, erheben fie ji) ganz auf die Spigen der ftarfen Stlauen an ihren Hinterbeinen, indem fie zugleich den Schwanz fteifen. Das Tier fteht dann auf einem Dreifuß, der vom Schtvanz und den Hinterbeinen gebildet wird, alle drei Teile ganz jtrad und ftraff, und it dann ficher 6—7 Fuß Hoch... Alle langfamen Bewegungen find unbeholfen und reizlos, jo wenn das Tier dahinkriecht, die Furzen VBorderfüße auf dem Boden ausgejpreizt, die langen Hinterbeine und den jchweren Schwanz nachjchleppend, oder wenn e8 aufrecht fit und fich die Seiten und den Rüden Fragt; aber im vollen Laufe, bei der Heße mit Hunden, in feinen grogartigen Sprüngen über furzes Gras, die mit reigender Schnelligkeit ausgeführt werden, gewährt das Tier ein Bild Fraft- und anmutvoller Be- wegung ohnegleichen in der Tierwelt.” Die biologische Charafteriftif, die Thomas von dem Känguruh im allgemeinen gibt, gilt am meisten von den großen Irten. Sie lautet, ebenjo furz wie treffend in drei Worte gefaßt: terrestrial (auf der Erde lebend), saltatorial (in Sprüngen fich bewegend), gramini- vorous (grasfrejiend). Die Känquruhs bilden das Groß und Hochmwild Australiens, ver- treten dort die Hirsche, Antilopen, Ziegen und Schafe, Ninder der anderen Erdteile. Sie jind die hervorragenditen Charaftertiere de3 fünften Kontinents und beleben namentlich die australische Grasebene und die lichte, Halb offene Busch- und Waldlandichaft als fenn- zeichnende, ganz einzigartige Tierjtaffage — wohl gemerkt: joweit fie der weiße Auftralier von heute noch am Leben gelajjen, noch nicht mit der barbarischen Rüdjichtslofigkeit des brutalen Nugmenjchen oder gar nur aus voher, graufamer Jagd- und Mordluft vertilgt Hat. Schon erheben Jich Dagegen ziinende und warnende Stimmen im Lande jelbit, die hoffentlich bald auch in der Gejeßgebung durchdringen werden, ehe es zu jpät ift. E38 ijt jelbitverjtänd- fich, daß von alledem die großen Känguruharten wiederum am fchweriten betroffen werden: ihon Gould befürchtete Schlimmes für fie, ja jogar noch Schlimmeres, als bis jebt ein- getroffen ift. Wie hart und unbarmherzig muß alfo zu feiner Zeit bereits das Vernichtungs- werk eingejegt haben! ichtsdejtomweniger ift auf dem Tiermarkt an großen Känguruhs bis jest alüdlicher- mweije noch fein fühlbarer Mangel gewejen. Und doch ift von allen Beuteltieren der Bedarf an Riejenfänguruhs gewiß der größte; denn fie in eriter Linie muß natürlich nicht nur jeder zoologische Garten, jondern auch jede bejjere Menagerie zur Schau ftellen. So- gar das Barietetheater hat jich vorübergehend der großen SKänguruhs bemächtigt und jolche als „Preisboger” auf die Bühne gebracht. Das Ganze ift nur ein harmlofer Tric, der auf Der mehr oder weniger gejchidten Ausnußung der natürlichen Neigung der älteren NRiejenfänguruhmännchen beruht, fpielend einem andern auf den Leib zu rüden und mit den Vorderfüßen ftogend und frabend, wenn die Sache ernjter wird, auch unter Zuhilfe- nahme der Hinterbeine mit ihm fich herumzubalgen. Spitematifch hat ganz neuerdings (‚‚Novitates Zoologicae“, 1910) Ernjt Schwarz „Die großen Känguruhs und ihre geographifchen Formen” an dem Material des Britifchen und des Nothjchild-Mufeums genau durchgearbeitet. Er läßt jowohl nach den Schädel- charakteren als nach äußeren Merkmalen, die der Schlanferen oder gedrungeneren Geftalt, namentlich der Länge der Hinterbeine und Ohren, entnommen find, nur fünf Haupt- arten gelten: Macropus giganteus, rufus, antilopinus, hagenbecki und robustus; alle anderen erklärt er für ‚Unterarten einer der genannten. “Etwas zweifelhaft erjfcheint vorläufig noch Die Spezies M. hagenbecki, die fich nur auf zwei Exemplare ftüßt, von Groffänguruhs. Bergfängurudh,. 245 denen zudem noc) das eine verloren gegangen it. Bei der Einzelbetrachtung ftellen wir die Heineren Arten voran, die zugleich begreiflicheriveife die gedrungeneren Gejtalten, die fürzeren Hinterbeine und Ohren haben. Das Wallaroo, Macropus robustus Gould, deutjch Bergfänguruh, verdient diefen Namen dadurd), daß es tatfächlich in den gebirgigen Gegenden von Queensland, Neufüdmales und Südauftralien lebt, und e3 hat auch eine Sormeigentümlichkeit, die wohl mit feiner Eigenschaft al3 Gebirgstier zufammenhängt: d. 1. die lange, harjche Behaarung der Hinter- füße, in der die an fich Schon nicht lange Hauptzehe mit ihrer Stralle ganz verborgen liegt. Bwilchen den beiden Gefchlechtern ift ein Unterjchted nicht nur in der Größe, fondern auch in der Farbe, fo daß jte auf den eriten Blick Leicht auseinander zu fennen jind. Das Männchen jteht ganz dunkelihiwarzbraum aus, an Kopf, Schwanz und Gfiedern am dunfeliten, wirklich Schwarz, auf der Unterjeite am helliten, auf der Bruft bis weißlich. Das Weibchen dagegen it auf dem Nücden bla rauchgrau, jonjt am Numpf jowie am Kopf, Schwanz und den Gliedmaßen weißlich; Finger und Zehenjpisen wieder Schwarz, eine Zeichnung, die ja Durch die meisten Känguruharten durchgeht; Schwanzipise braun. Die ganze Be- haarung erjcheint bei beiden Gejchlechtern jehr reich, dicht und warn und hat beim Weibchen auf dem Rüden einen gemwiljen Seidenglanz. Sn höherem Lebensalter wird, nach Thomas, nicht nur beim Männchen die Jarbe immter dunkler, jondern fte nähert fich auch beim Weibchen immer mehr dem männlichen Yarbenton an. Das ijt ohne Zweifel eine natürliche Erjchei- nung, injofern al e3 nur dem entjpricht, was wir auch bei vielen anderen Säugetieren jehen; bei den weiblichen Bergfänguruhs, die Hed gejehen und gepflegt hat, war aber derartiges nicht zu beobachten; fie waren jedenfalls nicht alt genug. Obwohl firzer ge- baut und daher weniger elegant in der Form, joll das alte Männchen, nach Gould, Doch dem jtärfiten Niejenfänguruhbod an Gewicht gleichfommen. „Das Schwarze Wallaroo“, berichtet Gould vom Bergfänguruh, „bewohnt die Gipfel der unfruchtbaren und feljigen Berge, fommt jelten zu den Dicichten an ihren Abhängen herab und nie bis zum Fuße. Einige wenige Hatten deshalb nur Gelegenheit, das Tier in der Freiheit zu beobachten, und Taujende von Menfchen find in Auftralien, die nichts von jeiner Eriftenz ahnen. Obwohl der Südoften meines Wijjens der einzige Teil des Landes ift, wo e3 bis jeßt nachgewiefen wurde, hat es aller Wahrjcheinlichkeit nach eine aus- gedehnte Verbreitung nordmwärts. E3 ijt ziemlich Häufig auf den Liverpool-Höhenzügen, und ich überzeugte mich, daß es viele der Hügel bewohnt, die von der Hauptfette nach den Seiten abzweigen jowohl ing Innere als nach der Stüfte zu. Seine Yufluchtsorte jind jo qut gewählt zwijchen den Spiten und überhängenden Wänden, daß e3 faum einen Zived hat, e3 mit Hunden fangen zu wollen. Sn der Nähe ift es ein wehrhaftes, geradezu gefähr- (iches Tier; denn wenn man e3 jo hart bedrängt, daß es feinen Ausweg hat, fährt es auf den Eindringling [08 und ftürzt ihn über die Yelsfante hinab, wie es der Steinbod unter ähn- fihen Umständen tun joll. Abgejehen von feiner großen Mustelfraft wird das Tier als noch furchtbarer gejchildert durch die Art und Weije, wie es von jeinen Zähnen Gebrauch macht, inden es den Gegner heftig beißt. Das jchwarze Wallaroo Ffann als ein gejelliges Tier angejehen werden; man fieht vier, jechs und auch noch mehr Häufig beifanmen. Auf einem der Berge bei Turi öftlich der Liverpoolebene war e3 jehr zahlreich. Nach der Natur diefer und der anderen Ortlichkeiten, wo ich e8 beobachtete, muß es aber lange Zeit ohne Waffer existieren fünnen; denn diejes Clement trifft man jelten in jolchen 246 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. Landichaften. Die Gipfel der Berge, wo diefe Art Hauft, werden bald von zahlreichen Pfaden und wohlausgetretenen Spuren überzogen, die von dem häufigen Hinitber- und Herübermwechjeln herrühren. Die Nahrung beiteht aus Gräfern, den Schößlingen und Blättern der niedrigen, gejtrüppartigen Bäume, die feine heimatlichen Berge bededen.“ Das Mufeumsmaterial an Bergfänguruhs muß lange Zeit nur fehr Tpärlich gefammelt worden fein, und mit der lebenden Einführung ftand es, in Deutfchland wenigjtens, nicht viel bejjer bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Ein Baar Bergfänguruhs, die Hed damals von NKeiche-Alfeld faufte, waren die eriten, die er jah. Seitdem ift das Tier im Handel jehr Häufig geworden, und heute jieht man es in jedem zoologijchen Garten neben den eigentlichen Niejenfänguruhs, ja falt noch häufiger als diefe. Der Spitenatik ft ebenfalls reichlicheres Material aus verjchiedenen Gebieten Auftra- fiens zugeflojjen, und da hat es fich gezeigt, Daß, wenn wir die verichiedenen Wallaroos durchgehen, die inzwijchen von Thomas und Rothichild neben dem älteren M. erubescens Scl. und dem ganz alten M. isabellinus Gould bejchrieben worden find, wir tatjächlich durch Beimifchung und Überwiegen eines roten Tones von dunfeln und grauen bis zu leuchtendroten Formen gelangen, Die man zum Noten Niejenfänguruh jtellen möchte und auch gejtellt Hat, bis man jich am Schädel und Gebiß überzeugte, daß fie in den Sue freis des Bergfänguruhs gehören. E83 find die folgenden: M. r. argentatus Rothsch. aus dem Northern Territory, d. H. dem eigentlichen mittleren Nordauftralien: Männchen oberjeits Fräftig dunfelrot, mit Burpur verwaichen; Weibchen hinchillagrau. M. r. erubescens Scl. (Taf. „Beuteltiere IX”, 1, bei ©. 252) aus Südauftralien (Spencergolf): Männchen (nad) Schwarz) oberjeits gelbweinrötlich, Bruft und Kehle weißlich, Bauch hellrötlich; Weibchen röt- lichgrau, Schwarz überflogen. M. r. alligatoris Thos. vom South Alligator River in AUrnhemland, d. h. dem nördlichjten Nordauftralien: ftumpfer gefärbt und furzhaariger als das vorige; fahle, jtatt Shwärzliche Hinterjeite der Ohren. M. r. woodwardi Thos. aus Grant Nange (Südwejten des Simberleydiftrifts) in Nordweftauftralien: Männchen leuchtend helltot, Weibchen mehr fahl; Haar auf Genid und Vorderrüden von einem Wirbel auf dem Widerrift aus mehr oder weniger vorwärts verdreht. Fell Fürzer, dünner und haricher als bei vem folgenden. M.r. cervinus T’hos. (Hirichfängurud; Taf. „Beuteltiere IX’, 2, bei ©. 252), Picquarda der Eingeborenen aus Bejtauftralien (Pinda-Station, Yalgoo, Murifondifkeift): ): Männchen tief und jattrot, Weibchen dunkel rotfahl. Ältere Männchen find blafjer, am Kopf mehr grau. Die Weibchen find matter gefärbt, das Not etwas Ichmwärzlichgrau überflogen; Arme, Beine, Kopf hellgrau, ein Augenftreifen am helfiten. Über den Görling-Mengesihen Import in den Frankfurter Garten fchrieb Cahn jeinerzeit: „Die meijten Stüde find vorläufig noc) recht jcheu; in der Erregung lajjen jie (wie antilopinus und andere) ein heiferes, jchnarchendes oder fauchendes Bellen hören.“ Und Hed fügt Hinzu: „Ein unvergeßlicher Anblick, diefe prächtigen Tiere, die man vermöge Ihrer Yarbe auf den erjiten Blit als Note Niejenfänguruhs anfprechen möchte, bis bei näheren Zufehen alle feineren Formeigentümlichkeiten belehren, daß man es mit einem ganz abweichend gefärbten Bergfänguruh zu tun hat!“ Das Jjabell-Känguruh fchließlich, M. r. isabellinus Gould, von Gould 1841 auf- geitelft, beruhte bis in die neuefte Zeit auf einem einzigen unvollftändigem Fell von der weitauftrafiichen Barror-Infel. Set ift e3 durch die Woodwardichen Eremplare unzmweifel- haft als eine verfümmerte Injelforn von M. robustus erwiefen, mit dem es alle Schädel- merkmale teilt; e3 hat aber einen merklich fehwereren und ftämmigeren Bau, namentlich a SR er. Fu + Ra en aut Rotes Rielenkänguruh. Bergfänguruh, Unterarten. Notes Niejenfänguruh. 247 furze Hinterbeine. Die Ohrjpisen find hinten braun oder fchtwärzlich (bei den Verwandten bom Feitland rötlich oder fandfarbig wie der übrige Kopf). Hauptfarbe ein fräftiges Fuchsrot, Unterjeite und Gliedmaßen weiß, Schwanz rötlichgrau; die reinmeiße Kehle wird jcharf getrennt von dem roten Naden durch eine Firjte aufgerichteter Haare. Schwarz fügt nocd) zwei neue Unterarten des Bergfänguruhs hinzu, die hier nur eben genannt jein mögen: M. r. alexandriae Schwz., aus der Gegend von Mlerandria von Northern Territory, und M. r. reginae Schwz., aus Nordqueensland. Von der eriteren hatte er allerdings nur den Schädel, von der le&teren aber „Die große Serie von Inferman (Sngram- und Forreit- Sammlung) im Britischen Mujeum” dor jich. Wir gehen jet zu dem allbefannten Schauftüd der zoologischen Gärten, dem Noten Niejenfänguruh, M. rufus Desm., aus Djt, Sidoft- und Südauftralien, über, das Gould mit dem Bergfänguruh in der Gattung Osphranter vereinigt. Dieje gründet jich jomwoh! nach der jprachlichen Ableitung des Wortes al3 nach ihrer Bedeutung in der Shitematif auf eine gewijje Verbreiterung der Schnauze, die beim Noten Riejenfänguruh ganz unverfenn- bar ift, hier im Berliner Garten, wo e3 zeitweife neben dem Mojchustier jtand, immer an diejes erinnerte. Beim Bergfänguruh it jie nurleicht angedeutet, am jtärfiten ausgebildet Dagegen beim Antilopenfänguruh, das wir deshalb auf das Note folgen lajjen werden, zumal es im Gebiß wieder vielfach mit den Grauen Niejenfänguruhs übereinjtinmt, die jich durch Yange, zugejpiste Schnauze auszeichnen. Das Rote Niefenfänguruh wird, wenn man nad) feiner Erfahrung an lebenden Stüden urteilen darf, am größten von allen. Man fieht wenigjtens von der grauen rt, die ver- gleichsweife zunächjit in Betracht fommt, niemals gleiche Niefeneremplare, wie e3 recht alte Böde von der roten zu fein pflegen. Solc) ein Prachtitücd, das den Namen „Riejen- fänguruh” im volliten Maße verdient, ijt Schon, wenn es aufgerichtet auf jenem „Dreifuß”, dem dicen Musfeljchweife und den langen Sehnenbeinen, dafigt, jo Hoch wie ein mittel- großer Mann, und wenn es fich auf dem Schwanze und den gejtredten Hinterbeinen hoc)- temmt, dann muß man zu ihm in die Höhe jehen! Das Fell ift jo eigentümlich, dat man fich anheifchig machen möchte, aus einem Kleinen Stüd jchon die Urt zu bejtimmen. E3 ift furz, dicht und wollig, und was das merkmwindigite it: es hat gar feinen bejtimmten „Strich“, jondern jteht und jpaltet überall vom Körper ab, wie jonft nur die Unterwolle. Thomas jagt auch im Beuteltierfatalog geradezu: „ganz Durch da3 gebildet, was bei anderen Arten die Unterwolle ift”. Die Farbe ift bei beiden Gefchlechtern jehr verjchieden, wie bei dem Bergfänguruh. Das Männchen ift brillantrot mit grauem Kopf, hellem Schwanz und Gliedmaßen, an denen nur die Ducchgängig [chwarzen Finger und Zehenjpigen der Klänguruhs wiederfehren. Das Geficht ift undeutlich gezeichnet: wern man will, fan man von einem jchiwarzen Schnurr- bart und einem weißen Badenftreifen fprechen. Das bedeutend Heinere Weibchen it blaugrau, wo das Männchen rot ift, mit heller Unterfeite; am Hinterförper macht ich jtets eine Annäherung an das Not des Männchens bemerfbar, wenn auch bei verjchiedenen Stüden in verjchiedenem Maße. Gould fommt, wie bei anderen Gelegenheiten, jo auch beim Noten Riejenfänguruh wieder auf den großen Unterjchied zu jprechen zwischen der Farbe des lebenden Tieres ın der Freiheit und nach dem Tode im Mufeum und — wir dürfen oder müjjen vielmehr hinzufügen: in unferem Klima, in der unreinen „Sroßjtadtluft” der zoologijchen Gärten. 248 | 2. Drdnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. „Der jchöne rojenrote Anflug auf Kehle und Bruft jcheint mehr von einer eigentümlichen Ausichwisung aus der Haut als von der Färbung des Haares jelbjt Herzurühren; denn wenn man diefe Teile mit einem weißen Tafchentuch reibt, bleibt eine rojentote, blütenjtaub- artige Mafje daran Hängen. Außerdem ift diefe Tönung zu gemifjen Jahreszeiten tiefer als zu anderen und wird jedenfalls unter ganz eigentümlichen Bedingungen bei dem Tiere enttwidelt.” Srgendmwelche miljenjchaftliche Unterfuchungen jcheinen darüber nod) nicht gemacht zu jein. Bei der Bejchreibung des erheblich Heineren Weibchens erzählt Gould noch, wie beide Gejchlechter wegen der verjchiedenen Färbung von den Stoloniften „der rote Bod” und „das blaue Tier” (im weidmännijchen Sprachgebraud)) genannt werden. „Die Verbreitung des großen Noten Känguruhs, foweit bis jest befannt‘‘, berichtet Gould, „‚erjtrect fich über die Ebenen im Innern der Kolonien Neufüdmales, Port Phillip (Victoria) und Südauftralien; ich habe nie ein Eremplar aus einer Gegend weitlich der legteren Kolonie gejehen oder nördlich der Breite von Moretonbat. Die Ebenen, die an die Flüffe Gmydyr, Namoi, Murrumbidgee, Darling und Murrah angrenzen, und Die grajigen Hügel von Neufüdmwales, bejonders aber die nördlich von Adelaide, find die Ge- biete, über welche e8 früher im Überfluß verbreitet war, und wo e3 troß der Verfolgung, der es unterworfen war, auch noch gefunden wird, wenn auch in viel geringerer Zahl.“ Was wir beim Bergfänguruh erfahren haben, wiederholt jich beim Roten Riejenfängurub: Wir haben fehr fpät, in den legten Jahren exit, Die Tatfache fennen gelernt, daß das Note Niejenfänguruh fich viel weiter verbreitet, al3 man bis dahin glaubte, und daß es im Norden und Weiten Auftraliens in befonderen, durch die Farbe verjchtedenen geographijchen Formen auftritt. Dabei Fann jowohl die männliche als die weibliche Färbung der befannten Art für beide Gejchlechter herrihend werden. ©o ftellt Schwarz eine neue, ganz blajje Unterart aus dem nördlichen Weftauftralien auf: M. r. pallidus Schuz., dejjen Männchen oben „heil rötlich=ijabell”, das Weibchen „noch Heller” it. Und das Gegenjtüd dazu haben wir dur den leßten wejtauftraliichen Smport Görlings lebend im Frankfurter Garten gejehen: Note Niejenfänguruhs mit roten Weibchen, die an Tiefe und Leucht- fraft der Farbe den Männchen nicht das geringjte nachgeben, nur unterjeits meijt reiner und jchärfer abgejegt weiß jind. „Falls dieje Form noch feinen Namen trägt“, jchrieb jeinerzeit der eifrige Frankfurter Beobachter B. Cahn an Hed, „fünnte man fie M. rufus oceidentalis nennen.” Das ift inzwifchen gejchehen, und auch Schwarz erkennt diejfe Unter- art M. r. occidentalis Cahn aus „Weltauftralien füdlih von Murdiion Aiver” an. Geib ichreibt Dazu: „Bei den aus den nördlicheren Dijtriften von Wejtauftralien gebrachten Sremplaren fanı die rote Farbe der Weibchen wohl die Folge des dort herrjchenden ‚Io- folen Variationscharakterz‘ fein, der alle dortigen Känguruhs (antilopinus, woodwardi, unguifera, agilıs ujw.) in eine gelbrote Sandfärbung zwingt.“ Unter dem Frankfurter Beltand fiel Hed ein mittelgroßer Bod durch jehr. Fräftiges Kot auf, zumal feine Unterjeite genau ebenjo gefärbt war wie die Dberjeite; aud) das Grau jeiner Arme und Beine war dunkler als bei den anderen. Der weiße BerbindungS- Itrich, der auf der Kante des Kinnbadens bis nach der Ohrwurzel verläuft, fand fich bei beiden Gejchlechtern; der Kopf fan aber bei großen Böden fo hell werden, daß diejer Streifen verihwindet. AnderfeitS war der Streifen bei einem Weibchen fo ftarf ausgeprägt und harf abgejest, daß man unmillfürlich an das Bild eines Menfchen erinnert wurde, der beim Eijen jich die Enden der Sewiette hinter den Ohren zufammengefnüpft hat. ALS eine der hervorragendften Erjceheinungen. der auftralifchen Beuteltierwelt fonnte Rotes Niefenfänguruh: Verbreitung. Verfolgung. Jagd. 249 das Note Niejenfänguruh am allerwenigjten deren allgemeinem Schidjal entgehen, und jo ijt denn — in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Schon! — Goulds Begleit- tert zu jeinen beiden PBrachttafeln zum großen Teile nur von dem Sammer und der Sorge um die drohende YAustottung des Tieres Diktiert. Gould jagt uns auch, warum ihm gerade das Note Niefenfänguruh fo jehr von der Ausrottung bedroht ericheint. „Die Art Land, die es bewohnt, ift von dem denkbar höchjten Wert für den Viehzucht treibenden Teil der auftrafiichen Bevölferung. E3 wird eifrig gejucht und in Beji genommen, jobald es gefunden wird, um die ungeheueren Schaf und anderen Viehherden darauf zu weiden, und in den Viehzüchtern und Hirten mit ihren flinfen, jtarfen und qut abgerichteten Hunden finden die Roten Känguruhs einen Feind, der fie jofort aus allen neu bejegten Gebieten vertreibt und fie jchließlich zu völliger Vernichtung führt, wenn nicht einige Gejebe zu ihrer Erhaltung erlajjen werden.“ Sm allgemeinen geben die Auftralier dem Tiere je nach der verjchiedenen Größe und Färbung mit einem gewijjen angelfächjiichen Humor verjchtedene Spignamen. Das er- wachjene Männchen heißt „old man“, das erwachjene Weibchen „Jonny“, das Junge „‚Joe‘“. Die Eingeborenen vom Auridjaftamm nennen das Erwacdhjene „Malu‘”, das Junge „Da- bonn” (Bajedow). Sonjt heift das Weibchen auch „liegertier” von jeiner außerordent- fihen Schnelfigfeit. Dieje it „tatfächlich jo groß, daß ich nicht zögere zu behaupten, auf hartem Boden und unter günstigen Umfjtänden wird e3 dem jchnelliten Hunde entgehen. „Selegentlich werden beide Gejchlechter mit Erfolg gehegt; wenn die Jagd über weichen, ihlammigen Boden geht, oder wenn das Weibchen von einem großen, jchweren Jungen belajtet wird und diejes nicht aus dem Beutel herauswerfen fann, was es immer tun will, wenn es hart bedrängt wird. Sch beobachtete ein Paar, das vor der Sonnenhite umter einer feinen Gruppe von Myall3 (Acacia pendula) Schub juchte, auf den Ebenen beim Namoi, und e3 gelang mir, ihm mit einem guten Hund bis auf 70 Yards nahezufommen, ohne wahrgenommen zu werden. Der Hund war jo rajch auf den Ferjen des Weibcheng, das ein großes Junges im Beutel trug, daß e3 unmöglich entwijchen fonnte; das Männchen (im Britiichen Mufeum) wurde auch durch einen einzelnen Hund erbeutet, der e3 nad) furzer Hebe jtellte und verbellte, bis ich hinterherfam und e3 nad) fürchterlihem Widerjtand abfertigte. E3 wog um 200 Pfund und wurde erlegt, während ich einen Eilmarjch zwijchen dem River Murray und der Stadt Adelaide machte zu einer Zeit, als unjere Vorräte erichöpft waren, und ich fan daher mit dauernder Erinnerung von feinem leiich Iprechen, welches mich und meine Leute für vier Tage verjorgte.” Neuerdings hat Semon das Note Riejenfänguruh in feiner Heimat beobachtet und gejagt; er jchreibt 1896: „Sr den Ebenen bei Cooftoron, zwijchen Dafy Creef und Endeavour, waren Känguruhs noch) recht Häufig, bejonders das riefenhafte Note Känguruh, Macropus rufus, das in zahlreichen Herden dort lebt. Die größte diejer Herden, aus der wir mehrere Stücde Herausichofjen, zählte über 100 Stüd. Sehr fam mir auf diefen. Jagden meine Büchsflinte zuftatten. Sch pirjchte mich bis auf Schrotihußmeite an die Herde heran, ichoß ein Stüc der fißenden Tiere und hatte dann noc) einen Kugelichuß auf die fliehende Herde. War e3 nicht möglich, jo nahe Heranzufommen, jo jchoß ich gleich auf größere Ent- fernung aus dem Büchjenlauf mit Erpreßpatrone. Das Schlimme war nur, daß die Tiere durch die fortgejegte Verfolgung bald jcheu und vorjichtig wurden, und es nach einiger Zeit ungemein fehwierig war, fich an eine öfter bejchojjene Herde heranzupirjchen. Al die große Herde von über 100 Stüd famen wir bald überhaupt nicht mehr heran, weil jtets 250 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. das eine oder das andere Tier unjer Heranjchleichen bemerfte und den ganzen Schwarm mit fortnahm. ‚Shntich unferen Hirschen und Nehen Halten jich die Känguruhs bei Tage gern an gejchüisten, dDichteren Stellen verborgen und treten erjt abends mit Anbruch der Dunfelheit zum fen aus. Wie oft habe ich abends in meinem Camp das fchwere, taftmäßige Klopfen gehört, das durch das Fräftige Aufichlagen der Hinterläufe auf den Boden hervorgerufen wird. Diejer Laut gehört zum auftraliichen Bujch wie das tolle Gelächter des Laughing Jackass und Die reizende Weije des Flötenvogeld. Yagt man die Hänguruhs der Häute wegen, jo wählt man die jtarfen Männchen aus und jchießt mit der Kugel. Wenn jcharf verfolgt, begeht übrigens das Känguruh Ddiejelbe unäjthetiiche Handlungsweife wie die Känguruhratte. Sie jtreift das Junge aus dem Beutel und opfert eg, um jelbjt bejjer ihren Berfolgern zu entgehen.” Um dies richtig zu verjtehen, muß man bedenfen, daß die einzige Verfolgungsgefahr, an die das Känguruh mit feinen Suftinkten angepaßt fein fann, die Hehe Durch den Dingo oder den Hund der Eingeborenen ift. Gegen dieje Hilft zur Erhaltung der Art nur Erhaltung der eignen PBerfon durch äußerite Schnelligkeit, und injofern erjcheint das grob eigennüßig ausjehende Verhalten der verfolgten Känguruhmutter durchaus gerechtfertigt, weil im andern Falle je jelbft mitjamt dem Jungen den Feinden zur Beute werden würde. ES fragt jich übrigens, ob nicht das Beijeiteiwerfen des Jungen anders aufzufafjen it. Saville-stent jagt darüber: „Dem Injtinkt der Selbiterhaltung allein... wird gewöhnlich diefe Handlung zugejchrieben; aber es ijt eine offene Trage, ob nicht der tatjächlihe Zufammenhang jich jo daritellt, daß das Muttertier feinem Jungen eine Möglichkeit des Entfommens zu fichern jucht, während e3 jich ohnmächtig fühlt, dies für fich jelbit zu vollführen.” Fortune Hill behauptet jogar, es wäre „jebt feitgeitellt, daß die Alte, wenn jie ihre Flucht glüchich bewerfitelligt hat, zurücfehrt, das Junge auf- jucht und wieder an fich nimmt: das lehrt uns, daß die Inftinkthandlung für die gegen- jeitige Erhaltung von Mutter und Kind nötig üt”. Sehr anjchaufich erzählt über das Notfänguruh und jeine Jagd aus eignen Erlebnifjen der frühere auftraliiche Landesgeolog Bajedow (Privatmitteilungen an Hed), der jahrelang dienftlich im Innern Australiens gereift it: Bei der Todmorwden-Station nordiweitlich von Dodnadatta fah er ein Hänguruh, das von Dingos verfolgt wurde, und maß die Ziijchen- räume der Stänguruhläge, die 15 englische Fuß und darüber betrugen. — „ES heißt ge- wöhnlich, daß ein Känguruh nicht ohne jeinen Schwanz balancieren und jich fortbewegen fönne. Bei einer amtlichen Forichungserpedition im Nordterritoriun 1905 ftieß ich in Be- gleitung eines mir zugeteilten Bolizeireiters auf ein Nudel grajender Känguruhg nahe den heißen Douglasquellen. Ich legte auf einen ‚old man’ in etwa 300 m Entfernung an: der Schuß Frachte, das Tier fiel nieder und fing an, fürchterlich mit den Läufen auszufchlagen. Mein Gefährte meinte, es fei der Todesfampf und beglükwünjchte mid. Wir gingen darauf zu. Plöglich mit einen gejchieten Sprung richtete das Tier jich in jtehende Stellung auf die Hinterbeine auf und machte fich mit mächtigen Sägen davon. Zu unferem Er- jtaunen fahen wir, daß ihm der Schwanz fehlte; er war von der Dumdumfugel an der Wurzel gänzlich vom Numpfe getrennt worden. Seiner Stüße beraubt, wird das Tier Ihmerlich jich in aufrechter Stellung — außer fpringend — erhalten fönnen.” — „In Weft- auftralien bei Stap Stlenmwin habe ich große Känguruhjagden mitgemacht. Hier gibt es nämlich tatjächlich Känguruhfchlächtereien, und die Minenarbeiter werden von diefen ver- jorgt. Gut ‚getrainte‘ Pferde werden beftiegen, und der Jäger bewaffnet fi) mit einer Rotes Riejenfänguruh. Antilopenfänguruf. 251 Keule. Die nebenherlaufenden Hunde werden mit dem 10—12 Fuß langen Wippftoc in Dronung gehalten; jie tragen Halsbänder mit Gloden, die aber mit Gras leicht verjtopft jind, damit fie nicht tönen. Im Augenblid, wo ein Känguruh in Sicht fommt, hallt der gellende Ruf ‚Hie boys!‘, und dem Pferde die Sporen einfegend, beginnt man die wilde Sagd. Die Hunde machen bei dem jehnfüchtigit erwarteten Signal natürlich tolle Sprünge vorwärts, dabei fällt die Verpadung der Gloden heraus, und deren Töne dienen nım als Führer, wenn etiva das Bellen ausjeßt. Über Stoe und Stein, Gräben, gefallene Bäume geht e3 in rajender Haft dem Känguruh nad, bis es ermüdet und von den Hunden ein- geholt wird. ES dreht jich um und erwartet die Feinde, feiner Vorderläufe als Krabwaffen jich bedienend, mit denen es den Hunden oft mächtige Wunden reißt. Erwürgungsverfuche durch Umarmung habe ich jeltener beobachtet. Nachdem der Jäger fich genügend an diefem Schaujpiel gemweidet hat, nähert er fich dem feuchenden, erichöpften Tier und macht ihm ven Garaus mit jeiner Keule. Das erlegte Känguruh wird auf ein nachfolgendes Pacdpferd geladen.” — „Bon den Eingeborenen wird das Känguruh im Nordterritorium folgender- maßen gejagt: Eine Feine Anzahl Männer, vier bis fünf, verjteden fich in gewijjen Nlb- tänden voneinander längs einem befannten, zur Tränte führenden Känguruhmechjel. Ein anderer, größerer Trupp, Männer, Frauen und Siinder, machen ji) auf in der Richtung der grajenden Känguruhs. Sobald jie diefen nahe gefommen jind, jchreien fie ‚Ye-wo 0-ho, ye-wo o-ho!‘, rennen in eiligjtem Laufe auf die Tiere los und treiben jie ihren Ge- nojjen zu. Dann jchreien jie ‚Yakän, yakän!‘ als Signal für die im VBerjted fauernden Schwarzen, die jich jofort mit ihrem gezadten Malligirrimafpeer in Bereitjchaft jtellen und das Wild erwarten. Trifft ein Wurf, jo jtößt der Jäger ein gellendes ‚Kän‘ aus, um die übrige Horde herbeizurufen. Er zielt immer nach den Hinterläufen und jucht deren Sinochen zu verlegen; denn mit einer Wunde in der oberen Ktörperhälfte legt das Tier noch große Streden zurüd und entwijcht womöglich.” Aus dem Gefangenleben möge hier nach dem Protokolle der ‚Naturforichenden Gejell- ichaft zu Leipzig” vom Februar 1889 die von Pinfert im dortigen Garten beobachtete Art und Weife gejchildert werden, wie die Känguruhmutter das neugeborene Junge in den Beutel bringt. „Beim Känguruh hat zu der Zeit, wo ein jolches in Ausjicht jteht, noch ein älteres, längft voll ausgebildetes Junges den Beutel des Alttieres in Bejis, aus dem es heroorlugt, den es gelegentlich verläßt, um nad) jedem Ausflug von neuem hineinzujchlüpfen. Sebt wird e8 von der Mutter daraus verbannt; dieje jtect vielmehr in eigentümlich hodender und zufammengefrümmter Stellung den eignen Kopf hinein, um die Wiege für das YJüngjte in Ordnung zu bringen. Nachher faßt fie dasjelbe mit den Lippen (zwijchen den bewehrten Borderpfoten würde e3 zerdrücdt werden) und bringt es in den Beutel. Dem größeren Gejchiwilter werden furz darauf wieder die oberen Ziten zur Verfügung gejtellt. „Selegentlich fommt es bei den tollen Sprüngen der Mutter vor, daß das unbeholfene unge aus dem Beutel Herausgejchleudert wird. Einmal gelang es Binfert, ein derartiges vier Monate altes und jchon halb erjtarrtes Gejchöpf, das noch völlig nadt war, troß dem beftigiten Widerjtreben des Alttieres mit Hilfe mehrerer Wärter wieder in jein Behältnis hineinzupraftizieren und jo vom Tode zu retten.” Das Antilopenfänguruh, Macropus antilopinus Gould, hat unter den Niejentän- guruhs die am fürzeften ausjehende, weil breitejte Schnauze: Thomas bildet den Schädel mit den mächtig aufgetriebenen Najenhöhlen bejonders ab. Snjofern it es aljo der 352 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. ausgeprägtefte Vertreter dev&oufdfchen Gattung Osphranter; anderjeits jchließt e3 fich aber durch feine Zähne ganz eng an die Grauen Riejenfänguruds an, und wir ftellen e3 daher hier zwifchen beide Gruppen. Sedenfalls ift es eine gutbegründete Hauptart, obwohl e3 „nur einen jehr Heinen Verbreitungsbezirk: Arnhemland, Northern Territory”, hat. Seinen Namen hat es daher, daß fein rotes, furzes, Dicht anliegendes und eigenartig jeidenglänzendes Fell dem mancher Antilopen ähnelt. Nach der Hauptfarbe gehört es ganz zur roten Gruppe; es fehlen ihm aber jede Gefichtszeichnung, überhaupt alle fchärfer hervortretenden Farbenunterjchtede zwiichen DOber- und Unterjeite, Rumpf, Gliedern und Schwanz, die man bei Känguruhs zu finden gewohnt ift. Auch die Ohren find gefärbt wie der Kopf. Nur Kehle, Bruft und Bauch jowie die nnenjeite der Gliedmaßen find weihlich; Hände und Füße jind rotbraun, an den Fingern und Zehen in Schwarz über- gehend; der Schwanz it ebenfalls wie der Körper gefärbt, nur an der äußeriten Spibe etwas dunkler. Die mittlere Hinterklaue it jehr furz, wie beim Bergfängurud, fteht nur wenig über den Zehenballen vor; die Füße find, nad) Thomas, überhaupt Furz im Ver- hältnis zur Körpergröße, Die derjelbe Forjcher mit einer Kopfrumpflänge von 139 cm an- gibt. Das Weibchen ijt einer und weniger lebhaft gefärbt, im allgemeinen matt graufahl. As Heimat nennt Thomas das Northern Territory des Staates Südauftralien, namentlich Die Hier wiederum nördlich vorgelagerte Koburg-Halbinfel, die nächjt der öjt- Iihen Kap Mork-Halbinfel die nördlichite Spite des ganzen auftraliichen Feitlandes bildet. Während aber bis 1888, als Thomas feinen Beuteltierfatalog veröffentlichte, weder ein Stüd außer den bei Gould urjprünglih erwähnten nach Europa gekommen war, nocd) die auftraliichen Zoologen irgendeine Auskunft darüber gegeben hatten, ijt das neuerdings endlich anders geworden, wiederum durch die Görlingiehen Einführungen in den Frank furter Garten, Dank denen ©eib das jchöne, jeltene Tier dort genauer beobachten Fonnte. Er fennzeichnet e8 als „eine rotgelbe, an die fonnenbeitrahlten Sandgebirge im eigentlichen Kordauftralien (Arnhemland) angepaßte, jehr Furzhaarige Form... Gie find bedeutend ichneller in den Bewegungen wie giganteus und vertreten jichtlich den fünmweitauftralifchen (grauen) ocydromus im Nordweiten.” Doch geben wir zuerjt dem Entdeder und ältejten Beichreiber Gould das Wort! Er nennt das Antilopenfänguruh „Red Wallaroo“, d.h. Jotes Bergfängurud, und jagt zu dem lebensgroßen Kopfbilde: „Seine nadte Muffel zeigt jofort an, daß es ein weniger Sinojpen und junges Laub frejjendes Tier ift al$ Macropus major (da Graue Niefenfänguruh), während der Bau feiner Füße und Zehen gleicher- weije Darauf Hindeutet, daß jteinige und feljige Neviere die Landjchaften find, in denen 3 zu haufen bejtimmt ijt.” Nach kurzer Berührung des erheblichen Größenunterjchiedes beider Gejchlechter heißt e8 dann einige Zeilen jpäter: „Grimmig, wild und geradezu ge- rährlich it Diefes mächtige Tier”, und zu diefer Charafteriftif gibt Seit nach Erfahrungen aus dem Gefangenleben eine jehr lebhafte Bekräftigung: „Die Art ift weit erregbarer al3 alle unfere großen Känguruharten. Unter bejtändigem Ausftoßen eines Halb bellenden, Halb jchnarchenden Lautes bekämpfen fi die Männchen äußerft heftig und beißen fich mit Yut; jelbft auf den bereits zu Boden geworfenen Gegner beißen fie noch ein.” Cham- ders, der e3 damals jchon gejagt und Felle exbeutet hatte, erzählte Gould, daß ein altes Männchen ihm einen feiner fcehönften Hunde in den Abgrund gejtürzt Habe: in feinem geimmigen Wefen gleiche e3 volfftändig dem Bergfänguruh und ebenjo in der geringen Größe der Weibchen. Gould fährt fort: „Seine heimifchen Zelfen bieten ihm einer gewijjen Schuß; aber esijt eine der Arten, welche bald ausgerottet fein werden, wenn Nordauftralien Beuteltiere IX. gi ne en Gere A I. Rötliches Bergkänguruh, Macropus robustus erubescens $cl. U/ja natürl. Gr., Ss. S. 246. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 2. Hirichkänguruh, Macropus robustus cervinus 7’hos. Ya nat. Gr., s. S. 246. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Graues Riefenkänguruh, Macropus giganteus Zimm. ;ı2a nat. Gr., s. S. 253: — W. P. Dando, F. Z. S.-London phot. 4. Albino vom Grauen Rielenkänguruh. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. Antilopenfänguruf. Graues Riejenfängurud. 253 bon Goldaräbern und Spekulanten bevölfert werden wird.” So meit ijt es ja num qlüc- ficherweife noch nicht, und zu diefem Außerften wird es wohl auch jo fchnell nicht fommen, zumal auch der VBerbreitungskreis des Antilopenfänguruhs jich weiter erwiejen hat, als zu Gould8 Zeiten angenommen wurde. Wie Seit — jedenfalls nach Schilderungen des Sammler Görling — Hed mitteilt, werden die Antilopenfänguruhs „gefangen, indem die wenigen Wafjeritellen ihrer hHeimatlichen Wirte zugemworfen werden bis auf eine, wo dann die Tiere umftellt und in einen trichterförmigen Straal getrieben werden“. Die legte Gruppe der Niejentänguruhs, nach unjerer Anordnung die legte Gruppe der Känguruhs und der Beuteltiere überhaupt: die grauen Formen, Fennzeichnen fich außer ihrer graubraunen Farbe auch durch die fchmale, zugefpiste Schnauze, die behaarte Muffel und die lange Mittelflaue an den Hinterfühen. Im der Färbung tft zwijchen beiden Ge- ichlechtern fein Unterjchied. Folgende Arten und Unterarten jind jchon jeit alten Heiten bon Gould und anderen aufgeitellt: M. giganteus Zimm., im Thomasjchen Beuteltierfatalog noch mit der umfajjenden Heimatsbezeichnung „ganz Auftralien außer dem äußerten Norden”, in erjter Linie aber wohl aus Neujüdmwales und Südqueensland. Graubraun, Unterjeite und Gliedmaßen fait weiß, Schwanz braun, immer dunkler werbend bis zur ganz jchwarzen Spiße. M. g. fuliginosus Desm. von der Injel Tasmanien: Haar viel länger, gröber und dunkler als beim vorigen, dunkel vauchgrau ohne fahlen Ton; Bauch weiß; Hände, Füße und Schwanz grau gejprenfelt, eritere nicht Schwarz an den Spiten, nur das Endviertel des Schwanzes tiefichwarz. Thomas jieht in diejer Form „offenbar die gewohnte tasmanifsche Klimavarietät des gemeinen Känguruhs” und meint: „ihre Abweichungen find gerade die, welche man davon erwarten mag“. M. g. melanops Gould bejchreibt Thomas al3 dunfelbraune Zwergfoım mit Hellerem Bauch und ganz bejonders dunflem Geficht, die in denjelben Gebieten mit der gewöhnlichen Art vorkommen und jich vielleicht fogar mit Ddiefer mifchen foll. Zugleich erklärt er fich aber aufßerjtande, die wahre Ver- wandtjchaft zu M. giganteus flarzulegen. Das zugrunde liegende Typuseremplar des Britifh Mujeum ftammt angeblich) aus Port Ejfington in Nordauftralien; diefe Herkunftsbezeihnung wird aber bezweifelt. Schwarz meint, geftüßt auf Le Souef, es müjje aus Südauftralien fommen. Auch ihm lagen übrigens nur unerwachjene Stüde vor. M. g. oceydromus Gould wird von Thomas nicht anerkannt. Nadı Schwarz ift e3 „ausgezeichnet vor allem durch die außen hellen, geiprenfelten und innen lang, weißbehaarten Ohren und die hellen Glied- maßen, die in auffallendem Gegenjab zu dem dunklen Körper mit feiner weichen, zarten Behaarung jtehen“. Bemwohnt die Küftenregion Südmwejtauftraliens. Das Graue Riejfenfänguruh, Macropus giganteus Zimm. (major; Taf. ‚„„Beutel- tiere IX, 3 und 4), der Boomer oder Forester der Anfiedler, gehört zu den größten Arten der Familie. Sehr alte Männchen haben in jiender Stellung fat Manneshöhe; ihre Länge beträgt gegen 3m, wovon etriva 90 cm auf den Schwanz gerechnet werden müfjen, ihr Gewicht jchwanft zwifchen 100 und 150 kg. Das Weibchen ijt durcchjchnittlich um ein Drittel Keiner als das Männchen. Die Behaarung ift reichlich, Dicht, glatt umd weich, fait wollig. Das Tier lebt auf grasbewachjenen Triften oder in jpärlich bejtandenen Bujchmwal- dungen, wie folche in Auftralien Häufig gefunden werden. An das Gebitich zieht es jich namentlich im Sommer zurüd, um fich vor der heißen Mittagsjonne zu jchüßen. Gegen- wärtig ift e8 durch die fortwährende Verfolgung weit in das Innere gedrängt worden, und auch hier beginnt e3 jeltener zu werden. E3 lebt in Trupps, it jedoch nicht jo ge- jellig, al3 man anfangs glaubte, getäuscht Durch Vereinigung verjchiedener Familien. Ge- wöhnlich fieht man nur ihrer drei oder vier zufammen und dieje in fo lofem Berbande, dat 254 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. jich eigentlich Feines um das andere fümmert, jondern jedes unabhängig jenen eignen Weg geht. Bejonders gute Weide vereinigt eine größere Anzahl, die jich wieder trennt, wenn fie eine Ortlichfeit ausgenußt hat. Alle Beobachter ftimmen darin überein, daß diejes KRiejenfänguruh in hohem Grade jcheu und furchtfam ift und dem Menjchen nur jelten erlaubt, ihm in erwünfchter Weife jich zu nähern. Gould jagt darüber folgendes: „Ich erinnere mich mit bejonderer Vorliebe eines jchönen Boomers, der fich in der offenen Ebene zwijchen den Hunden plöglich aufrichtete und dann dahinjagte. YZuerjt warf er jeinen Kopf empor, um nach feinen Verfolgern zu jchtelen und gleichzeitig zu fehen, welche Seite des Weges ihm offen war; dann aber jagte er, ohne einen Augenblid zu zögern, vorwärts und gab uns Gelegenheit, das tollite Nennen zu beobachten, welches ein Tier jemal3 vor unferen Augen ausgeführt hat. Im einem Zuge rannte der vogel- ichnelle Läufer 14 (englijche) Meilen, und da er vollen Spielraum hatte, ziweifelte ich nicht im geringjten, daß er uns entkommen würde. Zu feinem Unglüde aber hatte er jeinen Weg nach einer Landzunge gerichtet, die ungefähr 2 Meilen weit in die See hinaus- lief. Dort wurde ihm der Weg abgefchnitten und er gezwungen, jchwinmtend feine Nettung zu juchen. Der Meeresarn, der ihn vom fejten Lande trennte, mochte un- gefähr 2 Meilen breit fein, und eine friiche Brije trieb die Wellen hart gegen ihn. Aber es blieb ihm feine andere Wahl, als entweder den lampf mit den Hunden aufzunehmen, oder feine Rettung in der See zu juchen. Ohne Bejinnen jtürzte er jich in die Wogen und Durhiehwamm fie mutig, obaleich die Wellen halb über ihn Hinmweggingen. Schließlich jedoch wurde er genötigt, umzufehren, und abgemattet und entfräftet, wie er war, erlag er nunmehr feinen Verfolgen in furzer Frift. Die Entfernung, die er auf jeiner Flucht durchjagt hatte, fonnte, wenn man die verjchiedenen Krimmungen hinzurechnen wollte, nicht unter 18 Meilen betragen haben, und ficherlih dDuchihwamm er no) 2 Meilen. 53h bin nicht imftande, die Zeit zu bejtimmen, in welcher er dieje Strede durchrannte, glaube jedoch, daß ungefähr 2 Stunden vergangen jein mochten, als er am Ende der betreffenden Landzunge ankam. Dort aber jprang er noch ebenjo Schnell wie am Anfange.” Bonneueren Kennern der auftraliichen Beuteltierwelt hat N. dv. Lendenfeld das Graue Niejenfänguruh geichildert; ex lädt uns ein, ihn im Geifte auf einen großen „Kangaroo- drive“ zu begleiten. „Die Kangaroo-drives find große Kejjeltreiben, an denen jich Die mannbare Bevöl ferung ganzer Diftrikte beteiligt, und bei denen viele Niefenfänguruhs, 40—200, erlegt werden.” Dieje Zahlen jind im Jahre 1883 gejchrieben, beziehen jich jelbjtverjtändfich auf eine noch frühere Zeit und zeigen uns alfo nur zu Deutlich, wie wenig damals jchon als „viel” galt, mit anderen Worten: wie weit die Austottung des Tieres in Neufiidmwales vor 20—25 Jahren bereit3 vorgejchritten war. ES folgt auch gleich die Erklärung, warum e3 jo fommen mußte. „Die Regierung von Neufüdmwales hat ein Schufgeld von 5 Mark auf jedes Ntiefenfänguruh gejeßt, jo daß eine glückliche Treibjagd, abgejehen von dem Ber- gnügen, einen pefuniären Gewinn abwirft, und dies um fo mehr, als die Häute der Tiere ziemlich wertvoll find. Die Kängurubhs, befonders die großen, freffen viel Gras, welches jonjt den Schafen zugute fäme. Dies wird befonder3 in trodfenen, futterarmen Jahren jehr fühlbar, wern jeder Grashalm nötig ift, um die zahlreichen Schafherden am Leben zu erhalten.” Dann gehen die Schaffarmer amı rücjichtsiofejten gegen die Känguruhs bor. „Cs it ein großes Steffeltreiben auf Känguruhs veranftaltet, zu welchem die ganze Mannjchaft des DijtriftS ausgerüct it. E3’mwar ausgemacht, daß die Partien, die Graues Niefenfänguruh: Jagd. 299 von 22 verjchiedenen Punkten im Umfang eines Streifes von 35 km Durchmeijer aus- gingen, alle um 4 Uhr nachmittags bei dem baumlojen Tale ‚Kohn Fall‘ anlangen jollten. Wir ritten in langjamem Tempo; der Wald it jchütter, nur in der Umgebung der Wafjerlöcher jtehen die Bäume dichter. Der Boden it zwifchen den Stämmen der Summibäume größtenteil3 fahl und vegetationslos, befonders an den Abhängen Der Hügel. Sn den Tiefen findet fich hier und da Gebüjch und hohes Gras. Die Hunde — eine Milchrafje von Spürhund und WindHund —, von denen wir drei bei uns haben, durchjtöbern, weit vorauseilend, die Dikungen. Wir lajjen von Zeit zu Zeit den aujtra- fichen Waldruf ‚Kuui‘ erklingen, teils um Wild aufzujcheuchen und teils um unfere Jagd- gefährten auf uns aufmerkfjam zu machen, wenn fie etwa in Hörweite wären. Wir mochten etwwa zwei Stunden auf dieje Weije geritten fein, als wir eines Nudel von 16 Känguruhs auf einer Anhöhe rechts von uns anfichtig wurden. Die Tiere jtanden gleich Menfchen auf den Sohlen der Hinterbeine aufrecht. Ste beugten öfters den Stopf zum Boden hinab und jtüßten fich auf die Knöchel der zarten Hände und erhoben das Haupt gleich Darauf mit einem Mund voll Gras, das fie gemächlich fauten. Mein Begleiter jtieß, jobald er der Känguruhs anfichtig wurde, einen lauten Schrei aus, der geradejo Fang wie der Ruf des weißen afadu. Die Hunde waren abgerichtet, auf diefen Auf wie auf einen Pfiff herbei- zufommen. Sie famen fogleich und blieben dicht bei uns. Den Känguruhs war der Ruf nicht aufgefallen, fie graften weiter. Mein Begleiter ritt zurücd in der Abjicht, die Känguruhs zu umgehen und dann vorwärts zu treiben. Er nahm die Hunde mit. ch blieb allein und beobachtete die Känguruhs mit meinem Feldjtecher. Sie jchienen von unjerer Nähe Feine Uhnung zu haben, trieben allerlei Kurzweil, Frabbelten jich gegenjeitig den Nüden und nahmen von Zeit zu Zeit einen Mund voll Gras. Plöslich ertönte Hinter uns ein furchtbares Geheul, das ic) jogleich als das Bellen der wilden Hunde oder Dingos erfannte — e3 war am Tage, und die Hunde heulen doch nur bei Nacht! Die Känguruhs hoben in dem YAugen- blid, als fie das Geheul hörten, die Köpfe hoch und witterten, bfidten und fojten (laufchten) in alle Richtungen. Das Geheul wiederholte fich, und die ganze Gejelljchaft erhob jich num wie eine Wolfe in die Luft und verichwand, in mächtigen Säten davoneilend, im Walde. Wenige Minuten jpäter war mein Begleiter wieder bei mir — er hatte das Dingogeheul hervorgebracht und damit die Känguruhs verjcheucht, ohne fie auf feine Nähe aufmerfam gemacht zu haben. Während der Mittagsraft gewahrten wir plößlich einige Stänguruhs aus dem Jagdterrain gegen ung heranfommen. Sie bewegten fich rajch und waren offenbar dor einer andern Partie flüchtig. Wir fprangen auf, fchrieen und jchwenften die Hüte, um jie zurüczufcheuchen; allein e8 waren offenbar alte Känguruhs bei dem Trupp dabei, die ven Wis jchon Fannten. Unbeirrt durch unfere Geftifulationen jegten jie in gerader Richtung ihren Lauf hart an uns vorüber fort. In gewaltigen Säbßen jagten fie heran, und man hörte ordentlich das Saufen der plumpen Körper durch die Luft. Mit Hilfe des jchtveren Schwanzes, welchen das Tier während des Springens Fräftig hin und her jchlägt, jteuert es durch die Luft und ift imftande, nicht nur immer genau auf den richtigen Plat auf- zujpringen, jondern auch zwijchen Bäumen und anderen Hindernijjen durchzujegeln, ohne anzuftogen. Dabei wirft der Schwanz nicht jo jehr als Steuer durch den Luftwideritand, jondern Durch den Nücjtoß, den er bei plößlicher Bewegung durch feine Schwere dem Körper mitteilt. ‚They are too knowing for us‘ (die jind zu gerijjen für uns), meinte einer der Männer, ‚but I am damned, if we don’t stop a couple of them‘ (aber der Teufel joll mic) holen, wenn wir nicht einige davon anhalten), und mit den Worten fnallte es aud) 256 2. Ordnung: Beuteltiere. Familie: Springbeutler. ichon, und das vorderjte Känguruh, offenbar ein altes Männchen und der Führer der ganzen Gejellichaft, jtürzte. Meine beiden Begleiter hatten Repetiergewehre und gaben gleichzeitig Schnelffeuer auf die flüchtigen Tiere ab, die fich in ihrem Kurs nicht beirren fiegen. Auch ich feuerte ihnen meine zwei Kugeln nad. Die Hunde eilten fofort den Verwundeten nad. Der eine von uns folgte den Hunden, um die gefallenen Tiere zu jfalpieren, und fehrte nach einiger Zeit mit fünf Sfalpen zurüd — Sfalp und Ohren müfjen der Regierung abgeliefert werden, um das Schußgeld zu befommen. Zum Häuten hatten wir nicht Zeit, und es war faum zu erwarten, daß wir zu diefem Jwede würden zurücd- fehren fünnen, ehe die wilden Hunde die Leichen würden zerrijjen Haben. Bald nad) dem Aufbruch von der Raft mehrten fich die Känguruhs, die aus dem Treiben an ums vorüberbrechen wollten. Einige derjelben fonnten zurüdgetrieben werden, die meijten aber jchtenen bereit3 einmal bei einer jolhen Jagd dabei gemwejen zu fein und zogen die mit einem früheren Durchbruch verbundenen Gefahren jenen vor, denen fie zum Schluß im ‚srejjel‘ ausgejest fein mwirrden. „Segen 3 Uhr nachmittags wurden wir des Dicficht3 anfichtia, das den Mittelpunft des Kteijeltreibens bildete, und traten um dieje Zeit auch in Fühlung mit der zu unferer Linken vorrüdenden Partie. Die Känguruhs, die jet an uns vorüberfamen, waren großen- teil3 einzelne verjprengte Tiere und flüchteten mit folcher Schnelligkeit Durch den dichteren Wald, daß jie Schwer zu erlegen waren, und dies um jo mehr, als man achtgeben mußte, nicht etwa einen Jagdgefährten zu treffen. Am Waldfaum, dem Jagdmittelpuntte gegenüber, erlangten wir plößlich einen freien Ausbfid. Vor uns lag eine etiva einen Stilometer breite, ovale, baumfreie Mulde, an deren tiefiter Stelle ein Didicht einen feinen See umgab... Yuf dem freien Plate tummelten fich zahlreiche Kängurubs, meijt einzelne Tiere. Zwijchen diejen lagen Tote umher. Die Berwundeten zogen fich in das mittlere Dicficht zurüd. Als wir an den Waldrand traten, verjuchten noch einige Tiere bei uns Durchzubrechen, allein nicht eines fam durch... Auf ein Hornfignal feste fich die ganze Gefelljchaft gegen das Dicicht in Bewegung. Den verwundeten Känguruhs, die wir am Wege trafen, wurde der Haraus gemacht. Als wir auf 200 m an den Nand des Dicichts herangefommen waren, machten wir halt. Alle jaßen ab, und die Hunde wurden in das Didicht vorgejchidt. hr lange zurücdgehaltener Eifer war jest der Zügel entledigt, und mit unglaublicher Wut jtürzten fich Hundert und etliche Hunde in das Didicht. Das laute Bellen und das Krachen der von den flüchtigen Känguruhs gebrochenen fte übertönte die Zurufe der Jäger. Doch nur wenige Nugenbfide konnten wir auf diefe Töne laufchen; denn gleich brachen überall Känguruhs hervor, die vergebens nach einer Offnung in der Schüßenlinie fpähten, dann aber gleich wieder in dem Didicht verfchwanden. Niemand feuerte einen Schuß. Dies dauerte jedoch nicht lange. Die Känguruhs, von den Hunden eifrig verfolgt, mußten ihre Dedung aufgeben, brachen auf allen Seiten aus dem Dicicht hervor und ftürmten in rafender Eile auf die Schügenlinie 108. Augenbliclich Frachte es an allen Eden und Enden, und bald war das Feuer auf der ganzen Linie allgemein. Eimigen Hänguruhs gelang es durchzubrechen, allein die meiften blieben auf dem Plate. Das Feuer nahm an Heftigfeit ab, und während jeder zweite Schüße ftehen blieb, ging der Ziwifchenmann in das Dieicht hinein, um die Verwundeten zu töten und die Gefallenen hervorzuziehen. Einige Tiere famen und noch zu Schuß, allein die Jagd war vorüber. Auf der weiten Fläche brennen zahlreiche Lagerfeuer, in den großen Keffeln brodelt die Ränguruhfchwanzfuppe, während aus der Ferne das Geheul der Dingo, die fich um die ferngefallenen Känguruhleichen vaufen, zu Graues Niejenfänguruh: Jagd. 297 uns herüberjchaltt.” Eine jcheußliche Schlächterei! „Aber ift eine Hafentreibjagd bei ung, im Grunde genommen, viel anders?” wird mancher fragen. 3 beiteht doch ein ganz ge= mwaltiger Unterjchied! Durch das Hafentreiben wird nur der Überfchuß eines vafch und zahl- veich jich vermehrenden Wildes bejeitigt und nu&bar gemacht, die Wildart als jolche aber nicht gefährdet, während jedes Ktänguruhtreiben ung dem traurigen Zeitpunkt näherbringt, mo die weiße auftraliche Bevölkerung die eigenartige eingeborene Säugetierwelt ihres Bater- landes vernichtet haben wird. Ob ein auftralijches Parlament inzmwijchen zugunsten der Beutel- tiere ein Bernichtungsgejeg mit feinen Prämien aufgehoben und ein Erhaltungsgejeg an- genommen hat? Man möchte eg bezweifeln, wenigjtens nicht wagen, es zuverfichtlich zu hoffen. Schlieglich jeien hiernoch einige Stellen aus der lebhaften Schilderung eines Deutjchen wiedergegeben, der in Auftralien jahrelang jein LZeben al3 Schafhirt und Jäger frijten mußte. „Nun hieß es Dampf machen oder ein für allemal auf die ‚old men‘ verzichten. Sch paßte den Sprung des einen ‚man‘ ab und ließ fliegen. Die Kugel jchlug, und der alte Herr hielt in jenem Flüchten inne, während daS Tempo der anderen bedeutend ichneller wurde. Mit vafch wieder geladener Büchje birjchte ich näher und bemerkte bereits zivei junge Dingos, welche dem old man zu Leibe gehen wollten, der jich nicht von Der Stelle zu rühren vermochte; denn der durch beide Hinterfeulen gegangene Schuß hatte die Läufe gelähmt. Sch nahm daher den vorderen Dingo aufs Korn und beitrafte ihn für jeine grenzen- (oje ssrechheit durch einen Schuß in den Kopf. Nun hebte ich meinen Hund, der dem andern Dingo wutentbrannt nachjtürmte. Sch jelbit näherte mich dem Känguruh und geriet in großes Eritaunen, als diejes fich angreifend benahm und mit den Heinen Borderläufen mich zu erreichen trachtete. Seine Lichter fchillerten grün vor Wut, aus dem Geäje tropfte Schaum, und ich erfannte, daß ein jfolcher Herr fein zu verachtender Gegner wäre und jeine liebevolle Umarmung, begleitet von einem bauchaufihligenden Schlage der mit langen und feiten Strallen bewehrten Hinterläufe, todbringend jei. Da meine Munition bereits Ebbe zeigte, jo jchnitt ich Schnell einen Sinüppel ab und erlöfte durch einige Schläge auf die Vaje das etiva 615 Fuß große Känguruh von feinen Qualen. Jch zerjchnitt e3 und überließ va3 Wildbret meinen Hunden, die delifaten Vorderläufe aber führte ich mir zu Gemüte... Sch Schoß eine ganze Anzahl der viele Arten zählenden Känguruhs, und hierbei fam mir da3 verhältnismäßig große Bertrautfein des Wildes in jenen entlegenen Gegenden, Mo ich don Fenz zu Fenz 309, zuftatten. Sn fpäterer Zeit machte ich oft Fehlbirichen, da die Tiere in der Nähe der Anjiedelungen das Mißtrauen jelbt find.” Alfo auch beim Riejen- fängurub, dejjen Intelligenz wir jonjt wahrlich nicht hoch anzufchlagen haben, die rajche Anpafjung alles Wildes an die erhöhte Gefahr, die der Kulturmenfch überall für die Tier- welt bedeutet! Sm übrigen it über das geijtige Wejen des Tieres nach dem oben in der Allgemein- ichilderung der Känguruhs bereits Mitgeteilten nichts weiter zu bemerken; denm gerade an diefer Art der Familie hat man die meisten Beobachtungen gemacht. Bei guter Pflege dauert das Graue Niejenfänguruh bei uns lange aus; einzelne lebten 10—25 Sahre in Europa. Nachzucht ift, jobald man überhaupt beide Gejchlechter Hält, jozufagen felbitverjtändlich. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 17 258 Überleitung zu den übrigen Säugetier-Ordnungen. Überleitung zu den Übrigen Häugetier- Ordnungen. Die jebt folgende Hauptmajje der Säugetiere fat man heute unter dem Namen Monodelphia zufammen gegenüber den Beuteltieren. Bon gewiljen VBerdoppelungen der weiblichen Gejchlechtsorgane, nad) denen dieje leßteren auch Didelphia heißen, ijt bei den übrigen Säugetieren nichts oder nur andeutungs- und ausnahmsweile eine Spur vor- handen, und ebenjowenig zeigt der Unterfieferfortjab, wenn er überhaupt ausgebildet ift, die Einmwärtsbiegung, die für Die Beuteltiere fo bezeichnend it. Mit deren eigenartiger Fortpflanzungsweije und Jungenpflege fehlen auch Die Organe dafür: Beutel und Beutel- fnochen; die Jungen machen vielmehr jtet3 eine viel weitere Entwidelung im Mutter- leibe durch, nur daß fie bei manchen Ordnungen erjt nach der Geburt die Augen öffnen und ihr Haarkleid erhalten. Die innige Verbindung von Mutter und Keimling Durch die jogenannte Placenta, nach der die Monodelphia früher auch Placentalia hießen, fann heute nicht mehr als Durchgreifender Unterjchied gelten, weil eine unverfennbare Placentabildung neuerdings auch bei Beuteltieren nachgewiejen tworden ift. Anderjeits findet fich bei manchen Monodelphiern eine Art Kloafe, ein gewiffer gemeinfamer Vorraum für Harn= und Gejchlechtsöffnungen. Am Gehirn und Gebif treten die VBerhältnijje ein, die man für das Säugetier im allgemeinen fennzeichnend findet: die beiden Großhirn- bälften haben eine ftarfe, reichliche Fajerverbindung in Gejtalt des jogenannten Corpus callosum, und fäntliche Zähne bis auf den erjten Lüdzahn werden gemwechjelt. Schlieglich zeigen noch die männlichen Harn- und Gejchlechtsorgane in der gegenjeitigen Lage ihrer Zeile und dem Verlauf ihrer Ausführungsgänge nichts von dem abweichenden Verhalten, das bei den Beuteltieren auffiel. Dritte Ordnung: Ssnieftenfrejjer oder Kerfjäger (Insectivora). Mit den Snjektenfrejfern beginnen wir die Schilderung der fogenannten „höheren“ oder placentalen Säugetiere, weil jie mit Recht unter diefen als die altertümlichiten und niedrigjtitehenden gelten. Sa, wenn man Schädel, Gehirn und Gebik, die vorn und hinten meilt gleichmäßig fünfzehigen Füße und jo manche andere Einzelheit der Körperbildung (metjt lange Schnauze, niedrige Beine) betrachtet, möchte man in den Snjektenfrejjern kaum höhere Säugetiere jehen: rechnet man zu ihnen Doch auch die ältejten Säugetierrejte, die man überhaupt fennt, Tritylodon und Triglyphus (vgl. ©. 39/40), und damit ftimmt es dann fehr gut zujammen, daß heute überall da, two es Beuteltiere gibt, in Auftralien und Süd- amerifa, die Snjektenfrejjer fehlen und ungefehrt. Jr der Wiljenjchaft it man daher heute der Meinung, daß die Snfektenfrejjer nicht von Beuteltieren abjtammen, jondern bereits von ihrer Wurzel aus neben diejen hergingen, ohne engere Beziehungen zu ihnen zu haben. Unter den Musfeln verdient der bei einzelnen Arten bejonders ausgebildete Hautrollmusfel Erwähnung. Ein Blinddarın fehlt meiftens. „Die Anpafjung an jehr verjchiedene Lebensgewohnheiten”, jagt Karl Vogt, der den Kerfjägern eine unverfennbare Borliebe entgegenbrachte, in den „Säugetieren“, „hat auf die ganze Körperbildung der Snfektenfreifer einen um jo größeren Einfluß üben fünnen, als jie zu den ältejten Säugetierftämmen gehören, die wir überhaupt fennen, und zugleich eine der niedrigjten Organijationsjtufen darftellen, die bei den gewöhnlichen placentalen Säuge- tieren überhaupt möglich it. Die Körpergeftalt variiert in jehr weiten Grenzen, von den niedlichen Spißhörnchen und Springrüßlern bis zu den unförmlichen Blindmollen, die einer dien und Furzen Zipfelwurft ähnlich jeden. Man hat ganz richtig bemerkt, daß dieje Körper- gejtalten diejenigen gemijjer Gruppen unter den Nagern wiederholen: die Spißhörnchen ähneln den Eichhörnchen, die Springrüßler den Springmäufen, die Spikmäuschen den eigentlichen Mäufen. Sn der Körpergröße jtehen die Anjektenfrejjer, abgejehen von den ihnen in vieler Beziehung jo Ähnlichen Fledermäufen, Hinter allen übrigen Säugetierord- nungen zuric; jte erreichen faum die Größe eines Marders, und auc) das wird ihnen nach ven heute gültigen Grundanjchauungen al3 Beweis für urjprünglichen Zuftand und hohes erdgejchichtliches Alter ausgelegt.“ Am Schädel zeigen fich durch die mangelhafte Ausbildung des harten Gaumtens, des unvollftändig ringförmigen Baufenfnochens und die unvollitändige Trennung von Augen- höhle und Schläfenarube Beuteltierähnlichkeiten oder ein Berharren auf primitiver, 17* 260 3. Dridnung: Snfettenfreifer. uriprünglicher Stufe, und jo bietet nach Weber „der Schädel Merkmale, die ihn mit primi- tiven Zuftänden verbinden neben anderen, die nach verjchiedener Nichtung zu höheren Monodelphia hinführen. Dies gilt auch für den Unterkiefer. „Die Schwachen Stiefer tragen eine Höcht merkwürdige Bezahnung, die fich in feine allgemeine Formel zufammenfafjen läßt. Man findet zwar immer Schneide-, Ed- und Badzähne; aber ihre Zahl, Stellung und Form mwechjeln jo vielfältig, daß die Forjcher in vielen Füllen fich über die Bedeutung einzelner Zähne nicht Haben einigen können. Bei manchen Gattungen jtehen alle Zähne wie bei den Reptilien getrennt voneinander, und bei den meilten jchließen jich nur Die Badzähne zu fejter Reihe zufammen, während die übrigen vereinzelt bleiben. Bei vielen beträgt die Gejfamtzahl 44 Zähne, was die Normalzahl der alten Säugetiere gemwejen zu fein jcheint. Die Gejamtzahl fan bis zu 30 herabfinfen. Diejelbe Mannigfaltigfeit bejteht auch Hinfichtlich der Oeftalt der Zähne. Schneide-, Ed- und Tücähne ftimmen zwar oft in Geitalt und Größe miteinander überein, die legteren gehen aber durch allmähliche Ausbildung von ©eitenhödern und Größenzunahme jo unmerklich in die wahren Badzähne über, dab man feine fcharfen Grenzen heritellen kann. Die bleibenden Badzähne endlich bejigen fajt immer drei oder vier jpibe Höder und find im Oberftefer breiter als im Unterfiefer. Von der Mahlfläche aus be- trachtet, zeigen Ddiejfe Badzähne Die Gejtalt eines ummge- legten W oder V. Die ganze Bezahnung dient vortrefflich zum Ducchbohren und zum Zurüchalten der Beute, nicht aber zum Zerjchneivden oder gar zum Klauen. Ste unter- jcheidet jich durchaus von derjenigen der leijchjrejjer, mit Obere Sahnreihe von Solenodon Lenen man jrüher die „jnjektenfreljer zujammentarf, N). durch den Mangel Eonftanter Formeln, durch das Fehlen des Tierreichg", Heidelberg 1859 ff. eines ausgejprochenen Neifzahnes und die jchwache Ent- widelung der Edzähne; fie fann nur mit der Bezahnung der Fledermäuje und einiger lebenden oder fofjilen Beuteltiere verglichen werden.” Am beiten hat wohl Bölfche in jeinem „Tierbuch” das Infektenfrejjergebiß gefennzeichnet. Ex nennt eö den „Zuumph, alle Zähne in NReifzähne zu verwandeln und aus der ganzen, lücfenlojen Reihe lauter Heine, aber mehripibig jcharfe Sägezaden zu fchaffen, die alle zu- gleich Haarjcharf fchneiden, von den wirklichen Schneidezähnen vorne bis zum le&ten Bad- zahn. Gar nicht genug einzelne Sägezaden können in die Neihe eingeftellt werden: jo laufen auch die echten Schneidezähne gelegentlich in zwei Spiben aus oder erhalten vor- gejchoben im ganzen einen gezadten Dberrand.” Böljche erklärt uns aus diefem Gebiß heraus auch die oft jo graufam erjcheinende Art und Weife der Injeftenfreffer, ihre Beute zu bewältigen: fie beißen fie nicht erjt tot, jondern fangen fofort an, fie bei lebendigent Leibe aufzufrefien, mweil fie mit ihrem Gebif nicht anders fünnen. „Diejes Gebif; fägt jich in ein von Anfang an mehr oder minder wehrlofes Opfer jofort geradlinig ein!” — „Cine Säge ift immer ein graufig Ding”; fie genügt aber in unjferem Falle nur für die Berhältniffe der SMeintierwelt: das Infekt ift verloren, jobald der Chitinpanzer „durch- lägt” ift. Warmblütige, große Beute muß ext getötet werden, damit fie fich nicht mehr regt! Böljche behauptet mit Necht, „dah ein Löwe, der fich bloß mit folcher Yangen, gleichmäßig Furzzadigen Säge in eine lebendige Antilope einfreffen wollte, wahrjchein- lich nie zum Ziele käme“, und es ift getwiß „nichts weniger als ein Zufall, daß fein einziger lebender Snjektenfreifer eine beträchtliche Größe hat.” Allgemeines. 261 Die Snfektenfrejjer find, nach) Bogt, „in den meilten Fällen wichtige Hilfsgenofjen des Menjchen durch die unermüdliche Jagd auf Infekten, Schneden, Wirmer und alles mögliche Ungeziefer, die jie mit großer Energie betreiben. Mit Necht fann man von ihnen jagen, daß jte auf und unter der Erde, ja jogar in dem Waljer die Jagd fortjeßen, welche die Fledermäuje in der Luft anftellen. Wenn die Strufturverjchiedenheiten, die durch Die Anpafjung an den Flug bedingt werden, nicht jo groß wären, jo wide man ohne Hmweifel ledermäuje und Snjektenfrejjer zu einer einzigen großen Abteilung der Säuge- tiere vereinigen.” ; Auch das Feine, dem der Flattertiere ähnliche Gehirn der Snjektenfrejjer trägt aug- geprägt den. Stempel niederer, urjprünglicher Zuftände: zmwijchen Jgel und Beuteldachs (Perameles) findet der Senenfer Hirnanatom Ziehen eine jo weitgehende Übereinftimmung, daß er an wirkliche nähere Verwandtichaft glauben möchte. „te Diejenigen Teile, die bei den meijten übrigen Säuge- tieren mehr oder minder von den Hemijphären des großen Gehirns bededt jind, die Niechfnoten, die Vierhügel und das fleine Gehirn, bleiben hier wie bei den Beuteltieren unbedeckt und liegen bei der Anficht von oben offen da.” Die Gliedmaßen, meijt fünfzehig und mit ganzer Sohle den Boden berührend, find im übrigen vermöge der verjchie- denen Lebens- und Bemwegungsweile der Sinjektenfrejjer jehr veränderlich, von der Furzen Grabjchaufel des Maul wurfes bis zum langen Springbein des Rohrrüßlers. Ein Schlüjjelbein ift im Gegenjaß zu den meijten übrigen Säuge- tieren mit einer einzigen Ausnahme (Potamogale) immer vorhanden, ebenfalls ein Zeichen von Urjprünglichkeit, und gelenft bei ven Maulwürfen jogar mit dem Oberarm, mas jonft im ganzen Säugetierreiche nicht toieder vorkommt; da- EN REDERBEN A. gegen fehlt troß voll ausgebildeter Hintergliedmaßen dem nea. 1 Niehfnoten, 2 Großhin, Beden der Maulwürfe und Spigmäufe die Sympiyie, eve Stnochenverbindung an der Bauchjeite, jo daß dort Majtdarın und benachbarte Eingemweide fozufagen offen unter der Haut liegen. Der Daumen Fann niemals entgegengejeßt werden, und alle Zehen tragen Strallennägel. Das Haarkleid wird bei den Snjektenfrefjern mitunter zum Stachelfleid, wofür ja der Igel das volfstümlichite Beijpielift. Beianderen, wie Borftenigeln und Schligrüßlern, ftehen mehr einzelne Stacheln zwijchen Borften und weichen Haaren. Im allgemeinen darf man wohl diejes Schtwanfen der Hautbededung zwifchen Wärme- und mechanifchem Schußmittel auch al3 Anzeichen nie- derer Drganijationsjtufe deuten, weil es fonft nur bei den niederjten Säugetieren, den Schnabeltieren, und den gleichfalls niedrig eingejchäßten Nagetieren noch vorkommt. Die nordifchen Snfektenfrejjer verfallen in einen Winterjchlaf und helfen jich jo über die falte Jahreszeit hinweg, folange ihre Kerbtiernahrung fehlt. Für diejen Winterjchlaf, wäh- end dejjen Körperwärme und Atmung auf ein Mindejtmaß herabgejegt werden, ijt Die jogenannte Winterfchlafdrüfe von wejentlicher Bedeutung. Sie tjt feine wirkliche Drüfe, jondern ein in der Naden-, AUchjel- und Nücdengegend mehr oder weniger ausgebreitetes und mehr oder weniger braun gejärbtes, jehr gefäßreiches Fettgewebe, das von dem jchla- fenden Tiere allmählich aufgebraucht wird. (Weber.) Doc) jchlafen nur diejenigen Arten 2362 3. Ordnung: Snjektenfrefjer. Yamilie: Borftenigelartige. der Ordnung, die weniger Räuber jind als die übrigen, d. h. die neben der tierijchen Nah- rung auch Bflanzenftoffe frejien, während gerade die eiftigjten Kerbtierräuber im Winter wie im Sommer ihrem Gewerbe nachgehen. Mit der Gehirnbildung jtehen die geijtigen Fähigkeiten und die Lebensweije der Klerb- tierfreffer im Einflange. Diefe find jtumpfe, mürrifche, mißtrauifche, fcheue, die Einfamfeit liebende und heftige Gejellen. Bei weitem die meijten leben unterivdiich, grabend und wühlend oder wenigjtens in jehr tief verborgenen Schlupfmwinfeln fich aufhaltend; einige be- wohnen jedoch) auch das Wajfer und andere die Bäume. Durch ihre erjtaunliche Tätigkeit tun jie der Vermehrung der fchäpdlichen Sterfe und Würmer, der Schneden und anderer niederer Tiere, jelbjt auch der Ausbreitung mancher Feiner Nager mwejentlichen Abbruch. Die Kterfjäger leben hauptjächlich in den gemäßigten Ländern des Nordens und fehlen in Südamerika jowie in Australien gänzlich. Anderjeits ijt „fein Land der Erde jo reich an Snfektenfrejjern”, jagt Marjhall in jeiner „Tierwelt Chinas”, „wie das Neich der Mitte. Abgejehen davon, daß jich gel in den nördlichen Gegenden füplich bis Armoy herab und umgefehrt indisch-tropische Formen (Spishörnchen oder Tupajiden, Fletternde, baum- betwohnende Snjektenfrejjer) im Süden etiva bis Amod nördlich finden, ift Tibet und das nordweitliche China die Wiege der Desmane, der Spibmäufe und der Maulwürfe. Hier leben vom Pater David entdedte, höchjt merfwürdige Formen, die, Eigenjchaften Diejer drei Gruppen in jich vereinigend, gewiljermaßen das ind, was die Baläontologen al3 Sammel- typen bezeichnen. Die von David entdedten Gattungen jind: Nectogale, eine an das Wafjer angepaßte Zorn der Spigmäufe mit Schwimmbhäuten zivijchen den Zehen; Anurosorex, eine ungejchwängzte Spikmaus; Scaptochirus, eine Maulmurfsforn; Uropsilus, eine Gattung, die die japanijche und nordamerifanijche Gattung Urotrichus mit den Spimäufen, und Scap- tonyx, die jie mit den Maulwürfen verbindet.” Wafjerreiche oder doch feuchte Walduingen, Haine, Pflanzungen und Gärten find der Kerfjäger Lieblingswohnfige, von denen fie jich faum jemaß trennen. Hier treiben fie jtill und geräufchlos ihre Jagd, weitaus die meijten bei Nacht, einige aber auch angejicht3 der Sonne. m Berhältnis zu ihrer Größe find fie als überaus gefräßige Tiere zu bezeichnen, und hiermit im Einklange ftehen Raubgier und Mord- jucht, Die fie fajt alle betätigen. Einzelne überfallen Tiere von viel bedeutenderer Größe als jie felbit jind, jtehen aljo hierin den Naben und Hunden nicht im geringiten nach. ihre Fort- pflanzung fällt in die Frühlingsmonate der betreffenden Heimat; die Anzahl der Jungen ihwanft zwifchen 1 und 16. Für den menjchlichen Haushalt Haben die meijten Arten nur mittelbare Bedeutung. Einige werden gegejjen, andere auch wohl zur Bertilgung von Mäufen in Gefangenschaft gehalten; hierauf bejchränft jich die unmittelbare Nußung der im ganzen wenig beachteten Genojjenjchaft. Man teilt die Ordnung der Snjektenfrejjer jebt meilt in neun Familien, die Lhdeffer tieder in zwei Lager jpaltet, je nach der Geftalt ihrer oberen Badzähne. Dieje Spaltung hat eine tiefere Bedeutung, weil jie einen Rücdjchluß erlaubt auf erdgejchichtliches Alter und Entwidelungshöhe. Vier der Familien haben nämlich die oben fchon befchriebenen V-Bad- zähne, d.h. den Typus der jogenannten trituberfularen Baczähne, die nach unferen paläonto- logijchen Unterjuchungen alle erdgejchichtlich frühen Säugetiere trugen. Diejenigen aljo, die bis heute jolche Zähne in ihrer urfprünglichen Form beibehalten haben, find gewiß von altem Stamme. Es find die Borftenigel (Centetidae), die Schlißrüßler (Solenodontidae), die Dtterjpismäufe (Potamogalidae) und die Goldmulfe (Chrysochloridae). Die übrigen fünf Familien, die Maulwürfe (Talpidae), Spißmäufe (Sorieidae), |gel (Erinaceidae), Tanrek, 263 Nohrrüßler (Macroscelididae) und Spibhörnchen (Tupajidae), haben die breiteren W-Bad- zähne. Dies wird für eine Aeiterentwicdelung angejehen, und die Befißer gelten daher für höherjtehend. Dazu fommt, daß drei Familien aus der erjten Vierergruppe gerade in jolchen Erdgebieten zu Haufe find, die fich auch fonjt Durch eine abweichende und mehr oder weniger altertüimliche Tierwelt auszeichnen: die Borjtenigel auf Madagaskar, die Schligrüßler auf den Antillen und die Dtterjpigmäufe im wejtafrifanischen Waldgebiet. Solche Tatjachen jtüsen die Haadejche Grundanfchauung von den aufeinanderfolgenden Tierverbreitungsmwellen, die, von nordischen Zentren ausgehend, eine die andere üiber- fluteten, jo daß nur in entlegenen tropijchen Gebieten und auf früh abgetrennten Snjeln von älteren Formen einiges bis auf die Gegenwart jich erhalten fonnte. * ©o hat gleich die große, mit ganz eigenartiger Säugetierwelt bevölferte Injel Mada- gasfar, die in der Erdgejchichte befanntlich die Nolle eines alten jelbitändigen Feltlandes jpielt, ihre bejondere, alte Snfektenfrejlerfamilie: die Borjtenigelartigen (Centetidae). Sie find gejtredt gebaut, langköpfig und durch einen ziemlich langen Nüfjel ausgezeichnet, haben Eleine Augen und mittelgroße Ohren, feinen oder einen langen, nadten Schwanz, furze Beine und fünfzehige, mit jtarfen Krallen bewehrte Füße und tragen ein teil3 aus Stacdhelborjten, teils aus jteifen Haaren beftehenpdes Stleid. Dem Schädel fehlt der Jochbogen; die Unterjchenfelfnochen find getrennt; die Wirbelfäule wird zufanmengejebt aus 7 Hals», 14—15 rippentragenden, 4J—7 rippenlojen, 3—5 Ktreuz- und 9I—23 Schwanziwirbeht. Der einfache Darın hat feinen Blinddarm. Ein Hautmusfel zum Eintollen ift nicht vorhanden. Etivas allgemeines über die Lebensweije der Borjtenigelartigen läßt jich Faum jagen, weil wir nur liber wenige Arten einigermaßen eingehende Mitteilungen erhalten haben. Wir müffen aber zwei Unterfamilien unterjcheiden: die Eigentlihen Boritenigel (Centetinae), mit getrennten Unterjchenfelfnochen und Stacheln im Fell, und die Reis- mwühler (Oryzoryctinae), mit verwachjenen Unterjchenfelfnochen und jtachellojem Pelz. Die Öattung Boritenigel (Centetes Illig.) ijt gefennzeichnet durch das Fehlen eines äußerlich fichtbaren Schwanzes und unterfcheidet jich Duxcch ihre im Verhältnis zu den übrigen Zähnen außerordentlich großen und in eine &rube des Oberfiefers aufgenommenen unteren Echähne von allen Kerbtierfrefjern überhaupt. Das Gebif bejteht, wie bei der folgenden Gat- tung, aus 40 Zähnen; e3 fißen jedoch 3 Schneide- und nur 6 Badzähne in jeder Stieferhälfte. Sehr jpät im Leben erjcheint im Oberfiefer ein Kleiner, vierter Badzahnı hinter den drei anderen. Das ijt jehr bemerkenswert, wenn man bedenkt, daß fein anderes Säugetier mit zwei getrennten Zahnfolgen regelrecht vier obere Baczähne hat, mit Ausnahme der Beutel- tiere und einer eigentümlichen Hunderaubtierform. Sm Berein mit der Tatjfache, dap Borftenigel und Beutelraubtiere trituberfulare Badzähne haben, während zugleich die Schädel getwilje jehr bemerkenswerte Ähnlichkeiten aufweifen, macht dieje Eigenart des Ge- bijjes e3 jehr wahrfcheinlich, daß von allen lebenden Säugetieren der Borjtenigel die nächjten Berwandtjchaftsbeziehungen zu den Beutlern Auftraliens und Amerikas hat. (Lydeffer.) Bei dem Tanref, Centetes ecaudatus Schreb. (armatus, madagascariensis; Taf. ‚nt jeftenfrejjer I‘, 1, bei ©. 278), der befanntejten Art der Gattung, tft der jpisjchnauzige topf bejonders auffällig; die rundlichen Ohren find kurz und hinten ausgebuchtet, die Augen Klein; 264 3. Ordnung: Snfeftenfreffer. Familie: Borftenigelartige. der Hals ift finz und Dinner als der Leib, wenigjtens einigermaßen abgejebt; die Beine find mittelhoch, die hinteren nur wenig länger al3 die vorderen, die Füße fünfzehig, Die Krallen mittelftart. Der ganze Körper ift ziemlich dicht mit Stacheln, Borjten und Haaren bededt, Die gewifjermaßen ineinander übergehen oder wenigftens deutlich zeigen, daß der Stachel bloß eine Umänderung des Haares ift. Nur am Hinterfopfe, im Naden und an den Geiten des Haljes finden ji) wahre, wenn auch nicht jehr Harte, etwas biegjame Stacheln von ungefähr 1 cm Länge. Aber auch fie jind nur in der Jugend vorhanden und jtehen dann in einer Längslinie auf dem Rüden; im Alter verjchtoinden fie bis auf einen Kadenfamm von langen, fteifen Borjten. Weiter gegen die Geiten Hin werden die Stacheln länger, zugleich aber auch dünner, weicher und biegjamer; auf dem Rüden überwiegen die Borjten bei weiten, Hüllen auch das Hinterteil des Tieres vollfonmen ein. Die ganze untere Seite und die Beine werden von Haaren befleidet, und auf der nadten, jpißigen Schnauze ftehen lange Schnurren. Die Schnauzenjpiße und Die Ohren find nadt, die Füße bloß mit furzen Haaren bededt. Stacheln, Borjten und Haare jind heil- gelb gefärbt, bisweilen lichter, bisweilen dunkler, jantliche Gebilde aber in der Mitte jchivarz- braun geringelt, und zivar auf dem Rüden mehr al3 an den Ceiten. Das Gejicht ift braun, die Füße find rotgelb, die Schnurren dunkelbraun. Junge Tiere zeigen auf braunem Grunde gelbe Längsbänder, die bei zunehmendem Alter verjchwinden. Die Länge des erwachjenen Tieres erreicht 40 cm; es ift alfo der größte Snjektenfreijer. Der Tanref, urjprüngli nur auf Madagaskar heimijch, aber auch auf Mauritius, Mayotte und Neunion eingebürgert, bewohnt mit Vorliebe bufch-, farn- und mooSreiche Berggegenden und gräbt hier Höhlen und Gänge, feine Schlupfiwinfel, in die Erde. Er it ein fcheues, furchtfames Gejchöpf, das den größten Teil des Tages in tiefjter Yurüd- gezogenheit lebt und bloß nach Sonnenuntergang zum Borjchein fommt, ohne jich jemals weit von feiner Höhle zu entfernen. Nur im Frühling und im Sommer jener Länder, d. h. nach dem erften Negen und bis zum Eintritt der Dürre, zeigt er jih. Während der größten Trodenheit zieht er fich in den tiefiten Stejjel feines Baues zurüd, mo er die Monate April iS November in ähnlicher Weije wie unjer Jgel den Winter verjchläft. Sobalo aber der erjte Regen die verdurftete Erde angefeuchtet und das Leben des tropijchen Frühlings twachgerufen hat, erjcheint er wieder, läuft langjamen Ganges mit zu Boden gejenktem Kopfe umher und fehnuppert mit feiner jpitigen Naje bedächtig nach allen ©eiten hin, um jeine Nahrung zu erjpähen, die zum größten Teil aus Kterfen, fonft aber auch aus Würmern, Schneden und Eidechjen fotwie aus verjchiedenen Früchten beiteht. Für das Wafjer jcheint er eine befondere Vorliebe zu haben, jteigt in der Nacht gern in jeichte Lachen und wühlt Dort mit Luft nad) Schweineart im Schlamme. Seine geringe Gewandtheit und die Trägheit jeines Ganges bringen ihn leicht in Die Gewalt feiner Feinde, um jo mehr, als ihm nicht einmal ein gleiches Mittel zur Abwehr gegeben ift wie den eigentlichen Jgeln. Selbjt ein plumpes Säugetier ift fähig, ihn zu fangen und zu überwältigen; die Raubvögel ftellen ihm eifrig nad), und die Eingeborenen feiner heimatlichen Snfeln jagen ihn mit Leidenschaft, ebenjo- wohl während feines Sommerlebens als auch in der Zeit feines Winterjchlafes oder richtiger feiner Trodenzeitruhe. Seine einzige, aber jchwache Waffe ijt ein Höcht unan- genehmer, mojchusartiger Geruch, den er bejtändig verbreitet und, wenn er gejtört oder erichreckt wird, merklich fteigern fann. Laut Pollen erkennt man jeine Schlafitelle an einem Fleimen Hügel über der Höhlung, benußt auch wohl bejonders abgerichtete Hunde, die ihm nachipiiren und ihn ausgraben. Während der Feiltzeit jieht man auf den Märkten Tanref Sgeltanref. 269 der „ynjel überall lebende, abgejchlachtete und zubereitete Borftenigel, und die Bewohner der Gebirge erjcheinen an Feiertagen einzig und allein deshalb in der Stadt, um fich mit dem nach ihrer Meinung Eojtbaren Fleifche zu verforgen. Wahrfcheinlich wide er den unausgejeßten VBerfolgungen bald erliegen, wäre er nicht ein jo fruchtbares Tier, das mit einem Wurfe 12—16 Junge zur Welt bringt. Diefe erreichen fchon nach einigen Monaten eine Länge von 7 cm und find fehr bald imftande, fich ihre Nahrung auf eigne Fauft zu er- werben. „Die Mutterliebe der Alten“, jagt Pollen, „ijt wirklich bewunderungsmwürdig. Gie verteidigt die Jungen wütend gegen jeden Feind und gibt jich eher dem Tode preis, als daß jie Dieje verliehe.” sm Hamburger Garten und in anderen zoologijchen Gärten hat man fchon mehrfach ZTanrel3 gehabt; Bolau mei aber über den ftumpfjinnigen Gefellen „nicht viel zu fagen. Die Tiere jind langweilig, verkriechen fich tief in ihr Heulager, fommen aber doch zum Vor- jhein, wenn jie merken, daß der Wärter Futter bringt. Sch habe ihnen Weißbrot in Milch geben lajjen, dazu rohes mageres Pferdefleifch, feingejchabt, und Negenmwinrmer. Bei der Sleijchfütterung wurden fie di und fett; bei den Negenmwürmern gediehen fie am beften. „m Sommer waren fie mehrere Monate teilnahmlos, fehliefen nicht gerade, hielten fich aber ruhiger al3 zu anderen Zeiten, fragen auch viel weniger, obgleich e3 gerade dann die meijten und jchönjten Negentoirmer gab. Untereinander waren fie durchaus verträglich: ich habe bis zu neun Tanrefs zufammengehalten, nie gab e3 Unfrieden. Gezüchtet Haben poir nicht, auch Feinerlei Xiebesregungen bei den im ganzen ftumpffinnigen Tieren bemerxft.“ Die zweite Gattung, Hemicentetes Mivart, zu deut Halb-Borjtenigel, Halb- tanref, behält die Stachelteihen längs des Nüdens zeitlebenz, und die dritte, Ericulus @eoffr., Ssgeltantef, ijt wie ein gel auf dem ganzen Nücen und dem kurzen Schwanz dicht mit Stacheln bejebt. Weitere Unterjchiede liegen im Gebiß (Centetes: © = 38; Hemicentetes: 75 = 40; Erieulus: —75°5 = 36), in den Schädelverhältnifjen und in der Körpergröße, die bei den eigentlichen Tanrefs viel bedeutender ift al3 bei den Halb- und Jgeltanrefs. Bon leßteren beiden Gattungen unterjcheidet man wieder je zivei Arten: den maulwurfsgroßen, jehwarz und gelb gejtreiften Streifentantef, H. semispinosus G. Ow., und den Schwarzfopftantef, H. nigriceps Gthr.; den Gemwöhnlichen Sgeltanref, E. setosus Schreb. (Taf. „Snfektenfreifer I", 2, bei ©. 278), zwei Drittel jo groß wie unfer Ssgel, und den viel Heineren Telfairs Jgeltanref, E. telfairi Martin, mit der Unterart E. t. palescens Thos. Ywijchen den beiden SgeltantefS ift dabei, twie oben in der Zahnformel durch die Klammer jchon angedeutet, wieder der Unterjchied, dat der Gemwöhnliche einen ober Badzahn mehr hat al3 der Telfairsche. Für beide Gattungen mit allen ihren Arten gibt Trouefjart a8 Heimat Madagaskar an; nur für die Thomasjche Unterart bejchräntt er das Vorkommen genauer aufden Süden der Infel. Über die Lebensart weiß man nichts; aus dem jchwach enttwidelten Hautmusfel der geltanrefs fan man nur fchliegen, daß fie jich wenigjtens bis zu einem getwijjen Grade zufammentollen fünnen, und da ift es um jo merfwitrdiger, daß jie, obwohl mit den eigentlichen Jgeln nicht unmittelbar verwandt, durch Stacheln und Aufrollmusfel Doch diejelben Berteidigungsmittel entwidelt haben. * Die zweite, ebenfalls rein madagajjiiche Unterfamilie, die Neiswühlerartigen (Oryzoryctinae), enthält zweierlei ganz verjchiedenartig ausjehende Geftalten und führt 266 3. Ordnung: Snfeltenfrefjer. Familie: Otterfpigmausartige. jo einexjeit3 Durch Die Oattungen Microgale, Limnogale unmittelbar zu der wejtafrifanijchen Snjektenfvejjerfamilie der Otterjpigmäuje (Potamogalidae), anderjeit3 Durch die maulwurf- artig gebaute und ebenjo lebende Hauptgattung Oryzoryctes felber zu den füdafrifanifchen Golomullen (Familie Chrysochloridae) hin. Die Neistanref3 (Oryzoryctes Grandid.) gehören zu. den Snjektenfrejjern, die, wie unjer Maulwurf zeit- und ftellenmweije, mittelbar fchädlich werden dadurch, da fie ziwijchen den Saaten ihrer Nahrung nachwühlen. Dies tun die Neistanref3, die davon ihren Namen haben, auf den Reisfeldern, entivurzeln Dabei die jungen Pflanzen und werden fo, nach Lydek- fer, zu einer wahren Belt für den madagajjiichen Aderbauer. Die Hauptmerkmale der Gattung find die ganz maulwurfartige Kopf- und Körper- form ımd der fehr furze Schwanz. Eine Art, die danach) O. tetradactylus A. M.-Edw. et Grandid. heißt, hat vorn nur vier Zehen, die drei inneren mit mächtigen Grabflauen; als ihre engere Heimat wird der innermadagajjiiche Bezirk Jmerina bezeichnet. Die übrigen, vorn fünfzehigen Arten find für andere Gebiete der Injel nachgewiejen, und zwar O.hova Grandid. für Antjianaf, O. gracilis F. Mayor für Ambolimitobo und O. niger F. Mayor für Sivabe. Die langjchwänzigen Mitglieder der Unterfamilie, die danach jogenannten Yang- Ihmwanztanref3, gehören meijt der Gattung Microgale Thos. an und beweifen troß Ihres abweichenden mausartigen Ausfehens ihre Berwandtjchaft mit den eigentlichen Tan- vefs Ducch ihr Gebih von 40 Zähnen, nur daß diejes vermöge der fürzeren Stiefer eine bejjer gejchlojjene Zahnreihe bildet. Cine Vrt, M. longicaudata T’hos., aus dem Dften der madagaj- jijchen Landichaft Betjileo, d. d. von der Süpdoftfüfte der Snfel, hat einen ganz ausnehmend langen Schwanz von doppelter Körperlänge, wie er nur beim Langjchiwanzichuppentier wieder vorfommt; fie macht daher ihrem Namen alle Ehre. Auch diefe Injektenfrejiergattung ift nur in wenigen Mufeumsitücden befannt; man weiß von ihr nicht3 weiter, al daß fie ihre Nahrung auf der Erde laufend erwirbt, und muß jich ihr Leben ähnlich wie das unjerer Landipimäufe denken. Die ebenfall3 aus Betjileo bejchriebene Gattung Limnogale F. Mayor (einzige Art L. mergulus F. Mayor) dagegen ift ins Waffer gegangen und jchrouimmt mit hohem, feitlich sujammengedrücdtem NRuderfchtvanz, wodurch fie jchon auf die Dtterjpigmaus hinweift. Koch jtärfer ift der Hinweis in der Gattung Geogale A. M.- Edw. et Grandid., die bei Trouefjart in die Familie der Dtterjpismäufe (Potamogalidae) jelbft eingereiht ift. Sie hat allerdings nur 34 Zähne, die aber in der Form fehr denen der echten Dtterjpiß- mäufje ähneln; im übrigen ift das Tierchen viel zu wenig befannt, al3 daß wir uns eine jichere Memung über jeine natürliche Stellung im Shftem bilden fünnten. Bis jeßt hat 3 wejentlich nur Interefje al3 jchwanfend beunteilte Übergangsform. Die einzige Art it G. aurita A. M.-Edw. et Grandid. aus Wejtmadagaskar. * Die Samilie der Dtterjpismansartigen (Potamogalidae) bejteht, wenn man die eben genannte madagajliiche Gattung Geogale nicht dazurechnet, nur aus der weftafrifanifchen Gat- tung Potamogale Du Chaillu jelbft, urfprünglich mit der von dem befannten Afrifareifenden Du Chaillu in Gabun entdedten einzigen Art, der Otterfpißmaus P. velox Du Chaillu, die ji) aber auch über Kamerun, das Stongogebiet und Angola verbreitet. Neuerdings Otteripigmaus. Reistanrefs. Langjhmwanztanrels. Dtterjpigmaus. 267 hat der Leidener Shjtematifer Jentink noch eine zweite Art, P. allmanni, aus Alt-Calabar Hinzugefügt. Man fann die Gattung deutjch nicht bejjer denn als Dtterjpigmaus benennen, obwohl fie gegen die eigentlichen Spismäufe ein Nieje ift, da fie an 30cm flörper- länge und ungefähr ebenjoviel Schwanzlänge erreicht. Die Farbe it oben braun, bei ge- wijjer Beleuchtung mit metallifchem Burpurfchimmer, unten weißlich. Das Gebik hat 40 Zähne, die jich in Ddiejelben Gruppen teilen tie bei den Langjchtwanztanref3 und eine ziemlich gut gejchlojjene Neihe bilden. Das Sinochengerüft jteht in der ganzen Ordnung der ssnjektenfrejjer dadurch einzig da, daß e3 Fein Schlüfjelbein hat, — wenn dies nicht auch der jo nahe verwandten Geogale fehlt. Der hohe, größtenteils von den Seiten zufammen- gedrüdte Schwanz, der an der Wurzel mit allmählicher Verdidung in den Rumpf übergeht, ijt außerlich ihr bezeichnendjtes Merkmal. Dazu fommen bei näherer Betrachtung die dırcch eine Art Stlappen feit verjchliegbaren Najenlöcher an der auffallend breiten „Dtterjchnauze“, die mit ftarfen Schnurrhaaren ausgejtattet ift, hartes, langes Ober- und dichtes, weiches Unterhaar. Alles das verrät jchon das Wafjertier, und in der Tat ijt die Dtterfpigmaus ein jolche3 in ausgeprägtem Maße, obwohl jie feine Schwimmhäute zwifchen den Zehen hat. Sie Shmwimmt eben nicht mit den Füßen, jondern mit dem ganzen Körper, namentlich aber (jedenfalls jchlängelnd) mit dem Nuderjchwanz und ijt darin von einer fo erftaunlichen Schnelligkeit und Gemwandtheit, daß ihr Entdeder jich veranlaßt jah, danach ihren Artnamen zu wählen, der „flinf” bedeutet. Nach Du Chaillus Beobachtungen lebt fie an Elaren, hellen Wafjerläufen, mo es viel Fische gibt, und lauert dort unter Steinen diefen auf. „Ehe ver Zijch nur Zeit Hat, fich zu beiwegen, ijt er jchon gefangen. Mit der Beute fehrt das Tier dann ebenjo jchnell ans Land zurüd, wie es aus feinem Verftedfe hervorgebrochen war. Die große Bemwegungskraft im Wafjer jcheint nur im Schwanze zu liegen.“ Neuerdings Hat G. 2. Bates unfere jpärliche Kenntnis vom lebenden Tiere jehr er- freufich vermehrt. Die Schwarzen fingen ihm das von ihnen „‚jes‘‘ (wohl englijch zu jprechen:-djes) genannte Tier oft und ficher an jolchen Stellen des Flußufers, wo man jeinen Stot liegen jah. ES jcheint die Gewohnheit zu haben, diefen auf ganz bejtimmten Pläßen abzufesen. Die Negerfrauen töten.das Tier auch gelegentlich, wenn fie die Kleinen Buchten am Flufje ausfijchen: fie jchlagen dann mit ihren Mejjern von allen Seiten darauf- lo3, wenn es im Wajjer hier- und dahin flitt, bis e3 tot ift. Ein trächtiges Weibchen war an- geblich aus einer Uferhöhle Herausgeholt worden. Jr Monat Juni erhielt Bates mehrere, deren Embryonen binnen furzem geburtsreif waren. Zivei immerhin noch Keine Junge brachte man ihm, ebenfalls aus einem Uferloch, im März. Sie lebten nur drei Tage, tranfen etwas Milch, und eines nahm auch einige Bijjen gefochtes Fleifch, die es mit plößlicher Be- megung padte, als wenn es fürchtete, fie fönnten ihm entwijchen: die echte, gierige Spib- mausmanier! Wenn die Tierchen nicht zufammengerollt jchliefen, Frochen und glitten fie bejtändig übereinander iweg in einer Weije, daß man an Schlangen denfen mußte. Shre Be- wegungen waren jehr rajch. Gelegentlich jtießen jie einen quiefenden Ton aus. * Um die Familie der Schligrüßler (Solenodontidae) nicht noch mehr von den Boritenigeln zu entfernen, mit denen jie Heute noch mancherjeit3 in eine Kamilie zufammen- gejtellt werden, lajjen wir jie jet folgen, indem wir uns Klar find, daß die vielfachen Ver- wandtjchaften und Beziehungen der verjchiedenen Tiergruppen jich eben ganz und gar nicht vereinigen mit der Aufgabe, fie in jortlaufender Reihenfolge abzuhandeln. Vielleicht die % 268 3. Ordnung: Snfeftenfrefjer. Familie: Schligrüßler. intereffantejte Seite der Schlißrüßler ift ihre geographifche Verbreitung, die jich auf Wejt- indien, die großen Antilleninfehn Haiti und Cuba bejchränft, wie die fo naheverwandten Borftenigel auf Madagaskar, die Otterjpismäufe auf Weftafrifas bewaldetes Küftengebiet bejchräntt find: wieder eine neue Stüße für die bereits mehrfach erwähnte Haadejche Grund- anfhauung, die uns folche zerftreut und entlegen lebende Verwandte verjtändfich machen möchte als NRefte alter Tiewverbreitungsiellen, die nırr auf erdgejchichtlich alten Snjeln und im äußerjten Umkreis ihrer Ausftrahlung bis jegt nicht von jüngeren überflutet wurden. Die Familie der Schligrüßler hat ebenfalß nur eine Gattung (Solenodon Brdt.) mit folgenden Merkmalen. Der Leib ijt Fräftig, der Hals furz, der Kopf geftredt, Dex Kajenteil in einen langen Rüfjel ausgezogen, das Auge jehr Kein, das rundliche Ohr mittelgroß, der Schwanz fürperlang; die Beine jind mittelhoch, die fünfzehigen Füße vorn mit jehr Fräftigen und ftarf gebogenen, hinten mit Fürzeren und jchwächeren Krallen bewehrt. Ein ziemlich langes Borftenkleid dedt den Leib, bekleidet aber den Rüfjel nur jpärlich, geht auf den Beinen in feineres Haar über und läht Oberrücden und Gejäß wie den Ihuppigen Schwanz faft vollitändig nadt. Das Gebiß bejteht aus 40 Zähnen, und zivar 2 Schneiwezähnen, 1 Cczahn, 4 Lüc- und 3 Badzähnen in jedem Kiefer. Der zweite untere Schneidezahn hat an der Snnenjeite eine tiefe Furche, und von diefer Eigentümlichkeit leitet jich wohl der wiljenjchaftliche Name (= Scheidenzahn) her, den der alte deutjch-ruffijche Zoolog Brandt 1833 der Gattung gab. In der Form der Schneide-, Ed- und Lüdzähne nähern fich die jonjt jo boritenigelähnlichen Schlikrüßler den Bijamjpigmäufen oder Wajjer- maulwürfen und noch mehr nordamerifaniihen Maulwürfen; jie verbinden aljo bis zu einem gemiljen Grade die Familien der Borjtenigel- und Maulwurfartigen. Von allen anderen Snektenfrejjern unterjcheiven fie fich Dadurch, dat die Milchoritfen auf die Leiften- gegend bejchränkt find, jich nicht bi auf die Bruft ausdehnen. Brandt bejchrieb feine neue Gattung und deren vorläufig einzige Art, S. paradoxus Brät. (Taf. „Smiektenfrejjer I”, 4, bei ©. 279), nach einem Exemplar aus Haiti, das in das Diujfeum der Petersburger Mfademie gelangte und lange Zeit das einzige in Europa blieb. &3 war auf Kopf und DOberfeite braun gefärbt, auf den Keulen fchwärzlich, an den stopfjeiten und unten heller. Neuerdings jollte es ganz ausgeftorben fein. Verrill machte eigens deshalb eine Reife nach Haiti und berichtete Darüber im „American Journal of Science“ (BD. 24). Er erhielt aber nur noch ein einziges Weibchen, das am Tage nac) der Gefangennahme drei nadte Junge warf und dann ftarb. Am BVBerjchwinden des Tieres ift die Einführung des Mımgos fchuld, der es in nicht allzu ferner Zeit vollftändig ausrotten wird. Nach Berrill wühlt der Schligrüßler wie ein Feines Schwein mit feinem beweglichen Nüffel im weichen Boden nach Kerbtieren, Würmern und Striechtieren, feiner Hauptnahrung; er nimmt aber auch Früchte und andere Pflanzenkoft. 1561 erhielt der Berliner Shitematifer Peters für das dortige Mufeum von dem Forjchungsreifenden Gundlach ein Eremplar aus Cuba, da3 fich zugleich al3 eine zweite Art herausitellte. Diefe, der AWlmiqui, Tacuache, Adaras und wie er jonft noch ge- nannt wird, Solenodon cubanus Pirs., hat eine Slörperlänge von fajt 60 cm, eine Schmwanz- länge von nahezu 30 cm und am Ktopfe, dem Seitenhalfe und Bauche [hmuBig odergelbe, im übrigen jhwarze, der Schwanz bläulichjehwarze Färbung. Die langen Rücdenhaare jind gelb an der Wurzel und fchwarz an der Spiße, einige auch ganz gelb oder ganz jchwarz. Almigqui. 269 Über die Lebensmweije hat Peter3 mehrere Mitteilungen zufammengeftellt. Wie die eigentlichen Spigmäufe führt auch diefes Tier vorzugsweije ein nächtliches Yeben und pflegt während des Tages in irgendeinem Berftec zu jchlafen. Sn manchen Gebirgen foll e3 ziem- fich häufig fein. Verfolgt es der Jäger, jo joll es den Kopf veriteden, in der Meinung, jich dadurch zu verbergen, und jo ruhig fiegen bleiben, daß man e3 am Schmwanze ergreifen fann. Sn der Öefangenfchaft weigert es fich gar nicht, ans Futter zu gehen; da es aber ichlecht Fauen fan, muß man ihm feingejchnittenes FSleijch vorlegen, damit es nicht ettva erftict. Neinlichkeit ift zu feinem Behagen unumgängliche Bedingung; e3 geht gern ins Waffer und jcheint fich darin jehr wohl zu fühlen; dabei trinft e3 dann auch mit größerer Leichtigkeit, während ihm fonft die ange NRüfjelipige Hinderlich ift. Seine durd)- Almigqui, Solenodon eubanus Pirs. 1/ı natürliher Größe. dringende Stimme erinnert bald an das Grunzen des Schweines, bald an das Gejchrei eines Vogels. Zumeilen jchreit das Tier wie ein Käuzchen; beim Berühren grunzt eö wie die Ferfeltatte. E&3 wird jehr leicht zornig und fträubt dann das Haar in eigentümlicher Weije. Ein vorübergehendes Huhn oder anderes Feines Tier erregt es aufs höchite, und es verjucht wenigfteng, fich jeiner zu bemächtigen. Die erfaßte Beute zerreißt es mit Denlangen, frummen Strallen wie ein Habicht. Aus der Geläufigfeit, mit der nach den Berichten von Prey andere Gefangene Fleijch frejjen und ein junges Huhn zerreißen, wenn jie e3 erwijchen fönnen, dürfen wir mit Lhydeffer füglich jchliegen, dat die Schlihrüßler jich auch in der Freiheit nicht auf Injekten bejchränfen, fondern auch „höherer“ Beute nachitellen. Dann Die Gefangenen, die Corona hielt, jtarben teils an den Wunden, die jie einander durcch Beiten zufügten, teils an einer eigentümlichen Wurmkranfheit. Einige waren ganz voll von Wiirmern, die ziwijchen dem Bindegewebe und den Muskeln, bejonders am Halje, tvie in einen weichen Sad eingehüllt, in ungeheurer Menge jagen. * 270 3. Ordnung: Infeftenfreifer. Familie: Goldmulle. Die lebte Anjektenfrejjerfamilte mit jchmalen Badzähnen und V-fürmiger Höderfigur auf diejen find die Goldmufle (Chrysochloridae), die, nach Flower und Lypdeffer, den Borjtenigeln ebenfall® noch naheverwandt find und zu ihnen ungefähr ebenjolche Be- ztehungen haben mie die Maulwürfe zu den Spibmäufen. Sie führen ein unterirdifches Withlerleben, wie die eigentlichen Maulmwürfe, zeigen aber in der Art und Weije der An- pajjung an diejen grabenden Nahrungserwerb doc Unterjchiede. ES ift weder das obere Ende de3 Bruftbeins nach vorwärts verlängert, nocd) find die Schlüffelbeine verfürzt; aber was dem Schultergürtel jo an Feltigfeit abgeht, wird wieder mwettgemacht durch tiefe Aus- höhlung der vordern Seitenmwölbung des Bruftfaftens, two Rippen und Bruftbein nach innen gebogen find. Die langen Schlüfjelbeine haben ihre Enden nach vorwärts gejchoben, und vie Höhlungen an den Seiten und auf der untern Fläche des Bruftforbes nehmen die dicken musfulöjen Arme auf. Auch der Oberarm ift, nach Flower, weit jchlanfer als bei den echten Maulwürfen, aber fein innerer Gelenffopf ilt außerordentlich verlängert. „Ym Unterarm findet jich ein dritter Sinochen, der fich von der Innenfläche der Handwurzel bis falt zum Ellenbogen erjtrect und eine Verfnöcherung in der Sehne einer Der Beugemusfeln zu fein jcheint.” Endlich ift, nach Bronn-Giebel, die Bildung der Hand und ihrer Finger von der der Maulwürfe „weit und abjonderlich entfernt”. Der Handteller ijt nicht verbreitert und die Zahl und Zufammenfeßung der Finger bei verjchiedenen Goldmull-Arten verjchieden. „Ch. capensis 3. B. hat nur dreifingerige Vorderfühe, die al3 Daumen, Zeige- und Mittel- finger gedeutet werden, und der enorm große dritte oder Mittelfinger zeigt ein in der Mitte eingejchnürtes erjtes Glied, Das mehr breit al3 lang ift und den Metacarpus und die beiden erjten Phalangen repräjentiert, und ein folojjales, an der Spike tief gejpaltenes Kagelglied.” Das ijt ein ganz ähnliches Verhältnis wie unter den Nagetieren bei den Blindmullen (Spalax) und unter den Beuteltieren bei den Nüdenmühlern (Notoryctes): beides Wühler, die, wie die Goldmulle, in fandigem Boden mwühlen, während die Maul- wife jolchen meiden. Die Ähnlichkeit in der Bildung und Lagerung der VBorderkflauen bei allen diejen Sandwühlern geht jogar jo weit, daß auch bei Chrysochloris die dritte Niejen- faue eine tiefe rillenartige Aushöhlung hat, in der Die anderen für gewöhnlich drin Tiegen. — Die Augen der Goldmulle find von der behaarten Haut überzogen. Die mufchelloje Ohr- öffnung hiegt im Pelze verborgen und zeigt bei den verjchiedenen Arten verjchiedene Grade der Rücbidung; Wafjertiere und Erdgräber nehmen ja die Schallerichütterungen mit dem ganzen Körper auf. Ein Schwanz fehlt vollftändig. „Die furze, etwas zugejpibte Schnauze endigt”, jo meint Giebel, „mit einem nadten Sinorpel zum Wühlen.” Weber jpricht von einer verhornten Najenjpibe und bildet das Kopfende entjprechend ab. Shren Kamen haben die Goldmulle von dem Metallglanz ihres Felles — eine hübjche Eigen- tümlichkeit, die fie wiederum bezeichnenderweife mit dem auftralifchen Beutelmull gemein haben. Shre Heimat ift der Süden der Äthiopifchen Region, d. h. das füdlichere Afrika vom Stap bi zum Kongo mit Ausnahme von Madagaskar. Dort leben fie vorzugsweije in den Sandwüften oder trocdfnen Steppen und wühlen — wiederum eine Übereinftimmung mit dem Beutelmull — nach Würmern fo dicht unter der Oberfläche dahin, daß Die Erde über ihren Gängen ettwas aufgehäuft wird und man ihre Bewegungen bequem verfolgen, fie auch mit Stod oder Spaten leicht zutage fördern Kann. Dei der weiteren [yftematijchen Einteilung der Goldmulle Haben wir zwei Gattungen zu unterjcheiden: neben der Hauptgattung Chrysochloris Cuv. noch die von dem englifchen "pmwpjoo aoıplıdoy Hottentottenmull. Stumpfmull. Riefenmull. 271 Säugetieranatomen Mivart abgetrennte und nach dem mehr fupferigen Glanze des Felles fogenannte Chalcochloris, die nurziwei Badzähne und feine halbfugelförmige Anjchwellung an der Wurzel des Jochbogens hat. Yon diefen Stupfermullen führt Trouejjart zwei Arten auf: ven Hottentottenmufl, Chalcochloris hottentottus Smith, aus der öftlichen Stap- folonie und Natal, und den Stumpfmull, Ch. obtusirostris Pirs., von der Delagoabai in Bortugiefiich-Dftafrifa. Beide unterjcheiden jich chon äuberlich durch die Kopfform, die beim Hottentottenmull verhältnismäßig jehr lang und jchmal, beim Stumpfmull aber um- gefehrt ganz bejonders furz und ftumpf ift, die nadte Schnauzenjpiße Doppelt jo breit wie lang. Beide verzeichnet auch W. L. Sclater in jeinen Säugetieren Südafrifas und gibt für den Stumpfmull an, daß der Entdeder PBeters im Magen Käfer gefunden habe, von denen das Tier hauptjächlich zu leben jcheint. Eigentlichde Goldmulle (Chrysochloris @. Cwv.) waren bis zum Erjcheinen des eriten Trouejjartichen Katalogjupplements (1904) fünf Arten aufgejtellt, darunter Ch. stuhl- manni Misch. aus der Landjchaft Ugogo im mittleren Deutjch-Dftafrifa. W. 2. Sclater macht bei der Bejchreibung des gewöhnlichen fapiichen Goldmulls, Ch. aurea Pall., bejonder3 auf die Wühlfchnauze aufmerfjam, das breite, nadte Hautfeld, das in eine Feilförmige, wagerecht abgeplattete Kante endigt und jedenfall al Grab- organ gebraucht wird; der vordere Teil diefer Schnauze ijt von dem Hintern durch eine Duerfurche getrennt, und an der Unterjeite des Feilfürmigen Borjtoßes liegen die Nafen- löcher Dicht nebeneinander. Augen und Ohren kann man überhaupt nur jehr jchwer finden. Die Gliedmaßen find jehr kurz und fteden ziemlich bis zu den Kinöcheln im allgemeinen Numpfpelze mit drin. Auch der Schwanz ift nur unter der Haut zu erfennen. Der Goldmull it, nach Sclater, ausnehmend gemein in den Gärten des Saplandes, wo er Dicht unter der Oberfläche nach allen Richtungen Hinter Würmern und Larven herwühlt. Obwohl er deswegen allgemein für jchädlich gilt, ijt er dem Gärtner doch auch wieder jehr nüßlich, weil er Mengen jchäplicher Larven und Raupen vernichtet, wie z. B. Die einer getwiljen Gamma- motte (Plusia), die den Tag über an den Wurzeln der Pflanzen fiben, von denen jte des Nachts frejien. Der Goldmull macht fich feinen fo verzweigten Bau wie der europätjche Maulwurf, jondern nur ein rundes Neft von Gras, in dem er jeine Jungen zur Welt bringt. Der Niefenmull, Ch. trevelyani Gthr., ijt Doppelt jo groß mie alle übrigen: über 22 cm lang. Er wurde erjt 1875 entdect von einem Neijenden Trevelyan, der eine Sagdfahrt in den Piriewald machte und dort von einem Kaffern das erjte Eremplar erhielt. Die Kaffern der Gegend gebrauchen das Fell aber offenbar viel als Tabafsbeutel; das beweijen auch Sclater3 Exemplare im Südaftifanischen Mufeum. Sn einem Schlußiwort hebt Lydeffer noch einmal die interejjante Tatjache hervor, daß zwei Injektenfrejjerfamilien, die hier behandelten Goldmulle und die eigentlihen Maul- würfe, jich auf ganz verjchiedene Art der grabenden Lebensweije angepaßt haben. Ylb- gejehen von anderen Abweichungen im Sinochenbau, namentlich des Schulterblattes, unterjcheiden fie fich ganz wejentlich durch Geftalt und Zufammenjegung der Borderfüße. Die tiefer und in fejterem Boden grabenden Maulmürfe arbeiten mit der ganzen, jehr verbreiterten Hand, die noch einen überzähligen jtchelförmigen Sinochen neben dem Daumen bat; bei den Goldmullen dagegen, die ganz oberflächlich im Sande und trodner Erde wühlen, liegt die ganze Grabkraft in den ungeheuren Hornklauen der beiden Mittelfinger. * 272 3. Ordnung: Snjettenfrejfer. Familie: Spißmaußartige. Die noch übrigen Injektenfrejjerfamilien haben breitere Badzähne (W-Mufter). Unter ihnen haben ganz ohne Zweifel Spismäufe (Soricidae) und Maultwürfe (Talpidae) wieder nähere Beziehungen: hat man beide früher doch gewöhnlich zu einer Familie vereinigt! Unverfennbare Übergänge find vorhanden: Wafjermaulwürfe mit Spibmausgebif; (Gattung Scalops), Spitmäufe mit Maulwurfsichädel (Gattung Uropsilus); überhaupt die ganze Unterfamilie der Wafjermaulwürfe oder Maulwurfjpigmäufe (Myogalinae) jtellt eine Bwijchenjtufe dar. Die Familie der Spikmansartigen (Sorieidae) macht ungefähr die Hälfte aller Sinfektenfrejjer aus: Trouejjart zählt 16 Gattungen mit 248 Arten und Abarten auf. Wir müffen uns hier auf diejenigen bejchränfen, die entweder naturgefchichtlich oder fin uns Deutjche ein bejonderes Anterejfe haben. Die Spimäufe, neben den Fledermäufen die Hleinjten aller Säugetiere, find eben- mäßig gebaute, in ihrer äußern Erjcheinung an Mäufe erinnernde Sterfjäger. Der Leib ift Schlank, der Kopf lang, der Schnauzenteil gejtredt. Eigentümliche Drüfen liegen an den Numpfjeiten oder an der Schwanzmwurzel. Den Leib befleiven weiche, jamtähnliche Haare, die Lippen und Füße wie den Schwanz ftraffere Härchen, die Wangen lange Schnurren, die Fußjeiten ftarfe, nach der nadten Fußjohle hin fcharf abgejekte Borftenhaare. Allen Spibmausartigen fehlt an ihrem langen, jchmalen Schävdel der Jochbogen, und ihre Baufenbein ijt ring-, nicht blajenförmig. Am Gebik erkennt man, ob man eine Spib- maus vor fich Hat oder nicht, nach Lhydeffer am beiten daran, daß das mittelite Paar Schneidezähne immer anders geitaltet ijt al3 die übrigen. Oben find fie lang und ge- mwöhnlich fichelförntig gefrimmt mit einem mehr oder weniger jelbjtändig ausgebildeten Höcder am Grunde ihres Hinterrandes; unten find fie ebenfalls lang und liegen mwagerecht nach vorwärts, mit der Spige manchmal aufwärts gekrümmt. Die Spikmäufe haben daher „in den Vorderzähnen ganz entjchieden hnlichfeit mit den Nagetieren”. (Bronn-Giebel.) Ferner enthält, mit einer einzigen Ausnahme, der Unterkiefer einer Spikmaus immer nur jechs Zähne auf jeder Seite. Schließlich ift, nach Beddard, dag bemerfenswertejte Stenn- zeichen des Spikmausgebijjes, daß die unteren Edzähne fehlen. Oben macht die Bejtimmung des einzelnen Jahres manchmal Schwierigkeiten, weil die Naht zwijchen Ober- und Zmijchen- fiefer früh verwäclt. Nach Neber und anderen wird das Milchgebiß noch angelegt, ver- falft aber nicht mehr. Dem „Bau der Soriciden und ihren Beziehungen zu anderen Säugetieren” („Morphol. Sahrbuch”, 1907) hat Augufta Irnbäd-Chriftie-Linde im Zootomifchen Inftitut der Univerfität zu Stocdholm eine eingehende Unterjuchung gewidmet, „deren Zmwed es ilt, den genetijchen Beziehungen der Soriciden einigermaßen auf die Spur zu fommen”. Dabei ergibt fich zunächit Bemerfenswertes über die jogenannten Seitendrüjen, denen der Mojchusgerud) der Spigmäufe entjtamımt. „Un den beiden Seiten des Körpers fällt eine ovale Stelle auf, die von einer ringfürmigen, Dünnbehaarten Wulft gebildet ift. Diefe Wulft umjchließt eine mit kurzen, fteifen Haaren verjehene Partie. Schnitte, durch dDieje Partie geleat, zeigen, daß tubulöfe Drüfen hier gelegen find und hieraus münden.” Irnbäd hat gefunden, „daß die Ceitendrüjen bei den Weibchen von einheimifchen Spezies (Sorex und Crossopus) fehlen, daß fie aber bei arftiichen Formen, 3. B. Crocidura, bei beiden Gefchlechtern vorfommten.“ ‚Ferner hat jich Durch ihre Unterfuchungen herausgejtellt, daß die Spibmäuje, obwohl jte feinen Winterjchlaf halten, Doch „mit jogenannten Winterjchlafdrüfen oder braunem Allgemeines. 273 Fettgewebe, wie Hammer dieje Fettanhäufungen genannt hat, verjehen” jind, und zivar liegt daS braune Gewebe hauptjächlich in der Rüden, Schulter- und Achjelgegend. Das Studium des Spißmausgehins läßt erkennen, daß auch an diefem Zentralorgan die enge Verwandtichaft zroiihen Spimäufen und Maulwürfen auffallend hervortritt, und meiter- hin liefert e3 gemwichtige Hinteife auf nahe Beziehungen zu Beuteltieren und Schnabel- tieren, d. 5. mit anderen Worten: auf die niedere Stellung der altertümlich und urfprüng- lich gebauten snjektenfrefjer in der allgemeinen Entwidelungsreihe der Säugetiere. Die hönfte Fellfarbe überhaupt von allen einheimifchen Säugetieren hat, nach English, die Zmwergjpigmaus: „Am lebenden Tier und ganz bejonders bei Licht ein Srifieren, das man mit Moirkjeide oder der Stehle eines Kolibris vergleichen möchte.” Diefes eigen- artige Srijieren, das Engliih noch mweiter zum Vergleich mit „dem Purpurreif auf der Cierpflaume” begeiftert, bezeichnet diefer Beobachter al3 allen unerwachjenen Spibmäufen gemeinjam, während e3 bei den größeren Arten im Alter verjchwindet. Englifh Hält diejen Glanz für eine nterferenzerjcheinung, die auf eigentümlichem Bau de3 Haares beruht. Er bildet ein folches Spimaushaar ab und zeigt, dal; es abmwechjelnd ver- breitert und verjchmälert, außerdem aber noch an den Rändern jägeartig eingeferbt ift. Dieje Sägeferben jind am Wunzelteile des Haares fcharf ausgeprägt, mwechjeltveife auf der einen und der andern Seite, und verwijchen fich gegen die Spibe des Haares, tvo die järbenden Tigmentzellen viel jchrwächer ausgebildet find. Weiklinge fommen auch bei Spigmäufen vor: die Zeitjchrift „Field“ führt eine ganze Reihe folcher Fälle aus Eng- land auf. „an Fann jich zwar jchwer denken“, jagt Douglas Englifh, der die Spigmäufe feines Vaterlandes in jeinen „Nature Books“ (Wr. 1) durch Wort und photographifches Bild gleich anziehend und zuverläfjig gejchildert hat, „Daß dieje winzigen und dadurch wehrlofen Vier- füßer jeit frühpleiftozäner Zeit unverändert fich erhalten haben. Nichtsdeftotweniger ver- jihern ung die Paläontologen, daß Nefte von der Ziverg- und der gewöhnlichen (Wald-) Spikmaus in den ojtengliichen Foreft-bed-Schichten gefunden werden.” Gegenwärtig jnd die Spikmäuje über die Alte Welt und Nordamerika verbreitet; in Auftralien und Sidamerifa dagegen fehlen jie ganz. Sie leben ebenjotohl in Ebenen als auch in höher gelegenen Gegenden, jelbjt auf den Boralpen und Alpen, anı liebjten aber in dichteren Wälern und Gebüjchen, auf Wiejen und Auen, in Gärten und Häufern. Die meiften geben feuchten Orten den Borzug; einige treiben fich im Waffer umher. Viele führen ein unterirdijches Leben; fie graben fich dann jelbjt Löcher oder Gänge oder benugen die jchon vorhandenen, nachdem fie die rechtmäßigen Eigentümer mit Güte oder Gewalt ver- trieben haben. Fajt alle juchen die Dunkelheit oder den Schatten und fcheuen die Dürre, die Hiße, das Licht, find auch gegen derartige Einflüffe fo empfindlich, daß viele den Sonnenftrahlen erliegen. hre Bewegungen jind außerordentlich vafch und behende, fie mögen jo verjchiedenartig fein, twie jie wollen. Diejenigen Spigmäufe, die bloß laufen, hujchen pfeiljchnell dahin, die Schwimmer ftehen feinem Landfäugetier nad. Eine ganz merkwürdige Bemwegungsweije, die allem Anfcheine nach regelmäßig geübt wird, „wenn es fich um Bewältigung von Schwierigkeiten in unebenem Terrain handelt“, hat Landois-Miünfter in einer Steingrotte an feiner originellen „Tudesburg” wochenlang falt täglich beobachten fünnen, jo daß an dem Vorgang jelbjt wohl Fein Zweifel mehr jein Fan. Er nennt ihn im feiner Humoriftiichen Art den „Sndenjchwanzbeigungsgänie- marjch” und glaubte „zunächjt von weiten eine Schlange zu jehen; beim Nähertreten Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 18 274 3. Dvdnung: Snfettenfrejfer. Familie: Spigmausartige. töfte fie fich in die einzelnen Mäufe auf.“ &3 waren neun Gtüc, von denen Landois drei fing. — Dasjelbe erzählt der bewährte Stenner unferer heimischen Tierwelt, 9. Schacht, von einer Hausjpißmausmutter, die er mit ihren jechs Jungen beim Räumen einer Dinger- grube aufjtörte. „Hinter ihr Ding, oberhalb des Schwanzes mit den Zähnen eingehaft, eihre junge, hinter diejer, auf gleiche Weije eingehaft, die zweite, dann die dritte uw.“ („„gpol. Beob.‘, 1910). Dieje Schilderung macht den Emdrud, als ob es fich bei der eigentümlichen Gewohnheit auch um ein Aushilfsmittel gegen das geringe Sehvermögen der Spißmäuje handeln Fünne. Englifh gejteht jeine Unfähigkeit, eine unerwachjene Waldjpismaus von einer Ziverg- jpikmaus, und feine Unjicherheit, unerwachjene Walo- und Wafjerfpißmäufe von der Ziverg- jpißmaus zu unterjcheiden. Ein Beweis, wie ähnlich und wie veränderlich die Spißmäufe im Hupern find! Hier fan mr genaue Bergleichung des Gebifjes Getwißheit bringen. Bei ausgewachjenen Stücden it die Sache leichter; dann bietet Das Fell auch jchon äußerliche Anhaltspunkte zur Unterjcheidung. Sm Wejen erinnern die Spikmäufe unter den Sterbtierfrejjern an die Marder unter den Naubtieren. Wie diefe haben jie alle Fähigkeiten, die ein echtes Näuberleben möglich machen, find jie in den verjchiedenjten Gebieten der Erde zu Haufe und zeigen einen Mut, einen Blutdurft, eine Graujamkeit, die mit ihrer geringen Größe gar nicht im Verhältnis ftehen. Unter den Sinnen der Spikmäufe jcheint der Geruch obenan zu ftehen; nächjtvemt ift das Gehör bejonders ausgebildet, das Auge dagegen mehr oder weniger verfümmmert. Shre geijtigen Fähigkeiten jind gering; dennoch läßt ich) ein gemwiller Grad von Berjtand nicht ableugnen. Sie find raub- und mordluftig im hohen Grade und Fleineren Tieren woirklich furchtbar, während fie größeren bedächtig ausweichen; Doc) Hat fie Tfchudi „Jich ziitjchernd mit einer Eidechje um ein Änjekt herumbalgen jehen”. Schon bei dem geringjten Geräujc ziehen jich die meijten nach ihren Schlupfwinfeln zurüd, haben aber auch Urjache, Dies zu tun, weil fie gegen jtarfe Tiere jo qut wie wehrlos find. Wir fünnen die meijten von ihnen bon unjerm Standpunkt aus nicht nur al3 Harımlofe, unfchädliche Tiere betrachten, fondern in ihnen fogar nüßliche Gejchöpfe erfennen, die uns durch Vertilgung fchäplicher Sterfe er- hebliche Dienfte leisten. Shre Nahrung ziehen fie nämlich falt nur aus dem Tierreiche: Kterb- tiere und deren Larven, Wiimer, Weichtiere, Heine Vögel und Säugetiere, unter Um- tänden aber auch Filche und deren Gier, Krebje ujw. fallen ihnen zur Beute. Ungemein gefräßig, verzehren jie täglich fo viel, wie ihr eignes Gewicht beträgt. Seine einzige Art fanın den Hunger längere Zeit ertragen; fie halten deshalb auch feinen Winterjchlaf, jondern treiben ich bei einigermaßen milder Witterung fogar auf dem verjchneiten Boden umher oder juchen an gejchügten Dxten, z.B. in menjchliden Wohnungen, ihre Nahrung auf. Altum bezeichnet unjere Wajjerjpigimäufe für die Fiichzucht als Tchädlich; von den übrigen heimischen Arten möchte er nur einer „eine gewilje forftliche Wichtigkeit einräumen”, jet jie aber „troß ihres Heighungers den Fledermäufen weit nach”, da die Spikmäuje „auc) weit weniger auf das forftichädliche Snfektenheer angeiviefen“ find. Ein von Rörig aus- geführter Fütterungsverfuch gibt ein Bild ihrer erftaunlichen Gefräßigfeit und ihrer Lei- tungen auf dem Gebiete der Injeftenvertilgung. Eine in einem größeren Glasbehälter gehaltene Gemeine Spitmaus, Sorex vulgaris, die ein Getvicht von 12 g hatte, fraß in 88 Tagen 3733 Mehlwürmer (614,6 g), 4 Engerlinge, 3 Fröfche und 1 Maus. Die Troden- Jubftang der Nahrung betrug 200,58 g, der tägliche Verbrauch daran berechnete fich auf Allgemeines. 275 20 Prozent ihres Lebendgemwichtes. Und weiter: Die Spibmäufe „leben ftet3 unter Dem Einfluß des gewaltigften Machtfaftor3 auf Erden, des Hungers, hinter dem jelbit Die Todes- angjt zurücdtreten muß. Sch fing einjt eine Spibmaus, die ich mit einigen Yeld- und Brand- mäufjen zufammen in ein Lederfädchen ftecte, um fie jo nach) Haufe zu tragen. Dort an- gelangt, fand ich nur fie noch am Leben; ihren dreimal jtärferen Schicjalsgenojjen war das Senid durchgebiljen und das Gehirn teilweije bereits ausgefrejjen. Welches andere Tier hätte in folchem Augenblide daran gedacht, jeinen Hunger zu jtillen ?" — Aus diefem ganz ausnehmend ftarfen Nahrungsbedürfnis der Spibmäufe tft e3 wohl auch zu erflären, daß man namentlich im Herbft jo viele tot findet. Zumal in den Gärten wollte man fie dann immer für nächtliche Opfer von Kaben halten, die fie wegen des Mojchusgeruchs nicht jrejfen; Dobfon, der Naturgejchichtichreiber der Spikmäufe, jteht aber die wirkliche Urjache ihres Todes vielmehr in ungenügender Nahrung, und in der Tat wäre anders jchmwer ein- zujehen, warum die fleinen Leichen fich gerade im Herbit jo häufen jollten. Sm Berliner Boologijchen Garten hat man bei Haltung lebender Spigmäufe nicht den überzeugenden Eindrud gehabt, al3 ob dieje Tierchen fozufagen ununterbrochen frejien müßten, um am Leben zu bleiben. Man hielt dort auch eine Zmwergipismaus fange Zeit, bis zu ihrem Tode, mit einer jungen weißen Maus zufammen, und diefe wuchs heran, ohne daß Die Spibmaus ihr je etwas zuleive getan hätte. Die Stimme aller Arten bejteht in feinen, zwitjchernden oder quiefenden und pfei- fenden Lauten; in der Angjt lafjen fie Hägliche Töne vernehmen, und bei Gefahr verbreiten alle einen ftärferen oder jchwächeren Mojchus- oder Zibetgeruch aus bereit3 erwähnten, jeitlich am Körper liegenden Drüfen, der fie im Leben zwar nicht vor ihren Feinden jchüßt, jie aber doch nur fehr wenigen Tieren al3 genießbar erjcheinen läßt. ©o lajjen die Hunde, Kaben und Marder gewöhnlich die getöteten Spigmäufe liegen, ohne fie aufzufteljen, während die meijten Wögel, bei denen Geruchs- und Gejchmadsjinn weniger entwidelt find, fie al3 Nahrung nicht verfchmähen. „Ihre ärgjiten Feinde find die Eulen, namentlich die Schleiereulen. Ir 742 Gemöllen fand ich 1646 Spibmausjchädel; zwet bis drei Schädel enthält im Durchfchnitt jedes Gewölle, während auf jechs bis jieben Gemölle vom Waldfauz und auf etiva 60 von der Waldohreule nur ein einziger Spibmausjchädel fommt.” (Alltum.) Dieje Ergebniffe jind durch neuerliche Gemöllunterfuchungen Nörigs beitätigt worden. Die meisten Spigmäufe find fruchtbare Gefchöpfe; denn fie werfen zwijchen 4 und 10 Junge. Gewöhnlich fommen diefe nact und mit gejchlofjenen Augen zur Welt, entrideln jich aber rafch und find Schon nach Monatsfrift imftande, ihr eignes Gewerbe zu betreiben. Der Menjch kann unfere Tiere unmittelbar nicht verwerten; jo bleibt nırr der mittelbare Nußen, den die Spibmäufe bringen. DieferNußen muß fchon von den alten gyptern anerkannt morden fein, weil fie eine Axt von ihnen einbalfamiert und mit ihren Toten begraben haben. Bur Einzelbetrachtung übergehend, dürfen wir nicht verjchweigen, daß die Artbejtim- mung der Spigmäufe mit zu den fehtwierigjten Aufgaben gehört, die der Säugetierjyite- matif überhaupt geftellt werden fünnen; am lebenden Tiere ijt fie mitunter faum möglich. 3 Sn der eriten Unterfamilie vereinigt man die Spibmäufe im engeren ©inne (Sorieinae), die den Kern der Familie bilden. Dieje haben 23—32 Zähne, einen langen und ichmalen Schädel mit häutigen Stellen am Schädelgrunde, aber ohne Sochbogen, ver- twachjene Unterjchenfelfnochen und feine Schwimmbhäute zwijchen den Zehen. 18* 276 3. Ordnung: Snfeltenfrejjer. Yamilie: Spimausartige. 32 an den Spiben dunkelbraun gefärbte Zähne, und zwar 2 große Vorderzähne mit Hödern, 5 fleine einjpibige Lüd- und 4 vieljpisige Mahlzähne im Oberfiefer, 2 an den Schneiden mellenfürmig gezähnelte Vorder, 2 Lüd- und 3 Badzähne im Unterkiefer, ringsum an den Seiten mit Furzen und weichen Haaren umgebene Füße und Zehen und gleichmäßige und gleichlange Behaarung des Schwanges fennzeichnen die Spikmäufe im engften Sinne (Sorex Linn.), deren gemeinjte Vertreterin, die Waldjpigmaus, Sorex araneus Linn. (Taf. „Snjektenfrejjer 1”, 3, bei ©. 279), zu den häufigen Tieren unjers Baterlandes gehört. An Größe jteht die Waldjpismaus der Hausmaus etwas nach: ihre Länge beträgt 11 cm, wovon 4,5 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung des feinen Samtpelzes jpielt zwijchen lebhaften Notbraun und dem glänzenpditen Schwarz; Die Seiten Waldfpismaus, Sorex araneus Linn. (oben), und Hausjpigmaug, Crocidura russulus Herm. (unten; Text, ©. 290). Natürlihe Größe. ind immer fichter gefärbt al3 der Rüden, die Unterteile graulfichwei; mit bräumnfichem Anfluge, die Lippen weißlich, die langen Schnurren fchwarz, die Pfoten bräunlich, der Schwanz oben dunkelbraun, unten aber bräunlichgelb. Nach der wechjeinden Färbung hat man eine Neihe geographiicher Abarten unterjchieden, deren Herausbildung bei der aus- gevehnten Verbreitung Über ganz Europa nur natürlich exjcheint. Dlafius führt in feiner alten Haffischen Naturgejchichte der Säugetiere Deutjchlands drei Arten der Gattung Sorex auf und bemerft dazu, „Daß von fait allen Arten Sndividuen in auffallend Keinen Dimenfionen vorfommen”. &3 find dies außer der bereit3 gejchiderten Waldipimaus, S. araneus Linn. (vulgaris), Schwanz etwas fürzer al3 der Körper ohne Kopf, Die Alpenjpikmaus, S. alpinus Schinz, Schwanz über 11; mal fo lang als der Körper ohne Stopf, und die Smerajpigmaus, S. minutus Zinn. (pygmaeus), Schwanz etwas länger als der Körper ohne Kopf. Außerdem find noch Zahnmerkmale unterfcheidend. Anjchliegend an die Bejchreibung der Waldipibmaus gibt Blafius noch einige End- ergebnijje jeiner jorgfältigen Studien über die nicht nıre individuellen, fondern fogar zeitweife borfommenden Abänderungen der Spibmäufe. „Sch habe mehr als 200 Exemplare von Waldjpigmaus. 277 Sorex vulgaris, meijt in friichem Zuftande, die übrigen in Spirituserenmplaren, unterfucht und begreife e3 jehr wohl, daß man geneigt jein fann, nach den extremen Bildungen verjchiedene Arten aufzuftellen... Fat alle Spißmausarten fommen unter verjchtedenen, big jebt noch nicht vollftändig Har zu überblidenden Umjtänden mit auffallend abweichender Ent- twieelung der fleiichigen Teile, verjchiedener Dide der Lippen, des Rüjels, der Füße und des Schwanzes vor. ch habe ein und dasjelbe ndivivuum in der Gefangenschaft mit dicken, abgerundeten und mit Scharf vierfantigem, Schlanfem Schwanze, mit fleifchig angejchtwollenen und mit dünnen Lippen und jchlanfen Füßen beobachtet. Dieje Unterjchiede jehen aller- dings jehr nach wechjelndem Yutterzuftand aus, der bei der ungeheuren Gefräßigfeit der Spibmäufe wohl leicht eintreten mag! Die Tiere jahen einander in jo verjchiedenen Yu- tänden jo wenig ähnlich, dag man dem Habitus nach allerdings dverjchiedene Arten hätte vermuten fünnen. Auch auf die Färbung fann nichts Entjcheivendes gegründet werden; ich habe Individuen von einer gelbbraunen durch eine dunkel Fajtanienbraune bis zu ganz dunkler, fchtwarzbraumer Färbung in allen Übergängen gejehen. Die angeblichen Unter- jchiede find nicht einmal individuelle, jondern temporelle.” Blajius hat zahlreiche Eremplare bon verjchiedener äußerer Ausbildung erhalten, die in Gebiß und den Störperverhältnifjjen ganz und gar nicht von der gewöhnlichen Form abwichen. Englifh vereinigt in feinem allexliebjten photographiichen Werfchen ‚Some British Mammals“ („Nature Books“, Wr. 1) die Schilderung der beiden Landjpigmausarten jeines Baterlandes, der Wald- und Zmwergjpigmaus, und illuftriert fie durch eine Neihe lebhaft bewegter Augenblidsaufnahmen aus dem Freileben. Englifh erweift jich nicht nur als quter Freitierphotograph, fondern auch als jcharfer naturgejchichtlicher Beobachter, wenn er gleich eingangs daran erinnert, „daß der Slörper der Spikmaus unterfeßt und mwohlgerumdet if. ©o hängt ex tief zwwifchen den Gliedmaßen, und weil die Füße in rechtem Winkel jich) vom Körper abzufpreizen ftreben, find die natürlichen Bedingungen gegeben zu einer mehr ichlängelnden al3 laufenden oder fpringenden Bewegung. Das Borhandenjein eines Schlüjjelbeins (bei der Zmwergjpikmaus jchon mehr eine Schtweinsborjte) läßt vermuten, daß im täglichen Leben von den Vordergliedern erheblicher Gebrauch gemacht twird, und dies ift allem Anfcheine nach wirklich der Fall, obwohl ich niemals eine Spigmaus beim Graben beobachtete. Sie benußt nach Belieben Maus- und Maulwurfsgänge, und ich habe oft Spibmäufe, Wald- und Feldmäufe unter derjelben Baummurzel Hervorgeholt. Jr der Gefangenfchaft machen Wald- und Zmwergjpikmaugs flach bededte Gänge unter einer Dedung, twie fie fie eben haben, und jchlafen ganz gewohnheitsmäßig unter Dedung. Wenn man nad) einer einzenen Erfahrung beim Fallenftellen urteilen darf, jind jie bei Sonnenuntergang bejonder3 auf Futter erpicht; aber fie find Tag und Nacht tätig und das ganze Jahr hindurch. Sch Habe die Zwergjpigmaus um Mitternacht bei frengem Froft im Januar gefangen. Immerhin ift eg wahrfcheinlich, dat ein jcharfer Witterungsumjchlag auch die meiften Spibmäufe, wie andere Heine Säugetiere, zur Erjtarrung bringt... Stleine Schneden find ein bevorzugter Ledferbifjen, da deren Schalen zu zerbeigen die Spigmaus- fiefer ausreichen. Sch habe ein- oder zweimal gelegentlich tote Spibmäufe in meinen Fanggefäßen gefunden, die jich einen oder mehrere mittlere Schneidezähne rich ab- gebrochen hatten — Beweife, daß fich eine peinliche Verzweiflungstragödie abgejpielt hatte! Außer Kerb- und Weichtieren vertilgen die Spismäufe jedes Yas, Haar oder Feder, und wahrfcheinlich tun fie viel mehr Abdecerarbeit, al3 uns bewußt wird. Gewöhnlich jtehen fie beim Freffen richtig auf allen vieren; aber zumweilen, bei glatter Beute, twie z. B. einem 278 3. Ordnung: Snfektenfrefjer. Familie: Spißmausartige. Kegenmwurm, kommen jie mit den VBorderpfoten den Zähnen zu Hilfe. Sie lafjen nichts liegen, was jie beijen fünnen. Ein Regenwurm wird an einem Ende gepadt, von einer Seite der Schnauze zur andern gejchwenft und mit den rechten und Iinfen Badzähnen abivechjelnd zermalmt; fo wird er fürzer und fürzer, bis daS lebte Ende auch verjchtwindet. Ein großer Käfer wird am Kopf gefaßt und Diejer Teil zuert erledigt. Kleine Käfer ver- ichhoinden im ganzen, und jtets folgt dem biißjchnell eingenommenen Mahle eine ebenjo ichleunige Berdauung. Die durftige Spibmaus trinkt auf eine merkwürdig vogelartige Weije. Die Schnauze bejchreibt einen Heinen Bogen im Wajjer, und am Ende ihrer Schwingung richtet fie fich jenfrecht aufwärts. Die Stimme der Spikmaus, die fie beim Kämpfen aus eignem Antrieb von jich gibt und manchmal auch bei der Verfolgung eines Käfers, ift überaus ähnlich dem Tone der Grille und wird jicher oft mit Diejfem verwechjelt.” Man findet die Walojpigmaus in Deutjchland, Schweden, Cngland, Frankreich, Stalien, Ungarn und Galizien, wahrscheinlich auch im benachbarten NAubland, in der Höhe jowohl wie in der Tiefe, auf Bergen wie in Tälern, in Feldern, Gärten, in der Nähe von Dörfern oder in Dörfern jelbjt und gewöhnlich nahe bei Gewäljern. Jm Winter fommt fie in die Häufer over wenigjtens in die Ställe und Scheuern herein. Bei ung ift fie die gemeinfte Art der ganzen Zamilie. Sie bewohnt am Tebften unterirdijche Höhlen und bezieht deshalb gern Die Gänge des Maulwurfs oder verlajjene Mäufelöcher, falls jte nicht natürliche Riten und Spalten im Geftein entdect. Sr weichem Boden gräbt fie mit ihrem Nüfjel und den ihwachen Borderpfoten jelbit Gänge aus, die regelmäßig jehr oberflächlich unter der Erde dahinlaufen. Wie die meijten anderen Arten der Familie ift auch jie ein vollfommtenes achttier, Das während der Mittagsjonne nur ungern feinen unterirdischen Aufenthaltsort verläßt. Die Sonnenjtrahlen jcheinen ihr wirklich überaus unangenehm zu jein; menig- tens nimmt man an, daß Die vielen toten, die man im Hochjommer an Aegen und Gräben findet, von der Sonne geblendet, den Eingang ihrer Höhle nicht wieder auffinden fonnten und deshalb zugrunde gingen. Blajius jchreibt: „Die Waldjpismaus Hält jich am Tiebiten in feuchten Waldgegenden auf, auch an Flüjjen und Teichen, befonders wenn Strauchwerk in der Nähe ift. Doch jehwimmt fie freiwillig gar nicht und geht ihrer Nahrung nur auf dem Trodnen nach. Sie benubt die Röhren der Maulwürfe und Erd- mäufe, gräbt fich jedoch auch furze Röhren jelber, die in mehreren Offnungen, die auch im Schnee gangbar gehalten werden, an der Oberfläche münden. Dieje Spigmäuje fommen nachmittags jchon 2—3 Stunden vor Sonnenuntergang zum Borjchein, zumeilen jogar Ihon am Mittag, laufen in den ausgetretenen Gängen ziwilchen den Röhrenöfinungen mit großer Haft und Beweglichleit umher und lafjen jich, two fie einander begegnen, auf lauten und blutigen Kampf ein. Nur in der Fortpflanzungszeit halten fie jich paarweije jriedfich in ihren Aöhren zufammen auf... Im Winter jieht man fie Häufig in ihren ausgetretenen Gängen im Walde oder an Walorändern auf dem Schnee untherlaufen.” Tach Altum bewohnt die Waldjpikmaus nicht bloß die vom Tierleben bevorzugten Waldränder, jondern auch die Waldesmitte und hält fich hier in Mäufe- und Maulwurfs- töhren, unter abgefallenem Laube gern in unmittelbarer Nähe der ftarfen Stämme ver- jtedt. „sch habe fie fchon tief im Kiefernhochwalde an jolchen Stellen gefunden. Sienährt jich dort ohne Zweifel wohl vorzugsweife von den oft mafjenhaft vorhandenen Raupen und Puppen. Man hat auch fchon beobachtet, daß fie an rauh-borkigen Kiefernftämmen nach Nonneneiern emporflettert. Sowohl wegen diejes ihres Aufenthaltsortes als auch) wegen ihrer großen Häufigkeit ift fie die einzige inländische Spibmaus, der wir mit Grund Iniektenfreiier 1. 1. Tanrek, Centetes ecaudatus Schreb. I nat..Gr., 5.8263: — W:S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 2. Jgeltanrek, Ericulus setosus Schreb. 4 nat. Gr., s. S. 265. Dr. ©. Heinroth -Berlin phot. ee ar ü 3. Waldipigmaus, Sorex araneus Linn. 5/; nat. Gr., s. S. 276. — P. Kothe-Berlin phot. 4. Schlitrüßler, Solenodon paradoxus Brdt. 4 nat. Gr., s. S.268. — Aufnahme aus National Zoological Park-Washington, U.S.A. z Waldjpismaus: Heimat. Aufenthalt. Lebensweife. 279 eine getwilje forjtlihe Wichtigkeit einräumen müjjen. In Eüdungarn fieht man namentlich im NRiede die Waldipismaus häufiger... ; nach Anjicht der dortigen Jäger fällt jie der Sagdluft, aber nicht dem Uppetite der Füichje bei deren nächtlichen Wanderungen zum Dpfer, da man ojt genug ihre Kladaver auf Waldiwegen findet. Kochan fand in der Nord- tatra auch nicht felten Spimäuje (aber ausschließlich Waldipigmäufe), die er für fallen- gelaffene Beute verjchiedener Raubtiere hielt; er überzeugte jich jedoch, daß dieje gegen Kälte jeher empfindliche Art dem Froft erlegen war. Dieje Beobachtung it um jo merk mwirdiger, als Kolenati die Öffnungen zu ihren Laufröhren auch im Schnee gangbar fand, während nach Kochans Beobachtung ein Eremplar, das in eine ausgejahrene Schlittenjpur geraten war und aus dem Schnee fich nicht eilig genug zurücdziehen konnte, in einer halben Minute eritarıte!" (Miojiijovics, „Tierleben der öfterreich.-ungar. Tiefebenen”.) Die Bewegungen der Waldipikmaus find außerordentlich rajch und behende. Ste läuft Hufchend gewandt auf dem Boden dahin, [pringt ziemlich weit, vermag an jchiefen Stämmen emporzuffettern und verjteht im Notfalle ganz leidlich zu fchwimmen. Unter den Sinnen jteht unzweifelhaft der Geruch obenan. Es kommt oft vor, daß lebend gefangene, die wieder freigelafjen werden, in die Falle zurüclaufen, bloß weil diejfe den Spibmausgeruch an fich hat. Unaufhörlich jieht man die Spibmaus bejchäftigt, mit ihrem Nüfjel nach allen Rich- tungen hin zu fehnüffeln, um Nahrung zu juchen, und was jte findet und übermältigen kann, ijt verloren: fie frißt ihre eignen Jungen oder die getöteten ihrer eignen rt auf. „Sobald wir al Sinaben“, erzählen die Gebrüder Müller, „Spismäujfe im Meijenfajten fingen, fanden mir fie tot darin, wenn wir auch erjt vor 2 oder 3 Stunden nach dem Mehlwurm gejehen hatten, den wir al Locjpeife für Zaunfönige angebracht hatten. Cbenjo leicht erftarren die Tierchen in Falten Nächten oder am frühen Morgen im Spätherbjt oder Winter, wenn fie in engen Räumen gefangen fiben, die ihnen feine geniigende Bewegung gejtatten. Bor allem aber verlangen fie fortwährende Befriedigung ihrer Freßbegier.” — „sch Habe“, jagt Lenz, „oft Spigmäufe in Stiften gehabt. Mit Fliegen, Mehlwürmern, Regenwürmern und dergleichen find fie faft gar nicht zu fättigen. ch mußte jeder täglich eine ganze tote Maus oder Spikmaus oder ein Wögelchen von ihrer eignen Größe geben. Gie frejjen, jo Hein fie find, täglich ihre Maus auf und Yaffen nur Fell und Knochen übrig. So habe ich fie oft recht fett gemäftet; läßt man fie aber im geringften Hunger leiden, jo fterben jte. Sch Habe auch verfucht, ihnen nichts al8 Brot, Nüben, Birnen, Hanf, Mohn, Nübjamen, Kanarienfamen ujtw. zu geben; aber fie verhungerten lieber, al3 daß fie anbijjen. Befamen jie fettgebacfnen Kuchen, jo bijjen fie dem Fett zuliebe an; fanden fie eine in einer Falle gefangene Spibmaus oder Maus, jo machten fie fich augenblidlich daran, fie aufzufreljen.” Ticgudi gibt von der Waldipigmaus, die er für die Bergregion unter den Vierfüßern des unteren Gebirges aufführt, an, daß fie „ven Eidechjen und Adermäufen auflauert, ihnen fuchsartig auf den Naden jpringt und fie auffrißt”. Welder band einer lebenden Spib- maus einen fejten Faden an den Hinterfuß und ließ fie auf dem Felde in die von Mäufen bewohnten Löcher Frieden. Nach kurzer Zeit fam aus dem zulebt verjuchten Gange eine Acermaus in größter Angft Hervorgefrochen, aber mit der Spibmaus auf dem Rüden. Das gierige Raubtier hatte fich mit den Zähnen im Naden des Schlachtopfers eingebijjen, tötete e3 in furzer Zeit und fraß es auf. Auffallend ift, daß die Spikmäufe nur von wenigen Tieren gefrejjen werden. Die Kaben töten fie, mwahrjcheinlich, weil fie anfangs fie für eine gewöhnliche Maus halten, beißen fie aber nur tot, ohne fie jemals zu frejjen. WUuch die Maxderarten jcheinen jie zu 280 3. Ordnung: Snfektenfrefjer. Familie: Spigmausartige. verfchmähen. Blof einige Raubvögel fowie der Storch und die Streuzotter verjchlingen fie ohne Umftände und mit Behagen. edenfalls hat die Abneigung ber fein witternden Säuge- tiere ihren Grund in dem Widertillen, den ihnen Die Ausdünftung der Spigmäufe einflößt. Diefer ftarfe, mojchusartige Geruch wird Durch die obengenannten Geitendrüjen herbor- gebracht und teilt fich allen Gegenftänden mit, Die von der Spihmaus berührt werden. 63 gibt wenig andere Tiere, die jo ungejellig find und fich gegen ihresgleichen jo ab- icheulich benehmen wie eben die Spißmäufe; bloß der Maulwurf dürfte ihnen hierin noch gleichfommen. Nicht einmal die verjchtedenen Öefchlechter leben, die Baarzeit ausgenommen, im Frieden miteinander. Beim Zweifampf der Spißmäufe twaltet, nach Englifh, zunächit auf beiden Seiten große Vorjicht. Dann „gehen die Kämpfer mit weit ofjnem Rachen quiefend und Inurrend vor, drehen fich rund umeinander, jpringen quer übereinander und gegeneinander. Shre Sprünge mit allen vier Füßen find, wenn man die Stürze der Ölied- maßen bedenkt, äußerft gejchiet und Fräftig. Endlich faßt einer oder der andere irgendwo fejt, oft am Schwanze des Gegners, und der wirkliche Kampf beginnt. Cie halten feit, Kopf an Schwanz und Schwanz an Kopf und Fugeln tie ein lebender Ball umber, bis diefer Ball fich felbft Yosläßt. Nach einigen Sefunden Ruhe, während deren oft beide auf dent Kücden Hegend ihre Herausforderung quiefen, beginnt der zweite Gang und nach Diejem ein dritter, vierter und fünfter. Sch Habe niemals einem Zweifampf mit tödlichem Aus- gang beigewohnt; aber unter ebenbürtigen Gegnern muß e3 eine langtvierige Sache Jein, die nur mit der vollfommenen Erfchöpfung des einen oder andern Kämpfers endet.” Die trächtige Spigmaus baut jich ein Nejt aus Moos, Gras, Laub und Pflanzen- ftengeln, am fiebjten im Mauerwerk oder unter hohlen Baummurzeln, verjieht e3 mit mehreren Geitengängen, füttert e8 weich aus und wirft hier zwijchen Mat und Juli 5—10 Sunge, die nadt und mit gejchloffenen Augen und Ohren geboren werden. Anfänglich fäugt die Alte die Sprößlinge mit vieler Zärtlichfeit, bald aber erfaltet ihre Liebe, und die Jungen machen fich nun auf, um fich felbjtändig ihre Nahrung zu erwerben. Dabei ichwinden, wie bemerkt, alle gejchwifterlichen Nücdjichten; denn jede Spigmaus verfteht ichon in der Jugend unter Nahrung nichts anderes als alles Fleijch, das fie erbeuten Tann, jeien e8 auch die Xeichname ihrer eignen Gejchwijter. Die jpät im Jahre geborenen Jungen erreichen, nach Blafius, die gewöhnliche Größe nicht. English ift nicht überzeugt, Daß Die Spibmäufe eine regelmäßige Fortpflanzungszeit Haben, neigt vielmehr zu der Annahme, dah ihre Fortpflanzung von günftigen Temperatur- und Witterungsbedingungen abhängt. tun noch eine Beobachtung von Cartrey, die die Gebrüder Müller in ihren „Tieren der Heimat” wiedergeben: Diefer „Jah, wie ungefähr hundert Spikmäufe, in Gejell- ichaft vereinigt, pfeifend und, foweit er beobachtete, friedfich verfehrend hin und her Tiefen. Unfteeitig trat diefe Erfceheinung in einem Jahre auf, wo die Spikmäufe fich ungemwöhn- lich zahlreich vermehrt hatten. E3 gibt nämlich auch für die Spibmäufe jogenannte Mäufe- jahre. Tber die Bedingungen, unter denen fie fich in fo ungewöhnlicher Weife vermehren, laffen fich ebenfowenig untrügliche Merkmale und Negeln bezeichnen wie bei der Ver- mehrung der Feldmäufe. Sicherlich aber morden fich gerade bei wuchernder Überhand- nayme die Spitmäufe untereinander ganz befonders häufig, weil da die Begegnung biel- fältiger ift und die Veranlaffung zu Streit öfter wiederfehrt." Vielleicht handelte es fich um eine großartige Freierei? — Eine zweite englifche Schilderung einer Spikmausver- jammtung aus „Field“ (Nr. 2987, 1908) ift noch merfwiürdiger, weil dabei beobachtet wurde, daß fünf oder fechs der eins hinter dem andern herziehenden Tierchen, die aus einer Waldfpismaus. Alpenfpismaus. Bmergfpitnaus,. 281 Grenzhede die Wegböjchung herabfamen, Feine Stöde trugen. Zwei von diejen konnte der Beobachter fammeln: fie jchienen an beiden Enden abgenagt, waren etiva 4 cm lang und mehrere Millimeter dic, für ein jo Kleines Tier, wie eine Spikmaus, immerhin eine an- jehnliche Laft. Eine Erklärung diejes VBorganges fehlt vollitändig. Jatio bejchreibt und benennt zwei merkiwirdige jchweizerifche Abänderungen der Walojpibmaus: Varietas nuda aus dem Berner Oberland mit fchuppigem Schwanz und Jüßen, ohne eine Spur von Haar, und Varietas nigra aus der Gegend von Luzern mit oben dunklem, maulwurfartigem Samtfell und dichtbehaartem Schwanz und Beinen. Über die Alpenfpikmauz, Sorex alpinus Schinz, deren Färbung er al3 oberjeits „graujchtvarz oder jchwarzgrau mit einem fchiwachen bräunlichen Anflug“, unterjeits „ettvas heller jchwarzgrau mit weiblichen Anflug, beide Zarben unmerflich ineinander übergehend“ bejchreibt, jagt Blafius: „Längere Zeit war dieje Urt nur am Sankt Gotthard befannt. Andreas Wagner hat jie im Jahre 1846 in den öftlichen Alpen, bei Berchtesgaden, Barten- ficchen und Tegernjee nachgewiejen. ch habe fie im Jahre 1844 im oberen Obtal und im Bilper Tal oberhalb Zermatt, im Jahre 1847 im Chamonirtal und an der Grimfel, im Jahre 1850 auf dem Napfeld bei Gaftein, im Jahre 1852 oberhalb Heiligenblut am Fuße des Großglodners erhalten. Sie jcheint demnad) die ganze Ulpenfette zu bewohnen. Diefe Art it ein entjchiedener Waldbervohner und fommt am häufigiten in der obern Tannenregion wie der Strummbolzregion vor. Sn den Alpen findet man fie vom Fuße des Gebirges an bis zu Höhen von ungefähr 700 Fuß. Auch je liebt feuchte, mafjerreiche Gegenden, ohne jchwimmenDd ihrer Nahrung nachzugehen.” Tchudt nennt in feinem „Tier- leben der Alpentwelt” unfer Tierchen „eine feltene, interejiante Alpenjpezies, die am Sotthardpafje bis in die Mlpenhütten kommt und in den Milchgefäßen ertrinkt... Es ift ein noch zu löjendes NRätjel, wovon fich diejes injeftenfrejjende Tierchen während der acht Wintermonate feiner Negion ernähren mag.” uch der Genfer Zoolog Fatio findet die Alpenjpigmaus recht jelten im Lande; doch joll jte im franzöfiichen Jura häufiger vor- fommen. Gie fiedelt fich gern im Gebüjch am Ufer der Ninnjale und Wildwäljer an, nährt jich Dort von Snjekten und wahrjcheinlich auch Heinen Wirbeltieren. — Mojjtjovics führt die Alpenjpi5maus auch für die Karpathen an: „Nach Kocyan Fann fie in der Tatra im Kadelwalde an den Wurzeln ftarfer Stämme oder Windwürfe zu jeder Jahreszeit, Sommer und Winter, gejehen werden; jie verträgt die Stälte bejjer als ihre Verwandten. Junge Tiere fand Kocyan im Mai und Auguft; fie waren Dunkler al3 die Ulten und durch fehr bariterende Schiwanzlänge ausgezeichnet. Merkwürdigermweife wurde diefe Art auch in Kiederöfterreich in der bejcheivenen Seehöhe von 434 m in Grejten (Viertel Ober-Wtener- Wald) und in Hojbauden für das Niejengebirge nachgemiejen; in Stebenbürgen jcheint jie zu fehlen, auch Bielz nennt jte nicht.“ Die Zwergfpibmaus, Sorex minutus Zinn. (pygmaeus), das Heinjte Säugetier nörd- lich der Alpen, ift oben dunfel graubraun oder braungrau, nach der Seite hin mit gelblichen Anflug, unten weißgrau gefärbt; beide Zarben gehen an den Seiten des Bauches allmäh- lich ineinander über. Sie hat, nad) Blajius, „eine ausgedehnte Verbreitung, da jte fast aus allen Ländern Europas, aus Nordafien und Nordaftifa bekannt tft. Yange Zeit glaubte man fie ausschließlich in Sibirien verbreitet. Gloger wies fie zuerjt in Deutfchland, im Jahre 1825 in Schlejien, nach, nachdem Bechtein je jchon 1789 aus Thüringen erwähnt, aber nicht als 282 3. Ordnung: Snfektenfrefjer. Familie: Spigmausartige. Urt unterjchieden hatte. Darauf wurde jie in verjchiedenen Gegenden Deutjchlands, in Mecklenburg, Holitein, Sachjen und Bayern, angetroffen und bejonders häufig von Lenz in Thüringen gefangen. m Yahre 1833 fand fie Selys-Longehamps in Belgien, im Jahre 1838 Jenyns in England und Jrland, im Jahre 1841 Steenftrup in Dänemark. Mori Wagner hat jie in Dran entdedt. ch jelber habe fie am Niederrhein, in Braunjchtveig, im mittleren Dalmatien und in Nordrußland aus der Gegend von Uftjugwelifi, gegen den 61. Grad nördl. Br., erhalten. &3 jcheint, daß fie innerhalb der angegebenen Grenzen zienm- lich allgemein verbreitet, Doch nirgends häufig ift. Unter etwa 200 Eremplaren von Sorex vulgaris habe ich faum 20 von Sorex pygmaeus erhalten.“ Altınm gibt der Ziwvergjpismaus, unferm Kleinsten deutichen Säuger, „nur 7 cm Total- länge, von welcher der lange, von feiner Mitte bis zur Spiße fehr fleijchige, gleichmäßig be- haarte Schwanz 3,4 em einnimmt. Yuch der Niüffel ijt auffallend lang und die, Die Belzfarbe fonftant, oben ajchbräunlich, nach der Bauchjeite zu allmählich etwas heller verlaufend”. Die Ziwergjpismaus teilt mit der Waldfpigmaus ungefähr denjelben Aufenthalt, zieht jich jedoch im Winter aus der Umgegend größerer Landgüter in die Gebäude, z.B. Scheumen, zurüc. „Forftlich ift dieje Art Feinesiwegs gänzlich unwichtig”, bemerkt Altum, „sie jteht je- doc, der Waldjpigmaus ihrer geringen Größe, namentlich aber ihres eben nicht häufigen Vorfommens wegen in diefer Hinficht weit nach. Bemerfen muß; ich jedoch, daß fie hier um Eberswalde feinesmwegs felten ift. Wo 3.8. zum Schuße von Eichen gegen Mäufe jenk- rechte Umfaffungsgräben mit Falltöpfen angebracht werden, liefert fie die zahlreichiten Dpfer, und außerdem fieht man fie auf dem Anftande überall im Walde umbherlaufen.” — Die Gebrüder Müller erzählen: „Wir nahmen fie öfters in der Nähe eines von Gebüfch der verjchievenften Holgarten ummwachjenen Teiches unferer alten Heimat (Friedberg in Helfen) auf feuchtem Laubboden wahr, wo twir fie zu verjchiedenen Malen auch in Meifenkaften jingen, die Mehlwürmer als Köder enthielten. Die Tierchen können nicht lange Hungern und dürfen ebenjowenig längere Zeit der falten Morgen- oder Ubendluft ausgejebt fein; venn jie erjtarren dann leicht. Häufig fanden wir auch morgens von Slasen totgebijjene Erenplare auf den feuchten, jchattigen Wegen Des tiefgelegenen PBarkteils.” - Nach Tichudi joll die Ziverajpigmaus von Conrado von Baldenftein im Dontlejchg, dem einzigen Fund diefer Art in der Schweiz, al3 Feindin der Bienenftöde entdeckt worden fein. Nach Fatio ift jie auch jpäter in diefer Gegend der Schweiz bis Thufis (im Zal des Hinterrheins) nie wieder beobachtet worden; Fatio onnte jie jich bis zum Erjcheinen jeiner „Schweizer Fauna” (1869) überhaupt aus der Schweiz nicht verjchaffen. Er be- zmweijelt daher ihr Vorkommen in der Schweiz, übernimmt wenigjtens feine Verantwortung für die dahingehenden Angaben. Auch Mojfifovics jpricht von „eigentümlicher Verbreitung” der Jwergjpibmaus, „Die auch nicht jedes Jahr dort auftritt, too fie im vorigen Jahre jichtbar war. Aus Niederöiterreich fennen wir jie aus Weidlingau bei Wien, aus Zwettl an der Kamp; fie fommt vor in Nordtirol, in den nördlichen Provinzen und in Dalmatien. In Ungarn ift jie meines Wiffens mehr Gebirgsform; Kocyan entdedte fie 1879 in Dravib (Tatra), Kornhuber fennt fie gar nicht, und in Siebenbürgen bewohnt fie, nad) Bielz, jonnige, jandige Hügel bei Hermannftadt, Nagy-Enyed ufw. Ir Lehrbichern fennt man fie aus fait ganz Europa; aber brauchbare Fundortnoten find minimal, in zahlreichen Gegenden fehlt fie, auch unter günftigen Umftänden, völlig.” Scharff führt die Zwergfpismaus auch für die Orney-Injeln zivifchen Nordfchottland und den Shetlands an, zufammen mit der Orfney-Feldimaus, Microtus orcadensis, die nur dort vorkommt. Zwergjpigmaus. Bendires Spitmaus. Cooper3 Spismaus. 283 Die Spikmaus jcheint aljo dort feine bejondere Art zu bilden, und wenn man die un- geheueren Berbreitungsgebiete bedenkt, die für Wald- und Zwergjpißmaus von Trouejjart angegeben werden — für die erjtere Europa und Nordajien von Großbritannien bis Djt- jibirien und von Lappland bis Griechenland und Turfejtan, fir die leßtere ebenfalls Europa und Nordafien von Spanien bis zum Amur und von Skandinavien bis Südfrankreich und Tirol! — jo möchte man überhaupt die Neigung der Spibmäufe zur AUrtbildung und geo- graphiichen Abänderung nur äußerjt gering veranjchlagen. Wie ftimmt aber damit Die große Neigung nicht nur zu individueller, jondern jogar zeitiweije eintretender Abänderung, die anderjeit3 wiederum behauptet wird? Und wie jtinmt damit die wahrhaft endloje Nteihe amerikanischer Spigmausarten der Gattungen und Untergattungen Sorex, Microsorex, Neo- sorex, Atophyrax, Blarina, Cryptotis, Notiosorex, die im Trouejjartichen Säugetierfatalog ganze Seiten füllen mit Heintatsangaben, die wohl Ulasfa, Kanada und Labrador einer- jeits, Benezuela, Guayana und Surinam anderjeits jorwie alles Land dazwijchen betreffen, für jede Gattung und Art aber nur ein jehr wohl begrenztes Verbreitungsgebiet gelten lafjen? Hier fanıı man fich des Eindrudes nicht erwehren, daß die altweltliche Spibinaus- forichung Hinter der amerikanischen weit zurüdgeblteben tt und viel nachzuholen hat. Sm übrigen finden wir bei den amerifanifchen Spigmäufen ähnliche Größenunter- jchtede wie bei den altweltlichen. Bendires Spibmaus, Atophyrax bendirei Merr., aus den Weitjtaaten Dregon und Kaltfornien ift die größte und Coopers Spibmaus, Sorex cooperi Bachm., aus den Keuenglandjtaaten die Keinjte. Die leßtere hat jozujagen jchon maulwurfähnlicde Gewohnheiten, wie wir bei Hart Merriam lejen, dem ausgezeichneten amerikanischen Yauniften und Leiter der ganz fyjtematifchen Ducchforjchung der nordanteri- fanifchen Tierwelt, wie fie ducch die Smithjonian Inititution in Wafhington jeit ven legten Sahrzehnten ftattgefunden hat. Cooper3 Spibmaus ‚lebt zivar nicht wirklich unterirdijch, aber jie vermeidet e3 doch, fich frei zu zeigen, beivegt jich vielmehr — und zivar bei Tag und Nacht — gewöhnlich unter der Dede der abgefallenen Blätter, Ziveige und des Murms, der ftet3 auf dem Boden in unjeren nördlichen Wäldern die oberjte Schicht bildet. Der Foricher und Sammler weit jeher wohl: das Geräujch feiner Fußtritte verjcheucht vieles Tierleben, das twieder erjcheint, jobald die Ruhe hergeitellt ift. Deshalb jteht er auf jeinen Gängen durch den Wald oft ftill, um zu horchen und umzujchauen. Dabei tönt manch- mal ein leifes Nafcheln an fein Ohr. E3 geht fein Wind, aber das Yuge haftet an einem gefallenen Blatt, das fich zu bewegen jcheint. Yebt regt fich noch ein anderes, und ein drittes dreht fich vielleicht ganz um. Da erjcheint ein flüchtiges Etwas, wie der Schatten einer winzigen Maus, und verjchmwindet wieder, ehe Das Auge jein Bild richtig fejthalten Fanı. Gleich jlibt das raftlofe Geiftchen über eine freie Stelle, ohne eine Spur zu hinterlajjen. Aber eine Ladung feinen Schrotez, mit rafchem Zielen auf das nächite Blatt gejeßt, das jich bewegt, wird uns gewöhnlich das Rätjel löjen. Wir finden den Urheber der geheimnisvollen Bewegung in einem merkwürdigen jpisnäfigen Gejchöpf, nicht größer als ein Kleiner Finger und faum jchiverer al3 eine halbe Drachme (noch feine 2 g). Seine unaufhörliche Tätigkeit und die Schnelligkeit, mit der e3 von Ort zu Ort Hufcht, jind wahrhaft erjtaunlich und er- lauben dem Beobachter jelten, einen richtigen Eindrud feiner Geftalt zu gewinnen. Lo ein Baum oder diefer Aft zur Exde fällt: Diefe Spigmäufe finden ihn bald, unterfuchen ihn jorg- fältig überall, und wenn fie ein Aftloch oder einen Spalt entdeden, der in eine Höhlung führt, fehlüpfen fie ficher hinein, tragen Neitjtoffe ein und erareifen förmlich Bejib.‘ 284 3. Ordnung: Snjeftenfrefjer. Familie: Spikmaußartige. Die Moorjpismaus, Neosorex palustris Richardson, aus dem Gebiete der Nody Mountains, und der Wafjerläufer, N. hydrodromus Dobson, von den Alduteninfeln unterjcheiden fich und ihre Untergattung Neosorex Baird dadurch, daß ihre Füße mit langen Haarjranjen bejegt jind als Hilfsorgan für ihr Wafjerleben: eine deutliche Annäherung an die Wajjerjpigmaug (Gattung Neomys Kaup). Von den übrigen amerifanifchen Spigmäufen gehen wir mit hydeffer nur noch auf die Furzjchwänzigen oder jchiwanzlofen Formen der Gattung Blarina Gray ein, die fich außerdem durch die abgeftugten Ohren unterfcheiden; einige von ihnen haben diefelbe Anzahl Zähne wie die gewöhnlichen Spigmäufe, andere nur 30. Der Wechjel in der Größe ijt bei den verjchiedenen Arten diefer Gattung beinahe fo ausgeprägt tie bei der vorigen. Die gewöhnliche Kurzihwanz-Spigmaus, B. brevicauda Say, fommt in den Adiron- dafbergen bei Net York vor und ift dadurch bemerkenswert, daß fie während des ganzen frengen Winters ihrer Heimat munter bleibt: man hat fie bei —20° auf dem Schnee herumlaufen fehen. Diefe abweichende Lebensweife hängt zufanmen mit ebenfo aus- gejprochenen Eigenheiten in der Ernährungsmweife diefer Art, die gleicherwveife die dichten Fichtenmwälder der unfultiverten Gebiete, tie die freien Flächen der bevölferten Gegenden bewohnt. „‚Dieje Spikmaus”, fagt Merriam, „fucht ihr Futter bei Tag und Nacht und, wenn jie auch den größten Teil ihres Lebens zweifellos unter der Erde zubringt oder wenigftens unter Fallholz und Blättern und zwifchen Baumwınzeln und Stümpfen, macht fie doch gelegentlich Ausflüge ins Freie: ich Habe mehrere im hellen Tageslicht getroffen und ge- jammelt. ©ie lebt von Buchedern, Infeften, Regentirmern, Nactichnecen, Affen und Mäufen und Fann nicht anders denn al Freund de3 Landwirts angefehen twerden.” Bei diefem Nahrungsverzeichnis einer Spigmaus ift die Angabe einer Pflanzenkoft (Buchedern) bemerfensmwert. Schließlich gehören als eine Art Gegenftüd zu den Negenwurmvorräten unjeres Maulwunrfes noch die Schnedenhäufchen der Kınzichwanzipikmaus hierher, die Franklin Shull im Staate Michigan näher beobachtete, nachdem Neighard dort „mehrere Häufchen von Schneden (Polygra-Arten) auf dem Schnee gefunden hatte. Danach hat das Tier die bisher noch nicht befannte Gepflogenheit, Nahrungsmittelvorräte, und darunter Schneden, in großem Mafftabe anzuhäufen und an fühlen Orten aufzubewahren“, und siwar pfleat es „die Schneden bei altem Wetter an die Oberfläche, bei wärmerem Wetter unter die Erde zu bringen.” Eine abweichende Lebensform der Spigmäufe it die Wafferfpigmaus (Gattung Neomys Kaup), von der auch die neuejte Shftematif bis heute nur die eine altbefannte, jeit 1756 fchon von Pallas benannte europäifch-afiatifche Art, N. fodiens Pall., mit einer Unterart, N. minor Miller, aus den Pyrenäen fennt. Mit ihr beendigen wir die Unter- jamilie der rotzähnigen Spikmausartigen im engften Sinne (Sorieinae), und wir dürfen jie vielleicht als eine Art Bindeglied zwijchen den beiden Unterfamilien, Waldipigmäufen (Soricinae) und Feldipißmäufen (Crocidurinae), anfehen. Denn abgefehen von der Ge- ftaltung des hintern Hafens der oberen Vorderzähne und der dunfelbraunen Färbung der gahnjpisen ftimmt das Gebiß der Wafferf pismäufe mit dem der unten gejchilderten WBimperjpigmaus in der Anzahl und Anordnung der Zähne überein. „‚Dierotbraune Färbung der Zahnjpiben ift übrigens”, fagt Blafius, „‚Keineswegs eine zufälfige Huferlichkeit, da fie Ihon am Embryo vorkommt und fich exft im hohen Alter, doch nie ganz, abnußt.” Die Moorjpismaus. Kurzihmwanzfpismaus Wafjerfpigmaus. 285 Wafjeripigmäufe unterjcheiden jich jedoch wejentlich von den Feldipismäufen dadurc), daß ihre Füße und Zehen ringsum an den Ceiten jteife Borjtenhaare tragen und der auf der Dberjeite gleichmäßig furz behaarte Schwanz längs der Mitte der Unterjeite einen Stiel von ebenfolchen Boritenhaaren zeigt. | Die Wajjerijpikmaus, Neomys fodiens Pall., ein in jeiner Färbung vielfach ab- änderndes Tier, gehört zu den größeren Arten der bet ung vorfommenden Spibmäufe. Shre Gejamtlänge beträgt 11,3 cm, wovon 5,3 cm auf den Schwanz fommen. Der feine, dichte und weiche Pelz ift gewöhnlich auf dem Oberkörper Schwarz, im Winter glänzender Bajjerfpitmaus, Neomys fodiens Pall. Natürliche Größe. al3 im Sommer, auf dem Unterfürper aber graumweif; oder weiblich, zuweilen rein, mancd)- mal mit Graujchwarz teilmweije gefledt. Die Haare des Velzes ftehen jo Dicht, daß jie voll- fommen aneinanderjchliegen und feinen Wafjertropfen bis auf die Haut eindringen lajjen. Die Shwimmbaare, die nach dem Alter und der Jahreszeit länger oder Fürzer find, lajjen lich jo ausbreiten, daß fie wie Die Zinfen eines Slanımes auf jeder Seite der Fühe hervor- teen und auch wieder jo Frapp an die Seiten Ddiejer Teile anlegen, daß man fie wenig bemerkt. Sie bilden, gehörig gebreitet, ein jehr vollfommenes Nuder und leijten vortreff- liche Dienjte. Beim Laufen fönnen jie jo angedrüct werden, daß fie hinlänglich gegen die Abnusung geihügt jind. Eine weitere Anpafjung an das Wajfjerleben tritt in der Ausjtattung des äußeren Ohres zutage. „Die Ohrmufcel zieht jich Halbmondfürmig ettwas Ichräg nach Hinten und unten um die nadte Ohröffnung herum, in deren unterem Winkel der Gehörgang mündet. m Innern der Ohrmufchel befinden fich zwei ebenfalls ab- gerundete Hautlappen, die mit der Obrmufchel zwei tafchenförmige Vertiefungen bilden; die obere verläuft etwas jchräg nach Hinten und unten, die untere fchräg nach vorn und unten, fajt in der Richtung der Mundjpalte, und beide jind, wie die Ohrmufchel felber, am 286 3. Ordnung: Snfektenfreffer. Familie: Spibmausartige. vorstehenden Nande lang behaart. Sobald jich die Ohrmufchel mit ihren Stlappen nad) born umschlägt, ift die Ohröffnung von außen ganz gejchlofjen.” (Blafius.) Tie es fcheint, ift die Wafjerjpigmaus über fait ganz Europa und einen Teil tens verbreitet nd an geeigneten Orten überall Häufig. Ihre Nordgrenze erreicht fie im Eng- fand und in den Oftfeeländern, ihre Südgrenze in Spanten und Stalien. Syn Den Ge- birgen fteigt fie zu bedeutenden Höhen empor, in den Alpen etiva bis zu 2000 m über dem Meere. Sie bewohnt vorzugsweije die Gemäljer gebirgiger Gegenden und am liebjten folche, in denen e3 auch bei der größten Kälte noch offene Quellen gibt, weil diefe ihr im Winter, um frei au und ein zu gehen, ganz unentbehrlich find. Bäche gebirgiger Wald- gegenden, die reines Wafjer, fandigen oder Fiefigen Grund haben, mit Bäumen bejeßt find und von Gärten oder Wiejen eingejchlojjen werden, fcheinen Lieblingsorte von ihr zu fein. Ebenjogern aber hält fie fich in Teichen mit hellem Wafjer und einer Dede von Meerlinjen auf. BZumeilen findet man jie hier in erjtaunlicher Menge. Dft wohnt jte mitten in den Dörfern, gern in der Nähe der Mühle; Doch ift fie nicht an das Wafjer gebunden, läuft vielmehr auch auf den an Bächen liegenden Wiejen umher, verfriecht jich unter Heufchobern, geht in Scheuern und Ställe, jelbit in das Innere der Häufer, und fommt manchmal auf Felder, die weit vom Wafjer entfernt jind. Ar Ioderem Boden nahe am Wajjer gräbt fie jich felbjt Nöhren, benußt aber Doch noch fieber die Gänge der Mäufe und Maulmwürfe, die fie in der Nähe ihres Aufenthaltsortes vorjindet. Ein Haupterfordernis ihrer Wohnung ilt, daß die Hauptröhre verjchiedene Ausgänge hat, von denen der eine in das Wajjer, die anderen über dejfen Oberfläche und noch andere nac) dem Lande zu münden. Manc)- mal wählt fie aber noch ein ganz anderes Lager für fich und ihre Nachfommenjchaft, wie die folgende Beobachtung von E. Evefter-Göttingen beweilt („Yool. Garten“, 1886). Er fand überrafchenderweije das Neft einer Wafjerfpißmaus auf dem Gipfel eines Hügels, 300 Schritt vom Wafjer entfernt, in einem Holunderjtamm, °/, m über dem Boden und jah das Tierchen jehr gejchiet in diejes Nejt Hineinklettern, das neun blinde Junge enthielt. Die Baue find Schlaf- und Zufluchtsorte des Tierchens und gewähren ihm bet Ber- folgung eine fichere Unterkunft. Hier bringt die Wafjerfpißmaus an belebten Orten ge- wöhnlich den ganzen Tag zu; da aber, two fie feine Nachftellung zu fürchten hat, ift fie, bejonders im Frühjahr, zur Paarungszeit, auch bei Tage jehr munter. Selten [hrwimmt jie an vem Ufer entlang, lieber geht fie quer Durch von dem einen Ufer zum andern. Will fie fich längs des Baches fortbemwegen, jo läuft fie entweder unter dem Ufer weg oder auf dem Boden des Baches unter Dem Wafjer dahin. Sie ijt ein äußerjt munteres, Fluges und gewanptes Tier, Das dem Beobachter in jeder Hinficht Freude macht. Fhre Bewegungen Jind fchnell und ficher, behende und ausdauernd. Sie Shwimmt und taucht vortrefflich und hat die Fähigkeit, bald mit vorjtehendem Kopfe, bald mit jichtbarem ganzen Dberförper auf dem Wafjer zu ruhen, ohne jich Dabei merklich) zu bewegen. Wenn jte Schwinmt, ericheint ihr Leib breit, plattgedrüct und gewöhnlich auch mit einer Schicht glänzend weiber, jehr Heiner Perlen überdedt, den Bläschen nämlich, Die aus der von den dichten Haaren zurüdgehaltenen Luft fich bilden. Gerade dieje Luftichicht über dem Körper jcheint ihr Fell immer troden zu halten. Sn Teichen jieht man die Tierchen fehon früh, vor oder gleich nach Sonnenaufgang, zum Borjchein fommen und umherichwimmen. Dft halten fie inne und legen jich platt auf das Waffer oder fchauen halben Leibes daraus hervor, jo daß ihre weiße Stehle fichtbar wird. Beim Schwimmen rudern fie mit den Hinterfüßen jo ftark, daß man nad) der Bewegung des Waffers ein weit größeres Tier vermuten möchte; Wafferfpigmaus: Lebensweije. Fortpflanzung. 287 beim Ausruhen jehen fie jich überall um und fallen, wenn fie eine Gefahr ahnen, pfeiljchnell in das Wafjer, jo gejehhwind, daß der Jäger, der fie erlegen will, fehr nahe fein muß. ©elten bleibt die Heine Taucherin lange auf dem Grunde des Wafjers, ommt vielmehr gewöhnlich bald wieder zur Oberfläche herauf. Hier ift ihr Wirkungskreis, hier fieht man fie an ein- jamen, ftillen Orten den ganzen Tag über in Bewegung. Sie jchwinmt nicht nur an den Ufern, fondern auch in der Mitte des Teiches umber, ojt von einer Seite zur andern, und ruht gern auf einem in das Wafjer Hängenden Baumjtumpfe oder auf einem darin fchwin- menden Holze aus, jpringt zuweilen aus dem Wafjer in die Höhe, um ein vorüberfliegendes Kterbtier zu fangen, und ftürzt fich fopfunter wieder hinein. Nach Douglas English ift das Schwimmen der Wajjerjpismaus jorwoh! über als unter Waifer „ein rajches Hundepaddeln, wobei alle vier Fühe gebraucht werden”. Beim Schmwint- men an der Oberfläche „Schleppt der Schwanz hinterher und wirkt offenbar gar nicht mit, weder beim Audern noch beim Steuern. Erfchredt ftürzt fich die Wafjerjpigmaus in ihr Clement, einerlei wie, und ich habe gejehen, wie eine das Rüdgrat brach, als jie auf einen Stein jprang in einem Teiche, der Durch Pumpen in der Nachbarjchaft ausgetrodnet war. Gemöhnlich geht das Tauchen umftändlicher vor jich: fie hegt exit ruhig mit eingezogenen Gliedmaßen und ftößt dann gemächlich mit den Hinterfühen nach oben... ES war interejjant, zu fehen, daß meine gefangenen Wafjerfpismäufe einige Neigung hatten, jich einen Futter- vorrat anzulegen. Sm Laufe der Nacht jäuberten jie regelmäßig ihr Wafjerbeden von allem lebenden Inhalt, und des Morgens fand man dann einige fieben oder acht Feine Fijche, nett aufgeftapelt, in einer hochgelegenen trodnen Ede. Wie die Wafjerratte, Tiebt die Wafjeripigmaus ein feuchtes Lager.” Englifh meint: „um fich mehr den Aufmerfiamfeiten ihrer Keinen Freunde”, dem Ungeziefer, zu entziehen. Das volle Leben des fehmuden Tieres zeigt fich am beiten bei der Paarung und Be- gattung, die im April oder Mai vor fich zu gehen pflegt. Unter bejtändigem Gejchrei, das faft wie „Fifift” Eingt und, wenn e8 von mehreren ausgeftoßen wird, ein wahres Gejchtwirr genannt werden fann, verfolgt das Männchen das Weibchen. Lebteres fommt aus jeinem Berftede Herausgejchwommen, hebt den Kopf und die Bruft über das Wajjer empor und jieht jich nach allen Seiten um. Das Männchen, das den Gegenjtand feiner Sehnjucht un- zweifelhaft jchon gefucht hat, zeigt fich jebt ebenfalls auf dem freien Wafjerjpiegel und ichwimmt, fobald e3 die Verlorene wieder entdeckt hat, eilig auf fie zu. Dem Weibchen ift e3 aber noch nicht gelegen, die ihm zugedachten Liebfofungen anzunehmen. Es läßt zwar das Männchen ganz nahe an fich Heranfommen; doch ehe es erreicht ift, taucht es plößlich unter und entweicht weit, indem e3 auf dem Grunde des Teiches eine Strede fortläuft und an einer ganz andern Stelle wieder emporfommt. Das Männchen hat dies jedoch bemerkt und eilt von neuem dem Orte zu, an dem jeine Geliebte jich befindet. Schon glaubt es, am Ziele zu fein, da verjchwindet das Weibchen wieder und kommt abermals andersivo zum Vorjcheine. So geht das Spiel Vierteljtunden lang fort, bis ji) endlich das Weibchen dem Willen des Männchen ergibt. Dabei vergiit feines der beiden Gatten, ein etiva vorüberjchrwimmendes njekt oder einen fonftigen Nahrungsgegenjtand aufzunehmen, und nicht felten werden bei diejer Liebesnederei auch alle Gänge am Ufer mit befucht. In einem der leßteren legt das Weibchen jein Wochenbett in einem Heinen Stejjel an, der mit Moos und trocdnem Graje weich ausgefleidet wurde. Hier bringt e3 um die Mitte des Mai feine 6—10 Jungen zur Welt. Unmittelbar nach der Geburt jehen dieje faft nadten Tierchen mit ihren ftumpfen Nafen und halb durchlichtigen fleiichfarbenen Leibern äußerit jonderbar aus 288 3. Dwdnung: Snjektenfrejjer. Familie: Spigmausartige. und zeigen fo wenig Ähnlichfeit mit ihren Eltern, tie denkbar; bald aber wachjen fie heran, erlangen allmählich da8 Ausjehen der Erzeuger und machen jich nunmehr, zunächft wohl unter Führung der Mutter, auch bald zu jelbjtändiger Jagd auf, in der Nähe der Brutröhre ichmale Pfänchen im Graje austretend und in allerliebjter Weije miteinander fpielend. Sm Verhältnis zu ihrer Größe ift die Wafjerjpigmaus ein wahrhaft furchtbares Naub- tier. Sie verzehrt nicht bloß Injekten aller Arten, zumal jolche, die im Waijer leben, Wür- ner, Heine Weichtiere, Krebje und dergleichen, jondern auch Lurche, Fiiche, Vögel und Kleine Säugetiere. Die Maus, der fie in ihren Yöchern begegnet, ijt verloren; die vor furzem aus- geflogene Bachitelze, die jich, unvorjichtig, zu nahe an das Wajjer wagt, wird plößlich mit derjelben Gier überfallen, mit der fich ein Yuch$ auf ein Aeh ftürzt, und in wenigen Minuten abgemwürgt; der achtlos an einer Fluchtröhre vorüberhüpfende Frojch fühlt jich an den Hinter- beinen gepadt und troß feines Hläglichen Gejchreies in die Tiefe gezogen, wo er bald erliegen muß; Schmerlen und Eltißen werden in Heine Buchten getrieben und hier auf eigne Weije gefangen: Die Wafjeripibmaus trübt das Wafjer und bewacht den Eingang der Bucht; jobald nun einer der Kleinen Fiiche an ihr vorüberjchwimmen will, fährt fie auf ihn zu und fängt ihn gewöhnlich: je filcht, wie das Sprichwort jagt, im Trüben. Aber nicht bloß an Heine Tiere wagt jich die Wafjerjpißmaus, jondern auch an jolche, deren Gewicht das ihre um mehr als das 60 fache übertrifft; ja man fann jagen, daß es fein Kaubtier weiter gibt, da3 eine verhältnismäßig jo große Beute überfällt und umbringt. „Ein Bauergutsbejiger des hiejigen Stirchjpieles’‘, erzählt mein Water, ‚zog in jeinem Teiche fchöne Filche und hatte im Herbite 1829 in den Brunnenfajten vor feinen Tenjtern, der wegen des zufließenden Duellwaljers niemals zufriert, mehrere Slarpfen gejegt, um fie gelegentlich zu verjpeifen. Der Januar 1830 brachte eine Klälte von 22 Grad und bededte falt alle Bäche did mit Eis; nur die ‚warmen Quellen‘ blieben frei. Eines Tages fand der Befiber feines Brunnens zu feinem großen Berdrufje in feinem Röhrtroge einen toten Karpfen, dem Augen und Gehirn ausgefrejfen waren. Nach wenigen Tagen hatte er den Ürger, einen zweiten anzutreffen, der auf ähnliche Weije zugrunde gerichtet worden var, und fo verlor er einen Fiich nach dem andern. Endlich bemerkte feine Frau, daß gegen Abend eine jchwarze ‚Maus‘ an dem Kaften Hinauffletterte, im Wafjer unt- herjehwamm, fich einem Sarpfen auf den Stopf jeßte und mit den Borderfüßen fejt- Hammerte. Che die Jrau imjtande war, das zugefrorene Fenjter zu öffnen, um das Tier zu verjcheuchen, waren dem Fiiche die Augen ausgefrefjen. Endlich war das Dffnen des Tenjter3 gelungen, und die Maus wurde in die Flucht getrieben. WUllein, faum hatte fie ven Kaften verlafjen, jo wurde fie von einer vorüberjchleichenden Kate gefangen, diefer wieder abgenommen und mir überbracht. E83 war unjere Wafjerjpigmaus. Dabei muß ich noch bemerken, daß die mir überbrachte Wafjerfpigmaus nicht die einzige war, die jenen Brumnenfaften Heimjuchte, e8 fam eine um die andre nach ihr. Dies beiwog den Beliter, einen vergisteten Karpfenkopf in den Kaften zu legen, und er brachte mit diefem auch wirk- (ich mehrere Wafferfpißmäufe um.” Nach diejer Lebenzjchilderung fann e3 nicht wunder- nehmen, wenn Altum die Wafjeripigmaus für Forft- und Landwirtjchaft „gleichgültig, der Fiichzucht fogar fehädfich”" erklärt und Hinzufügt: „Bejondere Schonung verdient jte in feiner Weife.” Die Feinde der Wafjerfpikmäufe jind faft die nämlichen, die wir bei der Wald- jpigmaus Fennen lernten. Bei Tage gejchieht jenen gewöhnlich nichts zuleide; wenn fie aber des Nachts am Ufer herumlaufen, werden fie oft eine Beute der Eulen und Naben. Wafjeripigmaus: Naubgier. Feinde. efangenleben. 289 Die letteren töten jie übrigens bloß und werfen fie, ihres Mojchusgeruches wegen, dann weg. Ein Forjcher, der Wafjerjpibmäufe jammeln till, braucht deshalb nur jeden Morgen die Ufer der Teiche abzufuchen; er findet in furzer Zeit fo viel Leichname diefer Urt, als er braucht. Sn der Donau zählen zu ihren Feinden, nach Mojjifovicz, „bejonders die Hechte und Welfe, in deren Magen man öfter ihre Überrefte vorfindet”. Sn der Öefangenjchaft Laien fich Wafferfpißmäufe nicht eben leicht am Leben erhalten. Mein Bater verjuchte mehrmals, jie zu pflegen; Doch jtarben alle jchon nach wenigen Tagen. Diejenige, die am längjten lebte, wurde beobachtet. „Da fie jehr hungrig fehien”, jagt er, „legte ich ihr eine tote Adermaus in ihr Behältnis. Sie begann jogleich an ihr zu nagen und hatte in furzer geit ein jo tiefes Loch gefrejjen, daß fie zu dem Herzen gelangen fonnte, welches fie auch verzehrte. Dann verjpeiite jie noch einen Teil der Bruft und der Eingemweide und ließ das übrige liegen. Sie hielt, wie ich Dies bei anderen Spigmäufen beobachtet habe, bejtändig den Nüfjel indie Höhe und fchnüffelte unaufhörlich, um ettwas für fie Geniekbares zu erfpähen. Hörte fie ein Geräufch, jo verbarg jie jich jehr jchnell in dem Schlupfmwinfel, den ich für fie angebracht Hatte. Sie tat jo hohe Sprünge, daß jie aus einer großen blechernen Giekfanne, in der ich fie zuerst hielt, faft entfam. Am erjten Tage fan jie tet troden aus dem Wafjer hervor, am zweiten Tage war dies jchon weniger und furz vor ihrem Tode fajt gar nicht mehr der Fall. Sie war jehr biljig und blieb, bis jte gänzlich ermattete, jcheu und mild.“ Ausden war glüclicher al mein Vater; denn ihm gelang es, Wafjeripißmäufe monate- lang in Gefangenschaft zu erhalten. Um fie zu fangen, gebrauchte er einfache Mäufefallen, die mit einem Frojch gefödert wurden. Zum Aufenthalt wies er feinen Pfleglingen einen mit möglichit tiefem Wafjernapfe verjehenen Käfig an. Die Wafjerfpikmäufe, ein Pärchen, jchienen jih von Anfang an in bejagtem Käfige wohl zu befinden, befundeten menigitens fein Zeichen von Furcht, benahmen fich ganz wie zu Haufe und fraßen ohne jegliche Scheu Würmer, rohes Fleifch und Infekten, die ihnen vorgeworfen wurden. Wenige Tage jpäter verichaffte der Pfleger ihnen drei oder vier Kleine Fiichchen und feßte diefe in den Schwimm- und Badenapf. Wugenblidlich ftürzten fich die Wafferfpigmäufe auf die Fiiche, Famen wenige Sefunden fpäter mit je einem zum Borfcheine, töteten die Beute durch einen Bih in den Kopf, hielten fie zwijchen den Vorderfühen feit, ganz wie der Fiichotter es zu tun pflegt, und begannen Hinter dem Klopfe zu frejfen, nach und nach gegen den Schwanz hin orjchreitend. Shre Frepluft war jo groß, daß jede von ihnen zivei oder drei Eltiten ver- zehrte, gewiß eine tüchtige Mahlzeit in Anbetracht ihrer Größe. Wenn die Tiere in ihrem Käfige Hin und her rannten, liegen fie oft einen fchrillen Laut Hören, nicht unähnlich dem Schtwirren des Heufchredentohrfängers. In ihrem Wafjernapfe vergnügten fie jich durch Ein- und Ausgehen und Baden, wobei fie fich oft Halb und halb unter der Oberfläche Hin und her wälzten. Obgleic) vollfommen ausgeföhnt mit ihrer Gefangenfchaft, befundeten fie Doch nicht die geringjte Anhänglichkeit oder Zahmheit, bifjen im Gegenteil heftig zu, wenn fie berührt wurden. So lebten fie mehrere Monate in volliter Gejundheit, bis fie eines Tages in Abtvejenheit ihres Beliter3 und Pflegers die Käfigtür offen fanden und auf Nimmer- piederjehen verjchtwanden. x Bei den Feldjpismäufen (Unterfamilie Crocidurinae) bejteht daS Gebiß aus 28—30 ganz weißen, nicht rotjpiigen Zähnen; im Oberfiefer find, abweichend von dem Gebif der Waldjpibmäufe, 3 oder 4 einjpibige Zähne vorhanden, und die Reihen der Brehm, Tierleben. 4. Aufl X. Band. 19 290 3. Ordnung: Snfeftenfreffer. Familie: Spikmausartige. Badzähne nähern fich beiderjeitS mehr nach vorn zu. „Der Rüffel ijt jo lang, daß die Augen der Ohröffnung noch näher ftehen al3 der Najenjpibe, aber etwas plump, vor den Augen bauchig angejchwollen, dicht hinter den Najenlöchern jehr ftarf verjchmälert und rafch zu- gejpißt. Die Ohren find ziemlich groß, im Haarpelz deutlich hervortretend und teilmeije über das Haar weit vorjtehend... Die Furzen, ziemlich gleichlangen, ftraffen Schtwanz- haare find mit Yängeren, entfernt ftehenden Wimperhaaren von jechs- bis zehnfacher Länge untermifcht, die fich jelten abzunußen fcheinen.” (Blafıns.) Nach Lydeffer ijt über- Haupt das ganze Fell „gemijcht aus langen und furzen Haaren”, und diefe „Wimperhaare” haben der Gruppe oder Diejer und jener Art wohl den Namen „Wimperjpißmaus” ein- getragen. Ebenfo bezeichnend ift aber der Name „Mojchus- oder Bijamfpismäufe”; denn an jeder Seite des Körpers ftecht eine Drüfe, die nur dem Weibchen manchmal fehlt. Schon Blafius unterjcheidet wieder zwei Untergattungen der Gattung Crocidura Wagl.: Crocidura im engeren Einne, die 3, und Pachyura Selys, die 4 „einjpibige Ziwijchen- zähne zwijchen den großen Borderzähnen und dem erjten vielipißigen Badzahn“ hat. Bon beiden zählt Trouefjart nicht weniger als 121 Arten und Unterarten auf: bei ihrer großen Verbreitung fein Wunder. Die Hausfpibmaus, Crocidura russulus Zerm. (AUbb., ©. 276), ein Tierchen von 11,5 cm Öejamt- oder 7 cm Leibes- und 4,5 cm Schwanzlänge, in Deutfchland häufiger Bertreter der Gattung, ijt oberjeit3 braungrau, in der Jugend Schwärzlicharau, unterjeits ohne fcharfe Abgrenzung der Färbung heller grau, an Lippen und Füßen bräunlichweih, auf dem Schwanz oben hell braungrau, unten gräulichweiß behaart. Albinos fommen vor. So berichtet Hornung-Bielefeld im ‚‚Boologischen Garten‘, 1899, von einer weißen Hausfpigmaus, die er in jeinem Garten fing. Das Gebiß beiteht aus 23 Hähnen. Bon Nordafrifa an verbreitet fich die Hausipikmaus über Sid-, Weft- und Mittel- europa bis Nordrußland, Fommt auch in Yentralajien und im nordöftlichen Sibirien vor, it ferner, laut Blanford, in Zadaf gefunden worden, jcheint dagegen in England, Dänemarf, Sfandinavien und Holland zu fehlen. Sie ijt, laut Blajtius, gewiljermaßen an Feld und Garten gebunden, zieht beide wenigitens dem Walde und jeinen Rändern, wo man ihr zu- weilen begegnet, entjchieden vor. Seine ihrer Beriwandten gewöhnt jich jo leicht an die Um- gebung des Menschen, feine fommt jo oft in die Gebäude, zumal in Scheuern und Ställe, herein wie fie. In Sellern und Speijefammern fiedelt fie fich gerne an, vorausgejebt, daß dunkle Winkel, die ihr Schlupforte gewähren, vorhanden find. Im Freien jagt fie in den Srüh- und Abendftunden auf Stleingetier aller Art, vom Heinen Säugetier an bis zum Wurm herab; in den Häufern benafcht jie Fleifch, Sped und DL. Ihre Sitten und Gewohnheiten ähneln denen der Wabdjpigmaus faft in jeder Hinficht. Jin Freien wirft fie im Sommer, in warmen Gebäuden auch in den Herbit- und Winterntonaten 5— 10 nadte und blinde Junge auf einem verjtedten und ziemlich jorgjam mit weichen Stoffen ausgepolfterten Lager; bereits nach Verlauf von etiva 6 Wochen haben die Jungen fajt die Größe der Alten erreicht und find felbjtändig geworden, gehen wenigjtens fchon ebenjogut wie die Alten aufRaub aus. Ungeachtet ihrer Näjchereien, ift auch die Hausipigmaus ein vorwiegend nüßliches Tier, das durch Wegfangen von allerlei Ungeziefer feine Übergriffe reichlich fühnt, alfo unfere Schonung verdient. „Dem Gärtner macht fie fich, zumal bei ihrer Häufigkeit, nüßlich; ich habe fie mehrfach Schneden töten fehen, dem Forjtmann Fann fie völlig gleichgültig fein.” (Altumt.) Über Brutpflege und Freßgier fowie den Ziviefpalt ziwijchen beiden berichtet Hausjpigmaus. Feldfpißmaus, 291 E. Eoefter-Göttingen einige für die Spikmausnatur bezeichnende Beobachtungen im,,3oolo- giichen Garten‘, 1886, von der Hausjpikmaus. „Plößlich hörte ich leifes Zirpen an meinem Fuße, horchte und jpähte und fiehe da — die Ulte mit einem Jungen im Maule, das jie am Naden gefaßt hielt, Fam eifriaft Dahergelaufen, gefolgt von drei weiteren Jungen, die troß des Schnellen Tempo3 gleichen Schritt zu halten vermochten. Nachdem ich jämtliche Teil- nehmer an diejer merfwürdigen Brozefjion gefangen hatte, jperrte ich fie zu Haufe in einen Käfig, in dem Die Alte, die anfangs auch hier noch ihre Kinder umberjchleppte, als erite Mahlzeit das Borderteil eines Maulmwurfs erhielt. Am nächjten Morgen lag eines der Jungen halb aufgeftejjen im Käfig, ein zweites war ganz verichwunden. Mittags Desjelben Tages fand ich das vorlegte mit abgefrejjenem Stopfe tot; troßdem gab ich der unnatürlichen Mutter Wimperjpigmaus, Pachyura etrusca Savi. Natürlihe Größe. einen halben Spaß, aber nur, um am fommenden Tage das lebte der Slinder tot und halb- verzehrt im Käfig zu finden.” Außerdem führt Coefter an, daß er „noch am 7. September vier junge, blinde Hausipißmäufe beobachtete und ariff, die, auf einem Neifighaufen liegend, fich zur heißen Nachmittagszeit den Pelz von den Sonnenftrahlen wärmen ließen. Gie ichienen fich in dem hellen Sonnenlichte durchaus nicht befonders unbehaglich zu fühlen... .” Kur al3 Unterart (C. russulus leucodon Herm.) exicheint im Trouefjartichen Katalog die Feldipigmaus, deren Artfelbjtändigfeit doch jchon Blalius im einzelnen beleat zu haben glaubte durch „jehr wejentliche Verjchiedenheit in den Eigentümlichfeiten des Schävdels und Gebijjes, befonder3 in der Stellung und Größe des lebten einjpisigen Ziwiichenzahnes im Oberfiefer”. Bon afrikanischen Arten führt W. 2. Sclater eine längere Reihe auf, erklärt jich aber außeritande, fie alle mit Sicherheit zu unterfcheiden und anzujprechen. Lebensgejchichtliches bringt er nur über die größte und anjcheinend gemöhnlichite Art Südafrifas: die Große Spibmaus, C. flavescens Js. @eoffr. Sie bewohnt, nach A. Smith, feliige Stellen umd 19* 292 3. Ordnung: Snfektenfrejfer. Familie: Spigmausartige. bewaldete Schluchten und Hauft dort unter den Wurzeln der Büfche und feinen Bäume. Gelegentlich fonımt fie aber auch in die Häufer: das beweilt ein Exemplar des Südaftifa- niichen Musmus, das in der alten Bildergalerie Kapjtadts gefangen wurde. Zur zweiten Untergattung (Pachyura Selys) gehört die Wimperjpikmaus, P. etrusca Savi (suaveolens; Abb., ©. 291). Sie verdient aus dem Grunde erwähnt zu werden, mweil jie neben einer Fledermaus das Kleinjte aller bis jett befannten Säugetiere ilt. Shre Sejamtlänge beträgt nur 6,5 cm, wovon 2,5 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung des jamtweichen Pelzes ift hellbräunlich oder rötlichgrau, der Schwanz oben bräunlich, unten lichter, der Rüffel und die Pfoten find fleiichfarben, die Füße haben weißliche Härchen; ültere Tiere jehen heller und roftfarbig, junge Dunkler und mehr graufarbig aus. Beachtung verdient die verhältnismäßig große Ohrmufschel. Die Wimperjpikmaus fommt faft in allen Ländern vor, die rings um das Mittellän- diiche und Schwarze Meer liegen. Sie ift im Norden Afrikas, im fünlichen Frankreich, in Stalten und der Krim gefunden worden. Sn ihrer Yebensweile ähnelt fie ihren Gattungs- verwandten. Zum Aufenthaltsorte wählt jie jich am liebjten Gärten in der Nähe von Dör- fern, aber jie fommt auch in Gebäuden und Wohnungen vor. Da jie viel zarter und empfind- licher gegen die Kälte ijt al3 unjere nordischen Arten, jucht fie ich gegen den Winter Dadurd) zu jchüßen, daß fie jich bejonders warme Aufenthaltsorte für die falten Monate ausmwählt. Blafius jagt von diejfer Art, die er nach ihrer Verbreitung geradezu „mittelländiiche Spib- maus” nennt: „Sie geht nach Norden nur wenig über dieNegion hinaus, in der Die Ziverg- palme wild wächjt oder im Freien noch aushält.“ Die Hauptmafjfe der Diefhmwanz-Spikmäufe, wie der Untergattungsname ins Deutjche überjebt lauten würde, lebt in Jndien und enthält im Gegenfaß zu der Wimperjpib- maus auch die größten aller Spikmäufe und die mit dem ftärfjiten Mojchusdufte begabten. Die befannteften darunter jind, nach Khdekfer, die Braune Mofchusfpißmaus, P. mu- rina Linn., die jich, faut Trouefjart, über das ganze jüdlichere Ajien, von Arabien bis Japan und von Südchina bis Malakfa, verbreitet, und die Graue Mofchusipikmaus, P. caerulea Kerr, die in Indien bi8 Amboina und in Afrika bis auf die Injeln Mauritius und Madagaskar geht. Die letere nennen die Engländer in Indien „Mofchusratte”. Beide Arten werden ohne Schwanz 15 cm lang, beweijen uns aljo, daß eine Spißmaus durch- aus nicht immer ein winziger Zwerg zu fein braucht. Die Braune lebt gewöhnlich im Wabe, Die Graue in den menjchlichen Wohnungen. Hier liegt jie am Tage veritect in Höhlen und Röhren; des Nachts fommt fie hervor, um auf dem Stubenboden ihrer Jagd nach Affen und allerlei Snjeften obzuliegen. Dabei jtößt fie von Zeit zu Zeit ein furzes, jcharfes uiefen aus. Die nächtliche Ungezieferjagd im Haufe macht fie vem Menjchen unzmweifel- haft nüßlich, hat aber die Schattenjeite, daß durch die Mofchusabjonderung mancher Gegen- and unbrauchbar wird. Doch meint Blanford, daß die Maus ihren Mofchusgeruch einem Gegenjtand, über den fie wegläuft, nur dann mitteile, wenn fie geftört oder erjchredt wird. tach Sterndale bewältigt die Graue Mofchusfpigmaus auch große Fröfche, ja jogar den Efor- pion. Dagegen nimmt fie feinerlei Pflanzennahrung zu fich, obwohl ihr in Indien all- gemein nachgejagt twird, fie freije Reis und Hilfenfrüchte. Anderfon hat dies durch Verfuche an gefangenen, die außer Infekten nur Fleifch nahmen, nachgewiejen, im Magen auch nie- mals irgendwelche Pflanzenftoffe gefunden. Diejhwanz-Spikmäufe Außereuropäifche Feldfpißmausartige. 293 Ganz neuerdings hat aus der Gegend des ‚„NRhino-Camp’ von NRoojevelts Smith- jontan African Erpedition in Lado Edmund Heller eine neue Spimausgattung, Helio- sorex, bejchrieben, deren Schädel fich weiter von dem der Feldipigmaus entfernt als irgendeine veriwandte Gattung, und zwar dadurch, dat er ganz außerordentlich Schmal und im Hintern Teile verlängert if. Das einzige äußere Merkmal find die Furzen Krallen. Die einzige Art wurde H. roosevelti Zeller genannt zu Ehren des Erpräfidenten, ver fich gerade für die Sammlungen feiner Säugetiere jehr interefiiert hatte. Die noch übrigen jehr wenig befannten Gattungen aus der Unterfamilie der Yeld- jpißmausartigen (Crocidurinae) betrachten wir nur ganz furz und ausjchließlich aus dem Gefichtspumft, daß fie durch äußere Erfcheinung und Lebensweije den Übergang zur Familie der Maulmwurfartigen bilden, entweder zu den Maulwürfen jelber oder den nächit- verwandten Bilamjpismäufen, den Wajjfermaulwürfen. Da tft zunäcdh]t die von dem alt- berühmten Petersburger Akademiker Brandt aufgeitellte Gattung Diplomesodon Brat. mit der einzigen YUrt D. pulchellus Zicht. aus der Sirgijenjteppe, die bis auf den Fürzeren Schwanz ganz aus fieht wie eine gewöhnliche Spigmaus und auch in vielen anatomijchen Merkmalen mit der Gattung Crocidura übereinstimmt. Zugleich aber erieiit jie jich verwandt mit den beiden Arten der maulwurfartigen Gattung Anurosorex A. M.-Edw. (zu deutjch: Ohnefhwanz-Spibmaus), die jehr Furze Ohren haben, während der Schwanz der einen, tibetanijchen, A. squamipes A. M.-Edw., ganz verfiimmert, der der andern, in Ajjam leben- ven, A. assamensis Anderson, noch etwas länger ift. Beide graben wahrjcheinlich jchon unter der Erde. — Die im Wajjer lebende Gattung Chimarrogale Anderson, deren beide älteften Arten Ch. himalayica Gray vom Himalaja und Ch. platycephala Tem. aus Japan find, Hat mit Haaren befranfte Schwimmfüße und kann als ein öftliches Gegenftück zu unjerer Wafferipigmaus gelten: die Übereinftimmungen im Bau find, nach Dobfon, auf Anpafjung an gleiche Xebensweije zurüdzuführen. Bei der Gattung Nectogale A. M.-Edw. (einzige Urt N. elegans A. M.-Edw.), der tibetanischen Waflerfpikmaus, bildet das äußere Ohr jchon gar feine Mufchel mehr, jondern nur noch eine Klappe. Die Sohlenfchwielen der Füße jind zu Saugjcheiben geworden und die Füße echte Schwimmfüße mit Schwimmhäuten. Mit diefen Saugfüßen joll das Tier fich an glatten Felfen und Steinen der von ihin bewohnten ‚lüffe feithalten fünnen. Es führt allem Anjcheine nach ein noch viel ausgeprägteres Waflerleben als fein vorertwähnter Vertvandter, dem e3 jonjt in vielen Merkmalen gleicht. Zur Vorgejchichte der Spibmausartigen mag hier gejagt werden, daß Angehörige der lebenden Hauptgattungen, aljo echte Spikmäufe, fehon im älteren Tertiär, vom oberen Eozän an, in Europa vorfommen. * Die Familie der Manliwurfartigen (Talpidae) ist den Spibmausartigen vertanodt, aber zugleich durchgreifend unterfchieden durch den Belit von Jochbögen und Gehörblafen am Schädel fowie Formeigentümlichkeiten des Gebijjes. Die Augen jind jehr Fein, bei einigen Arten vollfommen von der Haut überzogen, jo da fie al8 Sehmwerkeuge gar nicht mehr in Betracht fommen. Die Ohren find furz und im Pelze verjtedt. Die verbindende Symphyfe am Schambein des Bedens fehlt; ebenjo der Blinddarm. Die beiden Röhren- fnochen des Unterjchenfel3 find verwachten. Die einjpitigen mitteljten Schneidezähne legen fich nicht wagerecht nach vorwärts um. 294 3. Ordnung: Snjektenfrefjer. Familie: Maulwurfartige. Weiteres läßt fich allgemeingültig für die ganze Familie nicht jagen, da dieje wieder in ztvei äußerlich und nach der Yebensweife recht verjchiedene Unterfamilien zerfällt, die mar deutjch al3 Wajjer- und Landmaulwürfe (Myogalinae und Talpinae) bezeichnen fünnte. Von diejen weilt nur die leßtere die auffallenden Umformungen am Sinochengerüit und ganzen Leibesbau auf, die mit der unterirdijch grabenden Lebensweije zujammenhängen. Die Bijamjpismäuje, Bijamrüßler oder Wajjermaulmürfe (Myogalinae) haben Schlüfjelbein und Oberarm noch von mittelmäßiger Länge und Borderglieder von gewöhn- licher Form, feine breiten, abweichend gebauten Grabhände mit bejonderen Knochen. Die Gattung Uropsilus A. M.-Edw. mit der einzigen Art U. soricipes A. M.-Edw. aus dent Srenzgebiete ziwilchen Tibet und China hat Schmale Vorderfüge und nadten Schuppen- jhiwanz, jieht vollfommen aus wie eine Spikmaus; aber ihr Schädel ijt der eines Maulwurfs. Spigmull, Urotrichus talpoides Tem. Nah Günther, „Proc. Zool. Soe.“, 1880. Natürliche Größe. So vermittelt jie noch weiter die Verbindung ziwifchen beiden Familien, zumal fie weder Ihtwimmt noch aqräbt, jondern oberirdisch laufend Yebt. — Andere japanijch- amerikanische Übergangsgattungen find Urotrichus Tem. und Nöurotrichus Gthr., die man Spikmaus- Maulmürfe oder fürzer und bejjer Spibmulle nennen fönnte. Sie haben jchon Kleine Grab- hände und leben unterirdijch. Die Hauptvertreter der Unterfamilie jind die Bifamjpismäufe im engeren Sinne (Gattung Myogale @. Cuv.), die ebenfalls al3 Übergangsglieder von den Spigmäufen zu den Maulwürfen ericheinen. Jhr Gebiß weist 44 Zähne auf. Doch unterjcheiden fie jich auch außer durch ihren Yahnreichtum und die ihnen eigne Bildung der Schneidezähne nicht un- wejentlich von ihren Zamilienverwandten. Der vordere der drei oberen Schneidezähne ijt jehr groß, Dreijeitig und jenfrecht geftellt, während fich die zwei unteren, ftabjörmigen, ab- gejtußten Vorderzähne nach vorne neigen; der Schädel ift überall fnöchern gejchloffen, ein Jochbein in Form eines feinen Stäbehens vorhanden. Der Leib ift gedrungener als bei den wirklichen Spigmäufen, der Hals außerordentlich Eurz, ebenjo die twie der Leib und von diejem nicht zu unterfcheiden; die Beine, deren fünf Zehen durch eine lange Schwimm- haut miteinander verbunden werden, find niedrig, die Hinterbeine länger als die vorderen; der Schwanz ift länglich gerundet, gegen das Ende ruderartig zufammengedrüdt, geringelt und gejchuppt und nur jpärlich mit Haaren bejeßt. Hußere Ohren fehlen, und die Augen Almizilero. Desman. 295 jind fehr Hein. Das Merfwirdigjte am ganzen Tiere it die Nafe, die noch mehr als bei den Rüfjelipringern ein Rüfjel genannt werden fann. Sie bejteht aus zwei langen, dünnen, verjchmolzenen, fnorpeligen Röhren, die durch zwei größere und drei Kleinere Muskeln auf jeder Seite nach jeder Richtung bewegt werden, und läßt jich zu den verjchiedenartigjten Sweden, namentlich zum Betajten aller Gegenftände, verwenden. Auf der Unterjeite des Schwanzes liegt eine Mojchusdrüje, die aus 20—40 Säcchen beiteht, deren jedes einen oben bauchigen und einen unten fchmäleren Teil hat und in der Wandung viele Drüfen- jhläuche enthält. Die aus diefen Drüjen ftammende Abjonderung riecht auffallend ftarf. Der alte Petersburger Afademifer Brandt hat „Über den Bau der fogenannten Mojchus- prüfen (Afterdrüfen) des Wychuchol” jchon 1836 eine Arbeit veröffentlicht, worin er die Medeljche Deutung als Afterdrüjen bejtätigt, wenn auch die Yage jenjeit der eigentlichen jtiefrunden Schwanzmwurzel auf dem jeitlich abgeplatteten Teile des Schwanzes dem zu twiderjprechen jcheint. Bis jest fennt man bloß zivei jideuropäijche Arten der Gattung. Die die Pırenäen- fette und ihre Ausläufer bevohnende Bijamjpismaus, Almizilero der Spanier, Myo- gale pyrenaica E. Geoffr., ein Tier von 25 cm Gejamtlänge, von der etwa die Hälfte auf den Schtvanz fommt, ijt oben fajtanienbraun, an den Seiten braungrau, am Bauche filber- grau, an den Seiten des Rüfjel3 weißlich, am Schwanze dunkelbraun mit weißen Härchen, die Vorderpfoten jind bräunlich behaart, die Hinterpfoten nadt und bejchuppt. Man glaubte anfänglich, daß dieje Art bloß auf die Pyrenäen bejchränft jei; doch haben fie Graell3 und mein Bruder auch in der Sierra de Gredo3 aufgefunden (Unterart M.pyrenaica rufula Graälls), und ihr Heimatsfreis umjpannt überhaupt den ganzen Norden Spaniens, auch La Oranga, EScurial, Guadarrama und die Berge Kaftiliens, wie neuerdings nachgewiejen ijt. Die Fijcher nennen jie Dort „rata admiretada“. Sr den Nordprovinzen und -Ditrikten Portugals, wie Minho, Braganza und Vijeu, fommt jie ebenfalls vor. Nacht3 fängt fich die Bilamjpismaus oft an den Angeln und in den Neben der Fiicher, und dieje jagen ihr nach, fie tue an der Forellenbrut Schaden. Sie jpringt mit einem Plumps ins Wafjer und Schrwimmt mit den Hinterfühen, während fie den Schwanz nur al3 Steuer gebraucht. Gefangen, beißt jie jehr ernjtlich um jich und fchreit wie ein Kaninchen. Jr Toulouje gehaltene Gefangene haben gezeigt, daß jie Ende Januar und nur 2 Junge wirft. Der Desman oder Wychuchol, Myogale moschata Pall. (Ubb., ©. 2%), unter- jcheidet jich von dem fpanifchen Verwandten zunächit Durch jeine Größe; denn jeine Ge- jamtlänge beträgt bi3 42 cm, wovon auf den Leib 25cm, auf den Schwanz 17cm fommen: er ift aljo einer der größten Snjektenfrejjer. Die Augen jind Klein, die Ohröffnungen dicht mit Haaren bedeckt, die Najenöfinungen durch eine Warze verjchließbar, die Pfoten Fahl, auf der Oberfeite fein gejchuppt, unten geneßt, am äußern Rande mit Schwimmborften bejegt. Der aus fehr glatten Grannen und äußerjt weichen Wollhaaren beitehende Pelz ift oberfeits vötlichhraun, unterjeit3 weißlich ajchgrau, jilbern glänzend. Der Desman bewohnt den Südojten Europas, und zwar hauptjächlich die Flußgebiete der Ströme Wolga und Don, findet jich jedoch auch in Ajten, und zwar in der Bucharei. Sein Leben ift an das Wafjer gebunden, und nur höchit ungern unternimmt er Heine Wande- rungen von einem Bache zum andern. Überall, two er vorfommt, ift er häufig. Sein Leben ift jehr eigentümlich, dem des Fijchotters ähnlih. ES verfließt Halb unter der Erde, halb. 296 3. Didnung: Snfektenfrefjer. Familie: Maulwurfartige. im Waffer. Stehende oder langjam fliegende Gemäfjer mit hohen Ufern, in denen er fich leicht Gänge graben Fann, jagen ihm am meijten zu. Hier findet man ihn einzeln oder paar- mweie in großer Anzahl. Die Röhren find Fünftlich und ebenfalls nach Art des Fifchotterbaues angelegt. Unterhalb der Oberfläche des Wafjers beginnt ein fchief nach aufwärts fteigender Gang, der unter Umftänden eine Länge von 6m und darüber erreichen fann; er führt in einen Sejjel, der regelmäßig 11/,—2 m über dem Wafjerjpiegel und jedenfalls iiber dem höcdhjten Wafjerftande Tiegt, jomit auch unter allen Umständen troden bleibt. Ein Quft- jchacht nach obenhin fehlt; demungeachtet it die Angabe, daß der Desman im Winter oft in feinen Bauen erjtiden müfje, unrichtig. Desman, Myogale moschata Pall. 1/3 natürlider Größe. AS vortrefflicher Schwimmer und Taucher bringt der Desman den größten Teil feines Lebens im Waffer zu, und nur wenn Überschwemmungen ihn aus feinen unterirdifchen Gängen vertreiben, betritt er die Oberfläche der Erde; aber jelbit dann entfernt er jich nur gezwungen auf Furze Streden von dem Wafjer. Hier treibt er fi) Tag und Nacht, Sommer und Winter umher; denn auch wenn Ei die Flüfje decdt, geht er feinem Gewerbe nach und steht jich bloß, wenn er gefättigt und ermüdet ift, nach feiner Höhle zurüd, deren Mündung immer jo tief angelegt wird, daß jelbjt das didjte Eis fie richt verfchließen fan. Geine Kahrung find Blutegel, Würmer, Wafjerfchneden, Schnafen, Wafjermotten und Larven anderer Snjeften. So plump und unbeholfen der Desman erfcheint, jo behende und ge- wandt ilt er. Sobald dag Eis aufgeht, fieht man ihn im Schilfe und Gefträuche des Ufers unter dem Wafjer umberlaufen, fich Hin und her wenden, mit fchnellen Bewegungen des KRüffel3 Getwürm fuchen und oft, um zu atmen, an die Oberfläche fommen. Bei heiterem Wetter jpielt er im Waffer und fonnt fich am Ufer. Den Rüffel Frümmt er nach allen Seiten, tajtet auch gejchict mit iym. Dft fteckt ex ihn in das Maul und Yäßt dann fchnatternde Töne hören, Die denen einer Ente ähneln. Beim Schwimmen fcheint er den Nüffel ftets über Desman: Standorte. Lebensmweife. Gefangenleben. 297 da3 Wafjer emporzuftreden, und man fieht dann, wie B. dv. Ridmann vom Woronejch, einem Nebenflujje des Don, jehr anjchaufich fchildert, „wenn man im Frühling zur Zeit de3 Hochwafjer3 am Ufer einer ruhigen Bucht fich anfebt”, „eine ganze Menge Feiner jhwimmender Körperchen, die man jich nicht erklären fan”. 3 find „nur die Nafen- jpigen” von Desmans, „die, ans Ufer gelangt, ein munteres Treiben beginnen, fich jagen und miteinander jpielen oder in ruhiger Bewegung Gräfer und Wurzelftüchen unter- juchen und daran herumfchnüffeln“. Neizt man ihn, oder greift man ihn an, jo pfeift und quieft er wie eine Spibmaus, fucht jich auch durch Beifen zu verteidigen. Mit dem Nüffel vermag er, wie man an Gefangenen beobachtet hat, jehr hübjch und gejchiekt Negenmwürmer und andere Feine Tiere zu erhajchen und jte nach Elefantenart in das Maul zu fchieben. In Trodnen tpird er jehr unruhig und fucht zu entfommen; jobald er dann in das Wafjer ge- lanat, fceheint er ji) wahrhaft beglücdt zu fühlen und mwälzt jich vor Vergnügen hin und her. Man kann ihn ziemlich leicht fangen, zumal im Frühling und zur Zeit der Begattung, wenn beide ©ejchlechter miteinander fpielen. Sn einem großen Neb, das man durch das Wafjer zieht, findet man regelmäßig mehrere verwidelt. In Neujen und Neben, die Filcher ausitellen, werden viele von ihnen aufgefunden, die auf diefe Weije ums Leben gefommen ind. AJm Herbit betreibt man eine förmliche Jagd auf das Tier, weil um dieje Zeit feine Sungen erwwachjen find und die Ausbeute ergiebig wird. Über die Fortpflanzung und die Anzahl der Jungen des Desmans ijt bis jebt noch nichts Sicheres befannt; doch jcheint es, daß er fich ziemlich jtarf vermehrt: hierfür jprechen mindejtens die acht Ziben, die man am Weibchen findet. Wie häufig das Tier fein muß, geht Daraus hervor, daß man die Felle, Die man zur Berbrämung der Slappen und Hausfleiver verbraucht, nur mit wenigen Pfennigen unferes Geldes bezahlt. m Winter werden aus unbefannten Gründen meijtens Männchen, jelten Weibchen, gefangen, im Sommer dagegen nur wenige Männchen. Pallas ift der einzige Forjcher, der über den gefangenen Desman Mitteilungen macht. Nach ihm Hält das Tier jtet3 nur fehr furze Zeit in der Gefangenjchaft aus, jelten länger als drei Tage; doch glaubt Ballas, daß dies wohl an der übeln Behandlung liegen mag, die der Wychuchol beim Fange von den Filchern erleiden muß. Wenn man ihm in jein Be- hältnis Wafjer gießt, zeigt er eine bejondere Luft, fehmast, wäjcht den Rüfjel und fchnuppert dann umher. Läßt man den unruhigen Gejellen in Ruhe, jo wälzt er jich unaufhörlich von einer Seite auf die andere, und indem er fich auf die Sohle der einen Seite jtüt, Faämmt und fragt er fich fo fchnell, als mache er nur zitternde Bewegungen. Die Sohlen jind wunderbar gelenkig und Fönnen jelbjt die Lenden erreichen, der Schwanz dagegen bewegt jich wenig und wird falt immer wie eine Sichel gebogen. Der Desman ergreift alle ihm zugemorfene Beute haftig mit dem Nüffel, wie mit einem Finger, und jchiebt fie fich ind Maul, jchnüffelt auch nach allen Seiten hin beftändig umher und fcheint ebenfo unerfättlich zu fein wie andere Mitglieder jeiner Familie. Abends begibt er jich zur Ruhe und liegt dann mit zufammen- gezogenem Leib, die Vorderfüße auf einer Seite, den Rüffel nach unten, faft unter den freien Yrm gebogen, flach auf der Seite. Aber auch im Schlafe ift er unruhig und wechjelt oft den Plab. Nach jehr Furzer Zeit wird das Wafjer von feinem Untate und der Ausjonderung der Schwanzpdrüfen ftinfend und muß deshalb beftändig erneuert werden. So unterhaltend er duch feine Bemeglichkeit und Lebendigkeit tft, jo unangenehm wird ein gefangener durch den Mofchusgeruch, der jo jtark ijt, daS er nicht nur das ganze Zimmer füllt, fondern fich auch allen Tieren, die den Desman freien, mitteilt und fürmlich einprägt. Wie e3 fcheint, hat Der Desman weder unter den Säugetieren noch unter den Vögeln 298 3. Ovonung: Snfeftenfrejjer. Familie: Maulwurfartige. viele Feinde: um jo eifriger aber jtellen ihm die großen Naubfijche, namentlich die Hechte, nach. Solche Übeltäter jind leicht zu erkennen; denn fie riechen derartig nac) Mojehug, daß jie vollfommen ungenießbar geworden jind. Der Menjch verfolgt das jchmude Tier feines Felles wegen, da$ dem des Biber und der Bijamratte jo ähnelt, daß jich Linne ver- leiten ließ, den Desman alS Castor moschatus oder Mojchusbiber unter die Nager zu ftellen. Nach) E. Braß liefert der Desman, den die Pelzhändler jonderbarerweije „Mofchus- biiam“” oder bejjer „Silberbifam” nennen, „ein jchönes, aber wegen der Stleinheit der Zelle ihmwer zu verarbeitendes Pelzwerf mit einem jtark ausgeprägten Mojchusgerud. 3 dürften wohl faum mehr al3 10—15 000 Felle jährlich an den Markt fommen”. * Die Unterfamilie der Maulwürfe im engeren Sinne (Talpinae) enthält die gra- benden Formen mit den Eigentümlichfeiten des Leibesbaues, die jich auf diefe Lebens- meije beziehen. Der gedrungene Leib ijt walzen- fürmig und geht ohne abgejekten Hals in den Heinen Kopf über, der jich zu einem Nüfjel ver- längert und zufpißt, während Augen und Ohren verfümmert und äußerlich faum oder nicht fichtbar ind. Die Walzenform des Rumpfes hängt natür- lich mit der unterixdischen Xebens- und grabenden Er- nährungsweije zufammen; denn die Walze als „in der Länge gleichjtarfer und im Umfange gleichmäßig gekrümmter Körper” erlaubt, wie Schmidt ehr a a er geijtreic) ausführt, dem Maulwurfe jparjamjtes „Faune des Vertebres de la Suisse“, Genf 1869. Arbeiten in der Erde: dank ihr Fan Der Feine Bergmann niemaß in jeinen Stollen vollfommen eingezwängt werden, wohl aber fich beliebig um die Längsachje feines Körpers drehen, ohne dabei von neuem graben zu müjjen. Der Leib ruht auf vier furzen Beinen, von denen ‚die vorderen al3 verhältnismäßig riefige Grabwerfzeuge erjcheinen, während die Hinterpfoten jehmal, geftredt und rattenfußartig find und der Schwanz nur fung ijt oder iehlt. Das Gebiß bejteht aus 36—44 Zähnen. Der Schädel tft jehr gejtredt und platt, ein Sochbogen vorhanden, die einzelnen Kopffnochen jind auffallend dünn. Bei den echten Maulwürfen (Gattung Talpa) findet jich noch ein VBornajenbein (Os praenasale) zur Stüße des Nüfjels. An der Wirbeljäule fällt die Verwachjung mehrerer Halswirbel auf. Bau und Stellung der Vorderfühe bedingen eine Stärke des Oberbruftforbes, wie jte ver- hältnismäßig fein anderes Tier bejigt. Das Schulterblatt ijt das jchmalfte und längite, das Schlüffelbein das dicjte und längjte in der ganzen Klafje. Auch das obere Ende, der Hand- griff des Bruftbeines, ift auffallend Yang, und das Schlüffelbein ift mit dem Oberarm ge- lenfig verbunden, was in der ganzen Säugetierwelt einzig dafteht. Der Oberarm ift un- gemein breit, der Unterarm ftarf und furz. Zehn Knochen finden fich in der Handmwurzel, und die Hände werden durch einen überzähligen Sinochen neben dem Daumen, ein jo- genanntes Sichelbein (Os faleiforme), noch mehr verbreitert. Man erkennt, daß dieje rieji- gen Vorderglieder bloß zum Graben dienen fönnen: fie jind Schaufeln, die man ich Fauım vortrefflicher gejtaltet denfen fan. An diefe Sinochen feben fich auch bejfonders Fräftige Musteln an: daher die verhältnismäßige Stärte des Tieres im VBorderteile jeines Störpers. Maulmwürfe: Leibesbau. Geographijche Verbreitung. Lebensweije. 299 Auf das denkbar Anjchaulichite Hat Böljche im „Tierbuch” diefen Zufammenhang bon Bau und Leijtung an den Borderglieomaßen und dem ganzen Schultergürtel des Maulmwurfes gejchildert: „Der Maulwurf ift ein Bergmann, aber von Haus aus auch aus- gejprochen einer im feuchten Grunde. Darum find jeine zu Grabichaufeln im Sinne von zurüchchiebenden Erdfloffen umgeftalteten Hände nicht Spibhaden und Bohrer, wie bei jenen Landmullen der Wiüfte, jondern außergewöhnlich verbreiterte Grabjcheitflächen de3 Urbeiters im weichen Erdreich. Die Maulwurfshand führt nicht nur alle fünf Finger in faft gleicher Kraft, Ben jondern fie trägt noch einen fechjten dazu... Ein tech- Re Ai A nijches Prachtitüd it zu Ddiejen breiten Flügeln der Ag Grabmafchine ihre innere Veranferung. Ein ungemein \ itarfer Schulterapparat war nötig. Aber zugleich durfte er nicht weit rechtwinklig jeverjeits von Der RG. 2... Längsachje des Körpers vorjpringen. Er mußte feitlich wurfs, 2 der Spigmaus; a Vocderfeite, in den engiten Raum eingequetfeht werden, Damit Drenungen ses Lierreiger Saveiserg 1800| der Borderfürper jeine jchmale Keilform als Wihl- widder im ganzen nicht verlor. &3 galt, wie bei einem im jchmaljten Schacht jich Hin- quetjchenden Bergmann, die Arme fo feit wie möglich an den Leib, ja in den Leib zu ziehen und doch die Hände mit höchter Straft zu bewegen. So wurden die Armfnochen aus langen, jeitwärts ftrebenden Balken nahezu bloß zu dien Schrauben, die dieje Hände ebenjo fnapp wie drehbeiweglich an die Längsachje der Majchine anjchraubten: eine noch etwas größere Schraube, der Unterarın, eine ganz furze, dide, der Oberarm, — Ddiejer Oberarm aber jet gegen allen Säugerbrauch vorne jelbit eingejchraubt in den Teil de3 Bruft- und Schulterapparats, der unmittelbar zum Bruftbein geht, nämlich das Schlüfjelbein. Jm egenjaß zu Die- jem Schraubenbau der Seitenteile bilden die echten Längsbalfen vielmehr die inneren Bruft- und Schulterjtüce, die dem Ktörper- teil parallel liegen oder, wie Träger, jchräg nach oben jtoßen. Das Schlüffelbein gibt noch eine Art verinnerlichten Erjaßober- arms dazu. Die Schulterblätter find langgejtredte Schräg- und tt Stemmbalten geworden. Das Bruftbein aber hat einen Mamm Sammunel, wWitteidand uno zum Musfelanfat befommen, tie ihn die Vögel haben, bei denen IN daen Sicetben Aus ji hier die gewaltigen Flugmusfeln verankern.” Schmeil, der ch a a geniale Lehrmeifter der Naturgejchichte, vergleicht die Worder- berg 18595. gliedmaße des Maulwurfs mit einem Strablöffel, den man furz am Stiele anfaßt, um mit kurzem Hebel arbeiten zu können. „Ober- und Unterarm find jehr furz und ganz am Körper verborgen, jo daß nur die Hand aus dem Pelze herborragt." Die Maulwürfe oder Mulle verbreiten jich über den größten Teil von Europa, einen großen Teil von Ajien, Südafrifa und Nordamerika. Sie betvohnen mit Vorliebe ebene, fruchtbare Gegenden, ohne jedoch im Gebirge zu fehlen. Wiejen und Felder, Öärten, Wälder und Auen werden von ihnen exflärlicherweije den trodnen, unfruchtbaren Hügel- abhängen oder jandigen Stellen vorgezogen. Nur ausnahmsweije finden jie ji an den Ufern der Flüffe oder Seen ein, und noch feltener begegnet man ihnen an den Stüjten des Meeres. Alle Arten führen ein volffommen unterivdifches Leben. Sie jceharren jich Gänge 300 3. Dvdnung: Snfektenfrefjer. Familie: Maulmwurfartige. Durch den Boden und werfen Haufen auf, ebenjowohl im trocdnen, Ioceren oder fandigen wie im feuchten und weichen Boden. Manche Arten legen fich weitausgedehnte und jehr zufammengejeßte Baue an. ALS Kinder der Finfternis empfinden alle fchmerzlich die Wirkung des Lichtes. Deshalb fommen fie auch nur jelten freiwillig an die Oberfläche der Erde und jind felbit in der Tiefe bei Nacht tätiger al3 bei Tage. hr Leibesbau verbannt fie ent- jhhieden von der Oberfläche der Erde. Sie fönnen weder Springen noch Klettern, ja faum orventlich gehen, obgleich fich manche rafch auf dem Boden fortbewegen, diejen meijt bloß mit der Sohle der Hinterfüße und dem Snenrande der Hände berührend. Um fo rascher it ihr Lauf in ihren Gängen unter der Erde und wahrhaft bewundernsmwürdig die Ge- Ihmindigfeit, mit der fie graben. Auch das Schwimmen verftehen fie fehr gut, obgleich jie von Diejer Fertigkeit bloß im Notfalle Gebrauch machen. Die breiten Hände geben vorzügliche Ruder ab, und die fräftigen Arme erlahmen im Waffer erflärlicherweije noch weit weniger al3 beim Graben in der Erde. Der kurze, famtartig dichte Pelz verhindert, daß beim Wühlen Erde zwifchen die Haare eindringt und am Körper haftet. Unter den Sinnen find Geruch, Gehör und Gefühl befonders ausgebildet, während das Geficht jehr verfinmmert ift. Ihre Stimme bringt zifchende und quiefende Laute hervor. Die geiftigen Fähigkeiten find gering, obwohl nicht in dem Grade, wie man gewöhnlich zu glauben geneigt ift. Doch fcheinen im Zufammenhang mit dem Einzelleben die fogenannten Ichlechten Eigenschaften weit mehr entwidelt zu fein alS die guten; denn alle Mulfe find im höchften Grade unverträgliche, zänftjche, biffige, räuberifche und mordluftige Tiere, die jelbft den Tiger an Graufamfeit übertreffen und mit Luft einen ihresgleichen auffreijen, jobald er ihnen in den Wurf kommt. Sie nähren fich ausfchlieglich von Tieren, nie von Pflanzenftoffen. Unter der Erde lebende Snjekten aller Art, Würmer, Aifeln und dergleichen, bilden die Hauptmafje ihrer Mahlzeiten. Außerdem verzehren fie, wenn fie es haben können, Heine Säugetiere und Vo- gel, Fröjche und Nadtjchneden. ihre Gefräßigfeit ift ebenfo groß wie ihre Beweglichkeit; denn jie können bloß jehr Furze Zeit ohne Nachteil Hungern, und verfallen deshalb auch nicht in Winterjchlaf. Gerade aus diefem Grunde werden fie al Snfeftenvertilger nüßlich, während jie durch ihr Graben dem Menfchen viel Srger bereiten. Ein- oder zweimal im Jahre wirft der weibliche Maulwurf zwifchen 3-5 Junge und pflegt jie jorgfältig. Die Kleinen mwachjen ziemlich xafch heran und bleiben ungefähr ein oder zwei Monate bei ihrer Mutter. Dann machen fie fich jelbftändig, und die Wühlerei beginnt. sn der Gefangenfchaft Fann man Maufwürfe nur bei forgfältigfter Pflege er- halten, weil man ihrer großen Gefräßigfeit faum Genüge zu Ieiften vermag. Nad) der Beichaffenheit des Gebiffes, der Bildung des Rüffels und dem Fehlen oder Borhandenfein des mehr oder weniger langen Schtwanzes teilt man die Maulwürfe in Gat- tungen ein, die zum Teil noch die Verbindung zwijchen den bereit3 gejchilderten Maulwurf- arfigen im weiteren Sinne und unferem befannten fchtwarzen Exrdwiühler vervolfftändigen. So hat der Nordamerifanifche Maulwurf, Scalops aquatieus Zinn., die Haupt- art der Öattung Scalops G. Cuv., Schmwimmhäute zwijchen den Hinterzehen, ijt aber deshalb feineswegs ein Waffertier. Nach Hart Merriam fchtoimmt er gar nicht freitvillig und liebt auch nicht die Nachbarichaft Des Wafjers, fondern zeigt eher eine Neigung zum Gegenteil. Er febt ganz unterivdifch und frißt nur Exrdtviirmer, Larven, Ameifen und andere Infeften, die in der Erde, ımter Baumftümpfen und Steinen Yeben. Trotdem betrachtet ihn der Nordamerifanijher Maulwurf. Bürftenmull. 301 Landmann al jeinen Feind, und er wird allgemein bei jeder Gelegenheit vernichtet, weil er durch feine Röhren und Haufen jich Yältig macht. Sein Weft jibt einen halben Fuß oder auch etwas mehr unter der Oberfläche, und von ihm gehen mehrere Verbindungen aus in der Richtung nach den bevorzugten Jagdgründen. Dieje Röhren erjter Ordnung nähern jich allmählich der Erdoberfläche und gehen jchlieglich in ein fortwährend jich ver- mehrendes Gewirre von gejchlängelten Gängen über, die jich nach allen Richtungen dahin- mwinden und oft der Oberfläche jo nahe fommen, daß jie eS gerade eben noch vermeiden, offen zutage zu treten, während fie anderwärts wieder mehrere Zoll tief liegen. Längs der oberflächlichjten diefer wagerechten Röhren ijt die Erde in Form langer Rüden aufgemworfen, an denen man das Borfchreiten des Tieres verfolgen fan. Die Entfernung, die es jo in gegebener Zeit zurüclegen fann, ift ganz unglaublich. Audubon und Bachmann geben-an, daß der Maulwurf in einer einzigen Nacht nach dem Negen einen viele Elfen langen Gang ausarbeite, und Merriam hat felbjt einen friichgegrabenen von fait 100 Ellen verfolgt. Um durch Vergleich einen richtigen Begriff von diejer Niejenarbeit zu geben, führt er an, daß ein Menjch, um im Verhältnis zu feiner Körpergröße dasjelbe zu leilten, in einer Nacht einen Tunnel graben müßte von 37 Meilen Länge und genügender Ieite, um jeinen Körper leicht Durchzulajfen. Neuerdings hat auch Hornaday, der Leiter des New Norfer Tiergartens, interejjante Berjuche mit dem amerifanischen Maulwurf gemacht, die er in feiner amerifanischen Natur- gejchichte jehr anjprechend jchildert. „Ar deiner Hand ift ein Maulwurf ein Hin und her rücdendes, raftlofes Gejchöpf. Sebe ihn auf die Erde, wo jie nicht Hart zufammengeftampft it, und in einer Sefunde hat er eine geeignete Stelle für ein Loch gefunden. Seine Naje jenkt ich in das Erdreich, al3 wäre fie eine Schufterahle, mit zugleich ftoßender und bohrender Bewegung, und in drei Sefunden ift der Kopf deines Maulwurfs nicht mehr zu jehen. Yebt hebt jich der mächtige rechte Vorderfuß und gleitet dicht längs der Kopfjeite, mit der Stante nach born und die innere Handfläche nach außen, bis zur Nafenjpibe. Der lebende Meißel jchneidet die Erde jenfrecht und hebelt jie dann mit einer rajchen Bewegung zur Seite von der Nafe weg. Zugleich tut der Kinfe Borderfuß dasjelbe auf der andern Seite, während die Schufterahle weiter vorwärts bohrt. Ir zehn Sekunden nach der Uhr ijt der Körper des Maulwurf ganz verfchwunden, und in drei Minuten aräbt er einen Fuß weit, wenn er nicht unterbrochen wird. Der Maulwurf ift ein prachtvolles Beifpiel von Energie und Straft. Um feine Arbeitsmethoden zu beobachten, wenn er ungeftört ijt, jeste ich einen auf ein Kleefeld von fünf Acer morgens um 11 Uhr. Während der eriten jieben Stunden hatte ex 23 Fuß in-einer Ziczadklinie gegraben. Während der nächjten 17 Stunden wühlte er 35 Fuß und in der nächiten Stunde 10 Fuß weiter. Die Gejamtarbeit betrug 68 Fuß in Der Hauptlinie und 36%, Fuß an Seitenzweigen, aljo alles in allem 104% Fuß.” DieHaarihwanz-oder Bürftenmulle (Gattung Scapanus Pomel, von der neuerdings noch die weitere Gattung Parascalops abgetrennt worden ift, Hauptart S. breweri Bachm.) verbinden die vorgenannten Schwimmfühigen Maultwürfe mit den folgenden Sternmurllen dadurch, daß fie das allgemeine Hußere der erjteren, aber die 44 Zähne der Ietteren haben. Auch in den Lebensgewohnheiten ähneln fie den erjteren, indem jie trodnes Wiejenland bevorzugen, nicht jumpfigen Grund, wie ihn die Sternmulfe lieben. Die Hügel der Haar- ichmwanzmulfe enthalten nicht oben in der Mitte die Offnung, wie die der [chwimmfühigen, noch neigen dieje zu den Ausflügen mitten am Tage, die für jene fo charakteriftiich find. - 302 3. Ordnung: Snjeftenfrefjer. Familie: Maulmwurfartige. Der Sternmull, Condylura eristata Zinn., gehört zu einer der wenigen Gattungen, die feit Linnes Zeiten big heute nur eine Art enthalten (allerdings mit einer Unterart cana- densis). Ex hat feinen Namen von den eigentümlichen, ring- oder bundartig angeordneten Anbängieln an derNüfjelipige, in denen die Najenlöcher mitteninne tiegen. Außer diejen ftern- förmig angeordneten jpisen Warzen, die jedenfalls zum Tajten dienen, ijt diefer Mull noch ausgezeichnet Durch den anjehnlichen, fajt förperlangen Schwanz und dadurd, daß die End- glieder der Vorderzehen nicht gejpalten find tie bei ven altweltlichen Maulwürfen. Da- gegen hat er, wie diefe, 44 Zähne. Nahrung und Xebensmweije find ganz ähnlich wie bei den vorhergehenden; nur dehnt der Sternmull feine Wühlereien nicht jo weit aus und wirft qrö- Bere Hügel auf. AJm Garten und Aderland gräbt er nahe der Oberfläche, auf der Wiefe ° arbeitet er tiefer und gleicht darin dem gewöhnlichen europäischen Maulwurf, mit dem er Sternmull, Condylura eristata Linn. 12 natürlicher Größe. auch Darin übereinstimmt, daß er im Spätherbit, wenn die Erdoberfläche friert, ven Wür- mern in eine Tiefe folgt, mo der Froft nicht Hindringt. Wenn man dem Streifen lofer Erde folgt, der das Vorjchreiten eines diefer Maulmwürfe im Garten anzeigt, und rajch den Spaten einjticht in Den Weg des Tieres, einige Zoll vor der fich bewegenden Exde, fo ijt es oft möglich, einen Sternmull an die Oberfläche zu bringen. So jchnell aber Jäuft er durch den weichen Sartenboden, daß der Spaten ihn auch dann noch nicht felten entziwei jchneidet. An neu- geborenen Jungen find die Rüfjelausmwiüchje noch jo Fein, daß man fie faum fieht. Sn einem gemwiljen Gegenjat dazu bezeichnen Stone und Cram in ihren „American animals“ den Sternmull al3 „wohlgerüftet für ein teilweifes Wafjerleben, wie Otter und Nink”, und erklären es für Tatfache, daß er feine meijte Zeit beim Wafjer zubringt, vo er durch den Schwarzen Torfboden der Sümpfe und längs den Ufern Heiner Brüche und Tüimpel aus- gedehnte Röhren ftößt. Der weiche, fehwarze Lehmboden toird in zahlreichen Haufen von etwa 1 Fuß Durchmejjer aufgeworfen; der Zugang zum Bau befindet fich unter der Uferbanf, und zwar ebenjo oft unter als über Wafjer. Die Röhre felbft muß häufig voll Wafjer laufen zur großen Unbequemlichkeit der Bewohner. Stone und ram haben niemals Neft und Junge gefunden und können nicht umhin, fich zu wundern, twas die Tiere zu Überfchwenmungs- zeiten mit leßteren wohl anfangen mögen, wenn die Wiefen und Sumpfniederungen, ınapnoyu Sternmull. Maulwurf. 303 too fie haufen, unter Wafjer jtehen. Die Alten haben feine Furcht vor dem Wafjer; man jieht fie oft Schwimmen, unter und an der Oberfläche, auch vo die Strömung recht Stark ift, und fie zeigen jich zu jolchen Zeiten vollfommen vertraut und unerjchroden. Dürre fcheint fie viel mehr anzugreifen als Überfchtwemmung, und bei heifem Wetter, nach einigen regen- ofen Wochen findet man viele tot, offenbar an Durjt zugrunde gegangen. Stone umd ram zweifeln faum noch, daß der Sternmull eine gewijje Ubmwechjelung in feine Mahl- zeiten bringt durch Heine Fiiche und Lurche nebjt deren Eiern und auch Durch das Fleijch von Warmblütern, wenn er folches erlangen kann. Geine Fährte findet man auch im fäl- teften Winter längs ungefrorener Brücher, und ebenjo läuft er jicher im tiefen Schnee herum; die eigentümliche Stellung feiner Vorderpfoten hinterläßt eine Spur, die man mit feiner andern vermwechjeln fan. Ein Anfang Februar gefangener mußte in der Mitte des Bruches nicht weit vom Grunde gejchwommen jein, wo das Wafjer 6 oder 8 Zoll tief war, und obwohl er mehrere Tage in der Falle unter Wafjer hing, als er gefunden wurde, hatte jein Fell immer noch das Wafjer abgehalten und trodnete jo jchnell wie Dtterfelle, zeigte alfo die richtigen Eigenschaften für das Fell eines Schwimmjäugetieres. Die chinefiiche Gattung Scaptonyx A. M.-Edw. beginnt bei Flower und Lupdeffer die Reihe der altweltlihen Maulwürfe im engeren Sinne (Talpinae), bei Trouejjart Dagegen Iteht fie in der andern Unterfamilie (Myogalinae): wohl der bejte Beweis für ihre Müttel- jtellung! Sn der Tat verbindet fie die echten Maulwürfe (Gattung Talpa) und die japanijch- amer:fanijchen Syitmulle (Gattung Urotrichus) dadurd), daß fie Den Stopf der erjteren und die Gliedmaßen der letteren hat. Alle Maulmwürfe der Gattung Talpa Zinn. mit ihren Untergattungen jind blind (d.h. es zieht jich eine Haut über ihr Auge) mit einziger Ausnahme unferes gervöhnlichen europätjchen. Der Maulwurf oder Mull, Talpa europaea Linn., ijt das Urbild der Familie und einer auf Europa und Afien bejchränften Gattung. Die Leibeslänge beträgt, einjchließlich de3 2,5 cm langen Schwanzes, 15, höchjtens 17 cm, die Höhe am Widerrilt ungefähr 5 cm. Das Gebif beiteht aus 44 Zähnen, und zwar im Oberfiefer 6, im Unterkiefer 8 einfachen, unter jich nicht wejentlich verfchiedenen, einmwurzeligen Borderzähnen, großen, zweiiwurzeligen Edzähnen und oben 7, unten 6 Badzähnen jederjeit3, von denen die eriten 3 und be- ziehentlich 2 Hein und einmwurzelig, daher al3 Lüczähne anzusprechen, die darauffolgenden 4 aber mehrmwurzelig, teilweije auch mehripigig, aljo Mahlzähne find. Won der Leibes- twalze jtehen die jehr Furzen Beine ziemlich mwagerecht ab; die jehr breite, handjörmige Note fehrt die Fläche, die bei anderen Tieren die innere ift, immer nach außen und rüd- wärts. Das vorderite Fingerglied hat, wie öfters bei Erdgräbern, einen gejpaltenen Sinochen, was noch fejtere Einfügung des Nagel3 ermöglicht. Unter den furzen, durch breite, ftark abgeplattete und ftumpfjchneidige Krallen bemwehrten Zehen ijt die mittelite am längiten, die äußeren aber verfürzen fich allmählich und find faft vollftändig miteinander durch Spann- häute verbunden, ja beinahe verwachjen. An den Fleinen und furzen Hinterfüßen find die Zehen getrennt und die Strallen fpißig und fchwach. Die Augen haben etiva die Größe eines Mohnfornes, liegen in der Mitte zwijchen der Rüfjelipige und den Ohren und find vollfommen von den Ktopfhaaren überdect, bejigen aber Lider und fönnen willfürlich hervor- gedrückt und zurücgezogen, aljo benußt werden. Cie find fchtvarz wie Heine, einfarbige Glasperlen; denn man fann an ihnen den Stern von Der ri nicht unterjcheiden. Die 304 3. Ordnung: Snfeltenfrefjer. Familie: Maulwurfartige. Heinen Ohren haben feine äußeren Ohrmufcheln, fondern werden außen bloß von einem furzen Hautrande umgeben, der ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und zur Öffnung und Schliegung des Gehörganges dient. Die Najenlöcher liegen nicht an der Vorder-, fondern an der Unterjeite de3 Nüfjel3 und fünnen fo beim Graben weniger leicht mit Exde berjtopft werden. Die gleihmäßig jchwarze Behaarung ijt überall jehr dicht, Furz und eich, jamtartig; auch die glänzenden Schnurren und Yugenborften zeichnen fich durch Kürze und Feinheit aus. Diejer Samtpelz läßt weder Erbteilchen noch Näffe bis auf die Haut gelangen, und da die furzen, weichen Haare feine bejtimmte Nichtung, feinen „Strich“ haben, jo jtellen fie fich in dem engen Erdgange nie den Bewegungen des Tieres ent- gegen, mögen Dieje nun vor= oder rüdmwärts erfolgen. Mit Ausnahme der Pfoten, der Sohlen, der NRüfjelipiße und des Schwanzendes bededt der Pelz den ganzen Körper. Sein bald mehr ins Bräunliche, bald mehr ins Bläuliche oder jelbjt ins Weißliche fchillernder Glanz ijt ziemlich lebhaft. Die nadten Teile find fleijchfarbig. Das Weibchen ift jchlanfer gebaut als das Männchen, und junge Tiere jind etwas mehr gräulich gefärbt. Dies jind Die einzigen Unterjchiede, die zwijchen den Gejchlechtern und Ultern bejtehen. &3 gibt aber auch Abänderungen, bei denen die afchgraue Färbung des Sugendfleides eine bleibende it, oder folche, Die am Bauche auf der alchgrauen Grundfarbe breite, graugelbe Längsitreifen zeigen, auch folche, bei denen auf fehwarzem Grunde weiße Tlede ftehen. Außerft jelten findet man gelbe und weiße Maulwürfe. Doch berichtet Staats dv. Wacgquant-Geozelles, der befannte Beobachter heimifchen Tierlebens, im ‚‚HYoologijchen Garten‘, 1892, jogar über „Weitervererbung von Albinismus” beim Maulwurf und über „das verhältnismäßig jehr häufige Borfommen rein weißer Eremplare innerhalb eines ganz bejtimmten Neviers hiejiger Gegend. Dies Nevier liegt an beiden Seiten des Baches Humme (mündet in Die Wejer) und erftredt fich vom Fleden Irzen bis an die Wiefen unterhalb der Ortjchaft Sroß-Berfel (jüdlih von Hameln). Die genannte Strede ift — am Bache entlang — bequem in einer Stunde abzugehen; zivei Drittel Wiejen, das übrige Felder und Ge- müjegärten. Die Wiejen jind jtellenweije jehr jumpfig; fie jind infolgedefjfen nur mit ven vom Landwirt gehaßten fogenannten ‚jaueren Gräjern‘ bejtanden, haben auf große Streden hin moorigen Untergrund, jo daß der Bitterflee dort üppig wuchert, und werden altjährlich zur Flößezeit lange jo überflutet, dat alle Maulwürfe fich daraus zurüdziehen und in Dämmen, Örabenrändern uf. aufhalten müfjen. ber felbit an diejen Stellen werfen die Tiere oft nur nafje, fehwarze Erde auf. Dies ijt die kurze Befchreibung der Gegend, wo jeit nachweisbar 60 Zahren die weißen Maulmwürfe vorfommen. Die ältejten in jenem Bachgebiete gemachten Beobachtungen find mir von meinem Vater überliefert worden und erjtreden jich auf die Zeit vor 1820. Damals war die Zeit der profejfionierten ‚Maulwurfsfänger‘ ... . und wir wijfen von meinem Bater, daß unterhalb des Tledens Irzen alfjährlich einige Albinos unter der Zahl der an jchlingenbewehrten langen Ruten, aljo an den überall in den Wiejen ftehenden Fangapparaten baumelnden Opfer vorhanden waren. Die Anzahl der Albinos jchwankte damals zwifchen zwei und acht im Jahre, und zivar murden diefe nur auf der Domänenländerei gefangen. Heute erijtiert Fein profejjioneller Maulwurfsfänger mehr; da aber alle paar Jahre fchneeweiße Mauftwürfe gefangen werden, jo muß jich ‚diefe Art‘ (tie fie hier von einigen Leuten genannt wird) ohne Trage ftet3 weiter- vererbt haben. Die meijten Albinos werden anfcheinend eben bei Selren, und zwar in einer ftet3 jehr fumpfigen Mooriiefe, im ‚Kahl-Bruch‘, gefangen und dies ift fchon feit langer Beit der Zall; dem meine Mutter, zu deren elterlicher Befibung eben diefes Kahl-Bruch Maulwurf: Leibesbau. Farbenabänderungen. Geographifche Verbreitung. 305 gehört, gibt an, daß früher der alljährlich von alt und jung erwartete und begrüßte, nur menige Tage, aber dann mit Hunderten von Nutenjchlingen arbeitende Maulmwurfsfänger unter der Zahl feiner Opfer ftets 5—8 rein weiße Maulwürfe hatte und im Schlojje vorzeigte. Zu meines Vaters Beobachtungszeit, alfo vor 1820, war ‚die Lieje‘ bei Ärzen als Fundftelle der weißen Maulwürfe allgemein befannt. Prinz Lömwenftein- Wertheim fand auf einer überjchwemmten Wieje bei Selxen fünf folcher Albinos; einige Jahre zuvor ein Arbeiter deren vier. Die vom Prinzen gefundenen fünf Stüde waren ertrunfen, und zwar waren e3 junge, aus einem Nejte jtammende Tiere, wie mir der Prinz genau beivies.’” — Aud) andere merkwürdige Farbenausartungen des Maulwurfes fommen vor: jo fonnte das befannte Münfterländer Zoologenoriginal Landois einen „jtebenfarbigen” („Zoologijcher Garten”, 1887) und Hartert vom Rothicehild-Mufeum in Tring einen „jechsfarbigen” Maulwurf bejchreiben (‚‚Zoologijcher Garten‘, 1890). Bemerfenswert ijt bei beiven Yus- nahmeftüden die übereinjtimmende orangefarbene Zeichnung der Unterjeite. Bollfommene Haarlojigfeit wurde beim Maulwurf ebenfalls beobachtet, und zivar von Furlotti an einem 1910 bei Barma gefangenen Eremplar, dejjen Haut in Aunzeln und Falten gejchlagen war und im Leben einen gewiljen iijierenden Glanz hatte. Mifro- jfopijche Unterfuchung der Haut nach dem Tode zeigte, Daß die Haarbälge vorhanden waren. Der Name „Maulwurf” it von dem althochveutichen „Moltervurf” abzuleiten, worin Molte = Erde bedeutet; Später wurde der Ausdrud, wie jo viele andere jchöne altdeutjche Worte, nicht mehr verftanden und mißverjtändlich mit dem Nüfjelmaul des Tieres in Be- ziehung gebracht. Mit diefem fann der Maulwurf ziwar auch wühlen; doch hebt Schmeil mit Necht hervor, „daß der Kopf in hartem oder gar jteinigem Boden al Bohrwerkzeug nicht benußt werden fann‘, weil der Rüfjel troß des fnorpeligen Vornajenbeines bieg- jam und beweglich bleibt. „Hier vermögen allein die Grabfühe etwas auszurichten‘, und um ihnen „ein Borangehen im harten Boden zu ermöglichen, wird der Stopf jo weit zurücgezogen, daß er förmlich im Aumpfe verjchwindet”. KHauptjächlich dient der Kopf aber „als Wurffchaufel. Häufen jich in der Aöhre die losgewühlten Erdmafjen, jo bohrt der Maulwurf einen Gang nach der Oberfläche und befördert die Erde durch fräftige Stöße des Kopfes heraus: e3 entjteht ein Maulwurfshaufen oder -hügel.” Der Verbreitungsfreis des Maulwurfes erftrecft fich über Europa nebjt Nordafrika und reicht durch Aiten bis zum Altai und felbjt bis nach Japan. Nach Norden hinauf findet man ihn bis auf das Dovrefjeld, in Großbritannien bis zu dem mittleren Schottland und in Rußland bis zu den mittleren Divinagegenden. Auf den Orfney- und Shetlandinjeln jowie auf dem größten Teile der Hebriden und in Juland fehlt er gänzlih. In Mien geht er bis zum Amur und jüdmwärts bis in den Kaufafus; in den Alpen fteigt ev bis zu 2000 m Gebirgshöhe empor. Er ijt überall gemein und vermehrt jich da, wo man ihm nicht nachjtellt, in überrafchender Weije. Bon jeinem Aufenthalte gibt er felbft jehr bald die jicherjte Kunde, da er bejtändig neue Hügel aufiverfen muß, um leben zu können. Dieje Hügel bezeichnen immer die Ric- tung und Ausdehnung feines jedesmaligen Sagdagrundes. Bei jeiner außerordentlichen Gefräßigfeit muß er diefen fortwährend vergrößern und daher auch bejtändig an dem Aus- bau feines unterivdiichen Gebietes arbeiten. Ohne Unterlaß gräbt er wagerechte Gänge in geringer Tiefe unter der Oberfläche und wirft, um den losgejcharrten Boden zu entfernen, die befannten Hügel auf. Man hat ihn aber nicht nur als raftlofen Wühler, jondern auch als funftreihen Tiefbaumeifter dargeftellt, der nach einen ebenjo bejtimmten mie Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 20 906 3. Ordnung: Snfeftenfreffer. Familie: Maulwurfartige. verwidelten Shitem arbeitet, namentlich jene Wohnung fich Herrichtet. Das Bild der ‚„Maulwurfsburg” mit den beiden Stodwerfen von NRund- und verbindenden Duer- gängen um die mittlere Kammer, wie es zuerjt Blafius entwarf, ift ja aus den Lehr- büchern befannt. Diefe Darjtellung haben neuerdings . Dahl Durch Unterfuchungen in Deutjchland und D. Rofjinfiy durch jolche in Nukland berichtigt, in dem Sinne, daß von einem jejtitehenden, immer wieder gleicherweije angewendeten „Burgenftil’‘ des Maul- twurfes gar feine Nede jein fann. Dahl Fam fchlieglich zu dem Endergebnis („Naturwifjen- ichaftliche Wochenjchrift”, 1907): ‚Der Inftinkt, einen jo regelmäßigen Bau zu konstruieren, fann an und für jich jehr wohl bei einem Tiere vorfommen. Wir wiljen aber, daß fich ein Snftinft nur dann entwidelt, wenn eine Beranlafjung vorliegt, d. H. wenn diejer Injtinkt Vorteile im Ktampfe ums Dajein gewährt. Einen Borteil fann ich aber in feiner Weije aus den beiden Streisgängen erjehen. Die Flucht wird entjchieden verlangjamt, wenn der Maulwurf erit in den Heinen und dann in den großen Streisgang hineingehen muß, um von hier aus das Weite zu juchen, mag die Gefahr nun von oben oder von der ©eite drohen. Allenfalls önnte e3 jich in den Kreisgängen um einen Tummelplaß für die Jungen handeln. Man erjieht aber nicht, weshalb dazu eine fo weitgehende Negelmäßigfeit erforder- lich jein jollte. — ch meine aljo, daß man das Bild des regelmäßigen Maulwurfsbaues aus den Lehrbüchern entfernen follte, bis etwa ein zuverläfjiger Beobachter uns von neuem Kunde über einen folchen gibt.” Ebenjo fand ein englischer Foricher, L. E. Adams, wie Neefer berichtet, „von rund 300 Bauten, die er jelbjt aufgegraben und an Dxt und Stelle aufgezeichnet hat, nicht zwei einander völlig gleich und nicht einen einzigen in Übereinftimmung mit der traditionellen Zeichnung. Nur bei jumpfigem Boden und auf Überjchvemmungsgebiet lag das Neft in einem Hügel über der Erde (wie Dahl dies auf feuchten Wiejen fand); in allen anderen Fällen lag e8 2—6 Zoll (5—15 cm) unter der Oberfläche. Vom Neft führt ein fürzerer oder längerer, oft jchraubig geivundener Gang aufwärts, durch den der Maulwurf die ausgegrabene Erde nad) oben jchafft. In komplizierten Fällen fchraubt fich der Gang in mehreren Windungen hinauf, jo daß er jehr jelten einmal etwas an die Blafiusfche Zeichnung erinnern fann. Nicht jelten gehen auch von den aus dem Bau hinausführenden Laufröhren Gänge nach oben, ebenfalls zum Hinausjchaffen der Erde beftimmt; fie Durchjeßen den Hügel und, wenn jich der Bau in diefem befindet, auch ihn; fo fommen recht verwidelte Bilder zuftande. Ferner laufen vom Nejte aus eine wechjelnde Anzahl Nöhren zur Außenwelt. Sichergeftellt erjcheint jeßt, daß bei der Baumeije jehr viele individuelle Verjchiedenheiten Herrchen. Ebenfo jteht e8 mit dem Neftpolfter, zu dem Gras oder getrodnete Blätter oder gemijchtes Material benubt werden. Männchen und Weibchen haben befanntlich getrennte Baue. Bei den Männchen beißt das Net gewöhnlich außer den übrigen Ausgängen eine an feinem Boden beginnende Laufröhre; diefe fehlte nur bei wenigen Neftern auf jumpfigem Boden, ro jie ind Wafjer geführt haben würde. Die Baue der Weibchen find einfacher und meift ohne Laufröhre angelegt. Manchmal liegen mehrere Nefter dicht beieinander, gewöhnlich eins unmittelbar über dem andern; nur das obere ift dann bewohnt; wahrjcheinlich rühren jolche Nefter von demjelben Maulwurfe her.“ Die Wände der Kammer und der zu der Wohnung gehörigen Röhren find ehr dicht, jelt zufammengeftampft und glattgedrüct. Die Kammer fetbft ift zum Lager ausgepofftert mit weichen Blättern von Gräfern, meift jungen Getreidepflänzchen, Laub, Moos, Stroh, Mit oder zarten Wurzeln, die der Maulwurf größtenteils von der Oberfläche der Erde Maulwurf: Laufröhren. Exrdbauten. Grabweife. 807 herbeiführt. Die Wohnung bietet dem Maulwurf zu Schlaf und Ruhe unter allen Umftänden Sicherheit dar und ijt deshalb auch fein gewöhnlicher Aufenthalt, wen er nicht auf Nahrung ausgeht. Sie liegt nach älteren Angaben 30—60 em unter der. Erdoberfläche. Die Lauf- röhre ijt weiter als die Störperdide, jo dab das Tier jchnell und bequem vorwärts fommen fann; auch in ihr find die Wände durch Zufammenprefjen und Feitvrüden von auffallender Feftigfeit und Dichtigfeit. Huperlich zeichnet fie ich nicht wie die iibrigen Gänge durch auf- gemorfene Haufen aus, indem die Erde zur Entfernung nur zur Seite gepreft wird. Sie vient bloß zu einer möglichit rafchen und bequemen Verbindung mit dem täglichen Yagd- gebiete und wird nicht jelten von anderen unterivdiichen Tieren, Spimäufen, Mäufen und Kröten, benußt, die jich aber jehr zu hüten haben, dem Maulwurfe in ihr zu begegnen. Bon außen fann man fie daran erkennen, daß die Gewächje über ihr verdorren und der Boden über ihr jich etwas fenft. Solche Laufröhren find nicht felten 30—50 m lang. Das Yagd- gebiet liegt meijt weit von der Wohnung ab und wird tagtäglich, Sommer und Winter, in den verjchiedenften Nichtungen Duchwühlt und durchjtampft. Die Gänge in ihm find bloß für den zeitweiligen Bejuch zum Auffuchen der Nahrung gegraben und werden nicht befejtigt, fo daß die Erde von Strede zu Strede in Gejtalt von Haufen, die die Richtung der Aöhren bezeichnen, an die Oberfläche geworfen wird. Die Maulmwürfe bejuchen ihr Jagdgebiet gewöhnlich dreimal des Tages, morgens früh, mittags und abends. Sie haben daher in der Regel jechsmal täglich von ihrer Wohnung aus und wieder zurüc die Laufröhre zu Durch- wandern und fünnen bei diejer Gelegenheit, jobald gedachtes Rohr aufgefunden ijt, mit Sicherheit in Zeit von wenigen Stunden gefangen werden. Das Innere der Baue jteht nie unmittelbar mit der äußeren Luft in Verbindung; doch dringt diefe zwiichen den Schollen der aufgeworfenen Haufen in hinreichender Menge ein, um dem Tiere den nötigen Sauerftoff zuzuführen. Da der Maulwurf außer der Luft zur Umung aber auch Wajjer zum Trinken bedarf, wühlt er jich jtets bejondere Gänge, die zu nahen Pfügen oder Bächen führen, oder gräbt, wo jolche ihn mangeln, bejondere Schächte, worin fich dann Negenwafjer jammelt. Ein alter Maulwurfsfänger hat oft an der unteriten Stelle tiefer Röhren ein jenfrechtes Zoch gefunden, das den Brumnen bildet, aus dem der Maulwurf trinkt. „Marche diejer Löcher”, bejchreibt er, „jind von beträcht- licher Größe. Sie waren oft anjcheinlich troden; allein wenn ich ein wenig Erde hineintwarf, überzeugte ich mich, daß fie Wajfer enthielten. Sn diejen Röhren fann der Maulwurf jicher binab- und heraufrutjchen. Bei najjem Wetter find alle jeine Brunnen bis an den Rand gefüllt und ebenjo in manchen Arten von Boden auch bei trodener Witterung. Wie jehr der Maulwurf des Wajjers benötigt ift, ergibt jich übrigens aus dem Umjtande, daß man bei anhaltender Trodenheit in einer Nöhre, die nach dem Loche oder Wafjerbehälter führt, ihrer jehr viele fangen Fanı.“ Das Graben jelbjt wird dem Maulwurf in weicher Erde jehr leicht. Mit Hilfe feiner ltarfen Nacdenmusfeln und der gewaltigen Schaufelhände, mit denen er jich an einent be- timmten Otte fejthält, bohrt er die Schnauze in den Ioderen Boden ein, zerjcharrt um fich herum mit den Vorderpfoten Die Erdjchollen und wirft fie mit außerordentlicher Schnellig- feit hinter jich. Seine Ohren jind durch ihre Schließfähigfeit une dem Eindringen von Sand- und Erde vollfommen gejhüßt. Die aufgefchartte Erde läßt er in jeinem eben gemachten Gange fo lange hinter fich fiegen, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann verjucht er an die Oberfläche zu fommen umd wirft die Erde nach und nach mit der Schnauze heraus. Dabei it er fast immer mit einer 12—15 em hohen Schicht loderer Erde überdeckt. An leichtem Boden 20* 308 3. Ordnung: Injeltenfrejjer. Familie: Maulmwurfartige. gräbt er mit einer wirklich betvunderungswürdigen Schnelligkeit. Dfen hat einen Maulwurf ein Vierteljahr Yang in einer Kijte mit Sand gehabt und beobachtet, daß jich das Tier fait ebenfo fchnell, wie ein Fiich durch das Wafjer gleitet, Durch den Sand wühlt, die Schnauze voran, dann die Tagen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachjchiebend. Noc) ichneller bewegt jich der Maulwurf in den Laufgängen, twie man durch jehr hübjche Be- obachtungen nachgemwiejen hat. Überhaupt find die Bewegungen des Tieres jchneller, als man glauben möchte. Nicht bloß in den Gängen, jondern auch auf der Oberfläche des Bodens, mo er gar nicht zu Haufe ift, läuft er verhältnismäßig jehr rafch. Ir den Gängen aber oll er jo rajch vorwärts fommen wie ein trabendes Pferd. Auch im Wajfer ift er, wie bemerkt, jehr zu Haufe, und man fennt Beilpiele, daß er nicht bloß breite Flüfje, jondern jogar Meeresarme durchichmonmen hat. Sp erzählt Bruce, mehrere Maulmürfe jeien an einem uniabend bei Edinburg gegen 200 m meit durch das Meer nac) einer njel gejchtwommen, um jich dort anzufiedeln. Auch v. Wacquant („Zoologijcher Garten“, 1892) hat den Maulwurf als gejchidten Schwimmer gelegentlich einer plößlich hereinbrechenden Überfchtvemmung der Wefer fennen gelernt. „Die Flut war jehr überrajchend gefommen, und Nehe und Hafen uf. ertranfen damals in Menge. Die Maulwürfe aber jchienen jich jchleunigit in die Berge gerettet zu haben, um nach Abfluß des Wafjers jofort wieder in ihre Neviere zurüchzufehren; menigiteng iah ich bald nad) dem Verlaufen der Wafjermafjen wieder mitten im Überfchwemmungs- gebiete die Maulwürfe in neuer Tätigkeit; jte mußten viele taujend Meter jchtwimmend geflohen und wieder zurüdgefehrt fein.” Nicht jelten fommt e3 vor, daß der Wühler itber breite Flüfje jegt, und Augenzeugen haben ihn dabet in jehr lebhafter Bewegung gejehen. Auch in grogen Teichen bemerft man ihn zuweilen; er jchrwimmt hier, den Nüljel jorafältig in die Höhe haltend, jcheinbar ohne alle Not, und zwar mit der Schnelligkeit einer Nafjer- tatte. Da er jich außerdem unter dem Bette jelbit großer Flüjje duchmwühlt und dann am andern Ufer fuftig weitergräbt, gibt es für jeine Verbreitung eigentlich fein Hinder- nis, und mit der Zeit findet ex jedes gut gelegene Ortchen ficher auf. So hat man, wie Tjehudi jagt, öfters gefragt, wie der Maulwurf in das Hochgelegene Beden des Urjerentales fomme, das doch ftundenmweit von Selen und Flühen, von einem Schneegebirgsfranze und den Schreden des Schöllenengrundes umgeben ift. „Unjers Erachtens”, bemerft der genannte Forjcher, „darf man fich nicht denken, es habe irgendeinmal ein fedes, von dem Snjtinfte geleitetes Maulwurfspaar die ftundenmeite Wanderung aus den Matten des unteren Reuß- tales unternommen und fich dann in der Höhe bleibend angejtedelt. Die Einwanderung bedurfte vielleicht Jahrhunderte, bis das neue Stanaan gefunden var. Sie ging unregel- mäßig, langjam, rudweije von unten über die Grasplägchen und Humusteichen Stellen der Feljenmauern nach oben, mit vielen Unterbrechungen, Rüdzügen, Seitenmärjchen, im Winter oft auf den nadten Steinen unter der Schneedede fort, und jo gelangten Die eriten Maulwürfe wahrjcheinlich von den Seitenbergen her in das Tal, in dejjen fetten Gründen fie jich rafch genug vermehren konnten.” Der Maulwurf ift überhaupt nicht durchaus auf unterivdijches Leben angemwiejen, fommt vielmehr auch freiwillig ans Tageslicht, und der befannte Hannoversche Faunijt 9. Löns miomet ihın im „Zoologischen Beobachter”, 1906, jogar einen Aufjag in feiner Eigenjchaft „als Taatier”. „AS Sunge beobachtete ich an einem jchönen Aprilmorgen an einem der Sonne ausgejebten Abhange des Schloßjees bei Deutjch-Kirone in Westpreußen ein Dubend Maulmürfe, die zwitjchernd und fauchend jich jagten, nedten und balgten. Am 7. Auguft Maulwurf: Graben. Schwimmen. Laufen. 309 1906 jtand ich in einem eloholze bei Linderte in der Nähe von Hannover. Dicht neben dem Wege erjchien ein ungefähr halbwüchliger Maulwurf, fie fich in die tiefe Wagenfpur . des Weges fallen umd juchte dort eifrig nach Beute, nach der er ganz nach Art des Dachjes ‚tach‘, indem er trodene Blätter, Mioosrafen und die Sinöterichpolfter mit der Nafe um- drehte oder mit den Vorderpfoten zerriß. Da ich ganz leichte, abfaßloje Pirfchichuhe an- hatte, fonnte ich mich bis auf einen Schritt nähern, ohne ihn zu verjcheuchen, und ich fah ihm fat eine halbe Stunde zu. Zuerft juchte er das linfe Wagengeleife ab; alle Nugenblice faßte er mit den Pfoten oder dem Deaule zu und verzehrte haftig das Beutetier. Erftaunlich war die Sicherheit, mit der er in der Erde verborgenes Gemwürm witterte. Sn jolchen sällen jcharrte er jchnell eine Vertiefung und legte die Beute bloß. Schließlich exfletterte er, indem er jich einen Schwung gab, den Weg ımd wandte jich dem anderen Geleife zu. Am Rande des Geleijes jtußte er, fuhr mit der Naje am Boden hin und her und fcharrte mit großer Emjigfeit die Erde Ios. Die Erjchütterung veranlafte den von ihm getitterten Regenmwurm, nach unten, aljo in das ©eletje jelbit, zu entfliehen, und e3 twar höchft fomifch zu jehen, wie verdugt der Maulwurf war, al3 er den Wurm nicht fand; er jaß mehrere Minuten ftill da, als ob er den Fall eingehend überlege. Dann ließ er jich in das Geleife hineinfallen, und da er mit dem Bauche auf den Wurm zu liegen fam, fonnte ex ihn nicht wittern, gab die Sache auf und lief weiter, wobei er den Boden und die Wände des Öeleijes eifrig abjuchte. AS er einen Fuß weit von dem Wurm entfernt war, drehte er jich Halb um, mweil er an der Wand des Geleijes irgendein Tierchen fand. Der Luftzug ging, wie ich an meinem Pfeifenrauch jehen konnte, von dem Wurm nach feinem Verfolger. Plöglich drehte jich der Mauhvurf völlig um, fuhr auf den Wurm zu und frah ihn auf. Dann unterjuchte er jorgjältig das leere Gehäuje einer Gartenjchnirkelichnede, drehte einige Blätter um, machte einen Heinen Abjtecher in den Wald, um dort MooSpolfter zu zerzupfen und morjche Aitjtüde zu zerfegen, umging einen ausgeivachjenen Arion empiricorum (Wald- ichnede) in grogem Bogen und jtieg twieder in das Wagengeleije hinab, ohne fich durch die hier und da darin ftehenden Wafjerlachen beirren zu lafjen. Ein halbwüchliger Grasfrojch nahm jchleunigjt Reikaus, als der jchtvarze Gejelle ihm auf den Leib rüdte; ein twinziges Sröfchchen aber verjuchte vergeblich, die teile Geleijewand zu erflettern, wurde erwwijcht und mußte fein junges Leben lajjen. Nach diejer Mahlzeit machte er eine Verdauungspaufe, die vier Minuten dauerte, und jagte dann teiter, bis die Bodenerjchütterung, die ein heran- nabendes Automobil verurjachte, ihn veranlaßte, ein Loch anzunehmen.” Dem fügt der Miünfterländer Zoologe Neefer hinzu, „daß man, wie mir auch von anderer Seite bejtätigt wurde, junge Maulmwürfe öfter an der Oberfläche jieht als erwachjene. Sehr erjtaunt war ich, als ich im vergangenen Winter einen Maulwurf bei Schnee und Eis im Freien umbherlaufen jah”. Auch B. Lange teilt der „Naturwifjenjchaftlichen Wochen- ichrift” (1907) ähnliche Beobachtungen mit, die er des öfteren gemacht hat, „bejonders in den vergangenen Wochen Furz nach der Schneejchmelze, und ziwar auf niedrig gelegenen Geländen des Weichjeldeltas, mo das Grundwaljer nur etwa 16 em unter der Grasnarbe jtand. Die Maulwürfe nahmen ihren Weg zumeijt durch die Wagengeleije der ettvas er- höhten Landiwege, indem fie die hohen Geletjeränder nach verborgenem Getwürm abjuchten. Andere durchitreiften witternd den dürren Grasfilz trodenliegender Wiejenflächen, nur zum Teil fichtbar. Recht häufig, bejonders al Schulfnabe auf meinem weiten Schulwege, habe ich Maulwürfe auf friich gefallenem Schnee vorgefunden. Schon aus weiter Entfernung waren die unruhig Hin und her laufenden Tiere zu erbliden.“ 10 3. Ordnung: Snfektenfrefjer. Familie: Maulmurfartige. Die Hauptnahrung des Maulwurfes find Negenmürmer und Injektenlarven, die unter der Erde leben. Namentlich der Negenwürmer halber legt ex jeine großen und ausgedehn- ten Baue an, wie man jich jehr leicht überzeugen fann, wenn man einen Pfahl in loderes Sröreich ftößt und an ihm rüttelt. Die Witrmer wijjen, daß jie an dem Maulwurf einen Feind haben. Sobald jie die Bewegung verjpüren, fommen jte von allen Seiten eil- fertig aus der Erde hervor und verjuchen, jich auf die Oberfläche zu retten, ganz offenbar, weil jie glauben, daß die Erjcehütterung von einem wühlenden Maulwurfe herrühre. Außer diefen Wiirmern und Larven frißt er noch Käfer, namentlich Mat- und Miftkäfer, Maul- wurisgrilfen und alle übrigen Snjekten, die er erlangen fann, wie ihm auch Schneden und Ajleln bejonders zu behagen jcheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch Hilft ihm die Tiere aufipüren, und er folgt ihnen in größere oder Kleinere Tiefen, je nachvent fie jelbjt höher oder niedriger gehen. ber er betreibt nicht bloß in jeinen Bauen die Jagd, jondern Holt jich auch ab und zu von der Oberfläche, ja, wie man jagt, jogar aus dem Wafjer eine Mahl zeit. Die Spikmaus oder die Wühlmaus, der Frojch, die Eidechje oder Blindjchleiche und Natter, die jich in feinen Bau verirren, find verloren. „Sch habe”, jagt Blafius, „mehrmals im Steien beobachtet, daß ein Frojch von einem Maulwurfe iütberlijtet und an den Hinter- beinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfreiwilligen Verjenfung das unglückiche Dpfer ein lautes, Elägliches Gefchrei ausitieß.” Lenz berichtet, daß der Maulwurf ebenjo auch mit den Schlangen verjährt. Der Nitterqutsbejiger Wiegand in Trzajf bei Hohen- jalga und fein Bromberger Freund Herrguth beobachteten an einem Novembertage bei der Hajenjuche „einen Maulwurf, der etivas Fleifchfarbenes mühjam Hinter jich Herichleppte; bei meinem Näherfommen ließ jedoch der Maulwurf von dem Etwas los und verjuchte jich unter das am Boden liegende Laub ujw. zu flüchten. Der fallengelajjene Gegenjtand, der ebenfalls ausrüden wollte, entpuppte jich als ein lebender Frojch, den der Maulwurf am stopfe gepadt hatte und, ihn auf den Nürdfen legend und jich jelbjt rückwärts bewegend, hinter jich herjchleppte. Dabei hatte ich eine Gegenwehr des Frojches nicht bemerft; es Fam vielmehr erjt Leben in ihn, als ihn der Maulwurf losgelajjen hatte.” („Deutjche Yäger- zeitung.”) Ein englischer Beobachter wei; im „Field“ jogar von Nefträubereien des Maul- wurfes zu erzählen, anfnüpfend an Mitteilungen über bodenjtändige Drofjel- und Schwarz- amjelnejter. In einem Falle wurde die Aufmerfjamfeit des Beobachter auf ein folches Neit durch die Unruhe und Aufregung der Alten hingelenft. Der Berichteritatter fand einen Maulwurf, eifrig von einem jungen Vogel jchmaujend, den der Räuber zum Teil in eine duch den Boden des Nejtes getriebene Nöhre gezogen hatte, und fpricht jeine Überrafhung darüber aus, wie e3 dem Maulwurf möglich war, durch die harte Ver- Heidimg des Drojjelneites jich Durchzubohren, ohne Diejes von der Stelle zu rüden. Anderjeits hat der Triejter Brofejior Dr. L. Karl Mojer die Behauptung aufgeftellt, daß der Maulwurf auch Pilanzenfrejjer jei, und das ift ihn von dem Gutsbefißer Oskar Jaedel aus Zobten am Berge Durch einen in der „Natur“ veröffentlichten Brief bejtätigt worden. jaecel merfte „jeit einiger Zeit, daß bei einer großen Anzahl Rüben die großen Blätter weggeftejjen waren, und zwar waren e3 die Rüben hintereinander in der Furche. Zufällig jtehe ich an einer jolchen abgefrejfenen Stelle und jehe, daß dort vor furzem ein Maulwurf gelaufen ift (d. h. frijchen Gang gegraben hat), und habe die Abjicht, den Burjchen abzu- fangen. Nach einer Weile hebt fich der Boden direft an einer Nübe, und zu meinem grenzen- Iojen Erjtaunen kommt der Kerl mit dem halben Oberkörper heraus, wittert eine Weile, nimmt mit einem Nud das nächititehende Blatt der Pflanze, zieht es in den Gang, und nach Maulwurf: Nahrung. Freßgier. ll einer Heinen Stijchenzeit jchnappt der Stiel des Blattes zurück. ch traue meinen Augen nicht, verhalte mich ruhig, und bald beginnt dasjelbe Manöver beim nächiten Blatte. Ach warte ab, bis die Blätter bis auf die mitteljten abgefrejjen jind, und jehe ven Maulwurf zur nächjten Aübe gehen, und dasjelbe wiederholt jich von neuem. Jebt war nur noch feit- zuftellen, ob es in der Tat auch ein richtiger Maulwurf jei, und das gelang mir bald darauf; als der Maulwurf mweiterjtieß, hob ich ihn aus dem Gange. 3 war ein vollerwachjenes männliches Eremplar.” Unter diefen Umftänden bleibt eg Doppelt zu bedauern, daß der Be- obachter jich nicht auch Die Heine Mühe der Magenunterjuchung noch machte, zumal er genau wußte, wie jtarfen Zweifeln jeine Schilderung begegnen muß, troßdem jie den überzeugen- den Stempel des Selbiterlebten trägt. Der Hunger unjeres Tieres ijt im allgemeinen unjtillbar. &3 fanın jedoch auch jehr gut hungern, wie Soffel gelegentlich feiner Flitterungsverfuche feititellte. („Zoologijcher Garten“, 1904.) Sein Maulwurf fraß nicht ganz eine halbe Stunde nach der Gejfangennahme „eine zerquetichte Weinbergjchnede, dann fünf Negenmwürmer größeren Ktalibers, dann ein etwa 5 Nuß großes Stücd Pferdefleifch. Das war vormittags. Gegen Y;1 Uhr jchaute ich mich nach ihm um und mußte jehen, daß alles verzehrt war. Mein Maulwurf jchnüffelte mit dem Nüfjel unruhig in Erde und Luft umher. Er Hatte jedenfalls aljo Hunger. ch opferte einen erwachjenen Wajjerfrofh — gegen 4 Uhr war auch er bis auf die Sinochen meg. Dann gab ich noch Mehlwürmer, vielleicht 25 Stüd, die alle vor Einbruch der Dunkelheit gefrejjen wurden. Diejen nämlichen Maulwurf ließ ich einmal drei ganze Tage hHungern, was er ganz qut überjtanden hat, außer daß er nachher etwas matter war. Ausgejchlofjen it, daß er in der Erde irgend etivas gefunden hat, da ich fie vorjichtshalber Durchgejtebt hatte.” Angejicht3 diefer Tatjache fann man fich des Eindrudes nicht ganz entjchlagen, daß bei der Schilderung der Injektenfrejjer hier und da Doch wirkliches Nahrungsbedürfnis mit Freßfähigfeit und Frehgier vermwechjelt worden fein mag. Das Nahrungsbediürinis des Menjchen wird man auch nicht danach bemefjen, was auf einer großen Bauernhochzeit der einzelne vertilgt! Soffel hat den Maulwurf in der Freiheit auch als Aasfrejjer beobachtet: „Alm 18. Sep- tember 1904 überrafchte ich einen Maulwurf in der Abenddämmerung, als er jich gerade an einem toten (noch frifchen) Hafen gütlich tat. Der Haje hatte eine Schugwunde in der Weiche und lag in dichtem Wacholdergeftrüpp eines Föhrenmwaldes. Mein Hund machte mich darauf aufmerfjam.” Flourens gab unter anderem einem Maulwurf auch eine Ströte; jobald er an fie ftieß, blähte er fich auf und wandte wiederholt die Schnauze ab, als wenn er einen unübertwindlichen Efel empfände, fraß fie auch nicht. Am anderen Tage war er Hunger geitorben, ohne die Kröte oder ettvas von einer Möhre, Kohl oder Salat angerührt zu haben. Drei andere Maulftwürfe, die Flourenz bloß zu Wurzeln und Blättern gejperrt hatte, jtarben jämtlich vor Hunger. Einmal feste der Beobachter ihrer zehn in ein Zimmer ohne alle Nahrung. Einige Stunden fpäter begann der Stärfere den Schmächeren zu verfolgen; am anderen Tage war diejer aufgefrejfen, und jo ging es fort, bis zuleßt nur noch zwei übrigblieben, von denen ebenfalls der eine den anderen aufgefrejlen haben würde, wäre beiden nicht Nahrung gereicht worden. Lenz nahm einen frifchen und unverjehrt gefangenen Maulwurf und jtedte ihn in ein Kiftchen, deifen Boden bloß 5 em hoch mit Erde bedecdt war, jo daß jich das Tier, weil e3 hier feine unterivdifchen Gänge bauen fonnte, die meijte Zeit frei zeigen mußte. Pilanzen- nahrung der verjchiedenften Art, auch Brot und Semmel, verjchmähte der Maulwurf jtets, 312 3. Ordnung: Infektenfrefjer. Familie: Maulwurfartige. dagegen fraß er Schneden, Stäfer, Maden, Raupen, Schmetterlingspuppen und Fleijch von Vögeln und Säugetieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große Blindfchleiche vor. Augenbliclich war der Mull da, gab der Schleiche einen Bik umd verjchwand, weil fie fich itarf bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erjchien er wieder, big nochmals zu und 309 jich von neuem in die Tiefe zurüd. Dies trieb er wohl 6 Minuten Yang; endlich wurde er fühner, padte fejt zu und nagte, fonnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut Ducchbeißen. Nachdem er jedoch erit ein Koch gemacht hatte, wurde er äußerft Ffühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, z0q zuerjt Xeber und Gedärme hervor und ließ jchließlich nichts übrig als den Kopf, die Nücdfenwirbel, einige Hautjtüde und den Schwanz. Dies war am Morgen gejchehen. Um 5 Uhr erhielt er eine etwa 80 cm lange Ningelnatter. Mit diefer verfuhr er geradefo wie mit der Blindjchleiche, und da jene aus der Ktilte nicht entfommen fonnte, erreichte er fie endlich und fraß fo emjig, daß am nächjten Morgen nichts mehr übrig war al3 der Kopf, die Haut, das Gerippe und der Schwanz. Der baltiiche Edelmann und Tierbeobacdhter D. dv. Loewis fan in feinen „Nätteilungen über die Streuzotter” jogar von dent vollfommen jiegreichen Angriffe eines Maulmurfes, und zwar über der Erde, gegen eine lebende, vollfräftig bewegliche und bißjpendende Dtter berichten, dank einem hochinterejjanten Briefe des Herin %. dv. Willich auf Schliepenhof in Livland. Lebterer jebte einen nicht völlig ertwachjenen Maulwurf in eine einen Zoll hoch mit Erde ausgelegte Kijte, als Futter zu einer alten Streuzotter, wo dieje vorher gerade ziwei lebende und zwei tote Junge geboren hatte. „Führte den Maulwurf jein Weg einmal in größerer Nähe an der Schlange vorbei, jo prallte er auf deren heftigeres Siihen und etwaiges Zufahren mit großer Gemwandtheit einen Fuß weit zuric. Cndlic) aber nach etwa 11/, Stunden begann er mit fehnüffelnder Naje die Schlange zu umfreijen und namentlich auf eine der lebenden jungen Schlangen, die in der Nähe da lag, ‚anzu- ziehen‘. Die alte Streuzotter machte nun einige Ausfälle, ohne zu treffen, jedoch einmal verjah es der jonft jtets qut ausweichende Maulwurf und erhielt einen etiva eine Sekunde andauernden Bik in Die Schultergegend. Damit hielt ich fein Schiefjal für bejiegelt, be- jonders als er jich in eine Ede zurüdzog und nachdenklich zu werden jchien, auch die Bißjtelle in der Art der Hunde zu Fragen begann, als ob es ihn dort judte. ch hatte mich indeijen geirrt. Alsbald ging der Maulwurf gegen die zunächitbefindliche junge Streuzotter vor, die Jich mit erhobenem Ktopfe zur Wehr fehte, faßte fie in ver Weije, wie fein Verfahren der Blindfchleiche und Ningelnatter gegenüber in ‚Brehms Tierleben‘ gejchildert ift, d.h. er zerbiß lie ungefähr in der Mitte, während er mit den Schaufeln Kopf- und Schwanzende an die Erde drüdte, und verjpeifte jo in 15—20 Minuten dieje wie auch Die zweite lebende und Die beiden toten jungen Schlangen. Während diefer Szene wich weniger der Maulwurf der alten Schlange al3 vielmehr die leßtere dem erjteren aus. Nach einer halben Stunde aber ging der Maulwurf auf die alte Kireuzotter 105, wich anfangs allerdings auch ihrem SKtopfe aus und juchte fie am Schwanze zu paden, was ihm gelang, als die Schlange einmal davon- zufriechen verfuchte. Mit einer der Schlange — troß ihres wahrscheinlich doppelten Körper- geiwichtes — weit überlegenen Straft zerrte der Maulwurf diefe nun einige Minuten lang rücwärts im Streife umher, warf fich dann wie in blinder Kampfeswut auf die Mitte (oder richtiger etwa drei Fünftel der Länge vom Kopf) feiner anfcheinend fehon matt getwordenen Gegnerin umd zerjleifchte mit Hörbarem Geräufch deren Leib. Der Schlange wwar es inztwijchen gelungen, den Maulwurf derart zu faffen, daß ihr Unterkiefer fich in defjen Flanken ftemmte und ihre Giftzähne fich, dem Anfchein nach fehr gründlich, minutenlang in feinen Rücken Maulwurf: Nahrung. Giftfeftigfeit. Sinne. 813 gruben. Dann wurde die Schlange matt und ließ allmählich nach; der Maulwurf blieb unangefochten und rif ihr zivei weitere Junge und das Gedärme aus dem Leibe und ver- zehrte diejes alles, von der Schlange nicht weiter beläftigt, auf der Stelle. Am nächjiten Morgen fand ich nur das glatt abgenagte Gerippe und abgejchälte Hautfegen — namentlich die Bauchjchilder der Ktreuzotter — vor. Der Maulwurf war wohlauf und munter.” Einen Beweis von der großen Schärfe feines Geruchjinnes bringt dv. Wacquant durch eine Beobachtung aus dem Freileben. „Bor mehreren Jahren erjichien Dicht vor mir an einem Bufch ein noch nicht ausgewwachjener Maulwurf und fchnappte mit außerordent- licher Gejchieflichfeit ein in Maulwurfshöhe über ihm an einem Halme fißendes njeft weg.” Diejes mußte er unter der Erde gewittert haben! Necht deutlich Fan man fich an gefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihrer Sinne überzeugen. Sch brachte einen Mull in eine Stifte, die etwa 16 cm hoch mit Erde bededt war. Er mwühlte fich jofort in die Tiefe. Nun drüdte ich die Erde feit und legte fein ge- ichnittenes, rohes Fleisch in eine Ecke. Schon nach wenigen Minuten hob jich hier die Erde, die feine, höchit biegjame Schnauze brach Durch, und das Fleijch wurde verzehrt. Der Geruch befähigt das Tier, Die Nahrung zu entdeden, ohne jie zu jehen oder zu berühren, und führt e3 erfolgreich durch feine verwidelten, unterivdiihen Gänge. Alle Waulwurfsfänger twiljen, tie jcharf diefer Sinn ift, und nehmen deshalb, wenn fie allen ftellen, gern einen toten Maulwurf zur Hand, mit dem fie die Nafenftüce oder Fallen abreiben, die jte vorher in ihrer Hand gehabt haben. — Die jpibige, äußerjt bewegliche Ttaje dient dem Tier zugleich als Taft- mwerfzeug. Dies fieht man hauptjächlich dann, wenn der Mull zufällig auf die Oberfläche der Erde gefommen ift und hier eine Stelle erjpähen will, die ihm zu rajchem Eingraben geeignet feheint. Er vennt eilig hin und her und unterfucht taftend überall den Grund, bevor ex feine gewaltigen Grabwerkzeuge in Tätigfeit jeßt. Auch während er eifrig gräbt, ijt dieje Naje immer fein Vorläufer nach jeder Nichtung hin. Das Gehör ijt vortrefflich. Wahr- icheinlich wird e3 bejonders benubt, um Gefahren zu bemerfen; denn der Maulwurf ver- nimmt nicht bloß die leifefte Erjchütterung der Erde, jondern hört auch jedes ihm bedenklich erjcheinende Geräufch mit aller Sicherheit und fucht jich dann jo fchnell wie möglich auf und davon zu machen. Hußere Ohren find zwar nicht vorhanden, wirden auch den Be- wegungen des Tieres in jeinen engen Erdröhren nur hinderlich fein; aber in der Erde wirft ja der ganze Körper gleichjam als Äußeres Ohr, weil die Erde den Schall befannt- fich weit bejjer leitet als die Luft. — Daß der Gefchmad hinter dem Gehör zurüciteht, geht ichon aus der Vielartigfeit der Nahrung und aus der Gier hervor, mit der der Maulwurf frißt. Er gibt fich feine Mühe, exjt zu unterfuchen, wie eine Sache jchmedt, jondern be- ginnt gleich herzhaft zu frejfen, jcheint auch zu zeigen, daß ihm fo ziemlich alles Geniekbare gleich jei. Deshalb ift jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch jein Gejchmadsjinn rege ift, nu freilich in einem weit untergeordneteren Grade als die vorher genannten Sinne. — Nach dem Geficht richtet ex jich, wenn er jchroimmend Ströme überjeßt, die ihm zum Unterwühlen zu breit find. Sobald er fich in die Notwendigkeit verjeßt jteht, zu jchwimmen, legt er augenblicklich die das Auge umgebenden Haare auseinander und zeigt die feinen, dunfelglänzenden Kügelchen, die er jet weit hervorgedrückt hat, um fie bejjer benußen zu fönnen. Dasjelbe hat v. Wacquant auch im Walde beobachtet. Einft „jtedte ein Maulwurf unmittelbar neben mir, da ich (unter Wind) jchon länger feinem Graben zugehört, jeinen Kopf aus einem fehön von grünem Moos umrahmten Loche und — jah in die ober irdische Welt hinein. Er ‚jah‘ in die Welt hinein. Denn er jchlug den Haarerjchluß der 314 3. Ordnung: Snfeftenfrefjer. Familie: Maulmurfartige. Augen auseinander, und da nur die Spiben der Haare den metallischen Farbenglanz haben, der andere Teil des Haares aber heller gefärbt it, jo jah-ich deutlich dieje hellen “slede, die durch die regelmäßig ftrahlenförmig auseinandergebreiteten Augenborften gebildet werden.” Schon aus dem bis jest Mitgeteilten ift hervorgegangen, daß der Maulwurf im Ber- hältnis zu jeiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubtier if. Dem entjprechen auch feine geijtigen Eigenfchaften. Er ift wild, außerordentlich wütend und lebt eigentlich mit feinem einzigen Gejchöpfe in Frieden, außer mit feinem Weibchen, mit diefem aber auch blof während der Paarungszeit und, jolange die Jungen Hein jind. Während des übrigen Jahres duldet er fein anderes lebendes Wejen in jeiner Nähe, am allerwenigften einen Mitbewohner in jeinem Bau, ganz gleichgültig, welcher Art jener fein möge. Falls überlegene Feinde, wie das Wiejel, jene Gänge befahren, und zwar in der Abjicht, auf ihn Jagd zu machen, muß er freilich unterliegen, wenn er auf dieje ungebetenen Gäfte trifft; mit ihm an Straft gleichen oder jchtoächeren Tieren aber fänpft er auf Leben und Tod. Nicht einmal mit anderen jeiner Art, feien jte nun von demjelben Gejchlechte wie er oder nicht, lebt er in Freundjchaft, wie mir jchon oben fahen. Zivei Maultwürfe, die fich außer der Paarungsgeit treffen, be- ginnen augenbliclich einen Zweikampf miteinander, der in den meilten Fällen den Tod des einen, in jehr vielen anderen Fällen aber auch den Tod beider herbeiführt. v. Wacquant hat vor Jahren das Glück gehabt, einen in Herzens- oder Magenangelegenheiten zwijchen Maul- würfen jtattfindenden Ziweifanpf von allem Anfang an entjtehen zu jehen und zu hören, und fann jomit beweijen, daß jofort gefämpft, zufammengefahren, zurücdgeprallt, gejchrieen und jich umgangen wird, und da Ddiejes Umgehen des Feindes in der Erde gejchieht, auch die lodere Erde vorgejchoben und als Schild benußt wird, durch den gededt die Vorjtöße mit zirpendem Öejchrei unternommen werden, jo wird der Kampfplak nicht vor dem Gefecht zurechtgemacht, fondern vielmehr während des Gefechtes, bzw. durch die Art zu kämpfen zufällig gebildet. „Der von mir beobachtete Zweifampf fand in einen Ioderen, dicht bejäten Blumenbeete ftatt, vor welchem ich lange Zeit geitanden, ohne etwas zu vernehmen. Plöglich hörte ich das Gejchrei und Ffonnte dann den ganzen unterirdijchen Vorgang und Berlauf am Wadeln der Pflanzen, am Berften der Erde, am lauten Scharren, am Hin und Her des Sejchreies ufiv. genau verfolgen. Auch hier war jchließlich ein ampfplaß entitanden, und daß auf jolchem der Zwift Häufig zu Ende geführt wird, leuchtet ein. Treffen fich Maulf- mwürfe im jejteren Erdreich, 3. B. in der durch Zufammendrüden rejp. Seitwärtsprejjen de3 fosgejcharrten Materials außerordentlich feftwandigen Laufröhre, jo wird infolge der eben gejchilderten tampfesweije alsbald ein größerer Raum entjtehen.” Ein anderes Leben beginnt um die Baarungszeit. Sebt verlajjen die liebebedürftigen Männchen und Weibchen zur Nachtzeit häufig ihren Bau und ftreifen über der Erde umher, um andere Maulwurfspaläfte aufzufuchen und hier Befuche abzuftatten. Wenn ein Baar verliebte Männchen zufammentreffen, jo entipinnt fich ein wütender Kampf. Endlich, viel- leicht nach mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen und verjucht num, es mit Gewalt oder Güte an jich zu feifeln. Wieder nach mancherlei Kämpfen gewöhnen fich die beiden mürrifchen Einfiedler auch wirklich aneinander. SYebt graben jie gemeinjchaftlich Berfehrs- und Nahrungsröhren aus, und das Weibchen legt ein Neft für ihre Jungen an, in der Negel da, wo drei oder mehr Gänge in einem PBunfte zufammen- jtoßen. Das Neft ift eine einfache, dicht mit weichen, meift zerbiffenen Pflanzenteilen, hauptjächlic mit Laub, Gras, Moos, Stroh, Mift und anderen derartigen Stoffen aus- gefütterte tammer und liegt gewöhnlich in ziemlich weiter Entfernung von dem früher Maulwurf: Geiitiges Wejen. Fortpflanzung. Winterleben. 315 gejchilderten Kefjel, mit dent es durch die Yaufröhre verbunden ift. Nach etwa vierwöchiger Tragzeit wirft das Weibchen in diefent Nejte 3—5 blinde Junge, die zu den unbehilflichiten von allen Säugern gerechnet werden müjjen. Sie jind anfangs nact und blind und etwa jo groß wie eine derbe Bohne. Aber jchon in der frühejten Jugend zeigen jte die näm- fiche Unerfättlichfeit wie ihre Eltern und wachjen deshalb jehr jchnell heran. „Über die Fortpflanzung der Maulmwürfe verdanfen wir Adams interejjante Angaben. Schon Geoffroy St.-Hilaire hatte darauf hingeiwiejen, daß jungfräuliche weibliche Maul twürfe in ihren äußeren Gejchlechtsorganen eine täufchende Ühntichfeit mit den Männ- chen zeigen; die Scheide ilt nämlich völlig von der törperhaut bedeckt, und die vorstehende Klitoris ift von der Harnröhre Ducchbohrt, jo daß jie einem Penis ähnelt. Dieje Feititellung war jedoch der Vergejjenheit anheimgefallen; jpätere Forjcher liegen jich täufchen und famen fo zu dem Glauben von einem Übertviegen der Männchen. Während aber Geoffroy St.-Hilaire annahm, dat die Scheide bei der eriten Begattung durch einen Bentisfnochen geöffnet werde, ftellte Adams feit, daß überhaupt Fein Benisfnochen vorhanden tft, jondern nur ein 23/,mm langer biegfamer Sinorpel, und die Öffnung Anfang März ganz von jelbft durch einen leichten Entzündungsprozeß zujtande fommt; doch find, wie der anatomijche Befund lehrte, jchon vorher Scheide und Fruchtbehälter jtark entmidelt. Die Generations- organe beider Bejchlechter erreichen den Höhepunkt ihrer Entiwidelung gegen Ende März — die Begattung wurde nicht beobachtet — und nehmen jpäter an Größe twieder ab. Adams jchließt hieraus, daß nur ein Wurf jährlich jtattfindet. Die Trächtigkeitsdauer jchäßt er auf 46 Wochen; er jah die eriten Jungen Mitte April, die lebten, fait entwidelten Ende Juni; für zwei Würfe fcheint diefe Zeit zu fnapp. Die Durchfchnittszahl der Jungen jtellt jich auf 3,5; der zahlreichite Wurf betrug 7 (nach Blajius 8). (Neeter.) Die Mutter gibt die größte Sorgfalt für die Erhaltung ihrer Stinderjchar Fund und jcheut feine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt. Wird fie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, fo fchleppt je diefe im Maule in ein nahes Koch oder in einen Moos-, Mift- oder Laubhaufen ujw. und verbirgt jie hier vorläufig jo eilig wie möglich. Aber auch das Männchen nimmt ich, wie behauptet wird, ihrer an, trägt ihnen Negen- wiirmer und andere Snjekten zu, teilt bei Überflutungen redlich die Gefahr und jucht die Jungen im Maule an einen jicheren Ort zu jchaffen. Nach etwa fünf Wochen haben dieje ungefähr die halbe Größe der Ulten erreicht, liegen jedoch immer noch im Nejte und warten, bis eines von den Eltern ihnen Ubung zuträgt, die jie dann mit unglaublicher Gier in Emp- fang nehmen und verjpeifen. Wird ihnen die Mutter weggenommen, jo wagen jte jich wohl auch, gepeinigt vom mwütendften Hunger, in die Laufröhre, wahrjcheinlich um nacı der Pflegerin zu juchen; werden fie nicht geftört, fo gehen fie endlich aus dem Nejte heraus und jelbjt auf die Oberfläche, too fie ich necfen und miteinander balgen. Ihre erjten Verjuche im Wiühlen find noch fehr unvollfommen; die Stleinen ftreichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft jo dicht, daß jte faum mit Erde bededt find, und verjuchen e3 nur felten, Haufen aufzumerfen. Aber die Wühlerei lernt jich mit der Zeit, und im nächjten Frühjahre jind die jungen Mulle jchon vollfommen gejchult in ihrer Hunt. Der Maulwurf Hält feinen Winterjchlaf wie mancher andere Anjektenjäger, jondern it Sommer und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt den Negenwitrmern und Snjekten und zieht mit ihnen in die Tiefe der Erde oder zur Oberfläche des Bodens empor. Nicht jelten jieht man Maulwürfe im frischen Schnee oder in tief gefrorenem Boden ihre Haufen auf- werfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem vereijten Boden machen jie 316 3. Ordnung: Infektenfrejjer. Familie: Maulwurfartige. oft große Wanderungen. Einige FZänger haben berichtet, dah die Maulwürfe fic) jogar Rintervorräte anlegten: eine große Menge Würmer nämlich, die teilmeife, jedoch nicht febensgefährlich, verftünmelt twoinden, und ebenjo, daß in ftrengen Wintern Dieje Borrat3- fammern reichlicher gejpidt wären al3 in milden. Dieje Mitteilung erhält durch F. Dahls neuefte Beobachtungen ihre Beftätigung. „Kurz nach eingetretenem Taumetter”, fchreibt Dahl, „al3 die Erde unter den großen Haufen noch fejt gefroren war, befanden fich be- deutende Vorräte von Wirmern in der Höhlung felbjt und in den Gängen, bis zu 1,5 m von der mittleren Höhlung entfernt. Sie waren in die fejten Wände als Heine Häufchen bon etwa je zehn Stüd gleichfam eingemauert. Die meijten waren ziemlich ftarf gequetjcht, teilweije fogar verftümmelt. Cinige erholten jich aber, in die Wärme gebracht, bald wieder jo weit, daß man feine Verlegung irgendwelcher Art an ihnen wahrnehmen fonnte. Aus einem Bau jammelte ich den ganzen Vorrat, zählte und wog: es waren im ganzen 1280 Regentwürmer, welche ein Gewicht von 2,13 kg bejaßen, und 18 Engerlinge.” Noch Genaueres über Ddieje Nahrungsporräte des Maulmurfes erfahren mir Durch Nitema Bos in Amfterdam. hm „wurden von einem holländiichen Lehrer ettwa 300 Negenmwirmer eingeliefert, die ein Gärtner in einem Maulwurfsnejt gefunden hatte. Bei näherer Unterjuchung ftellte jich num heraus, daß allen Wiirmern der Stopf fehlte; der Maulwurf hatte ihnen die vorderen zwei biß fünf Segmiente abgebiffen. Über dem ver- wundeten Körperteile hatte jich eine neue Haut gebildet, im übrigen feine Negeneration itattgefunden; infolge der niedrigen Wintertemperatur war das Ergänzungswachstum unterblieben. Durch diefe Art der Berlegung erreicht der Maulwurf einen doppelten Zivedk. Indem er den Wirrmern die Kopflappen abbeißt, werden dieje nur gelähmt und nicht getötet. Wollte er die Wirrmer töten, jo würden fie bald vermwejen, mithin fin ihn un- genieibar fein. Gleichzeitig hindert der Maulwurf feine Beute am Entrinnen.” Auf Grund diefer Wurmborräte nennt ein „Celler Angler” im „St. Hubertus” (1907) "den Maulwurf einen quten Freund feiner Zunft. „Se härter der Winter ift, um jo größer ift dev Mundvorrat des Maultwurfes. Das ift ganz leicht erflärlich. Mit zunehmender Stälte dringen Witrmer und Larven tiefer in das Erdreich ein, und dem Maulwurf wäre dann Die Möglichkeit genommen, die durch Anlage neuer Röhren überichüffig gewordene Erde an die Crooberfläche abzuftogen, da dieje bei anhaltendem ftarfen Froft eben zu hart ift. Bei Ftoftwetter fommt aber fein Negenwurm aus feiner Winterröhre heraus, und jo bleibt dem Angler nichts weiter übrig, alsden Maufwurfsbau feines Inhaltes zu berauben. Manchem Schwarzfittel haben wir Celler Angler auf diefe Weije jchon mehrere Taujend Aürmer auf einmal entwendet. Der Haufe, unter welchem der mürriiche, jede Gejelljchaft meidende Maulwurf wohnt, wird hier der Mutterhaufe genannt. Wird in diefem Mutterhaufen ein größerer Vorrat an Negentwürmern gefunden, jo ift das ein Zeichen, daß der Froft noch (ängere Zeit vorherrjchend fein wird, während im entgegengejebten Falle ein jtarfer Winter nicht mehr zu erwarten ift. So verforgt der Maulwurf die Angler mit Regenmwiürmern und dient außerdem als zuverläfliger Wetterprophet.” Aus diefen Darlegungen eines praftijchen Naturfenners darf man wohl fehliegen, daß der lebte Grund, warum der Maulwurf im Winter Würmervorräte fammelt, in der Unmöglichkeit Yiegt, bei Froft neue Jagdröhren auszumwühlen. Lie, wird man fragen, ift es möglich, ein jo verftect lebendes Tier überhaupt zu be- obachten? Bon der Art und Weife der Beobachtung will ich bloß ein Beilpiel anführen. Lecourt wollte die Schnelligkeit des Maulwurfes in jeinen Gängen unterfuchen und wandte Maulwurf: Wintervorräte. Schnelligfeitsprüfung. Nußen und Schaden. 317 zu diefem Zmwed ein ebenjo geeignetes wie ergöbliches Mittel an. Er ftedte eine Menge von Strohhalmen reihenmweije in die Laufröhre, jo, daß fie von dem dahineilenden Maul- wurf berührt und in Erjchütterung gebracht werden mußten. An diefe Strohhalme be- jeitigte er oben Feine ‘Bapierfähnchen und ließ jeßt den in feinem Jagdgebiete bejchäftigten Maulwurf durch einen Hornftoß in die Yaufröhre jchreden. Da fielen denn die Fähnchen ver Reihe nach in demjelben Augenblid ab, in welchem fie der Maulwurf berührte, und der Beobachter mit jeinem Gehilfen befam hierdurch Gelegenheit, die Schnelligkeit des Laufens für eine gemwilje Strede mit aller Sicherheit zu ermitteln. Über die Nüßlichfeit und Schädlichkeit des Maulwurfes jagt der Landivirtichaftszoolog Nörig, der dieje Fragen durc Experimente und Analyje eraft zu löjen beftrebt ift: „Nach den von mir ausgeführten Fütterungsverjuchen frigt ein Maulwurf täglich das 1!/2fache an Wirmern und mehr, als jein Eigengewicht beträgt, an Engerlingen ufw. 3 ergibt jich dabei ein Bedarf an Trodenjubitanz, der etwa 22 Prozent des Lebendgemwichtes aus- macht. Bei dem gewaltigen Nahrungsbedürfnis diejer Tiere fan es aber aus dem Grunde ihrer nirgends zu viele geben, weil jte doch nur da in größerer Zahl jich einftellen, wo über- reichlihe Nahrung vorhanden ift und, jobald dieje fnapp wird, auch wieder verjchtwinden. Denn wenn der Maulwurf auch wie fein anderes Tier zu graben verjteht, jo muß man doch immerhin bedenfen, welche ungeheure Arbeitsleijtung dazu gehört, täglich eine im Boden zerftreute Menge von Gemwiürm, die an Gewicht das jeine um das anderthalbfache übertrifft, aufzujuchen. Kommt diejes nur vereinzelt, aljo in einer für uns unjchädlichen Menge, im Boden vor, jo ijt das Jagdgebiet für ihn nicht mehr geeignet, und er jiedelt in andere Teile der Feldmarf über... Nun gibt es allerdings Fälle, in denen uns feine Anmwejenheit wenn nicht direft jchädlich, jo doch mindeftens jtörend und läftig werden fan, jo daß twir berechtigt jind, uns jeiner zu erwehren. Auf jungen Kulturanlagen 3. B. oder in Gärten und Mijt- beeten, in denen wertvolle Pflanzen gezogen werden, bringt er oft viele von ihnen um, indem er bei jeiner Wiühlarbeit die Wurzeln lodert, jo daß jte verdorren. Auch auf wohl gepflegten Najenpläßen, two die Gegenwart zahlreicher Maulwurfshaufen das Auge beleidigt, darf man diejen äfthetiichen Nückhichten ebenjo Nechnung tragen wie praftiichen Gejichts- punkten und den Wühler von dort verbannen. Das alles aber fan gejchehen, ohne daf man gezivungen it, ihn zu vernichten; denn wir verfügen über jicher wirkende Mittel, ihn da, wo er uns nicht genehm ift, fernzuhalten. Bejtimmte Grumdjtüde, die dauernd von ihm freizuhalten find, umgibt man am beiten mit einem jchmalen, möglichit tiefen Graben, der mit Topf- und Slasjcherben angefüllt wird, oder begießt jie, um einen zufälligen Eindring- ling zu vertreiben, mit einer Betroleum-Wafjermifchung (1:2000). Die Mijtbeete werden vor jeinen Bejuchen ziwecdmäßig Dadurch gejchüßt, daß man den Boden mit engmajchigem Drabtgeflecht auslegt oder zwijchen Nijt und Erde eine Lage Wacholderzmweige einjebt, deren Stacheln ihn das Durhmwühlen verwehren. Unter feinen Umftänden aber darf man ihn in Dämmen und Deichen, die gegen Überflutung errichtet find, dulden, da er, ebenfo wie die verjchiedenen Arten der Wühlmäufe, durch feine Gänge dem Wajjer Cingangspforten öffnet, die jchon manchmal zu Dammbrüchen oder wenigjtens jtarfen Dammijchäden ge- führt haben. Auf dem Felde aber und den Wiejen jollte man ihn gewähren lajjen und der nicht große Mühe mit in den Kauf nehmen, die unter Umftänden das regelmäßige Beiit werfen der Haufen oder Felttreten der Gänge zum Schuße der geloderten Bilanzen (am beiten durch an die Schuhe gejchnallte jchmale, 1 Fuß lange Brettchen) bereitet.“ Altum meint: „Foritlih tft der Maulwurf nur nüßlich; e3 jei denn, daß er in 818 3. Ordnung: Infektenfrefjer. Familie: Maulwurfartige. Saatkämpen durch fein Withlen zu viele Pflanzen hohfitellt, die infolgedefjen vertrodnen. Geht er jedoch dafelbit ven Maikäferlarven nach, fo ift jeine Tätigkeit auch hier von überiviegendem Nusen. Sn den Wäldern und auf den jüngeren Stulturen fann er nur nüßen. Dort vertilgt er eine unzählige Menge von Larven, Puppen und Snjekten, die vem Walde verderblich iind. Wenn noch die Stiefernraupen im Winterlager ruhen, jieht man jchon jeine eifrige Tätigfeit. Auffallend Kleine, großbrodige, hoch und fteil aufragende Erdhügel bezeichnen, wenn faum der Boden froftfrei geworden tft, jein Jagdterrain. Im allgemeinen geht er im Walde früher als im Felde jeiner oberflächlichen Nahrung nach. Sehr fterilen Sandboden ver- meideter, man findet ihn z.B. jelten in einem schlechteren Stiefernboden als dem dritter Stlafje.“ Ganz abjprechend urteilt Gustav Jäger über den Maulwurf: „Der Schaden des Maul- twourjes ift in Die Augen fpringend. Jr den Gärten zerjtört er die Beete, wirft die Seßlinge um. Auf den Wiejen fchadet er in folgender Weile: Das Aufmwerfen der Haufen, die man nur jo lange immer wieder ausbreiten fann, al3 das Gras nicht zu hoch tft, hindert das Mähen oft jo jehr, daß ein bedeutender Ausfall an Gras — man muß den Schnitt Höher führen — oder Stoften an Arbeitslohn eriwachjen. Ferner, wenn die Wieje, wie jo häufig, einen Fiefigen oder fandigen Untergrund hat, jo fann fie dauernd Not leiden, ja zur Odung werden, weil der Maulwurf den unfruchtbaren Untergrund an die Oberfläche bringt. Eine offenbar richtige Darftellung der Sache gibt der Wiejenbaumeifter Bernaß in jeinen inter- ejlanten Schriftchen Maulwurf und Engerling‘. Diejer erfahrene Mann fand im Magen der vielen Maulwürfe aus engerlinghaltigem Wiejenboden, die er öffnete, zumeist nur Negen- wiürmer, und das fann ich aus eigner Erfahrung beftätigen. Die Erklärung, welche er gibt, ift folgende: ‚Der Maulwurf zieht jeine Jagpröhren in ähnlicher Abjicht Durch den Boden, in welcher eine Spinne ihr Neb ausipannt, nämlich damit die im Boden auf- und abjteigenden Tiere in die Höhren hineinfommen. Der Maulwurf gräbt nicht direft nach feiner Beute im Boden, jondern wandert nur täglich Durch feine Nöhren, um alles aufzuflauben, was jich dahinein verirrt hat. Erjt wenn ihm das zu wenig, erweitert er jein Nöhrenneb. Unjer Wiejenbaumeifter belehrt uns, daß das Nöhrenneb 15—20 cm unter der Oberfläche des Bodens fich befindet, während die Engerlinge zu der Heit, wenn jie am meijten jchaden, ganz oben unter der Grasnarbe, im Winter dagegen weit tiefer als der Maulwurf (lm und noch tiefer) jigen. Nun ift die Sache jo: Der Engerling pafjiert das Nebwerf der Maul- wurfsgänge nur zweimal im Jahre, im Frühjahr, wenn er heraufiteigt, und im Herbit, wenn er jich vor der Slälte wieder in die Tiefe des Bodens zieht. Dagegen pajjtert der Negen- wurm diejes Nebtverf zweimal an jedem Tage: mit Einbruch der Nacht, wenn er aufjtößt, und morgens, wenn er wieder abwärts geht. Sp wird der Negenmwurm die tägliche Speije des Maulwurfs, der Engerling nur zweimal im Jahre in größerer Menge von ihm gefrejjen. Demnach wäre der Nuben des Maulwurfs nicht erheblich genug, um feine Schonung zu rechtfertigen, und e3 wird dem Menjchen nichts anderes übrigbleiben, als jic jelbjt der Enger- Iinge zu erwehren.‘” Und der Maulwurf erjcheint um jo weniger nüßlich, al3 wir den Negenmwinrm neuerdings als einen jehr brauchbaren „Exrdarbeiter” fennen gelernt haben. So fann man zu guter Lebt am Nuten de3 Maulwurfes doch wieder zweifelhaft werden; auch muß e8 doch zu denfen geben, daß in früheren Zeiten jede ländliche Ge- meinde und jede Gutsherrjchaft ihren Maulwurfsfänger hatte. Was diefe Leute mitunter für Waffen von Maulwürfen fingen, geht aus einer Zeitungsnotiz hervor, nach der der Maulmurfsfänger der Gemeinde Corcelles im Schweizer Kanton Neuenburg im Herbit 1909 in 15 Tagen rumd 4000 Maulwürfe fing und damit 800 Franfen verdiente. Maulwurf: Nußen und Schaden. Feinde. 319 Am Ende muß man fich mit der alten, aber viel zu wenig beherzigten Weisheit be- ruhigen, daß der Menfch das natürliche Gleichgewicht feiner lebenden Umgebung möglichit wenig ftören foll, weil er die mittelbaren, oft jehr weitreichenden Folgen gar nicht überjehen fann, die dies nach fich zieht. Wo fich die Notwendigkeit einftellt, den Maulwurf zu befeitigen, wird e3 auch an wirkfamen Mitteln dazu nicht fehlen; man fann ihn vertreiben, braucht ihn aber nicht zu töten, und e3 berührt bejonders jympathijch, Diejes Verfahren jet jelbft in gärtnerifchen Streifen empfohlen zu finden, die doch am erjten Urjache hätten, auf den Maulwurf erboft zu jein. Sp wenn er fich z. B. in Kulturfäften einfindet, in denen 12000 Nelkenfteelinge ftehen, tie dies bei Beantwortung einer einjchlägigen Frage in der „Garten- welt“ (1907) gejchildert wird. Iroßdem begnügte jich der bedrohte Gärtner damit, Heine Kügelchen von Hanf (Werg), die mit frifchem Terpentinöl getränft waren, an vier Stellen in den Hauptgang zu fteden; mit vollem Erfolg: der Maulwurf fam nicht wieder. Diejelben Dienste taten anderen Beanttvortern mit Petroleum getränfte Lappen, und man fan auc) twohl der doppelten Erklärung der Wirkung beipflichten, die angegeben wird, daß Dieje icharfen Gerüche vor allem natürlich die feine Nafe des Maulwurfes empfindlich beleidigen, zugleich aber auch ihn unfähig machen, in dem Dunftfreis von Petroleum oder Terpentin jeine Beute zu mittern. Bon allen höheren Rücjichten abgejehen, haben wir e3 aber gar nicht jo nötig, fort während hinter dem Maulwurf her zu fein, weil er außer dem Menjchen genug Verfolger hat. Jltis, Hermelin, Eulen und Falken, Bufjard, Raben und Storch lauern ihm beim Aufmwerfen auf; das Heine Wiejel verfolgt ihn, wie jchon erwähnt, jogar in jeinen Gängen. Nur die Füichfe, Marder, Igel und die genannten Vögel verzehren ihn, die anderen Feinde töten ihn umd lafjen ihn liegen. „Füchje und Hunde”, fehreibt v. Wacquant, „haben eine wahre Pafjion, den Maulwurf zu überliften, und obwohl er beiden immerhin widermärtig ift und don Humden nie, von Füchfen nur in farger Zeit verjpeift wird, jo jchleichen fich beide Tiere doch augenblicklich Kiftig näher, wenn fich ihnen ein Maulwurf durch den der aufgeftogenen Erde mitgeteilten und jomit dem Feinde auf ziemliche Entfernung in die Naje gefommenen Geruch bei feiner unterirdifchen Tätigkeit verrät. E3 ijt die Freude am Überliften, durch die Hund und Fuchs hierbei beherrfcht werden; denn das Opfer wird mit offenbarem Abjcheu totgebiffen, mit Abjcheu liegen gelafjen. Auf dem Fuchsbau findet man häufig tote Maultvürfe, dort fpielen die jungen Füche lange Zeit mit dem ihnen nicht befonders mundenden Schtwarzrod herum. Mein Mops fängt alljährlich mindejtens 20 Maul- wiürfe. Auch die hiefigen Eulenarten finden augenfcheinlich feinen rechten Gejchmad an jolhem Braten. Der arme Maultourf verrät fich ihnen durch fein Graben oder Pflügen (oder auch bei feinen nächtlichen überirdiichen Erfurfionen) — wird erdolcht und dann jehr häufig voll Abjcheu fortgetvorfen oder doch in die Vorratsfammer getragen, um für jehlim- mere Zeiten aufgefpart zu werden. Tritt die Zeit der Not dann heran, jo werden zunächit alfe andern in der Vorratsfammer vorhandenen Opfer verzehrt und zuleßt exit der bijam- dustende Maulwurf, der inzwijchen oft halb verfault, mumifiziert und zu EiS gefroren ijt.“ „Weit fchlimmer aber, als diefe großen Feinde, mwütet gegen das Heer der Maulwürfe ein bis jeßt anjcheinend noch nicht befannter Feind... Die Maulwurfsjeuche — wie ich dieje Erfcheinung nennen till — beobachtete ich hier alle paar Jahre, und jie grajjiert unter den Maultwürfen oft mehr, oft weniger. Die von diejer Krankheit befallenen, ihr ohne alle Rettung dann stets exliegenden Individuen pflügen exit eine Zeitlang hoch oben unter der Oberfläche der Erde umher, aljo in der Weile, tie mir dies bei jungen, unerfahrenen 320 3. Ordnung: Snjektenfrefier. Familie: Maulmwurfartige. Maulmirfen —- oder auch bei der Maulmurfsgrille — fennen. Dann, etwas jpäter, jchießen fie im Grafe hin und her, laut Fraßend und fich durch nichts ftören lafjend. Endlich jterben fie auf der Oberfläche der Erde. Meine Beobachtungen habe ich in diejer Sache nur in den heißen Monaten des Jahres (Jult und Auguft) gemacht und anfangs auf Wafjermangel ge- ichoben. Die betreffenden Tiere jcheinen von einem gewaltigen Juden geplagt zu werden; denn fie fraßen jich alle Augenblide heftig mit dem Hinterfuße. Genau unter denjelben Symptomen und jich in meiner Hand ohne Scheu ebenfalls fortwährend Fraßend, obgleich äußerlich nichts Bejonderes (auch fein Schmaroger) an ihr zu entveden war, jtarb einst auch eine Spißmaus.“ Eine Zeitlang jchien e3 einmal, als wenn auch die allmächtige Göttin Mode den Fein- den des Maulwurfes jich zugejellen wolle. Anfangs der 1890er Jahre tauchten in den Aus- lagen der eleganten Modegejchäfte und PBelzkonfeftionen allerliebjte Dantenpelzjachen aus Maulwurfsfell auf: Feine Muffe, mit Spißen verzierte Halsfragen und ähnliches. Sofort bemächtigten jich natürlich die Tierjchüigler der Sache. Der Berband fortjchrittlicher Frauen- vereine richtete im Frühjahr 1904 an den Herin Neichsfanzler eine Petition, „einen ver- mehrten Schuß des Maulwurfes herbeizuführen, den Maulwurfsfang und jogar das Tragen von Maulwurfspelzen unter Strafe zu ftellen.” Dieje Betition hat den Herrn NReichsfanzler veranlaßt, eine Umfrage bei den hohen Bundesregierungen zu veranftalten. Für das Grof- herzogtum Sachjen-Ieimar wurde der befannte wiljenjchaftliche Vertreter des Tierjchußes, Dr. Stlee-Jena beauftragt, die nötigen qutachtlichen Feititellungen zu machen, und er tat dies („Deutjcher Tierfreund“, 1904) dahin, „daß eine bedrohliche Vertilgung der Mauliwürfe im Unterjuchungsgebiet nicht zu bemerfen gemwejen ijt, und dat die Mehrzahl der Landwirte ven Maulwurf nicht jo von Nuben hält, daf landestechtliche Borjchriften zu feinem Schuße am PBlabe erjcheinen”. Stlee jchließt daran noch eine erfreuliche Mitteilung. „Nach einer Auskunft, Die von einer hervorragenden, an den Zentralen des Pelzhandels, in Leipzig und London, domizilierten Nauchtwarenfirma herrührt, ift Die Mode des Maulwurfpelztragens in entjchiedenem Nücdgange begriffen und dürfte in abjehbarer Zeit ganz verjchwinden. Zurzeit (Juni 1904) ift das Angebot auf dem Weltmarfte zu London ca. 1 Million Felle jährlich, wovon der deutjche Anteil etwa 20 Brozent betragen mag.” Heute jind die fleinen Samtfellchen des Maufwurfes aus der Belzfonfektion längft wieder ganz verfchiwunden. So bringt der getötete Maulwurf wieder fajt gar feinen Nuben. Gein Fell wird höchiteng zur Ausfütterung von Blaferohren verwendet oder zu Geldbeuteln verarbeitet. Die Ruffen machen daraus kleine Sädchen, mit denen jie bis nad) China Handel treiben. Bon der Untergattung Talpa im allerengjten Sinne find bis jeßt außer unjeren ge- wöhnlihen Maulwurf unterjchieden worden: der Römijche, T. romana Thos., aus Mittel- italien, der Blinde, T. caeca Saw, aus Südeuropa und vom Kaufajus. Nach Satunin lajjen merfwindigerweije „die Maulwürfe Zisfaufafiens jich gar nicht von denen Trans- faufafiens unterscheiden; in Südrußland lebt dagegen eine fcharf abgejonderte Unterart des gewöhnlichen europäischen Maulwurfs.” Aus Ajien gehören hierher: der Altai-Maufvurf, T. altaica Nikolsky, aus Südfibirien, der Langrüffe-Maulwurf, T. longirostris A. M.-Edw., aus Wejtchina und Tibet, der Kurzjchwanz-Maulwurf, T. mierura Hdgs., aus Nordindien, Kalhmir, Sikfim, Alam, dejfen nadter Stummelfchtvanz völlig im Pelz verborgen liegt. Teßterer ift, nach Blanford, bei Dardichiling, 5—8000 Fuß über dem Meere, gewöhnlich, und zivar im fchiwarzen Humusboden überall da, wo der Urwald noch nicht gelichtet ift. Maulwurf: Seuche. Pelzwert. — Andere Maultwurfarten und »gattungen. Fofjile Maulwürfe. 321 Nach Ferdon zieht er feine Gänge oft von den Wurzeln einer großen Eiche zur andern, aber ohne Maulwurfshügel aufzumerfen mie die europätjche Art. Die meiften ajiatiichen Arten find aber al3 bejondere Untergattungen abgetrennt tporden: al3 Scaptochirus A. M.-Edw., Parascaptor @rll., Mogera Pomel. Un eine neue Art leterer Untergattung, Mogera robusta Nehrg., aus Ditjibirien, fnüpft ihr Bejchreiber, der leider viel zu früh verjtorbene Nehring, folgende lehrreiche Betrachtung: „Das Vorkommen einer Mogera-Spezies in der Gegend von Wladitvoftof jcheint mir von großem zoogeographiichen Snterejje zu fein. Dasjelbe bildet ein neues Glied in der Kette derjenigen Tatjachen, die einerjeits einen ehemaligen ZJufammenhang Japans mit dem gegenüberliegenden Feitlande Ajiens andeuten, anderjeit3 aber beweijen, daß die Abtrennung jenes interejjanten Snjelreiches jchon vor ziemlich langer Zeit erfolgt jein muß, da die forrejpondierenden Arten beider Gebiete jich inzmwijchen mehr oder weniger deutlich differenziert haben. Außer M. robusta Tem. und M. wogura Tem. (Japan) laffen fich noch zahlreiche andere forrefpondierende Arten Japans und des Feit- landes anführen.” (,‚Naturwifjenjchaftlihe Wochenschrift”, 1891.) Foffile Maulmwürfe mit allen Merkmalen der Untergattung Talpa eriftierten jchon in einer ganzen Neihe verjchiedener Arten zuc Miozänzeit Deutjchlands und Frankreichs, und das obere Eozän enthält eine Vorftufe mit weniger verbreitertem Oberarmfnochen, die dDanad) Protalpa heißt. „Das Vorkommen diejer tertiären Maulmwürfe ift interejjant, weil e3 zeigt, pie uralt der Injektenfrejjertyp der Säugetiere fein muß, wenn jchon zu jo frühen Epochen die bemerkenswerten Sfelettunterjchiede der lebenden Mitglieder der Gruppe beinahe ihre volljtändige Entwidelung erreicht hatten.” (LhDdeffer.) * Diez gilt auch für die Sgelartigen (Erinaceidae), die, nach Weber, offenbar jchon vom Cozän ab ihre eignen Wege gegangen find. Sie gehören „zu den am früheften auftreten- den placentalen Säugetierfamilien; denn fehon in den Vhosphoriten des Querch begegnet ung... ein wirflicher Erinaceus, der fomit zu den älteften der heute lebenden Säugetier- gattungen gehört”. (Zeche) „Wenn heute der Wanderer”, jagt Böljche in feiner dichterijch anfchaulichen Weife, „im Mondfchein ettva ein Sgelpärchen über den Waldpfad fugeln jieht, fo mag er gewiß fein, ein Bild zu haben, das ihm genau jo im Braunfohlenforjt der älteren Tertiärzeit hätte entgegentreten fünnen.” Trogdem erklärt Haade den gel für den „böchjtenttwidelten” Snjektenfreffer, weil fein Gebig am menigjten gleichmäßig jceharfipißig ift, vielmehr richtige breitfronige Baczähne am beften ausgebildet Hat. Anderjeit3 jind wieder die Stacheln ein jehr altertümliches Merkmal, das nur bei Stloafentieren und Nagern wiederfehrt: Der vielverzweigte Stammbaum der Säugetiere läßt fich eben nicht al auf- fteigende gerade Linie wiedergeben, auf der jede Form in einer bejtimmten Höhe und an einer bejtimmten Stelle jteht! Die Igel im engeren Sinne (Erinaceinae) find jo eigenartige Tiere, daß auc) die fürzefte Befchreibung genügt, fie zu fennzeichnen. Ein aus 36 Zähnen bejtehendes Gebik und ein Stachelffeid find die mwichtigften Merkmale. Alle Jgel haben gedrungen gebauten Leib, nicht befonders langen, obgleich am Schnauzenteife zu einem Rüfjel ausgezogenen Kopf mit mäßig großen Augen und ziemlich großen Ohren, furze und dide Beine mit plumpen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 21 322 3. Ordnung: SInfeltenfrefjer. Familie: Jgelartige. Füßen, deren vordere ftets fünf und deren hintere meift ebenjo viele, ausnahmsweile vier Zehen tragen, einen furzen Schwanz und ein jtarres, oberjeits ausfurzen Stacheln, unterjeit3 aus Haaren bejtehendes Kleid. Bon ihren Drdnungsverwandten unterjcheidet fie beftimmt das Gebih. Sn dem breiten Zwijchenfieferfnochen ftehen oben jederjeits 3 Worderzähne; dann folgen oben 7, unten 5 Baczähne, von denen die legten 5 oder 4 mehrjpißig, Die übrigen einjpißig find; Eczähne find nicht unterjchetdbar. Anı dem Furzen und gedrungenen, altjeitig verfnöcherten Schädel ift der Jochbogen vollftändig. Die Unterjchenfelfnochen find verwachfen. Unter den Musfeln verdient der Hautmusfel, der das Zufammentollen des Sgels bewerfitelligt und mit feinen verjchiedenen Teilen fajt den ganzen Leib umgibt, be- jonderer Erwähnung. Sn diejer zujam- mengerollten Haltung jchläft der ael auch. „Der Hautmusfel, der teils als Fortjeung Der dien TFajerichicht des Hinterfopfes erjcheint, teil3 an dem Najen- und Stirnbeine entjpringt, umgibt gürtel- artig die beiven Seiten de3 Sgelleibes. Das nach hinten zu beiden Seiten feiner Seitenabjchnitte breit verlaufende, am Bauche did, nach dem Nüden zu dünn werdende Musfelband hängt mit der Haut des Stachelpanzers von dejjen Urjprung am Bauche bis zum Nüden zufammen. Die Seitenhälften des Musfels verbinden fich auf dem Stummeljchwanze des \gels miteinander. Sobald er nun den MusS- fel zujammenzieht, wird der Panzer verkürzt, und feine Stacheln richten jich Sautmustet neb Dasta in aufanmenasroitiem Bu folgerichtig empor. (8 fritt zugleich bie Mithilfe von zufammenziehenden Bauc)- musfeln hinzu, jo daß die Ranzerhaut gleich emem Struppbeutel die am Bauche ver- einigten Füße famt Kopf und Schwanz umhüllt. Nur in der Mitte des panzerlojen Bauches bleibt eine feine, fchmale Naht. Beim Entroflen der Stachelhaut jind zivei Musfelpartien tätig, Die vorderen, die in ftrahlig auf der Nücenfeite verlaufenden Musfel- biindeln der Haut über Stirn- und Najenbein fowie an den Ohrmufcheln und am Halje angefett find und durch Zufammenziehen das Vorderteil, die Kapuze, entrollen, und ein Hinteres Musfelpaar, das an den mittleren Schtwanzmwirbeln feinen Urjprung hat, an der Bauchjeite fi) verlaufende Fafeın aufnimmt und in den Nüdenrändern des großen Hautringmusfels endigt.” Die Unterfamilie verbreitet fich über Europa, Afrifa und Mien. Wälder und Auen, Felder und Gärten, ausgedehnte Steppen find die Hauptfächlichiten Aufenthaltsorte ihrer Glieder. Hier fchlagen die gel in den dichteften Gebüfchen, unter Heden, hohlen Bäumen, Wurzeln, im Felfengeflüfte, in verlaffenen Tierbauen und an anderen Orten ihren Wohn- ji auf oder graben fich felbft Furze Höhlen. Sie leben den größten Teil des Jahres hindurch einzeln oder paarweife und führen ein vollfommen nächtliches Leben. Ext nach Somnen- untergang ermuntern fie jich von ihrem Tagezfchlummer und gehen ihrer Nahrung nach, Unterfamilie Igel: Leibesbau. Verbreitung. Lebensmweije. Geiftige Wefen. Arten. 323 die bei den meijten in Pflanzen und Tieren, bei einigen aber ausschließlich in leßteren be- jteht. Früchte, Objt und jaftige Wurzeln, Samen, Eleine Säugetiere, Bögel, Yurche, Ir- jeften und Larven, Nacdtichneden, Negenmwürmer ufw. find die Speifen, mit denen die Natur ihren Tijch dedt. Ausnahmsweije wagen ich einzelne auch an größere Tiere, ftellen 3. B. den Hühnerarten oder jungen Hafen nach. Sie jind langjame, jchwerfällige und ziem- lich träge, auf den Boden gebannte Sterfjäger, die beim Gehen mit der ganzen Sohle auf- treten. Unter ihren Sinnen fteht Der Geruch obenan; aber auch das Gehör ift fcharf, während Gejicht und Gejchmad jehr wenig ausgebildet find und das Gefühl eine Stumpfheit erreicht, die geradezu ohne Beijpiel dafteht. Die geijtigen Fähigkeiten ftellen die gel ziemlich tief. Diefe find furchtfam, fcheu und dumm, aber ziemlich gutmütig oder bejjer gleichgültig gegen die Berhältnijje, in denen fie leben, und deshalb leicht zu zähmen. Die Weibchen werfen 3—8 blinde Junge, pjlegen jie jorglich und zeigen bei deren Verteidigung jogar einen ge- willen Grad von Mut, der ihnen jonjt ganz abgeht. Die in den nördlichen Gegenden woh- nenden bringen die falte Zeit in einem ununterbrochenen Winterjchlafe zu, die in den Hquatorländern wohnenden fehlafen während der Zeit der Dürre. Der unmittelbare Nuten, den jie ven Menjchen bringen, ijt gering. ©eaentärtig wenigjtens weiß man aus einem erlegten gel faum noch etivas zu machen. Größer aber wird der mittelbare Nußen, den jte durch Vertilgung einer Majje jchädlicher Tiere leijten. Aus diefem Grunde verdienen fie unjere vollite Teilnahme und den ausgedehntejten Schuß. Die Berbreitung eines Säugetieres, zumal eines fo wenig beweglichen und tmanderungs- fähigen, toie e3 der gel ift, über drei Exdteile kann natürlich nicht ftattfinden ohne Bildung vieler geographiicher Abänderungen. ZTatfächlich fennt man denn auch bereits eine ganze Reihe verjchiedener Sgelarten und -unterarten, die dem Latenauge freilich zum großen Teil nur wenig jich unterjcheiden, wijjenjchaftlich aber Durch äußerliche wie durch Schädel- und Gebigmerfmale wohl gefennzeichnet find. Anderjeits hält das Volk innerhalb unjeres eignen Baterlandes hartnädig feit an einer Unterjcheidung ziwiichen Hunds- und Schweingigel, der wieder die Wijjenjchaft bis jeßt nicht folgen mag. Der Stodholmer Zoolog Xeche hat in jeinen „Bemerkungen über die Genealogie der Erinaceidae” („Fejtfchriit für Liljeborg“, Upjala 1896), fußend auf eingehenden Gebiß- und Sfelettjtudien, nicht nur die Beziehungen zu den ftachellojen Mitgliedern der Familie dargelegt, die wir weiter unten jchildern werden, jondern, nach Weber, auch „helles Licht” geivorfen auf Berwandtjchaft und Abftammung der eigentlichen gel mit- und voneinander, indem ex die verschiedenen geographiichen Spezies- gruppen eine aus der andern ableitet auf Grund einer nachweislichen und von ihm nac)- gemwiejenen „Differenzierungsrichtung”, „welche Dahingeht, daß die vorderen Schneidezähne eine höhere Ausbildung erlangen, während gleichzeitig die mittleren Tüczähne in demjelben Mape entlaftet und zurücdgebildet werden.” Zulebt hebt Leche noch als bejonders interejjante Ergebnijje jeiner Studien hervor, „daß die alttertiären Formen, die unter der Benennung Palaeoerinaceus Fdhol zujammengefaßt worden find, in den Bunkten, in denen fie von den jüngeren Erinaceus-Irten abweichen, niedriger differenziert find als dieje, bzw. mit den meniger differenzierten Formzuftänden innerhalb diejer Gattung übereinjtimmen”, und „daß unter den heutigen Erinaceus-Vrten E. europaeus in bezug auf das Gebiß zu den am meijten differenzierten gehört”. Ebenjo haben auch die modernen Shitematifer den gel ihrer jcharfen Mujterung unterzogen mit dem jelbjtverjtändlichen Erfolge, daß heute die Reihe der verjchiedenen Arten und Unterarten jehr lang ift. Bei der Einteilung der Sgel, die Sohn Anderjon 31° 324 3. Ordnung: Infektenfreffer. Yamilie: Fgelartige. 1895 in den „Proceedings“ der Londoner Zoologijchen Gefellfchaft gegeben hat, ging diefer treffliche Kenner der nordafrifaniichen Säugetierwelt aus von einer ihm neu ericheinenden Saelart aus dem Somaliland, die er dem langjährigen Schriftführer der Sefelljchaft zu Ehren E. selateri benannte, und jah, um fich über diefe neue Art zu ver- geiwijfern, mit der ihm eignen Genauigfeit fämtliche gel der Mufeen von Paris, Frank jurt a. M., München, Berlin, London und Wien durch. Auf Grund diefer umfajjenden Studien fam er zu der Überzeugung, daß die Jgel zunächit in ziwei Hauptabteilungen zer- fallen, die fich in gewifen Schädelunterfchieden an der Gehörblaje und benachbarten Sinochen ausprägen, aber auch äußerlich deutlich Fennzeichnen durch glatte oder nur längsgerilite und ganz fchtwach gebudelte Stacheln einerjeit3 und jtark gerillte und gebudelte Stacheln anderjeits. — Wie Anderfon die afrikanischen Sgelarten, jo hat Satunin, der Säuge- tierjyftematifer des faufafischen Mufeums in Tiflis, die gel jeines Wirkungskreifes umd. des benachbarten Vorderafiens ftudiert und in ihren mannigfachen Abänderungen verfolat. Dabei ftieß ihm eine neue, von ihm 1901 in den „Proc. Zool. Soc.“ bejchriebene Sgelart auf, die er E. calligoni benannte, nach dem Calligonum polygonoides, einer dem Buch- meizen verwandten Sinöterichpflanze, deren Stauden den jpeziellen Standort jenes Kleinen, langohrigen Sgels, das jandige Gebiet am Fuße des Urarat, größtenteils bededen. Dieje Pflanze Findet fich in Transkaufafien nicht wieder, wohl aber in Transfafpien, dejjen Pflanzenwelt überhaupt eine große Ähnlichkeit mit der des Sandfeldes am Nrarat hat. Und fiehe da: auch die neue Sgelart diefes Sandfeldes ähnelt dem transkafpijchen Igel (E. albulus Stol.) mehr al dem des nördlichen Kaufafus (E. auritus Pall.), der ihm Doch geographijch viel näher, ganz unmitfelbar benachbart ift. So eröffnet die eindringende Forfchungsarbeit der heutigen Säugetierjyftematif, die uns gewöhnlich zunächit nur neue Nätfel aufgibt, manchmal doch auch einen überrafchenden Einblid in Zufammenhänge des Naturganzen und beftärkt uns dann in der Zuperficht, daß dırcch die jcharfe Beftimmungs- begrenzung der Heinften geographiichen Einheitsformen nicht nur unjere Stenntnijje ver- mehrt und ausgebreitet, jondern früher oder fpäter auch unfere Erfenntnis gefördert und vertieft werden wird. — In ähnlichen Geifte hat auch Barrett Hamilton die europäijch- afiatifchen Igel einer Kuitifchen Prüfuhg unterzogen (‚„Annals and Magazine of Natural History“, 1900), und zwar fam er zu feiner Nevifion durch zivei Igel aus Rumänien, die fich bedeutend von englischen und fontinentalen unterjchieden. Barrett Hamilton findet, daß die Farbe nicht nur der Haare, fondern auch der Stacheln beim europäischen gel je mehr zum Hellerwerden neigt, je weiter füdlich er zu Haufe ift, bis fchließlich Ipanifche Stüde alfermeift weiß find. Schon in Italien tritt eine blafjere Färbungsitufe auf. Die ruma- nijchen Igel fann man daran erkennen, daß die Schmubigweißen Haare der Unterjeite zu einem Bruftflec vereinigt find; dadurch zeigt fich eine Annäherung an den Keinaftatijchen E. concolor Martin von Trapezunt. Dagegen find zwei Stüde von Peking und Tiehifu, alfo von der äußersten Oftgrenze der Paläarktifchen Negion, zwar blafjer, aber im ganzen Doch nur wenig verfchieden von unferem Igel — ein Verhältnis, was fich übrigens vielfach, namentlich auch in der Wogelmwelt, wiederholt. Barrett Hamilton findet in feinen gel- ftudien eine befondere Beftätigung des allgemeinen Erfahrungsjaßes, daß die ofteuro- päifchen Cäugetiere fich annähern und den Übergang machen zu den mweftafiatifchen, und führt fchließlich zehn Subfpezies von Erinaceus europaeus Linn. auf. Nachdem Trouejjart im neueften Supplement feines Säugetierfatalog3 fich diefe Auffaffung zu eigen gemacht hat, darf fie wohl vorläufig al3 allgemeingültig bezeichnet werden, und e3 ift nun doppelt Iniektenfreiier II. 1. Großohr-Igel, Erinaceus auritus Pall. Us nat. Gr., s. S. 326. — Kakuschke-Breslau phot. 2. Algier-Igel, Erinaceus algirus Duv, Us nat. Gr Dr. Heinroth-Berlin phot. 3. Klippen -Rüffelipringer, Macroscelides rupestris A. Smith. l/g nat. Gr., s. S. 349. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 4. Vierzehige Elefantenipitmaus, Petrodromus sultani 7hos. nat. Gr., s. S. 351. — Prof. Dr. Vosseler- Amani (Deutsch - Ostafrika) phot. Sgelarten: Shftematif. Geographie. 325 interejjant, zu jehen, vie E. europaeus Zinn. im weiteren Sinne mit feiner Verbreitung nach Dften die ganze Baläarktijche Region bis ing oftjibirische Amurgebiet und nördliche China um- Ipannt, während anderjeits im äußerjten Weften eine afrikanische Form nach Spanien über- greift. Schon 1897 hatte de Winton („Proc Zool. Soc.“) den nordafrifaniichen E. algirus Dw. in Andalujien nachgewiejen, begegnete aber Zweifeln, weil der Fundort des Stüdes nicht genau befannt war. Da fanden DOfldfield Thomas und Pocod, der jebige Leiter des Londoner Zoologiihen Gartens, auf ihrer Sammelreife nach den Balearen im Frühjahr 1900 auf diejen Sinjeln ebenfalls einen abweichenden gel, der nicht zu E. europaeus, jon- dern unzweifelhaft zu E. algirus gehörte, wenn auch Thomas wegen einiger Unterfchiede in Größe und Farbe für nötig hielt, ihn al3 bejondere Unterart E. algirus vagans aufzuftellen (Proc. Zool. Soe.“, 1901). Nun mußten über das Vorkommen in Andalufien alle Zweifel Ichhwinden; denn auf die Baleareninjeln fann Ddiefer afrifanische gel nicht wohl anders als über Südfpanien gelangt fein, und deshalb nannte ihn ja Thomas auch „Wanderigel” (E. algirus vagans). — Barrett Hamiltons lange Unterartenreihe vom europätjchen gel er- regte ven Widerjpruch des Schwedischen Säugetierforjchers Yönnberg, der damals in Upjala wirkte. Er bildet, ebenfall$ in den „Annals and Magazine of Natural History“ von 1900, drei Soelichävel aus der Umgegend von Upjala ab, deren einer allerdings die Merkmale des Linnejschen und deshalb für Schweden als typijch angenommenen E. europaeus auf- teilt, während am zweiten die des E. europaeus occidentalis vom europäischen Feitlande und am dritten mittlere Verhältniffe ziwiichen beiden zu erkennen find. Lönnberg jchreibt Daher dem gel eine befondere Neigung zu zufälligen Ubänderungen, individuellen Baria- tionen, zu und möchte aus diejen vieles erklären, was zur Aufitellung geographiicher Unter- arten geführt hat. Das reizte nun wieder Barrett Hamilton zu einer Erwiverung, die gol- dene Worte enthält über die Berechtigung und Bedeutung der jyjtematiichen Stleinarbeit, nicht ohne einige Seitenhiebe auf die „Holzhader”, denen die mannigfachen Abänderungen in der Tierwelt nichts anderes find wie die Meereswogen dem Seemann: um jo unangenehmer, je mehr ihre Größe Unbequemlichfeiten macht. Dieje Abänderungen müjjen auf alle Fälle getwindigt werden; ob man fie al® Spezies, Subfpezies, Rafje oder Erjcheinungsform be- zeichnet, ijt nebenjächlich. Schädelmerfmale fünnen übrigens auch jchwanfen, ebenjoqut wie die Farbe: gibt es doch jelbft im Gebik, nah ©. ©. Miller, mitunter bi3 25 Prozent Abweichungen! Und gerade Skandinavien muß durch feine Eiimatijchen Verhältnifje, feine Oberflächen- und Stüftengeftal- tung ganz bejonders geeignet erfcheinen zur Erzeugung örtlicher Unterarten, oder mit anderen Worten: zur Abänderung von Säugetieren. — Man wird daran erinnert, daß bei Sevilla, der Hauptftadt derjelben fpanifchen Provinz Andalufien, wo das VBorfommen des nordaftifa- nijchen Sgels einiges Auffehen machte, nachweislich auch ein europäiicher Jgel gejammelt worden ift, und man denft zu guter Lebt auch wieder an den alten Bolfsglauben vom Hunds- und Schweinsigel in unferem eignen Vaterlande. Was dahinter wohl jteden mag? Daß es zum mindejten in Norddeutichland, wenn auch vielleicht nicht in Süddeutfchland, ztvei ver- jchiedene Sgelformen gibt, jcheint nachgerade doch nicht mehr ganz von der Hand zu weijen: wir haben jie beide im Berliner Zoologiichen Garten jchon nebeneinander gehabt und haben zurzeit (Yuli 1907) den viel feltenern, jpibjchnauzigeren, oben heller beftachelten und unten heller behaarten Schweinsigel wieder, der unter mehreren dunfeln Hunds- igeln geübtem Blid fofort herauszufennen ift. ITeoßdem jind feine Unterjchtede nur leicht und fein gegenüber dem völlig abweichenden Gepräge, das der ganzen Erjcheinung eines 326 3. Drdnung: Snjektenfrejjer. Familie: Sgelartige. denjelben Käfig bervohnenden deutjch-chinefiihen Schantungigel3 aus Kiautjchou (E. euro- paeus dealbatus Swinh.) aufgedrüdt it ducch feine Hohen Beine und die gelbiveiße, weiche und dichte Behaarung der Unterjeite, die, chief nach hinten gerichtet, am Nande de3 Stachelpanzer3 ordentlich hervorquillt. Aber nicht genug mit diejen auffallenden Unterjchieden in Farbe, Behaarung und Bein- länge: die erjchöpfenden Sammlungen der Engländerin Dorothh Bate aus den legten Jahren (veröffentlicht in den „Proc. Zool. Soc.‘“, 1903 und 1905) bemweijen, daß auf den beiden großen Ssnjeln des öftlichen Mittelmeeres, Streta und ZHpern, zwei ganz verjchiedene Sgeltypen heimifch find. Das entjpricht übrigens nur den allgemeinen Anfichten, die man über die erdgejchichtliche Vergangenheit diejer Injeln und ihre früheren Jufammenhänge mit dem Seltland hat. Danach) hat Kreta nichts mit Afrika zu tun, jondern nur mit Europa, und jo findet jich auf der Injel auch eine Jgelform, die unbedingt zur Gruppe des europäijchen ‚gels gehört und von diefem höchitens als Unterart, geographiiche Form (nesiotes Thos.), zu trennen it. Der zuprijche Jael Dagegen ijt ein richtiger Obhrenigel (E. auritus Pall.), wie eine hübjche Aufnahme nach dem Leben von Fräulein Bate beweilt: mit langer, jpiter Schnauze und noch längeren, Dünnhäutigen, Shivarzweißen Ohren, die weit über das Stachel- Heid vorjtehen. Dieje Aufnahme beweijt von neuem, daß es zwei ganz verjchiedene Sgeltypen gibt: außer dem gewöhnlichen noch den langohrigen mit dem danach benannten Obrenigel (E. auritus Pall.) als längjtbefanntem Hauptvertreter. Matjchie jagt dementjprechend in jeiner „Verbreitung der Säugetiere” („Der Menjch und die Erde”): „rn Nordafrika, Vorder- alten und Borderindien gibt e8 zwei gel nebeneinander, einen großohrigen und einen Fleinohrigen, jonjt überall nur eine Art.” Ssnterejjante Streiflichter auf die Verbreitung, namentlich im Zujfammenhang mit der Abänderung, wirft noch der altberühmte rufjiihe Forichungsreifende dv. Schrend in feinen „Reifen und Forichungen im Amurlande” (1858), indem er feinen E. amurensis gleich nur als Subipezie3 von E. europaeus aufitellt und jagt, daß nach den bisherigen Erfahrungen über die Verbreitung der Sgelarten eigentlich E. auritus zu erivarten war. „&3 ijt aber das Überhandnehmen einer fchwarzen oder iiberhaupt dunfleren Färbung eine in der Tierwelt Ditaftens jchon mehrmals beobachtete Erjcheinung. Wir erinnern nur an die Bemerkung Bär, daß Daurien fich Durch vorherrjchende Schwärze in allen Fellen auszeichne, eine Be- merfung, die bisher an Eichhörnchen, Zobel und anderen mehr ihre Begründung hat... Daß es in China Igel gebe, erfahren wir durch Siebold. Nach dejjen Zeugnis jollen nämlich lebendige Individuen einer Jgelart aus China nach Japan gebracht worden fein, mo e3 urjprünglich Feine Jgel gegeben habe, und two jich diejelben jeit jener Jmportation in einigen bergigen Diftriften der Provinz Mito fortgepflanzt haben, immer jedoch fehr jelten find.“ Das waren einige jfizzenhafte Bilder aus der Gejchichte unjerer Kenntnis vom gel. ir meinen, fie jind lehrreicher al3 die genaue fchematijche Bejchreibung aller feiner geo- graphiichen Formen. Wenn an den erjten warmen Abenden, die der junge, lachende Frühling bringt, alt und jung hinausftömt, um fic) in den während des Winters verwaiften und nun neu- erivachenden Gärten, Hainen und Wäldchen neue Lebensfrifche zu holen, vernimmt der Aufmerfjamere vielleicht ein eigentümliches Geräusch im trodnen, abgefallenen Laube, gewöhnlich unter den dichteften Heden und Gebüfchen, wird auch, falls er Hübjch ruhig bleiben will, bald den Urheber diejes Yärmens entdeden. Ein Heiner, fugelrunder Burjche R 73 lc Be 2 Europäischer Zgel. 327 mit merkwürdig rauhem Belze arbeitet fich aus dem Laube hervor, fchnuppert und laufcht und beginnt jodann feine Wanderung mit gleichmäßig trippelnden Schritten. Kommt er näher, jo bemerft man ein jehr niedliches, jpiges Schnäuzchen, gleichfam eine nette Wiederholung des gröberen und derberen Schweinsrüffels, ein Paar Elare, freundlich blidende Auglein und einen Stachelpanzer, der die ganzen oberen Teile des Leibes bedeckt, ja auch an den Geiten noch weit herabreicht. Das ijt unfer, oder ich will eher jagen: mein hieber Gartenfreund, der Ygel. Unfer gel, Erinaceus europaeus Zinn., ijt bald bejchrieben. Der ganze Körper mit all feinen Teilen ijt jehr gedrungen, dick und Eurz, der Nüfjel jpikig und vorn geferbt, der Mund weit gejpalten; die Ohren jind breit, die jchwarzen YUugen Klein. Wenige jchrvarze Schnurren jtehen im Gejichte unter den mweiß- oder rotgelb, an den Seiten der Nafe und Dberlippe aber dunkelbraun gefärbten Haaren; hinter den Augen liegt ein weißer Fleck. Das Haar am Haljfe und Bauche ift lichtrot-gelblichgrau oder mweißgrau; die Stacheln find gelblich, in der Mitte und an der Spite dunfelbraun; in ihre Oberfläche jind feine Längs- jurchen, 24—25 an der Zahl, eingegraben, zwijchen denen jich gemwölbte Leijten erheben; da3 Innere ijt eine mit großen Zellen erfüllte Marfröhre. Weißlinge fommen vor. Oskar Wachter fing laut Bericht im „St. Hubertus” (1909) „auf Gemarfung Radolfzell einen ganz mweigen ‘gel mit roten Augen”, und auch hier jcheint der Albinismus eine gemifje Bererbungsfraft zu bejißen, nachdem er einmal aufgetreten ift; denn Wachter hatte „vor einem Jahre fait an derjelben Stelle ebenfalls ein gleiches Tier” gefangen. Die Länge des Sgels beträgt 25—30 cm, die des Schwanzes 2,5 cm, die Höhe am Wipderrift ungefähr 12—15 em. Das Weibchen unterjcheidet jich vom Männchen außer feiner ettwaS bedeu- tenderen Größe durch jpißigere Schnauze, ftärferen Leib und lichtere, mehr gräuliche Fär- bung; auch ift die Stirn bei ihm gewöhnlich nicht jo tief herab mit Stacheln bejeßt, und der Kopf erjcheint Hierdurch etwas länger. Das erklärt aber immer noch nicht die Tatjache, daß an den meilten Orten die Yeute zwei Abarten des Jgels unterjcheiden: den Hunds- igel, ver eine ftumpfere Schnauze, dunflere Färbung und geringere Größe haben joll, und den Schweinsigel, dejjen Hauptfächlichjte Kennzeichen in der jpißigeren Schnauze, der helleren Färbung und der beveutenderen Größe liegen follen. Jin Berliner Zoologifchen Garten hat man zudem jowohl braunbäuchige al3 weißbäuchige gel beiderlei Gejchlechts gehabt, aber auch Zwijchenformen. Sn den europäischen Alpen fommt der Sgel bis zum Kirummbohgürtel, einzeln bis über 2000 m über dem Meere vor, im Kaufafus fteigt er noch 1000 m höher empor. Nach Tichudi („Tierleben der Ulpenwelt”) Haben die Jgel „aber die Eigenheit, in manchen Gegen- den nur die Täler zu bewohnen und die Berge zu meiden, wie im Ölarner- und Urner- lande; in anderen Gegenden, wie im Tejjin, Engadin, Urferentale, jind jie gar nicht zu finden”. Sm allgemeinen lebt jedoch der gel ebenjotvohl in flachen twie in bergigen Gegenden, in Wäldern, Auen, Feldern, Gärten, und it in ganz Deutjchland eigentlich nirgends jelten, aber auch nirgends häufig, fommt jogar innerhalb Berlins vor, 3.8. im Humboldthain (Friedel u. Bolle, „Wirbeltiere der Provinz Brandenburg”, 1886). Weit zahlreicher als bei uns tritt er in Rußland auf, wo er, wie e3 jcheint, befonders gejchont wird und Fuchs und Uhu, jeine Hauptfeinde aus dem Tierreiche, jo viele andere Nahrung haben, daß jie ihn in Stieden lajjen fünnen. Die ungarifchen Donauauen von Bellye und Darda, die der Grazer Zoolog Mojfifopics Durchforjcht Hat, beherbergen ihn „am häufigjten in bebujchten Gräben oder im Geftrüpp an den Rändern von Laubwaldungen, nur fehr jelten im Nieve”. Von 328 3. Ordnung: Snfeltenfrefjer. Yamilie: Sgelartige. Feuchtigkeit fcheint ex Fein Freund zu fein! Laubholz; mit dichtem Gebüjch oder faule, an der Wurzel ausgehöhlte Bäume, Heden in Gärten, Haufen von Mift und Laub, Löcher in Umhegungsmauern, furz Orte, die ihm Schlupfwinfel gewähren, wifjen ihn zu fejjeln, und hier darf man auch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, ihn jahraus jahrein zu finden. Will man ihn hegen und pflegen, jo muß man jein hauptjächlichites Augenmerk auf Anlegung derartiger Zufluchtsorte richten. „Früher”, jagt Lenz, „hatte ich in meinem Garten mit Stroh gefüllte, in Abteilungen gebrachte und mit niederen Gängen verjehene Häuschen für die Fgel, ftellte ihnen auch Milch zum Trinken hin und faufte zu ihrer Ver- mehrung neue. Sie zogen aber meinen Zaun und noch mehr einen großen, aus Neijig und Dornen aufgebauten Haufen vor, und durch das Anjchaffen neuer brachte ich gar Feine Bermehrung zuftande, wahrjcheinlich weil fie, ihre Heimat fuchend, entflohen. Später habe ich in dem genannten Garten ein 200 Schritt langes Wäldchen angelegt, dejjen Bujchwerf Dicht ineinander jchließt, und wo alle geringen Lücden jährlich mit Dornen beivorfen werden, fo daß fich weder ein Menfch noch ein Hund darin herumtreiben fannı. Hier jteht eine Anzahl Käftchen, welche unten und an einer Seite offen find und den Jgeln eine qute Winterherberge geben. Diejes Wäldchen behagt ihnen gar jehr, und neben ihnen tummeln fich Drojjeln, Notfehlehen, Zaunfönige, Goldammern und Grasmüden Yuftig herum.” Der Igel ift ein drolfiger Kauz und dabei ein guter, furchtfamer Gefell. Wenig zum Gejelljchafter geeignet, findet er fich fast ftetS allein oder höchitens in Gemeinjchaft mit jeinem Weibchen. Unter den dichteften Gebüjchen, unter Reifighaufen oder in Heden hat jich jeder einzeln jein Lager aufgefchlagen und möglichjt bequem zurechtgemacht. Es ift ein großes Net aus Blättern, Stroh und Heu, das in einer Höhle oder unter dichtem Ge- zmweige angelegt wird. Fehlt e8 an einer fchon vorhandenen Höhle, jo gräbt jich der ‘gel mit vieler Arbeit eine eigne Wohnung und füttert dDiefe aus. Cie reicht etwa 30 cm tief in die Erde umd ift mit zwei Ausgängen verjehen, von denen der eine in der Regel nad) Mittag, der andere gegen Mitternacht gelegt ift. Allein diefe Türen verändert unjer Freund wie das Eichhorn, zumal bei heftigem Noxrd- oder Südtwinde. Sn hohem Getreide macht er fich gewöhnlich bloß ein großes Neft. Die Wohnung des Weibchen ift faft immer nicht weit bon der des Männchens, gewöhnlich im nämlichen Garten. E3 fommt wohl auch vor, daß beide gel fich in der warmen Jahreszeit in ein Neft legen; ja zärtliche gel vermögen e3 gar nicht, fich von ihrer Schönen zu trennen, und teilen regelmäßig dag Lager mit ihr. Dabei jpiefen fie allexliebft miteinander, neden und jagen fich gegenfeitig, furz, fojen zufammen, wie Verliebte überhaupt zu tun pflegen. Wenn der Ort ganz ficher ift, jieht man die beiden Gatten wohl auch bei Tage ihre Liebesipiele und Scherze treiben, an halbivegs lauten Orten aber erjcheinen fie bloß zur Nachtzeit. Man hört, wie ich oben andeutete, ein Gerajchel im Laube und fieht den Sael plöglich in fchnurgerader Richtung weglaufen, troß der jchnell trippelfnden Schritte langfam und ziemlich jchtwerfällig. Dabei fchnuppert er mit der Naje wie ein Spürhund auf dem Boden und beriecht jeden Gegenstand, den er unterwegs trifft, jehr jorgfältig. Bei folchen Wanderungen trieft ihm beftändig Speichel aus Mund und Naje. Hört unfer Stachelheld auf feinem Wege etwas Verdächtiges, fo bleibt ex jtehen, laujcht und mittert, und man fteht dabei recht deutlich, daß der Geruchsfinn bei weitem der jchärfite ift, zumal im Vergleich zum Geficht. Nicht jelten fommt es vor, dah ein gel dem \yäger auf dem Anftande geradezu bi3 vor die Füße läuft, dann aber plößlich ftubt, Ihnüffelt und nun eifigft Neifaus nimmt, fall® er nicht vorzieht, fogleich feine Schuß- und Trußmwaffe zu gebrauchen, nämlich fich zur Kugel zufammenzuballen. Von der früheren gel: Standorte. Nefter. Sinne. Verwendung des Stachelfleides. 329 Gejftalt des Tieres bemerkt man jodann nichts mehr; e3 bildet jeßt vielmehr einen eijürmigen Klumpen, der nur an einer Seite eine Vertiefung zeigt, jonft aber ringsum ziemlich vegel- mäßig gerundet ift. Die Vertiefung führt nach dem Bauche zu, und in ihr liegen, dicht an Diejen gedrückt, die Schnauze, die vier Beine und der furze Stummelichwanz. Sroijchen den Stacheln hindurch hat die Luft ungehinderten Zutritt, und jomit wird es dem gel leicht, felbjt bei längerem Aushalten in feiner Stellung zu atmen. Dieje Zufammenrollung verurjacht ihm feine Anftrengung; denn Hautmusfeln, die jie bewirken, jind, wie ©. 322 bejchrieben, bei ihm in einer Weife ausgebildet wie bei feinem andern Tiere und wirken gemeinschaftlich grit jolcher Straft, daß ein an den Händen gehörig gejchüßter Mann faum imjtande ijt, den zufammengefugelten gel gewaltfam aufzurollen. Einem jolchen Unter- nehmen bieten num auch die Stacheln empfindliche Hindernijje. Während bei der ruhigen Bewegung des Tieres das Stachelfleid hibjch glatt ausjieht und die taufend Spißen, im ganzen dachziegelartig geordnet, platt übereinander fiegen, fträuben jie jich, jobald ver Igel die Kugelform annimmt, nach allen Seiten hin und lajjen diejen jebt als eine furchtbare Stachelfugel exjcheinen. Einem einigermaßen Geübten wird es gleichtvohl nicht jchtver, auch dann noch einen gel in den Händen fortzutragen. Man jest die Klugel in die Lage, die das Tier beim Gehen einnehmen twürde, ftreicht von vorn nac) hinten leije die Stacheht zurüd und wird num nicht im mindeften von ihnen beläftiat. Eine abenteuerlich Eingende Verwendung feines Stachelfleides jagte von alters her das Landovolf unjerm Fgel nach: zur Zeit der Obftreife follte er jich nächtlichereile unter den Fruchtbäumen wälzen und dann, beladen mit füßer Laft, feinem Schlupfmwinfel zu- eilen. Dieje Erzählung Hang zu unmwahrjcheinlich, als daß fie nicht aus der neueren Natur- gejchichte mit jo manchem andern alten Bolfsglauben ausgemerzt worden wäre. Um jo mehr halten wir es aber für Pflicht, eine Beobachtung hierher zu jeben, die der fünigl. Hege- meifter a. D. R. Dtto-Sterfrade mit feinem Namen verbürgt. Er fchreibt im Dezember 1908 an die „Deutjche Jägerzeitung”: „Vor ungefähr 45 Jahren hatte ich mir al3 aktiver Dberjäger beim 4. Sägerbataillon die Erlaubnis erbeten und auch erhalten, die vielen Kaninchen im Ejchentale, ztoiichen Hohenberg und Hoher Linde bei Sangerhaufen gelegen, abjchiegen zu dürfen. So ftand ich denn eines Abends im September und wartete auf der Seite am Hohenberg auf Kaninchen. Bei Sonnenuntergang fam ein ftarfer Sgel auf einem viel benußten Kaninchenpaß und ging, von mir ungeftört, zu Felde. Ungefähr 100 m weit, im freien Felde, ftand ein uralter, wilder Birnbaum, dejjen Früchte überreif unter dem Baume lagen und quittengelb einladend entgegenleuchteten. Hierhin wandte fich der gel und begann jofort, Birnen zu verzehren. Als der größte Hunger gejtillt war, mälzte fich der Igel unter dem Baume und ging denjelben Weg zurüd, den er gefommen war. Er fam wieder jehr nahe an mir vorbei, und ich jah mit Staunen, daß er mindeftens fünfzehn von den Heinen Birnen auf feine Stacheln gefpießt hatte. Da ich gern die Tier- welt beobachte, ging ich nächften Abend eine Stunde früher dorthin... Etwas früher als geftern fah ich plößlich den gel, ich hatte aber nicht bemerkt, woher er gefommen tar. Er verihmwand auf demjelben Wege wie abends zubor und erjchien 20 Minuten jpäter twieder, feine Stacheln übervoll mit Birnen beladen. Als er ungefähr 30—35 m an mir vorbei war, blieb er ftehen und gab einen gut vernehmbaren gedernden Laut von jich. sm Ku waren drei junge, faum halbwüchjige Igel um ihn herum, und num fchüttelte er jich, genau toie ein nafjer Hund fich die Näjfe aus dem Balg jchüttelt; die Birnen flogen nad) allen Richtungen, und die Jungen fielen gierig über das Abendejjen her. Später habe ich 330 3. Ordnung: Injektenfreffer. Familie: Sgelartige. noch öfters Sgel gejehen, die Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pilze ufw. transportierten. Sch habe fie nicht weiter beobachtet; denn gewiß entledigten jie jich der Futtervorräte in gleicher Teife, wie ich es jchon beobachtet hatte.” Auch andere derartige Beobachtungen werden mitgeteilt, 3. B. von Müller-Liebentwalde, allerdings nur nach Hörenjagen. Villman jich einen Spaß machen, jo jet man den ‘gel auf einen Gartentifch und fich ftill daneben, um das Aufrollen zu beobachten. Ein eigentümliches Juden des Felle verfündet den Anfang feiner Bewegung. Yeije jchiebt unjer Freund den vordern und Hintern Teil des Stachelpanzers auseinander, jeßt die Füße vorfichtig auf den Boden und ftredt jachte das Schweinefchnäuzchen vor. Noch ijt die topfhaut dick gefaltet, jelbit das jo hHarmloje Auge liegt unter bufchigen Brauen tief verjtedt. Mehr und mehr glättet jich das Geficht, weiter und weiter wird Die Naje vorgejchoben, weiter und weiter der Panzer zurüdgedrüct, endlich hat man auf einmal das gemütliche Geficht in feiner gewöhnlichen, behäbigen oder harm- Iojen Ruhe vor fich, und in diefem Augenblide beginnt auch der gel jeine Wanderung, geradejo, als ob es für ihn niemals eine Gefahr gegeben hätte. Stört man ihn jeßt zum zweiten Male, jo rollt er jich blißichnell wieder zufammen und bleibt etivas länger als das vorige Mal gefugelt. Sehr hübjch ift der Erfolg, wenn man von Zeit zu Zeit einen ab- gebrochenen, Furzen Ruf ausftößt. Der Laut berührt den Jgel wie ein eleftriicher Schlag; er zuekt zunächit bei jedem zufammen, auch wenn man ihm zehnmal in der Minute zuruft. Der bereit3 ganz an den Menjchen gewöhnte Igel macht eS geradejo, jelbjt wenn er eben beim Ausleeren einer Milchjchüfjel jein jollte. Wiederholt man aber die Nederei, jo Friegt er das Ding endlich jatt und rollt fich entiveder für eine ganze Vierteljtunde lang zufammen, oder aber — gar nicht mehr, gerade als wilje er, daß man ihn doch nur foppen wolle. Anders ift e3 freilich, wenn man jein Ohr mit gellenden Tönen beleidigt. Ein Jgel, vor dejjen Obhre man mit einem Glöcdchen- Eingelt, zudt fort und fort bei jedem Schlage gleichham Frampf- haft zufammen. Stlingelt man nahe bei einem Dhre, jo zudt er jeinen Panzer auf der be- treffenden Seite herab, bei größerer Entfernung zieht er die Stirnhaut gerade nach vorn. smmer erfolgt Diejes Zuden in demjelben Augenblide, in dem der Klang laut wird; man fann ihn ganz nach Belieben jich verneigen lajjen. Umdrehen läßt er fich nicht gefallen; wenn man ihn von unten anjehen will, muß man ihn über den Kopf halten. Stöbert ihn einer feiner Hauptfeinde, ein Hund oder ein Fuchs, auf, jo £ugelt ex jich eiligft ein und bleibt unter allen Umftänden in feiner Lage. Er merkt an dem mwütenden Bellen oder Sinurren der Verfolger, daß jie ihm in ernfter Ubficht zuleibe gehen, und hütet jich wohl, irgendeines feiner anererbten Vorrechte jich zu entäußern. Mittel gibt e3 freilich noch genug, den Jael augenblicklich dahin zu bringen, daß er feine Kugelgeftalt aufgibt. enn man ihn mit Wajfer begießt oder in das Wajfer toirft, rollt ex fich fofort auf. Auch Tabafsraud, den man ihm zwijchen den Stacheln durd) in die Nafe bläft, bemwirft dasjelbe; denn jeinem empfindlichen Geruchswerkzeuge ift der Nauch ettva3 ganz Entjeßliches: er wird förmlich beraufcht von ihm, ftreckt fich augenblicklich, hebt die Nafe hoch auf und taumelt manfenden Schrittes davon, bis ihn ein paar Züge reiner, frifcher Quft wieder einigermaßen erquidt haben. In feiner Zufammenfugelung befteht die einzige ihm mögliche Abwehr gegen Gefahren, denen er ausgejeßt ift. Auch wenn er, tie e8 bei dem täppifchen Gefellen häufig vorlonmt, einmal einen Fehltritt tut, über eine hohe Gartenmauer herunterfällt oder plöß- fi an einen fteilen Abhange ins Rollen fommt, Fugelt er fich augenblicklich zufammen und ürzt den Abhang oder die Mauer hinab, ohne fich im geringjten weh zu tun. Man hat be- obachtet, daß er von mehr als 6m hohen Wallmauern herabagefallen ift, ohne fich zu jchaden. Soel: Schuß durch Zufammentollen. Nahrungsermwerb. 331 Der Sgel it Feineswegs ein ungejchicter und tölpischer Jäger, fondern vermag Jagd- funftftüce auszuführen, die man ihm nimmermehr zutrauen möchte. Allerdings befteht die Hauptmafje jeiner Nahrung aus Infekten, und eben hierdurch wird er nüßlich. Allein er begnitgt jich nicht mit jolcher Koft, jondern erklärt auch anderen Tieren den Strieg. Kein einziger der feinen Säuger oder Bögel ift vor ihm ficher, und unter den niederen Tieren hauft er in arger Weije. Außer der Unmafje von Heujchreden, Grillen, Küchenjchaben, Mat- fäfern, Miftfäfern und anderen Stäfern aller Art und deren Larven verzehrt er Negenmwürmer, Nacdtichneden, Fröfche und Kröten, Eidechjen, Wald- oder Felomäuje, Keine Vögel und jelbjt Junge von großen. Fr die Stärke des aelgebiljes gibt folgende Beobachtung von B. Hornung („Zool. Garten”, 1897) einen unerwarteten Beweis. „Ein gel wurde in einem Drahtfäfig zufammen mit einer Sumpfjchildfröte untergebracht. Wer aber bejchreibt mein Exftaunen, al3 am folgenden Morgen das Schild der letteren von jeinen Zähnen der- art bejchädigt war, daß fich an verjchievenen Stellen tiefe, blutige Wunden befanden, die nur durch aufgelegte Pflaster langjam heilten! Dies wiederholte fich mehrere Tage lang, bis Schließlich beide getrennt wurden.” Man follte nicht denken, dab der gel wirklich imftande wäre, die Heinen, behenden Mäuje zu fangen; aber er veriteht jein Handwerk und bringt jelbjt das unglaublich Scheinende fertig. Sch habe ihn einmal bei jeinem Mäufe- fange beobachtet und mich über feine Pfiffigfeit billig germundert. Er ftrich im Frühjahr im niedern Getreide Hin und blieb plößlich vor einem Mäufeloch jtehen, jchnupperte und ichnüffelte daran herum, wendete jich langjam hin und her und jchten jich endlich überzeugt zu haben, auf welcher Seite die Maus ihren Sib hatte. Da fam ihm nun jein NRüfjel vor- trefflich zuftatten. Mit großer Schnelligfeit wühlte er den Gang der Maus auf und holte te jo auch toirklich nach furzer Zeit ein; denn ein Quiefen von jeiten der Maus und behagliches Murmeln von jeiten des gel3 beivies, daß diejer jein Opfer gefaßt hatte. Nun wurde mir freilich fein Maufefang Har; wie er e3 aber anftellt, in Scheunen und Ställen das behende Wild zu übertölpeln, erfuhr ich ext viel jpäter durch meinen Freund Albrecht. Beim Um- herlaufen im Zimmer wurde ein von diejem Beobachter gepflegter gel plöglich eine naje- weile Maus gewahr, die jich aus ihrem Loche hervorgewagt hatte. Mit unglaublicher Schnelligkeit, objchon mit einem gemwijjen Ungefchid, jchoß er auf jie 108 und padte jie, bevor fie Zeit hatte, zu entrinnen. „Die fabelhaft flotte Bewegung des anjcheinend jo plumpen Tieres, twelche ich jpäter noch öfters beobachtete”, jchreibt mir mein Freund, „brachte mich ftet3 zum Lachen; ich weiß fie mit nichts richtig zu vergleichen. Falt war es tie ein abgejchoffener Pfeil von Rohr, welcher vom Winde rechts und links getrieben wird, aber troßdem wieder in die rechte Bahn Fommt.” Weniger Iuftig anzufchauen, vielmehr eine jener unzähligen „Sraujamfeiten der Natur“, wie fie im Kampfe ums Dafein in der Tierwelt an der Tagesoronung jind, zu den ftehenden Einrichtungen gehören, ift die Art und Weife, wie der Fgel Fröjche und Kröten frißt. Kothe jagt darüber nach eignen Beobachtungen: „Fröjche beikt der ‘gel nicht tot, fondern fängt an zu frejjen, two er fie gerade gefaßt hat, und da er nicht Stüde abbeißt, fondern in einem fortwährenden Klauen bleibt, jo ijt e& ganz dem Zufall über- laffen, wann das Opfer verendet. Cine Kröte hat es in diejem alle bejonders jchmwer, da die die Haut nicht fo leicht Durchgefaut werden Fann.” Eivechjen greift der ‘gel, nach Kothe, an, „indem er die Stacheln der einen Körperjeite, die der Eidechje zugefehrt ift, bi3 auf den Erdboden jenft, und dann unter Schnaufen und Puffen ftoßtweije gegen die Beute Yosfährt, bis er eine günftige Gelegenheit gefunden hat, um zuzufaljen”. 332 3. Ordnung: Snjektenfrefjer. Yamilie: Sgelartige. Über Nahrung und, mas damit zufammenhängt, Mut und Angriffsluft des Jgels hat Lenz eingehende Berfuhe und Beobachtungen gemacht. „Am 24. Auguft”, berichtet er, „tat ich einen gel in eine große Stifte, in welcher er zwei Tage jpäter jech3 mit Heinen Stacheln verjehene Junge gebar, welche er fortan mit treuer Mutterliebe pflegte. Sch bot ihm, um jeinen Appetit zu prüfen, recht verjchiedenartige Nahrung an und fand, daß er Käfer, Regenmwürmer, Fröjche, jelbit Kröten, dieje jedoch nicht jo gern, Blindfchleichen und Ringelnattern mit großem Behagen verzehrte. Mäufe waren ihm das allerliebfte; Obft aber fraß er nur dann, wenn er feine Tiere hatte, und da ich ihm einft zwei Tage gar nichts als DObjt gab, fraß er jo jpärlich, daß zwei feiner Jungen aus Mangel an Milch verhungerten. Hohen Mut zeigte er auch gegen gefährliche Tiere. ©o ließ ich einmal acht tüchtige Hamfter in jeine Kilte, befanntlich bitterböje Tiere, mit denen nicht zu jpaßen ift. Kaum hatte er die neuen Gäjte gerochen, als er zornig feine Stacheln fträubte und, die Nafe tief am Boden hinziehend, einen Angriff auf den nächjten unternahm. Dabei ließ er ein eignes Trommeln, gleichjam den Schlachtmarfch, ertönen, und feine gefträubten Kopfjtacheln bildeten zum Schub und Truß einen Helm. Was half es dem Hamiter, daß er fauchend auf den gel biß: er vermundete fich nur den Rachen an den Stacheln, fo daß er von Blute troff, und befam dabei jo viel Stöße vom Stachelhelm in die Nippen und fo viel Bilje in die Beine, daß er erlegen wäre, wenn ich ihn nicht entfernt hätte. Nun wandte fich der Stachelheld auch) gegen die anderen Feinde und bearbeitete fie ebenjo Fräftig, bis ich fie entfernte.” ‚Jür Hafjiich geradezu galten jahrzehntelang die Lenzjchen Berjuche über die Feitig- feit des gels gegen Schlangengift, Lenzens dramatische Schilderungen von Fgel-Streuz- otterfämpfen find ja allbefannt. Neuerdings können jie aber in ihren Einzelheiten nicht mehr alS über allen Zweifel erhaben gelten. m Geifte der modernen Serumtherapie it man nämlich von medizinischer Seite zu einer Nachprüfung gefchritten, aus dem Ge- danfen heraus, zu dem die Logik unferer Heilferumforfchung unbedingt nötigt: wenn der ‚sgel tmirflich gegen Streuzotterbiß giitfeit jei, müjje fich aus feinem Blute auch ein wirkt jamer Smpfitoff gegen das Streuzottergift — und mwohl auch gegen Schlangengift über- haupt — gewinnen lafjen. Das hat jich nun leider durchaus nicht bewahrheitet; auf feine Weije wollte e8 gelingen, aus |gelblut einen Schubftoff und Gegengift gegen Schlangen- biß Darzuftellen. Dem Dresdener Reptilienliebhaber Schreitmüller gingen fogar zmwei er- machjene, im Großen Garten frijch gefangene und aljo gewiß vollfräftige Sgel binnen zwei bi3 drei Stunden einfach ein, nachdem er fie tatjächlich und nachgemiejenermaßen von streuzottern hatte richtig beißen lafien, die er, im Genic gefaßt, den im Wafjer fchmwim- menden und die Naje Hervorftredenden geln vorhielt. („Blätter für Aquarien- und Ter- tarienfunde”, 1909.) Dies ijt indes ficher al3 Ausnahme zu betrachten; denn fchon feit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mwijjen mwir aus ganz exaften Labora- toriumspverjuchen genau, daß wir dem gel auf alle Fälle eine ganz außerordentliche Sclangengiftfeftigfeit zufchreiben müfjen. Für gewöhnlich) fommt aber die Kreuzotter gar nicht dazu, dem ‘gel einen wirklich wirffamen Biß beizubringen; denn diefer nimmt bei ihrem Anblie nach Schreitmüller anderen Beobachtungen inftinftiv fofort eine ganz eigenartige Schußhaltung an, fehlägt ihr gegenüber ohne jedes Zögern und Zagen eine jo ganz befondere, aus Borficht und Unerfchtodenheit aufs befte gemifchte Kampfesweije ein, day er Bölfches Phantafie im „Tierbuch“ zu der einleuchtenden Vorftellung begeiftert, dieje Meifterichaft im Schlangenfampf beim Igel, unferem älteften europäifchen Säuge- tier, das in Derjelben Gattung (Erinaceus) unverändert fchon feit Anfang der Miozängzeit Fgel: Nahrung. Giftfeftigkeit. 399 erijtiert, müfje ein uraltes Anpajjungserbteil fein, „ein Gegenjchachzug der Säugetieriwelt gegenüber einem furchtbaren Vermögen der niederen Tierwelt”. Schreitmüllers gel hatte beim Angriff auf die Schlange die Schnauze faft eingezogen, die Stachelpartie feines Kopfes war nach vorn geitellt, feine Beine waren nicht jichtbar, und die Bewegung des Tieres Jah aus, ala ob e3 auf dem Boden dahinrutjche oder -gleite. Ir diejer Stellung fuhr der gel auf die Schlange 108, nachdem er jie in einem Abjtand von etwa 1 m erit mehrmals umkreijt hatte, „Fate fie kurz vor dem Schtwanze in der Aftergegend, z0q jofort den Kopf ein und fpreizte jeine Stacheln nach allen Seiten hin. Die mwütende Schlange bif aus Leibesfräften zu, indejjfen immer nur in die Stacheln des Jgel3, der jich Hierdurch jedoch nicht im geringiten jtören ließ, jondern ruhig an jeinem Opfer weiter- biß, diejes mit dem rechten Vorderfuß feit gegen den Boden drücdend.” ‘edesmal, wenn die Schlange zubiß, gab er „einen grunzenden Ton don fich“ und jchien ihr ‚mit den Stadheln rudweije entgegenzufahren‘. Schreitnrüller wundert jich, „daß die Dtter nie berjucchte, dem Igel von unten her beizufommen, ihn in den Bauch oder ein Bein zu beißen‘; fügt aber aleich Hinzu, dort wäre ihr ein Angriff „„ebenjowenig gelungen, da er Beine und Schnauze joragjam zuritcgezogen hatte und den Ziwilchenraum zwijchen dem Boden und jeinem Unterleib jeine Stacheln ebenfalls völlig ausfüllten. Vorerit fraß der Sgel nicht von der Otter; jondern ich Eonnte bemerken, daß er ihr, vom After ausgehend, weiter nach der Mitte ihres Körpers zu nach und nach das Nückgrat zerbiß... Plößlich ließ der Sgel von dem Tier ab, ging jchnell etwa 75 cm zurüd und rollte jich etwas ein.‘ Nach wenigen Minuten aber froch er wieder „ganz langjam, ohne Beine und Schnauze zu zeigen, fat rucweije rutjchend auf die Schlange zu. Bei der Mitte ihres Körpers an- gekommen, bejchnupperte er diejen, wobei die Dtter jtarfe Zudungen wahrnehmen ließ und jich vergeblich bemühte, das Borderteil zu erheben... WBlößlich jchoß der gel auf den Kopf der Schlange zu, hierbei ebenfalls jeine Ktopfitacheln ganz nach vorn richtend und jeine Beine und Schnauze unter dem Leib bergend; dann faßte er die Dtter hinter dem Kopfe im Genid und bif ihr die Halswirbel durch.” Hebt erjt „machte er jich daran, jeine Beute zu'verzehren... Der ganze Kampf dauerte 1?/, Stunde... Gebijjen wurde der Igel nicht, den Bif der Dtter parierte er jedesmal mit jeinem Stachelpanzer.‘” Nach- dem er an einem fpäteren Tage von einer anderen Otter richtig in die Schnauze gebijjen worden war, „trieb er jich jeine Waje und Schnauze mit den Borderbeinen und gab einige grunzende und jchmagende Laute von ich, fugelte jich hierauf zufammen und atmete tief und jchwer, von Zeit zu Zeit jtarf zucend‘‘ Nach einer guten Stunde war er „auf- gerollt, feine Schnauze war etwas gejchwollen... Kalte Milch joff er gierig aus, fejte Nahrung Hingegen verjchmähte er. Seine Stacheln lagen glatt am Slörper an, und er jträubte fie nicht mehr, wenn ich ihn berührte oder herausnahm. Das Tier jhien ganz matt und willenlos zu fein. Nach abermals einer Stunde joff e$ wieder eine Unter- tafie voll Milch aus, rollte jich in einer Ede zufammen und fchien zu jchlafen. Syeden- falls rollte ex jich nicht mehr auf, atmete jchiwer und verendete unter jtändigen Zudungen nach einer weiteren Stunde”. Der zweite gel Schreitmüllers war bereits zweit Stunden nach dem Bilje tot. Auch das bedeutet immerhin eine anjehnliche Widerjtandskraft im Berhältnis zur Körpergröße, wenn man bedenkt, daß weiße Mäufe jchon nach 1—2, Meer- jchweinchen nach 4 bis allerhöchjtens 8 Minuten am Dtterbiß jterben. Die Schlangengiftfeftigfeit des Jgels geht aber noch viel weiter. Schon im Jahre 1896 haben zwei franzöftiche Foricher, E. Phyjaliz und 9. Bertrand, in ihren Studien 994 3. Ordnung: Snfeltenfrefjfer. Familie: Sgelartige. über die Wirfung der Schlangengifte nachgemwiejen, daß man einem Jgel von 445 g Ge- wicht binnen zwölf Stunden 20 mg getrodneten Sreuzottergiftes einjprigen muß, um ihn zu töten, mit anderen Worten: daß feine Widerftandsfähigfeit gegen diefes Gift bei gleichem Körpergewicht 35 bis 4Omal größer ift ald die des Meerjchweinchens. Eine foldhe Gift- menge hat die Kreugotter aber faum jemals zu gleicher Zeit in ihren Giftdrüfen, und fo fommt die Widerjtandsfraft des gels für jeine Lebensbedürfnifje völliger Giftfejtigfeit aleich. Eine folche bejißt der gel merimwürdigerweije aber auch anderen ftarfen Giften gegenüber. Sogenannte Spaniihe Fliegen (in Wirklichkeit ein Käfer, Lytta vesicatoria Linn.) verjpeift er ohne Schaden, während deren Gift, das Kantharidin, jonjt unmweiger- lich heftigen Magendarmfatarrh und Tod durch Nierenentzündung hervorruft; ja, er ver- trägt jogar das ftärkjte Gift, die Blaufäure, in einer Dojis, deren fünfter Teil jchon eine Kate in wenigen Minuten tötet. Wenn übrigens bei diejen Giften immerhin noch eine gewilfe Beziehung zum Leben des Sgels abzujehen ift — im Drüjenjaft der Kröten und in gewilfen Taujendfühern find ZHanverbindungen enthalten —, jo grenzt es geradezu ans Wunpderbare, daß der Igel Durch die Unterfuchungen von Strubell-Dresden (, Münchner Med. Wochenfchr.”, 1909) auch gegen andere Strankheitsgifte und die ftärfiten Anftecfungs- itoffe, wie das Diphtherie-, das Starrframpfgift, fich feit gezeigt, eine Jmmunität bewiejen bat, die beim Diphtherietorin die Widerjtandgkraft des etwa gleichjchweren Meerjchweincheng um das 7Ofache, beim Tetanustorin vollends die des Menjchen um mehr als das 7000- fache übertrifft. Anderjeits ift er wieder gegen Strychnin und Morphium nicht weniger empfindlich al3 andere Tiere. Man behauptet, daß der Igel leidenschaftlich gern Hühnereier frejje und dieje nicht nur jehr gejchidt aufzufinden verjtehe, fondern auc höchlt pfiffig ausjchlürfe, ohne von ihrem Spnhalte etivas zu verjchütten. Daß unfer Stacheltitter ein Küchlein verzehrt oder jelbft ein erwachjenes Huhn, ein Kaninchen und font ein anderes Feines Tier abzumwürgen vermag, wenn er e3 erlangen fann, auch gute Luft zeigt, gelegentlich jolche Beute zu machen, joll nicht in Ubrede geftellt werden. Bon Beder, einem oftfriejifchen Arzte, empfing ich Be- richt über einen Sgel, der am hellen Tage einer Schar von erivachjenen Hühnern in eiligem, Ichnurgeradem Laufe nachjagte. Aber die Hühner befundeten nicht eben Angft vor diefem Feinde. „Wenn der Sael”, jagt Beder, „die erjehnte Beute faft erreicht hatte, flog die be- treffende Henne gadernd in die Höhe, und der borjtige Held Eollerte Dann jedesmal 4—5 Schritt über fein Ziel hinaus, was unendlich fomijch ausjfah. Unter Ausftoßung eines Lautes, den ich am beten mit dem Schnarren einer Kindertrompete vergleichen möchte, rafite jic) der geprellte Sgel ärgerlich wieder auf, um die Verfolgung fortzufegen, und trieb jo die Hühner Durch den ganzen, großen Garten. Der Hahn, an welchen jener jich übrigens nie- mals wagte, jchien in den mindeftens ziwanzigmal wiederholten Angriffen des beutejüchtigen Näubers etwas bejonders Gefährliches nicht zu jehen; er warnte feine Schußbefohlenen zwar von Zeit zu Zeit, unternahm jedoch jonft nichts gegen den Ruheftörer.” — uch den Gebrüdern Müller war fchon „ein in dem Gafthaus zur Strone in Alsfeld vorgefommener Zall befannt, two ein Igel am Abend eine alte Henne anfiel, die mit ihren Jungen fich noch auferhalb der Nachtherberge umbertrieb. Er warf die Hagende Henne auf den Rüden und würde jie ohne Zweifel getötet haben, wenn nicht der Befißer des Gartens zur Rettung herbeigeeilt wäre, bei dejjen Annäherung ich der Mörder jogleich zufammentrollte." Trob- dem verdanmen die genannten Beobachter der heffiichen Säuger- und Vogelmwelt den gel nicht, jondern „erteilen ihm, weil fie auf fein ganzes Leben fehen, unbedenklich Abfolution in gel: Giftfeftigfeit. Näubereien. 339 Hinjicht auf feine vereinzelten Angriffe auf VBogelnefter am Boden und junge Häschen im Graje oder auch auf feine Mordverjuche im Hühnerhofe, wo er erfolglos unter die ihren Augen faum trauenden und ob der Berwegenheit langhäljig ftaunenden Hennen fpringt und diejelben zu erjchrecdtem Auffliegen veranlaft, Heine, von der Henne abgetrennte Küchlein jedoch unbarmherzig raubt und verzehrt. Die Naubtaten des ‘gel3 an jungem Hofgeflügel und an erdjtändigen Vogelneftern beruhen hauptjächlich auf individueller Nei- gung, die durch Gelegenheit, zufällige Entdedung und Erfahrung zur Auskundjchaftung führt.” Mo der „Menfchenfreffer” unter den großen Kabenraubtieren ins Zmwerghafte überjeßt: eine in ich jehr wahrjcheinliche Erklärung! — Sie mag auch ftatthaben für den ‚gel al® Taubenfeind“‘, der aus Plauen i. B. angeklagt wird. Er bejchnupperte exft die ven Tauben im Schlage ausgeftreuten Körner, fprang aber dann plößlich „auf eine der zutraulich Herangefommenen Tauben zu und bi jich in ihren Flügel ein‘, derart, daß jie getötet werden mußte. Sr jeinem Schlupfwinfel fand man „die Federn fämtlicher vermißter Tauben: es waren nicht weniger als acht Stüd”. Brehm und Rogmäßler rechnen in ihren „Tieren des Waldes” den Sgel mit den anderen Ssnjektenfrejjern zu den „Waldhütern” im Gegenjaß zu den „Waldverderbern”, den Nagern, und jagen im Hinbli auf dieje mannigfaltige, aus Pflanzen= und Tierreich entnommene Nahrung: „Der Jgel ift unter den Heinen Naubtieren dasjelbe, was der Bär unter den größeren, wenn man till, das Schwein der Sterbtierfrejjer.” Ar einem gewijjen Gegen- jab dazu fteht Mltums maßgebende Meinung „über die taufendfach verjicherte jo aufßer- ordentliche Nüßlichfeit des Igel für Wald, Feld und Flur“. Über fie läßt fich ftreiten. „Es it mir fchiver erflärkich, warum man über dem geringen Vorteil, Den ung der Sgel bringt, alle feine verderblichen Eigenjchaften gänzlich unberücjichtigt läft. Getwiß frißt ev manches jehädliche Infekt und Ddejjen Larven; allein er vermag weder hoch zu Flettern noc) tief zu graben, und Dadurch wird jein Wirfungskreis Schon fehr eingejchränft. Auch wird er wohl einzelne Maujenejter zerjtören und hier und da eine alte Maus, wenn jte jtille Hält, erbeuten. Sn feinem Magen vorgefundene Mauferefte beweifen das mehr al3 eine ganz vereinzelt da- itehende direkte Beobachtung. Allein das ift im ganzen faft eine Seltenheit. Die jchnell- füßigen Mäufe Ffanın er jchiwerlich überholen, und die furzbeinigen Wühlmäuje entweichen zu leicht in ihre Röhren. Dagegen find ihm draußen die bodenftändigen Vogelneiter jtets fichere Beute und jelbjt die Kiichlein auf den Ofonomien vor ihm nicht ficher, er raubt fie jogar von der Henne weg. 3 jind mir zweifellos fonftatierte Fälle genug befannt, die ganz geeignet jind, den jcheinheiligen Schleicher gründlich zu entlarven. Auf einem Gute tötete er in einer Nacht 15 Klüchlein und wurde bei feiner Mörderei ertappt; auf einem andern wurden in kurzer Zeit 40— 80 Küchlein durch Jgel verzehrt, die unter der Borausjeßung, daß jie nur Die jchäplichen Mäufe fingen, freien Zutritt zur Hühnerzucht gehabt hatten, bis endlich, als jich troß aller Nachforichung Fein anderes Raubtier jpüren ließ, der Verdacht auf lie fiel. Nachdem fechs bei einer al3 Köder angebrachten toten Taube gefangen und getötet waren, hörte die Plage gänzlich auf. Einmal wurde ein Jgel jogar beim Verzehren eines eben abgewürgten Huhnes ertappt. Sogar junge Hajen greift er troß der verzweifelten An- Itrengungen der alten Häjin an. Der ael fol auch Wurzelwerf und allerhand Früchte frejjen; ich zweifle nicht daran, gebadene Pilaumen 3. B. liebt er jehr. Yedoch muß ich be- merfen, daß da, wo Igel häufig waren, die wenigen abgefallenen Früchte, al3 Kirschen und Pflaumen, fämtlich unberührt liegen blieben. Er ijt jedenfalls nicht ftetS und überall um fie jehr verlegen. 336 3. Drdnung: Snjeltenfrefjer. Familie: Sgelartige. „Der forftlihe Nuben des Jgels ift nach meinem Ermefjen fait gleich Null, nur wird er an den Waldrändern und im Geftrüpp durch VBerzehren der Mäufebruten etivas für Die Verminderung diejer Nager wirken, wogegen auch anderjeit3 wieder behauptet wird, daß er zumeilen auf Stulturorten die eingeftuften Eicheln ausjcharre und verzehre. Ya, ich finde unter Hannover, 4. Januar 1859, in der ‚Allgemeinen Forjt und Sagdzeitung‘ folgende Kotiz: ‚Auf einem im verflojfenen Frühjahr in dem Moringer Stadtforft angelegten Buchen- jaatfampe, worin die Entwidelung der Bucheln der zu großen Bodentrodnis wegen un- gewöhnlich verzögert tft, hat Herr Stadtförjter Yudewig eines Abends im Monat Juni vorigen Jahres an 40 Stüd Igel gejehen, die jämtlich bemüht gewejen find, die gefeimten Bucheln durch Einbohren ihres Rüljels in die Saatrillen hervorzuholen und unter Yurüd- lafjung der Schalen zu verzehren. Einige Tage jpäter machte Herr 2. dajelbit in der Morgen- Dämmerung diejelbe Wahrnehmung und erbeutete von diejen Feinden feiner Buchenjaat nicht weniger als 17 Stüd, während fich die übrigen Jgel durch die Flucht retteten. Die bon den Sgeln gemachten Bohrlöcher jind trichterförmig und haben bei einer Tiefe von 1/,—2 Fuß (Hannöverijch) eine obere Weite von 1Y,—1Y/, Zub. (©. Kraft.)‘ Der öfono- mijche Wert des Sgels it jedenfalls jehr gering, der Geflügelzucht und der niedern Jagd it er jchädlich.‘ Co wird denn neuerdings, wo Jagppflege und Wildhege bei ung in Deutjchland vieler- ort3 zur denkbar höchiten Blüte gelangt jind und in unjeren Sagdzeitungen vom „NRaubzeug“ vielfach in einem Ton gejprochen wird, alS ob man es mit veriworfenen Berbrechern und nicht mit ganz normal, in vollem Naturrecht ihren natürlichen Lebensunterhalt juchenden Tieren zu tun habe, auch der gel fortgejebt verfemt. Auch Botho v. Prejjentin-NRautter hält ihm im „St. Hubertus” „jeine Sünden” vor und gibt jich Dabei als recht jachkundiger und logisch jcharfer Ankläger. Zunächt jchmälert er ihn jein LYob al Mäufevertilger. „Da er erit in der fpäteren Dämmerung auf Fraß ausgeht, jo findet er bejonders die gerade nächtlicherweile arbeitende Spigmaus bei ihrem der Landtwirtichaft jo fegensreichen Ber- tilgungswerfe an Larven, Würmern und Snjeften, und — fie fällt ihm am leichtejten zum Opfer.” ©o einleuchtend in jich Dieje allgemeine Schlußfolgerung fein mag, jo jucht man in der Fachliteratur Doch vergebens nach Angaben unmittelbarer Einzelbeobachtungen, Durch die fie bewiejen würde. „Die am Tage arbeitenden Mäufe entgehen ihm ganz, die, welche bejonders in der eriten Ubend- und Morgendämmerung Schaden tun, vielfach.” Hier jcheinen jomwohl die Mäufe zu fehr zu Tagtieren als der Igel zu jehr zum Nachttier im engjten Sinne gejtempelt; in Wirklichkeit fommen beide Barteien gewiß recht oft zufammen zum Schaden der Mäufje und zum Nuben des Menjchen. Zu viele Einzelbeobachtungen bejtätigen aud) ven Jael al Mäufejäger, und im Volfsglauben kann man ihm diefe Tugend nicht rauben: jind doch Die Mäufe das eigentliche tägliche Brot auch des größeren NRaubzeugs, Dem jeder Ertrabraten aus dem Wildbeftande heute jo fürchterlich angefreidet wird! Cbenjo aber Hagt dv. Prefjentin-Rautter „ven gel auf Grund vieler perjönlicher Beobachtungen an, nächit dem Eichhörnchen, dem Wiefel und dem Sltis der gefährlichite Eierdieb in freier Wildbahn, befonders in Fafanerien, zu fein”. Dieje Eägerifche Behauptung fünnen und wollen wir nicht vollffommen entkräften; wir möchten dagegen nur geltend machen: Wenn der Menjch durch feine auf die Spibe getriebene Wildhege die natürlichen Nahrungsgelegenheiten eines Naubtieres auf unnatür- liche Weife Häuft, fo darf er fich nicht erbofen, wenn das Naubtier diefe bequemen ©e- legenheiten entiprechend ausnußt. Damit übt e3 nur fein Naturrecht, und dem Menjchen Sgel: Nugen. Schaden. 397 jet anverjeit3 gewiß nicht jein Machtrecht beftritten, fich des Naubtieres zu eriwehren. Da aber das unvernünftige Tier dabei nur feinem natürlichen Inftinfte folgt, ohne Er- fenntniS der Folgen, jo wäre es vielleicht eine gewijje Ehrenpflicht dem Naturganzen gegenüber, von dem der Mensch jelbjt auch ein Teil ift, jo gut wie das Nußtvild und das Raubzeug, die Wahrung der Jagdinterefjen nicht bis zur Ausrottung aller der Lebemwefen zu treiben, die diejen Snterejjen entgegenjtehen: denn die Jagd, jo wichtig nach volfswirt- Ichaftlicher und idealer Seite jie ift, ein Lebensinterejje des Menjchen ift fie bei ung doch nicht. Alfo Gnade für den Igel, ihr Weidgenojjen! Wir wollen feine „Schandtaten” nicht leugnen, jegen im Gegenteil noch zivei bejonders gut beglaubigte hierher zur Steuer der Wahrheit, die über alles geht. Die „Deutiche Jägerzeitung” jchreibt am 27. Auguft 1905 unter der Spibmarfe: „Der Igel als Nejträuber”: „Un einem feinen Wafjerlauf, gut 100 Schritt von einem großen Hofe entfernt, jaß eine Ente auf einem Gelege von zwölf Giern. Da wurde der Verwalter des Hofes, nebenbei gejagt, ein jehr pafjionierter Raub- zeugfänger, Fürzlic) nachts Durch das mwütende Gefläff feines Haushundes gewedt. Er eilte jchnell aus dem Haufe, um zu jehen, was los jei. AS er num die Ente am Wajjer- graben laut jchnattern und mit den Flügeln fchlagen hört, taftet er fich, jo qut es im Stoddunfeln eben gehen will, dorthin und fühlt nun, daß ein jehr ftarfer gel auf dem Gelege jißt und jcheinbar das Brüten in jehr robufter Weife fortjeßt. VBorjichtig wird er nun in den äuferiten Hemodszipfel eingedreht und mitgenommen (zum Anziehen der Beinkleidver hatte der Verwalter feine Zeit mehr gehabt). Bei Licht bejehen, hatte der sgel ein halb gefrejjenes Entenfüchlein mit; zwei andere, auch halb gefrejjene Entchen fan- den wir am andern Tage. Die übrigen neun find noch ganz guter Dinge. Wenn e3 einem ‚sgel gelingt, eine Ente von ihrem Gelege zu vertreiben, wird es ihm bei einer Fajanen- oder Nebhenne doch gar feine Schwierigkeiten machen. Bei uns wird der gel Feine Schonung mehr finden.” Angeregt durch Diejes nächtliche Erlebnis mit dem gel veröffentlicht Rudolf Löns, ver befannte Stynolog und Bruder des Hannöverjchen Kaunijten, ein Gegenjtüd ebenfalls in der „Deutjchen Fägerzeitung” 1905 unter derjelben Spißmarfe: „Der gel als Nejträuber”: „sm vorigen Jahre fonnte ich den gel beim Angriff auf ein Rebhuhngelege beobachten. Jch war in der Sommerftifche auf einem Gute in der Nähe von Minden und Fam gerade mit dem augenblicklich dort jtationierten Foritajjejjor von einem längeren Pirichbummel zurüc, als ich ganz in der Nähe des Wohnhaufes aus dem hohen Heidefraut, das die Wegraine um- Takte, ein jtoßmweijes, zitterndes Fauchen vernahm. Sch machte meinen Begleiter Darauf auf- merfjam und froch auf Händen und Füßen leife und langjam der Stelle zu, von der das yau- chen Fam. Sch jah die Nebhenne auf ihrem Gelege jtehen und heftig gegen einen jtarfen gel vorjtoßen, der jich hactnädıg in das Neft zu drängen juchte. Plößlich ftrich der Hahn, den ich nicht gejehen hatte, ab, und als ich meinen Stod zwijchen die Kämpfenden jchob, jtrich auch die Henne ab. m Nefte lagen dreizehn Eier (e3 war jchon das ziveite Gelege), von denen eins zerdrüdt war. Leider fonnte ich unter Diejen Umftänden den gel nicht jcho- nen, auch das Männchen mußte am jelben Abend dran glauben. Alm nächiten Tage jaß das Nebhuhn zu meiner TFreude wieder jejt auf Dem Gelege, am dritten aber var e8 Doch zerjtört und, wie die Gebikeindrüde an den Eierjchalen verrieten, ebenfalls von einem gel.“ Der Landwirtjchaftszoolog Nörig, Borfteher der biologijchen Abteilung unjeres NReich3- gejundheitsamtes, ift, wie jo vielen anderen Nüßlichleits- und Echädlichkeitsfragen, auch der Nahrungsfrage beim gel mit den exakten Mitteln des Berjuches, Mahes und Gewichtes Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 2} 338 3. Ordnung: Snjeltenfrejjer. Familie: Sgelartige. näher gerüidt. („Tierwelt und Yandwirtichaft”, Stuttgart 1906.) „Das Nahrungsbedürfnis des Saels ift jehr groß; muß er doch nicht nur den täglichen Hunger ftillen, jondern zu- gleich für die lange Zeit des Winters Vorrat jchaffen, in dem er zu fajten verurteilt ift. An einem im Sommer gefangenen Sael, den ich zu Berjuchszmweden benußte, fonnte ich das ehr gut feitjtellen, und da e3 von Interejje it, zu jehen, mit welchem Eifer das Tier bedacht war, jich für die Falte Jahreszeit zu verprodiantieren, mögen die gewonnenen Zahlen hier Pla finden. Der Jgel wog zu Beginn des Berjuchs 689 g; er hatte vorher und während des Sommers und Herbjtes Fleifch, Würmer ujw. al8 Nahrung erhalten und fich jehr wohl dabei befunden; vom 4. Dftober ab befam er nur Mehliwürmer, joviel er frejjen wollte. Das Eraebnis war, dal er nac) zehn Tagen 1880 g diefer Nahrung verzehrt und Dabei 466 g zugenommen hatte; denn er wog jebt 1155 g. Sn den folgenden zehn Tagen wurde er nur mit Sperlingen ernährt, deren er 45 Stüd im Gewicht von 1462,4 g (nach Abzug der übriggelajjenen Federn uw.) vertilgte; Doch nahm er dabei um 63,5 g ab. Danad) ver- jhmähte ex jede weitere Nahrung und fiel in einen nur in der erjten Zeit unterbrochenen Winterjchlaf, der ihn am 10. Dezember bereits um 266,5 g erleichtert hatte, troß der inzwijchen gelegentlich verzehrten 120 g Mehlwiürmer. Daß er bei jeiner Fleichnahrung, mie fie zur Zeit der Sperlingsfütterung vorlag, doch an Gewicht abnahm, zeigt, daß; jolche Koft auf die Dauer ihm nicht befommt, wahrjcheinlich weil jie zu fettarm und er nicht imftande it, To viel davon zu fich zu nehmen, um den Fettbedarf Daraus allein zu deden. Die Snjekten aber, und namentlich ihre Larven, bejigen in dem jogenannten Fettförper einen großen und völlig verdaulichen Vorrat davon, find aljo ganz bejonders geeignet, den Kerfjägern als Kahrung zu dienen.” Schade, dat Nörig in jeine Berjuchsreihe nicht auch eine Periode auS- jchließlicher Eifütterung eingefchaltet hat, um unjere Fevderwiloheger vollends zu beruhigen! Das berührte aber die landwirtjchaftlichen Syntereijen nicht, und was er feitgejtellt hat, ge- nügt jcehon, um zu bemweijen, daß für den Igel, feiner ganzen njektenfrejjernatur nach, Vögel und Gier immer Ausnahmelederbijjen bleiben werden, die nur da, wo der Menjch je ihm unnatürlich anhäuft, ihn zu fortgejeßtem Abweichen von feinem gewöhnlichen Küchenzettel verführen fönnen. So folgert denn auch Nörig jelbjt weiter: „Deshalb darf der gel auch in Fajanerien nicht geduldet werden, da er Dort erheblichen Schaden anrichten fanıı; im Garten aber, am Wald- und Feldrande, wo fich gewöhnlich Feine Nejter wichtiger Erd- brüter befinden, wird feine Tätigkeit uns vorwiegend von Nuben fein.” Die Paarungszeit des ‘gels währt von Ende März bis Anfang Juni. Auch er zeigt jich, wenn er mit feinem Weibchen zufamment ift, jehr erregt. Er jpielt nicht nur mit feiner Oattin, jondern jtößt außerdem Laute aus, die man jonjt nur bei ver größten Aufregung vernimmt. Ein Dumpfes Gemunrmel oder heijer quiefende Laute oder auch ein helles Schnalzen, ferner ein jehr oft regelmäßig wiederholter Laut, der täufchend wie das Puffen einer fernen Yofo- motive Hingt, jcheint behagliche Stimmung auszudrüden, während ein eigentümliches Trommeln, wie der Dachs es hören läßt, ein Zeichen von geftörter Gemrütlichkeit, Wut oder Ingit ift. Alle diefe Yaute werden aber meift in der Paarungszeit vernommen; denn der ‚sgel hat ebenfalls feine Not, um ein Weib an jich zu fejjeln. Unberufene Nebenbuhler drängen jich auch in fein Gehege und machen ihm den Kopf war, zumal fein Weibchen jich Feines- wegs in den Schranken einer gebührenden Treue hält. „Der Jgel Fämpft mit feinesgleichen”, jagt Altum, „in Höchit abfonderlicher Weife. Er zieht nämlich die Kopfhaut Fapuzenfürmig jo weit über die Stirn, daß die erften Stacheln al3 drohende Spieße horizontal dem Gegner entgegenjtarren, und verjucht dann, ftoßend das Geficht desjelben zu verwunden. Zivei in Sgel: Fütterungsverfuche. Fortpflanzung. Entwicelung. 399 diejer Weije fämpfende gel, denen man bei ihrem Duell weder Gemwandtheit noch Energie abjprechen Fann, gewähren einen fomijchen, unterhaltenden Anbli.” — „Zur Paarung im Frühling”, jährt Altum fort, „Tann man die Jgel über eine Stunde lang umbherlaufen und fich jagen jehen, wobei jie twie Echweine grunzen, bis endlich der Aft vollzogen wird. Darauf trennen jich beide jofort, und jeder geht feiner Wege.” Die Gebrüder Miller be- haupten: ‚Bet ver Begattung legt fich das Weibchen, ähnlich wie das des Bibers, auf den Rüden. Dieje abweichende Haltung ift um jo bemerfenswerter, weil fie wohl zu dem Stachelffeide in Beziehung gebracht werden darf.“ Und weiter: „Dft findet man Weib- chen, die den Sommer über, umgeben von Männchen, ohne Nachfommenjchaft bleiben; jte find einjährige gel, die, noch nicht fortpflanzungsfähig, in Abgejchiedenheit und Ab- neigung gegen Gejelligfeit ihren Haushalt eingerichtet Haben...“ Sieben NRochen nach der Baarııng wirft das zweijährige Weibchen feine 3—6, in feltenen ‚sällen wohl auch 8, blinden Jungen in einem hierzu errichteten, jchönen, großen und qut ausgefütterten Lager unter dichten Heden, Yaub- und Mooshaufen oder in Getreidefeldern. Syn einem von den Gebrüdern Müller genauer verfolgten Falle war die Geburtsftätte ‚ein jeit Sahren unterhöhlter Hügel, ungefähr 100 Schritt von unjerer Wohnung entfernt, mitten im Gejtrüpp, Geftein und Genijt. Dort hatten wir die tagalten Kleinen entdecdt. Beim Unter- juchen der Wohnung hörten mir die ängjtlich bejorgte Mutter ein trommelartiges Sinurren ausjtoßen, ähnlich, wie es der Dachs hören läßt. Die nadten Jungen mit verjchlofjenen Ohren und Augen fonnten faum 7 cm lang jein, und die in weichzelliger, dehnbarer Hautlage iteefenden weißen Stacheln waren eben im Durchbrechen. Das Neft, welches äußerlich aus einer fejteren Yaub- und Moosjchicht bejtand, war inmwendig mit feineren Gras-, Genijt- und Moositoffen ausgelegt.” Die neugeborenen Jaelchen find etiwa 6,5 em lang, jehen anfangs weiß aus und erjcheinen falt ganz nadt, da die Stacheln exit jpäter zum Vorjchein fommen. Daf fie fchon bei der Geburt vorhanden jind, hat Xenz bei den Jgeln gejehen, die in jeinem Zimmer geboren wurden. „Die Sache”, jagt er, „aibt auch bei der Geburt gar feinen An- itoß. Die Stadheln jtehen auf einer jehr weichen, federnden Unterlage; der Rüden ift noch ganz zart, und jeder Stachel, den man 3. B. mit dem Finger berührt, fticht einen gar nicht, jondern drückt jich rücdwärts in den weichen Rüden, aus dem er jedoch gleich wieder hervor- fommt, jobald man die Fingerjpibe mwegtut. Nur wenn man den Stachel von der Seite mit dem Nagel oder mit einem eijernen Zängelchen faßt, fühlt man, daß er hart ift. Da nun die Tierchen gewöhnlich mit dem Kopfe voriweg geboren werden und die Stacheln etiwas nach hinten gerichtet jind, ift an eine Verlegung der Alten nicht zu Denken.” — „Nac) einigen Tagen‘, fahren die Gebrüder Müller fort, ‚„Jahen wir zum ziveiten Male nach den Sgeln und fanden die Stacheln Derjelben jchon ziemlich weit der Haut entiwachten. Acht Tage jpäter zeigte jich uns das Neft leer. Nach längerem Suchen fanden wir die ganze Yamilie in neu errichtetem, aber jehr loje und nachlällig geformtem Nachtlager. Die bejorgte Alte hatte ihre Jungen in Sicherheit gebracht, unzweifelhaft im Maule hierher gejchleppt.“ Die Entwicelung der Stacheln jchildert Altum folgendermaßen: „Nach etiva acht Tagen haben die ältejten, ganz weißen Stacheln bereits eine Länge von 9 mm erreicht, die nach diejen zuerjt emporfeimenden find jchwarz mit deutlich weißer Spibe, die Dritten ebenjo mit nur jehr jchwach weißer Spibe, die ganz Heinen, jüngjten, jind völlig jchwarz.“ Nach einem Monat hat der junge Nael ganz die Farbe des alten. Dann frißt er jchon allein, obgleich er auch noch jaugt. Erft ziemlich [pät erlangt er die Fertigkeit, fich zufammıen- zurollen und die Kopfhaut bis gegen die Schnauze herabzuziehen. Die Mutter trägt jchon 99* = 340 3. Ordnung: Infektenfrejjer. Familie: Sgelartige. frühzeitig Negenwürmer und Nadtjchneden jorwie abgefallenes Dbjt als Nahrung in das Lager und führt die Feine Brut jpäter wohl auch abends mit fich aus. Im Treileben be- mweiit fie jich gegen ihre Jungen jedenfalls zärtlicher als in der Gefangenschaft; denn hier frißt fie, wie ich zu meinem Befremden erjahren mubte, zumeilen die ganze Schar ihrer Kinder mit der ihr überhaupt eignen Seelenruhe auf, der reichlichiten und lederjten Speije ungeachtet! Gegen den Herbit hin find die jungen gel jo weit erwachjen, daß fich jeder einzelne jelbjt feine Nahrung aufjuchen fann, und ehe noch die Falten Tage fommen, hat jeder jich ein Schmerbäuchlein angelegt und denkt jet, wie die Alten, daran, fich feine Winterwohnung herzurichten. Die Jgel leben in Ioderem Werbande mit ihren Weibchen bis zum Winter, too dann jeder abgejondert für jich ein Lager bezieht. „In gewilfen Jahren treten die Jgel viel zahlreicher auf, als in anderen. Wejentlichen Einfluß auf ihr Gedeihen hat der Charakter des Winters, zumal des Spätherbites. Ireten ftrenge Nachtfröjte bei vorausgegangener Näjje frühzeitig ein, jo jterben die jungen gel in großer Anzahl. An einem Dftobermorgen fanden wir nach jcharfem Nachtfrofte auf dem Wege ziwiichen einem Bach und dem von ihm gejpeilten Teiche jechs junge Jael an den Bosfetträndern ftarr hin- gejtredt. Dieje Tiere jind gegen Kälte außerordentlich empfindlich.“ Die Winterwohnung ijt ein großer, wirrer, aus Stroh, Heu, Laub und Moos be- jtehender, im Innern aber jehr jorgfältig ausgefütterter Haufe. Die Stoffe trägt der Igel auf feinem Rüden nach Haufe, und zwar auf jehr jonderbare Weije. Er wälzt jich nämlich in dem Laube herum, dort, wo e3 am dichteiten liegt, und jpießt jtch hierdurch eine Ladung auf die Stacheln, die ihm dann ein ganz großartiges Ausjehen verleiht. Mit Eintritt des eriten jtarfen Frojtes vergräbt jich der Igel tief in fein Lager und bringt hier die Falte Winterzeit in einem ununterbrochenen Winterjchlafe zu. „Vom Schauplage des Lebens‘, jagt Altum, „‚verjchtwindet er in unjeren Gegenden gewöhnlich in der erjten Hälfte des November, zu welcher Zeit er jein Winterlager bezieht. Dasjelbe jteht gemwöhnlicy im Gebiüjch, namentlich Dorngejtrüpp, two jein überall Dichtgejchlojjenes Laubneft nicht nur nicht verivehen fann, jondern gar oft an jolchen Stellen, an denen der Wind noc) jtets mehr Laub, das jich dort im Gejtrüpp fängt, hinzumeht. ES beiteht aus jchuppig ge- ordneten, hHübjch gejchichteten Blättern und enthält inmwendig trodne Stoffe, Gras mit Laub, auch wohl Moos. Man findet jolche Nejter und den Igel darin auc) zur Sommer- zeit gern an jonnigen Mbhängen. Selten wählt er als Wohnung verlajjiene Fuchsbaue oder, pie namentlich im Winter, erdftändige Baumböhlen. Seine Eritarrungsruhe bringt er auch wohl unter MooS zu; fein Lager ift dann oft faum größer als ein ftarfes Gänfeet. Er verläßt jein Lager im Frühling nicht eher, als bis die Nächte froftfrei werden, jelbit wenn das Thermometer am Tage +8 bis 11° R zeigt; er ift dann freilich bereits er- wacht, grunzt bei Berührung, verläßt e3 aber noch nicht. Selten jieht man in Nord- deutjchland vor Mitte April die Igel munter...”; doch jah Altum einmal auch jchon am 16. Februar einen Jgel, „munter nad) Nahrung jpähend, umberlaufen‘”. Simmermann- Rochlis ja Ende November und Anfang Dezember Jgel im Freien, und die Gebrüder Müller erzählen: „Mitten im Januar haben wir die Spur eines |gels, der in dem Not- bau eine3 Dachjes tief unter einer verzweigten Baummurzel fein Winterneft angelegt hatte, von der Röhre aus in eine Wieje und an den das Tal durchfließenden Bach verfolgt. Hin und zurücd gingen jo viele Spuren, da ein breites Pfädchen getreten war, und uns an- jänglich die Vermutung nahelag, e3 habe hier ein Sltis feinen regelmäßigen Ausgang. Ein Durchjchlag vor dem vorliegenden Dächel förderte den zufammengerollten gel jamt dem gel: Jungenaufzucht. Winterfchlaf. Gefangenleben. 341 Nefte zutage. Troß einer langjam jchmelzenden Schneedede herrjchte Damals eine un- gewöhnlich milde Witterung, anhaltend 14 Tage lang. Diejes eine Beijpiel läßt den all- gemeinen Schluß zu, daß der Igel, wenn auch in einen wirklichen Winterjchlaf vertieft, Doch vom Witterungseinfluß zum zeitweilen Erwachen und nächtlichen Ausgang veranlaßt wird. Wenn dies in der Nähe des amı nordweitlichen Abhang des Vogelsberges gelegenen Ill2- jeld ich ereignet hat, wie vielmehr lafjjen jich ähnliche Erjcheinungen in milder gelegenen Gegenden der Ebene eriwarten!’” — Die Fühllojigkeit des Jgels, die jchon, wenn er am regiten jich bewegt, bedeutend ift, fteigert fich während des Winterjchlafes noch in merk würdiger Weile. Nur wenn man ihm jehr arg mitjpielt, erwacht er, wanft ein wenig hin und her und fällt dann augenbliclich wieder in jeinen Totenjchlaf zurüd. Man hat jolchen Sgeln während des Winterjchlafes den Kopf abgejchnitten und dabei bemerft, daß das Herz nach der Enthauptung noch längere Zeit fortjchlug. Bei einer Gelegenheit war nicht bloß das Gehirn, jondern auch das Rüdenmark durchichnitten; qleichtvohl arbeitete das Herz noc) zwei Stunden lang. Tiefe Verwundungen in der Bruft führen bei einem jchlafenden gel den Tod oft erft nach mehreren Tagen herbei. Unter günjtigen Berhältnijjen dürfte der jreilebende Igel jein lter auf S—10 Jahre bringen. „Des Mäufe- und Nattenfanges wegen juchen Hausbejiger den gel einzufangen und jeen ihn in Seller und Kammern, wo ihm feine Nahrung gereicht wird, er vielmehr zu dem ewigen Kampf mit den nagenden Plagegeiftern verurteilt ilt. Natürlich jtirbt er hier Hungers, wenn er nicht zu feinem Glücd einen Ausweg ins Freie findet. Zum Maus- und Nattenfange im Haufe ist eine Hausfage ungleich mehr wert al3-der langjamere gel, und man jollte dem Harmlojen die Freiheit lajjen!” Dieje Mahnung mögen alle beherzigen, die geneigt jind, in der gejchilderten Weije leichthin und gedanfenlos jeden zufällig in ihre Hände gelangenden gel in den Stelfer oder auf den Speicher zu jperren, ohne jich weiter um ihn zu fümmern! Tfcehudi bezweifelt überhaupt, daß der Jgel zum Mäujefang ge- braucht werden fann, weil er einen bejaß, der mit einer Maus zugleich aus einer Schüfjel jtaß. Dies beweijt jedoch nichts, da zahlreiche Beobachtungen dargetan haben, dah der gel ein ganz tüchtiger Mäufejäger ift. Sn manchen Gegenden wird er zu diejem Gejchäfte gerade jehr gejucht und namentlich in Niederlagen verwendet, in denen man feine Stabe halten mag. Auch ich habe Jgel im Käfige gehalten, die tagelang mit Mäufen zujanmten- lebten und mit ihnen Semmelmilch fraßen; jchließlich fiel es ihnen aber doch ein, ihre Kameraden zu verjpeiien. Um einen Igel zu zähmen, braucht man ihn bloß wegzunehmen und an einen ihm pajjenden Ort zu bringen. Hier gewöhnt er jich bald ein und verliert in fürzejter Zeit alle Scheu vor dem Menjchen. Nahrung nimmt er ohne weiteres zu jich, jucht auch jelbjt in Haus und Hof oder noch mehr in Scheunen und Schuppen danac) umher. Zur Vertilgung fäftiger Infekten, zumal zum Aufzehren der häßlichen Küchenjchaben, eignet jich der gel vortrefflich, fiegt feinem Gefchäft auch mit größtem Eifer ob. Wenn er nur einigermaßen freundlich und verjtändig behandelt wird und für ein verborgenes Schlupfwinfelchen ge- jorgt worden ilt, verurfacht ihm die Gefangenschaft durchaus feinen Stunmer. „Ein gel”, erzählt Wood, „welcher einige Jahre in unjerem Haufe lebte, mußte ein toirkliches Nomadenleben führen, weil er bejtändig von unjeren Freunden zur Ver tilgung von Küchenjchaben entliehen wurde und jo ohne Unterlaß von einem Haufe zum andern wanderte. Das Tier war bewundernswürdigq zahm und fam jelbjt bet hellem lichten Tage, um feine Milchjemmeln zu verzehren. Sobald er einen fremden Fußtritt hörte, 342 3. Ordnung: Injeftenfrefjer. Familie: Fgelartige. fugelte ex fich jofort zufammen und verharrte mehrere Minuten in diejer Lage, bis die Gefahr vorüber jchien. Vor uns fürchtete er jich bald nicht im geringften mehr und lief auch in unjerer Gegenwart ruhig auf und nieder.” Unangenehm wird der im Haufe gehaltene ‘gel durch fein nächtliches Gepolter. Sein täppiiches Wefen zeigt jich bei jeinen Streifereien wie bei jeder Bewegung. Bon dem geijterhaften Gange der taten bemerft man bei ihm nichts. Auch ift er ein unreinlicher Gejell, und der mwidrige, bijamähnliche Geruch, den er verbreitet, Feinestwegs angenehm. Dagegen erfreut er wieder Durch jeine Drolligfeit. Leicht gewöhnt er jich an die allerverjchtedenartigite Nahrung und ebenjo an ganz verjchieden- artige Getränke. Milch liebt er ganz bejonders, verichmäht aber auch geiltige Getränke nicht und tut nicht felten hierin des Guten zu viel. Ball erzählt von feinen gefangenen geln mancherlei luftige Dinge, unter anderem auch, daß er jte mehr als einmal berauschte. Er gab einem ftarfen Wein oder Branntmwein zu trinken, und der gel nahm davon folche Mengen zu jich, daß er jehr bald richtig betrunfen wurde. „Mein jtacheliger Freund“, jagt er, „benahm jich ganz wie ein trunfener Menjch. Er war vollfommen von Sinnen, und jein fonst jo dunkles, aber Harmlojes Yurge befam einen eigentümlichen, unfichern Bli und einen merkwürdigen Glanz, furz, ganz und gar den Ausdrud, welchen man bei Trunfenen überhaupt wahrnimmt. Er ftolperte, ohne uns im geringiten zu beachten, in der merf- wirdigjten und lächerlichiten Weije, wanfte, fiel bald auf diejfe, bald auf jene Seite und gebärdete jich in einer Weije, als wollte er jagen: geht mir nur alle aus dem Wege, denn ich brauche heute viel Pla. Mehr und mehr nahm dann jeine Hilflojigfeit überhand; er wanfte häufiger, fiel öfter und war jchlieglich fo vollfommen betrunfen, daß er alles über jich ergehen ließ. Wir fonnten ihn hin und her Drehen, feinen Mund aufmachen, ihn an den Haaren zupfen, er rührte jich nicht. Nach 12 Stunden jahen wir ihn wieder umberlaufen.“ Träparator Kothe vom Märkiishen Mufeum in Berlin hat in jeiner Jugend viel Ssgel gehalten und dabei wertvolle Beobachtungen gemacht, die unjerer Kenntnis vom Leben und Wejen des Tieres Neues hinzufügen. Nach feinen brieflichen Mitteilungen an Hec wurden jeine alt eingefangenen gel nach einigen Tagen „volljtändig zahm, jo daß jte fich nicht mehr zufammentollten und die Stacheln auch nicht mehr aufitellten. Jedoch hatten mir einen, der nie mit uns Freundjchaft Schließen wollte und ftet3 im Verteidigungs- zuftand blieb. Wir trugen unjere Sael viel auf dem Arm herum, ungefähr wie Meer- Ihmweinchen: Nur durften jie feinen Finger oder fein Stüd vom nadten Arm vor der Naje haben; denn dann fingen fie jofort an zu frejjen, da fie nicht wie andere Tiere Speife und fleger unterjcheiden fonnten.” — Eine fonderbare Gewohnheit des Jgels, die die Gebrüder Ktothe regelmäßig an ihren Bfleglingen beobachtet haben, ein Erbrechen und abjichtliches Be- jchmieren der Stacheln mit dem Erbrochenen jcheint fonft ganz unbefannt zu fein. „Was das Selbjtbejpuden anlangt, jo drehte, der gel jeinen Kopf jo weit herum, da er mit der Naje etwa in die Gegend der Schulterblätter Fam, und brachte eine jchaumige Mafje von zer- lauten Speijerejten heraus, die er mit der Zunge joweit wie möglich über fein Stachelffeid wilchte. Die Stacheln lagen dabei ganz glatt.” Vielleicht ift das eine Art Vergiftung der Stachen. Ein Stich von einem Saelftachel in die Hand fchmerzt nämlich, nach Kothes Zeug- nis, tagelang bis in die Schulter. Das Gejchrei des Sgelz „ist ein Quäfen, da3 man des Abends oft hörte, das auch von ihm ausgeftogen wurde, wenn er fchlief und man ihn mit einem Stod berührte”. Das beftätigt auch ein Revierförfter Sch., Bezirk Liegniß, aus dem sreileben: er ließ feinen Vorftehhund zweimal hintereinander einen gel apportieren und hörte Dabei jedesmal von diefem „‚Slagelaute wie von einem Junghafen‘. Obft fragen gel: Gefangenleben. Feinde. 343 die Kotheihen gel gar nicht, was jchlieflich noch bejonders hervorgehoben jein möge, gegenüber älteren Erzählungen. Der Iael hat außer dem Menjchen noch viele andere Feinde. Die Hunde hajjen ihn aus tiefjter Seele und verfünden dies durch ihr anhaltendes, wütendes Gebell. Sobald fie einen Igel entdedt haben, verjuchen fie alles mögliche, um dem Stacdhelträger ihren Grimm zu zeigen. Der aber verharrt in jeiner leidenden Stellung, jolange jich der Hund mit ihm bejchäftigt, und überläßt es diejem, fich eine blutige Naje zu holen. Die Wut des Hundes ift wahrfcheinlich größtenteils in dem Ärger begründet, dem Gepanzerten nicht nur nichts anhaben zu können, fondern jich jelbit zu Schaden. Manche FJagdhunde achten die Stacheln übrigens nicht, wenn fie ihren Grimm an dem Igel auslajjen wollen. So bejaß ein Freund von mir eine Hühnerhündin, die alle gel, die jtie auffand, ohne weiteres totbiß. LS mit zunehmendem Alter ihre Zähne jtumpf wurden, fonnte fie diefe Heldentaten der Jugend nicht mehr vollbringen; ihr Haß blieb aber, und jie nahın fortan jeden gel, den jie entdeckte, in das Maul, trug ihn nach einer Brüde und warf ihn Dort wenigjtens noch ins Wajjer. Der Fuchs joll, wie verjichert wird, dem gel eifrig nachjtellen und ihn auf niederträchtige Beije zum Aufrollen bringen, indem er die Stachelfugel mit jeinen Vorderpfoten langjam ven Wafjer zumälzt und fie da hineinmwirft oder jie jo dreht, daß der gel auf den Rüden zu liegen fommt, und ihn fodann mit feinem jtinfenden Harn bejprißt, worauf jich der arme Gejelle verzweifelt aufrollt, im gleichen Augenblicde aber von dem Erzjchurfen an der Naje gefaßt und getötet wird. Auf diefe Weije gehen viele Jgel zugrunde, zumal in der Jugend. Aber fie haben einen noch gefährlicheren Feind, ven Uhu. „Nicht weit von Schnepfenthal”, erzählt Lenz, „Iteht ein Felfen, der Thorftein, auf dejjen Höhe Uhus ihr Wejen zu treiben pflegen. Dort habe ich öfters außer dem Mijte und den Federn diejer Eulen auch Sgelhäute, und nicht bloß Ddieje, jondern jelbft die Stacheln der Igel in den Gemöllen, welche die Uhus ausjpeien, gefunden. Wir heben hier eins Diefer Gemwölle, welches falt ganz aus Stacheln des ‘gel3 bejteht, als eine Seltenheit auf. Die Krallen und der Schnabel des Uhus jind fang und unempfindlich, jo daß er mit großer Leichtigkeit durch das Stachelfleid des gels greifen fann. "Vor nicht gar langer Zeit gingen unfere Zöglinge unmeit Schnepfenthals bei trübem Wetter jpazieren. Da fam ein Uhu angeflogen, welcher einen großen Stlumpen in den Füßen hielt. Die Sinaben erhoben ein lautes Gefchrei, und fiehe, der Vogel lieh jeine Beute fallen. &3 war ein großer, frifchblutender, noch lebenswarmer gel.” — „Unter den Naubtieren”, jagt Altum, „scheint der Jltis der Hauptfeind des Jgels zu fein. Dak man in dejfen Höhle zur Winterzeit oft Jgelfelle findet, ift in meiner Heimat, dem Münjterlande, eine ganz befannte Tatjache. In dem legten Falle, den ich Eonftatieren kann, fanden jich jieben Felle in der bewohnten Sltisröhre vor, die jäntlich mehr oder weniger noch friich waren. Da fich der Sgel bei feiner Erftarrung befanntlich bei weiten nicht jo fejt zufammtenfugelt, al3 wenn er fich fonft durch momentanes Kugeln feinen Feinden unangreifbar macht, jo ift ein erfolgreicher Angriff des Stiffes auf den Winterfchläfer durchaus nicht jo jchmwierig, als e3 auf den erjten Blic erfcheinen möchte.” Noch mehr Jael, als den genannten Feinden zum Opfer fallen, mögen eine Beute des Winters werden. Die unerfahrenen Jungen wagen jich oft, vom Hunger getrieben, noch im Spätherbite mit der beginnenden Nacht aus ihren Berfteefen hervor und erftarren in der Kühle des Morgens. Viele fterben auch während des Winters, wenn ihr Neft dem Sturm und Wetter zu jehr ausgejebt it. So geht in manchem Garten oder Wäldchen in einem Winter zuweilen die ganze Brut zugrunde. Auch noch nach feinen Tode muß der Jgeldem Menjchen nügen, wenigjtens in manchen 944 3. Dvdnung: Snfektenfrefjer. Familie: Sgelartige. Gegenden. Sein Fleijch wird wahrjcheinlich bloß von Zigeunern und ähnlichem umher- Itreifenden Gejindel verzehrt, aljo Doch gegeijen, und man hat jogar eine eigne Jubereitungs- weile erfunden. Der Igel wird von dem wahren Kochfünftler mit einer dicken Lage gut Durchgefneteten, Flebrigen Xehmes überzogen und mit diefer Hülle übers Feuer gebracht, hierauf jorgjältig in gewiljen Zeiträumen gedreht und gewendet. Sobald die Kehmjchicht teoden und hart geivorden ift, nimmt man den Braten vom Feuer, Yäft ihn ettvas abfühlen und bricht dann die Hülle ab, hierdurch zugleich die jämtlichen Stacheln, die in der Erde jteefen bleiben, entfernend. Bei diefer Zubereitungsart wird der Saft vollfommen erhalten und ein nach dem Gejchmade der genannten Leute ausgezeichnetes Gericht erzielt. Jr Spanien wurde er früher, zumal während der Faftenzeit, Häufig genofjfen. Bei den Alten jpielte er auch in der Arzneifunde feine Rolle. Man gebrauchte fein Blut, feine Eingeweide, ja jelbjt jeinen Mift als Heilmittel oder brannte das ganze Tier zu Ajiche und verwendete dieje in ähnlicher Weije wie die Hundeajche. Selbft heutzutage wird fein Fett noch als bejonder3 heilfräftig angejehen. Die Stachelhaut benugten die alten Nömer zum Karden ihrer wollenen Tücher; man trieb deshalb mit gelhäuten lebhaften Handel, der fu be- deutenden Gewinn abwarf, daß er Durch Senatsbejchlüffe geregelt werden mußte. Außer- dem wandte man den Stachelpelz als Hechel an. Heutigestags noch jollen manche Land- mwirte von dem gelfell Gebrauch machen, wenn fie ein Kalb abjegen wollen: dem noc) jaugluftigen Tiere nämlich ein Stücdchen ftacheliges Kgelfell auf die Nafe binden und e3 dann der Mutter jelbjt überlajjen, den Säugling, der ihr äußert bejchwerlich fällt, von lich abzutreiben und an anderes Futter zu gewöhnen. Manchmal wird ein Sgelfell in jeiner wahren Geftalt von Mübenmachern auch zu einer fonderbaren ftacheligen Kopj- bededung verarbeitet. Als unbehilflicher Stachelträger, der fich nicht Fragen kann, muß der Igel für Haut- ihmaroßer ein bejonders bequemer Nirt erjcheinen, und tatjächlich nährt er regelmäßig eine Anzahl Zeden und eine Menge Flöhe. Über die ausländifchen Igel findet fich bei den Artbefchreibern und Fauniften hier und da eine Bemerkung, die, über den engen Rahmen der Syftematif und Geographie hinausgehend, gerade hier Wiedergabe verdient. — So erzählt Thomas von feinem balea- viihen Wanderigel, dem „Erijjo” der Infulaner, daß er auf Mallorca wie auf Menorca jehr gemein ijt, oft aber gar nicht feine volle Größe erreicht, weil er fo gern gegejjen wird; Thomas jelbit hat jich Gehadtes vom gel vortrefflich munden Iafjen. Auf Streta ift, nach) Dorothy Bate, der Jgel gemein im Tiefland, findet fich aber nicht im Gebirge. Sn der Gefangenfchaft frißt er jehr gerne Cafes, ebenfogqut wie feine mehr natürliche Nahrung, Eier ufw. Über den zyprifchen Ohrenigel teilt diefelbe Sammlerin einige hübjche Beobachtungen mit. Er ift im größten Teile der Snfel ebenfalls gemein und wird angeblich von den Eingeborenen gegejjen. „Im Suni 1902 brachte mir ein Bauer drei Junge, die ich mehrere Monate hielt mit einem fpäter gefundenen Alten. Sie waren jehr lebhaft und, auch frisch gefangen, weder jcheu noch fchredhaft. Sie fraßen und Tießen ji) anfaljen, ohne ein Zeichen von Furcht zu geben, ganz im Gegenfaß zu unferem englifchen sgel unter ähnlichen Umftänden. Untereinander waren fie jehr ftreitluftig, kämpften fort- während und gaben dabei ein lautes Gejchrei von fich, ähnlich wie das Miauen der Nabe. Eine beliebte Art des Angriffs war, einen Fuß des Gegners zu paden und fo zu verhindern, daß diejer jich in feinen jchügenden Stachelpanzer zurüczog. Sie fragen gut Brot und Milch, Ausländiihe Joel. 345 hartgefochte Eier und Fleine Stüde rohes Fleijch. Ein Zypriote jagte mir, daß im Sommer Igel oft in den Weinbergen gefunden twoinden, vo jie Trauben freijen, die fie leicht erreichen fönnen, weil man auf Zypern die Weinreben nicht an Pfählen zieht, jondern fie jedes Jahr zurüchchneidet, fo daß nur ein kurzer Stumpf bleibt und die Trauben oft auf der Erde Tiegen oder jie fajt berühren.“ Anderjon hat in Unterägypten nie jelber einen Ohrenigel gefangen, mit Hilfe der Eingeborenen ihn aber jtet3 ohne Schwierigfeit erhalten. Der gel lebt dort am Rande der Wüfte, wie in Abu Noafch, wo man ihn zivischen den Felsblöden findet, und er ijt auch nicht jelten in den fteinigen, halbtrodnen Gegenden des Nildeltas. Sein ausschließlich nächtliches Leben erklärt e3, daß man fo wenig von ihm weiß. Im Lande heißt er „Ntonfud” oder „Sanfud“” ebenfo twie der Sael des DObernils, E. aethiopieus Zhrbg. Von diejem weis man ebenfalls nicht3 weiter, alS daß er in der Ebene von Suafim überall da vorfommt, wo jie mit Bufchwerk bejtanden ift. Er ift eine mehr oder weniger ausgejprochene Wüjtenform, der man in dem Odland um Dongola und in der Bajudamwüfte begegnet. Als zweite Er- jcheinungsform des Jgels im Niltale führt Anderjon den Kleinen Weigbauchigel, E. albi- ventris Wagn., an, der zur Gruppe des europäifchen Jgel3 gehört, den Langohrigeln aljo iyftematijch ferner fteht und ebendeshalb neben ihnen dasjelbe Gebiet bewohnt. In den ägyptiichen Gräbern finden jich Darftellungen des gel3 jchon bei den ältejten Dynaftien, und zwar gewöhnlich auf Aderbau- und Jagdizenen. Einmal erjcheint der Jgel zujanmen mit anderen feinen Wüftentieren, dem Hafen und der Springmaus, in anderen Fällen hat er ein Snjekt, wahrjcheinlich einen Grashüpfer, im Maule, und auf einem Wandgemälde in Beni Hafian werden zwei gel in einem SKorbe getragen. — Auch für Deutjch-Dftafrifa führt Matjchie den Weihbauchigel als die heimijche Urt an und ftüßt jich daber auf Alnı- gaben Emin Paichas. Ir der Negenzeit follen die Tiere recht häufig jein und im Auguft Junge bringen. — Daß im füdlichen und nordwejtlichen Indien Jgel vorfommen, die fich durch Schädelmerfmale als nahe Verwandte des oberägyptijchen E. aethiopieus und des diefem wieder nahe verwandten E. dorsalis Anderson et de Winton aus Arabien ermweijen, it äußert interejjant und gibt von neuem zu denfen über die engen Beziehungen, die für eine gar nicht jo weit zurücliegende Exrdperiode feitgejtellt jind ziwiichen der Tierwelt des afrifanijch-arabifchen und de3 jüdindischen Gebietes. Bon den indischen Jgeln hebt Blan- ford hervor, daß fie feinen Winterjchlaf halten; das gilt aber wohl für die tropiichen Arten überhaupt. Vom Hardiwides oder Halsbandigel, E. collaris Gray, im bejondern jagt er, nach Hutton, daß diefe Art in Babawalpur jandiges Gelände bewohnt, am Tage in Höhlen unter Dornbüfchen fich verfriecht oder in Grasbüjcheln und hauptjächlich von Snjekten lebt, namentlich von einer Totenfäferart (Blaps), aber auch von Eidechjen und Schneden. Wenn diejer Jgel aufgejtört wird, aibt er einen grunzenden Ton von fich, und wenn man ihn plöglich berührt, jo wirft er mit einem Nucd den Bucdel auf und ftößt einem die Stacheln entgegen, indem er zugleich ein Geräufch macht wie ein puffender Blajebalg. Hutton gibt auch an, daß der Halsbandigel ganz bequem lange Zeit fajten fönne. — Über den afghanijchen Großohrigel, E. megalotis Blyth, jagt er: „Er lebt von großen Nadt- und Gehäufejchneden, mit denen die Felder in Kandahar überjät jind, frißt aber auch Wirrmer, Ssnjekten und Eidechjen.” Am Tage verfriecht er ji in Höhlen, abends fommt er heraus zur Nahrungsjuche. Ende Oftober oder Anfang November zieht er jich zum Winterjchlaf in tiefe Höhlen unter die Erde zurüc und bleibt hier in halb erjtarrtem Zuftand bis Februar liegen. — Der Buntigel oder Stoliczfas gel, E. pietus Stol., jteckt auch am Tage in Höhlen, 346 3. Drdnung: Snfeftenfrefjer. Familie: Jgelartige. wie verlafienen Fuchsbauten, oder unter Grasbüfcheln. Er jcheint in den trodneren Teilen de3 nordiweitlichen Indiens nicht jelten zu fein, wird aber dank jeiner nächtlichen Lebens- mweije nur jelten gejehen. * Die Mitglieder der zweiten Unterfamilie der gelartigen, die man deutjch vielleicht Haarigel oder Nattenigel (Gymnurinae) nennen fünnte, jehen gar nicht igelartig aus, vielmehr jpißmausartig: fie jind jtachellos, mehr oder weniger lang geihwänzt und rüjjel- ichnauzig. Doch erweifen fie Gebiß und andere Eigentümlichkeiten des Leibesbaues als die nächjten Verwandten der eigentlichen Stacheligel, und zugleich zeigt fich interefjanterweie, daß fie die abweichende, fpezialilierte Ausprägung des Sgels mit der allgemeineren Snjeften- frejjerform verbinden, ja jogar auf fürzejtem Weae zu der Stammform aller Jgelartigen Hin- führen. A folche glaubt Leche mit aller Sicherheit die Gattung Necrogymnurus aus dem obern Eozän anfprechen zu dürfen, die Zähne hat wie die Nattenigel und einen unvoll- fommen verfnöcherten Gaumen wie die Stacheligel, die überhaupt nach LXeches eingehenden Unterfuchungen „alle Eigenjchaften bejißt, die man bei der direften Stammform aller Erina- ceidae, der lebenden jowohl als der fojjilen, zu erwarten berechtigt ift”. Leche fpricht es daher mit Genugtuung aus, daß „zum Berjtändnis der Stammesgejcichte diejer Gruppe fein wejenlofes, der Phantajie entjprungenes ‚Urtter“ nötig it”. — Die Nattenigel erjegen in Hinterindien und dem Malaiifchen Anfelarchipel die Stacheligel, die dort fehlen; jie treten in zivei Gattungen, Hylomys Müll. et Schl. und Gymnura Horsf. et Vig., auf. Die erjtere, den Kleinen Nattenigel, hat man zeitweije gar nicht al3 bejonvdere Gattung gelten lajjen wollen, jondern unter Gymnura einbezogen. Leche hat aber dar- gelegt, „va Hylomys allerdings in den Hauptzügen feines Baues jich an Gymnura an- ichließt, von diejer Gattung aber Durch jolhe Merkinale, die er mit Erinaceus gemeinjam hat bzw. durch die er jich diefem nähert, abweicht”, und glaubt fich durch feine Gebiß- jtudien auch berechtigt, „Diefen Sab dahin zu erweitern, daß Hylomys nicht nur ein ver- mittelndes, fondern gleichzeitig das primitivfte und am wenigjten differenzierte Stadium unter den lebenden Erinaceidae vorftellt” und „von allen Erinaceidae Necrogymnurus am nächiten fteht”. Hier wäre aljo der Entwicdelungsgang Eargelegt von einer wirklich auf- gefundenen ausgejtorbenen Stammform (Necrogymnurus) durch eine noch heute lebende Mittelform (Hylomys) zu zwei einftweiligen Endformen: einer äußerlich der Mittelform jehr ähnlichen (Gymnura) und einer ihr jehr unähnlichen (Erinaceus). Der Sleine Nattenigel, Hylomys suilla Müll. et Schl., hat nur eine Körperlänge von etiwa 13, eine Schwanzlänge von 2,5—3cem und ift rojtbraun gefärbt, unten blajjer. Er lebt in Hinterindien und auf den Großen Sunda-Infeln, in Burma, Pegu, Malakfa, Sumtatra, Java. Eine Bergform, vom Nina Balu auf Nordborneo, die dort in bedeuten- der Seehöhe lebt, it von Thomas alS bejondere Unterart (Hylomys suilla dorsalis) ab- getrennt worden. Nach Blanford ift der Kleine Nattenigel bis jebt nur an zwei weit von- einander entfernten Punkten feines Verbreitungsgebiets wirklich gefunden worden, und zwar am Sittangfluß in Unterburma und in den Bergen öftlich von Bhamo in Oberburna. Über feine Lebensweife ift nicht? befannt. Über den Großen Rattenigel, Gymnura gymnura Raffl. (rafflesi), wifjen wir aber auch nicht viel mehr. Naffles’ Gymnura, wie das Tier im Englifchen heißt, zuteilen auc) Kleiner und Großer Rattenigel. 347 mit dem malaiiichen Namen Bulau benannt, findet fich, nach Lhdeffer, auf den Anjeln Sumatra und Borneo und in Hinterindien, namentlich) Burma; das Tier teilt alfo den Berbreitungsfreis feines fleinen Verwandten und darf jchon deshalb wohl al3 verjchiedene Gattung gelten, etiva wie bei uns die beiden Wiefel. Entweder ijt diefer Nattenigel wirklich jelten, oder zufolge feiner veritecten und jtreng nächtlichen Yebensweije begegnet man ihm nur fehr felten. Nach Blanford lebt er unter Baummurzeln, und der Inhalt des Magens bewmeilt, daß er Anjeften frißt, namentlich Schaben, Termiten und verjchiedenerlei Yarven. Er hat einen ganz eigentümlichen, übeln Geruch, nicht nad) Mojchus, twie man nach dem Beijpiel anderer njektenfrejjer, namentlich der Spikmäufe, erivarten fönnte, jondern nad) Knoblauch; ein Beobachter Davijon bejchreibt ihn: wie nach verdorbenem Irish stew. Rattenigel, Gymnura gymnura Rafft. !/s natürlicher Größe. Das Tier jteht aus wie eine große Natte mit langer, jpißer Schnauze; Kopf und Rumpf ind zufammen 30—35 em lang, der nadte Nattenjchtwanz 21—24 cm. Die Yarbe tjt weiß und Schwarz mit etwas wechjelnder Verteilung: gewöhnlich find Stopf und Hals mweik mit Ausnahme eines jchivarzen Flecdes um das Auge; aber auch in das Weil des Scheitels mijchen fich oft Schwarze Boriten in wechjelnder Menge. Der Vorderrücden it ebenfalls mit einem Gemijch jchwarzer und weißer Haare befleidet; die Unterwolle it jchwärzlich. Am Unterrüden, an den Seiten, den Gliedmaßen und Dem Bauche find die längeren Haare ge- wöhnlich jcehtvarz. Uber hier treten Berjchiedenheiten auf: ein Stüd von Tenajjerim hatte einen weißen Längsitreifen mitten über Brujt und Bauch; einige Cremplare aus Burma waren ganz weiß. Das mwollige Unterhaar ift am Grunde dunkel olivenfarbig auf der Ober- jeite des Körpers und ajchgrau auf der untern; die Spiben jind bräunlich oder rußichwarz. Der Spibenteil des Schwanzes ijt gewöhnlich weiß. Die Nattenigel find durch eine jo reichliche und volljtändige Bezahnung (- Schneide- zähne, + Edzahn, - Lüd- und — Badzähne in jeder Kieferhälfte, im ganzen alfo 44 Zähne) 348 3. Ordnung: Injeftenfrejjer. Familie: Rüfjeljpringer. ausgezeichnet, wie jie bei lebenden Säugetieren jelten noch vorkommt, nur bei ausgeftor- benen häufig war, und verraten jchon dadurch, nach Lhdeffer, das hohe erdgejchichtliche ter der Gruppe, zu der jie gehören. Dies bemweijen auch die mehr oder weniger nahen Bermandten, die ihre Nejte in den Tertiärablagerungen Frankreichs aus dem obern Eozan und untern Miozän hinterlajjen Haben (der oben bereits genannte Necrogymnurus mit dem aleichbedeutenden Cayluxotherium und da8 Comphotherium), und zugleich zeigen fie wieder, tie jo viele andere jojjile Formen, daß die frühtertiäre Tierwelt Europas heute noch nächlt- verwandte Vertreter auf den entlegenen Injeln des Malatiichen Archipels hat. * Zum Schlufje der ganzen Ordnung betrachten wir zivei Synjektenfrejierfamilien, die unter fich in vielen Punkten ihres Baues übereinjtinmen. Allerdings nicht in der äußern Erjcheinung, Bewegung und Lebensweile. Sn diejer Beziehung haben fie aber wieder das gemein, daß jie beide je eine Nagetiergruppe nahhahmen. Wir meinen die Spibhörndhen (Tupajidae), die Heinen, jpigföpfigen Eichhörnchen gleichen, und die Rüfjeljpringer (Ma- eroscelididae), die ausjehen wie Spring- oder Wüftenmäufe mit einem Fleinen Rüfjel. Im erfteren Falle hält Lydekfer diefe Ähnlichkeit für wirkliche Mimikcy, im leßteren jcheint fie ihn Folge der Anpajjung an Ddiejelbe Xebensweije zu fein. Die Nüfjeljpringer (Macroscelididae) jind eine der bemerfenswerteften Familien der Ordnung. Sie haben die langen, dünnen und jalt haarlojen Hinterbeine der Spring- mäufe und dazu Die längite Naje unter allen Sterfjägern, eine Kafe, die zu einem fürmlichen Nüfjel geivorden ijt und ihnen auch den deutjchen Namen verjchafft Hat, während der Gattungsname joviel wie Langjchenfel bedeutet. Der Nüjjel weilt in der Mitte nur einen dünnen Haaranflug und an der Wurzel einen ziemlich jtarfen Haarfamm auf, die Spibe da- gegen it ganz nadt. Außerdem zeichnet fich der Kopf durch die großen Augen und Die an- jehnlichen, frei hervorragenden und mit inneren Yäppchen verjehenen Dhren jorwie Durch) die fangen Schnurren aus. Der ziemlich kurze, dicke Leib ruht auf jehr verjchiedenen Beinen. Das Hinterpaar ift auffallend lang und ganz ähnlich wie bei ven Wüjtenmäufen gebaut, während die Borderbeine verhältnismäßig länger alS bei diejen jind; die drei mittleren Zehen der Borderfühe find qleich lang, der Daumen ift an ihnen weit hinaufgerüdt; Die Hinterpfoten haben 5, ausnahmsweije 4, furze, feine Zehen mit kurzen, jchwachen und ftark gefrimmten Strallen. Die Verlängerung der Hinterbeine beruht Hauptjächlich auf der an- jehnlichen Yänge des Schtenbeins und des Mittelfußes, die bei feinem andern Kterfjäger in verhältnismäßig gleicher Länge vorkommen. Der dünne, Eurz behaarte Schwanz tft meijtens etwas fürzer als der Körper. Der reichliche Pelz ift jehr dicht und weich. Das Sebik befteht aus 40 Zähnen, welche Anzahl fich jedoch verringern fann, da bei einer Art und Gattung die oberen Schneidezähne im Alter auszufallen pflegen; in der Regel jind 3 Schneidezähne, 1 Edzahn und 6 Baczähne in jedem Stiefer vorhanden. Der Schädel fennzeichnet jich durch langen und dünnen, fcharf abgejegten Schnauzenteil, wohlenttwidelten sochbogen und mehrfache Durchlöcherung des Fnöchernen Gaumens. Die Wirbeljäule beiteht außer den Halswirbein aus 12—13 rippentragenden, 7 rippenlofen, 2—3 Streuz und 25 —28 Schwanztirbeln. Die Unterfchenfelfnochen find verwachjen. Unter den Weichteilen verdient der lange Darm mit Blinddaım und außerdem eine unter der Scwanzwurzel gelegene Drüje Erwähnung. 2 Pe 5 Er i u Ban ı m all ö Busen ‚snowepdguspuogo7>2 ayppuoyLıyDpIo]] as a Elefantenjpigmaus. 349 Man unterjcheidet in unjerer rein afrifaniichen Yyamilie heute drei Gattungen: Ma- LANE ceroscelides A. Smith, vorn und hinten fünfzehig, Jahnformel =:,; Petrodromus Prrs., vorn fünf, hinten vierzehig, Zahnformel >; beide Gattungen haben verwachjene Borderarmknochen und unvollftändig verfnöcherten Gaumen. Dagegen hat die dritte, vorn und Hinten vierzehige Gattung, Rhynchocyon Pers., getrennte Elle und Speiche und vollftändig verfnöcherten Gaumen; ihre Zahnformel ift 24. Eingehende Zahnjtudien an Stuhlmannjchem Rüfjelipringermaterial führten den Be- arbeiter Noad zu interejjanten Ergebnijjen. „Das Gebiß von Petrodromus tetradactylus zeigt eine jehr eigentümliche Mifchung von ganz archaiftiichen und modernijierten Formen und dürfte, wie Das von Rhynchocyon, noc) jest in der Umbildung begriffen jein. Das Tier hat ich, wie auch das verhältnismäßig große Gehirn beweilt, aus einem primitiven Snjeften- frejfer zu einen jehr jpezialifterten und intelligenten Säuger entwidelt.” Die Elefantenjpigmaus oder der Gemeine Nüfjelipringer, Macroscelides pro- boscideus Shaw (typus), der fapiiche Vertreter der artenreichjten, durch volles Gebiß und fünfzehige Füße jich fennzeichnenden gleichnamigen Gattung, ift 25 cm lang, wovon auf ven Schtwanz 11,5 em, auf den Rüfjel jajt 2 cm fonımen, oberjeit3 bald heller, bald dunfler, bald rötlichbraun oder mäufearau, unterjeit3 und an den Pfoten Dagegen mehr oder weniger rein weiß gefärbt; über den rojtbraunen, an der Spiße rötlichjchtwarzen Nüfjel, und zivar von dejien Wurzel bis zur Stirn, verläuft ein rötlichbrauner Strich; die Ohren find innen weiß. Die Elefantenipibmaus ähnelt in ihrer Yebensweile vollitändig den übrigen Rüljel- jpringern, von denen man bis jebt etwa zehn Arten unterjchieden hat, die ausnahmslos in Afrika, zumal in Süd- und Oftafrifa, zu Haufe jind und die fonnendurchglühten, fahlen Gelände beleben. Die Tiere beivohnen hier mit Vorliebe die jteinigen Berge und finden in tiefen und jchiver zugänglichen Löchern unter Steinen, in Feljenrigen und in Höhlen an- derer Tiere Zuflucht bei jeder Gefahr, die fie in der geringfügigiten Erjcheinung zu erbliden vermeinen. Die Zufahrt zum Bau geht, nah W. L. Sclater, oft falt jenfrecht hinab. E3 find echte Tag-, ja wahre Sonnentiere, die jich gerade während der glühendjten Mittagshige anı wohliten befinden und dann auch am eifrigften ihrer Jagd nachgehen. Die Nahrung befteht hauptjächlich aus Snekten, die jie gejchieft zu fangen oder aus Nigen und Spalten hervor- zuziehen wijjen. Wenn man fich qut verjtecdt, Fan man ihr lebendiges Treiben beobachten; die geringite Betvegung aber jcheucht jte augenblidlich in ihre Schlupfiwinfel zurüd, und dann vergeht eine ziemliche Zeit, bevor fie jich von neuem zeigen. Endlich fommt eins um das andere wieder hervor und Hüpft num außerordentlich hurtig und rafch under, äugt und laujcht nach allen Seiten hin, hafcht im Sprunge nach vorüberfliegenden Jnjeften oder jucht und jchnüffelt zwijchen den Steinen umher, jeden Winfel, jede Nite, jede Spalte mit der jeinen Rüfjelnafe unterfuchend. Dft jeßt jich eins auf einen von der Sonne durchglühten Stein und gibt jich hier mit größtem Wohlbehagen der Wärme Hin, nicht jelten auch jpielen zivei, vielleicht ein gerade zufammenfebendes Paar, Yuftig miteinander. Über die Fort pilanzung weiß man bis jet noch nichts. Eine zweite jüdafrifanische Urt, der Klippen-Nüffelipringer, M. rupestris A. Smith (Taf. ‚„Snjektenfrejjer 11, 3, bei ©. 325), lebt in den feljigen Gegenden am Dranjefluß, in Griqualand, bei Johannesburg im Transvaal und verbreitet jich bis nach Benguella. Die nordafrifanijche Art (f. Sarbentafel) aus den IUtlasländern, M. rozeti Duv., hat neuer dings Hojeph Scherer-München nad) dem Leben gejchildert. Bei Mecheria, im Innern 390 3. Ordnung: Snfeltenfrefjer. Familie: Rüfjelfpringer. Neftalgeriens, jcheuchte er furz vor Sonnenuntergang ein Pärchen auf, das unter einen tiefigen, am Boden lofe aufliegenden Felsblod flüchtete. Während Scherer, der Länge nach auf dem fteinigen Boden liegend, den Kopf im rauhen Didicht des Halfagrajes geborgen, das Vtedererjcheinen der Flüchtlinge abmwartete, entdedte er, daß die Lüden und Löcher, die der ungefüge Vlod auf jeiner unebenen Grundlage frei ließ, alle bis auf eins etwa von der Größe eines Maulmurfloches jauber mit Steinchen und dinren Pflanzenüberreften ver- jtopft waren. Das offene Loch bildete ven Zugang zu der unter dem Feljen gelegenen Wohnung der Tiere. Nach Faum zehn Minuten begann es fich im Dunfel des Loches zu regen, umd ein nach allen Nichtungen der Windroje pendelnder, horizontal geitrecter Rüfjel wurde in urfomifcher Weije jichernd hervorgeftrect. Mit weit ausgejpannten Ohren fam jeßt der dide Schädel, der die ganze Eingangstür ausfüllte, ans Tageslicht. Zugleich ward aus der Tiefe des Hintergrundes ein zorniges Quiefen vernehmbar, und jofort ftürzte ver Nüfjelträger, unmittelbar verfolgt von einem zweiten, aus dem Loche. Die milde Jagd ging hart am Beobachter vorbei. Plößlich machten beide halt, jesten jich nach Art ver Hausmäufe auf die Hinterbeine, hieen einige Sefunden zwedbewußt die Rüjfjel tanzen und ftürzten, jedenfalls nichts Gutes ahnend, in panifartiger Flucht wieder dem fchüßenden Berfted zu. Nach wiederholtem Erjcheinen und Verjchwinden hatten die Tiere endlich alle Furcht und Scheu überwunden und übten num ihr Tun und Treiben in ungeztwungen- jter Weije nicht nur vor, fondern fogar teilweije auf dem Beobachter. Nachdem fie den in der Nähe liegenden Tropenhelm bejchnuppert und gründlich Durchforicht hatten, fam die eine Maus nahe an Scherer heran und Fletterte ungeniert auf feinen Rüden, um diejen als Ausjichtspunft zu benugen, wenn fie es auch jorafältig vermied, feinem opfe nahezufommen. Bald eilten die Tiere ihrer Behaujung zu, bald verschwanden fie hinter oder unter Steinen, entfernten jich auch bisweilen und dDurchjuchten mit großer Genauigfeit jede Nite und Spalte mit dem langen, hierzu bejonders geeigneten Rüjjel. Gelegentlich verjichlangen fie Fleine ‚snjekten mit fabelhafter Gejchiwindigfeit. Am andern Morgen erkannte ein jchon bei Son- nenaufgang an Ort und Stelle mitgenommener arabijcher Nomade die Tiere al „Jerboa (Springmaus) zurar“, verjuchte aber vergebens Durch feine fteinerweichende Stimme die nervöjen Tiere aus ihrer Wohnung herauszujchreden. CS bfieb alfo nichts übrig, als den gigantischen Felsblod umzumälzen. Sogleich jtürzten die beiden, momentan nur als flie- hende Runfte jichtbaren Rüfjelmäufe hervor, und eine wurde ettva 200 m weit ab in einem Halfabüfchel gefangen. Mit ftoischer Ruhe und apathijcher Gleichgültigfeit fügte fie fich ins Unvermeidliche, und jchon eine Stunde jpäter ließ jie fich, unbefümmert um eine Jufchauer- haft von fünf neugierigen Beduinen, das zarte Fleifch einer ungeflügelten Heufchredfe mit größtem Appetit munden. Auch eine fünftägige Kamelreife durch die Wüfte überftand fie troß ungeeigneter Crjagkoft, allerdings nicht ohne abzumagern. Auf der Heimreife, im Kachtichnellzuge zwifchen Saida und Dran, trat das erwartete Ereignis ein, daß die alte Rüfjelmaus zwei Junge warf; e3 war aber nicht zu verwundern, daß die Aufzucht in der Blechbüchje, in die die Alte zur Neije verftaut war, nicht qut vor fich ging. Die verzweifelte Dutter tötete jchliehlich auf der Überfahrt nac Marjeille eines ihrer Kinder durch mehrere Bilje ins Gehirn, und das andere wurde, um es mwenigftens tot unverfehrt zu erhalten, in Formol geftect. Die Alte brachte Scherer glüclich nach München und konnte fie dort noch längere Zeit in ihrem Gefangenleben beobachten. Furcht und Scheu nennt er ihre wichtigften Sharaftereigenfchaften. „Ohne jegliches Bedenken fann man das vor Angft bebende zarte Gejchöp] in die freie Hand nehmen; jene tücijche Biffigfeit, mit der viele Nager jediwede Nordafrifaniiche Elefantenjpigmaus. Nüffelratte. ol Liebfojung beantworten, twird bei ihr angenehm vermißt. Wenn fie jich auch mangels höherer Ssntelligenz jehr jchiwer dem Banne der Furcht entzieht, jo gelingt e3 bei entjprechender Be- handlung doch bald, fie ihrem Pfleger vertrauter zu machen, bis fie jich jchließlich nicht mehr jcheut, den Dargereichten Mehliwurm artig aus der Hand zu nehmen. Bet ihrem leider äußerft feltenen Exfcheinen auf dem Tiermarkt, welches ebenso durch ihr fpärliches Vorfommen in wenig bewohnten Wüjten- und Steppengegenden, wie auch Durch die enormen Transport- jchtwierigfeiten verurjacht ift, dürfte e3 eine große Seltenheit jein, in den Bejik einer lebenden Clefantenjpibmaus zu gelangen, ein Umjtand, der um jo bedauerlicher ift, al3 das Tier durch jeine abenteuerliche fomijche Geftalt, jein amitjantes, drolliges Wejen jotvie nicht zuleßt die hohe Entwidelung feines Neinlichkeitsjinnes die angenehmen Seiten eines tierijchen Stubengenojjen in jich vereinigt.” Tatjächlich hat der Berliner Zoologijche Garten bis jeßt nur einmal ein Baar Elefantenjpigmäujfe gehabt, mit dem er diejelben angenehmen Er- fahrungen machte, wie oben gejchildert. Dei der Gattung Nüfjelratte (Petrodromus Pirs.), die durch ihre Größe den Namen Glefantenjpißmaus am ehejten verdiente, ijt die Feine Daumenzehe an den Hinterfüßen, die die vorigen noch aufzumeijen haben, ganz verichwunden, und die rattengrofe Hauptart vom Sambeji und Shire heißt Danac) P. tetradactylus Pirs. Der Gattungsname (= Feljen- läufer) paßt aber ebenjogut auf fie; denn fte lebt tatjächlich an feliigen Stellen und ver- friecht fich in Spalten und Klüften. — Neuerdings find durch Thomas vom Britijchen Mujeum, dejjen Lieblinge die Heinen Säugetiere find, noch drei Arten aus Siüpdoftafrifa binzugefommen. Über die wichtigfte, die von der Gegend bei Mombaja und Mafailand bis Südgazaland und Ofttranspaal verbreitete Bierzehige Clefantenjpikmaus, P. sultani Thos. (Taf. ‚„‚Snjektenfrejjer II‘, 4, bei ©. 325), macht W. %. Sclater eine furze lebensgejchichtlihe Bemerkung: „Sie bewohnt Dichten Bujch und lebt in Erphöhlen oder oft auch in Termitenhügeln. Bon Francis ijt behauptet worden, daß jie eine große VBor- fiebe für die Lojung des Livingjtonebödchens (Nesotragus livingstonianus) habe“, aber diejen Irrtum fann fie nur ducch Infeftenjagd bei folchen Mifthäufchen erregt haben. „Sie Ipringt und hüpft gut und hat eine jchrille, grillenähnliche Stimme. Geht abends Furz nad) Sonnenuntergang ihrer Nahrung nach.” (Böhm.) Hübjche Einzelbeobachtungen gibt Profeijor Voijeler von der Landwirtjchaftlichen Ver- juchsitation Amant in feinen Schilderungen „Aus dem Leben oitafrifanischer Säuger”. „Der Körper Streckt jich beim Gehen nicht jo lang aus (tie bei dem von Bojjeler vorher gejchilderten Küfjelhündchen), Die Bewegungen der Beine find zierlicher, faft fofett. Die jpisigere Schnauze it bei weitem nicht jo beweglich, Dagegen die Ohren in ftändiger Unruhe. Das Auge, mie jene größer als beim Rüfjelhündchen, verleiht dem Gejicht einen angenehmeren Ausdrud, der Durch die Zeichnung (weiße Flecke rund um das Auge und rötliche dahinter) noch erhöht wird. Überrafchend ift die Gelenfigfeit der langen, gewöhnlich im Fell verftedten Hinter- beine, mit denen es imjtande ijt, den ganzen Nüden zu bejtreichen und den Pelz mit den Krallen geradezu bis zur Schwanztwurzel dDurchzufänmen. Die dabei vorfommtenden Stel- lungen wirken ungemein grotesft. In häufigen Zwifchenpaujen der Neiniqung greift der Fuß tief in das Ohr derjelben Seite, wie mir jcheint, zu dem Zivede, das im Hörgang reich- fich abgejonderte Ohrenjichmalz als Einfettungsmittel für Die Haare zu gebrauchen. Die Vorderpfoten im Verein mit der langen, jchmalen, beweglichen Zunge pußen das Gejicht und die Unterjeite. Jn Öefangenjchaft verhält jich die Nüfjelratte jehr ähnlich wie das 392 3. Ordnung: Snfeftenfreffer. Familie: Rüfjelfpringer. Rüfjelyündchen. Sie wird ebenfalls mit gemijchter Nahrung erhalten, doch tft jie bei Tag weniger, bei Nacht mehr lebhaft als diejes. Der geringjte Schredfen veranlaßt jie jederzeit, mit dem Lauf der Hinterfüße einen trommelwirbelähnlichen Yärm durch rajend fchnelles Yuffchlagen auf den Boden zu erzeugen. Sonft aibt jte auch in der Jugend feinen Ton von ih. Hunde und Haben werden beim Bejchnuppern des Käfigs durch diefen Lärın jtets jo erjchredt, daß jte eiliaft fliehen. Junge werden im Dezember und Januar gefunden. Nach dreiviertel Jahr jind die Tiere ausgewachien und erhalten jchön rotbraune Färbung an den unteren Seiten der Wange und des Leibes.” Bofjeler iit es im Winter 1905 auch glüclich gelungen, die beiden erjten Rüjjelratten lebend in den Berliner Zoologiichen Garten zu bringen. Er hatte feine Mühe gejcheut, jie on allerlei Erjaßfutter (Mahlfleiich, Mehlwürmer, Semmel in Milch) zu gewöhnen, und jo machte die weitere Pflege feine bejondere Schwierigfeit mehr. Die ebenjo abjonder- lichen al3 anmutigen Tiere find in jeder Beziehung die Vergrößerung ihrer nordaftifanischen Bermandten und gewähren namentlich dann, wenn fie, auf allen vier Elapperdürren Stödel- beinchen gleich hoch erhoben, umbertrippeln, einen ganz einzigartigen Anblid. Die Beine, die wirklich „nur Haut und Knochen” find, treten jo unvdermittelt Durch irgendwelchen dideren Oberteil aus dem rumndlich zufammengezogenen Numpfe hervor, daß jeder Unfundige gewiß gerade dann an Verzeichnungen glauben wird, wenn er das Tier recht naturgetreu abgebildet jieht. Die vorn und hinten vierzehigen Rüffelhündchen (Überjfegung ihres Yateinifchen Gattungsnamens Rhynchocyon Ptrs.) aus Canjibar, Deutjch- Dftafrifa und den benach- barten Landftrichen haben unter den Nüfjelipringern die fürzejten Hinterbeine und den längjten. Rüfjel. Auch durch die geringere Zahl (36) ihrer Zähne jtehen jte hinter deir an- deren zurüc, und zivar vermindert jich Dieje Durch das VBerjchtwinden der oberen Schneide- zähne. Wenn deren leßtes Paar bei jehr alten Tieren ausfällt, jo find jchließlich oben gar feine Vorderzähne mehr da, was jonft nur bei den Huftieren wiederfehrt. Die Be- haaruna it ftarr im Gegenjab zu dem meichen Fell der vorigen Gattung. Der lange Schwanz ift mit Querringen von Schuppen bevect, ziviichen denen eine dünne, furze Behaarung hervorfommt. Der Berliner Mufeumszoolog Peters hat auf Grund jeiner Sammelreije nac) Niogam- bique 1852 dieje Oattung, wie auch die vorige, aufgejtellt und die älteren Arten bejchrieben. Die ältejte, das Geflecdte NRüjjelhündchen, Rhynchocyon ceirnei Pirs., hat auf ihrem braungelben, jchwarz geftrichelten Nücen jechs Längsreihen Fajtanienbrauner Flede, die durch einen Längsitrich verbunden werden, und eine weiße Schwanzjpige. „Lebt an- icheinend paarweije, auf ein Feines Gebiet bejchräntt, an Flußufern im Ddichtejten Gebüjch und bewegt fich langjam wie ein Haje, im trocdnen Laube herumtafjelnd.” Dieje Furze, anjchauliche Lebensbejchreibung von dem trefflichen Böhm, der feine erjte ertragreiche Afrtkareije gleich mit feinem jungen Leben bezahlen mußte, wurde jpäter auf Neichards Nüjfelhündchen, Rh. reichardi Rehw., übertragen, nachdem die von dem überlebenden Reichard mitgebrachten Belegftüde von dem Berliner Mufeumszoologen Neichenow als neu erkannt und bejchrieben worden waren. Noac beftätigte bei feiner Bearbeitung der Böhmjchen Säugetierjanmlungen diee Bejchreibung und hebt bejonders noch die hübjche, bunte, man möchte jagen: wildfalb- oder frifchlingartige Zeichnung hervor, die durch „weihgelbe Flecke‘ entjteht, „Die unter Den drei Streifen jeder Seite fien, von unten in diefelben hineingreifend“. Gefledtes, Rotfehulter-, Dunkles Rüffeldündchen. 398 Bom Betersjchen oder Notfchulterigen Nüjfelhündchen, Rhynchocyon petersi Boe., gibt Bojjeler eine eingehendere Tebensichilderung. „Obwohl Rh. als echtes Tag- und Sonnentier morgens früh munter wird, den größeren Teil de8 Tages trippelnd auf der Suche nach Futter Freuz und quer läuft und da plößlich heftig in der Exde fcharrt und etwas fnadend verzehrt, dort mit einigen von Gra3 oder Blättern abgeledten Tau- oder Negentropfen jeinen Durjt löfcht, läßt er jich in der Gefangenschaft doch auch ver- loden, um einen guten Bijfen ausnahmsmeije aus jeinem warmen, gut zurechtgemachten Lager hervorzuftiechen. Ehbares wird erjt bejchnuppert, dann mit haftigem Nucd, allenfalls mit nach unten gerümmtem Nüfjel und mit den Vorderpfoten ergriffen und haftig ver- zehrt, wenn zu groß, durch Gegenjtemmen der Pfoten zerrijjen und oft jchmaßend zerfaut, der Nüfjel gelegentlich dabei weit nach oben gebogen. Ein falt halb ertwachjenes KRüffel hündchen nahm noch gern Milch mit der Flajche, gemöhnte fich aber allmählich an Snfekten und fieß bei Hunger einen zarten, gezogenen Ton hören. Später gab e3 feinen Laut mehr von jich. Der zierliche, ructweife Gang weicht im Schreden und bei Gefahr blisjchnellen, weiten Sprüngen, wobei deutlich mit dem Schwanze balanciert wird. Sr bujchigem Gras- land war ein rufjiicher Windhund nicht imftande, ein flüchtendes Tier zu erjagen, obaleich e3 lange fein Verjted fand. Die Beine erjcheinen wohl dünn, jind aber jehr Fräftig; die Borderpfoten mit den langen, fcharfen Krallen dienen bei jeder Gelegenheit, auch beim Spiel mit den Fingern des Pilegers, zu hejtig jcharrender Bewegung. Die geijtigen Fähigkeiten der Rüfjelhündchen jind nicht hoch einzufchägen. Sie gewöhnen jich wohl ans Haus, weniger aber an eine bejtimmte Perjfon. Troß falt täglicher Erfahrung vermochte ein 1Y/, Jahr alter, faft ganz im Zimmer großgezogener Pflegling den vorgehaltenen Finger nie auf den eriten Blick von feinem Futter zu unterjcheiden, jondern attadierte ihn in Der gewohnten Weije mit Zähnen und Pfoten, jelbjtverjtändlich den Jrrtum bald erfennend. E3 find offenbar ‚Bezirkstiere‘, die eine gewijje Umgrenzung nicht gern ohne Not über- ichreiten, innerhalb deren fie jich mit allen Einzelheiten der Umgebung durch jtändiges Suchen und Schnüffeln vertraut machen und in der fie auch ihre Zufluchts- und Lager- ltätten haben. Für die Nacht betten jich Gefangene gern in Stroh, Holziwolle oder der- gleichen ein und überdecen jich auch ganz damit. Schon in früher Jugend juchen fie jich dem Griff der Hand zu entwinden und lieben freie Bewegung. Mit Milch, rohem Fleiich, Sr- jeften, Früchten uf. find fie leicht qroß zu ziehen und zu erhalten. Etwa im Dezember dürfte Wurfzeit, ungefähr nach °/,—1l Jahr das Wachstum beendigt jein. m Gebirge zählen fie zu den häufigeren Tieren, ebenjo im Busch der Steppe. Ir 1/, Jahr zeigte mein Gefangener feinen von der Jahreszeit abhängigen Wechjel der Farbe.” Über das ihm zu Ehren von Matjchie Rhynchocyon stuhlmanni Misch. genannte Dunkle Rüfjelhündchen aus dem Slongogebiet an der Weftgrenze Deutjch-Dftafrifas jagt Stuhlmann jelber: „Nach Ungabe der Wambuba lebt diejer Rh. im Urwald an der Wurzel von Bäumen, an deren Rinde er nagen joll. Auch die Wafondjo bei Bufira be- haupten, daß das Tier an Bäumen herumfrage und in hohle Bäume hineinkfrieche. Wahr- icheinfich jucht e3 nach Käfern in der Baumtrinde. Jm Magen wurde ein lehmartiger Bret, aber feine Injeftenrejte gefunden. Der Rh. wird von den Wanjammweji und Wambuba gegejjen. Unter der Schtwanzmwurzel, zwijchen dem After und diejer, befindet jich eine drüt- jige Hautfalte, die einen favden, an ein Schneumon erinnernden Geruch ausjtrömt.” * ID o Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 354 3. Ordnung: Snfektenfreffer. Familie: Spishörnden. Die lete Familie der Infeftenfrefjer jind die Spishüörndhen (Tupaiidae). Wie der deutjche Name andeuten joll, ähneln fie den Eichhörnchen, wenn auch diefe Ähnlichkeit nur eine oberflächliche fein fan. Shr Kopf läuft in eine lange, an der ftumpfen Spibe gewöhnlich nadte Schnauze aus, der Leib ift gejtredt; der Schwanz lang oder jehr lang, bufchig, zweizeilig be- haart; der Velz dicht und weich. hr Oebiß bejteht aus 38—44 Zähnen, unter denen die Eczähne auffallen, weil fie fürzer als die Schneidezähne find; der Schädel ift lang, der Joc)- bogen in der Mitte dDurchbohrt, das Schienbein von dem Wadenbein getrennt. Sn der®irbel- fäule zählt man außer den Halswirbeln 13 rippentragende, 6— 7 rippenloje, 2—3 Kireuz- und 25—26 Schwanzwirbel. Die Augen find groß, die Ohren länglich abgerundet, die Glieder fünfzehig, die Füße nacdtjohlig, die Zehen getrennt imd mit Furzen Sichelfrallen bewaffnet. Das Weibchen hat vier Ziben am Bauche. Eine gewijje Entwidelungshöhe und Weiter- bildung des Infektenfrefjertyps erblict man bei den Spishörnchen in den breitfronigen Baczähnen des Oberfiefers, deren Höcer eine W-Figur bilden, in der gejchlojjenen Fnöcher- nen Augenhöhle, in dem Tagleben auf Bäumen und in der teilweije auch pflanzlichen Nahrung. Die tertiire Gattung Galerix oder Parasorex aus dem Miozän von Deutfchland, Sranfreich und der Schweiz verbindet die Spißhörnchen mit den NRüfjelipringern. Die Spishörnchen bewohnen Hinterindien und den Indischen Archipel. Sie find echte Tagtiere, die ihre Näubereien im Angejichte der Sonne ausführen. Sie freifen aber, wie jehon gejagt, nicht nur Infekten, fondern auch Früchte und fuchen ihre Nahrung gewöhnlich auf den Bäumen, gelegentlich aber auch auf der Erde. Beim Frejien jeßen fie jich oft auf die Hinterbeine und halten die Beute mit den Vorderpfoten feit nach Art der Eichhörnchen. Auch ihr leid und ihre Bewegungen ähneln denen der Eichhörnchen, und die Eingeborenen ihrer Heimat haben für fie und die Eichhörnchen nur eine Benennung. Lhdeffer hält Dieje Ähnlichkeit für eine richtige Mimifcy und fieht eine Entftehungsmöglichkeit für eine folche darin, daß es einem langjameren Tiere von Nuben fein fann, dem jo äußerft flinfen Eich- hörnchen ähnlich zu jehen und Dadurch vor Verfolgung ficher zu fein, weil dieje beim Eich- hörnchen Doch nicht zum Ziele führen würde. Nun gibt e3 aber auf Sumatra und Borneo ein merfwürdiges Eleines Eichhörnchen, das wieder ein Spibhörnchen nachzuahmen jcheint und jo das Beijpiel einer umgekehrten Mimikry fiefert. „Diejer Yager”, jagt Blyth, „gleicht Tupaia ferruginea nicht nun in der Größe, Bejchaffenheit und Farbe des Pelzes, fondern jogar die Schnauze ijt ähnlich verlängert, und auch der blafje Schulterftreifen ift da, den Die Gattung Tupaia gewöhnlich hat.” Was diefe umgekehrte Wimifry dem Eichhörnchen nuben jolf, ift allerdings nicht ohne weiteres einzufehen, wenn die Spishörnchen nicht etwa einen unangenehmen Geruch ausjtrömen, der im Gedächtnis ihrer Feinde an ihrer Erjcheinung haftet und dieje Feinde dadurch abhält, fo oder ähnlich ausjehende Tiere anzugreifen. Allein die ganze Erklärung der erjtaunlichen Tatfache der Mimifry auf Grund der Auswahl im Kanıpfe ums Dafein ift ja neuerdings mwanfend geworden, und auch ein Fall, wie der unjere, fann wohl die andere Auffafjung ftügen, die die Mimikry mehr für eine Wirkung gleicher Umgebung und Lebensumftände halten möchte. Unjere Abbildung macht uns mit einer der größten Arten der Familie, der Tana, Tupaia tana Raffl., befannt. Die Mitglieder der Gattung, der fie zugehört, Tennzeichnen jich Durch bufchigen, zweizeilig behaarten Schwanz, große vorfpringende Augen, mäßig große, abgerundete Ohren, das aus 38 Zähnen beftehende Gebiß und einen die Augenhöhlen hinten abjhliegenden dünnen Anochenring. Die Tana hat vor den Übrigen außer ihrer Tana. 398 Größe noch den langen Schwanz voraus und trägt ein Dunfelbraunes, ins Schwarze ziehendes Fell, das auf den Unterjeiten einen rötlichen Anflug zeigt und am Ktopfe und an der Schnauze mit Grau gemijcht erjcheint. Die Kehle ijt rötlichgrau; der Hinterkopf hat eine graue Duerbinde; auf dem Rüden verläuft ein dunfelbrauner Längsitreifen. Die einzelnen Haare des Nüdens jind grau und Dunfelbraun geringelt. Die Färbung ändert indejjen mannigfaltig ab, und zwar, wie e3 fcheint, ziemlich übereinitimmend nach dem Berbreitungsgebiete, bis zu hellbraun und rojtbraun, was zur Aufitellung von Unterarten Tana, Tupaia tana Raffı. 1/2 natürlider Größe. geführt hat. Sn der Größe fommt die Tana unferm Eichhörnchen am nächiten; ihre Leibes- länge beträgt nicht ganz 20 cm, die des Schtwanzes ebenjoviel. Wenn man die 28 Urten und Unterarten bei Trouejjart zufammenfaßt, ift der Ber- breitungsfreis unfers Tieres groß. Er erjtredt fich iiber Borneo, Java und Sumatra, nac) Blanford auch die Malatiiche Halbinjel nebjt Burma bis Ajfam, nad) Jerdon felbjt noc) über die jünlichen Hänge des Himalaja bis Nepal, und zwar in Höhen von 1000— 2000 m. Stoliczfa erhielt ein Stüd fogar auf dem Prepariseiland, nördlich von den Andamanen. Über die Lebensweife der Tana tiffen mir nicht viel. Sie ift ein behendes, munteres Tier, wenn auch nicht ganz jo rajch wie unjer Eichhörnchen, verjteht ihre langen, gebogenen Nägel vortrefflich zu benugen und Elettert fajt mit der Gemandtheit der Affen. Ihre Nahrung beiteht aus Anjeften und Früchten, die jte ebenfowohl im Gezmweige iwie auf den Boden zufammenjucht. Die Tana wird in ausgedehnten Wäldern gefunden wie in Bambus- bejtänden und Bujchwäldchen und in Bäumen bei den Anlievelungen; in Burma lebt fie, laut 23* 356 3. Ordnung: Infeltenfrefjer. Familie: Spishörnden. Mafon und MeMafter, fogar in Häufern. Tanas jind, nac) Blanford, leicht zu zähmen, iind aber auch fonft jchon ganz zutraufich, da fie manchmal freitoillig in Wohnungen fommen und dort fich nehmen, was ihnen qut dünft. Unjer Gewährsmann führt auch, nach Kantor, an, daß die Tanas ihre Nahrung etwa wie unjere Eichhörnchen verzehren und fich da- nach ebenjo wie dieje pußen, ferner auch das Wajjer lieben, zum Trinfen wie zum Baden. Sie follen ferner jehr fampfluftig jein und alle ihresgleichen, die in ihr eignes Gebiet ein- dringen, eifrig anfallen und verjagen. Das oben jchon genannte Malaten-Spibhörnchen, Tupaia ferruginea Raffl., ift eine Fleinere Art mit jehr weiter geographijcher Verbreitung von Alam und dem öftlichen Himalaja, an dem es bis ca. 2000 m in die Höhe geht, bi Burma und zu den Sunda-Sinjeln. General MMafter nennt es ein harmlofes Tierchen, das in der trodnen Jahreszeit auf Bäumen lebt, mit dem Wonfun aber in die Häufer fommt und dort mit unverjschämter Bertrautheit den Plab einnimmt, den in Indien jonjt das gewöhnliche Balmeichhorn hält; es ijt übrigens, wahrjcheinlich wegen feines Nattenfopfes und Spitbubengejichtes, jehr unbeliebt. „Sch Fan“, fügt er hinzu, „Serdons Behauptung von jeiner aufßer- ordentlichen Beweglichkeit nicht unterjchreiben. Denn e3 fcheint mir nicht annähernd jo feb- haft zu jein wie die Eichhörnchen; wenigitens erinnere ich mich, daß einer meiner Terriers zweimal eins griff — ein Kunftjtüc, was ich einen Hund mit einem Eichhörnchen niemals habe machen jehen. SKaßen fangen fie übrigens oft.” Mafon erzählt, daß eines in einem Mangobaume bei jeinem Haufe Wohnung nahm und aus freien Stüden jo zahm wurde wie eine Kate. Manchmal mubte man es aus einem Bette treiben, und e3 war jehr erpicht darauf, gleich nach dem Frühftüd die Naje in die Tafjen zu fteden; es hatte an Tee und Staffee Gejchmad gewonnen. Dieje Bertrautheit Diejes Spikhörnchens und die Leichtig- feit, mit der e3 gezähmt werden fan, heben alle Berichterjtatter hervor. Im Wejen wird es als äußert jtreitbar bejchrieben: eines Fämpft wütend mit dem andern, wenn man fie zujammen in einen Käfig jperrt. Der gewöhnliche Auf ift ein Furzer, eigentümlicher, zitternder, zwitjchernder Laut, der jich aber im Zorn zu fchrill Hervorgeftoßenem Schreien wandelt. — Eine verwandte Art ift ebenfalls gezähmt worden und hat fi) an Milch und Brot gewöhnt, war jedoch jtetsS unruhig und belferte jeden an, der ihr in den Weg trat. Den größeren Teil des Futters juchte jte fich jelbit, und da fie frei im Haufe Herumlaufen durste, hatte fie e$ bald von allen Injekten gereinigt. Spishörnchen lebend na Europa überzuführen, hat man bis jeßt nur felten verjucht; allerdings dürften auch außer etwa einem zoologischen Garten feine Abnehmer fir das unjcheinbare Tierchen jich finden. Auf dem Tiermarkt fommt es nur ganz ausnahmsweije vor; im Berliner Zoologijchen Garten ijt e8 vor Jahren einmal gewejen. Über die Fortpflanzung ift ehr wenig befannt. Das Weibchen foll, na) Blanford, gewöhnlich nur ein Junges auf einen Wurf zur Welt bringen. Das Hederihmwänzige Spighörnchen oder der Pfeilfhwanz, wie man es fürzer nennen fönnte, Ptilocercus lowi Gray, verdankt dem ziveizeilig, „wie der Federjchaft eines "Pfeiles, behaarten Enddrittel feines Schwanzes” die Erhebung zır einer eignen Gattung und den Gattungsnamen. Die anderen zwei Drittel des Schtwanzes find nadt. Yom Nafen- loch, zum Auge und um diejes herum verläuft ein dunkler Streif über das gelbliche Geficht de3 jonft oben fchroärzlichhraumen Tierchens. Die Schtwanzfeder ift größtenteils weif,. Das erjte Exemplar fing der Entdeder Lot in Sarawak auf Borneo; heute fennt man hörnchen. it iges Sp Sederichwänz nz - P% Malaien- und Federfhmwanz-Spishörnden. 397 das Tier aber auc, aus Banka und Nordoft-Sumatra. Auf Sumatra hat eg 1897—99 in Unter-Bangfat zuerjt Schneider-Bajel gefammelt und beobachtet, während bis dahin aus Su- matra bloß ein Sfelett befannt war. Schneider berichtet darüber: „Die Eingeborenen kannten diejes Tierchen nicht und nannten e8 auf mein Fragen einfach Tifus-Kaju = Baummaus. Das Männchen diejes Federichtwänzigen Spishörnchens wurde mir lebend durch einen in der Rähe mit Waldjchlagen bejchäftigten Battafer überbracht. Daraufhin eilte ich dann fogleich mit dem Mann an Ort und Stelle, wo er e3 gefangen hatte, in der Hoffnung, vielleicht noch das Weibchen zu erlangen, und meine Freude war unbefchreiblich, al3 ich nach einer Bierteljtunde das Glüd hatte, das Weibchen in der Krone des am Boden liegenden Baum- tiefen zwoijchen den Schmarogerpflanzen, die er in Menge aufivies, zu entdeden und dann mit Hilfe der Holzfäller zu fangen. ch fieß nun das Pärchen einige Stunden am Leben, um e3 zu beobachten. Den langen Federjchwang trugen fie Hängend oder leicht aus- gejtreckt, dabei bewegten jie ihn bejtändig wie den Perpendifel einer Uhr hin und her. &3 fam mir vor, al3 ob fie den Schwanz als Taftorgan benußten. Somie ich mit dem Finger nur leicht die Schwanzhaare der Quajte berührte, wichen jie zurücd; fie ließen jich aber ruhig anfaljen und ftreicheln, ohne daß jie den Berfuch zum Beifen machten. Baumfrüchte, die ich ihnen vorhielt, bejchnüffelten jte; Doch fraßen fie nichts davon. Da ich fürchtete, dieje interejjanten und jeltenen Tierchen könnten mir in der Nacht durch einen Zufall ent- fommen, jo tötete ich jie am Abend.”... Auch durch fie, wie durch die ganzen Sammel- ergebnifje Schneiders von Sumatra, wird die große Übereinftimmung mit der Säugetier- fauna von Borneo und Hinterindien aufs neue Dofumentiert und der Uusjpruch des Leidener Mujeumszoologen Jentink: „Je mehr unjere Kenntnis jich vermehrt, dejto mehr fomımt Gleichheit der Borneo- und Sumatrafauna zum Vorjchein”, bejtätigt. Wie jo viele Säugetiere der Drientaliichen Region, hatte auch die Familie der Spib- hörnchen während der mittleren Tertiärzeit, al in Europa tropifche Wärme und Vegetation herrjchten, hier ihre Vertreter in jpäter ausgeftorbenen Gattungen. Deren eine (Lantano- therium) war jehr nahe verwandt mit den lebenden Spißhörnchen, die andere (Galerix oder Parasorex) verbindet Ddieje, wie jchon erwähnt, mit den NRüfjelipringern. Über die Borgefchichte der Snfektenfrejfer im allgemeinen mußte jorwohl in der Einleitung zu den Säugetieren als jolchen als in der zu den heutigen Snjektenfrejjern und bei den einzelnen Yamilten jchon das meiste gejagt werden. Hter fer deshalb nur noch- mals hervorgehoben, daß man aus triftigen Gründen den Snjektenfrejjer nächit und neben dem Beuteltier für die erdgejchichtlich ältefte und im Leibesbau urjprünglichjte, niedrigft- Itehende Säugetierform hält. Schon die ganze äußere Erjcheinung weilt unztweideutig Darauf hin, nachdem heute die Grundanjchauung allgemein angenommen ift, daß wir ung die ältejten Säugetiere in der Stammesgejchichte als Heine, furzbeinige und langjchwänzige Warm- blüter zu denken haben, die eben Durch Dieje Ktörpergeftaltung noch an die Kaltblüter erinnern. Der Körper hat jich noch nicht vollftändig auf die vier Beine erhoben, und der Schwanz wirft bei der Ortsbeiwequng noch mit. Aus diejen Urinjektenfrejfern gingen dann einerjeits die lebenden Snjektenfrejjer neben den Belzflatterern und “Fledermäufen hervor, anderjeits die Halbaffen und die Vorläufer der heutigen Naubtiere, die Creodonta. * Weder Halbaffen noch Fledermäuje noch Kerfjäger, aber mit Merfmalen aller ver- jehen, haben die PBelzflatterer, Vertreter einer einzigen Familie (Galeopitheeidae) und 398 3. Ordnung: Snfektenfreffer. Familie: Belzflatterer. einzigen Gattung (Galeopithecus Pall.), ven Forjchern von jeher viel Kopfzerbrechen gemacht. Sinne ftellte jie zu den Halbaffen, Cupier zu den levdermäufen, Geoffroy zu den Naub- tieren, Ofen zu den Beuteltieren und Peters endlich zu den Snjektenfrejjern, deren Neihe fie hier bejchließen mögen. Strenggenommen, gehört die Gattung auch hier nicht her; denn nach Zeches Unterjuchungen muß jie eine bejondere Ordnung bilden und zeigt uns, tie wir uns die Weiterbildung des Snjektenfrejjers zur Fledermaus zu denken haben. Sie jteht tiefer al3 alle genannten mit ihr verwandten Ordnungen. In Trouefjarts Säugetierfatalog bildet jie innerhalb der Ordnung Insectivora eine bejondere Unterordnung, Dermoptera, der die eigentlichen Snjektenfrejjer als zweite Unterordnung Insectivora vera gegenüber- gejtellt werden. Weber, der die Belzflatterer in einer bejonderen Ordnung abhandelt, be- zeichnet als deren aufjälligites Merkmal den Fallfchtrm, der in feiner Ausbildung allerdings alles Ähnliche bei Beutlern und Nagern übertrifft, grundfäßlich aber dasjelbe, ein behaartes Schwebeorgan, bleibt und jich daher auch geundfäßlich von der nadten Flughaut der Fleder- mäufe, einem wirklichen Flugorgan, unterjcheidet. Diefe Schwebehaut oder Yallfchirmhaut (Patagium), die jchon am Halje beginnt, Hüllt die fünf- fingerigen Gliedmaßen bis zu den Krallen foiwie den furzen Schwanz ein, ver bei allen übrigen ähnlich begabten Säugern — abgejehen von den Flever- mäufen — bufchig aus der Flughaut hexvorragt. Während die Flughaut der ‚ledermäuje haarlos oder nur dünn behaart, die der übrigen Säuger ganz behaart tft, fehlt bei Galeopithecus das weiche, marmorxierte, feidenglänzende ae Haar de3 übrigen Körpers nur ziwißchen den Zehen und am Rande des sheons volans Kalffiehirms. Die gleichartigen Haare find unregelmäßig verbreitet und Aug Bronn, „Die = ; & Klaffen und Ord- brechen offenbar erjt jpät Durch, da ein neugeborenes Junge von 15,5 cm sen Länge in der Hauptjache noch nact erjcheint. (Weber.) Die Belzflatterer jind fagengroße Tiere von fchlanfeım Leibesbau. Shre fünf gehen haben zurüciehbare Strallennägel und feinen der übrigen Hand entgegenfegbaren Daumen. Der Kopf ift verhältnismäßig flein, die Schnauze fehr verlängert, die Nugen jind mäßig groß, die behaarten Ohren fein. Das Gebiß fällt bejonders auf wegen der fammartig gezadten, in S—10 Spiben ausgehenden, nach vorn geneigten unteren jowie der gelappten Kronen der oberen Schneidezähne. 3 fteht, nach Khdeffer, einzig da — nicht nur unter den Säugetieren, fondern unter den bezahnnten Tieren überhaupt — durch dieje „Kammform” der unteren Schnetdezähne (IIbb.), die man natürlich zu der angeblich aus Blättern und Früchten bejtehenden Nahrung in Beziehung bringen möchte. Wenn man von der Ernährungsweije de3 Belzflatterer3 und feiner Art zu freffen nur mehr wüßte! Zum Zerfchaben von Blättern und Früchten fönnen die Kammzähne ja jehr geeignet erfcheinen, und auch beim Reinigen des Felles mögen fie gute Dienste tun; doch dürfen wir diefem leßteren Ziwed wohl faum geftaltende Kraft genug zufchreiben, um eine fo eigenartige Bildung zu erklären. Exjte An- deutungen diejer Zinfenbildung finden fich, nac Weber, übrigens auch anderwärts hier und da in Form einzelner Zaden auf der Srone der Schneidezähne: Beddard nennt die „Kamm- zähne” eine Übertreibung defjen, was fchon bei Rhynchocyon und Petrodromus zu finden it, und fügt hinzu, derfelbe Zahnbau, nur nicht fo hochenttoicelt, fennzeichne noch gewifje Sledermäufe. Nach Zeche zeigt ich der Beginn derfelben Sache bei den Spighörnchen und gemwiljen Halbaffen, und bei leßteren Fehrt auch die faft wagerechte Lage der im ganzen Ihaufelförmigen, im einzelnen aus 7—12 Zinfen beftehenden Kammzähne wieder. Eine zweite, ebenfalls einzig unter den lebenden Säugetieren daftehende Gebifeigentümlichkeit Kaguang. 399 it, daß das Äußere der beiden oberen Schneidezahnpaare und der obere Edzahn, der den Schneidezähnen jehr ähnlich jieht, mit zwei getrennten Wurzeln im Sliefer fiben. Das fommt jonft nur bei den Edzähnen der Maulwürfe und Sgel wieder vor, bei Schneidezähnen überhaupt nicht, und als eine vorbereitende Stufe unter den Beuteltieren fann e3 gelten, wenn bei ven Beuteldachjen (Gattung Perameles) die Wurzel des Ecfzahnes gefurcht ift. Der Schävel ift geftreckt, Hinten flach und breit, im Schnauzenteile jehr verfchmächtigt, der Sochbogen vollitändig. Der Bau des Baufenbeines bedeutet eine Annäherung an die Höheren ©äuger, da e3 einerjeitS zu einer Gehörblafe, anderjeit3 zu einem Fnöchernen äußern Gehör- gang auswächit. Den Hammer vergleicht Doran mit dem der Macroscelididae, den Amboß aber mit dem bon Tupaia, beide demnach mit denjenigen Snfektenfreiferfamilien, die auch in anderer Hinficht Beziehungen zu Galeopithecus verraten, wenn auch entferntere! (Weber.) Die Unterjchenfelfnochen find getrennt; das Ellbogenbein läuft, wie das Wadenbein, nad) unten fadenförmig aus. Nach Weber beeinflußt das Borhandenfein des Fallichirmes die Bordergliedmaßen, indem der Unterarm den Oberarm an Länge bedeutend übertrifft. Von ven beiden Unterarmfnochen wird die Elle nicht vollftändig ausgebildet und verjchmilzt mit der Speiche. Bon Fingern und Zehen ift — ebenfalls im Zufammenhang mit der Fall- jhiemhaut — die fünfte die ftärkfte und längjte, und die vierte fommt ihr in diefer Be- ztehung am nächjten. Alle können fehr gefpreizt werden, wodurch die Haut zwischen ihnen gejpannt wird. Ebenjo jind alle ftarf befrallt, und die Flughaut dehnt fich zwifchen ihnen bi5 zu den Krallen aus. Die Muskulatur der Schirmhaut ift zunächlt eine Differenzierung der Hautmusfulatur; daneben aber jpaltet der breite Rüdenmusfel einen ft ab, der mwenigjtens teilmetje als Muskel der Seitenjchirmhaut auftritt. Umpfangreichere Dritjenförper, die bei den Snjektenfrejjern eine große Rolle fpielen, auch Afterdrüfen, fehlen. Hiten jind nur zwei Paar bruft- oder beinahe achjelitändige borhanden. Am Gehirn ift zwar die Ausdehnung der großen Halbfugeln noch jo gering, daß jte die Bierhügel unbededt lajjen, aber jie Haben doch zwei Yängs- und eine quere Streuzfurche. Ein großer Kiechlappen zeigt Die Bedeutung Diejes Sinnes an. Wie bei Tupaia, ift auch bei Galeopithecus eine Andeutung der für die Halbafjen fenn- zeichnenden „Unterzunge” zu erfennen. Der Magen ift mehr jpeztalijiert als bei den njekten- frefjern, fein Endteil zu einer engen Röhre ausgezogen; ein Blinddarm ift vorhanden, und eine Bejonderheit befteht, nach Beddard, darin, daß der Dieldarmı länger tft als der Dünn- darm. Ulfes ficher Unterjchiede, die mit der Pflanzennahrung zufammenhängen! Der Kaguang, Flattermafi, Kubin der Malaten, in der englijchen Naturgejchichte Eobego genannt (jedenfalls auch urjprünglich ein eingeborener Name), Galeopithecus vo- lans Zinn., erreicht eine Öejamtlänge von 60cm, wodon 11—12 cm auf den Schwanz fommen, und trägt auf dem Rüden ein dichtes, an den Vorderarmen ein Spärliches Haarkleid, während die Achjelgegend wie die Xeibesjeiten nadt find. Obexfeits ijt er brauntot, unterjeits etwas düfterer, in der Jugend oben bräunlichgrau, an den Seiten dunfelbraun gefärbt, in jedem Ylter aber auf den Gliedmaßen und der Flatterhaut licht geflecdt. Das Verbreitungsgebiet de3 Kaguangs erjtredt fich, die Arteinheit der verjchtedenen Formen angenommen, über die Sunda-Snfeln, Moluffen und Philippinen und über die Malatiiche Halbinfel bis nach Tenafferim. Die Philippinenform wird jeßt als Spezies anerfannt (G. philippinensis Waterh.) und von Trouefjart felbjtändig aufgeführt. 360 3. Didnung: Snjeftenfrejjer. Familie: Belzflatterer. Abgefehen von Bontius, der vielleicht des Kaguangs gedenkt, Haben mehrere Neijende feiner erwähnt; fein einziger aber hat, foweit mir befannt, eine eingehende Schilderung Des Tieres geliefert. Vieles, was man von ihm erzählt, bezieht fich unzweifelhaft auf Flughunde; andere Angaben find fo dürftig, daß fie ohne Nachteil vermißt werden könnten. Exit Jung- Huhn berichtet gehaltvoll. „Nur ein Gefreijch hörten toir, aber einen jo abjonderlichen, jo ängjtlichen Laut, da roir das Gejchrei eines Kindes oder das Ächzen eines Verunglüdten zu vernehmen glaubten. Schauerlich und Häßlich zugleich erjcholl e3 von Zeit zu Zeit durch die jtilfe Nacht, und näher rüdten die Haranen an den Feuern zufammen: Gejpenfterfurcht machte ihr früher fröhliches Gefpräch verjtummen. Doch bald Löfte jic) das Geheimnis: der Geift oder Verunglüdte, dejjen Stimme entfernten, ängftlichem Schreien glich, ftellte fich Staguang, Galeopitheeus volans Linn. 1s natürlider Größe. fichtbar den Bliclen dar und fchwebte langjam über unjeren Häuptern dahin. ES war ein PBelzflatterer, der, von einem Baume zum andern fliegend, von Zeit zu Zeit jenen wmiver- wärtig Freiichenden Laut zu hören gab.“ Am Tage fibt der Pelzflatterer, der einfam in den hohen Gebirgsmwäldern lebt, auf den Äften der Bäume zmwifchen den Moospolftern fo ftill, daß es faft unmöglich wird, ihn zu entdeden. Seine fcharfen Krallen befähigen ihn zu gewandtem und ficherem Stlettern, während er auf dem Boden mühjam und fchwerfällig dahinkriecht. Er fteigt aufwärts, bis er den Wipfel eines Baumes erklommen hat, und fchwebt fodann jchief nach einer andern Baumfeone herab; er erinnert dann, wie dv. Rojenberg jagt, an einen Bapterdrachen. Aäh- rend er geht oder Hlettert, ift jeine Flatterhaut leicht zufammengefaltet und an den Leib ge- legt, hindert alfo die Bewegung nicht; wenn er fich des Fallfchirmes bedienen will, läuft er auf eine Aftjpige hinaus, fpringt von dort mit einem Fräftigen Sabe ab, ftrect in der Luft alle Glieder von fich und fchwebt num langjam, fchief von oben nach unten. Niemals er- hebt ex jich über die Höhe, aus der er feinen Sprung begann. „Einmal“, erzählt Wallace, „ah ich auf Sumatra in der Dämmerung einen PBelzflatterer an einem Stamme hinauj- rennen und Dann quer Durch die Luft nach einem andern Baume gleiten. Hier fam er nahe am Boden an, um fogleich wieder emporzufteigen. Sch maß die Entfernung bon einem Kaguang. Philippinen-Cobego. 361 Baume zum andern mit Schritten ab und fand, daß das Tier aus einer Höhe von höchftens 14 m gegen 70 m weit gejprungen war. Hieraus geht hervor, dat es die Fähigfeit Haben muß, jich in der Luft jelbjtändig zu bewegen, mweil es jonft wenig Ausficht haben würde, genau an dem Stamme herabzufommen. &3 ijt chwerfällig in feinen Bewegungen, wenig- jtens bei Tage; denn e3 geht in furzen Säben an den Bäumen hinauf und hält dazwifchen immer einen YAugenblid inne, als ob es ausruhen wolle.” Während des Tages hängt es, nach Angabe diejes Forjchers, an den Baumftänmmen, hauptjächlich gejchügt durch fein Fell, das mit jeinen unregelmäßigen weißlichen Punkten und Fleden auf olivenfarbenem oder braunem Grunde genau der Färbung der gejprenfelten Jinde gleicht. „Man jagt”, bemerft Wallace noch, „daß der Pelzflatterer nur ein Junges zur Welt bringe, und meine eignen Beobachtungen beftätigen dies; denn einmal jchoß ich ein Weibchen mit einem fehr Heinen, zarten, nadten, gerungelten und blinden Wejen, das an feiner Bruft hing und an junge Deuteltiere erinnerte.” Horzfield gibt an, daß der Cobego außer Blättern auch Früchte frejje, und zwar in unreifem YZuftande, Darunter junge Kafaonitjje. Sagor erhielt auf Samar (Philippinen), wo Belzflatterer nicht felten find, ein lebendes Weibchen mit feinem ungen. „E3 jchien ein harmlojes, ungejchietes Tier. AS es von jeinen Fejjeln befreit war, blieb e8 am Boden liegen, alle vier Glieder von ich gejtreckt, die Erde mit dem Bauche berührend, und Hüpfte dann mit kurzen, jchwerfälligen Sprüngen, ohne fich Dabei emporzurichten, nach der nächiten Wand, die aus gehobelten Brettern be- jtand. Dort angelommen, tajtete e3 lange mit den einmwärts gebogenen fcharfen Krallen jeiner Vorderhände umber, bis ihm endlich die Unmöglichkeit, an jener Stelle empor- zuflettern, Far geworden war. Gelang es ihm, in einer Ecke oder mit Benubung einer ge- legentlichen Spalte einige Fuß aufwärts zu Himmen, jo fiel e3 al3bald wieder herab, weil es die verhältnismäßig jichere Stellung feiner Hintergliever aufgab, bevor die Strallen der borderen fejten Halt gefunden hatten; e3 nahın aber feinen Schaden, da die Sähe des Falles durch die jchnell ausgejpannte Flughaut gebrochen wurde. Wäre der Slaquang nicht ge- wöhnt, jich jo ganz und gar auf dieje bequeme Borrichtung zu verlajjen, jo hätte er wohl jeinen Berjtand mehr gebrauchen, feine Sträfte richtiger beurteilen gelernt. Das Tier hatte jeine fruchtlojen Verjuche jo oft wiederholt, daß ich e3 nicht weiter beachtete, — nach einiger Zeit war e3 verichwunden. Sch fand es in einem dunfeln Winkel unter dem Dache wieder, mo e3 wahrjcheinlich die Nacht erwarten wollte, um jeine Flucht fortzujeben. Offenbar war es ihm gelungen, den obern Nand der Bretterwand zu erreichen und ziwijchen diejer und der jejt aufliegenden elaftiichen Dede aus Bambusgeflecht feinen Störper Durchzugwängen.” Über den ettvas Hleineren Philippinen-Cobego haben wir eine furze Schilderung von Mojeley in feinem „Naturalist on the Challenger“. Miojeley wurde auf Bajtlan von einem eingeborenen Führer an einen befondern Dit geleitet, two er einige Exemplare jchtegen jollte. Dort ftanden einige wenige Bäume vereinzelt, die beim Abholzen nicht gefällt worden waren. Auf einem von diejen jah man nach vielem Suchen einen Staguang auf der Schattenjeite eines jtarfen Ajtes hängen. Er war fehr leicht zu jehen, viel leichter, als Mojeley erwartet hatte. Er bewegte jich auf dem Baume in jchleppender, rucdiweijer Gangart, indem er fich offenbar durch eine Reihe kurzer Sprünge vorwärts jchob. Da er nicht geneigt jchien, einen Schwebeiprung zu machen, jo jchoß ihn Mojeley herunter. E&3 war ein Weibchen mit einem Jungen, das ihm an der Bruft ding. Der Baum war wenigjtens 40 Yards (über 36 m) ent> fernt von den anderen: dieje Strede aljo mußte das Tier, das nicht auf der Erde läuft, gejchwebt fein, um ihn zu erreichen. Mofjeley verjtand jeinen Führer dahin, daß Mengen 362 3. Ordnung: Snfeltenfrejjer. Yamilie: Belzflatterer. diefer Tiere gefangen werden, wenn Bäume beim Abholzen gejchlagen werden. Befonders häufig find fie auf der Infel Bojol nördlich von Mindanao; ihre Felle werden in dem nahegelegenen Cebu zu 5 Dollar da3 Dubend verkauft. Hierauf bejchränft fich unfere Kenntnis über dag Leben des Pelzflattererz, und ich Habe nur noch zu erwähnen, dat die Eingeborenen dem Tiere nicht allein wegen jeine3 fiir euro- päifche Zungen mwiderlichen Fletjches, jondern auch, und Hauptjächlich, wegen feines Tselles nachftellen, das dem Pelze der Chinchilla an Feinheit und Weiche faum nachjteht und als Pelzmwerk jehr gejucht tft. Fojjile Verwandte des Pelzflatterer3 fennen toir nicht, und über feine VBorgejchichte haben wir daher nichts Weiteres al3 nur Vermutungen, wie jte uns der Bau des Tieres an die Hand gibt. Als tirkliches Übergangsalied in der Kette zwifchen Snfektenfreifern und Fledermäufen dürfen wir es nicht anjehen, jchon wegen der Pflanzennahrung; denn die infeftenfreffenden Fledermäufe find offenbar die älteren Formen und ftammen unmittelbar bon echten Snfeftenfreifern ab. Aber der Pelzflatterer fan wohl als alleinjtehender Ver- treter eines Seitenzweiges gelten, der zivar bis zu einem gemwijjen Grade eine Fledermaus bortäufcht, aber doch niemals die Urjprungsform wirklicher Flugtiere fein fonnte. Mit der Verlängerung der Finger bei der Fledermaus ift nämlich eine Schwächung derjelben ber- bunden und namentlich auch eine Rüdbildung der Krallen, diefer für Klettertiere jo mwich- tigen Organe, die gerade beim Pelzflatterer äußerjt Fräftig und Scharf gefrümmt find. Nach den genauen Unterfuchungen von Zeche und Winge nehmen wir Daher lieber einen Urjprung bon entlegenen, alten Snjeftenfrefjern an, und zwar aus dem Zweige, two auch die Rüfjel- Ipringer und Spishörnchen herjtammen. Namentlich) mit den Spishörncdhen müljen die unmittelbaren Vorfahren der Belzflatterer einen engern Zufammenhang gehabt haben. Vierte Ordnung: slattertiere (Chiroptera). Die Flattertiere oder in genauer Überjebung ihres mwilfenfchaftlichen Namens: Handflügler, würde man ohne weiteres mit den Snjektenfrefjern in einer Ordnung ber- einigen, wenn fie nicht eine wejentlich in den Körperbau eingreifende, eigenartige Fähigkeit bejäßen, fraft deren fie in der ganzen Säugetierflajje einzig datehen: den Flug. Ja, die tedermäufe fünnen fliegen, daran läßt fich nicht rütteln: nehmen e3 doch gar manche von ihnen mit der gewandteiten Schwalbe und dem rajcheiten Raubvogel auf! Noch ehe bei uns an jchönen Sommertagen die Sonne zur Nüfte gegangen ijt, beginnen die Angehörigen diefer Ordnung ihr eigentümliches Leben. Aus Riten, Höhlen und Löchern hervor friecht die düftere Schar der Fledermäufe, die fich bei Tage Fichtjcheu zurüdgezogen hatte, und rüftet fich zu ihrem nächtlichen Fluge. Je mehr die Dämmerung hereinbricht, um jo größer wird die Anzahl diefer dunfeln Gejellen, bis mit eintretender Nacht alle munter geworden find und nun in den Lüften ihr Wefen treiben. Unjer Baterland liegt indejjen an der Grenze des Verbreitungskreijes der TFlattertiere und beherbergt bloß noch Eleine, zarte, Ihmwächliche Arten. Jim Süden ijt e8 anders. Se mehr wir ung dem heigen Erdgürtel nähern, um jo mehr nimmt die Anzahl der Tlattertiere zu und mit der Anzahl auch der Wechjel und Reichtum der Geitalten. Der Süden it die Heimat der Mehrzahl der Flattertiere. Schon in Stalien, Griechenland und Spanien bemerfen wir eine auffallend große Zahl von Fledermäufen. Wenn dort der Abend naht, fom=- men jie nicht zu Hunderten, fondern zu Taufenden aus ihren Schlupfwinfeln Herborgefrochen und erfüllen die Zuft mit ihrem Gewimmel. Aus jedem Haufe, aus jedem alten Gemäuter, aus jeder Feljenhöhle flattern jte heraus, als ob ein großes Heer feinen Auszug halten wolle, und jchon während der Dämmerung ift der ganze Gejichtsfreis buchjtäblich erfüllt von ihnen. Wahrhaft überrafchend erjcheint die Menge der Flattertiere, die man in heigen Ländern be- merft. &3 ijt äußert anziehend und unterhaltend, einen Abend vor den Toren einer größeren Stadt des Morgenlandes zuzubringen. Die Schwärme der Fledermäuse, die der Abend dort erweckt, verdunfeln buchftäblich die Luft. Überall febt e3 und betvegt es fich, zwifchen den Bäumen der Gärten, der Hatne oder Wälder fchwirrt e3 dahin, über die Felder flattert es in geringer oder bedeutender Höhe, durch die Strafen der Stadt, die Höfe und Zimmer geht der bewegliche Zug. Hunderte fommen, und Hunderte verjchwinden. Man ift bejtändig von einer jchwebenden Schar umtingt. Ganz ebenjo ijt es in Dftindien, nicht viel anders im Süden Amerikas. „Die Menge der Fledermäufe”, bemerkt Tennent, „it ein Zubehör der abendlichen Landichaft auf Ceylon. 364 4. Ordnung: Flattertiere. Maffenhaft finden fie fich in jeder Höhle, in jedem unterixdifchen Gange, in den Unterfüh- rungen der Hochftraßen, in den Galerien der Feitungen, unter den Dächern der Häufer, in den Ruinen jedes Tempels und Baumerfes überhaupt. Mit Sonnenuntergang verlafjfen jie ihre Tagfchlupfwinfel, um auf ihre Sterbtierjagd auszugehen, und fobald die Nacht ein- tritt und die Lichter in den Zimmern Nachtjchmetterlinge anziehen, erjcheinen fie, ums Hlattern die Abendtafel und nehmen beim Scheine der Yampen ihre Beute weg.” In Mittel- und Südamerifa leben fie überall und treten ebenjo zahlreich an Arten wie an Stüden auf. „Sie bevölfern”, jagt der Prinz von Wied, „vie Dämmerung der Urwälder, der Gebüjche, leben in hohlen Bäumen, in Feljfen und richten unter den zahllofen Kterbtieren große Ber- heerungen an. Neijende, die nur jchnell jene Länder durchitreifen, fünnen jich faum einen Gerippe einer Fledermaus in aufrehter Haltung. Zeigt die ungeheure Verlängerung des Unterarmes, des dritten, vierten und fünften Fingers. Begriff machen von der Mannigfaltigfeit diejer Tiere, deren Auffindung und Unterfuchung mit jo vielen Schwierigkeiten verfnüpft ift.” Wenn man bei Tage durch die Waldungen geht, treibt man, laut Bates, jtet3 eine gewifje Anzahl von ihnen auf, die Hier an den ver- ichtedenjten Bäumen hingen, und des Nachts jteht man jte mitten im Urwalde ebenjomwohl wie an den Ufern der Flüfjfe und Bäche ihr Wejen treiben. So ijt e8 auch in Afrika. Ir Menge finden jich Kleine und jehr große Arten am Meeresitrande, in den Savannen und Wabdungen des Innern, jogar in den Wüften. Pechuel-Loejche trieb unzählige aus Höhlungen in den ödeften Felsgegenden des Hererolandes; woher jie Dort während der Irodenzeit ihre Nahrung nahmen, blieb ihm ein Kätjel, bis er bei näherer Unterjuchung sahlreiche Nefte Heiner Wirbeltiere entdedte. Sufammenfaffend ift über die geographifche Verbreitung noch zu jagen, daß die Frucht- jrejjer an die Tropen und Subtropen gebunden find, weil jie nur dort jederzeit genügende Nahrung finden, und daß die Snfektenfrefjfer nicht weiter nach Norden gehen als ihre Beute- tiere. Hierbei geftattet aber der Winterfchlaf weites Vordringen: eine Fledermausart, Vesper- tilio borealis Nilss., erreicht den Polarkreis! Sonft aber find die Fledermäufe dadurd) Allgemeines: Verbreitung. Häufigkeit. Leibesbau. 369 ausgezeichnet, daß jte fich — jedenfalls kraft ihrer Flugfähigfeit — überalldin verbreiten, auch dahin, wo jonjt der Einwanderung von Säugetieren Schranfen gejebt find: fie bewohnen nicht nur Auftralien und Neuguinea, jondern auch (Gattung Pteropus) viele Feine Snjeln in der Süpdjee und andermärts, mo fie die einzigen Säugetiere find. Sie fehlen auf Weufee- land, den Sandwich- und Galapagosinjeln, im Norden auf Ysland. Ein deutlicher Unter- jchied, der nur aus Abjftammungs- und Einwanderungsverhältnijien zu erklären ift, macht jich auch zwijchen der Alten und Neuen Welt bemerkbar. Amerika beherbergt gar feine Sruchtfrejfer, obwohl diefe im tropijchen Süden gewiß ihr Fortfommen finden würden; anderjeits jind iwieder die blutfaugenden Barnpire rein amerifanijch und haben nur in den Hufeifennajen ein gemwiljes altweltliches Gegenjtüd. Die Flattertiere oder Handflügler jind vorzugsweije durch ihre äußere Ktörpergejtalt aus- gezeichnet. Sie haben im allgemeinen einen gedrungenen Leibesbau, furzen Hals und Ddiden, Gerippe einer friehenden Fledermaus. Zeigt die Borwärtsbiegung der Halswirbelfäule, Verdbrehung des Bedens und der Hinterbeine nach dem Rüden zu und das Sporenbein an den Hinterfüßen. länglichen Stopf mit weiter Mundjpalte; jerner zwei Bruftzigen. Ihre Hände jind zu Flug- werfzeugen umgewandelt und deshalb riejig vergrößert, während der Leib das geringite Maß der Größe hat. So fommt es, daß jte wohl groß erjcheinen, in Wirklichkeit aber zu den Heinjten Säugetieren zählen. Die inneren Leibesteile zeigen eigentümliche Merkmale. Das Knochengerüft tft immer leicht gebaut, gleichtvohl aber Fräftig; die Knochen jelbjt enthalten niemals luftgefüllte Räume wie bet den Vögeln. Der Schäpdel ift in einen zarten Hirn= und einen noch zarteren Gejichtsteil Deutlich gejchtevden; alle einzelnen Sinochen jind ohne jicht- bare Nähte miteinander verwachjen, die beiden Afte des Zmwifchenkiefers bleiben getrennt, bei ven Blutjaugern jogar fnorpelig und beweglich. Die Wirbel jind breit und furz, die Rippen lang, breit und jtarf gefrimmt, die Hüftfnochen fehmal und gejtredt, die Schlüffelbeine und Schulterblätter dagegen dick und jtark. Bezeichnend für die Flattertiere ijt die Handbildung. Dber- und Unterarm und die Finger der Hände jind jehr verlängert, namentlich die hin- teren drei Finger, die den Oberarın an Länge übertreffen. Hierdurch werden die Finger zum Verbreiten der ziviichen ihnen ich ausipannenden Flughaut ebenjo gejchiet wie zu anderen Dienftleijtungen untauglich. Nur der Daumen, der an der Bildung des Flugfächers feinen Anteil nimmt, Hat mit den Fingern anderer Säuger noch Ähnlichkeit: ex ift, tie ge- wöhnlich, zweigliederig und furz und trägt eine jtarfe Stralle, die dem Tiere beim Nlettern und Sichjejthängen die ganze Hand erjegen muß. Die Oberjchenfelfnochen find viel kürzer und jchwächer als die Oberarmfnochen, wie überhaupt alle Sinochen des Beines auffallend hinter denen des Armes zurücitehen. Die Beine jind ziemlich regelmäßig gebildet: der 366 4. Drdnung: Flattertiere. Fuß teilt fich auch in fünf Zehen, und diefe tragen Krallennägel. Allein, fein Eigentüm- liches hat der Fuß Doch; denn don der Ferje geht ein nur bei den Fledermäufen vorfommender Knochen aus, das Sporenbein, das dazu dient, die Flughaut ziwifchen dem Schwanze und dem Beine zu jpannen. So erinnert der Bau des Gerippes an den der vorweltlichen Flug- echjen. Unter ven Musfeln verdienen die ungewöhnlich ftarfen Bruftmusfeln Erwähnung, außerdem ein anderen Säugetieren ganz fehlender Musfel, der mit einem Ende am Schädel, mit dem andern aber an der Hand angewachjen ift und dazu dient, den Flügel fpannen zu helfen. Die urjprünglichite Zorm des Gebijjes ift die der injektenfrefjenden Handflügler: fie ihhließt fich an die der eigentlichen Snjektenfrejfer an — beweift ja hauptfächlich die nähere Stammesperwandtjchaft mit Diefen — und zugleich an die der (polyprotodonten) Raubbeutler. Bei den fruchtfrefjenden Fledermäufen tritt eine Vereinfachung ein, indem die fcharfen Höcder der Baczähne zu Längsfämmen verjchmelzen, und die Zähne ftehen in dem langen Stiefer nicht in Dicht ge- ichloffener Reihe. Die Lippen fönnenjehrver- ichieden gejtaltet und jonderbar ausgebildet jein. Derstehlfopffann bei den Männchen gervijjer Gattungen (Epomophorus, Hyp- Schädel eine3 frudtfrefjenden (Pteropus jubatus) und eines infeltenfrefjen- eignathus) u wahrhaft den Flattertieres (Molossus ursinus). 1 Nach einem Präparat des Berliner Mujeums, ungeheuerlicher Weile gezeihnet von K. 2%. Hartig, 2 Be an und Ordnungen de Tierreiches”, vergrößert und ber- ändert, auch mit Quft- jäden ausgejtattet werden (AUbb., ©. 412). Mitunter zeigt er auch die Neigung, fich in die inneren Nafjenöffnungen einzujegen, was durch die Verfürzung der Schnauze und die Sirim- mung der Halswirbeffäule unterjtügt wird. Starfe Kaumusfeln, eine ganz freie Zunge, die verhornte Bapillen entiwideln und fo (Macroglossinae) zufammen mit Gaumenleiften eine Art Reibeapparat liefern fann, innere Badentafchen, die bei einigen vorkommen, ein rungeliger, fchlauchförmiger Magen und ein weiter, blinddarmlofer Darmfchlauch, der namentlich bei den Snjektenfrejjern fehr furz und überall zum größten Teil Diedarın ift, mögen außerdem noch hervorgehoben werden. Unter allen Merkmalen ift jedenfalls die Entwidelung der Haut das auffallendfte, meil fie nicht nu die ganze Körpergeftaltung, fondern namentlich auch den Gefichtsausdrud bedingt und jomit die Urfache wird, daß viele Fledermausgefichter ein geradezu ungeheuer- liches Ausjehen haben. Die breit geöffnete Schnauze trägt allerdings auch mit dazu bei, daß der GefichtSausdrud ein ganz eigentümlicher wird; die Hauttvucherung an den Ohren und der Vaje aber ift e3, die dem Gefichte fein abfonderliches Gepräge und — nad) der Anficht der meiften menigftens — feine Häßlichfeit gibt. „Keine einzige Tiergruppe”, fagt Blafius, „hat eine jolche Entwidelung des Hautjyftems aufzumeifen. 3 zeigt fich dies in der Aus- bildung der Ohren und der Nafe tvie in der der Flughäute. Die Ohren haben bei allen Arten eine auffallende Größe. Ihre Länge twird bei einigen Arten von der des Körpers faum übertroffen, und in der Breite dehnen fich beide Ohren in einzelnen Fällen zu einer einzigen, gejchlofjenen Ohrmufchel aus. Bei manchen Arten nimmt die Umgebung der u Merkwürdige ausländilche Sledermäuie. us Allen S monstro Ss thu ypsigna H /s nat. Gr. 3 s Dobs. inomus africanu yet N Mormops blainvillei Leach. P. Neumann - Charlottenburg gez. Nyctinomus megalotis Dobs. Molossus abrasus Tem. Chiromeles torquatus Aorsf. Nyctinomus angolensis Pfrs. Nyctinomus macrotis Gray. Nyctinomus g racilis Wagn. Nyctinomus australis Gray. Nyctinomus brachypterus Pfrs. Allgemeines: Sporenbein. Gebiß. Haut. Haar. 967 Kajenlöcher und der Najenrüden in feltfamer Weife an diefer Wucherung den größten Anteil, und hierdurch werden Gefjichtsbildungen hervorgebracht, die thresgleichen nicht aufzumeifen haben. Sn der Entridelung der Flughäute nicht allein, fondern auch in allen übrigen Haut- bildungen der Ohren und Najenhäute haben die Fledermäufe Eigentümlichkeiten, durch die jte jih von allen übrigen Tierordnungen auffallend untericheiden, und durch die ihre Be- wegung und Zebensweije bis ins einzelne bedingt fcheinen.“ Die Behäutung der Flattertiere, befonders die Flughaut, verdient eine eingehendere Betrachtung. Gie ift die Fortjegung der Oberhaut, der Farbitoff- (Pigment) Schichten und der Lederhaut beider Xeibesjeiten, bejteht Demgemäß aus zwei Platten, von denen die eine zur Nüden-, die andere zur Bauchhaut gehört. Außer diefen beiden Platten enthält die Tlatterhaut noch eine neue, elaftische Haut und zwei Musfelfaferichichten, die zwifchen den äußeren Teilen liegen. Diefe in hohem Grade dehnbare oder befjer zufammenziehbare elajtiiche Haut zeigt bei ettva 300maliger Vergrößerung ein filzartiges Gewebe und ift für die ganze Flughaut von größter Wichtigkeit, weil durch fie deren Ernährung gefchieht. Ein lebhafter Stoffmwechjel wird in der Flughaut aufrechterhalten durch eine jtarfe Muskelfchicht der Blutgefäße, Die auch rhyth- milhe Zufammenziehung der Benen bewirkt; ferner jtehen Sinneshaare reichlich auf Der lughaut, die fie für äußere Gefühlseindrüde, Taftempfin- dungen im denkbar weiteften Sentregter Durgfgnitt der Flughaut von Vesperugo serotinus. Sinne ungemein aufnahme- 600Fach vergrößert. 1 a ftarfer Mustelihiht, 3 Talg- fähig machen. Außerdem aber reibt das Flattertier die äußere Flughaut auch noch mit einer fchmierigen, öligen, jtark riechenden Flüfjigfeit bejonder3 ein. Dieje Schmiere wird von gelben, plattgedrüdten Drüjen abgejondert, die im Geficht zwijchen den Najenlöchern und Augen jißen und einen oder mehrere Ausführungsfanäle haben. Das Tier bejtreicht feine Flughaut jedes- mal nac) dem Erwachen und unmittelbar vor dem Flattern und erhält jie jo ftet3 ge- jchmeidig und fettig. Die Flughaut der Handflügler unterjcheivet fi) von allen Falljchirmhäuten, wie jie jonjt bet Säugetieren vorfommen, jehr wejentlich Dadurch, daß jte nicht nur zwijchen Rumpf und Gliedern ausgejpannt ift, fondern auch) zwijchen den riejig verlängerten Fingern der Hände, und daraus erklärt jich ohne Zweifel auch ihre viel weitergehende Wirfung. Sie ge- Itattet nicht nur ein langjames und weithin jchwebendes Fallen, fondern ein wirkliches Tlie- gen, ein willfürliches Vormwärtstreiben, Heben, Senken und Drehen des Körpers in der Luft beltebig lange Zeit Hindurdh. Die ganze Haut felbjt teilt man in die Borarım-, Flanfenz, Tinger-, Schenfel- oder Schwanz- und Sporenflatterhaut; die Fingerflatterhaut hat wieder bier bejondere Fächer. Sehr eigentümlich ift auch der Bau aller Haare der Handflügler. Man fann hier nicht bon Grannen- und Wollhaat jprechen. Die einzelnen Haare vereinigen den Zweck beider in ji. An der Wurzel ift das einzelne Haar jchmal und rijjig; weiter oben zeigt eS deutliche, Ichraubenartige Umgänge, nimmt an Dide zu, verichwächt fich hierauf wieder; die Umgänge 368 4. Drdnung: Flattertiere. werden umdeutlicher; Das Haar verdidt jich nochmal und verjchmächtigt fich dann endlich gegen die Spibe hin. Die Zahl der Umgänge jchwankt zioijchen 500 und 1100. Der Ziwed diejer merkwürdigen Bauart tft leicht zu begreifen. Die Umgänge erjegen das fehlende Wollhaar, indem fie die von dem Störper ausftrömende erwärmte Luft an ihren breiteren Stellen abjchliegen, gleichjam ftauen und hierdurch dem Tiere feine Wärme erhalten. Der Bau der einzelnen Haare ift bei den verjchiedenen Arten ebenfall3 verjchieden und fann jo für die Shitematif verwertet werden. Die gewöhnlichen Haare bilden die obenermähnten Schraubengänge ihrer Ninden- jubjtanz als Dachziegelartig übereinanderliegende oder in Querringen jtehende Schüppchen bon verjchiedenen Formen aus. Auch das Ohr und die Umgebung des Mumdes find, nach Schöbl, mit zahlreichen feinen Tafthaaren bejeßt, und dieje jtehen wieder mit einer Kervenfafer in Berbindung, die ihre Haarwurzel ring- jürmig umgibt. Hautdrüfen jpielen eine große Nolle am Körper der Handflügler. Außer den obengenannten Gejichtsdrüfen zur Einfettung der Flughäute treten an den verjchiedenjten Stellen umfangreiche Drüfenförper auf, die bejonders bei den Männchen ausgebildet find, alfo jedenfalls mit dem Geichlechtsleben in Beziehung ftehen; ferner gibt e3 Drijen- fäde zwijchen den Unterfieferhälften, in der Bruftgegend, Dinter dem Nafenaufjag folche mit einem Pinfel, der um- gejtitlpt werden fan: ja es entwiceln ich ganze Drüfen- felder an den Schultern, im Naden, Mofchusprüfen am After, Drüjenfijjen an den Gejchlechtsöffnungen. Die Milch- Saarevon Slattertieven: aGlos- Drifen mit ihren Bien find meift achjelftändig. Zitenartige sophaga amplexicaudata, b Megaderma Burslien, IE Ayers nebst alt: Gebilde in der Schamgegend fünnen mitunter noch eine Beer, „Die Säugetiere”, Jona 1904. Mirffame Milchdrüfe haben und ausnahmsweife fogar beim Männchen in Tätigfeit treten. Der Schädel behält nur bet den Fruchtfrejjern eine urjprüngliche, gejtredte Form, bei den Injektenjägern, die ihre lebende Beute im Fluge erhafchen, wird erfowohlim Gejicht3- al3 im Hiinteil verfürzt, im leßteren außerdem noch verbreitert und abgerundet. Der Zwifchen- fiefer ft jelbjt an dem geftrectten Schädel der Fruchtirejjer jehr Klein; bei den Blattnafen und Verwandten tft er nur durch ein Band beweglich mit dem Oberfiefer verbunden, und beide Hälften find in der Mitte Durch einen Spalt getrennt. Dder er fann auch ganz fehlen, und dann verringert jich natürlich auch die Zahl der oberen Schneidezähne. Da die Injekten- jagd auch eine weite Mundfpalte und ein fräftiges Gebif verlangt, fo bildet fich unter anderm der Schläfenmusfel jtarf aus und verurjacht feinerjeitS wieder Ausbildung eines Längs- fammes auf dem Schädel und Veränderungen am Hinterhaupt. Ein Fochbogen ijt mit we- nigen Ausnahmen immer vorhanden; dagegen find Augenhöhle und Schläfengrube gewöhn- fich nicht getrennt. Der Kopf fteht im rechten Winkel zum Körper: eine durch den auf- rechten Flug, wie beim Menfchen durch den aufrechten Gang, bewirkte Eigentümlichkeit. Doch fonımt diefe in beiden Fällen anders zuftande: beim Menfchen daducd, daß der Schädel- grund im rechten Winkel zur Halswirbelfäule fteht, bei der Fledermaus dadurch, daß die ganze Halswirbeljäule fich entjprechend nach vorn durchbiegt. Bei unferen gewöhnlichen Allgemeines: Hautdrüfen. Schädel. Skelett. 369 Sledermäujen (Vespertilionidae) und den Hufeifennafen (Rhinolophidae) wird dies jo jtarf, daß das Hinterhaupt dem erjten Nücdentoirbel fich annähert. Ebenjo jteht das übrige Skelett unter dem Einfluß der Flugbewegung. Die Rüden- mwirbelfäule Frümmt jich, umgefehrt wie die Halmwirbelfäule, nach hinten und fchafft dadurch zum Atmen bei der anjtrengenden Flugarbeit einen geräumigen Bruftfaften, zumal auch noch Wirbeljäule und Bruftbein nach hinten immer weiter auseinanderweichen. Die obere Handhabe des Bruftbeins ift breit, majjiv und ftarf gefielt, um den diden Bruftmusfeln, die in lester Linie die Flugbewegung bewirfen müfjen, genügend große Anfabflächen zu bieten. Die Großfledermäufe (Megachiroptera) haben auf dem Mittelbruftbein noch einen zweiten Stiel. Die Rippen liegen fo dicht nebeneinander, daß fte fich berühren, ihre Kinorpel verfalfen früh, und jie verfchmelzen leicht mit ihren Wirbeln; ja, jogar Berfchmelzung be- nachbarter Rippen kommt vor. Auf diefe Weije gewinnt der Bruftforb eine große Feitig- feit: wiederum eine Begleiterjcheinung der Flugbemwegung, die wir auch bei den Vögeln finden. Bei den Fleder- mäufen wird die Slug- bewegung twwejentlich aus dem Schultergelenf bewerfitelligt, während die BVordergliedmaße jonjt jteif gehalten wird; Daraus erklärt ich die fejte Verbindung des Schlüjjelbeines mit dem 1und 2: Unvollfommene Daftjheibernan Fuß und Hand einer Fledermaus (Vespe- Be ibeitunicht blogmti. 7 1, efeneemaus Cenyrostera wieehn. np Donfen ‘ UBE der Handhabe des leh- teren, jondern auch mit dem verfnöcherten Nippenfnorpel der erjten Rippe. Die Border- gliedmaßen find ganz einjeitig für den Flug aus- und umgebildet, jo daß jte zum Laufen auf der Erde gar nicht mehr zu gebrauchen find; jo ift das Ellbogengelenf ein Scharnier- gelenf einfachiter Art geworden, weil die Flugbewequng feine anderen Anforderungen jtellt als Streden und Beugen. Da letteres ebenjo nötig tft für das Einjchlagen der Flughäute in der Aube, finden wir auch ziwifchen Speiche und Handiwurzel und Handwurzel und Mittel- hand bejonders ausgtebige Beugegelenfe. Einer fümmerlichen Striech- und Stletterbewegung dient nur der Daumen mit jeiner Sralle, der gewöhnlich nicht mit in die Flughaut eingeht. Ausnahmsmweife ijt dies aber doch der Fall, und dann trägt er eine große Saugjcheibe (bei Thyroptera, Mycopoda) oder eine Schtwiele. Dies verjteht jich leicht bet denjenigen 7sleder- mäujen, die nicht hHängend ruhen. Die Verlängerung des übrigen Handjfeletts als Spreiz- gerüft für die Flughaut wird auf verjchiedene Weife erreicht: bei den Großfledermäufen mehr durch die Finger, die eigentlichen Fingerglieder, bei den Stleinjledermäufen mehr durch die Mittelhandfnochen, die für gewöhnlich beim Säugettier im Handteller ver- borgen liegen. Das Nagelalied hat in der Flughaut gar Feine bejondere Aufgabe und Bedeutung mehr, und jo bleibt es beim dritten, vierten und fünften Finger norpelig. Beim Embryo hat man manchmal das Bild der Übergliederung (Hhperphalangie); beim erwachjenen Tiere find dann aber die fnorpeligen Fingerjpigen mit dem folgenden fnöchernen Gliede wieder verwachjen. Das Beden it in feinen beiden Hälften derart nach dem Nücden zu gedreht, da die Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 24 370 4. Ordnung: Flattertiere. Gelenfpjanne für den Oberjchenfel nach oben zu liegen fommt. Dadurch toird auch das Bein um feine Längsachje gedreht und fommt auswärts vom Beden zu liegen mit Stnie- und Hiüftgelenk fozufagen in der Grätfchjtellung. Dies tritt an der friechenden leder- maus deutlich Herbor und erzeugt eben den Eindrud des „Striechens“. Die Heinften Fledermäujfe Haben — eine wohlbegründete Begleiterjcheinung geringer Körpergröße — noch glatte Hirnhalbfugeln; dieje bededen aber immerhin ftet3 die Vier- higel, und bei den größeren“zormen beginnt auch bereits die Zurchenbildung. Der Niec)- folben (Bulbus olfactorius) tft bei gemwiljen Fruchtfrejiern (Pteropodidae) am bejten aus- gebildet. Bei den anderen bildet er jich zurüct— jedenfalls im Zufammenhang mit einer ganz eigenartigen Berjchtebung der Sinnestätigfeit, die bei den Fledermäujen zuquniten des Ge- fühl und der Taftempfindung im mweitejten Sinne erfolgt und auch das äußere Geruchs- und Gehörorgan, Najenrücden und Ohrmufchel durch Tafthaare und allerlei Tajtanhänge in deren Dienft zieht. Jm übrigen betätigen genauere Htrnunterfuchungen, wie jie %. Dräjefe angejftellt hat, die Scheidung der Handflatterer in Groß- und Stleinflatterer, die die Shite- matif aus anderen Gründen vorgenommen hat, während zugleich die feinjten mifroffopijchen Vergleichungen, die derjelbe Beobachter zwiichen je einem Vertreter der beiden Haupt- gruppen Durchführte, die namentlich im gröberen Verlaufe der Pyramidenbahnen hervor- getretenen Berjchiedenheiten doch wieder aus ungefähr den gleichen Berhältnijjen ableiten fonnten. Um etwaige vertwandtjchaftliche Beziehungen zu anderen niederen Säugetierord- nungen fejtzuftellen, unterfuchte Dräjefe vergleichenderweije das Gehirn des Hamjters und des Eichhörnchens, weil von früheren Bearbeiten Ähnlichkeiten mit den Nagern behauptet worden waren; e3 fand fich aber feine Bejtätigung. Dagegen fonnte Dräjefe die Ziehenjche Anficht von unverfennbarer erheblicher Ühnlichkeit in der Großhirnfurchfung mit den Halb- affen durch eine ganze Reihe weiterer Übereinftimmungen befräftigen. Über die Sinne der Flattertiere ift zu jagen, dat bei ihnen der niederjte, jonjt im Säugetierreiche mehr zurücdjtehende Gefühlsjinn eine ganz grundlegende Wichtigkeit ge- winnt. Wenigitens bei der Hauptmafje der injektenfrejjenden Foımen, die man nach dem neuerdings vielfach beliebten Sprachgebrauch nicht Augen- oder Najen- beziehentlic) Seh- oder Niech-, jondern Fühltiere nennen muß. Wie anders wären jonjt die berühmten Berjuche des unjterblichen ejuiten-Naturforjchers Spallanzani aus dem 18. Jahrhundert zu erklären, der des Gejichts, Gehörs und Geruchs beraubte Fledermäuje in einem Zimmer voller ausgejpannter Fäden fliegen lafjfen konnte, ohne daß jie auch nur ein einziges Mal anftiegen! Der Gefühlsiinn der Tiere muß jo fein jein, daß er jede Luftbewegung, jede Luft- welle zur Wahrnehmung bringt, ähnlich oder wenigstens einigermaßen ähnlich wie das Ohr die Schallwellen. Solche außergewöhnliche Sinnesleijtung ijt natürlich nicht denkbar ohne entjprechende Unterlagen im Körperbau, hier im Bau der Haut, die ja der Gib Des Gefihls ift, und tatjächlich finden wir die Fledermaushaut bejonders reichlich mit Taft- oder Sinneshaaren, den eigentlichen Gefühlsjinnesorganen, bejeßt. Namentlich find jie über Die ganze Flughaut verbreitet, ebenjo über die Snnenfläche der oft jehr vergrößerten Ohren und noch mehr über die Lippen. Am allermeiften aber möchte man den Sih diejes wunderbar jeinen „Luftgefühls” in den jonderbaren häutigen Nafenauffägen, den jogenannten Najen- blättern, juchen, die ja der ganzen großen Fledermausgruppe der Blattnafen ihren deutjchen und vielen Gattungen ihren lateinifchen Namen gegeben haben. Eine bejonders ftarfe Aus- bildung der Tafe und Lippen verforgenden Teile des dreiäftigen fünften Hirnnerb3 (Nervus trigeminus) ijt unzweifelhaft vorhanden, und dem entjpricht eine ganz außerordentliche Allgemeines: Hirn. Sinne. 371 Empfindlichfeit der Najenaufjäge. Bei Verwundung der Najenblätter büken die zleder- mäuje von ihrer Slugfertigfeit ein, bei deren gründlicher Verlegung verlieren jie ihr Flugvermögen ganz. „Eine Hufeijennaje”, jagt Koch, „kann jchon Dur einen ganz unbedeutenden Drud auf die Najenhäute betäubt werden und erholt jich aus diejer Be- täubung nur jehr langjam; in vorfommenden Fällen jtirbt fie jogar furze Zeit nach dem verurjachten Drud auf die Najenhäute.” Dagegen fan man jeine Zweifel haben, ob der Geruch bei den Fledermäujen eine große Nolfe jpielt. Fit Doch, zum mindejten räumlich, bei den njeftenfrejjern im Zu- jammenhang mit der Verfürzung der Schnauze die Naje derart rüdgebildet, daß darunter auc) ihre Leijtung mehr oder weniger leiden muß. Den langjchnauzigen Flughunden darf man ja wohl eine gute Nafje zujchreiben. Ste haben auch große, leijtungsfähige Augen, während bei den Sleinfledermäujen der Gejichtsjinn offenbar jehr zurüdtritt, mitunter fajt ausgeichaltet wird, wenn Heine, fümmerlihe Augen im Pelze ganz verjtedt liegen. Dieje Fleinäugigen Tiere jind e8 auch, die man zuweilen jchon bei Tage fliegend antrifit, während die eigentlich nächtlichen Formen größere und mehr freiliegende Augen haben. Nachweislich gut ausgebildet ijt aber der Gejchmad nicht nur bei den fruchtfrejjenden Flug- hunden, jondern bei allen Fledermäujen. Einen Tropfen Wafjer, den man jchlafenden, jelbjt halb erjtarrten ledermäujen in die geöffnete Schnauze flößt, nehmen jie ohne weiteres an und jchluden ihn hinunter. Gibt man ihnen dagegen Branntiwein, Tinte oder jonjt eine übelichmedende Flüjjigfeit, jo wird alles regelmäßig zurüdgemiejen. Das in ähnlicher Weije wie die Naje vervolfjtändigte Ohr bejteht aus einer jehr großen Dhrmufschel, die oft bis gegen den Mundwinfel ausgezogen, mit bejonderen Lappen und Ausjchnitten ausgejtattet ijt und außerordentlich leicht bewegt werden fann. Zudem ilt noch eine große, bewegliche, verjchiedenartig geformte Klappe, der Ohrdedel, vorhanden. Schneidet man die blattartigen Anjäge oder die Ohrlappen und Ohrdedel ab, jo werden alle Fledermäufe in ihrem Fluge irre und ftoßen überall an: ein Beweis, daß auch die Ohren und ihre Anhangsgebilde mit dem „Luftgefühl” zu tun Haben. Zugleich ijt es aber unzweifelhaft, daß die Fledermaus das Schwirren vorbeifliegender Injeften jchon in ziem- fiher Entfernung Hört und bei ihrer Nahrungsjuche in der Luft wefentlich Durch ihr jcharfes Gehör geleitet wird. Im Verhältnis zu ihrer fliegenden Snjeftenbeute ijt Die ‚sltedermaus ein Hörtier, im Berhältnis zu den fejten Hindernijjen, die in ihre Flug- bahn hineinragen, ein Fühltier. „sit die Fledermaus“, bemerkt Altum, „jehr aufmerffam, jo richtet jte das Ohr ganz empor, und es jtarrt dann gejpreizt, bei den grofohrigen Arten jogar etwas nach vorn über- geneigt zur Aufnahme der Erregungen, die etiva von einem jummenden njeft oder von einem Yuftzuge ausgehen. Befindet jte jich in tiefjter Ruhe, jo tft das Ohr am Außenrande jo jehr in Falten gelegt, daß es jich nach hinten und nach außen fejt an den Kopf andrüdt; ijt jte nicht jehr erregt, ruht aber auch nicht vollitändig, jo nimmt das Ohr irgendeine mitt- lere Lage an. — E3 jcheint, daß die Fledermäufe nur für ähnlich jchwirrende Töne wie ihr Schrei oder wie da3 Summen der Jnjeften, nicht aber für andersartige Laute und Getöfe, für einen Sinall, lautes Reden und Rufen und dergleichen, empfänglich find. Hält man eine Smerg- oder Ohrenfledermaus mit einer Müde zufammen in einer mit Glas bededten Schadh- tel, jo jieht man das Tier jofort aufs äußerjte lebhaft, jobald die Müde zu fliegen beginnt: e3 jpreizt die Ohren, jchnappt mit dem Maule umher, und man jieht deutlich, daß es nicht jomwohl durch das Gejicht als vielmehr durch das Gehör geleitet wird. Faft möchte e8 jcheinen, 24* 372 4. Ordnung: Flattertiere. als wenn e3 das Schwirren des Snjeftes fchärfer und ficherer vermittelit der Ohrhäute fühle, als durch das Gehör wahrnähme.” Die geiftigen Fähigfeiten der lattertiere find feineswegs jo gering, wie der Laie gern annehmen möchte. Alle Flattertiere zeichnen fich durch einen ziemlich hohen Grad von Ge- dächtnis aus. „Von ihrem wunderbar entmwidelten Ortsjinn”, jagt Koch, „Tann man fich bei einiger aufmerffjamer Beobachtung überzeugen, indem eine Fledermaus, die bon ihrem gewöhnlichen Berjted ausfliegt, diejen ohne weiteres Umherjuchen gleich mwiederfindet; Dies gejchieht jowohl bei ihren nächtlichen Ausflügen al3 auch dann, wenn jie durch zufällige oder abjichtliche Störung bei Tage in den helliten Sonnenjchein aufgejcheucht wurde.“ Da die Fledermäufe bei quter Behandlung jehr zahm werden fünnen, ift von vielen Gelehrten und Naturfreunden beobachtet worden. Einzelne Foricher brachten die Tiere bald dahin, ihnen Nahrung aus der Hand zu nehmen oder jolhe aus Gläjern jtch Herauszuholen, jobald jie einmal bemerft hatten, um was es jich handle. Mein Bruder hatte eine Obren- fledermaus jo weit gezähmt, daf fie ihm Durch alle Zimmer folgte, und wenn er ihr eine Stiege hinhielt, augenblidfich auf jeine Hand fich jeßte, um jene zu frejjen. „Nüt der Oeftalt der Flughäute”, jagt Blajius, „hängt die Flugfähigfeit und Das Ge- präge der Flugbewegung genau zujammen. Eine größere Berjchiedenheit in diejer Be- ztehung tft faum unter den WBögeln ausgebildet. Die Arten mit langen, jchlanfen Flügeln haben den rajchen und gewandten Flug der Schwalben, die mit breiten, furzen Flügeln erinnern im Fluge an die flatternde, unbeholfene Bewegung der Hühner. Man fann die GSejftalt des Flügels ziemlich genau nach dem Verhältnis der Länge des fünften Fingers zur Länge des dritten oder zur Länge der ganzen Flughaut beurteilen. Die Länge der Flughaut umfaßt außer der des dritten Fingers noch die des Ober- und Unterarmes. Die Breite der Slughaut 1jt ungefähr durch die Yänge des fünften Fingers dargeftellt. Wer die “zleder- mäufe in der Natur beobachtet hat, mwird eine auffallende Übereinjtimmung in diefen Ver- hältnijjen mit der Schnelligkeit und Gemwandtheit in der Flugbewegung der einzelnen Arten anerfennen müjjen. Die größte Gewandtheit und Schnelligkeit im Fluge hat unter den Deut- ihen Arten entjchteden die Frühfliegende Fledermaus. Man fieht fie zumeilen jchon vor Sonnenuntergang turmbhoch und in rajchen, Fühnen Wendungen mit den Schwalben umber- fliegen; und Dieje Art hat verhältnismäßig den jchlanfiten und längjten Flügel, über drei- mal jo lang wie breit. Yhr jchliegen jich alle diejenigen Arten an, deren Flügel ähnlich gebildet find. Sie fliegen jämtlich rafch und hoch, in den mannigfaltigiten, oft plößlichen Wendungen, und find in ihren Bewegungen jo ficher, daß fie fogar Sturm und Unwetter nicht jcheuen. Der Flügel bejchreibt im Fluge in der Regel einen Eleinen, jpiten Winfel, und nur bei plößlichen Wendungen holen fie weiter aus; jo ift der Flug höchft mannig- faltig und rajch bei einer leichten, weniger angeftrengten Flügelbewegung. Die geringjte Slugfertigfeit bejigen die Arten, die zu den Gattungen Vespertilio und Rhinolophus gehören. Sie haben im Berhältnis zu den übrigen die breitejten und fürzeften Flügel, meiftens faum prittehalbmal jo lang alS breit. Die Flügel diefer Arten bejchreiben einen großen, meift tumpfen Winfel. Der Flug ift flatternd, Iangfam und unficher. Gewöhnlich fliegen fie niedrig und in gerader Richtung in Strafen und Alleen dahin, ohne rasche Biegungen und Seitenbewegungen, einige jogar nur wenige Boll über dem Boden oder der Wafjerfläche. „E3 hält nicht fchwer, nach der Höhe des Fluges, der Art der Bewegung und der Größe des Tiere jede Art im Fluge zu unterjcheiden; und man fann nicht irregehen, wenn man aus dem Bau des Flügels auf die Flugfertigfeit fchließt.” Altum fügt dem hinzu, daß man Allgemeines: Geiftige Fähigkeiten. Gefangenleben. Flug- und andere Bewegung. 373 im allgemeinen wohl den Saß aufftellen könne: je unbeholfener der Flug, dejto feiner das Hautfyftem, Flughäute und Ohrdedel, und umgefehrt, je gewandter und rafcher der erjtere, dejto derber letteres. „Nicht ganz fo genau ftinmen überein Größe der Ohren und jchwaches Slugvermögen, Stleinheit jener und fräftiger Flug; doch wird man im allgemeinen zugejtehen müjjen, daß unfere mit den größten Ohren verjehenen Arten auch die langjamjten find und unfere jchnelliten Arten die Hleinften Ohren haben. Ebenjo ftimmen Gejtalt und Feitigfeit der Ohrdedel hiermit überein. Die jchnelliten Flieger haben furze und derbhäutige Ohr- edel, die langjamjten dagegen langgezogene, Dünnhäutige. Dies gilt von ganzen Gruppen.“ Sm allgemeinen tft der Flug aller Handflügler feinesiwegs ein Dauernder, jondern nur ein zeitweiliger. Er wird Durch immerwährende Bewegung der Arme hervorgebracht. Der Bogel fann Shweben, die Fledermaus nur flattern. Yhr Flug it ein immermwährendes Schlagen auf die Luft, niemals ein längeres Durchgleiten oder Durchichiefen Derjelben ohne Flügelbewegung. Um leichter ihre Flughaut breiten und aufflattern zu können, befejtigei jtch die Hand- flügler während ihrer Nuhe mit den Strallen der Hinterbeine an irgendeinem erhabenen Gegenjtande und lafjjen ihren ganzen Körper nach abwärts hängen. Bevor jte abfliegen, ziehen fie den Kopf von der Bruft ab, heben den Arm, jpreizen die Finger janıt dem Mittel- armfnochen auseinander, jtreden den in der Ruhe angezogenen Schwanz nebjt ven Sporen am Fuße, lajjen fich 108 und beginnen nun jogleich und ohne Unterbrechung jchnell nacheinander mit ihren Armen die Luft zu fchlagen. Mit der Schwanzhaut wird gejteuert; aber diejes Steuer ijt natürlich bei wetten unvollfommener als das der Vögel. Die ganze Bewegung bedingt eine jehr eigentümliche Fluglinie, die Stolenati jehr bezeichnend eine gefnittertenennt. Bom Boden fünnen fich die Flattertiere nicht jo leicht erheben; fie helfen jich aber da- durch, daß fie zuerjt Die Arme und die Flughaut ausbreiten und ihren Körper durch Unter- ichieben der Füße ettvas aufrichten, ein oder mehrere Male in die Höhe jpringen und dann flatternd abfliegen. Sft dies ihnen geglückt, jo geht der Flug ziemlich rajch vorwärt?. Wie ermüdend diefer ift, jteht man amı beiten daraus, daß die Fledermäufe oft jchon nad) jehr Fur- zem Fluge zum Ausruhen an Baumäfte, Mauerborjprünge und dergleichen jich anhängen und hierauf exit ihre Bewegung fortjegen. Seine Fledermaus würde imjtande jein, in ununter- brochener Weife zu fliegen, wie 3. B. ein Mauerjegler; aus diefem Grunde tjt allen Flatter- tieren eine jo ausgedehnte Winterwanderung, wie Vögelfie unternehmen, geradezu unmöglich. Übrigens dienen die Hände der Flattertiere nicht einzig und allein zum Flattern, jon- dern auch zum Laufen auf der Erde. Der Gang aller Arten ift zwar nicht fo jchlecht, wie man bon vornherein annehmen möchte, bleibt aber dennoch ein erbärmliches Dahinhumpeln. Sie ziehen dabei die Hinterfüße unter den Leib, heben bei diefer Bervegung den Hinterförper und ftogen dadurch den ganzen Leib vorwärts; denn die Handwunzel und namentlich die Daumenfralle dient dem Vorderende nur zur Stüße. Einige Arten laufen übrigens beinahe fo jchnell wie eine Natte. Beim Klettern häfeln fie ich mit der jcharfen Stralle des Daumens oder der Hand an und fchieben mit den Hinterfüßen mwechjeljeitig nach. Gejchidte Bemwegun- gen und Wendungen, toie fie im Fluge auszuführen fähig find, vermögen jie im Gehen oder Klettern nicht zu machen, und auf die Hinterbeine allein fönnen te jich gar nicht jtellen, mweil das Ülbergeticht des Körpers nach born liegt und die Hinterbeine jchwächliche Gliedmaßen find. Gleichwohl Haben dieje Stärfe genug, den Leib nicht bloß den ganzen Tag, jondern während des Winterjchlafes — oft vier volle Monate hindurch — feitzuhalten und zu tragen. Wie verfchiedenartig und mannigfaltig die Bewegungen der jo ungelenf erjcheinenden 374 4. Ordnung: Flattertiere. Fledermäufe jind, erfährt man am beiten, wenn man eine von ihnen an der Nadenhaut pact und fefthält. Ste dreht jich dann förmlich um ich jelbft herum, weil jie zunächjt die größte Anftrengung macht, um zu beißen, benußt dabei alle einzelnen Glieder, die vorderen tote die hinteren, um jich jejtzuhäfeln und vorwärtszuhelfen, und bringt es Ungejchietten gegen- über regelmäßig dahin, jich zu befreien. Beim Gehen treten die Ylattertiere mit der Sohle der Füße und dem Daumenterle der Flügel auf. „Die Sohle”, bemerft Altum, „it aber durch eine eigentümliche Gelenfung des Beines nach hinten, anftatt wie bei den übrigen Säugetieren nad) vorn, gewendet, jo daß jich die mit jcharfen Strallen bewaffneten Zehen der Hinterfüße nicht tote jonft nach der Nücfenfeite, jondern nach der Bauchjeite des Tieres Friim- men. Zum Fortbewegen auf dent Boden, wobet jie wie auch beim Stlettern mit dem jcharf befrallten Daumen der Flügel fich ziehen und mit den Hinterbeinen nachjchieben, wenden jie die Spige der hinteren Füße jeitlich vom Slörper ab. Wir jeßen beim Gehen die Fußjpißen nach vorn und außen, die Fledermäufe nach Hinten und außen. Die Hinterglieder der leß- teren jind überhaupt außerordentlich gelenkig. Sie verjtehen es, gejchickt jich der Zehen und Strallen zum Entfernen der vielfachen Schmaroger jorwie zum Ordnen des NRüdenhaares zu bedienen, brauchen jte jehr gewandt, um jich von Schmuß zu fäubern, und fünnen mit jedem Hinterfuße die Mitte des Nückens faft ziwijchen den Schultern erreichen, jo daß fie durch Kän- men das Haar jäubern und ordnen.” Die Stimmen aller befannten Flattertiere ähneln jich in hohem Grade, unterjcheiden jich, joweit unjere gegenwärtigen Beobachtungen reichen, überhaupt nur dadurch, daß fie Ichrwächer oder fräftiger, höher oder tiefer klingen. Die fleinen Arten bringen ein zitterndes Sefreifch hervor, das ungefähr wie „Krikifri” Eingt; die Flughunde lafjen, erziint oder jonftiwte beunruhigt, ähnliche Yaute vernehmen. Doch Fällt die Stimme immer unangenehm ins Ohr, gleichviel, ob fie hoch oder tief ift. Alle Flattertiere jchlafen bet Tage und jchwärmen bei Nacht. Die meijten fommen erit mit Eintritt der Abenddänmerung zum Vorjchein und ziehen fich jchon lange vor Son- nenaufgang iieder in ihre Schlupfwinfel zurüc; einzelne Arten jedoch erjcheinen jchon viel früher, manche bereits nachmittags zwijchen 3 und 5 Uhr, und fchwärmen troß des hellften Sonnenjcheins Iuftig umher. Dies gilt unter unferen heimifchen Arten bejonders für die Smergfledermaus, die jeder aufmerfjamere Naturfreund fchon am Tage hat fliegen jehen, und für die danach fo genannte Frühfliegende Fledermaus. Der ebenjo genaue als jleigige Beobachter Pfarrer Jäde-Windsheim hat darüber viele Belege gefammelt: Von der Früh- jliegenden Fledermaus jah er „am 20. April 1857 jchon nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr bei Herrlichjtem Wetter wohl 50—60 Stüd über den Weihern bei Neuhaus und Buch im jüölichen Oberfranken. Sie jagten da turmboch in fehwalbenähnlichem Fluge und in raschen, fühnen Wendungen nach Flor- und Nöcherfliegen und famen in mit ftaunenswerter Schnel- (igfeit ausgeführten Abjtürzen nach diefen Snfekten fo tief herab, daß ich das Ninirfchen ihrer Bähne beim Verzehren ihrer Beute deutlich hören fonnte. Am 1. Dftober traf ich wieder in den frühen Nachmittagsftunden etliche Hunderte über allen Weihern der Ortsfluren Neuhaus, Sremsdorf und Buch und am 13. September gegen Sonnenuntergang eine Anzahl von 15—20 Stüd über dem Mühlmweiher bei Neuhaus, wojelbft zu gleicher Zeit eine Fleine Schar junger Ihwarzer Seejchwalben herumftrich. Ein prächtiger Anblick: iiber der fpiegelglatten, vom Abendrot beleuchteten Wafjerfläche die zierlichen, fehmalflügeligen Geftalten der Teichtbe- Ihringten, nach Nahrung niederfteigenden Seejchwalben und über ihnen die fluggemwandten, mächtige Hafen fchlagenden Fledermäufe, die ganze Szene im Waffer jcharf reflektiert.” Allgemeines: Fußftellung. Stimme. Nachtleben. 375 „as die Zeit de3 Fluganfanges am Abende betrifft”, jagt Altum, „jo ftellt fich bei einem Vergleiche desjelben mit der des jedesmaligen Sonnenunterganges ein merfwinrdiges Ergebnis heraus. Die meilten Beobachtungen habe ich über die Zmwergfledermaus in diejer Beziehung gemacht. m Winter und erften Frühling fallen Fluganfang und Sonnenunter- gang ungefähr zufammen. Die Fledermaus beginnt dann 4-6 Minuten nach, auch wohl 4 Minuten vor Sonnenuntergang zu fliegen. Bon Ende März bis Ende Mai fällt ihr Flug- anfang jchon 1/,—/, Stunde nach demjelben; am längiten Tage tritt fie erft 1—1!/, Stunde nach dem Verjchiwinden der Sonne auf; Ende Juli bis zum Dftober fommt fie wiederum früher und zwar ?/;—, Stunde nach) Sonnenuntergang und bon da an im Spätherbfte etwa fat !/, Stunde nach demjelben zum Vorjchein. Troß einzelner nicht unerheblicher Abweichungen beim Bergleichen der angegebenen Stunden und Monatstage mit dem be- treffenden Sonnenuntergange läßt jich Doch eine gemwilfe Gejegmäßigfeit darin nicht ver- fennen. Die Sivergfledermaus folgt nämlich dem Untergang der Sonne um fo früher, je fälter, und um jo jpäter, je wärmer die herrschende Temperatur der betreffenden SYahres- zeit bet uns zu jein pflegt. Wahrjcheinlich ift der durch die Witterungsverhältnifje zumeist mit bedingte Reichtum der Injeftenmelt der tiefere Grund diejer auffallenden Erjcheinung. Die Fledermäufe treten bet Nahrungsfülle erjt jpät, bei Nahrungsarmut fchon früh ihre Jagven an. Nur bei diejer Unterjtellung wird es flar, warum eine Art bei gleicher Tages- länge und gleicher Stunde des Sonnenunterganges im injeftenarmen erjten Frühling etwa jhon mit Sonnenuntergang, im injeftenreichen Herbjt hingegen Y,—!/, Stunde nach dem- jelben ihre Jagden beginnt. Zu der einen Zeit genügt zur Erbeutung der notwendigen Nah- rungsmenge eine fürzere Jagdfrift, zu der andern wird eine längere erheijcht. Die Fleder- mäufje verlängern oder verfürzen aber auch, von der Zeit des Scheidens der Sonne umd der Länge der Dämmerung abgejehen, ihre Jagdzeit nach den in einer Gegend regelmäßig herr- jchenden Witterungsverhältnifjen und der dadurch bedingten Menge der abendlich umber- Ihwärmenden Snjeften. Se ärmer die Jahreszeit an Jnjekten zu fein pflegt, dejto länger jagen jte, je reicher, dejto fürzere Frijt treiben fie jich jagend umher.” ‘ede Art hat ihre eigentümlichen Jagdgebiete in Wäldern, Baumgärten, Alleen und Straßen, über langjam fliegenden oder jtehenden Wafjerflächen ujiv., jeltener im freien ‘Felde, aus dem jehr einfachen Grunde, weil e3 dort für jie nichts zu jagen gibt. mn dem reicheren Süden finden jte jich auch dort, namentlich über Mat3- und Neisfeldern, weil dieje jtets eine Menge von Injekten beherbergen, ihnen aljo aute Beute liefern. Gewöhnlich jtreichen jte nur durch ein Kleines Gebiet von vielleicht 1000 Schritt im Durchmejjer. Die größeren mögen vielleicht über 1/, Stunde Weges durchitreifen; von den großen jüdlichen Arten, den jogenannten Flughunden, dagegen weis man, daß jie mehrere Meilen weit in einem Zuge jtegen, da jte von einer Jnjel aus auf benachbarte, meilenweit entfernte jich begeben oder bon ihnen aus das Fejtland und umgefehrt von diefem aus Nahrung verjprechende Snjeln bejuchen. Der Flugfuchs findet jich nicht allein in Oftindien, fondern auch längs der ganzen Küfte Oftafrifas und auf den benachbarten Injeln, beiipielsiweife auf Madagaskar, wird alfo unzweifelhaft die zwifchen dem einen und dem andern Erdteile liegenden Meeresteile be- ztehentlich die die Snjeln von dem Feitlande trennenden Meerengen überjlogen haben. „Bei ihren Jagden”, fährt Altum fort, „pflegen die Fledermäufe ihr Gebiet plan- mäßig abautreiben, indem jie jo lange an derjelben Stelle in derjelben Weije umberflatternd verweilen, etiva eine Allee oder Straße auf und ab fliegen, einen Winkel ziwijchen Gebäuden freifend abjuchen, auf einem Dachboden ein- und ausfliegen oder, twie an unjichtbaren Fäden 376 4. Drdnung: Flattertiere. hängend, über einer Stelle des WafjerjpiegelS genau in derjelben Weije fcehtvirren, bi3 fie fich üiberzeugt haben, daß fich dort feine Beute mehr findet, worauf fie dann plößlich, ebenjo verfahrend, eine andere Stelle auswählen, nicht jelten aber nach furzer Zeit zum erjten Plaße zurücfehren. Die Größe diejer Jagopläge fteht im allgemeinen zur Größe der Jäger im geraden Verhältnis. Bevor fie jolche gehörig abgejucht Haben, Tafjen jte jich nicht einmal durch eimen Fehlihuß in ihrem Treiben ftören.” „Im Innern Neuguineas”, bemerkt Haade hierzu, „beobachtete ich eines Abends bei meiner Nüdfehr von einem SJagdausfluge in den Urwald eine Anzahl winziger Fledermäuse, die ich anfänglich für Libellen hielt, einen fleinen Baum beftändig umfreifen. Nach einer Weile wurde ein benachbarter Baum als Sagdmittelpunft gewählt und in gleicher Weife umflattert. So genau wurde der Weg, den die Tierchen bejchrieben, innegehalten, daß jede Fledermaus ftets dasjelbe Blatt als Ruhe- plägchen wählte, obwohl ihr Flug äußerft jchnell war. Die RAuhepauje war indefjen Faum lang genug, um mir das Abdrüden der Flinte, mıt der ich den Nuheplaß aufs Storn genoni- men hatte, zu geftatten, und ext nach langer Zeit gelang es mir, zwei der Tiere zu erbeuten.“ Sobald die Fledermäufe müde werden, hängen fie ich, wie ich fchon bemerkte, eine Zeitlang auf und fchwärmen weiter, nachdem fie ausgeruht haben. Berjchiedene Arten jcheinen jich gewijjermaßen abzulöjen; denn die jrühfliegenden jchwärmen bloß in der Abendoämme- rung, andere nach und vor der Morgendämmerung, wieder andere bloß in den mittleren Kachtitunden umher. Bei Tage halten fich alle Flattertiere verftect in den verjchtedenartigjten Schlupf- winfeln. Hierzulande find hohle Bäume, leere Häufer, jeltener auch Feljenrigen oder Höhlen ihre Schlafpläße. mn den Wendefreisländern hängen fich viele Arten frei an die Baum- zweige auf, jobald dieje ein dichtes Dach bilden. Unjere Arten tun dies ebenfalls, ob- ichon feltener: Stoch beobachtete namentlich in den dichten Efeuranfen alter Burgen mehr- fach Fledermäufe, die jich hier ihren Schlupfplab erwählt hatten. Ar den Urwaldungen Afrifas fand ich mehrere echte Fledermausarten in dem dünnen Laube der Mimojen auf- gehängt; Pechuel-Loejche jah in Unterguinea Nachthunde zu Hunderten ziwijchen den ab- geftorbenen Blättern der Fächerpalmen am Meeresftrande Naft halten; in ven Waldungen Südamerifas traf Bates andere unter den breiten Blättern von Helifonten und anderen Pflanzen, die auf den jchattigen Pläßen wachen. Die Flughunde wählen fi) nicht einmal immer Bäume, deren Laubdach ihnen Schatten gewährt, hängen vielmehr oft auch an entblätterten Aften ohne alle Nücficht auf die Sonnenftrahlen, gegen die fie ihre Augen Dadurch zu fichern fuchen, daß fie den ganzen Gefichtsteil in der Flughaut verbergen; in Neu- quinea beobachtete Haade, daß die Flughunde fich mit Vorliebe in Beftänden niedriger und Dünnbelaubter Bäume an den Flußufern den glühenden Strahlen der Tropenjonne aus- jeßten. Hier hingen fie oft zu vielen Taufenden nebeneinander und fächelten jich mit den Flügeln Kühlung zu. Weitaus die Mehrzahl aller Flattertiere hingegen verftecdt jich, einige Arten zwoifchen und ımter der Ainde von Bäumen oder in Baumhöhlungen, andere unter Dächern zroifchen dem Schindel- und Ziegeliverf, die Hauptmafje endlich in natürlichen Fels- höhlen, Mauerlöchern, Gemölben verfallener oder wenig bejuchter Gebäude, tiefen Brunnen, Schächten, Bergwerfsftollen und ähnlichen Orten. „Sn den füdlichen Himmelsftrichen, wo die Handflügler fo mafjenhaft vorfommen”, jagt Koch, „würde vielleicht faum ein fchadhafter Baum zu finden fein, der nicht von ihnen bewohnt wäre, wenn e3 nicht jo viele andere Tiere gäbe, die ihnen den Plab ftreitig machen, twie dies die Slettervögel, viele Naub- und Nage- tiere, Schlangen und jogar einige gejelliglebende Jmmen tun. Lebtere dienen, während die Allgemeines: Nachtleben. Tagjchlaf. Gefelligkeit. Nahrung. 377 Fledermaus munter ift, diefer zur Nahrung, beläftigen jie dafitr aber ehr in ihrer Ruhe. Sch habe beobachtet, daß; Ameifen fich eingeniftet hatten, two jonft Fledermäufe waren, und da feßtere fich bald gänzlich verzogen. E38 gibt nicht viele Fledermäufe, von denen man jagen fönnte, daß fie nie in geeigneten Baumhöhlen getroffen würden. Die meijten beziehen zivar auch aleichzeitig andere Schlupfmwinfel; doch gibt eS wiederum viele Arten, namentlich unter den jüdländifchen, die ausfchlieglich den Aufenthalt in Baumböhlen fuchen. Die Nigen von alten Gemäuer bieten anderen geeignete Schlupfrinfel, und mancye ziehen die hölzernen Teile des Baues den fteinernen vor. Frijche Kalkwände aber, worin noch nicht aller Kalk durch Aufnahme von Kohlenfäure feine ägende Eigenjchaft verloren hat, hafjen die Flattertiere, und man findet daher feine Fledermäufe in neueren Gebäuden, jelbjt wenn geeignete Riten und Höhlungen in denfelben vorfommen. Sn allen Gegenden und Stlimaten find e8 die natürlichen Felfenhöhlen, welche als die vorzüglichiten Aufenthaltsorte der ‘leder- mäufe bezeichnet werden müffen. Ir den Höhlen juchen nun verjchiedene Arten bejonders die engen Spalten und Klüfte auf, worin fie fich einzeln oder gejellig einztwängen; andere Arten findet mıan mehr freihängend, feltener in Kißen, und die Blattnafen, welche ganz bejon- ders als Höhlenbewohner bezeichnet werden können, Hängen fajt immer frei, wenn auch zum Teil in Heineren unzugänglichen Teilen diefer Höhlen. Inn Gegenden, tvo feine natürlichen Höhlen vorfommen, dienen den Fledermäufen ftatt deren alte Bergmwerfe, Stellergewölbe, Burgverliefe, gemauerte Grüfte und Katafomben, und dieje unteriwoiichen Baumerfe tmer- den um jo mehr bevölfert, je älter und einfamer jie find, und je weniger die Fledermäufje dajelbit Störung erfahren. Die Anzahl der Fledermäufe, welche man jowohl in natürlichen Höhlen wie auch in ähnlichen fünftlichen Baumerfen antrifft, it mitunter eine außerordent- fiche. Sch habe in der Fürftengruft in Siegen wohl über 1000 Stüd zufammen gefunden und dennoch lange nicht alle erreichen Fönnen, die in diefem Gewölbe waren. \jn den Bergwerfen find ganz beftimmte Eigenfchaften notwendig, um eine Anziehung auf die Fleder- mäufe zu äußern. Heftigen Wetterzug haffen fie zunächft jehr, ebenjo ftarfe Tropfwaljer in den Streden, welche jte zu dircchfliegen haben. Auch dürfen die Räume nicht zu troden und ebenfotvenig zu feucht fein. In Gruben und Höhlen mit Tropfjteinbildung gibt es feine Fledermäufe; wahrjcheintich fürchten fie das Falfhaltige Wafjer, und die glatten Tropj- jteintwände eignen fich auch wohl nicht bejonders zum Ankrallen.” Unter fich halten viele, vielleicht die meiften Flattertiere gute Gemeinjchaft. Einzelne Arten bilden zahlreiche Gefelljchaften, die gemeinfchaftlich jagen und fchlafen. Ganz ohne Streit und Kampf geht e3 dabei freilich nicht immer ab: eine qute Beute oder eine bequeme Schlafftelle ift geniigende Urfache zur ivietracht. „Mein Diener“, erzählt Henfel, „Fam einst auf den Eugen Gedanken, mehrere lebende brafilifche Fledermäufe in hohe, offene Olas- gefäße zu tun umd diefe abends an geeigneten Orten aufzuftellen. Am nächjten Morgen fanden fich in drei Gefäßen 325 Fledermäufe derjelben Art vor, die fich, durch die Stimmen der zuerft darin befindlichen Tiere angelodt, hineinbegeben hatten und num wegen der glatten Wände der Gefäße ihr Gefängnis nicht verlaffen fonnten.” Ungeachtet aller Gejelligfeit der Fledermäufe ein und derjelben Art leben die Flattertiere doch Feineswegs mit allen Mitgliedern ihrer Ordnung in Frieden. Verfchiedene Arten hafjen jich auch wohl, und eine frißt die andere auf. Die blutfaugenden Blattnafen 3. B. greifen, wie Stolenati beobachtete, die Ohrenfledermäufe an, um ihnen Blut auszufaugen, und dieje freien ihre Feinde dafür auf. Die Nahrung der Flattertiere befteht in Früchten, in Infekten, unter Umftänden aud) in Wirbeltieren und in dem Blute, das fie größeren Tieren ausjaugen. Lebteres gilt namentlich 9178 4. Ordnung: Flattertiere. für die in Amerifa mohnenden slattertiere, während die Blutfauger der Alten Welt nicht jo fühn find, jich vielmehr fat nur an Fleinere, wehrloje und immer bloß an freilebende Tiere wagen, an die je von Anfang an gewöhnt find, und an deren Wohnftätte fie durch die Anmwejenheit des Menjchen nicht gejtört werden. Während diefe Blutfauger eg mit einer in den meijten Fällen unjchädlichen Abzapfung von Blut beenden lafjen, fallen andere Flat- tertiere, wahrscheinlich mehr, al3 wir zurzeit noch wiljen, über Wirbeltiere her, um fie zu töten. Ein Arzt der brafiliichen Anjiedelung Blumenau erzählte Henjel einen hierauf bezig- fichen Fall. Er beobachtete nämlich eines Abends, wie durch das offenftehende Fenjter jeines Zimmers eine große Fledermaus hereinflog und eine Schwalbe, die im Zimmer ihr Net anlegen wollte und daher hier ütbernachtete, fing und tötete. Anderen, namentlich oftindischen Arten jagt man nad, daß jte Fröfche fangen und benagen follen; im Herero- lande fand Pechuel-Loejche an Orten, wo Fledermäufe fchliefen, immer twieder frifche Über- bleibjel von Eidechjen und Heinen Vögeln, fogar von anderen Fledermäujen. Kurz, Naub- tiergelüfte in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes find den Flattertieren durchaus nicht abzufprechen. Die in Europa wohnenden Arten der Ordnung, befanntlich nur echte Fleder- mäufe, verzehren hauptjächlich Infekten, namentlich Nachtichmetterlinge, Käfer, Fliegen und Müden, und wenn man am Morgen nach warmen Sommernächten in Baumgängen dahingeht, findet man gewiß jehr häufig die Überbleibjel ihrer Mahlzeiten, namentlich abgebiljene Flügel und dergleichen. Jhr Hunger ift außerordentlich; Die größeren freien bequem ein Dubend Maifäfer, die Hleinjten ein Schod Fliegen, ohne gefättigt zu fein. Größere Snjekten jtemmten je, nachdem jie fie gefangen haben, an die Bruft und frejjen jte jo langjam hinunter; Fleinere werden ohne weiteres im ganzen verjchlungen. Genaue Feititellungen über die Nahrung unjerer größten einheimischen Art, der Ge- meinen oder Niejenfledermaus, hat der bereits genannte Pfarrer Säcel in den jechziger Jah- ren des vorigen Jahrhunderts gemacht, indem er ganz |yftematisch die Snjektenarten bejtimmte und die Stüde zählte, deren Nejte die Große Yledermaus auf dem Boden des Sommers- dorfer Stirchtunms don der Dede herabfallen ließ, two nachweislich nur fie aus und ein flog. Altum hat dieje Verzeichnijje wegen ihres Wertes für die erafte Kebensfunde der Fleder- mäufe in jeine „Foritzoologie” übernommen und die Namen der Schädlichen Injekten darin bejonders Fenntlich gemacht. &3 zeigt fich, daß unter 72 Arten (allermeijt Nachtjchmetter- finge; nur zwei Arten Matfäfer, eine Maulwurfsarille, Köcherfliege und große Schnafen- mücde) nur vier Arten Forjtichädlinge waren: die Käfer, die Maulwurfsgrille und der Ningel- Ipinner, der nächite Verwandte des Stiefernjpinners. Forftlich fommt aber auch die Niejen- fledermaus nur wenig in Betracht, und anderjeits jind die Jädeljchen Zufammenjtellungen geroiß nichts weniger als ein vollftändiges Verzeichnis der Nahrungstiere; denn jie enthalten nur die größeren Arten, Deren trocfne Hartteile die Fledermaus nac Möglichkeit übrigläßt, während fie zartere und Kleinere, Spanner, Motten und andere Stleinjchmetterlinge, Neb- jlügler und Feine Miüden, vollftändig verjchlingt. Was fie an jolchen Schädlingen und nächt- lichen PBlagegeiftern vertilgt, wäre höchftens durch fyftematifche Magenunterfuchungen feit- suftellen. Jedenfalls hat aber Jäckel mit feinem Schlußfat recht: „Wenn man erwägt, daß die Gemeine Fledermaus an manchen Orten fo häufig vorfommt, daß ihr Kot mafjenhaft, jtellenweije zolldict, die Kirchenböden uf. bedeckt, fo ann man fich zugleich eine Vorftellung bon dem großen Nußen diejes Tieres und feiner Gattungsvertvandten machen.” se lebhafter ihre Bewegung ift, um fo mehr Nahrung bedürfen fie, und aus diefem Grunde find die injeftenfreffenden Fledermäufe für ung außerordentlich nüßliche Tiere, welche Allgemeines: Blutjaugen und fonftiger Nahrungserwerb. Beziehungen zu Pflanzen. 379 die größtmögliche Schonung verdienen. Nicht jo ijt es mit den blutfaugenden Fledermäufen, die zumeilen recht jchädlich werden fönnen, oder auch mit den Fruchtfrejjern, die nicht felten ganze Sruchtpflanzungen, zumal Weinberge, zerftören und nach den neueren Beobachtungen feinestvegs einzig und allein der erjten yamilie, den Flughunden nämlich, angehören. „In Südamerika”, berichtet Henjel, „gibt e8 auch unter den eigentlichen Fledermäufen jolche, welche jaftige Früchte freijen. Objchon man häufig davon erzählen hört, ift eg mir doch leider niemals geglüdt, jolche Arten zu fangen oder auch nur bei dem Berzehren der Früchte jelbft zu beobachten. in Rio de Janeiro aber erzählte mir ein deutjcher Kaufmann, der fich mit Katurbeobachtungen bejchäftigte und durchaus glaubwürdig zu fein jchien, da er jelbft Mühe gehabt Habe, in jeinem Garten Bäume mit faftigen Früchten vor den Fledermäufen zu jhügen. In Porto Ulegre hat ein deutjcher Handwerker an jeinem Haufe einen der wilden Feigenbäume Brafiliens jtehen, deren Feigen nicht größer als Hafelnüjfe zu fein pflegen. gur geit der Reife diejfer Feigen num jollen nach Angabe jenes Mannes zahlreiche Fleder- mäufe den Baum bejuchen und die Feigen verzehren.” Daß dieje Angaben tatjächlich be- gründet jind, geht aus jpäter mitzuteilenden Unterjuchungen von Bates hervor. E3 unter- liegt jomit feinem Zweifel, daß es auch unter Glatt- und Blattnafen Fruchtfreifer gibt; denn in anderen Ländern unter den Wendefreijen wird es wohl ebenjo fein wie in Brajilien. Sogar als Berbreiter von Pflanzenfamen fommen die Fledermäufe in Betracht und wetteifern in Diejer eigentümlichen Beziehung alfo ebenfalls mit den Vögeln. Das hat, nach Snethlage, E. Huber, der Leiter des GoeldiMujeums in Para, feit vielen Jahren beobachtet. Er hält gerade die ledermäufe für ‚„„bejonders geeignet, Sämereien weithin zu verbreiten, weil jie jelten die Früchte an Ort und Stelle verzehren, jondern jelbjt ziemlich jchwere Früchte nach einem andern Baum zu verjchleppen pflegen, twahrjcheinlich um jte, ungeftört von ihren Genojjen, verzehren zu können‘. Dreierlei Pflanzen eignen jich, nach Huber, bejonders zur Berbreitung Durch Fledermäufe: 1) die zu den Dalbergieen gehörigen Leguminojen mit Steinfrüchten, hauptfächlicd aus den beiden Gattungen Dip- teryx (Tonfabohne) und Andira. Lebteres bedeutet geradezu Fledermaus, und eine Art (A. inermis) heißt einfach bei den Brajiliern Fledermausbaun; 2) Sapotaceen mit jühem, weichem Fruchtfleijch und verhältnismäßig großen, jchlüpfrigen Samen, die jtch leicht vom leijch trennen und auf die Erde fallen; 3) Bilanzen mit fühen, weichen Früchten und Heinen Samen, die Durch den Berdauungsfanal der Fledermäuje unverändert durchgehen und mit dem Kot wieder ausgeleert werden, ohne ihre Keimfraft zu verlieren: haupt- lächlich Moraceen aus den Gattungen Cecropia, Fieus und wahrjcheinlich noch andere. Die epiphhtiichen Ficus-Arten werden wahrjcheinlich in der Mehrzahl der Fälle durch sledermäufe ausgejät, Die, an der Unterjeite der Blätter hHängend oder im Fluge, ihren Kot auf die Rinde der Bäume und Zweige fallen lajjen. Cine Ficus-Irt, die alljähr- lich im Botanischen arten zu Para Früchte bringt, wird während der Fruchtreife von Hunderten von Fledermäufen bejucht, die mit ihrem SKote die Samen über den ganzen Garten verbreiten. (Mus „Boletim do Museu &oeldi“, 1909.) Dieje Beobachtungen dürften jich nach Snethlage zum größten Teil auf Hemiderma perspicillatum Zinn. beziehen, eine der eigentlichen Blattnafe (Phyllostoma) naheverwandte Gattung und Art. E3 fomımt aber auch vor, und zivar jorwohl bei den Groß- als bei den Stleinflatter- tieren, daß fie noch in eine andere Beziehung zu Pflanzen treten, die mir jonjt nur don Jn- jeften fennen. Man jpricht in der botanischen Literatur geradezu von fledermausblütigen Pflanzen, d.h. Bilanzen, deren Blüten in ähnlicher Weife, tie andere durch Infekten, durch 380 4. Ordnung: Flattertiere. Fledermäufe befruchtet werden, dadurch, daß dieje bei ihrem Bejuche den befruschtenden Hlütenjtaub von einem Baume zum andern jchleppen. Knuth-Kiel Hat im „Botanischen Bentralblatt”, Bd. 52, „Neue Beobachtungen über flevdermausblütige Bilanzen” tieder- gegeben, die %.9. Hart, der Superintendent des Botanischen Gartens in Trinidad, im April 1897 Dort gemacht hat. Er fnüpft dabei einleitend an W. Burd an, der 1892 im Botanischen Garten von Buitenzorg auf Java den Großen Slughund (Pteropus edulis) die Freycinetia befruchten jah, und geht dann zu den Trinidader Beobachtungen an Bauhinia magalandia Griese über, einem Baume bon etwa 10 m Höhe, bei dem es jich um echte Stleinfledermäufe handeln muß, weil e3 ja in der Neuen Welt gar feine fruchtfrejjenden Flughunde gibt. „Seine langen, weißen Blüten gehen in den Abendftunden etwa von 4I—6 Uhr auf; die Dunfelheit jet zur Blütezeit diefer Bilanze (im Sanuar) in Trinidad nämlich gegen 6 Uhr ein. Etiva eine halbe Stunde vorher fan man verjchtedene Arten von Fledermäufen in großer Ge- ihwindigfeit von Blüte zu Blüte fliegen jehen, und wenn jte Dieje verlajjen, jieht man weiße Stronblätter zu Boden fallen. Unterfucht man am folgenden Morgen den Baum, fo zeigt jich, Daß nicht eine einzige Blume volljtändig geblieben ift, jondern daß alle Blüten mehr oder weniger zerrijjen und ihrer langen, weißen Stron= und Staubblätter beraubt find. Ssndem jich die FFledermäufe beim Blumenbejuch niederlafjen, Halten fie jich an den bor- jtehenden Staubblättern fejt und jcheinen Die aufrechten und zurücgebogenen Stronblätter anzugreifen, da dieje vollftändig zerfraßt und in Stüce gebrochen, zuweilen fogar voll ftändig don der Blüte abgerifjen find. Manchmal find auch die Staubblätter an ihrem Srunde furz abgebrochen, während die Narbe felten bejchädigt zu fein jcheint. Cine Honig- abjonderung jcheint nicht ftattzufinden, und es ift Daher wahrjcheinlich, daß die Fledermäuje die Blumen wegen der Injeften bejuchen, die Durch den Blütenduft angelodt werden. Um diefer Infekten habhaft zu werden, nehmen die Fledermäufe eine folche Stellung in ven Blüten ein, daß fie deren Befruchtung herbeiführen. Diejen Bemerkungen fügt Herr 3. 9. Hart in einem an mich gerichteten Briefe (10. Auquft 1897) Hinzu, daß die Blüten noch eines andern Baumes, Eperua falcata, von Fledermäufen bejucht werden: Glossonycteris geoffroyi Gray, eine Fledermaus, deren pinjelfürmige Zunge der eines Kolibris ähnlich ıft, wurde an der Blüte der Eperua im Botanischen Garten zu Trinivad gefangen. Ihr DBe- nehmen beim Blütenbejuch ift demjenigen von Nachtfaltern jo ähnlich, daß jte zuerst für einen jolchen Schmetterling gehalten wurde. Daß jte die Blüten diejes Baumes befruchtet, darüber kann nad) Hart fein Zweifel herrjchen.” Für die Lebensfunde der Stleinflatterer ft bei ver ganzen Sache wichtig, daß es aljo auch Fledermäufe gibt, die im Siben aus Blüten- felchen heraus ihre Snjektennahrung eriverben. Alle Fledermäufe gehen fleifig nach dem Waffer und trinfen fehr viel. Überhaupt trifft man jie am häufigften in der Nähe von Gewäjfern, freilich nicht nur, weil fie dort ihren Durit am leichteften ftillen fünnen, fondern auch weil fich hier Die meiste Beute für fie findet. Die Berdauung aller Flattertiere ift fehr lebhaft. An ihren Schlupfwinfeln jammeln jich Deshalb auch bald große Stothaufen an, und dieje haben einen jo durchdringenden Geruch, daß ganze Gebäude von den Tieren förmlich verpeftet werden fünnen. Dies empfand bechuel-Loefche einmal befonders lebhaft in der Station Alt-Vivi am Kongo, wo die Häuschen mit doppelten Bretterwänden hergeftellt waren. Sn den Hohlräumen hauften Heine Sledermäufe zu vielen Taufenden und fchtwirıten abends jchtwarmmweife aus den Lüden zwichen Dach und Wänden hervor. Der FSledermausfot Fann fich in den Mafjenguartieren zu vollftändigen Guanolagern Allgemeines: Beziehungen zu Pflanzen. Trinken. Verdauung. Kotanhäufung. Wanderung. 381 anhäufen, die durchaus „abbaumürdig” und induftrieller Ausbeutung wert jind. „Eine Fürz- fich bei Uvalde im gleichnamigen teranifchen County entdecdte Fledermaushöhle”, berichtet der „Zoologifche Garten”, 1883, veripricht für ihren Entdeder eine Goldgrube zu werden. Die Wegfchaffung des in ihr mafjenhaft gefundenen Fledermausguanos wird mit Eifer be- trieben. Ein Schienentveg wurde eine ziemliche Strede in die Höhle hineingebaut und auf diefem der Guano mit Dampffraft herausgejchafft. Täglich werden ettva 30 Tonnen gefördert, und man verjendet jie nach Liverpool, wo der Guano 40 Dollar pro Tonne bringt.” Won anderen Fledermaushöhlen berichtet Langfavel aus dem brajiliichen Staate Minas Geraes, bei Aichraf im nördlichen Perjien, aus dem Kalfgebirge von aba, aus dem nördlichen Siam (Bah-at), aus einem Tunnel beim Schlofje Stalaat-en-Nedjchan am Cuphrat. Aus Europa nennt er die ungarische Höhle zivischen Labaslan und Furdos und die polnischen Höhlen füdlich von Dlfuez. Auch in unferm engeren Vaterlande fommen auf alten Siirchenböden „ftaunenswerte, beinahe nach Fudern zu bemejjende Fledermaus- fotmaffen im Laufe von vielleicht mehreren Jahrhunderten” zufammen; jo wurde 3. B. ein derartiges Lager nach Altums Bericht 1874 auf dem Getwölbeboden der alten Maria- Magdalenenfirche in Minfter entdedt, das von der Niejenfledermaus herrühtte. Sehr eigentümlich ift die Art und Weife, wie die Fledermäufe jich ihres Unrates ent- feeren. Man fann dies von vornherein annehmen, wenn man eine aufgehängte Fledermaus anfieht; doch muß man fie bei jenem Gejchäfte beobachtet Haben, wenn man jich eine rechte Borjtellung machen toill. Jede Fledermaus, die ihren Stot von jich geben will, muß jich näm- (ich in eine wagerechte Lage bringen, um dies tun zu fünnen. Gie läßt dabei einen ihrer Hinterfüße lo8 und ftößt mit ihm gegen die Dede, um in eine jchaufelnde Bewegung zu ge- langen. Nachdem fie gehörig in Schwung gefommen tft, greift jie mit der Daumenfralle des ausgeftreckten Armes an die Dede oder an eine andere, ihr nahehängende Fledermaus und Hammert jich hier an. Nunmehr ift fie in der geeigneten Lage, um ihr Bedürfnis ver- tichten zu fönnen. Das Harnen bejorgt das Flattertier entweder in twagerechter Lage, oder aber indem e3 fich, tie dies beijpielsweije die Flughunde regelmäßig tun, mit den Daumen- fralfen alfein aufhängt und den untern Teil des Leibes frei Hängen läßt. „Die meijten Fledermäufe”, jagt Koch, „Harnen auch im Fluge, wie man dies auf eine jehr empfindliche Weife wahrnehmen fann, wenn man einen unmittelbar über jich hängenden Klumpen aufjcheucht. Das Miften fommt dabei ebenfalls vor, aber jeltener. Biele von ihnen haben die Gewohnheit, wenn fie am Niden oder Halfe gefaßt werden, ihren Angreifer mit Harn zu bejprißen.“ Eine bemerfenswerte Beobachtung hat Heuglin gemacht: die Fledermäuje Afrikas ziehen ihrer Nahrung wegen den Herden nach. „In den Bogosländern“, berichtet diefer Forjcher, „tird fehr ftarfe Viehzucht getrieben, und die Herden fommen, wenn in ferneren Gegenden bejiere Weide und mehr Trinfwaifer jich finden, oft monatelang nicht zu den Wohnungen der Beier zurüc. Bei unferer Ankunft in Keeren waren alle Ninderherden jamt den Miyria- den von Fliegen, welche fie überallhin begleiteten, in den Tiefländern des Barfa und Fleder- mäufe hier auferordentlich jelten. Gegen Ende der Regenzeit jammelten fich auf etiva einen Monat faft alle den hiefigen Bogos gehörigen Herden in der nächjten Umgebung, und gleich- zeitig exfchienen die infektenfrejjenden Dämmerungs- und Nachtfledermäufe in ganz unglaub- licher Anzahl; mit Abzug der legten Herde verichtwanden auch jte jpurlos wieder. in Der Tracht vom 30. September auf den 1. Oftober lagerten toi auf einer drei Stunden jüolich: bon Keeren gelegenen Hochebene in der Nähe von Umzäunungen, die zur Aufnahme vorn 382 4. Ordnung: Flattertiere. Nindvieh beftimmt waren. Da jic die Herden in anderen Teilen des Gebirges befanden, be- obachteten wir nur ein oder zwei Fledermäufe auf der für dieje Zamilie äußert günftigen Ortlichfeit. Tags darauf fehrten die Herden an die bejagte Stelle zurüd, und jchon an dem- jelben Abende hatte die Anzahl der Fledermäufe ganz auffallend zugenommen. &3 entjteht nun die Trage, ob fie wirklich ihre Standorte ändern oder von diejen aus allabendlich oft weite Sagpdflüge machen, um die Fliegen aufzujuchen, welche die Herden begleiten. ch glaube an eine Veränderung der Standorte, weil an den betreffenden Stellen die Tiere abends jo zeitig erjcheinen, daß fie unmöglich auf dem Plate fein fünnten, ohne ftunden- lange Neifen bei Tage gemacht zu haben, und ich habe hier niemals Fledermäufe vor Der Abenddämmerung fliegend entdeden fünnen.” ‘ch meinesteil3 habe während meiner früheren Nteifen in Afrifa nicht eben jehr auf die Yledermäufe geachtet, wohl aber auf meinen leßten Sagvausfluge nach ebendenjelben Gegenden, von denen Heuglin jpricht, und fann ihm nur recht geben. Sn Weftafrifa beobachtete Bechuel-Loejche während der Trodenzeiten mehrmals Balmenflugdunde in Schwärmen, die Taujende zählten, wie fie bei einigermaßen bedectem Himmel jogar am Tage in bejtimmter Nichtung wanderten, und zivar vornehmlich an der stüfte, einmal aber auch am obern Kongo. Dort find dDiefe Wanderzüge wohlbefannt jomwie auc) die Neigung der Tiere, im Gebirge gewiljen Landmarfen und Einjattelungen zu folgen. An diejen Stellen haben die Eingeborenen hohe Galgen errichtet, an denen zahllofe funftvolt verbundene Schlingen ein weit gejpanntes, wirres Neßwerf bilden, in dem die Ylughunde ich fangen. Haade beobachtete bei den Flughunden Neuguineas ein Wandern in der Morgendämmerung. Eines Morgens zählte er nach und nach etwa 1000 Flughunde, Die einzeln over in Heinen Scharen alle in derjelben Richtung den Stridlandfluß Freuzten. E3 ift jehr wahrjcheinlich, daß weit mehr unferer Flattertiere, al3 wir annehmen, twanvern, objchon in bejchränfterer Weije als die Vögel. Daß einige Fledermäufe bei uns manchmal von der Höhe zur Tiefe und umgekehrt ziehen, ja daß jie gegen ven Winter Hin nach jüdlicher gelegenen Gegenden pilgern, war längjt befannt. Mitunter nämlich findet man im Sommer Fledermäufe in einer Gegend, ivo fie zu anderen Jahreszeiten nicht vor- fommen. ©o verschwindet, laut Koch, „Die Umberfledermaus, Vesperugo nilssoni K. et Blas., aus einem großen Teile des nördlichen Rußland, wandert bis Schlejien, Mähren, Dber- jranfen, ja jelbft bis in die Alpen und überwintert hier. Ebenjo jieht man die Teichfleder- maus, Vespertilio dasyeneme Boie, während des Sommers immer in den norddeutjchen Ebenen über Flüffen und Seen hin und her fliegen, begegnet ihr aber um diejelbe Zeit nur ausnahmsiweije in den Gebirgen Mitteldeutjchlands, wogegen im Winter Feljenhöhlen Diejer und anderer Gebirge gerade von ihr jehr häufig zum Überwintern benußt werden. In den Wäldern Hejjens hält es äußert jchiver, im Winter eine Specdmaus, Vesperugo noctula Schreb., aufzutreiben, obgleich Baumhöhlen genug vorhanden find, die zu ihrem Aufenthalte geeignet erscheinen; im Sommer dagegen jieht man dieje Fledermaus häufig genug über den Babungen umberjchtvärmen, und im Taunus und im Lahntale übertwintert fie regelmäßig, ohne daß im Sommer eine größere Anzahl von ihnen vorhanden fein dürfte als dort, vo fie nicht überwintert. Wenn die Beobachtungen über das Wandern der Fledermäufe nicht jo Ihrvierig wären und öfter Darauf geachtet twiirde, dürfte eine größere Anzahl von geeigneten DBeijpielen vorliegen, als jet noch der Fall ift. Ir heißen Ländern, tvo die Fledermäufe in jo großer Wienge auftreten, fällt ihr Wandern mehr auf. Viele ziehen fich zur Zeit der Dürre in das Gebirge, andere fuchen jogar ferne Gegenden mit der von ihnen vorher bewohnten zu Allgemeines: Wanderung. Wärmebedürfnis. 383 vertauschen, fehren aber nach einiger Zeit wieder dahin zurüc; einige jcheinen in den Fäl- teren Jahreszeiten dem Aquator näher zu rücen, und wieder andere ziehen in den wärmeren Monaten nach fühleren Gegenden oder höher nach dem Gebirge. Jr manchen Fällen jcheint der Grund des Ortswechjels in den Elimatijchen Verhältnifjen zu liegen, in den meijten Fällen aber ziehen unjere Tiere den nfekten nach.” Für nordamerifaniiche Fledermäuje hat Hart Merriam, der vewdienftvolle Faunift der Vereinigten Staaten, regelmäßige Wanderungen nachgewiejen, und zivar jind e3 nach jeinen Forichungen in erjter Linie die Baumhöhlen- berwohner, die wandern; denn in ihren Berjteden jinft die Temperatur mit der der äußern Zuft, während fie fich in tiefern unteriwdijchen Höhlen eher in gemwijjen mäßigen Grenzen hält. Dieje Winterwanderungen nordamerifanijcher Fledermäufe dehnen jich bis auf die Bermuda-Injeln aus, und die Tiere erjcheinen bei diejer Gelegenheit regelmäßig an gerijjen einfamen Leuchttürmen. Für flugbegabte Warmblüter gibt eg eben außer dem WWinter- ichlaf noch eine zweite Möglichkeit, über Kälte und Nahrungsmangel Hinwegzufommen: die Wanderung, und es ift nicht mehr wie natürlich, daß auch diejes Nüttel von den Fleder- mäufen angewendet wird. So liefern jte annähernd eine Parallele zu den Zugbögeln! Wärme ift für alle Fledermäufe notwendige Bedingung, und zivar nicht allein de3- tegen, weil durch jie das Leben der Injeften geiveckt wird, jondern auch, weil jene an und für jich Kälte verabjcheuen. Das häufige Auftreten der Flattertiere in niederen Breiten hängt gewiß mit dem dort reicheren Jnjeftenleben zujammen; die Wärme jener Länder aber jcheint ihrer Entwidelung ebenfalls in hohem Grade förderlich zu fein. Bei uns zulande jeßen fich nur wenige Fledermäufe unmittelbar der Sonne aus, indem jie in den Nachmittags- jtunden umberfliegen; in den Wendefreisländern geben jte jich oft geradezu den Sonnen- jtrahlen preis, und zwar tun dies feineswegs nur die Jlughunde, die ihren Tagesjchlummer jehr Häufig ohne alfe Rüdfjicht auf Schatten an den fat oder ganz entlaubten ften der Bäume halten, jondern auch Glatt- und Blattnafen. So erwähnt Schomburgf einen Vampir (Phyl- lostoma bidens Spix), der in großen Gejellichaften vorzugswetje an eljen lebt und über Tag an den Stämmen der Uferbäume, meift 2—3m über dem Boden, zum Schlafen jich auf- hängt, nicht aber an der Schatten>, fondern an der Sonnenjeite, um jich recht tüchtig be- jteahlen zu lafjen. „Sr noch größeren Scharen“, jagt er, „Fand ich jie an den über den Fluß- ipiegel eniporragenden Feljen. Näherten wir uns einer jolchen Stelle, dann flogen jie von ihrem NRuheorte von jelbft tweg oder wurden durch die Indianer dazu genötigt, die je mittels der Auder mit Wafjer bejprißten. Nun fteichen fie einige Male an den Ufern auf und ab und jeßten fich darauf an ihrem alten Plabe wieder an.” Daß die Fledermäufe bedeutende Hite- grade aushalten fünnen, beweijen uns jchon diejenigen unter ihnen, die auf Dachböden, unter Sirchendächern und an ähnlichen Orten den Tag verbringen, unbefimmtert um die drücende Wärnte, die hier zu herrfchen pflegt, noch mehr aber die jüdländischen Arten. Ein $rämler (Nyctinomus brasiliensis Js. @eoffr.), die häufigite Fledermaus Südbrafiliens, febt, Yaut Henfel, „oft in großer Menge unter den Schindeldächern alter Häufer und fann einen unglaublichen Hiegrad aushalten, da namentlich im Sommer die Schindeln durd) den Sonnenfchein jo erhißt werden, daß man fie mit bloßen Füßen, ohne Schaden an diejen zu erleiden, nicht betreten könnte”. Auch das dichte Zufamımendrängen der Fledermäufe, durch das bedeutende Wärmegrade entwidelt werden müjjen, gibt anderweitige Belege für dieje Tatjachen. Die meijten Arten werden durch rauhe Witterung, Regen oder Wind in ihren Schlupfwinfeln zurüdgehalten; andere fliegen zwar an falten Abenden, immer aber nur furze Zeit, und fehren jo fchnell wie möglich wieder nach ihren Schlafpläßen zurüd. 384 4. Ordnung: Flattertiere. Hierbei [pricht allerdings der Umstand mit, daß an rauhen Abenden ihr Umherfliegen ziem- fich nublos ift, weil dann auch die Snjekten jich verborgen halten und ebenfo jeder nur etwas heftige Wind ihren Flug ungemein erjchtvert, da befanntlich bloß die jchmalflügeligen Arten einem einigermaßen heftigen Luftzuge Troß bieten fünnen. Haade beobachtete in Süpd- auftralien monatelang eine Fledermaus, die regelmäßig an einem bejtimmten Plate hinter einem Fenjterladen ven Tag zubrachte. Crhob fich aber während der Nacht ein Sturm, jo blieb ebenjo regelmäßig am folgenden Tage ihr Schlafplaß leer. Mit Eintritt der Kälte fallen die meiiten in höheren Breiten lebenden Fledermäufe in einen mehr oder weniger tiefen Winterjchlaf von längerer oder fürzerer Dauer, ent- Iprechend dem ftrengeren oder milderen Klima ihrer Heimat. Mit Beginn der rauhen Jahres- zeit jucht jede Art einen vor den Einjlüjfen der Witterung möglichit gefchüßten Schlupf- winkel auf: Höhlen, Sellergemwölbe, warme Dächer, Dachjparren in der Nähe von Eijen und dergleichen. Diejenigen Arten, die noch am wenigjten empfindlich gegen Kälte find, unterbrechen den Winterjchlaf bisweilen, erwachen und fliegen in ihren gejchüßten Schlupf- winfeln hin und her, wie e3 jcheint, weniger um Beute, als um fich Bewegung zu machen. Einzelne fommen wohl auch ins Freie und flattern eine Zeitlang über der fchneebededten Erde umher; Die Mehrzahl aber chläft ununterbrochen. „Die Orte”, jagt Koch, „welche Die Sledermäufe zu ihrem Winterjchlafe wählen, find nach den Arten verjchteden und ftimmen zivar manchmal, doch bei weitem nicht immer, mit denen überein, an denen jte jich zur täglichen Ruhe im Sommer niederlafjen. So find 3.8. die Blattnafen an Sommtertagen in venjelben Höhlen anzutreffen, in denen jte auch ihren Winterjchlaf halten; fo rajten die Bufch- jegler (Nanugo) gewöhnlich in Nigen derjelben Gebäude, in die jte im Winter fich tief zurücd- ziehen, und dergleichen Beijpiele mehr, während die Mäufeohren oder Nachtjchivirrer (Myotus murinus Schreb.), die im Sommer in zahlreichen ©ejelljchaften auf Ktirchenjpeichern haufen, ihren Winterjchlaf vereinzelt in Gruben und Höhlen halten, oder die Gleichohren (Isotus), die während des Sommers in Bäumen raften, im Winter in Gruben und Höhlen teil3 frei hängen, teils in Niben fich einflemmen. Dasjelbe ift bei vielen anderen einheimijchen Arten ver Fall. Aber auch bei den Fledermäufen füdlicher Breiten finden wir, daß der Aufenthalt während Der Negenzeit oder dem furzen gelinden Winter vielfach anders gewählt wird als während der trocinen Zeit: jo bewohnt feine Fledermaus das Blätterdach der Bäume während der Regenzeit; jo ziehen fich die Blutfauger von den offenen Viehjtällen in ge- ichlofjene Gebäude und Höhlen zurüd; fo wandern die Gräner nach unterivdiichen Bauten und Höhlungen, wie die Stummeljchwänze in Baumlöcher fich verfriechen. Entjchieden die meilten Fledermäufe bewohnen während des Winterjchlafes Höhlen und alte unter- iwdiiche Räume, diejenigen Arten, die auch im Sommer bier Haufen, beziehen aber für den Winter wenigftens andere Stellen oder, wo jie die Auswahl haben, jogar andere Höhlen und Gruben. Sm Sommer hängen fie ich mehr in Heinen Räumen in der Nähe der Eingänge auf, hier in Spalten, Nigen und engen Domen fich verjtedend, gerade tvie da, imo fie in offenen Felsipalten jiten; im Winter dagegen findet man fie mehr in gröperen und tieferen Räumen, worin fie fich in die hinteren Teile, in die der Froft nicht eindringen fan, zurücdziehen. Nur wenige Arten fiten auch während des Winterjchlafes in ihren gewohnten Rißen. „Die Stellung, in der die Fledermäufe ihren Winterfchlaf Halten, ift fehr verjchieven und für einzefne Gruppen und Gippen bezeichnend; die einfachfte und regelmäßigjte Haltung während des Winterfchlafes ift die, daß fie fich an den Strallen der Hinterfüße Allgemeines: Winterichlaf. 385 aufhängen und die Flügel jeitlich andrüden. Viele hängen dabei frei jchiwebend unter einer Decke oder einem Gewölbe, die meiften in ähnlicher Weije an den Wänden, ein anderer Teil benußt auch die Vorderglieder mit als Stüße, und fo lajjen ftch noch eine Reihe Beränderun- gen in der Stellung und Lage aufführen. Unter den die wärmeren Länder bemohnenden Fledermäufen gibt e3 einige Arten, die in dem Zuftande der Zurücgezogenheit, wie auch bei ihrer gewöhnlichen Tagesruhe, die Flügel mehr oder weniger ausbreiten und mit ihnen jich gleichjam einen Halt verichaffen. Ein großer Teil der Blattnafen nimmt eine jo merk twürdige Stellung ein, daß man fie im Vorübergehen eher für Pilze als für Tiere halten möchte. Sie find ganz in ihre Flughäute eingejchlagen, hängen frei an den beiden Hinterfüßen, die Schenkelflughaut ift nach dem Rüden hin umgejchlagen, die Vorderarme bilden einen Rücfen- feil und liegen dicht aneinander, Flanfen- und Fingerflughäute umfchliegen den Leib in der Weije, daß die Fingerjpigen nach oben ftehen, der Daumen dient mit zum Berjchluffe, und nur die Nafe tritt hervor, wird aber während des feiten Winterjchlafes auch zurüdgezogen. Faft ebenjo verjchiedenartig ift die Lage der Ohrenhäute. Biele Zledermäufe jtreden Die Ihren möglichjt aus und heben den Dedel dabei, gleichjam al3 ob jte bet der geringeren Kerventätigfeit während des Winterjchlafes jene Organe empfindlicher machen wollen; andere Frümmen die Ohren mehr oder weniger ein; wieder andere drüden den Dedel feit auf die innere Offnung des Ohres; die Ohrenfledermaus legt die langen Ohren unter die jeitlich angedrücten Flügel ujm.” Wa3 von der Gefelligfeit der Fledermäufe gejagt wurde, gilt auch im allgemeinen während ihres Winterjchlafes. ES gibt Gattungen, die ausnahmslos gejellig überwintern und nicht nur nebeneinander, fondern auch in mehreren Lagen dicht aufeinander Hängen, mitunter in Gruppen von verjchiedenen Formen, zujammen mehrere Hunderte von Stüden. Andere gejellig überwinternde Gattungen bededen ganze Wände und Flächen im Innern hohler Bäume, wo fie getrennt nebeneinander hängen; andere überwintern einzeln und finden jich niemaß in Gejelljchaft; wieder andere werden ebenfo einzeln wie gejellig angetroffen. „Es ift eine bemerfenswerte und phyiiologifch Höchjt auffallende Exfcheinung“, fährt Koch fort, „daß ein jo gefräßiges Tier, wie die Fledermaus, das während jeines Wachjeins jo vieler Nahrung bedarf, über ein Drittel feines Lebens ohne alle Nahrung beitehen fann, und daß bei einer auf das geringste bejchränkten Tätigkeit der Ernährungswerfzeuge und des Stoffwechjels in einer warmen und feuchten Atmojphäre die Weichteile jo lange Fräftig bleiben und bejtehen fünnen, ohne mwejentliche ftoffliche Veränderungen zu erleiden. Die Blutwärme der Fledermäufe beträgt in unjerem europätjchen Klima während ihres Lebens im Sommer immer über 32 Grad C (25,6 Grad R); in füdlichen Klimaten ift fie weit höher, und jelbjt bei ung habe ich im Monat Juni beim Mäufeohr 36 Grad C Blutwärme gemefjen. Diefe Bluttvärme jinft während des Winters jehr bedeutend, und der Grad des Herabjinfens ift mehr oder weniger abhängig von der Luftiwärme. Bei den Bewohnern märmerer Yänder, deren Blutwärme bisweilen über 40 Grad C erreicht, ift der Unterjchted gegen den Winter oder die Regenzeit verhältnismäßig nicht fo bedeutend wie bei unjeren nordischen Arten, bei denen die niedere Luftwärme die Körperwärme jo außerordentlich beeinflußt und die Blutwärme jo weit herabjinft, daß die Fledermäufe mitunter erjtarren und nicht twieder zum Leben erwachen. Die niedrigjte Blutwärme fand ich bei der Mopsfleder- maus, die überhaupt ziemlich unempfindlich gegen Witterung zu jein fcheint: jie bezieht für den Winterjchlaf immer die vorderen Teile der Höhlen, Gruben und Gebäude, mo jie faum vor Kälte gejchüßt ericheint. Bei Stüden, die in dem Gemölbe des Dillenburger - Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 208 386 4. Dronung: Flattertiere. Schlojies ziwifchen Steinen, an denen über fuhlange Eiszapfen hingen, übertwinterten, betrug die Blutwärme noch volle 12 Grad ©. Dagegen habe ich niemals an gejchüßteren Stellen ledermäufe beobachtet, deren Blutwärme jo tief ftand; fie betrug vielmehr immer zwifchen 14 und 18 ®rad, in vielen Fällen, namentlich zu Anfang des Winters, fogar 20 Grad und dar- über, von Höheren Wärmegraden gleich nach Beginn des Winterjchlafes nicht zu reden. Ebenjo jintt die Blutwärme nach meiner Erfahrung jtändig mit der Dauer des Winterjchlafes, und die jchlafende Fledermaus erwacht, wenn dies Sinfen einen gemwiljen Grad erreicht hat, der nac meiner Mefjung, je nach der Natur einer beftimmten Art, zwijchen 12 und 18 Grad C ichwanft. Sn tiefen Gruben und Höhlungen, wo die meiften Fledermäufe überwintern, ift nicht wohl, nach unjeren Begriffen und nach der Erfahrung an den menjchlichen Sinnen, eine Ahnung der äußeren Luftwärme anzunehmen; auch ift bei den ununterbrochen winterjchla- enden Fledermäufen eine Zeitrechnung, twwonac) jte die Dauer des Schlafes bemeijen fünnten, undentbar: daher muß eine bejtimmt ausgeprägte phyltologische Urjache ihr endliches Er- twachen bedingen, und dieje jcheint mir in dem für jede Art feitftehenden tiefjten Bunfte der Blutwärme zu liegen. Damit ftimmt auch die mehrfach gemachte Beobachtung überein, daß die Fledermäufe, die jich an wenig gejhügten Orten befinden, mitten im Winterjchlafe eriwachen und rege iwerden, jobald die äußere Wärme und damit die Blutwärme früher berabjinft. Erfrorene Fledermäufe Habe ich mehrfach in Stollen gefunden, wo ein ftarfer Wetterzug die Kälte tief eindringen ließ, oder aber an zu furzen Stollen, two jte vor der ein- dringenden Kälte feinen Cchuß fanden. Dieje erfrorenen Fledermäufe aber waren nicht mehr in der ihnen für den Winterjchlaf eigentümlichen Stellung, fondern ihre Flügel mehr oder iweniger ausgebreitet, und fie lagen teilweije in einer jolchen Stellung am Boden. Auch in der für den Winterjchlaf eigentümlichen Stellung habe ich im Frühjahre tote Fledermäuje gefunden; fie aber waren eingetrocnet und nicht von Kälte erjtarrt. Diejelbe Erjcheinung hat man ebenjo, wenn man ZFledermäuje während des Winterjchlafes oder furz vor demjelben in Bimmer oder dergleichen Näume bringt, in denen Die Wärme niedrig genug it, daß fie in ihrem bewußtlojen Zujtande verbleiben oder twieder in diejen verfallen. Dieje Tatjache jpricht Dafür, daß die Fledermäufe beim Winterjchlafe eine gemwilje Wafjermenge durch die Atmung in jich einführen. „Notwendig für die Erhaltung des winterjchlafenden Tieres ft die Zuführung von Wafjer; denn die Ausjcheidungen der Nieren und der Haut gehen ihren Gang fort, wenn auc) ungleich langjamer al3 bei dem belebten Tiere. Fledermäufe, Die in einer trocnen Luft jich befinden und deshalb feinen Wafjerdampf einatmen fünnen, vertrodnen im Winterjchlafe, jo merfwürdig und wunderbar es auch fcheinen will, daß die Lunge gerade eine entgegen- gejette Tätigkeit verrichtet als bei dem lebenden Tiere, bei dem der Hauch Wafjer aus dem Blute Hinwegführt. Während des Winterjchlafes werden die Abjonderungen des lörpers langjam, aber in ziemlich regelrechter Weije abgeschieden, wobei die dazu bejtimmten Dr- gane alle in Tätigfeit zu bleiben fcheinen. In den Darmfchlauch tritt Galle ein; Die Harn- blaje füllt fich nach und nach mit Harn an, der gegen Ende des Schlafes dunkler gefärbt erjcheint und erft nach dem Erwachen entleert wird; die ausjcheidenden Drüjen der Haut jcheinen während des bewußtlofen Zuftandes bejonders lebhaft zu arbeiten ufw. ber je niedriger die Wärme des Körpers finkt, defto langjamer Fann diefer Prozeß vor fich gehen, und Damit fcheint das Erwachen infolge gejunfener Blutwärme zufammenzuhängen. „Debor die Fledermäufe in ihren bewußtlofen Zustand verfallen, exjcheinen fie jehr wohlgenährt und haben viel Fett zwifchen dem Musfelfleifehe und der Haut tie auch Allgemeines: Winterfchlaf. Fortpflanzung. 887 ztwiichen den Gedärmen., Bei einzelnen Arten, namentlich bei ven Blattnajen, ijt die ett- maffe oft jo bedeutend, daß fie die Fleifchteile an Ausdehnung und Gericht übertrifft. Zm Anfange des Winters ift das Fett jehr flüffig und rein weiß; gegen Anfang Janıtar bemerkt man fchon eine Abnahme der Fettfchichten und ebenfo eine jtoffliche Veränderung, indem das Fett weniger flüffig und dunkler, von durchziehenden Gefäßen bisweilen rötlich gefärbt ericheint. Das Fett nimmt nun immer mehr und mehr an Maffe ab und wird dabei immer dunfler und weniger flüffig, und gegen Ende des Winters, etwa Anfang März, erjcheint der lebte Reft dunfelbraungelb, mit roten Adern unterlaufen. Durchjchnittlich habe ich ge- funden, da eine Fledermaus während des Winterjchlafes etiva ein Sechitel bis ein Fünftel ihres Getichtes verliert. Diefe Abnahme ift größtenteils durch den Fettverbrauch veranlaßt; doch nimmt auch die Fleifchmajje dabei mehr oder weniger ab.“ Schon vor Beginn des Winterfchlafes macht bei ausgewachjenen Tieren der Zortpflan- zungstrieb fich geltend. Bei den Fledermäufen locen die verjchiedenen Gejchlechter, laut Koch, jich durch einen eigentümlichen Ruf, der von dem ärgerlichen Bellen Angriffen gegen- über wefentlich verjchieden ift. Jr warmen Ländern follen die großen Arten jo laut werden, daß fie läftig fallen fönnen. Bei der Liebeswerbung jagen und neden die Männchen Die Weibchen, ftürzen fich mit ihnen aus der Luft herab und treiben allerlei Kurzweil; doch geht diejes Schwärmen und Spielen nicht bei allen Arten der Fledermäufe der Begattung voraus. Lebtere erfolgt bei allen fortpflanzungsfähigen Tieren im Herbfte. „Obgleich die Fleder- mäufe”, bemerkt Koch, „fait jämtlich jehr bifjige, unverträgliche Tiere find, die ich vielfach anfeinden, neden und beißen, jo daß die zarteren Teile oft lebenslänglich die Spuren ihrer Kämpfe tragen, jcheint doch die Eiferfucht nicht immer in ihrer Natur zu liegen, und nament- fich bei einigen Arten fommen merkwürdige Fälle von Verträglichkeit gerade in der Zeit vor, in der die meiften anderen Tiere jeden Funken einer angeborenen Gutmütigfeit verlieren.” So habe ich gejehen, dal; mehrere Männchen der Ziwvergjledermaus e3 ruhig gejchehen ließen, daß ein Männchen zur Begattung fich vorbereitete, ohne im geringjten eiferfüchtig zu werden und jeindfelige Gefinnungen zu befunden, und PBagenftecher beobachtete, daß mehrere Männchen ein und dasjelbe Weibchen ruhig nacheinander begatteten. Die Begattung voll- ziehen die Fledermäuse, indem fie mit den Vordergliedern fich umflammern und teilweije in die Flughaut ich einhülfen. Bald nach ihr trennen fich beide Gejchlechter, und die Weibchen bewohnen num gemeinjchaftliche Schlupfwinfel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz anderen Gegenden umberftreifen. Mein Vater beobachtete, daß lebtere nach DerBe- gattung ganz für fich und ftet3 einzeln leben, während die Weibchen jich zufammentotten und gemeinjchaftlich in den Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupftwinfeln wohnen; er hält e3 für fehr wahrfcheinlich, daß Feine männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dußenden von Fledermäufen, die zufammengefunden wurden, fand er, und fpäter auch Kaup, niemals ein Männchen, fondern immer nur trächtige Weibchen. Erft im Frühjahre löfen fich im Gierftod die Eier und werden von dem in der Gebär- mutter vom Herbjte her befindlichen männlichen Samen befruchtet. Wenige Wochen jpäter werden die Jungen geboren. Das Freigende Weibchen hängt jich, laut Blajius und Stolenati, gegen feine Gewohnheit mit der jcharfen Ktralle beiver Daumen der Hände auf, rümmt den Schtwanz mit feiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet jomit einen Sad oder ein Beden, in welches das zutage fommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beiht die Alte Den Nabelftrang durch, und das Junge häfelt fich, nachdem e3 von der Mutter abgelecdt worden ift, an der Bruft feit und jaugt. Die blattnafigen Fledermausmweibchen haben in der Nähe 25* 388 4. Ordnung: Flattertiere, der Schanteile zivei furze, zienartige Anhängjel von drüjiger Beichaffenheit, an die fich die Jungen während der Geburt jofort anfaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil dieje FSledermäufe während des Gebärens ihren Schwanz ziviichen den beiden eng aneinander gehaltenen Beinen zurüd auf ven Rüden jchlagen und feine Tajche fir das an das Licht tre- tende Junge bilden. Später friechen auch dieje Jungen zu den Bruftzigen hinauf und faugen jich dort fejt. Sie bleiben aber natürlich nicht unbeweglich in diejer Stellung. Der originelle Münfterländer Zoolog Landois hatte das Glücd, „Die Art und Wetje längere Zeit beobachten zu fünnen, ipie fich die jungen Fledermäufe an dem Leibe der Alten fejthalten. E3 war eine jpätfliegende Fledermaus, die ein Junges bet jich trug. Das Junge maß, von der Schnauzenz= jpite bis zum Schwanzende gemefjen, 76 mm und ivar noch völlig blind. Die meifte Zeit hatte jich das Junge an einer Ziße der Bruft angejogen. Aber auch alle möglichen anderen Stellungen nahm das muntere Tierchen an. Bald befand e3 jich unter der Schwanzflug- haut, bald unter der Seitenflughaut und den Flügeln. Die fünf Strallen der Hinterfüße Ichlugen jedesmal tief in den Pelz der Alten ein. Sehr häufig machte das noch blinde Junge beim Umberfriechen mit. den Stiefern eine jchnappende Bewegung. Die Alte ftarb bald in ver Öefangenfchaft, und das Junge überlebte diejelbe noch fünf Tage, ohne den Leichnam der Mutter auch nur einen Augenblid zu verlajjen”. Alle Flattertiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit fich umher, und zwar ztemlich lange Zeit, jelbjt dann noch, wenn die Heinen Tiere bereits jelbit recht hübjch flattern fünnen und zeitiveilig die Bruft der Alten verlafjen ; daß leßteres gejchieht, habe ich anı Fleder- mäufen beobachtet, die ich in den Urwäldern Afrikas an Bäumen aufgehängt fand. In etwa 6—8 Wochen haben die Jungen ihre volle Größe erreicht, lajjen fich aber bis gegen den Herbft und Winter Hin an dem plumperen Kopfe, den fürzeren Gliedmaßen und der dunfleren Färbung ihres Belzes als Junge erfennen und fomit von den Alten unterjcheiden. Eine noch ungeborene Fledermaus hat ein jehr merfwürdiges Anjehen. Wenn fie jo weit ausgebildet it, daß man ihre Glieder erfennen, die Flughaut aber noch nicht wahrnehmen fann, hat jie mit einem ungeborenen Menfchentinde eine gewijje Ahntichkeit. Die Hinterfühe jind viel Feiner als die vorderen, nur die bortretende Schnauze zeigt das Tierifche; aber der Bau des Leibes, der furze, auf dem Bruftforbe jigende Hals, die breite Bruft, die ganze Gejtalt der Schulterblätter und bejonders die Bejchaffenheit der Vorderfüße, die mit ihren noch furzen Fingern eine Art Hände bilden, erinnert lebhaft an den menjchlichen Keimling in einem frühen Zuftande feiner Entwicelumng. „Der dvorurteilspolle Menjch”, jagt Koch, „hat diejen hHarmlofen Tierchen mancherlei Verleumdungen zuteil werden lafjjen, und die große Menge ift mit Abneigung gegen fie er- jültt, anftatt jie im eignen Nußen zu hegen und zu jchüßen. Untichtig jehon ift die Behaup- tung, daß die Fledermäufe den Sped in den Vorratsfammern benagen; denn feine einzige bon ihnen frißt Sped, und der in der Volfsiprache allgemeine Gebrauchsname ‚Spedmaus‘, der auch in die Wiffenschaft übergegangen ift, jcheint daher zu fommen, daß die Fledermäufe zum Zmede ihrer Erhaltung während des langen Winterfchlafes unter der Haut ehr beträcht- liche Spedmafjen ablagern und diefe zum Vorfcheine fommen, wenn man ein Tier gewalt- jam tötet und dabei die zarte Haut zerreißt. Später hat man aus dem Namen die angedichtete Sünde abgeleitet, welche Anficht noch eine wefentfiche Unterftüßung in dem Umftande fand, daß jich die fogenannten Spechmäufe gern in dunfeln Räumen verbergen umd daher auch vielfach in Spec- und Näucherfammern angetroffen werden. Ein allgemein verbreiteter Aberglaube, daß fich die Fledermäufe in die Haare verwideln und nicht mehr daraus zu Allgemeines: Jungenaufzucht. Ungerechte Beurteilung. Nußen. 389 entfernen jeien, entbehrt ebenfalls aller Begründung. Eine Fledermaus geht niemals aus freiem Antriebe in das Stopfhaar eines Menjchen. Allerdings verjtehen namentlich die großen Arten feinen Spaß: wenn fie gefangen werden, beifen jte fräftig zu, und ihr Gebiß wie ihre Strallen find fcharf, und einige von ihnen fünnen tiefe Wunden beibringen. Wenn fie nicht mehr imstande find, ihren Nachjtellern zu entgehen, werden fie zornig und mitunter mutig und wiljen ihre natürlichen Waffen jehr gewandt zu gebrauchen; aus freien Stüden greifen jie aber niemals an und zeigen jich in ihrem ganzen Wejen als äußerjt Harmloje Gejchöpfe. „Der Aufenthalt der Fledermäuse im Dunkeln, das Mäufeartige des Körpers, die mun- derlich geftalteten dunfelhäutigen Flughände jowie der mitunter abjchredende Gejichtsaus- druck und die unangenehm Freiichende Stimme der Fledermaus geben der ganzen Erjchei- nung etwas Unheimliches, was jchon die Alten gefühlt Haben mögen. Während die guten Geijter mit Flügeln der Taube erfchienen, entwarf man das Bild der böjen Dämonen mit den Flügeln der Fledermaus. Lindiwurm und Drache, jene fchredenden Phantajiegebilde, hatten ihre Flügel von der Fledermaus entliehen, wie noch heute das Zerrbild des Teufels mit Fledermausflügeln oder das Heer der böjen Geijter, die der heilige van austreibt, in Geftalt von Fledermäufen erjcheinen. Solche Bilder wirken jchon auf das findliche Gemüt der Jugend twie auf den für Aberglauben empfänglichen Sinn des ungebildeten Volfes und erregen Abfjcheu und Haß gegen die Tiere, die Anjprüche auf Schonung und Hegung baben. Daher fei e8 die Aufgabe des bejjer Unterrichteten, jeine Stimme für die verleum- deten Wohltäter zu erheben. Bei Erwägung ihres großen Nubens verlieren dieje Tiere jchon vieles bon ihrer angeborenen Häßlichkeit, und wenn man die jchönen warmen Sommerabende im Freien verbringt, erjcheinen die Fledermäufe in ihren gejchieten Flugwendungen als eine freundliche, befebende Erjcheinung der jtillen Landjchaft.” Der Nuben, den die meiften Mitglieder der jehr zahlreichen Ordnung dem Menjchen feiften, übertrifft den Schaden, den fie ihm unmittelbar zufügen, bei weitem. Gerade wäh- rend der Nachtzeit fliegen fehr viele von den jchädlichiten Snfekten und bieten jich jomit den Sinnen ihrer Feinde. Außer Ziegenmelfern, Kröten, Jgeln und Spigmäufen jtellen um Dieje Zeit nur noch die Fledermäufe dem erwig Friegsbereiten, verderblichen Heere nach, und die auffallende Gefräßigfeit, die allen Flattertieren eigen ift, vermag in der Bertilgung der Sterfe wirklich Großes zu leiften. Hiervon kann man fich einen oberflächlichen Begriff verjchaffen, wenn man die Schlupfiwinfel der Fledermäufe unterfucht. „Fußhoch”, jagt Koch, „Legt hier der Kot aufgefchichtet, und die nähere Unterjuchung ergibt, daß die einzelnen Klümpchen aus Teilen fehr vieler und verjchiedenartiger Kerbtiere bejtehen. Ar 1 ccm Fledermausfot fanden wir 41 Schienbeine verjchiedener größerer und Hleinerer Kerfe, und da nun in alten Nuinen, auf Kirchböden ufto. ficherlich zumeilen mehr al3 1 cbm Fledermausfot aufgejchichtet liegt, wirden in folchen Haufen gegen 1'/, Million Kerbtierleichen enthalten jein. Freilich rühren die großartigen Anhäufungen nicht aus einem Sommer her, und viele Fledermäufe iind an ihnen beteiligt; Dagegen iftaber auch in Betracht zu ziehen, daß gemwiß; nur der Heinjte Teil des Notes von der Fledermaus an der Stelle der Tagesruhe abgelegt wird, fondern daf die Darmentleerungen gewöhnlich während des Fluges im Freien vor jich gehen.” Man mwirde eine große Lifte aufzuftellen Haben, wenn man alle die Schmetterlinge, Kterfe, Fliegen und jonftigen Snfeften aufführen wollte, die, als den Fledermäufen zur Nahrung dienen, feftgeftellt wınden, und es mag daher die Angabe genügen, daß fie gerade unter den jchäd- lichften Arten am bejten aufräumen, während ihnen die nüßlichen, die meiftens bei Tage fliegen, faum zur Beute fallen. Alle bei uns zulande vorfommenden Sledermäufe bringen 390 4. Ordnung: Flattertiere. uns nur Nusen, und die wenigen, die Schädlich twerden können, indem fie Früchte freijen, gehen uns zunächjt nicht3 an, wie auch die Blutfauger feineswegs fo jchädlich find, wie man gervöhnlich gejagt hat. Nach den neueren und zuderläjjigiten Berichten töten die blutfaugen- den Fledermäufe niemals größere Tiere oder Menjchen, jelbjt wenn fie mehrere Nächte nach- einander ihre Nahrung aus deren Leibern jchöpfen jollten, und die fruchtfrefienden Flatter- tiere leben in Yändern, wo die Natur ihre Nahrung jo reichlich hervorbringt, daß deren Ver- brauch durcch jte num da fühlbar wird, two der Menfch mit befonderer Sorgfalt gewijje Früchte anbaut. Trogdem dürfen wir die ganze Ordnung im allgememen als ein nüßliches Glied in der Stette Der Yebewejen betrachten, und auch die moderne Forjtverwaltung follte jie und ihre Schlupfivinfel im Walde im eignen Snterejje des Waldes vielleicht noch ettwas mehr jchonen. So berichtet ein Mitarbeiter dem „Deutjchen Tierfreund”, 1905: „Die Ohren- jledermaus tft diejenige, die mit der Frühfliegenden Fledermaus in den hohlen Bäumen des Waldes rajtet und ihren Winterjchlaf hält. Solche Bäume führten von alters her den Kamen Fledermausbäume. Infolge der modernen Foritwirtjchaft find Dieje Fledermaus- bäume ausgerottet worden, die Zahl der Waldjchädlinge, wie des Nonnenjchmetterlings, des Borfenfäjers und des Prozejitonsjpinners, hat zugenommen, und dadurch find größere Bermpüftungen in den Waldungen zu verzeichnen gewefen. LS ich im Jahre 1860 Hauslehrer im Haufe eines DOberförfters im Thüringer Walde war, hatte ich Gelegenheit zu jehen, wie im Walde im Auftrage der Forjtbehörde eine größere Anzahl jolcher hohlen Bäume gefällt wurde. Sn den Bäumen waren mehrere Hunderte von Fledermäufen zu finden, die an Er- Itarrung elendiglich dahinstarben. Zu Anfang diejes Jahrhunderts wurde in der Gegend von Hanau eine große Anzahl von alten Eichenbäumen gefällt, in deren hohlen Stämmen und Äften fich viele Taufende von Fledermäufen zum Winterichlafe zufammengefunden hatten. Beim Zerjägen und Zerjpalten der Bäume famen viele Tiere teils durch die Kälte um, teils wurden jie mutwillig getötet. Die Folge hiervon war eine rajche Zunahme der Brozejjionsraupen, deren Schmetterlinge meift von den Fledermäufen tweggefangen worden waren. Bon da ab nahmen aber dieje \njeften dermaßen zu, daß im Laufe der folgenden Jahre zuerjt die gefamten Eichen und nachher viele andere Bäume der Ungegend meilen- weit vernichtet wurden.” Die Alten gedenken der Fledermäufe in der Regel mit noch größerem Abjcheu als unjere unfundigen Männer und zimperlichen Frauen, und felbft die alten apypter, diefe ausgezeich- neten Forjcher, mögen eine Abneigung gegen fie gehabt haben, weshalb jte deren bildliche Darftellung möglichit vermieden. Bis in jpätere Zeiten wurden die Fledermäufe jelbjt- veritändfich zu den VBögeln gerechnet, obgleich jchon der alte Gesner hervorhebt, daß die Sledermaus ein Mitteltier zwifchen einem Vogel und einer Maus fei, aljo billig eine jliegende Maus genannt und weder unter die Vögel noch unter die Mäufe gezählt werden fünne. Bon den Fledermäufen jagen die Deutjchen diefen Reim: „Ein Bogel oh’ Zungen, Der jäugt feine Jungen.” Die von Gesner gegebene Zujammenftellung aller richtigen und unrichtigen Beobachtungen der Alten über die Fledermäufe und die Bertvendung der leßteren zur Vertreibung aller möglichen Stranfheiten find in hohem Grade erheiternd. „Die Flädermauß ift ein onreiner Vogel, nicht allein im jüdifchen Gejeß verbotten, jondern auch ein Greumel anzufehen. Nimb ein Flädermauf, hat jhr den Kopff ab, derre bnd zermahle fie, darvon gib denn jo viel als du in dreyen Fingern behalten magft, mit Allgemeines: Nuten. Fledernrausbäume. Gefchichtliches. Artenzahl. Literatur. Vorgefchihte. 391 einem Shrup prnd Ejjig dem Stranfen zu trinken. Oder jo du jıben feijte geföpffte Flädermäuf genommen, bnd wohl gereiniget haft, jo jchütte in einem vergläferten Gejchirr Ejjtg Darüber, ond fo dur das Gejchirr wol vertrichen haft, fo ftell eg in einen Dfen, daß es darinn foche, Darnac) jo du das Gefchirr widerumb aufgezogen pnd gefältet haft, jo zertreibe die Fläder- mäuß mit den Fingern im Ejfig, darvon gib dem Kranden alle Tag zwei Quintlein jchwer zu trinken. Dann diefe Urbney hat man erfahren (erprobt), al3 Auicenna von den Arbnegen dep Milßes Iehret. Ein Salb jo das Haar hinweg nimbt: Lege viel lebendige Flävdermäuß in Bech, laß jte darinn verfaulen, ond fchmire einen Ort damit two du milt, al3 Galenus lehret. Zum Podagra: Nimb drey Flädermäuß, pnd foch die in Negenmafjer, darnach thu diefe ftüc darzu, zermahlten Leinfamen vier Vn&, drei rohe Eyer, ein Becherlein Del, Rinder- faat, vnd Wachs, eines jeden vier Bnt. Dif alles zufammengethan, rühre under einander, bnd jo du denn jchlaffen gehen mwilt, jo leg e3 etiwan did vber, al3 Galenus lehret. Für das Gefücht der Hände ift Flädermäußöl dienftlich, welches aljo bereitet wirt: Nimb zroöfff Flädermäuß ond Safft von dem Kraut Almarmacor oder Marmacor genennt, welches bon etlichen für St. Sohannesfraut oder Melijjen gehalten wird, vnd alt Del, (ana) libram .p. Dfterlucey, Bibergeil, ana drach. itij. Coftt drach. itj. Diß joll gar eingejotten werden, daß fein Safft vom Kraut, fondern allein da3 Del verbleibe, als Auicenna lehret. Dei Viehes Krimmen, fo es im harnen erleidet, wirt mit einer angebundenen Flädermauß gelegt, lehret Plinius. So der Habich den Hinfallenden Siechtag hat, jo foch Flädermauf, nd gib ihm die zu efjen, es hilfft. Dem Hagenden ond mweinenden Habich wirjf eine Fläder- mauß für zu ejfen, welcher drei Körnlein von Läußfraut gejjen hab, vnd binde jpn an Die Stang, dämwet er nicht bald, fo wirt er zween Tag weinen, hernach aber wirt er auf hören, al3 Demetrius Conjtantinopolitanus zeuget.” Die Anzahl der vorweltlichen Fledermäufe, von denen man Stunde erlangt hat, ift jehr gering. In dem Bernftein hat man Fledermaushaare und in verichiedenen Steinbrüchen verfteinerte Anochenüberrefte der Handflügler gefunden. Dagegen fennt man nahezu 600 jicher unterjchtedene Arten lebender Flattertiere, von denen auf Europa ungefähr 35 fommen. Eine außerordentlich große Formverjchiedenheit, troß der hnlichfeit im ganzen, macht die Einteilung und Beftimmung der Flattertiere felbjt für Forjcher jehr jehwierig. Uns genügt e8, einige der eigentümlichten Formen zu betrachten. Wer jich genauer über den Gegen- stand unterrichten will, nehme Karl Koch Buch: „Das Wefentlichjte dev Chiropteren”, zur Hand: das Lefen diejes vortrefflichen Werfes hat mir einen Genuß bereitet, wie jelten ein anderes ähnlicher Richtung. Zufammenfaffende fyftematifch-wifjenschaftliche Werte über Die Handflügler find: Dobjon, „Catalogue of the Chiroptera in the Collection of the British Museum“ (London 1878); Matfchtie, „Die Megachivopteren des Berliner Mujeums für Naturkunde” (Berlin 1899); Gerrit ©. Miller jr., „The families and genera of Bats“ (Wa- Ihington 1907). Da e3 fchwer, wenn nicht unmöglich ift, über das erdgejchichtliche Alter und die Stammesgefchichte der Handflügler des Näheren Har zu werden, jind wir, genau genommen, zum Berzicht auf eine natürliche, „auffteigende” Anordnung genötigt. Man betrachtet es allgemein als felbjtverftändlich, daß die Handflügler, weil zumeijt fliegende Snjeltenjäger, bon Urinjeftenfreffern, Vorläufern der heutigen, ohne Flugbegabung abjtammen; aber paläontologische Belege für diefe Grundanfchauung durch Fofjilfunde gibt e3 nicht, wenigjtens bis jeßt nicht. Was wir aus dem älteften Tertiär, dem Cozän Europas und Amerikas, von 392 4. Ordnung: Flattertiere. Unterordnung: Öroß-Flattertiere. Handflüglerreften fennen, find bereits echte injeftenfrejjende Fledermäufe, und die jüngeren tertiären Formen aus dem Pleiftozgän Europas und aus brafiliichen Höhlen find den leben- den ganz nahe verwandt. Erite Unterordnung: Groß-Flattertiere (Megachiroptera). ©o bleiben wir denn bei der allgemein üblichen Boranftellung der Unterordnung der Fruchtfreier, Slughunde, over, wenn man ihren wiljenfchaftlichen Namen verdeutfchen will, Öroß-7slattertiere (Megachiroptera), obwohl deren Pflanzenfrejjertum unbedingt eine wejentliche Um- und Weiterbildung vom injeftenfrejjenden Stamme her bedeutet. Eine Weiterbildung aber, die vermöge derjelben Nahrungsveränderung auch innerhalb der Drd- nung der eigentlichen Snjektenfrejjer jehon bei der Zamilie der Spibhörnchen fich anbahnt, an zanN — 5 z " NN \ N fl \ A 11 au H "Wi 17 L | ee 1 \ j d / Y IF I I ser ea Gerippe des Kalong. 1ıo natürliher Größe. Aus den Berliner Anatomifhen Mufeunt. die toir deshalb ans Ende geitellt haben. Die Bflanzennahrung beeinflußt das Gebif und vereinfacht die Form der Zähne, wie oben fchon hervorgehoben; das ijt bei den verjchiedenen Gattungen deutlich zu verfolgen. Sm übrigen aber trägt der Leibesbau das Gepräge einer größeren Urjprünglichfeit und Einfachheit als bet den injeftenfrejjenden Verwandten. Der Schädel ist geftredt, die Augen groß, Naje und Ohren ohne bejondere Anhängjel und Aufjäge, und daß die Zahnreihe jo wenig gejchlofjen fteht, macht erjt recht einen primitiven, altertüim- lichen Eindrud. Auch die Flughaut zeigt einen noch weniger weit getriebenen Umbildungs- zuftand dadurch, daß der befrallte Daumen noch verhältnismäßig lang, ferner der zweite Finger noch dreigliederig ift und auch er noch eine Stralle trägt. Am Gebif haben die Bad- zähne beinahe oder ganz glatte Sironen, die von hinten nach vorn verlängert find und eine tiefe Längsgrube tragen, eine Zahnforn, die vortrefflich geeignet erjcheinen muß, um weiche, Heijchige Früchte auszuquetichen. Die immer Heinen Ohren haben noch das Eigentümliche, day die Mujchel am Grunde einen vollitändig gejchlofjenen Ring bildet. Sit ein Schwanz vorhanden, fo ift er immer furz und liegt zwifchen den Hinterbeinen unter der Hinterflug- haut ohne Verbindung mit diefer. Alle Groß-Flattertiere bervohnen ausschließlich wärmere Gegenden, namentlich Südajien und jeine Injen, Mittel- und Südafrifa, ferner Auftralien und Ozeanien. In Amerifa Allgemeines. 393 fehlen jie. Ihrer Größe wegen find fie jeit den ältejten Zeiten als wahre Ungeheuer verfchrieen worden. Sie, die harmlofen und gemütlichen Tiere, hat man als icheußfiche Harppien und furchtbare Vampire angefehen; der blühenofte Aberglaube bejchäftigte jich mit wahrem Behagen mit diefen Säugetieren, die weiter nichts verjchuldet Haben, als etwas eigentümlich gebildet zu fein, und in ihrer Ordnung einige Heine und eben wegen ihrer geringen Größe ziemlich unjchädliche Mitglieder zu Haben, die jich des revels der Blut- ausjaugung allerdings jchuldig machen. Sn Heinen Menagerien und Tier- buden fan man bei der „wiljenjchaft- lichen Erklärung”, die gegen „ein flei- ne3 Douceur oder Trinfgeld” mit großem Stimmaufwande zu erfolgen pflegt, die Flughunde heute noch als ichredliche Bampire jehildern hören, und das Publikum glaubt es, obwohl es Milch und Semmel als denkbar unfchuldigftes Futter im Stäfig Des Untieres jtehen jteht. Die Naturwiljenjchaft fan folche leichtgläubige Leute bejjer über Die fruchtfrejjenden Fledermäuje oder Slughunde belehren. Dieje haben jo ziemlich die Flevdermausgeftalt, aber eine viel bedeutendere Größe und einen gemütlichen Hunde- oder Fuchsfopf, der ihnen den Namen Flughunde oder liegende Füchje verjchafft hat. Das Gebiß bejteht aus 4 Schneidezähnen oben und unten, einem Cczahn in jedem und 5 Baczähnen im obern, 6 Badzähnen im untern Sliefer. Die unteren Schneidezähne fehlen den Mätgliedern einer Gattung. Slughund, eine Srut verzehrend Nah Y Wolf („Proc. Die Slughunde bewohnen am Zool. Soe.“), gezeihnet von P. Neumann. 1/3 natürlicher Größe. fiebjten dunkle Waldungen und be- deren bei Tage oft in unzählbarer Menge die Bäume, an deren ten jie, Kopf und Leib mit den Flügeln umbhülft, reihenweife ih anhängen. Ir hohlen Bäumen findet man fie wohl auch, und zivar zumeilen in einer Anzahl von mehreren Hundert Stüd. Zn düfteren Urwäldern fliegen jie manchmal auch bei Tage umher; ihr eigentliches Qeben beginnt aber, wie das aller Flattertiere, exft mit der Dämmerung. hr jcharfes Gejicht und ihre bortreff- liche Spürnafe lafen fie die Bäume ausfindig machen, die gerade jaftige und reife Früchte tragen; zu diefen fommen fie einzeln, fammeln fich bald in großen Scharen und find imftande, einen folchen Baum vollfommen fahl zu freijen. Ir Weinbergen erjcheinen fie ebenfalls nicht felten in bedeutender Menge und richten dann großen Schaden an; denn jie nehmen bloß die reifen und fühen Früchte: die anderen überlafjen fie den übrigen Fruchtfrejjern. 394 4. Ordnung: Flattertiere. Unterordnung: Groß-Flattertiere. Zumeilen unternehmen jte weitere Wanderungen und fliegen dabei von einer Snjel auf die andere, manchmal über ziemlich breite Meeresarme weg. Laut Sterndale ift ein Fluafuchs mindejtens 100 englische Meilen weit vom Lande auf einem Dampfer gefangen worden, allerdings jehr ermattet und jehr hungrig. Die Früchte jaugen die Flughunde mehr aus, als fie fie frejjen; den Faferjtoff jpeien jie aus. Süße und duftige Früchte werden an- deren entjchieden vorgezogen, und deshalb find Bananen, Feigen und dergleichen, ebenjo auch wohljchmedende Beeren, zumal Trauben, ihre Lieblingsnahrung. Wenn fie einmal in einem Fruchtgarten eingefallen find, frejjen jte die ganze Nacht hindurch und verurfachen Dabei ein Geräusch, daß man jte fchon aus weiter Entfernung vernehmen fanı. Durch Schüffe und dergleichen lafjen jte jich nicht vertreiben; Denn jo gejchrect, fliegen fie höchjtens bon einem Baume auf den andern umd jegen dort ihre Mahlzeit fort. Bei Tage find fie jehr jurchtiam und ergreifen die Flucht, jobald jte etwas Verdächtiges bemerfen. Ein Naubvogel bringt jte in Aufregung, ein heftiger Donnerfchlag geradezu in Verzweiflung. Sie jtürzen ohne weiteres von oben zur Erde herab, rennen hier im tolliten Eifer auseinander, Klettern an allen erhabenen Gegenständen, jelbjt an PBierden und Men- jchen, gewandt in die Höhe, ohne jich beirren zu lajjen, hängen fich fejt, breiten die Flügel, tun einige Schläge und fliegen dahin, um fich ein anderweitiges Berjtecf zu juchen. hr Flug ift vafch und lebhaft, aber nicht eben hoch; doch treibt fie ihre Furchtfam- feit bei Tage ausnahmsweije in eine Höhe von über 100 m empor. Site fünnen nur von erhabenen Gegenjtänden, nicht aber von der Erde abfliegen, find jedoch auf dem Boden ganz gejchidt und laufen wie die Natten umher, Klettern auch vorzüglich an Baumftämmen und ften bis in die höchiten Wipfel hinauf. Sie fchreien viel, auch wenn fie ruhig an Bäumen hängen, und zwar eigentümlich fnarrend und Freifchend, lajjen zuweilen auch ein giichen vernehmen iwie Gänfe. Das Weibchen bringt einmal im Jahre ein oder zwei Junge zur Welt, die jich an der Bruft fejthalten, von der Mutter längere Zeit umhergetragen und jehr qut gepflegt werden. Sn der Gefangenschaft werden jie nach geraumer Zeit zahm, gewöhnen fich auch einiger- mapßen an die PBerjonen, die fie pflegen, zeigen jogar eine gewilje Anhänglichkeit an fie. Sie nehmen ihnen bald das Futter aus der Hand und verjuchen weder zu beigen noch zu fragen. Anders ijt es, wenn man jte flügellahm gejchojfen hat oder fie plöglich fängt: dann wehren jte fich heftig und beißen ziemlich derb. Man nährt fie in der Gefangenfchaft mit ge- fochtem Neis, allerlei frifchen oder getrocdhneten Früchten, gefochten Möhren, dem Marke des Zuderrohrs und dergleichen; auch frejfen fie dann und warın Snjekten. Wenn man ihnen Speijen und Getränfe in der hohlen Hand vorhält, gewöhnt man fie bald daran, Dieje wie ein Hund zu beleden. Bei Tage find jte ruhig, obgleich jte zum Frejjen jich Herbeilaffen; abends aber geht ihr Xeben an. In den zoologijchen Gärten find einige wenige Arten, Ptero- pus edwardsi, Cynonycteris collaris, Pterocyon stramineus, gerade feine Seltenheit; die meijten aber werden gar nicht oder nur ganz augnahmsmeije einmal lebend eingeführt. Jhre Unterhaltung und Pflege macht gar feine Schwierigkeiten; aber die Tiere fommen in den ungenügenden und ungeeigneten Käfigen, in denen man fie halten muß, gar nicht zur Geltung. Denn man fann in zoologifchen Gärten gar nicht daran denfen, ihnen einen jo großen Raum anzumeifen, daß fie fich einmal zum Fliegen entfchlöffen; jie probieren das nicht einmal in einem geräumigen Zimmer, weil fie fich auch da noch zu beengt fühlen. Co jind ihre Flughäute in der Gefangenfchaft zu ewwiger Untätigfeit verurteilt, und das hat oft eine Vereiterung diefer empfindlichen Organe zur Folge, die zum Tode führt. Slattertiere 1. ‘Ss "I E6E puny A2pu2Baus wnpggonpg 't J04d UNO -JOPURIPOTII "Ic 704d uOPuU07-'S 'Z 4 O3PLIOE 'S'M — "26855 "ID eu F/ı "ul4op] Ouarj99 sndorog “(Buojoy) punyBnis aaypıpjour 'e Yoyd UOPUOT-'S 'Z 1 PAPLAIST SM — '968'S 'S"IH eu #7, wo] snpeydaaoıod sndorsygq "punydnis aaypımpaıny ° (4 Allgemeine2. 395 Der Nugen, den dieje Flattertiere bringen, fann den von ihnen verurjachten Schaden nicht aufheben. Sie werden gegefjen, und Haade findet, daß das Fleifch wohljchmedend und dem Saninchen- oder Hühnerfleifche ähnlich ift: ein Nagout von neuguineiichen Flug- hunden und Srontauben rühmt er als hervorragende Delifatejfe. Namentlich junge Tiere, die erjt ein Alter von fünf Monaten erreicht haben, jollen am beiten jchmecden. Die Nordamerifaner, die mit undorfichtiger Einführung und Einbürgerung von Tieren ichon eine ganze Reihe übler Erfahrungen gemacht haben, fürchten die Flughunde als „Dbjt- peft” namentlich für ihre Südweltjtaaten jehr: fein Fliegender Hund darf lebend in die Union eingeführt werden, er twird fofort von den Duarantänebeamten getötet. Der „Deutjche Tier- freund“ Schreibt darüber nach dem „‚Yearbook oftheU. S. Departmentof Agrieulturefor 1898“ : „Diefe Tiere find in ihren Heimatländern für den Fruchtbau eine jchivere Plage. Sie ziehen nachts in Scharen meilenmweit nach den Gärten, two einheimijche Früchte, wie Bananen und Mangos, oder eingeführtes europäisches Obit, Birnen, Pfirjiche, Trauben uft., gezogen tver- den, und tun ganz enormen Schaden. Bejonders ift das in Auftralien der zall, vo europätjche Früchte häufiger als in den übrigen tropifchen Gegenden der Alten Welt gezogen werben. „Die Fliegenden Hunde leben auch in Auftralien ihrer Gewohnheit nach in großen Sefellichaften, die man dort ‚camps‘ (Lager, Armeen) nennt. Sie ‚übertagen‘, twie man in Analogie zu ‚übernachten‘ jagen könnte, in den unzugänglichjten Walddidichten roilder Wafjer- viffe und großer Simpfe, mit befonderer Vorliebe auch in den Mangrovewäldern an den Küften. Hier hängen fie, wie Heine Schinfen im Nauchfang, zu Taujenden nebeneinander, in ihren Flughautmantel gehülft, mit den Köpfen nach unten, am Tage in den ften der Baumgipfel. Dft find ihrer fo viele, daß dide Zweige unter ihrer Laft brechen. Yon hier aus fliegen fie gegen Sonnenuntergang fcharenmeife auf die Nahrungsjuche, und hierher fehren jie vor Tagesanbruch wieder zurück. In Neufüdwales und namentlich in Queensland find jie eine fo fchtvere Geißel fiir den Obftbau, daß fie ihn in einem großen Teil der Stolonie un- möglich machen. Namentlich juchen fie weiche Früchte auf, und in Neujüdtwales berechnet man den Schaden, den fie tun, nach Taufenden von Pfunden. Man hat allerlei verjucht, Die Obftplantagen vor ihren Angriffen zu jchügen. Mean hat in gejchmolzenen Schwefel getauchte Beutel und Lappen zwifchen die Ziveige gehängt, Nege über die Bäume gejpannt und jie mit Drahtgeflechten umgeben, ja mit ganzen Gärten ift man jo verfahren, indejjen mit wenig Erfolg. Als die beite Methode der Vernichtung diefer außerdem jehr intelligenten Tiere hat jich Herausgeftellt, wenn man ihnen an ihren Schlafplägen beizufommen verjucht. Vor einigen Jahren ließ der Minifter für Bergbau und Landiirtfchaft von Neufüdwales mit großen Koften Bulver und Blei gegen fie in Anwendung bringen, und e3 wurden aucd) gegen 100000 Stiegende Hunde, das Stück für 30 Cents, getötet. Yon mohlfeileren Zerjtörungen durch Dynamit eriwartete man beijere Erfolge, und Verjuche mit kräftigen Exrplofivftoffen wurden vom Minifterium angeftellt. Petarden, mit Roburit (0,5 —2 kg) und Pulver (über 1 kg) gefüllt, wurden mit eleftrifchen Leitungsdrähten verjehen, in die Gipfel der Bäume, in denen die Fliegenden Hunde zu ruhen pflegen, gehängt und, wenn die Tiere ihre Pläbe eingenommen hatten, entzündet. Aber die Fledermäufe vermieden bald jorgjam alle Bäume, in denen folche Petarden hingen, und fuchten andere auf. „Die Nordamerifaner befürchten, diefe Objtpejt Fönnte irgendwie in Die Vereinigten Staaten eingeführt werden, und treffen ihre Mahregeln danach. Da aber jajt alle jene Tiere Kinder der Tropen find, fo ift e3 jehr zweifelhaft, ob fie in den Vereinigten Staaten ihren nötigen Lebensunterhalt irgendwo anders finden dürften als im äußerjten Süden. Viel 396 4. Dronung: Flattertiere. Yamilie: Flughundartige. drohender ift die Gefahr für die Sandwichinjeln, da zroischen Honolulu und Indien, den Sidfee-Injeln und Auftralien zahlreihe Schiffe verkehren.‘ E35 it anziehend und unterhaltend, die Anjichten verjchtedener Völker über dieje Tiere fennen zu lernen. Bell meint (nad) Xhdeffer), daß fie Birgil die Anregung zu feiner Ode von den „Harpyien‘ gegeben haben fünnten, und jchon Herodot jpricht von großen Fleder- mäufen in Arabien, die auf der in Sümpfen wachjenden Pflanze Cafta jich aufhalten, ehr ftark find und fürchterlich [chwirren. Die Leute, welche die Cajta jammeln, bededen ihren ganzen Leib und das Geficht bis auf die Augen mit Zeder, um fie hrerdurch von ihren Gejich- tern abzuhalten, und fönnen dann erjt Ernte halten, „wiewohl Plintius jagt“, fügt der alte Sesner Hinzu, „da dif falfch, ond allein vmb Getwinns willen erdacht jei”. Strabon erzählt, daß es in Mejopotamien, in der Nähe des Euphrat, eine ungeheure Menge Fledermäufe gäbe, die viel größer wären als an anderen Orten, gefangen und gegejjen würden. Der Schwede Köping erwähnt zuerit, daß die Flatterhunde des Nachts in ganzen Herden hervorfämen, jehr viel Palmenjaft tränfen, davon beraufcht würden und dann tie tot auf den Boden fielen. Er jelbjt habe einen jolchen gefangen und an die Wand genagelt; das Tier aber habe die Nägel benagt und fie jo rund gemacht, al wenn man fie befeilt hätte. Die Hindus jehen in ven Flughunden heilige Wejen. AS Hügel bei Nurpur weilte und abends durch die Straßen ging, jah er über fich ein Tier fliegen, fchoß mit feiner Doppelflinte nach ihm und erlegte eine Fledermaus von der Größe eines Marvers. Augenblidlich rotteten fich die Xeute zujfammen, erhoben furchtbares Gefchrei und wittendes Geheul und hielten ihm das gellende, freijchende Tier vor. Er jicherte jich dadurch, daß ex fich mit dem Nücen an die Wand lehnte und die Flinte vorftrecdte, fonnte aber den Aufruhr nur durch eine Unmwahrheit befchwichtigen, indem er jagte, er habe das Tier für eine Eule gehalten. Über Fliegende Hunde in Auftralien berichtet auch der befannte Schiffs- und Ktolonial- arzt Dr. Schnee: „Sin Dezember 1899 traten in Sydney die für gewöhnlich nur in mäßiger Anzahl von Norden herfommenden Fliegenden Hunde außerordentlich Häufig auf, mas wohl auf den damaligen fehr warmen Sommer zurüdzuführen fein dürfte. Jr dem Garten eines meiner Bekannten hatten jich wohl an Hundert Stüd eingefunden, die Durch ihr nächtliches PBiepfen, das die Bewohner des Landhaujes am Schlafen hinderte, ebenjo läftig, wie Durch den Schaden, den jie dem Dbjte zufügten, unangenehm wurden. Die erwähnten leder- mausarten ziehen regelmäßig, gleich den Vögeln. Im September etwa fommen fie in Neu- jüdmwales an und verfchhwinden im Mat wieder. Da fie den Früchten außerordentlich [chädlich jind, fo ftellt man morgens in der Frühe regelrechte Sagden auf fie an, bei denen die jchlafend an den Zweigen hängenden immer zu Dutenden, bisweilen fogar mehr als Hundert ge- tötet werden.‘ Die Groß - Flattertiere bilden alle nur eine Familie: Die der Flnghundartigen (Pteropodidae), und dieje teilt Gerrit Miller vom Nationalmufeum in Wafhington 1907 in folgende Unterfamilien ein: Bwilchenfieferhälften vorn breit zufammenftoßend: DBacdzähne jeder mit wenigftens fünf fcharfen Spiben: Harpyionycterinae. Baczähne mit ftumpfen, undeutlichen Hödern: Nyctymeninae. Bmilchentieferhälften vorn Faum zufammenftogend oder ganz getrennt: Zunge nicht fehr dehnbar, Bad- und Schneidezähne nicht befonder3 rüdgebildet in der Größe: Pteropinae. Zunge jehr dehnbar, Bad- und Schneidezähne beträchtlich rüdgebildet in der Größe: Kiodotinae. Kalong. 397 Die Harpyionycterinae und Nyetymeninae enthalten nur je eine Gattung: Harpyionyc- teris Thos. von den Philippinen und Nyctymena Bechst. (Gelasinus, Harpyia) aus der Aufteomalaiifchen Subregion, von Nordauftralien, Neuguinea und dem Bismard-Archipel bis Celebes, mit jehr verfürzter, rundlicher Schnauze und ganz jonderbar röhrenförmig dor- jtehenden Nafenöffnungen. Solche Bildung, die dem Tiere ein ehr abjonderliches, man möchte fat jagen unnatürliches Ausfehen gibt, fommt in geringerem Grade nur noch in einer Gruppe der injeftenfrejfenden Fledermäuje vor; jonjt ift jie ohne jedes Geitenftücd in der ganzen Säugetierflajfe. Über Grund und Zived diejer Najenröhren hat man bis jet gar feine Ahnung, obwohl fie gewiß von irgendeinem bejondern Vorteil fiir das Tier jein werden, tiber dejjen Lebensweife wir gar nichts miljen. Die Unterfamilie der Pteropinae enthält die Hauptmafje aller Groß -?Flattertiere, nicht weniger al3 27 Gattungen und Untergattungen, die wir aber hier nur eben aufzählen fünnen für den Fall, daß die Namen dem Lejer einmal vorkommen follten: Sphae- rias; Cynopterus; Niadius; Balionycteris; Ptenochirus; Megaerops; Scotonycteris; Epo- mophorus; Hypsignathus; Rousettus; Xantharpyia; Pterocyon; Pteralopex; Acerodon; Desmalopex; Pteropus (die Stammtgattung, don der die meisten anderen abgejpalten jind); Boneia; Dob- sonia (= Cephalotes); Leiponix; Styloctenium. Die Flughunde im engjten Sinne (Pteropus Briss.), auch Flugfüchfe genannt wegen ihrer langen, juchsartigen Schnauze, gelten allgemein als die ur- Iprünglichjten Großflatterer, jozujagen die Stamm- gruppe, weil fie die mweiteite Verbreitung von da her Serhming gasfar und den Nachbarinjeln über die Seychellen nach Vorderindien, Ceylon, Hinterindien und feinen Infeln, Südjapan, Neuguinea, Auftra= lien und die Südjee-Injehn) und die meijten (an die 70) Arten und Unterarten aufzumeijen haben, ferner weil ihr Gebiß der heutigen Auffeliung als das vollftändigjte, am wenigiten veränderte (34 Zähne, Zahnformel =) erfcheint. Miller macht jedoch unter anderm auf die große Rüdbildung der Hörblajen m das vollitändige Fehlen des Schwarzes auf- merfiam, Eigentümlichfeiten, die ihm zur Beurteilung der Entwidelungshöhe twichtiger jcheinen, und möchte deshalb die Gattung Pteropus für weniger primitiv Halten al3 Cynop- terus, Roussettus und Pteroeyon. Die jehr enttwidelte Flughaut bildet zwijchen den Schen- feln nur einen fehmalen Hautfaum. Bei der geographifchen Verbreitung muß es auffallen, daß die Gattung in Afrika fehlt, während fie (P. edwardsi @eoffr., P. livingstoni Gray) 200 Seemeilen davon, auf ven Komoren, gemein tt. Die größte aller befannten Arten, der Kalong, Fliegende Hund, Pteropus celaeno Herm., flaftert bei 40 cm Leibeslänge bis 1,5 m. Der Nüden ift tief braunjchivarz, der Bauch roftigfehtvarz, der Hals und Kopf find roftiggelbrot, die Flatterhaut braunjchtwarz. Der Kalong lebt auf den indischen Injeln, namentlich auf Java, Sumatra, Banda und Timor, toie alle feine Familienglieder, entweder in größeren Wäldern oder in Hainen bon Fruchtbäumen, die alle Dörfer Javas umgeben, wo er mit Vorliebe die wagerechten fte des Kapof (Eriodendron) und des Durian (Durio zibethinus) zu jeinem Nubhejite jich erwählt. Unter Umftänden bededt er die Äfte jo dicht, daß man fie vor Kalongs faum noch 398 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Flughundartige. unterfcheiden Fan. Einzenme Bäume find buchjtäblich mit Hunderten und Taujenden be- hangen, die hier, folange jie ungejtört find, ihren Tagesichlaf halten, geftört aber fcharenmweife in der Luft herumjchwärmen. Gegen Abend jest jich die Mafje in Bewegung, und einer fliegt in einem gewiljen Abjtande hinter dem andern her; doch fommt e3 auch vor, daß Die Schwärme in dichterem Gedränge gemeinschaftlich einem Orte zufliegen. So erzählt Orley, daß ein Schwarm diejer Tiere mehrere Stunden brauchte, um über das in der Straße von N A N nn N} IN. / Al \ \ S SR IN x NL r #) G FR N 2 EIS EDIT IENJRNN RN; K EINEN z OR \ SWrTFZEN N Kalong, Pteropus celaeno Herm. Ys natürliher Größe. Walaffa vor Anfer ftegende Schiff fortzuziehen. Logan jah die Kalongs zu Millionen in den Mangrovefümpfen am Nordrande der Injel Singapur hängen und abends die Luft durch ihre Menge verdunfeln. „Dichtgedrängte Schwärme”, jchreibt mir Haffarl dagegen, „jah ich nie fliegen, fondern ftets nur einzelne, dieje aber allerdings in großer Anzahl, des Abends bei Batavia meift ftrandeinmwärts fich wendend.” Unter Bäumen, die fie eine Zeitlang als Schlafpläge benußt haben, fammelt fich ihr Kot in Mafjen an, und fie verbreiten dann einen jo heftigen Geruch, daß man fie oft eher mittel3 der Nafe als durch das Auge wahrnimmt. Von Sumatra fchreibend, jagt Rofenberg: „Der Kalong ift eins der gemeinften Tiere jomwohl an der Küfte wie auch im Innern. Ex lebt gefellichaftlich, oft in großen Trupps, und Kalong. 399 zieht mit Sonnenuntergang von jeinem Nuheplaße oft tweit twaldeinmwärts jeinem Yutter- orte zu. Sp zog während meines Aufenthaltes zu Lumut allabendlich eine Schar diejer Tiere in ziemlicher Höhe über die Heine Feite Hin, von Nordweit nach Südojt jtreichend, und vor Sonnenaufgang in entgegengejebter Richtung nach der Injel Dafallar zurüdfehrend; dort war ihr Nuheplab. Als ich auf ein ausnahmsweije ziemlich niedrig fliegendes Weibchen einen Schuß Löfte, fiel ein an dejjen Zien hängendes Junge aus der Luft herunter; Doch ehe e3 noch den Boden erreichte, Hatte e3 die Mutter, die ihm biißjchnell nachgejtürzt war, mit den Zähnen gepadt, erhob jich in die Luft und eilte mit dem geretteten Stleinen davon.” Die Nahrung der Kalongs bejteht aus den verjchtedensten Früchten, bejonders mehrerer Feigenarten und der Mangos, denen zuliebe jte majjenhaft in die Fruchtgärten auf Java ein- fallen, bier oft erheblichen Schaden anrichtend. Doch begnügen jie jich Feineswegs mit pflanzlicher Nahrung, ftellen im Gegenteile auch verjchiedenen njekten und felbit Kleinen Wirbeltieren nach. So hat fie neuerdings Shortt zu feiner Überrafchung als Fijchräuber fennen gelernt. „US ich”, jagt er, „in Stonlieveram mich aufhielt, wurde meine Aufmerk- jamfeit auf einen Negenteich gezogen, der einem vor furzem gefallenen Kegenjchauer fein Dafein verdanfte und buchjtäblich mit Heinen Fiichchen befät jchien, die im Waijer jpielten und über die Oberfläche desjelben emporjprangen. Dieje Erjcheinung, das plößliche Auf- treten von Fijchen in zeitweilig vertrocdinenden und dann wieder mit Wafjer jich füllenden Negenteichen war nichts Neues für mich; meine Aufmerfjanfeit wurde vorerjt auf eine An- zahl großer, etwas jchiwerfällig liegender Vögel gerichtet, Die über dem Wajjer rüttelten, mit ihren Füßen dann und warın einen Filch ergriffen und hierauf mit ihrer Beute jich nach einigen Tamarindenbäumen begaben, um dort fie zu verzehren. Bei genauer Unterjuchung fand ich, daß Die vermeintlichen Bögel Stalongs waren. Durch die eintretende Dunkelheit des Abends verhindert, Fonnte ich fie nur furze Zeit beobachten, fehrte aber am nächjten Abend eine Stunde früher zu Dem Teiche zurücd und bemerfte dasjelbe. Nunmehr forderte ich) meinen Gefährten Watjon auf, jeın Gewehr zu holen und einige der Tiere zu jchteßen, um mich volljtändig zu überzeugen. Watjon jchoß zwei oder drei von ihnen, während jie füchten, und ftellte es jomit außer allen Zweifel, daß ich es mit Katonas zu tun hatte. Bei einem jpätern Bejuche beobachtete ich wiederum Ddasjelbe.” Hier und da werden Salongs3 verfolgt, weniger des von ihnen verurjachten Schadens halber, al3 um fie für die Küche zu verwenden. Der Malaie bedient fich zu ihrer Jagd in der Ntegel des Blasrohres, zielt auf ihre Fittiche, den empfindlichiten Teil des Leibes, betäubt die Tiere und bringt jie jo in feine Gewalt; der Europäer wendet erfolgreicher das Feuergetwehr an. Während des Fluges find fie ungewöhnlich leicht zu Schießen; denn ihre Flügel verlieren augenblicklich das Gleichgewicht, wenn auch nur ein einziger Fingerfnochen durch ein Schrot- forn zerjchmettert worden ift. Schießt man aber bei Tage auf fie, während jie jchlafend an den Äften hängen, fo geraten fie, wenn te flüchten wollen, in eine folche Unordnung, da einer den andern beirtt und die Getroffenen, die ihre Flügel dann nicht entfalten können, gewöhnlich jo fejt ji) an die Zweige Hammern, daß fie auch, nachdent jie dverendet find, nicht herabfallen. „Sch jah“”, bemerft Haffarl noch, „da Liebhaber vom Schießen in eine Majje dicht aufeinander und nebeneinander hängender Kalongs feuerten. E3 fielen jedoch nur einige herunter, die übrigen flogen, obgleich fie jehr beunruhigt jchienen, nicht weg, jondern frochen nur dichter auf- und übereinander, mit ihren langen Flügeln fich fefthaltend.“ SJagor dagegen erzählt, daß eine durch Schüfje gejtörte Gejellichaft von Kalongs nur zum Zeile auf den Äften hängen blieb, während andere Scharen in der Luft umberschtirzten. 400 4. Ordnung: Flattertiere. Zamilie: Flughundartige. Das SFleifch wird übrigens feineswegs allerorten und am mwenigjten von Europäern gegejjen. Wallace hebt als für die Bewohner von Batjchtan bemerfenswert hervor, daß fie faft die ein- zigen Menjchen im AUrchipel feien, die Fliegende Hunde efjen. „Dieje häplichen Gejchöpfe”, fagt er, „werden für eine große Ledferei gehalten, und man ftellt ihnen deshalb jehr nach, wenn jie im Anfange des Jahres in großen Flügen auf der Snel ericheinen, um hier Frucht- ernte zu halten. Sie fönnen dann während ihrer Tagesruhe leicht gefangen oder mit Stöden heruntergefchlagen werden: man trägt fie oft forbiweije nach Haufe. Shre Zubereitung er- fordert eine große Sorgfalt, da Haut und Fell einen ranzigen, jtark fuchsartigen Geruch haben. Aus diefem Grunde focht man fie meijt mit viel Gewürz und Zutaten, und fo zu- bereitet, jchmeden fte in der Tat vortrefflich, ähnlich wie ein gut gebratener Hafe.“ Gefangene fügen jich rafch in den Verluft ihrer Freiheit, werden auffallend zahm und (affen fich auch fehr leicht erhalten. So mwählerifch fie in der Freiheit jind, wo fie fich nur die faftigjten Früchte auslejen, jo anjpruchslos zeigen fie jich in der Gefangenfchaft. Hier jrejjen jie jede Frucht, Die man ihnen bietet, bejonders gern aber auch Fleifch. Noch brachte einen männlichen along lebend nad) Frankreich. Er hatte ihn 109 Tage am Bord des Schiffes ernährt, anfangs mit Bananen, jpäter mit eingemachten Früchten, dann mit Reis und Schließlich mit friichem Fleifche. Einen toten Papagei fra der Kalong nit großer Gier, und al3 man Nattennejter aufjuchte und ihm die Jungen brachte, jchien er jehr be- friedigt zu fein. Schlieglich begnügte er jich mit Reis, Waffer und Zuderbrot. Bei der An- funft in Gibraltar erhielt er wieder Früchte, und fortan fraß er fein Fleisch mehr. Nachts tar er munter und plagte fich jehr, aus dem Käfig zu fommen; am Tage verhielt er jich ruhig und hing wie unjere Fledermäufe an einem Fuße, eingehüllt in feine Flügel, in denen er jelbjt den Kopf verbarg. Wenn er feines Untates jich entleeren wollte, hängte er jich, ebenjo wie die ledermäufe, auch mit den Borderflauen auf und brachte feinen Körper fo in eine wmage- rechte Lage. Er gewöhnte fich bald an die Leute, die ihn pflegten; namentlich jeinen Bejiber fannte er vor allen, lief jich von ihm berühren und das $yell Frauen, ohne zu beißen. Cbenjo hatte er jich gegen eine Negerin betragen, die auf der Heimatinjel jeine Pflegerin gewejen war. Ein anderer, jung eingefangener Kalong wurde bald daran gewöhnt, jedermann zu fiebfojen, lecte die Hand wie ein Hund und war auch ebenjo zutraulich. Ein Flughund, den ich Durch eigne Beobachtung, wenn auch nur in Gefangenjchaft, fennen gelernt habe, der Flugfuchs, wie wir ihn nennen wollen, der Badul, Wurbagul und Toggul bamwali der Inder, Pteropus medius Tem., erreicht eine Länge von 23—32 cm und Flaftert zwijchen 1,1—1,25 m. Cein fpärlich behaartes Geficht und die nadten Ohren find fchwarz, der Kopf und die Oberjeite vom Mittelrüiden an dunfelbraun, ein längs der Ktehlmitte verlaufender Streifen, Bruft und Bauch rötlich-hellbraun; ein breites Nadenband, das fich DIS zur Nücenmitte herab verfchmälert und um die Halzfeiten Herumzieht, tft gelblich- jahlgrau, hinten, oben und unten, d. h. gegen den Kopf und Rüden hin, in Hellbraun über- gehend, die Jris dunkelbraun, die Flughaut, wie bei den meiften Arten, jchwargbraun. Der Flugfuchs ift von Burma über Vorderindien und Ceylon, nach Weften bis zum sndus verbreitet. Er bewohnt Waldungen, Haine und Gärten oft in großer Menge, auf Geylon, laut Tennent, fehr zahlreich alle Küftengegenden der Infel, auf Madagasfar und Mayotte, laut Rollen, nicht minder zahlreich, auf Reunion dagegen nur einzeln die aus alten Bäumen beitehenden Waldungen des Inneren, am liebften einzeln gelegene Wäldchen oder Baumgruppen in einer gewiljen Entfernung don der Küfte. Slugfuchs, Slugfuhs: Freileben. 401 Wie jeine Verwandten hält jich der Flugfuchs unter allen Umständen in Gejellichaften zufammen, und wenn irgend möglich, wählt er alte Bäume für feine Tagesruhe. Ein Lieb- Iingsplaß von ihm war und ijt der Bflanzengarten von Peradenia unweit Handy auf Ceylon, wo Tennent ihn tagtäglich beobachten fonnte. Seit Jahren hatten fich die Tiere hier zufammengefunden und waren namentlich im Herbjte täglich zu jehen, während fie jpäter eine Wanderung antraten. Auf den riefigen Bäumen des herrlichen Gartens hingen fie in jo erftaunlicher Menge, daß ftarfe Afte durch ihr Getwicht abgebrochen wıden. Jeden Morgen zwifchen neun und elf Uhr flogen fie umher, anfcheinend zur Übung, möglicherweife um Fell und Flügel zu jonnen und von dem Morgentau zu trodnen. Bei diejer Gelegenheit bildeten jie Schiwärme, die ihrer Dichtigfeit wegen nur mit Mitcfen oder Bienen zu vergleichen waren. Nach jolchem Ausfluge kehrten fie zu den Lieblingsbäumen zurüd, tvo fie wie eine Affenherde lärmten und freifchten und jtet3 untereinander haderten und ftritten, weil jeder den jchat- tigiten Pla fir ich auszufuchen jtrebte. Alle Zweige, auf denen jie fich niederlafjen, ent- blättern binnen furzem infolge ihrer unruhigen Haft, da fie ihre Strallen in rüctjichtstofejter Veije gebrauchen. Gegen Sonnenuntergang treten jie ihre Naubzüge an und durchfliegen dann wahrjcheinlich weite Streden, weil fie ihrer bedeutenden Anzahl und Gefräßigfeit halber jich notwendigerweije über große Räume verbreiten müjjen. Sahrzehnte jpäter (1881) fand fie Haedel immer noch als Bewohner Peradenias vor. „Einer der älteften Banyanenbäume, dejjen mächtige Strone auf zahlreichen Pfetlerjtämmen ruhte, bot einen ganz merfwürdigen Anblid; er war jeines grünen Blattjchmudes großen- teil3 beraubt, und feine fahlen Äfte fchienen mit großen, braunen Früchten behängt zu fein. Wie erjtaunte ich aber, als ich mich näherte, und al3 einzelne diejer Früchte jich ablöjten und flatternd davonflogen. Einige wohlgezielte Schüfje brachten derer etiwa ein halbes Dußend herab, worauf der ganze Schwarm (einige Hundert Stüd) jich auflöfte und mit lautem Strei- ichen davonflog. Diejenigen herabgefallenen Tiere, die nicht tödlich getroffen waren, twehr- ten fich auf das heftigfte mit ihrem fcharfen Gebik und den jpiben Krallen. Der Flug tft jehr verichieden von demjenigen unjerer Fledermäufe und gleicht vielmehr dem der Strähen. Mit bejonderer Vorliebe trinken fie den fühen Balmmein, und in den Gefäßen, welche die Singha= lejen, um diejen zu fammeln, oben in den Balmfronen aufhängen, finden jie morgens nicht jelten betrunfene Flederfüchje. In ihrem fuchsroten Belze fand ich große parafitiiche Snjekten (Nycteribia) von feltjam jpinnenähnlicher Zorm aus der Gruppe der Buppengebärer.“ PBollen berichtet ebenfalls, daß man die Flugfüchje jehr oft während des Tages umher- fliegen fähe und zumweilen bemerfen fönne, wie fie hoch in die Luft fich erhöben, um einem andern Walde zuzufliegen. Sr folchem Falle glaubt man einen. Flug von Strähen zu er- bliefen, da fie tie diefe Vögel nur langfam und ununterbrochenen Flügeljchlages dahin- ziehen. Gegen Abend ftreichen fie nach Art der Fledermäufe längs der Waldungen auf und ab, bejonders gern in der Nähe von Wäldern, welche die Stüfte oder Flußufer befäumen. Auf Mayotte jah fie Pollen wie die Schwalben und Kleinen Fledermäufe hart über der Oberfläche des Wajjers dahinfliegen, die Wellen faft mit ihren Flügeln berührend: mwahr- jcheinlich gejchah) dies, wie ich hinzufügen will, des Fijchens halber. Auf Madagaskar nähren fich die Flugfüchfe Hauptjächlich von wilden Datteln, die jie, nach den Kothaufen unter ihren Schlafbäumen zu urteilen, in außerordentlicher Menge vertilgen müjjen. Auf Ceylon frejjen jie die Früchte der Guayaven, der Bananen und mehrerer Feigenarten, zeitweilig auch die Blütenfnofpen verjchiedener Bäume. Auch fie verzehren aber unzweifelhaft neben pflanzlichen tierijche Stoffe: Infeften verichtedener Art, Eier und Junge von Heinen Vögeln, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 26 402 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Flughundartige. Fiiche und, nach DVerficherung der Singhalefen, auch Striechtiere, da jie die Baum Schlange angreifen jollen. Ungeachtet aller Gejelligfeit wird jeder Flugfuch®, laut Tennent, von den übrigen beim Treffen arg behelligt und hat feine liebe Not, die glücklich erlangte Beute vor der Zudringlichkeit feiner Genoffen zu jichern und einem Orte zuzutragen, wo er jie ungeftört genießen fann. Bet folhen Gtreitigfeiten untereinander beifen je jehr heftig, Frallen jich aneinander. fejt, jchreien dabei ununterbrochen, bis der Berfolgte endlich einen fichern Pla erreicht hat. Hier pflegt er an einem Fuße jich aufzuhängen und mit dem anderen die Frucht jo zu halten, daß er bequem davon frejjenfann. Beim Trinken hängen jich die Tiere an tiefe Äfte über dem Wafjer und nehmen die Flüffigfeit lappend twie ein Hund zu ich. Singbalejen und Madagafjen verfolgen auch den Flugfuchs feines Fleifches wegen. Die Madagafjen benugen, nach Rollen, eine jehr einfache und jichere Falle, um jich des beltebten Wildes zu bemächtigen. Auf einem Baume, den die Flugfüchje bejuchen, befejtigen fie an dem höchiten Zweige zwei lange Stangen, die jederjeitS mit Rollen verjehen find. Über dieje führen fie Stride, die aufgezogen und niedergelafjen werden fünnen, und binden an diejen Nee wie Flaggen an. Sobald num einer der Flughunde jich an dem Nee anhängt, zieht der ZFänger diejes jo jchnell wie möglich auf den Boden herab und gelangt dadurd) in den meiften Fällen in den Befit des Tieres, das noch feine Zeit fand, fich zu befreien, oder nicht loslajjen wollte. Slugfüchje durch Schüjje zu Boden zu jtreden, wenn fie auf Bäumen jigen, ijt feineswegs eine leichte Aufgabe, während jte im Fluge mühelos erlegt werden fünnen. Wenn man mehrere von ihnen töten will, braucht man nur einen Berwundeten anzubinden, damit er jchreit; denn alle, die jich in der Nachbarjchaft befinden, fommen auf das Häglihe Ktreiichen ihres Kameraden herbei, al3 wollten jte ihm Hilfe leiten. Das Tildbret gilt nach Anjicht der Eingeborenen und einzelner Europäer, die den leicht begreif- fihen Efel vor jolchem Braten überwunden haben, al3$ ausgezeichnet, namentlich in der eiltzeit unjerer Jluahunde, wenn der ganze Leib zuweilen nur ein in Fett eingemwiceltes Stüd Fleiich zu fein jcheint. Die Madagajjen werfen den zum Schnmoren bejtimmten Slugfuchs einfach auf ein tohlenfeuer, ohne ihn vorher abzuhäuten, und drehen und wenden ihn jo lange, bis er gar geworden ift. Unter allen befannten Flughunden gelangt dieje Art am häufigjten lebend nach Europa, bleibt bei geeigneter Bilege in unjeren Käfigen auch geraume Zeit am Leben. Jim Jahre 1871 bradıte ein Engländer von Indien her mit einem Male 50 Paare diejer Tiere auf den Markt und gab mir Gelegenheit, einige von ihnen zu eriverben und längere Zeit zu beobachten. Übertags hängen ich die gefangenen Flughunde an einem ihrer Beine auf, bald an dem rechten, bald an dem linken, ohne dabei regelmäßig zu wechjeln. Das andere Bein wird in Ichtefer Richtung von oben nach unten oder von hinten nach vorn über den Bauch, der Kopf auf die Bruft gelegt, im Hängen aljo heraufgebogen, jo da& das Genid den tiefjten Bunft des Körpers bildet und nur von den gejpisten Ohren überragt wird. Nachdem das Tier dieje Stel- fung eingenommen hat, jchlägt e3 exit den einen Flügel mit halb entfalteter Flatterhaut um den Leib, jodann den zweiten, etwas mehr gebreiteten darüber und hüllt dadurch den Kopf bi5 zur Stirnmitte, den Leib bis auf den Rüden vollfommen ein. Der handartig gebildete Fuß mit feinen großen, ftarken, bogig gefrümmten, fcharfen, fpitigen Zehennägeln findet an jedem Afte oder am Drahte des Gebauers fichern Anhalt, und die Stellung des hängenden Slughundes ericheint demgemäf;, jo ungewöhnlich fie dem Unfundigen vorfommen mag, un- gezwungen, bequem und natürlich. Die Flughaut jchirmt das Auge vor den Sonnenjtrahlen Flugfudhs: Fang. Verwendung. Gefangenleben. 4053 und jchließt, mit Ausnahme des Gehörs, die Höheren Sinneswerfzeuge vollitändig von der Außenwelt ab, läßt aber neben den Kopfjeiten noch Raum für den zur Atmung erforder- lichen Zuftjtrom und erfüllt jomit den Zwed einer Umhüllung bejjer als jede Dede. Zum Berfehr mit der Außenwelt genügt das Gehör, das zivar, fomweit man von den furzen, ipigigen und nadthäutigen Ohren folgern darf, an Schärfe dem anderer TFlattertiere bedeutend nachjtehen muß, immerhin aber genügend entwidelt jein wird, um jedes jtörende oder ge- fahrdrohende Geräufch zum Bemwuktiein des Schläfers zu bringen. Der Schlaf währt jo lange, al3 die Sonne am Himmel fteht, wird aber zeitweilig unterbrochen zur Erledigung irgendeines wichtigen oder unaufjchiebbaren Gejchäftes. Zu den regelmäßigen Arbeiten ge- hört das Wugen der Flatterhaut. &3 handelt fich dabei nicht allein um Reinigung, jondern, und mehr noch, um Einfetten und Gejchmeidigmachen Diejeg wichtigen Gebildes. Jedes ein- zelne Feld wird mittels der Schnauzenjpiße an allen Teilen gedehnt und ausgeweitet, und jede einzelne Talgorüje dadurch teilmeije entleert, die Haut jodann aber innen und augen mit der Zunge belect und geglättet. Hierauf pflegt das Tier einen Flügel nach dem andern zu voller Breite zu entfalten, gleichjam um jich zu überzeugen, dab fein Teil überjehen wurde. Nach vollendeter Arbeit hüllt es jich ein wie vorher. Hat es ein natürliches Bedürfnis zu be- friedigen, jo entfaltet e3 beide Flügel, hebt jich durch Schaufeln mit dem Stopfe nach vorn und oben, greift mit beiden Daumenfrallen nach dem Zweige oder Draht, an dem es bisher hing, läßt mit dem Fuße los, fällt dadurch mit dem Hinterteile nach unten und fann jich nunmehr entleeren, ohne jich zu befchmusen oder zu benäjjen. Unmittelbar darauf greift es mit den Füßen nach oben und nimmt, jobald e3 jich feitgehängt, die frühere Stellung wieder ein. Gegen Sonnenuntergang, meijt noch etivas jpäter, eriwachen die Flughunde aus ihrem Tagezjchlafe, Iocfern die bis dahin eng gejchlojjene Umhitllung ein wenig, jpigen und beivegen die Ohren, pußen noch eine Zeitlang an der Flughaut herum und reden und dehnen fih. Humpelnden Ganges, halb frtechend, halb Hletternd, bewegen jie jich vorwärts, mit Daumen und Fußflauen überall nach einem Halt juchend, bis jie in entjprechende Kähe des Futter- und Trinfgefähes gelangt jind. Am liebjten frejjen und trinken fie in ihrer gewöhnlichen Stellung, indem jie eingehängt den Kopf bis zum Fütter- oder Trinfgefäß herabjtrecen und num einen Bifjen nach Dem andern nehmen oder in der bereit gejchilderten Weife trinfen. Sie genießen alle Arten von Obft, am liebjten Datteln, Apfeljinen, Kirjchen und Birnen, minder gern IÜpfel und Pflaumen; gefochter Reis behagt ihnen nicht jonderlich, Milchbrot ebenjowenig, obwohl ihnen beide Nahrungsmittel genügen, wenn andere nicht ge- boten werden. Sie fafjen den Bifjen mit dem Maule, fauen ihn aus, leden dabei behaglic) den ausfliegenden Saft auf und lajjen den Reit, bei Früchten einen großen Teil der zajern, fallen, frefien überhaupt jehr liederlich und verwerfen mehr, als fie genießen. Sit ihnen ein Biffen zu groß, jo fommen fie mit der freien Hand zu Hilfe; erforderlichenfalls wird auch die Daumenfralle mit zum Halten verwendet. Zu idren bejonderen Genüjjen gehört Milch, mög- ficherweije ihrer Schmadhaftigfeit halber, vielleicht auch, weil jte das Bedürfnis empfinden, die ihnen doch nur fehr mangelhaft gebotene tieriiche Nahrung zu erjeben. Sie trinfen täglich ihr Schälchen Milch mit fichtlihem Behagen leer und lajjen jich, wenn ihnen dieje Lederei winkt, recht gern ein gewaltjames Erweden aus ihrem jüßejten Schlummer gefallen. Erjt nach wirklich eingetretener Dunfelheit jind fie zu vollem Leben erwacht. Ste haben jich munter gefrejjen. Shre dunfeln Augen fchauen hell ins Weite. Noch einmal werden alle Felder der Flughaut beledt und geglättet, die Flügel abwechjelnd gedehnt, geredt und wieder zujammengefaltet, die Haare durch Kragen und Leden gefrümmt und gejäubert. 26 * 404 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Flughundartige. Nunmehr verfuchen fie, in ihrem engen Gefängnis jich Die nötige Bewegung zu verchaffen. Die Flügel bald etivas gehoben, bald wieder fajt gänzlich zufammengejchlagen, Hlettern fie ununterbrochen auf und nieder, fopfoberft, fopfunterft, Durchmejjen alle Seiten des Käfigs, durchfriechen alle Winkel. C3 fieht zum Erbarmen aus, wie jte jich abmühen, irgendwo oder -wie die Möglichkeit zu entdeden, ihrer Bewequnasluft Genüge zu leilten. Man möchte ihnen auch gern helfen; leider aber ift e3 nicht möglich, fie jo unterzubringen, daß alle ihre Eigen- ichaften zur Geltung fommen fünnen. Der größte Stäftq wäre für fie als flatternde Säuge- tiere noch viel zu Klein, dürfte fie fogar gefährden, weil jte in einem einigermaßen ausgedehnten Raume zu fliegen verjuchen, an den Wänden anftogen und fich chädigen würden. In einem größeren Naume find fie übrigens imftande, von Hochhängenden Käfig aus wenigjtens etivas zu fliegen. Dies haben mir meine Gefangenen bewiejen, als jte einmal zufällig freigefommten waren und am andern Worgen ar der Dede des betreffenden Raumes angehängt gefunden wurden. Biel fchiwieriger wird es den Flugfüchjen, ji) vom Boden oder von der Dede ihres auf Dem Boden jtehenden Käftgs aus zu erheben. Ein don mir angejtellter Verjuch, jte beim liegen zu beobachten, mißglücdte gänzlich. Jch ließ ihren Käfig in ein großes Zimmer bringen und die Türe öffnen. Beide Flughunde waren vollfommen munter, fletterten ununter- brochen in dem Käfig umher, verließen ihn aber nicht. Die geöffnete Tür jchien für fie nicht vorhanden zu fein; daß die Öffnung ihnen einen Weg zum Entfommen bieten fönnte, fam ihnen, weil jie feine darauf bezüglichen Erfahrungen gemacht hatten, nicht in den Sinn. Ein Höhlentier wiirde anders gehandelt haben, eine fleine in Häujern lebende Fledermaus ficherlich auch. Wir mußten uns endlich entjchliegen, jte gewaltfam aus dem Käfig zu nehmen, eine Arbeit, die ung leichter jchien, als jte war; denn wir hatten unjere liebe Not, fie von den Sitterjtäben des Käfigs loszulöfen und in unjere Gewalt zu befommen. War es uns wirklich geqlückt, ihre beiden Füße loszuhafen, jo griffen jie mit der Daumenfralle zu und hingen jich fo feit, daß man fie, ohne ihnen Schaden zu tun, nicht freimachen fonnte; waren glüclich auch die Daumenfrallen gepadt, jo jchlüpften die Füße wieder aus der Hand, oder ein um- verjeheng beigebrachter Biß tat feine Wirkung, und alle mühjlam eingepadten Beine und Hafenfrallen wurden gleichzeitig frei. Enpdlich gelang e3 troß alles Beißens, jie heraus- zubringen und auf den Käfig zu feßen. Meine Hoffnung, daß fie von hier aus abfliegen würden, erfüllte fich aber nicht. Sie Eletterten ängjtlic) an den Außenmwänden des Ge- bauers auf und nieder, jchauten verfangend ins Innere, unterjuchten die Wände von allen Seiten, verließen fie jedoch nicht. ES wurde nunmehr eine Schwache Stange herbeigeholt, in einiger Höhe über dem Boden befejtigt und an ihr die Flughunde angehängt. Yebt ent- falteten fie die mächtigen Fittiche, fießen die Füße los, taten einige lautflappende Flügel- ihläge und fielen auf den Boden herab, hier mit möglichiter Eile und doch Höchjt ungefchiekt mweiterfriechend. Meine Gefangenen, ein Pärchen, lebten im volliten Einverjtändnis zujfammen. Be- jondere Zärtlichfeiten ermwiefen jte fich Freilich nicht; Zanf und Streit famen jedoch ebenjo- wenig vor. Sie jraßen gleichzeitig aus einer Schüfjel, tranfen gemeinjchaftlich aus einer Zajje und hingen friedlich dicht nebeneinander. Auf Gleichgültigfeit gegen Gejellfchaft war diejes jchöne Verhältnis nicht zurückzuführen: dazu find die Flughunde zu Yeidenschaftlich. Co gutmrütig fie zu fein fcheinen, jo willig jte ich von uns behandeln, berühren, ftreicheln lajjen, jo heftig werden fie, wenn Fremde jie muttilfig ftören oder neden. Ein höchft ärger- liches Sinurren verfündet dann deutlich, twie zownig fie find. Ihre Leidenfchaft äußert fich auch zumeilen ihresgleichen gegenüber, und e3 ift immer gefährlich, zwei Flughunde, die nicht Flugfuchs: Gefangenleben. Fortpflanzung. 405 durch eine längere Neife aneinander gewöhnt, vielleicht zufammen gefangen genommen worden jind, in einem Gebauer unterzubringen. Selbjt die Gatten eines Paares, die nur zeitweilig getrennt wurden, fallen unter Umftänden bei der Wiedervereinigung übereinander ber, fämpfen wütend miteinander und verlegen jich jo gefährlich, da einer von ihnen oder beide unterliegen. So fand man zivet feit furzem zufammengebrachte Flugfüchje des Ber- Iiner Tiergartens in wütendftem, ingrimmigjtem Stampfe auf Leben und Tod begriffen. Man trennte die aufs höchste erregten Tiere mit größter Mühe, war aber doch fchon zu jpät gefommen. Der Befiegte ftarb an jeinen Bikiwunden unmittelbar nach) der Trennung, der noch vor Ingrimm zitternde und wütend fchnarrende Sieger lag am andern Morgen tot auf dem Boden feines Käfigs. Die Unterfuchung ergab, daß beide Flugfüchje gegenfeitig an derjelben Stelle, dem Schultergelenf, fich angegriffen hatten. Ber dem zuerjt Unter- liegenden waren Oberarm, Bruftfeiten und Achjelgegend von Biljen jürmlich zerfebt, die Blutgefäße zerrifien und die Bruftmusfeln teilweije abgebiljen. Solche mwütende Kämpfe erflären fich, wenn man bedenkt, daß die Flughunde, die gejchlojjene Gejelljchaften bilden, mit Fremden nichts zu tun haben wollen und mwahrjcheinlich jeden Cindringling be- fämpfen. Ein erfranfter Genofje wird dem gefunden in wenig Tagen der Trennung ebenjo fremd mie jeder neue, den man zu ihm bringt. Gejchlechtliche Rüdjichten fommen nicht zur Geltung, und der Ziweifampf beginnt. Reider halten fich gefangene Flugfüchje auch bei der beiten Pflege nicht allzu lange Zeit. Man fann ihnen alles erjegen, nur die ihnen fo notwendige Flugbewegung nicht. nfolge- dejfen befommen fie früher oder jpäter Gejchwüre an verjchiedenen Stellen ihrer Flügel und gehen an diejen fchließlich zugrunde. Gleichwohl jollen einzelne Stüde im Londoner Tier- garten mehrere Jahre gelebt und fich fortgepflanzt haben. Auch meine Gefangenen haben ich mehrere Jahre im Käfig gehalten, und aus dem Bejtande des in früheren Jahrzehnten twohlbefannten Leipziger Tierhändlers Geupel-White wird von einer Fortpflanzung be- richtet oder vielmehr das nach 12 Stunden wieder gejtorbene Junge bejchrieben, das Leudart in das zoologijche Univerfitätsinftitut gebracht wurde. Das alte Paar Flughunde war „un- gefähr acht Monate im Bejite von Geupel-White, und diejer will auch in der erjten Zeit Die Begattung beobachtet haben, die hängend und durch Annäherung der beiden Bauchjeiten geschehen foll. Das junge, weibliche, feheinbar ausgetragene Tier, daS noch mit der Placenta vereinigt itberbracht wırde, hat eine Körperlänge von der Spibe der Schnauze bis zum Ein- schnitt der Hintern Flughaut von 10,5 em; von der Spite des Mittelfingers der einen Geite bis zur Spite desfelben Fingers der andern Seite mißt das Tier 32 em; die Nabeljchnur hat eine Länge von 5 cm, und die opale Placenta ift 5 cm lang, 3,75 cm breit und 1 cm Did. Das Getwicht des Tieres betrug mit der Placenta 69 g. Die Geburt des zahnlojen, auf der KRücenjeite dicht, auf der Bauchjeite faft nicht behaarten, mit ftarfen, gut entwidelten Krallen verjehenen Tieres erfolgte Y,10 Uhr abends. Das alte Tier blieb während der Geburt in feiner hängenden Stellung und verfuchte nach der Geburt mehrfach, die Nabeljchnur zu zer- reißen, ohne diejes zu erreichen. (Das war wohl die Todesurjache des Jungen. D. Bearb.) Das junge Tier wınde mit dem Hinterhaupt zuerjt geboren. Der Austritt der Placenta erfolgte ungefähr um 12 Uhr nachts." — Nicht befjer ging e3 im Kölner Zoologijchen Garten, wo am 7. Auguft und 14. September 1890 die Paarung beobachtet und am 18. Dftober Das Sunge allein an der Dede hHängend gefunden wurde. Die Mutter nahm jich feiner dann zwar an, hatte aber zufolge der leidigen Flughautgejchtwüre wohl nicht genügend Nahrung für das Kleine, fo daß diejes gegen bier Monate alt ftarb, ohne von dem Futter der alten 406 4. Ordnung: Ylattertiere. PBamilie: Flughundartige. Tiere etivas zu fich genommen zu haben, während dies der (in Köln ebenfalls gezüchtete) Halsbandflughund bereits mit drei Monaten getan hatte. IS Beifpiel für eine ganz bejchräntte Jnjelverbreitung mag noch der neuerdings zu der Untergattung Spectrum gerechnete BärenflughunDd, Spectrum pselaphon Tem., von den Bonininjeln im Sidoften Japanz, erwähnt werden, zumal er einmal lebend im Berliner Garten war. Er rechtfertigt feinen Deutjchen Jtamen Durch den breiten, gemwölbten Schädel mit den ftarken, weit abjtehenden Jochbogen und die verhältnismäßig furze, breite Schnause, namentlich aber in der äußern Erjcheinung fchon durch den langen, dichten, jchwarzen, am Rumpfe von grauen Stichelhaaren fchattierten Pelz, in dem die Ohren fat ganz verfteckt find. Die Gattung der NachthHunde (Roussettus Gray) unterjcheidet jich von den eigent- fichen Flughunden dadurch, daß ihre Mitglieder einen kurzen Schwanz jowie einen bon der Stughaut umhüllten Daumen haben und die Zigen auf der Bruft jtehen. Das Gebiß und alle übrigen Merkmale ftimmen mit denen der Flughunde überein. Die Gattung it Hauptjäch- (ich über Afrifa verbreitet. Eine längs des Weißen und Blauen Nil ausschließlich auf Delebvalmen Haufende Art diejer Gattung, zugleich Vertreter der Untergattung Pterocyon, tft ver Balmenflughund, Roussettus stramineus E. Geoffr., ein ftattliches Tier von 22—25 em Keibeslänge und gegen 1m Flugweite. „Der majjige Kopf”, jagt Heuglin, „niit bulldoggenartig gefalteten Lippen und großen Augen gleicht noch dem eines Hundes; der Itraffe Pelz it am Borderhalie glänzend orangegelb, oben gelblich- oder gräulichweiß, unten rußjchwarz.” Dohen beobachtete, mündlichen Angaben zufolge, dieje Art auf den PBrinzeninjeln; Heuglin fand fie am obern Weihen Wil auf. Dort ericheinen die Balnenflughunde unmittel- bar nach Sonnenuntergang, jobald die Bapageten von ihren Plünderungen in den Feldern nach den Gebirgswäldern zurücdgefehrt find, um nun ihrerjeit3 Das Tageiwerf jener fort- zujeßen. Sn großen Banden bemerft man jte nicht, vielmehr immter nur in Gejelljchaften bon 6—20 Stüd, die in langen Reihen hintereinander herfliegen und bloß in der Nähe gewwijjer Bäume mit weichen Früchten, 3. B. von Mango, Melonenbaum und Ubacate, ich fammeln, an denen jie empfindlichen Schaden anrichten. Auch am Weißen Flujje leben fie nur in Heinen Gejellichaften und paarweife. Bei Tage halten fte jich unter den Dürnten Blätterbüfchen der Delebpalmen verborgen; mit der Dämmerung beginnen jte um- herzufchwärmen. „Sn mondhellen Nächten”, jagt Heuglin, „jind die PBalmenflughunde immer wach und in Bewegung, lärmen dabei auch viel durch Aufjigen an Zweigen und jelbit im Fluge bei rafchen Wendungen. Shre Nahrung bejteht Hauptjächlich in Früchten, unter denen fie Feigen allen übrigen vorziehen. Zur Zeit der Neife der Syfomoren be- Ihmußen fie fich oft Kopf und Hals mit einer Dielen gelben Krufte von Saft und Samen. 2ährend der Neife der Delebpalmenfrüchte halten jte fich fat ausjchlieglich an diefe und frejjen fich buchftäblich fo in diefe ein, daß fie mit den fehweren Nüffen herabgejchojjen werden fönnen. Wir hatten einftmals einen diefer bifjigen Burjchen lebendig gefangen und jesten ihn in Ermangelung eines Behälters in einen Heinen aus Palnblattftielen gefertigten Bauer, der die Nacht über auf einer Padkifte unfern meines Zeltes am Ufer fand. Saum war e8 dunfel geworden, als den Gefangenen die Ruft ankam, fi) Bewegung zu machen. Quäfend und fchreiend arbeitete er in feinem engen Bauer umher und z0g Bären-, Balmen-, Nil- und Halsbandflughund. 407 durch den Lärm Dubende jeiner Verwandten herbei, die troß unjeres Schteens die ganze liebe Nacht hindurch Fräftig und wütend gegen den Käfig jtießen, wie Naubvögel auf den Uhu.” Sm Berliner Zoologiichen Garten lebt ein einzelnes Erenmplar, jtill und einjam an einem Stletterbäunnchen hängend, aber bei quter Gejundheit, bereits jeit November 1900 und ijt bis jeßt (Dezember 1911) auch von der leidigen Flughautfranfheit verjchont geblieben. m Frankfurter Garten hielt eines gar 151/, Jahre aus! Bu derjelben Gattung gehört auch die einzige Urt der Familie, die ich im Freileben fennen gelernt habe, der Nilflughund, Roussettus aegyptiacus E. Geoffr., der fich über ganz Ügypten und Nubien verbreitet und in der Nähe von größeren Syfomorenbeftänden regel- mäßig vorkommt, auch Schon im Delta feinesmwegs jelten ift. ES war ung ein eigentümlicher Genuß, an den fchönen, lauen Sommerabenden Agyptens die Flughunde zu belaufchen, wenn jte über die fonft von niemand benusten Früchte der Syfomoren herfielen und in den fchönen Laubfronen diefer Bäume ihre Abendmahlzeit hielten. Meine Diener, zwei Deutjche, ichienen anfangs auch gemwillt zu fein, in den Tieren die entjeßlichen Blutjauger zu erbliden, und verfolgten fie zuerjt aus Nachegefühlen, fpäter aber wirklich nur aus Freude an der an- ziehenden Jagd, die fie oft bis Mitternacht fejjelte. Wir erlegten viele und anfangs ohne große Mühe; fpäter aber wurden die Flughunde jcheu und famen jtets nur jtill und ge- möhnlich von der entgegengejesten Seite angeflogen, jo daß es jehr jchtver hielt, jte in den dunfeln Baumfronen wahrzunehmen. Die flügellahm Gejchojjenen freiichten laut, biffen auch lebhaft und ziemlich empfindlich um fich. Meine Gefangenen jtarben nach furzer Zeit; andere Forjcher Haben dasjelbe Tier oft lange lebend erhalten und jehr zahm und zutraulich gemacht. Zelebor 3. B. brachte ein Pärchen von ihnen nach Schönbrunn und hatte beide jo an fich gewöhnt, daß fie augenblicklich herbeigeflogen famen, wenn er ihnen eine Dattel vorhielt. Auch von Fremden liefen fie jich jtreicheln und ihr Fell Frauen. Alte, ausgewachjene Flughunde diejer Art erreichen etiva 16 em Störperlänge und eine Flugmweite von 90—95 em. Der furze, weiche Belz ijt oben lichtgraubraun, unten heller, an den Seiten und Armen blaßgelblich; die Flughäute haben graubraune Färbung. Eine dritte Art von Nachtdunden, der Halsbandflughund, Roussettus collaris ZZ. (Abb., S. 408), aus Südafrika, Klein, mit ifabellfarbenem Pelz und jchön goldgelbem Hals- bande beim Männchen, hält in Gefangenjchaft ungleich bejjer aus als der Flugfuchs, da ihre Flügel nicht von Anfchwellungen und Gejchwüren befallen werden. Jın Londoner Tiergarten hat fich dDiefe Art oft und dann regelmäßig fortgepflanzt. Die Tragzeit dauert angeblich 107 Tage. Über das exjte, am 27. Februar 1870 geborene Junge berichtete dev Schriftführer Selater in der darauffolgenden Märzverfammlung der Zoological Society. Die Mutter hatte fich fofort mit dem am 1. November 1869 gefauften Männchen befreundet, und das Paar hielt fich gewöhnlich gefondert in einer Ede des Käfigs, den noch andere Fluaghunde bewohn- ten; die Begattung wurde aber nicht beobachtet. Das Junge wurde mit furzen, weichen, blaßgrauen Haaren geboren, die dunflere Spiten hatten. ES hing mit feinen Hinterfralfen an der Unterfjeite der Mutter fejt und war gewöhnlich mit dem Maule an einer der beiden Bien angejaugt, die am Bruftmusfel unter dem Flügel tegen. Dies wat wohl der exjte nachgetviejene Fall von Fortpflanzung eines Flughundes in der Gefangenjchaft. Eine genauere und in vieler Beziehung jehr lehrreiche Schilderung, die von liebe- bolfer Beobachtung zeugt, gibt Wunderlich, der befannte Leiter des Kölner Gartens, von der 408 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Flughundartige. Fortpflanzung eines Paares dort gepflegter Halsbandflughunde, die aus dem Londoner Garten ftammten. „Meine Hoffnung auf Nachzucht jollte jich zunächit leider nicht erfüllen. Am Morgen des 12. Februar 1889 fand der Wärter einen jungen Flughund mit eingedrück- tem Geficht auf dem Käfigboden. Das Weibchen zeigte gar fein Unbehagen, und jchon am 19. desjelben Monats beobachtete ich, daß es fich mit dem Männchen paarte. Diejer Akt ift io eigentümlicher Art, daß er hier furz gejchildert werden muß. Beide Tiere Hängen in ge- wöhnlicher Weife hintereinander, und zwar fo, daß der Bauch des Männchens den Unter- rüden des Weibchens berührt. Das männliche Glied, ein ge- frümmter, etwa 5 em langer Schlauch, jchiebt fich taftend ztotschen den Hinterbeinen des legtern hindurch in die Scheide, ohne Daß der Hinterförper des Männchens jich bewegte. Das Glied bildet gleichjam einen Hebel, der fih um einen an jeiner Wurzel gelegenen Punkt dreht und vermöge jeinerbogen- fürmigen Geftalt an den Ort jeiner Bejtimmung gelangt. & folgen dann einige fchnelle Be- wegungen des männlichen Hinz- terförpers, und der Akt ift in wenigen Gefunden beendet, ohne daß einer der Beteiligten einen Laut von fich gegeben hat. Die PBaarungen wurden in unregelmäßigen Zwijchen- räumen bis zum 9. April 1890 Halsbandflughund, Roussettus collaris ZU., mit Jungem. Aus „Proc. wiederholt. Seit diejem Tage Zool. Soe.“, 1870. Ya natürlicher Größe. wurde feine mehr bemerft. Das Wachstum des Unterleibes fteß bald auf Befruchtung fchliegen, und am 105. Tage nach der legten Paarung, nämlich am 20. Juli, fand ich morgens ein Junges an der Alten hängend. Die Geburt war leider bei Nacht erfolgt und jo meiner Beobachtung entgangen. Das Junge ift nicht immer Jichtbar; im Gegenteil, man jieht es nur äußerft felten, da es in der Negel durch die Flug- häute Der Mutter völlig verdeckt wird. Seine Färbung war einfürmig hellgrau mit dunkler Sprenfelumg. Die Flügel, die in den erjten Wochen ftets dicht am Körper getragen wurden, waren dunfelbraun. Das Männchen, das feine Gefährtin während ihrer Trächtigfeit un- gejtört gelajjen hatte, fing jeßt an, fie zu verfolgen, und ich war genötigt, es entfernen zu laljen. Nach vierzehn Tagen wurde das Männchen toieder aus der Einzelhaft befreit, und e3 hing fich fogleich friedlich neben fein Weibchen, lie e8 auch einige Tage in Ruhe bis zum 9. Augquft, von welchem Tage an wieder häufiger Paarungen ftattfanden. Volle vier Mo- nate hing das Junge feft an der Mutter und wurde von diefer hinab zum Treffen und Halsbandflughund und Verwandte. 409 rieder hinauf zur Dede getragen. Gegen Ende des dritten Monats nahm es fchon an den Mahlzeiten der Alten teil, indem es den Saft der Früchte ausjfog, das Fleijch aber, twie jene, wieder ausjpie. Nach Ablauf des vierten Monat3 fand ich das Junge zumeilen neben der Mutter am Drahtgeflecht der Dede hängen und die vorderen Gliedmaßen Durch heitiges Hin- und Herjchlagen üben. &3 blieb aber ftetS jo nahe bet ihr, daß es fofort unter ihre jchügenden Fittiche jchlüpfen fonnte, wenn das Männchen jtch nahte, und es fing lebhaft an zu fchreien, wenn diejes fich zu einer innigen Berührung mit feinem Weibchen anjchidte. Bald folgten weitere Ausflüge, und dabei wurde das Junge nicht in der fried- fichjten Abficht vom Vater verfolgt. Blieb jenem fchlieglich Fein Ausweg, fo bequemte es jich zum Fluge, und ich hatte Dadurch mehrfach Gelegenheit, dieje Art der Fortbewegung, welche die alten Tiere in der Gefangenschaft gar nicht mehr auszuüben pflegen, zu jehen. Allerdings war der Durchilogene Weg ftet3 nur furz, von der Vorder- zur Hinterivand des Käftgs. Dort angekommen, wurde jchleunigjt zur Mutter geeilt und deren Schuß gejucht. Seßt ijt das Junge acht Monate alt, Hat aber die Größe der alten Tiere noch nicht volfitändig erreicht. ES frißt regelmäßig mit den Alten, trinkt daneben aber auch nocd) an der Mutter, ohne fich jedoch wie früher an ihr anzuhejten. Der Bater hat jich mit dem Sprößling, der weiblichen Gejchlechts ift, völlig ausgejöhnt, und alle drei hängen jebt tagsüber, Dicht aneinander gejchmiegt, unter der Dede des Käfige.“ Bon Halsbandilughund verjichert Layard, er fräße in Ermangelung von Früchten au) Snfeften, die er von den Blüten und Blättern wegjchnappt, ohne fich niederzulajjen; von einer naheverivandten Art, Roussettus amplexicaudatus E. @eoffr., wurde Dobjon aus Moul- mein in Burma fogar berichtet, daß fie Weichtiere frißt, Die die Ebbe auf dem Trocnen läßt. Viele diefer Flughunde wohnen, ftatt auf Bäumen zu leben, in Höhlen oder verlajjenen Gebäuden; eine Art findet man mafjenhaft in den Räumen der großen ägyptifchen Pyra- miden und in Ruinen Baläftinas, während Blanford wieder eine andere am Berjiichen Golf auf der Katwilah- oder Süifchno-Änfel in den Höhlen beobachtete, die dort aus dem Steinjalz ausgewajchen find. Dobjon, der Naturgejchichtsjchreiber der Fledermäufe, meint, daß jeder einzelne Flughund entweder auf einem Baume oder in einer Höhle jeinen Nuheplaß juche und man die gewohnheitsmäßigen Höhlenbefucher von den Baumbewohnern an ihrem fürzeren Pelze unterjcheiden könne. Auch diefe Flughunde legen auf ihrem täglichen Wege zum Futter weite Streden zurüd; doch find ihre Leiftungen in diefer Beziehung über- trieben worden: mehr al3 16 englische Meilen und ebenjoviel zurüc betragen jte nicht. (2ydeffer, „Royal Natural History“.) Zur Tierwelt unferer afrifanijchen Kolonien gehören natürlich die Nachtflederhunde auch, und zwar fommen die beiden vorgenannten mweitverbreiteten Arten, Balmen- und Hals- band- oder, wie Matjchte ihn nennt, Schmalflügel-Flughund (Roussettus stramineus und R. collaris) forwohl im Often als im Weften vor; außerdem reicht noch eine weitliche Form, Myonycteris torquatus Dobs. (Xantharpyia torquata), die von Stuhlmann am Nunfjoro gefunden wurde, nad) Ruanda hinüber. Ebenfo beherbergen Deutjch-Neuguinea und der Bismard-Archipel eine Reihe von Arten der Gattung Pteropus im weiteren Sinne, von denen einige zur Fortpflanzungszeit in ungeheueren Scharen zufammenleben. Dieje haben dann gemeinjame Schlafpläße in den Sironen der Mangroven, von wo aus jie regelmäßig jeden Abend zu ihren faftige Früchte tragenden Nahrungsbäumen, den Eufalyptus, fliegen; bon deren jcharf riechenden Früchten befommen die Flughunde einen eigentiimlichen Geruc). 410 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Flughundartige. Der Riefe unter ihnen, ver Nadtrüden-Slughund, E. papuana Pers., Vertreter der Unter- gattung Bunycteris Gray, Haftert bi3 zu ?/,m und ft leicht an feinem nadten, in der Jugend nur ein fchmales, jpärlich behaartes Längsfeld tragenden Rüden zu erfennen. Cine zweite Form ift Schwarz mit gelben Nadenbande und dicht behaartem Rüden. In Nord-Neuguinea jieht fie etwas anders aus al in Sid-Neuguinea, wo ie jtetS eine helle Augenbrauen- binde hat. Die nördliche Urt heißt Pteropus (im engjten Sinne) chrysanauchen Pirs., "Soldnaken-Flughund, die füdliche P. conspieillatus Gould, Brauen-Flughund. nntich exfegen fich zwei Furzjchnauzige Formen ohne gelbes Nadenband, Vertreter der Untergattung Spectrum Gray, im Norden und Süden: 8. epularium Rams. im Süden und S. hypomelanum Tem. im Norden. Auf Sanıoa lebt S. samoensis Peale, auf den Marianen- infefn S. marianum Desm., auf den Starolinen S. insularis Hombr. et Jacqu., S. ualanum Ptrs. Zu einer ganz andern Hauptgattung (Cephalotes E. Geoffr.) gehört der Mantelflug- hund (C. palliatus X. @eoffr. [peronüi]); er hat feine Stralle am Zeigefinger, und die nadten Tlughäute fegen fich in der Mittellinie des behaarten Rüdens an, indem jie über diejen von beiden Seiten zn Hälfte iibergreifen. Dieje Art übernachtet in Feljenhöhlen. (Matjchte.) Die Gattung Kurznafen-Flughunde (Cynopterus F. Cuwv.) jchließt fich eng an Rous- settus an: enthält jie Doch eine Form (C. grandidieri Pfrs.) von Sanjtbar, die die älteren Bearbeiter, noch Dobjon, zu Roussettus (Cynonycteris) rechneten! Während nämlich jonft bei den Hurznafen-Flughunden eine Berringerung der Zahnzahl (nır 30 Zähne, Formel 22) eingetreten ift unter Beibehaltung der allgemeinen Zahnformen bon Roussettus, it bei der Übergangsart Grandidiers Kurznafen-Flughund noch ein Badzahnı mehr vorhanden, der aber im Verfimmern beariffen ift. Dobfon jagt daher von diefer Übergangsart jehr bezeichnend: „Sn der äußern Erjcheinung tft diefer Slughund ein Cynopterus. Tatjächlic) fönnte fein Zoologe am lebenden Tiere erfennen, daß es zu der Gattung Oynonycteris gehört. Sit diefe Form num eine Cynonycteris-rt, die zu Cynopterus übergeht, vder fönnte e3 am Ende ein Mifchling fein?” Und im neuejten Supplement des Trouejjartjchen Säugetierfatalogs (1904) ift diejes vielberufene Ziijchenglied nur noch die lebte in der langen Neihe von Unterarten, die von der einzigen Art (Cynopterus sphinx Vahl) auf- gezählt werden, auf die man heute die Untergattung Cynopterus im engern Sinne bejchränft, während die drei anderen Hauptarten zu einer zweiten Cynopterus im weitern Sinne unter- geordneten Untergattung Thoopterus geitellt werden. Sp fann die Bewertung fyjtenta- tiicher Merkmale wechjeln: friiher abweichendes Mitglied einer Gattung mit Überganas- charafter zur nächjtverwandten, heute nicht einmal mehr junge Art, fondern nur noch Unterart in diejer anderen Gattung! Die Kurznajen-Flughunde bejchränfen ich mit ihren wenigen Arten auf die Orienta- iche Negion: Indien mit feinen Injeln; jte unterjcheiden fich leicht Durch die Furze, ge- rundete Schnauze mit flacher, jenkrechter Rinne in der Oberlippe und ihre geringe Größe. Der Gewöhnliche Kurznajen-Flughund, Cynopterus sphinx Vahl, verbreitet jtch von VBorderindien bis zu den Philippinen und ift bemerkenswert durch feine unglaubliche Gejräßigfeit. Ein Eremplar, das, einige Stunden nach der Mahlzeit getötet, eine Unze tvoq, hatte binnen drei Stunden 21/, Unzen Paradiesfeigen verzehrt. Der Flug joll viel leichter jein al3 bei den Flugfüchfen. Über die Fortpflanzung berichtet Dobjon jehr Merkwitrdiges, aber ganz hnliches, wie bei dem zur jelben Gattung gehörigen Grandidiers Flughund, C. grandidieri Ptrs.. Kurznajen- Höderzahn-, Epauletten-Flughunde. 411 von Sanfibar: „Ein Erenmplar der Sammlung, ein altes Männchen von Ceylon, hat wohl- entmwidelte Milchdrütfen; die Ziben find jo groß mie bei irgendeinem Weibchen während der Säugezeit. Jch Habe abnorm große Milchdrüfen auch bei einigen Männchen anderer Fleder- mausarten beobachtet und halte es für wahrjcheinlich, daß, wo zwei Junge im jelben Wurf geboren iwerden, Das Männchen das Weibchen von der Laft des einen befreien und diejen als Amme dienen mag. Dieje Annahme wird geftübt Durch die Überlegung, dal; das Gemicht zweier Jungen die Flugfähigfeit das Weibehens ernitlich in Frage jtellen wiirde.” Nun noch ein Wort über die Gattung Höderzahn-Flughunde (Pteralopex Thos.), Die als hochinterejjantes Bindeglied aus diefem Gejichtspunft hier wentgitens erwähnt werden mag. Lhdeffer bemerkt dazu: „Sn unferer kurzen Überficht über die Flughunde dürfen wir nicht verjäumen, eine ziemlich große, fürzlich auf den Salomoninjeln entvedte Art zu er- wähnen, die durch den eigentümlichen Bau ihrer Zähne bemerfenswert ift. Ste tjt von ein- tönig Dunfelbrauner Farbe und hat die allgemeine äußere Erjcheinung der gewöhnlichen FSlughunde, mit denen jie auch in der Zahl der Zähne übereinjtinimt; nır ift die Schnauze viel fürzer und diefer. Die Eigenart des Zahnbaues liegt darin, daß die Baczähne eine Reihe bon Spithöcern haben, die die charafteriftiiche Längsrinne allermeijt verwijchen. Das VBor- handenfein diefer Spibhöcer zeigt deutlich, daß der jpibhöderzähnige Flugyund der Nach- fomme ift bon einer verbindenden Form zwijchen den injeftenfrejjfenden Flevdermäufen und den Flughunden, und auf Grund des Belegjtücdes, das dieje Urt liefert, leiten heute die Na- turforscher alle Flughunde von Fledermäufen mit völlig jpishöcerigen Zähnen her, wie die der injeftenfrejfenden Arten find. Die Salomoninjeln find eine Gruppe öftlich von Neu- guinea und ziehen fich in füdöftlicher Richtung von Neumecklenburg weg; das ijt geradejo ein abgelegenes &ebiet, das am meisten geeignet erfcheinen muß für das Überleben alter Ver- bindungstgpen in der Tierwelt.“ Die Epauletten-Flughunde, wie Lydeffer die Hauptgattung Epomophorus Bennett nennt nach abjonderlichen Drüfenhaarbüfchen der Männchen auf den Schultern, jtehen in vollfommenem Gegenjaß zu den glatten Spißtöpfen der meijten Verwandten durch ihre plumpen, langen Köpfe mit ihren ftumpf fegelförmigen oder gerade abgejtußten Schnauzen. Sehr breite, jchlaffe, Dehnbare Kippen begrenzen das geräumige Maul, und am Ohrrand jit ein Büchel weifer Haare. Einige find jchwanzlos, andere haben einen funzen Schwanz, der aber nicht in die Hinterflughaut eingeht. Die Zähne find auf 28 vermindert; Formel: 2:2: Beider Untergattung Epomops Gray fallen alten Tieren die beiden äußeren oberen Schneidezähne häufig aus. Die Epauletten-Flughunde bewohnen Afrika jüdlich der Sahara bis Bort Elizabeth im Kaplande, fehlen aber auf Madagasfar. An zahlreichiten find fie in den meitlichen Urwaldgegenden, bejonders im Gabumgebiet. Hier lebt eine jehr bemerkenswerte, bon Du Chaillu entdedte Art, die zu einer Unter- gattung (Hypsignathus Allen) erhoben worden ift, weil ihr die Schulterbüjchel fehlen: der Hammerfopf-Flughund, H. monstrosus Allen (Taf., ©. 366). Der Kopf des Männ- chens trägt dafiir eine ungeheure Schnauze, die fich vorn noch jehildartig verbreitert. Das gibt dem ganzen Geficht einen abjchredend hHäßlichen Ausdrud und erinnert an ein mwüjtes Zerrbild vom Kopfe des Maultiers. Sir John Kirk erzählt uns, daß die Epauletten-Flughunde meist von Feigen leben, und Dobjon bemerkt in feinem Fledermausfatalog, dab ihre großen und breiten Lippen betvundernswert der Aufgabe angepaßt find, den jaftigen \nhalt Diejer 4123 4. Ordnung: Slattertiere. Familie: Flughundartige. g g g und anderer weicher Früchte während des Kauens feitzuhalten und einzufaugen. Der Haffiiche Fledermausforjcher gibt Dort auch jchon an, daß diefe Sauglippen beim Männchen noch ungleich mehr entwidelt find als beim Weibchen. Die weitaus merfwiürdigjte Eigentiim- lichteit, Die in der ganzen Säugetierordnung auch nicht annähernd fo twiederfehrt, Fannte er aber damal3 offenbar noch nicht: das ift Die ganz unmäßige Ver- größerung des Kehl- fopfes, der beim alten Männchen fat voll tändig Die Lungen bevdedt und bis zum Swerchfell binunter- reicht. Er ift unge- fähr halb fo lang wie die ganze Wirbelfäufe ! Matihie Hat vom Sammerfopf (H. mon- strosus) der Berliner GSejellichaft „Natur- forjchender Freunde” 1899 das Beweisjtüc vorgelegt und das Brä- parat in den Sibungs- berichten abgebildet. Dobjon jelbit Hatte üb- tigens inzwischen auch (Proc. Zool. Soe.“, 1881) eine eingehende, mehrfach illustrierte Schilderung des Nie- jenfehlfopfes mit jei- nen Nebenorganen an Hautjfäden und Mus- fein gegeben umddtejen einzigartigen Apparat Präparat von einem männliden Hypsignathus monstrosus Allen, um den 1aY} Riefenkehl£opf &) zu zeigen. Im Berliner Mufeum gezeichnet von K.R. Hartig. ou der nachwei lichen Teigennahrung Der Tiere in Beziehung gebracht, deren Refte er in den Eingeweiden fand. Er ftellt dabei jolgende Überlegung an: „Die Feige, die fozufagen ein Hohlraum mit zahlreichen Fleinen Srüchten ift, läßt fich nicht Leicht ftüchweife vom Zweige veißen, um fie zu zerfauen, und ihre äußere Haut ift offenbar viel zu zähe, als daß fie der Epaulettenhund mit jeinen fchiwachen Hgähnen ganz durchbeigen fönnte. Daher it die bejte Methode, wie er zu ihrem weichen, jaftigen inhalt gelangen fann, fie auszufaugen Durch die Öffnung an der Spike der ganzen Srucht”, und für Diefen Ziwed find dann die mächtigen, faltigen Lippen und der riejige Epauletten-Flughunde. 413 Kehlfopf mit feinen einheitlich zufammentwirfenden Nebenorganen, deren Feinheiten Dobjon genau Ddarlegt, allerdings eine geradezu raffinierte Auspumpmafchine. Ciniger- maßen unbefriedigt läßt bei folcher Erklärung nur die Tatjache, daß die Weibchen jo ungleich weniger qut mit diefem Saugapparat ausgeftattet find: nach Matjchie reicht der Kehltopf de3 Hammerfopfmweibchens nur wenig unter den oberen Hanpdariff des Bruftbeins herab, und das läßt Doch immer noch Raum für den Gedanken an irgendwelchen Zujammenbhang der underhältnismäßigen Vergrößerung beim Männchen mit dem Gejchlechtsleben. Bon Epauletten- Flughunden aus unferen Kolonien führt Matjchte in feinen ‚„„Säuge- tieren Deutjch-Dftafrifas’ auf: den Großen und den Kleinen Epauletten-Flughund, Epomophorus gambianus 09. (Taf., ©. 366) und minor Dobs., und als weitliche Form, die von Emin Bajcha in Bufoba am Weftufer des Victoriafees gefammelt wurde, den SJjabell- Epauletten-Flughund, E. comptus Allen. Vom Kleinen Epaulettenslughund, der auf Sanjibar und im deutjch-oftafrifanifchen Küftengebiet (Bagamoyo) gewöhnlich ift, gibt er Böhms Lebenzfchilderungen wieder: „Diejer hübjche Keine Flughund bejucht in großen Scharen die mit reifen Früchten beladenen Miumbabäume und Shykomoren, die er mit eigen- tümlichen metallischen Lauten umjchtwirrt. Die Früchte der erjtern beigen jte ganz ab, indem fie fich nur einige Augenblide anhängen. Bejonders in mondhellen Nächten ijt das Raujchen und Zmwitjchern in den Zweigen ganz auffallend.” Mittlerweile jind durch Matjchte noch die folgenden Arten hinzugefommen: E. buettikoferi aus Liberta (Junffluß), pousarguesi vom Scharifluß (Tjadjeegebiet), zechi aus Togo, zenkeri aus Kamerun, stuhlmanni aus dem mittleren, und neumanni aus dem nördlichen Deutjch-Dftafrifa. Matfchte Hat alle dieje neuen Arten verdienten Forfchern und Sammlern gewidmet: dem dvortrefflichen Neifenden und jeßigen Leiter de3 Notterdamer Tiergartens Büttifofer, de Poufargues vom Barijer Mufeum, dem Grafen Zech, 1905—10 Gouverneur von Togo, dem bewährten Stameruner Sammler Zenfer, den Ddeutjchen Dftafrikaforfchern Stuhlmann und Oskar Neumann. Schließlich fommt noch fomwohl in Togo und Kamerun als im deutjch-oftafrifanifchen Seen- gebiet bi3 zum Guafjo-Nyiro im Mafjailande E. pusillus Pirs. vor, den Matjchte zu einer bejonderen Untergattung Mieropteropus erhoben, und in Togo E. veldkampi Jent., den ex al3 Nanonycteris abgetrennt hat. — Aus Südfamerun fehildert neuerdings G. %. Bates, dem wir wertvolle Beiträge zur Säugetierfunde diejes Waldlandes verdanken, die Epauletten- Flughunde: „Die gemeinfte Art, ‚sndun‘ genannt, macht jedenfalls mehr Gejchrei in der Nacht als irgendein anderes Tier des Landes. hr eintönig Frächzendes Gefnarre hört man im Bufch um die Dörfer jede Nacht — menigftens wenn irgendeiner der Wildbäume, Die dort wachen, in Frucht fteht. Sie waren bejonders zahlreich um mein Haus, wenn ein Udifabaum nahebei trug. Shr Gefchrei beiteht in einer Axt krächzenden Bellens, das in einem und demjelben Ton vielmals wiederholt wird; man hörte e3 auch regelmäßig aus dem Dickicht, wenn die Fledermäufe allem Anfchein nach hingen. Aber manchmal in der Totenjtille der Kracht hörte man den Ton auch, hoch über fich vorüberziehend, von der liegenden Fledermaus. Wenn ein Büchel Bananen unter meiner Borhalle hing, wurde e3 nachts von den Flug- Hunden aufgejucht. Wenn die Bananen jehr weich waren, fraßen fie mehrere in einer Nacht und bifjen noch mehr an, ohne fich niederzulaffen, während fie ab- und zuflogen. Am Testen Yuguft und erjten September wurden mir zwei Weibchen gebracht, jedes mit einen halb- wüchligen Jungen, das an der Mutter hing. — Der große Hypsignathus monstrosus mar jehr Häufig in den Mangroven und Palmen am Ufer des Benitoflujjes. Jm Bululande, two 414 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Slughundartige. e3 feine großen Flüffe gibt, ift er nicht Häufig; zuweilen findet man ihn aber im Walde hängend, namentlich an jumpfigen Stellen. Einen fanden wir jo durch das Gezeter der Heinen Vögel, mit dem fie ihn umringten, wie eine Eule oder Schlange.“ % Die legte Unterfamilie der Großflatterer, die der Langzungen-Flughunde (Carpo- nycterinae, bei Miller Kiodotinae), fteht an Formenreichtum und Bedeutung im Haushalte der Tropennatur weit hinter der vorigen zurüd und unterjcheidet fich von Diejer, die duch mäßig fange Zunge und wohlentiwidelte Badzähne gefennzeichnet war, duch eine ausnehmend (ange Zunge, die im vorderen Drittel fchmal zuläuft und an der Spibe mit langen, rücmwärts gefrümmten Bapillen bejeßt ift, ferner durch die Heinen Badzähne, die faum aus dem Zahn- tleifch hervorragen. Über den Gebrauch der langen Zunge liegen tatjächliche Beobachtungen nicht vor; da die Zunge aber ziemlich weit aus dem Maule herausgejtredt werden fan, tft ihre Beftimmmumg wohl, den Saft weicher Früchte aufzuleden, während dieje noch am Baum hängen und beim Leden von den Frummen Hornpapillen immer tiefer angerigt werden. Zu diefer Vorftellung von der Nahrungsaufnahme ftimmen auch jehr gut die Kleinen Bad- zähne, die für das Naugejchäft nur wenig leijten tönen. Auch die Schnauze ift lang bor- gezogen und Stark zugeipigt. Die Langzungen-Flughunde leben mit Ausnahme einer wejtafrtfantjchen Art in Vorder- und Hinterindien mit den zugehörigen Infeln und in der Auftralifchen Negion, gehen von VBorderindien bis nach Neuguinea, den Salomoninjeln und auf das auftraliihe Feitland; fie bilden nach Trouejjarts neuejtem Supplement (1904) jieben (nach Millers noch neuerer Überjicht neun) Gattungen, die allerdings bi3 auf die Stammgattung Carponycteris nur je eine Art enthalten: Eonycteris, Melonycteris, Trygenycteris oder Megaloglossus (die wejtafrifanifche, auch in Kamerun vorfommende M. woermanni Pagenst.), Callinyceteris, Nesonycteris, Nosopteris. Kur don wenigen Arten fönnen einige Einzelheiten aus dem Leben berichtet werden. Matjchie jagt von feinen beiden für Deutjch-Neuguinea neu bejchriebenen Yrten, Macroglossus (Carponyeteris) novae-guineae Mtsch. mit entwidelter und Syconyeteris (Untergattung von Carponycteris) papuana Misch., mit an den Siniegelenfen nur jehr wenig entticelter Schwanz- ughaut: „Sie leben von Honig und feinen Snfeften, die fie aus den Blüten vermöge ihrer Zunge ziehen follen, verzehren aber auch zarte Blatttriebe, Blüten und Feigen.“ Der stleine Langzungen-Flughund, Carponycteris minimus E. Geoffr., mag hier noch erwähnt werden, weil er überhaupt der Heinfte Flughund ift: er erreicht Faum die Größe unferer Frühfliegenden Fledermaus. Seine geographiiche Verbreitung geht jehr weit: von Vorderindien über Burma bi! nach Auftralien und zum Bismard-Archipel. Ir den warmen Tälern von Siffim ift er Häufig. Nach Blanford wohnt er gelegentlich auch in alten Gebäuden und lebt von allerlei Früchten, von denen er im Berhältnis zu jeiner Größe bedeutende Mengen vertilgt. Der Höhlenflughund, Eonycteris spelaea Dobs., eine etwas größere Form, weicht durch den Mangel der Stlaue am Zeigefinger ab und bewohnt Naturhöhlen in Südburma, Kordtenajjerim, Malakfa, Kambodjcha, Sava und Bornev. — Woodfords Langzungen- Slughund, Nesonycteris woodfordi Thos., von den Salomoninjeln ift bemerfensmwert durch jeine bunte Farbe: der Körper und die behaarten Teile der Gliedmaßen jind jatt orangejarben, die Flughäute dunfelbraun. Kleinflevdermäufe. 415 2. Unterordnung: Kleinfledermänie. Die Hleinfledermäuje, Nleinflatterer (Mierochiroptera), geben an Artenreichtum den Stoßflattertieren gewiß nichts nach, wohl aber, wie der Name jchon jagt, an Körpergröße, die diejenige eines mittleren Singvogels niemals überfteigt. Sie find im allgemeinen Jn- jeftenfrejjer, Kerfjäger im Fluge, und das tft der Hauptunterjchted in der Xebenswetje; Doc) find al Ausnahmen auch einige Fruchtfrejfer und Blutjauger darunter. Allen jind aber im Gegenjat zu den Flughunden und in Übereinftimmung mit der andersartigen Nahrung die jpighöderigen Badzähne gemeinjam, die im Oberkiefer auf der Oberfläche der Strone die Fiqur eine3W zeigen. Vorausjegung hierfür ift, daß die Kronen der Badzähne ihren größten Durch- mefjer in der Qurere haben und auch Duergruben tragen. Der Zeigefinger hat nie mehr als zwei Glieder, gewöhnlich nur eins, ein weiterer Unterjchted von den Flughunden, und trägt nie eine Kalle, wie jo oft bei diejen. Ferner entjpringen die Ohrränder jtets an ge- trennten Bunften vom Sopfe, bilden am Grunde nie einen gejchlojjenen Ring, und wenn der Schwanz nicht in die Flughaut aufgenommen ift, fiegt er über, nicht unter ihr. Die geographiiche Verbreitung der Kleinflatterer erleidet im allgemeinen nur die Beichränfung, die ihre Injeftennahrung vorjchreibt, d. h. fie bevölfern nicht nur die Tropen und Subtropen, jondern auch die gemäßigte Zone bis gegen den Polarkreis, und jte (eben nicht nur in ver Alten, jondern auch in verteuen Welt. Auch an Zahl und Mannigfaltig- feit der Formen, Neichtum der Gattungen und Arten übertreffen jie die Großflatterer jehr: bei weiten der größte Teil aller befannten lattertiere gehört zu den Stleinflatterern; man unterjcheidet von ihnen heute 83 Gattungen mit beinahe 600 Arten, und die “Fledermäufe find jo recht der Lieblingstummelplag der Säugetierfyitematifer, denen immer noch neues Material aus allen Weltteilen zuftrömt. Aus Gründen des Raumes jedoch müjjen wir hier natürlich darauf verzichten, auch nur die Gattungen alle erwähnen zu wollen, gejchtveige denn die Arten; wir fönnen vielmehr nur eine jehr bejchränfte Auswahl jolcher Formen treffen, Die irgendein allgemeinere Interejje haben. Vorher wollen twir die 16 Familien der Sleinflatterer aber ext noch auf Sektionen verteilen nach Merkmalen, denen man eine tiefergehende Bedeutung beimißt: 1) Freifchwänzige (Emballonurina): Der Schwanz durchbohrt entweder die Hinter- flugbaut und liegt obenauf, oder er fteht weit über die kurz abgeftugte Hinterjlughaut vor; das Mittelpaar der oberen Schneidezähne ift gervöhnlich groß und jteht dicht beifammen. 2) Bindejchwänzige (Vespertilionina): Der Schwanz jigt in der Hinterflughaut drin; das Mittelpaar der oberen Schneidezähne ijt niemals groß und ftet3 durch einen mehr oder weniger weiten Zwijchenraum getrennt. Der Mittelfinger hat mit wenigen Ausnahmen nur zwei fnöcherne Glieder, deren exftes jich in der Ruhelage in gleicher Richtung ausftreckt iwie der Mittelhandfnochen. Unter den Freifhmwänzigen ftellen wir die Yamilie der Slappnnajen oder Lang: ichiwanzjledermäuje (Rhinopomidae) voran, weil man jte bis zu einem gemijjen Grade als Berbindungsglied zwijchen Groß- und Slleinjlatterern anjehen fann. Dieje Fledermäuje haben noch zwei Glieder am Zeigefinger, das zweite Gelenk zwiichen Oberarın und Schulter- blatt ift noch nicht ausgebildet, und die Zwifchenftefer find jelbjtändige Knochen, nicht mit 416 4. Drdnung: Slattertiere. Familie: Klappnafen. der Imgebung verwachjen. Alles das bedeutet, nach Miller, eine gemwifje Urfprünglichfeit und geringe Entmwicelungshöhe: ein Zeigefinger mit zwei getrennten Gliedern fommt fonft bei den Sleinflatterern nicht wieder vor, und der freie Zipijchenfiefer ähnelt ganz dem der Flug- hunde. Dieje primitiven Merkmale werden aber nicht Durch weitgehende Spezialifierungen im fonjtigen Leibesbau wieder aufgewogen, jo daß wir füglich die Klappnafen al3 die niederfte Familie der ganzen Stleinjlatterer anjehen dürfen. Die einzige Gattung der lappnajen (Rhinopoma E. Geoffr.) fennzeichnet fich ferner durch langen, freien Schwanz und jcehmale Schenfelflughaut jowie durch ein eigentümliches IE III PRESS N N Klappnaje, Rhinopoma microphyllum E. Geoffr. Natürliche Größe. Gebif, da fich oben 2, unten 4 Schneidezähne, jederjeitS oben und unten 1 Edzahn, oben jeverjeit® 4 Badzähne, unten je 1 Lüczahn und 4 Baczähne, zufammen aljo 28 Zähne, finden. Über den Nafenlöchern, die zivei Querflappen bilden, fit ein fleifchiger Wulft, den Lindeffer aber nicht als wenig enttwiceltes Nafenblatt gelten lajjen will, jedenfalls, weil die entjprechenden Hautjinnesiwerfzeuge und Nervenendigungen fehlen. Die befanntefte Art der Gattung it die AgHyptifche lappnıafe, Rhinopoma micro- phyllum E. @eoffr., ein Kleines, langhaariges, lichtgrau gefärbte Tier von 5,5 em Klörper- länge, fait ebenfoviel Schwanzlänge und 20 cm Flugweite, an dem der jehr lange und dünne, aus 11 Nirbeln beftehende, weit die Schenfelflughaut überragende Schwanz am meijten auffällt. Die Stlappnafe lebt in außerordentlicher Anzahl in Ägypten, namentlich in alten verlajjenen Denfmälern, in fünftlichen und natürlichen Höhlen. Ich fand fie in Klappnafe. Tajchhenfledermäufe. 417 ungeheurer Menge in der ausgedehnten Krofodildöhle bei Monfalut, dem alten Begräbnis- plaße der heiligen Sriechtiere. Sn einem größeren Gewölbe gedachter Höhle hing jie in folchen Maffen, dat die eigentlich jchwarze Dede gräulich erjchten. Unten auf dem Boden lag der Kot zollhoch aufgefchichtet, und der Geftanf davon hatte die ganze lange Höhle verpejtet. ALS wir mit Licht in diefes Schlafzimmer traten, erfüllte ein wirklich ohrbetäubendes Geräufch die Luft, und plößlich fahen wir ung von einem dichten Gemirr der aufgejcheuchten Tiere umtingt, die haftig einen andern Ruheort zu erlangen jtrebten. Das Geräusch ihres Flatterns pflanzte fich weit Durch die Höhle fort. Manchmal löfchten fie uns das Licht aus. Bei den Streichen, die wir mit den Stöden führten, fehlugen wir jedesmal wenigitens eine, gewöhn- fich aber zwei oder drei zu Boden, und nunmehr wimmelten auch noch am Fußboden die flügellahmen Tiere, jo behende als möglich dahinfrabbeind. Die gefangenen bijjen wehrhaft und ziemlich empfindlich um fich. — Sn der Ubenddämmerung erjcheint diefe Fledermaus häufig am Nil, noch häufiger über dejjen überfchwemmten Stellen, und fängt hier dicht über der Dberfläche des Wajjers Snjekten. Die Klappnafe geht übrigens weit am Nil hinauf; noch bei Dongola trifft man viele. Sie fommt auch in ganz Border- und Hinterindien, mit Ausnahme des Htmalajagebietes und Ceylons, vor. Diejfe Klappnafen jammeln zur Falten Jahreszeit eine ungeheure Menge Fett an der Schwanzmwurzel und den Schenfeln an, die manchmal mehr wiegt als der ganze übrige Körper und jedenfalls als Zehrvorrat für Nahrungsmangel dient wie bei den Gruftfledermäufen (Taphozous). m nordweitlichen Sndien tft die Stlappnafe, nad) Blanford, gemein und zieht jich am Tage in Höhlen, Feljenjpalten, Ruinen und ähnliche Schlupfwinfel zurüd, in Katjch z. B. in die Hiehbrunnen. * Die Slattnajigen Freifgwänze (Emballonuridae) jheinen Miller nächit den Slapp- nafen die meiften urjprünglichen Merfmale mit dem geringften Grade von Sonderentmwide- lung zuderbinden. Der Zuftand ihres Schultergelenfes ijt fajt derjelbe wie bei diejen, und auch der freie, Flughundähnliche Zwijchenktefer ift vorhanden. Anderjeits hat der Zeigefinger gar feine Glieder mehr, und eine ganz merfwürdige Spezialifierung tritt in der Aufwärtsbeugung des Wurzelgliedes des Mittelfingers ein, das in der Ruhe oben auf den Mitteldandfnochen zurüdgelegt wird. Die Muffel it ohne Hautauswüchje, aber ganz eigentümlich jchief ab- geftußt, fo daß die Nüftern mehr oder weniger vorn über die Unterlippe vorragen: ein bequemes Kennzeichen für die ganze Familie! Der Schwanz durchbohrt die Hinterflughaut und fteht ganz getrennt und oberhalb von ihr über ihren Hinterrand vor. Die geographiiche Verbreitung erftredt fich weit über die Tropen beider Erohälften, im Stillen Ozean öftlich bi8 Samoa, laut Miller aber nicht nach Auftralien und Neufeeland. Miller macht wieder zwei Unterfamilien, die fich neben gewiljen Berjchtedenheiten in der hinteren Einfafjung der fnöchernen Augenhöhle Hauptfächlich Durch nicht verbreitertes (Emballonurinae) oder ftarf verbreitertes Schlüjjelbein (Dielidurinae) unterjcheiden. Yus der erjten Unterfamilie betrachten wir kurz zunächjt nur die im tropifchen umd jubtropifchen Amerifa heimijchen Tafchenfledermäufe (Saccopteryx Il.), die eine ganz eigentümliche Drüfentafche auf der Unterjeite der Slughaut beim Ellbogengelenf haben. Dieje Tafchen jondern eine rote, jtreng riechende Majje ab, und da jie beim Männchen mwohlentmwidelt, beim Weibchen verfümmert find, hält man fie für ein gejchlechtliches Brehm, Tierleden. 4. Aufl. X. Band. 27 418 4. Ordnung: Flattertiere. Yamilie: Olattnafige Freifhmänze. Anziehungsmittel. Bei einer Art aus Britifch-Guayana find die Drüfentafchen ungewöhnlich groß, und auf jeder erhebt fich eine vorjtehende Hautfalte, die mwillfürlich ausgeftredt und zurüdgezogen werden fann; zu welchen Zwed, weiß man nicht. An zweiter Stelle werfen wir noch einen Bid auf die Grabflatterer (Taphozous E. Geoffr.), die ihren Namen von dem mafjenhaften Borfommen in den altägyptijchen Srabfammern haben; dort wırden fie von dem Gelehrtenjtabe entvedt, den der erjte Napoleon in feinen ägyptischen Feldzug mitgenommen hatte. Sie haben im Unterkiefer nur zwei Baar Schneidezähne, und das einzige Paar im Oberkiefer fällt dem erivachjenen Tiere aus. Eine Drüfentafche fißt ihnen unterm Kinn und ift wiederum hauptfächlich oder aus- ichließlich beim männlichen Gefchlecht entmwidelt. Der Schwanz Durchbohrt die Hinter- fughaut nahe der Mitte, jo daß jeine Spibe frei Hexvorfteht. Dieje ann aber willkürlich falt volfftändig in die Flughaut zurücgezogen werden, die dergeitalt eine Art Scheide bildet. Bei vielen Stiden findet man, namentlich zur Winterszeit, jtarfe Fettablagerungen an ver Schwanztwinzel und dem Urfprung der Oberjchenfel. Die Grabflatterer leben in Afrika, Vorder- und Hinterindien, einfchließlich der Infeln, und in Auftralien. Sie find meift Höhlenbewohner oder hängen fich in Felsjpalten und alten Gebäuden auf; eine indijche Art hat man aber auc) am Stamm einer Palme beobachtet. Die beitbefannte Art ift wohl der Nadtbäuchige Grabflatterer, T. nudiventris Oretzschm., fenntlic) an feinem lohfarbenen Pelz und der nadten Unterjeite: eine große Fledermaus, ohne Schtvanz 9 cm lang und mit einer Flügeljpannieite von 50 cm, weit verbreitet iiber Afrifa und bis nach Syrien und PBaläftina. Nach Canon Triftram werden die Höhlen beim See Genezareth von Maffen diejer Fledermaus bewohnt. Burton fand im Kot der fumatranifchen Art, T. affinis Dobs., die regelmäßig de3 Morgens früh unter der Decke feiner Beranda hing, Überbleibfel von Früchten, und es ift, nach Dobjon, wahrjcheintich, daß nicht nur diefe, fondern auch Die anderen Arten der Gattung zumeilen oder ganz gewohn- heitsmäßig Früchte freffen, weil viele amerifanische Fledermäufe, namentlich die nahe ver- wandte Sattung Noctilio, troß ausgeprägten Snjektenfrejjergebijjes dafür befannt find, daß ie gelegentlich, wenn nicht zum größten Teile, von Früchten Ieben. Aus Deutjch-Dftafrifa führt Matjchte T. mauritianus Geoffr. auf, der aber auch in Weftafrifa (Kamerun, zufammen mit einer zweiten Art, T. peli Tem.) vorkommt; ferner einen Doppel- oder Spaltnajen- flatterer, Coleura afra Pirs., dem zuliebe diefe Gattung hier noch erwähnt fei. Site ift aus- gezeichnet durch das, was man beim Bulldogg eine Doppelnafe nennt: eine vorjpringende, oben doppelröhrig geteilte Nafe mit einer die Nafengänge trennenden Furche. Aus dem Bismarkf-Archipel ift eine Emballonura nigrescens Pers. (Untergattung Mosia), befannt. a Die zweite Unterfamilie der Schwanzfledermäufe (Dielidurinae) mit der einzigen Sattung Diclidurus Wied bilden die mittel- und füdamerifanischen Weißfledermäufe, jo genannt von ihrer weißen, al Negel in der freien Natur fo feltenen Farbe. Sie ftehen den Grabflatterern nahe, haben aber unten drei Baar Schneidezähne und eine Drüfentafche auf der Unterfeite der Hinterflughaut. Die Weißfledermaugs, Dielidurus albus Wied, hat zwar an der Wurzel dunffe Haare, aber der größere Teil jedes einzelnen Haares nach der Spike zu ift gelblichweif,, Grabflatterer. Schwanzfledermäufe Hajenmaulflatterer. 419 cremefarbig, während die Flughäute rein weiß find. Das erjte Eremplar fand Prinz Wied an der Mündung des Rio Bardo in Brafilien zwijchen den großen Blättern einer Kofospalme, und tern dies der gewöhnliche Aufenthaltsort der Art ift, jo ift ihre Farbe, nach Lydeffer, vielleicht eine Schußfärbung, dem jilberigen Tone der Unterjläche der Balmblätter angepaßt. * Die Familie der Hajenmanlflatterer oder Filcherfledermänje (Noctilionidae) it in doppeltem Sinne merkwürdig. Einmal täufchen die großen inneren Schnetdezähne des DOberfiefers, Die nahe zujammenjtehen, und die fremdartig gefalteten Lippen jo weit ein Kagetiergeficht vor, dat Linne, der fie jchon Fannte, fich tatjächlich verleiten fie, fie unter die Nager zu ftellen, und dann fteht die Familie Deshalb ganz einzig da, weil fie, was neuer- dings exit ficher fejtgeftellt ift, auch Filche frißt. Ihre Hauptnahrung find aber wahrjcheinfich Snjeften. Der Prinz von Wied fand Injektenrejte im Magen von Noctilio leporinus Zinn. var. dorsatus Wied, und Gojje beobachtete an gefangenen auf Jamaica, Daß fie gierig auf Ajeln waren. Gelegentlich frejjen je auch andere Fleine Tiere, wie 3. B. Ktrebschen, und fogar Früchte. Das jagt Linne Schon, und Dobjon fand in den Eingemweiden quayanijcher Eremplare Samen, vielleicht von Maulbeeren. Tjchudt bemerkt in feiner „Fauna Peruana“ bon N. unicolor (leporinus Linn.) und affinis (albiventer Spez): „leben von Mijtfäfern, Die man immer in ihren Magen findet”. Gofje hatte auch jchon gejehen, daß jie das Fleijch feiner Vögel fauten, allerdings nicht jchlucdten. Die eriten Nachrichten über ihren eigen- tümlichen, unangenehmen fiichigen Geruch famen 1859 von Frajer aus Ecuador. Diejer beobachtete dort Fijcherfledermäufe, wie jie am Flußufer dahinftrichen, hier und da aufs Waffer Hinunterftiegen und Keine Krebje fingen, die jtromauf fchwammtn. Cs dauerte aber bis 1880, ehe e3 endgültig befannt wurde, daß fte tatjächlich Heine Fijche fangen und frefien. MeCarthy, der bejondere Nachforschungen darüber anftellte, ob die ihnen nad)- gejagten Fijchfreffereien wahr feien, fchreibt an Harting über den Bejuch einer Höhle auf einer Sniel bei Menos im Dezember 1888: „Dieje Höhle fiegt in einer weichen Tonjchiefer- formation, und der Höchite Punkt ihres Eingangs befindet jich bei voller Flut etwa 7 Fuß über dem Wafjer. Die Fledermäujfe waren um diefe Zeit in Tätigkeit, die Mehrzahl ichien heimwärts zu fliegen. Einige Fische Shtvammen nahe der Oberfläche des Wafjerz, und ein Kleines Fijchen begann. Ein gelegentlicher ‚Hufch‘ hier und da beivies, daß die “leder- mäufe verfuchten, Beute zu machen. Fünf Heimfehrende Exemplare wurden in der Höhle feitgehalten, etiva 12 Yards von der Mündung. Der Magen eines von diejen, der binnen einer halben Stunde geöffnet wurde, enthielt viel Fiich in feinverteiltem und teilmetje verdautem Zuftand. Am Morgen des 31. bejuchte ich die Höhle, von der die erwähnten Gremplare am 3. beforgt worden waren, und fand, daß die Fledermäuje offenbar die frühere Störung vergefjen hatten. Sie famen zu Dusenden geflogen, und zwei Eremplare wurden gefammelt. Beide enthielten beträchtliche Mengen Sich. Sch habe noch mehrere andere geöffnet und fand in der Mehrzahl der Fälle Fiihichuppen; der Magen von zweien jedoch war vollfommen leer.” (Lypdeffer, „Royal Natural History“.) Bei den Bulldoggfledermäusen, die Flower und Lydeffer, nach Dobjon, als zweite Unterfamilie Molossinae den bisher behandelten Emballonurinae innerhalb einer weiter gefaßten Yamilie der Emballonuridae entgegenjtellen, it die Gejtaltung des Schwanges 97% - 420 4. Ordnung: FSlattertiere. Familie: Hafenmaulflatterer. und der Gliedmaßen mit den umgebenden Flughäuten noch viel bezeichnender als die bull- doggartige Kopfbildung. Der Schwanz ift Did und fteht mit einer Ausnahme (Gattung Mystacops bon Neufeeland) weit Über den Nand der Hinterflughaut vor. Die Beine find furz und ftark, die Füße breit, Die erjte und bei den meijten Arten auch die fünfte Zehe viel dicfer alg die anderen und mit langen, hafıg umgebogenen Haaren ausgeftattet. Am Grunde der Daumen fißen gutentwidelte Schwielen. Die Flughaut, die ji) unter dem Unterarin und dem Bein volffommen zufammenfaltet, läßt die Gliedmaßen frei. Die ebenfalls sufammenziehbare Hinterflughaut bemegt jich längs des Schtwanzes rüdmwärts und bor- toärts, und diejes Vermögen, ihre Oberflächenausdehnung zu verändern, muß den Tieren eine große Gemwandtheit in rafchem Nichtungsmechjel ihres Fluges verleihen. Die Fleder- mäufe haben aber auch gar manchen Kreuz und Querjprung in der Luft nötig bei der Ver- folgung ihrer flinfen Snfeftenbeute, die die äußerjt ausdehnbaren Xippen dann mit Leichtig- feit ergreifen. Dieje jind bei den meijten Arten gewöhnlich in eine Menge Runzeln und Falten gelegt. Die Flughäute find lang und jchmal und deuten dadurch jchon, wie bei den Vögeln, auf reigend fehnelfen Flug; dazu die Fähigkeit, die Hinterflughaut wie ein Gegel au „treffen und die dehnbaren Lippen zum Fafjen und Feithalten der rundlichen, fejt ge- wappneten Slörper der größeren Käfer: jo erjcheinen die Bulldogafledermäufe für den Fang jelbft jehr gewandt Fliegender Snfeften bejjer angepaßt al irgendwelche anderen Slein- flatterer. Sie fünnen aber auch am beiten auf der Erde friechen vermöge ihrer großen Füße und jtarfen Beine, an denen die Flughäute fich falten, um nicht mehr zu hindern, jowie auch mit Hilfe der rauh geförnelten Hautjchiwielen an den Daumen. Nach alledem haben wir in den Bulldoggfledermäufen ganz vollendete Formen der Stleinflatterer vor uns. Die Gattung Molossus Z. Geoffr. (Taf., ©. 366) lebt in den tropischen und jubtropijchen Gegenden Amerikas; von mehreren Arten haben wir Lebensjchilderungen durch Goije. Nach ihm hauft Die Rote Bulldoggfledermaus, Molossus rufus E. @eoffr., unter den Dächern der Häufer und in den hohlen Balmfjtünpfen, wo fich manchmal große Schlaffolonien zu= jammenfinden. Auf der Erde tft jte lebhafter als irgendeine andere Art und macht hier jo rafche Bewegungen, daß wirklich eine gewijje Gewandtheit dazu gehört, fie zu fangen. Beim Laufen jtügt fie fich auf ihre Handgelenfe und trägt den Vorderfürper hoch. Ein anderer Beobachter, der einen hohlen Balmftamm unterjuchte, fand an einer Stelle die Männchen in einer Anzahl von annähernd 200 Stüd verfammelt, auf einem zweiten ste wieder falt nur Weibchen mit einzelnen Männchen hier und da dazwifchen. Dieje Trennung der Schlafpläße für beide Gejchlechter wird übrigens auch von anderen Tsleder- mäufen berichtet. In der Lebenzjchilderung einer weiteren Art, der Kaftantenbraunen Bulldoggfledermaus, Molossus glauecmus Wagn., jagt Gofje: „Bald nach Sonnen- untergang hörten wir das Strabbeln der Kleinen Klauen auf dem Ejtrich des Speichers, wie e3 allmählich nach der Stelle fich hHinzog, wo das Loch unter der Dachtraufe war... ch nehme an, daß fie eine hinter der anderen in gerader Linie truppmweife zum Auslaß Frochen. Die Familie verficherte mich, daß die Bulldoggfledermäufe, nachdem fie einige Stunden ausgeflogen find, unabänderlich in das Loch zurückfehren, und Yenfte meine Aufmerkan- feit wiederholt auf die anlangenden Tiere. Sie fommen zivichen 8 und 9 Uhr zurüd und jliegen zum zmweitenmal vor der Morgendämmerung weg. Wenn man fie in die Hand nimmt, bezeigen fie ihren Unmillen duxch fortwährendes Schreien; nicht fehr Yaut, aber aus- nehmend hart und fchrill. Die Ohren Hängen ihnen gewöhnlich fo herunter, daß fie die Augen Bulldoggfledermäufe Nadtfledermaus. 421 volffommen bededen; aber fie werden gelegentlich zuritcgezogen, um die Augen frei zu haben, bejonders wenn man das Gejicht berührt.“ Sn gewiffen Teilen des Amazonastals find die Bulldoggfledermäufe zufammen mit einigen Arten der weiter unten gejchilderten Blattnafen jo zahlreich, daß fie zu einer ernjten Unannehmlichfeit für die Reifenden werden. So erzählt Bates aus Caripi, einer Station etiva 20 Meilen von Para, daß er in den erjten Nächten feines Aufenthaltes dort in einem Naume unter dem Dache jchlief, der bis zu den giegeln und Sparten offen und einige Monate vorher nicht benußt worden war. Sm der zweiten Nacht erwachte er um Mitternacht Durch das unvdermutete Rauschen ganzer Schwärme von Fledermäufen, die um ihn herum flatterten. So zahlreich waren fie, daß die ganze Luft von ihnen Yebte, die Lampe wurde durch ihren Flügelichlag ausgelöjcht, und al3 fie wieder angejteckt war, ertwies jich der ganze Raum jchwarz voll von Fledermäufen. Der Neifende ging daran, ihn zu jäubern, indem er mit einem Stode Fräftig um fich hieb, und für eine Zeitlang trieb er fo auch wirklich die unmillfommenen Cindringlinge zurück an die Dachziegel und Sparten. Sobald er aber Ruhe gab, erjchienen jte in voller Stärke wieder und löfchten ihm zum zweiten- mal das Licht aus. Sr der dritten Nacht gerieten mehrere Fledermäufe in feine Hängentatte und frabbelten über ihn weg; jte wurden gepadt und an die Wand geworfen. Am Morgen wurde Bates unangenehm an den nächtlichen Bejuch erinnert durch eine Wunde an Der Hüfte, die offenbar von einem Fledermausbijje herrührte. Dadurch zur Berzweiflung ge= trieben, machte ex fich num ernfthaft an Werk, das Übel zu befeitigen. Eine Menge wurden bon den Sparten heruntergejchojjen, indes die Neger mit Leitern aufs Dach jttegen und Hunderte unter der Dachtraufe Herausholten, Darunter mehrere Bruten Junge. Obwohl da vier Arten beifammen waren, eine bon der Gattung Phyllostoma, gehörten die meiiten der erlegten zu der Großohrigen Bulldoggfledermaus, Molossus perotis Wied, die durch ihre großen Ohren gekennzeichnet ift und eine Flügelipannung von 2 Fuß hat. Dieje war es, die in der Hängematte über Bates wegfrabbelte, während Phyllostoma ihm allem Anjcheine nach die Wunde beibrachte. (Lydeffer, „Royal Natural History“.) Einer der häßlichiten und abjonderlichjten aller Handflatterer ijt die Nacdt- oder Hals- bandfledermaus, Chiromeles torquatus Horsf. (Taf., ©. 366), Der Malaitjchen Region, eine große Art, ohne Schwanz beinahe 14cm lang. Mit Ausnahme eines Halsbandes aus dünn zer- jtreuten Haaren ift die dide, faltige Haut vollfommen nadt. Die Daumenzehe tft länger als alle übrigen und fann diejen entgegengefeßt werden. Die Ohren find nicht miteinander verbun- den und die Lippen glatt. Der Schwanz ift fehr lang und die; er ragt mehr als mit halber Länge über den Rand der Hinterflughaut vor. Ein mächtiger Kehlfad dehnt jich rings um ven ganzen Vorderhaß. Sr diefen Sad wird die ölige Ubjonderung von Drüjen entleert, die zwijchen den Bruftmusfeln liegen; er mündet nach außen Durch eine Anzahl Kleiner Poren auf zwei rundlich begrenzten, etwas erhöhten Feldern beim Männchen, durch ein einzelnes großes Loch beim Weibchen. Das Merfwürdigfte an diejem abjchredend ausjehenden Tiere mit jeiner langen Schweinefchnaugze ijt aber eine tiefe Tajche an der Unterjeite des Körpers unterhalb der Ichjelhöhle. Dieje bei beiden Gejchlechtern vorhandene Tajche hat den Yivedk, das Junge während der Säugezeit aufzunehmen; fie ijt durchaus nötig, da ohne fie das unge ganz außerjtande wäre, fich an dem nadten Körper der Alten fejtzuhalten. Daß dieje Säuglingstafchen auch beim Männchen enttwidelt find, legt den Gedanken nahe, ob fie nicht dazu dienen, wenn Zwillinge geboren werden, e3 dem Vater zu ermöglichen, die Mutter 422 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Hafenmaulflatterer. bon der Laft des einen Jungen zu befreien, tie dies wahrfcheinfich auch bei zwei Flughund- arten (Oynonycteris grandidieri und Cynopterus marginatus) der Fall ift. Die Tajche ent- fteht unter den mitten auf dem Nüden zufammenftoßenden Flughäuten durch eine ergän- zende Haut, die jich von der Unterjeite de3 Dberarms nach der Rumpffeite ausjpannt, und it vollfommen gejchlojjen, wenn der Flügel zujammengefaltet wird. Die Nadtfledermaus lebt auf den großen Sunda-Injeln Java, Sumatra und Borneo im Innern der Dichteften Wälder. Ihr Ruheplab am Tage mag wohl ein hohler Baum oder eine Feljenjpalte oder auch eine Ervhöhle fein. hr fchwerfälliger und langjamer Flug be- ginnt, jobald die Sonne den Horizont erreicht, und geht auf den Lichtungen und Waldblößen bor fich oder auch hoch in der Luft auf dem offenen Lande. Die Gattung deraltlippenfledermäufe (Nyetinomus E.@eoffr.; Taf., ©. 366) ift bei meitem die artenreichite der ganzen Unterfamilie der Bulldoggfledermausartigen und zugleich die am mweitejten verbreitete in den wärmeren Zonen. Einige Arten leben in Indien, Australien und Neuguinea, Amerika, die Mehrzahl aber in Afrika füdlich Der Sahara und auf Madagaskar. Die Gattung hat jogar einen vereinzelten Vertreter in Südeuropa, der bis in die Schweiz geht: Nyctinomus taeniotis Raf. (cestoni). Bon den eigentlichen Bulldoggfledermäufen unter- jcheidet fte jtch Durch Die größere Entwidelung jenfrechter Falten an den dDehnbaren Lippen. Die europätjche Art mißt beinahe 9 cm in der Länge ohne Schwanz, die meijten anderen jind Heiner. Die Gattung hat die eigentümliche Gabe, Das Auge in feine Höhle zurücinfen zu lajfen und es dann wieder vorzuftoßen. Bon der Faltlippenfledermaus von Sohore, Nyeti- nomus johorensis Dobs., einer von ihm felber neu bejchriebenen Art von der Halbinjel Malakfa, jchildert Dobjon die weitere Fähigkeit Der Gattung, die Ohrmufchel vorwärts, ab- wärts und auswärts zu falten und jo das äußere Ohr zu verfchließen. Bei einer auftralifch-neu- guineiichen Urt, Nyetinomus australis Gray, hebt er zunächft den großen und eigentüntlich geformten, dem der Grabflatterer ähnlichen Kehljad hervor, dann aber noch einen zweiten jefundären Gejchlechtscharafter: die weiße Farbe der Flughautbehaarung längs der unteren Ktörperjeiten, die die trodnen elle der alten Männchen aufweifen. Dies ift ein auffallender Gegenjag gegen die Weibchen, bei denen die Haarfarbe auf der Flughaut oben und unten größtenteils diejelbe ift, und er ift um fo bemerfenswerter, al3 jonjt Farbenunterjchiede in der Behaarung gewifjer Körperteile zwischen beiden Gejchlechtern bei injeftenfrefjfenden Fleder- mäufjen nur jehr jelten beobachtet werden. Die bis in Die Schweiz gehende Urt hat vielleicht die mweitejte Verbreitung von allen Arten; denn fie fommt nicht nur in Südeuropa vor, fon- dern auch in Ägypten, Nubien, Amoy, China. Yon dort fchreibt Swinhoe: „An wolfenlofen Abenden Habe ich in Amoy diefe Fledermäufe oft hoch in der Luft Dahinfliegen jehen; jte jind leicht zu erfennen an ihren fehmalen Flügeln. Wenn mac, hat das Tier die Gewohnheit, den Schwanz auszuftreden und das erwähnte Augenfpiel zu üben. Die Hinterflughaut ift gefaltet und bededt den Schwanz wie ein Handichud, jo daß fie an ihm auf und nieder gleitet nad) Dem Willen des Tieres, je nachdem diejes, um in der Seemannsfprache zu reden, Segel ausjeben oder einholen will. Der Schwanz fann aber nicht ganz in der Flughaut verfchwinden in der Art der Gruftfledermäufe.” Die indifchen Arten findet man tagsüber gewöhnlich in Höhlen und alten Gebäuden; fo bewohnen „unzählbare Myriaden” die Kalfjteinhöhlen von Thagat, 30 Meilen von Moulmein in Burma. Über die brafilifche Faltlippenfledermaus Ihreibt W. Dsborm: „Unmengen diefer Heinen Fledermäufe bewohnen das Schindeldach meines Haujes... Sch habe fie oft am Tage beobachtet, genau wie Goldfmiths Zeile e3 Faltlippenfledermäufe Neufjeeland- Fledermaus. 423 ausdrüct: ‚träge Fledermäufe hängen auf jchlaftrunfenen Haufen‘, und was überrajchend jcheint, tro& der Hibe (die Schindeln waren der Sonne ausgejebt, und e3 war unangenehm heiß, wo ich ftand, 12 oder 15 Fuß weiter unten) hingen die Fledermäufe in dichten Haufen. Sch zählte 14 Heine Köpfe in einer Mafje von der Größe einer Futterrübe. Aber jte jchlafen nicht alle, hie und da wird ein Flügel ausgeftrect mit jchläfrigem Behagen. Erft einer und dann ein anderer wacht auf, zieht ein Bein an und hängt an dem andern allein, während er den freien Fuß al3 Kamm gebraucht, mit rafcher Bewegung das Fell der Unter- jeite und den Kopf frifierend — eine durchaus nicht ungraziöje Bewegung. Der Fuß wird dann rasch mit Zahn und Zunge gereinigt und zum erjteren Gebrauch wieder hergerichtet. Dann tut das andere Bein feine Schuligfeit. Vielleicht helfen die Haare, mit denen der Fuß bejebt tft, zu dem Ziwecd mit. Sch habe die Tiere dasjelbe auch oft in Gefangenjchaft tun jehen, — vielleicht jind die zahlreichen Fledermausfliegen, von denen jie befallen werden, die Urjache für die Ertraftifur.‘ Die Neufeeland- Fledermaus (Gattung Mystacops Lydekker) it mit ihrer einzigen rt, Mystacops tubereulata Gray, zugleich der einzige Stleinflatterer, der diejen abgelegenen kleinen Fejtland ausjchlieglich zufommt; den zweiten, den es bejißt, eine gewöhnliche Glatt- nafe, muß es mit Auftealien teilen. Die Neufeeland- Fledermaus zeichnet jich vor allen übrigen Freifchwänzen dadurch aus, daß ihr Mittelfinger drei getrennte Enöcherne Glieder bat, deren erjtes in der Auhelage unter jtatt über den zugehörigen Mittelhandfnochen eingefnict wird. Während ferner der größere Teil der Flughaut ehr ditnn it, tjt je längs der lörperjeiten und der Unterhälfte der Gliedmaßen ftarf verdict, und unter diejen ver- dieten Teilen liegen die übrigen zufammengefaltet wie in einem Futteral. Schon dadurch erjcheint die Art einem Friechenden oder Fletternden LXeben bejjer angepaßt al3 irgendeine andere der ganzen Handflattererordnung, und dieje Ansicht befeitigt jich noch mehr, wenn mir Daumen, Fuß und Bein betrachten. Der Daumen ift lang, mit einer großen, jehr jpiben Kralle bewaffnet, aus deren Wurzel auf der ausgehöhlten Unterjeite noch eine Fleine Neben- fralle herborfteht. Die Füße haben ähnlich lange, fcharfe Krallen, und am Grund fißt unter jeder einzelnen ein ähnlicher „Talon” (Nebenkralle). Die ganzen Hintergliedmaßen find furz, die Beine jehr furz und did, die äußerfte und innerfte Zehe fürzer und dider alS die anderen, tie bei anderen Arten der Unterfamilie auch, aber fie jind nicht mit langen Haaren befrant. Die Fühe find auffallend groß und jehr nach auswärts und vorwärts gedreht, jo daß jte leichte Vormwärtsbewegung erlauben. Der Bau der Fubjohle und der Unterfläche des Beinez ift jehr eigentümlich. Der Fußteller, einfchließlich der Zehen, ift mit weiter und jehr lojer Haut bedeckt, tief gerungzelt, und jede Zehe hat eine mittlere Längsfurche, zu der wieder furze Furchen in rechtem Winkel ftehen, mie bei gewiljen Mauergedos (Hemidactylus). Die die Fußjohle bededende Ioje, faltige Haut jegt jich längs der abgeflachten Unter- jeite des KnöchelS und Beines fort. Die zufammengefalteten Flügel nehmen jehr wenig Raum ein, danf dem überzähligen Gfiede am Mittelfinger, der Dünne der Flughaut und namentlich der Art und Weife, wie die Fingerglieder jich einfniden. Mit diejer eingefalteten und eingefchachtelten Seiten- und Hinterflughaut ift die Neufeeland-Fledermaus am meijten bierfüßig zu nennen von allen Fledermäufen, und dieje Eigentümlichkeiten des Leibesbaues müffen bon entjprechenden Eigentümlichfeiten der Lebensweise begleitet jein. Die Kleinen Tebenfpigen am Grunde der haarjcharfen Krallen unterjtügen das Tier ohne Ziveifel jehr, indem fie ihm beim Klettern fejten Halt geben, und wenn man dies zufammenbringt 424 4. Ordnung: Slattertiere. Familie: Blattnafen. mit der eigentümlichen Art, wie die Flughäute vor Verlegung gejchüßt find, fo lange jie nicht zum Fliegen gebraucht werden, und mit der offenfichtlichen Wirkung der Fußfohle und der Unterfeite de3 Beines als Haftorgan, fo fommt man zu der Überzeugung, daß die teufeeland- Fledermaus ihre Injeftenbeute nicht nur in der Luft jagt, fondern auch auf den Zweigen und Blättern der Bäume, mo fie vermöge der bejchriebenen Eigenart ihres Leibes- baues leicht und ficher umherzufriechen vermag. % Die zweite große Familie der Freifchwänzigen, die Blattnafen (Phyllostomidae), bilden ein gewijjes Gegenjtüd zu den glattnafigen Mitgliedern der Seftion, die wir vorjtehend in der Hauptjache unter der Familie Der Emballonuridae vereinigen fonnten. Alle Hierhergehörigen Arten unterjcheiden jich von den übrigen Durch Häutige Najen- aufjäße, deren Zorm mannigfachen Wechjel unterworfen ift, die im wejentlichen aber aus einem mehr oder minder entwidelten Hautblatt auf der Nafe bejtehen. Wenn Ddiejes voll- ftändig ift, feßt es fich aus Hufeilen, Längsfanım und Lanzette zufammen, während es in feiner einfachiten Form als eine quer über die Najenjpite verlaufende Hautfalte ich zeigt. Hinter den Nafenlöchern fommen außerdem bei den Mitgliedern unjerer Gruppe biele eigentümliche Vertiefungen und Löcher und um die Kajenhäute, auf Lippen und Wangen regelmäßig geftellte Fleifchtwarzen vor, die eine bejtimmte Rolle jpielen müjjen; höchltwahrjcheinlich fchärfen fie den Gefühlsiinn. „Auch manches andere Organ, jagt Koch, „wurde bei den Blattnafen Gegenstand finnender Betrachtung, ohne daß e3 gelungen wäre, den Zived feines Dafeins zu ergründen. So hat das Weibchen diejer Tiere außer den beiden jedem Handflügler zufommenden Bruftwarzen noch zwei dDurchbohrte zigen- fürmige Anhängfel unmittelbar über den Gejchlechtsteilen, die eine Lymphe abjondern und nach den Beobachtungen FJädels zum Anjaugen der Jungen dienen. Mögen dieje Drgane einen Zwed haben, welchen fie wollen, jedenfalls miüfjen fie al® verfümmerte Bauchzigen betrachtet werden.” Gejtalt und Entwidelung der Flughäute fchwanfen bei- nahe in ebenjo weiten Grenzen wie bei den Glattnajen; ein genaues Eingehen auf Ddieje Formoerfchiedenheit gehört jedoch nicht in Den Bereich unjerer Darftellung. Die Blattnafen fommen nur in den heigen und gemäßigten Ländern Amerifas vor. Manche werden inmitten großer Wälder, in hohlen Bäumen, an alten Stämmen und zwijchen breiten Blättern von Palmen und anderen großblätterigen Pflanzen veritect gefunden; die meisten verbergen fich bei Tage in Felfenhöhlen, in den Trümmern verfallener Gebäude, in dunfeln Gemwölben oder auch in dem Gebälf Der Dächer. Gewijje Arten der Familie leben einzeln, andere, namentlich die Höhlenbewohnenden, in ungeheueren Scharen zufammen. Mit Eintritt der Dämmerung ervachen die Blattnajen aus ihrem Schlafe und fliegen oft die ganze Nacht durch. Der Flug ift bei den einen niedrig und fchnell, bei den anderen höher und langjamer. Ihre Hauptnahrung ind Snjekten, zumal Abend- und Nachtfchmetterlinge, Käfer, Hafte, Mücden, Eintagsfliegen; wohl die meilten von ihnen aber find Blutfauger und überfallen Vögel und Säugetiere, auch jelbit den Menschen während de3 Schlafes. Obgleich gegenwärtig viele Beobachtungen über das Blutjaugen vorliegen, jchwebt doch noch ein eigentümliches Dunkel, fo recht im Sinne der Vampirfage, über diefer auffallenden Tätigkeit unferer Flattertiere. Wahrfcheinklich ind alle Blattnajen Blutfauger, jedoch bloß unter Umftänden, und hieraus erflärt fich Die Ver- Ichiedenheit der Berichte über ihr Treiben, das ja ohnehin nur fehtwer beobachtet werden Allgemeines. Blutjaugen. 425 fann. 3 dürfte zwechmäßig fein, einige Angaben der Neifenden über das Blutjfaugen der Blattnajen hier zufammenzuftellen, ohne die nächtlichen Taten, wie von jeiten der meijten Neijenden gejchehen, auf die eine oder die andere Art zu beziehen. Denn die Mitteilungen miderjprechen jich in hohem Grade, und unter allen mir befannten tft feine einzige, die mit untrüglicher Bejtimmtheit eine gewilje Urt bezichtigte. Die ältejten mir befannten Angaben finde ich in meinem lieben alten Gesner. „Syn Darienen, der Landichafft def newen Lands, worden die Hifpanier in der Nacht von den Flädermäußen geplaget, welche, jo fie einen fchlaffenden unverjehens gebifjen Hatten, blutet ex jich zu todt, dann man hat etliche von diefem Schaden todt gefunden.‘ Ge- naueres berichtet der Spanier Azara, der den Blutjauger „Mordedor”, zu deutich Beißer, nennt. „Buwmeilen”, jagt er, „beißen fie fich in den Kamm und in die Slinnlappen der jchlafenden Hühner ein, um ihnen Blut auszufaugen, und die Hühner jterben daran gewöhnlich, zumal wenn die Wunden, wie falt immer gejchteht, jich entzünden. Cbenjo beiten fie Pferde, Ejel, Maultiere und Kühe regelmäßig in die Seiten, die Schultern oder in den Hals, weil fie dort mit Leichtigkeit fich feithalten fönnen. Dasjelbe tun jie mit dem Men- ichen, tie ich bezeugen fann, weil ich jelbjt viermal in die Zehen gebijjen worden bin, wäh- rend ich unter freiem Himmel oder in Feldhäufern chlief. Die AYunde, die fie mir beibrachten, ohne daß ich es fühlte, war rund oder länglichrund und hatte eine Linie im Durchmefjer, aber jo geringe Tiefe, daß fte faum die ganze Haut Durchdrang. Man erkannte fie an auf- getriebenen Rändern. Meiner Schäßung nach betrug das Blut, das nach dem Bijje jloß, etiva dritthalb Unzen. Allein bei Pferden und anderen Tieren mag dieje Menge gegen drei Unzen betragen, und ich glaube, daß fie fchon wegen de3 dien Telles größere und tiefere Wunden an ihnen herborbringen. Das Blut fommt nicht aus den Hohl- oder Schlagadern; denn big dahin dringt die Wunde nicht ein, fondern bloß aus den Haargefäßen der Haut, aus denen fie e3 unzweifelhaft jchlürfend und faugend herausziehen. Obgleich die mir beigebrachten Bilfe einige Tage ein wenig jehmerzten, waren fie doch von fo geringer Bedeutung, daß ich weder ein Mittel dagegen anzuwenden brauchte, noch an meinem Gehen verhindert wurde. Weil fie aljo feine Gefahr bringen und die Tiere bloß in jenen Nächten Blut jaugen, in denen ihnen andere Nahrung fehlt, fürchtet und verwahrt fich niemand vor ihnen. Man erzählt, daß fie ihr Opfer mit den Flügeln an derjenigen Stelle, two fie faugen wollen, fächeln, damit die Tiere nichts fühlen follen.” Die übrigen volfstümlichen Anjfchauungen über den Vampir beftreitet Azara auf das nachdrüdiichite. „Solgt auf die brennende Hige de3 Tages die Kühlung der hier immer gleich langen Tacht”, Schildert Humboldt, „Jo fünnen die Rinder und Pferde jelbjt dann nicht der Ruhe jich erfreuen. Ungeheure Fledermäufe faugen ihnen während des Schlafes vampirartig das Blut aus oder hängen fich am Rüden feit, too jie eiternde Wunden erregen, in welchen Düden, Dafjelfliegen und eine Schar ftechender Snfekten jich anfiedelt.” Jr feiner Reijebejchreibung gedenkt derfelbe Forfcher nur einige Male der von ihm jelbjt beobachteten Blutjauger. „Un- geheure Fledermäufe, wahrjcheinlich der Sippe der Blattnajen (Phyllostoma) angehörig, flatterten wie gewöhnlich einen guten Teil der Nacht über unjeren Hängematten; man meint jeden Augenblid, fie wollen fich einem ins Geficht einfallen.” An einer andern Stelle heikt e3: „Bald darauf wurde unfere große Dogge von ungeheueren Fledermäufen, die um unfere Hängematten flatterten, vorn an der Schnauze gebijjen oder, twie die Eingeborenen jagen, gejtochen. Sie hatten lange Schwänze wie die Molofjen; ich glaube aber, daß es Blattnajen waren, deren mit Warzen bejegte Zunge ein Saugwerkzeug it, das fie bedeutend verengern 426 4. Ordnung: FSlattertiere. Yamilie: Blattnajen. fünnen. Die Wunde war Hein und rund; der Hund heulte Fäglich, nicht aber aus Schmerz, fondern weil er über die Flevermäufe, als jie unter unjeren Hängematten hervorfamen, er- ichraf. Dergleichen Fälle ereignen fich weit jeltener, al3 man im Lande jelbft glaubt. Obgleich poir in den Ländern, wo die vampträhnlichen Fledermausarten häufig jind, jo manche Nacht unter freiem Himmel gejchlafen haben, find wir doch nie von ihnen gebilfen worden. llber- dem ift der Stich Feineswegs gefährlich und der Schmerz meift jo unbedeutend, daß man exit aufwacht, wenn die Fledermaus fich bereit3 Davongemacht hat.” „Die berüchtigten, oft bejprochenen Blutjauger”, jagt Burmeifter, „denen man ohne Grund fo viel Übles nachgefagt hat, find faft überall in Brafilien zu Haufe und verraten ihre Anmwejenheit fajt täglich Durch Bifje an Reit- und Lajttieren. Allein jie richten hierdurch nur Höchlt jelten Schaden oder Berluft an, weil die Blutmafje, die jie den Tieren entziehen, jehr gering ijt. Befonders in der Falten Jahreszeit, wo den FFledermäufen die Snjekten fehlen, bemerkt man die Bijje, und zwar immer an ganz bejtimmten Stellen, namentlich da, wo die Haare des Tieres einen Wirbel bilden und die Fledermäufe leicht bis auf die nadte Haut fom- men fönnen. Sch fand die meilten Bißwunden am Widerrijte, bejonders bei jolchen Tieren, die dafelbft durch Reibung nadte oder blutrünftige Stellen hatten. Ein zweiter Lieblings- plaß it die Schenfelfuge oben neben dem Beden, mo die Haare auseinander jtehen; auch unten am Beine beißen fie gern, jelten unter dem Haljfe. Am Kopfe, an Naje und Lippen fommen nur ausnahmsweife Wunden vor. Solange der Gaul oder der Ejel noch wach ilt, läßt er die Fledermäuse nicht heran; er wird unruhig, jtanıpft, jchüttelt jich und verjcheucht den Feind, der ihn umfchhwirtt; nur jchlafende Tiere lafjen fich ruhig befaugen. Daß die Blattnajen Dabei mit den Flügeln fächeln, ift eine Fabel. Mitunter werden faugende Fleder- mäufe von den Wächtern der Tropa, die von Zeit zu Zeit nach den Tieren jehen, ergriffen: jo eifrig und arglos find fte bei ihrem Gefchäfte. Bon Biljen an Menfchen habe ich feine jichere Erfahrung; mir it niemand vorgefommen, der gebijjen worden wäre. Wie die Fledermaus beißt, läßt fich nicht mit völliger Sicherheit angeben. Man weiß nur, daß jte jich mit Halb- geöffneter Flügelweite niederjegt, die Haare etwas auseinander jchiebt, das warzige Kinn jejt niederdrüdt und num zu faugen beginnt. Die Wunde tft ein Kleines, flaches Grübchen, das nicht wie eine fcharfe Stichtvunde aussieht. Ich glaube, daß die Offnung meift exit bemerft wird, nachdem die Fledermaus eine Stelle der Haut etivas emporgejogen Hat und num Die Spibe ein- oder abbeift, aber mit den zwei jpißen Ober- und mittleren Schneidezähnen, nicht mit den Ecfzähnen, die Dazu gar nicht fich eignen. Die Nachblutung, welche erfolgt, ijt nie itark. Ein jchmaler, getrocneter Blutftreifen ijt alles, was man von ihr bemerft. Bon sällen, daß das Tier an Blutverluft gejtorben wäre, habe ich nie gehört. Geichwächt werden fie wohl nach täglich wiederholten Verlusten etwas, bejonders weil gerade in der falten Jahreszeit nirgends reichlich Futter zu haben ift; aber der Tod erfolgt bei folchen Tieren niemal anders alß durch Überladung von feiten der Befiter, woran das Tier mahr- iheinlich auch ohne Blutverluft zugrunde gegangen wäre.” An diefe Berichte jchliegen jtch am beiten die eingehenden Mitteilungen Henjels an, der, von gewilfen, offenbar richtig gejchilderten und aufgefaßten Wundbefunden aus- gehend, die Zahl der mwirflichen Blutfauger fehr bejchränfen möchte: „Das Gebiß der meijten Blattnafen gleicht Durch die Hleinheit der Schneidezähne und die Größe der Cizähne bollfonmen dem der Naubtiere, und die von ihnen herrührenden Wunden Haben ganz das eben bejchriebene Gepräge, wie man dies fehr leicht bei dem ange diejer Tiere, die jehr bijjig find, beobachten fann. Die Wunden aber, die man an den von Blutjaugern Blutjaugen. 427 gebijjenen Pferden oder Mauttieren unterfucht, find von ganz anderer Bejchaffenheit. Sie itellen eine feine eifürmige Fläche vor, die nur jchwach vertieft ijt und an Umfang etwa dem einer Linje gleicht. Die Schnittfläche ift nicht jenfrecht gegen die Oberfläche der ge- bijjenen Stelle gerichtet, wie dies bei Wunden durch Eckzähne der Fall jein würde, jondern geht ihr im ganzen parallel. Man könnte eine ähnliche Wunde Hervorbringen, wenn man die Haut mit einer Greifzange etwas in die Höhe ziehen und num, mit einem Mejjer wie beim Nafieren über die Haut fahrend, die hervorgehobene Stelle wegjchneiden würde. Durd) einen folchen Schnitt oder Bif, mit dem immer ein Stoffverluft verbunden ift, wird eine große Anzahl feiner Hautgefäße durchichnitten, und e3 tritt jofort eine reichliche und lange dauernde Blutung ein. Wenn auch die Pferde am Abend oder in der Nacht von Blutjaugern gebijien wurden, jo fließt nicht felten noch am nächjten Morgen das Blut in einem jchmalen Streifen vom Halfe der gebifjenen Tiere zur Erde oder über die Schulter und an den Border- beinen hinunter. Solche Wunden fönnen nur durch große, eigentümlich jchaufelfürmig ge- baute und dabei fcharfe Schnetdezähne Herborgebracht werden. Ein jolches Gebiß aber findet jich bloß bei den miteinander nahevermandten Gattungen der Schneidflatterer (Des- modus) und Kammzahnflatterer (Diphylla). Sch habe daher die beftimmte Überzeugung, daß einzig und allein diefe beiden Sippen unter allen Fledermäujen Blutjauger find, und daß alle Erzählungen bon anderen blutfaugenden Flattertieren auf Jrrtum oder Mikver- Itändnifjen beruhen.“ Die Folgerung Henjels ift irrtümlich, und er würde e3 jedenfalls vermieden haben, jich jo bejtimmt auszufprechen, hätte er fich daran erinnert, daß auch unjere europätjchen, ja jelbft deutfche Arten der Blattnafenfamilie erwiefenermaßen Blutjauger find. „gugleich mit dem Schneidflatterer”, fährt Henjel fort, „Eommen noch andere Blatt nafen vor; allein niemals zeigten die Pferde der Umgegend andere Wunden al die von jenem erhaltenen. An Rindern habe ich die Bißwunden niemals bemerft, da dieje Tiere ein zu ftarfes Fell haben; doch mag der Blutjauger wohl auch an fie gehen, wenn e3 an Pferden fehlen follte. Da das Pferd in Amerika nicht einheimijch ift, jo geht jhon daraus hervor, daß die Blutfauger urjprünglich auf eine andere Nahrungsquelle angemwiejen find. Die größeren Tiere des Waldes, wie Spiekhiriche, Anten (Tapire), Capybaraz, find gewiß Durch ihre Xebensweife und den Aufenthalt in fast undurchdringlichen Didichten oder im Wafjer, und andere, wie die Affen, durch ihre Gefchiefichkeit vor den Biljfen der Blutfauger gejchüßt; es bleibt daher nur die Annahme übrig, daß diefe gewöhnlich fleinere, warmblütige Tiere, Mäufe, Vögel, fangen, um ihnen das Blut auszufaugen, und bloß in Ausnahmefällen auf Pferde oder Maultiere gehen. Daß fie nur von Blut, nicht aber auch von njekten leben, geht fchon aus der faft vollftändigen Verfümmerung ihrer Badzähne hervor, die zum Kauen ganz ungeeignet find. Auch findet man ftet3 ihre Eingemweide angefüllt mit einem ichwarzen, pechartigen Brei, dem verdauten Blute. Der Kot ift ebenfalls jchrvarz und zäh- Hüffig. Wenn e8 beginnt dunfel zu werden, jo verlafjen die im äußerten Hintergrunde der iinftern Höhle in den Spalten des Gefteins verborgenen Fledermäuje ihre Schlupfwinfel, begeben fich aber noch nicht in3 Freie, fondern bverfammeln fich erft nahe dem Cingange der Höhle an einer geeigneten Stelle, wo fie den Eintritt volljtändiger Dunkelheit abwarten und fich unterdes der flüffigen Lofung entledigen. Daher findet man hier den Boden mit einer dien Lage, einer Maffe wie Pech, von dem befannten Fledermausgeruche überdeckt, die in einer von mir bejuchten Höhle wohl 1 Fuß Tiefe hatte. Ein großer Hund, Der hineingetreten tvar, jah nachher aus, al3 habe er fchrwarze Stiefeln angezogen.” 428 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Blattnajen. Sch bin auch hinfichtfich diefer Angabe anderer Anficht al Henjel. Die Annahme, daf verzehrtes Blut einen flüffigen Kot geben müjje, ift jalich, wie jede mit Blut genährte abe, jeder Hund zur Genüge beweijen kann. ch glaube deshalb vielmehr, daß der flüfjige Kot von gefrejjenen Früchten herrühtt, da e3ja ausgemacht ift, Da auch Die Blattnafen jolche verzehren. Außer den von Gesner erwähnten Spantern und dem getiljenhaften Uzara jind übri- gens auch noch andere Forjchungsreifende von Blutfaugern gebijjen und angezapft worden; io Bate3, der elf Jahre in Brafilien verlebte. Während feines Aufenthalts in Caripe be- wohnte er ein Zimmer, das feit Monaten nicht gebraucht worden und an verjchtedenen Stel- fen offen war. „Sn der erften Nacht“, jo erzählt er, „ichltef ich fejt und bemerkte nicht3 Un- gewöhnliche. In der folgenden Nacht fanden mehrere Fledermäufe in meiner Hängematte jich ein; ich griff einige von denen, die auf mir Herumfrabbelten, und warf jie gegen die Mauer de3 Zimmers. Bei Tagesanbruch fand ich eine unzweifelhaft von Fledermäufen herrührende Wunde an meiner Hüfte. Eine von denen, die wir num erbeuteten, gehörte zu ven Vampiren (Phyllostoma). Mit Ausnahme diejes einen Males wurde ich niemal3 wieder von Fleder- mäufen angegriffen. Die Tatfache, daß fie fchlafenden Leuten Blut ausjfaugen, ift gegen- märtig unzweifelhaft feitgejtellt; e8 gibt aber nur wenige Xeute, die toirklich von ihnen gejchröpft worden find. Nach Angabe der Neger ift der Bampir die einzige Art, die den Menfchen angreift. Diejenigen Fledermäufe, die ich gefangen hatte, während fie auf mir herumliefen, waren Grämler, und ich bin deshalb geneigt, zu meinen, daß jehr verjchiedene Fledermausarten diejen Hang haben.“ Tach Kappler Fonımt die Schädlichfeit der Blutfauger neben der Nüblichfeit der Fleder- mäufe überhaupt gar nicht in Betracht. „Über das Blutfaugen einiger Arten”, jagt Kappler, „ut ichon viel gejchrieben und geftritten worden. Jch Habe num darin Hinlängliche Erfahrung und Fann jagen, daß; diefe Tiere zu manchen Zeiten und an manchen Orten eine wahre Plage find, zwar weniger für den Menjchen, der fich dagegen jchügen fan, als für dag Vieh. Die drei Boften des Innern: Armina am Maroni, Victoria am Surinam und Saron am Sara- macca, waren in diefer Beziehung fehr verrufen, und auf eriterem Pojten mußten die Sol- daten, um nicht von den Fledermäufen gebilfen zu werden, Die ganze Nacht Licht brennen. Unterließ man dies aus Sparjamfeit, jo fand man am Morgen unter mancher Hängematte Blutlachen, entftanden Durch die Heinen, faum merfbaren Bifje in die Zehen der Schlafenden. US ich eines Nachts erwachte, fühlte ich meine Bruft und meinen Hals durchnäßt. Nachden ich Licht gemacht, fah ich, dat Hand und Hängematte von Blut trieften. Sch fühlte nicht den mindeften Schmerz, begriff aber die Urjache diefes Blutverfuftes jogleich und fand, daß es aus der Najenjpibe rann, two ein faum 2 mm langes und halb fo breites Stüdchen Haut abgerifjen war. Später wurde ich nie mehr in die Nafe gebijjen, jonder: Flop in die Zehen, wie e8 denn auch höchft jelten vorfommt, daß die Fledermäuje den Menjchen irgendwo anders beißen als in die Zehen. Sch gebrauchte, wenn ich auf meinen Reifen im Freien fchlief, itet8 Strümpfe und wurde dann nie wieder gebilfen. A ich im Juni 1853 mit meinen württembergijchen Zandsleuten auf Mlbina anfam, two früher nie ein Fall vorgefommen mar, daß Fledermäufe Menjchen gebifjen hätten, ftellte jich plöglich diefe Plage ein. Etwa zivei Monate lang dauerte fie, dann verlor fie fich nach und nach. Die Fledermäufe ftellten jich aber wieder ein, al3 ich mir Vieh anfchaffte, das bis auf die leßte Zeit viel von ihnen zu leiden Hatte. Nindvieh, Pferde, Ejel und aucd) Schweine werden bejonders in die Ohren und den Rüden gebiffen. Dieje Wunden find viel größer als beim Menfchen, und das Tier leidet jomohl durch den Blutverluft al dadurch, dat Fliegen Eier in die Wunden legen, Blattfinne. 429 woraus wieder Maden entjtehen und fich Gejchwüre bilden, an denen das Tier nach und nach zugrunde geht. Huch Hühner werden in den Kamm oder in die Fühe gebijjen, magern ab und fterben. Nie aber Haben zahm gemachte Tiere von ihnen zu leiden, tie Tapire, Nabelichweine, Hiriche, Affen, die wie Waldvögel, Hoffos, Agamis oder Marails im Freien auf meinem Hofraume fchliefen.”’ Blattnajen im Sinne des jeßigen Shitems, alfo Freifchwänze mit Nafenauffägen, gibt e3 nur in Mittel- und Siüdamerifa und auf den weitindijchen Snfeln, und Lydeffer ftellt fie und die glattnafigen Freijchwänze (Emballonuridae) ebenjo einander gegenüber tie in der Seftion der Bindejchwänzigen die Hufeifennajen und die gewöhnlichen glattnafigen Fleder- mäuje (Rhinolophidae und Vespertilionidae). Er fennzeichnet fie, nach Dobjon, durch die drei Fnöchernen Glieder des Mittelfingers im Verein entweder mit dem Nafenblatt oder mit Hautfalten und Warzen am Kinn. Diejenigen mit Najenblatt, d. h. bei weiten die größte Mehrzahl, lafjen jich von den Hufeifennajen aber immer unterjcheiden, und zwar nicht nur ducch die drei Mittelfingerglieder und die Merkmale der Freifchwänzigen überhaupt, jondern ebenjogut auch Durch den deutlich ausgebildeten Ohrdedel (Tragus) an den mäßig großen Ohren. Ferner zeigt die Schädel- und Gebißunterfuchung, Daß bei ven Hufeifennafen und ihren Verwandten der Ziwifchenfiefer, in dem ein Baar feiner, oberer Schneidezähne fibt, Hein, in jeine beiden Hälften getrennt und nur Ioje dem Schädel angefügt, bei ven Blatt- najen aber groß, feit in jich und mit dem Schädel verbunden ijt, und in der Regel zwei Paar große Schneidezähne trägt. Die Gruppe der Blattnafen wird neuerdings in jo viele Familien und Gattungen zer- fällt, daß wir uns auf einige der wichtigjten Mitteilungen bejchränfen müfjen. Die Nahrung der Blattnajen hält man neuerdings für gemijchter Natur, und jo erklärt jte Lodeffer mit Ausnahme weniger Arten, die wohlentwidelte Schwänze und eine große Hinterflughaut haben und reine Snjeftenfrefjer find, für befonders bemerkenswert eben durch) den Wechjel in der Nahrung. Einige leben von Snjeften und Früchten, andere jind Frucht- frejjer und einige wenige ausjchlieglich Blutjfauger. Andere wiederum, obwohl über dieje Stage viel Ziveifel Herrjchte und noch Herrfcht, ändern, twie e3 fcheint, ihre gewöhnliche Nah: rung dadurch, daß fie zum Blutjfaugen übergehen, wern fich Gelegenheit bietet. Sie jcheinen ganz auf die Waldgebiete ihrer Heimat bejchränft zu fein und gehen, nach Dobjon, nicht weiter jüdlich als bi8 zum 30. Breitengrade. Daß jte eine hoch fpezialifierte Fledermausgruppe find, beweilt jomohl ihr LXeibesbau als ihre eigentümliche Lebensweije. FA 6 Sm Gegenjab zu den eigentlichen Blattnafen (Unterfamilie Phyllostominae) fann man die Öattungen Chilonyeteris Gray und Mormops Leach Blattfinne (Unterfamilie Mormopinae) nennen; denn jtatt Daß ihnen Blätter auf der Nafe jigen, hängen Hautfalten und -fappen vom Sinn herab (Taf., ©. 366). Die Kinnblattfledermäufe find Hein, Die größte ohne Schwanz nur etwas über 6 em lang. Die beiden Gattungen unterjcheiden fich dadurch, daß bet Mormops durch häutige Erhebungen auf dem Scheitel die Ohren oberhalb des Gejichts verbunden werden, bei Chilonyeteris aber nicht. Auch die Lippen- und Kinnanhänge find dverjchieden: bei Chilonycteris eine breite, einfache alte, bei Mormops mehr durch Ausjchnitte geteilte Lappen. Beider Köpfe gehören aber zu dem Abenteuer- lichten, was man jehen fann. Blainvilles Blattfinn, Mormops blainvillei Zeach., 430 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Blattnafen. zeichnet fich außerdem durch jatte Drangefarbe aus und durch feinen, zerbrechlichen Sinochen- bau: durch das Gewölbe des offenen Maules jcheint von oben das Licht durch. k Dei der Unterfamilie der Eigentlihen Blattnafen (Phyllostominae) öffnen fich die Tafenlöcher an der Schnauzenjpige nach oben, während jie bei den Blattfinnen nach born gerichtet waren, und find mehr oder weniger eingejchloffen oder feitlich berandet von wohl- ertwicelten Hautanhängen, die ein bejonderes Najenblatt bilden; am Kinn jißen Warzen. Großer Vampir, Vampirus speetrum Linn. Ya natürlicher Größe. Unter den zahlreichen Arten diefer Gruppe verdient die größte aller fiidamerifanifchen Dlattnafen, der mit Unrecht Vampir genannte Große Vampir, Vampirus spectrum Linn., bejondere Erwähnung. Seine Länge beträgt reichlich 16, die Breite, nach Bates, 70 cm. „Der Kopf”, fagt Burmeifter, „ist die und lang, die Schnauze mehr vorgezogen; die Ohren ragen hoch hervor und find größer alS bei den meiften Arten, länglich-etrumd, ohne recht merflichen Auzfchnitt am Nußenrande; Der jpibe, Schmale Dedel hat einen Zaden am Grunde; das Nafenblatt ift für die Größe des Tieres Hein, fehmal, längs der Mitte gefielt, der Stiel ziemlich breit, nicht Durch einen Einfehnitt von dem fchmalzadigen und warzenlofen Najen- taume getrennt, die Oberlippe glatt, die Unterlippe vorn mit zwei großen nadten Warzen bedect, der weiche und zarte Pelz dunfelfaftanienbraun auf dem Nüden, gelblichbraun auf der Unterjeite, die Flughaut wie alle nadten Körperteile braun.” Großer und Kleiner Vampir. 431 Der Vampir bervohnt das nördliche Brafilien und Guayana und hier ebenjomwohl die Urwaldungen wie die Gebäude. „Nichts Häßlicheres”, fagt Bates, „fann e8 geben als den Seficht3ausdrud diefes Gefchöpfes, wenn man e3 von borme betrachtet. Die großen, lederhäutigen, weit von den Kopffeiten abjtehenden Ohren, der jpeergleiche, aufrechtitehende Nafenbejab, die funfelnden und glänzenden fchwarzen Augen, alles dies vereinigt fich zu einem Ganzen, das an einen der verfchiedenen Kobolde der Fabel erinnert. Kein Wunder daher, daß das einbildungsreiche Volk ein fo abjtogendes Gejchöpf mit dämonijchen Be- gabungen ausgeftattet hat. Der Vampir aber ift eine der Harmlofeften Zledermäufe und feine Unfchädlichkeit bei allen Uferbewwohnern des Amazonenjtromes mohlbefannt." Nach älteren und neueren Berichten glaubwürdiger Naturforicher gehört die jo arg verjchrieene Fleder- maus wohl zu den Blattnafen, erweislich aber nicht zu den Blutfaugern, jagt vielmehr des Nacht3 den Snfekten eifrig nach und frißt nebenbei Früchte. „Bei hellem Mondjcheine”, jagt Waterton, „konnte ich den Vampir nach den mit reifen Früchten beladenen Bäumen Hinffiegen und diefe Früchte freijen fehen. Aus dem Walde brachte er in das Gehöft dann und wann eine runde Frucht von der Größe einer Musfatnuf, die der wilden Guayave glich, und als der Samwarrinußbaum blühte, trieb er fich an dDiefem umher. In einer mondhellen Nacht jah ich verfchiedene Vampire um die Wipfel diefer Bäume flattern und beobachtete, daß von Zeit zu Zeit eine Blüte in das Wafjer fiel. Ohne Urfache gejchah dies ficher nicht; denn alle Blüten, die ich prüfte, waren frifch und gejund. So fchloß ich, daß fie von den Bam- piren gepflückt wurden, entweder um die beginnende Frucht, oder um die snjekten zu ber- ipeifen, die fo oft ihren Wohnfig in Blumen nehmen.” Bates bejtätigt Watertons Angaben vollftändig. „Ich fand zwei verfchiedene Arten von Bampiren, den einen von jchtwärzlicher, den andern von rötlicher Pelzfärbung, und überzeugte mich, daß beide hauptjächlich von Früchten fich nähren. Die Kirche in Ega war das Hauptquartier beider Arten; den ich jah fie allabendfich, wenn ich vor dem Tor meines Haufes jaß, in Scharen durch daS große, offene Fenfter Hinter dem Altare aus der Kirche hervorfliegen und hörte jie fröhlich zwitjchern, bevor fie nach) dem Walde fich aufmachten. Zumeilen famen fie auch in die Häufer herein, und den eriten von ihnen, den ich in meinem Zimmer antraf, während er unter Der Dede rumd umber- flog, jah ich für eine meinem Nachbar entflohene Taube an. ch öffnete die Magen bon mehreren diefer Blattnafen und fand, daß diefe eine Menge von Weichteilen und Samen verfchiedener Früchte enthielten, untermifcht mit einigen Überbleibjefn von nfeften. Die Eingeborenen behaupten, daß fie reife Cajus und Guayavden in den Gärten plündern. Bei Vergleichung der aus ihrem Magen genommenen Samen mit denen der in Ega gepflegten Bäume aber fand ich, dad dem nicht fo fein fünne, und e3 erjcheint mir deshalb wahrscheinlich, daß fie nur in den Waldungen ihrer Nahrung nachgehen und gegen Morgen nach den Dör- fern fommen, weil fie hier in den Gebäuden eine ficherere Schlaftätte finden als draußen.“ Der Große Vampir ift völlig jehwanzlos; der fogenannte Kleine Vampir, Lonchorina aurita Tom., hat noch einen Rejt von Schwanz und ift deshalb zu einer bejonderen Unter- gattung erhoben. Er fünnte dazu dienen, mit der verwandten Gattung Tonatia (Lopho- stoma) zu verbinden. Zugleich zeigt ex aber Ähnlichkeiten mit der folgenden Gruppe, fo durch eine Drüfe, die fich am oberen Ende des Bruftbeines öffnet. Die Spießblattnafen (javelin-bats), twie die eigentliche Gattung Phyllostoma Zac. in der englischen Naturgejchichte heißt, Haben eine viel firzere und breitere Schnauze als die vorgenannten unechten Bampire und im Unterfiefer nicht 3, jondern nur 2 Lüdzähne. 432 4. Ordnung: FSlattertiere. Familie: Blattnafen. Die Gemwöhnliche Spießblattnafe, Phyllostoma hastatum Pall., ijt nächit dem Großen Vampir die größte Art: Kopf und Rumpf zufammen find beinahe 10 cm fang. Ge- mwöhnlich ift fie oben dunfelgrau oder rötlichbraun, unten heller gefärbt, manchmal auf der Dberfeite auch brillant Faftanienbraun. Jhre Heimat ift Brafilien; jte jchläft in hohlen Baum- ftümpfen oder unter Balmblättern. Dan traut ihr blutfaugerifche Neigungen zu, und ob- twohl Dobfon dem feinen Glauben jchenfen möchte, drängt Doch das Zeugnis mehrerer Be- obachter dahin, Die Bezichtigung für wahr zu halten. Bates, dejjen nächtliche Erlebnis mit Fledermäufen wir oben (©. 428) mitgeteilt Haben, jchreibt feine Hüftwunde einer Spieh- blattnafe zu und erflärt die Tatjache des Blutjaugens an jchlafenden Perjonen, denen fie Wunden an den Zehen beibringen, für qut bejtätigt. &3 fan aber auch jein, fügt Lypdeffer treffend hinzu, daß ein echter Blutjauger (dal. weiter unten) die Wunde gemacht hat, und Bates deshalb die Spießblattnafe für den jchuldigen Teil hielt, weil er nur eine folche fing. Auch Wallace hält die Spießblattnafen in feinen „Travels on the Amazonas“ für die einzigen Blutfauger. Sn einem jpäteren Werfe (‚Tropical Nature‘) fpricht er dann aller- dings von ihrer langen, vorn mit Hornpapillen bejesten Zunge, die nur die nachjtehend geichilderten, von Snjekten und Früchten lebenden Langzungendampire haben. Er nennt aber an beiden Stellen die Blutfauger „javelin-bats“, und fo ift es jchließlich Doch ichwer zu glauben, da zwei namhafte Beobachter unbeeinflußt voneinander fich jo voll- fommen getäujcht haben follten. Hier Hat im Shyitem auch die Brillen-Blattnaje, Hemiderma perspieillatum Zinn., ihren Plab, Die oben in der allgemeinen Lebenzjchilverung der Fledermäuje jchon er- mähnt werden mußte al3 Verbreiterin von Pflanzenjamen. Snethlage hatte „Hauptfäch- lich zur Zeit der Fruchtreife von Achras sapota (Sapotilha) Gelegenheit, jte zu beobachten. Die Bäume find alsdann gleich nach Eintritt der Dämmerung von großen Mengen — in manchen Fällen von Hunderten — der ftattlichen Fledermäuje umflattert, die in ruhelofen Sagen und furzen Zicdzadwendungen zwijchen den Zweigen hindurchichießen. Bon Zeit zu geit machen fie, im Laub verborgen, einen furzen Halt, und hin und wieder verrät ein Dumpfer Fall, daß eine überreife, zuderjfüße Frucht ji) unter ihrer Berührung vom Stengel gelöft hat. Wer die vor der vollen Neife leicht etwas herbe Sapotilda recht jchäßen lernen will, muß jte fich von der Brillen-Blattnafe herabmwerfen lafjen, die ein ebenfo guter Fruchtfenner zu jein fcheint, wie unjere heimischen Spaben und Stare. Bei längerem und genauerem Aufmerfen fan man auch deutlich wahr- nehmen, Daß die Fledermäufe twirklich Früchte fortzutragen verfuchen.” Manche Früchte, wie die der Gapucaja (Lecythis paraensis), einer Verwandten der Paranıß (Ber- tholletia excelsa), verjchleppen die Fledermäufe nur, um den weichen, fad- jüßlic ichmedenden Eiftiel (funiculus) zu frejien, während fie den eigentlichen Samen fallen (affen. Daher findet man dieje Samen oft nicht unter dem Baume jelbit, jondern mweit über den Wald verftreut. US Langzungen-Bampire faßt Lhdeffer die Gattung Glossophaga E. Geoffr. und ihre nächiten Verwandten (Ischnoglossa, Glossonycteris uf.) zufammen, eine Gruppe feiner oder mittelgroßer Blattnafen mit langer, fehlanfer Schnauze und langer, jchmaler gunge, die weit aus Dem Maule hervorgeftrect werden ann. An der Spiße iftdie Junge mit langen, nadelförmigen Bapillen bejeßt, und man meinte, fie jollten zum Aufrigen der Haut Spieß- und Brillen-Blattnafe. Langzungen- und Kurznajen-Bampire. 433 des befallenen Tieres vor dem Blutjaugen dienen. AS ihr eigentlicher Zweck hat fich aber je&t herausgejtellt, entweder das weiche Fleifch aus dem Innern Hartichaliger Früchte oder Snjelten aus den Blütenröhren herauszuholen. Daß einige Arten Früchte freifen, hat man unmittelbar beobachtet; Injektenrefte im Magen anderer bemweijen aber, daß nicht alle jich auf gleiche Weije nähren. Als Injektenfreijer befannt ift ver Spigmaus- artige Langzungenbampir, Glossophaga soricina Pall., der fich von Merifo über die Antillen bis nach Paraguay und Chile verbreitet; er hat eine wohlentiwicelte Hinterflughaut zwijchen den Beinen, während dieje bet anderen fruchtfrejfenden Arten fehr kurz ist. Dobjon glaubt daher, aus der Größe der Hinterflughaut auf die Kebensweie jchliegen zu können. Die Arten mit der längjten Schwanzflughaut werden allerdings die geiwandtejten Flieger und zum Snjeftenfang am beiten befähigt jein. Den Vertreter einer zweiten Gattung, Sezeforns Langzungendampir, Phyllo- nycteris sezekorni Gundl. et Pirs., den der Berliner Mujeumszoolog Beter3 nach Erent- plaren de3 Antillenforichers Gundlach 1860 bejchrieben hat, konnte Dsburn in Freiheit und Gefangenschaft beobachten. Er entdecdte eine große Schlaffolonte Diejer Art in einer Höhle bei Trelatuny auf Jamaica. Zur Zeit feines Bejuchs dort, im Juni, fand er die beiden Ge- ichlechter in ziemlich gleicher Zahl; die meijten Weibchen hatten Junge, aber alle nur eing. Der Boden der Höhle war bejtreut mit den Neften der Brotfrucht und der Sllebebeere (Cordia collococca). Nach einigen Exemplaren aus der Stolonie, die er gefangen hielt, bejchreibt DS- burn ihre Art zu frejjen folgendermaßen: Die Zunge wird rasch vorgeftreckt und wieder zurüd- gezogen und jo der Saft und das weichere Fleijch mit großer Gejchtwindigkett herausgeholt. So jäuberten die Tiere aufs gründlichite jedes Ioje Hautjtüd der Beere und lecten Osburn ven Saft von den Fingern, indem jte jehr forafältig jogar das herausholten, was jich unter den Nägeln angejammelt Hatte. Sn den fcheinbar unbequemften Stellungen, 5. B. mit ge- freuzten Beinen, hielten fie Dabet aus und fchienen fich ganz gemütlich zu fühlen, mit Ver- gnügen bereit, Beere auf Beere auszuleden. &3 wurde num auch verjtändlich, welchen Zived die ungewöhnlich langen Daumen haben: mit ihnen faßt die Fledermaus gejchict Die Beere, hält fie jejt und dreht fie durch ructweife Bewegungen rund um fich jelbft. Zugleich macht fie durch zivet, drei Fräftige Bilje immer twieder ein neues Loch in die Schale und beginnt dort immer wieder bon neuem das Ausleden, bi3 der Samenfern im Innern ganz vom Tleifche gejäubert it. Dann lajjen die Daumen die Beere fallen, und die Heine, gierige Schnauze jchnüffelt umher nach mehr. Jr die Zweige des Bruftbeerenbaums gejeßt, Eletterten die Lang- zunger, auch fopfunter, mit der größten Leichtigkeit umher, wobei die Länge und die fräftigen Muskeln der Beine und Füße offenbar von großem Vorteil waren; ebenjo das Tyehlen der Hinterflughaut ziwiichen den Schenfeln. Dadurch haben die Tiere namentlich auch die Fähigkeit, jich wie um ihre eigne AUchje zu drehen, ohne die Füße von der Stelle zu beivegen. Zu den fruchtfrejjenden Blattnajen gehören auch die Kurznajen- Bampire (Gat- tungen Artibeus, Stenoderma, Centurio, Brachyphylla u. a., zujammengefaßt al3 Steno- dermata). hr Hauptmerfmal ift jchon im Namen angedeutet: auffallende Verfürzung der breitmäulftgen Schnauze, die jo weit geht, daß die Entfernung bon Auge zu Auge meift größer it al3 vom Auge zur Najenfpize. Das wirft natürlich auch auf das Gebiß ein und bringt eine Verminderung der Baczähne mit fich. Die eigentlichen Baczähne haben vertiefte Kronen und wechjeln in der Zahl: eine merkwürdige Übereinftimmung mit den Flughunden! Sonft Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 28 434 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Blattnafen. find die Kunznafen in vieler Beziehung den Langzungen fehr ähnlich, befonders in der Form des Nafenblattes, und Dobjon Hält beive Gruppen deshalb fir gemeinjamen Urjprungs. Die Hinterflughaut ift bogig ausgerandet, der Schtvanz fehlt. Die Sturznafen leben ebenfalls in den Tropen der Neuen Welt. Beobachtungen über das Leben zweier Gattungen liegen bon DOsburn und Gofje aus Jamaica vor. Auf dem Boden der Höhlen, die Artibeus jamaicensis Leach bewohnt, fand Dsburn Nefte der Brotnuß (Brosimum), der Slebebeere (Cordia collocoeca), des Rofenapfels (Euge- nia jambos) und unreife Mangofrüchte. Schon die großen, weit geöffneten Augen lafjen ichließen, daß die Kturznafen mehr Dämmerungs- als Nachtfledermäufe jind, und tatfächlich wählen fie jich oft dem Tageslicht jehr ausgejeßte Nuhepläße. Dsburn bemerfte, Daß die Samatca-Surznaje mit Vorliebe am Höhleneingang oder in Höhlen von geringer Tiefe Haufte, und in Aquatta Vale fand er grofe Mengen unter den Wedeln der Kofospalme. Cine Stolonie des nahe verwandten Artibeus planirostris Spix fchlief unter der wenig borragen- den Dachtraufe eines Haujes in Demerara, wo die Tiere der volle Schein der untergehen- den Sonne traf. Dieje Art betrachtet Waterton als einen wirklichen Blutjauger. Über Stenoderma achradophilum Gosse, eine von ihm felbjt bejchriebene Art, be- richtet Gojje, daß fie von den Früchten der Najeberrh (Achras sapota) lebt. Ungefähr eine Vierteljtunde nac Sonnenuntergang, während Der Horizont noch glüht, fangen dieje stedermäufe jchon an, um die Bäume zu flattern. Wenn man dann Früchte pflückt, be- merft man, daß dieje jchon angebiljen und hier und da benagt find. Große, von der Fleder- maus angefrejjene Stüde der Najeberryfrucht findet man oft eine halbe Meile entfernt bon dem nächjten Baume; die Fledermäuse verjchleppen ihren Fraß alfo weit. Auch ver Nojenapfel tft eine Lieblingsjpeife von ihnen. Die Gattung Centurio Gray hat fein deutlich ausgebildetes Najenblatt, Dafür aber jo viel andere Hautfalten am Kopf, daß jte ganz abenteuerlich ausjteht. Die eigentlichen, wahren und wirklichen Blutfaugerjind die Öattungen Desmodus Wied und Diphylla Spez, die beide nur aus je zwei Arten bejtehen. Auf die eigenartige, in der Säugetierielt jonit nicht wieder vorkommende parafitiiche Xebensweije deuten jchon gemilje Eigentümlichfeiten des Leibesbaues ganz unverkennbar hin. „Dieje Fledermäufe”, jagen lower und Khdeffer in ihrer Hafjtichen Einführung in die Säugetierfunde, „‚jtellen in der ungewöhnlichen Ausbildung des Klaus und Berdauungsapparates eine Abweichung bon dem Bilde der übrigen Mitglieder der Familie dar, die in den anderen Säugetierordnungen ihresgleichen nicht hat; nur für Blutnahrung eingerichtet und fähig, mit diejer allein ihr Leben zu jriften, ftehen jte unter allen Säugetieren ganz einzig da.” Die beiden oberen Schneiwezähne jind jehr groß, jchneidend fcharf und nehmen den ganzen Raum zwijchen ven Edzähnen ein; die Lürczähne find ehr fchmal, mit fcharffantigen Längsfronen, Die hinteren eigentlichen Baczähne verfümmert oder ganz verjchwunden. Die Speiferöhre ift jehr eng, der Magen darmförmig, wenig abgejeßt, auf der linken Seite in einen langen Blindjad ausgezogen: Blut braucht eben wenig oder gar feine Verdauung, meint Lydeffer, ehe e3 in die Gewebe aufgenommen werden fan. &3 wird durch den befonders engen Schlund — zu eng, al3 daß irgend ettvas Feftes ducchfönnte — in den darmjörmigen Magen gezogen und bon diefem durch einen langfamen Berdauungsproze wahrjcheinlich allmäh- fi) aufgejogen, während das Tier, gefättigt, in einem getviffen vegungslofen Betäubungs- zuftand an der Dede einer Höhle oder in einem hohlen Baume hängt. Kurznafen-Bampire. Blutjauger. 435 Dobjon zählt, wie Veters, die Blutfauger nicht nur für Blattnafen im weiteren Sinne, jondern hat fie jogar, worin wir ihm folgen, in die Unterfamilie der Phyllostominae ein- gereiht: jo eng hängen fie mit den fruchtfrejjenden Stenodermata zufammen. Deren Gat- tung Brachyphylla jcheint ihm Die nächjtverivandte; bei ihr findet er jogar die eigenartigen Formoderhältnijje der Speifewege und des Darmkanals der Blutjauger vorbereitet Durch engen Schlund, Furzen End- und ausgedehnten Anfangsteil des Magens. So ijt auch die in Der Säugetierwelt ganz einzig dajtehende Lebensform der Blutjauger nicht ohne Vermittelung und Übergänge zu gewöhnlichen Zuftänden, und es hat fehr viel innere Wahrjcheinlichkeit, daß gerade von den jaugenden Fruchtfrejjern jolche parafitiiche Spezialtfation ausgegangen ift. Der tleine Blutjauger, Diphylla ecaudata Spiz, jteht den übrigen Blattnajen noch näher: ex hat oben noch einen Kleinen, verfüimmerten, echten Baczahn und auch noch einen kleinen Sporn am Sinöchel. Der mittlere Teil jeiner Hinterflughaut ift ganz unentwidelt. Diejer Bampir fcheint auf Brafilien bejchränft und nichtS weniger als Häufig zu fein. Beim Blutjaugen ift er, nad) Lhdeffer, noch nicht beobachtet worden; doch) fanıı fein Zweifel jein, daß e3 jeine jtändige Yebensgewohnheit ift. Über den Großen Blutjauger, Desmodus rotundus E. Geoffr. (rufus), wären in diejer Beziehung ebenfalls noch umfajjendere Beobachtungen erivünjcht. Auch er ift ver- hältnismäßig fein, faum länger al3 7 cm, oben rötlich-, unten gelblichbraun und verbreitet jih von Mexiko bis Bolivia und Paraguay. Man findet den Bündelzähner, wie Prinz Mar von Wied, fein Entdeder, das Tier nennt, laut Burmeijter Häufig in den Höhlen von Wünas Geraes. Er jigt am Tage in feinen Trupps an der Dede und wird durch die Lichter bald aufgejchreeft und beunruhigt. Henjel berbollftändigt Burmeifters Mitteilungen jehr wejentlih. „Der Bündelzähner”, jagt er, „lebt gewöhnlich zahlreich in Felshöhlen; zumeilen trifft man ihn auch in großen hohlen Bäumen. Bei dem Fange Ddiejer Tiere Habe ich oft Gelegenheit gehabt, die Wunden zu jehen, welche jie meinen Hunden, die fie greifen wollten, an der Naje und mir jelbjt an den Händen beibrachten, und fand, daß fie durchaus denen der von den Blutjaugern gebijjenen Verde gleichen. Die Tiere beißen mit Blißesichnelle, und wenn fie nur die Haut zur be- rühren jcheinen, jo fehlt auch fchon ein Stückchen von ihr. Sie fünnen jich deswegen nicht fejtbeißen, wie Dies alle anderen Blattnafen tun, welche, wenn jie gefangen jind, aus Wut irgendeinen ihnen erreichbaren Gegenjtand mit den Zähnen erfafjfen und eine geraume Zeit fefthalten. Noch ift vieles dunfel in der Lebensweije diefes Blutfaugers; denn die Anzahl der an Pferden oder Maultieren beobachteten Bißtwunden erjcheint jehr unbedeutend im Vergleiche zu der Anzahl des Bündelzähners jelbft. Ar der deutjchen Anfiedlung von Santa Cruz befand fi eine Sandjteinhöhle, welche von Diejer Blattnafe bewohnt war. Die Anzahl der Tiere jchäste ich auf wenigjtens 200 Stüd. Ar der unmittelbaren Nachbar- jchaft diejer Höhle war ein freier, umzäunter Plab, auf welchem das Vieh der zunächit- wohnenden Anjiedler, einige Pferde und Rinder, bei Tag und Nacht weidete. ch bin oft hindurchgegangen, habe aber niemals auffallend zahlreiche Bigwunden des Blutjaugers an ven Tieren bemerft. Würden alle jene Höhle bewohnenden Fledermäufe auf dieje Pferde angemiejen jein, jo wäre hier das Halten der leteren zur Unmöglichkeit geworden.“ Und dod) zweifelt man jeßt nicht mehr an der ausschließlich blutjaugenden Natur des Bündelzähners. Zange hat allerdings Unklarheit geherrjcht, jeit bald nach der Eroberung Brafiltens durch die Portugiejen die erjten Nachrichten von blutjaugenden Fledermäufen zu uns famen, und, genau 28* 436 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Hufeifennajen. genommen, ift die Frage erjt durch Dartvin entjchieden worden, der auf feiner berühmten Forichungsreife mit dem „Beagle das Glüd hatte, einen Vampir auf frischer Tat zu ertappen: fein Diener fing den Desmodus vom Widerrift eines Pferdes herunter, an dem diejer jaugte. Ülbergehend zu der zweiten Seftion der Slleinflatterer mit in die Hinterflughaut einbezoge- nem Schwanze, den Bindejchwänzigen (Vespertilionina), zu denen auch unjere heimijchen Fledermäufe gehören, beginnen toir mit der Familie der Hufeijennajen (Rhinolophidae) im weiteren Sinne, die, nach Weber, „die zentrale Gruppe bilden, aus der die übrigen ent- ftanden”. Mit den Blattnafen hängen fie durch das Borhandenfein der Najenaufjäbe zu- jammen, denen jte ihren Namen verdanken, und jogar das Blutjaugen joll gelegentlich bei ihnen vorkommen. Da3 deutet aber zugleich wieder auf eine vorgejchrittene Ausbildung hin, und tatfächlich beurteilt fie Dobjon in feinem Elafjiichen Fledermausfatalog jo. „Nach welcher Seite ihres Leibesbaues man fie betrachten mag, immer find die Hufeijennajen Die höchjtorganifterten injeftenfrejjenden Fledermäufe. Bei ihnen erreicht Sfelett- und Haut- iyftem die vollfommenfte Entwidelung. Verglichen mit ihnen, exicheinen die Gliedmahßen- fnochen und die Flughäute der anderen Fledermäufe grob gebildet und auch die Zähne weniger vollfommen eingerichtet zum Zerbeißen der harten Snjektenförper. Die vielfach zujammengejeßten Nafjenhäute, die offenbar als feine Organe einer bejondern, den Taft- jinn verwandten Empfindung wirken, erreichen hier ihre höchjte Entwickelung innerhalb der Frlattertiere überhaupt, und die Unterjchtede in ihrer Form liefern wertvolle Merkmale, um die verjchiedenen Arten zu unterjcheiden, die im Gebiß jehr einander gleichen. Dazu helfen ferner die Form- und Längenverhältnijjie der Gliedmaßen jowohl wie Farbe und Begrenzung des Haarkleides, das jich jelten auf die Flughäute ausdehnt. Jr ihren Kebens- gemwohnheiten jcheinen jie jtch von den anderen injeftenfrejjenden Fledermäufen ohne Nafen- anbänge, die Diejelben Länder beivohnen, Dadurch zu unterjcheivden, daß te jpäter am Abend ausfliegen, wenn die Sonne bereits ganz unterm Horizont verjchtwunden tft. Dieje Eigenart hängt wahrjcheinlich zufammen mit dem Bejit eines bejondern Gefühlsorgans in dem zujammengejegten Najenblatt, den zart gebildeten Ohren und Flughäuten, die ihnen erlauben, ihre Jagd auf die AJnjeftenbeute zu einer Zeit zu beginnen und auszuüben, wenn andere zFledermäufe fich jchon wieder an ihre Schlafpläße zurückgezogen haben.‘ Die Najenanhänge jind bei allen Arten der Yamilie hochenttwidelt und umgeben von der Geite die Nafenöffnungen, Die in einer Vertiefung auf der Oberjeite der Schnauze liegen; um dieje Anhänge zu tragen, find die Najenbeine nach oben und nach der Seite jehr verbrei- tert. Man unterjcheidet am Najenblatt drei Teile, die man im allgemeinen bei den verjchie- denen Gattungen und Arten leicht wiederfindet: 1) daS wagerechte, gewöhnlich hufeijen- jörmige Najenblatt, das mehr oder weniger die Seiten und die Spike der Schnauze bedeckt und in jeinen innern Rand die Nafenlöcher einfchließt; 2) das Mittelblatt oder den Sattel, der ztoiichen oder hinter den Najenlöchern fißt; 3) das End- oder Hinterblatt, das noch meiter hinten jich jenfrecht erhebt und rücmwärts biS zwifchen die Ohren fich ausdehnen fann. Die Ohren find groß, aber gewöhnlich getrennt voneinander und ohne Ohrdedel. Der Hgeigefinger ift undollfommen ausgebildet und ohne ein Fnöchernes Glied, der Mittelfinger hat deren zivei. Der Zroifchenfiefer ift zuriicgebildet und hängt nur noch am Nafenfnorpel. Die Zahl der Zähne jchtwankt zwwifchen 28 und 32, je nachdem *, oder + Lücdzähne vor- handen find. Die oberen Echneidezähne find ganz zurücgebildet und fißen an der äuferften Hufeifennafen. 437 Spibe der fchlanfen Zmwijchenktefer in der Mitte des Raumes zwijchen den Eczähnen, unter fich durch eine Türe getrennt. Der erjte untere Lüczahn ift Hein; die echten Badzähne jind gut entwidelt, mit jcharfen, zum W geftalteten Hödern. Sie zermalmen leicht die harten Hüllen der Snjekten, namentlich der Käfer, die, nach den Magenunterfuchungen zu urteilen, bei weitem den größten Teil der Nahrung zu bilden fcheinen. Die Verbreitung erjtredt fich, nad) Dobjon, über die gemäßigten und tropischen Teile der öftlichen Halbfugel. m eigentlichen Bolynejien jcheinen fie zu fehlen, und auf der wejt- lihen Halbfugel werden fie Durch die Blattnajen vertreten. Nach der Gliederzahl der Zehen und gewiljen Unterjchieven am Beden teilt man Die Hufeifennafen wieder in ziwet Unterfamilien: Hipposiderinae mit durchweg zweigliedrigen Zehen, und Rhinolophinae: exjte Zehe ziweigliederig, die übrigen dreigliederig. Nach Weber, der ich wieder auf Winge jtügt, jind die erjteren „injfofern primitiver, aß Ihe Najenraum nicht aufgebläht, ihr Zigenpaar bruftjtändig tft und der Zeigefinger meijt ein Glied hat“. * Den Hipposiderinae, die nur fremdländische, afrifantjche, ajiatijche und auftralijche, Hufeijennafen umfafjen, ijt neben den bereit3 angegebenen Unterjcheidungsmerfmalen, nad) hdeffer, infofern noch eine andere Form des Najenblattes eigentümlich, al3 dejjen oberer und hinterer Teil nicht in einer Spige endigt; auch haben je feinen Mittelfortfat, der die Nafenlöcher verdedt. Ferner ijt die blattförmige Verlängerung de3 Dhrdedels, der jo- genannte Antitragus, der bei den eigentlichen Hufeifennajen vor dem Dhre jißt, hier zu einem Fleinen Neft vermindert, und vermöge einer Verringerung in der Zahl der Lüczähne find weniger Zähne vorhanden, nur 30 oder gar nur 28. Einige Arten übertreffen an Größe die größten eigentlichen Hufeifennafen. Die größte von allen it Hipposideros commersoni E. Geoffr., die fic) vom Gambia zur Kapfolonie, nach Sanfibar und Madagaskar verbreitet und auch (Ubart marungensis Noack in Dftafrifa) in unferen Solonien vorkommt (neben der fleineren, Hipposideros caffer Sund.); eS folgt Hipposideros armiger Hodgs., deren Heimat fi) vom öftlichen Himalaja bis nach China erftredt. Männchen diefer Arten haben über 10cm Körperlänge, ohne Schwanz. Nach Hutton wicfelt fich die indijche Art beim Auf- hängen nicht fo vollftändig in ihre Flughäute ein wie die echten Hufeijennajen, jondern ichlägt den Schwanz mit der Hinterflughaut über den Unterrüden in die Höhe. Yutton beobachtete einige auf einem Speicher in Mufjoorie, aus dem jie vor Dunfelwerden heraus- famen, bei trübem, nebligem Wetter fchon vor Sonnenuntergang, und, trägen, ruhigen Flugs die Bäume umfreifend, Käfer und Zifaden fingen. Die leßteren find, wie Hutton bemerft, unmittelbar nad) Sonnenuntergang in der Regenzeit befonders laut und für Die Fledermäufe deshalb Teicht zu finden. Wenn man dieje Fledermaus lebend fängt, jagt Hutton, hält fie die großen Ohren in beftändiger zitternder Bewegung und gibt einen tiefen, fchnunvenden Ton von fich, der bei Angft oder Aufregung zu einem jcharfen Quäfen wird. Die zitternde Bewegung der Ohren ijt übrigens der Mehrzahl der injeften- freffenden Fledermäufe gemeinfam. Nach Hodgjon pflanzt fi) H. armiger einmal im Sahre fort und bringt zwei Junge gegen Ende des Sommers. %. Sceully fehreibt über das Tier: „Diefe Fledermaus herbergt tagsüber in Höhlen oder gewöhnlich auf Speichern, in Nebengebäuden und Schuppen, die wenig gebraucht werden; dort hängt fie fich mit den Krallen der Hinterfühe an die Sparen. Wenn fie jo an der Kante eines VBalfens oder Sparrens Fuß fat, jchtvankt das ganze Tier noch eine Zeitlang wie ein Pendel hin und 438 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Hufeifennajen. her; dann hängt fie bewegung3los, die Flughäute dicht um den Körper gefaltet. Wenn jie etivas geftört roird durch das Offnen einer Tür oder fonft ein ungewohntes Geräufch im Raume, fteedt jie den Kopf heraus und dreht ihn aufmerfjam nad) allen Seiten, al3 wenn fie die Urjache der Störung herausfinden wollte. Bet jolchen Gelegenheiten habe ich abjichtlich ein jchweres Buch auf die Erde fallen lajjen, um die Fledermaus tüchtig zu erjchreden. Sofort flog fie auf und machte einige Male die Aunde durch den Raum, oder aber verlieh ihn; Doch regelmäßig fehrte jte rajch zurüd und hing jtch wieder an die Stelle, die jie vorher eingenommen hatte. Zum Beutefang fommt fie um Sonnenuntergang hervor, und ihre Jagdgründe find Gärten, Obitjtücke, Waloblößen und Alleen; immer ift jte in der Nähe von Bäumen. Manchmal fliegt jie in gleicher Höhe mit den Wipfeln, gewöhnlich aber tiefer; eine jehr charakteriftiiche Beiwegungsart von ihr tft ein langjamer, aber gleichmäßiger Flug rund um einen Zaubbaunm oder eine dichte Gruppe von jolchen, auf der Jagd nach den Jn- jeften, die an den unteren Zweigen ich aufhalten. Bei diefem eifrigen Rundflug hat fie mich oft beinahe im Gejicht berührt, als ich in Nepal querfeldein nach Haufe ging, und ich fonnte deutlich das Sinirfchen der harten Injeftenkörper ziwijchen ihren ftarfen Zähnen hören. March- mal fommen dieje Fledermäufe aus ihrem Tagesichlupfwinfel hervor, ehe die Anjekten, Die jie jagen, in Menge zu finden find. Am 26. Auguft.um 6 Uhr herum bemerfte ich ein Exrent- plar, das Dicht um einen Baum flog. &8 umfreijte ihn zweimal etwa 3 Fuß über dem Boden, und da e3 offenbar feines der gejuchten njeften fand, hing es jich an einen Fleinen, iwage- rechten Zweig des Baumes, eben nur 3Y, Fuß über der Erde und blieb da einige Zeit ruhig hängen. &8 wartete jedenfalls auf eine günjtigere Stunde. Db dies die richtige Erklärung der Bauje im Fluge tft oder nicht: e8 jcheint jicher, daß dieje Fledermaus nicht jehr lange auf ven Schwingen bleibt. Sch habe in den eriten Nachtjtunden oft beobachtet, daß fie ihre Snjektenjagd durch furze Ruhepaufen in einem Nebengebäude unterbrach. Bei einer jolchen Gelegenheit konnte ich feititellen, daß jte dreimal während des Abends (zwijchen 8 und 10) in ein Zimmer zurücdkehrte, das fte in Bejiß genommen hatte, und, merkwürdig genug, jich immer twieder genau an diejelbe Stelle des Dedfengetäfels hing. E83 war der bon mir ent- ferntejte Punkt, und meine Gegenwart mag Ddiejfe Wahl beeinflußt haben.” Für Togo führt Matfchte neben den beiden oben jchon erwähnten, weit Durch Afrika ver- breiteten Hipposideros commersoni und H. caffer noch) H. fuliginosa Tem., cyclops Tem. und aleyone Tem. an. In Südfamerun jah Bates H. fuliginosa im abendlichen Siielicht über den Dörfern umberfliegen und hörte fie dabei einen quiefenden, jehr hohen Ton ausjtoßen, jo daß manche Eingeborene erklärten, fie fönnten ihn nicht hören. H. cyclops findet jich jehr oft in hohlen Bäumen in Gejellichaft des merkwürdigen Flugbilchs und einiger Arten Mäufe. Bon den verwandten Gattungen berüdjichtigen wir außer der Dreizadnafe, Triaenops afer Prrs., die in Deutjch-Dftafrifa vorfommt, nur noch die Blumennafe oder Shmud- naje, Anthops ornatus T’hos., weil jte vielleicht den erjtaunlichiten Höhepunft aller Gejichts- lappenbildung bei Fledermäufen darjtellt mit ihren vielgeftaltigen Hautaufjägen, die teils blütenblattartig auf der Nafe fich ausbreiten, teils al3 gejtielte Kugeln zur Stirn emporragen. Zum Unterfchied von anderen Gattungen find diefe Auffäge von hinten ausgehöhlt und dünn in der Maffe. Lüydekfer fällt e8 fchwer, zu glauben, daß folch außerordentliches Baumwerf nur mit dem Taftfinn zufammenhänge; er möchte vielmehr die Nofette der Schmucdhnaje wirklich fir eine Schmucbildung halten. Die Gattung und ihre einzige Art wurde von Thomas nad) Woodmwardfchen Sammlungen von den Salomonsinjeln befchrieben, und dem Zwerghufeiiennaie. Hufeifennafen. Zwerghufeifennaje. 439 Beichreiber erjcheint die Entdedfung fol einer Fledermausform dort al3 eine jehr inter- effante und unerwartete Tatfache, weil font die ozeanijchen Injeln nur durch Die große Menge und mannigfache Ausbildung ihrer Flughunde gekennzeichnet find. * Bon den Eigentlichen Hufeifennajen (Rhinolophinae) beherbergt, joweit bis jebt befannt, Europa fünf, der größere Teil Deutjchlands davon zwei Arten. Das Gebif der Hufeifennajen befteht aus 32 Zähnen, und zwar 2 durch eine Le getrennten, verfünmerten oberen Borderzähnen, 4 gejchloffenen unteren Schneidezähnen, einem jtarfen Eczahne in alfen Reihen, einem fehr Heinen und 4 größeren Baczähnen im Oberkiefer und 6 Badzähnen in jedem Unterkiefer. Der zweite der lebteren ift ganz aus der Zahnreihe hevausgerüct und tie der erjte des DOberfiefer3 ungewöhnlich Fein, häufig faum mit blofem Auge jicht- bar; beide jcheinen hin und wieder, objchon felten, auszufallen. Der vollitändige Najen- befat hat drei Teile: das Hufeifen, den Längsfamm und die Lanzette. Erjteres beginnt born auf der Schnauzenfpiße, umjchließt die in einer tiefen Hautfalte auf dem Najenrüden fiegenden Nafenlöcher und endet mit feinen Seitenäften vor den Augen. Der Längsfamm mwächft in der Mitte de3 Hufeifens hinter den Nafenlöchern empor, hat vorn eine er- weiterte Querfläche und hinter diefer eine fattelartige Einbuchtung, in welcher der Längs- famm mit einer vorjtehenden Spige endet. Die zur Stirn querjtehende Hautlanzette er- hebt fich ziwifchen den Augen unter dem hintern Ende der Hufeijenäfte und hat jederjeits der erhöhten Mittellinie drei zellenförmige Vertiefungen, die durch Duerhäute voneinander getrennt werden. Das Ohr ift weit einfacher; ein häutiger, entmwidelter Ohrdedel ift nicht vorhanden. Die Hufeifennafen haben breite, verhältnismäßig kurze Flügelhäute; ihr Flügel- ichlag ift daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Eine der gemeiniten Arten ift die Zwerghufeijennaje, Rhinolophus hipposideros Bechst., eine der Heinften unjerer Fledermäufe. Ihre ganze Länge beträgt nur 6 cm, ihre Flugbreite 22 cm. Der Pelz ift hellfarbig, graumeißlich, oben ein wenig dunkler als unten. Unter allen Blattnafen dringt die Kleine Hufeifennajfe am meitejten nach Norden vor. Sie findet jich, laut Koch, in Europa von den Ufern der Nord- und Ditjee bis an die Küfte Des Mittelmeeres, von der Weftfüfte Europas bis in den Kaufafus, fehlt aber hier und da in Deutjchland ganz, während fie an anderen Orten in großer Anzahl auftritt. Am Rhein, im Taunus und an der Lahn gibt es faum eine alte Ruine mit unterivdijchen Gemölben, wo jie nicht gefunden mwinde; ebenfo ift fie in alten Kalfjteinhöhlen und alten Bergwerfen bis hoch in die Gebirge hinauf eine regelmäßige Erjcheinung. Obmwohlgegen Klima und Witterung weniger empfindlich als ihre Gattungsverwandten, jliegt die Ziverg- oder Kleine Hufeifennaje ungeziwungen doch nicht bei vauhem und najjem Wetter, jucht zu ihrem Aufenthalte immer ganz gejchüste Stellen auf und geht dabei in Gruben und Höhlen mitunter in beträchtliche Tiefe hinab. hr Winterjchlaf währt ziemlich fange; doch jcheint defjen Dauer je nach den Umftänden verjchieden zu jein. Man jieht jolche Hufeifennafen mit den exjten Fledermäufen ihre Winterherberge beziehen und ebenjo mit den leßten ihre Schlupfmwinfel verlaffen. Dagegen gibt es viele, die jich ext jpäter zur Winterruhe begeben und früher munter werden. Dieje VBerjchiedenheit in der Zeit des Anfangs und des Endes vom Winterfchlafe fcheint nicht durch das Alter, eher durch das Gejchlecht beeinflußt zu werden, da Koch im Herbjt meiftens Männchen jehr früh und 440 4. Drdnung: Zlattertiere. Yamilie: Hufeijennajen. im Frühjahr meift Weibchen noch jehr fpät im Winterjchlafe getroffen hat. Ebenfo unter- brechen einzelne Hufeifennafen den Winterjchlaf, andere nicht. Während des Sommers lebt die Kleine Hufeifennafe ebenjo gejellig wie im Winter, ichart fich jedoch niemals fo majjenhaft zufammen, wie andere Fledermäufe dies tun, hängt auch nicht in Klumpen, fondern einzeln nebeneinander, jo daß eine die andere nicht berührt. Sm Buftande der Ruhe heftet fie jich jtetS frei an die Hinterfüße und jchlägt die Flughäute teilmweije oder ganz um den Körper. Während des Winterjchlafes Hüllt jte jich jo feit ein, daß man fie eher für einen Pilz als für eine Fledermaus hält. Jm Sommer erwacht fie ungemein leicht, fo daß man fie auch amı hellen Tage, wenn fie ganz ruhig zu jchlafen jcheint, ohne Neb nicht leicht fangen kann, weil jte bei Annäherung eines Menchen jofort munter wird und weg- fliegt. Wenn jte nicht fchläft, bewegt jie den Kopf außerordentlich rajch Hin und her, um zu wittern, let und pußt jich dabei, macht Jagd auf Die zahlreichen Schmaroger, die ihren Pelz bewohnen, gehört überhaupt zu den munterjten, niedlichiten und anziehendjten unferer ein- heimifchen Fledermäufe, obaleich ihr Flug nur unbeholfen und langjam ift und fie fich in der Negel nicht hoch über den Boden erhebt. Die Gefangenjchaft hält fie leider nicht aus. Gie ift, wie die meilten Glieder ihrer Zamilie, jehr erregbar und befommt, fobald man fie reizt, ja num berührt, Yeicht heftiges Najenbluten, das in vielen Fällen ihren Tod herbeiführt. Die Hufeifennaje lebt Hauptjächlih von Snjekten, die feine harten Teile haben, namentlich von feinen Nachtjchmetterlingen, Fliegen ufw. Sie ift aber auch ein echter Blut- jauger, wie aus Beobachtungen, die Stolenatt gemacht hat, deutlich hervorgeht. Diejer Forjcher fand im Winter in einer Kalfhöhle in Mähren 45 Stüd fchlafende Fledermäufe, und zwar größtenteils Ohrenfledermäufe und Kleine Hufeifennajen, nahm fie mit fich nac Brünn und ließ alle zufammen in einem großen Zimmer, in Dem feine Sammlung aufgejtellt war, Herum- fliegen und fich jelbjt eine Auhejtätte juchen. Er übernachtete in Gejellichaft der Fleder- mäufe, um fie genauer beobachten zu können. Won 7 bi8 12 Uhr abends flatterte Die Obren- fledermaus, dann hing fie jich, um zu ruhen, ivgendtvo feit; von 1 biS3 Uhr in der Nacht flat- texte die Hufeijennafe, und hierauf begab fie fich zur Ruhe; von 3 bi85 Uhr morgens flatterten dann wieder einige Obhrenfledermäufe. Dieje hielten fich, jelbjt wenn der Beobachter ruhig Itand, in einer Entfernung von 3—5 Fuß don ihn, während die Hufeijennajen feinem Ge- jihte bi8 auf 2 Zoll Entfernung fich näherten, einige Augenblide an einer Stelle fich flatternd hielten, aber auch oft zu feinen Füßen herabflogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. AS wenige Tage jpäter Siolenati einem jeiner Freunde die Fledermäufe vorführen mwollte, fand er zu feinem nicht geringen Erjtaunen jechs Hufeijennajen bis auf die Flügeljpigen und Strallen aufgefrejjen und eine, deren Kopf auf das furchtbarjte ver- ftümmelt war. Zahlreiche Blutjpuren, blutige Schnauzen und die angejchtvollenen Bäuche jowie die vielen Kotflümpchen verdächtigten die noch vollzählig verjammelten Ohrenfleder- mäufe als Mörder der Berichwundenen, und Unterfuchung des Magens eines der, getöteten Ziere bejeitigte jeden etwa noch bejtehenden Zweifel. Dagegen bemerfte man auf den Slatterhäuten der Ohrenfledermäufe in der Nähe des Körpers friiche Wunden, deren Ränder \hmwanımig aufgetrieben erjchienen; auch hatten diefe Tiere fich dDachziegelförmig aneinander gehängt und in einen Silumpen zufammengedrüct, während die Hufeifennafen immer ver- einzelt die verborgenften Schlupfwinfel zu ihrer Ruhe benußten. Die Schlußfolgerung diefer Beobachtung war fehr einfach. Die nicht freundlich gegeneinander gejinnten Ver- wandten Hatten fich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der erften Ruhe der Ohrenfledermäufe waren die Hufeifennafen gefommen, hatten jene verwundet und ihnen Zwerghufeifennafe. Große Hufeifennafe. 441 Blut ausgejogen; die Ohrenfledermäufe aber hatten fich für diefe Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit gerächt und die Übeltäter furziveg aufgefreffen! Ein Grufier erzählte Kolenati, feine Tauben befämen öfters in der Nacht Heine Wunden mit aufgemworfenen Rändern, die er nicht zu deuten wife, und Stolenatt jchließt jedenfalls richtig, daß Diefe Wunden ebenfalls von Bijjen der Hufeifennaje herrühren. So haben wir alfo auch in Europa mwirffihe Vampire, obgleich jie freilich im ganzen recht Harınlos find, mwenigftens feine Beranlaffung zu Furcht oder Entjeben geben fünnen. Große Hufeifennafe, Rhinolophus ferrum-equinum Schreb. */5 natürlicher Größe. Noch häufiger als die gejchilderte Art, aber mehr in Südeuropa, ift die Große Huf- eifennafe, Rhinolophus ferrum-equinum Schreb. (Taf. „Slattertiere II“, 1 und 2, bei ©. 450). Ihre Leibeslänge: beträgt 5,5, die des Schwanzes außerdem 3,5, die Flugmeite 33 cm. Die Nafenplatte ift fehr groß, das Ohr ziemlich groß, die Behaarung reichlich und lang, die Färbung bei dem Männchen oben afchgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf der Unterjeite hellgrau, bei dem Weibchen oben licht rötlichbraun und unten rötlichgrau. Dieje Hufeifennafe fommt in dem größten Teile des gemäßigten und im jüdlichen Europa or; auc fand man fie in Ajien, am Libanon. An den Gebirgen geht jie im Sommer bis 2000 m in die Höhe. Sie lebt gern gejellig; Doch gibt eS andere Arten ihrer Familie, die in mweit größerer Anzahl als fie zufammen vorfommen. Bismweilen findet man fie auch mit an- dern Arten vereinigt. Ihre Schlafpläge und Winterherbergen jind die gewöhnlichen. hre Fluggewandtheit ist, entiprechend den breiten Flügeln, nicht eben bedeutend, und fie erhebt 442 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Hufeijennajen. fich Feinestvegs bejonders hoch. Stolenati glaubt, daß auc) jie anderen Tieren Blut abzapft. Sie flattert des Nachts in den Schluchten umher, mwahrjcheinlich um NRehe und Gemjen anzufaugen, umjchwärmt die Lager der Eichhörnchen und macht fich, obgleich ihr Yampir- tum noch nicht erwiefen, dejfen mindeitens in hohem Grade verdächtig. Über die forjtlihe Bedeutung der Hufeifennajen erklärt Altum genaue Beobachtungen nicht zu Haben. Der Landwirtichaftszoolog Rörig tritt dagegen entjchieden für fie ein und möchte felbft ihr Harmlojes Schmarogertum, gelegentliche Blutfaugereien an Tauben nicht ettva al3 Grund benußt mwifjen, diefen jonft jo nüglichen Gejchöpfen nachzuftellen. Über einige — er hätte jagen dürfen: neue und überrajchende — LXebensgewohnheiten der Hufeifennafen in England berichtet T. U. Coward auf Grund von Beobachtungen, die er beim Befuche von Kalkfteinhöhlen in Denbighihire und Flint (Nordmwales) machte. Dabei zeigte jich), was auch durch das Zeugnis anderer englischer Beobachter belegt ift, dah die Kleine Hufeifennaje im Sommer mehr am Eingang, im Winter mehr im nnern der Höhlen hängt. Einer diefer anderen Beobachter erhielt auch die große Art aus Höhlen in Devonfhire (Sidmwejtengland) zugleich mit der Angabe, daß jte die Mindungen der Höhlen zu bevorzugen fchiene und in großer Entfernung vom Eingang, two fein Tageslicht mehr hin- dringt, auch feine Fledermaus mehr zu finden gemwejen jei. Die Kleine Art war am 18. No- vember offenbar noch nicht in tiefem Schlafe; denn zivet flogen in demjelben Augenblte jchon weg in die Gänge der Höhle, als man jie bemerkte, und drei andere flogen mwenigjtens auf, ehe man fie fafjen fonnte. Die Temperatur diefer Höhlen war einige Ellen vom Eingang 7—89 C, und das mag die Lebhaftigkeit der Fledermäufe erklären. m Dezember, März und April fanden fte jich mafienhaft, aber offenbar in tieferem Schlafe: man fonnte jte von den Wänden ablefen und einige Zeit in der Hand halten, ehe jte unruhig wurden. Nach Comward ift e3 übrigens jchiver, hier zu jagen, was Winterjchlaf und was nur Tagesichlaf ift. Auch der Tagesjchlaf der Fledermäufe im Sommer ift tief, und die Erjcheinungen, die beim Winterjchlaf eintreten, find auch beim gewöhnlichen Schlafe vorhanden. Herztätigfeit und Atmung find faum wahrnehmbar, und die Körpertemperatur finft beträchtlich: eine jchla- ende Fledermaus im Sommer ift allermeift falt und leblos, twie eine winterjchlafende, und oft jchwer aufzumweden. Eine jehr bemerfenswerte Angabe! Noch mehr aber muß die Feit- jtellung Comard3 interefjieren, daß die Hufeifennafen während des Winters in den Höhlen Nahrung zu fich nehmen und folche Dort auch finden. Fat ohne Ausnahme entleerten jich die in den fraglichen Höhlen gefangenen Fledermäufe, wenn jie volfjtändig erwachten; zivet im März gefangene und fofort chloroformierte hatten Kot im Darm und eine jogar halbver- doute Mafje im Magen. Die Erfremente auf dem Boden der Höhle waren im Auguft troden und Schimmelig, im März, April und November aber unzweifelhaft frijch, und im leßtgenann- ten Monat waren ficher mehr frifche Erfremente vorhanden al3 in den früheren Monaten. Im Winter herrfcht nämlich ein reiches Snfeftenleben in den Höhlen: zwei Motten (Scotosia dubitata und Gonoptera libetrix) überwintern dort, und eine große Menge feiner Ziei- jitgler fißt an den Wänden; manche find offenbar in einem gewifjjen Schlafzuftand, andere fliegen jofort ins Licht. Eine große Höhlenjpinne (Meta menardi) ift auch reichlich vertreten, und ein Bein von ihr wurde im Fledermausfot gefunden: ein Beweis, daß die Hufeijennaje eine jolche Spinne in der Höhle felbft gefrejjen hatte. E3 ift aber fogar nachzumweifen, dab die Große Hufeifennafe durchaus nicht nur im Fluge frißt, wie die gewöhnlichen Fledermäufe, jondern jich manches auch nad) ihrem Tagesruheplaß hinträgt, um e3 dort im Hängen zu Hufeifennajen: Lebensweie. 443 verzehren. Unter dem Schlafplage eines Silumpens diejfer Fledermäufe fonnte man eine ganze Kehrichtichaufel voll Mottenflügel und Käferjchalen auffegen, die weggemworfenen Über- rejte des nächtlichen Naubes. Ein Weibchen der Seinen Hufeifennaje, das Comward im Dezember erhielt, Schnappte ihm einen Mehlwurm aus der Hand, flog damit nach der Wand, ding jich mit den Füßen an den Bilderriegel und fraß den Mehlwurm in der Ruheftellung. Comward wiederholte den Berfuch ziwei- oder dreimal und fand, daß jte fich inner nieder- ließ, ehe jie den Wurm verzehrte: bei anderen Fledermäufen durchaus feine fejtitehende Gewohnheit, obwohl es gelegentlich vorfommt. Die Kürze des Schwanzes, der noch dazu gewöhnlich auf den Rüden hinaufgefrünmt wird, und die Schmale Hinterflughaut hindern die Hufeilennafe, von Schwanz und Hinter- Huahaut den gejchieten Gebrauch zu machen wie die Slattnajen, die fich daraus unterm Bauche eine Fangtajche bilden und aus diejer die hineingeftedten Snjekten, namentlich größere, mit einem zweiten tödlichen Bifje wieder hervorholen. Die Slleine Hufeifennafe Comards ftieß den Mehlwurm, offenbar ein größeres Tier, als jte gewöhnlich frißt, gegen die Flughaut in der Flanke, gerade überm DOberjchenfel. Die Haut wurde dadurch zu einer Art Sad: ein Erjaß für die Hinterflughauttajiche. Die Hufetfennafe benußte aber nicht regelmäßig diejelbe Seite, einmal drüdte fie den Mehlwurm einfach gegen ihren Bauch. Wenn fie nach einem Wurm jchnappte, flatterte jte zugleich mit den Flügeln in einer zitternden Bewegung, ganz anders, als wenn jte einem aus der Hand entwijchen will. Dann zerbi jte den Wurm nach) jeiner ganzen Länge mit rafcher Bewegung der Stiefer und einem nerböjen Zittern Des Kopfes, indem fie die Beute Durch ihren Mund gleiten ließ und jo jte lähmte. Der Stopf und das Hornige Schiwanzende des Mehlwurmes wurden verjchmäht, auch das übrige nur lang- jam gefrejjen, obwohl die Bewegungen der Stiefer Schnell waren. Kopf und Schwanz des Wurmes blieben gewöhnlich an den Lippen hängen und wurden dann gegen den Körper abgemwilcht, Dabei aber weder Fuß noch Daumen gebraucht. Mit diefen jchönen Beobachtungen aus England jtehen interejjante Mitteilungen bon der Anfel Malta über das Verhalten der Hufeifennafen zu verjchiedenen Jahreszeiten jehr gut im Einklang, die wir Dr. Leith Adams verdanken. Danach jieht man auf Malta die Hufeifennajen das ganze Jahr, am zahlreichjten allerdings im Sommer; aber auch mitten im Winter fommen fie gelegentlich im Ztielicht hervor, wenn warme Südwinde wehen. Sn der Wirbeltiervelt der Schweiz führt Fatio die Große Hufetjennaje zwar auf, jagt aber, jie jet nirgends häufig. Immerhin findet fie jich in mehreren Kantonen und geht in der untern Alpenregion bis zu ziemlich großer Höhe. Yatio jelbjt fonnte jie nachweijen aus der Umgebung von Zürich, Luzern und Genf (in einer tiefen Höhle des Saleve auch Sinochen- veite); andere Beobachter meldeten fie ihm von Bajel, Bern, aus den Kantonen Urt und Tefiin; er erhielt fie auch von Anderntatt, im Urferental, aus 1450 m Meereshöhe. — Die Kleine Hufeifennafe fommt noch höher hinauf vor und jcheint in der Schweiz viel häufiger zu fein. Fatio ftellte fie in den meiften Kantonen feft, jüdlich und nördlich der Alpen, im Diten und im Weften und bis zu 2000 m Höhe. Er fand einmal in einer jenfrechten Höhle, die eine warme Quelle enthielt, bei Brig im Wallis eine große Zahl weiblicher Jwerghuf- eifennafen, die alle ihre Niederfunft erwarteten und zwei Junge bet jich trugen; daztpiichen eine einzige Vespertilio murinus, die von den Hufeifennajen geduldet wurde. Tach Mojftiopies ift die Zmwerahufeifennafe aus fast allen Kronländern beider Reiche- hälften der Ofterreichifch-Ungarischen Monarchie befannt und ftellenweije in oft großen Gejell- ichaften vorhanden. An dunklen Orten, in Schluchten erjcheint jie vor der Dämmerung, 444 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Hufeifennajen. im Walde exit bei ausgejprochener Dämmerung; ein befannter Fundort ijt die Tropf- fteinhöhle Tibafoje bei Rezbanja, die Jordaer Feljenjchlucht, Die Almajcher Höhle und die Görgenyer Schloßruime in Stebenbürgen. Auch jonft it die Große Hufeifennafe in Ungarn boriviegend eine Bewohnerin natürlicher Höhlen; nach Stornhuber lebt fie im Blafenjtein in den Slleinen Slarpathen, im Lipotmezö im Dfener Gebirge, im Burzenlande in einer Höhle am Kapellenberge nächjt Stronftadt. Die Grenzen Ofterreich- Ungarns ragen übrigens jchon in die Verbreitung der aus- ichließlich füdeuropäifchen Arten hinein: „Jowohl die fpisfammige wie die rundfammige Huf- eifennafe (Rhinolophus elivosus Blas., jet blasii Ptrs. und Rh. euryale Blas., die aud) in Afrika und Kleinafien vorfommen) find aus Sidtirol (Niva), aus Ytrien, Dalmatien, Ger- bifch-Sroatien (Mifa VBecina) befannt; überdies wırrde Rh. clivosus im Barander Stomitat (Draued) in der Siflofer Höhle, im Banat und angeblich in Mähren, Rh. euryale auch bei Budapeft nachgewiejen”. Über außereuropäifche Arten erfahren wir noch einiges bei Blanford („Fauna of British India“). Er erwähnt zunächft die größte Art, die Große Oftliche Hufeifennafe, Rhinolophus luctus Tem., die am Himalaja in mäßiger Höhe, in den Gebirgsgegenden Eüd- indiens und Ceylons, in Burma, Hinterindien und den zugehörigen Injeln bis nach Borneo und den Philippinen borfommt und auf die Hochländer ihres Berbreitungsgebietes bejchränft zu fein fcheint. Sie hat ein jehr großes und eigentümliches Nafenblatt, dejjen vorderer Teil über die Lippen vorspringt, und pechjchwarze Färbung. Nach Hodajon, der jie Rh. perniger nennt, ift fie Scheu, Yebt im Walde und nähert fich nie den Käufern oder Stulturjtätten. Hutton aber, Dem wir genauere Angaben über ihr Leben verdanken, fing in Nufjoorie Erem- plare, die unter dem Dach eines Holzftalles hingen: die großen [hwarzen Schtwingen um Jich gefaltet wie einen Mantel, glichen fie da etwa großen fchwarzen Schmetterlingspuppen. Den ruhigen und geräufchlofen, niedrigen Flug um die Bäume 20—30 Fuß über der Erde befchreibt Hutton fo, wie man ihn don den anderen Hufeifennafen auch fennt; dagegen muß als ein erheblicher Unterjchied erfcheinen ihr angebliches Leben in Paaren, von denen nur dann mehrere in derjelben Höhle gefunden werden, wenn diefe reichlich Gelegenheit zu gejon- dertem Hängen bietet. — Auch Rh. affinis Horsf., die eine ganz allgemeine Verbreitung über Indien und Kotjchinchina hat, teilt, nach) Sutton, Die befannten Gewohnheiten der Huf- eifennafen: jie fliegt oft jo niedrig, daß man die Käferfchalen zwifchen ihren Zähnen fnixfchen Hört und fie mit dem Schmetterlingsneß fangen fan. rn Mufjoerie hält fie einen Winterfchlaf, was bei der hohen Lage Ddiejes Dxrtes im Himalajagebiete der jogenannten Weftpropinzen nicht weiter mwundernehmen fan. — Der Langohr-Hufeijennafe, Rhinolophus macrotis Blyth, die, nad) Blanford auf Nepal und Mufjoorie im Himalaja bejchräntt, bi8 jeßt nur an zwei Orten dort fetgeftellt ift, in Mufjoorie 5500 Zub hoch, ichreibt Hutton einen rafchen Flug in ziemlicher Höhe zu; das wäre ein Unterjchted gegen die übrigen Hufeifennafen. — Al auftralifche Art fei Rh. megaphyllus Gray aus dem Norod- ojten des fünften Erdteils erwähnt; als weftafrifanifche Rh. aethiops Pirs. aus Benguella und Otjimbingue, die aljo auch zur Tierwelt Deutfch-Südweftafrifas gehört, und als füdafrifa- nifche, bi3 nach Sanfibar und Deutfch-Dftafrifa fich verbreitend, Rh. capensis Leht., die Der Berliner Mufeumszoolog und Südafrifareifende Lichtenftein 1823 befchrieben Hat. Lebtere ift, nah) W. 2. Sclater, um Kapftadt nicht felten und findet fich da hängend in Schuppen und Nebengebäuden. Somohl Sclater für Sid- wie Matfchie für Deutfch-Oftafrifa führen Außereuropäifche Hufeijennajen. Glattnajen. 445 noch Hildebrandts Hufeifennafe, Rhinolophus hildebrandti Pirs., an, die Peter3 dem gleichnamigen Oftafrifareifenden gewidmet hat: eine große Art von 9,5 em Länge mit ftarf nach außen ausgejchweiften Ohren. Schließlich gehört zur deutjch-ojtafrifanijchen Tierwelt auch die von Matjchie „lein-Hufeifennafe” genannte Rh. lobatus Pirs. Für Togo verzeichnet Matjchte eine Rh. aleyone Tem. Die neueften, umfaffendften und erjchöpfenditen Unterfuchungen über die Gattung Hufeifennafe (Rhinolophus) find wohl die von dem däntjchen Zoologen Knud Anderjen, die im Sahrgang 1905 der „Proc. Zool. Soc.“ 70 Seiten einnehmen und gleich zur Be- ichreibung von 26 neuen Formen auf einmal führten. Die Endergebnijje jeien hier noch mitgeteilt, jomweit fie allgemeine Gefichtspunfte enthalten. Danach Hat jich eine fortjchrei- tende Entwicelumg herausgeftellt von der auftrafifch-malaiifchen Rh. simplex Andersen, einer der 26 neuen Arten, duch eine lange Neihe von Formen aus der Orientalischen Region bis zu unferer Großen Yufeifennaje, Rh. ferrum-equinum Schreb., und eine ähnliche Stette läßt fich zufammenfügen von der orientalifchen Rh. lepidus Blyth bis zu den fildeuropätjchen Rh. blasii Ptrs. und euryale Blas. Alle äthiopijchen Vertreter der Gattung jind orientalijchen Uriprungs. Unfere Sleine Hufeifennafe hat bis jeßt feinen näheren Vertvandten al die bon Anderjen neu befchriebene Rh. midas Andersen vom PBerjiichen Golf. %* Bon etwa 750 mit Sicherheit unterjchiedenen Fledermausarten werden etiva 270 der Familie der Glattnajen (Vespertilionidae) zugetiejen. Alle hierher gehörigen Flatter- tiere ftimmen in folgenden Merkmalen überein: die Nafe ijt einfach, ohne blätterigen An- hang, das Ohr ftets mit einem häufigen, vorjpringenden Dedel verjehen, zu dem jich ein Teil der untern Ohrmufchel, der fogenannte Tragus, entwidelt; die jpishöcerigen Bad- sähne tragen Leiten, die in Geftalt eines W verlaufen. m übrigen ift daS Gebiß jehr ver- ichieden, und darauf hat man die Einteilung der Gattungen begrimdet. Bon Schneide- zähmen, die alle jpibig find, ftehen im Oberfiefer 2, 4 oder 6, Fönnen hier jedoch auch ganz fehlen; unten finden fich gewöhnlich 4, jeltener 6, ausnahmsmeije nur 2. Außerdem enthält das Gebif jtarf entmwidelte Echzähne; oben 1—3, unten 2—3 Feine Lüczähne und 3 Badzähne in jeder Reihe, fo daß aljo die Anzahl fämtlicher Zähne zwijchen 28 und 38 wechjelt. Das Sporenbein erreicht innerhalb diejer Gruppe feine größte Enttvidelung und trägt bisweilen einen jeitlichen Hautlappen, deijen Fehlen oder Vorhandenjein ebenfalls als Merkmal für die Unterjcheidung verjchiedener Gattungen gilt. Von den übrigen Fledermäufen unterjcheiden fich die Glattnafen noch durch den fangen Schwanz, der bi8 ans Ende der Hinterflughaut reicht, und durch die weit ausein- anderjtehenden oberen Schneidezähne, die nahe an die Eczähne heranrüden. Dies gejchieht dadurch, dat die Zmwijchenfieferäfte durch eine Einbuchtung getrennt find und jo mit dent DOberfiefer vervachjen. Die Augen find flein; die inneren Ohrränder erheben jich von den Seiten des Kopfes, nicht vom VBorderkopf. Die Größe der Glattnafen jchiwankt erheblich: e3 gibt Arten unter ihnen, die bet ungefähr 13 cm Leibeslänge bis 60 em Hajtern, und jolche, deren Leibeslänge faum 3 und deren Flug- weite höchjtens 18 cm beträgt. Sobiel bis jet befannt ift, treten die Glattnajen in größter Anzahl in Amerika auf. Nächjtvem hat man die meijten in Europa beobachtet; es unterliegt aber wohl faum einem Zweifel, dag Aien und Afrifa reicher an ihnen jind al3 unjer Heimat- licher Erdteil. Mit Ausnahme der falten Zonen verbreiten jte jtch über die ganze Erde, fteigen 446 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Glattnajen. auch im Gebirge bis zu beträchtlicher Höhe empor. hre Aufenthaltsorte jind Die der ‘sleder- mäufe iiberhaupt; doch darf man vielleicht jagen, daß die große Mehrzahl von ihnen Bäume, und zwar deren Gezweige und Ninde ebenjowohl als Löcher in ihnen, Feljenhöhlen borziehen. Bei vielen Arten leben die Artgenofjen untereinander in größter Eintracht, bei anderen al3 Einftedler, die höchltens in Keinen Gejellichaften zufammenfommen. Die Nah- rung befteht faft ausjchließlich aus Infekten, dann und wann auch in Heinen Wirbeltieren; namentlich mögen die großen Arten öfter, al3 man glaubt, über Heinere Dronungsgenojjen herfalfen und fie verzehren. Db es unter ihnen Arten gibt, die Früchte frejjen, ift zurzeit noch nicht mit Sicherheit feftgejtellt. Jm allgemeinen darf man wohl jagen, daß gerade Die Mitglieder diefer Familie zu den allernüßlichjten Säugetieren gehören, und daß an ihnen auch nicht der geringfte Makel haftet. Hinfichtlich ihrer Begabung jtehen fie den Zlughunden nach, find aber viel bewegungsfähiger als diefe. hr gewandter Flug zeichnet jich Durch jähe und plößliche Wendungen aus, jo daß es Raubvögeln faft unmöglic wird, fie dann zu fangen. Zaufend umd Fletternd bewegen fie fich mit viel Gejchid. Unter ihren Sinnen jteht wahr- icheinfich durchgängig das Gehör obenan, auf diejes folgen wohl Gefühl und Geruch und dann exit Gejicht und Gejchmad. Zu den Glattnafen gehören unfere befannten heimijchen Fledermäufe. Auf ihre Lebensjchilderung müfjen wir uns in der Hauptjache bejchränfen. Die Gruppe der Bindeohren (Plecoteae) umfaßt einige meitverbreitete, aber ber- hältnismäfig nur in wenigen Gattungen und Arten vorfommtende Fledermäuje mittlerer Größe, die fich durch folgende Merkmale auszeichnen: Die Ohren find jehr groß und über dem Scheitel miteinander verwachjen; der Scheitel erhebt fich nu leicht über die Gejichts- Iinie; der äußerjte obere Schneidezahn fteht dicht am Ecahn; die Nafenlöcher find hinten umgeben von Drüjengruben oder verfümmerten Najenblättern. Sn diefer Beziehung ftellen die Gattungen Nyctophilus Zeach (Auftralien) und Antrozous H. Allen (Kalifornien) eine geiwilje Verbindung mit den Blattnafen her: fie haben Eleine Nafenaufjäße. Hinter diejen bildet fich eine fleischige Scheibe aus der Bereinigung der jehr vergrößerten Drüjentmwarzen, die bei allen Arten der Familie mehr oder weniger entwidelt find. Berjchiedene Stufen diefer Entwidelung jind bei der Gattung Plecotus E. Geoffr. zu verfolgen. Auch die Arten der Gattung der Breitohren (Barbastella Gray; Synotus) jind faum weniger abfonderlich ausfehende Gejchöpfe als die Blattnafen. Die über dem Scheitel miteinander verwachjenen Ohren verleihen dem Geficht einen eigentümlichen Ausdrud. Shre Außenränder erjtreden jich über den ganzen Mundwinfel nach vorne und enden zwijchen Auge und Oberlippe; der Innenrand ift ziemlich gleichmäßig gerundet und von der Mitte an etivas ftärfer nach außen gebogen, der Außenrand tief ausgebaucht, der fait gerade Ohrdedel von der Wurzel an ftarf verjchmälert und im Grunde des AYußenrandes mit Deutlich vorjpringenden Zähnen verfehen. Die Flügel kennzeichnen fich durch ihre Schlanfheit und Länge; das Sporenbein an der Terje des Hinterfußes trägt einen ab- gerumdeten, nad) außen vorjpringenden Hautlappen. Der Schwanz ift etivas länger als der Leib. In Gebif finden fich 34 Zähne, und zivar in jedem Sieferajte des Dberfiefers 2 durch eine Lüce getrennte Vorderzähne, im Unterkiefer 6 gejchlofjene Schneidezähne, auperdem in jedem einzelnen Sliefer hinter den ftarfen Edzähnen 2 einfpigige und 3 viel- jpißige Badzähne oder 1 Lüczahn und 4 Badzähne. Mopsfledermanus. 447 Die Mopsfledermaus, Barbastella barbastellus Schreb. (Synotus), it 9 cm, ihr Schwanz 5 em lang; fie flaftert 26 cm. Die Oberjeite des Belzes hat dunfel jchwarzbraune, die Unterfeite etwas heller graubraune, das einzelne Haar an der Wurzel jchivarze, an der Spite fahlbraune Färbung, die didhäutigen Flughäute und Ohren jehen jchiwarzbraun aus. An dem ganz eigenartigen Ausfehen ihres Kopfes ijt die Mopsflevdermaus jtet3 leicht zu er- fennen. Die Schnauze ift fcharf abgeftußt; jederjeits führt eine Grube zu den Najenlöchern, die in einer haarlofen Vertiefung oben aufliegen. Die jchwarze Behaarung der etivas Mopsfledermaus, Barbastella barbastellus Schreb. 1a natürlicher Größe. aufgetriebenen Baden macht den ganzen GefichtSausdrud noch eigentümlicher; ebenjo die Dhren, die verhältnismäßig breit und fo lang wie der Kopf find. Das lange Haar tft dunkler al3 bei irgendeiner andern europätjchen Fledermaus. Man kennt die Mopsfledermaus, laut Blafius, aus England (felten), Frankreich, Stalien, Deutjchland, Schweden und der Sirim. „Auch Habe ich fie”, jagt unjer Gewährsmann, „in Ungarn und im mittleren Rußland beobachtet und in den Alpen an verjchtedenen Bunften bis zu den Ießten Sennhütten hinauf angetroffen. So kommt fie am St. Gotthard, im Ob- und Faffatale, in den Tauern und Julifchen Alpen vor; auch im Harz tft jte bis zu den höchiten bewohnten Bunkten nicht jelten.” Nach Koch liebt fie bejonders Gebirgsgegenden und jehr waldreiche Dxte, tritt aber niemals gejellig auf und hängt jidh) auch während des Winter- ichlafes nur ausnahmsweife zu zweien oder dreien zufammen, obgleich jte jehr verträglich ift und weder mit ihresgleichen Hadert, noch andere Fledermausarten ftört oder durch Dieje jich ftören läßt. Zur Tagesruhe verbirgt je fich am liebjten in Mauerrigen, feltener hängt 448 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Glattnajen. jie jich frei an dunklen Stellen bon Felswänden oder in Gewölben und dergleichen Orten an. Nach Kolenatt ift es wahrscheinlich, daß auch jte wandert, da fie in einzelnen Wintern an Orten, die fie während des Sommers in ziemlich großer Anzahl bewohnt, nur felten gefunden mwird. Der Winterjchlaf der Mopsfledermaus beginnt, laut Koch, erjt bei bvor- geriicter, winterlicher Jahreszeit, mitunter tief im November, ijt jehr leicht und unter- brochen und endet jchon jehr früh, bei Beginn der erjten warmen Tage im Monat März oder jchon Ende Februar. Ber anhaltendem Froft Hält fie jich allerdings länger in ihrem Berfted, ohne aber in der eigentlichen Bemwußtlofigfeit des Winterjchlafes zu verharren. Am liebjten bezieht fie alte Gewölbe, Keller, Sajematten, Burgverliefe, Bergmwerfe und Feljen- höhlen, wogegen fie zu Stalfhöhlen Feine befondere Neigung zu Haben fcheint und dieje nur im Notfalle auffucht. Während des Winterjchlafes Hängen die Mopsfledermäufe meijt an den Hinterbeinen mit dem Kopfe nach unten; jedoch mehr an den Seitenwänden als an der Dede, dort mit den Vorderbeinen eine Stübe bildend, die Männchen meijt ganz frei, die Weibchen zurücgezogen in Spalten. Weder in Gemwölben noch in Bergmwerfen oder Höhlen geht Die Mopsfledermaus weit in die Tiefe, wird vielmehr gewöhnlich gleich am Ein- gange, mitunter fo nahe zutage gefunden, daf fie jowohl der Frojt wie das Tageslicht er- reicht. Koch hat fie wiederholt an jochen Orten angetroffen, wo fie, eingejchlojjen von tropf- jteinartigen Eiszapfen, in flachen Vertiefungen der Mauern hing. Bet gelindem Wetter unternimmt jte in ihren Herbergen kürzere Ausflüge und jagt dann namentlich auf Schmetter- linge, die hier ebenfalls überwintern. Sm Sommer jtellt jich die Mopsfledermaus im Freien ein, wenn faum die Dänme- rung begonnen hat, bei quter Witterung ebenjotwohl wie bei Sturm und Regen, fliegt dann meijt an Waldrändern und in Baumgärten, jeltener zwijchen den Gebäuden der Dörfer um- ber und richtet ihre Jagd Hauptjächlich auf Kleine Schmetterlinge. Sie fliegt jehr Hoch und tafch in mannigfaltigen Btegungen und jähen Wendungen, nach Altum durchjchnittlich in einer Höhe von etwa 10 m, bisweilen aber auch weit niedriger, etwa 3 m über dem Boden, zumal wenn fie Gebüjche abjuchen will; in der Stadt hält fie gewöhnlich die Höhe der Dächer inne. Die beiden Jungen kommen ziemlich früh zur Welt, find deshalb auch im Herbit bereit vollftändig ausgewachjen und den Alten ähnlich geworden. Unter unjeren einheimijchen Arten ift die Mopsfledermaus am wenigjten zornig und bijjig, fügt jich am leichteiten in die Gefangenjchaft und hält in ihr, falß man es an einer genügenden Menge lebender Snjekten nicht fehlen läßt, recht leidlich aus. Selbjt alt ein- gefangene gewöhnen jich rajch an den Pfleger, verlieren binnen wenig Tagen alle Scheu und werden biS zu einem gewijjen Grade zahm. Nach Altum find ihr Jagdrevier Baumgärten in der Nähe größerer Gebäude, Fichte Gehölze, Waldränder, Baumgruppen; jie hält fich jedoch wenig ganz im Freien auf, jondern jchwingt fich faft jtets Durch und um zufammenstehende Bäume, ftreift, fich den Zaubmafjen nahe anfchmiegend, die Ränder ab und überrajcht, auf dieje Weije jagend, den Beobachter ebenjo Schnell, als fie wieder verjchwindet. Eine Waldfledermaus im eigentlichen Sinne ift jte nicht, jedoch Durch ihre Waldftreifereien dem Walde namentlich dort nüßlich, two fie, wie 3. D. im Münfterlande, zu den hHäufigeren Arten zählt. Altum ift überhaupt der Meinung, daß fie lange nicht fo felten ift, wie gewöhnlich angegeben wird. Die Hauptgattung der Gruppe bilden die befannten, über die Alte und die Neue Welt weitverbreiteten Ohrenfledermäufe (Plecotus Z. Geoffr.). Auch bei ihnen find die Mopsfledermaus. DOhrenfledermäufe. 449 Ohren über dem Scheitel verwachjen; aber der äußere Nand der Ohrmujschel endet jchon am Mumndwinfel. Der Ohrdedel ift lang und nach der Spibe hin verjchmälert. Die über- mächtige Entwidelung der Ohren und die Gruben auf der Naje, die bei anderen Formen, wie wir gejehen haben, zu den Anfängen der Nafenblätter fich weiterbilden, machen, nach Lhdeffer, die Ohrenfledermäufe und ihre Verwandten zu den höchitgeftellten und meift- 7 | Ä DI IN ZU If! WEN A, MN; Dbrenfledermaus, Plecotus auritus Linn. Natürlide Größe jpezialifierten unter den eigentlichen Fledermäufen. Die Niejengröße der Ohren hängt ‚aller Wahrjicheinlichkeit nach mit der nächtlichen Lebensweije zufammen und dient vermutlich denjelben Ziweden wie die Najenblätter bet ven Qufeijennajen. Die Flügel fennzeichnen fich durch ihre Kürze und Breite, befähigen daher auch nur zu flatterndem und wenig fchnellem luge; der Schwanz kommt der Rumpflänge etwa gleich; da8 Sporenbein trägt feinen nad) außen borjpringenden jeitlichen Sautlappen. Sn jedem Siwifchenfieferafte ftehen oben 2 Borderzähne, im Unterkiefer 6 gejchlojjene Schneidezähne; hierauf folgen jederjeit3 oben Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 29 450 4. Drdnung: Flattertiere. Familie: Ölattnafen. und unten ein ftarfer Echzahn, im Oberfiefer jederjeits 2 einjpigige und dahinter 3_biel- ipibige, im Unterfiefer 3 einfpibige und 3 vieljpibige Badzähne, von denen oben 1, unten 2 als Lückzähne angefehen werden müjjen. Das Gebif bejteht aljo aus 36 Zähnen. Die Ohrenfledermaus, KYangohrige Fledermaus, das Grok- oder Kangohr, Plecotus auritus Zinn. (Xbb., ©. 449 u. Taf. „‚Tlattertiere II’, 3), erreicht bei einer Slug- weite von 24 cm eine Zänge von nur S,4 cm, ipobon über 4 cm auf den Schwanz gerechnet terden müjfen; das Ohr, das außer allem Berhältnis zur Leibeslänge fteht, mißt 3,3 cm, ettva joviel wie der Rumpf. Lange Haare bejeßen das Gejicht bis an den Hinterrand der afenlöcher und rings um die Augen; weißliche Barthaare Hängen an den Seiten bis über den obern Lippenrand abwärts; der übrige Pelz it ziemlich lang, in der Färbung veränder- lich, oberjeit3 graubraun, auf der Unterjeite etivas heller, bei jungen Tieren dunkler als bei alten. Die einzelnen Haare find an der Wurzelhälfte Schmwärzlich, an der Enphälfte Heiler gefärbt. Alle Flughäute find dünn und zart, glatt und nur in der nächiten Umgebung des Körpers jpärlich und äußerft fein behaart, von licht graubrauner Färbung. Das bejonders auffallende Ohr hat 22—24 Querfalten und biegt jtch in regelmäßiger Rundung nach hinten. Der Ohrvedel erreicht nicht ganz die Mitte der Ohrlänge, tft nach der Spite Hin verjchmälert, inerflich nach außen gebogen und, wie das Ohr jelbjt, äußerjt zart und Dünnhäutig. Die langen, zarten Ohren werden während der Tagesruhe forgfältig gefaltet, jeitlich unter Die stughäute gejtect und jo vor Schaden bewahrt. Der allein aufrecht jtehenbleibende Ohr- decdel erwecdt dann den Anjchein, als ob das Tier nur kurze, Schmale Ohren hätte. Die Ihren find verhältnismäßig länger als bei irgendeinem andern Säugetier, und nur weil man die Flughäute zu der eigentlichen Körpergröße unbewußt noch hinzujchlägt, erjcheinen jie nicht geradezu ungeheuerlich und außer allem Verhältnis. Die Ohrenfledermaus ift übertwiegend nächtlich in ihren Gewohnheiten. Denn wenn man fie auch manchmal abends fchon mit der furzohrigen Zwergfledermaus hinter “liegen jagen jieht, jo fommt fie doch getwöhnlich ext ijpät aus ihrem Tagesjchlupfwinfel Herbor und jeßt ihren Flug Durch die ganze Nacht fort. Ste verrät jich Durch ihren Schrei, den man, wenn man ihn einmal fennt, immer von dem aller anderen Arten unterjcheiden Fann. Diejen Schrei hört man aber zu allen Stunden gerade in der Dunfeljten Nacht, mag man num auf freiem Felde, in Wäldern oder Städten danach aushorchen. Eriftjcharf und jchrill, wenn auch nicht laut. Man begegnet der Ohrenfledermaus in ganz Europa, mit Ausnahme derjenigen Länder, die über den 60. Grad nördl. Br. hinaus liegen. Außerdem wurde jte in Kordafrifa, Weitajten und Oftindien beobachtet. Sie ijt nirgends jelten, im nördlichen und im mittleren Deutjchland jogar eine der gewöhnlichen Arten, lebt aber hier jtet3 einzeln, nicht in großen Gejellichaften beifammen. Überall Hält fie ich in nicht allzu großer Entfernung von menfchlichen Woh- nungen auf, jchläft im Sommer auch ebenjooft Hinter Fenfterläden wie in hohlen Bäumen und fommt im Winter ebenjo gern in teller und andere Gewölbe wie in stalfhöhlen und Stol- fen. Sn der Stadt will fie, laut Altum, ftets mit Baummwuchs und Gefträuch beftandene Bläße haben und erjcheint dementiprechend fat ausjchlieglich in Zimmern, die an Gärten jtoßen. In den Berggegenden, am Harz und in den Alpen 3. B., geht fie nicht über den Wald- gürtel hinauf. Jm Sommer fieht man fie an lichten Stellen im Walde, über Waldwege, Baumgärten und Alleen am häufigften fliegen. Selten erhebt fie fich in eine Höhe von 15 ın, in Der Regel fliegt fie weit niedriger, meift mit etwas flatterndem und nicht eben fchnelfem Slattertiere Il. ı u. 2. Große Hufeilennaie, Rhinolophus ferrum -equinum Schreb. l/, nat. Gr., s. S. 441. Douglas English - Hawley, Dartford, phot. Bier 3 RT Sr 3. Ohrenfledermaus, Plecotus auritus Zinn. l/a nat. Gr., s. S. 450 John J. Ward, F. E. S.- Coventry phot 4. Zwergfledermaus, Pipistrellus pipistrellus Schreb. 2/3 nat. Gr., s. S. 454. — Douglas English- Hawley, Dartford, phot. RR x u “2 re PS 5. Abendiegler, Pterygistes noctula Schreb. Nat. Gr., s. S. 457. P. Kothe - Berlin phot. DOhrenfledermaus, 451 Tlügelichlage, obgleich jie einiger Mannigfaltigfeit in der Bewegung fähig ift. „Sie flattert“, jagt Altum, „gern um Obfjtbäume, ähnlich wie nach Nahrung juchende Schwärmer um blüten- reiche Stauden, indem jie oftmals, um Spinnen und fleine Motten zu erhafchen, einen Yugen- blid, wie um fich zu jeßen, im Slatterfluge anhält, um gleich darauf ein ähnliches Spiel zu wiederholen.” An anderer Stelle bringt Altum diejes ‚„Nütteln‘, wie wir e$ von unjeren Naubvögeln, namentlich dem Turmfalfen, fernen, wieder mit dem Ablefen fibender In- jeften, vielleicht Raupen, in Zufammendhang und führt dafür eine bejtimmte Tatjache an. Er erhielt aus einer hohlen Buche zwölf Stüd Ohrenfledermäufe (die größte Anzahl, die er je zujammen angetroffen); auf dem Grunde der Höhle waren die Erfremente, mit Speijerejten vermijcht, angehäuft. Die legteren iwiejen eine große Anzahl Maifäfer auf, aber außer diejen und den Neften von einer Elater-Nrt und Geotrupes silvaticus auch mehrere Naupenföpfe, die Schiwerlich anders als durch unfere Ohrenfledermäufe hineingefommen waren. Deren forjtliche Bedeutung fann man nach jolchen Erfahrungen um jo weniger bezweifeln, als dieje Art in den meiften Gegenden häufig vorfommt. Im Fluge frümmt die Obhren- fledermaus gewöhnlich das riejenmäßige, wegen feiner zahlreichen Querfalten leicht beiveg- liche weiche Ohr nach außen und bogig abwärts, jo daß dann bloß die jpigen, langen Obhr- dedel vorwärts in die Höhe ftehen. Wenn jie hängt, jchlägt jie meijt die Ohren unter die Arme zurüd. Ber ihrem Winterjchlafe hängt jte fich, laut Stoch, meijt frei, jeltener in Nigen eingeflemmt, in der Regel nahe dem Eingange ihrer Herberge an, jcheint aljo ziemlich viel Kälte zu vertragen. Stoch hat jte auf Dem Dillenburger Schlojje jelbit in Gemäuern gefunden, die in der Nähe der Anhaftitellen bereits jeit Wochen mit dieden Ciszapfen befleidet waren. ITroßdem zieht fie fich jchon jehr früh, meijt bereits im Dftober, in ihre Schlupfwinfel zurüd und dehnt ihren Winterichlaf bis gegen den März aus. Ende Juni oder Anfang Juli bringt jie ihre Jungen zur Welt. Wie die meijten übrigen Fledermäufe, mwird diefe Art von Schmarogern verjchtedener rt arg geplagt, außerdem vom Marder und Sltis, einzelnen Tagraubvögeln und den Eulen, dann und wann aud) von Stagen bedroht. Den jchleichenden Raubjäugetieren fällt fie namentlich während des Tages, den Eulen nachts bei ihren Ausflügen zum Opfer, da jie von ven Feineren geiwandten Nachtraubvögeln ohne bejondere Mühe im Fluge ergriffen wird. Hugo Dtto hat beobachtet, wie jie vom platten Boden auffliegt. Sie hob plößlich „das Borverteil hoch, drücte jich mit den Hinterbeinen und dem Hinterteile ab und machte etwa drei jprunghafte Borwärtsbeiwegungen, bei denen jie jo heftig mit den Borverbeinen aufichlug, daß fie in Schwung fam. Dabei erhob jich ihr ganzer Körper hoch in die Luft, daß e3 ihr gelang, die Flughaut zu entfalten und fortzuflattern.‘ Die Ohrenfledermaus hält die Gefangenjchaft länger als die meijten ihrer Verwandten aus, kann in ihr jogar, allerdings nur bei jorgjamfter Blege, mehrere Wonate oder Jahre aus- dauern. Wegen diejer Eigenjchaft wählt man jie gewöhnlich, wenn man Beobachtungen an gefangenen Fledermäufen überhaupt anjtellen will. Man kann jie in gewiljem Grade zähmen. ‚Saber bejaß und beobachtete eine mehrere Wochen lang. Wenn ie Gegenjtänden ausweichen mußte, machte jie einen Bogen, jchwirrte Hurtig auf dem Boden hin und hob jich ohne Schtwierigfeit wieder in die Luft. An den Wänden Kletterte fie mit Hilfe der Daumen jehr geichidt auf und nieder. Bei dem geringjten Geräufch beivegte und jpiste fie die Ohren, mie Pferde es tum, oder Frümmte jie wie Widderhörner, wenn das Geräufch fortdauerte oder jtarf war. Sn der Ruhe legte jie die Ohren ftets zurüd. Sie drehte oft den Kopf, ledte fich mit der Bunge und witterte mit derNtafe. Bei Falter Witterung jaß fie ftill. Sobald die Sonne auf fie 29* 452 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Glattnafen. schien, tourde fie munter und fef in ihrem Käfig hin und her. Der Geruch, den fie von fich gab, war weniger unangenehm als der anderer Arten. Ihre Gefräßigfeit war jehr groß, auch in der Gefangenfchaft. Wenn man Stubenfliegen zu ihr jeßte, machte jte augenblicklich Jagd darauf; zu einer einzigen Mahlzeit bedurfte fie aber 60— 70 diejer injekten. Sie verdaute fajt ebenfo fchnell, wie jie fraß, und füllte, während fie noch mit der Mahlzeit befchäftigt tvar, den Käfig mit ihrem jchiwarzen Unrat. Ihren Raub bemerkte fie nicht durch das Geficht, iondern vermittelt ihres feinen Gehörs und durch den Geruch. Sie wurde, wenn Fliegen in ihrer Nähe fich bewegten, fofort unruhig, ging witternd umber, jpiste und drehte die Ohren, machte halt vor der nächjten Fliege und fuhr dann mit ausgebreiteten Flügeln auf fie los, juchte fie unter ihre Flügel zu bringen und ergriff jte dann mit der nach) abwärts gebogenen Schnauze. War e3 eine jehr große Fliege, jo bog jte den Kopf unter die Bruft, um fie bejjer zu fangen. Sie faute ihre Nahrung leicht und gejchwind und ledte fie mit der Yunge hinein. Beine und Flügel, die fie nicht gern fraß, verjtand fie prächtig auszufcheiden. Auf tote Fliegen ging fie nur dann, wenn jte jehr hungrig war; jobald fich aber ihre Beute beiegte, jtürzte jie rajch darauflos. Nach vollbrachter Mahlzeit jaß fie ruhig und 30g fi zufammen. Auch Liebe, der befannte Begründer des Vereins zum Echuße der Bogelwelt, berichtet eine Erfahrung mit der Ohrenfledermaus, die zunächit zwar etivas befremdet, aber, gejtübt auf den Namen eines fo hervorragenden Beobachters, hier Doc Plab finden möge. Liebes Dhrenfledermaus wollte fich mit der Mehlwurnkoft gar nicht befreunden, nahm „in der Zeit von anderthalb Wochen höchitens drei Xarven“. Da hörte Liebe eines Abends, daß Die Fleinjte jeiner Drofjeln, „eine amerifanifche Zivergdrofjel, geräufchpoll auf Dem Boden des Käftgs hin und her jprang”. Er „beleuchtete das Bauer und jab, dat an dem Vogel... Die Ohren- fledermaus hing. Mit den beiden Daumen hatte das Feine Ungeheuer die beiden Flügel- enden des Vogels feitgepact und lie fich, indem es den Kopf neben dem Schwanz an der Bürzeljeite in den Federn verbarg, im Bauer umberjchleppen”. Nachdem Liebe „das alles hinreichend ficher gejehen“, nahm er die Drofjel Heraus, „trennte mit einiger Gewalt das ichwärzliche Anhängjel ab, und jtehe da, die SSledermaus hatte einige Federn ausgerupft und eine ganz blutige Schnauze”. Noch in feiner Hand „ledte jie Fätjchend jich die Schnauze ab. Dem Vogel hatte jie auf der Seite dicht nor dem Schivanz ein vollfommen Freisrumdeg, 2 mm im Durchmeifer haltendes Stüd Haut herausgebijien, jedenfalls nur mit den Schneide- zähnen, und hatte jo viel Blut weggelect (oder meggejogen?), daß die arme Drofjel, obwohl ein gejunvdes, Fräftiges Tier, ganz matt war und noch am andern Tage einen ganz blajjen Nachen hatte.” Liebe Fnüpft an diefe Beobachtung die berechtigte Frage: „War Das Die ganz zufällige Ausschreitung eines einzelnen Jndividuums, oder fommt dergleichen — wenn auch vielleicht nur bei Hunger — überhaupt bei Plecotus auritus leichter vor oder etiwa auch bei anderen Glattnajen Mitteleuropas?” Bet der, wie Liebe jich ausdrückt, „Talt Eunjtgerechten rt und Weife, wie der Plecotus den jopielmal größeren Bogel bei den Flügelenden gepadt und wehrlos gemacht hatte, möchte er an den le&teren Fall glauben. Dann aber wäre gelegent- liches Blutfaugen eine Eigentümlichkeit ... aller Fledermäufe überhaupt.“ Voltersdorff vom Magdeburger Mufeum erhielt eine lebende Ohrenfledermaus in der Linterichlafzeit, Anfang Dezember. Am dritten Tage begann fie zu frefjen und verzehrte dann täglich wenigiteng 20 Mehlwinmer, d. h. in den drei Monaten ihres Gefangenlebens 1500 Stüd. Bejtes gejchabtes Nindfleifch verjchmähte fie. Begreiflicherweije bezeichnet Woltersdorff es als auffallend, „daß fie am heffen Tage, unter Mittag, Nahrung zu fich nahm und mit Mehlwürmern fich begnügte, während doch die meiften Fledermäufe, und DOhrenfledermaus. Zmwergfledermäufe. 453 gerade die Ohrenfledermaus, im Freien borzugsweife auf fliegendes Getier angetiefen find“. Wirhaben jedoch oben an Altum3 Beobachtung gejehen, da die Ohrenfledermaus auhRaupen zu jajjen verjteht, und Mehlwürmer find jchlieglich eine Delikatefje für alle Snjektenfreifer. sn England find, nach Lhdeffer, die Lieblingspläge der Ohrenfledermaus Küirchtiime und die Dachiparren offener Schuppen und Nebengebäude. Dort hängt fie im Sommer, zu diden Slumpen zufammengeballt, im Winter, jorgfältig verftect, in folchen Spalten und Winfeln, die den beiten Schuß gewähren. In einem Feljengrab der Libyjchen Wüfte be- . gegnete Leit) Adams einem jo großen Schtwarme, daß er beim Hinabfteigen vollftändig von den Tieren bedect war, während Hunderte noch um ihn herumflatterten wie die Bienen. Die Ohrenfledermaus it diejelbe Art, von der ich oben (S. 440/41) berichtete, daß fie, außer von ihren jchmarogenden Läufen, Spinnentieren und Milben, auch noch von Blut- jaugern ihres eignen Gejchlechtes angefallen wird und dann diefe aus Rache frißt. Zur zweiten Gruppe (Vespertilioneae) gehört die Hauptmajje der ganzen Familie (10 Gattungen und Untergattungen mit 90 Arten) und zugleich die wichtigjten heimifchen Sledermäufe. Bet ihnen öffnet jich die Naje glatt und einfach durch Halbmondförmige oder freisrumde Löcher an der Spiße der Schnauze; die Ohren find mäßig groß; im Geficht fehlen die Gruben. Um uns hier nicht allzu weit in das Gewirr der neueften Haupt- und Unter- gattungen zu verlieren, halten wir an der älteren Gattung Vesperugo von Keyjerling und Blajius (Vespertilio Zinn.) fejt in dem Sinne, daß wir damit die häufigjten und be- fanntejten ledermausarten unjer3 Vaterlandes umfaffen. Bet ihnen läuft der Außen- tand des Dhres noch bis zum Mumdsivinfel und fommt dadurch dem Befunde bei den Ohrenfledermäujen noch näher. Die Unterjcheidung der Gattungen und Arten hat man wejentlich auf gewijje Wer- hältnifje des Gebifjes und inochengerüftes (Lüczähne, Nabenjchnabelbein) gegründet; neuere Unterjuchungen find aber geeignet, das Zutrauen zu diefen Merfmalen einigermaßen zu erichüttern. So hat Dr. Augufta Irnbäd-Ehriftie-Linde bei ihren vergleichenden Studien „einige Fälle gefunden, in denen jich der Übergang von Art zu Art durch einzelne Stücke veutlich ausjpricht: der Befund ihrer Lüdzähne zeigt Far die Verbindung zwifchen Formen, die man zu verschiedenen Gattungen zählt, und gibt uns einen Begriff von der Entjtehung diejer Formen”. Des Näheren behandelt Anbäc-Ehriftie-Linde in diefem Sinne dann die beiden auch bet uns jehr häufigen Gattungen Ziwergfledermaus (Pipistrellus) und Mäufe- ohr (Myotis) und weijt mit Hilfe je einer Urt (P. annecteus und M. nigricans) nach, wie die Bahn- und Sfelettmerfmale beider Gattungen fich mijchen. Die Heinjten Mitglieder der Familie faßt man zu der Untergattung der Bujchjegler oder Ziwergfledermäufe (Pipistrellus Kaup) zufammen. Sie bilden eine weit über die Erde verbreitete, auch in zahlreichen ausländischen, noch wenig befannten Arten vor- fommende Gruppe und fennzeichnen fich durch das Gebiß, jchlanfen Flügelbau, der jchnelle und mannigfaltige Flugbewegungen von großer Ausdauer zuläßt, jorwie durch Eigenheiten des Dhrbaues. Das aus 34 Zähnen zufammengejegte Gebiß hat wie bei anderen Ber- wandten 4 durch eine Lüde getrennte Schneidezähne im Oberfiefer, 6 Vorderzähne im Unterkiefer, 1 Edzahn, 1 Lüczahn und 4 Badzähne in jedem tiefer oben und unten. Der Ohrdedel ijt nach oben verjchmälert, mit der Spite nach innen gerichtet und erreicht jeine größte Breite in der Mitte. Der Schwanz wird von der Flughaut umjchlofjen. 454 4. Ordnung: Slattertiere. Familie: Glattnajen. Das Heinjte Mitglied der Gruppe, das Heinjte europätfche Tlattertier überhaupt, ift die Smwergfledermaus, Pipistrellus pipistrellus Schreb. (Taf. ‚‚lattextiere IT”, 4, bei ©. 451). Ihre Gejamtlänge beträgt nur 6,7 em, mwobon der Schtvanz 3,1 cm wegnimmt; die Flügel Haftern 17—18 em. Der in der Färbung wechjelnde Pelz ift oben gelblich roftbraun, auf der Uinterjeite mehr gelblichbraun, das zweifarbige Haar an der Wurzel dunfler, an der Spibe jchlbräunlich. Die diehäutigen Ohr- und Flughäute Haben dunfel braunjchwarze Färbung. Die Zivergfledermaus bewohnt fajt ganz Europa und den größten Teil von Noxd- und Mittelajien; ihr Verbreitungsgebiet reicht von Sfandinavien und Spanien bis Japan. Sr ERS TRN all. on I di EHE "N [ N Hi MN all url ji) Ami. } Hull) 1} ? = zu) Smwergfiledermaus, Pipistrellus pipistrellus Schreb. Natürlihe Größe. Nubland und Skandinavien findet man fie, laut Blafius, faft bis zum 60. Grad nördl. Br. ‚sn England, Frankreich, Deutjchland, Ungarn, Spanien, Sizilien und Griechenland jcheint jie nirgends zu fehlen, am häufigjten aber doch in Mitteleuropa, bejonders in Deutjchland, aufzutreten, da fie hier als die gemeinste Art betrachtet wird. Jr Berggegenden jteigt jte bis zur obern Grenze des Waldgürtels, in den Alpen ettva bis zu 2000 m Gebirgshöhe empor. Selbit auf vielen dem Feftlande benachbarten Infeln fehlt fie nicht. In Deutfchland gibt es teine Stadt, Fein Dorf, ja faft fein Hofqut, auf dem man fie nicht anträfe. Während der Tages- ruhe findet man fie in Schlupfiwinfeln unter Dächern, in Mauer- und Balfenrigen, Gemwölben, in Baumlöchern, unter der Rinde alter Bäume oder unter Holzgetäfel, Bildern ufw., jelbft in den Aiten Dichtbelaubter Bäume, Efeuranfen und an ähnlichen Orten. Im Schloffe zu Weil- burg jißt fie, laut Stoch, immer in den gläfernen Laternen der Gänge, entweder einzeln oder in Gruppen; in alten Eichen friecht fie zuweilen in die Bohrlöcher der Hirfchfäferlarven Zwergfledermaus. 459 und großen Bodfäfer: furz, jede ihr irgendwie Zuflucht gewährende Stelle wird bon ihr ausgenußt. Für den Winter tie zur jommerlichen Ruhe jucht fie jich ähnliche Oxtlichkeiten, ist auch hierbei nicht gerade wählerisch, da jte bejjer als alle übrigen Verwandten der Unbill der Witterung mwiderjteht. Später als jämtliche deutjche Fledermäufe zieht fie jich in ihre Schlupfiwinfel zurüd, und früher als jeve verwandte Art erjcheint jie wieder im Freien, verläßt ihre Schlafftätten jogar jehr oft im Winter und treibt jich dann jagend nicht allein in gefchüßten Räumen, fondern auch im Freien umber. Sehr anjprechend und für Tierlieb- haber nachahmensmwert erzählt Dazu der berühmte Geraer Bogelwirt Liebe („Zoologtjcher Garten“, 1881): „Wenn fie zeitig im Frühjahr, Durch einen außergewöhnlich warmen Tag und Abend ermuntert, in meinem Hof umberflogen, warfen wir ihnen öfter Mehlwürmer hoch in die Luft und jahen, wie die Hungrigen Tiere diejen nach}logen, jie fingen, — ja jogar vom Boden aufnahmen, wenn jte zu jpät nachflogen. uch in der Gefangenjchaft fann man die Jwergfledermäufe mit Mehlwiirmern erhalten; an größeren fauen je auffällig lange, ohne jie aber dabei aus dem Maul zu verlieren.” Unter allen Umjtänden gejellig, ichart jich die Zwergfledermaus während des Winterjchlafes oft zu mehreren Hunderten bis Taufenden, die große Stlumpen bilden, vereinigt jich auch wohl mit Verwandten, gleich- viel, ob Ddieje ebenjo jtarf oder ftärfer jind als fie. Huch nach Altum ift jie „die häufigjte Art” und, „obgleich dem tiefen oder dem dicht- beitandenen Walde nicht angehörend, doch ein jehr nügliches Forfttier und Berbindeter des Dbjtgärtners. Soviel man bei dem äußert unfteten Fluge diejes winzigen 7Slattertieres be- obachten kann, erhajcht fie im Garten vorzugsweife feine Falter, Wider und Motten; zwijchen den Gebäuden, namentlich auf Gehöften, in Ställen, auf Böden, wo jte unermitolich ab und zu, aus und ein fliegt, dezimiert fie zumeift die für Menjchen wie Vieh läftigen Ziweiflügler.” Se nach der Jahreszeit fommt die Zivergjledermaus früher oder jpäter in ihrem Jagd- gebiete zum Vorjcheine. Altum hat hierüber ausführliche Beobachtungen angeftellt und ver- jichert, da ihre Pünktlichkeit im Erjcheinen den Fluganfang bei gleich günjtiger Witterung faft nach Minuten fich bejtimmen läßt. An hellen, mehr oder minder gleichmäßig warmen Abenden beginint der Flug unferer Fledermaus am 20. Januar um 4 Uhr 30 Minuten | am 11. Juli um 9 Uhr 15 Minuten = 20, Februar. = 3% = - 15 - | - 20. =» -8- 8 - 3. März = Du. = 45 - | - 15. Auguft = 8 2 - Da = 6 = a0 | - 2. September - 7 25 - 17. April Te ee | - 20. - - 6 45 29. Mai - 8 25 - | - 10. Oftober - 6 —_ 6. Juni ae N | 1. November 5 _ 25. = Our - 22. = 4 25 - „&3 ift jelbftverjtändlich”, bemerft der Beobachter hierzu, „dal die Witterung wohl nur jelten an den Abenden in den verjchiedenen Jahreszeiten ganz gleichmäßig ift, ebenfo, daß ich nicht behaupten Fann, ftet3 die erjterwachte Fledermaus gejehen zu haben. m all- gemeinen jind jedoch meine Angaben, welche ich mit der Uhr in der Hand an Drt und Stelle niedergejchrieben habe, richtig, die meijten genau.” Der Flug der Zwergfledermaus zeichnet fich durch große Gewandtheit aus, erjcheint jedoch der geringen Größe des Tieres entjprechend, wie Altum pafjend jich ausdrückt, Elein- fich-behende. Die Höhe ihres Fluges ift nach Angabe diejes Beobachters jehr verjchieden. Sie jagt vorübergehend niedrig über dem Wafjerjpiegel Heiner Teiche umher, Hujcht häufiger zwijchen den Stämmen von Baumgruppen hindurch und flattert, namentlich an heiteren 456 4. Ordnung: Ylattertiere. Familie: Glattnajen. Abenden, in einer Höhe von 15—20 m. n der Stadt, too fie jehr zahlreich auftritt, Hält fie meijt die Höhe des zweiten Stocdwerfs inne. Auf den Straßen fliegt fie nicht eine größere Streefe in der Mitte, fondern vorzugswetje nahe bei den Gebäuden auf und nieder, jchwirrt aber nicht über die höheren Dächer Hintveg. Auf dem Lande ift jie bei jedem Gehöfte oder doch nicht weit Davon entfernt anzutreffen. mn den Hofräumen der Landgüter treibt jie fich ftetS umher und fucht die Winfel und Eden der Gebäude, Jnnenräume der ofjenen Böden und Stallungen planmäßig ab. Gern fliegt jte auch in offene, exleuchtete Zimmer, und unter Umftänden können fich hier binnen wenigen Minuten 20—30 Stüd jammeln. Niemals aber begibt fie jich in niedrige und Heine Stuben, jondern ftetS nur in größere Säle und dergleichen. Dagegen vermeidet fie baumlofe, freie Pläße oder zieht doch nur voriibergehend über diefe weg. — Die Frage: „Kann die Zrwergfledermaus bon ebener Erde auffliegen?” beantwortet der hejjische Beobachter Wilhelm Schufter mit: „Ja, eben- fogut twie jede gefunde Turmfchwalbe. Sch Tieß eine Fledermaus am hellen Tage in meinem immer fliegen. Wenn fie fi) auf den Fußboden gejeßt hatte, jchnellte fie fich mit einem leichten Aud in die Höhe und flog mit gebreiteten Flügeln fort... Sch habe beobachtet, daß; fich die Fledermaus oft mit den beiden Vorderkralfen zuerjt an den obern Nand einer Schranf- oder Stubentüre aufhängt, und daß fie fich dann, wenn jte länger hängen bleiben will, umfchtwippt (alfo, jich umdrehend, einen Augenblic frei in der Luft jchtvebt) und an den hinteren Krallen aufhängt.” Die Begattung, die Koch an gefangenen beobachtete, gejchieht in der oben (©. 387) geichilderten Weife unter merklicher Teitnahmlofigfeit der jonjt noch gegenwärtigen Männ- chen. Im Mat bringt die Zwergfledermaus zivei, jeltener nur ein einziges Junges zur Welt; Ende Juni oder im Juli fieht man die hon wohlentwidelten stinderchen vereint mit ihren Müttern fliegen und fann fie, auch abgejehen von der Größe, noch jehr wohl von den Alten uiterfcheiden. Während dieje fich in den mannigfaltigften, gerwandterten Nen- dungen tummeln, flattern die Jungen, laut Altum, mit fchnurrendem, raufchendem, aber wenig fürderndem Flügelfchlage in mehr oder weniger gerader Nichtung fort, jo daß ihr Flug eine auffallende hnlichfeit mit dem eines Tagjchmetterlings erhält. Bivergfledermäufe dauern in der Gefangenschaft ziemlich gut aus, nehmen Milch an, fangen die ihnen borgemworfenen lebenden Snfekten und finden fich nach und nach darein, auch getötete, ja jelbft vohes und gefochtes Fleifch zu genießen. „Wir haben“, erzählt Koch, „einmal eine große Anzahl ziemlich am Ende des Winterjchlafes in einen befonders dazu hergerichteten Behälter gejeßt und auf die angegebene Weije gefüttert. Jım Anfange war die Sterblichkeit unter ihnen fehr groß; diejenigen aber, welche die erjte Zeit überlebt hatten, hielten jpäter lange und gut aus, bis wir unfern Zived erreicht hatten und fie wieder in Freiheit fegen konnten. In jenem Behälter hatten wir eine SZiviichenwand von engem Drahtgeflechte angebracht, um die Gefchlechter getrennt zu halten. Dieje wurde zur Zeit, in welcher wir die Tiere durch einen hellen Glasdedel beobachteten, gehoben, danach tieder niedergelaffen und die Gefchlechter von neuem getrennt. ES währte über drei Wochen, ehe e3 uns gelang, eine Begattung wahrzunehmen. Endlich beobachteten wir fie bei zivei verjchiedenen Paaren an zwei aufeinanderfolgenden Abenden. Die begatteten Weibchen trennten wir von der übrigen Gefellfchaft, um den weitern Verlauf der Tragzeit zu beob- achten; beide aber ftarben leider fchon nach wenigen Tagen.“ Mehr als andere Flattertiere wird die Zivergfledermaus von allerlei Feinden bedroht. Man findet ihre Schädelrefte in den Getwöllen verfchiedener Naubvögel; nach Koch ift es Bwergfledermaus. Abendfegler. 457 namentlich der Turmfalfe, der ihr nachjtellt und fie jeder andern Nahrung vorzuziehen jcheint. Auch Marder, Jlti3 und beive Wiejel nehmen manche weg, und jelbit die Mäufe arbeiten fich im Winter zu den Aufenthaltsorten unferer Flattertiere dDucch und reifen jte auf. Der „jchrec- fichjte ver Schreden” für das in hohem Grade nüßliche Tier, das in unmittelbarer Nähe unjerer Wohnungen unter den fo Schädlichen Motten, den Stechiliegen und anderen läftigen Snjeften aufräumt, it leider „der Menjch in jeinem Wahn“, der ungebildete, rohe, teil- nahmloje Nichtfenner jeiner beiten Freunde, der aus Unverftand und Mutwillen die nied- lichen, Harmlojen und wohltätigen Gefchöpfe oft zu Hunderten freventlich umbringt. Bon den Bufchjeglern unterjcheivet jich die Untergattung der Waldfledermäufe oder Waldjegler (Pterygistes Kaup, Vesperugo) nur durch untergeordnete Merfmale. Das Gebiß beider jtimmt vollfommen überein; der Ohrdedel der Waldfledermäufe aber ift nach oben verbreitert und erreicht feine größte Breite über der Mitte. Die Flughäute find unterfeits längs des ganzen Armes und um die Wurzel des fünften Fingers dicht behaart, während jich bei den Ziwvergfledermäufen nur in der Nähe des Numpfes eine Schwache Behaarung zeigt. AS Vertreter diefer Gruppe gilt der Ubendjegler, die Krühfliegende oder Wald- fledermaus, Pterygistes noctula Schreb. (Wbb., ©. 458 u. Taf. ‚„‚Slattertiere II”, 5, bei ©. 451), eine der größten europätjchen Arten, von 11cm Leibeslänge, wovon fajt 4em auf den Schwanz zu rechnen find, und 37 cm Ylugweite, oben und unten mit einfarbigen, gleich- mäßig rötlichbraunen, in der Jugend trübfarbigen Haaren befleidet, auf den diclhäutigen Ohren und Flughäuten dunkel fchwärzlichhraun gefärbt. Der Abendjegler fommt von Norddeutjchland und England an in ganz Europa vor, findet jich jelbjt im nordöftlichen, ja jogar im jüdlichen Ajten, verbreitet jich aljo über einen großen Teil der Alten Welt, liebt aber mehr das Flachland und weite Täler als bergige, hochgelegene Gegenden und tritt daher innerhalb feines Verbreitungsgebtetes nur jtellen- mweije in größerer Häufigkeit auf. Zur vorübergehenden Tagesruhe verbirgt er jich, laut Koch, am kiebjten in Baumrigen, Spechtlöchern, Ställen, nicht betretenen Waldhäuschen ufw.; , liegen die Heinen Schlupfwinfel im Innern Hohler Bäume, jo erfennt man jte daran, daß der Eingang glatt und fettig ift und einen eigentümlich unangenehmen Geruch bemerkbar werden läßt. hnliche Aufenthaltsorte wählen unfere Fledermäufe auch zu ihrem Winter- ichlafe, ziehen fich jedoch für diefe Zeit, falls te nicht eine wirkliche Wanderjchaft antreten, ebenfo nach Gebäuden, namentlich Kirchenböden, alten, unbewohnten Schlöfjern und der- ‚gleichen Orten, zurüd, wo fie dann oft zu Hunderten in dien Klumpen dachziegelartig auf- einander hängen. Stolenati beobachtete, daß die Ubendjegler an der Donau zu Taujenden mwejttvärts zogen. Altum, der den Fledermäufen ein gut Teil jeiner genauen Beobachtungs- arbeit geividmet hat, jah bei trüben, gewitterjchtvülem Wetter mit den Turmjeglern und Schtwalben auch die Frühfliegende Fledermaus ihren Flug tief zur Erde herabjenfen, und gemeinfam mit feinem Freunde Bachofen v. Echt hat er fie gegen Herbjt bei Nukdorf Hoch in der freien Luft und fern von jedem Walde in größeren Gejellichaften jagend nach einer be- ftimmten Richtung Hin verjchtwinden fehen, unter Umständen, die den Gedanken an einen Wanderflug nahelegten. „Vorher jah man feine, nachher traten feine wieder auf; jte find verjchtwunden, abgereijt.” Cbenjo fehidert Altum, wie Frühfltegende Flevdermäuje im Frühjahr „in gegenfeitigem mäßigen Abftande in gleicher Flugrichtung von Süden nad) Norden längs eines Waldiweges im hohen Bejtande etiva 15 m Hoch” fliegend gejehen worden find, „ohne daß auch nur ein Individuum eine feitliche Schwenfung gemacht hätte oder gar 458 4. Ordnung: Slattertiere. Familie: Glattnafen. zurücgefehrt wäre”. Doch läßt er es Dahingeftellt, „ob ein gejellichaftlicher niedriger Flug im Frühling nach einer bejtimmten Himmelsrichtung als Nückreife zur Heimat oder als ein Sagen zum Yiwede der Begattung anzujehen ift“. Auch die Gebrüder Müller haben in der Wetterau bei hellem Tage „wiederholt jolches Ziehen“ beobachtet, und regelmäßig fahen fie „einige diejer Tiere an der Eifenbahnftation Lollar bei Gießen jagen”, die „aus den alten Eichen des Strofdorfer Forjtes und des angrenzenden Wißmarer Gemeindewaldes, min- dejtensg 4—D km don Ihrem Sagpdrevier entlegen”, herfamen. TE 2 GG ; G LANA N NN N N INN KANN) NN NN NNLÄNTNRUN) N) Abendfjegler, Pterygistes noctula Schreb. Natürlihe Größe, Koc) fügt dem hinzu, daß Dieje Fledermaus in den gebirgigen Teilen Süddeutjchlands im Herbjte zu verjchtwinden und erjt gegen die Mitte des Sommers dahin zurücdzufonmen pflegt. „sm Winter haben wir den Abendjegler niemals beobachtet, obgleich wir fett Jahren uns genau mit Hilfe der Köhler und Holzfäller nach ihm umgejehen haben, während im Sult und Auguft diefe an ihrem Fluge leicht fenntliche Fledermaus in den gleichen Gegenden feine jeltene Erjceheinung ift.” An anderen Orten Deutjchlands aber und jelbjt im Norden hat man jie während des Winters gefunden. Sie jchart fich um diefe Zeit mehr oder weniger majjenhaft zufammen, vereinigt jich auch mit verwandten Arten, obiwohl gerade fie feineg- wegs verträglich tft. Der Winterjchlaf beginnt ziemlich früh und dauert ununterbrochen fort dis |pät in das Frühjahr, eine Erfcheinung, die mit dem gegen Kälte und rauhe Witterung jonft jo unempfindlichen Wefen des Abendjeglers in einem gewilfen Widerjpruche fteht. Auch die Fortpflanzung fällt in die jpäteren Frühlingsmonate; die beiden Jungen, die das Weibchen wirft, lafjen fich daher auch noch bei Beginn des Winterichlafes Teicht von Abenpdjegler. 459 den Alten unterjcheiden. Nach Lydeffer hält die Frühfliegende Fledermaus in Siffum und Nepal im Himalajagebiete feinen Winterjchlaf. Unter allen einheimijchen Fledermäufen ijt die Abendfledermaus die Fräftigite; jie fliegt am höchjten und fommt abends am erjten zum Borjchein. Nicht jelten jieht man fie jchon einige Stunden vor Sonnenuntergang und, falls man fo jagen darf, oft genug im Stampfe mit Naubvögeln. Durch ihre jchnellen Wendungen weiß jie aber faft allen Angriffen jehr gejchickt zu entgehen; nicht einmal der behende Baumfalfe (Falco subbuteo), der doch jogar die Schtwalben fängt, vermag ihr beizufommen. Überhaupt wird fie von Feinden weniger heimgejucht als ihre Verwandten; doch fand man im Gemwölle der Schleiereule auch ihren Schädel vor. Verderblicher als lebendes Getier wird ihr der Winter: Altınm verjichert, daß er jie häufiger al3 alle anderen Arten erfroren gefunden habe. Man darf unter allen Fleder- mäufen jte die geivandtejte nennen. „Mit rajchen, falt zitternden Flügelichlägen”, jagt Altum, „umjchtoirrt fie geradezu unheimlich jchnell die höchiten Baummipfel, bald hierhin, bald dort- hin jich Schtwenfend, bald in größeren Zicdzadlinten ein njekt verfolgend, bald ohne Flügelichlag mehrere Fuß weit fortjchiegend, bald wie im Gaufeljpiele gleichfalls um einige Fuß jich herab- jtürzend, um jofort wieder mit dem augenblicklich unterbrochenen Fluge fortzufahren.” hre Nahrung bejteht in den verjchiedenjten Jnjeften, und auch fie zählt zu den nüßlichjten unjerer Säugetiere. Nac) Bell ift die Frühfliegende Fledermaus Hauptjächlich dem Fangen und ZJer- malmen bon Släfern angepaßt. Die breite Schnauze und die jtarfen Stiefer erjcheinen ganz dazu angetan, mit den harten Flügeldeden großer Stäfer fertig zu werden, tie jte z. ®. der Maifäfer hat, und die Schwingen haben vollauf die nöttge Straft zur Verfolgung. An jchönen Mittiommerabenden, wenn die Maifäfer fliegen und man ihr: Schwirren überall hört, ift unjere Frühfliegerin in ihrem Clement. Hoc und gerade fliegt jie dahin, und man hört ihre fchrilfe, aber Hlare Stimme über jich: jeßt jchwenft fie ab, um auf eine Beute loszufchießen, dann jest fie ihren Flug fort. Man wird aber ihre Bewegungen nicht lange beobachten fünnen, ohne ein Manöver zu bemerfen, das auf den erjten Blid ausjieht wie das Purzeln einer Tümmlertaube; bei genauerem Zufehen ermweilt e3 jich jedoch als ein einfaches Schließen der Flügel und darauffolgendes Fallen um etiva einen Zub. Manchmal wiederholt das Tier dies alle paar Meter, jolange es in Sicht if. Das gejchteht beim Fange großer, unhandlicher Beute: um dieje jejtzuhalten, wird das vordere Flügelgelent mit dem Daumen zu Hilfe genommen, bis jie glücklich zerfaut ift. Zu anderen geiten ift der Lebensunterhalt nicht jo leicht zu erwerben. Bei faltem Dfttoind oder überhaupt icharfem Wind twird das Jagdrevier gewvechjelt, und man jieht den Abenpdjegler in gejchüßten, warmen Eden einen niedrigen, ftetigen Flug nehmen. Dort flattert ev mit halbgejchlofjenen Schwingen und jcheint jo wenig zu Haufe, fieht fich jelbjt jo wenig ähnlich, daß man ihn für eine ganz andere, unbefannte Art halten fann. Altum nennt die Frühfliegerin „ein Charaktertier des alten Waldes; Jagdrevier der Wa, in der Gipfelhöhe der ftärften Bäume und über diejer, auch am Waldrande, auf Waldblögen... Als Waldtier ift fie bei ihrer Größe und Frehgier jorwie bei ihrer dort, two noch ausgedehnte, alte Wälder bejtehen, bedeutenden Jndivivuenmenge von allen Fledermäujen die forftlich wichtigfte Art. Sie verzehrt 30 Maikäfer jchnell nacheinander, ohne gejättigt zu jein, vertilgt eine ungeheure Menge des Eichentwidlers, des Prozejjionsipinners und anderer ihädlicher Waldinfeften. Ihr Magen ift im Frühling mit zerfauten weichen njektenteilen, namentlich mit dem Fettförper der Injekten, nebit jtark zerkleinerten Banzerfragmenten jo iehr angefüllt, daß auf ihn faft ein Drittel des Gewichtes de3 ganzen Tieres fommt. ji 460 4. Dronung: FSlattertiere. Yamilie: Glattnafen. der bedeutenden Höhe, worin fie jagt, wirfen am Tage nur jehr wenige unferer feinen, Snjekten freffenden Vögel, die beiden Fleinen Laubjänger und die Blaumeijfe, und aud) diefe mehr vorübergehend.” Die Nauharmige Fledermaus, Pterygistes leisleri Kuhl, bezeichnet Altum als „in jeder Hinficht die Heimere Ausgabe der vorhergehenden Art; aber noch entjchiedener ein Charaftertier des Laubhoßgwaldes: faft jtet3 an den diütfteren, ausgedehnten Wald gebunden. Sn Keineren Wäldern wird man vergeblich nach ihr jpähen.” Altum Hat fie nur im füdlichen Bejtfalen und im Harz bei der Roßtrappe beobachtet. „Ste jcheint vorzugsiweije Gebirgs- tier und ihr Verbreitungsbezirk dag mittlere Europa zu fein.” &3 ift eine der jelteneren ‚sledermausarten, deren unjer Vaterland eine ganze Anzahl beherbergt. Die rötlichbraunen Haarjpisen unterjcheiden fie neben der geringeren Größe vom gewöhnlichen Abenpjegler; die äußert jchmalen, langen Schwalbenflügel hat jte aber mit ihm gemein. hren deutfchen Namen führt fie von einem breiten Streifen feiner, furzer Haare, der auf der Unterfeite der Slughäute über den Unterarm bi zum Handgelenf verläuft; denjelben Streifen hat aber auch der Abendfegler. Dagegen lafjen jich beive durch die Form der Schneidezähne mit Sicherheit unterjcheiden. Englische Beobachter, die überhaupt den Fledermäufen eine gewijje Vorliebe entgegenbringen, finden auch Unterjchtede in der Art und Weije des ASluges. Während die gewöhnliche Frühfliegende Fledermaus ihren regelmäßigen Flug macht, Abend für Abend faft auf demjelben led, jteht man Leislers Fledermaus im Gegen- ja dazu auf einmal erjcheinen, vielleicht für wenige Minuten nur, und verliert fie dann wieder aus dem Geficht. - Sie jcheint Feine bejtimmte Höhe bei ihrem Fluge einzuhalten und ebenjomwenig eine bejtimmte Runde zu machen. Bet [chönem Wetter kommt fie in einer Art Ziczadflug an, offenbar im unflaren, wohin fie will; gewöhnlich, obwohl nicht immer, bleibt fie in beträchtlicher Höhe und ift in wenigen Minuten wieder verjchtvunden. Unjere Spätfliegende Fledermaus, Eptesicus serotinus Schreb. (Vespertilio), jtelft Altum neben die Ziwergfledermaus auf Grund ähnlichen allgemeinen Ausjehens, namentlich ähnlicher Kopf-, Ohrmuschel- und Ohwdedelbildung; allerdings ift fie faft Doppelt jo groß und heller gefärbt: oben rauchbraun, unten fahl gelblichbraun, Unterrüden mit oft jehr Schwachen, gelblichen Haarjpiten. Heute rechnet man jte zu Der Untergattung Eptesicus, deren Arten und Unterarten fowohl in der Alten wie in der Neuen Welt leben. . Unjere deutjche Urt jelbjt fommt nicht nur in Europa, Mien und Nordafrika, fondern auch, nac) Trouejjart, angeblich noch in Mittelamerifa, auf den Antillen, vor. „Sn Gebirgen geht jie in Deutjchland nicht bis zu bedeutenden Höhen hinauf; am Harz fommt jte faum bis 2000 Fuß, in den füdlichen Alpen faum bis gegen 4000 Fuß Gebirgshöhe vor.” Die Gebrier Müller meinen, der Größe nach fünne die Spätfliegende Fledermaus „von ungeübtern Augen mit der Frühfliegenden vermwechjelt werden. &3 unterjcheiden fie von diejen aber ihre breiteren, nicht fo langen Flügel.” Sonft kennzeichnen auch diefe füddeutjchen Beobachter fie al3 „eine riefige Ausgabe der fchon bejchriebenen Zmwergfledermaus”. hr Leben und Wefen hat wiederum Altum, der Haffische Biolog unferer heimijchen Sledermäufe, vortrefflich gefcehildert. Danach verdient fie ihren Namen doppelt, weil fie jowohl jpät im Jahre (Ducchfchnittlich zu Anfang Mat) als jpät am Abend (genau eine Vierteljtunde nach der Zwergfledermaus) zum Borjchein fommt. Ihr Flug zeigt weniger Gewandtheit, nicht jene fchnellen Ziekzac- und Anitterwendungen, ift jedoch feineswegs Rauharmige und Spätfliegende Fledermaus. Umberfledermaus, 461 matt und fchwerfällig, fondern unter immerhin noch gejchieten Seitenwendungen ziemlich) ichnell. Die Jagdhöhe ift etwa 10—15 m, an gewitterwarmen Abenden bei bezogenent Himmel ungewöhnlich niedrig, etwa 3—5 m. Sie ift feine von den Fledermäufen, die beim Hin- und Herfliegen alle Augenblide den Beobachter pafjieren; fondern man fann auf ihr Wiedererjcheinen zumeilen lange, ja wohl mal vergebens warten. Ihre Sagdreviere find itetS ziemlich ausgedehnt, und zu ihnen jieht man fie in bedeutender Höhe (20—30 m) auf ihrem Wechjel geradeswegs Durch die Luft ziehen. Beim Jagdflug in der Stadt vermeidet jie Kleine, enge, frumme Gafjen und Winkel, wählt vielmehr die Mitte breiter Straßen und wechjelt, indem fie die Dächer überfliegt. Jr großen Städten, auf freien, mit ftarfen Bäumen beftandenen Pläßen, in Gärten jowie in der Nähe großer Landgüter trifft man jie Häufig an. Gern reviert fie auch die Waldränder ab. Sie liebt jtetS weiten Ylugraum, nähert fich jedoch alle Augenblide den Baumfronen, um größere njeften zu ergreifen, ichwenft bei den Bäumen vorüber, um fich wieder ing freie Luftfeld zu begeben, und jo fort. Dieje ihre Jagdmanier ift außerordentlich hHübjch an warmen, maifäferreichen Frühlings- abenden zu beobachten, da man dann nicht bloß die Jägerin, fondern auch die große Beute leicht wahrnehmen fann. Dieje verzehrt fie in der bei “Fledermäufen vielbeltebten Art, „inden fie in ganz ruhigem Flatterfluge einen Kreis von 20-35 Schritt im Durchmejjer beichreibt. Die größeren, unverdaulichen Stitde, al3 Flügeldeden, Flügel, jieht man fort- während herabfallen und hört deutlich das Gefnad und Gefnijter des harten njeften- panzer3 unter ihren fcharfen und zadigen Zähnen.” Was jte auferhalb ver Matfäferzeit verzehrt, weis Altum nicht anzugeben; er betrachtet fie aber ohne Zweifel als ein forftlich jehr nüßliches Tier, zumal fie zu den häufigften Arten zählt. „Ulle großen Fledermäufe, die man de3 Abends an den bezeichneten Ortlichkeiten umherjagen fieht, gehören mit jeltenen Ausnahmen diefer Art an. Obgleich nicht Waldfledermaus im eigentlichen Sinne, jäubert jie doch eine Menge einzeln jtehender Waldbäume, die ja gerade von manchen berverb- lichen Snfeften am liebiten befallen werden. So ziweifle ich nicht daran, daß fie unter den höheren Tieren, 3. B. gegen den Brozejjionsfpinner, falt amı metjten wirkt. — hr Winter- ichlaf ift lang, ununterbrochen; er wird in fehr gefchüsten Verfteden abgehalten, am liebjten in alten Gebäuden, wo unjere Tiere, undermifcht mit anderen Arten, in geringer Anzahl ver- einigt jind. Sie ift empfindlicher gegen äußere Einflüffe al3 alle ihre Gattungsverwandten. Man fieht fie nie in Wind und Regen und in falten, unfreundlichen Nächten umberfliegen. Sn England fommt der Spätflieger, nach Lydeffer, nur im Süden dor, verhältnismäßig jelten und örtlich bejchräntt. Franzöfiiche Beobachter berichten, ex fliege in Paris auf den Holz- und Zimmerplägen und halte dort in den Holzftößen auch jeine Tagesruhe. Jr Nord- amerifa heißt er Dämmer- oder Karolinastzledermaus (die lange nur al3 Varietät betrachtete, neuerdings aber twieder als jelbjtändige Art anerkannte E. fuscus Pals.) und erjcheint, nach U. K. Fifher, ebenfalls zulegt am Abend. Exit wenn es jo dunkel ift, daß vor dem Yuge alle Einzedinge in eine unbejtimmte Mafje zufammenlaufen und der Fledermausjäger nicht mehr imftande ift, mit einiger Sicherheit zu fchießen, dann erjcheinen die Spätflieger mehr wie dunkle Schatten, Hin und her jlatternd, eifrig mit dem njektenfang bejchäftigt. Zu der Untergattung Vespertilio im engjten Sinne gehört die nordische Umber- oder Wanderfledermaus, Vespertilio borealis Nilss., eine mittelgroße Art von 10 cm Reibeslänge bei 4,5 em Schtwanzlänge und 26 cm Flugweite, oberjeits dunkel Schwarzbraun, unterjeit3 etwas heller, in der Jugend dunkler und unreiner als im Alter gefärbt. Die 462 4. Ordnung: Flattertiere. Familie: Glattnajen. diefdäutigen Ohren und Flughäute find dunkel braunjchwarz, die Haare überall zweifarbig, an der Wurzel dunfel jhwarzbraun, an der Spiße Ficht braungelblich, unterfeits fahlbräunlich. „Die lichten Haarjpisen der Oberjeite”, jagt Blafius, „liegen wie ein lichter Goldreif auf dem jchwargbraunen Grunde und geben dem Pelze ein eigentümliches Anfjehen.” „Dieje Art hat eine eigentümliche Verbreitung. Nilsjon erhielt jie von den Höhen der Standinavijchen Halbinjel und vermutet, daß je bis in die Nähe des Volarkfreifes hinauf vor- fommt. ch habe fie im nördlichen Rußland, tvo fie bis in die Nähe des Weiten Meeres vor- zudringen jcheint, und aus dem mittleren Ural und Altat erhalten; auch ift je in Petersburg, in Finnland, den Dftjeeprovinzen und in Stopenhagen beobachtet worden.” Blajius meinte, daß Die einzigen Standorte in Deutjchland der Harz und DOftpreußen jeien, und daß dieje ledermaus im Harzgebirge die Südgrenze ihres Verbreitungsgebietes erreiche; Kolenati aber fand jte auch in Mähren und Schlejien, in Oberfranken und anderen Gegenden Bayerns vor, und Blajius jelbjt erhielt jie jpäter aus den Alpen. „Ihre nordijche Natur“, fährt Ieß- terer fort, „bewahrt jte auch darin, daß fie nur Die Höhen, nirgends die Ebenen am Fuße der Gebirge bewohnt. Ste fommt furz nach Sonnenuntergang zum Borjchein und fliegt an Waldrändern, lichten Walditellen, doch auch gern in der Nähe der Häufer und in den Straßen umher und verläßt ihr Jagdrevier erjt in der Morgendämmerung twieder, hat große Aus- dauer und Gemwandtheit im luge, beivegt fich rafch und mit leichtem Flügeljchlage und ftürzt oft mit plößlichen Wendungen auf ihren Naub los. Steine der einheimijchen Arten ijt fo wenig empfindlich gegen Wind und Wetter.“ Zu ihrem Winteraufenthalte jucht fie gejchügte Winkel und Löcher in Häufern, bejonders in Holggebäuden, auf, hängt fich aber, laut Stolenati, nicht auf, jondern zwängt jich in Niben ein, aus denen nur die Schnauzenfpige herborragt. Shor Winterjchlaf jcheint faft ununterbrochen zu fein, obwohl diefe Fledermaus im Frühjahre mit dem erjten milden Tage wieder zum Borjchein fommt. Nach den bis jeßt gefammtelten Beobachtungen jcheint fie in der Regel 2 Junge zur Welt zu bringen. „ach dem“, jchließt Blajtus, „was ich über dieje Art im Norden von Rußland, two jte die einzige vorfommende Fledermaus ift, erfahren habe, fcheint fie, gleich den Jugbögeln, mit ihrem Aufenthalte für verjchiedene Jahreszeiten auf große Entfernungen hin zu mwechjeln. Daran, daß jie don der Breite der Djtjeepropinzen bis in die Nähe des Weißen Meeres ziem- lich überall verbreitet ift, jcheint man nicht zu zweifeln; doch fieht man fie im Frühjahre und zu Anfang des Sommers nirgends in den nördlichen Gegenden ihres Verbreitungsbezirks.‘ Der füddeutjche Fledermausfenner Jäde-Windsheim bezweifelt dieje großen Wanderungen nicht nur, fondern erklärt auf Grund derjelben Einzelnachrichten geradezu, jie jeien einem ‚slattertier unmöglich. Wenn Umberfledermäuje „übertwinternd in Schlejien, im April in Mähren, Nafjau und in Bayern (Mittelfranken), im Mai in Mähren und Bayern (Negens- burg), im Sommer in der Schweiz, am 7. Auguft in Oberungarn und am 8. Auguft in Schwaben beobachtet” wurden, „mo fie, nach Blaftus, doch Schon in Nordrußland fein follten“, „‚o begreift man nicht, wie fie noch in demfelben Monat an das Ziel ihrer Neife gelangen fünnen... Das hierzu erforderliche Flugvermögen fcheint mir fein Slattertier zu befigen”, zumal es „auf der Reife den Tag über ruhen und fchlafen und in den 9—10 Stunden langen Augujfmächten auf jeder Raftftation 2—3 Stunden auf Infeftenjagd verwenden müßte, und Gemitter, jtarfer Regen, widriger Wind ihnen in mancher Nacht die Fortfegung der Reife unmöglich machen würde.” Jädel-Windsheim ift daher überzeugt, daf, je öfter die Umber- fledermaus füdfich vom Harz aufgefunden wird, defto mehr man „zur Exrfenntnis fommen dürfte, Daß fie Feine hochnordifche Art ift, fondern auch die höheren und hohen Gebirge Umberfledermaus. Zmweifarbige Fledermaus. PDidjuß u. a. 463 Deutjchlands, Ofterreichs und der Schweiz bewohnt, fich im Herbft zur Überwinterung in die Ebene und im Frühjahr wieder hinauf in das Gebirge begibt... Daß jie aus den Dit- jeeprovinzen und Ländern gleichen Breitengrades im Auguft nad dem Korden Rußlands bis zum Weißen Meere zieht, demnach wirklich wandert, foll nicht in Abrede gejtellt jein.” Die nächjte Verwandte der nordijchen ijt die etwas füdlicher lebende Yweifarbige Fledermaus, Vespertilio murinus Zinn. Dben dunfel jchwarzbraun, unten etwas heller gefärbt, ift fie, nach Altum, „jofort an einer hellen, gelblichen, Fragenartigen Zeichnung an Kehle und Kopfjeiten zu erfennen und verdient injofern ihren Namen. Die Spiten der Nüdenhaare erjcheinen als Iufthaltig (ohne Mark) hellgoldig.” Altımm erflärt auch jie für „eine ausgefprochene Waldfledermaus”, die „Des Abends ichon früh an den Rändern und auf größeren Blößen der hohen Wälder in einer Höhe bon ettva 20 m jchnell fehwirrend” umberjagt. Jhre Ericheinung erinnert lebhaft an die Früh- fliegende und die Nauharmige Fledermaus. Obwohl fie die Fluggemwandtheit diejer nicht erreicht, fo übertrifft fie in diefer Hinjicht Doch alle übrigen. Shre ausgedehnte Verbreitung erjtrecdt jih, nach Blajius, vom jüdlichen Schweden bis zum jüdlichen Dalmatien, von Frankreich und England bis zum öftlichen Aten. Altum jtelft ihr Borfommen folgendermaßen dar: „Deutjchland jcheint die Mitte ihres ausgedehnten Berbreitungsbezirkes zu bilden.” „Dem Gebirge gibt jte entjchteden vor der Ebene den Vor- zug, und fie foll dort im Herbt und Frühling nach und aus den Tälern Wanderungen bor- nehmen.” „Vielleicht gehört jie zu den Arten, für welche in Norddeutichland die Elbe an- nähernd als Verbreitungsgrenze anzufehen ift; im Süden fcheint je ein mehr wejtliches Tier zu fein.” „Gloger gibt Gründe dafür an, anzunehmen, daf jte in Schlejten im Frühjahr aus der Ebene allmählich in die Höheren Gebirge hinaufziehe; auch darin wiirde eine Vermandt- jchaft mit den Zügen der V. nilssoni liegen.” (Blajtus.) „Wer fie des Abends bei ihren Jagden vielfach und aufmerfjam zu beobachten Gelegen- heit hat, wird über die hohe forftliche Bedeutung diejes rührigen, Fräftigen njeftenvertilgers nicht im Zweifel jein fönnen.” (Ultum.) Eine indische Vespertilio-Art, der Dieffuß, Vespertilio pachypus Tem., jei hier erwähnt, mweil mir bei ihr eine Eigentümlichfeit in den Anfängen jehen, die wir jpäter bei anderen Gattungen in immer ftärferer und fchönerer Ausbildung tiederfinden werden: nach Blan- ford find ihre Daumen und Fußjohlen zu fleifchigen Wülften verbreitert, und Dobjon ift der Meinung, daß diefe dem Tiere zum Ankleben an glatten Flächen dienen. Zur Untergattung Vespertilio gehören auch einige fleine, in unjeren afrifanijchen Kolonien vorfommende Arten, die Matjchie als Zmergfledermäuje bezeichnet. So die Notköpfige Zwergfledermaus, Vespertilio minutus Tem., in Bagamoyo von Stuhl- mann, in Nafoma von Böhm gejammelt, aber auch über Madagaskar und bis zum Stap ver- breitet. Eine ähnliche Verbreitung vom Stilimandjaro im Norden an hat Vespertilio capensis Smith, nah W. 2. Sclater eine der gemeinften jüdafrifantschen Arten. Die Zweifarbige Zwergfledermaus, Vespertilio temmincki COretzschm., wurde auf den Nueppellichen Reifen entdeckt, neuerdings aber von Stuhlmann auch viel weiter jüdlich, in Deutjch-Dft- afrifa, nachgemwiejen. 1899 bejchrieb Matjchte von da noch eine Vespertilio venustus Misch. Die Braune Zwergfledermaus, Vespertilio grandidieri Dobs., wurde zunäcdhit auf der 464 4. Ordnung: Flattertiere. Yamilie: Olattnajen. Snfel Sanfibar entdecdt. Die Weißflügel-Sledermaus, Vespertilio tenuipinnis Pirs., ift eine weftafrifanifche Art, die aber bis in deutjch-oftafrifanifches Gebiet, ans Güdufer Des Niftoriafees, hinübergeht. Vespertilio damarensis Noack tft von dem Braunschweiger Säuge- tierfpftematifer Noad aus dem Damaraland in Deutjch-Südmeltafrifa bejchrieben worden. Die Silberhaar- Fledermaus, Lasionycteris noctivagus Le Conte, die heute eine bejondere Untergattung bildet, Hat ihren Namen von den filberweien Haarjpigen auf dem Kitden. Ein weiteres Merkmal ift, vom Gebif abgejehen, die behaarte Hinterflughaut und ein weißer Fled an der Wurzel der braunen Ohren. Die Silberhaar- Fledermaus verbreitet fich al3 die nördlichite amerifanische Art von der Hudfonbai nach Süden bis Kalifornien und ift, nach Hart Merriam, in den Adirondaf- bergen bei weitem die gemeinfte aller Fledermäufe. Wie viele Jledermäufe, hat fie eine Borliebe für das Waffer, ftreicht an den Strömen und Flüffen auf und nieder und umfreift die Seen und Teiche. Unmittelbar unterhalb der Lyon-Fälle (Hudjongebiet) ijt jte aus- nehmend häufig. Merriam ftand mit der Flinte in der Hand am Oftufer des Hudjons und jah Hunderte vorbeifliegen und zurüdfommen, immer über das Wajfer: den ganzen Abend jteichen faum zwei oder drei jo nahe an ihm vorbei, daß fie, wenn er gejchojjen hätte, an Land niedergefallen wären. Mehrere, die verwundet ins Wajjer gefallen waren in einer Entfernung von 12 oder 15 Fuß vom Ufer, fhwammen ans Land: Fräftig und jlinf; denn der Strom ift dort jehr ftarf und würde te fonjt eine ganze Strede abwärts gerijjen haben. Nächit den Wafjerläufen find die Waldränder Lieblingspläße der Silberhaar-Fledermäufe. Auf ihrer Snfeftenjagd flißen fie zroischen den Üften hin und her und dringen in verfchtedenen Nichtungen in die dichte Mafje des Laubwerfs ein. Auch wenn fie wenige Zoll am Gejicht borbeijliegen, hört man jelten ein Geräufch von ihren zarten Schwingen. Sn der frühen Dämmerung fchon taucht das Silberhaar aus feinem Schlupfivinfel auf und nimmt nach wenigen Wendungen in der unmittelbaren Umgebung gewöhnlich jeinen geraden Weg nac) dem Wafjer. Merriam neigt zu der Anficht, daß dieje Fledermaus in der eigentlichen Nacht ihren Flug unterbricht und ihn gegen Morgen wieder aufnimmt, weil die meijten verichiwinden, ehe völlige Finfternis eintritt. Das Silberhaar ift eine ausgejprochene Zugfledermaus. Nach Hart Merriam be= jucht e8 jeden Frühling und Herbjt einen einfamen Leuchtturm auf einem Einzelfelfen an der Küfte von Maine, 15 Meilen von der nächjten Injel und 30 Meilen vom Fejtlande. Dieje Kippe ift für gewöhnlich nicht von Fledermäujen bewohnt; daher fönnen die Jrr- gäfte im Frühjahr und Herbft nur Zuafledermäufe jein. Eine merkwürdige Heine afrikanische Art, die Kletterfledermaus, Glischropus nanus Pirs., mag hier eingereiht werden, weil fie im Trouejjartfchen Säugetierfatalog als Untergattung noch innerhalb der Hauptgattung Vespertilio erjcheint. Jedenfalls verdient die Kletterfledermaus eine gewijje Beachtung wegen des eigenartigen Baues ihrer Fuß- johlen und Daumenballen, die wie gejchwollen ausjehen und von vielen Falten und Nunzeln durchzogen find. Diefe Einrichtung dient offenbar dazu, eine anjaugende Wirfung auszuüben, und befähigt, nach Dobfon, das Tierchen, fich an der Unterjeite großer Blätter und Früchte anzuhängen: ein Anfang zur Ausbildung vollfommener Saugjcheiben und Saugnäpfe, wie wir fie bei zwei anderen Gattungen weiter unten kennen lernen werden. Dasjelbe Merkmal ift zwei malaiifchen Arten eigen, dem Schwielenfuß, Glischropus Schwirrfledermäujfe Schimmelflevdermaus. Rote Fledermaus. 469 tylopus Dobs.) von Burma und Nordborneo und dem Batjan-Schwielenfuß, Glisch- ropus batchianus Mtsch., den der Berliner Säugetierfundige Matjchie 1901 bon der ge- nannten Moluffeninjel bejchrieb, Die Gattung Schwirrfledermäuje (Nyeticejus Raf.) mag erwähnt werden, meil Matjchie zwei Arten diejer Gattung als deutjch-oftafrifanische Fledermäufe anführt. Sie haben zwei Schneidezähne im Dberfiefer, die durch einen Zmwijchenraum getrennt find. Die beiden Arten unterjcheiden jtch Schon äußerlich deutlich Durch die Farbe: die Grüne Fleder- maus, Nyeticejus borbonicus @eoffr., it oben olivengrün, unten gelb; die Kurzohr- Fleder- maus, Nycticejus schlieffeni Pirs., oben grau, unten weißlich. Heute rechnet man dieje beiven Arten aber zur Gattung Scotophilus, die, wie ein großer Teil aller Fledermaus- gattungen, wieder in mehrere Untergattungen zerfällt. Innerhalb diejer ericheint Scoto- philus borbonicus bet Scotophilus im engeren Sinne, Scotophilus schlieffeni aber wieder bei einer anderen Untergattung, Scotozous. Ein feines Beijpiel, wie fchiwierig e3 heute ift, jich in der Fledermausigjtematif zurechtzufinden. Für Unfundige in vielen Fällen ein voll fommen hoffnungslojes Beginnen! Mit Lydeffer erwähnen wir noch zwei Arten einer amerifanijchen Gattung (Lasiurus Gray), die, vom Gebif; abgejehen (nur ein Baar obere Schneidezähne), durch mehr oder minder ausgebildete Behaarung der Hinterflughaut gekennzeichnet ind. Die größte Art der Gattung ist die Weißgraue oder Schimmelfledermaus, La- siurus cinereus Pal. de Beawv., die fich von Kanada bis Kalifornien und, wenn man die Unterart grayi Tom. dazunimmt, über Mittelamerifa und Kuba bis nach Bolivien und Chile verbreitet. Auch fie Hat der nordamerifanifche Faunift Hart Merriam in den Udirondafbergen beobachtet. Man erkennt fie in der Abenddämmerung an ihrer Größe, ihren langen, ipigen Flügeln und an ihrem flinfen, unregelmäßigen Fluge. Sie fommt [päter zum Bor- ichein als die anderen Fledermäufe des Landes und ift daher auch viel jchwerer zu jchiegen. Waldränder, Wafjerläufe und Landftraßen, die die Wälder durchziehen, jind ihre Liebling3- pläße, und ihr nächtliches Revier ift weitaus größer als bei irgendeiner ihrer Verwandten. Während diefe nur einen ganz bejchränften Aufenthaltsort Haben und nur über ein eng be- grenztes Gebiet ab und zu fliegen, Durchmißt die Schimmelfledermaus verhältnismäßig weite Streden auf ihren Ausflügen, was jedenfalls ihrer größeren Flugkraft zugufchreiben ift. Nach Merriam, der die Fledermäufe feines Baterlandes, joweit fie jich nicht dem Menjchen angejchloffen haben, auf Grund ihrer Tagesruhepläße in Baum- und Höhlenbewwohner ein- teilt, gehört die Schimmelfledermaus zu den erfteren, und e3 war deshalb von vornherein zu ertvarten, daß fie wandert. Tatfächlich ift fie auch im Herbt und Winter jo weit entfernt von ihrem gewöhnlichen Borfommen beobachtet worden, daß feine andere Erklärung übrigbleibt als durcch regelrechten Wanderzug. Man hat fie jogar auf den Bermuda-‘jnjeln gefunden, wo SM. ones fie im herbftlichen Dämmer ihrer Injektenjagd obliegen fah. Das gejchah aber ftetS nur zu diefer Jahreszeit; fie ift alfo offenbar dort nicht zu Haufe, jondern wird nur, wie viele Wögel, durch die Nordweitivinde vom amerikanischen Feitlande dorthin verjchlagen. Weit gemeiner iftin den Adirondaf3 die fleinere Rote vvderNiewNorf- Fledermaus, Lasiurus borealis Müller, fenntlich) an ihrem jatt goldbraunen Fell, dejjen Haare mehr oder weniger deutliche Silberjpigen tragen. Sie ijt weit verbreitet durch Nordanterifa, in defjen Süden fie durch eine ganze Reihe von Unterarten (seminolus, pfeifferi, seliotıs, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 30 466 4. Ordnung: Flattertiere. Yamilie: Glattnajen. mexicanus, salinae, bonariensis, varius) vertreten wird. Gie fliegt im Gegenjab zur borigen früher als die anderen und zeigt fich gelegentlich jchon an trüben Nachmittagen draußen. Nach Coues tft fie im größten Teile der Vereinigten Staaten neben der fleinen Braunen Fledermaus, Myotis lucifugus, eine der allerhäufigiten, charafteriftischiten und dem Menschen vertrauteften Arten. „Wenn in der Union irgendwo eine Fledermaus ins Zimmer fliegt, jo fann man zehn gegen eins wetten, daß es eine diejer beiden Arten ijt. Der vollfommen geräufchlofe, rajche Flug, die außerordentliche Gewandtheit, mit der Sie Hindernijje vermeidet und ebenjo auch die rajcheften Schläge, die man nach ihr führt, ferner die ungewöhnliche Gejftalt, die der Aberglaube mit den Dämonen der Finfternis zu- jammenbringt, alles das ruft bei den Unfundigen Gefühle des Abjcheus hervor, und es gehört dann wenig Phantafte dazu, fich das Tierchen als ein gefährliches Schredgejpenft auszumalen.” Alfo ganz wie bei uns! Die Note Fledermaus hält ihren Winterjchlaf, zu großen Kolonien vereinigt, in Höhlen. Green betrat eine jolche Höhle im Jahre 1816, und feine Schilderung gibt eine anjchau- liche Boritellung von den ungeheuren Mafjen, die in folcher Winterjchlaffolonte beifammen find. „lm 1. November bejuchte ich eine ausgedehnte Höhle ungefähr zwölf Meilen jirdlich don Albany im Staate New York. ch nahm Fein Ma, aber jie war wenigjtens 300400 Fuß tief. ES war nichts Bemerfenswertes drin außer einer ungeheuren Menge von TFleder- mäufen, die fich diefen wenig befuchten Ort zum Übermwintern ausgejucht hatten. Das Licht unferer Fadeln beunrubigte fie anjcheinend wenig; aber als wir fte mit unjeren Stöden berührten, erhielten fte jofort wieder Keben und Bewegung und flogen in die dunfeln Seiten- gänge der Höhle. Da die Höhle meijt nicht mehr als jechs, jfieben Fuß Höhe hatte, konnten wir die ledermäufe leicht von den PBläßen wegjagen, wo fie fic) aufgehängt hatten. Einige Gefährten hinter mir jtörten mehrere Hunderte auf einmal auf, die dann über mich weg in Schwärmen entfernteren, Dunfleren und jichereren Schlupfwinfeln zuftrichen. Beim lug Durch die Höhle machten fie wenig oder gar fein Geräujch; an einem Plabe auf- gejcheucht, flogen fie manchmal nur wenige Ellen weiter und Tiefen jich gleich wieder nieder. Ste hängen jich zum Winterjchlaf mit den Hinterfrallen an die Dede oder die oberen Wände der Höhle; tiefer unten an den Seitenmwänden jah ich feine einzige. Sie hingen nicht wahllos zerjtreut, jondern hatten fich in Gruppen oder vielmehr Klumpen von einigen Hun- vert gefammelt, alle eng aneinandergedrängt. Wenn man ein Licht auf wenige Zoll an eine diefer Gruppen herandielt, jo ließen fie fich Dadurch nicht im geringften ftören: ihre Augen blieben gejchlofjen, und ich konnte fein Anzeichen von Atmung wahrnehmen.” Eine Schilderung W. 9. Hudjons, die fich jedenfalls auf eine füdamerifanijche Barietät unjerer Roten Fledermaus aus dem La-Plata-Gebiet bezieht, gibt Liydeffer wieder. Dieje Fledermaus hatte zwei fo große Junge an der Bruft hängen, daß e3 ganz undenkbar jhien, wie fie mit Diefer Laft überhaupt fliegen fonnte, gejchtweige denn mit der für den In- jeftenfang nötigen Oejchwindigfeit! Die Jungen waren an je einer Körperjeite der Mutter jeltgeflanımert, und wenn man fie gewaltfam fosmachte, fonnten fie nicht fliegen, fondern jlatterten Fraftlos zur Erde nieder. Hudfon ließ fchlieglich die Alte frei, jah fie zwijchen den Bäumen verjchwinden und fette die Jungen in das dichte Laubwerf einer Heinen Afazie, wo er jie gefangen hatte. Sofort Hletterten fie fehr gefchieft an den Blättern und dünnen Hmweigen aufwärts, indem fie einen Zweig mit den Zähnen faßten und dann einen ganzen Büjchel Blätter mit den Flughäuten umarmten, wie jemand, der ein Iofes Bündel Wäfche aufnimmt und fefthält, indem er es gegen die Bruft drückt. Num wınde der Körper auf die Note Fledermaus. NRöhrennajen. 467 umfaßten Blätter heraufgezogen und ein höherer Zweig mit den Zähnen gepackt und fo fort, bis jie die gewünjchte Höhe erreicht hatten. Dort haften fie jich in der Fledermausftellung nebeneinander an; die eine ftedte den Stopf unter und fehlief, die andere Iecte ich die Flügel- jpiße, wo meine Finger die zarte Haut gedrüct hatten. Später am Tage verfuchte Hudfon, jie mit einigen Heinen Infekten zu füttern; aber fie wiejen feine freundlichen Bemühungen in gar nicht mihzuderjtehender Weife zurücd, jchnappten boshaft nach ihm, jo oft ex fich näherte. Am Abend ftellte ex jich dicht am Baume auf und hatte jeßt die Genugtuung, die Mutter zurückehren und geradentweges auf den Fleck Iosfliegen zu jehen, wo er jie gefangen hatte. „Sn wenigen Minuten war fie mit ihren Stoillingen wieder auf und davon Über die Baumwipfel.” Diefe Beobachtung ijt bemerfensmwert nicht nur als Beijpiel für den Mutterinjtinft und für das Gewicht, das die Weibchen mit fich herum- zujchleppen haben, jondern ebenjojehr al3 Beweis dafür, daß die jungen Fledermäufe, men jte jich auch noch in einem jozufagen parafitifchen Zuftande befinden, doch im Not- falle jchon für jich jelbit jorgen fünnen. Mit Herz und Humor fchildert auch der New Norfer Tiergärtner Hornaday die „schöne, feine” Rote Fledermaus in feiner amerifanifchen Naturgefchichte. „Sie erjcheint im erjten Smielicht, gleitet rafchen, geräufchlofen Fluges die Dämmerigen Straßen und Wege auf und nieder, macht gelegentlich einen freundlichen Bejuch durch ein offenes Fenfter oder auf unferer Beranda teils zu gejchäftlichen ZYwedfen, teil3 als Beweis freundlicher Aufmerffamfeit. Im Mittjommer jehen jcharfe Augen dieje Fledermaus zumeilen verjtect zwijchen den Blättern eines Najtanienbaumes hängen, das zarte Fell fo rot wie der leuchtendjte Eifenroft. Nühr fie noch jo leife an und Hufch!! ift fie weg, jo flinf wie eine Schwalbe, und jucht jich einen andern, bejjeren Schlupfiwinfel. Von Sonnenuntergang, bis es ganz finjter wird, tft jie jehr gejchäftig und ftändig auf den Flügeln. Die Note Fledermaus ift ein flinfer Flieger und ein viel größerer Luftfünftler al3 irgendein Vogel, den ich fenne. Jim Fluge fann jte plößlich mit wunderbarer Genauigkeit wenden, und ich muß es immer von neuem bewundern, wie jie jo reigend fliegen, fo rafch fich wenden und drehen und in allen möglichen Nichtungen dahin- ichießen fann, ohne irgendiwo anzuftogen. Die allermeiften Vögel, die e8 verfuchen würden, in der Art und Gejchiwindigfeit der Noten Fledermaus zu fliegen, würden binnen fürzejter Srilt verunglüden. Der einzige Mißariff, zu dem die Roten Fledermäuse neigen, ift, Durch die offenen Fenjter in die Häufer zu fliegen und dann fofort das Loch zu vergejjen, durch das jie wieder entwijchen fönnten. Einmal im Zimmer, fliegt die Fledermaus langjam und ift oft jo verwirrt Durch den plößlichen Wechjel von Halbdunfel und Licht, daß fie gegen die Wand jtößt und zu Boden fällt. Obwohl viele Wenjchen über Fledermäufe Nervenzufälle friegen, habe ich doch immer bemerkt, wenn eine hereinflog, daß irgendeine gute, gefühl- volle Seele ausrief: Macht fie nicht tot!” Sur Gattung Murina Dobs. gehören als Untergattung Harpyiocephalus Dobs., die Nöhrennajen, die Durch röhrenförmige Verlängerung der Nafenöffnungen bei den injeften- frejjenden Fledermäufen in geringerem Mae das wiederholen, was wir oben jchon (©. 397) bei den Fruchtfrejiern (Gattung Harpyia) fennen gelernt haben. Sie verbreiten jich in acht Arten von Tibet und Indien über Ceylon und den Malatifchen Archipel bis nach Yapan und bevorzugen Gebirgsgegenden. Die befanntejte Art ijtdieWeißbauh-Nöhren- nafe, Harpyiocephalus leucogastra 4. M.-Edw., vom Himalaja, die dort, nach Hutton, bis zu einer Höhe von 5500 Fuß vorkommt. Eine, die in fein Zimmer geriet, flog ganz 30* 468 4. Dronung: Flattertiere. Yamilie: Olattnafen. niedrig unter Tifchen und Stühlen umher, als ob fie jich fürchtete, ins volle Licht Der Zampen zu fommen. ©&o ift aber auch ihr Flug bei der njektenjagd im offenen Gelände, wo fie ganz gemächlich dicht über Gras ımd Kraut dahinftreicht. Die heimifchen Fledermäufe, die ung jebt noch zu betrachten übrigbleiben, gehören zur Gattung Mausohren (Myotis Kaup) im weiteren Sinne. E3 find dies die Untergattungen der Wafferfledermäufe (Leucono& Boie) und der Mausohren (Myotis) im engeren Sinne, namentlich Yeßtere wieder in einer Unmenge von Arten und Unterarten über die Alte und Neue Welt verbreitet. Die Gattung Mausohr (Myotis) hat freie, d. h. voneinander getrennte, länglic)- runde Ohren mit länglichem, lanzettföürmigem Dedel, verhältnismäßig breite und furze Flü- gel ohne Sporenlappen, höchitens Förperlangen, meijt fürzeren Schwanz und ziemlich dichten, oben graubraunen, unten weißlichen, ausnahmsmweife duntleren Pelz. DasGebiß bejteht aus 38 Zähnen, und zwar 2 Borderzähnen in jedem Oberfiefer, 6 gejchlojjenen Schneidezähnen im Unterfiefer und oben wie unten jederjeits 3 einjpisigen und hinter diejen 3 vieljpigigen Baczähnen, unter denen die drei erjteren als Lüchzähne angejehen werden dürfen. Gerrit Miller erjcheint die Gattung Mausohr als die urjprünglichite aller Glattnafen: jie hat nicht num die größte Zahnzahl beibehalten, die überhaupt in der Ordnung der Flatter- tiere vorfommt, jondern zeigt auch in ihrem Außeren den geringsten Grad von Ausbildung irgendwelcher bejonderer Eigentümlichkeiten. Die mit Querlinien verfehenen fürzeren Ohren, die, angedrückt, nicht über Die Schnauzen- pie hinausreichen, und die, wenn auch nicht durchweg, vorhandene Behaarung der Schwanzflughaut, die in der Negel zwar am Hinterrande fahl, ausnahmsweije aber mit einzelnen jehr entfernt ftehenden Härchen bejegt ift, unterjcheiden die Untergattung der Wafjerfledermäufe (Leucono& [Brachyotus]) von den Mäufeohren, denen jte font, namentlich in der Zujfammenjeßung des Gebijjes, ähneln. Eine der gemeinsten Arten diejer Gruppe, Die Wafferfledermaus oder das Rotfurz- obhr, Leuconoe daubentoni Leisler, flaftert bei 8,5 cm Gejamt- oder 4,7 Leibes- und 3,8 cm Schtwanzlänge 23—24 em, ijt an ihren furzen Ohren mit länglich-[chmalem Dedel und dem sehlen des Sporenlappens leicht von anderen Fledermäufen ähnlicher Größe zu unterjcheiven und jieht auf der Oberjeite rötlich-graubraun, unten trüb weiß aus. Die Dünnhäutigen Flug- häute und die Ohren jind graubraun, letere an der Wurzel etivas heller. Das zweifarbige Haar hat an der Wurzel jchwarze, an der Spike licht graubraune, unten weiße Färbung. Wie e3 jcheint, bewohnt die Wajjerfledermaus fast ganz Europa und einen Teil Afiens. Blajius fennt jie aus Deutjchland, Schweden, Finnland, dem ganzen öftlichen Frankreich, Ungarn, Dalmatien, Sizilien, Sardinien und dem mittleren Rußland. Sn Gebirgsgegenden jteigt jte ziemlich hoch empor, am Harz bis etiva 600, in den Alpen bis gegen 1200 m über Leer. Vac) Blanford ift die Wajfferfledermaus vom Himalaja nachgewiefen und, merkwürdig genug: zwei Stüc hat Limborg auch in Tenafjerim gefammelt, die Dobjon „in jeder Bezie- hung mit englifchen Eremplaren übereinftimmend“ fand. Er faßt die weite Verbreitung der Wafjerfledermaus in die Gegenfäße „von land bi3 zum Altaigebirge, von Finnland bis nad) Eizilien, vom Altat bi Tenafferim”. Sn twaiferreichen Gegenden fehlt fie nirgends, und hier und da tritt fie außerordentlich Häufig auf. Sie erjcheint im Frühjahre fchon Anfang März und treibt fich bis Ende Oftober außerhalb ihrer Winterherberge umher. Wafjerfledermaus. 469 As Winterquartier wählt fie ebenjowohl hohle Bäume wie Gewölbe, Gruben, Felfen- höhlen und zerfallene Gebäude über der Erde, fucht jich aber in Kalfhöhlen und alten Stoffen mit Vorliebe die Hinterjten Stellen aus und hängt hier enttveder frei oder ver- friecht jich in Gefteinswinfen und Riten. Überall, wo fie häufig ift, lebt fie gejellig, und nur in mwajjerarmen Gebirgsgegenden begegnet man ihr einzeln. Bei ihren Jagden fommt jie mit dem erjten Beginnen der AUbenddämmerung zum VBorfchein, eilt ihrem vom Schlafplage manchmal Y, Stunde weit entfernten Jagdgebiete, irgendeinem Ge- mwäjjer, zu und treibt fich num raschen Fluges über diefem umher. Im Münfterlande Wafferfledermaus, Leuconoö daubentoni Leisler. Natürliche Größe. it jte, laut Altum, auf allen nur nicht zu Heinen und nicht mit Schtlf und anderen hohen Wafjerpflanzen bewachjenen Gemäjjern, jtehenden wie jliegenden, eine ganz gewöhnliche Erjcheinung; in der Mark, zumal in der Nähe von Berlin, tritt fie in außerordentlich großer Anzahl auf und gehört auch hier unbedingt zu den gemeinjten Arten ihrer Ordnung. „Große Hausteiche”, jagt Altum, „mit angrenzendem alten, zerfallenen Mauerwerk oder noch bejjer mit daranftogenden Baumgärten fcheinen ihre Lieblingsreviere zu bilden. hr Flug ift Teineswegs unbeholfen, vielmehr fehr rajch und gewandt. Flattert fie bei fchon vorgerücter Dämmerung über jolche Stellen, die durch das Spiegelbild der angrenzenden, im Schatten ttehenden größeren Gegenjtände, als Mauerflächen, Baungruppen, ganz dunfel erjcheinen, jo hebt jte jich als weißlichgraue wirre Schattengejtalt von der dunfeln Wafferfläche ab. Sie jagt nach Snjeften jtetS jo niedrig über dem Wafjer, dat ihr Spiegelbild faum bandbreit bon ihr entfernt ift. Überjpannen Brücdfen das Waffer, fo überfliegt fie diefe, um mit ihren 470 4. Ordnung: Flattertiere. Yamilie: Glattnajen. Revierteilen zu mwechjeln, nur äußerft jelten; fajt ohne Ausnahme fchwirrt fie unten durch die Bogen der Brüden, jelbjt dann, wenn dort mit Menfchen gefüllte Kähne durchfahren. Sie ähnelt in diefer Hinficht der Zivergfledermaus, die auch gern unten durch Torivege und offene Hallen fliegt, fucht Fleinere Stellen, etwa die Winfel zufammenftoßgender Ge- bäude auf der Wafferfläche, ebenjo emjig ab wie jene den Hofraum, begibt fich nach etwa inf Minuten zu einer andern Stelle und fehrt nach einiger Zeit zur erjten zurüd.” Bon ihrem Jagdfluge ermüdet, hängt fie jich zur vorübergehenden Ruhe gern an die Zweige der im Wafjer ftehenden Bäume und vorjpringende Mauermerfe, wo man jie oft reihenmeije jißen jehen fann; fie betätigt ihre Gefelligfeit alfo auch in diejer Hinficht. Die Gebrüder Miller „haben beobachtet, daß der Klornweih dieje und die folgende Art jtößt, wenn jener Naubovogel in der Abenddämmerung über Teiche und breite Flußjpiegel niedrig Dahinftreicht”. Nahe verivandt, aber nicht ganz jo weit verbreitet und auf das Tiefland bejchränft ift die Teichfledermaus, Leucono& dasyeneme Boie, die Altum „zu den jelteneren Arten“ zählt. Er erhielt aus einem Yeljenbrunnen auf einem Kalfhöhenzuge feiner Münfterländer Heimat nie mehr als elf Stüd. gu den Wafjerfledermäujen rechnet Blajius auch die Bartjledermaus, Leuconoe mystacinus Leisler (Myotis), die bei Trouefjjart in der folgenden Untergattung der NWaus- ohren im engjten Sinne erjcheint. Wir jtellen jte deshalb ziwischen beide. „Wer nach der Haar- järbung urteilt, muß jich leicht veranlaßt finden, verjchiedene Arten unter diejer im übrigen jo bejtimmt ausgeprägten Form zu vermuten; denn bet feiner andern einheimijchen Art fommen folche Färbungsertreme von einem fahlen Graubraun bis faft ins Kohljehivarze vor. Auch in der Größe zeigt dieje Art Berjchtedenheiten, wie fie jonft jelten vorzufommen pflegen. Dejto bejtändiger 1jt jedoch die Bildung der Ohren, Ohrdedel und der Flughäute.” (Blaftus.) Altum nennt jie eine winzige Art (Flügelipannung 20,5 cm), jte „ähnelt beim flüchtigen Blid einer Zivergfledermaus; doch ift ihr Ohr geftredter, der Ohrdedel zugejpibt” und der Flügel breit. „hr Slugcharafter erinnert ebenfalls noch an Pipistrellus, jedoch bleibt jie meijt niedrig am Boden... Des Winters findet man fie in nicht fejter Exftarrung fowohl in Baumz als ‚Felshöhlen und Gebäuden, Doch fajt jtets nur einzeln oder zu wenigen... Sm ihrer Berbrei- tung jcheint jte auf Nord- und Mitteleuropa bejchränft zu jein und bewohnt hier jotwohl die Ebene als die Gebirge.” Entgegen diejer Blajius-Altumjchen Angabe über die Verbreitung, führt Dobfon als aftatifches Borfommen Syrien, Nordchina (Being) und den Himalaja an. Blanford fennt fie allerdings aus den beiden mittleren Htimalajalandjchaften Nepal und Siffim und bezeichnet fie, nach Seully, al3 eine der gemeinften Arten im Tale von Nepal. sn unjeren afrifanifchen Stolonien fonımt Leuconoe bocagei Pirs. vor, die von Wejt- afrifa ins Jnnere bis Uganda geht und daher von Matjchie als Note Bartfledermaus in jene Säugetiere Deutjch - Oftafrifas aufgenommen murde. Bei der Untergattung der Mausohren (Myotis Kaup) haben die mehr als fopflangen Ohren neun oder zehn Querfalten, jind gegen die Mitte des Außenrandes nicht eingebuchtet und ragen angedrüdt über die Schnaugzenfpiße hinaus. Die Schwanzipibe fteht frei aus ver Schwanzflughaut vor; die Schwanzflughaut ift am Hinterrande Fahl. Ganz Mitteleuropa, bon England, Dänemark und dem mittleren Rußland an, den Süden unjeres Crdteiles, das nördliche Afrika und den größten Teil AMftens bis zum Himalaja Mausohr. Teichfledermaus. Bartfledermaus. Mausohr. 471 bewohnt das Mausohr, die Gemeine Fledermaus oder der Große Nachtjchwirrer, Myotis myotis Bechst. (murinus), die größte unferer einheimifchen Fledermäufe, deshalb von Altum jehr treffend Riejenfledermaus genannt, 12—13 cm lang, wovon 5,3 em auf den Schwanz zu rechnen find, mit 37 cm Stlafterweite, oberjeits licht rauchbraun mit roft- rötlihem Anfluge, unterfeit3 jchmußig weißlich, die einzelnen Haare zmweifarbig, an der Wurzel bräunlichichtvarz, an der Spite heller, die verhältnismäßig dünnhäutigen, durch- jheinenden Ohren und Flughäute licht graubraun, junge Tiere mehr afchgrau gefärbt. Von Anfang März bis in den Dftober wird man das Mausohr an geeigneten Orten faum bermifjen und an feinem unbeholfenen, flatternden, meift geradeaus gehenden oder doch nicht in rajchen Ziczadlinien fich bewegenden Fluge auch leicht erfennen. E38 bewohnt eben- jowohl die Ebene wie das Gebirge, in dem es bis zu 1200 m über dem Meere emporiteigt, hält jich übertags gern unter den Dächern alter, großer und ftiller Gebäude, in Schlöffern, Kirchen, Rathäufern, bisweilen auch in altem Mauerwerfe oder in ausgedehnten Gemölben, jeltener in Gruben und Höhlen auf. Stets hängt e3 in zahlreichen Gejellichaften mit feines- gleichen oft dicht gedrängt in fürmlichen Klumpen nebeneinander, duldet andere Fleder- mausarten dagegen nicht neben jich, bedroht jte eher mit räuberifchen Gelüften. Auf dem Speicher der Spitalficche in Weblar find diefe Tiere, laut Koch, im Sommer fo majjenhaft beifammen, daß der Kot fußhoch fich anhäuft, ja daß diefer jchon in Wagenladungen als Dünger abgefahren werden fonnte. Im Herbite findet man fie nicht mehr vor, und fie fehren exit, wenn die Jungen mit den Alten fliegen, dahin zurüd. Jm Winter fuchen die Mäufeohren Gemwölbe, Höhlen und Bergwerfe zu ihrem Aufenthalte auf. Wo es viele Bergmerfe gibt, wie bei Dillenburg, Herborn an der Lahn, in Wejtfalen ufw., trifft man fie im Winter über das ganze Gebiet verbreitet und daher vereinzelt an; jelten, daß man ihrer zivet oder drei in einem Slumpen findet, während jte in Gegenden, wo zum Winterjchlafe geeignete Stellen jeltener find, fich mehr zufammenziehen und zu Klumpen von 30—50 Stüd und mehr gejellen. Während des Winterjchlafes ziehen fie jich ziemlich weit in die hinteren Räume der Bergmwerfe, Höhlen und Gewölbe zurüd und hängen ich hier in der Negel frei an, obwohl e3 ebenfall3 vorfommt, daß ich einzelne, gewöhnlich Weibchen, in Riten und Spalten einziwängen. Ihre Biljigfeit und Zankjucht vertreibt meijt alle Eleineren Fleder- mäufe, mit Ausnahme der Blutjauger; die Schwächlinge haben aber auch allen Grund, fie zu meiden, da jie, wie Koch an gefangenen beobachtete, Kleinere Arten Durch Beiken töten und Teile von ihnen auffrejjen. Bei anhaltend milden Wetter eriwachen auch die winter- ichlafenden Mausohren und rühren jich, wagen jich jedoch niemals ins reie, ebenjorwenig tie man jte im Sommter bet falten, unfreundlichem Wetter fliegen jteht. Selbjt bei günftiger Witterung erjcheinen jte erjt nach eingetretener Dämmerung im Freien. Gegen Ende des Frühjahrs wirft das Weibchen in der Regel ein einziges Junges (in jeltenen Fällen deren 2), jchleppt eS anfangs mit großer Zärtlichkeit umher, macht jich aber bald von ihm frei, um jo mehr, al3 die Entwicelung des Jungen außerordentlich rajch vor jich geht, jo daß e3 jchon vor Beginn des Winterjchlafes nicht mehr von den Alten unterjchieden werden fann. „Der Breite der zlügelfittiche entjprechend“”, jagt Altum über jeine Riejenfleder- maus, „it ihr Flug gemächlich; man kann fat jagen: matt, unbeholfen, Frähenartig. Mit mweitausholendem Schlage rudert jie in gerader Richtung, ohne auffallend gejchicte, jcharf- twinfelige Wendungen zu machen, über breite, beiderjeit3 von jtarfen Wallheden begrenzte Fahrwege, in nicht zu jchmalen Alleen, auf freien Pläßen in der Stadt, über breite Straßen 472 4. Ordnung: Flattertiere. Yamilie: Glattnajen. ad auf und ab, 5, 6-8 m über dem Boden. Sie jcheint nie Eile zu haben, während andere ihres Gefchlechts fich vor gejchäftiger Haft kaum zu lajjen wifjen. Das Jagdgebiet, Das jie fo abftreicht, |cheint ettva fünf Minuten lang zu fein. Draußen habe ich fie nie anders als in der Nähe der Stadt oder unweit ausgedehnter Hofgebäude großer Güter angetroffen. Sogar den Waldrand Scheint fie durchaus zu vermeiden, wie ihr ebenfo alle Heinlichen Verhältniife, enge Gäßchen, Heine Winfel, niedrige Gebüfch und Gefträuch, zumider find. Sie liebt es überhaupt nicht, an Gebäuden, Baumreihen ufrv. ganz nahe vorbeizuftreichen, fondern hält fich fast ftetS etwas entfernt von ihnen im Freien, jchroingt fich demnach auch nicht niedrig über Dächer, fehwenft nicht um eine Ede, fondern folgt mehr der Mitte der breiten Straßen. Troß ihres ruhigen, einförmigen Flügelfchlages fördert ihr Flug doch ebenjo rajch tie der der Zwergfledermaus. Sie feheint von allen das zartefte Gefühl, beziehentlich Gehör zu Haben und deshalb imftande zu fein, fehon in einer bedeutenderen Entfernung auf ihre Beute ge- radesmwegs loszufteuern, jo daß fie nicht in Verlegenheit fommt, undermutet, fajt unmittelbar in deren Nähe gelangend, durch plößliche, jähe Seitenwendungen jie erhajchen zu müjjen. Sch habe gejehen, wie fie auf wenigjtens 3 m Entfernung falt unvermerft nach einem Ntat- fäfer fanft zur Seite abbog; e3 mwitde auch fonft unerflärlich fein, wie fe imftande wäre, eine Menge viel fchneller als Maifäfer fliegende nfekten, namentlich Nachtjchmetterlinge, die fie eriviefenermaßen häufig verzehrt, bei ihrem eintönigen Fluge zu erbeuten.“ Weitere Beobachtungen, Die für Die Lebensfunde der Fledermäufe im allgemeinen inter- effant jind, teilt A. Seidler mit („Prometheus”, 1907): „Zwei einander begegnende zleder- mäufe rufen fich an, ähnlich wie die Schwalben. Die Stimme erinnert an das Zirpen der Grillen. Man könnte ettva durch fchiwaches Reiben mit zwei Tellerfcherben den Ruf des Tieres nachahmen. Die alten Fledermäufe und ihre Jungen rufen jich am Tage zu, wenn fie vonein- ander getrennt fißen oder hängen. Damit fomme ich zugleich auf die Tatjache, daß die Tleder- mäufe ihre Jungen nicht mit fich umbhertragen, bis jie ganz ausgemwachjen find, wie jo oft gejagt wird. Das würde bei zwei falt erwachjenen Tieren eine zu große Laft fein. Die Jungen hafen jich an Schornfteinen oder unter Dächern fejt und werden von den fie pflegenden Müttern auf- gejucht. Da fie fast beftändig rufen, ünnen fie leicht aufgefunden werden. Beim Saugen hört man das eifrige Schmaßen wie bei den Jungen anderer Säugetiere. Dft fommen junge Tledermäufe aus ihrem Berfted hervor und irren auf den Bodenbrettern, wohin fie flatternd gelangt find, umher. Mit der Mutter Hilfe werden jie dann in Sicherheit gebracht.” Gefangene Mausohren dauern, laut Koch, jehr gut aus, gewöhnen fich fogar an Fleijch- nahrung, find aber unangenehme Zimmergenojjen und jcheinen wohl vertraut, aber nicht leicht zahım werden zu wollen. VWährend das gewöhnliche Mausohr fich in der Hauptjache auf die Valäarktijche Region beichränft, werden die übrigen Negionen der Alten und die ganze Neue Welt von einer Unmenge naher Verwandter bevölfert: nicht weniger al3 61 Arten und Unterarten führt Zrouejfarts neueftes Katalogjupplement auf! Einige von diejen gehören jogar ebenfalls noch unjerem engeren Baterlande an; jo vor allem die von Blafius und Altum als Großohrige Sledermausgeführte Myotis bechsteini Zeisler, um Berwechflungen vorzubeugen, vielleicht bejjev Bechjteins Mausohr genannt, die jich vom gewöhnlichen Mausohr durch geringere Körpergröße, aber längere Ohren unterjcheidet. Ihre Flügelfpannung beträgt nur 25 cm gegen 34,5 bei der vorigen; ihre Ohren überragen aber die Schnauzenfpiße nicht nur um ein Viertel, jondern um die Hälfte ihrer Länge. — Zwei weitere für Deutfchland nachgeiwiejene Mausohren. Wimperfledermäufe. Braune Fledermaus. Schmetterlingsfledermaus. 473 Arten haben die Schwanzflughaut am Hinterrande dicht bewimpert und werden Deshalb von Blafius als wimperhäutige Fledermäufe den vorgenannten langohrigen und den Wajjer- fledermäufen innerhalb der Hauptgattung Myotis gegenübergeftellt. Bon ihnen fteht Blajius’ und Ultums Gefranfte Fledermaus, Myotis nattereri Kuhl, den Wafjerfleder- mäufen am nächjten. Altum erhielt fie „exit nach jahrelangem Sammeln“, und die zweite Urt, die Gewimperte Fledermaus, Myotis emarginatus E. Geoffr., hatte er noch gar nicht frijch erhalten oder im Xeben beobachten können, als er jeine Forjtzoologie fchrieb. E3 jind feltene und darum belangloje Arten. — Bon außereumropätichen Arten der Alten Welt hebt Lypdeffer Welmwitjchs Fledermaus, Myotis welwitschi Gray, aus Weftafrifa bejon- ders hervor wegen ihrer prächtigen, jchwarz-orange gezeichneten und getüpfelten Färbung. Unter den amerifanifchen Arten it die Kleine, Braune Fledermaus der Ver- einigten Staaten, Myotis lucifugus Le Conte, die gemeinjte. Sn „American animals“ widmen ihr Stone und Cram eine längere Schilderung. &3 wird darin hervorgehoben, daß die Fledermausmutter ihre Jungen manchmal auch an einen Baumzmweig in den Schuß der Blätter hängt, während fie jelbjt auf Nahrung ausfliegt. Die Berfafjer Schreiben der Fleder- maus eine bejondere Vorliebe zu, um den Menjchen herumzufliegen, jehen aber Dabei die eigentliche Anziehungskraft in den Müden und anderen fliegenden Quälgeijtern. Die der Gattung Vespertilio nahe verwandte Gattung Kerivoula Gray (Cerivoula), Die jich von diefer nur durch die parallele, nicht auseinanderjtrebende Stellung der oberen Schneidezähne unterjcheidet, erfcheint Kydekfer bemerfensivert wegen der prächtigen Fär- bung und Zeichnung einer hierhergehörenden Urt, die deshalb auch K. pieta Pall. heißt. Sie ift in Indien zu Haufe. Deutfch Fönnte man fie vielleicht Schmetterlings- Jleder- maus nennen: fieht jie doch, am Tage aufgeftört, nach Jerdon mit ihrer tief orange- oder tofteoten Dberfeite und den fchwarz und orange gezeichneten Flughäuten viel mehr einem Schmetterling gleich al3 einer Fledermaus! Auf Ceylon ißt jte viel auf Bananenpflanzen, und Darauf deutet auch der Gattungsname, der aus Kehel vulha (Bananen-iedermaus) berdorben if. Smwinhoe findet in ihrer Farbe eine große Ähnlichkeit mit der der ab- gejtorbenen Blätter und faßt jie daher aß Schußfarbe auf. Eine andere Art, Kerivoula africana Dobs., verbreitet jich anjcheinend quer Durch Das ganze tropifche Afrika; wenigftens tritt fie forwohl in Matjchtes Säugetierlifte von Togo als in feinen Säugetieren Deutfch-DOftafrifas auf. Hier heißt fie Jwergflatterer (Slörper- länge nur 3,5 cm), dort Langfhwanzjledermaus (Schwanz länger als der Körper: 3,6 cm). Die Langjlügelflatterer bilden in der heutigen Fledermausigitematif eine ganz be- iondere GSeftion der Minioptereae (bei Trouefjart, Supplement 1904) oder eine Unterfamilie der Miniopterinae (bei Gerrit Miller, „Families and genera of bats‘‘) vermöge ganz ab- weichender Bildung des oberen „Sriffes” am Bruftbein, die bei feiner anderen Fledermaus fo mwiederfehrt. Sonft fteht die Gattung Miniopterus Bp., die den einzigen Inhalt der Gruppe ausmacht, den gewöhnlichen Glattnajen (Vespertilioninae) jehr nahe; nur zeichnet jie fich Durch Hinten fehr ftarf gewölbten und nach allen Richtungen aufgetriebenen Schädel, eine Art Buldoggfopf, aus. Sie gehört, nad) Blaftus, „zu den lebensfräftigjten, aus- Dauerndften und gewandtejten der ganzen Drdnung‘ der Fledermäuje überhaupt. Die europätfche Art, Miniopterus schreibersi Natt., die aber ihre Nordgrenze am jüd- lichen Fuße der Alpen erreicht, war Blafius jchon aus dem Banat, dem mittleren Stalien, 474 4. Ordnung: Slattertiere. Familie: Glattnajen. Algier, Südafrika, aus den Faufafiichen Provinzen und dem jüdöftlichen Ajten befannt; jie it aber jet auch in Madagaskar und Japan, ja fogar in Neuguinea und Auftrafien nach- gewiejen, gehört aljo zu den am meitejten verbreiteten ledermäufen. „Sch habe fie‘, berichtet Blajius, „bei Trieft, in Dalmatien und im jüdlichen Stalien beobachtet. Jch fenne feine Art, die eine größere Flugfertigfeit und Leichtigkeit der Bewegung bejäße. Mehr als bei jeder andern Art wird man bei diejer an den jchnellen und gewandten Flug der Schwalbe erinnert. Sie fommt abends bald nach Sonnenuntergang zum Borjchein und fliegt Hoch und in mannigfaltigen Wendungen meift im Freien, jelten in den Straßen be- mwohnter Dxtjchaften. Man findet fie am häufigiten in Höhlen, in dunfeln Gemwölben von Nuinen, in altem Gemäuer, 3. B. alten Wafjerleitungen der römischen Kampagna und der- gleichen, meijt entfernt von menjchliden Wohnungen.” Der von Matjchte fir Togo angeführte Miniopterus dasythrix Tem. wird jebt zu M. schreibersi gezogen; dagegen bejteht der von vd. der Deden entdedte Miniopterus scotinus Sund., der jich bis Süpdaftifa verbreitet, auch Heute noch zu Necht. Ganz ans Ende der Slattnajen, und damit der Stleinfledermäuje überhaupt, ftellen wir ziwet Gattungen (Thyroptera Spix und Myzopoda. A. M.-Edw.), die vermöge ganz einzig- artiger Haftorgane nicht nur in Diejer Richtung die Höchit jpezialtiterten Flattertiere jinD, jondern im Säugetierreiche überhaupt allein Daftehen. Gewijje Anfänge zu dem, was wir hier in ver Vollendung jehen, boten zwar jchon die Desiwegen abgetrennte Gattung Glisch- ropus mit ihrer einzigen rt nanus und unter den gewöhnlichen Fledermäufen der Did- fuß, Vespertilio pachypus, durch Ballen- und Faltenbildungen auf der Fußjohle und am Daumen, denen man eine anjaugende Wirkung auf glatten Flächen zujchreiben darf, und auch die Querrungeln auf der Unterjeite der Hinterzehen bei Mystacina tuberculata deuten auf hnliches Hin. Von da bis zur Ausbildung wirklicher Saugjcheiben ift aber noch ein großer Schritt, und den haben nur Thyroptera und Myzopoda getan, die man deshalb „Daftflügel” und „Stlebfuß” nennen fünnte. Bei ihnen ijt die Fußjohle ganz in eine folche runde Saugjcheibe mit vertiefter \nnenfläche umgewandelt, und am Daumen fehrt das- jelbe Organ vergrößert wieder in einer jo vollfommenen Form, daß man unmillfürlich an Die Fangarme der Tintenfiiche und Seefrafen denfen muß. Unter Säugetieren fommt der- artiges jonft nicht wieder vor. Aus dem Berichte eines jpanischen Beobachters, Simenez de fa Ejpada, den Dobfon auszugsweise wiedergibt, erhellt, daß bei der jüidamerifanijchen Thyro- ptera tricolor Spix die Saugnäpfe Hobhle, lederartige, jehr biegjame und bewegliche HalbEugeln jind (vgl. Abb., ©. 369). Das Tier benußte jie, um fich am Finger fejtzuhalten, als es beißen wollte, und verurfachte Dadurch dasjelbe Gefühl, wie wenn man jich einen hohlen Schlüfjel oder Fingerhut auf die Zunge jet, nachdem man vorher die Luft ausgejaugt hat. Die Näpfe jind tief, am Rande häutig, in der Mitte fleifchig. Der Bericht pricht auch von einer derartigen Nusfelanordnung, daf Durch jte der Durchmejjer des Organs verändert werden fann. Auf dieje Aeije hätten fich die Tiere an die Seitenwände des Kajtens gehängt, in dem jie gehalten wurden; zum Schlafen hingen fie allerdings an ihren Hinterflauen wie andere Trledermäufe. Dobjon Hat aber auf mifroffopifchen, nach allen Richtungen durch die Saugfcheibe geführten Schnitten nicht die geringite Spur von Musfelfafern finden fönnen. Was jollten das auch für Mustehn fein? Für fie wäre fein Gegenftück bei irgendeinem andern Wirbeltier zu finden. Die Natur bildet Feine fomplizierten Organe, wo einfache ebenfo gute oder wenigjtens ge- nügende Dienjte tun. Die merkwindigen Saugnäpfe des Haftflügels find augenjcheinlich nur Gattungen Miniopterus, Thyroptera, Myzopoda. — Vorgefchichte. 475 hochdifferenzierte Zuftände der Hautbedecfungen und des oberflächlichen Bindegewebes an ven Ballen des Daumens und der Fußjohle: das beweist ihre Lage, ihr Bau und ein annähernd ähnlicher Zuftand derjelben Körperteile bei anderen, den obengenannten Fledermäufen. Die Öattung Thyroptera bewohnt in mehreren Arten und Unterarten Süd- und Mittel- amterifa. Myzopoda (bei Trouejjart Myxopoda) dagegen bildet mit einer einzigen Art (aurita 4. M.-Edw.) aus Madagaskar den ausschließlichen Inhalt nicht nur der ganzen Gattung, jondern einer eignen Seftion (Myxopodeae), zu der man die Form erhoben hat. Der trefj- che Stleimjäugerfundige Dldfield Thomas vom Britify Mujeum hat ihr eine eingehende Arbeit gewidmet und jte auf ihren Sinochenbau und ihre darauf zu gründende Stellung tm Spitem mit der ihm eignen Sorgfalt und Genauigkeit unterjucht. Er hebt dabei einen merk würdigen Hutpißzähnlichen Fortjag am Grunde des Ohres hervor, der in Ddiefer Yorm bei Stedermäufen jonjt nicht vorfommt, genau genommen aber nichts anderes ijt, al3 der mit dem Innern Obhrgrunde verwachjene Ohrdedel. Die von ihm nachgetiejene Berwandtjchaft einer Madagasfarjledermaus zu rein amerifanifchen Gruppen (Natalidae und Phyllo- stomidae) jcheint Thomas von offenfichtlicher Bedeutung: e3 ijt eine Form mehr von Diefer Snfel, deren Beziehungen nach derjelben Richtung weijen. Trogdem bildet Myzopoda eine ganz jelbjtändige Familie; dafür bürgt jchon das äußere Merkmal des mit der Ohrmuschel verwachjenen Ohrdedels. Noch interejjanter wäre es für die Frage einer jüdlichen Ver- bindung zivischen den Faunen der Alten und Neuen Welt, wenn die neujeeländiiche Gattung Mystacops jich al3 ein Glied derjelben Formenreihe erivieje. Ihr Dreigliedriger Mittel- finger, die allgemeinen Schädel- und Gebikpverhältnijje deuten darauf hin, während der her- vorjtehende Schwanz und die warzige Unterlippe ebenjojehr an Mormoops (Phyllostomidae) iwie an die Noctilionidae (Emballonuridae) erinnern, zu denen jie gewöhnlich gejtellt wird. Snzwijchen, jeit Thomas dieje Betrachtungen anftellte, ift nun Gerrit Miller Nevijion der Sledermausfamilien und -gattungen erjchtenen und forwohl Mystacops als jelbjtändige Fa- milte der Mystacopidae aus der Unterfamilie der Molossinae und der ‘zamilie der Nocti- lionidae herausgenommen, wie auch Die Molossinae zur fyamilie Molossidae erhoben worden jind. Nur natürlich, daß der Syitematifer, je tiefer er eindringt, dejto höher die gefundenen Unterjchtede bewerten möchte. Yujammenfajjende Speen, die in der erdgejchichtlichen Wer- gangenheit Verbindungen juchen ziwijchen dem gegenwärtig Vorhandenen, werden aber damit in der Regel nicht gefördert. Im unferem Falle jtüßt jedoch Miller bis zu einem getvijfen Grade die Thomasjchen Bermutungen dadurch, daß er den neujeeländtijichen Mystacops in die unmittelbare Nachbarjchaft der Molossidae ftellt, die jich über die wärmeren Teile beider Erdhälften verbreiten, über Südamerifa jowohl al3 über Südeuropa und Südaften bis nach Neuguinea und Auftralien. Die Flattertiere find ohne Frage diejenige Säugetierordnung, über deren VBorgejchichte wir am wenigjten wijien. Genau genommen, wifjen wir nämlich Darüber gar nichts; denn auch die ältejten Fojitlfunde aus dem Eozän Europas und Almerifas find bereits unzweifel- haste Ktleinfledermäufe. Nach der Logik unferer heutigen Naturanjchauung fünnen wir uns aljo nur denken, daß die TFledermäuje von Hetternden Ur-ferfjägern abjtammen, bei denen die Fallihirmhaut des Flattermafis jich zur wirklichen Flughaut vervollfiommnete. Das muß dann Die ungeheuerliche Entwidelung der Bordergliedmaßen und die übrigen Ber- änderungen am Leibesbau mit fich gebracht haben, die bei den Flattertieren auffallen. 476 Überleitung zu den nächjten Säugetier - Ordnungen. Überleitung zu den närhften Käugetier- Ordnungen. Venn wir das Shitem heute nicht mehr nur als ein Fünftliches Mittel zur Einordnung und Beitimmung der Einzelformen anfehen, fondern darin unfere Überzeugung vom natür- lichen Bervandtichaftsgrade diejer Einzelfornen niederzulegen ftreben al3 Ergebnis immer umfafjenderer und tiefergehenderer Forjchungen, jo muß das Shitem mit dem Fortjchritte der Wifjenjchaft bald an diejer, bald an jener Stelle fich wandeln. An jolcher Stelle find wir jebt angefommen, indem wir zu den fogenannten Jahnarnten (Edentata) übergehen, Tieren, die allerdings zum Teil gar feine Zähne haben, aber durchaus nicht alle zahnarın find. Sm Gegenteil: jie fünnen geradezu zahnreich jein; Doch find auch dann die befannten Säugetterzahngruppen innerhalb desjelben Gebijjes nur wenig ausgeprägt und die ein- zelnen Zähne felbjt ohne Schmeß, überhaupt mehr oder weniger mangelhaft gebildet. Die wirklich” Zahnarmen oder vielmehr Zahrnlojen find Ameijenfrejjer, was ihnen troß jonjtiger Berjchtedenheit gewijje gemeinfame Züge aufdrüden muß; die Bezahnten ge- nießen teils pflanzliche, teils tierifche Koft. Dieje beiden le&teren Gruppen bewohnen ausjchlieglich Südanterifa, wo Jich ihnen noch eine Ameifenfrejjergruppe gejellt; die anderen beiden ameijenfrejjenden Gattungen leben in Indien und Afrika. Ufo auch geographijch jind die „Zahnarmen” fchwer zufammenzubringen und al3 wirkliche VBerwandtengruppe, als natürliche Ordnung, faum zu erfennen. 3 handelt jich hier um die Erdferfel und Schuppentiere der Alten und um die Ametjenfrejjer, Faultiere und Gürteltiere der Neuen Welt, die Mar Weber, unfer neutejter Gemährsmann für die wijenfchaftliche Betrachtung der Säugetiere, auch nicht mehr alle als eine Ordnung der Zahnarmen gelten läßt, jondern in mehrere unter fich und den übrigen gleichwertige Ordnungen zerlegt; freilich hat er dabei jo gewichtige Vorgänger wie A. Dülne- Edwards und W. Flower, die vor Jahrzehnten jchon dasjelbe anbahnten. Dldfied Thomas wollte jogar auf Grund feiner Gebifunterfuchungen die Zahnarmen zu einer bejonderen Unterflajfe erheben und allen übrigen Säugetieren gegenüberftellen. Dem hält Weber mit Necht entgegen, „daß die Edentata jelbjt durchaus feine Einheit bilden. Weder ihr Bau, noch ihre Verbreitung, noch auch die Paläontologie redet einer jolhen das Wort“. Wie ift diefer ganze Befund zu verftehen? Nur fo, daß die Zahnarmen der Alten und Neuen Welt, joweit ihnen die Umeifennahrung gemeinfam ift, eben dadurch, aber auch einzig und allein dadurch, bis zu einem gemwijjen Grade einander genähert find, und daß die ameri- fanijchen Formen der gegenwärtigen Exrdperiode nur die fpärlichen und fehmwächlichen Über- vejte vielgejtaltiger und formenreicher Gruppen großer, ja riefiger Vorwelttiere find. Die amerifanifchen Zahnarmen, Ameifenfreffer, Faultiere und Gürteltiere, gehören näher zufammen, find wirkliche Verwandte und beweisen das, von den ausgeftorbenen Zivi- Ihenformen ganz abgefehen, auch in ihrem jebigen Leibesbau dırcch eine ganz merfwirdige Cigentümlichkeit der Wirbelfäufe, die fie troß großer äußerlicher Verschiedenheit gemein haben. Cie bejigen nämlich außer der gewöhnlichen Gelenfung der lebten Brufttwirbel und der Lendentwirbel an diejen noch ein Ntebengelenf durch befondere Gelenffortfäße umd heißen danach jebt zufammen Xenarthra (d. i. fremdartig Gelenfte oder Nebengelenfer). Überleitung zu den nächften Säugetier- Ordnungen. 477 Die altweltlichen Zahnarmen dagegen, die afrifanifchen Exrdferfel und die afrifanijch- indifchen Schuppentiere, haben weder unter fich noch mit ihren angeblichen Verwandten in der Neuen Welt nähere Beziehungen, auch nicht duch vorweltliche Übergänge. Wenn mir der wirklichen Berwandtjchaft — oder vielmehr dem teilweifen Mangel an folcher — Nechnung tragen wollen, jo müffen wir aljo an Stelle der einen Drdnung der Zahnarmen (Edentata) deren drei annehmen, von denen zivei allerdings nur aus je einer Gattung bejtehen. Wir unterjcheiden jet: 1) die Ordnung der afrifanischen, nach ihrem abweichenden Zahnbau fogenannten Tubulidentata (= NRöhrchenzähner) oder Eröferfel; 2) die Ordnung der afrifanisch-indischen, nach ihrer Leibesbededung mit Hornjchuppen jo- genannten Pholidota oder Schuppentiere; 3) die Drdnung der amerifanijchen, nach ihren Kebengelenfen an Bruft- und Lendenwirbeln jogenannten Xenarthra, die twieder zerfallen in die drei Familien der zahnlofen, wurmzüngigen Myrmecophagidae oder Ameijenfrejjer, der in Hängelage Kletternden, blattfrejjenden Bradypodidae oder Faultiere und der injeften- und aasfreffenden, mit einem Sinochenpanger bevedten Dasypodidae oder Gürteltiere. Fünfte Ordnung: Gröferfel oder Nöhrchenzähner (Tubulidentata). Die Erpdferfel find ausgezeichnet durch ihren eigentümlichen, im Säugetierreiche ganz einzig Daftehenden Yahnbau, der jo nur bet — Nochen und Hatftichen wiederfehrt. Dieje jäulenförmigen, wurzellofen, zeitlebens wachjenden Nöhrchenzähne werden nicht um eine Bahnpulpa abgejchteden, jondern enthalten eine ganze Menge jenfrechter, unten offener, oben gejchlojjener, mit Mark gefüllter Nöh- ren, gewiljermaßen Teilpapillen, um die jich die Zahnjubitanz Durch den gegenjeitigen Wachstumsprudf in Prismenform ablagert, durchzogen von feinen Querfanälchen. Durch ar, Mamma, Domentmaffe werden dann diefe Zahnröhren zu einem Nöhrenzahn verbunden und um- mantelt; Schmelz fehlt vollfommen. Sm Oberfiefer finden wir, folange das Tier jung ijt, in jeder Seite 8, im Unterkiefer 6, bei alten Tieren dagegen dort nur 5 und hier bloß 4 walzenähnliche, wurzellofe, jajerige und aus unzähligen feinen, jenfrecht dicht nebenein- anderjtehenden Röhren zujammengejeßte Zähne, die auf der Kaufläche ausgefüllt, am entgegengejeßten Ende aber hohl find. Der Durchjchnitt eines jolchen Zahnes fieht täu- jchend dem eines jpanischen Rohres ähnlich. Die vorderften Zähne find Fein und eifürmig, die mittleren an beiden Seiten der Länge nach ausgehöhlt, als wenn fie aus zwei zu- jammengemwachjenen Zylindern zujammengejeßt wären, die Hinterjten wieder flein und den erjten ähnlich. Auch einen Zahnmwechjel oder wenigjtens ein Milchgebif, das aber nie- mals durchbricht und in Tätigkeit tritt, Hat Oldfield Thomas nachgewviejen und über dejjen Verhältnis zum endgültigen Gebiß interejjante Aufchlüffe gegeben. Der mifrojfopifche Bau ijt bei beiden ungefähr derfelbe, und doch hat der hinterfte Milchzahn, der viel größer ift als die übrigen Heinen Stiftchen, eine deutlich abgejegte Krone und eine doppelte Wurzel. Leb- terer Befund erlaubt den Rüdjchluß auf eine Nücbildung des Gebijjes aus einem jolchen mit unten gejchlojjfenen Wurzelzähnen, während anderjeit3 der jich gleichbleibende feinere Bau Dinmweilt auf das fogenannte Bafodentin in den Zähnen von Huftieren (Tapir), Walen und Ceefühen, „das gefäßhaltige Bindegewebe, das hier den Zahn durchzieht” und „eigentlich doc) auch nur zahllofe Mintaturpulpen” darftellt. Auch jonjt zeigen die Exrdferfel Beziehungen zu den Huftieren: ihre Grabflauen find viel mehr Grabhufe als Grabfrallen: d. h. troß fichtlicher Anpaffung an ihre Tätigfeit find Erdferfel. 479 fie gegen die des Ameijenbären 3. B. viel platter und umgeben das leßte Zehenglied mehr von allen Seiten. Ebenjo ijt das Gehirn Huftierartig, und zwar dem urfprünglicher, altertümlicher Huftiere ähnlich, wie Elliot Smith eingehend nachtvies. * Die einzige Familie der Dronung jind die Erdferfel (Oryeteropodidae), plumpe Tiere mit diem, ungejchietem, dünnborftig behaartem Leibe, dünnem Halfe, langem, ichmächtigem Kopfe, mwalzenfürmiger Schnauze, die durch eine Art Endfcheibe ettvas Schweinerüfjelähnliches, man möchte falt jagen: Flötenartiges erhält, mittellangem, Fegel- förmigem Schtvanze und furzen, verhältnismäßig dünnen Beinen, von denen die vorderen bier, die hinteren fünf Zehen Haben, die mit jehr ftarfen, jajt geraden und platten, an den Nändern jchneidenden, Hufartigen Nägeln bemwehrt find. Das Maul ift ziemlich groß, die Augen ftehen weit nach hinten, die Ohren find jehr lang. Das Erdferfel (Gattung Orycteropus E. Geoffr.) ift ein Termitenfrejjer und für diejen Nahrungserwerb entjprechend ausgejtattet. Zunächit Durch die Hufartigen Grabklauen, mit denen es nicht nur die oft jehr fejten Termitenbaue zu öff- nen, jondern auch ich jelbjt bei Gefahr erjtaunlich vajch in die Erde einzugraben verjteht. Merkfwirdigerweife find die Borderfüße nur vierzehig, die Hinterfüße aber fünfzehig. Born nehmen die Zehen nac außen an Länge ab und mit ihnen ihre fehr jtarfen, faft geraden, unten platten, an den Rändern jchneidenden, Hufartigen Nägel; hinten find äußerjte und innerjte Zehe jehr verkürzt, die mittlere die längjte, ihre Nägel noch) größer, breiter, flacher, aljo noc) ink ini De Dufartiger al3 die vorderen. Die Zunge ift lang und jchmal, einen Zahn von Oryeteropus aber nicht xumdlich, wurmförmig, wie beim min ek frejjer, fondern plattgedrüdt, riemenförmig, fehr warzenreich; jie wird Durch die jtarfen Speicheldrüjen jtets reichlich angefeuchtet und dient zum Einjchlürfen der daran Flebenden lebendigen Nahrung. Die erbeuteten Jnjekten werden offenbar zuerjt duch die Zähne zermahlen. Da die unteren Zahnreihen etwas innerhalb der oberen fallen und die Abjchleifung der Kaufläche der oberen Zähne jchräg nach unten und außen gerichtet ift, jo ijt Die Bewegung des Unterftefers wohl eine um jeine Längsachje bejchränft rota- torifche. (Weber.) Das wäre eine jehr abjonderliche Bewegungsart, für die faum ein anderer Bergleich fich ergibt als das feitliche Hin- und Herjchieben des Unterfiefers beim WWieder- fauen: alfo wieder eine Huftterähnlichkeit? Der Magen hat lints im Eingangsteile eine fuge- fige, einigermaßen blindjadartige Erweiterung und rechts in Der Uusgangsabteilung viele neb- artige Falten mit jehr jtarfer Musfelvand. Dieje äuferliche Teilung deutet durch die ver- jchtedene Ausitattung auch auf eine große Arbeitsteilung hin: die jtarfe Musfelwand auf eine gewijje mechanijche, zerreibende Tätigkeit, die bei den vollftändig zahnlojen Ameijenfrejjern in verjtärftem Maße wiederfehrt. Die fugelige Erweiterung im Eingangsteil wirkt wohl als eine Art Kropf, und die nekartigen Falten im Hintern Teile vergrößern jicher die abjondernde und aufjaugende Fläche. Das Gehirn zeigt, nach Elliot Smith, eine Annäherung an das Gehirn der Huftiere, von dem e3 fich twejentlich nur unterjcheidet durch jeinen bejonders ftarf 480 5. Ordnung: Erdferfel. Familie: Erdferkel. ausgefprochenen mafrosmatischen (den guten Niecher verratenden) Bau. „Diefer jteht aber befanntlich unter dem Einfluß der Lebensweife. Das Crodferfel Hat nächtlichermweile auf Snjektenjagd zu gehen. Solchen Erfordernijjen entjpricht ein Geruchsorgan, defjen hoch- ausgebildeten zentralen Teilen im Gehirn die peripheren in der Naje felbjt entjprechen. Das periphere Geruchsorgan erreicht beim Exdferfel vielleicht die ftärkjte Entwidelung unter allen Säugetieren. Die Zahl der medialen Niechwülite (Wergrößerungen der riechenden, zunächjt die Geruchseindrücde aufnehmenden Schleimhautfläche) beträgt elf." Wie bei allen guten Exdgräbern it ein großes Schlüffelbein vorhanden, der Oberarm hat ausgebildete Musfelleijten, und Unterarm und Hand können bis zu einem gewiljen Grade um ihre Längs- achje gedreht werden. Das Erdferfel tritt mit der ganzen Sohle auf und ann fich daher auch, roie alle Sohlengänger, ebenjotwohl auf die Hinterbeine aufrichten al3 auf dem Hinterteil auf- vecht jißen. Das dünne, borjtige Haarkleid, das im Verein mit dem Charafter des Fleifches dem Tiere bei den Buren feinen Namen verjchafft hat, ift, nach de Meijere und Weber, als viefgebildet zu betrachten; Weber glaubt, dies namentlich aus dem Befunde an einem Embryo jchließen zu müjjen. Fruchthalter und Muttermund find Doppelt, der Mutterfuchen gürtelförmig. Bon den vier Ziben liegen ziwet am Bauche und zwei in den Weichen. Nur ein Junges wird geboren. Die Hoden liegen meilt in der Bauchhöhle; ein Hodenjad fehlt. Selbft eine fo eigenartige und wenig wandelbar exjcheinende Tierform wie das Erd- terfel, deren weitgetriebene, abjonderliche Ausprägung zunächit faum eine Möglichkeit zur Abänderung erkennen läßt, hat der jcharfen Shitematif unjerer Tage doch Artunterjchiede offenbaren mifjen, die, wie bei anderen afrifanischen Säugetieren, jedenfalls auch mit der natürlichen Gliederung des afrikanischen Feitlandes Hand in Hand gehen. Wir unterjcheiden heute nach Gebif- und Schävdelverhältnijfen, namentlich gewiljen Eigentümlichfeiten des Unterfiefers, aber auch nach äußeren Form und Farbenunterjchieden fechs Arten von Erd- jerfeln aus dem Süden, Diten und Welten Afrikas, und es ijt mit Sicherheit anzunehmen, daß deren Zahl jich noch vermehren wird, wenn exit Unterjuchungsmaterial auch aus den- jenigen Gegenden zur Verfügung jteht, aus denen e3 bis jegt fehlt. Die beiden älteften und befanntejten Arten find: Das Kapijche Erdferfel, O. capensis Gmel. (afer). Ohr 162 mm lang, Beine dunfelbraun, auch Schulter und Oberfchenfel, Körper gelblichgrau mit rotem Anflug, Behaarung der Hinterfeulen dichter, Schwanz länger, Verhältnis zum Körper etiva wie 1:2, innerjte (zweite) Zeche des Vorder- fußes fürzer al3 die nächite (dritte); Süd- und Mittelafrika. Das Athiopifche Erdferfel, O.aethiopieus Sund. (Rücjeite der beigehefteten Tafel). Ohr 140 mm lang (Weibchen 136 mm), Beine Schwarz, Körper blaß gelblich, beim Männchen auf dem Rüden fahlbraun, auf Unterrüden und Schwanzmwurzel einzelne längere jchwarze Borften, Füße dicker und länger behaart, Schwanz halb fo lang wie der Körper (1:2), innerjte (zweite) Zehe des Vorderfußes die Yängite, Schnauze in der Mitte vor den Augen eingedrücdt; Nordoftafrifa (Sennar, Kordofan). Die holländischen Anfiedler am Kap der Guten Hoffnung Haben dem Groferfel, weil dejjen Fleifch im Gejchmad dem des wilden Schweines nahefommt, den Namen Ardvarfen beigelegt, auch von jeher eifrig Jagd darauf gemacht und e3 daher qut fennen gelernt. Yloc) zu Buffons Zeit galt es für ein durchaus fabelhaftes Gejchöpf; diefer Naturforjcher betritt Stolbes erjte Befchreibung, die aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts Herrühtt, ganz entjchieden, obgleich fie auch heute noch für und mehr oder weniger maßgebend tft. Das Kapifche Erdferfel bervohnt Sid- und Mittelafrifa, hier von der Oft- bis zur Weft- füfte veichend, nach Art der Gürteltiere vorzugsweife das flache Land, wüftenartige Gegen- den und Steppen bevöffernd, two Ameifen und Termiten heimifch find. ES ift ein einfames oy1ogpıy saupırdoy fi | Seal IM -(us]dA3y) yasıg nz USED uU9UISI30]00Z USPp Sne auuyeuny joyaoypıy saypjidonyy e a Br . Ei wa Erdferfel: Lebensweife. Grabfertigfeit. Nahrungserwerb. 481 Gejchöpf, kaum gejelliger als die Gürteltiere, obgleich man e3 zuweilen in Gejellichaft anderer findet; Denn ftrenggenommten lebt jedes einzelne Exdjchtvein für fich, bei Tage in großen, jelbjt- gegrabenen Höhlen ruhend, bei Nacht umbherjchweifend. Sr den Steppen Ktordofans, und zivar ebenjomwohl in den mit Dünnem Walde beftandenen Niederungen mie auf den weiten, mit hohem Graje bewachjenen Flächen, two fich nur wenige Büfche finden, habe ich feine Höhlen oft gejehen und viel von feiner Zebensweije vernommen, das Tier jedoch niemals zu Gejicht befommen. Die Nomaden nennen e3 Abu-Delaf (d. i. Water oder Befiker von Nägeln) und jagen ihm eifrig nach. Exjt Heuglin war jo glücklich, eines diefer Tiere lebendig zu erhalten, und konnte auch über die Lebensweije genauere Nachrichten geben. Yon ihm erfuhr ich ungefähr folgendes: Das Erdjchwein jchläft den Tag über in zufammengerollter Stellung in tiefen, jelbjtgegrabenen Erdlöchern, die e8 gewöhnlich hinter fich zufcharrt. Gegen Abend begibt es fich ins Freie, um jeiner Nahrung nachzugehen. E3 läuft feines- wegs bejonders rajch, führt aber ganz eigentümliche und ziemlich weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle den Boden, trägt den Kopf mit den rüctwärts gelegten Ohren jenfrecht gegen die Erde gerichtet, den Nücen gekrümmt und fchleppt den Schwanz zur Erhaltung des Gleichgewichts mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenjpige geht jo dicht über leßterem hin, dab der Haarkranz, der die Nafenlöcher umgibt, ihn förmlich fegt. Bon Zeit zu Zeit fteht das Tier ftill, um zu horchen, ob fein Feind in der Nähe it, dann geht e3 weiter. Dabei wird augenjcheinlich, daß Geruch und Gehör die ausgebildetiten Sinne jind; dent ebenjoviel, wie das Exdferfel mit den Ohren arbeitet, ge- braucht es die Kaje. Den Najenfranz jchnellt es durch eine rajche Bewegung der Najenhaut bejtändig hin und her, und hier und dort richtet e3 prüfend die lange Schnauze empor, um jchnuppernd feiner Beute nachzufpüren. So geht es fort, bis die Spur einer Ameijenheer- trage gefunden ift. Dieje wird verfolgt bis zum Bau der Ameijen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nach Art der Gürteltiere oder noch mehr der eigentlichen Ameijenfreijer. Das Erdferfel Hat eine unglaubliche Fertigkeit im Graben. Wenige Augenblicde genügen ihm vollkommen, um jich gänzlich in die Erde einzumühlen, der Boden mag fo hart jein, wie er will. Beim Graben arbeitet es mit den ftarfen Strallen der Borderfühe und wirft große Erdflumpen mit gewaltiger Kraft rücdwärts; mit den Hinterfühen jchleudert es dann die [oS- geworfene Erde jo weit hinter jich, daß e3 in einen fürmlichen Staubregen eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameijen- oder Termitenbau fommt, bejchnuppert es ihn zuerjt jorgfältig bon allen Seiten; dann geht das Graben 103, und das Tier wühlt jich in die Erde, bis es auf das Hauptneft oder wenigitens einen Hauptgang der njekten gerät. Sr jolche Hauptgänge, die bei den Termitenhügeln meijt 2 em im Durchmejjer haben, fteckt num das Erdferfel jeine lange, Eebrige Zunge, läßt fie mit Ameijen fich bejegen, zieht jte dann mit diejen zurücd und wiederholt das fo lange, bis e3 fich vollfommen gejättigt hat. Manchmal jchlürft es auch geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameijen auf einmal ein; in dem eigentlichen Net der Termiten aber, in dem Millionen diejer Anjekten Durcheinanderwimmeln, frißt es faft wie ein Hund, mit jedem Bijjen Hunderte zugleich verjchlingend. So geht es von einem Bau zum andern und richtet unter den alles verwüjtenden Terniten nun feinerjeits die größte Verheerung an. Mit dem Grauen des Morgens zieht es fich in die Erde zurüd, und da gilt ihm nun ganz gleich, ob es feine Höhle findet oder nicht; denn in wenig Minuten hat e3 jich jo tief eingegraben, wie ihn nötig dünkt, um den Tag in volljter Sicherheit zu ver- bringen. Erjcheint die Höhle noch nicht tief genug, jo gräbt es bei herannahender Gefahr weiter. Keinem Feinde ıjt möglich, ihm nach in die Höhle einzudringen, weil das Exdferfel Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. al 482 5. Ordnung: Erdferfel. Familie: Erdferkel. die ausgejcharrte Erde mit jo großer Straft nach Hinten wirst, daß jedes andere Tier fich beftürzt zurüczieht. Selbjt für den Menfchen Hält es jchwer, ihm nachzugraben, und jeder Säger wird nach wenigen Minuten volfftändig von Erde und Sand bevedt. Das Erdferkel ift außerordentlich vorjichtig und jcheu und vergräbt fich auch nachts bei dem geringjten Geräufch unverzüglich in die Erde. Sein Gehör läßt es die Ankunft eines größeren Tieres oder eines Menjchen von weitem vernehmen, umd fo ijt e8 falt regelmäßig in Sicherheit, ehe die Gefahr da ift. Seine große Stärfe befähigt es übrigens auch, mancherlei Gefahren abzumehren. Der Jäger, der ein Erdferfel wirklich überrajcht und fejthält, it damit noch feineswegs im Bejit der erwünjchten Beute. Wie das Gürteltier jtemmt es jich, jelbjt wenn es nur halb in jeiner Höhle ift, mit aller Kraft gegen die Wandungen, gräbt die jcharfen Sllauen feit ein, Kümmt den Rüden und drüdt ihn mit jolcher Gewalt nach oben, daß es faum möglich wird, auch nur ein einziges Bein auszulöjen und das Tier heraus- suziehen. Ein einzelner Mann vermag dies nie; jelbjt mehrere Männer haben genug mit ihm zu tun. Man verjährt daher ganz Ähnlich wie in Amerika mit den Gürteltieren. Die Ein- geborenen Dftjudans nähern jich vorjichtig dem Bau, jehen an der in der Mündung liegenden Erde, ob ein Exrdferfel darin ijt oder nicht, und ftoßen num plößlich mit aller Kraft ihre Lanze in die Tiefe der Höhle. it Diefe gerade, jo wird auch regelmäßig das Tier getroffen, tft jte frumm, jo ift die Jagd umfonft. Im entgegengejegten Falle aber haben die Leute ziemlich leichtes Spiel; denn wenn auch das Erdjchwein nicht gleich getötet werden follte, verliert es doch jehr bald die nötige Kraft zum Weiterjcharren, und neue Lanzenjtiche enden jein Leben. Gelingt es, Das Tier lebend aus jeinem Gange herauszureigen, jo genügen ein paar Schläge mit dem Stocde auf den Kopf, um es zu töten. Sehr interejfant und anjchaulich berichtet der Gärtner und Pilanzer Guftad Eis- mann aus Braamfontein bei Johannesburg über den Fang eines Erdferfels. Er jagt ein- leitend: „Die Straft des Tieres ift ungeheuer. Mehrere jtarfe Männer jind faum imjtande, das Tier zu bändigen”, und belegt das jehr glaubwürdig durch die nachfolgende Schilde- rung eines tatfächlichen Borganges: „Am Dienstag, den 25. Januar (1898) jchidte ich einen meiner weißen Leute mit einem Kaffern über Land, Baumjänlinge zu holen. Gegen Mittag fehrten die Leute mit dem Wagen zurüd, und der Weihe erklärte mir, er habe eine merk würdige Sache erlebt. Kaum eine halbe Stunde von meiner Wohnung entfernt habe er plößlich im Felde große Erdimafjen 10—12 Fuß hoch jchleudern jeden. Er habe anhalten lajjen und fer vorjichtig zu Fuß Hingejchlichen, um zu jehen, welches Tier wohl die Erdmajjen jchleudere. Nahe genug gefommen, entdedte er große Eromafjen und eine geräumige, jrtjche Erdhöhle, in deren Grunde ein Dices ‚Tierende‘ jichtbar war. Sofort füllte er die ganze Höhle mit der Dadvorliegenden Erde aus und fuhr jo Schnell als möglich zu mir, um mich Davon zu benachrichtigen. Der junge Mann, der aus der Kapfolonie gebürtig ijt, meinte, es müjje ein Erdferfel fein, und bat mich um jech$ biS acht jtarfe Schwarze, um das Tier zu fangen. Ic) gewährte ihm zehn ftarfe Neger und feßte zugleich ein großes Geldgejchenf aus, wenn mir das Tier underjehrt gebracht würde. Das Ausgraben war jehr mühjfanm; es nahm volle jieben Stunden in Anjpruch. Zweimal mußten Quergräben ausgeivorfen werden, der eine bon 6 Fuß, der andere von I Fuß Tiefe; aber beide Male gelang es dem Tiere jchneller, als die Leute arbeiten fonnten, die Sohle der Gräben zu unterwühlen und fich aus der Gefahr zu retten. Da befahl der junge Mann, in einer Entfernung von etiva 10 Fuß einen dritten Gra- ben zu werfen, Dem er eine Tiefe von fait 15 Fuß geben ließ. Kaum war diefer Graben aus- geworfen, da hatte auch das Tier die Stelle erreicht; aber e3 gelangte nicht mehr unter die Erdferfel: Jagd. Fang. 483 Sohle des Grabens, jondern e3 trat im Graben jelbit zutage. Al die Staffern das jahen, jtürzten jte in wilder Flucht nach oben, den jungen Weißen, der, nebenbei jei e$ bemerkt, ein jehr jtarfer Burfche ift, mit dem Tier allein lajjend. Der junge Mann juchte das Tier an den langen Ohren zu faljen, aber das Exrdferfel wehrte jich mächtig, rajte wie toll in der Grube umher, überjchüttete den jungen Mann mit Erde und jekte, als er jich büdte, mehrere Male über ihn hinweg. Auf öfteres Anrufen von jeiten des Mannes famen endlich ein paar itarfe Staffern mit Striden zu Hilfe. Das Tier wurde gebunden und jofort ein Schwarzer zu mir gejchieft, der mir den glücklichen Fang meldete und mich erjuchte, eine große Kifte und einen Wagen zu jenden, um das Tier zu holen. Aus Erfahrung weiß ich, wie gute Dienfte bei der Bewältigung und dem Transport von wilden Tieren jtarfe Säde oft leijten, und daher ordnete ich an, außer einer Stifte große, jtarfe Säcdfe und jtarfe Seile mitzunehmen. Der Wagen fuhr ab. Hier aber beeilten mir uns, aus einem Käfig. der etiva 1,2 m lang, hoch und tief war, und den bisher eine Deutjche Graudrojjel bewohnt hatte, Durch Bejchlagen mit Itarfen Holzleiften einen provtijorischen Stäftg Herzuftellen. Das Tier fam an, der Sad wurde abgejtreift, die Feljeln zerjchnitten und das Tier in den provijorijchen Käfig gebracht. Das Erdjerfel rajte fürchterlich; es dauerte faum 10 Minuten, da war die große Tür eingedrüdt. Sie wurde durch vorgenagelte Bretter verjtärkt. Am nächjten Morgen war das Drahtneg, da3 einjt den Drojjelfäfig decte, an mehreren Stellen vollitändig zerrijjen, und ich mußte daran denken, für das Tier einen andern, größeren Raum zu jchaffen, der ihm Bewegung gejtattete. ch wählte mein leerjtehendes Hyänenhaus, das, meinem Wohnhaufe angebaut, nur aus Eijen, Stein und diden Planfen bejteht. Schnell wurde der ganze Boden zementiert und auch ein großes Wafjerbeden hergeitellt. Das Exdferfel wurde num in das Haus über- geführt und ging jofort ins Wafjer, um fich zu reinigen. Das Haus tft jo geräumig, daß das Tier jich frei bewegen fann, und enthält einen Abjperreraum, der groß genug tft, dem Tier einen dunfeln, trodnen Plaß zu bieten, um jich zurüdzuziehen oder am Tage der Nuhe pflegen zu fünnen. Gefüttert wird es bei mir mit frijcher Milch, täglich etwa 3 Litern, der ich ftetS etwas Maismehl beimifchen lajje, Heingejchnittenem rohen Fleijche und dazu täglich einem Sad Termiten. Bis jebt ift das Tier ganz wohl. Den Tag ver- bringt e3 meijtens im dunfeln Hinterraum, die Nacht aber ijt es munter umd Durch- jchreitet den weiten Vorderraumt.” Die Rolle des Erdferfels (und Schuppentieres) im Haushalte der Natur bezeichnet Lichterfeld jehr treffend „als Schugiwehr gegen die maßloje Vermehrung der Ameijen und Termiten in den Tropengegenden. Die Zunge des Exrdferfels ijt, gleich der des Schuppen- tiere3, fehr lang und jchmal und mit verjchiedenerlei Warzen bejebt. Site fan mittels ring- fürmiger Musfelfafern im Innern jehr weit ausgejtrecdt und wieder zurüdgezogen werden und dient den Tieren beim Durchjtöbern der Ameijen- und Termitennejter gleichjam als Leimrute. Nachdem jie mit den fcharfen Klauen die jteinharten Kehmgemwölbe der Termiten durchbrochen haben, reden fie den langen Kopf mit dem fleinen Saugmunde in das Moyriadengewimmel im Innern und lajjen die Eebrige Junge ihr gejchäftiges Spiel treiben. Alle Augenblide fährt diefe vor und, mit Termiten bejpickt, wieder zurüd. Nur bei einer jo außerordentlichen Beweglichkeit der Zunge und der ungeheuren Verbreitung der Ameijen und Termiten in den Tropen ijt e3 denfbar, iwie ein Gejchöpf, aleich Dem Erdferfel, das über 100 Pfund jchiver wird, mit der winzigen Nahrung fich erhalten fann.” Bei Th. dv. Heuglin jelbit („Reife nach Abejjinten“, 1861/62) heiht e8 über das Erpferfel: „„baleich der lange, jchmale Kopf mit wenig Gehirn und die wenig lebhaften Augen ihm 31* 484 5. Ordnung: Erdferfel. Familie: Erdferfel. ein etwas ftupides Ausjehen verleihen, ijt es jehr behende und lebhaft, fpielt gern, macht drolfige Luftiprünge und Drehungen um fich jelbit, wobei eS jich des Fräftigen Schtwanzes als Stüße bedient. Die Stellung im allgememen ft fänguruhartig, es geht Häufig nur auf den Hinterfüßen, mit zufammengefrümmtent Körper jtch auf den Schwanz lehnend, den Kopf jenfrecht gegen die Erde gerichtet, die langen Xöffel oft zurüdlegend wie ein Haje. In fteter Bewegung tjt die Naje, mit der jeder Fleck bejchnuppert wird, wobei die jpiral- förnig ftehenden Borjten am innern Nande der Nafenlöcher durch immerwährendes rajches Zufammenziehen und Ausdehnen der Muskeln den anhängenden Sand und Staub abbürjten. Hat das Tier einen Sprung in der Erde entdedt, unter dem Ameijen leben fünnen, jo bläft e3 den Staub ab, beriecht ven Vlab und beginnt dann mit Ääußerjter Gewandtheit, Straft und Schnelligfeit mit den vorderen Extremitäten zu graben, die aufgeloderte Erde mit den Hinterfüßen weit zurücdwerfend. Hat es den Bau erbrochen, jo gebt es haftig an die Mahl- zeit; es jcheint, daß Das Exrdferfel die Ameijen mehr mit den Lippen als mit der Zunge fängt, und dieje fallen dann in Menge über den Nuhejtörer, dejjen dide Haut ihn nicht vor ihren Biljen jchügt. Durch Springen, Straßen und Neiben entledigt er jich ihrer wieder. — Für jeinen Urin und die Zojung gräbt das Erdferfel eine Heine Grube, die dann wieder jorgfältig bevect wird. Im Bau jchläft es zufammengerollt. auf der Seite liegend. ch habe nicht bemerft, daß es im Schlaf und bei hoher Temperatur jo ftarf tranfpirtert wie jeine WVer- wandten, die Schuppentiere... Sch habe alt eingefangene und Junge durch Jahre zahm gehalten und jie mit Termiten, Milch, Honig, Eiern, Mehl, Brot, Weintrauben, Datteln, Zuder und dergleichen gefüttert... Sie fennen ihren Herin bald und folgen ihm wie ein Hund. Das Fletjch tft fein, weis und jaftig. Jüngere Tiere find meist jtärfer behaart als die Alten, die jich die jteifen, borjtenartigen Haare in der Erde und im Sand abreiben. Das Weibchen wirft im Mat oder Juni immer nur ein Junges, das ganz unbehaart und Hleischfarben tft”. Nach Jahresiriit it es am ftärkiten behaatt. Der jüngere Sclater, Leiter des Kapftädter Wiufeums, jchreibt in jeiner „Tierwelt Sid- afrifas“ (1907) über das dortige Exdferfel: „Das Exdferfel findet jich mehr in der offenen Landjchaft überall, wo Termitenhügel find; hier macht es jehr große und weite Exrdhöhlen und Baue, die eine bejtändige Gefahr für die Reiter find, weildie Offnungen häufig ziwifchen Büjchen verjtedt jind und fich dann jchwer vermeiden lajjen... Sirby berichtet, daß jie ihre Schwänze benußen, um nahe bei den Ameijenneftern auf die Erde zu jchlagen und in diejen Dadurch eine Banif zu verurfachen... Wenn außerhalb ihrer Baue, werden fie leicht gefangen, weil jie ausnehmenDd jchlechte Läufer find; aber im Bau find fie jchiwer zu erlangen. 63 werden oft Gejchichten erzählt von dem vorgelegten Ochjengejpann, un ein Exrdferfel am Schwanze aus der Erde zu ziehen... Sie find leicht abgetan, und ihr Fleifch, das oft übermäßig fett ift, wird fehr gejchäßt, viel gejalzen und geräuchert.” Nach Bofjeler joll das Exrdferfel in Deutjch-Dftafrifa, „wie das Schuppentier, im Bufch- teppenland zujammen mit diejent vorfommen. Sehr zahlreich find feine Höhlen auf dem ege bon der Bahnftation Niuffi (Ufambarabahn) bis zum Pangani. E3 jcheint, a8 ob auch) Diefe Tiere, wie mehrere jchon früher aufgeführte, ich am Tiebften an von Pflanzen- wuchs gereinigten, feitgetretenen Stellen, wie e3 die Straßen und Wege find, aufhalten und anjiedein. Den Neittieren werden diefe Höhlen oft gefährlich, da fie die dünne Dede des Anfangsteils leicht durchtreten und ftürzen. Die Neger lieben das Fleifch jehr und geben jich deshalb fogar die Mühe, eine fontpfizierte Falle zu bauen, die im Prinzip das nachts den Bau verlaffende Tier duch einen Heinen, von niederen Pflöcen umgrenzten Erdferfel: Freilebenfchilderungen. Gefangenleben. 485 Kral unter einen fehweren Stamnrabjchnitt leitet. Der Stamm ift jo in der Schwebe angebracht, daß das Exdferfel beim Entfernen eines ihm den Austritt verjperrenden Hinder- niffes davon erichlagen toird. Das Junge foll dicht grau behaart fein.” Nach Schillings icheinen im Maffailand die Erdferfel „in der trodnen Jahreszeit einen Winterjchlaf zu halten und zur najjen Jahreszeit nächtlicherweije in der Steppe umiherzujchweifen.” Dsfar Neumann bezeichnet ebenfalls das Exdferfel als eines derjenigen Tiere, die man in Afrika nur durch einen ganz bejondern Zufall zu Geficht befommt. Seine Spuren und Höhlen hat er im Sibaja-Maffailand und hauptjächlich in der Landichaft Umbugtve, füolich vom Manjarafee, mafjenhaft gefunden, das Tier jelbjt aber nicht. „Da fehlt ein guter euro- pätfcher Jagd- und Stöberhund; der hält aber leider das Klima nicht aus. In Umbugmwe waren die Höhlen nicht von Wildjchweinen bejeßt, troßdem aber ebenjo weit, wie wenn Dies der Fall wäre; fie werden alfo gleich von vornherein jo weit angelegt, was ja bei dem diden Hinterförper des Erdferfels auch nicht weiter verwunderlich it. Dies führte uns auf die ‚Höhlen der Warzenjchiweine‘ überhaupt, und wir famen in der Überzeugung überein, daß die Höhlen mwahrjcheinlich immer vom Exdferfel gemacht und von den Schweinen dann benußt werden, weil jte gleich eine für dieje pafjende Weite Haben. — Auf eine andere Frage hatten wir beide aber feine befriedigende Antwort. Woher nimmt ein jo großes Tier, wie das Erdferfel, beim Graben tief unter der Erde die nötige Atemluft, zumal es bei der angeftrengten Arbeit doch wohl auch jehr heftig atmet? Als Menjch hat man das Gefühl, dag man in folcher Lage jehr rafch erjtiden wirrde. Aber twir jehen ja auch bei unferm Fuchs und Dachs, daß fie in folcher exrdegefüllten Sadgafje ganz gut aushalten, wenn fie, vor den Hunden fich verflüftend, frijche Seitenröhren graben.“ Das erjte lebende Exdferfel fcheint 1869 nach Europa, und zivar vom Kap nach London, gefommen zu jein. 1871 fonnte „Der Zoologifche Garten” (nach Field) jchon bon zwei Grdferfelarten berichten, die im Londoner Garten nebeneinander gehalten wurden; Das Hthiopifche war hinzugefommen, und in den legten Jahrzehnten ift das Exdferfel wiederholt nach Europa gebracht worden, hat fich hier auch bei entjprechender Pflege über yahresfrijt gehalten. Ungeachtet feiner Schlaftrunfenheit bei Tage verfehlt es nicht, die Aufmerk- famfeit eines jeden Tierfreundes zu erregen. Jch habe noch hinzuzufügen, da es auch) jigend zu Schlafen pflegt, indem e3 fich auf die langen Hinterfühe und den Schwanz, wie auf einen Dreifuß, ftüht und den Kopf mit der langen Schnauze zioifchen den Vorderbeinen und Schenfeln zu verbergen fucht. Störungen berühren e8 in empfindlicher Weije, und jeder Be- helligung jeitens Unbefannter jucht e8 fich möglichjt zu ertwehren. Hat e3 Erde zu feiner Ber- fügung, fo wirft es in folchem Falle dieje feharrend Hinter fich, um damit den jich Nähernden mwegzutreiben; läßt man fich troßdem nicht abjchreden, jo gebraucht e3 jeinen Schwanz als Verteidigungstwaffe, inden e3 damit nach rechts und Kinfs Schläge austeilt, die Fräftig und wegen der harten, faft jpisigen Borften ziemlich fühlbar find. Nach Verficherung eines Wär- ters joll e8 im Notfalle auch die Hinterfühe zur Abwehr benugen. Man füttert das Tier mit feingehadtem Fleijche, rohem Ei, Ameifenpuppen und Mehlbrei, erjegt ihm Damit jeine natürliche Nahrung jedoch nur jehr unzureichend. Auch unter dem Mangel an Bewegung icheint e8 zu leiden, befommt leicht Gefchtvüre und wunde Stellen und geht infolgedejjen oft früher zugrunde, al3 dem Pfleger lieb ift. Das Hthiopifche Exrdferkel des Berliner Zoologijchen Gartens, auf das fich auch Die bor- ftehenden Angaben beziehen (e3 lebte in den 1870er Jahren), widmete den gröhten Teil feines Dafeins dem Schlafe. „Erft gegen Abend“, erzählt Lichterjeld, „wenn der Närter 486 5. Ordnung: Erdferfel. Familie: Erdferkel. ihm fein Futter gebracht, verließ es feinen mit Sand und Stroh verjehenen Kajten, vedte die Glieder, feßte fich nieder und fraß. Nachdem e3 fich hierauf noc) eine Zeitlang zurüdgezogen, um fein Verdauungsfchläfchen zu machen, erjchten e3 wieder und blieb Die Nacht über noch einige Stunden wach. Das Tier fra täglich andertdalb Pfund gemahlenes Fleijch, eine Handvoll Ameifenpuppen und drei Semmeln in Mil). Was ein einziges Eremplar in der Freiheit hiernad) an Ameifen und Termiten zu feinem Lebensunterhalte bedarf, überjteigt jede Vorftellung in Zahlen.” Später fam auch die füdafrifanifche Art nach Berlin, und beide haben Meifter Miüsel zu ganz bortrefflichen Abbildungen des merkwürdigen Tieres Modell geftanden. Leider wurden nur die Erdferfel des Berliner Gartens in ganz ungeeig- neten Räumen gehalten: auf Holzfußboden in einem \nnenkäfig des alten Affenhaufes. Dort famen fie nie ing Freie, auf natürliche Erde, und fonnten fich nie in ihrer natürlichen Gigenart betätigen. Sn diefer Beziehung hatte e3 ein Fapijches Exdferfel des Hamburger Gartens beifer; ihm wurde im neuen Beutel- und Nagetierhaufe, das aber auch Schweine und Heine Hirfche beherbergt, eine Abteilung mit Außengehege zur Verfügung geftellt, und es fohnte dieje Fünforge durch befonders langes Leben. Sein Pfleger Bolau jchreibt darüber in einem Briefe: „Erdferfel haben wir im Hamburger Zoologijchen Garten wiederholt bald fängere, bald fürzere Zeit gehalten, das leßte lebte faft zivei Jahre bei uns; es ftarb an einer heftigen Entzimdung des Mauls und der Nachenhöhle, das vorleßte hielten wir 2/, Jahre; e3 ging an Aftinomdfoje (Strahlenpilzkrankheit), die die rechte Seite des Oberkiefer3 völlig zerftört hatte, zugrunde. Am beiden Fällen waren die Tiere verhältnismäßig nur furze Zeit frank und befanden fich bei ihrem Tod im guten Futterzuftande, ein Beweis, da toir für fie eine paffende Ernährungsweije gefunden hatten. „Sm Winter betvohnte unfer Exdferfel einen warmen, neben der Heizung belegenen Stall im Känguruhhaufe; e3 fiebte die Wärme, pflegte jich daher in eine Edfe des Stalles an die von der Heizung dirchwärmte Wand zu legen und fich dabei tunlichjt in feinem Strob- (ager zu verfteden. Beim Schlafen lag unfer Exdferfel zufammengefrümmt; es jtedte Die Schnauze zwifchen die Beine und wendete den Schwanz nad) vorn. Jm Sommer bewohnte e8 einen Stall, der auf einen Auslauf ausging. ES wurde täglich, wenn es nicht ettva gar zu arg regnete, ins Freie gelaffen und bejchäftigte fich mit Vorliebe mit Graben und Wühlen im lodern Erdreich. Zumächft legte eg einen unterivdifchen Gang in einer Tiefe von etiva einem Meter den ganzen Auslauf entlang an und baute dann nach recht3 und Iinf3 Geiten- gänge. Stürzte ein Gang ein, fo legte unjer Gräber einen neuen an. ES grub mit den Vor- derfühen und warf den Boden dann mit den ftarfen Hinterfüßen weit nach hinten hinaus. Einen Berfuch, durch tiefere Graben ins Freie zu gelangen, hat es, obtvohl die Umfaljungs- mauer nur 70 cm tief in den Boden reicht, nie gemacht. „Bei fehr warmem hellen Sonnenfchein fchlief unjfer Erdferfel oben auf dem Erdboden, gewöhnlich aber unterirdifch in feiner Höhle. Seine Mahlzeiten verzehrte e3 nur mittags draußen, zum Abendejjen fand e3 jich vor der Tür feines Stalles wieder ein, fragte auch wohl an der Tiir, wenn ihm die Zeit zu lang wurde. Einmal blieb e3 zwei, ein andermal drei Tage lang in feiner Höhle verborgen, nahm während diefer Zeit feine Nahrung zu ich und erichien jpäter wohl und munter am Tageslicht. Eine Stimme haben wir von unjerm Tiere nie gehört, feinen Wärter fannte e8, Tief fich auch von ihm ftreicheln; wurde es ärgerlich, jo wendete es dem Gegner den Rüden zu und fchlug mit den Füßen nach hinten aus.“ Ein forgfamer Pfleger ameifenfreffender Wurmzüngler Hält es für feine Pflicht, ganz bejonders auf die überall Hintaftende Zunge zu achten und feine Pfleglinge vor Berleßungen Erdjerfel: Gefangenleben. Borgejchichte. 487 diejes empfindlichen Organs zu bewahren. Da ift um fo überrajchender die folgende brief- liche Mitteilung des Kölner Tiergartenleiters Wunderlich aus feiner Berliner Lehrzeit: „Daß übrigens eingewwöhnte Zahnarme auch jehr widerftandsfähtg find, bewies der Orycteropus capensis, der anfangs der 1880er Jahre in Berlin Tebte... Er war nachts bei jeinen Unterfuchungen der Käftgwandungen mit jeiner Zunge in einer Rite hängengeblieben und hatte jene, bei feinen Berjuchen, fie loszubefommen, arg verlegt. Morgens hing jte etiva 15 em aus der Mundfpige hervor, war hier, aljo 15 cm von der Zungenjpiße, verlegt und fonnte nicht mehr zurüdgezogen werden. Ste wurde dann behandelt; ob mit einem Des- infiztens oder mit Mlaun, weiß ich nicht mehr. Dünn gefochter Maizenabrei mit Ei fonnte nur mit Mühe genommen werden. Die Wunde heilte aber, und nach und nach fonnte die Zunge wieder zurücgezogen werden, jo daß das Tier nach etwa 14 Tagen wieder völlig hergejtellt war.” Vielleicht gejchieht Doch Derartiges auch in der Freiheit häufiger, und die Zunge hält daher mehr aus, als wir von vornherein zu glauben geneigt jind? Sn die Abftamımung und erdgefchichtlihe Vergangenheit der Röhrchenzähner fünnen wir nicht weit zurücbliden oder vielmehr: jo weit wir auch zurücbliden können, bis ins frühe Tertiär, ins Mittelalter der Erdrinde und ihrer Bewohner, geben uns die vereinzelten Siro- chenfunde feine nennenswerte Aufklärung über die Stammesverwandtjchaft. Nur jo viel jehen wir, daß die Exrdferfel eine jehr „Eonfervative” Säugetierform jind. Denn ein fojjiler Angehöriger der Gruppe aus dem unteren Bliozän, dejjen Kejte auf der Injel Samos ge- funden wurden und von Forfyth Major dem großen franzöjiichen Baläontologen Gaudry zu Ehren Orycteropus gaudryi Maj. benannt find, unterjcheidet jich jo wenig von den (ebenden Arten, daß ex zu derjelben Gattung gejtellt werden mubte. Eine jüngere und ab- weichende Gattung, Plesioryeteropus Filhol, aus der Pleijtozänzeit fand man auf Madagaskar, und die ältejten derzeit befannten Nefte find, nach) Weber, die von Palaeoryceteropus Filhol aus dem Cozän von Südfrankreich, alfo dem ältejten Tertiär. Ihre Zugehörigkeit jcheint aber noch nicht über allen Zweifel erhaben zu fein; um jo weniger jind jte aljo imjtande, „ven Schleier über den Urjprung Ddiefer Tiere” zu lüften. Da bleiben nur Schlüjje auf Grund der Zahn» und Fußbildung, und namentlich die legtere legt tatfächlich den Schluß mehr oder weniger nahe auf eine gewijje Verwandtjchaft mit der yamilie der jogenannten Chalieotherien, die während der ganzen Tertiärzeit gelebt hat und neuerdings zu den Un- paarhufern gerechnet wird. Ahre Hufe jind aber jo Elauenartig, tief gejpalten, Frumm und beweglich, daß große Paläontologen, wie Cupter, Kaup, Gaudry, Gervais, jte für Edentaten anjahen. Durch den unter Säugetieren einzigartigen Yahnbau der Exrdferkel (Bajodentin) ergibt fich anderjeit3 eine gewijje Beziehung zum Tapir, der ja augenfcheinlich ein altertün- fiches und urfprüngliches Huftier ift, und zu der Seefuh (Sirenia), die man jicd) aus dem Huftier durch Anpafjung ans Wajjerleben hervorgegangen denft. So werden wir Die heutigen Exdferfel wohl von alten Huftierartigen (Condylarthra) ableiten dürfen, zumal jie ja auch heute noch gewijje Huftierartige Züge an jich tragen. Sedhite Ordnung: Schuppentiere (Pholidota). Der Leib aller hierhergehörigen Tiere ift auf der Oberjeite mit großen, plattenartigen Hornjchuppen bededt, die dachziegelartig oder bejjer: wie die Schuppen eines Tannen- zapfens übereinander liegen. Dieje Bededung, das hauptjächlichjte Kennzeichen der Drd- nung, it einzig in ihrer Art; denn die Schilder der Gürteltiere und Gürtelmäuje erinnern nur entfernt an jene eigentümlichen Horngebilde, die ihrer Form nac) eher mit den Schup- pen eines Fiiches oder eines Striechtieres verglichen werden mögen als mit irgendeinem andern Erzeugnis der Haut eines Säugetiers. „Die wiederholt ausgejprochene Anficht, daß die Hornjchuppen zementierte (Durch ein Bindemittel verflebte) Haare jeien, entbehrt jelbjt jeden Scheingrundes. Die Schuppen find durchaus mit den Neptilienfchuppen zu ver- gleichen, und der Hautpanzer zeigt nur Unterjchtede, die der Neptilten- und Säugerhaut als jolcher eigen find, jo namentlich auch darin, daß er bei Reptilien durch die Häutung periodijch erneut wird. Bei den Schuppentieren wird der VBerluft, den die Hornjchuppe durch Abreiben fortwährend erfährt, auch fortwährend gedect. Dies gejchieht Durch zivei- jeitig-fymmetrifche, vom Rüden nach dem Bauch abgeflachte, jchwanzmwärts umtgelegte Schuppenpapillen Der Kederhaut, die von Epidermis überzogen jind, und deren Berhornung Anlaß gibt zur Bildung der Hornjchuppen. Die Zahl der Schuppen fchivanft für jede Art aber innerhalb jo enger Grenzen, daß fie fyitenatische Deerfmale liefert. Auch nimmt Die beim Embryo angelegte Zahl der Schuppen nicht zu bei der Größenzunahme des Tieres, jondern nur die Größe der einzelnen Schuppe.” (Weber.) ur genaueren Sennzeichnung der Schuppentiere mag folgendes dienen. Der Leib it gejtredt, ver Schwanz lang, der Kopf Hein, die Schnauze fegelfürmig zugejpißt, Vorder und Hinterbeine find Furz, die Füße fünfzehig und mit fehr ftarfen Grabfrallen bewehrt. Das Endglied der Zehen ijt tief geipalten, was bei Erdgräbern mehrfach vorkommt, und die oben- aufliegende Stlaue Hat porn unten eine voripringende Leijte, mittels deren fie jich bejonders jet in die Zehenfpige einjeßt. Nur ander Stehle, der Unterjeite des Leibe und an der Ssnenfeite der Beine fehlen die Schuppen, während der ganze übrige Teil des Leibes von dem Harnifch umhüllt wird. Alle Schuppen, die mit der einen Spike in der Körperhaut haften, find von rautenförmiger Geftalt, an den Rändern fehr feharf und dabei ungemein hart und jet. Die Anordnung ermöglicht eine ziemlich große Beweglichkeit nach allen Ceiten hin; die einzelnen Schuppen können fich ebenfowoht feitlich hin und her fchieben, wie der Länge nach aufrichten und niederlegen. Zroifchen den einzelnen Schuppen und an den freien Stellen des Körpers ftehen dünne Haare, die fich jedoch zuweilen am Bauche gänzlich Allgemeines. 489 abreiben. Die Schnauze tft jchuppenlos, aber mit einer feiten, hornartigen Haut überdeckt. Zähne fehlen den Schuppentieren ganz, und da mit ihnen das Kaugefchäft entfällt, jo ver- mijjen wir auch die ganze darauf bezügliche Ausstattung des Schädel mit Jochbogen, Leiten und Kämmen. Der Schädel hat vielmehr im Hirnteil ein ähnlich glattes, rund- liches Ausjehen wie der Ameijenfreijerschädel, nur daß er im Schnauzenteil nicht fo röhrenartig verlängert ift. Das alles müfjen wir Heute, wo wir nicht mehr an wirkliche, nähere Stanmmesverwandtjichaft der Ameijenfrejjer und Schuppentiere glauben, als Ston- vergenzerfcheinungen auffaljen, als Ähnlichkeiten, die troß verjchiedener Abftammung dırcd) gleiche Kebensumftände und Lebensweije jich herausgebildet Haben. 14—19 Wirbel tragen Nippen, 5 find rippenlos, 3 bilden das Streuz und 24—46 den Schwanz; die Rippen jinDd breit, und ihre Sinorpel verfnöchern im Alter faft vollitändig; auch das Bruftbein tft breit. Die Bedenfnochen jind jegr jtarf, Die Handfnochen bejonders fräftig. Ein eigner breiter Muskel, der, wie bet dem Sgel, unter der Haut ftegt und fich zu beiden Seiten der Wirbeljäufe hinabzieht, vermittelt Die Zujammentollung oder Kugelung des Körpers. Außerordentlich große Speicheldrüjen, die fajt bis zum Brujtbein herabreichen, Itejern der Zunge den nötigen Schleim zur Anleimung der Nahrung, die aus n- jeften, vorzugswetje wohl aus Almtei- jen und Termiten, bejteht. Das jchon erwähnte Haarkleid hat, nach Weber, der fich im Anjchluß an jeine Sorfenungsreiie In Ten gar Bnsker 2 Sau nit me eiimafr von Super, cm Känafgntt ländijch = Dftindten mit der Anatomie "Aus Weber, „Die Säugetiere”, Jena 1904. | und Entwidelungsgejchichte ver Schup- pentiere bejonders bejchäftigt hat, jeine Bejonderheiten, die jich aber wohl aus jeiner ge- ringen, Durch das Schuppenkleid jehr geminderten Bedeutung erklären. „m Gebiete der Schuppen erlitt e8 Reduktion, indem höchitens ein bi vier borftenartige Haare ohne Mark am Außenrande der Unterfläche jeder Schuppeniwurzel, jomit hinter jeder Schuppe ftehen. Bei den aftatifchen Arten erhalten jie jich zeitlebens, injofern fie nicht durch Abreiben oder jonfttvie verloren gingen; bei den afrifanijchen treten fie nur in der Jugend auf. Auffällig ift bei allen die jpäte Entwicelung der Haare; auch ift hervorzuheben, daß jchmwellförper- haltige Haare mit perifollifulärem Blutjinus (d. h. Tajthaare mit Bluträumen an der Wurzel) an der Schnauzenjpibe auftreten.” Der Hauptmafje der törperhaare fehlen aber die üblichen Talgdrüjen ganz: jedenfalls auch eine Rücbildungserjcheinung. Dafir münden am After unabhängig von Haaren große bohnenförmige Drüfenjäde, die den Enddarm umfafjen. Sonft fehlen Hautdrüjen durchaus, jelbjt an Stellen, wo jte fonft immer vorhanden find, wie in den Augenlivern. AUbgejehen natürlich von den im Dienst der Fortpflanzung ftehenden Milchdrüjen! Dieje treten in einem bruftjtändigen Paare auf, deren Zite in der Achjelhöhle liegt. Unter den Sinnen fteht der Geruch obenan. Das beweijen jorwohl die umfangreichen Niechlappen des Gehirns, die in einer jelbjtändigen Grube der Schädelhöhle liegen, als die Nafe jelbjt mit der ftarfen Vergrößerung ihrer wirffamen Schleimhautfläche Durch ausgedehnte Niechwülfte. Der Geruch ift ja auch der Sinn, der dem Schuppentier am beiten auf die Spur feiner meift unterivdijch Tebenden Nahrungstiere, Termiten und — I Z SE I ——— — ee = 490 6. Ordnung: Schuppentiere. Ameijen, hilft. Dagegen ift dag Auge auffallend Hein, nur von Erbjengröße, und jeinen dien, fteifen Lidern fehlen, twie erwähnt, alle Drüfen, was jonft bei Landjäugetieren nicht wieder vorkommt, weil bei diejen die Augenkider für ihre unzähligen Bewegungen geichmeidig erhalten werden müfjen. Auch das Ohr tritt äußerlich Faum hewvor, ijt aber vollitändig ausgebildet, zeigt nur in der Form des jogenannten Steigbügel® unter den Sehörfnöchelchen eine gewilje Reptilienähnlichkeit. Die außergewöhnlich lange, nach vorne zu abgeflachte Zunge ift, entjprechend ihrer Bedeutung für das Schuppentier al3 Ameifenfreifer, auf der Höhe einer reichlichen und zwedentfprechenden Ausftattung mit außerordentlichen Hilfsapparaten. Sie ift weit bor- itreefbar und ftectt in der Auhe in einer Zungenfcheide, zurückgezogen durch eine fomplizierte Muskulatur von weit getriebener Ausbildung. Weiter bewirkt dieje Jungenmusfulatur jogar eine derartige Ausdehnung und Umgeftaltung des Bruftbeins, daß man Vergleiche mit den Reptilien hat ziehen wollen. Doch handelt es jich durchaus nicht um Neptiltenähnlichkeiten, jondern nur um Anpafjungen, „Einrichtungen rein adaptiver Art in Verbindung mit der Fähigfeit, die lange, wurmförmige Zunge weit hervorzuftreden.‘ Ber den ajiatijchen Schuppentieren ift das hintere Ende des Bruftbeins, das jogenannte Bruftbeinjchwert, einfach verlängert und endet in eine abgerundete, verbreiterte Sinorpelplatte nach Art einer Schaufel, jederjeitS mit vorwärts gerichteter Zinfe. „Bei den afrifanijchen Arten jind daraus zwei lange, fnorpelige, an ihrem Ende verichmolzene Stäbe getvorden, die bei Manis tricuspis tvieder zivei Sinorpelftäbe entjenden, die riidwärts fich auch ihrerjeits der- einigen. Diejer Apparat hat hier jolche Länge, daß er außerhalb des Bauchfells längs der untern Bauchwand zum Beden zieht, hier jtch umbtegt und längs der oberen, nach dem Nücen gelegenen Bauchwand bis zur Niere geht. Bon ihm entjpringen in verwidelter, durch Ehlers bejchriebener Weije Die Musculi sternoglossi (Bruftbein-Zungenmusfeln), die umjcheidet werden durch eine Musfelmafje, in welche die Musfeln des Zungenapparats eingegangen jind. Sie haben ihre Berbindung mit dem Zungenbein verloren infolge unverhältnismäßiger Verlängerung der Zunge, wodurch die ZYungenjcheide nach Art eines Blindfades bis in die Brufthöhle eingeftülpt ift und die genannten Musfeln gleichjam vom Zungenbein abgelöft und nach hinten gedrängt wurden.“ (NWeber.) Das Schlüffelbein fehlt nach Weber, ein Befund, der einigermaßen verwundern fann, zumal die Schuppentiere „mit Ausnahme von Manis gigantea und temmincki gute Stlet- terer jind und fähig, jich aufzurollen. Den Eletternden Formen ijt eine nadte Stelle an der Unterfeite der Schtwanzjpiße eigen, die vielleicht al3 Taftorgan fungiert”. Nadte Unter- jeite des Schwanzendes finden wir übrigens bei allen fletternden Säugetieren, die bet Diejer Bewegungsart den Schwanz benugen. Beim Laufen auf der Erde werden der dritte und vierte Finger des Vorderfußes mit ihren bejfonders großen Klauen eingejchlagen getragen, wie bet den Ameifenfreijern. Unter den Eingemweiden erfährt der Magen eine weitgehende Umbildung jeiner innern Einrichtung, die alß Erjaß für die fehlenden Zähne auf ein mechanijches Zerreiben und Aus- prejjen der Nahrung abzielt, wie wir dies jonft nur bei den Bögeln finden. An Stelle der innern Schleimhaut erhält der Magen zum größeren Teile eine Hornhaut, und zwar im AUnfangsteile ein jogenanntes Vflafterepithel aus großen, flachen Zellen und im Endteile fogar Hornzähne. Der drüfige, Verdauumngsfäfte abjondernde Teil wird auf die Mitte eingeengt und bejteht bei Manis javanica, abgejehen von vereinzelten Drüfengruppen, nur noch aus der großen Magendrüfe, einem eingeftülpten Drüfenfeld mit einem gemeinfamen Ausführungsgang. Allgemeines, 491 „Soweit ijt der Magen bon Manis in einzig Daftehender Weije jpezialifiert und eingerichtet auf die aus Ameijen und Termiten bejtehende Nahrung. Da Zähne fehlen, gelangen jte im Ganzen (ungerfleinert) mit dem Sefret der Speicheldrüfen in den Magen. Zujanmen mit Sand und verjchludten Steinchen bi3 zu Exbjengröße werden jie im Magen zerrieben, jein verhorntes Pflafterepithel jchüßt ihn Dabei. Die wenig zahlreichen, weiten Drüfenöffnungen ergießen ihr reichliches Sefret in den Mageninhalt, dejfen chitinöje Teile eine lebte Be- arbeitung im pyloralen (End-)Teil durch das Triturationsorgan (die zerquetjchenden Horn- zähne) erfahren.” Nach diefer Hochwifjenschaftlichen Darftellung Webers möge hier noc) Bölfches derb=-launige, gerade dadurch aber um fo anjchaulichere Schilderung desjelben Gegenjtandes Pla finden: „Warum joll nicht der ganze auapparat auch einmal über den Schlund Hinabrutfchen, warum foll nicht der Wagen jelber Zähne entwidelr?... Tritt die Fracht aus harten Ameijenleibern und Sandförnern durch die Speijepforte in diejen Raum, fo jtehen ihr auch hier nicht weiche Zellwände gegenüber, jondern harte Mauern aus Hornmajje, geeignet, einen energischen Widerjtand auszuhalten und auszuüben. Aus ein paar großen Dejtillierflafchen fließt zerjegende Flüfjigkeit. m Hintergrunde des Naumes aber, dort, wo die abjteigende Treppe ich öffnet, bilden die beiden Wände in engem Sorridor eine Doppelte Säge aus Hornzähnen, deren Zaden fcharf gegeneinander arbeiten. Gewaltige Muskeln fegen diefen Apparat, der im Heinen an das jchredliche Solterinftrument der mit gefreuzten Schwertern erfüllten ‚eifernen Jungfrau‘ erinnert, in Bewegung. Er faut mit feinen beiden Zahnreihen — zerfaut auch die härtejten Ehitin- panzer der ganz verjchluckten Ameijenleiber Klein wie das bejte Gebik. Behaglich ruht das Schuppentier im Berdauungspufel, jein zahnlofes Schnäuzchen regt jich nicht oder mummelt nur einmal greifenhaft. Tief drinnen aber unter dem Schuppenpanzer beißt und faut der Magen an den verjchlucten Brocden mit feinem Magengebif, Enadt die harten Yüjje der Ameijenleiber und reibt jie mit dem Sand zu Pulver und Brei, daß der Darın jie ohne jede ernjte Sndigeftionsbejchwerde verwerten fanıı. So hat diejes Schuppentier, als es auf Grund irgendeiner befondern Erbanhänglichfeit gerade das alte, abgejchaffte Saurterfleid aus harten Hornfchuppen noch einmal bet fich äußerlich bevorzugte, wie vorgejuchten Altväter- franı, Doch zugleich in feinem Innern diefe Hornjchuppenbildungen zu einer fühnen Neuerung verwertet, die zu den jeltjamften Spezialerfindungen im ganzen Wirbeltierreich gehört.“ Die Schuppentiere werfen angeblich nur ein fehr ausgebildetes Junge, das jich auf frühen Entwicelungsjtadium auszeichnet Durch außerordentliche Länge des Schmwanzes, auch wo Diejer jpäter, 3. ®. bei Manis javanica, hierdurch nicht mehr auffällt. Die PBlacenta bietet auffallende Übereinftimmung mit der Pferdeplacenta. Ein großer Teil Afrifas und ganz Südajten jomwie einige anliegende Injehr jind Die Heimat diefer jonderbaren Tiere, Steppen und Waldgegenden in Gebirgen tie in Ebenen ihre Aufenthaltsorte. Wahrfcheinlich wohnen alle in jelbitgegrabenen Höhlen, einjam und ungejellig, bei Tage verborgen, bet Nacht umherjchweifend. In Kordofan fand ich die Baue des Steppenjchuppentiers in großer Anzahl; doch nur einmal gelang es uns, ein Schuppentier zu erhalten. Bei weiten die meijten Höhlen waren unbewohnt, woraus hervorgehen dürfte, dat auch die Schuppentiere, wie die Ametjenfrejjer oder Gürteltiere, mit Anbruch des Tages jich eine neue Höhle graben, wenn es ihnen zu weit und un- bequem ift, in die alte zurückzufehren. Wie man an gefangenen beobachtete, jchlafen jte bei Tage in zujammengerollter Stellung, den Stopf unter dem Schtwanze verborgen. Mit Anbruch der Dämmerung erwachen fie und ftreifen num nach Nahrung umher. hre 492 6. Ordnung: Schuppentiere. Familie: Schuppentiere. Bewegungen find gar nicht jo langjam und träge, toie man früher angenommen hat. Bon einer in Weftafrifa, in Liberia, beobachteten Art, Manis gigantea, jagt Büttifofer: „Diejes Tier läuft, entgegen den Angaben in Büchern, fehr jchnell, jo daß ein Mann es faum einholen könnte, und richtet jich auf der Flucht bisweilen auf Hinterbeinen und Schwanz auf, um fich umzufehen, wobei es feine VBorderfühe hängen läßt. Da das Tier jich weder aufrollen noch in feiner Höhle umdrehen fann, hat leßtere einen befondern Eingang und Yus- gang.“ Außerdem bejtätigt unjer Gewährsmann die Tatjache, daß zwei andere afrifanijche Ycten, Manis longicaudata und M. tricuspis, ebenfalls gute Läufer und zudem geivandte Baumtffletterer find; von M. trieuspis jagt er: „Wird zahın und fann lange Beit in Häufern gehalten werden, wo man fie frei herumlaufen läßt, weil jie den Ameijen, Ktaferlafen und anderen läftigen Snfekten eifrig nachjtellen. Sehr behende Tiere, die im Umjehen die Dächer der Häufer und Stämme der Bäume erflettern.” Diejelbe Gejchielichfeit im Stlettern bemerkte Sir Emerjon Tennent an einer ajtati- ichen Art, an dem Bangolin der Malaten. „Sch hatte”, jagt er, „immer geglaubt, daß der Bangolin ganz unfähig wäre, Bäume zu befteigen, wurde aber von meinem zahmen eines Bejjern belehrt. Auf feiner Ameijenjagd bejtieg er Häufig die Bäume in meinem Garten und Hetterte ganz gejchiet mit Hilfe der Fralligen Füße und des Schwanzes, vermittelt Defjen er ven Baum in fchtefer Richtung fahte.” Auch ein Schuppentter, das Burt beobachtete, wollte immer an den Wänden emporflettern. Aus anderen Mitteilungen erfahren wir, daß Das Tier geradezu die etwas gejträubten Schuppen des Schwanzes benußt, um fich an die Rinde der Bäume anzuftemmen. „Um die Lebensweije zu beobachten”, jchrieb mir Haßfarl, „habe ich mir auf Java mehrmals Schuppentiere gefauft, jte aber niemals lange bejejjen, weil mir fein pafjender Raum zu ihrer Unterbringung zur Verfügung ftand und ich fie, nach Art der Eingeborenen, mittels einer Schnur an einer ihrer Schuppen befejtigen und an einen Baume anbinden mußte. Auf legteren Hetterten jte jehr jchnell und gejchieft; jte müjjen aber auch auf dem Boden aut fortfommen fönnen, weil ich Diejenigen, welche mit Verluft ihrer Durchbohrten Schuppen entjlohen, niemal3 wiederzuerlangen vermochte.” Die einzigen Laute, die man von Schuppentieren vernommen hat, waren ein Schnarren, Ziichen oder Fauchen. Geficht und Gehör jcheinen jehr jchwach entwicelt zu fein, und der Geruch ist wohl auch nicht bejonders, wenn auch diefer Sinn das Tier bei feiner ago leitet. Das einzige Junge, welches das Weibchen in jeiner Höhle wirft, ijt etiva 30 em lang und gleich bei Der Geburt bejchuppt; Doch jind die Schuppen weich und nament- lich gegen die Schnauzenspiße hin nur wenig entwidelt. Swinhoe erhielt aber eine Samilie, die aus beiden Alten und drei Jungen bejtand. Das Tleijch wird don den Eingeborenen gegejjen und als wohlichmedend gerühmt, der Banzer von diefem und jenem Volfsftamme zum Schmude verjchtedener Gerätjchaften verwendet; die Schuppen gelten bei verjchiedenen innerafrifanijchen Bölferfchaften aß ZJaubermittel oder Talismane und dienen den Ehinejen in der Heilfunde zu allerlei Duackjalbereien. Hier und da Kagt man über den Schaden, den Schuppentiere durch Unterwühlen von Nubpflanzen verurfachen; im allgemeinen aber machen jich die harmlofen Gefchöpfe Durch Aufzehren von Ameifen und Termiten nur verdient. Die Shftematif der Schuppentiere hat, nach Trouefjarts Säugetierfatalog zu urteilen, feine umfaffende Bearbeitung mehr erfahren, feit Matfchie in der Sanuarfißung der Berliner Gejellichaft Naturforichender Freunde „die natürliche Verwandtfchaft und Verbreitung der Manis-Irten“ 1894 einer Prüfung unterzog. Er fam dabei in ausführlicher Begründung bon der bis dahin üblichen Einteilung in eine afrifanifche und eine afiatifche Untergruppe ab, Allgemeines. Langihwanzjehuppentier, 493 aller Anfchein nach mit Recht, beeinflußt von der merfwürdigen Tatfache, dat in Weftafrifa drei Schuppentierformen nebeneinander vorfommen, während im ganzen übrigen Afrika und in Alten, wo überhaupt, überall nur eine Art lebt. Nach Matjchie Haben wir in der einzigen YJamilie jieben Schuppentierarten zu unterjcheiden und diefe nach ihrer näheren Berwandtichaft untereinander folgendermaßen anzuordnen: Unterarme behaart; Schwanz viel länger al3 der Körper; Schuppen breit, zum Teil in eine gefielte Spiße auslaufend; die behaarten Teile dunkelbraun: Manis tetradactyla Zinn. BWeltafrifa vom Gambia bis zum Kunene. Schuppen jchmal, zum Teil in drei gefielte Spiben auslaufend; die behaarten Teile weiß: M. trieuspis Raf. Weitaftifa vom Gambia bis zum Kunene, Unterarme mit Schuppen bededt; Schwanz höchitens jo lang wie der Körper; Mittelreihe der Schwanzjchuppen reicht nicht bis zur Schwanzipige; Unterjeite der Schwanzipiße ohne nadten Fled; Schwanz jpit zulaufend: M. gigantea IN. Beitafrifa vom Gambia bis zum Kunene. Schwanz am Ende abgerundet: M. temmincki Smuts. Siüdafrifa nördlich vom Baalflug, Oftafrifa bis 179 nördl. Br. Mittelreide der Schwanzihuppen reicht ununterbrochen bis zur Schwanzipige; Unterfeite der Shmwanzipiße mit nadtem led; Schuppen der Körperfeiten und Hinterfüße nicht gefielt; Klauen der Hinterfüße viel Heiner al? die der Vorderfüße: M. pentadactyla Zinn. Borderindien, Ceylon. Schuppen der Körperfeiten und Hinterfüße gefielt; Klauen der Hinterfühe viel Heiner als die der Borderfüße: M. aurita Hodgs. - Himalaja (Burma) und Südchina (Infeln Hainan und Formofa) bis zum Wendefteis, Schuppen der Körperjeiten und Hinterfüße gefielt; Klauen der Hinterfüße nur wenig fürzer alS die der Borderfüße: M. javanica Desm. Hinterindien jüdlicd) vom Wendefreis, Sunda-|nfeln. Matjchte führt auch ein biologijches Diontent für jeine Anordnung an: er hält fie nicht zuleßt deshalb „für natürlich, weil fie durch die Lebensweije der Tiere beftätigt toird. Bütti- fofer erwähnt, daß jowohl Manis tetradactyla al3 M. tricuspis getvandt auf Bäume flettern, während M. gigantea jehr jchnell auf der Erde läuft. Von M. temmincki weiß man durch Heuglin, daß es in der Steppe lebt; Blanford erwähnt nur von M. javanica, daß fie zuweilen Bäume bejteigt.” Das Langjhwanzjchuppentier, Manis tetradactyla Zinn. (longicaudata), hat eine Gejamtlänge von 1—1,3 m, wovon beinahe zwei Drittel auf den Schwanz fonmten. Bei jüngeren Tieren hat der Schwanz die doppelte Leibeslänge und wird exit jpäter durcch das fortjchreitende Wachstum des Leibes verhältnismäßig fürzer. Diefer ift faft walgenförmiag, mäßig did, jtark geftreckt und geht allmählich auf der einen Seite in den ziemlich Furzen Hals und in den Kopf, auf der andern Ceite in den Schwanz über. Die Nafe ift vorjtehend, die Mundjpalte Hein, der Oberftefer ragt über den Unterkiefer vor; die Augen find Hein und 494 6. Ordnung: Schuppentiere. Familie: Schuppentiere. blöde, die Ohren äußerlich faum fichtbar; denn an der Stelle Der Ohrmufchel jteht man nur | eine wenig hervorragende Hautfalte. Die Beine find kurz, plump und faft gleichlang, ihre Zehen unvollfommen beweglich, die Scharrkrallen an den Vorderfühen bedeutend größer als die Nägel der Hinterfüße, die Sohlen did, jchivielig und nadt, dabei namentlich an den Hinterfüßen nach unten ausgebogen, jo daß die Strallen beim Gehen den Boden faum berühren. Der lange und breite, etwas flachgedrücte Schwanz verjchmälert fich von feiner Wurzel allmählich gegen das Ende. Die Schuppen beveden, mit Ausnahme der unteren Außenfeite der Vorderbeine, die ganze Ober- und Außenfeite des Leibes und am Schwanz auch die Unterfeite, fteife Borften die fchuppenlofen Stellen. Geficht und Kehle ericheinen faft ganz fahl. Die außerordentlich feiten und fcharfichneidigen Schuppen find in der Mitte des Nidlens am größten und bilden, am Stopfe und an den Leibezjeiten, ven Beinen und dem Schwanzende, am Streuze und auf dem Rüden zujammengezählt, elf Längsftreifen, zwiichen denen nirgends Borften jtehen. Auf dem Rüden jind fie platt, amı Rande des Schwarzes Hohlziegeln ähnlich, an den Leibesjeiten haben jie die Gejtalt einer Lanzette. Zwei bejonders große Schuppen liegen hinter den Schultern. Gewöhnlich befteht die Mittel- reihe auf der Oberjeite des Körpers am Ktopfe aus 9, am Nummpfe aus 14 und am Schwanze aus 422—44 Schuppen. Die Gejamtfärbung des Banzers tft jchwärzlichhraun und ins NRöt- liche jpielend; Die einzelnen Schuppen find am Grunde jchwarzbraun und an den Rändern gelblich gejäumt, außerdem Yängsgeftreift. Die Borjtenhaare jehen jchwarz aus. Die Heimat des Tieres ist Weftafrifa. Jm Südfamerun-Gabuner Urwaldgebiet wird es, nac) George X. Bates, „Ka genannt. Derjelbe Beobachter berichtet auch: „Wenn man fie mit Gewalt aufrollt, jprigen jie in Heinen Mengen eine jcharf äbende Flüfjigfeit aus; ettwas Davon, was in einer Vorhalle der Benito-Nüfjton niederfiel, entfärbte dauernd Die Tünche. Hier fann wohl nur der Harn des Tieres gemeint fein, der durch den ftarken Drud ausgepreßt wird. Die erjte ausführlichere Nachricht über die Lebensart gab Desmarchais. „Zn Guinea jindet man in den Wäldern ein vierfüßiges Tier, Das die Neger Duoggelo nennen. &3 ift vom Halje bis zur Spite des Schiwanzes mit Schuppen bededt, die falt wie die Blätter der Arttjchoden, nur etivas jpißiger geftaltet find. Sie liegen gedrängt aufeinander, find die und Itarf genug, um das Tier gegen die Strallen und Zähne anderer Tiere zu bejchügen, die es an- greifen. Die Leoparden verfolgen es unaufhörlich und haben feine Mühe, es zu erreichen, da e3 bei weitem nicht jo Schnell läuft wie fie. ES entflieht ziwar; weil es aber bald eingeholt ijt und weder feine Stlauen noch fein Maul ihm eine Waffe gegen die fürchterlichen Zähne und Sllauen diejer Naubtiere gewähren, jo fugelt es fich zufammen und fchlägt den Schwanz unter den Bauch, jo daß es überall die Spiben der Schuppen nach außen fehrt. Die großen Klagen wälzen e3 janft mit ihren Stlauen hin und ber, ftechen jich aber, jobald fie rauher zugreifen, und jind gezwungen, es in Ruhe zu lafjen. Die Neger fchlagen es mit Stöden tot, ziehen es ab, verfaufen die Haut an die Weißen und ejjen fein Fleijch.“ Büttifofer, der unjere Tiere in Liberia beobachtete, berichtet von ihnen: „Sehr ge- wandte und fchnelle Stletterer, werden oft in Baumgabeln und Baumböhlen, zu einer Kugel aufgerollt, jchlafend gefunden. Sch hatte eine Zeitlang eines diefer Tiere lebend; wir füt- terten es mit Larven aus den pilzartigen Termitenbauten, die wir zu diefem Ziwvede aus dem Walde Holen und zertriimmern ließen. &3 fletterte mit der größten Behendigfeit an den Wänden bis ins Dach hinauf und durchjtöberte diejes nach Infekten, befonders nach den läftigen Haustermiten.” Schuppentiere 1. 1. Weißbauch-Schuppentier, Manis tricuspis Raf. Iın Zoologischen Garten zu Frankfurt a. M. aufgenommen von Frau Dr. Roeßler. 2. Weißbauch-Schuppentier, Manis tricuspis Raf. Im Zoologischen Garten zu Berlin aufgenommen von Georg E.F. Schulz. 4 3 u. 4. Weißbauch -Schuppentier, Manis tricuspis Raf. Im Zoologischen Garten zu Frankfurt a. M. aufgenommen von F. Winter. Langjhwanz-, Dreizadiges, Steppenfchuppentier. 495 Bon der zweiten etivas Fleineren lanajchwänzigen Art Wejtafrifas, dem Dreizad- over Weigbauchjchuppentier, Manis trieuspis Raf., gibt jchon 2. Frafer in feiner „Zoologia typica“ eine anziehende Schilderung aus dem Gefangenleben in ihrer Heimat: „Während meines furzen Aufenthalts auf Fernando Bo gelang es mir, zwei lebende Exemplare dDiefes Tieres zu erhalten, die augenscheinlich noch nicht ausgemwachjen waren. ch hielt jie lebend ungefähr eine Woche lang und ließ fie in einer Stube laufen, wo fie jich von einer fleinen jchwarzen Ameije nährten, die in den Häufern und fonjt überall jehr zahlreich und läftig ift. Obwohl faum gefangen, zeigten fie wenig oder gar feine Furcht, jondern fuhren fort, in dem Raum herumzuflettern, ohne jich um nrein gelegentliches Eintreten zu fümmtern. Sie jtiegen an den etwas rauh behauenen Edpfojten, welche das Gebäude trugen, mit ver größten Leichtigfeit empor, und wenn fe die Dede erreicht hatten, famen fie mit dem Stopfe vorwärts wieder herunter, manchmal rollten fe jich zu einem Ball auf und ließen fich Herunter- jallen, und das gejchah offenbar, ohne daß jie irgendwelchen Schaden von dem Falle dadon- trugen; denn diefer wurde bis zu einem gewwijjen Grade gebrochen durch die Halb nachgeben- den Schuppen, die Durch die Krünmmung des Körpers zu jenfrechter Stellung aufgerichtet wurden. Beim Sllettern wurde der Schwanz mit feinen jcharf zugejpisten Schuppen auf der Unterfeite benugt, um die Füße zu unterftüßen, und der Griff der Hinterfüße mit der Schwanzhilfe war jo fräftig, daß das Tier den Körper rückwärts jtreden konnte (wenn e3 fo auf einem Pfojten jaß) bis zu wagerechter Stellung und fich Hin und her jchwenfen, und dieje Übung machte ihm offenbar Spaf. 3 jehläft ftetS mit eingerolltem Störper, und wenn e3 jo in einer Ede des Haujes lag, jo war ich nicht imftande, zufolge der Stellung und Widerftandsfähigfeit der Schuppen im Verein mit der Strajt der Gliedmaßen, das Tier gegen feinen Willen zu bewegen; denn die Spiben der Schuppen jeßten jich in jede Vertiefung und Höhlung der umgebenden Gegenftände ein. Die Augen jind ganz dunfel nußbraun und ftehen jehr weit vor. Die Kolonisten nennen diefe Schuppentterart ‚Attadileo‘, und die Boobies, die Eingeborenen der Injel, ‚Sahlah‘. Das Fleiich joll aus- nehmend gut fein und jehr begehrt bei den Eingeborenen.“ Einen verhältnismäßig kurzen, ‚breiten, an der Spibe mehr oder weniger jtunpf ab- gerundeten Schwanz hat das Steppenjchuppentier, Manis temmincki Smuts (Taf. „Scyuppentiere II’, bei S. 496). E3 wurde von dem Reifenden Smuts aufgefunden und bon Smith mit großer Genauigfeit in jeinen „Beiträgen zur füdaftifantjchen Tierfunde” be- ichrieben. Inder Größe und Gejtalt ähnelt es am meiften dem indischen Verwandten. Der faft die Länge des Körpers erreichende Schwanz nimmt exrjt gegen das Ende zu ab, wo er jich plößlich abrundet und abftußt. Der Rumpf ift breit und der Kopf furz und did. Eiförmige Schuppen bededen den Kopf, jehr große, an der Wurzel fein längsgefurchte, an der Spibe glatte Schuppen, ordnen fich am Rüden in 11—13, am Schtwanze erjt in fünf und hinten in vier Reihen. Die Mittelceihe zählt am Sopfe neun, am Nüden 13 und am Schtwanze jechs Schuppen. Auch auf der unteren Seite des Schwanzes liegen zwei Reihen diejer Horn- gebilde. hre Färbung ift ein blafjes Gelblichbraun, die Spihe lichter, oft mit einem läng- lichen, gelben Strich umrandet. Die nadten Teile find dunfelbräunlich, die Augen rötlich- braun. Die Schnauzenfpige ift Schwarz. Erwachjene Männchen erreichen eine Gejamtlänge von höchjtens 1,5 m, wovon der Schwanz ungefähr die Hälfte wegnimmt. Der Abu-Khirfa oder Rindenvater, wie die Nomaden Ktordofans das Steppen- jchuppentier nennen, findet in den termitenreichen Steppen Afrifas genug Nahrung und 496 6. Ordnung: Schuppentiere. Familie: Schuppentiere. die erwinjchte Einfamfeit. Erdlöcher find feine Wohnungen; doch gräbt e3 jich niemals jo tief ein wie das Exrdferfel. Wie diejfes ein Nachttier, fommt e3 erft nach Einbruch der Dämmerung zum Borjehein. Ameifen, Termiten, Heufchreden, Käfer, vielleicht auch Wiirmer, bilden feine Nahrung. Das einzige (?) Junge, das e3 wirst, fommt jchon völlig beichuppt zur Welt; doch find die Schuppen noch weich und gegen die Schwanzipige hin wenig entiwidelt. Die Nomaden jagen das Tier nirgends, und deshalb ıft es jchiwer, eins zu erhalten. Doch jah ich eines der merkwürdigen Gefchöpfe lebend bei einem Kaufmann in Char- tum, der es mit Milch und Weikbrot ernährte. &3 war vollfommen harmlos wie jeine übrigen Gattungsverivandten; man fonnte mit ihm machen, was man wollte. Bei Tage lag e3 zu- jammıengerollt in irgendeiner Ede, nachts fam es hervor und fraß, indem e3 Die Zunge wie- derholt in die Milch eintauchte und Schließlich auch das Weikbrot anleimte. Ein Steppen- ichuppentier, das Heuglin gefangen hielt, war jehr reinlich und eifrig bemüht, feinen Un- tat immer jorgfältig zu verbergen. Che e3 jeinen Bedürfnis genügte, grub es nach Urt der Saben jedesmal ein Yoch und decdte e8 dann jorgfältig wieder mit Erde zu. Sn der Mittags- zeit jchwibte es außerordentlich ftark und verbreitete dann einen höchjt unangenehmen Ge- ru. Bon Läujfen und Flöhen war e3 jehr geplagt; denn e3 fonnte Diefen Schmarogern nirgends beifommen und machte oft die allerfonderbariten Anftrengungen, um fich von den läjtigen Gäften zu befreien. Seine Soft bejtand in Milch, Eiern und Merija, einem bierartigen Getränk der Inneraftifaner. Sn der jelbitgegrabenen Höhle jchläft es am Tage in zu> jammengerollter Stellung, wobei es den Kopf unter dem Schwanze verbirgt. Gewöhnlich gebt es nur auf den Hinterfüßen, ohne mit dem fehr beweglichen Schwanze den Boden zu berühren, ift auch imftande, den Oberkörper falt jenfrecht in die Höhe zu richten. Der breite, jchwere Schwanz hält dabet das Gleichgewicht. Da es feinen Feinden durch Die Slucht nicht zu entfommen vermag, auch fonft wehrlos ijt, bleibt ihn, wenn angegriffen, nur das eine Mittel übria, jich zu einem feiten Sinäuel zufammenzurollen und jich jo dem Gegner preiszugeben, in der Hoffnung, daß es fein fejter Panzer genügend vor Zahn und Sllaue jchüßen werde. Sn Deutich-Dftafrifa muß es, nach Bosjeler, im Tiefland Hinter Tanga nicht jehr jelten jein; tm oftufambarifchen Urwald fehlt die Urt. „Ein großer Teil der dem Exrdferfel oder Stacheljchwein zugejchriebenen Baue gehört ihm wahrscheinlich. Die Schwarzen nennen e3 ‚Bivana mganga‘, 2. h. Herr Doktor, weil jedem feiner Körperteile befondere Heil- fräfte innewohnen jollen. Die Schuppen werden für bejonders wirffam erachtet. An Fäven gereiht um Hals und Handgelenfe gelegt, verleihen jte große Kraft, gejchabt ins Feuer geworfen, vertreiben jte den Yöwen. Das einzige mir bislang lebend zugegangene Sremplar war bei Tage gefangen, jehr fcheu, Fugelte fich beim Anblid eines Menjchen jofort jchwach fauchend zujammen und wehrte fich beim Aufheben nicht im geringiten. Am zweiten Tage war eS aus einem im Hinblie auf die Straft der Borderbeine ertraftarf gezimmerten Käfig ausgebrochen und verfchwunden, hatte aber eine erftaunliche Menge Erfrentente hinterlafjen, die ausjchließlich aus Chitinreften der bifjigen Wander- oder Zreiberanteife (Dorylus = Anomma nigricans) bejtanden. Dieje gefürchteten Ameijen leben in großen Scharen in Wohnungen und Ställen, ziehen in gejchlojfenem Marjch und jondern beim Bi Feine äende Säure ab, beißen fich aber an allem Lebenden feit. Dennoch wird das Schuppentier damit fertig und verjchludt, mwenigftens zeitweije, un- geheure Quantitäten davon.” Die Hed im „Tierreich“ berichtet, befaf; diefelbe Art, den Naffa der Suahelifprache, Schuppentiere II. ı. Steppenfchuppentier, Manis temmincki Smufs. l/7 nat. Gr. - Prof. Dr. Vosseler- Am (Deutsch - Ostafrika) phot. -(puej3ug) SursL-SpIIydsyJoy uoA Joyjem Ja Szylsag wr SIyde130j0y4 J9UT9 YIeN ‘smws y>uwwej spuew “aayuaddnypjuaddays ‘2 Steppenfchuppentier. Pangolin. 497 der deutjch-oftafrifanische Elefantenjäger Knochenhauer in Lindi mehrfach lebend und bemühte jich, allerdings vergebens, jie am Leben zu erhalten: die Tiere vermweigerten jegliche Nahrung, auch wenn fie, wie in der Freiheit, des Nacht3 an Termiten- und Ameijenhaufen angejeßt wurden. Eins ließ Sinochenhauer im Hofe feiner Wohnung frei herumlaufen, wo er es während 14 Tage (jo lange lebte e3 ohne Nahrung) in feinem eigentümlichen Gebaren beobachten fonnte. „An hundert Stellen grub e3 zolltiefe Löcher- chen, auf deren Grunde fich Heine Gänge von Heinen, jchiwarzen Ameifen zeigten, und jtedte die Zunge (11 Zoll lang) hinein, ohne daß ich aber jah, daß Ameifen daran Fleben blieben.” Stnochenhauer hebt ebenfalls hervor, wie die Naffas beinahe nur auf den Hinter- jüßen laufen und der breite, fchwere Schwanz dabei das Gleichgewicht hält. Die fozujagen übermäßige Ausbildung des Schwanzes wird dadurch exit recht verjtändlich. ‚„Senig tft bekannt über die Fortpflanzung; Holmmood gibt an, daß ein Weibchen in jeinem Bejiß ein Junges gebracht habe, und daß in diejem Falle die Schuppen erjt am zweiten Tage erhärteten. Bon den Eingeborenen wird das Tier mit einem quten Teil Uber- glauben angefjehen: treffen die Betjchuanen eins an, jo verbrennen fie es, nach Smith, lebendig im Biehfral, um die Fruchtbarkeit des Viehes zu vermehren. Peters gibt an, daß aus den Schuppen Ninge für den Zeigefinger gemacht werden, die jehr wirkffam jein jollen gegen den böjen Blid und andern Zauber.“ (Sclater jr.) Der Bangolin, Manis pentadactyla Zinn., hat einen furzen Schwanz und einen lücfen- ofen Banzer auf der Außenjeite der Borderbeine. Das Tier bewohnt Borderindien und Ceylon, nach Serdon am liebjten hügelige Gegenden, fommt aber nirgends zahlreich vor. Jr Indien wird e8 Bajar-Fit, Sillu, Salfalu, Kafjfoli-manjur, Aangu, Bun-rohu, von den Singhalefen Kaballaya genannt. Schon ltan erwähnt, e8 gebe in Indien ein Tier, da3 wie ein Erdfrofodil ausjähe. ES habe etwa die Größe eines Maltejer Hundes, feine Haut jei mit einer jo rauhen und dichten Rinde bewaffnet, daß fie, abgezogen, als Teile diene und jelbjt Erz und Eifen angreife. Die Inder hätten ihm den Namen Bhatagen gegeben. Bon den übrigen Schuppentieren, mit Ausnahme des Steppenjchuppentieres, unter- jcheidet jich der Bangolin durch feine Größe und dadurch, daß die Schuppen in 11—13 Neihen geordnet, am Nücen und Schwanze jehr breit und nirgends gefielt find; auch ijt der Schwanz am Grunde ebenfo dick wie der Xeib, d. h. von diejen gar nicht abgejeßt. Ein ausgemwachjenes Männchen fan bis 1,3 m Gefamtlänge erreichen; hiervon fommt gegen die Hälfte auf den Leib. Die Schuppen des Leibes find am freien Ende ungefähr Doppelt fo breit twie lang, dreiedig und gegen die Spike Hin ettwas ausgebogen, von der Spibe an bis über die Hälfte glatt; aus der gewöhnlichen Elfzahl entjtehen zuweilen 13 Längsreihen dadurch, daß zu der gewöhnlichen Anzahl an der Seite noch zwei Kleinere Reihen hinzufonmen. Die Mittel- reihe zählt auf dem Kopfe 11, auf dem Rüden und dem Schwanze je 16 Schuppen. Die Zunge ijt etiva 30 cm lang. Über die Zebensmweife diefer Art twiffen wir ebenfalls noch wenig. „Das Tier”, jagt Sir Walter Elliot, „gräbt fich Nöhren, die bon der Oberfläche 2—4 m tief fchräg abwärts führen und in einen großen Kejjel münden, der über 0,5 m Dirrchmeffer haben fann. Hier leben jie paarweije und mögen im Januar bis März mit ihren 1—2 Jungen gefunden werden. Wenn fie im Bau find, pflegen jie den Eingang mit Erde derartig zu verftopfen, daß er nicht leicht aufzufinden fein würde, wenn man nicht außerhalb ihre abfonderliche Fährte bemerkte. Ein Weibchen, das ich gefangen hielt, jchlief am Tage und war die ganze Nacht munter. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 32 498 6. Ordnung: Schuppentiere. Familie: Schuppentiere. 63 wollte weder Termiten noch Ameijen frejjen, die ich ihm in fein Gefängnis brachte, ob- twohl fein Stot bezeugte, daß es fie zuvor zu fich genommen. Dagegen ging es fogleich zu dem ihm vorgejegten Wafjer und trank davon, twobei e3 jeine lange, bewegliche Zunge jo rajch hineintauchte und zurüdzog, daß fich das Waffer mit Schaum bededte. Al ich es erhielt, ztjchte oder fauchte eg, fobald e3 gejtört wurde.” Auch MeMtafter gibt an, daß die von ihm beobachteten Tiere diefer Art am Tage Stets jchläfrig und bloß des Nachts unruhig waren und auc) begterig Waffer zu jich nahmen. Das Fleifch wird, aut Jerdon, von den Eingebore- nen als ein Neizmittel in Liebesjachen betrachtet. Burt erzählt, dat der PBangolin nichts als Ameijen frißt und fehr viele Davon vertilgt, aber auch zwei Monate lang hungern fann, daß er nachts umherftreift und in der Gefangenschaft fehr unruhig tft, fich ziemlich jchnelf zu be- ivegen vermag und, wenn man ihn angreift, fich ruhig am Schwanze aufnehmen läßt, ohne den geringften Verfuch zu machen, jtch gegen feinen Feind zu wehren ujw. Die Chinejen ver- fertigen Banzer aus der Haut und nageln diefe auch auf ven Schild. Adams, der zwei Diefer Schuppentiere, oder doch fehr nahe verwandte, gefangen hielt und beobachtete, entwirft eine Schilderung von ihnen, die den bereit3 gegebenen allgemeinen Mitteilungen entjpricht. ALS bollendetes Nachttier rollt fich der PBangolin während des Tages fo feit zufammen und er- icheint dann fo wenig bewegungsfähig, daß Adams glaubte, jeinen Gefangenen in einem Siichernebe aufbewahren zu fünnen. Erjt das wütende Gebell feines Hundes, der das frei- gewordene umd flüchtende Tier entdedt und geftellt hatte, belehrte ihn, daß „Schüppchen“ auch laufen, Eimmen und jonfttwie fich beivegen, überhaupt Stellungen der verjchtedenften Urt einnehmen fönne. Furchtiam im höchften Grade, rollten fich die von Adams gepflegten Schuppentiere fogleich zur Kugel zufammen, wenn ein Geräusch ihr Ohr traf. Bei einem Mifchfutter von gefchabtem Fleifche und rohen Eiern hielten fie fich gut. Sir Emerjfon Tennent bejpricht den Bangolin nur furz: „Die einzige Art der zahn- Iofen Tiere, welche Ceylon bewohnt, ift der gepanzerte Ameijenfrejjer, von den Singhalefen Kaballaya, von den Malaten Bangolin genannt, ein Name, der die Cigentümlichkeit des Tieres ausdrückt, fich in fich felbit zufammenzurollen, das Haupt gegen die Bruft zu fehren und den Schwanz Freisrund um Kopf und Hals zu jchlagen, wodurd) es fich gegen feindliche Angriffe fichert. Man findet die 2 m tiefen Höhlen des Kaballaya in trocdnem Grunde und erfährt, daß die Tiere hier paarweife zujammenleben und jährlich 2 oder 3 Junge erzeugen. Sch habe zu verjchiedenen Zeiten zwei Stüde von ihnen lebend gehalten. Da3 eine jtammte aus der Nähe von Kandy, hatte ungefähr 60 cm Länge und war ein ltebensmwürdiges und anhängliches Gejchöpf, das nach feinen Wanderungen und AUmeijen- jagden im Haufe meine Aufmerkffamfeit auf feine Bedürfnijje lenfen wollte, indem e3 auf mein Stnie Eletterte, wo e3 jich mit feinem greiffähigen Schwanze fehr gejchidt feitzuhalten wußte. Das zweite, da8 man im Dfchangel in der Nähe von Chillam gefangen hatte, war doppelt fo groß, aber weniger nett. Die Ameijen mußten beide mit ihrer runden und hleimigen Zunge jehr gejchidt anzuleimen. Während des Tages waren fte ruhig und ftll, um jo lebendiger aber mit Einbruch der Nacht." „Chinefen und Inder rechnen”, wie Tennent ferner bemerkt, „ven PBangolin zu den Sühen. In Indien nennen die gemeinen Xeute das Tier Dihangelfifch; in einem Be- richt über chinefifche Naturgefchichte Heißt es: Der Ling-Le oder Hügelfarpfen wird fo genannt, weil Geftalt und Ausjehen denen eines Karpfen ähneln; feit er auf dem Lande in Höhlen und Feljenrigen der Hügel (ling) wohnt, erhielt er feinen Namen. Einige nennen ihn auch wohl Qung-Le oder Dradhenfarpfen, weil feine Schuppen denen eines Drachen Pangolin. Hinterindiihes Schuppentier. 499 ähneln.” Adams, dejjen Mitteilungen legtere Angaben entnommen zu fein jcheinen, er- mwähnt noch, daß die Chinejen unter anderm eizählen, der Bangolin ftelle verjchiedenen Jrn- jeften und namentlich Fliegen gefährliche Fallen, indem er die Schuppen feines Panzer: lüfte und warte, bis eine Anzahl von Injekten, durch feine Ausdünftung angezogen, jich da- zwijchen angejammelt habe, jodann die ganze Gejellichaft durch plößliches Zufammenflappen des Schuppenpanzer3 töte und jchlieglich die jchmähfich Betrogenen verzehre. Man jieht den Pangolin oder einen feiner Bermwandten (Manis dalmanni = aurita Hodgs.) oft in den Händen der Chinejen, die ihn als anziehendes Schautier betrachten und feine Schuppen als Arzneimittel verwenden. Lydeffer fügt über den indiichen Bangolin Hinzu: „Der Magen hat einen einigermaßen fropfartigen Bau und enthält oft einige feine Kiejel, die wahrjcheinlich aufgenommen wer- den, um die Nahrung zerreiben zu helfen. In Gefangenjchaft trinfen die Bangoline gern durch rajches Ausftreden und Einziehen der Zunge; aber Blanford bezweifelt, daß dies eine natürliche Gewohnheit von ihnen tft; denn man findet jte ojt in Gegenden, io gar fein Wajjer it. Wenn gereizt, jollen die Bangoline einen zijchenden Laut von fich geben; aber jonjt gelten fie für jtumm.“ Über das Hinterindifche Schuppentier, Manis javanica Desm., macht Ridley in jeinen ‚„ Mammals of the Malay Peninsula“ (‚‚Natural Science“, VI, 1895) eine furze Mit- teilung, die hier Pla finden möge, weil darin auf Grund eiqner Beobachtung der Schwanz als ein Greifichwanz gejchildert wird, an dem das Tier jich aufhängen fann, wie manche Affen und Stletterbeutler: „Unjer einziger Vertreter der Ordnung it die gewöhnliche Manis java- nica, der Tengiling der Malaien. Er findet jich Häufig in offenem, jandigen Gelände und macht dort große Bau in der Erde. Termiten bilden jeine Hauptjächliche Nahrung, aber er nimmt auch Ameijen. Vermöge der Füiterungsjchwierigfeiten ijt e3 unmöglich, ihr lange in Gefangenschaft zu halten; aber er wird oft zum Verkauf gebracht, und ich Habe ein Weibchen mit einem Jungen einige Tage gehabt. Tro& jeiner (dazu gar nicht geeignet erjcheinenden) äußeren Geftalt fan er gut Bäume bejteigen, aber langjanı, indem er jeinen Greifjchwangz benust, und einer blieb lange Zeit an einem Aft mit jeinem Schtwanze aufgehängt, den Kopf zwijchen die Klauen eingezogen. Die Chinejen jind erpicht darauf, das Tier zu ejjen; aberdas Tleijch ift zäh und nicht wert, gegejjen zu werden.” Sn europäifcher Gefangenfchaft, in einem zoologijchen Garten oder jonjtivo, jind unjers Wifjens nur wenige Male Schuppentiere gewejen und immer nur wochen-, höchjtens monate- lang. Überden erjten Anfauf eines Schuppentieres für den Londoner Garten berichtet der „goologische Garten” Ende 1877: „Ein Schuppentier, Manislongicaudata (jeßt tetradactyla), aus Afrika, Fam diefen Sommer in den Zoologischen Garten zu Yondon, lebte aber nur furze Zeit, die übrigens doch Hinreichte, um verjchiedene Beobachtungen über die Xebenz- tätigfeit Diefes immer feltener werdenden Tieres zu machen. Die Nahrung des gefangenen Gremplars bejtand in Ei und Milch und wurde, wie bei dem Ameijenbären des Hamburger Boologiihen Gartens, mit jehr rafchen Bewegungen der wurmförmigen, Hlebrigen Zunge eingenommen. &3 war jo unruhig, daß e3 jogar jchtwer fiel, eine Zeichnung von ihm auf- zunehmen, und bejtändig Xletterte e3 mit Hilfe jeiner Krallen und feines langen Schwangzes, der auf der Unterjeite weich ijt und mit feiner Spike einen Finger oder einen Zmeig feit zu umjchlingen vermag, umher. Ar Gefahr und im Schlafe rollt jich das Tier wie ein 32* 500 6. Ordnung: Schuppentiere. Familie: Schuppentiere. Sgel zufammen, befonders feinen empfindlichen Kopf verbergend, wozu ihm ein großer Hautmustel behilflich it; außerdem fann e3 durch Musfelfafern, die an die Bafis der Schuppen gehen, auch diefe aufrichten.” Wie durch die Schilderungen aus dem Gefangen- {eben in ihrer Heimat mehrfach bewiejen it, wollen jich die eigenfinnigen Tiere eben durch- aus nicht an ein Erfaßfutter gewöhnen; bei Lichte bejehen, Hungern fie fich vielmehr nur jo einige Wochen in die Gefangenschaft hinein. Durch unfern rafchen Seeverfehr fünnen iie deshalb befonders aus Weftafrifa jebt gerade noch lebend nach Europa fommen, wenn e3 gut geht; dann find fie aber in der Hegel auch am Ende ihrer Kräfte. Bor einigen Jahren war einmal ein Weißbauch-Schuppentier Furze Zeit im Berliner Boologischen Garten, und im Sommter 1911 gelang e3 im Frankfurter Garten, ein folches bier Monate am Leben zu erhalten, d. h. gerade fo lange, wie frische Ameifeneier zu haben waren. Andere Nahrung verweigerte das Tier beharrlich, und wirklich einzugewöhnen war alfo auch Diefes anfangs jehr gut zunehmende Eremplar nicht troß eifrigfter Be- mühungen des Direktors Priemel, der fich die Pflege des jeltenen Schauftüdes aufs äußerte angelegen fein ließ. Dabei zeigte jich ganz auffallend, daß Die Sinne Diejes jo minderbegabt erjcheinenden Tieres Doch nicht jo ganz ftumpf find. Als man verjuchte, ihm zwifchen die Ameijeneier Pillen von derjelben Form und Größe zu mijchen, die aus gehadtem Nind- oder Pferdefleifch gemacht und in pulverifiertem Weißtwurm getwälzt waren, hatte das nur „ven Erfolg, daß alle Fleischpillen, nachdem die lebte Ameijen- puppe verjchhwunden war, am Grunde der Schüjjel verblieben”. Ebenfo lernte das Tier in der zweiltöcigen Käfigeinrichtung des Haufes für Feine Säuger, nachdem e3 auf dem gementboden des Zujchauerraumes Futter befommen hatte, „binnen fürzeiter Frijt jeinen in der oberen Galerie eingejchalteten Käfig wiederzufinden”, und wußte „ihn von jeder Stelle des Haujes auf Fürzejtem Wege zu erreichen”. Stand dagegen „Das ‚Suttergefäß einmal nicht an der gewohnten Stelle, jo twurde es durchaus nicht gleich wahrgenommen“, das Tier irrte vielmehr ziellos umher; „wenn es Dabei zufällig auf die Schüfjel ftieß, nahın es allerdings jofort die Freßitellung ein”. Wurde ‚‚die Futterjchüfjel in jeine Nähe gebracht und damit geflappert, jo reagierte e3 darauf und lief nun der ihm vorgehaltenen Schüfjel nach. Auch vorgehaltenen Stöden oder Schirmen, auf Die jeine Aufmerfjamfeit gelenkt war, folgte e3 eine Zeitlang. Mit großer Vorliebe Kletterte da3 jehr zahme Tier auf den Armen und Schultern feiner Pfleger herum”, und manch- mal hatte man den Eindrud, „als ob es diefe Perjonen vor anderen durch größere Zu- traulichfeit bevorzugte”. Fedenfalls jind aber, nach Priemel, „die geiftigen Fähigkeiten außerordentlich gering”. Zum Freien jebte jich das Frankfurter Eremplar auf die Hinter- beine, richtete Den Vorderförper halb in die Höhe, jchnupperte einen Augenblid im Futter herum und jeßte dann feine lange, wurmförmige, roja gefärbte Zunge, mittel3 deren es die Ameifenpuppen ausjchlieglich aufnahm, in Tätigkeit, jo fchnell und vibrierend, daß man jie nur zeitweije und mit Mühe zu erkennen vermochte. Wurde es bei der Mahlzeit gejtört, jo teilte es mit den ftarf befrallten Vorderfüken zwei haftige Schläge aus in derjelben Art, wie dies Die Ameifenbären zu tun pflegen. Dagegen war fonjt feine Abwehrjtellnng eher „ähnlich der de3 Igel. Der Kopf wurde dabei mit furzem Aud eingezogen und die Schuppen unter eigentümlichem Naufchen gefträubt; bisweilen mar Dabei auch ein blafendes Tauchen vernehmbar... Exft nach Eintritt völliger Dunkelheit wurde das Schuppentier wach, bewegte fich dann aber jehr fehnell und gewandt, bald im Boden grabend, bald auf den ften Hletternd. Auch die länglich geformten, fehwärzlich Gefangenleben und Borgefhichte der Schuppentiere. 501 gefärbten Erfremente wurden ausschließlich nachts abgelegt.‘ Immer war das Tier ‚bemüht, unmittelbarer Sonnenbeftrahlung auszumweichen; gelang ihm dies nicht, jo rollte e3 jich völlig ein und verblieb dann längere Zeit hartnädig in diejer Ruhelage‘. Die Kletterbewegung bezeichnet Schwart in vieler Beziehung als eichhörnchenartig injofern, als fie an dien Stämmen in Spiralen vor fich geht und der Schwanz dabei völlig an den Stamm angelegt wird. Dünne Stämme und Üfte dagegen werden zuerft mit den Händen gefaßt, die Hinterbeine zugleich nachgezogen und dann die Hände abermals vor- gejtreckt, immer unter Benugung des Schtwanzes als Greiforgan. Diejer greift mit der Spite nach unten, wie bei gemwiljen amerifanifchen Affen; das Herunterlaffen von Aften geichieht aber anders al bei diejen: auf zwei Etappen, indem erjt mit der Wurzel- und dann mit der Spitenhälfte des Schwanzes gegriffen wird. Beim Laufen auf der Erde trägt das Weifbauch-Schuppentier die VBorderflauen ähnlich eingejchlagen wie die Ameijenbären. Die Bewegungen muteten Priemel ‚‚merfwürdig majchinenmäßig an; Nuhepaufen gab e3 eigentlich nie. Das Tierchen erjchien immer wie aufgezogen und durc) einen Mechanismus in Bewegung gejeßt. Ein Laufen auf den Hinterbeinen twurde aber nie beobachtet; nur „Sichernd‘ nahın das Tier bisweilen diefe Stellung an, ließ fich aber zur Weiterbewegung jogleich wieder auf die vier Füße nieder. Wurch das jpanner- raupenartige Abftellen des zurüdgebeugten Borderförpers im rechten Winfel vom Afte hebt Briemel hervor, und auch „‚vabei chnupperte die Naje jichernd (oder Nahrung juchend ?) in der Luft herum“. Über die Vorgefchichte und Verwandtjchaft der Schuppentierartigen, jagt Weber, herrscht völliges Dunkel. Aber das war ja eben einer der Hauptgründe, warum man jie heute ganz für fich in eine eigne Ordnung ftellte. Was bisher von Sinochenreiten aus- geftorbener Bertvandter gefunden und bejchrieben ift, gehört entweder ganz unzweifelhaft auch zur Gattung Manis, wie die M. sindiensis aus dem jüdindijchen Pliozän, oder bildet gar nur eine Unterart einer lebenden Art, wie M. gigantea fossilis Zyd. aus dem jüd- indischen Pleiftozän, und liefert jo nur einen weiteren Beweis fiir den früheren innigen Zufammenhang der äthiopifchen und orientalifchen Säugetierfauna. Für die weitere Stlar- ftellung von Verwandtichaft und Abftammung der Schuppentiere bedeutet e$ nicht, und auch die von Filhol aus dem Dligozän Südfrankfreichs alS$ Necromanis und Leptomanis bejchriebenen Funde erklärt Weber für zu unvollftändig, als daß jte in diejer Beziehung einen Fingerzeig geben fönnten. So find wir auf Überlegungen angeiviejen, fährt er fort, wie fie bereit3 oben bei Bejprechung des Begriffes Edentata gepflogen wurden. Dabei stehen num hoch fpezialifierte Organfyftere, wie Zungenapparat, Magen, Hautdede, äußerjt primitiven, wie Gehien und Fortpflanzungsorganen, gegenüber. Die mweitgetriebene Aus- bildung von Zungenapparat und Magen ftehen offenbar im Zufammenhang mit dem Verluft des Gebifjes und der Art der Nahrung; dagegen hält Weber das Schuppenkleid für eine Spezialijierung auf altererbter Grundlage. Die gejpaltenen Nagelglieder und ihre Horn= beffeidung möchte er vielleicht noch am eheften als eine Andeutung der Abjtammung an- jehen, und zwar von jenen alten tertiären Vorläufern der Raubtiere, den Streodonten; doch möchte er diefe Abzweigung noch hinter daS Tertiär, bis etwa in die Kreideformatton, zurücklegen, als die Kreodonten noch mit den Ur-Snfektenfrefjern zufammenhingen. Damals taren aber wohl noch die meisten Säugetiere verivandt umd voneinander abzuleiten. Siebente Ordnung: Xenarthra. Während von den altweltlichen „Zahbnarmen” jede Gattung, Exrdjerfel und Schuppen- tier, mit ihren wenigen Arten heute als eine jelbftändige Ordnung Hingeftellt wird, für Die irgendwelche nähere Beziehungen zu anderen fich nicht nachweisen fafjen, faßt man Die ameri- fanischen Edentaten, die Gürteltiere, Ameifenfrejjer und Faultiere, zu der einen Drdnung der Xenarthra (etiva: „Nebengelenfer”) zufammen, tro& großer Verjchtedenheit der äußeren Ericheinung, Nahrung und Lebensweife. Und mit Recht. Denn das eigentümliche Merkmal iogenannter Nebengelente an den legten Bruft- und den Lendenwirbeln, das fie jamt ihren ichter unzähligen ausgeftorbenen Verwandten gemein haben, läßt ziwar heute feinerlei Be- ziehung mehr erfennen zu ihrer — übrigens fehr verjchiedenen — Lebens- und Bemwegungs- mweije; aber gerade folche feheinbar belanglofen, durch jonft jehr verjchiedene Gruppen durchgehenden Merkmale fieht man heute als alte Exrbtüde und Beweisjtüde für Stamm- verwandtichaft an. Bei den Xenarthra wird diejer Beweis ergänzt Durch eine immer noch zunehmende Fülle ausgeftorbener Zwijchenformen, die alle Gegenjäbe der lebenden vermitteln und diefe al3 extreme jpärkiche und jchwächliche Überbleibjel einer ehemals blühenden Säugetierordnung erkennen lafjen. Deren bejte Zeit lag im Terxtiär, too fie der jiidamerifanifchen Tierwelt durch eine Mannigfaltigfeit meift riefiger Formen geradezu das Gepräge gab. ‚Nach jeder Richtung Hin hat die ganze Ordnung etwas den übrigen Placentatieren Fremdes und erjcheint uns wie eine greifenhafte, verfommene, nicht mehr vecht in unjere Zeit paffende, durch Ausiterben vieler Verwandten fehr vereinjamte und in jich felbft unzufammenhängende Gruppe, die auf dem großen Ausfterbeetat der Natur zu jtehen jcheint.” (Carus Sterne.) Zur Kennzeichnung der Familie Gürteltiere (Dasypodidae) müjjen wir in einem gewifjen Gegenjat gegen die Schuppentiere vor allem hervorheben, daß ihr Hautpanzer in der Hauptfache fein Hornpanzer, wie bei jenen, jondern entweder ein meicherer Stnorpel- oder, meift, ein Sinochenpanzer ift: die Lederhaut ift verfnöchert — der einzige bei heute (ebenden Säugetieren vorfommende Fall —, und die Oberhaut fiefert darüber nur einen hornigen Überzug. Ferner deutet chon der Name der Tiere darauf hin, daß diejer Sinochen- panzer zum Teil gürtelförmig, beffer gejagt: halbgürtelförmig zerlegt ift, was eine bejjere Beweglichkeit des Körpers zur Folge hat. Die Bauchjeite ift überhaupt ungepanzert. Im allgemeinen jeßt fich der Panzer, den man natürlich nicht gut anders denn al3 eine Schub- einrichtung verjtehen fann (vielleicht aber mehr gegen den Erddrud al3 gegen Feinde), aus Kopf, Schulter- und Kreuzschild und den zmwifchen den beiden leßteren fejten Teilen gelegenen Allgemeines. 505 Nücengürteln zufammen. Auch die Beine haben born und außen ihre Panzerung, ja jelbit dem Schwanze fehlt jie nur in einem alle. Sie beiteht am Kopfjchild aus unregelmäßig geformten Platten, auf Schulter und Streuz aus Querreihen vier- oder jechsediger Platten mit Heinen, unregelmäßigen Zmwifchenftücden und an den Gürteln wiederum aus Reihen bier- ecliger Platten, die lofe, etwas dachziegelartig, hintereinander liegen. Die Oürteltiere find die einzigen heute lebenden Säugetiere, die ein wirkliches Hautffelett haben; doch läßt fich ihr PBlattenpanzer zu den Hautjchuppen in Beziehung bringen, wie jte in unjerer modernen Säugetierordnung der Xenarthra mehr bvorfommen, 5. B. am Schtwanze der Ameijenfreffer. Nach F. Römer bildet nämlich zu- a nächit vie Oberhaut auf den emporwachjenden Lederhautpapillen fr die Hornjchuppen, und dann verfnöchern die Bapillen jelbit, zuerit MN an vereinzelten VBerfnöcherungspunften, die jpäter zu einem einheit- then Knochenpanzer verjchmelzen. Sr den Gürtel fteht de Meijere eine weitere Bertwidelung derart, daß jie Hautfalten find, die auf ihrer Oberjeite „mehrere hintereinander gelegene Querreihen von Schuppen” erhalten. Am Numpfe, mitunter auch am Schiwangze, jind die Banzerplatten meist jehr regehnäßig geformt und angeord- net; Dadurch entjteht ein mehr oder weniger hübjches und zierliches Mufter, wie man es im Tierreich jonjt nur bei den Seeigeln, See- Iternen und Geelilien wiederfindet. Andere Körperteile, wie Stopf und Beine, haben dagegen gewöhnlich eine unregelmäßig geformte Bejchilderung. Die ungepanzerte Unterjeite trägt nur einen jpär- lichen, meijt borftigen Haarwuchs, der fich auch in bejtimmter, nach) Gattung und Art wechjelnder Ausbildung und Anordnung ziwiichen den Gürteln zeigt. Die Gürteltiere find Überlebende einer einjt größeren Yamilie. Sm Vergleich zu manchen ihrer Verwandten aus der Vorzeit mul; man fie Ziverge nennen, da jie in der Gegenwart im ganzen höchjten3 1,5 m, ohne den Schwanz aber nur 1m lang werden. Ulle Gürtel- tiere find plumpe Gejchöpfe mit gejtredtent, langjchnaugzigem Stopfe, . 5 Be Pa großen Schweinsohren, ftarfem Schtvanze und furzen Füßen, Die pus gigas. Im Berliner sehr ftarfe Grabflauen tragen. Diejen Grabflauen zuteil den VBorderfüßen das Nagelglied der dritten und vierten Hehe ungeheuer vergrößert zuungunften des hinterjten, die zugehörigen Sinochen aber, auch die der Mittelhand im Handteller, find jehr verjtärft und verbreitert. Auch der innere Leibesbau zeigt manches Eigentümliche. Die Rippen, deren Anzahl zwifchen zehn und zwölf fchiwanft, find außerordentlich breit und berühren jich bei manchen Arten gegenfeitig (Ubb., ©. 504); das Hängt wohl damit zufammen, daß fie den jchweren Knochenpanzer tragen müfjen. In der Wirbelfäule verwachjen oft die Halswirbel, mit Aus- nahme des erften und zweiten, mehr oder weniger miteinander, was den meijten Gürtel- tieren eine fonderbar fteife, ftörrifche Haltung, zugleich aber der Ktopfbewegung von unten nach oben einen ganz bejonders fräftigen Nachdrud verleiht. Die Anzahl der rippenlojen Wirbel ichwankt zwischen eins und fechs; das Streuzbein befteht aus acht bis zwölf und der Schwanz aus 16-31 Wirbeln. Das Gebif ändert fo ab, daß man nach ihm mehrere Unterfamilien gebildet hat. Bei feiner einzigen Zamilie jchtwankt die Anzahl der Zähne jo außerordentlich 504 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. wie bei den Gürteltieren. Man hat bis jet faum mit Hinreichender Sicherheit fejtjtellen fönnen, tie viele Zähne diejes oder jenes Gitteltier eigentlich bejist; denn auch innerhalb derjelben Art wechjelt die Anzahl erheblich. Im allgemeinen läßt fich fagen, daß diefe An- zahl nie unter acht in jeder Reihe beträgt und bis 26 in der einen und 24 in der anderen Keihe fteigen fan, wodurch dann ein Gebiß von 96 bis 100 Zähnen entfteht. Allein vie Tertlofigfeit Diefer Gebilde ift jo groß, daß fie eigentlich aufgehört Haben, Zähne zu fein. Sie haben die Form feitlich zufammengedrücter Walzen, bejisen nur im Milchgebiß einer Gattung echte Wurzeln, find Höchjtens von einer dünnen Schmelzichicht umgeben und ändern auch in der Größe außerordentlich ab. Gewöhnlich nehmen fie vom erjten bis gegen den mittelften Hin an Größe zu und dann wieder nach Hinten allmählich ab; aber auch dies Ber- hältnis ift nicht ohne Ausnahme. Zudem jind die Zähne ungemein jchwad). Sie greifen zivar ineinander ein; allein das Tier ift nicht imstande, Fräftig zuzubeißen oder zu fauen. Die Zunge ähnelt der Wurmzunge der Ameijenbären, fann jedoch nicht jo weit aus dem Maude herborgeftrect werden und ift auch viel fürzer als bei diefen, dreifantig zugejpist und mit Heinen, pilz- und fadenjörmigen Warzen bejeßt. Außerordentlich große Speicheldrüfen im Unterfiefer überziehen fie bejtändig mit Hebrigem Schleime. Der Magen ift einfach, der Darm hat die acht- bis elffache Leibeslänge. Die Schlagadern bilden hier und da Wunderneße, aber nicht in der Ausdehnung wie bei ven Faultieren; wie dort, bewirken fie wohl eine gewifje Auf- jpeicherung und langjameren Verbrauch des Blutfauerftoffs. Gemöhnlich find zwei, feltener vier Milchdrüfen vorhanden. Ss nennen irnene Vie alle Erdmwühler, jind auch die Gürteltiere Najen- ee ee ws tiere; das zeigt fich fchon am Gehirn und Schädel, wo die tiere”, Jena 1904. Niechlappen außerordentlich entwicelt find und die Sieb- beinplatte jaft ein Drittel des Schädelgrundes einnimmt. Die Kafe jelbjt enthält bis zu neun Niechmwüliten. Weniger leicht erflärlich und deshalb um jo auffallender bei der mehr oder weniger unterirdischen Lebensweije it Das große äußere Ohr. Am Auge verdient ein Schußorgan beim Graben Erwähnung: „eine oft noch mit Schuppen und langen Borjten bededte Hauterhebung unterhalb des unteren Augenlides mit einem Musfelbiindel, welches das Organ dem Auge zu nähern vermag”. (Weber.) Ulfe Gürteltiere find Bewohner der jüdamerifanijchen Region bis hinauf nach Mexiko. Sie leben in fpärlich bewachjenen und jandigen Ebenen fowie auf Feldern und fommen bloß am Saume der Wälder vor, ohne in diefe einzudringen. Nur zur Paarung finden fich mehrere der gleichen Art zufammen; während der übrigen Jahreszeit Yebt jedes Gürteltier für ji, ohne fich um die übrigen Gejchöpfe, mit Ausnahme derer, die zu feiner Nahrung dienen, viel zu fümmern. Alle Arten verbergen fich bei Tage foviel wie möglich und wühlen ji) deshalb Gänge, aber meift nicht von großer Ausdehnung; eine Art lebt, wie der Maul- wur, ganz unterivdifch. Die übrigen graben fich ihre Baue am allerliebiten am Fuße großer Aneifen- und Termitenhaufen, weil ihre Nahrung vorzugsweife in Snfekten und deren Tarden, namentlich auch in Ameifen, befteht. Würmer und Schneden werden gelegentlich mit aufgenommen; in Fäulnis übergegangenes Aa3 wird ebenfowenig verfchmäht; manche nehmen auch gern Pflanzenfoft. Mit Beginn des Abenddunfels erfcheinen die gepanzerten Gefellen vor ihren tiefen, Allgemeines. 905 unterivdiichen Bauen und ftrolchen eine Zeitlang umber, fich langjamen Schrittes von einem Drte zu dem andern beivegend. Der flache Boden ift ihr eigentliches Reich; hier find fie zu Haufe wie wenig andere Tiere. So langjam und träge fie fcheinen, wenn fie gehen oder fich jonft beivegen, jo jchnell und behende find fie, wenn e3 gilt, fich in die Erde zu graben. Auf- gejcheucht, erjchreckt und verfolgt, wiljen fie nicht anderes zu tun, als jich fo recht im eigent- lihen Sinne des Wortes der Erde anzudertrauen. Und jie verjtehen das Graben wirklich jo meifterhaft, daß jte jich buchftäblich vor fichtlichen Augen verjenfen fünnen. Troß des Nüdenpanzers würden fte ja allen Naubtieren zum Opfer fallen, wenn fie nicht Diefe Art der Flucht auszuführen verjtänden. Eine Art kann fich in eine Kugel zufammentolfen, wie unjer gel, tut dies jedoch bloß im alleräuferiten Notfalle und beginnt fobald mie möglich wieder, jich in die Erde zu vergraben und zu verjtedfen. Im Waifer mwifjen die anjcheinend fo ungefügen Tiere jich übrigens ebenfalls zu helfen: Henjel jagt, daß fie jogar recht gut fchwimmen, und ziwar mit fehnellem Audern nach Art eines Maulmwurfes. Die Gürteltiere find Harmlofe, friedliche Gejchöpfe von ftumpfen Sinnen, ohne irgend- mwelche hervorragende geiltige Fähigkeiten, alfo durchaus nicht geeignet, mit dem Menjchen jich zu befreunden. Wer fie gefehen hat, muß nach kurzer Beobachtung überzeugt fein, daß mit folhen gleichgültigen, dummen und langweiligen Gejchöpfen fich nichts anfangen läßt. Entweder liegen fie jtumpf auf ein und derjelben Stelle, oder jie fragen und fcharren, um jich bald eine Höhle in die Erde zu graben. Ihre Stimme bringt nur fnurrende Laute hervor, ohne Klang und Ausdrud. Die Familie der Gürteltiere teilt man jest in drei Unterfamilien, deren ziwei wieder mehrere Gattungen enthalten. Diejelben zwei haben auch ein mehr oder weniger gleich- artiges Huhere, nicht zulet vermöge der oben bejchriebenen Gliederung de3 Banzeız; fie unterjcheiven jich aber, abgejehen von anderen Merkmalen, durch die Bejchaffenheit ihres Panzers, der nur bei der einen Gruppe fnochig, Hart, bei der anderen dagegen halbweich, norpelig ift. Die dritte Unterfamilie, mit nur einer Gattung, hat eine jchon in der An- ordnung ganz abweichende, nur aus Gürteln zufammengejegte Banzerung, die auch mit der Körperhaut auf ganz andere Weife zufammenhängt. Unterfamilie Weichgürteltiere (Tatusinae): Panzer fühlt ich im Leben halbweich, fnorpelig an; Ohren lang, nahe beijammenftehend; Kopf und Rumpf verhältnismäßig fchmal, geftredt; Schwanz ebenfalls lang, wird nach der Spiße fehr dünn, und feine Schuppen bilden meijt deutliche Duerringe. Mit Ausnahme des Hinterften Zahnes findet ein Zahnmwechjel ftatt; Milchgebig mit zweitwurzeligen Zähnen, „die erft gewechjelt werden, wenn das Tier fajt erwachfen ift” (Weber). Bier Milchdrüfen und Zien (neben den beiden bruftjtändigen noch zwei in den Weichen) und dementfprechend eine große Anzahl Junge (4—10) in einem Wurf. Unterfamilie Hartgürteltiere (Dasypodinae): Panzer hart, nochig; Ohren furz, weiter voneinander entfernt; Kopf und Rumpf verhältnismäßig breit, plattgedrücdt; Schwanz mittellang, nach der Spiße weniger ich verfhwächtigend, unregelmäßig mit Schuppen bededt oder auch nadt. Zahnmwechjel fommt bor (Dasypus villosus). (Weber.) Zwei Milchdrüfen und Ziten, bruftftändig, und dementjpechend nur zwei Junge, die wahrjcheinlich „echte Zwillinge und daher immer desjelben Gefchlechtes find (?). Unterfamilie Gürtelmulle (Chlamydophorinae): Banzer ohne Verteilung in Schilder und Gürtel, aus Bändern von vierfeitigen Hornplatten mit zarten darunterliegenden Verfnöcherungen und jenfrechten Schild am abgeftusten Körperende. Nüdenpanzer entweder mit dem Körper vollftändig verwachjen oder nur in der Längsmittellinie. (Weber.) Sehr flein, unter Rattengröße. Gattungen der Weichgürteltiere (Tatusinae). Gattung Scleropleura A. M.-Edw. (= Geitenpanzer): „Die Hautjhuppen find viel weniger enttwidelt, fie bededen den Rüden nicht ganz und find auf dem größten Teile des Körpers nur an den Geiten 506 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. vorhanden; der ganze mittlere Teil ift mit weicher Haut bededt, auf der anjcheinend Yange und ziemlich dichte Haare ftehen.” (Milne- Edwards.) Gattung Cryptophractus Fitz. (= Berborgenpanzer): „Biwijchen den einzelnen Schilüchen des Panzers treten zahlreiche, ange Borjtenhaare Hervor, welche denjelben vollftändig bededen.” (Fibinger.) Gattung Tatus Frisch (früher Tatusia): gefennzeichnet durch die Merkmale der Unterfamilie. „Den fnöchernen Platten des Panzers entiprechen gleihgeformte Hornplatten, neben denen die Haare hervortreten. 7—10 bewegliche Gürtel. -— 3 Zähne.” (Weber.) Sattung Muletia Gray: wie die vorige, nur Ohren und Schwanz Fürzer; lafjen wir unberüdjichtigt. Die Gattungen Tatus und Muletia, die wir unter dem erjteren Namen vereinigen, lie- fern den Hauptinhalt und die beitbefannten Vertreter der Unterfamilie der Weichgürteltiere. Dbmohl bereits eine lange Neihe von Arten unterjchteden jind, fcheint Doch noch feine ziel- bewußte jyitematifche Durcharbeitung auf geographiicher Grundlage ftattgefunden zu haben; jagt doch Weber: „Die am längjten befannte Tatusia novemeincta Linn., welche Die ganze Familie repräjentiert, hat die mweitejte Verbreitung von allen Gürteltieren, da jie ihr Wohn- gebiet von Texas bis Gran Chaco (Nordargentinien) ausdehnt. Daneben treten mehr Iofal andere, teilmweije ziweifelhafte Arten auf, von denen Tatusia kappleri von Guayana die befann- teite ift.” Daß ein Säugetier jich jo weit verbreitet, ohne unterjcheidbare geographijche Formen zu bilden, da3 glauben wir heute nicht mehr; wir müffen aber die endgültige geographifch- inftematifche Ausgeftaltung des Gejamtbildes der Gruppe der Zukunft überlajjen. Die befanntejte Urt, das Neungürtelige oder Langfhwänzige Weichgürteltier, Tatus novemeinctus Zinn. (Dasypus; Taf. ‚„„Xenarthra I“, 1, bei ©. 510), wird fchon beim alten Gesner erwähnt, der in jeinem „Tierbuch” eine recht gute, namentlich durch Die deutlihen Schwanzringe jofort fenntliche Abbildung und dazu die folgende, für uns heute Höchit ergögliche Bejchreibung gibt: „Yon dem Schaligel. Tatus quadrupes. Ein frömbd thier. Von feiner gejtalt / vnnd wo e8 zu finden. Dijes ift ein wunder jeltzam / abentheurig / fömd thier / aufj der Anjel Brejilta in unjere Land gebracht / gant bedecdt onnd bewaret mit einer harten Schalen wie ein Schiltfrot / in welche e3 ftch zücht / wie der Jael in feine dörn / ift an der gröjje wie ein mittelmäjjigs / Heins jungs Seumle / fol auch weyjjen wie Saum.“ Das Langjehwanzgürteltier ift durch feinen getreten, ungefähr 40 cm langen Körper und feinen etiva förperlangen Schwanz ausgezeichnet. Gray allein erwähnt in der Literatur die abweichende und merfwürdige Cigentümlichfeit der weichen Schilder. ‚Der platte Kopf“, bejchreibt Gray meiter, „‚verjchmälert fich nach vorn in einen dünnen Rüjjel. Scheitel, Stirn und Bajis des Nüfjels bededt ein aus unregelmäßig polygonalen Schildern beitehender Panzer. Die Augen find jehr Fein, die Ohren ziemlich groß, breit-oval, außen und an der Bajis mit Kleinen, weichen Schuppen bededt. Ein Nadenpanzer ift nicht vor- handen... Die Zahl der Gürtel ift gewöhnlich neun (doch fommen auch Eremplare mit acht und mit zehn vor). Sie beftehen aus Yänglich vierfeitigen, porn verjchmälerten Schildern, in deren vordere Zwifchenräume fich je ein fchmal dreifeitiges einfchiebt... Der Schwanz ift in den vorderen zivei Dritteilen feiner Länge mit Panzerringen umgürtet, deren jeder aus drei Neihen zierlicher und regelmäßiger Schilder zufammengefekt if. Das Schwanzende be- deden gejtreckt fechsfeitige und rautenförmige, ftark längsgefielte Schilder in abwechjelnden Keihen. Die Beine find auf der Worderfeite mit feinen, weichen, meift heragonalen Schildchen in Querreihen bekleidet. Zioifchen den Schildern ragen überall einzelne Borften hervor, die auf allen nadten Teilen aus reihentwveife geordneten flachen Warzen zu je drei bis Weichgürteltiere: Langfhmwänziges Weichgürteltier. 907 jech8 herbortreten. Born jieht man nur bier Zehen; ein nagellofer, rudimentärer Reft der fünften liegt unter der Haut. Und vorn fowohl wie hinten find die beiden äußeren Zehen verkleinert und weit nach hinten gerüct, die Nägel der mittleren vorderen Zehen jchmal und lang, der hinteren breit und furz mit fantiger Wölbung.” Die Zehen find vollftändig getrennt, und das Tier ijt ein Jehengänger. Wiederum Unterjchtede gegen die folgende Unterfamilie! ach Giebel ijt der Banzer oben fchwarz, wird aber durch Abreibung gelblich bis meiß. Über das Freileben hat der treffliche Henjel Beobachtungen aus dem füdbrafilifchen Staate io Grande do Sul dinterlafjen: „An Häufigften hat man Gelegenheit, ven Dasypus novemeinctus zu jammeln, ven der Brajilianer als ‚Tatu verdadeiro‘ oder bloß als ‚Tatu‘ bezeichnet. Das Tier findet ich jehr Häufig im Urwalde, ift aber hier nicht fehr leicht zu erhalten, da es jich den Tag über gewöhnlich in jeinem Bau aufhält und man feine Mittel bejigt, eS aus diefem Hervorzuholen. Zumeilen treffen e3 die Hunde auch auf der Ober- fläche an; dann beginnt eine lebhafte Jagd, die nicht jelten mit dem Tode des Tatu endet, wenn er feinen Bau findet, in den er flüchten fan. Ein Nachgraben von feiten der Hunde bleibt ohne Erfolg, auch wenn der Bau nicht tief ift, da der Tatu fich jchneller weitergräbt, als die immer viel größeren Hunde folgen fünnen. St der Jäger gleich zur Hand und fann er ven Tatu an feinem langen Schwanze fafjen, jo ijt er befanntlich Doch nicht imstande, ihn aus dem LXoche Herborzuztehen, jobald dies jo eng tft, Daß das Tier jich mit den Füßen und dem Nüden anitemmen fan. Selbjt zwei jtarfe Männer vermögen e3 nicht, den Tatu Heraus- zuziehen. Dabet muß man berücjichtigen, daß fein Schwanz fich nach) der Spibe zu Fonifch berjüngt und daher jchwer zu fajjen ift. Wenn aber zwei Säger jich vereinigen, daß der eine ven Tatu am Schwanze jo feit al3 möglich Hält, während der andere mit jeinem Mefjer die Erde etwas entfernt, jo daß er imjtande ift, ein Hinterbein zu fajjen, gibt der Tatu nad). Hält er fich in feinem Baue auf, jo läßt jich Diefes Berfahren nicht anivenden; denn hier ltegt das Tier nicht weit von der Mündung des Baues auf einem Lager aus Blättern und flieht noch nicht, auch wenn jchon die Hunde an dem LXoche zu arbeiten beginnen. Stedt man jedoch den Arm in das Koch, was wegen der Giftichlangen nicht ratjam tft, oder einen Stod, jo eilt e3 polternd und brummend in die Tiefe. „ber auch wenn man den gefangenen Tatu auf dem Arme nach Haufe trägt, it man jeiner noch nicht ficher. Der Gefangene frümmt fich ein wenig zufammen und ergibt fich icheinbar rejigniert feinem Schidjale. Doch dauert die Berftelluug nur jo lange, bis er fühlt, daß der eiferne Griff unferer Hand nachzulafjen beginnt; dann jchnellt er jich mit einem Male gerade und ift im Nu auf der Erde und jomit aus unferem Bereich. Der Tatu läuft troß feiner furzen Beine außerordentlich fchnell, und ein Nenfch holt ihn niemaß ein. Doch gelingt dies Hunden jehr leicht, die ihn aber, wenn jie etwas Hein jind, jeines glatten Panzer3 wegen oft nicht fafjen Fönnen. Kluge Hunde juchen ihn daher während des Laufes mit der Naje umzutenden, um ihn an der Unterjeite angreifen zu fönnen. St dies gejchehen, jo wird das Tier augenblidfich von den Hunden in buchjtäblihem Sinne zerrijjen, wobei der Panzer unter den Zähnen derfelben Fracht, wie wenn Eifchalen zerdrücdt werden. Der Tatu jchwimmt auch fehr gut mit jchnellenm Audern ungefähr wie der Maulwurf. „Ob der Tatu auch auf offenem Camp vorkommt, habe ich nicht ermitteln fünnen. ch fand ihn ftet3 nur da, wo auch Wald vorhanden war. Hter fan man ihn leicht erhalten. Um ihn zu fangen, darf man nur in mondhellen Nächten mit den Hunden einen Spazierritt um den Waldrand machen. Bald werden fie die Fährte des umhertrollenden Tieres finden und Ddiejes mit Leichtigkeit fangen, da hier tiefe Yöcher nicht häufig find. 508 7. Drdnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. „Das Fleisch des Tatu ift ein Lederbijjen. E3 ift zart und weiß wie das der Hühner, und das reichliche Fett gleicht im Gejchmad vollitändig dem von den Nieren des Stalbes. „Der Tatu wird zahm, aber als ein Dummies Tier lernt er nicht einzelne Berfonen unter- icheiden. Merfwiürdig ift der Aberglaube der Brafilianer, daß alle Jungen eines Wurfes jtet3 Dasjelbe Gejchlecht haben. „Bas die Nahrung des Tatu betrifft, jo muß ich erwähnen, daß ich in dem Magen jo vieler von mir gefangener Eremplare niemals etwas anderes gefunden habe als Snfeften- larven, bejonders Engerlinge oder ähnliche Käferlarven.” Das Scheidenishmwanzgürteltier, Tatus uroceras Lund, ijt, nach Giebel, aus- gezeichnet Durch die aus einem einzigen Stücd bejtehende Hornjcheide der Schwanzipibe und möge wegen diejer Eigenart hier Erwähnung finden. Das Kurzihmwanggürteltier, Tatus hybridus Desm. (Dasypus), trägt nur jechs bis jieben bewegliche Snochengürtel im Panzer, der Schwanz erreicht nur die halbe Körper- länge. Auch über diefe Art teilt Henjel einiges mit: „Die Mulita, das Maultierchen (Dim. bon Mula, das weibliche Maultier), Dasypus hybridus, tft in den von mir bereiften Gegen- den viel jeltener (al3 Tatus novemeinetus). Diejes Heine Gürteltier fieht dem vorigen jehr ähnlich, wird aber nur etwa halb jo aroß. ES findet fich nicht im Innern des Urwaldes, jondern nur an feinen Rändern, wo er vielfach Durch Camp unterbrochen wird. &3 fcheint häufiger noch auf der Serra al3 in der Tiefebene vorzufommen. Geine Lebens- und Kahrungsweife ijt wohl wie bei voriger Art. hren Namen (Mulita) joll diefe Art wegen der Länge der Ohren erhalten Haben; doch fand ich diefe eher Fürzer al3 bei dem ge- wöhnlichen Tatu derjelben Größe.” - * Die Hartgürteltiere oder Armadille (Dasypodinae) haben jämtlich) mehr oder weniger diefelbe Gejtalt. Der auf niedrigen Beinen jtehende Leib ift gedrungen, der fegelfürmige Schwanz mittellang, gepanzert und fteif, der Schildpanzer Fnöchern und bollftändig mit dem Leibe verwachjen. Sr der Mitte verlaufen jechs oder mehr bemweg- liche Gürtel. Alle Füße find fünfzehig, die Krallen der Borderfüße zufammengedrüct, die äußeren jchwach nach auswärts gedreht, die Fußjohlen find platt, fehwielig, mit vor- jpringendem Haden; die Zehen der Vorderfüße find verwachjen bis zu den Slauen, und die Tiere find Sohlengänger; die Schuppen feben fich zufammen aus mehreren Fleineren (je eine Mittelfchuppe, umgeben von Randjchuppen; in den Gürteln Haupt- und Ziifchen- Ihuppen). Alle Gürteltiere führen in der Guarani-Sprache den Gefchlechtsnamen Tatu, der auch in die europäischen Sprachen herübergenommen wurde. Der Name Urmadill it Spanischen Urfprungs und bedeutet eigentlich foviel wie Gerüfteter oder Gepanzerter. Man belegt mit diefer Benennung vorzugsweife das Sechsbindengürteltier, während man für die übrigen Die guaranifchen oder andere Landesnamen beibehält. ©attung Dasypus Zinn.: Gebif nur wenige (Z- oder $), aber große Zähne; einer fißt jederjeits im Zmwijchen- tiefer. Tußbau: vorn erfte Zehe viel fehlanfer al3 die andern, Nagelalied und Stlaue Hein; ziveite, obwohl die Yängfte, auch fchlank; dritte, vierte, fünfte allmählich an Länge abnehmend, alle be- waffnet mit fehr ftarfen, leicht gefrümmten, zufammengedrüdten lauen. Gürtelzahl 6 oder 7. Untergattung Chaetophractus Fitz.: Gebiß 2, im Zwifchenfiefer fein Zahn. sr Gattung Cabassus MacMurtr.: Gebiß, nad) Flower und Lydeffer, 2 oder =, Zähne mäßig groß; nad) 9 Gray 5, nad Fibinger und Weber bis 2. YFußbau: vorn erfte und zweite Hehe lang und jchlant, Hartgürteltiere: Braungottiges Gürteltier. 909 mit Heinen Klauen und der normalen Gliederzahl; Die anderen Zehen haben nur zwei Glieder, die dritte trägt eine ungeheure Sichelflaue, die vierte und fünfte ähnliche, aber Hleinere Sllauen. Gürtel- zahl 12 oder 13. Ohren breit, rundlid. Schwanz nackt oder wenig befchildert. Gattung Priodontes F. Cw.: Gebiß viele (32 bis >), aber Heine Zähne. Fußbau: vorn nad) demjelben Plan mie bei der vorigen Gattung, aber die Slaue der dritten Zehe noch größer und die der übrigen, namentlich der fünften, entfprechend zurücdgebildet. Gürtelzahl 12 oder 13. Ohren mäßig groß, eiföürmig. Schwanz feit gepanzert. Gattung Tolypeutes ZU.: nur drei Gürtel, Fanır fich zufammencollen. Gebiß 2 oder 2, große Zähne im Berhältnis zum Schädel. Fußbau wie bei der vorigen Gattung, aber die Eigentümlichkeiten noch mehr auf die Spibe getrieben: die Slaue der dritten Zeche ift fehr lang und fichelförmig, die erite und fünfte ftarf zuritcigebildet, fehlt manchmal ganz. Eines der befannteften Gürteltiere, ver Tatupoyu (d. h. Tatu mit der gelben Hand) der Guarani, unfer Braunzottiges oder Borjtengürteltier, Chaetophractus villosus Fisch. (Dasypus), aus den Bampas von Buenos Aires, hat unter allen Verwandten das häßlichite und fchwerfälligite Ausfehen. Der Kopf tft breit, oben flach und ftumpfjchnaugig, das Uuge Klein, das Ohr trichterförmig, mit roter, geneßter Haut überzogen, der Hals furz und did, der Rumpf breit, wie von oben nach unten gequetjcht. Die kurzen, ftarken, fünf- zehigen Füße tragen tüchtige Nägel. Der obere Teil des Kopfes ift mit einer Gruppe von unregelmäßigen, jechsedigen Schtlochen bededt; der Panzer hat über jedem Auge einen Flei- nen Ausschnitt. Auf dem Naden finden fich neun nebeneinander ftehende, länglich-bieredige Schilöchen, auf dem Borderrüden feitlich jieben, in der Mitte fünf Neihen von unregel- mäßig fechsedigen Platten. Auf diefen Schulterpanzer folgen jechs voneinander getrennte, bewegliche Gürtel von länglich-vieredigen Schildern und hierauf der Sreuz- oder Hüft- panzer aus zehn Keihen dicht beieinander liegender, länglich-vierediger Schtlochen. Der Schwanz ijt zunächit dem Numpfe mit fünf voneinander getrennten Ringen bepanzert, Die aus vierecigen Schilochen zufammengejeßt find; den übrigen Teil bededen unregelmäßige jechsedige Schuppen. Endlich jigen noch unter jedem Auge 5—7 cm lange, mwagerecht laufende, miteinander verbundene Schilderreihen und auc) am Halje zwei dergleichen quer= faufende, nicht zufammenhängenvde. Der Rüden der Füße und die vordere Geite Der Borderarme find ebenfalls mit unregelmäßigen fechsedigen Schuppen bededt. Den übrigen Teil des Körpers Hüllt eine die, gerunzelte Haut ein, auf der eine große Anzahl flacher Warzen fteht. Am Hinterrande des Kopfichildes, des Schulterpanzers, der Nüdengürtel, ein- zelner Schildreihen des Streuzpanzer3 und der Schwanzringe zeigen jich einige jteife Borften, gewöhnlich zwei hinter jedem Schilöchen. Solche Haare wachjen auch Hinter den flachen, die Zehen bededenden Hautwarzen heraus. Die Schilöchen felbit find verichieden gebaut. Auf den bieredigen verlaufen zwei Ninnen der Länge nach; die übrigen find mehr oder weniger eben. Shre Farbe ist bräunlichgelb; Durch die Neibung an den Wänden der Höhlen jedoch werden jie zumeilen lichtgelb oder gelblichweiß. Die Haare find braun, unten dunkler, fänger und dichter, an den Leibesfeiten bejonders reichlich. Nicht jelten findet man ein- zelne zu diefer Art gehörige Gürteltiere, die anjtatt jech3 beweglicher Nüdengürtel deren lieben und auf dem Hüftpanzer anftatt zehn Schilderreihen deren elf haben. Die Länge beträgt 50 em, die Schwanzlänge 24 cm, die Höhe am Widerrift ebenjoviel. Hier mag aud) die Hleinjte Korn unter den Hartgürteltieren, das im Körper nur 25 cm lange Zwerggürteltier, Pla finden, weil e8 zumeijt der Gattung Dasypus bzw. Chaeto- phraetus zugeteilt, allerdings von Wagler 1830 jchon al Euphractus und neuerdings von 510 7. Didnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. Ameghino wieder als Zaedius abgetrennt wurde. Danach heikt das Tierchen jebt Z. minutus Desm. und fommt, nach Troueffart, in Weftargentinien, Bolivien, Südchile, Patagonien vor. Entiprechend diefem weiten Verbreitungsgebiete jcheint e8 abzuändern, und fo Hat Lönnberg die Anatomie eines Cremplars ohne Nadenplatten bearbeitet. Der Schulterpanzer feßt fich aus rechtedigen, der Schwanzpanzer aus ringförmigen Schildern zufammen; jonft befteht aroße Ahpnfichkeit mit dem Braungottigen Gürteltier. Über die Lebensweije des Zmerggürteltieres berichtet fein Geringerer al8 Dartoin, und zwar fehildert er e3 unter ganz eigenartigen, abweichenden Umftänden, die ein Günteltier auch einmal al Küftenbewohner und Stranddünengräber erjcheinen lajjen. Sn den z00lo- gifchen Ergebniffen feiner „Weltreije eines Naturforjcher3” mit dem Schiff „Beagle Heißt e3: Das Zwergglürteltier „geht bis zum 50. Siüpdbreitegrade, ungefähr 10 Grad meiter (füdlich) al irgendeine andere (Gürteltier-) Art... Der Pichy (fein eingeborener Name) zieht einen jehr trocdnen Boden vor, und die Sandvdiinen der Küfte, wo ihm monatelang alles Waffer abgeht, find fein fiebfter Aufenthalt. Während eines Tagesrittes in der Nähe von Bahia Blanca begegnete ich gewöhnlich mehreren. Sobald man einen bemerfte, mußte man jich faft vom Pferde herabitürzen, um ihn zu fangen; denn, imo der Boden weich war, grub fich das Tier fo fchnell ein, daß die Hinterbeine beinahe jchon verjchwunden waren, ehe man abfteigen fonnte. Der Pichy verfucht auch oft, der Aufmerffamfeit zu entgehen, indem er fich Dicht auf den Boden drüdt. &3 ift fchade, folche niedliche Kleine Tiere zu töten: ‚Son tan mansos‘ (fie find jo ruhig), fagte ein Gaucho, während er fein Schlachtmefjer auf dem Nüden des Tieres mweßte.“ Das Weifborften- oder Sehsbindengürteltier, Dasypus sexeinetus Zinn., ähnelt dem Borftengürteltier, ift einjchließlich Des 20 cm mejjenden Schmanzes 56—60 cm lang, trägt hinter und zwijchen den Ohren ein aus acht Stüden zufammengejeßtes Schilderband, bat zwischen dem Schulter- und Nüdenpanzer jechs breite Gürtel und bräunlichgelbe, ober- jeit3 dunflere VBanzer- und blaßbräunlichgelbe Hautfärbung. Behaarung fhwächer; Hinter jedem Gürteljichtild zwei mweißliche Borften. Die Hartgürteltiere leben nicht in einem beftimmten Gebiete, fondern ändern öfters ihr Lager. Das ift eine gangförmige, 1—2 m lange Höhle, die von ihnen jelbit gegraben wird. An der Mündung ift die Höhle Freisförmig und hat nad) der Größe des Tieres einen Durchmefjer von 20—60 em; gegen das blinde Ende zu wird der Gang weiter und zulebt fejjelartig, fo daß das Tier fich bequem umdrehen fan. Die Richtung des Ganges it berjchieden. Anfangs geht er fchräg, etiva unter einem halben rechten Winfel geneigt, in die Tiefe hinab, dann wendet er jich bald gerade, d.h. wagerecht fort, bald biegt er fich nac) diefer oder jener Seite hin. Sn folchen Höhlen bringen die Gürteltiere alle Zeit zu, die fie nicht zum Auffuchen ihrer Beute verbrauchen. An der Wildnis gehen fie, wenn der Himmel bewölkt und das grelle Sonnenlicht ihnen nicht befchwerlich fällt, auch bei Tage aus, in be- wohnten Gegenden verlafjen fie die Baue nicht vor einbrechender Dämmerung, ftreifen dann aber während der ganzen Nacht umher. &3 fcheint ihnen ziemlich gleichgültig zu fein, ob jte lich zu ihrer Höhle zurücfinden oder nicht; denn fie graben fich, falls fie den Weg verfehlt haben follten, ohne weitere Umftände eine neue. Hiermit verbinden fie zugleich einen Dop- pelten Zived. Azara beobachtete, und andere Naturforfcher beftätigen Dies, daß die Gürtel- tiere ihre Baue hauptjächlich unter Ameifen- oder Termitenhaufen anlegen, weil fie dann ihre Hauptnahrung mit größter Bequemlichkeit auch bei Tage einfammeln fönnen. Gie Xenarthra Il. IM in I 1. Cangichwänziges Weichgürteltier, Tatus novemeinctus Linn. l/y nat. Gr., s. S. 506. — Dr. O. Heinroth- Berlin phot. 2. Weißboritengürteltier, Dasypus sexcinctus Linn. - Dr. ©. Heinroth - Berlin phot. 10. 5 Vi nat. Gr., s. S. 3 4 3 u.4. Kugelgürteltier, Tolypeutes conurus Js. Geoffr., zulammengerollt. l/y nat. Gr., s. S. 523. — Dr. O. Heinroth - Berlin phot. 5. Kugelgürteltier, Tolypeutes conurus Js. Geoffr. l/4 nat. Gr., s. S.523. — H. Collischonn - Frankfurt a. M. phot. Zwerggürteltier. Weißborftengürteltier. oll unterwühlen jolche Haufen und bringen es fchließlich dahin, dat der Bau, für eine gemile Zeit wenigjtens, ausgenubt wird. Dann fann ihnen nichts mehr an der alten Höhle liegen, und fie find gewijjermaßen gezwungen, fich eine neue zu graben, um einen erjchöpften Boden mit einem friichen zu vertaufchen. Nächft den Ameijfen oder Termiten ftelfen fie borzüglich Käfern und deren Larven, Raupen, Heufchreden und Erdwürmern nad). NRengger bemerfte, daß ein Tatu Miftfäfer, die fich in die Erde eingegraben hatten, hHerausscharrte und hervorfommende Negenmwürmer begierig aufjuchte und verzehrte, berichtigt aber die Meinung bon Uzara, der glaubte, daß feine Vögel, nämlich Eronifter, fowie Eidechjen, Kröten und Schlangen vor den Nachitellungen der Gürteltiere nicht ficher feien, und glaubt auch, daß Yaz von ihnen bloß zu dem Zmede aufgefucht werde, um die dort fich einfindenden Sn- jeften zu frejfen. Ungzmweifelhaft fejt dagegen teht, dat Gürteltiere Pflanzennahrung zu jih nehmen: Nengger hat folhhe in dem Magen der von ihm getöteten Tiere gefunden. Zwei fich gerade treffende Gürteltiere geben fich bei gelegener Zeit wohl auch ein Stell- dichein und verweilen ein paar Minuten miteinander. Auf folchen nächtlichen Streifereien findet auch, wie Nengger bei Mondjchein beobachtete, die Vaarung ftatt. Männchen und Weibchen begegnen jich zufällig, befchnuppern fich ein paar Minuten lang, befriedigen ihren Gejchlechtstrieb, und jedes trollt weiter, jo gleichgültig, al3 hätte e3 nie ein zweites Gürtel- tier in Ddiefer Welt gejehen. 63 Yäßt fich erwarten, daß die gejchilderten Streifereien immer nur innerhalb eines Heinen Sreijes jtattfinden fünnen. Der gewöhnliche Gang aller Armadille ijt ein langjamer Schritt, die größte Bejchleuniqung, deren fte fähig jind, ein etwas fchnellerer Wechjel der Beine, der die Tiere immerhin jo rafch fördert, daß ein Menjch jte nicht einholen fann. Cäbe zu machen oder fich jchnell und gewandt Herumzudrehen, find ihnen Dinge der Unmöglichkeit. Eriteres verwehrt die Schwerleibigfeit, Das leßtere Der enge Anjchluß des Panzers. So fönnen fie denn, wenn jie ihren Lauf auf das äußerfte bejchleunigen wollen, nur in gerader Nichtung oder in einem jehr großen Bogen dahintrolfen, und jie würden ihren verjchtedenen Feinden geradezu mwiderjtandslos preisgegeben fein, wenn fie nicht andere Kunftjtüce ver- Itänden. Was ihnen an Gemwandtheit gebricht, wird Durch ihre große Musfelfraft erjebt. Dieje zeigt fich bejonders in der Schnelligkeit, mit der te fich in Die Erde eingraben, und zwar an Stellen, wo eine Haue nur mit Mühe eindringt, 3. B. am Fuße von Termitenhügeln. Ein ausgewachjener Tatu, der einen Feind in der Nähe wittert, braucht nur drei Minuten, um einen Gang zu graben, dejjen Länge die jeines Körpers jchon um ein beträchtliche über- trifft. Beim Graben fragen die Gürteltiere mit den Nägeln der Vorderfüße die Erde auf und fcharren mit den Hinterfüßen den aufgeloderten Teil hinter fich. Sobald jte jtch über Körperlänge eingegraben haben, ijt jelbjt der ftärkite Mann nicht mehr imftande, fie am Schwanze rückwärts aus der Röhre Herauszuziehen. Da ihre Höhlen niemals größer iind, aß zum Einfchlüpfen eben erforderlich, brauchen fie nur ihren Nüden etwas zu frümmen, dann leiten Die Ränder der Binden nach oben und die jcharfen Stlauen nach unten din jo Starken Widerftand, daß alle Manneskraft vergeblich ift, ihn zu bemältigen. Azara jah, daß man ohne Erfolg einem Tatu, um ihn leichter Herauszuziehen, ein Mejjer in den After ftieß: das Tier hielt fich Frampfhaft feft und grub dann weiter. Dft befreien fie jich auch, wenn man fie bereit3 aus der Höhle herausgezerrt hat, indem fie fich plößlich zu- jammenbiegen und, einer Springfeder gleich, wieder ausjtreden. Se nach dem Zeitpunfte der Begattung wirft das Weibchen im Winter oder im Frühjahr entjprechend feiner geringen Zibenzahl 2 Junge und hält fie während einiger 912 7. Ordnung: Xenarthra. Yamilie: Gürteltiere. Wochen forgjam in jeiner Höhle verjtedt. Die Jungen lajjen fich äußerlich nach dem Ge- schlecht jehwer unterjcheiden, und die Brafilier glauben deshalb, daß alle eines Wurfes desielben Gejchlechtes feien. Wahrjcheinlich dauert die Säugezeit nicht Yange; denn man jieht die Jungen bald im Felde umherlaufen. Wenn fie nur einigermaßen erwachjen find, geht jedes feinen eignen Weg, und die Alte befümmmert fich nicht im geringften mehr um ihre Sprößlinge. Überhaupt findet man die Gürteltiere immer einzeln und höchitens die Mutter mit ihren faugenden Jungen in ein und demjelben Bau. Man jagt den Tatu gewöhnlich beit Mondjchein. Der Yäger bewaffnet jich mit einem diden Stode von hartem Holze, der am Ende jpit oder auch Feulenförmig zuläuft, und fucht mit einigen Hunden das Wild auf. Bemerft der Tatu die Hunde noch rechtzeitig, jo flieht er augenblicklich nach feiner eignen Höhle oder gräbt jich fo Schnell wie möglich, und zivar viel lieber, als er in einem fremden Bau feine Zuflucht fucht, eine neite. Kommen ihm die Hunde aber auf den Leib, ehe er die Höhle gewinnt, fo ijt er verloren. Da jene ihn mit den Zähnen nicht anpaden fünnen, halten jte ihn mit der Schnauze und den Pfoten feit, bis der Säger binzufommt und ihn durch einen Schlag auf den Kopf erlegt. Nach Uzara ift das Tier durchaus nicht Streitbar, fondern im Gegenteil noch friedlicher als das Dpojjum, das, fo feig es jich auch anftellt, Doch zumeilen tüchtig beißt. Hat jich der Tatu aber noch rechtzeitig in jeine Höhle ge- flüchtet, jo wird diefe von dem Jäger mit einem Stoce fo lange vergrößert, bis fie weit genug it, daß er das Tier am Schwanze ergreifen ann. Hat man Wajfer in der Nähe, jo füllt man oft erfolgreich die Röhre mit dDiefem an und nötigt Dadurch Den Tatu, den Bau zu verlajjen, oder man richtet an dejjen Mündung eine Falle her, die ihn beim Heraustreten erjchlägt. Bei der Unmafje von Höhlen, auf die mar da tuifjt, wo die Tiere häufiger find, würde e3 jchiwer fein, die bewohnten von den verlafjenen zu unterjcheiden, wühten die geübten Sndianer nicht Kleine Anzeichen zu deuten. Nach den bewohnten Höhlen hin fieht man eine eigentümliche Spur im Sande verlaufen, eine feine, jeichte Rinne nämlich, die don dem nachjchleppenden Schwanze gezogen wird. Bor der Höhle findet man auch gewöhnlich den Kot des Bemwohners, der ihn nie im Innern des Baues ablegt, und endlich bemerft man in allen Höhlen, die gerade Tatus beherbergen, eine Menge von Stechmücden jchmärmen, jedenfalls in der Abficht, dem wehrlojen Banzerträger an den nichtgefchüßten Teilen feines Leibes Blut abzuzapfen. Dieje Anzeichen genügen erfahrenen Yägern vollftändig. Alle Gürteltiere find den Südamerifanern verhaßte Gejchöpfe, weil jte viele Unfälle verjchulden. Das Pierd, das in geftredtem Galopp dahinjagt, tritt plößlich in eine Höhle und fann nebit dem Neiter verunglücden. Deshalb verfolgen die Eigentümer aller Metereien die armen Panzerträger auf das erbittertite und graufamfte. Außer den Menfchen ftellen ihnen die größeren Katenarten, der brafiliiche Wolf und der Schafalfuchs nach; doch fcheinen ihnen alle diefe Feinde nicht eben viel Schaden zu tun, da Gürteltiere an Orten, wo der Menjch fie in Ruhe läßt, immer in großer Anzahl vorkommen. Selten werden in Paraguay, nach Nengger, Tatus aufgezogen. Sie jind zu langweilige und ihres Grabens wegen auch zu jchädliche Hausgenoffen, als daß fich der Menfch mit ihnen bejonder3 befreunden fünnte. Am Tage halten fie fich in einem Winkel ihres Käfıgd ganz ruhig, ziehen die Beine unter ihren Panzer zurüd und fenfen die jpibige Schnauze gegen den Boden, lieben es, wie Haade mitteilt, aber auch, auf dem Rüden liegend und alle viere in die Luft geitredt zu jchlafen, wobei fie oft frampfhafte, zittende Bewegungen machen. Bei ein- brechender Nacht beginnen fie umberzulaufen, nehmen die ihnen vorgelegte Nahrung zu jich und berjuchen von Zeit zu Zeit mit ihren Nägeln ein Zoch auszufcharren. Läßt man fie in Hartgürteltiere: Jagd. Gefangenleben. 513 einem Hofe frei, jo wühlen jie jich zumeilen jchon bei Tage, getvik aber in der erjten Nacht in die Erde ein und leben dann wie im Zuftande der Freiheit, d. h. zeigen jich bloß bei Nacht und graben fich alle drei oder vier Tage eine neue Höhle. Niemals bemweijen fie durch irgend- eine Handlung, daß jie erheblichen Berjtand bejiten. Den Menfchen jcheinen jte faum bon anderen Gejchöpfen, mit denen jte leben, zu unterjcheiden; doch gewöhnen jte jich daran, bon ihm berührt und Herumgetragen zu werden, während fie vor Hunden und sahen zu fliehen fuchen. Erjchredt man jte durch einen Schlag oder ftarfen Laut, jo jpringen fie einige Schritte weit fort und verjuchen jogleich ein Zoch zu graben; werden jie genedt, jo gebrauchen fie, nach Haade, ihren Stirnpanzer, den jie gegen den Störenfried anjtemmen, als haupt- jächlichite Verteidigungswaffe. Sn ihrem Laufe achten jie weder auf lebloje Gegenjtände noch auf lebende Tiere, die ihnen im Wege liegen, jondern rennen über alles hinweg. Unter ihren Sinnen fteht der Geruch obenan, das Gehör ift jchwächer, und Die Augen werden vom helfen Sonnenschein vollftändig geblendet, find auch in der Dämmerung nur zum Bejchauen ganz nahe liegender Gegenjtände fähig. Die Gürteltiere, die man auch häufig nach Europa bringt und in einigen Tiergärten mit den Affen zufammenfperrt, werden in der Gefangenjchaft mit Würntern, njekten, Larven und rohem oder gefochten Fleijche ernährt, das man ihnen aber in kleinen Stücden borwerfen muß, mweil jie von größeren nichts abbeigen fünnen. Cie ergreifen die Speije mit den Lippen oder mit ihrer jehr dehnbaren Zunge. Bei einigermaßen entiprechender Pilege halten fie fich im beten Wohlfein jahrelang, dienen willig oder willenlos den Affen zu Neittieren und Spielfameraden, lajjen jich alles gefallen, gewöhnen jich an Spazier- gänge bei Tage und jchreiten auch wohl zur Fortpflanzung. Junge Gürteltiere, die im Lon- doner Tiergarten geboren wurden, famen blind zur Welt, und ihre noch weiche Haut zeigte alle Falten und Felder des erwachjenen Tieres. Ihr Wachstum ging außerordentlich jchnell bor jich; eines hatte in Zeit von 10 Wochen fajt 1,5 kg an Gewicht und 25 cm an Größe zugenommen. Im Kölner Tiergarten warf ein Weibchen zweimal je zwei Junge. „Über die Fortpflanzungsgejchichte diefer merkwürdigen Tiere”, jchrieb mir Bodinus, „bin ich, troß- dem ich die gefangenen täglich vor Augen habe, noch ziemlich im Dunfel geblieben. ch kann nur fagen, daß die Begierde des Männchens zur Begattungszeit geradezu ungezügelt ift. ES überfällt fein Weibchen in jeder Tage und treibt eS lange umher. Die Geburt der Jungen überraschte mich; denn die Gefchlechter find jchwer zu unterjcheiden, und ich hatte durchaus feine Änderung in dem Umfange des Weibehens wahrgenommen. hre verhältnismäßig jehr großen Jungen wurden halbtot vor Kälte in der Streu des Ktäfigs gefunden. Das Weib- chen bemühte fich, fie dort zu verfcharren. Dabei ftieh es die Jungen in der rohejten NBeije umber, fragte und fchlug mit feinen Nägeln auf die armen Gejchöpfe 103, daß je blutrünftig wurden, und erneuerte diefes Verfahren immer wieder, als die Jungen, nachdem fie fort genommen und wieder erwärmt worden waren, hingelegt wurden, um fich jaugend an der Mutter zu ernähren. Daran war aber nicht zu denken. &3 war mir unmöglich, irgendeine Spur von Milch zu entdeden; die Milchdrüfen waren auch nicht im geringiten angejchtoollen. Was die Mutter zu jo unerträglicdem Verfahren gegen die Jungen veranlaßt, fonnte ich bis jeßt nicht ergründen, und fernere Beobachtung wird nötig fein. Sobald es mir gelingt, den trächtigen Zuftand des Weibchen wahrzunehmen, will ich Vorkehrungen treffen, um dem Tiere ein möglichjt naturgemähes Wochenbett zu bereiten.” Das hat man in Hamburg Anfang der 1880er Jahre getan und davon vielfache Zucht- erfolge, offenbar aber auch das Glüd gehabt, bejjere Gürteltiermütter zu treffen. Der Brehm, Tierleben. 4. Auf. X. Band. 33 514 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. damalige Inipeftor Sigel jchreibt darüber im „Hoologijchen Garten“: „Die borjtigen Gürtel- tiere haben fich feit einer Reihe von Jahren bejtändig bei uns fortgepflangt (bi3 Ende 1883 zogen toir deren 49). Wir Haben daher dieje eigentümlichen Gefchöpfe in den verjchiedenen Illters- itufen fennen gelernt und fünnen über deren zwedmähige Behandlung einige Winfe geben. „Unfere Gürteltiere verbringen, joweit e8 die Umstände erlauben, ihr Dafein unter einer in der fogenannten großen Voltere untergebrachten Gejellichaft Feiner und mittel- groger Affen. Gegen die Unbill der fegteren find jie einerjeit$ Durch den Fräftigen Banzer, anderfeit3 durch ihre Schwere gejchüßt. An der Morgen- und Abendmahlzeit der Affen — abgerahmte, aufgefochte Milch und darin eingeweichtes Weizenbrot — befriedigen fte, nicht jelten mit einer an Frechheit grenzenden Unbefangendeit, ihre Nahrungsbedürfniffe. „Das weibliche Gürteltier unterliegt natürlich aufmerfjamfter Beobachtung, und wenn der Zeitpunkt herannaht, der eine Nachfommenfchaft erwarten läßt, jo wird e3 aus der Vo- liere entfernt und in einen mit befonders reichlicher Strohfchütte verfehenen Seitenfäfig des Affenhaufes gebracht. Hier haben wir nun Gelegenheit zu beobachten, wie das Tier die ihm zu Gebote jtehenden Mittel, feinem Naturtriebe anpafjend, zu verwenden weiß. &3 wühlt jich, um der Außenwelt entrüct zu fein, vollfommen in die Strohfchütte ein und bringt in der Berborgenheit gewöhnlich zwei blinde Junge — felten eins — zur Welt, auf Deren dünner und weicher Rücenhaut die fpäter jo kräftige Gürtelung durch fehwache Linien angedeutet it. Hauptbedingung ift, das aljo bereitete Lager bis zu dem etiva in der vierten Woche nach der Geburt eintretenden Zeitpunfte, two mit dem Erwachen des Augenlichtes Die Kleinen mit mäütterlicher Erlaubnis im Käfig umherzumandern beginnen, möglichjt wenig zu be- rühren. Haben jich vor diejfer Zeit die Jungen ja einmal zu einem Spaziergange außerhalb ihres Verjtecfes verirrt, jo ift die Mutter eifrigit bemüht, die Kleinen wieder dahin zurüd- zujchleppen, indem fie fie mit dem Maule erfaßt. Unvorfichtige Eingriffe in die Häuslich- feit der jungen Brut fünnen, indem fie zur Bernachläfjigung der lehteren jeitens der be- unrubigten Mutter führen, vecht folgenfchwer werden. Eine Reinigung des Schlupfwinfels bor der gegebenen Zeit wäre der größte Fehler, der gemacht werden fanıı. Solche ijt aber auch deshalb jchon unnötig, weil die Alte ihren eignen Kot in dem freien Borderteile des Käfigs abjeßt, während fie anderjeit3 dafür jorgt, daß ihre Kleinen troden fiegen. „Ein jich am 27. Februar 1881 ereignender Geburtsfall wird uns für die Behandlung diejer Tiere infofern ftetS ein wertvoller Fingerzeig bleiben, al3 wir bei unglüdlicher Sach- lage der Dinge unerwartet mit günftigem Erfolge operierten. Am frühen Morgen des ge- dachten Tages fanden wir zu unferer großen Überrafchung zwei während der Nacht getvorfene yunge inmitten der Affenvoliere liegend vor, die von der Mutter, die auch nicht eine Miene machte, ji) ihnen zu nähern, gänzlich verlajjen waren. Lebtere hatte offenbar unter dem Affengewühle feine pafjende Lagerftelle für ihre Slleinen finden fünnen und mußte diefe unter jolchen Umständen wahrjcheinlich doch für verloren halten. Unfere erfte Sorge war es, die Mutter mit den Jungen aus der BVoliere zu entfernen, unfere zweite, ein geeignetes Unterfommen zu fuchen, in dem die Entjremdeten gezwungen waren, fich unmittelbar zujammenzuhalten. Ein jolches Unterfonmen gewährte ein Heiner Kaften, in dem die Alte, jeder größeren Bewegung unfähig, den ihr zugefellten Jungen nicht entwifchen fonnte. So blieben die Anfaffen, Die Überdies durch das Zudeden des Kaftens im Dunfeln gehalten wurden, einjtweilen ihrem Schicjale überlaffen. Am nächiten Tage bemexkten wir zu unferer gropen Freude an dem muntern Wejen der Kleinen, daß fie Nahrung erhalten Haben mußten. Am 1. Wärz geftatteten wir der Mutter, den in einen Käfig geftellten und in die Seitenlage Hartgürteltiere: Nachzucht. Ausjeßung. 515 gebrachten Staften zu verlajjen. Sie lief ein Weilchen umhber, fehrte aber bald wieder zu ihren Sprößlingen zurüd, ein Zeichen, daß die Jungen auch ohne ferneren Zivang auf die Mutter ihr Fortfommen finden würden. Bei einem andern Falle, two eine Mutter ihre ihon 15 Tage alten Jungen vielleicht infolge de3 mulmig gewordenen und daher ehr zu- jammengefallenen Strohe3 in bedenklicher Weife fortwährend im Käfig umberfchleppte, erzielten wir günftigen Erfolg durch eine Strohzugabe und nachherige Verdunfelung des Käftgs vermittelit eines davor gehängten Tafens. Noch an dem nämlichen Tage trat in der feinen Familie die frühere Auhe wieder ein. Eine dritte Geburt verdient ihrer Ab- normität wegen erwähnt zu werden. Ein Weibchen, das am 28. Februar 1882 zwei unge geworfen, brachte nämlich 18 Tage jpäter, am 17. März, abermals zwei Junge zur Welt. Leider waren aber diefe vier Tierchen jchwach, außerdem verfügte die Alte nur über wenig Milch, jo daß jte jämtlich bald wieder zugrunde gingen. „sn den erjten Tagen nach der Geburt pflegen die Wöchnerinnen, welche troß ihrer großen Sorge um die Jungen ihre Mahlzeit außerhalb des Berjtedes verjpeifen, wenig oder gar nicht zu freffen. Der Wurf gefchieht zweimal im Jahre. Die Tragzeit ft daher Dem- entjprechend nur kurz und Schiwanft nach unferen Beobachtungen um das Mittel von zwei Monaten. Ein Weibchen, das man nach Aufzucht jeiner Jungen am 25. März wieder in die Boliere zu feinen Verwandten feßte, wurde am 23. Mai bereits wieder glücdliche Mutter. Bet einer andern mußten wir den Termin auf 70 Tage jehäßen.” Später war man gezwungen, Die Gürteltiere zu entfernen, weil die Affen jte wiederholt jchwer verlegten, und damit hörte, nad) Bolaus Berichten, auch die Zucht auf — wohl weil an die Stelle der guten Zuchttiere jchlech- tere traten. Mit folchen hat der Berliner Garten leider auch zu tun gehabt. Dort nahın man ichlieglich die Jungen (immer Zwillinge) gleich weg, um fie fünftlich aufzuztehen, allerdings vergeblich; Dadurch fonnten aber, weil man das Paar beijammen lieh, wenigitens die Ham- burger Angaben über die Tragzeit beftätigt werden. Länger als 74 Tage fann dieje auf feinen Fall währen; denn jo lange nach Wegnahme der Jungen warf das Weibchen wieder. Sm Gegenjas zu den im allgemeinen jehr jchlechten Zuchterfahrungen fteht das ganz erftaunliche Gelingen eines Ausjegungsperjuches mit Gürteltieren am Rhein. Man möchte die ganze Gejchichte Faum glauben, wenn nicht die unbedingte Glaubwitrdigfeit der dabei genannten Namen die Wahrheit verbürgte. Der verstorbene Langfavel, der durch jeine um- fafjenden Notizenfammlungen noch in der Erinnerung vieler Lejer von Fachzeitjchrijten jein dürfte, fehreibt darüber in der „‚Deutfchen Jägerzeitung‘: „Von Heren Brofejjor X. Schuberg in Heidelberg wurde mir eine Nırmmer der ‚KRölnifchen Volkszeitung‘ vom 26. November 1899 zugefchiett, welche die in naturwiffenfchaftlicher Beziehung merkwürdige Mittetlung ent- hielt, daß in dem in Boppards nächjter Nähe belegenen Steinigbachtale ein furz vorher ein- gegangenes Gürteltier, Dasypus, gefunden wäre. Genauere Nachjorichungen ergaben, daf das Tier weder aus einer Menagerie, noch aus einem zoologischen Garten entjprungen, jon- dern viel älteren Urjprungs war. Jm Jahre 1883 erhielt der damalige Oberförjter, Herr Mallmann, von feinem in Buenos Aires wohnenden Sohne ein Pärchen zugejchiet, das während der Seereije mit Jungen beglüdt wurde. Ein Teil der Zamilie wurde dem Zoolo- giichen Garten in Köln zugemwiejen, das Bärchen jelber aber im Bopparder Stadtwalde aus- gejegt. Alfo elf Jahre hat ich Dort im Freien lebend, troß Winterfälte, Schnee und Eis, das eine Tier erhalten und Nahrung gefunden. DObige Zeitung till durch ihre Mitteilung zu Berfuchen anregen, in den Nheinlanden dieje al3 Lederbiffen gejchägten Tiere ähnlich tie die Kaninchen zu züchten, als Wild einzuführen und zu afflimatijteren.“ 33* 510 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. Zebteres wird ja wohl ein frommer Wunfch bleiben, wenn auch zu bezeugen tft, daß „Zatu” auf der Speifefarte der feinen Nejtaurants in Buenos Aires zu den landesüblichen Delifatefjerr gehört. Sn ihrer Heimat ift der Nugen der Gürteltiere nicht unbedeutend. Bet reichlicher Nahrung erden die Tiere fo feilt, daß der ganze Leib gleichjam in Fett eingemidelt erfcheint. Die Sr- dianer ejjen deshalb das Fleijch aller Arten leidenjchaftlich gern, die Europäer dagegen bloß das von ziveien. Nenager verjichert, daß gebratenes und mit jpanijchem Pfeffer und Zitronen- iaft verfegtes Gürteltierfleifch eines der angenehmften Gerichte jei. Alle übrigen Neifenden itimmen hiermit überein. Die Zubereitung gejchteht, laut Tjehudi, in Höchit einfacher Veife. Man jchneidet den Bauch des Tieres auf, nimmt die Eingeweide jorgfältig heraus, veibt Salz, Pfeffer und andere Gewürze ein und bratet den Tatu über Stohlen in feinem PBan- zer, biS diejer ziemlich verjengt ift; dann Löft jich der Panzer leicht von dem garen Tleijche ab. Wahrjcheinlich der etwas abenteuerlichen Gejtalt des Tieres halber ejjen es die Brafilier nicht oft; Die Neger hingegen lieben e3 jehr und jtellen allen Gürteltieren deshalb eifrig nad). m übrigen weiß man mit dem erlegten Tatu wenig anzufangen. Die Indianer Raraguays berfertigen aus dem Panzer feine Körbe, die Botofuden aus dem abgejtreiften Schwanz- panzer Sprachrohre; Früher benugte man die Banzertüce auch wohl, um daraus Öitarren- böden zu machen. Die im Trouefjartichen Säugetierfatalog neuejtens al3 Cabassus MacMurtr. nach dem Sndianerwort „cabassü“, früher von dem argentinischen Edentatenforjcher Ameghino als Lysiurus und 1830 jchon von Wagler al3 Xenurus abgetrennte Gattung der Nadtjihwanz- gürteltiere hat in der Tat ihre nicht unmejentlichen Bejonderheiten, für den fchärferen Beobachter jchon eine abweichende Gejamterjcheinung und bereitet gewiljermaßen vor auf die größte unter allen lebenden Gürteltierformen, die wir hinterher folgen lajjen. Bon diejer unterjcheidet jie neben dem Gebil; und der Größe hauptjächlich eben ihr Gattungs- charafter: der nadte oder nur mit wenigen Hautjchildern bededte Schwanz, und Diejen nadten Schwanz dürfen wir wohl als ein jehr lehrreiches Beijpiel für die gar nicht genug zu beherzigende Grundmwahrheit auffajien, daß in der Natur durchaus nicht alles jo wunderbar ziwechmäßig eingerichtet ift, wie wir zufolge überlieferter Anfchauungen immer und überall von vornherein anzunehmen geneigt jind. Der Schwanz jchleift bei den Be- wegqungen des Tieres auf dem Boden hinterher, wird, ungejchüst, wie er it, leicht verlegt, namentlich in der Gefangenjchaft, eitert dann und fojtet feinem Bejiger das Leben. Und in der Freiheit mag es vielfach nicht anders gehen. Selbit in Eremplaren von faum erheblicherer Größe, als wir jte von den hier vorher- gehenden befanntejten Gattungen gewohnt find, macht das Nadtjchwanzgürteltier doch einen jchwereren, plumperen und unbehilflicheren Eindrud. Dazu mag allerdings beitragen, daß wir die Tiere faum jemals in ganz tadellofem, Fräftigem Gejundheitszuftande in unjere zoologijchen Gärten erhalten; fie dauern auch gewöhnlich nicht Yange bei uns aus. Aber jchon die mächtigen, heil Hornfarbigen Klauen der Vorderfüße, unter denen eine geradezu Üübermächtig ausgebildet ift, geben dem ganzen Auftreten etwas Ungejchidtes und erinnern wiederum lebhaft an die folgende Gattung Riefengürteltier. Auch die Geftalt der Ohren weicht von der der gewöhnlichen Hart- und ebenjo der Weichgürteltiere ab; jie find nicht lang, aber breit, rumdlich, ungefähr wie das Drittel eines Slleeblattes, und liegen anjcheinend inımer fehlaff danieder. Nadtihwanzgürteltiere, 517 Auch von den Nadtjchwanggürteltieren hat man eine ganze Anzahl Arten unterfchieden; die hauptjächlichite ift Cabassus unieinetus Zinn. (angefichts der 12—13 Gürtel ein jehr unpafjender Name!), aus Guayana, Brajilien, Paraguay, Peru, und deren wichtigste Unter- art C. u. gymnurus IZ., aus Säo Paulo und Minas Geraes (Südbrafilien) und Coftarica (?). liber das Leben des Cabassus unieinctus Zinn. gibt Henfel wieder ausführliche Schil- derungen im „Soologiichen Garten“, 1872: „Dasypus (Xenurus) gymnurus, Rabo molle ver Brafilianer wegen feines unbejchildeten Schwanzes, ift minder häufig alS der gemeine Zatu, doch auch nicht jelten. Diejer verhältnismäßig ftärffte unter allen Tatus findet fich nicht im dichten Urwalde, jondern nur an dejjen Rändern oder auf dem freien Camp. Hier Scheint er zumeilen auch bei Tage jeinen Beichäftigungen nachzugehen; denn alle Gremplare, welche ich erhielt, wurden don meinen Hunden mwährend diefer Tageszeit aufgejagt. Doch find jelbit jtarfe Hunde nicht imftande, dem Tiere einen Schaden bei- zufügen. Sein Hautpanzer ijt jo fejt und breit, daß ihn die Hunde während des jchnellen Laufens nicht mit den Zähnen fajen können, und greifen fie ihn auch an der Bauchjeite, fo genügt bloß eine heftige Bewegung der mit jtarfen Krallen verjehenen Fühe des Tatu gegen das Maul des Hundes, und diejfer muß jogleich Ioslajjen, will er nicht feine Schnauze zerrijjen haben. Doch bejchäftigen die Hunde in der Regel den Tatu fo lange, daß der Jäger, wenn er in der Nähe tft, Zeit hat, herbeizufommen und den Hunden zu helfen.“ Nach Henjel haben die Termiten „einen jehr gefährlichen Feind unter den Gürtel- tieren” eben in unjerem Nadtjchwanzgürteltier, das dadurch als nüßliches Tier vom Men- jchen gejchont zu werden verdiente. ‚Nicht jelten findet man auf einem feinen Naume jämtliche Termitenhügel verlafjen. Dann geht am Fuße eines jeden ein Zoch in die Erde, weit genug, um das Bein eines Mannes aufzunehmen. Diejes Loch ift ungefähr ebenjo tief, wie der Hügel hoch tt, und endet genau unter ihm. CS rührt von einem Tatu her, den ich jelbjt jedoch niemals bei der Arbeit ertappt habe. Da ich aber... in dem Magen de Dasypus novemeinctus niemal3 Termiten gefunden habe, Dieje Dagegen ohne Aus- nahme den Magen des D. gymnurus erfüllen, jo unterliegt es wohl feinem Zweifel, daß diejer Tatır der wohltätige Zerjtörer der Termiten ijt. „Unglaublich ijt die Straft des Nabo molle; daß ein Menjch ihn feithalten jollte, jelbit wenn er jich auf ihn legte, ift ganz unmöglich, der Tatu hebt ihn in die Höhe und läuft davon. Diejer Stärfe entjprechend ift auch das Fleisch des Tatu fejt und rot. Man iht es nicht, da man dem Tiere allgemein nachjagt, es frejje das Fleijch des gefallenen Viehes. Worauf fich dieje Annahme gründet, weiß ich nicht; denn nach meinen vielfachen Erfahrungen lebt der Nabo molle nur von Termiten. Sch habe bei allen Exemplaren, die ich unterjuchte, nie etivas anderes im Magen gefunden.“ Dieje Mitteilung Henfel3 über die Trag- und Hebefraft des Nadtjchtwanzgürteltieres darf uns vielleicht ein Hinweis fein auf eine Bedeutung des Panzerz, der breiten Rippen, überhaupt des ganzen SKnochen- und Musfelbaues der Gürteltiere, an die man gewöhnlich weniger denft. Das alles muß bei näherer Überlegung jehr geeignet erjcheinen, den Erd- druc beim Graben auszuhalten, während man jich anderjeits die Schußtirfung gegen Feinde angejichts des nacten Bauches nicht allzu groß voritellen fann. Das Nadtfchiwanzgürteltier jcheint jich nicht jo jtarf zu vermehren; denn ein jehr großes, jchtwangeres Weibchen, allerdings das einzige, das Henjel in diefem Zuftand erhielt, hatte nur einen Fötus. Dieje legtere Beobachtung hat bejonderes Interejje neben den regel- mäßigen Zwillingsgeburten, die wir von den gewöhnlichen Gürteltieren fennen. 518 7. Drdnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. Durch die gleiche Gürtelzahl und den Fußbau mit der einen mächtigen Borderflaue nahe vertvandt, aber Durch die ungleich beveutendere Körpergröße, die hohe Zahl der Kleinen Zähne und den feftgepanzerten Schwanz unterjchteden tft die größte jet lebende Gitrteltier- gattung oder vielmehr -art; denn man nimmt bis jebt troß großer Verbreitung über Guayana, Brafilien, Bolivien, Paraguay, Argentinien nur eine an: das Niefengürteltier, Prio- dontes giganteus E. Geoffr. (Priodon, Prionodon). Der Prinz von Wied erhielt überall Nachricht von ihm, befam es aber niemals zu Gelicht. Er glaubt, daß es über den größten Teil von Brajilien verbreitet, ja vielleicht in Niefengürteltier, Priodontes giganteus E. Geoffr. 1/3 natürlicher Größe. ganz Südamerika zu treffen it. Im den großen Urwaldungen fanden feine Jäger oft Höhlen oder Baue, namentlich unter den Wurzeln der alten Bäume, aus deren Weite man einen Schluß auf die Größe des Tieres ziehen fonnte. Die eingeborenen Yüäger ver- jiherten, daß es hierin einent ftarfen Schweine gleichfomme, und die Baue und noch mehr die Schwänze, die der Brinz bei den Botofuden fand, fchienen diefe Ausjage nur zu beftätigen. Im Rio Grande de Belmonte fand leßterer unter den Botofuden Sprachtohre, die geradezu „Zatuschwanz” genannt wurden, von 36 cm Länge und von 8 cm Durchmeifer an der Wurzel. Azara bemerkt, das Niejengürteltier jet fehr felten in Paraguay und habe feinen eigentlichen Namen. „Man findet e3”, fagt er, „bloß in den ungeheueren Wäldern des nördlichen Teiles unjers Landes. Wenn einer von den Tagelöhnern, welche in der Gegend arbeiten, wo das Kiejengürteltier fich aufhält, ftirbt und, der Abgelegenheit von Friedhöfen wegen, an Drt Riefengürteltier. 519 und Stelle eingegraben werden muß, find, wie man erzählt, die ihn zur Exde beftattenden Leute genötigt, das Grab mit jtarfen und doppelten Stämmen auszulegen, weil jonft der Niejentatu ven Leichnam ausgrabe und zerjtücdle, jobald er Durch den Geruch an das Grab geführt werde. „ch jelbjt Habe das Niejengürteltier nur ein einziges Mal gejehen, und zwar zufällig. Sn einem Landhaufe erfundigte ich mich nach den Tieren der Umgegend und erfuhr von einem Alten, daß einige Nächte vorher die Sinechte jeines Haufes nahe am Walde ein großes Tier entdecdt hätten, vor dem fich die Pferde entjeten. Einer der Burfchen ftieg ab und erfannte im Scheine des Bollmondes einen grabenden Tatı. Er padte ihn am Schwanze, erhob ihn, band’ihm jeine und feines Gefährten Wurfjchlinge um den Leib und jchleppte ihn daran nach) Haufe. Dort aber erhoben die Weiber aus Furcht ein Gefchrei und ruhten nicht eher, bi3 die beiden Fänger ihre Beute getötet hatten. Am folgenden Tage er- jchienen dann die Nachbarn, um das merkwürdige Gefchöpf zu jehen. Man zerjtüdelte feinen Leib, und der eine nahm den Harnifch mit jich, in der Abjicht, Geigen- oder Gitarrenböden Daran zur fertigen, Der andere die Sllauen. Nachdem ich dies gehört, verjuchte ich zu erhalten, was ich fonnte, und fand, daß die Vögel und Würmer fat alles Fleijch geirejien hatten, und daß auch der Kopf und der Schwanz bereits vollftändig in Fäulnis übergegangen waren; doch jah ich außerdem noch ein Stücd des Banzers, und zwar das Schulter- und Sreuzjchild und die Schilder dazwijchen, an denen freilich viele Platten ihren Glanz verloren hatten. Nach diejen Nejten habe ich meine Bejchreibung entworfen.” Aus Später gemachten Unterjuchungen ergibt fich, daß das Niejengürteltier eine Xeibes- länge von 1 m und darüber erreicht und der Schwanz etwa halb jo lang wird; Snethlage- Para maß eine Öejamtlänge (Schnauzen- bis Schwanzjpise ohne Rüdenhümmung) von 1,73 m; Sopflänge 23 cm, Nüdenpanzer ohne Wölbung 72 cm; größte Borderklaue, geradlinig gemejjen, ohne Krümmung 12 cm. Nach Kappler erreicht das Tier ein Gewicht bon 45 kg. Stirn und Schädel werden von fehr unregelmäßigen Sinochentafeln bedeckt. Der Schulterpanzer befteht aus zehn Gürtelreihen, zmwijchen denen jich hinten an den Seiten noch eine Reihe einjchiebt; bewegliche Binden find 12—13 vorhanden; der Hüften- panzer enthält 16—17 Reihen. Die Schilder find vier- oder rechtedig, auch fünf over jechsecdig, die hinteren Neihen des Hüftpanzers unregelmäßig; der Schwanz toird von bierecfigen und unregelmäßigen Sinochentafeln bedecft. Überall drängen jich furze Borften herbor. Die Ohren find furz, breit, ftumpf und mit runden Sinochenmwärzchen bedeckt. Die Färbung des Körpers, mit Ausnahme des weißlichen Kopfes, Schwanzes und einer Seitenbinde, ift fehwarz. Gemaltige Krallen verjtärfen die kurzen, unbeweglichen gehen. Die mittlere Klaue der fünfzehigen Vorderfühe ift ungemein groß; die Zehen der Hinter- füße dagegen tragen breite, flache, faft Hufförnige Nägel. Die Halswirbel verwachjen teil- mweife jo, daß auf den erften Blie nur ihrer fünf vorhanden zu jein jcheinen. Die Wirbel haben hohe, breite, untereinander fich berührende Dornen zur Stüße des jchweren Panzer. Die zwölf Kreuztwirbel verjchmelzen untereinander und mit dem Hüft- und Gibbeine. Die zwölf Rippen find jehr breit; das Bruftbein befteht aus jechs Stüden. Der Oberarm ift jtark gedreht, Schien- und Wadenbein find oben und unten innig verbunden. Das Merkwürdigite am ganzen Tiere dürjte jedoch das Gebik fein. An der oberen Reihe ftehen je 24—26, in der unteren Reihe je 22—24 Zähne, von denen jedoch Häufig mehrere ausfallen; immerhin aber enthält daS Gebi 90—100 Zähne oder wenigjtens Werkzeuge, welche die Zähne ver- treten. Sn der vorderen Hälfte der Reihen find es nämlich blof dünne Platten, und exit nach 520 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. Hinten zu werden fie allmählich dider, eiförmig, rundlich und zylindrifeh. Manche der vor- deren Zahnplatten jcheinen aus zwei Zähnen zufammengewachjen zu jein. Dem Stoffe nach ähneln die Zähne denen der übrigen Gürteltiere. Was das Niejengürteltier mit diejer Maife von Zähnen anfängt, ift geradezu unerflärlich, da e3 fich, foviel man bis jegt weiß, in der Nahrung durchaus nicht von den übrigen Arten unterjcheidet. „on feinem Magen”, jchreibt Kappler, „habe ich immer nur Stäferlarven, Raupen, Maden und Wirrmer gefunden. Das Tier hat einen fo ftarfen mofchusartigen Geruch, daf; die Indianer e3 nicht ejjen. Wenn eS gejagt wird, furcht es fogleich in feine Höhle zu fommen, aus der man e8 herausgraben muß. &$ gräbt aber unter fortwährendem Tauchen fo jchnell weiter, daß ein Mann mit dem Spaten ihm faum nachkommen Fann.” Nach Europa ift das Tier lebend noch nicht gefommen, obwohl es natürlich ein foft- bares Schauftüd für einen zoologischen Garten wäre. Ein guter Baraguayjanımler, E. Wie, dem mir manches Interejjante verdanfen, war öfter hinter ihm her und hat e3 auch tot ge- bracht; aber lebend fonnte er es nicht erlangen, ehe er dem zzieber erlag. Nach feinen Er- zählungen findet man im Urwalde manchmal alles umgewühlt, Sträucher und Bäume entmwurzelt, „alS ob der Teufel da gehauft hätte”, und das abergläubifche Bol fchreibt dem Teufel auch diefe Verwültungen zu, die in Wirklichkeit wahrjcheinfich nur Spuren der gewwaltigen Wühlfraft des Kiejengünteltieres find. AUpar oder Matafo nennen die Eingeborenen, Bolita („Kügelchen”) die Spanter das noch wenig befannte Kugelgürteltier, Tolypeutes tricinetus Linn. (Dasypus), den Vertreter der nächjten Gattung. Nach Azara findet fich der Matafo nicht in Paraguay, fondern fommt erjt ungefähr unter dem 36. Grade füdl. Br. vor. „Einige nennen ihn Bolita, weil er der einzige unter allen Tatus ijt, der, wenn er jich fürchtet oder gefangen werden foll, ven Kopf, den Schwanz und die vier Beine verjtedt, indem er aus dem ganzen Leibe eine Kugel bildet, Die man wie einen Ball nad) allen Nichtungen rollen fann, ohne daß fie fich auflöft. Man fann die Kugel auch nur mit großer Gewalt aufrollen. Die Jäger töten das Tier, indem fie es heftig gegen den Boden werfen. Sch Habe bloß einen einzigen gejehen, der mir gejchenft wurde; aber er war jo [chivac) und Frank, daf er [chon am andern Tage ftarb. Er hielt jich beftändig in einer fehr zufammengezogenen Stellung, gleichjam Fugelartig, und lief tölpisch, ohne feinen Leib auszuftreden, erhob dabei faum die Beine und trat, anjtatt auf die Sohlen, auf die Spiben der größeren Zehen, die er jenfrecht ftellte (aljo auf die Spigen der Nägel), hielt auch den Schwanz fo, daß er beinahe den Boden berührte. Die Hände und Süße find viel jchwächer als bei allen anderen und die Nägel nicht eben günjtig zum Scharren. Deshalb zweifle ich auch, daß er fich Höhlen gräbt; wenn er wirklich in folche Hineinfriecht, jind jte wahrscheinlich von anderen feiner Sippfchaft gemacht. Sch habe mich danach erfundigt, und alle behaupteten, daß man den Watafo immer auf dem Felde finde. ES ift geradezu unmög- !ich, feinen Leib gegen feinen Willen auszuftreden, wie ich e3 oft bei anderen Tieren getan, um jie zu mejjen. Die Maße, die ich gebe, habe ich von dem getöteten genommen. Geine Länge von der Schnauzenfpige bis zum Schwanzende beträgt 45 cm; der Schwanz mit 7 em und ift unten an der Spibe rund oder fegelförmig, an der Wurzel dagegen breitgedrück. Die Schuppen find auch nicht wie bei den übrigen, fondern ähneln mehr diefen Körnern und tagen weit hervor; der Harnifch der Stirn aber ift oben viel ftärfer als bei den übrigen und zujanımengejegt aus Schilderreihen und unregelmäßigen Stüden. Die Ohren erreichen, ob- gleich jie 2,5 em mefjen, nicht die Höhe des Harnifches, der ganz bedeutend den eigentlichen Kugelgürteltier. 921 Kopf überragt. Das Rüdenjchild ift 6,5 cm hoch und zeichnet fich Durch eine bemerkenswerte Spiße an jeder Seite aus, mit welcher das Tier nicht bloß fein Auge, fondern auch den größten Teil de3 Stopfez bededen und jchügen ann (wahrfcheinlich wenn e3 fich zufammentollt). Die drei Binden des Matafo jind auf dem Rüden 1,7 cm lang, verjchmälern fich aber nad) ven ©eiten zu, das Streuzjchild it 15 cm Hoch. Alle einzelnen Schuppen der Schilder und Binden find unregelmäßig, raud, Holperig, und jede ift wieder aus einer Menge fleinerer, unregelmäßiger Stüdchen zufammengefebt. Die Färbung des ganzen Tieres ift dumfel bleigrau glänzend over bräunlich, die Haut zwifchen den Binden meißlich, an der Unterjeite aber dunfel. Hier findet man faum Schilochen, während fie fehr dicht und groß auf den Außenjeiten der vier Beine und an den Geiten find, two fich die Binden vereinigen. Dort bemerkt man auch die Musteln, welche die Schilder zufammenziehen, um eine Slugel daraus zu gejtalten. Die einzelnen Pfoten find jchuppenlos, obaleich fie einzelne Schildchen zeigen.“ Auf die ungleiche Länge der Beine macht Matjchte im „Tierleben der Erde“ fehr richtig aufmerffam: „Die größte Merfwürdigfeit Diejes Gürteltieres ijt aber in der Art jeiner Fortbewegung ausgeprägt; e8 läuft auf den breiten, fast Huffürmigen Nägeln der Hinterzehen und auf den Spigen der jehr großen und flach gefrimmmten mittleren Krallen der Vorderzehen. Die Borderbeine find viel fürzer als die hinteren; fie wiiden nicht unter ven Panzer eingezogen werden fünnen, wenn fie länger wären. Durch die großen Srallen werden jte jo lang, daß dem Tier eine laufende Bewegung möglich it. Hüpfen kann es nicht, weil die gepanzerten Hinterbeine im Siniegelenf zu wenig beweglich jind. So läuft es gewiljerniaßen auf Stelzen.“ Aus den weiteren Erzählungen Südamerifareijender von Diejem Gürteltiere ijt nament- {ich Hervorzuheben, daß die Hunde e3 mit großer Wut angreifen, weil jie nicht imftande find, ven Panzer zu zerbeigen, und umfonft verjuchen, das zujammengerolite Tier fortzufchleppen. Wenn fie die Bolita von der einen Seite paden, entjchlüpft die große, glatte Kugel ihren Zähnen, und der Ball rollt auf den Boden, ohne Schaden zu nehmen. Diez erbittert alle Hunde aufs höchfte, und ihre Wut fteigert fich mehr und mehr, je weniger ihre Bemühungen bon erwünfchtem Erfolg begleitet find, gerade jo, wie e8 bei unjerm Igel auch der Fall ift. Anton Göring erhielt eine lebende Bolita aus San Luis im wejtlichen Argentinien, ihrer eigentlichen Heimat oder Doch derjenigen Gegend, wo fie am häufigjten vorkommt. Dort lebt das Tier, ganz wie Uzara angibt, im freien Felde; ob auch in jelbitgegrabenen Höhlen, fonnte Göring nicht erfahren. Die Eingeborenen nehmen e3 beim ange der anderen Gürtel- tiere, die, wie bemerft, eine Lieblingsipeife der Gauchos bilden, gelegentlich mit und töten e3, falls fie e8 verzehren wollen, noch heute in der Weije, twie Azara e8 angegeben hat. Weil aber der Matafo ein niedliches Gefchöpf ift, findet er gewöhnlich Gnade vor ihren Augen und poird fir Die Gefangenjchaft erhalten. Da jpielen dann die Stinder des Haufes mit ihm, Fugeln ihn hin und her oder lafjen ihn auf einem Brette entlanglaufen und erfreuen jich an dem Geflapper, das er durch fein jonderbares Auftreten hervorbringt. Göring wurde oft bejucht und gebeten, feinen Gefangenen den Leuten vorzuführen. Obgleich das Tier noch nicht lange in der Gefangenfchaft gewejen war, zeigte es jich Doch vom exjten Augenblide an zutraulich und nahm ohne weiteres das Futter, das ihm vorgehalten wurde, aus der Hand. E3 fraf allerlei Früchte und Blätter, namentlich Pitrfiche, Kürbijje und Salat, zwar nur, wenn man fie ihm vorhielt, aber mehrmals am Tage, fo oft man ihm etwas gab. Die Nahrung mußte man ihm, feiner Kleinen Mundöffnung wegen, in dünne Stüdchen fchneiden; dieje nahm es 5323 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. dann jehr zierlich zu ich. E3 jchlief ebenjomohl bei Tage als bei Nacht. Dabei trecte e3 die Rorderbeine gerade vor jich hin, zug die Hinterbeine ein und legte jtch auf fie und den Bauch, bog den Kopf herab und verbarg ihn zwifchen den Vorderbeinen. Der Rüden wurde in jeder Stellung jehr gewölbt: das Tier war nicht imftande, fich eigentlich auszuftreden. Ob- aleich es in Gegenwart von mehreren Berjonen ganz ruhig fraß und umberlief, 309 es fich doch augenblicklich zufammen, fobald man e3 berührte; wenn man e3 drücte, jo jtarf, daß e3 zur fat vollendeten Kugel wurde. Lie man von ihm ab, jo ftredte e3 fich allmählich wieder aus und jegte feine Wanderung fort. Auch wenn man die Kugel in die flache Hand legte, mit dem Rüden nac) unten, rollte e3 jich langjam auf und jtredte alle vier Beine gerade nach oben vor fich hin, zudte auch manchmal mit dem Ktopfe und den Vorderbeinen, machte aber jonjt feine Anftrengung, jich zu befreien. Berührte man es an der Bruft, jo fchnellte e3 die Borderbeine hin und her; am Kopfe Dagegen ließ es jich betaften, ohne zu mwiderjtreben. E3 war ungemein zierlich und jede feiner Bewegungen, troß ihrer Sonderbarfeit, wirf- lich anmutig. Der Gang auf den Spiben der gegen 3cm langen, gebogenen Nägel hatte etivas höchft Überrafchendes und verfehlte nie, die Verwunderung aller Zufchauer zu erregen. Wenn an e3 frei ließ, verjuchte e3 fo eilig wie möglich zu entfliehen; fam ihm aber ein Verfolger, 3. B. ein Hund, auf die Ferien, fo rollte es jich zur Kugel zufammen. Wenn man diefe Kugel auf der Erde hinfollerte, blieb fie feit gejchlojjen; jobald aber die Bewegung aufhörte, widelte das Tier jich auf und lief davon. Die Hunde beiviejen feine größere Exbitterung gegen die Bolita als gegen alle übrigen Gürteltiere. Auch in Europa tft das merfwürdige Tierchen fchon lebend gewejen; früher im Londoner Garten, neuerdings im Frankfurter jogar beinahe elf Jahre! Heck jchreibt darüber im „Tier- reich": „Xebend gejehen habe ich die Bolita... bis jet nur einmal im Frankfurter Garten, tvo fie einen Gegenjtand berechtigten Stolzes meines Kollegen Seib bildete. Diejer, Der das Tierchen auch aus jeiner Heimat fennt, Schreibt mir darüber: ‚Seine Bewegungen auf der Exde find ruckwetje, ähnlich denen eines Jgels. Naht man jich dem Tiere undermutet und tajch, jo jucht es zunächit zu entfliehen oder fich zu vergraben. Sn dem don Sumpj- wajjer durchjegten Boden des füdamerifanijchen Camp verjchtwindet es mit jtaunenswerter Schnelligkeit. Nur wenn e3 jo plößlich überrajcht wird, dad eine Flucht nichts mehr fruchtet, rollt es jich zu einer kompletten Kugel zufammen: eine Stellung, in der es eigenjinnig verharrt, bis eS jich jicher glaubt.“ Demnad) ift die Bolita troß ihrer verhältnismäßig ihwachen Beine und Stlauen doch wohl jo fein Stümper im Graben, wie frühere Beobachter annahmen und jedenfalls deshalb anzunehmen jich berechtigt glaubten, weil ja das Zu- jammentolfen al3 vollfommener Erjab für etwa fehlende Grabfähigfeit ericheinen muß.” Die Art und Weife diejes Zujammenfugelns hat Später BP. Cahnn nach Beobachtungen an dem Frankfurter Eremplar genauer bejchrieben: „Snterejjant zu beobachten ift es, mie beim Jufammentollen des Tieres die Körper- und Banzerteile in- und nebeneinander pajjen, jo daß eine überall bepanzerte Kugel gebildet wird. Hierbei treten die Gürtel auseinander, und die jonft zwischen ihnen zufammengefaltete hellbräunliche Haut dehnt fich aus; im übrigen verjchwinden alle ungepanzerten Teile. Die Beine werden eingezogen und in der Kugel ver- jtedt; die in der Mitte von einer Yängsfalte durchzogenen Ohren werden zufammengeflappt wie ein Buch und liegen zmwijchen dem Schulter- und Stirnpanzer, die fi) vollitändig an- einanderjchliegen. Der vordere und der hintere Teil des Körperpanzers legen fich mit dem unteren Rande aneinander und laffen gerade noch Plab für den Kopf, dejjen Stirnpanzer natürlich nach außen fommt, und den furzen, fegelfürmigen Schwanz, der fich Daneben legt.“ Kugelgürteltier. Gürtelmaus, 923 Brieflich teilt Cahnı noch mit, das Tierchen habe 10°/, Jahre im Frankfurter Garten gelebt. Lange jraß e3 nur Tee mit Milch und eingemweichten Brötchen, fpäter nahm es auch gern frische Ameijeneier und Mehlwürmer und durfte fich auch an felbfterbeuteten Ameijen laben. — Jim Berliner Garten lebt eine Bolita feit 1909. Man hat mehrere Arten Kugelgürteltiere unterjchieden: neben dent nördlicheren T. trieinetus Linn., aus Guayana, Brajilien, Bolivien, den jüdlicheren T. conurus Js. @eoffr. (Zaf. „Xenarthra I“, 35, bei ©. 510), aus Argentinien. Neuerdings ift dazu durch Garrod auch noch ein T. muriei Garrod aus Vatagonien gefommen. Fißinger macht aus T. trieinetus und conurus jogar zwei Gattungen, meil der erjtere vorn und hinten fünf Zehen, der leßtere (Sphaerocormus) vorn nur bier hat. * Die legte Unterfamilie der Gürteltierartigen, Die Gürtelmulle (Chlamydophorinae), enthält nur die eine Gattung Chlamydophorus Harlan mit zwei Arten: Ch. truncatus Harlan aus Wejtargentinien (Gebiet des io Tunuyan) und Ch. retusus Burm. aus Boli- bien. Beide unterjcheiden jich nicht unmefentlic) dadurch, daß bei Ch. truncatus die Tanzerbänder in einer Hautverdoppelung liegen, die nur in der Längsmittellinie des Körpers mit diejem zujammenhängt, bei Ch. retusus dagegen in der einfach gebliebenen Körperhaut jelbjt, wie bei den übrigen Günrteltieren. Die erjte Art, die Gürtelmaus, entdedte der Amerikaner Harlanı im Jahre 1824 un- weit Mendoza im wejtlichen Argentinien, und zwar zum größten Erjtaunen der Landesein- wohner, die von deren Dafein faum Kunde hatten. Zange Zeit fannte man bloß zwei Stüd, die in den Sammlungen von Philadelphia und London aufbewahrt wurden, glüdlicherweije aber aufs genauejte unterfucht werden fonnten. Später erhielt man andere, und jomit fonnte der innere Leibesbau und die äußere Bejchreibung des Tieres volljtändig gegeben werden. Sißinger gibt nach eignen Unterjuchungen folgende, im Auszuge angeführte Bejchrei- bung: „Das chileniiche Mantelgürteltier oder, wie e3 einige Naturforjcher auch nennen, der Schtildwurf oder die Hürtelmaus zeigt eine der abweichendjten Geitalten und gehört rücjichtlich der Höchit eigentümlichen Bildung feines den Körper dedenden, fait leder- artigen Hornpanzer3 zu den merfwindigjten Schöpfungen der ganzen Tierwelt. Diejes jonderbare Wejen ijt gegen die anderen Gürteltiere und im Berhältnis jelbjt zu den Hleinjten bis jeßt befannten Arten von wahrhaft amwerahafter Gejtalt, während e3 anderjeits jowohl in bezug auf feine Form al3 noch mehr auf feine Lebensweije lebhaft an die Maulwürfe erinnert. Sein Kopf, der ganz und gar zum Wühlen gejchaffen zu fein jcheint, it furz, in der hinteren Hälfte breit, in der vorderen aber zugejpigt und endigt in eine ziemlich kurze, abgeftunpfte Schnauze, mit fnorpliger, fajt jhmweinähnlicher Najenkuppe, an deren bvorderem und unterem Rande die nach abwärts gerichteten Heinen, rundlichen Najenlöcher liegen, die an ihrem Annenrande mit fehr kurzen, jteifen Härchen bejeßt jind und Durch einen dafelbit herbortretenden Heinen Höder beinahe vollitändig gejchlojjen merden fönnen. Die Augen find Hein und Kiegen unter den über fie herabhängenden Haaren verborgen. Die nahe Hinter den Augen ftehenden Ohren haben feine äußere Dhrmufchel, der enge Gehörgang ift bloß von einem erhöhten Hautrande umgeben und wird gleichfall3 Durch das Haar völlig überdedt. Die Mundipalte ift Hein, reicht bei weitem nicht biS unter die Augen, und wird von harten, rauhen und aufgetriebenen Lippen umfchlofjen; die ziemlich lange, fleifchige Zunge hat fegelfürmige Gejtalt und trägt auf ihrer 594 7. Oronung: Xenarthra. Yamilie: Gürteltiere. Oberfläche Heine Wärzchen. Der Zahnbau ift einfach. Vorder- und Edzähne fehlen gänzlich, und die Baczähne, von denen jich jederjeits jomohl im Dber- als Unterkiefer acht vorfinden, find von einer Schmelzschicht umgeben, ohne Wurzeln und in der unteren Hälfte Hohl, Haben eine walzenförmige Geftalt und erfcheinen, mit Ausnahme der beiven vorderiten in jeden Kiefer, die etwas fpikig find, auf der Ktaufläche abgeflacht. Ste nehmen von vorn nac) rüd- märt3 bis zum vierten Zahne an Größe allmählich zu, werden von diefem an bis zum lebten aber tvieder Kleiner. „Der Hals ift kurz und Die, der Leib langgeftredt, Hinten am breitejten, an den Schul- tern fchmäler und in der Mitte fängs der Seiten etivas eingezogen. Die ganze vordere Hälfte de3 Körpers ift weit Fräftiger als die hintere gebaut. Die Beine jind furz, die vorderen Glied- maßen fehr ftark, plump und beinahe maufmwurfartig gebildet, die Hinteren dagegen weit Gürtelmaus, Chlamydophorus truneatus Harlan. 1/2 natürliher Größe. ichwächer als die vorderen, mit langem und fchmalem Fuße. Beide find fünfzehig, die nur un- bollfommen beweglichen Zehen an den Vorderfühen bis zur Krallenwurzel miteinander ver- bunden, an den Hinterfüßen aber frei. An den Vorderfüßen tt die zweite Zehe am längiten, die Außenzehe am fürzejten und an ihrer Wurzel mit einer hornigen Scharrplatte verjehen. An den Hinterfühen dagegen ift die dritte Zehe am längiten, während die Yußenzehe, wie an den Borderfüßen, die fürzefte ist. Alle Zehen tragen ftumpfipißige Krallen, von denen die jehr großen und ftarfen der Vorderfühe mächtige Scharrwerfzeuge bilden. Sie jind durch- gehends lang, ftark zufammengedrüct, fchtvach gekrümmt und am äußeren Rande jcharf, neh- men bon der zweiten bi$ zur Yußenzehe an Breite allmählich zu, jo daß diefe am breiteften ericheint, forwie fie auch am Aufenrande fcharfichneidig und beinahe fcehaufelfürmig ift. Die Strallen der Hinterfühe find bedeutend feiner, faft gerade und abgeflacht. Der Schwanz, der am unteren Nande des den Hinterteil Des Körpers dedenden PBanzers in einer Aus- ferbung angeheftet ift, macht plößlich eine Srümmung nach abwärts und fchlägt Jich längs des Unterfeibes zrotfchen den Hinterbeinen zurüc, fo daß er völlig am Bauche aufliegt. Erift kurz, vollfommen fteif und fast ohne alle Bewegung, an der Wurzel dider, dann allmählich Gürtelmaus: Körperbau. 920 berjchmälert und zufammengedrüct und gegen das Ende plößlich in eine längliche, plattgedrücdte Scheibe erweitert, die an ihren Rändern eingeferbt ift und beinahe fpatelförmig erfcheint. „Die ganze Dberjeite des Körpers wird von einem fajt lederartigen, hornigen Schild- panzer bedeckt, der ziemlich did und weniger biegjam al3 Sohlenleder ift, auf dem Kopfe nahe an der Schnauzenfpike beginnt, über den ganzen Rüden bis auf den Hinterteil fich erjtredt und Ddafelbit jenfrecht abfällt, wodurch das Tier wie abgeftußt und gleichjam mie erjtümmelt erjcheint. Diejer Panzer, den meijt regelmäßige Querreihen oder Gürtel von größtenteils rechtedigen, zum Teil aber auch rautenförmigen und jelbft unregelmäßigen, höderartigen Schildern zufammenjeßen, ift feinesmweg3 fo wie bei den Gürteltieren allenthalben feft mit der Körperhaut verbunden, fondern fiegt größtenteils nur Iofe auf, indem er bloß längs jeiner Mitte an den Dornfortfäßen der Wirbeljäule mittel3 einer Haut befeftigt und auch am Scheitel nur mittels zweier Schilder an den beiden halbfugeligen Vorragungen des Stirnbeines angeheftet ift, Daher er auch an den Seiten des Körpers Haft und aufgehoben werden fan. Dagegen ijt er am Borderteile des Kopfes fejt mit den Sinochen verbunden und ebenjo am Hinterteile des Körpers, wo er eine abgejtugte Fläche bildet. Der nicht be- wegliche Teil des Kopfpanzers enthält nur fünf Duerreihen von Schilöchen, deren Zahl in den beiden vorderiten Neihen vier, in den drei hinteren fünf beträgt. Der Rüdenpanzer da- gegen, dejjen vorverite Gürtel das Hinterhaupt deden und es äußerlich nicht unterjcheiden lalien, ift aus 24 meift regelmäßigen Querreihen zujammengejeßt, von denen die beiden dem SKopfe zunächit liegenden Neihen aus jieben bis acht unregelmäßigen, höderartigen Schilöchen verjchtenener Größe beitehen, während die übrigen Neihen durchaus regelmäßige, rechtechige Schilochen enthalten, deren Anzahl von 15 oder 17 bis 24 fteigt und in den Drei hinterjten Reihen bis auf 22 herabfällt. Alle diefe Duerreihen oder Gürtel jind Durch eine Haut voneinander geschieden, die unter und über den einzelnen Schildreihen jo angewachjen und zuritdgefchlagen ift, daß der Borderrand jeder Reihe unter vem Hinterrande der horan- gehenden fiegt. Obgleich die Zwilchenräume, die hierdurch entjtehen, nicht bejonders groß jind, fo geftatten fie doch den einzelnen Gürteln einen ziemlichen Grad von Beweglichkeit, die jogar auf die Fähigkeit des Tieres jchliegen läßt, feinen Leib fugelförmig zujammen- rollen zu fönnen. Der vollfommen unbewegliche, mit dem Schwanze bloß durch eine Haut verbundene Panzer des Hinterteiles enpdlich, der in einem rechten Winfel von dem Körper abfällt und völlig flach ift, beiteht aus fünf bis jechS Halbfreisfürmig geftellten Reihen von Schilöchen, teil3 rechtediger, teils rautenförmiger Geftalt, und zeigt an feinem untern Nande einen Ausjchnitt, zriichen dem der Schwanz an den Körper angeheftet ift. Die erjte oder oberite diejer Reihen enthält 20, die lebte aber nur jechs Schilochen. Der ganze Schtld- panzer ijt auf feiner Oberjeite jomwohl al3 auch an feiner freien Unterfeite unbehaart und völlig glatt; nur an den unteren Rändern befinden fich zahlreiche und ziemlich lange, jeidenartige Haare. Dagegen ift die Haut des Tieres alfenthalben und jelbjt unterhalb des Panzerz, mit alleiniger Ausnahme des Schtwanzes, der Sohlen, der Schnaugenfpige und des Sinnes, die vollfommen nadt find, ziemlich dicht von langen, feinen und weichen, fajt jeidenartigen Haaren bededt, Die viel länger al3 bei den Maulwürfen find, aber keineswegs jo Dicht wie bet diejen ftehen. Am längften find die Haare an den Seiten und den Beinen, am fürzeften und jpärlichjten auf der Oberjeite der Füße, two jie zwijchen einigen hornartigen, warzenförmigen Erhabenheiten herbortreten. Der Schwanz wird don einer lederartigen Haut umbüllt, die auf der Oberjeite ziemlich glatt it und 14—16 faft jchildähnliche Duermwürlite zeigt, während er auf der Unterjeite mit zahlreichen, warzenartigen Erhebungen bejegt ift. 526 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Gürteltiere. Die beiden Ziten liegen auf der Bruft. Die Farbe de3 Panzerz wie der Haare ift jchmußig gelblichweiß, auf der Unterfeite des Körperz etwas heller. Die Augen jind Schwarz. Die Länge de3 Körpers beträgt 13 em, Die de3 Schwanzes 3,5 cm, die Höhe am Widerrijte 5 cm.” In den Werfen über Tierfunde findet jich über die Lebensmweije des Schilömurfes bloß folgendes: Das Tier lebt in jandigen Ebenen und gräbt jich, ganz wie unjer europäijcher Maulwurf, ange Gänge unter dem Boden, vermeidet e3 forgjam, diejen Palajt unter der Erde zu verlaffen, und fommt mwahrjcheinlich bloß durch Zufall an die Oberfläche herauf. E3 foll mit der größten Schnelligkeit den Boden durchmwühlen oder wie der Maulwurf geradezu durchlaufen, auf der Oberfläche der Erde dagegen jich langjam und ungejchidt bewegen. Höchftwahrscheinlich jagt es Infekten und Würmern nad), vielfeicht nimmt e3 auch mit zarten Wurzeln vorlieb. Über die Fortpflanzung weiß man nur, daß die Vermehrung gering ift. Die Eingeborenen behaupten, das Weibchen trage feine Jungen verjtedt unter der Gürteldede. Man Sieht, wie dürftig diefe Mitteilungen und wie viele von ihnen bloße Vermutungen find. Um fo angenehmer war e3 mir, von Göring noch einiges zu erfahren. „Der Schild- wurf“, fo berichtet er mir, „lebt nicht blof in der Provinz Mendoza, jondern auch in San Luis, und zwar, nach den Berficherungen eines alten glaubwürdigen Landiirtes, in mweit größerer Anzahl alS in Mendoza, obwohl er hier befannter ift, jedenfalls weil die Natur- forjcher öfter nach ihm gefragt haben. Die Spanier nennen ihn Bicho ciego, weil jie glaus ben, daß er ganz blind wäre; einzelne aber geben ihm den Namen Juan calado (Hans mit Spitenbejab). Unter erfterem Namen fennt ihn jeder Mendozino, der jich einigermaßen um die Tiere feiner Heimat befümmert. Das Tierchen bewohnt jandige, trodne, jteinige Gegen- den, hauptfächlich folche, die mit dornigem Geftrüpp und Kaftus bemachjen jind. Den Tag über hält e8 fich ftetS im Innern der Erde verftedt; nachts aber erjcheint e8 auch auf der Dber- fläche, und namentlich bei Mondichein läuft e3 außen umber, am liebjten unter Gebüjchen. Nach allen ficheren Angaben verweilt e3 niemals lange vor jeinem Bau und entfernt jich auch immer nur auf wenige Schritte von der Mündung der Höhle. Die Fährte, die e3 zurücläßt, ift jo eigentümlich, dag man unjern ‚Spisenhans‘ augenblidlich daran erfennen fan. Der Gang ift nämlich nur ein Fortichieben der Beine; das Tier vermag e3 nicht, die jchmwerbemaff- neten Füße hoch genug zu erheben, und jchleift fie bloß auf dem Boden dahin. So bilden jic) zwei nebeneinander fortlaufende Streifen im Sande, die jich noch bejonder3 Dadurch aus- zeichnen, daß jie fich immer in den mannigfaltigft verfchlungenen Windungen dahinziehen. Die Mündungen des Baues find auch noch an einem fenntlich: Der Schilömwurf fchleudert beim Herausgehen, wahrscheinlich mit den nach außen gedrehten Vorderpfoten, wohl nad) Art des Maulwurfes, die Erde weg, die ihn hindert, und diefe fällt in zwei Heinen Häufchen zu beiden Seiten hin, fo daß in der Mitte gewilfermaßen ein Gang bleibt. Stein anderer Höhlenbauer Südamerifas verfährt in diefer Weife.“ Man fängt das Tier immer nur zufällig, vorzugsmweije beim Auswerfen der Be- mäfjerungsgräben, die man da zieht, wo man Felder anlegen will. Einige Male ift e3 auch beim Fange anderer Gürteltiere mit gefunden worden. Sn der letteren Zeit hat man, der häufigen Nachfragen wegen, jich etwa mehr Mühe gegeben, Schilömürfe zu erlangen; doch muß dies fehr fchwer fein, da Göring, der fich fieben Monate in der Heimat de3 Tieres aufhielt, troß alfer Anftrengungen und der lodendften Verjprechungen nicht ein einziges Stüd lebend oder frifch getötet erhalten fonnte. Noch heutigestags bildet der Bicho ciego einen Gegenjtand der Bewunderung der Eingeborenen. Man läßt jeden gefangenen jo lange leben, tie ex leben fann, und bewahrt ihn dann als große Merfwürdigfeit auf, jo gut Gürtelmaus. — Ameijenfrefjer. 927 e3 eben gehen will, twie e3 überhaupt den Südamerifanern eigen ift, Tiere, die ihnen merkwürdig vorfommen, in der Gefangenschaft zu halten, ohne daß fie jedoch daran dächten, jte auch zu pflegen. Da die Leute das Ubbalgen und Ausftopfen nicht verftehen, findet man Schildwürfe aß Mumien in ihren Händen, und eine folhe Mumie erhielt auch Göring, eine andere Burmeijter während jeines Aufenthaltes in Mendoza. Nach Mitteilungen von Paul Neumann war 1897, wie Heck damals im „Tierreich“ berichtete, eine Gürtelmaus in den Zoologifchen Garten zu Buenos Aires gefommen, mo fie 7, 79m Um, N v ı \ A) pi NN % Ya OR Großer Ameifenbär: 1 Borderteil des Stelett3 mit Handjkelett und BruftbeinsZungen-Muskelapparat. Zn Berliner Mufeum, gezeichnet von K. 2. Hartig; 2 Unterkiefer und Bruftbein mit Zunge und Bruftbein- Zungen=-Mustelapparat. Aus Weber, „Die Säugetiere”, Jena 1904. in einem mit Erde gefüllten Kaften gehalten wurde. Aus diefem mußte das blöde Tierchen jedesmal hervorgejucht werden, wenn es fein Futter, eine Milchfuppe, zu fich nehmen jollte. Ein eutopäifcher Garten hat die Gürtelmaus nie gehabt. %* Die Familie der Ameijenfrejjer (Myrmecophagidae) wiederholt uns in Südamerika Lebensbilder und Eigentümlichfeiten des Leibesbaues, namentlich des Schädel- und Fuf- baue3, wie wir fie annähernd fo aus der Alten Welt von den Erdferfeln und Schuppentieren jehon Fennen. Sie jind völlig zahnlos; nicht einmal eine Anlage von Zähnen ift in der Ent- twidelungsgefchichte nachzumweifen. Jm Zufammenhang damit und mit der Ernährungsweife it der Schädel zu.einer Röhre geworden, die faum mehr Kaubewequngen machen fann, fon- dern nur vorn noch eine Feine Mundöffnung hat. Durch dieje fährt die lange, wurmförmige gunge aus und ein, ftet Flebrig erhalten durch mächtig entwidelte Speicheldrüfen und be- twegt bon einem bejonders ausgebildeten, ebenjo fein als kräftig wirkenden Musfelapparat. 528 7. Ordnung: Xenarthra. Yamilie: Ameijenfreifer. Zurüdgezogen wird die Junge von Musfeln, die nicht, nie gewöhnlich, am Zungenbein an- ießen, fondern fich bis weit am Bauftbein herunterziehen, und das Herborftreden over vielmehr Hervorprefjen aus der Zungenjcheide gejchteht Durch daS Zufammenziehen ringförmig um die lettere verteilter Kinn-Yungenmugfeln, die mit ihren Hauptftämmen vorn am Unter- fiefer anjeßen, too Ddiefer in feine beiden Äfte auseinandergeht. Außerdem ift die Zunge noch mit zahlreichen Kleinen, rücdwärts gerichteten Hornpapillen bededt, die die Beutetiere noch beijer fejthalten. Die Speiferöhre ift, nach Giebel, bisweilen mit einer fropfartigen Er- meiterung verjehen, und, nach Weber, hat der Magen an jeinem Endteil außer jeiner Ning- musfelwand auch noch ein elajtiiches Gewebe, „wodurch der Pylorus (Ausgang) jich vom übrigen Magen ftarf abhebt und mit feiner unmäßtg dien Wand eine enge Röhre um- ichließt, die eine Art Triturations- (Zerquetichungg- und Ausprejjungs-) Organ darftellt”. Alles Einrichtungen zum Erwerb und zur Ausnußung der ausjchlieglichen Ameijennahrung! Un den Borderfüßen haben die Nagelglieder eine Längsrille, in der die Stlaue um fo fejter fißt, und Diefe ift an der dritten ehe jo über- mächtig enttwidelt, daß jte für gewöhnlich zur Schonung eingejchlagen getragen wird und das Tier nur auf der äußern Nandfläche des VBorderfußes oder auf dem um- gefnickten Nagelgliede läuft. Vom übrigen Körperbau ift folgendes zu jagen: Der Körper ijt gejtredt; der Schwanz erreicht fast die Hälfte der Körperlänge. Ein dichter, ftrup- piger, eigentümlicher Pelz dect den Leib, zumal die Ober- jeite. Die hinteren Gliedmaßen find jchlanf und jchwächer als die vorderen. Beide Fühe zeigen im Gerippe fünf ERS. Zehen, die jedoch nicht famtlich mit Strallen bewaffnet find. jenbären; 2 vom Zwergameifenfrefer. Die Ohren und Yugen jind jehr Hein. Der Biwtjchenftefer it zus Reben, „are, Nena sehr riiigebildet: Hein und gefriimmt, mit dem Oberfiefer auch bloß durch Knorpel verbunden. 15—18 Nücdentirbel tragen Nippen, 2—6 find rippenlos, 4—6 bilden das Kreuz, 29—40 den Schwanz. Die Rippen werden jo außerordentlich breit, daß ihre Ränder fich deden und alle Räume zwijchen den Knochen verichwinden. Das Schlüjjelbein ift bei zwei Ameijenbärgattungen verfümmert, bei einer andern fehr entwicelt; die Armfnochen find überaus ftarf. Das Herz ijt ver- hältnigmäßig fein. Die Schlagadern biden Wundernege an den Schenfeln. Der amerifanifche Ameijenfrejjer tritt in drei Formen auf: einer jehr Heinen, einer mittelgroßen, Fletternden und einer großen, Die auf der Erde ihrer Nahrung nachgeht. Alle drei jind jchon äußerlich jo verjchieden voneinander, daß es nur natürlich erjcheint, jte im Shitem als jelbjtändige Gattungen bewertet zu jehen. Die größte Art der Familie ift ver Große Ameijenbär, in Paraguay Yurumi, in Surinam, laut Kappler, Tamanoa genannt, Myrmecophaga tridactyla Zinn. (jubata; Taf. „Xenarthra II“, 1 u. 2, bei©. 538). Diejes ehr auffallende Tier iftin einen Pelz aus dichten, tteifen, rauh anzufühlenden Borftenhaaren gehüllt, die, am Kopfe kurz, fich längs des Nadens und Rüdgrates zu einer Mähne bis 24 cm, am Schwanze bis zu 40 cm verlängern, während jte am übrigen Körper, um und an den Beinen, bloß S—11 em lang find. Diefe Haare liegen entweder mit rückwärts gedrehter Spige am Körper oder hängen an der Seite herunter; nur Großer Ameilenbär. Großer Ameijenbär: Körperbau. 329 am Kopfe jtehen jie jenfrecht empor. Ander Schwanzfahne find fie jeittwärts zufammengedrückt und riemenartig, ettvas verdreht. Nadt jind bloß die Schnauzenjpibe, die Lippen, die Augen- fider und die Zußjohlen. Die Farbe des Pelzes ift ziemlich verjchieden. Am Kopfe erjcheint als Gejamtjarbe Ajchgrau mit Schwarz gemifcht, weil hier die Haare abwechjelnd fchtwarz und ajchgrau geringelt jind. Faft diejelbe Färbung haben der Naden, der Rüden und zum Teil auch die Seiten des Rumpfes, die Vorderbeine und der Schwanz. Die Kehle, der Hals, die Bruft, der Bauch, die Hinterfüße und die Unterjeite des Schwanzes find jchwarzbraun. Ein ihmwarzer, anfangs 13—15 em breiter, nach hinten fpiß zulaufender Streifen zieht vom Kopfe und der Bruft über den Rüden in jchiefer Richtung bis zum Kreuze und mid bon zwei jchmalen, mweißlichen Streifen eingefaßt. Eine fchwarze Binde bededt dag Ende de3 Vorderarmes, und auch die Zehen der Vorderfüße forwie die nacten Teile des Körpers find jhmwarz. Sn der Jugend jind die Ameijenfrejjer im allgemeinen heller gefärbt als im Alter; die Haare Haben dann auch noch nicht die Ningelung wie jpäter. Ein ertvachjener Ameijenbär it 1,3 m lang, der Schwanz ohne Haare noch 68 cm, mit den Haaren aber wenigjtens 95 cm, oft etiva8 darüber. Somit erreicht das Tier eine Gejamtlänge von 2,3 m; aber man findet zu- mweilen alte Männchen, die noch größer find. Das Gewicht beträgt, nach Klappler, bis zu 40 kg. Der Große Ameijenbär ift eine jo eigenartige Säugetiergeftalt, wie nur die ausjchtvei- jendfte Phantajie jtejich ausdenfen fann, und doch ift jede Einzelheit eben in jeinem Ameijen- jrejjertum begründet. Bor allent der vollfommen zur Röhre gewordene Kopf, durch dejjen feine Mundjpalte anı VBorderende die runde, dünne und fange Zunge wurmartig beweglich aus und ein läuft. Wo der Hirnjchädel fißt, erfennt man nur an dem feinen, blöden Auge und dem ebenfalls Keinen, runden Ohre; ein Hals ijt gar nicht vom Nuntpfe abgefeßt, und der Rumpf jelbjt erfcheint von den Seiten abgeplattet, zumal ein Borjtenfamm das Rüdgrat entlang zieht. mr Gegenjaß zu dem dünnen Nöhrenfopfe fällt am Hinterende der gewaltige, fange und breite yahnenjchweif auf: mit jeiner harjchen, bujchigen, teilweije 40 cm und mehr mejjenden Behaarung wohl das jtattlichite Schwanzgebilde im ganzen Säugetierreihe! Er verlegt für das Auge des Bejchauers das Schwergewicht der ganzen Erjcheinung des Tieres nach hinten. Beinäherer Beobachtung fejjelt aber vielleicht am allermteiften die eigentümliche Art und Weije, wie der Ametjenbär mit jeinen musfulöjen Bordergliedern auftritt. Daß er die Hand eingejchlagen trägt zur Schonung der nantentlich am Miüttelfinger mächtig ent- wicelten, jcharfen Klauen, die er zum Yufreißen der teilweije jehr fejten Termitenbauten braucht, jieht man jofort. Welches Gelenf er aber eigentlich unfnidt, das ift gar nicht jo ohne weiteres zu entjcheiden. Jedenfalls fann man nicht jagen, wie das allermieijt gejchteht: der Ameifenbär läuft auf dem äußeren Rande der Hand. Auf diejen jtügt er jich nur, wenn er jich angejichts des menjchlichen Beobachters etwas auf die andere Seite legt, um die dem Gegner zugemwendete Stlauenhand zum Schlage zu lüften. Wenn der Ameijenfrejjer wirklich fejt auf der fenfrecht aufgerichteten Vordergliedmaße jteht, jo ijt dDieje im Gelenk des Nagel- aliedes der dritten Zehe eingefnidt, und dem ordnen ich die übrigen Zehen als nebenfächlich unter. Das zeigt jchon die entjprechende Augenblidsaufnahme (Taf. „Xenarthra II“, 2, bei &. 538), und das haben Hartigs genaue Beobachtungen amt lebenden Tiere jowohl wie feine jorgfältigen Vergleiche mit dem Sfelett aufs ficherfte bejtätigt. Die ganz eigenartigen Yänge- und Stärfeverhältnijje der einzelnen Finger und Fingerglieder drängen geradezu zu Diejer Auffafjung, und mit ihr ftimmt auch jehr gut, was jchon Nengger vom Ameijenbären jagt, er fünne „die Zehen nur jo weit ausjtreden, daß die Nägel mit der Fubjohle faum mehr als einen rechten Winkel bilden“. „Der dritte, vierte und fünfte Finger“, jchreibt Hartig, „bilden Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 34 530 7. Dvonung: Xenarthra. Familie: Ameijenfrefjer. gemeinjam einen Ballen, auf dem das Tier geht. An der Schwiele diejes Ballen ift nur die nach hinten umgefchlagene große Kralfe des jäulenartig ftarfen Mittelfingers fichtbar und das fleine Srallenglied des vierten Fingers, das jedoch derart in der Schwiele liegt, dat man es nur fehen fann, wenn das Tier die Hand zum Schlage erhebt. Der fünfte Finger dient an- icheinend dazu, dem Ballen nac) außen Hin noch einen fejten fnöchernen Halt zu geben. Der Daumen ift ebenfalls fo fejtin die Handfläche eingebettet, daß am Snnenrande der Hand nur jein Krallenglied fichtbar wird. Sozujagen Iofe dagegen, jchräg nad) Hinten gerichtet, hängt zwijchen Daumen und Ballen der ziweite Finger, von beiden durch tiefe Falten getrennt, Doch jtet3 anliegend getragen und, wie der Mittelfinger, mit einer großen, nur etwas jchwächeren Stlaue bewehrt.” ‚Die hinteren Glieder‘‘, jchildert Nengger weiter, ‚‚jind bei weiten nicht jo Stark gebaut wie die vorderen; ihr Fuß hat fünf Zehen, deren Nägel bloß 1—2 cm lang, bon den Seiten etivas zujammengedrüdt, jchiwach gebogen und nach vorn gerichtet find. Das Tier tritt mit der ganzen Sohle des Hinterfußes auf. Der lange, zottige Schwanz tft hoch und jchmal und bildet eine wahre Fahne. Die Zunge, deren Dicke nicht mehr als 0,9 cm beträgt, ift ver Länge nach jehr ausdehnbar: das Tier fann jte beinahe 50 cm weit zum Maule herausitreden.’ Der Ameijenbär ift in Paraguay nicht häufig und bewohnt die menjchenleeren oder doch wenig bejuchten Gebiete im Norden des Landes. Er hat weder ein beftimmtes Lager noch jonjt einen fejten Aufenthaltsort, jondern jchiweift bei Tage auf den Ebenen um- her und jchläft, wo ihn die Nacht überfällt; jedoch jucht er zum Schlafen eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras jehr Hoch ift, oder wo einige Büfche ftehen. Man trifft ihn gewöhnlich allein an, es fei denn, daß ein Weibchen fein Junges mit fich führe. Sein Gang it ein langjamer Schritt oder zuweilen, wenn er verfolgt wird, ein jchwerfälliger Galopp, mit dem er aber fo wenig vorwärtsfommt, daß ihn ein Menjch im Schritt einholen fann. Er nährt jich einzig und allein von Termiten, Ameifen und den Larven beider. Um jich dieje zu verjchaffen, Fraßt und reißt er mit den Nägeln feiner Vorderfüße die Baue und die Cröhaufen, die jenen zur Wohnung dienen, auf, ftredt dann feine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuftrömenden Snjekten und zieht fie, von diejen überzogen, wieder in den Mund zurüd. Diejes wiederholt er jo lange, bis er gejättigt ift, oder bis feine Ameijen oder Termiten mehr zum Borjchein fommen. Der Zeitpunft der Begattung jorwie die Tragzeit jind aus der Freiheit unbefannt. Das Weibchen wirft, nach Nengger, im Frühjahr ein einziges Junges und trägt diejes einige Zeit lang mit fich auf dem Rüden umher. Das Junge Scheint während mehrerer Monate zu jaugen und joll, wenn es auch Schon von Snfeften fich nähren fann, feine Mutter nicht vexlaffen, bis jie wieder trächtig ift. Wahrjcheinlich braucht es, da ihm die Kraft zum Aufreigen der Termiten- hügel noch mangelt, während diejer Zeit die Hilfe der Mutter, um leichter zu feiner Nahrung zu gelangen. Der vorzüglichite unter den Sinnen des Ameijenbären ift der Geruch, dejjen Dragane jehr ausgebildet find; auf diefen folgt das Gehör; das Geficht fcheint nur Schwach zu jein. Der einzige Laut, den er von fich gibt, und nur wenn er in Zorn gerät, ift eine Art von Brummen. 63 ift ein ftilles, friedliches Tier, da3 weder dem Menfchen noch den anderen Säugetieren den geringften Schaden zuzufügen fucht, e8 fei denn, daß es heftig gereizt werde. Man kann den Ameifenbären auf offenem Felde weite Stredfen vor fich hertreiben, ohne daß er widerfteht. Wird er aber mihandelt, fo feßt erfich, wie fchon Azara bemerkt, auf die Hinter- füge und breitet die Arme gegen feinen Feind aus, um ihn mit feinen Nägeln zu faffen. Nengger hat lange Zeit einen Ameifenbären befefjen, der noch fein Jahr alt war, als er ihn Großer Ameijenbär: Vorfommen. Fortpflanzung. Gefangenleben. ol erhielt. Man hatte ihn in einer Meierei am linfen Ufer des Neray zugleich mit feiner Mutter eingefangen, die aber nach wenigen Tagen jtarb. Nengger zog ihn mit Milch, Ameijen und ge- hadtem Fleijche auf. Die Milch nahm der Umetjenbär jchlürfend zu jich oder auch, indem er die Zunge darin badete und fie dann mit der wenigen ihr anhangenden Flüfitgfeit in den Mund zurüdzog. Die Ameijen juchte er im Hofe und in den Umgebungen des Haufes auf. Sowie er einen Haufen ausgemwittert hatte, fing er gleich an, ihn aufzufragen, und tat dies jo lange, bis dejjen Bewohner in großer Anzahl zum Borjchein famen; dann wälzte er jeine Zunge unter ihnen herum und zog jte, mit Hunderten von ihnen überjät, in den Mund zurüc. Die Ameijen bleiben übrigens nicht nur, wie von den meilten Schriftjtellern angeführt wird, auf der Zunge fleben, fie fammern jich vielmehr mit ihren Freßzangen zu ihrer Verteidigung auf ihr an, was jte bei jedem fremden Körper tun, auf den fie, gereizt, jtoßen. Die jchwachen und wehrlofen Termiten hingegen werden auf dem Flebrigen Überzuge der Zunge wie auf einer Zeimrute fejtgehalten. Nenggers Ametjenbär fraß nicht alle Arten von Ameijen gleich gern, jondern liebte bejonders jolche ohne große Freßzangen und Stacheln; eine ganz Fleine Art, die einen jehr ftinfenden Geruch von jtch gibt, verichmähte er gänzlich. Das fein- gehackte Fleisch, mit dem er zumeilen ernährt wurde, mußte ihm anfangs in den Mumd gejtogen werden; jpäter aber nahm er e3 wie die Ameijen mit Hilfe der Zunge zu jich. Die Hälfte des Tages und die ganze Nacht brachte er jchlafend zu, ohne jich dafür einen eignen Pla zu wählen. Er jchlief auf der Seite liegend und etwas zufammtengerollt, indem er den Kopf ziifchen die Borderbeine jtecdte, die Glieder einzog, jo daß fie jich be- rührten, und fich mit dem Schwanze bededte. War er wach, jo ging er im Hofe umher und juchte Ameifen. Da er anfangs nicht nur die Zunge, jondern auch die Schnauze in die auf- gejcharrten Haufen jtecte, jo ftefen ihm zumetlen die Injekten über die Naje hinauf, wo er je dann mit den Borderfüren recht qut wieder abzuftreifen wuhte. Er bejaß, jo jung er auch war, große Kraft. Nengger vermochte nicht, mit feinen Händen die zivei größeren Nägel an dem Borderfuße jeines Pfleglings zu öffnen, wenn diejer jie gegen die Fußjohle angedrüct hatte. Der Anteijenbär zeigte mehr Beritand, als man bei den anderen jogenannten zahn- lojen Säugetieren antrifft. Ohne die Menjchen voneinander zu unterjcheiden, war er doch gern um fie, fuchte fie auf, gab fich ihren Liebfofungen mit Vergnügen hin, Ipielte mit ihnen und Hetterte ihnen bejonders gern in den Schoß. Folglam war er übrigens nicht und ge- horchte nur jelten dem Rufe, objchon man an den Bewegungen jeines Stopfes wohl jah, daß er ihn gehört hatte. Er vertrug fich mit allen Haustieren und lieh jich von einigen Vögeln, wie von den gezähmten Helm- und Höderhühnern, manchen feinen Angriff ge- fallen. Wurde er aber mißhandelt, jo fing er an zu murren und fuchte fich mit den Stlauen jeiner Vorderfühe zu verteidigen. Fleisch und Fell des Ameifenbären werden bloß von den wilden ndianern benußt; jedoch gibt e8 Landleute in Paraguay, die das Fell, unter das Bettuch gelegt, für ein un- trügliches Mittel gegen das Lendenmeh halten. Selten macht jemand auf diejen Ameijen- freifer Jagd; es ift aber ein leichtes, ihn mit jedem Stocde durch einige Schläge auf den Kopf zu töten. Dieje Tiere jollten übrigens vom Menjchen eher bejchügt als verfolgt werden; ftatt jchädlich zu fein, machen jie jich im Gegenteil jehr nüßlich, indem jte die Termiten und die Ameifen vermindern, die in einigen Gegenden von ‘Paraguay jo über- handgenommen haben, daß dort feine Pflanzungen gedeihen fünnen. Der Jaguar und der Ruma find neben dem Menjchen wohl die einzigen Feinde des Ametjenbären. Andere Naturforscher teilen mit, daß der Ameijenfrejjer außer Baraguad fast den ganzen 34* 932 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Ameifenfreffer. übrigen Often von Südamerifa bewohnt, jich alfo vom La Plata-Strome bis zum Slaribijchen Meere verbreitet. Beim Gehen joll er den Kopf zur Erde jenfen und mit der Naje auf dem Boden hinjchnuppern. Den Schwanz trägt er dabei geradeausgeitrect, aber die Nicfen- mähne hoch emporgefträubt, jo daß er weit größer erjcheint, als er wirklich ift. Außer Ameifen und Termiten haben neuere Beobachter auch noch viele Erd- und Holzteile in jeinem Magen gefunden, die das Tier beim Aufnehmen der Ameijen mit verjchlingt. Dat der Ameifenbär außer feiner Hauptnahrung jehr gern auch) Wurmafjeln und Taufendfüßer jowie Wiirmer verzehrt, falls Dieje nicht zu groß jind, unterliegt feinem Zweifel. Den Winrmern joll er oft lange nachjpüren und dabei mit jeinen jtarfen Klauen die morjchen Stämme ganz zerjplittern. Über die Fortpflanzung erfahren wir noch, daß das Junge der Mutter ein ganzes Jahr und darüber folgt und von diejer bet Gefahr durch Fräftige Schläge mit den befrallten VBorderpfoten verteidigt wird. Solange der junge Ameijenbär nicht imftande ift, die Termitenbaue aufzubrechen, joll die Alte für ihn jorgen. Dap der Ameijenfrejjer Schwächeren Tieren durch jeine Umarmungen und Klauenjchläge jehr wohl gefährlich werden fann, lejen wir in Bates’ „Reife am Amazonenftrom 1860—63”: „uf ihn wurde ich verwiejen, wenn ich Hlagte, daß ich mich an die eingejalzenen Filche, unjere Hauptnahrung, nicht gewöhnen fünne und der ewigen NReisjuppe mit Mehl und der geröfteten Bananen bald überdrüjjtig werden würde. Das Fleijch des Ameijenbären, jagt man, werde gedünjtet und jchmece wie Gänfefleifch. Gerade an diefem Tage hatte mir ein Jäger einen großen Ameijenfrejler veriprochen; aber als ich ihn aufjuchte, Fam er mir mit großer Betrübnis entgegen und Flagte mir, daß fein Lieblingshund einem jolchen in die Stlauen geraten und don ihm getötet worden jet. ch eilte zu der Stelle und fand, daß der Hund nicht tot, aber von den Stlauen jeines Gegners, dem er jelbjt mehrere tödliche Bilje verjegt hatte, und der eben losließ, arg verwundet war.” Auch aus diejer Angabe geht hervor, daß die Mitteilungen älterer Berichterjtatter über die Berteidigqungsfähigfeit des Ameijenbären feineswegs aus der Luft gegriffen jind. ZTijcehudt erfuhr an fich jelbit, daß mit einem gereizten Ameijenbären nicht zu jpaßen tft: ein verwundeter und zujammen= gebrochener raffte jich wieder auf, jtellte jich auf die Hinterbeine und padte ihn mit jeinen un- gemein Fräftigen Armen. Auch Kappler, der unjer Tier in Surinam beobachtete, beitätigt die Wehrhaftigfeit des bedprängten Tieres und erzählt, wie übel es dem weißen Verwalter einer Bilanzung ergangen jei. Diejer begegnete einem Ameijenbären und glaubte, ihn mit jeinem langen Bufchmefjer erlegen zu können. Er brachte ihm aber bloß einen leichten Hieb bei, worauf das Tier jich gegen feinen Verfolger wandte, ihn pacte und jo fejt hielt, daß alles Ningen vergeblich war. Menjch und Ameijenbär rollten zu Boden, aber der Um- Hammerte Fam nicht frei, und erjt nach ftundenlangem Hilferufen famen Leute zum Bei- tande heran, worauf das Tier feinen Gegner freigab und jich Davonmachte. Der Verwalter war jo übel zugerichtet worden, daß er jogleich ins Kiranfenhaus nah) Baramaribo gejcnafft werden mußte, wo jeine Heritellung fic) monatelang Hinzog. Gefangene Ameijenbären find in neuerer Zeit öfters nach Europa gebracht und bei ;iwedentjprechender Pflege auch jahrelang am Leben erhalten worden. Man hat jolche in allen größeren Tiergärten fchon gepflegt und beobachtet; ich will darüber einen Bericht Noll im Auszuge wiedergeben. Der Ameifenbär zeichnet fich nach Angabe diejes Beob- achters in der Gefangenfchaft durch ruhiges und janftes Wejen aus, läßt fich gern ftreicheln und Fragen und zeigt fich bei quter Laune Bekannten gegenüber fogar zum Spiele auf- gelegt. Ganz ungefährlich ift folches Spiel allerdings nicht, weil fic) das Tier unter Großer Ameijenbär: Xebensweije in Freiheit und Gefangenfchaft. 939 Umständen auf den Hinterbeinen aufrichtet und mit den beiveglichen Strallen der Border- füße dann jchnell aufeinanderfolgende Schläge austeilt. Große Kraft befundet der Ameijen- bär beim Wühlen im Boden jeines Geheges; denn mit drei oder vier Hieben feiner Krallen hat er in der harten Erdjchicht eine jo lange und tiefe Grube hergeftellt, daß er bequem den Kopf darin verbergen fann. Nach Nahrung juchend, feharrt er täglich wohl an 10—20 Stellen derartige Gruben aus. Ameijen erlangt er dabei freilich nicht, fondern höchiteng einen Negenmwurm, den er aber auch begierig verzehrt. Viel Beweglichkeit ijt den Beinen des Tieres verliehen, doc) fann jein VBorwärtsfommen nicht rajch genannt werden. Die Vorderbeine werden oft zum Straßen des Hinterrücdens benugt, während die Hinterbeine bis in die Mähne vorgreifen fünnen. Der Ameijenbär tft entjchteden ein Tagtier, das jeine Zeit regelmäßig eingeteilt hat. Sm Sommer um 7 Uhr, jpäter um SUhr, erwacht er, nimmt fein Frühftüc ein und ift darauf, je nach Laune, zwei bis vier Stunden in Bewegung, worauf er fich bis zum Mittagsmahle niederlegt. Auch nach diefen pflegt er wieder der Auhe, um gegen 3 Uhr zur Haupttätig- feit zu erwachen; denn immer zeigt er jich um dieje Zeit am munterjten. Yebt am meijten zum Spielen aufgelegt, galoppiert er zumeilen jelbjtvergnügt in jeinem Gemache umber. Mit Eintritt der Dunkelheit legt er jich nieder, um die ganze Nacht big zur Zeit der Wiorgen- fütterung ruhig zu verjchlafen. Die gefangenen Ametjenbären des Londoner Tiergartens erhalten rohes, feingejchabtes leijch und Eidotter als Futter; der von Noll beobachtete Hamburger Ametjenbär jraß außer- dem jehr gern einen Brei aus Matsmehl, das mit heiger Milch angerührt und mit einem Löf- fel Sirup verfüßt wurde, und es gewährte einen abjonderlichen Anblid, das jremdartige Tier vor jeiner Breijchüljel jtehen und dieje mit feiner merkwürdigen Zunge ausfrejjen zu jehen. Mit faum glaublicher Schnelligkeit, etwa 160mal in der Winute, Fährt die jchwärzliche, wal- zenrunde Zunge wohl 50 em weit aus dem Maul heraus und in den Brei, biegt jich darin um und zieht ebenjo rajch Heine Teile der Speije mit in den Mund. Bei diejer Tätigfeit jondert fich reichlich Speichel ab, der die Zunge Flebrig überzieht und bejonders am Rande der Schüfjel fich anhängt. Höchft überrafchend war das Verhalten des Tieres zum Wajjer. Bei jeiner Ankunft zeigte e3 jich in der Neinhaltung entjchieden veriwahrlojt; die Kopf- haare waren durch Schmuß verklebt und alle Körperteile voller Schorf. Gegen die mit Wafjer verjuchten Reinigungen wehrte ich der Ameijenbär derart, dag man, um Schaden zu berhüten, davon abjtehen mußte, und da er auch ihm in Gefäßen vorgeftelltes Trinfwajjer niemals berührte, jo glaubte man jchon, das Tier habe überhaupt Widerwillen gegen alles Wafjer. Bald aber erfuhr man, daß es fich in einem größeren Beden mit jichtlichem Ver- gnügen badete und nach mehrmaligem Wiederholen diejes Verfahrens jeine Haut vollfom- men reinigte. Ebenfo gern ging es in einen Teich und jchwanm jogar an den tiefen Stellen munter umher. Daß der Ameifenfrefjer, jchließt Noll, nicht bloß für die Begriffe des Menjchen eine abenteuerliche Geftalt bejißt, fondern auch auf die meilten Tiere die Wirkung der Überrafchung und jelbit des Schredens hervorbringt, zeigte jich, als das Tier im Affen- haufe untergebracht werden follte. Mächtiger Schreden ergriff jämtliche Bewohner des Haujes; die Affen lärmten und tobten derartia, daß man ihre Käfige verhüllen mußte, und jelbjt ein Schimpanfe vergrub fich angeficht3 des ihm entjeglichen Tieres angjterfüllt in dem Stroh jeines Wohnraumes. Zur Vervollftändigung des Bildes diejes merkwürdigen Gejchöpjes mögen Mitteilungen dienen, die im „Zoologifchen Garten” 1881 der damalige Leiter des Frankfurter Gartens, 994 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Ameifenfreifer. Mar Schmidt, veröffentlichte. Nachdem eine Verdauungsftörung, die der Ameijenbär mitgebracht hatte, überwunden war, gelang e3 jchließlich, in einem Brei aus Mahffleifch und Geritenschleim die richtige Koft zu finden. Der Brei wurde „allmählich fonfijtenter hergeftellt, jo daß er jchlieglich nicht mehr mit der Zunge aufgenommen werden fonnte. Die Neigung des Tieres zu diefem Nahrungsmittel war indejjen jebt fchon jo groß, daß es num mit den Lippen zugriff, wenn die Zunge nicht mehr ausreichte. &$ ftellt jich Dabei noch ziem- (ich ungefchiet an, indem e3 die Schnauze jtoßmeije in das Fleijch hineinfchtebt und dabei taftmäfßig das Maul öffnet und zuflappt. Eine bemerfenswerte Beweglichkeit entiwideln die Lippen dabei nicht.” Beim Nahrungseriverb in der Freiheit dürfte der Ameijenbär faum jemals in ähnliche Lage fommen, und diefe Beobachtung aus der Gefangenjchaft zeigt da- her, daß er doch noch nicht jo einfeitig an fein Ameijenjchlürfen mit der Junge angepakt ift, um nicht, jozufagen in der Stammesgejchichte jich zurücderinnernd, zu der gewöhnlichen Säugetiermanier des fauenden Frejjens zurüdfehren zu fünnen, wenn die Umjtände das erfordern. Man könnte in diejem alle jogar behaupten, daß der Inftinft in jeinem Hirn länger gehalten hätte als die Zähne in feinem Stiefer, die gar nicht mehr angelegt werden! Schmidt Fährt fort: „Während der Nachmittagsitunden pflegt unjer Tier recht munter umberzufchreiten und mit großer Neugter alles zu bejchnuppern. Sein Gang und jeine Bewegungen erinnern dabei einigermaßen an das Gebaren eines müßig umherjtreifenden Hundes, wozu ganz bejonders das öftere Unterbrechen des Laufes zum Zweck eingehen- derer Unterjuchung ivaendeines Gegenjtandes das jeinige beiträgt. m jreten hat jich der Ameijenfrejjer öfter mit Durchgraben des Bodens bejchäftigt, und ziwar merfiwirdiger- weije jtet3 an der gegen Weften gerichteten Gitterwand entlang, während er an feiner andern Seite hierzu jemals Anjtalt gemacht hat.” Das ift eine meijt unerflärliche GEr- fahrung, die man im zoologijschen Garten mit manchen Tieren macht: ob es wirklich mit Der Weltgegend zufammenhängt? „Wenn er aus dem Schlafe gewedt worden tft, jtrect er die Borderbeine im Stehen, wobet er den Stopf etwas hebt. Nicht jelten hängt er dabet Die Zunge heraus, welche anfänglich glatt aus dem Maule hervorjchlüpft, gegen das hintere Ende aber jcheinbar mit einer gewiljen Gewalt, unter brodelndem Ausjtrömen von Luft, herausgetrie- ben wird und dann fajt bis zum Boden herabreicht. Auch das Hineinziehen macht den Ein- oruc, als ob es nicht ganz ohne Anjtrengung gejchähe. In jeltenen Fällen gähnt er wohl auch und öffnet dabei die Stiefer weiter, als das enge Maul eigentlich erlaubt, jo daß die jehr be- wegliche Naje jich jtarf abwärts beugt, was dem Kopf ein Höchjt jonderbares Ausjehen ver- leiht... Eine Stimme hat der Ameifenfrejjer nur in den eriten Tagen jeines Hierjeins vereinzelt hören lajjen; fie bejtand in einem furzen, fnurrenden Ton. Wenn ihn ivgend- etwas überrajcht oder erjchrect, jo gibt er jeinem Befremden durch ein leifes Tauchen Aus- druic, welches durch Ausftogen von Luft durch die Nafenlöcher hervorgebracht wird... Sein Katurell tft im ganzen höchjt Harmlos: er hat e3 gern, wenn man ihm das Fell fraut oder jich Tonft mit ihm bejchäftigt; doch hindert ihn dies nicht, während der Berührung oder auch jchon bei Annäherung eines Menjchen einen Vorderfuß emporzuheben, mit dem ex bereit ijt, unliebjames Vorgehen zurüczumeifen. Er erregt fich indes fast niemals fo jehr, day er zujchlägt. Weit eher ift er geneigt, einen Finger oder was er fonft ertwifchen fann, mit ven straffen ruhig zu fafjen, und indem er diefe feit gegen die Sohle biegt, feinen Gegner empfindlich zu Hemmen.” Dies ift das Benehmen, das jeder gefunde Ameijenbär in der Ge- jangenjchaft zur Schau trägt. „Bezüglich feiner Intelligenz ift mir aufgefalfen, daß er fehon am erjten Tage feines Hierjeins in feiner Stalltür ganz richtig das Hindernis erkannte, das Großer Ameijenbär: Gefangenleben. Zucht. 999 ihm den Zugang zu jeinem Strohlager verjchloß, jorwie daß er ganz zwedmäßig jeine Krallen zwijchen beide Flügel einjegte und diefe durch heftiges Zerren zu öffnen verjuchte.“ Bezüglih Zwed und Nuben des mächtigen Fahnenjchweifes machte Sofolomwjfy an einem Paar Ameijenbären eine bemerfenswerte Beobachtung und Schlußfolgerung: „Wenn jie der Ruhe pflegten, lagen fie zu einem Sinäuel zufammengeballt und dedten jich mit ihren zu einer breiten Zahne entwidelten Schwänzen jo vollfommen zu, daß es Mühe fojtete, die gegenjeitige Yage der beiden Tiere jofort zu erfennen. Hierbei trat mir der Nuben diejer jtarfen Schwanzentwidelung für den Großen Ameijenbären jo recht in die Augen.” Sofolowjfy bezieht jich dann auf unfere Schilderung des Freilebens nac) Nengger, aus der hervorgeht, „Daß das Tier ein vagabundierendes LKeben führt und jich fein ftändiges Lager hält. Diefe unftete Lebensweije hängt mit jeinem Nahrungsbedürfnis zufammen; denn der Ameijenbär ift gezwungen, in den Einöden Baraguays nach Termiten und Ameijen umber- zujpüren. Bei jeinen Wanderungen fommt dem Tiere die breite Haarfahne des Schmwanzes als Überdede gegen die Unbilden der Witterung während des Schlafes jehr zugute, fie muß ihm ein planmäßig zugerichtetes Lager erjegen. Der Ameijenbär gehört demnach biologijch zu einer Gruppe von Tieren, die man als Gelegenheitslagerer bezeichnen fann, und hat vor anderen noch den Vorteil voraus, daß er jeine Lagerdede jtetS mit jich trägt.“ Die Art, wie der Ametjenbär jich zur Auhe legt, hat Lichterfeld in den „Slluftrierten Tierbildern” jehr anjchaulich bejchrieben: „Einen fomijchen Anblid gewährt es, den Yurumi jich zudeden zu jehen, zumal im Stehen: die lange Fahnenrute jtredt jich Dabei gerade aus, flappt an der Wurzel um, und Hinter einem Schtem von langen Borjtenhaaren tjt der Körper des Tieres verjchhwunden; darauf läßt fich Diejes auf die Seite fallen, zieht Kopf und Füße ein und fängt unter der Dede jeines bufchigen Schwanzes jofort an zu jchlafen.” Neuerdings haben wiederholt Ameijenbären ihre Pfleger durch langes Leben in der Gefangenfchaft erfreut; jo gehörte einer, wie jein Pfleger Schäff jchreibt, zehn und ein halbes Jahr dem vierbeinigen Perjonal des Zoologijchen Gartens in Hannover an. Auch die Zucht — und, einmal wenigjtenz, die fünftliche Aufzucht — des Großen Ameijen- bären ift gelungen, und zwar in dem räumlich Eleinen, aber durch gute Tierpflege und jchöne Erfolge ausgezeichneten ehemaligen Stuttgarter Tiergarten. Der Befiker und Leiter Adolf ill Schreibt über Eigenart, Pflege und Fortpflanzung jeines Umeijenbärenpaares, des erjten Zuchtpaares feiner Urt: „Wie bei allen befonders empfindlichen und jeltenen Eremplaren in meinem Garten, habe ich die Pflege diejer Tiere jelbit übernommen; ich bin auch durch ihre Anhänglichkeit und ihre munteres Wefen reichlich dafür entjchädigt worden. Bejonders das Weibchen ift immer zum Spiel mit mic aufgelegt gewejen; wenn ich in den Käfig famı, erhob es jich auf die Hinterfüße und hieb mit den Vorderbeinen von rechts und links nach mir aus. Dabei hieß e3 natürlich aufpafjen, dat e3 mich nicht mit feinen großen Zehenkralfen zu fajjen friegte. Später habe ich dieje Spiele aufgegeben, weil jie mic mit der Zeit zu derb und zu gefährlich geworden find. Sn Geftalt und Farbe waren beide Tiere nicht wejentlich boneinander verjchieden. Das Weibchen ijt immer etwas jchlanfer und beweglicher ge- blieben, auch feine Behaarung war üppiger, länger und glangvoller als beim Männchen. Die Körperlänge, von der Schnauze bis zum Schwanzende gemejjen, betrug 2,5 m. Die langen weißen Haare an den Vorderfüßen und den Körperjeiten haben jich nach und nad) gelb gefärbt, eine Erjcheinung, welche ich bei andern lebenden und ausgejtopften Exem- plaren nie beobachten fonnte. „on einem Nebenraum war ein Beden zum Baden eingerichtet. Ein Bad, mäßig 536 7. Ordnung: KXenarthra. Familie: Ameijenfrejjer. angewärmt, ijt ihnen ein unbedingtes Bedürfnis gemejen, jte erhielten im Sommer ein jolches täglich und im Winter meiftens zweimal in der Woche. Mit fichtlihenm Wohlbehagen legten jie fich ins Waffer und ducchwuschen ihr ganzes Fell, indem fie ihre Zehen an Vorder- und Hinterfüßen gleich einem Kamm benusten... m Sommer, wenn die Ameijenzeit heran- fam, gab ich als Lederbifjen teils lebende, teils tote, jedoch frijche Ameijen (die rote Wald- ameije). Wenn ich mich mit der gefüllten Flafche näherte, mırrden fie immer in große Auf- vegung verjegt, und im Nu war durch den engen Hals der Bierjlajche die legte Ameije mit der langen, Hebrigen Zunge herausgeholt, und wenn jich einige Fampfbereite Ameijen auf die Schnauze verirrten und fich Dort einbijjen, wurden fie mit den langen, jichelfürmigen Krallen einfach abgeftreift. „US nun ein Jahr vergangen war, konnte ich im Frühjahr eine mehrmals wiederholte Begattung beobachten. Das Weibchen legte jich dabei jeitlich auf den Boden, und das Nänn- chen führte ziemlich aufrecht auf dem Weibchen fißend den Aft aus, welcher ungefähr eine Minute dauerte. Dies ging mit unregelmäßigen Paufen von mehreren Monaten zwei Jahre fang jo fort. An einen Erfolg dachte ich jchon längft nicht mehr, bis ich am 9. Auguft 189 bei der Erneuerung des Torflagers auf einen Gegenftand ftieß, der jich bei näherer Bejichti- aung als ein frifchgeborenes, ganz zerdrüctes und mit den Zehenfrallen bearbeitetes Junge entpuppte, an welchem fein inöchelchen mehr ganz war und welches anjcheinend tot geboren wurde. An der Mutter fonnte ich nichts Bejonderes bemerken. Aın darauffolgenden 19. Sep- tembex ftellte fich wieder eine Begattungsperiode ein; da mir jeder Anhaltspunft für Die Dauer der Trächtigfeit bei den Ameijenbären fehlte, eine Umfangspergrößerung des Bauches aber nach ca. vier Monaten doch wahrgenommen werden fonnte, jo trennte ich von da an Die beiden Tiere wenigftens zu unbeobachteten Zeiten. Am Morgen des 23. Wärz 1896 — melche Überrafchung — hing feitlich am Rüden der Mutter, mit den Strallen der Vorderfüße an den langen Haaren fejtgeflammert, ein lebendes Junges bereits troden, und an der ca. 35 em langen und fingerdiden Nabeljchnur baumelte der etiva fauftgroße Fruchtfuchen... Nachdem die Mutter, inihrem Lager ftehend, herumgejchnüffelt und von ihrem Milchbrei ettvas gefrejien hatte, jchien ihr das Junge doch läftig geworden zu fein; jte ftreifte es mit ihren langen Strallen recht unjanft ab, diejfes beiveate jich dann ganz unbeholfen und mehr friechend im Lager herum, die ziemlich fchwere Nachgeburt nach fich ziehend. Da erwijchte es mit einem Borderfuß einige Haare der vorbeigehenden Mutter, und num fing mit einer Behendig- feit Das Herumflettern in dem Haarfleid der Mutter — auf der Suche nach Milch — an, wie ich e3 dem fleinen unbeholfenen Ding nicht zugetraut Hätte. Da eine Trennung der Nabeljchnur infolge ihrer derben Konfiftenz auf natürlichem Wege nicht anzunehmen war, fo habe ich dieje unterbunden und abgefchnitten. Die Blacenta ift im ausgebreiteten Zuftande ein Dides, aber glattgedrüdtes, Fleiichiges und leicht zerreißbares Gebilde von der Größe eines Tellers. „Nenn das Junge getrunfen hatte, legte es jich ganz nach Art der Alten aufgerollt und mit dem Schwanz zugedect im Lager nieder, und die Mutter fünmerte jich dann weiter nicht mehr um ihren Sprößling. So ging es ein paar Tage ganz aut, ich jorgte für unbedingte Ruhe und habe jede Aufregung der Tiere vermieden. Am dritten und vierten Tage wurde das Junge matter und Kletterte nicht mehr an der Mutter hinauf, fondern blieb unaufgerolft im Lager liegen, und am fünften Tage war e3 tot. Die Todesurfache fonnte ich nicht jeit- ftellen, vermutlich ging es an mangelhafter Ernährung zugrunde. | „Das Junge felbft ift an Körperbau und Färbung den Alten ganz ähnlich, nur die Glied- mahen und der lange Kopf find verhältnismäßig Finzer, gedrungner. Die Haare find am Großer Ameifenbär: Zudt. 937 ganzen Körper anfangs gleichmäßig furz und werden nur am Kamm des Nüdens und des Schwanzes länger, jind am legtern jehr breit, lanzettförmig, jilberweiß glänzend. Die Zunge fann jchon ca. 25 em lang durch die äußert Kleine Mundfpalte herausgejtrecdtt werden. Auch die großen Krallen an den Vorderfüßen find bei ver Geburt jchon jehr gut entiwicelt, Hart und jpißig wie eine Nadel. Das fünf Tage alte Tierchen maß 65 em, wovon auf den Stopf 12 cm, den Hals 6 cm, den Körper 22 cm und den Schwanz 25 em fommen. Der Körper tft, tvie bei den lten, feitlich zufammengedrücdt, alfo höher als did. Der Kopf hat, am Schävel gemejjen, eine Höhe von 5t/, cm, der Hals 6 cm, die Bruft 10cm, der Bauch 12cm, und der Schwanz mift an der Wurzel 5 cm. Die Gejamthöhe des jtehenden Tieres beträgt 25 cm, und jein Gewicht it 1750 g. Am eriten Tage fteht es jehr waclig auf den Füßen, fann aber am zweiten Tage jchon aufrecht gehen. Wird es angefaßt oder gedrückt, jo gibt es einen ztent- lich lauten, hochtönigen Laut von jich und wehrt jich mit allen vieren. Dabei hat man Ge- fegenheit, jich von der Nuganmendung der Zehenfrallen überzeugen zu fünnen. Sit man Neuling und faßt das Junge nicht vom Nüden her direft Hinter den Vorderfüßen, dann tft, ehe man jich’s verjieht, jchon eine Vorderpfote an der Hand feitgefrallt, und bei dem Berjuch, dieje freizumachen, was nur fehr jchwer gelingt, tft auch die andere eingehaft, und gleichzeitig werden die Hände von den Kleinen, jpigen Zehen der Hinterfühe freuz und quer verfraßt. Die Musfelfraft, mit welcher jchon ein neugeborener Aneijenbär jeine Borderpfoten zujam- menflemmt, ift unglaublich; es ift auch beinahe unmöglich, das an den Haaren der Mutter bängende Junge ohne Haarverlufte loszureigen. „Nach dem Tode des zweiten Jungen fam das Baar wieder zujanmen, und als jte jich am 1. Mai 1896 wieder begattet hatten, wurde am 20. November desjelben Jahres das dritte unge geboren. Da ich diesmal das Glück hatte, beim Geburtsaft zu jein, konnte ich die inter- ejiante Beobachtung machen, daß die Mutter ftehend gebar und das Junge, ohne auf den Boden zu fommen, famt den anhängenden Eihäuten und der falt gleichzeitig ausgejtoßenen Nachgeburt, an den Haaren der Mutter empor auf deren Rüden Eletterte. Die Alte legte fich nach furzer Zeit nieder, ftreifte das Junge ab und beledte es regelrecht mit der langen Zunge: Leider ift auch Diefes Junge zwei Tage jpäter erdrüct unter der Mutter liegend gefunden tworden. Aus diejen beiden und den noch folgenden Zuchtergebnijjen Fann mit Sicherheit angenommen werden, dat die Trächtigfeitsdauer durchjchnittlich 190 Tage beträgt, und da die Geburten, wenigftens in der Gefangenjchaft, nicht an eine bejtimmte Sahreszeit gebunden find. Das vierte Junge wurde am 7. Dezember 1897 geboren. Da aber die Mutter ganz unfanft mit ihm umaging, fich faft gar nicht um das Stleine befünmerte und Jich mehrmals geradezu drauflegte, jo daß ein abermaliges Erdrücden zu befürchten war, nahm ich e3 weg und verfuchte die Fünftliche Aufzucht. In einem bejonders fonftruterten Wärmtajten, der qut reguliert werden konnte, habe ich eg auf Teppiche gebettet und an die Saugjlajche ge- wöhnt. E3 war feine leichte Arbeit, und troß guter Handjchuhe gab e3 jchlimme Hände. Dafür durfte ich aber auch die Freude haben, dat mein Pflegling bald jeinen ‚Schoppen‘ regelmäßig nahm und jich fcheinbar recht behaglich fühlte. ES dauerte aber nicht lange, jo traten Verdauungzftörungen ein, der Kleine wurde immer matter und war nad) zwölf Tagen tot. Das fünfte Junge, geboren am 19. Februar 1899, wurde ebenjo behandelt, ijt aber jchon am achten Tage einem heftigen Durchfall erlegen. „Die Aufzucht des fechiten Jungen aber, welches am 22. Januar 1900 geboren wurde, jollte mir nun endlich gelingen. Das Junge nahm ich jofort weg, und die Milch habe ich mir genau nach dem Rezept fr die Kinder gemijcht und behandelt; jte wurde auch gut vertragen. 538 7. Drdnung: Xenarthra. Familie: Ameijenfreffer. Das tägliche Maß, welches anfangs dreivierteljtindlich verabreicht wurde, betrug in den eriten Tagen nur ca. 20 cem, nach acht Tagen fchon 70 cem und fteigerte fich dann nach und nach bis auf "/, Liter jeden Tag. m Alter von drei Monaten jchlürfte es von dem Milch- brei der Alten und nahm auch fchon etwas gehadtes Fleijch zu jich; die Flafjche erhielt es aber troßdem noch ein ganzes Jahr. Mit dem fortjchreitenden Alter ging das Jugendfleid nad) und nach verloren, d.h. die jilberweit; glänzenden Nüdenhaare verihmwanden jchon nad) einigen Wochen, und die übrigen Störperhaare wuchjen in den erjten Monaten langjan, dann immer tajcher, jo daß das Junge nach einem halben Jahre in Form und Sarbe den Alten gleich und mit zwei Jahren auch volljtändig ausgewachjen war. Diejes Tier, der einzige Tachfomme, welcher am Leben geblieben it, ging im Frühjahr 1901 in den Befib des Ber- finer Zoologischen Gartens über und hat jich prächtig entwidelt.“ Bon allgemeiner Wichtigkeit an diejen Hochinterejfanten Beobachtungen und Erfahrungen aus der Gefangenschaftszucht bleibt Die Tatfache, daß der Große Ameijenbär, obiwohl Erd- tier, jein Junges mit fich herumträgt, wie wir dies font nur von Baumtieren und gerade von den Baumtieren jeiner Verwandtichaft, den Faultieren, zu jehen gewöhnt find. Und nicht nur das; der neugeborene Ameijenbär jcheint gar nicht den Boden zu berühren, jondern Flammert jich mit jeinen Borderklauen jofort an dem langen Haar der Mutter feit mit einer Straft und flettert auf ihr herum mit einer Gewandtheit, daß der angeborne Inftinkt nicht zu verfennen it. Wir erklären ihn dadurch, daß wir den Großen Ameijenbären von fletternden Vorfahren ableiten — feine nächjten Verwandten flettern ja heute noch —, und wir verjtehen die Stei- gerung diejes Jnjtinftes, vermöge deren das Neugeborene jofort an der Mutter haftet, aus der vagabundierenden Lebensweije des Tieres, das fein bejtimmtes Lager hat, in dem es das Junge bergen fünnte. Bon dem geborenen Stuttgarter, jpäter Berliner Ameijenbären fann weiter berichtet werden, daß er bei Druclequng diejer Zeilen, aljo jeit elf Jahren, jich noch beiten Wohl- jeins erfreut und mit jeinem Wärter ebenfalls auf dem vorjtehend jchon mehrfach gejchilderten „Spielfuße” jteht. Dabei zeigt jich immer deutlich, wie leicht e3 dem Tiere fällt, jich auf die Hinterbeine zu erheben: es tut Dies bei jeder Gelegenheit. Cine Eigenart, die zu denfen gibt, wenn man jich die Gejtalten der riejenhaften Zahnarmen aus der erdgejchichtlichen Vergangenheit vergegenmärtiat. Unter den übrigen Ameijenbären, die Baumtiere jind, ähnelt Die over ver Tamandıa, der Caguare, Tamandua tetradactyla Zinn. (Myrmecophaga), dem gejchilderten Wer- wandten am meijten, wird aber trogdem als Vertreter einer bejondern Gattung angejehen, weil jte an den Borderfüßen vier, an den Hinterfüßen fünf Zehen hat und ihr Schwanz ein Sreifichwangz tft. Wie uns Uzara belehrt, bedeutet das Wort Caquare „Stänfer des Waldes”, und dieje Bezeichnung foll feineswegs aus der Zuft gegriffen fein. Das Tier bewohnt jo ziemlich diejelben Länder twie das vorige, reicht aber bis Peru hinüber. Seine Länge beträgt etwa lm, wodon ungefähr 60 cm auf den Leib fommen; die mittlere Höhe wird auf 30—35 cm angegeben: der Kaquare erreicht Demnach faum die halbe Gröke des Großen Ameijenbären. Cr ift, obgleich er mit ihm bis auf den Schwanz viel Ähnlichkeit Hat, fast noch Häflicher als diejer. Sein Kopf tft verhältnismäßig nicht jo geftredt, läuft auch nicht in eine fo lange Schnauze aus, der Oberfiefer ift länger al der untere, der Hals groß, der Rumpf breit, Die Ohren find eiförmig und ftehen vom Kopfe ab; die Füße ähneln denen des Ameifenfrejjers, die Nägel der Vorderfühe find 2,5 und 5 em Yang, der Länge nach gebogen und an den Xenarthra II. I. Großer Ameilenbär, neugeborenes Junges. Ss . 528. — Alfred Hirrlinger-Stuttgart phot. 2. Großer Ameiienbär, Myrmecophaga tridactyla Linn. l/ıo nat. Gr., s. S. 528 Henry Irving- Horley phot. 1 3 u.4. Tamandua, Tamandua tetradactyla Zinn. — Aug. Scherl, G. m. b. H.-Berlin phot. jıa nat. Gr., s. S. 538. Tamandua: Körperbau. Lebensweife. 399 Seiten zufammengedrüdt, die der Hinterfüße Fürzer, unter jich gleichlang und wenig ge- bogen. Der dide, walzenfürmige, musfelfäftige Widelichwanz endet in einer ftumpfen Spite. Gerade, fteife, rau anzufühlende, glänzende Borftenhaare überdeden die Woll- haare, die an Nauhigfeit den erjteren faum etwas nachgeben und fich nur durch chmwache Kräufelung unterscheiden. Boriten- und Wollhaare haben faft gleiche Länge; an Kopfe jtnd jie furz, am übrigen Körper etwa 8 cm lang. Am obern Ende des Schulterblattes bildet die Behaarung einen Wirbel, jo dat die Haare vor dem Schulterblatt mit den Spiben nach vorn, Hinter ihm nach hinten jtehen. Ihre Färbung ift am Kopfe, mit Ausnahme eines jchwarzen Ringes ums Auge, ferner auf den Naden, Nücden, bis an das Streuz, am Halje, an der Bruft, an den Bordergliedern, von der Mitte des DOberarmes und an den Hintergliedern vom Stniegelenf an jowie an den hinteren Teilen weißlichgelb; ein jchwarzer Streifen zieht fi) vom Halje rüdwärts über die Schultern und Seiten des Körpers und nimmt jo rajch an Breite zu, daß Schwarz an den Seiten und den Hinterjchenfeln bereits die borherrichende Farbe bildet. Die Färbung wird übrigens bloß durch die Spigen der Haare beitimmt; denn die Wurzeln jind licht graulichgelb gefärbt. Die Spike der Schnauze, Die Lippen, Augenlider und Fußjohlen find nadt und von jchwarzer Farbe, die Ohren und der Schwanz nur dünn behaart. Junge Tiere jind durchaus weiglichgelb und nehmen exit im zweiten und dritten Jahre nach und nach die Färbung der erwachjenen an. Aber auch unter diejen finden jich Abänderungen: der Schwarze Ring um die Augen fehlt, die jonjt weißlich- gelben Teile jind gräulich oder rötlichgelb ujiw. Bis jest haben wir noch wenig über das Leben diejes merfwürdigen Gejchöpfes er- jahren fönnen. In Paraguay und Brajtlien lebt die Tamandua überall in den einfamen, bewaldeten Gegenden, gern am Saume der Wälder und in Gebüjchen, manchmal nahe den menschlichen Wohnungen. Sie hält jich nicht bloß auf dem Boden auf, jondern bejteigt ebenfo gejchieft die Bäume, obgleich dies, wie bei den Faultieren, ziemlich langjanı vor jich geht; Dabei verfichert fie fich, wie die echten Wiceljchwängzer, jorgfältig mit dem Schwanze, auch im Siben. Ihr Gang ift zwar etwas jchneller al3 der des Großen Ameijenbären, aber doch immer noch fehr langjamı, wie fie überhaupt als träges, ftumpfjinniges Tier gelten muß. Eine merfwürdige Eigentümlichfeit hebt Snethlage-PBara jehr richtig her- or: dag ununterbrochene leife Schnauben, das die Tamandua hören läßt, jolange jte wach it. Der europäifche Tierpfleger it geneigt, dies bei Neuangefommenen für einen Schnupfen zu halten. Um zu jchlafenz legt fich die Tamandua auf den Bauch, befeitigt jich mit dem Schwanze, legt den Kopf mit der Schnauze gegen die Bruft und dedt ihn ganz mit ihren beiden vorderen Armen zu. Sie nährt fich, wie der Große Ametjenbär, vorzugsmweije von Ameifen, und zwar hauptfächlich von folchen, die auf Bäumen leben. BVerjchludte Evde und Holzstücdchen findet man ebenfalls unter der von ihr aufgenommenen Nahrung. Eine Stimme hört man felten oder nie von ihr. Das Weibchen joll im Frühjahr ein Junges werfen und diejes lange auf dem Rüden mit fich Herumtragen. Zwei Weibchen Des Zoolo- aiichen Gartens von Para machten in nicht ganz regelmäßigen Perioden eine Art Brunft durch, wobei ihnen tagelang Schleim aus der etwas angejchwollenen Scheide floß. Sie waren in folchen Zeiten jehr aufgeregt im Gegenjaß zu ihrem jonjtigen phlegmatijchen Benehmen, famen abends zeitig zum VBorfchein und verfolgten fich jchnaubend durch den Käfig, führten auch geradezu Ningfämpfe auf, die aber wenig ernithaft gemeint zu jein jchienen und durch die abjonderlichen Bewegungen der ohnehin jchon abjonderlichen Ge- jtalten einen höchit fomijchen Eindrud auf den Zujchauer machten. 540 7. Ordnung: Xenarthra. Yamilie: Ameijenfrefjer. Eine Ergänzung des Vorhergehenden verdanken wir Henjel. „Viel häufiger als der Große Ameijenbär ift Die Tamandua; doch habe ich jie nur am Saume des Urwaldes gefunden. In Innern ift fie mir nicht vorgefommen, und ebenjomwenig habe ich jie auf den freien Cam- p08 fern von den Wäldern angetroffen. Mehrere der von mir gefammelten Stüde find von Hohen Bäumen herabgejchoffen worden. Bor einem Feinde jucht jich diefer Ameijenbär jtet3 zurückzuziehen, wenn auch ohne bejondere Eile. Wird er von einem Menjchen oder Hunde eingeholt, jo richtet er fich auf feinen Hinterbeinen hoch, twie e3 ein Bär tut, und erwartet munrmelnd den Gegner; allein er umarmt ihn niemals. Seine Hand bejißt außer den großen, gebogenen und jpißen Krallen noch) einen jehr entwidelten hornharten Ballen: mit jenen Strallen nun ergreift ex bligjchnell den Gegner, indem er ihn zugleich gegen den Ballen drückt. ‘ch habe gejehen, twte eine noch nicht einmal eriwachjene Tamandıra zwei große Hunde wehr- 105 machte, indem jie den einen an der Wafe, den andern an der Oberlippe gepadt hatte und jie fo, zwifchen beiden aufrecht ftehend, mit ausgebreiteten Armen von ich abhielt. In einen jolchen Falle pflegt der Jäger dem tapfern Tiere, um es zum Loslajjen zu bewegen, die Seh- nen am Handgelenfe zu Durchjchneiden. Die unfinnige Mordluft der Brajilter richtet jich auch) gegen diejes harmloje und nüßliche Tier. &$ ijt dem Brafilier durchaus unmöglich, wenn er einer Tamandua anfichtig wird, nicht von jeinem Pferde abzufteigen, jener den Kopf mit jeinem großen Meifer zu fpalten und den Leichnam den Nasgeiern zum Fraße liegen zu laljen. Er tut e3 jchon, um die Wucht und Schärfe feines Mejjers zu erproben.” Aus eigner Erfahrung und Anjcehauung berichtet noch Ph. L. Martin in feiner Natur- gejchichte über unjer Tier aus dem bewaldeten Küftengebirge von Benezuela. „Sein Wicel- ichwanz verlangjamt feine Fortbeivequng auf ven Bäumen, weil dieje fünfte Hand immer einige Zeit zur prüfenden Anheftung braucht. Dort oben in dem dichten Yaubdach der Ur- waldbäume ift er vor Angriffen jeitens der Menjchen ziemlich gejichert und wird eigentlich exit dann bemerft, wenn er bei der Arbeit ift und, Stücde der Baumrinde oder der Termiten- und Bienennejter abbrechend, jene fallen läßt. m diejer Stellung tft er dann zwar äußerft leicht zu jchießen; aber trogdem erfordert es noch viele Zeit, feiner habhaft zu werden, weil es gewöhnlich halbe Tage lang dauert, bis das an feinem Schwanz hängende Tier herabfällt. Mehrmals glüdte e3 uns, einige diejer interejjanten Tiere in leicht erreichbarer Höhe zu fangen. Ste wurden jofort an ihren Wideljchhwänzen in die Höhe gehoben und mühjam abgelöft, worauf man jte nach Haufe trug. Wenn fie erjchrect wurden, jtellten fie jich aufrecht mit ausgebreiteten Armen hin und zifchten wie eine erzüiente Gans; dies war der einzige Laut, den ich von ihnen vernahm. Sehr viel Spaß machte es, wenn ich jie an einen bon Ameijen durchlöcherten dünnen Baumjtamım trug und fie dann mit ihrer langen Zunge in die Köcher tajteten, big deren Spite auf der andern Seite wieder zum Vorjchein fam. Ihre Bewegungen am Boden ivaren durchaus nicht gar fo langjam; vielmehr liefen lie ziemlich vajch, wobei fie ven Schwanz etwas aufgehoben und gerollt trugen. „sdr geijtiges Wejen tft feineswegs in dem Maße bejchränft, twie man es gewöhnlich anzunehmen pflegt; denn jchon nach wenigen Tagen waren meine Pfleglinge jo zahm, daß jie vor mir nicht mehr exjchrafen und fich nicht mehr in Verteidigungszuftand jegten, mwäh- vend fie Dies Fremden gegenüber noch lange Zeit taten. Sogar zum Spielen waren fie ge- neigt. 63 wird behauptet, daß fie einen unangenehmen mofchusartigen Geruch von fich geben, weswegen jie von ven Guaranen Caguare, ‚Stänfer‘, genannt würden. Außer beim Ein- fangen im Urwalde erinnere ich mich nicht, dDiefen Geruch an den Tieren wahrgenommen zu haben. shre Ernährung wurde mit der Zeit für mich fehr fchroierig, weil fie die Ameifen der Tamandua: Zebensweife. 941 Umgebung bald aufgezehrt hatten, jo daf; ich Die Gefangenen jchlieglich wieder in den nahen Urwald trug.” Auf Grund der Tatjache, da die lichtfcheuen Termiten dem in ihren Bau einbrechenden Feinde nicht fcharenweije entgegenjtürmen wie Die Ameijen, jondern unter der Erde jich ver- jchliefen, überhaupt nur jpärlich zu Gejicht fommen, ijt Henfel (‚‚Zool. Garten‘, 1872) der Überzeugung, dat die Ameijenbären beim Cröffnen der Termitenhügel nicht ihre Rechnung finden würden und von ihnen aljo die Termiten nichts zu fürchten haben. „Da- mit ftimmt durchaus die tatjächlihe Erfahrung. Sämtliche Individuen des mittleren Ameijenfrejjers, die ich unterjuchen fonnte, hatten den Magen mit Ametjen gefüllt, jelbit an jolchen Orten, wo die Termitenhügel jehr häufig waren.” Dagegen führt nun WU. Zie, ebenfalls im „Zool. Garten”, 1872, jeine durchaus ab- mweichende Erfahrung an, die allerdings aus Nordbrajilien (Provinz Ceard) ftammt: „Der Tamandua ift nach Angabe der Brafilier im Innern (Sertäo) von Ceara durchaus nicht jelten, wenn auch nicht gerade häufig, Hält jich amı Tage verborgen und wird erjt nach Son- nenuntergang regjam, indem er die Bäume bejteigt, um Termitennejter aufzujuchen, deren Erbauer feine Nahrung ausmachen. $edoch fann es immerhin möglich jein, daß in Gegenden, to die Termiten Erdbaue aufführen, der Tamandua jich auch an Ameijen gewöhnen fann. Sch erhielt ein lebendes Exemplar diejer Art, welches in der Nähe einer Matuten-Wohnung bon einem Snaben jehr jung eingefangen worden war. Diejer hatte ihn mit Milch aufgezogen und ihm fpäter Termitennefter (casa de cupim) vorgelegt, welche er jehr gejchieft mit jeinen eigentümlich gebauten vorderen Extremitäten zu zerbrechen verjtand. Jr die gemachten Off- nungen des Neftes jchob er feine lange Schnauze bald mehr, bald weniger tief und wußte Die aufgeftörten Fichtfcheuen Termiten mittels jeiner fangen Zunge aus ihren verjchlungenen Gängen hervorzuholen; oft fam dabei die Junge jogar aus einem andern Loche des Nejtes wieder zum Vorjchein. Er verichmähte hartnädig Ameijen jorwie jede andere Nahrung, und ich fah mich einmal genötigt, alS ich ihn durch Hungern an andere Stojt gewöhnen wollte, im wieder feine alte Nahrung zu verjchaffen, falls er nicht zugrunde gehen jollte, da er merklich abmagerte. Die Termiten jchien er durch den Geruch aufzufpüren; denn jo oft ich ihm am Tage, nachdem er längere Zeit gefaftet hatte, ein jolches Weit in einiger Nähe vorlegte, begann er fich zu regen, erhob den Kopf und ging, mit vorgejtredter Naje in der Luft jehnuppernd, gemächlich darauf zu. Alle zwei bis drei Tage mußte ich meinem Ameijenbären ein neues Termitenneft holen lajfen. Einige größere Arten fra der Ameijenbär ungern und nur dann, wenn er jehr hungrig tvar, da ihr jcharfer Geruch ihm mwahrjcheinlich unangenehm tft. AUS mich einige Wochen, nachdem ich ihn erhalten, fein früherer Pfleger bejuchte und ihn bei jeinem Namen tief, erfannte er diefen jofort. Der Mann fonnte jich das Tier um den Hals fegen, ohne es im mindeften zu erzüinen, während e3 jonft für Fremde nicht jehr eingenom- men tar umd fich bei deren Annäherung auf die Hinterfüße jegte, um jich mit Den vorderen zu verteidigen. Am meiften erziient wurde der Tamandua, wenn man ihn mit Wajjer bejprite. „Das Tier ging mir fpäter an Sandflöhen (Bichu), Pulex penetrans, zugrunde, welche jich ihm in großer Menge in die Fußjohlen, Bauchgegend, fogar in die Naje und Ohren ein- gebohrt hatten.“ Auch die Tamandua ift in der Neuzeit öfter nach Europa gebracht worden. Dem erjten Stück, das 1871 in den Londoner Garten Fam, ftellte Bartlett jein Zimmer zur Verfügung, um die Bewegungen de3 Tieres zu beobachten. Mit den mächtigen, hafenförmigen Stlauen und mit Hilfe des Greifjchtvanges Hletterte diejes rajch auf die verjchtedenen Gegenjtände des 542 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Ameijenfrejjer. Hausrates und fprang, indem e3 zutraulicher wurde, von hier aus zuleßt auf Bartletts Schultern, jtedte die jpisige Schnauze und die lange, wurmförmige Zunge in alle Falten der Kleidung feines Vflegers und unterfuchte dejjen Ohren, Nafe und Augen in nicht eben angenehmer VWVeife. Nahte jich jpäter ein Bejucher, jo Fam der Ameijenfrefjer rajch an die Vorderfeite des Käfigs und fie feine forjchende Zunge flüchtig über die an die Stangen jeines Säfigs gehaltene Hand gleiten; doch mußte man jich hüten, feine Finger von den Klauen faljen zu lafjen. Als Nahrung reichte man Milch, in der füßer Ziwiebad eingemweicht war, und Fleingehactes Fleifch. Dabei oder bei einem andern Erjakfutter für Ameijen- frejjer, wie e3 in den zoologtjchen Gärten zubereitet zu werden pflegt, hält fich ja jolch ein Tier wohl eine Zeitlang, aber nicht lange. Rechte Freude erlebt der Tierpfleger an dem mittleren Ameijenfrejjer nicht, während man bei dem großen nach einer oder wenigen „teten“ doch immer einmal wieder auf einen „Treffer“ rechnen fann, der fich eingewöhnt und einem Durch Haltbarkeit die Mühe lohnt. Vielleicht trifft Snethlage- Para dafür die richtige Erflärung mit der Annahme, daß die Tamandua als nächtliches Tier einen halb- dunklen Käfig haben müjje. Sedenfalls Halten fich ihre Gefangenen, feit jte ihnen einen jolchen gibt; Freilich reicht fie ihnen aber auch ihre natürliche Nahrung: Friiche Termiten- nejter mit lebendem Snhalt. Mit halbgejchlofjenen. Augen jißt die „Tamandua collete”, wie das Tier in Para heißt, falt beiwequngslos auf dem Termitenbau; nur die lange Zunge arbeitet biigjchnell, und ein Fräftiger Druc der musfulöjen Vorderflaue eröffnet Hin und wieder eine neue Nahrungsquelle. Die Zunge dringt bis in die feinjten Ver- ziweiqungen der Termitenbaue, und man fieht, wenn diefe aufgebrochen find, ihre Spibe ojt an der inneren Seite wieder zum Vorfchein fommen. Die Schnelligfeit, mit der fie ausgejtreckt und zurüidgezogen wird, fan man am beften an den puljterenden Bewegungen der Kehle verfolgen. Die in breiten Zügen aus dem Bau flüchtenden Termiten nimmt die Tamandua mit fegenden Beiwequngen der Zunge auf. Im Durchjcehhitt brauchen die beiden Stüde des Tiergartens zu Para täglich einen „‚Eupim’ (Termitenbau) von etwa Y, m Länge umd beinahe Derjelben Breite, der ihnen jedoch nur genügt, wenn er reichlich mit Termiten und Brut gefüllt ift. Entfprechend der Nahrungsmenge ift auch die Verdauung. Die fait jtets früh am Morgen abgelegten Erfremente find ziemlich jeit, länglich, von glänzendichwarzer Farbe und riechen wenig. Eigentümlich ift der ftarfe, mojchusähnliche Geruch, den die Tamandua in der Wildnis verbreitet, zumal wenn jie gereizt wird. Cr ducchdringt das Fleifch und macht es für Europäer ganz ungenteßbar; dennoch ejjen e3 die Jndianer und Neger, die, um den Braten zu erlangen, Schlagfallen in den Wäldern aufjtellen. Die portugiefiich-brafilifchen ‚säger bereiten jich aus dem ftarfen Felle Negenfappen über ihre Gemwehrjchlöffer. Yon dem Mojchusgeruch hat Hed im Berliner Garten niemals etwas bemerft — wohl weil jeine Tamanduen immer zahm oder vielleicht, bejjer gejagt, matt waren. Während vom Großen Ameijenfrejfer auch heutigentags noch nur eine Art unterjchieden wird, hat der mittlere vor dem fcharfen Blicfe der modernen Syftematifer fich in mehrere Arten und Unterarten zerteilen müjjen. Der Zwerg- oder Zweizehige Ameifenfreifer, Cyclopes didactylus Linn. (Cyeloturus, Myrmecophaga didactyla; Taf. „Xenarthra III“, 1—3), Vertreter der legten Gattung der Familie, ein Tier von Eichhörnchengröße, ift ungefähr 40 cm lang, wmobon der Wideljchwanz 18 em mwegnimmt. An den Vorderfüßen fißen bier Zehen, Xenarthra III. ] I Zwergameilenfreiier, Cyclopes didactylus Zinn, (1 u.2 Abwehritellung.) 1 /7 nat. Gr., s. S. 512. — Aufgenommen im Zoologischen Garten zu Parä. I 4 u.5. Unau, Choloepus didactylus Linn. U/s nat. Gr., s. S. 547. — W.P. Dando, F. Z. S.- London phot. Zmwergameifenfrefjer. 943 bon denen nur zwei ftarfe Krallen tragen, an den Hinterfüßen fünf Zehen. Der jeiden- meiche Pelz ift oben fuchstot und unten grau; die einzelnen Haare find unten graubraun, oben jchiwarz, an der Spibe gelbbraun. Abänderungen in der Färbung find beobachtet twor- den. Derinnere Leibesbau unterjcheidet die Gattung nicht unwesentlich von den Verwandten. Dbaleich auch der Zivergameijenfreijer noch ziemlich plump gebaut ift, darf man ihn Doch ein nettes, befonders durch die Schönheit feines Felles ausgezeichnetes Gejchöpf nennen. Gein Verbreitungsfreis ift bejchränft. Man fennt ihn bisher bloß aus dem nördlichen Bra- jilien, Guayana und Peru, demnach aus Gegenden, die zwifchen dem 10. Grade füdl. und dem 6. Grade nördl. Br. liegen. Sn Gebirge fteigt er zumeilen bis zu 600 m über das Meer empor. Er ijt fast überall jelten oder wird nicht häufig gefunden. So nac) Snethlage auch en Bwergameifenfrefjer, Cyclopes didactylus Zinn. 1/s natürlicher Größe. im Innern des Staates PBard. Dagegen jcheint er in der Umgegend der Stadt Para eines der häufigften Säugetiere zu fein: Snethlage hat dort im Stadtparf die frifche Zojung gejehen, und Haarbüfchel des Ziwergameifenfrejfers werden als Amulett von jeder Negerin getragen. Im allgemeinen aber find die dichtejten Wälder fein Aufenthalt, und hier entgeht ex durch feine geringe Größe nur allzuleicht dem juchenden DBlidle des Jägers und fomit der Beobachtung. Wie feine übrigen Verwandten, lebt er einjfam, höchjtens während der Paarung mit einem Weibchen vereinigt. Als vollendetes Nachttier verjchläft er ven Tag im Gezweige der Bäume. Nach Snethlage- Para wird dabei der Körper zu- jammengefugelt, das Köpfchen, tief vornübergeneigt, zwijchen die Beine vergraben und das Ganze mit dem Schwanze fo ummidelt, daß es mehr einem goldig jchimmernden Seidenball al3 einem Bierfüher gleicht. Beim Verlafjen des Schlafplages findet vegel- mäßig eine Harnentleerung im Gehen jtatt, und der Weg, den das Tierchen in den erjten Minuten genommen hat, twird durch einen viele Meter langen, gejchlängelten, feuchten Streifen bezeichnet. Für den Hauptjinn hält Snethlage das Gejicht, weil ihre Gefangenen auf Geficht3eindrücke, rafche Bewegungen, am lebhaftejten reagierten. Die Bewegungen unjeres Smwerges find unbeholfen, langjam und abgemejjen; doch Hettert er gejchickt, wenn auch 544 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Ameijenfrejjer. borfichtig und immer mit Hilfe de3 Schwanzes. Ameijen, Termiten, Bienen, Wejpen und deren Larven find jeine Nahrung; möglicherweife verzehrt er noch andere fleine Jnijeften, die auf Bäumen wohnen. Wenn er einen größeren ang getan hat, joll er jich, wie das Eichhörnchen, aufrichten und die Beute mit den Vorderfrallen zum Munde führen. Bei Gefahr fucht er fich nach Möglichkeit zu verteidigen; jeine geringe Stärfe fann ihn aber nicht einmal gegen jchwächere Feinde jehügen: er erliegt jelbjt den Angriffen mittelgroßer Eulen. Über die Fortpflanzung ift nichts befannt. Die Indianer follen ihn erbeuten, um jein leisch zu verwerten. Ein gefangener Ziwergameijenfreffer wurde von Bates furze Zeit beobachtet. Das Tierchen war von einem Indianer in einer Baumbhöhlung gefunden worden, in der e3 bewequngslos gehangen hatte. Solange man es nicht veizte, verharrte e3 in ein umd Der- jelben Stellung, nach Art eines Faultieres aufgehängt; gereizt, hielt e3 jich mit Schwanz und Hinterfühen feit und verfuchte, jtch mit den Vorderfüßen nach Art einer Slate zu wehren. Noch einige hübjche Beobachtungen aus dem Gefangenleben des Tieres in jeiner Heimat gibt Marfhall in den „Tieren der Erde” nach Berichten eines Barons d. Sad wieder, der „erzählt, daß die Eingeborenen Surinam den feinen Ameijenfrejjer ‚Sand- füfferchen‘ nennen, weil jie glauben, daß er, wenigjtens in der Gefangenjchaft, niemals freife, jondern nur an feinen Bfoten lede, in der Art etiva, wie man das dom Bären jagt, und daß alle Anstrengungen, ihn zum Frejjen zu bringen, vergeblich jeten, weshalb er in der Gefangenschaft bald jtürbe... Als d. Sad die Geftalt der Borderzehen mit ihren Strallen betrachtete, die ausjahen wie Pinzetten, fam ihm der Gedanfe, das Kleine Gejchöpf könne vielleicht von Wefpenbrut und dergleichen leben. Er ließ aljo ein Wejpenneft holen, umd richtig: da 30g e8 mit feinen Srallen die Larven und Puppen mit dem größten Eifer aus den Wabenzellen und verjchlang fie gierig, wobei eS jich aufrecht hinjeßte wie ein Cich- hörnchen.” Snethlage-Para hält für die ausschließliche Nahrung des Zivergametjenfrejjers Ameifen und deren Larven; denn alle ihre Gefangenen verweigerten hartnädig, Cupim (Termitenbau mit Inhalt) als Nahrung anzunehmen, flüchteten vielmehr mit fichtlicher Abneigung vor Termiten. Auch find durchaus nicht alle Ameifen nach ihrem Gejchmad; welche ihre Hauptnahrung bilden, Hat nicht mit Sicherheit fejtgejtellt werden fünnen. Gern werden die Puppen einer in trodenen Smbaubajtämmen mwohnenden Eeiton-Yrt gefrejien, ferner Puppen und Arbeiter einer anderen Heinen jchwarzen Art mit dreiecigem Hinterleib, die Hauptfächlich Ingabäume bewohnt. Auch getrocknete, aus Deutjchland be- zogene Ameifen wurden vielfach willig genommen. In allen Fällen trat aber über furz oder lang PVerdauungsitörung ein, und das Ende war da. Ein Mittel, den Ziwerg- ameifenfrejfer in der Gefangenschaft am Leben zu erhalten, ift bis jeßt nicht gefunden. Da der Jivergameifenfreffer in der Tierlifte des Londoner Gartens nicht verzeichnet jteht, jo dürfen toir wohl annehmen, daf derjenige, der im Herbit 1905 in den Berliner Garten fam, der erfte war, der überhaupt in Europa gezeigt wurde. Hecd jchreibt darüber in der „„luftrierten Zeitung”, 1905: „Der Kopf der Zwergenart ift zwar nicht jo auffallend röhren- artig in die Länge gezogen; aber die gejtrecfte Schnauze mit der chmalen Mundfpalte vorn hat ganz Dasjelbe Gepräge” (tie beim Großen Ameifenfreijer). „Das entgegengejebte örper- ende, der Schwanz, erfcheint dem Baum- und Stletterleben angepaßt wie bei der mittleren Ameijenfrejjerart... E8 ift ein musfulöfer, an feinem Endftüd unten nacdter Wideljchtvanz, den das Tierchen jehr gejchict zu gebrauchen, in jeder Zage als Sicherheitsanfer zu benußen verjteht; im Notjalle kann e8 fich bequem daran aufhängen. Die Vordergliedmaßen jind Zwergameijenfreifer. Faultiere. 945 wieder das winzige Abbild der jchwerbewaffneten lauenfühe des großen Ameijenbären, nur daß bloß zwei Zehen ausgebildet, befrallt und amı lebenden Tiere zu jehen jind; die übrigen ftecfen verfümmert unter der Haut. Die dritte ift mit einer verhältnismäßig riejigen, ichwarzen Klaue bemwehrt, die der fleine Stletterer aber nicht jchonend eingefchlagen trägt und tragen fann toie fein großer, auf der Exde febender Verwandter, jondern die er ganz empfindlich in Haut und Kleider einhaft, wenn er einem, zahın, twie er ift, auf Hand und Arm umbherjpaziert. Das Merkwürdigite jind aber die Hinterfüße; fie jehen auf den exrjten Blid aus, als ob fie jech8 Zehen hätten, eine weit abjtehende, nagellofe Daumenzehe fünf anderen, eng zufammenftehenden und mit Krallen verjehenen entgegentmirfte. Wenn man jedoc) genauer zufieht, jo ergibt jich, daß hier eine jehr weitgehende Ausbildung eines Stletterfußes vorliegt, vermöge deren nicht nur die ganze Sohle eine außergewöhnliche Einfrümmungs- fähigfeit befigt, fondern namentlich die Terje eine Art bewegliches Bolfter bildet, das einen nagellofen Daumen vortäufcht. Daher auch der neuere (Cycloturus) und neuejte (Cyelopes), joviel twie Nundfuß bedeutende Name, unter dem der Zivergameifenfrejjer von jeinen größe- ven Bertvandten al3 bejondere Gattung abgetrennt worden it. Für das Gefangenleben it unjer neuer Ankömmling bis jet wohl der einzige Beobachtungsgegenjtand. Cr macht einen äußerjt netten, zahmen und zutraulichen Eindrud; doch fanın man jich des Verdachtes nicht entichlagen, daß ex einem auf der Hand und dem Arm mit demjelben Gleichmut umher- flettert tie in der Freiheit auf den Äften und Lianen. Jrgendwelche Anzeichen, daß er den Menfchen als folchen oder al3 etwas Bejonderes erfennt, gibt er nicht; ich möchte auch be- zweifeln, ob jeine Oeiftesgaben dazu ausreichen.“ Man unterjcheidet heute von der einen Hauptart noch drei Unterarten. * Die Mitglieder der leßten Familie der Xenarthra, die Zanltiere (Bradypodidae), machen als fehr ftumpfe und träge Gefchöpfe einen wahrhaft Hläglichen Eindrud. Damit dürfen toir fie aber nicht abtun, fondern müfjen fie als weitgehende Anpafjungen an eine ganz bejtimmte, einfeitige und eintönige, aber jehr bequeme Lebensmöglichkeit zu berjtehen juchen: als hängende Kletterer, denen ihre Nahrung, Baumblätter, fozujagen in den Mund wächt. Wie e3 fir folche Lebensweife und Bewegung das Richtige ift, jind bei ihnen die vorderen Gliedmaßen bedeutend länger al3 die hinteren, die Füße mit gewaltigen Sichel- fralfen bewehrt, die, wie der ganze Fußbau, ebenfalls Beziehungen zu dem eigenartigen Hängeleben haben. Durch die Stärfe und Krümmung der Strallen und vollftändige Ver- wachjung aller Zehen, die unter gemeinfamer Haut liegen, hängen die Faultiere ohne jede Musfelanftrengung im Baume, zumal auch noch die fehmalen, mit federiger Haut bededten, etwas hohl und feitlich nach innen geftellten Sohlen dieferen ten fich innig anjchmiegen. Auch der Knochenbau zeigt fich zugunften größerer Beweglichkeit von Hals und Gliedmaßen beeinflußt. Die Zahl der Halswirbel finft zwar jonderbarerweije bei einer Art der einen Gattung unter die gewöhnliche Zahl bis auf jechs, jteigt aber bei der andern Gattung bis auf neun, und dieje fan in der Tat den Kopf fajt ganz um feine Achje drehen, wie eine Eule, jo daß das Geficht beim hängenden Klettern nach vorn jchaut. Die jo zunächit be- fremdenden Unterjchiede in der Halswirbelzahl wiegen übrigens nicht allzu jchwer, da e3 fich fchließlich nach der mehr oder weniger weitgehenden Ausbildung der Nippenanhänge richtet, ob man einen Wirbel als Hal3- oder Bruftwirbel bezeichnet. Die Zahl rippentragen- der Wirbel fteigt von 14 auf 24, das Marimum bei den Säugetieren, die der rippenlojen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 35 546 7. Ordnung: Xenarthra. Yamilie: Jaultiere. beträgt nur Drei bis vier. Die Rippen find noch von anjehnlicher Breite. (Giebel.) Das alles darf man wohl in Beziehung bringen zu dem Tragen der Eingemweide in der Hänge- (age. Die beiden Unterjchenfelfnochen (Tibia und Fibula) jind an den Enden nicht ver- ihmolzen, fondern gelenffrei, jo daß fie „ein außergewöhnliches Mab einmwärtsgerichteter Notation zulaffen”. (Weber) Die ganzen Gliedmaßen „ind ungemein fchlanf und jehr mager, dem trägen Baumleben entjprechend”. (Bronn.) Auf diejes ift der ganze Oftederbau der Faultiere jo einfeitig zugejchnitten, daß fie am Erdboden, den jte freiwillig wohl nur im alleräußerjten Notfall einmal berühren, auf die Ellenbogen gefjtügt, in der Hilflojeiten Weije Dahinschieben und an jeder Unebenheit mit den Sichelfrallen fich weiterzugiehen fuchen. Beim Schlafen krünmmt fich der ganze Faultierförper jozujagen zu einem Bündel zujammen, die Glieder werden fcharf eingefnidt, und da das Tier dem wichtigen Schlafgejchäft ven größten Teil jeiner Zeit widmet, jo begegnen wir in jeinem Blutgefäßiyften wieder den „arteriellen Wundernegen, die fich namentlich in den Extremitäten hoher Ausbildung erfreuen”. (Weber.) Sie vermeiden die Blutjtodungen, die andernfalls während der langen Schlafzeit in den zufanmengekflappten Gliedmaßen entjtehen würden. Die merfwiidigite Anpafjung an die abweichende Störperhaltung (Bauch nach oben) ift aber die, dat das ganze Haarkleid nicht vom Nücden nach dem Bauch, fondern umgefehrt gejcheitelt und gerichtet ift. Die Haare der Bradypodidae verhalten fich durchaus abweichend von denen der übrigen Säugetiere, vermöge „einer einzig bei Faultieren vorkommenden Beleg- ichicht”, die dem Haar „jein heuartiges Hußere verleiht”, und deren „Bellen find fo Iofe gefügt, das Ulgen ihren Wodnjik darin aufgejchlagen haben und der Nückenjeite der Tiere und der Außenfeite ihrer Extremitäten einen a grünlichen Schein verleihen können... Dieje AUlgenvegetation verliert fich pus tridaety- bald in der Gefangenjchaft, im Gegenjaß zum feuchtwarmen Stlima der werner, u Urmwälder der Heimat.” (Weber) Man mag über Nachahmungen in der Sinner, sen Natur, die vielberufene Mimifry und ähnliches denfen, wie man will: daß dieje Beichaffenheit der Haare und der grünliche Ulgenanflug noch weiter Dazu beitragen, das Faultier in feiner Umgebung unfenntlich zu machen, fann nicht wohl bezweifelt werden. Auch ungewöhnliche tierijche Gäfte finden fich beim Faultier ein, tie wir brieflichen Mitteilungen von Seit entnehmen. Diejer jpricht vom Yujammenleben mit einer gewijjen Ameife und von einer Motte, die im Faultierpelze hauft. Ber Leb- zeiten fchon: wie das das Faultierleben fennzeichnet! Die Faultiere haben einen runden, Furzen, affenähnlichen Stopf mit Kleinem Dlunde, der von mehr oder minder harten, wenig beweglichen Lippen umjchlojjen ift, und mit Heinen Augen und Ohrmufcheln, die vollftändig im Belze verborgen find; der Schwanz ijt ein kaum Jichtbarer Stummel. Am Schädel ift der Sochbogen zwar nicht volfftändig gejchlofjen, aber „ausgezeichnet Durch einen abjteigenden Fortjaß, der außer von Elotherium, einem tertiären Suiden, und vom pleiftozänen Diprotodon (Beuteltier) nur noch von Gravigrada und Glyptodontidae, zwei ausgejtorbenen Familien der Xenarthra, befannt ijt und jomit treffend auf Blutsverwandtfchaft weilt“. (Weber.) Das Gebif befteht aus fünf zylindrijchen Badzähnen in jeder Neihe, von denen der erjte bisweilen edzahnartig geformt ijt; im Unterkiefer figen meift vier Zähne oder eigentlich bloß Nefte von Zähnen. Das ganze Gebif jieht überhaupt auffallend fchlecht, braun und angeftodt aus. 2. Simon hat im Allgemeines. Zmweizehenfaultiere. 947 Unterkiefer des Embryos Schneidezähne nachgemwiejen und zieht daraus die berechtigte Schlukfolgerung, dat die Urahnen der Bradypodiden Schneidezähne bejejjen haben. Ferner ift ex zu der Anficht gefommen, daß der bisher als Badzahn angejprochene exjte Zahn im Dberfiefer nicht als jolcher aufgejaft werden fann, er betrachtet ihn vielmehr al® canınus (Ezahn). Im Einklang damit fand er auch überall den Zahn beim Männchen als jefun- dären Gejchlechtscharafter wohl ausgebildet, beim Weibchen hingegen verfünmert. Der Magen ift länglich-halbmondförmig und in eine rechte und Iinfe Hälfte geteilt, zwijchen denen die Speijeröhre jich einjenft; die rechte und Fleinere Hälfte tft varmähnlich dreimal gemwunden, die linfe durch die, musfelartige Falten in drei abgejonderte Kammern geichteden. Herz, Leber und Milz find auffallend Kein. Auch die Luftröhre tft ungemöhn- lich gebaut; denn fie erreicht zumeilen eine auffallende Länge und mwindet jich in der Bruft- höhle. Neuerdings haben wir eine gewoijje Einjicht in die Bedeutung diejes merkwürdigen, an Vögel erinnernden Bejundes erhalten. 2. Simon hat Durch Unterfuchungen an Embryonen, die Goeldi-Para dem Berner Mufeum übermwiejen hatte, fejtgejtellt, dab die Trachea des jüngeren Embryos jich anders verhält, die Windungen aljo „pojt- embrhonale Bildungen” find. „sch nehme an, daß die Windungen dadurch entitanden jind, daß die Trachea den Drehungen des Haljes, die vermöge der Artifulation der m Halswirbel totale jind, folgen muß; jie Schädel des Zweizehenfaultier2. ee Fortjat. begirmt änten. ur chen ern 7 und muß fich infolgedejjen aufrolfen. Das Wachstum erfolgt auf Rechnung der Snorpeltinge, da diefe jich nicht vermehren. Kurz gejagt: Die Windungen der Trachea find das Produkt funftioneller Anpafjung.” Das Ge- hien ift Hein und zeigt nur wenige Windungen, deutet aljo auf geringe geiftige Fähigkeiten. Ag die am höchiten ftehenden Arten jehe ich die Zweizehenfaultiere (Choloepus I.) an. Sie fennzeichnen fich durch ziemlich großen Kopf mit flacher Stirn und ftumpfer Schnauze, durch verhältnismäßig Furzen Hals, jchlanfen Leib, ohne äuperlich jichtbaren Schwanz, lange, fchmächtige Gliedmaßen, die vorn mit zivei, hinten mit drei jeitlich azufammengedrückten Sichelfrallen bewehrt find, jchlichtes, weiches Haar ohne Wollhaar, das Gebik und die geringe Anzahl der Halswirbel. In jedem Dberkiefer jtehen fünf, in jedem Unterftefer vier Zähne, deren hintere, von vorn an gerechnet, an Größe abnehmen, eiförmigen Querjchnitt und abgedachte Kronen haben, während die borderiten lang, jtark, dreifantig und gleichfam zu Eefzähnen umgewandelt find, jedoch aus dem Grunde nicht als folche angejprochen worden find, weil fie oben nicht im Sroifchenfiefer jtehen und die oberen vor, nicht Hinter den unteren eingreifen. Die Wirbeljäule hat bei der einen Art (Choloepus hoffmanni) 6, bet der andern Art, Choloepus didaetylus, 7 Halswirbel, während 23—24 Nüden-, 2—4 Lenden- und 5-6 Schwanztirbel vorhanden jind. Der Unau oder da8 Zmweizehenfaultier, Choloepus didactylus Zinn. (Taf. „Xe- narthra III“, 4 und 5, bei ©. 543), aus Novdbrafilten, Guayana und Surinam, erreicht eine Länge von ettva 70cm. Das lange Haar, das am Kopfe nach hinten, im übrigen aber von der 35* 948 7. Ordnung: KXenarthra. %amilie: Faultiere, Bruft und dem Bauche nach dem Nücden gejtrichen ift und hier einen Wirbel bildet, ijt im Geficht, am Kopfe und im Naden weißlich olivengrüngrau, am Leibe olivengrau, auf dem Rüden, wo e3 fi) gegeneinander fträubt, dunkler als auf der Unterjeite, an der Bruft, den Armen und auf den Schultern forwie an den Unterjchenfeln olivenbraun. Die nadte Schnauze jieht bräunlich fleifchfarben aus, die vollfommen nadten Hand- und Fußjohlen Haben fleijch- rote, die Krallen bläulichgraue Färbung. Die Jris der mäßig großen Augen ift braun. Sonft fei noch erwähnt der von Peter aus dem nördlichiten Bolivien bejchriebene, bei Trouefjart mit der Heimatsbezeichnung Cojtarica, Panama, Ecuador verjehene C. hoff- manni Pirs., der durch die bereit3 erwähnte Sechszahl jeiner Halswirbel ausgezeichnet tjt und deshalb als jelbjtändige Art gilt. In der zweiten Gattung bereinigt man die Dreizehenfaultiere (Bradypus LZinn.). Sie haben einen fleinen Kopf mit jchief abgejtußter, Hartlippiger Schnauze und Heiner Mumdöfinung, einen jehr langen Hals, Deutlich hervortretenden, jeitlih abgeplatteten Schwanz und ziemlich furze, Fräftige Gliedmaßen, die vorm und hinten drei feitlich jehr stark zufammengedrüdte Sichelfrallen tragen. Das Haar ist auf dem SKtopfe gejcheitelt und nach unten, jonft aber ebenfalls von unten nach oben gerichtet; die Sohlen find fait ganz behaart. Jin Gebiß finden jich jederjeit3 oben wie unten fünf Zähne, deren erjter verfleinert it und, twie die übrigen, eine hochumrandete ausgehöhlte Kaufläche zeigt. Die Wirbeljäule beiteht aus 9 Hals-, 17—19 Nüden-, 56 Kreuz- und 9-11 Schwanzwirbeln. Der Wi oder das Dreizehenfaultier, Bradypus tridactylus Zinn., verbreitet jich mit einer ganzen Reihe von Unterarten, darunter dem B. t. boliviensis Gray unjerer Tafel, über den größten Teil des bewaldeten Mittel- und Südamerifas. Er erreicht eine Ge- jamtlänge von 52 em, wovon 4 cm auf den Schwanz fommen. Der Beb, aus feinen, furzen, dichten Wollhaaren und langen, trocnen, harten, ettvas glatten, heuähnlichen Gran- nenhaaren, it blafrötlich ajchgrau, am Bauche filbergrau gefärbt. Auf jeder Seite des Rücdens zieht fich von den Schultern bis in die Schwanzgegend ein mehr oder weniger deutliches und breites Längsfeld von bräunlicher Farbe herab. Biel auffallender und merk windiger ift aber eine Zeichnung auf der Nüdenmitte, zumal dieje augenjcheinlich auch) einen Gejchlechtsunterjchied bedeutet. Während nämlich die Weibchen nur einen braum- ichwarzen, heil eingefaßten Rückgratftrich haben, tragen die Männchen ziwiichen den Schul- tern eine Art „Wappenjchild”, d. h. dort ift eine bon dem jpröden, glanzlofen Oberhaar entblößte Stelle mit furzem, weichem, gelbem oder weißlichen, jeidenglänzendem Haar und eigentümlichen, dunklen, bei den verjchtedenen Unterarten verjchiedenen Zeichnungen darauf. Die graugelben, anders al3 das übrige Fell gefärbten Flede, die man jonjt auf dem Nücden der Faultiere bemerkt, jind Stellen, an denen die Haare abgenußt find, müg- (icherweife durch Reibung auf Baumäften oder aber durch die Jungen, welche die Mütter auf dem Nücden tragen; denn die faugenden Faultiere reifen, wenn jte jich anhängen, mit ihren Slauen der Mutter nicht nur das Haar aus, jondern verderben auch noch ein Stüd des Velzes durch den Harn, den fie der Alten ohne weiteres auf den Rüden laufen lajjen. Über die Augen weg verläuft eine breite weißliche Binde zu den Schläfen. Die Augen find ihmarzbraun umtingelt, und ein ebenfo gefärbter Streifen zieht fich von den Schläfen herab. Die Stlauen haben gelbliche oder bräunlichgelbe Färbung. UBS weitere felbitändige Arten gelten folgende: zunäct das Kapuzenfaultier, Bradypus eueulliger Wagl., aus Guayana und Bolivien; fein Kopf ift von einer dichten cehenfaultier. oO Der em) N er) a 14 g= =] ca Dreizehenfaultiere. 949 Perüde langer Haare umgeben, die jich über den Nacden bis zu den Schultern hinzieht und dann jeitlich bi3 an die Bruftipige verläuft. Das Sragenfaultier, B. torquatus IZ., aus Brajilien und Peru, trägt eine fohlichwarze Binde, die Naden, Hals und zum Teil auch die Schultern Üüberdedt Martin). Das Nufbraune Faultier, B. infuscatus Wagl., ift nach Schreber-Wagner der Bertreter des Ktapuzenfaultieres int nordweftlichen Teile Sid- amerifas und in Mittelamerika. Das Braunfopffaultier, B. castaneiceps Gray, be- Ai, Bradypus tridactylus Zinn. 1a natürliher Größe. ichrieb Gray 1871 nach einem Eremplar aus Nicaragua in einer längeren Arbeit über die zaultiere des Britifchen Mufeums. Scheitel und Hinterkopf jind dunfelbraun, Stivn und Schläfen hellbraun, während durch das Auge ein dunkler Strich geht, Wangen find wieder hell, Kinn und Kehle dunfel. Bei allen Dreizehenfaultieren, außer bein Stragenfaultier, zeigt jich der auffallende Ge- jchlechtsunterjchied in der Nüdenzeichnung; das hat allerlei Jrrtümer in der Artbejchreibung verurjacht, bis der ausgezeichnete englijche Shitematifer Gray, wie jo vieles andere, auch diejes Klarftellte (Proc. Zool. Soe.“, 1871). 550 7. Didnung: Xenarthra. Familie: Faultiere. Unter den Wunderdingen der Neuen Welt war das Faultier natürlich eins der mwunder- lichiten. Die erjte, wenn auch jabelhafte, Doch im ganzen ziemlich zutreffende Bejchreibung findet fich, nad) Lichterfeld, in dem 24. Stapitel der „Historia general y natural de las Indias“ (1535, neu herausgegeben Madrid 1851) von Gonzalo Fernandez de Dpiedo Hy Waldes. Der Perico-ligero, d. h. das „behende Beterchen“, wie die Spanier das Faul- tier fpottweije nannten, ift hiernach eins der jeltfamjten Tiere wegen feines Mifverhältnifjes mit allen anderen. Nach der Erfahrung DOptedos, der e3 zu Haufe gehabt hat, muß e3 „von der Luft leben, und diejfer Meinung find noch viele andere auf diefem Fejtlande; denn niemand hat e3 irgend etwas frejjen jehen. ES wendet auch meijtens den Kopf und das Maul nach der Gegend, woher der Wind weht, woraus folgt, daß ihm die Luft fehr an- genehm jein muß”. Bis zur Stunde erklärt Oviedo, fein jo Dummes und unnübes Tier gejehen zu haben, wie das „behende Beterchen”. Etwas jünger jind Bejchreibung und Ab- bidung 3. U. Thevets in feinen „Singularitez de la France antarctique, autrement nommee Amerique‘“ (1555), wie er die Ergebnijje jeiner Amerifafahrt für den Sranzojen bon Damals Höchit bezeichnend nannte. Urjache und Grund jolcher wunderbaren und für den Menjchen unbegreiflichen Erjceheinungen erforjchen zustoollen, hält Thevet für „im- pertinent”; denn fie jeien ein Naturgeheimmis, -deiien Erkenntnis dem Schöpfer allein vorbehalten jei. Bojjierlich nimmt fich die Abbildung aus, womit er jeine Bejchreibung illustriert hat: eine langfrallige Bärenfigqur mit einem äußerjt gutmütigen und vergnügten Menjchengeficht. Dasjelbe Bild und eine faft wörtliche Überjegung der Thevetjchen Befchrei- bung tft in Slonrad Gesners zweite Auflage der QDuadrupeden (1663) übergegangen. Und auch Schrebers Tafeln in „Der Säugtiere Ziwote Abtheilung” 1775 jind nicht biel bejjer, haben alle etivas lächerlich Bermenjchlichtes bis auf die leßte, die einen Unau mit recht cha- tafteriftiichen Kopfe zeigt. Schreber jagt dazu: „Das Merfwürdigfte an diefem Tiere ift die Langjanıfeit, mit der es fich bewegt. &3 braucht nicht nur eine Zeit von acht bis neun Minuten, um einen Fuß nach dem andern fortzufegen; jondern auch ebenjoviel, un da- zipiichen auszuruhen. In einem Tage rückt es nicht weiter als etiva eine franzöfiiche Viertel- meile jort. Die Bäume, auf denen es jeine Nahrung jucht, befteigt es nicht viel gejchwinder und verläßt feinen eher, bis es ihn ganz abgefrejjen Hat; worauf e3 jich zujammenztehet, herunterfällt und die lange Neife nach einem andern Baume antritt. &3 pflegt feijt zu jeyn, wenn e3 den einen Baum verläßt, und wird mager, ehe e3 den andern erreicht.” Selbit Buffon war noch nicht weiter in Verständnis und Auffaffung jo eigenartiger ZTierformen, wie e3 die Yaultiere find. Das beweiit feine Schilderung im 32. Bande jeines Niejeniwerfes, die zugleich für den eleganten und temperamentvollen jranzöfiichen Stilijten aubßerft charafteriftiich ift: „So lebhaft, tätig und eraltiert die Natur bei den Affen erjcheint, jo lanajaın, beengt und zugejchnitt zeigt fie jich bei den Faultieren; und es tft weniger Yaul- heit als Elend, e3 ift Gebrechen, Mangel, fehlerhafter Bau; die Augen blöde und gedect, die Kinnbaden unbeholfen und jchwerfällig, das Haar platt, getrocfnetem Grafe ähnlich, die Schenkel jchlecht eingefügt und fat außerhalb der Hüften, die Beine zu Furz, fchlecht gewadet und noc) jchlechter endigend; fein Fußteller, feine Daumen, feine für jich allein beweglichen Singer, jondern zwei oder Drei außerordentlich lange Nägel, nach unten gebogen, die fich nur zujammen bewegen können und beim Gehen mehr hindern, al3 beim Stllettern fördern.” Erjt ver große Cuvier erblickte „in den Faultieren die Überbleibfel einer andern Ordnung der Dinge, die lebenden Nefte des vorhergegangenen Naturzuftandes, dejjen Nuinen wir in Dem Innern der Erde fuchen müfjen, Gejchöpfe, die durch irgendein Wunder den Kataftrophen Saultiere: Hiltorifches. Verbreitung. Bewegung. 551 entgingen, die ihre Zeitgenojjen zerjtörten”. So fam die Wifjenjchaft erjt allmählich) Durch mancherlet Jrrtümer und jchiefe Auffafiungen zu einem natürlicheren Verjtändnis und gerechterer Würdigung jo abjonderlicher Säugetierformen, mie die Zaultiere e3 jind. Das Berbreitungsgebiet der Faultiere bejchränkt jich auf Südamerifa. Hier beimohnen jie jene großen Wälder in den feuchten Niederungen, in denen die Pflanzenwelt zur höchiten Entwidelung gelangt. Auch jte jind echte Baumtiere wie der Affe oder das Eich- horn; aber während dieje glücdlichen Gejchöpfe die Baumfronen beherrjchen, müjjen Die Faultiere jich abmühen, um friechend von einem Zweige zum andern zu gelangen. Cine Strede, die für das leichte und übermütige Volk der Höhe eine Lujtwandlung tft, erjcheint dem Yaultiere als eine weite Neije. Höchitens zu einer Zamilie von wenigen Mitgliedern bereinigt, führen die trägen Gejchöpfe ein langmeiliges Stilleben und wandern langjamı von Zweig zu Zweig. Huferft gejchiet find fie dagegen im Stlettern. Ihre langen Arme erlauben ihnen, weit zu greifen, und mit den gewaltigen Krallen halten jie ich mühelos an den Iften jejt. Sie flettern allerdings ganz anders als alle übrigen Baumtiere: was bei diejen als Aus- nahme erjcheint, ift bei ihnen die Regel. Den Leib nach) unten hängend, reichen jte mit ihren langen Armen nach den Üften empor, hafen jich hier mit Hilfe ihrer Krallen fejt und jchieben jich gemächlich weiter von Zweig zu Zweig, von At zu At. Die Sicherheit, mit der alle Kletterbewegungen ausgeführt werden, ijt ftaunenswert. Das Faultier ift imftande, mit einem Fuße an einem höheren Aite jich Feitzuhafen und dann ganz jicher daran frei zu Hängen, indem e3 nicht nur die volle Zaft des LXeibes an einem Gliede tragen, jondern auch bis zum Anhalts- punfte emporziehen fan. Gleichwohl jtrebt es immer danach, für alle feine Glieder zuwer- fäjfige Stüßpunfte zu finden, und jcheut fich fait, mit einem Fuße loszulajjen, bevor e3 für die anderen wieder einen Bunft zum Anhalten gefunden hat. „Die Beweglichkeit der Er- tremitäten jelbft”, jagt PH. 2. Martin, der das Frei- und Gefangenleben der Faultiere (allem Anjcheine nach jedoch nur das der dreizehigen) in ihrer Heimat aus eigner Erfahrung ge- ichildert hat, „ist aber ftaunenswert und ohne Beifpiel in der Tierwelt. Arme und Beine fünnen fie in ganz unglaublicher Weife verdrehen. Beijpielsweije it das linfe Bein oft jo geitelft wie das rechte und umgefehrt, oder die vorderen Beine überfreuzen die hinteren, wenn e3 der Wuchs der Üfte erfordert. In ähnlicher Weije fünnen die Faultiere mit dem Kopf ohne alle Anftrengung eine ganze Wendung machen und ihn der Wirbeljäule entgegenitellen, wozu die neun bis zehn Halstwirbel das Tier ganz befonders befähigen. So find dieje Gejchöpfe bei ihrer Langjamfeit mit einer Claftizität des Körpers begabt, welche fie al3 die ausgebildetiten Afrobaten ericheinen läßt. — In hängender Stellung jchlafen je ziwar häufig, aber dann immer nur für Furze Beit. Zu längerem Schlafe jegen jte jich Dagegen, tie ich an mehreren Individuen, Sowohl in der Freiheit lebenden als im halbfreien Zuftande befindlichen, beob- achtet habe, auf den Aft eines großen Baumes an einer Gabelung. Dabei halten jie jich nur mit den Hinterbeinen fejt und lehnen jich mit dem gefrümmten Rüden an einen jent- rechtitehenden Alt an. Der Kopf wird dann nicht ganz gegen den Bauch gefehrt, die Arme find über den Körper geichlagen. Einige bon mir beobachtete Tiere verharrten in diejer Stellung länger als acht Tage und Nächte, wobei jie dem Anjchein nach fejt jchliefen. Eins von ihnen fand ich, nachdem in der Nacht ein Orkan gemütet hatte, am andern Morgen tot am Boden liegen. Durch den Fall hatte e3 jich innerlich verblutet.”” Im allgemeinen erfcheinen die Faultiere träger, als jie tatjächlich find. AS Nachttiere bringen fte freilich ganze Tage hin, ohne jich zu bewegen; jchon in der Dämmerung aber werden fie munter, und nachts durchtvandern fie, langjam zwar, jedoch nicht faul, je nach Bedürfnis ein 552 7. Dvdnung: Xenarthra. Familie: Jaultiere. größeres oder Fleineres Gebiet. Site nähren fich ausjchließfih don Knofpen, jungen Trieben und Früchten und finden in dem reichlichen Tau, den jie von den Blättern ableden, hinlänglichen Erjab für das in den Baumfronen ihnen fehlende Wafjer. Eine nicht in Ibrede zu jtellende Trägheit befundet fich auch beim Erwerb und bei der Aufnahme ihrer Tahrung: fie jind genügfam, anjpruchslos und befähigt, tagelang, wie einige behaupten, jogar wochenlang zu hungern und zu Durjten, ohne irgendwelchen Schaden davon zu haben. Einen Baum verlafjen jte nicht, jolange er ihnen Nahrung gewährt; erjt wenn die Weide fnapp wird, Ddenfen jie daran, eine Wanderung anzutreten, fteigen langjam zmijchen die tiefen Zweige hernieder, juchen jich eine Stelle aus, wo das Geäjte Der benachbarten Bäume mit dem ihres Weidebaumes fich verbindet, und Hafen jich auf der Iuftigen Brücde hinüber. Beim Frejjen benuben fie gewöhnlich ihre langen VBorderarme, um entferntere Biveige an fich zu ziehen und Blätter und Früchte davon mit den Strallen abzureigen; dann führen fie die Nahrung mit den Vorderpfoten zum Maule. Außerdem erleichtert ihnen ihr langer Hals das Abweiden der Blätter, durch die fie fich hindurchwinden müfjen, jobald jte fich bewegen. Auf dem Boden find die armjeligen Baumjklaven fremd. Ihr Gang ift ein jo miüth- jeliges Fortjchleppen des Leibez, daß er immer das Mitleid des Bejchauers wachruft. Das zeigte fich fo recht bei einem Unau und einem Ai des Berliner Aquariums, die bei ihrer Ankunft im Bureau der Anftalt gewogen wurden. Der Ai wog etwas über 6, der Unau über 10 Pfund. Während des Wiegen jeßte man den Unau auf den Parfettboden des Bureaus. E3 war ein Hläglich-fomischer Anblid. Das Tier lag platt auf dem Bauche und jtredte alle viere von fich, wie eine tote Padde (Frojch, Kröte). Mit jammervoll jtupidem Ausdrude fah es fich nach irgendeinem Gegenftand mm, der ihm Gelegenheit böte, daran emporzuflettern. Die Wage fiel ihm zunächt in das Auge. Faul rutjchten Die Arme da- und dorthin, um nach einem Anbhalte für die Strallen zu fuchen. Endlich war er gefunden: eine feine Nibe in der Bedielung genügte dazu, den Krallen Halt zu gewähren. Sie jeßten jich ein, der lang ausgeftredte Arm zog an, und der Körper rutjchte auf dem Bauche nad). Koch einmal wiederholte fich das Manöver, und die Strallen vermochten Die Wage zu fajjen, an welcher der Unau emporkletterte und fich an dem Hebel feitfrallte. Wäre er nicht in jeinen Käfig zurücgetragen worden, er jelbft hätte fich nicht von der ©telle gerührt. Man follte nicht meinen, daß diejes Gejchöpf, das jo traurig dDahinhafpelt, fähig wäre, fic) aus dem Wajffer zu retten, wenn e3 durch irgendein Mißgejchie Hineingerät. ber das FJaultter Schrwimmt Teidlich qut, indem e3 fich rafcher als beim Stlettern jelbjt bewegt, den Kopf hoch über dem Wafjerspiegel entporhält, die Wellen ziemlich leicht Durchjchneidet und wirklich das feite Land wieder gewinnt; Bates und Wallace fahen ein Faultier über einen Fluß Shwimmen, und zwar an einer etiva 300 m breiten Stelle. Snethlage-Pard macht der- artiges am Dreizehenfaultier noch ganz befonders glaubhaft: „Wer die Ortlichkeiten fennt, die gerade Diejes Faultier bevorzugt, wird dies feineswegs auffallend finden. ©ie find nämlic) in der Regenzeit oft auf jo weite Streden überjchwenmt, Daß das Tier, um bon einem Nahrungsbaum zum andern zu gelangen, oft geradezu aufs Schwimmen angemwiejen jein dürfte.” Aus alledem geht hervor, da der Name Faultier, fo richtig er im Grunde auch ift, ji) Doch eigentlich bo auf Die Gehbemwegungen unferes Tieres bezieht; denn auf den Bäu- men erjcheint feine Trägheit, wie bemerkt, feineswegs jo groß, al3 man früher annehmen zu müjjen glaubte, ivregeleitet durch die übertriebenen Schilderungen der erjten Beobachter. Kapplers Schilderungen vevvollftändigen das Gefagte. Bon dem in Surinam beobachteten Vaultiere: Bewegung. Nahrung. Stimme. 999 Dreizehenfaultiere teilt er folgendes mit: „&3 Yebt ausjchlieglich von den Blättern derjchie- vener Bäume, wie Spondias, Cecropia und anderer. Seine Exrfremente find wie Die der Siege. Troß feines Stumpffinnes wird es doch zahm und Lernt feinen Heren fennen. Übrigens hat man jeine Trägheit bedeutend übertrieben. Beim Gehen auf dem Boden fucht es immer mit den VBorderfügen etwas zu ergreifen, voran e3 fich weiterziehen fann; dies gelingt ihm um jo bejjer, je rauher und unebener der Boden ift. Da fann e85—7 m in der Minute zurüd- legen. Einen Baum von etwa 16 m Höhe erklettert es in S—-10 Minuten.” Vom Zivei- zehenfaultiere jagt Stappler: „Es ijt ein wildes, fchwer zu bändigendes Gejchöpf, das mit ven ftahlharten Badenzähnen zu beißen verfucht und feine Stlauen nicht Iosläßt, wenn es jemand gepadt hat. Es lebt ganz wie das vorige, ijt aber rajcher in feinen Bewegungen, auch viel ftärfer. Sein Fleijch wird von den Eingeborenen gegejjen und jchmecdt, obgleich es nicht fett ift, wie Hammeelfleiich. Sein Hauptfeind 1jt der Haubenadler, der auch dem Brüllaffen nachftellt." Auperordentlich jchwer Hält es, ein Faultier, das fich jejt an einen ft geflammert hat, bon Diejem zu löjen. Ein Indianer, der SchomburgE begleitete, bemerkte ein Dreizehiges Saultier auf den hervorragenden Wurzeläften einer Rhizophora, das dort ausruhte und, als man es ergreifen wollte, nur wehmütig bittende Bficte zur Abiwehr zu haben jchien. Aber man bemerfte bald, daß die Ergreifung leichter war als die wirkliche Gefangennahme. Cs ichien unmöglich, das Tier vom Geäjte zu trennen, an den es fich mit einer Stralle feitgeflam- mert hatte. Exit nachdem man die beiden Borderfühe, jeine einzige, aber wegen der jcharf hervorjtehenden Klauen nicht ungefährliche Verteidigungsiwaffe, gebunden hatte, gelang e3 drei Indianern, unter Aufbietung aller Kräfte, e3 von dem Baume loszureigen. Bein Schlafen und Ruben ftellt das Faultier die vier Beine dicht aneinander, beugt den Leib fajt fugelförmig zufammen und fenft den Kopf gegen die Bruft, ohne ihn jedoch darauf ruhen zu lafjen oder ihn darauf zu ftüßen. Sn diefer Lage hängt es amı Tage genau auf derjelben Stelle, ohne zu ermüden. Nur ausnahmsmeife jucht es, mit den Vorderarmen einen höheren Biveig zu falfen, hebt den Körper dadurch vorn empor und jtüßt vielleicht feinen Rüden auf einen anderen Aft. So unempfindlich das Tier gegen Hunger und Durft zu fein jcheint, jo empfindlich zeigt e3 fich gegen die Näfje und die damit verbundene Stühle. Bei dem ihmwächften Regen fucht es fich fo eilig twie möglich unter die dichtejte Bedachung der Blätter zu flüchten und macht dann fogar verzweifelte Anftrengungen, feinen Namen zu tiderlegen. Sin der Regenzeit hängt e3 oft tagelang traurig und Fläglich an ein und Derjelben Stelle, ficherlich im höchften Grade durch das herabitrömende Wajfjer beläftigt. Nur Höchft felten, gewöhnlich blof des Abends oder bei anbrechendem Morgen oder auch, wenn fich das Faultier beunruhigt fühlt, vernimmt man feine Stimme. ©ie ift nicht laut und befteht aus einem Käglfichen, lang ausgehaltenen, feinen, hohen und jchneidenden Tone, der von einigen mit einer oftmaligen Wiederholung des Lautes „i” wiedergegeben wird. Die neueren Beobachter Haben niemals von einem Faultiere Töne vernommen, Die Doppellauten gleichen, oder gar, wie frühere Beobachter ebenfalls behaupten, in einer auf- und abjteigenden Tonleiter fich bewegen. Bei Tage hört man von dem Yaultiere höch- jtens tiefe Geufzer; auf dem Boden fchreit e3 nicht, jelbft wenn e3 gereizt wird. Biel- leicht ift e3 auch nötig, hier Wi und Unau auseinander zu halten und nur dem Ai eine wirkliche Stimme zuzufchreiben. Aus dem bereits Mitgeteilten geht hervor, daß die Sinne der Faultiere nur jehr gering entmwicelt fein fönnen. Sie jcheinen vielmehr gleichmäßig ftumpf zu fein. Das Auge ift blöde 554 7. Drdnung: Xenarthra. Familie: Faultiere, und ausdrudsios wie fein ziveites Säugetierauge; daß das Gehör nicht ausgezeichnet ift, ergibt fich fehon aus der geringen Größe und verjtedten Lage der Ohrmufcheln; von der Stumpfheit des Gefühls hat man fich mehr al einmal überzeugen fönnen; über den Geruch haben wir fein Urteil, und nur der Gejchmad dürfte als einigermaßen entiwidelt gelten. Sehr gering find auch die geiftigen Fähigkeiten der Faultiere. So tief, tie die meiften Beobachter glauben machen wollen, ftehen die Tiere aber nicht. Man pflegt zu vergeijen, dal man in ihnen Nachttiere vor jich hat, über deren Fähigkeiten Beobachtung in den Tagesitunden fein Urteil gewähren fan. Das jchlafende Faultier ift es, dem fein Name gebührt; das fach und rege geiwordene bewegt jich wohl in einem engen Streife, beherrjcht diejen aber ge- nügend. Sein wenig entwideltes Gehirn bietet einem umfajjenden Verjtand oder weitgehenden Gedanken und Gefühlen feine Unterlagen; daß ihm aber Verjtändnis für feine Umgebung und Die herrichenden Berhältnijje abgehe, dal; es weder Liebe noch Haß befunde, weder Freundschaft gegen jeinesgleichen noc) Feindjchaft gegen andere Tiere zeige, dat es unfähig wäre, in veränderte Umftände ich zu fügen, wie man behauptet hat, ift faljch. Cine ganz Hervorragende Energie und Leivenjchaftlichkeit zeigte jogar ein Unau des Berliner Aquariums, als er einen Ai zum Mitbewohner befommen follte. Er hieb mit den jcharfen Strallen jo lange auf jeinen Familienverwandten ein, bis diejer entfernt wurde. Mit dem Stumpfjinn und der „Lürperlichen Snferiorität” der Faultiere jteht in einem geiijjen inneren Einklang eine ganz erjtaunliche, „förmlich reptilienartige” Xebenszähigfeit, die wirklich an die faltblütigen Wirbeltiere erinnert. Darauf macht Lichterfeld jehr richtig aufmerffam: Bilo erzählt in feiner „Naturgejchichte von Brafilien”, „daß er ein Yaultier jezierte, dejfen Herz nach der Trennung vom Körper noch eine halbe Stunde lebhaft ge- ichlagen Habe. Das Tier jelbit beiveate jich, nachdem ihm auch die übrigen Eingeiwveide ausgejchnitten waren, noch lange nachher, und z0g langjam die Füße zufammen, wie es beim Schlafen zu tun pflegt.” Much in Humboldts „Zoologifschen Manuffripten” finden jich inter- ejjante Mitteilungen über die Bitalität der Faultiere. „Das Weibchen, welches behufs unjerer anatomischen Unterjuchungen getötet werden follte, ftarb exit, nachdem es 20 Minuten lang unter Wafjer gehalten wurde. ES fchien früher tot, fam aber wieder zu fich, wenn man e3 herauszog. ch habe es 1 Stunde 15 Minuten nach jeinem Tode mit Erfolg galvani- jiert. Unter allen warmblütigen Tieren ift das Faultier das einzige, bei welchem die Neiz- barfeit jo lange anhält.” Die Tiere ertragen auch jchivere Verwundungen mit der Öleich- gültigfeit eines Leichnams. Dft verändern fie nach einem tüchtigen Schrotfchufje, den man ihnen in den Leib jagt, nicht einmal die Stellung. Nach Schomburgk widerftehen jie auch dem jurchtbaren Urarigifte der Indianer am längften. „Mag diefes nun in ihren eigen- tümlfichen Gefäßjyfiten und dem dadurch jo gehemmten und langjamen Blutumlaufe feinen Grund haben, kurz: die Wirkungen treten bei ihnen am fpäteften ein und find dabei auch am Finzeften in ihrer Dauer. Ebenjo werden nur jehr schwache Zucdungen bemerkbar, wie jie doch bei den übrigen Tieren mit Beginn der Wirfung des Giftes immer fichtbar find. 3 äbte ein Faultier an der Oberlippe und rieb ein wenig des Giftes in die Wunde. Als ich e3 Darauf in die Nähe eines Baumes brachte, begann e8, diejen zu erflettern. Nachdem e3 aber 3-4 m an dem Stamme emporgeflettert war, blieb es plöglich am Baume haften, wandte den Kopf nach Diefer und jener Seite und fuchte den Gang fortzufegen, ohne dies zu vermögen. Erit ließ e3 einen der Vorderfüße los, dann den andern, bfieb aber noch mit den Hinterfühen am Baumftamme haften, bis auch diefe Fraftlos wurden und e3 zur Erde fiel, wo e3 ohne alle Erampfhaften Zudungen und ohne jenes im allgemeinen immer Faultiere: Einne. Lebenszähigfeit. Hungerfähigfeit. Fortpflanzung. 99 eintretende jchiwere Atenholen liegen blieb, bis in der dreizehnten Minute fein Leben ent- flohen war.” Wenn man bedenkt, daß die vergiitete fchwache Dornipige dem Jaguar, dem jte der Indianer auf ven Pelz blies, faum die Haut rikt und ihn doch in wenigen Minuten zu einem Opfer des Todes macht, befommt man exit einen Maßjtab zur Be- urteilung der Lebenszähigfeit der Faultiere. Auch die Zähigfeit im Yungerleiven erinnert an die Kaltblüter. Caffer 3. B. teilte der Berfammlung der Naturforjcher in Turin mit, er habe ein Dreizehiges Faultier in der Gefangenjchaft gehabt, das einen ganzen Monat lang nicht das Geringfte zu jich nahm. „Bir Haben eines 52 Stunden faften lajjen”, erzählt Humboldt an dem angeführten Orte, „und Dabei nährte es immer fein Junges und juchte fich durchaus nicht3 zu frejjen zu ver- ichaffen, obgleich e3 im Freien war. Wenn e3 aber auf einem dichtbelaubten Baume mar, jo fraß eS unglaublich viel; eS 30g aber vor, zu falten, jtatt auf Nahrung auszugehen.” Acht bis vierzehn Tage gehören dazu, ehe das Yaultier vor Hunger jtirbt. &3 fann, wie Hum- boldt verjichert, nicht nur monatelang ohne Getränk leben, jondern jcheint überhaupt nicht zu trinfen. „Der Unau des Berliner Aquariums”, erzählt Lichterfeld daran anjchliefend, „hat feinen Tropfen getrunfen und war doch über Jahr und Tag Bewohner der Anftalt. hm und dem jpäter erworbenen Mi wurden wiederholt Wafjer und Milch offeriert, aber jtet3 verjchmäht. Außer Cier- und Apfeljchnitten, womit die Tiere gewöhnlich gefüttert werden, läßt jich der Unau auch mitunter Semmel, in Milch gedrücdt, gefallen; ijt die Semmel aber zu naß, jo verweigert er die Annahıne. m diefen Zuge Spricht jich nicht allein mangelndes Bedürfnis, fondern entjchiedene Abneigung vor dem Trinken aus, und die Schlußfolgerung, daß das Tier auch) in feinen Freileben nicht trinfe, dürfte hiernach wohl faum zu gewagt erjcheinen.” Bom Dreizehenfaultier hat Snethlage- Para Embryonen und Junge zu jehr ber- jchiedenen Zeiten erhalten, vereinzelt fait Das ganze Jahr hindurch. Die Hauptwurizeit icheint aber in den Frühling und die erften Sommermonate des Yandes zu fallen, etwa April bis Juli. Dazu paßt, dal der M in Para Ende des Sommers und Anfang der Regenzeit (Dezember und Januar) eine Art Brunftzeit hat, in der die Tiere, bejonders die Männchen, ehr aufgeregt find. Sie geben dann abends in furzen Abjägen laute, ziemlich durchdringende Pfiffe von fich, die ganz an die Stimme gemwijjer Steighühner erinnern, aber Fräftiger find. Auch Kämpfe nicht unbedenflicher Art fommen um dieje Zeit nacht3 zwifchen den gefangenen Männchen des Tiergarten zu Para bor. Die Faultiere werfen nur ein einziges Junges. Vollfommen behaart, ja jogar mit bereit3 ziemlich enttwicelten Krallen und Zehen kommt diejes zur Welt und Hammert jich iofort nach feiner Geburt mit diefen Krallen an den langen Haaren der Mutter jet, mit den Armen ihren Hal umfchlingend. Nun jchleppt es die Alte immer in derjelben NWeije überall mit jich herum. Anfangs fcheint e3, als betrachte fie ihr Kind mit großer Zärtlichkeit; Doch die Mutterliebe erfaltet bald, und die ftumpfjinnige Alte gibt ich faum die Mühe, ihr Kind zu füttern und zu reinigen oder ihm andere Ammendienfte zu leijten. Gleichgültig läht jie es jich von der Bruft wegreigen, und nur vorübergehend zeigt jie eine gewijje Unruhe, als ver- mifje jie etwas und wolle fich num bemühen, es wieder aufzujuchen. Aber jie erfennt ihren Sprößling nicht eher, al3 bis er fie oder jie ihn berührt, und wenn er auch durch Schreien feine Nähe verraten follte. Oft fommt es vor, daß jie ein paar Tage lang hungert oder jich mwenigjtens nicht um Nahrung bemüht; dejjenungeachtet jäugt jte ir Junges ununterbrochen, und diefes Hlebt fo zäh an ihr, wie fie an dem Baumafte. So erzählen die Retjenden, vielleicht 556 7. Ordnung: Xenarthra. Yamilie: Yaultiere. Berichte der Indianer twiedergebend; e3 fragt fich jedoch jehr, ob oder inwieweit dieje richtig find. Seitden ich Faultiere jahrelang gepflegt und beobachtet habe, bin ich zu mejent- fich anderen Anfchauungen über fie gelangt und glaube nicht mehr an alle Angaben früherer Beobachter. Eine gewifje Teilnahmlofigfeit der Mutter gegen ihr Junges führt Humboldt auf die ftumpfen Sinne des Faultieres zurüd. „Wir legten einmal ein Junges drei Fuß bon jeiner Mutter weg, fie jah es nicht; wir machten e3 fchreten, jie hörte es nicht: es mußte jie berühren. Um dem Jungen das Saugen zu erleichtern, beugt jie fich nach hinten; aber jie lecit e$ nie wie andere Tiere.“ Man Fann nicht jagen, daß die Hilflojen Gejchöpfe viele Feinde haben. Durch ihr Baumleben entgehen fie den gefährlichiten, die fie bevrohen, ihren Feinden unter den Säuge- tieren. Dazu fommt, daß ihr Pelz im allgemeinen ganz die Färbung des Geäftes zeigt, an dem fie unbemweglich, wie die Frucht an einem Baume, hängen, jo daß jchon das geübte Falfenauge der Indianer dazu gehört, um ein jchlafendes Faultier aufzufinden. Übrigens find die Tiere Doch nicht ganz jo wehrlos, wie e.auf den erjten Blid hin jcheinen mag. Auf dem Baume ift ihnen natürlich fchwer beizufommen, und wenn fie auf dem Boden über- rascht und angegriffen werden, werfen jte jich jchnell genug noch auf den Rüden und fajjen ihren Angreifer mit den Strallen; die Straft ihrer VBordergliedmaßen tjt jedenfalls jehr be- trächtlich. Selbit ein ftarfer Mann hat Mühe, fich aus der Umarmung zu befreien oder das Tier von dem Baumafte loszureißen, an dem es jich angeflammert hat; das gelingt nur, wenn man einen Fuß nach dem andern loshaft und jodann feithält. Bei den Faultieren dürfte wohl zu unterjcheiden fein zwijchen Freiheits- und ©e- iangenfchaftsfoft, ziwijchen denen gerade bei den Faultieren leicht Berwechjelungen entjtehen fönnen, weil diefe, namentlich die zweizehige Gattung, fich qlücicherweije leicht an ein Erjasfutter gewöhnen lajjen, das ihnen urjprünglich ganz fremd ift.- So verjteht ji Seiß’ beitimmte, auf eigner Beobachtung beruhende Erklärung über die Nahrung des Faultiers, „dab es durchaus nicht alle Urten von Laub zu fich nimmt, im Gegenteil jogar jehr wählerijch it. Die größten Delifateifen find die jungen Blatttriebe und die Blütenfäschen des Em- baubabaumes.” Dem genannten Forjcher, jpäteren Leiter des Frankfurter Tiergartens, verdanfen wir neue und fritiiche Schilderungen aus dem Freileben der Faultiere im „300- logischen Garten”, 1889: „Die Schilderungen, die jich mit dem Verhalten der Tiere in der Freiheit bejchäftigen, gehen über viele Einzelheiten, die uns von früher berichtet wurden, ohne eingehende Prüfung hinweg. ©o ift e8 eine weitverbreitete, aber ganz irrige Anjicht, daß das Yaultier an den unzugänglichiten Stellen des Urwaldes in himmelhohen Stronen der Niejenbäume und vom Laubgewirr verborgen fein Dafein frifte. Wer überhaupt den Urwald fennt, wird die Untichtigfeit einer jolchen Vorftellung bald einjehen. &3 wäre dann nicht zu begreifen, wie jo viele Faultiere in Sidamerifa auf den Markt fommen, da — ab- gejehen von jeltenen Yufällen — nicht leicht eines den Menschen in die Hände fiele. Yerner weiß jeder, der in Brafilien gereift it, daß der Embaubabaum, der Lieblingsaufenthalt der Saultiere, die lichteren Walpftellen bevorzugt, und da er im Dichten Urwaldgejtrüpp nur als Ihmächtiger Kümmerling vegetiert. „So trifft man denn auch die Berwohner diejes dDünnftämmigen, mit fingerigen Blät- tern und roten Blütenquaften gezierten Bäumchens meijtens auf Lichtungen und Blößen, überhaupt an Orten mit dünnerer, fleetweifer Betvaldung an, und zivar in den meijten Ge- genden des tropiichen Südamerika recht häufig. Srgendeine Abnahme der Faultiere it — wenn wie von dem fleinen Gebiet, das die langjam fortfchreitende Kultur urbar gemacht, ww Faultiere: Feinde. Neue Beobachtungen. 997 abjehen — noch nirgends feitzujtellen. Zur Jahreszeit, wo die Tiere anti meiften gejucht werden, fan man auf den brajiliihen Märkten jchon Stüde fir 1000 Neis (2 Mark) er- handeln, und diefe Summe will für brafiliiche Berhältniffe nicht viel mehr bedeuten als bei uns 50 Pfennig. Ebenfo unrichtig, wie die ebenerwähnte, ift die Vorftellung, daß das Faultter jich Hoch über der Erde aufhalte. ch bemerfe hier, daß unter den Hunderten von Embauba- ‘ bäumen, welche ich gejehen, nur jehr wenige waren, die mehr al3 drei» bis vierfache Manneshöhe hatten. Höher als etiva 5 m jah ich überhaupt nie ein Faultier fißen, und bei der Trägheit der Schwarzen, die in Südamerika der Jagd obliegen und deren Ergebnifje zu Markte bringen, läßt fich nicht denken, daß jie für den geringen Preis, den jte mit ihrer Beute erzielen, ein halsbrechendes Wagnis unternehmen. Konnte ich doch für das drei- und bierfache Angebot nicht die Eier der gewöhnlichiten Vögel von ihnen erlangen! „Mit der niedern Tierwelt jteht das Faultier mehrfach in Beziehung. Wie ich ander- ort3 erwähnte, jchüßt die lange Behaarung das Tier vor den für den Menjchen recht jchnrerz- haften Biljfen einer jchtwarzen Ametje, welche das Innere der Embaubabäume bewohnt. Ebendiejes dichte Fell beherbergt eine Motte, und dies ijt der einzige mir befannte Fall, daß eine jolche im Pelze eines lebenden Tiers jchmarogt. Ste mit mit aufgejpannten Flügeln 1 em, ift dunfel graugelb, zeichnungslos mit gelbem Kopf und lichter Stirne. Läjtiger mag dem unfreitwilligen Wirt ein anderer Schmaroger werden, eine Zede von ganz ungeheurer Größe. Bollgejogen erreicht fie die Make einer jtarfen Hafelnuß, und der Nüden ihres Hinterteils zeigt auf gelbgrünem Grund eine purpurbraune Streuzzeichnung, die von grauen Nandfleden umgeben ift. E3 ift dies bei weiten die größte Jrodide, die ich in irgendeinem Weltteile gefunden habe. Der Lieblingsplaß diejer Jeden ift in der Gegend der Bruftdrüfjen des Wirttieres. „sch fan nicht annehmen, daß die Faultiere viel von Feinden heimgejucht werden; möglich, daß fie durch einen fehlechten Gejchmad ungenießbar gemacht jind: würden Doc) ionft bei ihrer volfftändigen Wehrlofigfeit Niejenfchlangen, Raubvögel und Jaguare jte in furzem dezimiert haben! Auch jpricht ihre Häufigkeit troß geringer Vermehrung dagegen, daß jie anderen Tieren oft zur Beute werden.” 1909 hat noch Mendgaur vom Parifer Naturgejchichtsmufeum durch jeinen „Beitrag zum Studium der lebenden Zahnarmen, Familie der FYaultiere” „einige neue Tatjachen zur Zebenskunde der Faultiere” befannt gemacht: über die Art zu Hlettern und die lörper- haltung auf dem Baume, über die Berwequngsweie und die Schnelligkeit, über die Nahrung. Er ftübt fich dabei anjcheinend auf Beobachtungen und Berichte der Neijenden Seat) und Frau aus Venezuela und Guayana und bejtätigt im wejentlichen die Seißjchen Ansichten. Nach ihm verbreiten fich die Faultiere durch die unermeßlichen Waldrebiere bon Coftarica und Nicaragua bis zum 25. Grade füdl. Br., und ihr Wohngebiet ift begrenzt durch das Gedeihen gemwiffer Urticaceen, eben der Gattung Ceeropia und bejonders der Art peltata, für die Mensgaur aber etwas abweichend den brafilifchen Nanten Embaiba anführt. Steine Urwaldriejen, jondern Heine Bäume von 5—7 m Höhe, die nur in offenen Tälern wachjen! Bon ihnen wagen ich die Faultiere nur in dunklen Nächten auf die Erde herunter; am Tage jißen fie in mäßiger Höhe auf einer Ajtgabel und fchlafen da oder wärmen jich an der Sonne. Dabei halten jie den Kopf immer ftark vorwärts gebeugt auf die Bruft, und die vier Glied- maßen umflammern den Stamm in derWeife, daß die vorderen den gerade aufwärts gerich- teten, aber in fich zufammengejunfenen Körper fejthalten und den Kopf zum Teil verbergen. In diefer Stellung hat Geay beide Faultierformen, jowohl die zieizehige als die dreizehige, 558 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Faultiere. angetroffen, und er betont mit Sei, daß jte die Hängelage mit Dem Rüden nach unten nur beim Freien und in der Borwärtsbewegung einnehmen. jn diejer Stellung zu ruhen, be- quemen fie fich nur in der Gefangenschaft, wenn ihnen feine andere Möglichkeit geboten wird. Natürlich können die Faultiere auch an dieferen Bäumen emporklettern: Menegaur bildet nach einer Photographie von Gead einen At ab, der dies tut, noch dazu mit einem Sungen auf dem Nüden, das ihn aber in jeinen Bewegungen gar nicht hindert. Troß der Zangjamfeit der Einzelbewegungen geht der Aufitieg jchneller vor jich, als man fich dentt. Tach Duoy und Gaimard brauchte ein Faultier an Bord nur 20 Minuten, um einen Mat von 120 Fuß Höhe zu erklettern, und nach Gead ift eS auf einer Cecropia binnen wenigen Minuten angelangt. Beim Suchen nach einem Anhalt joll von den beiden Vordergliedern das rechte öfter gebraucht werden. Das Stlettern der Faultiere ijt eine Art Pahgang auf dem Baume: die Gliedmaßen einer Seite werden immer zugleich oder unmittelbar hintereinander beivegt. Die Nahrung bejteht nach Geay einzig und allein aus Cecropiablättern: gefangene Ars wenigjtens ftarben lieber Hungers, al daß fie etivas anderes nahmen. Der Tod trat aber erjt nach etwa 20 Tagen ein. Beim Frejjen zieht fich das Yaultier durch die Straft feiner Arme hoch, recit den Hals und beißt in das Blatt; gewöhnlich aber, ohne e3 völlig abzubeißen, und läßt fo feine Spur zurüd. An die Ninde geht es nie heran, und jet jte noch jo zart. Man hat angenommen, das Tier fände dort fein Trinkwafjer; Geay bejtätigt Das allerdings nicht. Lecomte hat aber auf den Antillen bemerkt, daß Verleßungen der Ninde in reichlicher Menge einen faren Saft ausfliegen lajjen. Daher am Ende die Vorliebe der Faultiere für die Cecropien, meint Menegaur. Nach Frau Geay fann ein folcher Baum ein Faultier nicht länger als zwei Tage ernähren; denn die Blätter an den Enden Der dünnen Yiveige fann e3 nicht erreichen. Wie im Freileben, jo mul man wohl auch im Gefangenleben Mi und Unau mehr aus- einanderhalten, als dies bis jeßt gemeinhin gejchehen ift. Über das Gefangenleben der Faul- tiere war früher überhaupt nur wenig befannt. Man wird jich nun meine Freude vorjtellen fönnen, als ich in Anmfterdam ein lebendes Yaultier und jomit Gelegenheit fand, eigne Be- obachtungen anzuftellen. Später gelang e3 mir, mehrere Faultiere zu eriverben und meine Beobachtungen zu vevvollitändigen. „Kees”, jo hieß das in Amjterdam lebende Faultier, ein Unau, bewohnte jeinen Käfig bereits jeit neun Jahren und befand fich jedenfalls jo wohl in der Gefangenjchaft wie andere Tiere auch. Der Käfig, in dem Sees gehalten wurde, hatte in der Mitte ein Holzgerüft, an dem jein Bewohner emporflettern fonnte, war unten die mit Heu ausgepolitert, wurde nach den Seiten hin durch jtarfe Glasjcheiben abgejchlofjen und war von obenher offen. In ähnlicher Weije habe auch ich meine gefangenen Faultiere gehalten. Wenn man bei Tage den Tieren einen Bejuch abjtattet, fteht man in diejem Slasfajten nur einen Ballen, der lebhaft an einen Haufen trodnen Niedgrajes erinnert. Diejer Ballen erjcheint formlos, weil man bon den Gliedmaßen der Faultiere eigentlich jo gut wie nichts bemerft. Bei genauerer Be- trachtung ergibt fich, daß Ddieje ihre gewöhnliche Nuhe- oder Schlafjtellung angenommen haben. Der Kopf ist auf die Bruft herabgebogen, jo daß die Schnauzenjpige unten den Bauch berührt, und wird durch Die vorgelegten Arme und Beine vollftändig verdedt. Die Glied- nahen nämlich liegen dicht aufeinander und find fo ineinander verjchränft, dad man ziwijchen- durch nicht jehen fan. Gewöhnlich find die Krallen eines oder zweier Füße um eine Stange des Gerüftes gefchlagen; nicht felten aber faßt das Faultier mit den Strallen des einen Fußes den andern Oberarm oder Schenkel und verjchlingt ich Htexrdurch in eigentümlicher Weife. Faultiere: Gefangenleben. 959 So fieht man von den Kopfteilen nicht das geringfte, fann nicht einmal unterscheiden, two der Rumpf in den Hals und Diejer in den Stopf übergeht; kurz: man hat eben nur einen Haar- balfen vor fich, und muß jchon recht jcharf Hinjehen, wenn man erfunden will, daß Diejer Ballen jich langjam auf und nieder jenft. Gegen die Jujchauer ringsum, die durch Stlopfen, Nufen und Schnelle Bewegungen mit den Händen irgendwelche Wirkungen herborzubringen juchen, beweift jich der Ballen vollfommen teilnahnlos; feine Bewegung verrät, daß er lebt, und gewöhnlich gehen die Bejchauer migmutig von dannen, nachdem fie verdußt den Namen de3 Tieres gelejen und einige nicht eben jchmeichelhafte Bemerkungen über diefes „garftige Bieh“ gemacht haben. Aber jein Wärter braucht bloß an den Käfig zu treten und ihn zu rufen: da jieht man, wie der Ballen nach und nach Xeben befommt. Bedächtig oder, wie man auch wohl jagen fann, langjam und etwas jchwerfällig, entiwirrt jich der Knäuel, und nach und nacı entwicelt fich aus ihm ein wenn auch nicht gerade wohlgebildetes Tier, jo Doch durchaus feine Mißgeftalt, wie man gejagt hat, feineswegs ein aller höheren Fähigkeiten und Gefühle bares Wejen. Langjam und gleichmäßig erhebt das Tier einen feiner langen Arme und hängt die fcharfen Krallen an eine der Querleijten des Gerüjtes. Dabei ijt es ihm vollfommen gleich, welches von feinen Beinen e3 zuerjt aufhob, ob das hintere oder das vor- dere, ebenjo ob e3 die Krallen in der natürlichen Lage des VBorderarınes anhängen, oder ob es den Arm herumdrehen muß; denn alle feine Glieder erjcheinen wie Stride, die fein Ge- lenf haben, fondern ihrer ganzen Länge nach beweglich find. Jedenfalls it die Beweglichkeit der Speiche und Elle fo groß, wie wir jie vielleicht bei feinem Gejchöpfe wieder finden. &3 fann Stellen jeines Körpers mit den Strallen erreichen, Die jedem andern Säuger unzugäng- lich fein würden, furz: eine Beweglichkeit zeigen, die wahrhaft in Erjtaunen feßt. Bet jeiner gemütlichen Faulenzerei macht e8 die Nugen bald auf und bald wieder zu, gähnt, jtredt die Bunge heraus und öffnet dabei die Feine Stumpfjchnauze foweit wie möglich. Hält man ihm an das obere Gitter eine Yederei, zumal ein Stückchen Zuder, jo Hinmt e8 ziemlich rajch nach oben, um dieje Lieblingsipeije zu erhalten, jchnüffelt an der Wand herum und öffnet die Schnauze jo weit, wie e3 fann, gleichjam bittend, man möchte ihm doch das Stückchen Buder glei) in das Maul hineinfallen lafjen. Dann frißt es jchmagend mit zugemachten Augen und bemweijt deutlich genug, wie jehr ihm die Süßigfeit behagt. Am eigentümlichiten jieht das Faultier aus, wenn man e3 gerade bon vorn betrachtet. Die Kopfhaare find in der Mitte gejcheitelt, ftehen zu beiden Seiten vom Scheitel ab und verleihen dem Kopfe ein eulenartiges Ausjehen. Die Heinen Augen erjicheinen blöde, weil der Stern faum die Größe eines Stecfnadelfopfes hat und feinen Ausorud gibt. Beim erjten Anbliet ift man verfucht, zu glauben, das Faultier müjje blind fein. Die Schnauze tritt eigentümlich aus dem Geficht hervor und ftumpft jich in einen abgejtugten Stegel zu, auf dejien Spite die Najenlöcher liegen. Die beftändig feuchten Lippen glänzen, als ob fie mit Fett beftrichen wären. Die Lippen de3 Unau find nicht jo unbeweglich, wie man gejagt hat, auch nicht3 weniger al3 hornähnlich, wie behauptet wurde, objchon fie nicht die Biegjamfeit der Lippen anderer Säugetiere haben mögen; jte jind auch ziemlich unmejentlich bei der Arbeit des Frejjenz, denn die lange, fehmale, jpige Zunge erjeßt die ihnen fehlende Be- weglichfeit. Dieje Zunge erinnert an die Wurmzungen der verwandten Zahnlojen, zumal an die der Ameijenbären. Das Faultier Fann fie weit aus dem Halje hervoritreden und faft handartig gebrauchen. | Sn Amfterdam fütterte man Kees mit verjichiedenen Pflanzenjtoffen; gefochter Reis und Möhren blieben aber feine Hauptjpeife. Den Neis reichte man ihm auf einem Teller, Die 960 7. Ordnung: Xenarthra. Familie: Faultiere. Möhren legte man ihm irgendtvo auf das Heu hin. Gewöhnlich wurde Stees zum Frejjen gerufen. Er fannte die Zeit jeiner Mahlzeiten genau und richtete fich alsbald auf, wenn er jeinen Namen hörte. Anfangs tappte er Höchit ungefchidt und jchwerfällig mit den langen Armen umber; hatte er aber einmal eine Möhre erwtjcht, jo Fam jofort Nuhe und Sicherheit in die Bewegung. Er zog die Wurzel zu jich heran, Fate jte mit dem Maule, dann mit den beiden Pfoten oder bejjer mit den Krallen, Elenimte fie feit Dazwischen und biß num, die Möhre jtetig weiter in das Maul jchiebend, verhältnismäßig jehr große Biljen von ihr ab, belecfte dabei auch bejtändig die Lippen und die Möhre, die er bald auf der einen, bald auf der anderen Seite ins Maul jtedkte. Gewöhnlich fing er bei der Spibe der Wurzel an zu frejien; aber jelten verzehrte er eine Möhre auf einmal, fondern verjuchte Iteber alle, die ihm vor- gelegt wurden. An dem Abbijje jieht man Deutlich die Eigentümlichfeit der Zähne. Das aultter ijt nicht imftande, ein Stüdchen glatt zu beigen, und die Zähne brechen mehr, als jte jchneiden. Man bemerkt in der Möhre die Eindrüde von allen, die benugt wurden, in unregelmäßigen Smwijchenräumen. Ein feiner Teller voll Reis und drei Möhren ge- nügen zur täglichen Nahrung. Die gefangenen Faultiere, die ich gepflegt habe, wurden jtetS durch einen Wärter ge- füttert, weil ich ihnen zutraute, einen borgejeßten Futternapf zu verfennen und unberüd- jichtigt zu lajjen, iwie dies mehr al3 einem Pfleger gejchehen zu jein jcheint. Der Wärter begab jich zweimal täglich in den Käfig, hafte das hängende Faultier los, legte e3 fich in den Schoß und ftedte ihm die Nahrung in den Mund. Lebtere bejteht vorherrjchend, nicht aber ausjchlieglich aus Pilanzenftoffen. Am ftebiten frejjen Faultiere Früchte, namentlich Birnen, Äpfel, Kirfchen und dergleichen; eines von meinen gefangenen aber war unterwegs auch mit hartgefochten Eiern gefüttert worden, jchien fich an diefe Nahrung gewöhnt zu haben und fan in jo vortreiflichen Zujtande an, daß ich jie ihm nicht entziehen mochte. Der Er- jolg rechtfertigte dies volljtändig; denn das allgemein für jehr hinfällig gehaltene Tier befand jich jahrelang in bejtem Wohlfein, jchien auch etwas zu vermiffen, wenn ihm einmal fein Ei gereicht wurde. Miöglicherweije verzehrt eS während feines Freilebens ebenfalls tierijche Kahrung, 3. B. Kerbtiere, und ift ihm jomit Ei als Erjaßmittel geradezu Bedürfnis. Yedes Faultier gewöhnt fich in Furzer Frift an jolche Fütterung, legt jich mit dem Rüden in den Schoß des Wärters, dreht alle vier Beine nach außen, um fich an Leib und Schenfel des Tilegers anzuflammern, und läßt fich mit exjichtlichem Wohlbehagen die Nahrung in das Maul ftopfen. Yedenfalls trägt eine derartige Behandlung wejentlich dazu bei, das Tier jo weit zu zähmen, als e3 überhaupt gezähmt werden fann. Meine gefangenen achteten, wie das gejchilderte Faultier in Amfterdam, nicht allein auf den Ruf des Pflegers, jondern er- hoben den Kopf jchon, wenn fie den Wärter fommen hörten, Kletterten ihm auch wohl ent- gegen und verjuchten, jich an ihm Feitzuhängen, bemwiejen alfo deutlich genug, daß fie fich in veränderte Verhältnijje zu fügen wußten. Hiervon gaben jte aber auch noch weitere Belege. Die Käfige, in denen jie gehalten wurden, waren eigentlich für Schlangen beftimmt und ihr Boden deshalb geheizt. Jr den erften Tagen nach ihrer Ankunft Hingen fie jämtlich oben an den für jie Hergerichteten Querftangen; bald aber folgten fie der von unten ausftrahlenden Wärme, und bereits nach achttägiger Gefangenfchaft hielten fie ihren Tagesjchlaf nicht mehr hängend, fondern liegend, unten auf dem warmen Boden ing Heu eingemwühlt, und in der Kegel jo volfftändig dazwischen verfteckt, daß man nicht viel mehr als die Schnauzenfpiße zu jehen befam. In den Wintermonaten fuchten jie jtet3 diejes für fie doch entjchieden un- pajjende Lager auf, während fie jich im Sommer oft auch an ihre Duerftangen hingen. Faultiere: Gefangenleben. 561 Eine ganze Unaufamilie pflegte man feinerzeit im Kölner Garten. Nach Bericht des damaligen Leiters. Fund „jind die Tiere, Männchen, Weibchen und Junges, am 29. April 1873 dort eingetroffen. Anfangs wurden ihnen die Biljen in das Maul gereicht; darauf hielt man ihnen den Napf vor und rüdte damit allmählich weiter nach unten, um die Tiere zu ber- anlajjen, jich ihr Futter jelbit aufzujuchen. Dazu bequemten fie jich denn auch bald; fie fragen, indem fie jich mit den Hinterpfoten an einem Aite feithielten und den Kopf nad) unten hängen liegen. Gefochte Mohrrüben verjchmähten fie jpäter, und nur das Junge nahm fie noch. Diefes hing nicht auf dem Rüden, fondern auf Dem Bauche der Mutter; e3 fraß aus dem Napfe wie dieje und hielt jich dabei mit den Hinterpfoten an den Bauchhaaren der Mutter feit; mitunter trennte e3 jich von ihr und fuchte fie jchlielich gar nicht mehr auf.“ Sn der Regel verjchlafen die Zaultiere im Käfig den ganzen Tag, e3 jei denn, daß trübes Wetter fie an der Tageszeit irre werden läßt. Bei regelmäßigem Verlaufe der Dinge er- muntern fie jich in den leßten Nachmittagsitunden, Friechen, wenn jie im Heue lagen, mühjelig auf dem Boden fort, ihre Beine nicht als Gehfüße, jondern nur al3 Greifiwerfzeuge benußend, bis jie jchlieglich mit einem Fuße eine Stletterjtange erreichen und jich an diejer in die Höhe ziehen können. Nachdent das emporgeittegene Yaultier jic an feiner Stange befeitigt hat, beginnt e3 zunächit jein Haarkleid zu ordnen. Yu diefem Ende hängt es ich in der Pegel mit den beiden Beinen einer Seite auf und bearbeitet mit den anderen das Fell auf das Sorg- fältigjte und Gemijjenhafteite, Fragt jtch an den verjchtedenjten Stellen jeines Ktörpers und zieht Fammend die einzelnen Haarjträhne zwijchen ven Sichelfrallen feiner Füße durch. Hat e3 die eine Seite ordentlich bearbeitet, jo wechjelt e3 die Stellung, hängt jich wie früher, aber mit den beiden anderen Beinen auf und frabt und fämmt von neuem, bis endlich die zeit- raubende Arbeit zu feiner Befriedigung ausgeführt zu fein jcheint. Nunmehr unternimmt e3 verjchiedene Turnübungen, Hlettert an den Stangen hin und her, erflimmt das Gitter, hängt jich hier an und bewegt jich geraume Zeit anjcheinend nur zu jeinem Vergnügen. Wenn jet der Pfleger mit Futter fomımt, wird er mit fichtlicher Befriedigung empfangen; bleibt er aus, jo jucht dag Tier früher oder jpäter feinen alten Pla wieder und verträumt hier ein oder mehrere Stündehen, tut jolches auch wohl mitten in der Nacht, feiner eigent- lichen Arbeitszeit. Die ftumpfe Gleichgültigfeit, von der die Neifenden berichten, fanıı, wenigjtens bei dem Unau, auch einer fichtlichen Erregung weichen. So bejtimmt ein Faultier jich mit jeinem Pfleger befreundet, jo bejtimmt unterjcheidet e3 andere Berjönlichkeiten und zeigt dDiejen ge- legentlich die Zähne oder bedroht fie mit den Klauen, während e3 jich von dem Wärter jede Berührung und Behandlung twiderjtandstos gefallen läßt. Noch unfreundlicher benimmt jich das Zmweizehenfaultier anderen Gejchöpfen gegenüber. Meine Abjicht, Unau und Ai in ein und demjelben Käfige zu halten, wurde durch den Unau, den älteren Bervohner des Raumes, bereitelt, und der Verjuch, beide Bertvandten einander zu nähern, mußte jofort aufgegeben werden. Alle ihm zugejchriebene Fauldeit vollitändig verleugnend, fiel der Unau beim erjten Anblicle des Verwandten über diejen her, gab ihm zunächjt einige wohlgezielte Schläge mit der wehrhaften Bote und padte ihn jodann jo ingrimmig mit den Zähnen, daß der Wärter beide Tiere jchleunigit trennen und den haumlojeren Ai in Sicherheit bringen mußte, nicht ohne daß er von dem erbojten Unau einige Htebe mit den Stlauen wegbefonmten hätte. Über einen andern, verhältnismäßig lebhaften und intelligenten Unau des Frank- furter Gartens berichtet jein Pfleger Mar Schmidt im „Soologijchen Garten“, 1873, jehr an- ziehend und lehrreich: „ES haft fich mit feinen langen Krallen an den ten fejt und läßt Brehm, Tierleben. 4. Aufl. X. Band. 36 562 7. Dvödnung: Xenarthra. Familie: Faultiere. wahrnehmen, wie bejonders beweglich die einzelnen Gelenfe jeiner Gliedmaßen find, jo daß die Beine an Ketten mit langen Gliedern erinnern. Sn der Negel werden die Sohlen- flächen und Strallen der Vorderfüße einmwärts, die der Hinterbeine nach Hinten gerichtet; doch greift das Tier mit derjelben Leichtigkeit und Sicherheit auch in entgegengejeßter Richtung über den Ajt oder macht um einen feitgehaften Fuß eine faft fonıplette Umdrehung, die jedem andern Tiere unmöglich wäre. CS geht bald vor-, bald rückwärts, jteigt bald mit dem Kopfe voran abwärts, bald mit dem Hinterteil voran aufwärts, jtet3 mit der gleichen Nuhe und Sicherheit. Seine Bewegungen find dabet wohl langjam, aber in den meiften Fällen Doch weit rajcher, al man fie jich nach den verjchtedenen über die Trägdeit diejes Tieres verbreiteten Yabeln denfen jollte... &S darf nicht unerwähnt bleiben, daß jich bis jeßt feinerlei Ungeziefer oder Unjauberfeit auf der Haut des Yaultieres gezeigt bat, jo daß ihm wohl nur die Unordnung des Haares peinlich wird und es zum Toilette- machen veranlaßt, womit es fich bisweilen jtundenlang bejchäftigt. Cine andere Unter- haltung unjers Tieres bejteht darin, Daß es fich mit beiden Hinterfüßen an einen Aft gerade jo hoch aufhängt, daß Die Borderertremitäten bequem das Heu erreichen fönnen, mit dem der Boden bedeckt ift, und daß e3 diejes nun eifrig Duchwühlt und aufjchüttelt, wobei die Arme jich abwechjelnd taftmäßig beivegen. | „Die Lichtjcheu Hält unfer Tier durchaus nicht ab, fich zeitweije vecht gemütlich zu jonnen. ls in Diefenm Frühjahr freundliche Witterung eintrat, hatte es alsbald einen Mit jeines Baumes ausfindig gemacht, der dem Sonnenfchein bejonders ausgejeßt var, und auf den e3 jich dann in der Nücenlage der Länge nad) ausftredte. Es hatte jich jofort diefen Plab gemerkt, ebenjo wie die Zeit, warın die Sonne bis dorthin zu fcheinen pflegte, und hocdte jich um diefe Stunde jtet3 jo auf den Baum, fo daß e3 fich nur umzulegen und auszuftreden brauchte, um in den Bereich der Sonnenmwärme zu fommen. - „Die geiftigen Fähigfeiten des Faultieres find, jomweit jich dies an unjerm Gefangenen beurteilen läßt, nicht bedeutend, aber doch wohl entwidelter, al man nach den itber Dieje Tiere verbreiteten Erzählungen glauben jollte. &3 merkt fich die Zeiten der Fütterung, fennt den Schritt feines Wärters, wenn diejer die Nahrung bringt, weiß die Tür des Käfigs, durch welche dieje verabreicht wird. Wenn es in feinem Behälter herumflettert und es treten er- jonen heran, die e3 fennt, jo unterbricht es wohl auf einen Moment feine Wanderung und blict nach dem Ankömmling hin. Ja, jelbjt eine Neigung zum Spielen zeigt jich wohl; wenn die Glasjcheiben des Käfigs gereinigt werden, Flettert eS zumeilen empor und jucht mit ven Srallen das Wifchtuch zu erhafchen.” Ebenjo fonmen freundliche und unfreundliche Negungen gegen jeinesgleichen und den Menfchen vor. Ein großer und ein Heiner Unau des Zoologischen Gartens in Para waren jpäter unzertrennlich, nachdem fie jich erjt eine Zeitlang vorjichtig voneinander entfernt gehalten hatten: zu einem Klumpen vereinigt, das feinere buchftäblich in den Armen des größeren, ruhen fie tagsüber, gemeinschaftlich frejjen fie und fteigen fie zur Tränfe herab. Das größere bedrohte bei einer Käfigreparatur zu wiederholten Malen den Handwerker fo ernftlich und entmwicdelte dabei eine fo überrafchende, gar nicht zu feinem namenlos langweiligen, ja ftumpffinnigen Ausjehen pafjende Lebendig- feit, daß es entfernt werden mußte. WBejentlich verjchieden von dem gejchilderten Betragen des Unau it das Benehmen des It, Schon beim Schlafen nimmt er eine andere Stellung an. In tiefjterNtuhe hängt das abjonderliche Gefchöpf an feiner Stange wie ein mit weichen Stoffen gefüllter, an den Trag- riemen aufgehängter Ranzen an einem Nagel. Bon dem Kopfe fieht man nicht die geringfte Faultiere: Geijtige Fähigfeiten. VBerjchiedenheiten im Benehmen. 563 Spur, weil er, bis tief auf die Bruft herabgebogen, zwijchen den vier Beinen verborgen wird; nur der Schwanzjtummel unterbricht Die Nundung des Bündels, al3 das man das ichlafende Tier anjehen möchte. Yebt ermuntert fich der Mi, ftredt den dünnen Hals mit dem fleinen Kopfe weit von jich und beweilt bald darauf, daß er nicht umfonft neun Hals- wirbel bejitt. Denn mit der Leichtigkeit, mit der man die Hand wendet, dreht er den Kopf jo weit herum, daß das Hinterhaupt volljtändig in die Bruft-, das Geficht in die Rüdenlinie zu jtehen fommt. Kein anderes Säugetier ijt imjtande, eine derartige Drehung auszuführen; der Anblid des Dreizehenfaultieres wirft daher im allerhöchiten Grade überraschend, und man muß jich erjt an das fonderbare Bild gewöhnen, bevor man e3 richtig aufzufajien und au verjtehen vermag. Ein Zweizehenfaultier macht, jo gelenkig es jonft ift, niemals einen Berjuch zu jolcher Berdrehung: der Ai wechjelt mit der Haltung feines Kopfes nad) Belieben, trägt ihn aber meistens in der anjcheinend unnatürlichen Lage. Dabet jeden die fleinen Augen dumme-gutmütig ins Weite, und der Kopf zittert auch wohl wie der eines Greijes Hin und her. ©o leicht diefe Drehung des Haljes vor fich gebt, jo jchwerfällig erjcheinen, verglichen mit denen des Unau, alle übrigen Betwequngen des Tieres. Auf den Ai beziehen jich die meijten Schilderungen der Neifenden, und er entjpricht in der Tat in vieler Hinjicht den von ihnen mitgeteilten Berichten. Man fann nicht im Zweifel bleiben, daß ex weit weniger begabt ijt als jein Verwandter. Yede feiner Bewegungen gejchieht mit einer Yangjamfeit, die man mehr als bedächtig nennen muß; eine Freiheit darin, wie man fie beim Unau wahrnimmt, fehlt ihm gänzlich, und nur in der Sicherheit des Umflammerns fommt er legtgenanntem gleich, jall3 er ihn nicht noch übertrifft. Einmal angeflammert, hängt er an jeinem Aite, als ob er daran ein großer Sinorren oder auf das innigjte mit ihm verbunden wäre, und fein Nütteln und Schütteln vermag ihn zu bejtimmen, die einmal angenommene Stellung zu ändern. Auch die geiftigen Fähigfeiten find geringer als die des Verwandten. Schwerer als diejer gewöhnt er fich an eine beftimmte Perjönlichkeit, betrachtet vielmehr jedermann mit Gleichgültigfeit und läßt, ohne fich zur Wehre zu jegen, alles über jich ergehen. Die Wärme lockt auch ihn herab auf den durcchheizten Boden, jcheint aber doch weit weniger Ein- Huß zu üben, was freilich mit feinem ungleich dichteren Fell zufammenhängen mag. Nac) und nach bequemt er jich, aus der Hand des Wärters feine Nahrung zu empfangen, zeigt fich aber auch hierbei viel träger und gleichgültiger als der Unau. Noch in einem unterjcheidet ex jich von diefem: ex läßt öfters ein ziemlich jcharfes Pfeifen vernehmen, während der Unau, nach meinen Beobachtungen tweniaftens, ftumm bleibt wie das Grab. Jedenfalls beweilt eine Bergleichung der beiden Tiere, da die beiden Gattungen der Gruppe feineswegs in allem und jedem miteinander übereinjtimmen. Für den Tierpfleger befteht der nächftliegende, praftifch nur zu fühlbare Unterjchied zwifchen Unau und Ai in dem äußert verjchiedenen Grade ihrer Haltbarkeit. Bom Unau hat der Berliner Garten ein Gegenjtüd zu dem Amjterdamer „Sees“ 131/, Jahre (vom 1. Mai 1890 bis 21. Dezember 1903) gehabt, das bei einem Napf gefochter Mohrrüben tägfich — oder vielmehr nächtlich: am Morgen war der Wapf ftets leer — ganz vortrefjlich aushielt, und fein Nachfolger berechtigt zu der angenehmen Hoffnung, daß er es ihm auch in diejer Löblichen Dauerhaftigfeit gleichtun wird. Dagegen hat man in Berlin einen Ai eigentlich nie länger gehabt, al3 dal; man fich gerade wieder von neuem überzeugen umd erfreuen konnte, mit welch föftlichem Humor und treffender Beobachtung Scheffels Genie diejes pubige Gejchöpf dichterifch verewigt Hat; denn was er vom jojjilen Megatherium jingt, gilt, bei Lichte betrachtet, vom Mt: 36 * 564 7. Ordnung: Xenarthra. „Zräg’ gloßt e8 in die Welt hinein „Dann aber jteigt e3 nicht herab, Und gähnt ald wie im Traum, 63 fennt den fürzern Weg; Und frallt die jcharfen Krallen ein Gleih einem Kürbis fällt es ab Am Embahubabaum. Und rührt jih nicht vom Fled. Die Früdte und das jaftige Blatt Mit rundem Eulenangeficht Berzehrt es und jagt: ‚Mi!‘ Nicdt’3 janft und lächelt brav: Und wenn’3 ihn leer gefrejjen hat, Denn nad) gelungener Fütterung fommt Sagt’3 auch zuweilen: ‚Wai!‘ Als Hauptarbeit der Schlaf.“ Hhnkich Schlechte Erfahrungen wie der Berliner Garten machte Snethlage-Para mit der Gefangenhaltung des Mi auch in der Heimat des Tieres. Sie fing daher neuerdings an, gefaufte Tiere im Garten frei auszujeben, und beobachtete Dabei, daß die Tiere durchaus nicht Die ausgejprochene Vorliebe für den Jnbaubabaum (Cecropia) Haben, wie behauptet wird, jondern Seringuaitad® (Hevea brasiliensis), Majjarandubas und eine beitimmte Leguminoje vorziehen. Bei Nacht legen jie oft ziemliche Entfernungen (100 m) zurüd und fteigen Dabei auch zur Erde herab. Schon ein furzer erdgejchichtlicher Rüdbli€ auf die Vorfahren und fojjilen Verwandten der amerifanijchen, jest in der Ordnung der Xenarthra zujammengefaßten Zahnarmen liefert ein ziviefaches Nejultat: einmal ergibt er noch weitere Anhaltspunfte, warum man dieje Jahnarmen als tatjächlich zufammengehörtg, troß äußerer Berjchtedendeit als jtamım-= verivandt betrachtet, und zum andernmal bejtätigt er im denkbar größten Umfange die beiläufig jchon ausgejprochene Meinung, daß Die jebt lebenden Xenarthra nur die jpärlichen und armjeligen llberbleibjel einer zahl- und formenreichen Gruppe teifweije geradezu riejiger Tiere jind. Und was dieje VBorgejchichte ganz bejonders interejjant macht: jie ragt bis in die Gegenwart hinein, in Gejtalt von Weichteilen, die in ihrer ans Wunderbare grenzenden Erhaltung ein würdiges Seitenjtüd zu den jibirifchen MNammutfunden mit Fleijch und Haut und Haaren jind, Die vier Dem Daueretfe der nordiichen Tundra verdanken. Ya, man hat jich jogar furze Zeit mit der fühnen Hoffnung getragen, jolhe „vorfündflutliche Ungeheuer” in den feljigen, Höhlendurchjegten Küfteneinöden des füdlichen Patagoniens noch lebend zu finden, und Expeditionen zogen auf die Suche aus. Freilich vergeblich; aber es wird doch Heute noch die Borftellung verteidigt, und jte ift in dem Artnamen Grypotherium domesticum Roth verewigt, der vorgejchichtliche Menjch Habe derartige Tiere in großen, mit Steinblöden verrammelten Höhlen wenn auch nicht al3 wirkliche Haustiere gezüchtet, dann doch jozujagen als lebendige Fleifchvorräte gefangengehalten. Diejes ganze etivas aufregende Für und Wider, das jeit Mitte der 1890er Jahre in Hachkreijen die Öeijter aufeinanderplagen ließ, fmüpfte jich an Funde an, die von den beiden Nordenffiöld (Dtto und Erland) und Hau= thal in einer riejigen Felfenhöhle gemacht waren bei Ultima Ejperanza, einer tief eingezogenen Sjordbucht in einer ganz abgelegenen Gegend Südweftpatagoniens. Dort hatte man unter einer flachen, von der Höhlendedfe abgebrödelten Schuttichicht mehrere große Felljtüde hervor- geholt, die nicht nur brauntote Haare trugen, jondern in der Unterhaut auch fleine, unregel- mäßig geftaltete und verteilte Hautfnochen enthielten (f. Tafel). Dieje Fellitüce, die in der aufergewöhnlich wafjeraımen Atmojphäre der Feljengrotte wie natürliche Mumien, ohne Fzäulnis, aufgetrodnet waren, lajjen fich nach der Bejchaffenheit ihrer Ränder faum anders deuten denn al vom Menjchen dem getöteten Tiere abgezogen und zurechtgejchnitten; zu= dem haftet ihnen gar nichts mehr von Fleifch oder Knochen an, die Knochen liegen eben- falls zahlreich in der Höhle und tragen aucd) Spuren der Tätigfeit des Menfchen an fich. Sellitücke von Grypotherium domesticum Roth. a Oberieite, b Unterieite mit unregelmäßig verteilten Hautknochen. Aus „Proceedings of the Zoological Society“, London 1899, Tafel XIII u. XIV. fl | ir on +7 > ee De TR eng er num a nn a n Vz ee 8 u u A Vorgefchichte. 565 Diejes Grypotherium (= Neomylodon), das jchon mindeitens die Größe einer Kuh hatte, führt uns nun über in die reiche, impojante Niejenjäugetierivelt der tertiären Vorzeit Südamerifas, die allermeift aus Jahnarmen beftand. Ihre Nejte find jo zahlreich, fommen an fteilen Flußufern und fünftlichen Geländeeinfchnitten in ganzen Sfeletten jo häufig zum Borjchein, daß im Sndianervolfe der Uberglaube mwurzeln fonnte, tief unter der Exde ‚baufe im ganzen Lande ein Gejchlecht von Niejfenmaulwürfen, die abjtürben, jobald fie durch einen Zufall ans Tageslicht famen. Ihrer Erforschung widmete jich um die Mitte und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts einer unjerer nambafteften deutjchen Naturforscher, der Hallenjer Brofejjor Hermann Burmeifter, der 1861 ganz nach Buenos Aires überjiedelte und, Hochbetagt und bis ins höchjte Alter mit ungejchwächten Kräften yoilienjchaftlich tätig, exit 1892 in der argentinifchen Univerjitätsjtadt Cordova ftarb. Sein Nachfolger Florentino Ameghino dehnte die Nachgrabungen bis in den patagonischen Süden de3 Landes aus, und beide haben uns mit einer jchier unüberjehbaren Fülle fojjiler Zahn- armen befannt gemacht. Eine Gruppe daraus, Die jogenannten Gravigrada, jtellt eine gewijje Verbin- dung zwiichen den Faul- tieren und Ametjenfrejiern einerjeitS und den Gürtel | tieren anderfeit3 dadurch BEIN NER Ä\) ZU nam ee > her, daß ihre Mitglieder ze zum Teil einzelne unregel- mäßige inochenplättchen in ihrer Unterhaut verborgen tragen. Hierher gehört auch) Sfelett de8 Megatherium americanum Blumb. Ctwa 1/40 natürlicher Größe. das bereits erwähnte Gry- potherium. Und neben die Gürteltiere ftellt jich und macht fie zu Zmwergen zujammen- ichrumpfen die mächtige Gruppe der ftarr, ohne Gürtel, alfo jchildfrötenartig gepanzerten Glyptodonta, die mit den Faultierartigen am Schädel wiederum den auffallenden, über die Wangen herabhängenden Fortjaß des Jochbogens in der höchjten Ausbildung gemein haben. Die berühmtefte Gattung in der ganzen abenteuerlichen Familie der Gravigrada ijt Megatherium, das Riejenfaultier, genau überjegt: „Sroßtier”, das feinem wiljenfchaftlichen Namen wirklich alle Ehre macht. War e3 doch ebenfo groß tie der Elefant, aber von noch viel mafjigerem Knochenbau, namentlich in der Hintern Körperhäffte: die kurzen Oberjchentel 3. B. waren noch dreimal breiter! Das hat feinen bejondern Grund darin, dab das borwelt- liche Riefenfaultier jedenfalls ähnlich von Baumblättern (mohl auch Zweigen und Alten) febte wie das heutige Faultier, aber mit feinem Niejengemwicht natürlic) feinen Baum beiteigen fonnte. So mußte e3 fich auf die Hinterbeine erheben, jich auf den furzen, aber mit mächtigen Dornfortfägen für riefige Musfeln verfehenen Schwanz jtügen und mit den ftarkffauigen Vordergliedern die Üfte Herunterbrechen. ES mag auch ganze Bäume entwourzelt haben; danac) jteht die eine große Slaue der Hinterfühe aus, die, nach Owen, wie eine Hacke angewendet worden fein dürfte. Der Kopf war, wie der Schädel zeigt, nicht jo rund- lich menfchen- oder gar eulenähnlich wie bei den lebenden Yaultieren, hatte vielmehr etivas von der langgezogenen Form des heutigen Ameijenfvejjers. Die Hirnhöhle ift im Verhältnis 566 7. Ordnung: Xenarthra. zur Körpergröße ganz verjchwindend Fein und läßt den jicheren Schluß zu, daß das Niejen- jaultier auch ein jehr wenig entwideltes Gehen hatte, aljo ein jtumpfjinniges Ungetüm tpar, dem nicht nur die geivaltige Machairodus-Staße, der Säbeltiger mit den mejjerjcharfen, zu beiden Seiten des Mauls herunterragenden Edzähnen, den Garaus machen, jondern das jogar der Heine Urmenjch in Fallgruben oder jonjtwie überliften und erlegen fonnte. Zu gleicher Zeit mit dem Flei- nen Urmenjchen gelebt haben Die Megatherien jicher noch, ebenjo wie die ähnlichen, nahe vertvandten Gat- tungen Notrotherium, Scelidothe- rıum, Platyonyx, Mylodon Mega- lonyx; vom Grypotherium war ja in diejem Sinne oben jchon Die Jede, und der Unterhautfnöchelchen wurde dort ebenfalls bereits gedacht, Die Mylodon als Dichten Belag mit zahl- reichen Stnochenftüdchen in noch jtär- ferer Ausbildung bejaß. Aber auch die Glyptodonta, die Niejengürtel- tiere oder, bejjer gejagt: Niejen- panzertiere (denn Gürtel hatten jie Stelett de3 Mylodon robustus Owen, ergänzt. Ctwa 1/30 ja nicht) mußten, ehe fie ausitarben, natürlicher Größe. noch dem Urmenjchen der Diluvial- zeit dienen, und zivar verwandte er, wenn Ameghinos phantajievolle Deutungen richtig ind, ihre feiten, hHochgemwölbten Panzer als Dach für feine Wohn- und Feuerjtätten, ohne deshalb enger zu Haujen als mancher primitive Wilde von heute. Ein der- artiger Gflpptodontenpanzer ijt oft über 2 cm Did, aus unzähligen viel- ecfigen, tojettenartigen, mit Hödern bejegten Stnochenplättchen äußerft zterlich zujammengejeßt und an ganzen Nunpfe unbeweglich zu einem Tonnengewölbe verbunden, von Dejjen Ausdehnung ntan jich ungefähr eine Vorjtellung machen fann, wenn man bedenkt, daß 3. DB. die Gattung Panochthus Nashorngröße hatte. Um diejes Gewicht zu tragen, waren die Rüdentirbel mitfamt ihren Dornfortfägen zu einer unbeweglichen, nach oben gefrinmmten Stüßröhre verwachjen. Bei Panochthus ftedte auch der größte Teil des Schtwanzes in einem jelten Banzerfolben, mit dem jedenfalls wuchtige Keulenfchläge ausgeteilt werden konnten, während der Schwanz bei Glyptodon bis zur Spitze mit beiveglichen, Hübjch gemufterten Suerringen umgürtet war. Zu dem jchildfrötenartigen Rumpfpanzer der Giyptodonten paßt auch die jchilofrötenartige Berweglichfeit des Halfes, der durch ganz eigenartige, ver- widelte Gelenfung feiner Wirbel den nur oben gepanzerten Kopf, wie bei der Schildkröte, Glyptodon elaviceps Owen. Etwa 1/ıo natürlicher Größe. Vorgejchichte. 367 einziehen fonnte. Dem auffallenden, bis auf gleiche Höhe mit dem Unterftefer herab- jteigenden Fortjage des Hochbogens, der nur die Bedeutung haben fann, den Kaumusfeln berjtärkten Anjat zu bieten, jind wir bei vorweltlichen Niejentieren fchon einmal begegnet, und zwar bei der Gattung Diprotodon, fojjtlen Niejenbeuteltieren aus dem Pleiftozän Auftralieng. Daf die genannten vorweltlichen Säugetiere zu den Zahnarmen gehören, beweijen jomwohl die Gravigraden (Megatherien) als die Glyptodonten jchon durch ihre fücenhafte Zahnteihe: Schneide- und Edzähne fehlen vollftändig; Bacdzähne find bei den Megatherien =, bei den Glyptodonten > vorhanden. Noch mehr aber tritt die Verwandtchaft durch den undollfommenen Bau des einzelnen Yahnes hervor, der bei beiden Familien im Prinzip aus einer äußerjten Zement-, einer mittleren Dentin-, und einer innerjten VBajodentinjchicht beiteht. Bei den Gravigraden jind die Zähne nur einfache, Hohe Zylinder, bei den Glypto- Donten find fie, wie Bittel jagt, „Durch zivet tiefe, forreipondierende Einfchnürungen der Snnen= und Außenwand in drei Durch Schmale Brücen verbundene rhomboidijche Duer- prismen zerlegt”, was der Familie ihren wiljenjchaftlichen Namen (Gfyptodonten, d. h. Schnitzähner) gegeben hat. Abendjegler 457 Abu-Khirfa 495. Acerodon 397. Acrobates 154. — pulchellus 155. — pygmaeus 155. Acromium 16. daras 268. Ai 548. Alangu 497. Allantois 9. Allotheria 40. Almiqui 268. Almizilero 23. Alpenjpismaus 276. 281. Altai-Maulwurf 320. Alveolen 21. 22. Ameijenbär, Großer 528. Ameijenbeutler 119. Ametjenfrejjer 527. — Zmeizehiger 542. Ameijenigel 60. 61. Amnion 9. Amphitherium prevosti 119. Aneasratte 112. Antechinomys 125. — laniger 125. Anthops ornatus 438. Antilopenfänguruh 251. Antrozous 446. Anuromeles 148. Anurosorex 293. .— assamensis 293. — squamipes 293. Upar 520. Aepyprymnus 189. 192. — rufescens 192. Arktogäa 44. Armadille 508. Artbegriff 50. 51. Artenzahl 50. Artibeus 433. — jamaicensis 434. — planirostris 434. Arufänguruh 234. Aloziation 28. Äthiopifche Region 46. 47. Atlas 13. Atmung 11. Atophyrax 233. Sachregiter. Atophyrax bendirei 283. Auge 25. Badentafhen 19. Badul 400. Bajar-Kit 497. Balionycteris 397. Bandifuts 139. 142. Barbastella 446. — barbastella 447. Bärenbeutler 129. Bärenflughund 406. Bärenfänguruh 224. Bartfledermaus, Note 470. Batjan-Schwielenfuß 465. Bauchipeicheldrüfe 20. Baumfänguruh, Bennett3 225. — Braunes 225. — Großes 225. Baumfänguruhs 223. Bautrieb 36. Bedfordsfänguruh 233. Bendires Spikmaus 283. Bennettsfänguruh 236. Bergfänguruh 245. Bettongia 189. — euniculus 190. 191. — gaimardi 190. — lesueuri 190. 192. — ogilbyi 191. — penicillata 190. 191. Beutelbär 174. Beuteldadhje 139. Beuteleichhorn, Flughautloje3157. Beutelfüchje 166. Beutelgilbmaus 123. Beutelhund 132. Beutellömwe 179. Beutelmarder 126. — &eoffroys 128. — Neuguinea 128. — Norvdauftraliicher 128. Beutelmaulwurf 134. Beutelmull 134. Beutelratten 96. Beutelipishörnchen 122. Beuteljpitmaus, Dicfchwänzige 125. — Dreiftreifige 113. — Beipfüßige 125. Beutelfpismänfe, auftraliiche 124. Beuteljpringmaus 125. Beuteltiere 87. Beutelwolf 132. Bewegung 14. 34. Bicho ciego 526. Bindeohren 446. ne 415. 436. Bifamrüfler 294. Bilamjpismaus 29. Bijamjpikmäufe 294. Blarina 283. 284. — brevicauda 234. Hlattfinn, Blainvilles 429. Blattfinne 429. Blattnajen 424. — Eigentliche 430. Blinvdarın 21. Blumennafje 438. Blutkörperchen, rote 11. — weiße 12. Blutkreislauf 10. 11. Blutfauger, Großer 435. — Kleiner 435. Bolita 520. Boneia 397. Boriten 3. Borjtengürteltier 509. Borftenigel 263. Borjtenigelartige 263. Brachyotus 468. Brachyphylla 433. Bradypodidae 545. Bradypus 548. — castaneiceps 549. — cuculliger 548. — infuscatus 549, — torquatus 549. — tridactylus 548. — — boliviensis 548. Brauenflughund 410. Braunfopffaultier 549. Breitohren 446. Breitftiinwombat 181. 182. Brillen-Blattnafe 432. Brillenfänguruh 214. 215. Brocajches Zentrum 26. 31. Brondien 21. Bruftfell 22. (Fledermäufe) Brufthöhle 22. Bruftmildigang 13. Bulau 347. Bulldoggfledermaus, Großohrige 421. — Kajtanienbraune 420. — Note 420. Bulldoggfledermäufe 419. Bündelzähner 435. Bunstohu 497. Buntigel 345. Bürjtenmulle 301. Bujchjegler 453. Bufchtiger 133. Bujd-Wallaby 237. 238. Cabassus 508. 516. — unieinctus 517. — — gymnurus 517. Caecum 21. Caguare 538. Callinyeteris 414. Caloprymnus 189. — campestris 193. Caluromys 170. — laniger 110. — philander 110. Canini 18. Carponycterinae 414. Carponycteris 414. Cajaca 107. 108. Catita 115. — pequena 113. Catitas 112. Cayluxotherium 348. Centetes 263. — armatus 263. — ecaudatus 263. '— madagascariensis 263. Centetidae 263. Centetinae 263. Centurio 433. 434. Cephalotes 397. 410. — palliatus 410, — peronii 410. Cerivoula 473. Chalcochloris 271. — hottentottus 271. — obtusirostris 271. Chaetophractus 508. — villosus 509. Chichica 108. — d’aqua 118. Chilonycteris 429. Chimarrogale 293. — himalayica 293. Chiromeles torquatus 421. Chironectes 116. — minimus 116. Chiroptera 363. Chlamydophorinae 505. 523. Chlamydophorus 523. — retusus 523. — truncatus 523. Choeropus 140. 148. — castanotis 148. Choloepus 547. Sadregiiter. Choloepus didactylus 547. — hoffmanni 547. Chorion 9. Chrysochloridae 270. Chrysochloris 270, — aurea 271. — capensis 270. — stuhlmanni 271. — trevelyani 271. Clitoris 23. Eobego 359. Cochlear 25. Colöura afra 418. Comphotherium 348. Condylura cristata 302. Cooper3 Spikmaus 283. Corium 1. Corpus callosum 27, Creodontia 134. Crocidura 290. — flavescens 291. — russulus 290. — — leucodon 291. Crocidurinae 289. Cryptophractus 506. Cryptotis 283. Curvatura major 20. — minor 20, Cuticula 2. Cutis 1. Cyclopes didactylus 542. Cycloturus didactylus 542, Cynopterus 397. 410. — grandidieri 410. — sphinx 410. Dactylopsila 162. — trivirgata 162. Dalgyte 140. Damafänguruh 232. Darm 20. Dasypodidae 502. Dasypodinae 505. 508. Dasypus 508. — hybridus 508. — novemeinctus 506. — sexeinctus 510. — trieinetus 520. — villosus 509. Dasyuridae 118. Dasyurinae 121. ı Dasyuroides byrnei 125. Dasyurus 126. — albopunctatus 127. 128. — cynocephalus 132. — geoffroyi 126. 128. — hallucatus 127. 128. — maculatus 127. 128. — maugei 127. — viverrinus 126. 127. Dendrolagus 223. — bennettianus 225. — inustus 225. — maximus 225. — ursinus 224, Derbyfänguruh 232. Desmalopex 397. 969 Desman 29. Desmodus 427. 434. — rotundus 435. Didarın 21. Didfup 463. Didihwanz-Beutelratte 108. Didihwanz-Spikmäufe 292. Diclidurinae 417. 418. Diclidurus 418. — albus 418. Didelphyidae 96. Didelphys 99. — aurita 100. — azarae 100. — cancrivora 100. — lanigera 110. — marsupialis 100. — mesamericana 100. — paraguayensis 100. 107. — ursina 181. — virginiana 100. Diphylla 427. 434. — ecaudata 435. Diplomesodon 293. — pulchellus 293. Diprotodon 180. 567. Diprotodontia 150. Distoechurus 154. — pennatus 154. Dobsonia 397. Doppelnafenflatterer 418. Dorcatherium 47. Dorcopsis 227. — müilleri 228. Dotterjad 9. Dreizacnaje 438. Dreizehenfaultier 548. Dreizehenfaultiere 548. Dromatherium sylvestre 119, Dromicia 156. — gliriformis 156. — nana 156. Dromiciops 115. — gliroides 115. Dryolestes priscus 119. Drüfen 5. Ductus thoraecicus 13. Dünndarın 20. Echidna 60. 61. — aculeata lawesi 62, — — setosa 62. — — typiea 61. — oweni 8. Echidnidae 59. 60. Edentata 476. Ei 8. Eichhörnchen - Flugbeutler 158. 160 Eierjtöde 23. Eigenwärme 10. Einfiedlerleben 38. Elefantenjpigmaus 349. — Nordafrifanifche 349. Emballonura nigrescens 418. Embalionuridae 417. Emballonurina 415. 370 Emballonurinae 417. Eonycteris 414. — spelaea 414. Epaufetten-Ftughund,Oroßer413. — Stleiner 413. Epauletten-Flughunde 411. Epididymis 23. Epiglottis 21. Epistropheus 13. Epomophorus 397. 411. — buettikoferi 413. — comptus 413. — gambianus 413. — minor 413. — neumanni 413. — pousarguesi 413. — pusillus 413. — stuhlmanni 413. — veldkampi 413. — zechi 412. —— zenkeri 413. Epomops 411. Eptesicus fuscus 461. — serotinus 460. Erdferfel 478. 479. — Hthiopifches 480. — Rapijches 480. Ericulus 265. — setosus 265. — telfairi 265. — — palescens 265. Erinaceidae 321. Erinaceinae 321. Erinaceus aethiopicus 345. — albiventris 345. — albulus 324. — algirus 325. — — vagans 325. — auritus 324. 326. — calligoni 324. — collaris 345. — concolor 324. — europaeus 327. — — dealbatus 326. — megalotis 345. — pietus 345. — selateri 324. Eueuscus 169. Eunycteris 410. — papuana 410. waltlippenfledermäufe 422. Naultier, Rußbraunes 549. Saultiere 545. Sederichwanz-Phalanger 154. Feipikmaus 291. seldipisimäufe 289. Selfenfänguruh 219. — Stleines 219. selfenfänguruhs 218. selsphalanger 165. silander 229. 234. sücerfledermäufe 419. „slaiche” 25. Slatterntafi 359. Tlattertiere 363. Sledichmwanzbeutelmarder 128. Sadregiiter. Fledermaus, Braune 473. — Frühfliegende 457. — Gefranite 473. — Gemeine 471. — Gemwimperte 473. — Großohrige 473. — Grüne 465. — Kleine 473. — Langohrige 450. — Nauharmige 460. — Note 465. — Spütfliegende 460. — Weißgraue 465. — Welmwitjchs 473. — Zweifarbige 463. Fliegender Hund 397. Slugbeutler 158. Sluafuchs 400. Flughund, Grandidiers 410. Flughundartige 396. | FSluahımde 39. — im engften Sinne 397. Fortpflanzung 8. 9. 35. Freifchmwänzige (Fledermäufe)415. — $lattnafige 417. Fruchtfrejler 392. Fuchskufu, Dunkler 173. — Gemöhnlicher 170. Fuchskufus 166. Fuchsphalanger 170. Sup 15. Galeopithecidae 357. Galeopithecus 358. — philippinensis 359: — volans 359. Galerix 354. 357. Galle 20. Sallenblaje 20. Saumenjegel 19. Gebik 16. 17. 18. 19. 35. 4. Gebun 168. Geburt S. Gefühl 24. Gehirn 26. 27. Gehör 25. Sehörnöchelchen 17. Geiftige Fähigkeiten 283—32. Geftöje 12. 21. Gelbbauch-Flugbeutler 158. Gelbfurfänguruh 219. Selenfverbindung, doppelte 13. Gemiütsbewegungen 32. Geogale 266. — aurita 266. Geographifche Verbreitung 42. 43 Geruch 24. 25. Geichlechtscharaftere, jefundäre 5% Geichlechtsleben 35. Geichlechtsorgane 23. Gejchmad 24. Sejchmadsbecher 19. Gejchmadsfnojpen 19. Gejelligfeit 38. Gejicht 25. Seweid 3. 4. Slattnalen 445. Slattnaitge Freifchwänze 417. Glischropus batchianus 465. — nanus 464. — tylopus 464. 465. Glossonycteris 432, Glossophaga 432. — sorieina 433. Glottis 21. Glyptodon claviceps 566. Glyptodonta 565. 566. Goldmull, Kapiicher 271. ‘ Goldmulle 270. Goldnadenflughund 419. GSraaffcher Follifel 9. Srabflatterer 418. — Nadtbäudiger 418. Srannenhaar 3. Gravigrada 565. GSreiffußhüpfer 187. 188. Sroßflattertiere 392. Sropfußfänguruhs 229. Sroßohr 450. Sroßohrigel, Afahaniicher Grymaeomys agilis 111. Grypotherium 565. 566. — domesticum 564. Siürtelmaus 523. 38. ' Giütrtelmulle 505. 528. Gürteltier, Braunzottiges 509. Gürteltiere 502. Gymnobelideus 157. 158, Gymnura 346. Gymnurinae 346. Gyri 26. Haare 1. 2. — Öruppierumg 2. — Nidhtung 2. | Haarigel 60. 61. 346. Haarihwanzmulle 301. Haarftrich 2. Haarmwechjel 3. Halbboritenigel 265. Halbmondfänguruh 217. Haimaturus 229. Halsbandfledermaus 421. Halsbandflughund 407. 409. Halsbandigel 345. Halswirbel 13. — Zahl 13. Hammerfopfflughund 411. Hand 14. Handflügler 363. Handjchuhfänguruh 240. Hardiwides Igel 34. Harnblaje 23. Harnhaut 9. Harnleiter 23. Harnröhre 23. Harpyiocephalus 467. — leucogastra 467. Harpyionycterinae 396. 397. Harpyionycteris 397. Hartgürteltiere 505. 508. Hafenfänguruh,Gemwöhnliches214. Hajenfänguruh, Zottiges 214. Hafenfänguruhs 213. Hafenmaulflatterer 419. Hathylacinus 134. Hausipismaus 2%. Haut 1. 3. Hautdrüjen 5. 6. Heliosorex 293. — roosevelti 293. Hemibelideus 164. Hemicentetes 265. — nigriceps 265. — spinosus 265. Hemiderma perspicillatum 432. Herz 11. Hinterhaupt 13. Hipposiderinae 437. Hipposideros aleyone 438. — armiger 437. — caffer 437. — commersoni 437. — cyclops 438. — fuliginosa 438. — — marungensis 437. Höcerzahnflughunde 411. Höhlenbauten 36. Höhlenfluggund 414. Hohlvene, untere 20. Holarktiiche Region 44. Hörmer 3. 4. Hottentottenmull 271. Hufe 4. 5. au lamal, Große 441. — — ftlihe 444. — Hildebrandts 445. -— Kleine 439. Hufeifennajen 436. — Eigentliche 439. Hundsigel 327. Hundskufu 174. Hylomys 346. — suilla 346. — — dorsalis 346. Hypsignathus 397. 411. — monstrosus 411. Hypsiprymnodon moschatus 188. Hypsiprymnodontinae 187. Hypsiprymnus 193. Ssael 327. — im engern Sinne 321. — Stoliczfas 345. Soelartige 321. Soeltanref 265. — Gemöhnlicher 265. — Telfair3 265. Ineisivi 18. Insectivora 259. — primitiva 119. Snjeftenfrejjer 259. Intestinum 20. — crassum 21. — tenue 20. Smafänguruh 240. Habell-Epaulettenhund 413. Habell-Känguruh 246. Ischnoglossa 432. Kugelgürteltier 520. | Sadregiiter. Ssuar calado 526. Sungenaufzucht 8. 35. Sungmore 72. Kaballaya 497. Staguang 359. Stalong 397. Kammzahnflatterer 427. Känguruh, Browns 234. — tlinfes 235. — Gebändertes 212. — Öebranntes 234. — Greys 239. — Parıys 241. Känguruhartige 187. Känguruhratte, Eigentliche 194. — Note 19. Känguruhratten 188. Känguruhs im engern Sinne 194. — im engiten Sinne 229. Kaninchenbandifut 140. Kapızenfaultiere 548. Kap-Nork-fänguruh 235. Kafjoli-manjur 497. Stehldedel 21. Kehlfopf 21. | Kerfjäger 259. | Kerivoula 473. — africana 473. — pieta 473. Kiodotinae 3%. 414. Klappnafe, Ugpptifche 416. Klappnajen 415. 416. Stleinbeutler 153. Kleinflatterer 415. | Sleinfledermäufe 415. | Stleinhufeifennaje 445. Kletterbeutler 150. Stletterfledermaus 464. Klippenrüfjelipringer 349. Stloafe 23. Sloafentiere 52. Soala 174. Koalemus ingens 179. Kolbenförperchen 24. Kragenfaultier 549. Krallen 4. 5. Kubin 359. Kunftfertigfeiten 36. Kurzkopf-slugbeutler 159. Kurznafenbeuteldachs 145. Kurznajenflughund, Gemwöhnlicher 410. Kurznajenflughunde 410. Kurznajenvampire 433. Kurzohrfledermaus 469. Kurzohrfänguruh 219. Kurzihwanzgürteltier 508. Kurzihmwanzfängurub 230. Kurzihwanzmaulwurf 320. K turzjchtwanzipigmaus 284. ' Kusfus 166. Kufus 169. Lagena 25. Lagorchestes 213. orl Lagorchestes conspicillatus 214. — — leichhardti 214. 215. — — typicus 214. 215. — hirsutus 214. — leporoides 214. Lagostrophus 211. 212. — fasciatus 212. Landjchnabeltiere 59. Landtiere 33. Zanagflügelflatterer 473. Langnajenbandifut 143. Langohr 450. Zangohrhufeifennaje 444. Langrüffelmaulwurf 320. Langjchnabeligel 71. — Bruinfcher 72. — Schwarzitacheliger 72. Langichwanzflatterer 473. Langjehwanzfledermäufe 415. Langichwanzichuppentier 493. Langjchwanztanteis 266. Langzungenflughund, Kleiner 414. — Woodfords 414. Langzungenfluahunde 414. Langzungendampir, Gezeforns 433. — Spikmausartiger 433. ' Langzungenvampire 432. | Lantanotherium 357. Larynx 21. Lasionycteris noctivagus 464. | Lasiurus 465. — borealis 465. — — bonariensis 466. — — mexicanus 466. — — pfeifferi 465. — — salinae 466. — — seliotis 465. — — seminolus 465. — — varius 466. — cinereus 469. Lautfähigfeiten 36. | 2eber 20. Leiponix 397. Leucono& 468. — bocagei 470. — dasyeneme 470. — daubentoni 468. Leufochten 12. Ligamenta vocalia 21. Limnogale 266. — mergulus 266. Lippen 19. | Lonchorina aurita 431. Luftröhre 21. Zunge 22, Lomphdrüfen 12. 13. &ymphe 12. Lysiurus 516. Macroglossus novae-guineae 414. Macropodidae 157. Macropodinae 194. Macropus 229. — agilis 235. — antilopinus 251. 972 Macropus bedfordi 230. 233. — bennetti 236. — billardieri 230. 231. — brachyurus 230. — browni 229. 234. — bruni 229. 234. — coxeni 229. 235. — dama 232. — derbianus 232. — dorsalis 238. — eugenii 230. 232. — giganteus 253. — — fuliginosus 253. — — melanops 253. — — oceydromus 253. — greyi 239. — irma 240. — major 253. — manicatus 240. — parma 230. 233. — parryi 241. — robustus 245. — — alexandriae 247. — — alligatoris 246. — — argentatus 246. — — cervinus 246. — — erubescens 246. — — isabellinus 246. — — reginae 247. — — woodwardi 246. — ruficollis 238. — — var. bennetti 236. — — var. typicus 236. — rufus 247. — — occidentalis 248. — stigmaticus 229. 234. — thetidis 230. 233. — ualabatus 239. — wilcoxi 229. 235. Macroscelides 349. -- proboscideus 349. -— rozeti 349. — rupestris 349. — typus 349. Macroscelididae 348. Madagafliihe Region 49. Magen 20. Matiphalanger 164. Malaien-Spishörnchen 356. Mallangong 72. Mammae 6. Mammartafche 7. Mandeln 19. Manis aurita 493. 499. — dalmanni 499. — gigantea 493. -- — fossilis 501. — javanica 493. 499. — longicaudata 493. — pentadactyla 493. 497. — sindiensis 501. — temmincki 493. 495. — tetradactyla 493. — trieuspis 493. 495. Mantelflughund 410. Mantelgürteltier 523. Marmosa 99. 111. Sacdregifter. Marmosa emiliae 112. — murina 112. — pusilla 111. Marsupialia 87. Matafo 520. Matrix 4. Maulwurf 303. — Blinder 320. — Nordamerifanifcher 300. — NRömilcher 320. Maulmwurfartige 293. Maulmwürfe im engern Sinne 298. Mausohr 471. — Bechfteind 472. Mausohren 468. 470. Mediterranes Übergangsgebiet4. 46. Megachiroptera 392. Megaloglossus 414. — woermanni 414. | Megalonyx 566. _ Megaerops 397. Megatherium americanum 568. Meigneriche Körperchen 24. Melonycteris 414. Merfeliche Zellen 24. | Mesenterium 12. 21. Metachirus 99. 108. — crassicaudatus 108. — opossum 108. — quica 108. | Mierochiroptera 415. Microdelphys 113. Microgale 266. — longicaudata 266. Microlestes 40, Micropteropus 413. Microsorex 283. Milch 8. Milcprüjen 6. 7. Milchgebiß 18. 19. Milchleilte 6. Milchitreifen 6. | Milz 12. Minioptereae 473. Miniopterinae 473. Miniopterus 473. — dasythrix 474. — schreibersi 473. — scotinus 474. missing link 27. Mogera 321. — robusta 321. — wogura 321. Molares 18, Molossus 420. — glaucinus 420. — perotis 421. — rufus 420. Monotremata 52. 59. Mooripigmaus 284. Mopsfledermaus 447. Moral 32. Mormopinae 429. Mormops 429, — blainvillei 429. Mojchusbifam 298. Mojchusfänguruh 188. Moihusipismaus, Braune 292. — Öraue 29. Mucura 107. — chichica 108. 109. Mufflengong 72, Muletia 506. Mut 303. Multituberculata 40. 86. 118. Mund 20. Murinae 467. Mylodon 566. — robustus 566. Myogale 294. — moschata 29. — pyrenaica 295. — — rufula 29. Myogalinae 294. Myonycteris torquatus 409. Myotis 468. 470. — bechsteini 472. — emarginatus 473, — lucifugus 473. — marinus 471. — myotis 471. — nattereri 473. — welwitschi 473. Myrmecobiinae 119. Myrmecobius fasciatus 179. Myrmecophaga didactyla 542, — tetradactyla 538. — tridactyla 528. Myrmecophagidae 527. Mystacops 423. Myxopoda 475. Myxopodeae 475. Myzopoda 474. 475. — aurita 475. Nachthunde 406. Nahtichmwirrer, Großer 471. Nachttiere 38. Nadtfledermaus 421. Nacdtrüdenflughund 410. Nadtihwanzgürteltiere 516. Nägel 4. 5. Nagelichwanzfänguruh 218. Nagelihwanzfänguruhs 215. Nahrung 34. Nahrungserwerb 16. Nanonycteris 413. Nafe 24. 25. Najenbeuteldachs 143. Nafenbeutler 139. 142. native bear 176. 187. — pig 146. — tiger 133. Nearktifche Subregion 44. Necrogymnurus 346. 348. Nectogale 293. — elegans 293. Neencephalon 30. Neogäa 44. Neomylodon 565. Neomys 284. — fodiens 285. — minor 284. Neosorex 283. — hydrodromus 284. — palustris 284. Nervenfajern, Kreuzung 27. Nervenigitem 24. Nervus olfactorius 25. Nesonycteris 414. — woodfordi 414. Neitbauten 36. „teg‘' 21. Neurotrichus 294. Neufeelandfledermaus 423. Nem-Pork-Fledermaus 465. Niadius 397. Niehaut 26. Nieren 22. Nilflughund 407. Noctilionidae 419. Nosopteris 414. Notiosorex 283. Notogäa 43. Notoryctes typhlops 134. Notoryctidae 134. Nototherium 180. Notrotherium 566. Nyecticejus 465. — borbonieus 465. — schlieffeni 465. Nyetinomus 422. — australis 422. — cestoni 422. — johorensis 422, — taeniotis 422, Nyctophilus 446. Nyctymeninae 396. 397. Oberhaut, Verhornung 3. Oceiput 13. Ohrenbeuteldachs 140 Ohrenfledermaus 450. Ohrenfledermäufe 448. DOhrenigel 324. 326. — ZHpriicher 344. Omentum 21. Onychogale 215. — frenata 216. — lunata 217. — unguifera 218. DOpofjum, Dunfles 173. — Nordamerifanifches 100. DOpoffumratte 190. DOpojjumratten 189. Drientaliihe Region 49. 50. DOrnithogäa 43. Ornithorhynchidae 59. 72. Ornithorhynchus 72. — agilis 85. — anatinus 72. — paradoxus 72. Orycteropodidae 479. Orycteropus 479, — afer 480. — aethiopieus 480. — capensis 480. Oryzoryctes 266. — gracilis 266. — hova 266. Sadregiiter. Oryzoryctes niger 266. — tetradactylus 266. Oryzoryctinae 263. 265. Os articulare 17. — ethmoideum 25. Oesophagus 20. Osphranter 247. Os quadratum 17. Dtterjpikmaus 266. DOtterfpismausartige 266. Ovarium 23. Pachyura 290. 292. — caerulea 292. — etrusca 29. — murina 292. — suaveolens 292. Pacinische Körperchen 24. Padenelon 233. Paläarktiiche Subregion 44. Palmenflughund 406. 409. Pancreas 20. Bangolin 497. Panochthus 566. Papillae circumvallatae 19. — foliatae 19. Parascalops 301. Parascaptor 321. Parasorex 354. 357. Parmafänguruh 233. Patagium 358. Belzflatterer 357. Penis 23 Peracyon cynocephalus 132. Peragale 140. — lagotis 140. Perameles 140. 142. — bougainvillei 144. — — fasciata 144. — gunni 144, — moresbyensis 147. — myosurus 144. — nasuta 143. — obesula 145. Peramelidae 139. Peramys 113. — americana 113. — domestica 114. — sorex 113. Petaurista taguanoides 163. Petauroides 162. — volans 163. Petaurus 157. 158. — ariel 158. — australis 158. — breviceps 158. 159. — flaviventer 158. — sciureus 158. 160. Petrodromus 349. 351. — sultani 351. — tetradactylus 351. Petrogale 218. — brachyotis 219. — coneinna 219. — penicillata 219. — xanthopus 219. Pfeilfchwanz 356. Pfortader 20. Pförtner 20. Phalanger 153. — Dahls 169. — Gelber 165. — Wolliger 163. Phalanger 166. — brevicaudatus 167. — celebensis 169. — maculatus 167. — nudicaudatus 167. — orientalis 168. Phalangeridae 150. Phalangerinae 153. Phalangista 166. — cooki 165. — lanuginosa 163. Pharynx 20. Phascolarctinae 174. Phascolaretus ceinereus 174. Phascologale 122, — flavipes 123. — — yar. leucogaster 124. — — var. typica 124. — penicillata 122. Phascolomiyidae 181. Phascolomys lasiorhinus 181. — latifrons 181. 182. — mitchelli 181. — platyrhinus 181. — ursinus 181. — wombat 181. Phascolonus gigas 181. Philander 99. 170. Pholidota 488. Phyllonycteris sezekorni 433. Phyllostoma 431. — hastatum 432. Phyllostomidae 434. Phyllostominae 430. Bil Tinielihmanzkänguruh 219. Pipistrellus 453. — pipistrellus 454. Placenta 9. Plagiaulax 40. Platyonyx 566. Platypus 72. Plecoteae 446. Plecotus 466. 448. — auritus 450. Pleura 22. Plica semilunaris 26, Plumpbeutler 181. Podabrus 125. Polyprotodontia 96. Potamogale 266. — allmanni 267. — velox 266. Potamogalidae 266. Potoroinae 188. Potorous 189. 193. — apicalis 194. — gilberti 193. 196. — murinus 193. 194. — platyops 193. — rufus 194. 974 Potorous tridactylus 193. 194. Praemolares 18. Primäranlagen 7. Priodon 518. Priodontes 509. — giganteus 518. Prionodon 518. Processus coracoideus 16. Prodidelphya 119. Proöchidna 60. 71. — bruijni 72. — nigroaculeata 72. Promammalia 59. Prostata 23. Protalpa 321. Prothylacinus 134. Protodonta 118. 119. Prototheria 59. Pseudochirus 163. — albertisi 166. — archeri 165. — canescens 166. — cooki 164. 165. — dahli 165. — forbesi 166. — lemuroides 164. — occidentalis 164. 165. — peregrinus 163. — schlegeli 166. Ptenochirus 397. Pteralopex 397. 410. Pterocyon 397. 406. Pteropinae 396. 397. Pteropodidae 396. Pteropus 397. — celaeno 397. — chrysanauchen 410. — conspicillatus 410. — edwardsi 397. — livingstoni 397. — medius 400. Pterygistes 457. — leisleri 460. — noctula 457. Ptilocereus lowi 356. Pulmo 22, Pylorus 20. Dutaint 146, Duica 108. 109. Nabenfchnabelbein 16. Nabo molle 517. Rachen 20. Nambawe 168. Nattenigel 346. — Stleiner 346. Naubbeutler 118. — Eigentliche 131. Neistanref3 266. Neiswühler 263. 265. tenes 22. tete Malpighii 1. Rhinolophidae 436. Rhinolophinae 437. 439. Rhinolophus affinis 444, — alcyone 445. Sacregifter. Rhinolophus aethiops 444. — blasii 444. — capensis 444. — clivosus 444. — euryale 444. — ferrum-equinum 441. — hildebrandti 445. — hipposideros 439. — lepidus 445. — lobatus 445. — Jluetus 444. — macrotis 444. — megaphyllus 444. — midas 445. — perniger 444. — simplex 445. | Rhinopoma 416. — micerophyllum 416. Rhinopomidae 415. Rhynchocyon 349. 352. — cirnei 352. — petersi 353. — stuhlmanni 353. Niechnerv 25. Niefenbeutelmarder 128. Niejenfaultier 565. Niejenfledermaus 471. Niejenflugbeutler 162. Niejengürteltier 518. Niejengürteltiere 566. Niejentünguruh, Graues 253. — Notes 247. Niejenfänguruhs 242. Niejenmull 271. Niejenpanzertiere 566. Ningelichwanzopofium 163. Ningelihwanzphalanger 163. — Eoot3 164. 165. — Gemöhnlicher 163. — Weftlicher 164. ring tail-Opofjum 163. Nippenfell 22. Nöhrchenzähner 478. Nöhrennajen 467. Notbauchkänguruh 231. Nothalsfänauruh 236. 238. Notfurzohr 468. Notjchenfelfänguruh 235. Roussettus 397. 406. — aegyptiacus 407. — amplexicaudatus 407. — collaris 407. 409. — stramineus 406. 409. Nücenmarf 26. Nüdenjtreiffänguruh 238. Nüffel 25. Nüfjelbeutler 151. Rüfjelhiindchen 352. -— Dunfles 353. — Gefledtes 352. — Petersiches 353. — Neichards 352. — Rotjchultriges 353. Rüfjelratte 351. — Bierzehige 351. Rüffelipringer 348. — Gemeiner 349. Saccopteryx 417. Salfahı 497. Sarcophilus laniarius 132. — satanicus: 129. — ursinus 129. Saugaderjtamm, rechter 13. Säugetierzähner 41. Scalops 300. — aquaticus 300. Scapanus 301. — breweri 301. Scaptochirus 321. Scaptonyx 303. Scapula 16. Schädelbau 16. Schädelnähte 16. Schafhaut 9. ' Schamjchant 168. ' Scheidenjchwanzgürteltier 508. ' Schilddrüje 13. ' Schildwurf 523. Schinmelfledermans 465. Schlafmausbeutler, Didihwän- iger 156. Schleimhautzotten 20. Sclisrüßler 267. Schlund 20. Schlüffelbein 16. Schmetterlingsfledermaus 473. Schmuchaje 438. Schnabeligel 59. 60. 61. — Auftralifcher 61. — Bapuanifcher 62. — Tasmanijcher 62. Schnabeltier 72. ' Schnabeltierartigeim engern Sinn 12. Schnabeltiere 39. 59. 72. „Schnede” 25. ' Schneidflatterer 427. Schulterblatt 16. Schuppentier, Dreizadiges 49. — Hinterindijches 499. — Weißbauch- 49. ' Schuppentiere 488. Schußfärbungen 37. Schwanzfledermäufe 418. Schwarziopftanref 265. Schwarzichwanzfänguruh 239. Schweinsfuß 148. Schweinsigel 327. Schweißdrüfen 5. Schmwielenfuß 464. Schwimmbeutler 116. Schmirrfledermäufe 465. Scelidotherium 566. Scleropleura 505. Scotonycteris 397. Scotophilus 465. — borbonicus 465. — schlieffeni 465. Scotozous 465. Scrotum 23. Sechsbindengürteltier 510. Seelenleben 32. Seefäugetiere 33. Siebbein 25. Silberbifan 298. Silberhaar- Fledermaus 464. Sillu 497. Sinnesorgane 24. Sinushaare 24. Sittlichfeit 32. ©felett 13. 14. Sminthopsis 124. — albipes 125. — crassicaudata 125. — fuliginosa 124. — murina 124. Sohlengänger 15. Solenodon 268. — cubanus 268. — paradoxus 268. Solenodontidae 267. Sonorifches Übergangsgebiet 45. Sorex 276. 283. — alpinus 276. 281. — araneus 276. — — var. nigra 281. — — var. nuda 281. — cooperi 283. — minutus 276. — pygmaeus 276. 281. — vulgaris 276. Soricidae 272. Soricinae 275. Spaltnajenflatterer 418. Spectrum 410. — epularium 410. — hypomelanum 410. — insularis 410. — marianum 410. — pselaphon 406. — samoensis 410. — ualanum 410. Speicheldrüfen 19. Speijeröhre 20. Speziesbegriff 50. 51. Sphaerias 397. Spielen 31. Spiefblattnaje, Gemöhnliche 432. Spießblattnajen 431. Spina scapulae 16. Spibbeutler 119. Spishörnden 354. — ederichwänziges 356. Spikmaus, Bendires 283. — (Coopers 283. — Große 291. Spibmausartige 272. Spismäufe im engern Sinne 275. Spigmäufe im engjten Sinne 276. Spibmaus-Maulwürfe 294. Spibmull 294. Sprache 30. 31. Sprachzentrum 31. Springbeutler 187. Stacheligel 60. 61. GStadeln 3. Stenoderma 433. — achradophilum 434. Stenodermata 433. Steppentängurubratte 193. Steppenjchuppentier 49. Sacdregtiter. Sternmult 302. Stimmbänder 21. Stimme 21. 36. Stimmrige 21. Stoliczlas gel 345. Stratum germinativum 1. Streifenbeuteldach3 144. — Gunns 144. — Reftauftraliicher 144. Streifenphalanger 162. Streifentantek 265. Strichfanal 7. _ Stumpfmull 271. Stußbeutler 148. Styloctenium 397. Subeutis 1. suggar-squirrel 160. Sulei 26. Syconycteris papuana 414. Synotus 446. —— barbastella 447. Tacuache 268. Tafa 122. Talgdrüjen 5. 6. Talpa altaica 320. — caeca 32. — europaea 303. — longirostris 320. — micrura 320. — romana 320. Talpidae 293. Talpinae 298. Tamandua 538. Tamandua tetradactyla 538. Tamanoa 528. Tambriet 72. Tana 354. Tanref 263. Tapetum 25. Taphozous 418. — affınis 418. -— mauritianus 418. — nudiventris 418. — peli 418. ' Tarsipedinae 151. Tarsipes rostratus 151. — spenserae 151. Tajchenfledermäufe 417. Tajthaare 24. Taitkörperchen 24. Taftfinn 24. Taftzellen 24. Tatupoyu 509. Tatus 506. — bybridus 508. — novemeinctus 506, — uroceras 508. Tatusia 506. Tatusinae 505. Teichfledermaus 470. Testes 23. | Teufel 129. Theriodesmus 39. 40. | Theriodontia 49. | Thoopterus 410. Thylacinus cynocephalus 132. [ri ZI (by | Thylacinus major 134. — spelaeus 134. Thylacoleo 179. Thylogale 229. TIhymusdrüfe 13. Thyreoidea 13. Thyroptera 474. 475. — tricolor 474. Toggul bamwali 400. Tohumbuf 72. Tolypeutes 509. — conurus 523. — muriei 523. — trieinetus 520. | Tonsillae 19. Trachea 21. | Träumen 31. Triaenops afer 438. Trichosurus 166. 169. — caninus 174. — fuliginosus 173. — vulpecula 170. Trieonodonta 118. 119. Triglyphus 40. Tritubereulata 118. 119. Tritylodon 39. 40. 41. Truncus lymphaticus dexter 13. Trygenycteris 414. Tuba 23. Tubulidentata 478. Tupaia ferruginea 356. — tana 354. ' Tupaiidae 354. Tüpfelbeutelmarder 127. Tüpfelfusfus 167. | Mää 161. UÜbergangsgebiete in Der dgeo- graphiichen Verbreitung 43. Umberfledermaus 461. Unau 547. Unterfiefer 16. Uretheres 23. Urethra 23. Uropsilus 294. — soricipes 294. Urotrichus 294. — talpoides 294. Urgquamata 134. Urfprung der Säugetiere 33 —4. Uterus 9. 23. Uvula 19. Vagina 23. Bampir, Großer 430. — tleiner 431. Vampirus spectrum 430. Vena cava inferior 20. — portae 20, Ventrieulus 20. Verdauung 20. Vesica urinaria 23. Vespertilio 453. — borealis 461. — capensis 463. — damarensis 464. — grandidieri 463. 976 Vespertilio minutus 463. — murinus 463. — pachypus 463. — serotinus 460. — temmincki 463. — tenuipinnis 464. — venustus 463. Vespertilioneae 453. Vespertilionidae 445. Vespertilionina 415. 436. Vesperugo 457. Vielhöcderzähner 40. 4. Vielmeiberei 35. Bliesigel 60. Boriteherdrüfe 23. Vagoit 166. Waitorefi 86. Waldfledermaus 457. Waldfledermäufe 457. Waldjeqler 457. Waldjpismaus 276. Wallabies, Kleine 229. — mittlere 235. Wallaroo 245. Wanderfledermaus 461. Wanderungen 37. Wangal 167. 168. Warmblütigfeit 10. 11. Wärmejchug 4. Wafjerfledermaus 468. Wafjerflevermäufe 468. Wafjermaulmürfe 294. Wafjerichnabeltiere 59. Wafjeripitmaus 255. Sacregifter. Waffertpigmäufe 284. VBeichgürteltier, Langfchwänziges 506 — Neungürtelige3 506. Weichgürteltiere 505. Weigbauchigel 345. Weigbauchröhrennafe 467. Weigborjtengürteltier 510. Weipfledermaus 418. Weipfledermäuje 418. VWeißflügelfledermaus 464. Werkzeuggebrauch 32. Weftafrifanifches Waldgebiet 47. Wieelihwanzphalanger 163. Wilcorfänguruh 235. Wimpern 26. Wimperjpigmaus 292. Winterpelz 3. Winterjchlaf 37. Wohnungsbauten 36. Woitotefe 43. Wollhaar 3. Wolldaarbeutelratte, Gelbe 110. — Rote 110. Wombat, Mitchell 181. 182. — Tasmanifcher 181. - Wombatartige 181. Wurbagul 400. Wychudol 29. | Xantharpyia 397. — torquata 409. Xenarthra 502. Xenurus 516. Yapod 116. Yurumi 528. Zaedius minutus 510. Zaglossus 60. 71. Bahnarne 476. gähne 17. 18. Bahnmechjel 18. Zäpfchen 19. Hebrahund 132. Behengänger 15. Bißen 6. 7. Hottenbildung 9. Surdereichhorn 160. Hügelfänguruh 216. Sunge 19. Bweivorderzähner 150. Hmeizehenfaultier 547. Sweizehenfaultiere 547. Bmerchfell 12. Hwergameifenfrefjer 542. Smergbeutelratte 111. Hmergflatterer 473. Smwergfledernaus 454. — Braune 463. — Rotföpfige 463. — Bmeifarbige 463. Smergfledermäufe 453. Smergflugbeutler 154. Hmerggürteltier 509. Bmerghufeifennafe 439. Smergfänguruh 216. Smergipismaus 276. 281. Smifchentiefer 18. Smitterbildungen 23. Adams 498, Adams, 2. €. 306. 315. — Leith 443. 453. Albrecht 331. Altan 497. Allen 99. „ter Bujchmann” 198. Altum 274. 275. 278. 290. 317. 335. 338. 343. 371. 374. 375. 378. 442. 448. 450. 451. 453. : 456. 457. 459. 460. 461. 469. 470. 471. 472. 473. Ameahino, Florentino 134. 565. 566. Anderen, Knud 444. 339. Anderjon, %0hn 292.323. 324.345. Angas 182. 185. Arnbäd-Chritie- Linde, U. 272. 453 Audubon 101. 102. 104. 301. Yusden 289. Yzara 426. 510. 511. 512. 518. 520. 521. 530. 538. Bachmann 301. Bacdofen v. Echt 457. Baldenitein, Conrado von 282. Ball 342. Banks, Sir Zojeph 242. Bär 326. Baer, Karl Ernit dv. 8. Bartlett 541. Bajevdomw 214. 215. 249. 250. Bap 183. 184. Bate, Dorothh 326. 344. Bates, ©. 2. 267. 364. 376. 379. | 413. 421. 428. 430. 431. 432. 438. 494. 532. 544. 552. Bechitein 281. Beder 334. 282. 288. Antorenregiiter, Bell 396. 459. Bennett, ©. (jen.) 63. 68. 75. 79. 80. 81. 83. 84. 184. — im. 64. 75. 77. 78. Bertram 107. Bertrand, 9. 333. Bemwid 181. Bielz 282. Blaaum 210. Blanford 290. 292. 320. 345. 346. 356. 409. 414. 417. 444. 463. 468. 493. Blafius 276. 277. 284. 286. 290. 310. 315. 366. 453. 454. 462. 472. 473. 474. Blyth 354. Bodinus 513. Böhm 351. 352. 413. 463. Bolau 186. 265. 486. 515. Bolle 327. Bölfche 103.260.299.321.332.491. Bontius 360. Bo03, Ritema 316. Böfelager, Alb. Frhr. dv. 209. — Phil. Frhr. d. 207. 208. Bougainville 233. Brandes 94. 197. Brandt 268. 293. 295. Brak, E. 95. 104. 163. 171. 172. 187. 211. 237. 298. Brehm, Chr. L. 289. 387. — Reinhold 295. H. 278. 291. 372. 463. 280. 292. 397. 468. 281. 306. 447. 470. Breplau, E. 6. 7. 53. | Brodmann 30. Bronn 270. 272. Broom, R. 4. Bruce 308. Buffon 480. 550. Burd, W. 380. a Ya Sr Burmeifter, 9.113. 426. 430. 435. Beddard 90. 239. 272. 358. 359. | Brehm, Tierleben. 4. Aufl. 527. 565. X. Band. Burt 498. ' Büttifofer 492. 493. 494. Burton 418. Bynoe 218. Eajfer 555. Cahn, B. 218. 235. 246. 248. 522. 523 Caldwell 53. 75. Gantor 356. Cartrey 280. Chambers 252. Cohn, 2. 147. 148. Eollett, Robert 71. 164. 165. Eoof 163. 242. 243, Corona 269. Eoefter, &. 286. 291. Eoues 466. Comward, T. U. 442. 443. Cram 102. 103. 302. 303. 473, | Eupier 89. 97. 358. 487. 550. | Dahl, 3. 306. 316. — $tnut 165. Dale 121. Darling 169. Darwin, Ch. 33. 436. 510. David, Peter 262. Dapijon 347. De Bruyn 229. 234. vb. d. Decken 474. Dependorf 91. 146. Desmarchais 494. De Bis 235. Dobjon 275. 293. 391. 409. 410. 411. 412, 413. 418. 419. 422. 429. 432. 433. 434. 435. 436. 437. 464. 468. 474. Dohrn 406. Donnier, Emil 206. Doran 359. 87 978 Doria 72. Dräjefe, S. 370. Du Chaillu 266. 267. 411. Edinger 30. Ehlers 4. Eismann, Gujtad 482. Elliot, Sir Walter 497. Emin Rajcha 413. Engliih, Douglas 273. 274. 277. 280. 286. Eipada, Simenez de la 474. wyaber 451. Falz-zein, Fatio 281. Trield 485. Filhol 501. Silher, AU. 8. 461. Tisinger 506. 508. 523. slourens 311. lower 41. 179. 270. 303. 419. 434. 476. 508. Fodelmann, Aug. 239. orbes 169. srancis 351. Tsrajer 419. 49. Stiedel 327. riedenthal, Hans 62. 88. sroggatt 96. Fund, N. 561. Surlotti 305. xt. 195. 210. 282. 443. Gadow, Hans 134. 135. Saimard 167. 558. Garrod 227. 523. Gaudry 497. Gaupp 40. Sean 557. 558. Gegenbaur 7. 52. 53. 54. Ce = -Hilaire, U. 186. 315. 387. Gesner, K. 3. 550. Geupel-White 405. Giebel 270. 272. 507. 546, Gilbert 120. 124. 165..19122192 241. Sloger 281. Gößi 109. 111. 547. Soodfellomw 162. Göring, U. 521. 526. 527. Sörling 211. 218. 246. 248. Gofje 419. 420. 434. Gould, FZohn 123. 124. 128. 129. 130. 132. 143. 144. 145. 149. 157. 161. 163. 164. 173. 175.183. 184. 191. 193. 194. 196. D Q D 3%. 425. 506. 508. 125. 145. 1%. 212. 2 113.411. 125. 133. 152. 165. 185. 212. 2 Autorenregifter. 214. 225. 228. 238. 246. 215. 216. 217. 230. 231. 234. 236. 237. 239. 240. 241. 244. 245. 247. 248. 249. 252. 254. 221. Gould, jun. 173. SGraclls 29. Gray 162. 506. 508. 549. Green 466. Grey, Sir George 152. Gundlach 268. 433. $Sunn 130. 133. Haade, W. 52. 54. 62. 65. 150. 222. 223. 263. 268. 321. 382. 384. 395. 512. 513. Haait, $. vd. 86. Haedel 401. Hagen 147. 168. Hamilton, Barrett 324. 325. Harlan 523. Harris 130. 131. 132. Hart, 3. 9. 380. Hartert 305. Hartig 529. Hartmepyer 176. ' Haßlarl 399. Hausmann 22 Hauthal 564. Held, 2. 28. 29. 30. 69. 94. 131. 133. 134. 142. 160. 162. 163. 171. 173. 200. 217. 218. 222. 223. 225. 238. 239. 241. 245. 246. 496. 522. 527. 542. 544. Heller, Edmund 148. 293. Henneberg 25. Henfel 107. 108. 109. 110. 113.117 .2311.. 318:5829: 427. 435. 505. 507. 517. 541. 130. 161. 209. 248. L13R 426. 540. Herodot 3%. Heualin, Th. dv. 381. 382. 406. 481. 483. 493. 4%. Hill, Fortune 250. — James PB. 147. Hodgion 437. 444. Hohenlohe-Schillingsfürft, Fürft 211. Holmmwood 497. Home, Sir Everard 184. Hornaday 102. 103. 301. 467. Hornung 290. 331. Horsfield 361. Homes 121. Huber, €. 379. Hudfon, W. H. 466. 467. Hügel 3%. Humboldt 425. 554. 555. 556. Hunter 181. Hutton 345. 437. 444. 467. Hurley 40. Sgaecel, Oskar 310. Sädel-Windsheim 376. 378. 462. Säger, ©. 318. 230. Sagor 361. 399. Sentinf 267. 357. Senyns 282. Serdon 321. 473. 497. 498. ones, %. M. 465. Sunghuhn 360. Kappler 428. 519. 520. 528. 532. 552. 553. Staup 387. 487. Keyjerling 453. Kidd, W. 2. Kirk, Sir John 411. Stlaatich 7. 15. 94. 176. stlee 320. Senochenhauer 497. Senuth 380. Kod) 371. 372. 376. 381. 382. 385. 387. 388. 389. 391. 439. 447. 448. 451. 456. 458. 471. 472. Ktocyan 282. Stolbe 480. Stolenati 373. 377. 387. 440. 442. 448. 457. 462. Köping 396. Kornhuber 282. 444. Stothe 331. 342. Straft, ©. 336. Strefit 126. 131. 149. 190. Lagard 409. Lamdois 273. 305. 388. Zange,*B. 309. Zangfavel 381. 515. Zeche 321. 323. 346. 358. Lecomte 558. Lecourt 316. Leisler 202. Lendenfeld, R. 339. 343. Le Gouef 88. 224. 225. Zejueur 212. 232. Lichtenftein 444. Lichterfeld 483. 485. 535. 554. 555. Liebe 452. 455. Limborg 468. Linne 358. 419. Logan 398. Lönnberg 325. göns, 9. 308. — Rud. 337. Lom 356. 2oemis, D. v. 312. Lumbolg 165. 510. Sydetfer 117. 123. 149. 164. 269. 299 358. 421. 438. 466. 191. 262. 263. 271. 272. 284. 321. . 348. 409. . 416. 432. 434. 435. 453. 459. 461. 499. 266. 2%. 354. 419. 437. 465. v. 75. 78. 86. Lenz 279. 282. 311. 312. 328. 529. 384. 424. 457. 441. 362. 254. 332. 590. 168. 270. . 303. 3%. 429. 449. 473. MacCartdy 419. Macgillivran 234. 236. Ma Maiter 356. 498. Major, Foripth 487. Marihali 544. Martin, Ph. Majon 356. Matjchie, Paul 50. 154. 166. 345. 353. 391. 409. 410. 412. 413. 414. 418. 438. 463. 465. 470. 474. 492. 493. 521. Merkel 52. de Meijere 2. 480. 503. Menegaur 557. 558. Menges 211. 218. 246. Merriam, Hart 283. 284. 300. 301. 383. 464. 465. Meyer, U. B. 169. Miller, ©. ©. 325. 391. 396. 397. 414. 416. 417. 468. 473. 475. Milme-Edmwards, U. 476. 506. Mivart 271. Mohnite 168. Moififovics 279. 282. 289. 327. 443. Mojeley 361. Mojer, 2. Karl 310. Miller (u. Schlegel) 228. — Gebrüder 279. 280. 282. 334. 339. 340. 458. 460. 470, Mirller-Liebenwalde 330. Miütel, Gujtad 159. 2. 549. 551. Matterer 117. Nehring 321. Neumann, Osfar 32. 485. — Raul 527. Nicols 199. 243. Nill, Adolf 535. Nilsion 462. Noadk 349. 352. 464. Noll 532. 533. Nordenjtiöid, Erich 564. — Dtto 564. Ogilvie, Will. N. 205. Dfen 308. 358. Dsborn, W. 119. 422. Dsburn 433. 434. vd. Dften 29. Dtto, Hugo 451. — NR. 329. Dviedo y Baldes, Gonzalo nandez de 550. Omen 54. 55. 89. 565. Drley 398. Ser: 179. 243. PBallas 284. 297. Palmer, Bance 206. 207. Barry, Sir Edward W. 241. Vechuel-Loejche 364. 376. 378. 380. 382. Veron 212. 232. Autorenregiiter. Peters 72. 154. 268. 269. 352. 358. 433. 435. 445. 497. 548. Pfungit, D. 29. Phyjalir, €. 333. Binfert 251. Pilo 554. Bococ 325. a 264. 265. 400. 401. 402. Dun -Nautter, Botho Prey 269. Priemel 500. 501. Buceran 113. Quoy 167. 558. Ramfay 188. Neefer 306. 309. 315. Neiche-Alfeld 65. 133. Reichel 210. Neichenomw 352. Nengger 97. 511. 512. 530. 531. Richter 191. 223. Riemann, B. dv. 297. Noch 400. Nömer, %. 503. 246. 516. 529. Nörig 274. 275. 317. 337. 338. | 442. v. Nojenberg 225. 360. 398. Nojjinsty, D. 306. NRopmäßler 335. Noth 243. Rothichild, N. ec. 225, — Th. Hon. Walter 65. 72. 155. 210. 225. 227. 246. Nueppell 463. v. Sad 54. . Satunin 320. 324. Saville-stent 177. 250. Schäff 535. Scharff 282. Sceifel 563. Scherer, Sojeph 350. Schilling 485. Schlegel. 228. Schmeil 298. 299. 305. Schmidt, Mar 141. 142. 186. 561. Schnee 221. 222. Schneider 357. Schöbl 368. Schomburgf 383. 553. 554. Cchreber 549. 550. Schreitmüller 332. 333. vd. Schrend 326. Schulze, Franz Eilhard 22. Scujter, Wilhelm 208. 209. Schwarz, Ernjt 244. 247, 534. 456. 248. Sclater, Ph. 2. 43. 225. 407. —_®. 8. 271.291. 349.351. 484. 497. 463. 444. ' Snethlage 97. 99. 107. 108. l Sculln, $. 437. Seiler, R. 472. Ceib 197. 217. 236. 252. 253. 546. 556. 558. Selenfa 100. 105. 106. Gelys-Longchamps 282. Semon, R. 53. 55. 56. 58. 62. 64. 65..64.. 68.69, 72. 73 een 77.79.83. 84. 85. 146. 154. 161. 162. 172. 176. 177.: 184. 185. 193. 199. 243. 249. Seth-Smith 178. Shortridge 140. 146. 172, 192. Shortt 39. Sigel 514. Simon, 2. 546. 547. Girta 75. 76. Smith, U. 291. — Elliot 479. 495. 497. Smuts 49. 198 110. 118. 343. ua 379. 432. 544. 552. Soffel 311. Sofolowsfy 535. Spallanzani 370. Spencer 125. 19. Steenitrup 282 Sterndale 29. Sterne, Carus 502. Stirling 134. 135. 136. 137. 180. 113. 114. 115. 519. 539. 542. 559. 564. 138. | Stoliczfa 355. Stone 102. 103. 302. 303. 473. Strabon 3%. Strange 240. 241. Strubell 334. Stuhlmann 353. 409. 463. Sturt 149. Sutherland, Merander 71. 87. 179. Swinhoe 422. 473. 492. Tennent, Sir Emerjon 363. 400. 402. 492. 498. Thevet, %. U. 550. Thomas, Oldfield 71. 98. 99. 110. 113 115° 1162119212219: 125. 126. 128.123. 139: 1497150, 15121532 1922156: 152% 158. 15921632.169=2169! 1707 2 IST SE ker) 190. 192. 193. 212. 213. 215. 218. 219. 227. 229. 229. 230. 2328 233. 234, 2352 2502239: 243. 244. 245. 246. 247. 251. 252. 325. 344. 346. 351. 438. 475. 476. 478. Toldt 61. Topit, Alois 75. 76. Trevelyan 271. Triitram, Canon 418. Trouefjart 265. 266. 271. 272. 283. 290. 2917 2327 3037 3247 355. 37% 79. 83. 84. 580 358. 359. 410. 414. 460. 464. 470. 473. 475. 492. 510. 548. Tichudi 279. 281. 282. 308. 327. 341. 419. 516. 532. Balentun 167. Berrill 268. Birgil 396. Vogt, Karl 14. 15. 16. 30. 44. 117. 150. 259. 261. Dojjeler 351. 352. 353. 484. 496. Wachter, Dsf. 337. v. Wacgquant, Staat3 304. 308. 313.2314.7319. Wagler 516. Autorenregiiter. Wagner, $. U. 549. — Morib 282. Wahnes, C. 148. Wallace 43. 162. 168. 223. 360. 361. 400. 432. 552. Waterhoufe 121. 193. 223. 224. 23682372 Waterton 431. 434. Weber, Mar 2. 27. 43. 48. 60. 89. 181. 260. 261. 270. 272. 321. 323. 358. 359. 436. 437. 476. 479. 480. 487. 488. 489. 4%. 491. 501. 504. 505. 506. 508. 528. 546. Weinland 203. Welcer 279. Wernide 31. Wie, €. 520. Berichtigungen. Wied, Prinz von 364. 419. 435. 518. Rilifch, $. v. 312. Winge 174. 181. 362. 437. de Winton 325. Wibleben, Graf 209. Woltersdorff 452. Wood 178. 341. Wunderlich 407. 487, Wundt, W. 28. 31. Zelebor 407. enter 32. Ziehen 261. 370. Zieß, U. 541. Zimmermann 340. Bittel 118. 119. 567. Seite 120, 152, 155 in der Bilderunterjchrift lieg: Mammals, jtatt Mannuals, - 298, Zeile 21 von oben lies: Schmeil, jtatt Schmidt. - 317, Zeile 5 von unten lies - 317, Zeile 4 von unten lies - 351, Zeile 22 von oben und Taf. „Snfektenfreijer II”, 4, bei ©. 325, lies: Rüfjelratte, jtatt Clefanten- ipismaus. : die, jtatt der. : Breit-, jtatt Beiit-. Drud vom Bibliographifhen Inftitut in Leipzig. Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig. Enzyklopädische Werke. Meyers Grosses Konversations-Lexikon, sechste Auflage. Mit 16831 Abbildungen, Karten und Plänen im Text und auf 1522 Illustrationstafeln (darunter 180 Farbendrucktafeln und 343 Kartenbeilagen) sowie 160 anne Gebunden, in 20 Halblederbänden. . . 5 oa Gebunden, in 20 Liebhaber- Halblederbänden, Prachtausgabe 5 Brehna Ergänzungsband und Jahres-Supplemente dazu. Mit Yıclen Illustra- tionstafeln, Karten und Plänen. Bandpreise wie beim Hauptwerk. Meyers Kleines Konversations - Lexikon, siebente Auflage. Mit 639 Illustrationstafeln (darunter 86 Farbendrucktafeln und 147 Karten und Pläne) sowie 127 Textbeilagen. Gebunden, in 6 Halblederbänden . . . . je Meyers Hand-Lesxskon des allgemeinen Tasse sechste Auflage. Mit 90 Illustr®tionstafeln und 40 Karten. a der Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . 5.0 a Naturgeschichtliche Werke. Brehms Tierleben, vierte Auflage. Mit über 2000 Abbildungen im Text und auf mehr als 500 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt sowie 13 Karten. (Im Erscheinen.) Gebunden, in 13 Halblederbänden. . 2... . .je Brehms Tierleben, Kleine Ausgabe. Dritte, neubearbeitete Auflage. Mit etwa 1200 Abbildungen im Text, 1 Karte und 20 Farbendrucktafeln. (In Vorbereitung.) Gebunden, in 4 Teinenbänden ER ...38 Der Mensch, von Prof. Dr. Joh. Ranke. Dritte Auflage. Mit 695 Abbil- dungen im Text (1714 Einzeldarstellungen), 64 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung | und Holzschnitt und 7 Karten. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . . ... .je Völkerkunde, von Prof. Dr. Friedr. Ratzel. Zweite Auflage. Mit 1103 Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Farbendruck und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . a Q > . je Die Pflanzenwelt, von Prof. Dr. Otto Warburg. Mit mehr als 900 Ab- bildungen im Text und über 80 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. (In Vorbereitung.) Gebunden, in 3 Halblederbänden . . . SET SIE Pflanzenleben, von Prof. Dr. A. Kerner von Marilaun. Zweite Auflage. Mit 448 Abbildungen im Text, 1 Karte und 64 Tafeln in Farbendruck und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . . je Erdgeschichte, von Prof. Dr. Melchior Neumayr. Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. Mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Farbendruck und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Halblederbänden. .je Das Weltgebäude. Eine gemeinverständliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilhelm Meyer. Zweite Auflage. Mit 291 Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder Die Naturkräfte. Ein Weltbild der physikalischen und chemischen Erschei- nungen. Von Dr. M. Wilhelm Meyer. Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder Leitfaden der Völkerkunde, von Prof. Dr. Karl Weule. Mit einem Bilderatlas von 120 Tafeln (mehr als 800 Einzeldarstellungen) und einer Karte der Verbreitung der Menschenrassen. Gebunden, in Leinen Ausführliche Prospekte zu den einzelnen Werken stehen kostenfrei zur Verfügung. Bilder-Atlas zur Zoologie der Säugetiere, von Professor Dr. W. Marshall. Beschreib. Text mit 258 Abbildungen. Gebunden, in Leinen Bilder- Atlas zwr Zoologie der Vögel, von Professor Dr. W. Mar- shall. Beschreibender Text mit 233 Abbildungen. Gebunden, in Leinen 1 Bilder-Atlas zur Zoologie der Fische, Lurche und Kriechtiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreibender Text mit 208 Abbildungen. Gebunden, in Leinen A ZN yr Bilder-Atlas zur Zoologie der Niederen Tiere, von Prof. Dr. W. Marshall. Beschreib. Text mit 292 Abbildungen. Gebunden, in Leinen Bilder- Atlas zur Pflanzengeographie, von Dr. Moritz Kron- feld. Beschreibender Text mit 216 Abbildungen. Gebunden, in Leinen . 3 Kunstformen der Natur. 100 Tafeln in Farbendruck und Ätzung mit beschreibendem Text von Prof. Dr. Ernst Haeckel. In zwei eleganten Sammelkasten 37,50 Mk. — Gebunden, in Leinen. Geographische Werke. Allgemeine Länderkunde. Kleine Ausgabe, von Prof. Dr. Wilh. Sievers. Mit62 Textkarten und Profilen, 33 Kartenbeilagen, 30 Tafeln in Farben- druck, Ätzung und Holzschnitt und 1 Tabelle. Gebunden, in 2 Leinenbänden. .je Die Erde und das Leben. Eine vergleichende Erdkunde. Von Prof. Dr. Friedrich Ratzel. Mit 487 Abbildungen im Text, 21 Kartenbeilagen und 46 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . ea oo Afrika. Zweite, von Prof. Dr. Friedr. Hahn umgearbeitete Auflage. Mit 173 Abbildungen im Text, 11 Karten und 21 Tafeln in Farbendruck, a und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder Australien, Ozeanien und Polar N von Prof. Dr. Wilh. Sievers und Prof. Dr. W. Kükenthal. Zweite Auflage. Mit 198 Abbil- dungen im Text, 14 Karten und 24 Tafeln in Farbendruck, ee u. Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder . e Go SR: : Süd- und M ne von Prof. Dr. Wilh. Sievers. Zweite Auf- lage. Mit 144 Abbildungen im Text, 11 Karten und 20 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder . S : Nordamerika, von Prof. Dr. Emil Deckert. Zweite Auflage. Mit 130 Abbildungen im Text, 12 Karten und 21 Tafeln in Farbendruck, a und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder.. : £ Asien, von Prof. Dr. Wilh. Sievers. Zweite Auflage. Mit 167 Abbildungen im Text, 16 Karten und 20 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder. Europa, von Prof. Dr. A. Philippson. Zweite Auflage. Mit 144 Abbil- dungen im Text, 14 Karten und 22 Tafeln in Farbendruck, Atzung u. Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder. Das Deutsche Kolonialreich. EineLänderkunde der deutschen Schutz- gebiete. Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. Mit 12 Tafeln in Farbendruck, 66 Doppeltafeln in Holzschnitt und Ätzung, 54 farbigen Karten- beilagen und 102 Textkarten, Profilen und Diarrammen. Gebunden, inv2FLeinenbändenwrar re oo a Meyers Geographischer Handatlas. Vierte Auflage. 121 Haupt- und 128 Nebenkarten, 5 Textbeilagen und ee aller auf den Karten vor- kommenden Namen. Eh, in Leinen . i : BEER une, Meyers Orts- und Verkehrslexikon des Deutschen Jeeiches. Fünfte Auflage. Mit 40 Stadtplänen nebst Straßenverzeichnissen, 1 politischen und 1 Verkehrskarte. ne der Er Gebunden, in 2 Leinenbänden . . . RE Eee ee RO Ritters eberipnisch:Btarisltsehes ih Neunte PER Revidierter Abdruck. Gebunden, in 2 Halblederbänden . . . je Bilder- Atlas zur Geographie von Huröpk, von Dr. A. Geist- beck. Beschreibender Text mit 233 Abbildungen. Gebunden, in Leinen. . Bilder- Atlas zur Geographie der aussereuropäischen Erdteile, vonDr. A. Geistbeck. Beschreibender Text mit 314 Abbildungen. Gebunden, in Leinen. Verkehrs- und Reisekarte von Deutschlund: nebst Spezialdar- stellungen des rheinisch-westfälischen Industriegebietsu. dessüdwestlichen Sachsens sowie zahlreichen Nebenkarten. Von P. Krauss, Maßstab: 1:1500000. In Oktav gefalzt und in Umschlag 1 Mk. — Auf Leinen gespannt mit Stäben zum Aufhängen Welt- und kulturgeschichtliche Werke. Das Deutsche Poll:stum, herausgegeben von Prof. Dr. Hans Meyer. Zweite Auflage. Mit 1 Karte u. 43 Tafeln in Farbendruck, Ätzung u. Holzschnitt. Gebunden, in 2 Leinenbänden zu je 9,50 Mk., — in 1 Halblederband £ 5 Weltgeschichte, herausgegeben von Dr. Hans F. Helmolt. Mit 55 Kar- ten und 178 Tafeln in Farbendruck, Ätzung und Holzschnitt. Gebunden, in 9 Halblederbänden . . . E a Safe Meyers Historischer Handatlas. Mit 62 Hauptkarten, vielen Neben- kärtchen, einem Geschichtsabriß in tabellarischer Form und 10 Registerblättern. Gebunden, in Leinen. Urgeschichte der Kultur, von Dr. Heinrich Schurtz. Mit 434 Ab- bildungen im Text, 1 Karte und 23 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung und Holzschnitt. Gebunden, in Halbleder. En EIN Te Geschichte der Deutschen Kultur, von Prof. Dr. Georg Stein- hausen. Mit 205 Abbildungen im Text und 22 Tafeln in Farbendruck und Kupferätzung. Gebunden, in Halbleder. N N Fr ER Natur und Arbeit. Eine allgemeine Wirtschaftskunde. Von Prof.Dr. Alwin | Oppel. Mit 218 Textabbildungen, 23 Kartenbeilagen und 24 Tafeln in Farben- | druck, Atzung u. Holzschnitt. Gebund., in 2 Leinenbänden je 10 Mk. — in 1 Halblederband Literatur- und kKunstgeschichtliche Werke. M.| Weltgeschichte der Literatur, von Otto Hauser. Mit 62 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung und Holzschnitt. Gebunden, in 2 Leinenbänden . . je Geschichte der Deutschen Literatur, von Prof. Dr. Friedr. Vogt und Prof. Dr. Max Koch. Dritte Auflage. Mit 173 Abbildungen im Text, 31 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung, Kupferstich und Holzschnitt, 2 Buch- druck- und 43 Faksimilebeilagen. Gebunden, in 2 Halblederbänden. . . . . .je Geschichte der Englischen Literatur, von Prof. Dr. Rich. Wül- ker. Zweite Auflage. Mit 229 Abbildungen im Text, 30 Tafeln in Farbendruck, Tonätzung, Kupferstich und Holzschnitt und 15 Faksimilebeilagen. Gebunden, in 2 Halblederbänden Geschichte der Italienischen en. von Prof. Dr. B. Wiese und Prof. Dr. E. Percopo. Mit 158 Textabbildungen und 31 Tafeln in Farben- druck, Kupferätzung und Holzschnitt und 8 Faksimilebeilagen. Geschichte der Französischen Literatur, von Professor Dr. Hermann Suchier und Prof. Dr. Adolf Birch-Hirschfeld. Zweite Auflage. Mit etwa 160 Abbildungen im Text, 25 Tafeln in Farbendruck, Kupfer- ätzung und Holzschnitt und 15 Faksimilebeilagen. es Do) Gebunden, in 2 Leinenbänden Geschichte der Kunst aller Zeiten IR, Yölker, von Prof. Dr. Karl Woermann. Mit 1361 Abbildungen im Text und 162 T Farbendruck, Tonätzung und Holzschnitt. Gebunden, in 3 Halblederbänden . .je . je Geb., in Halbleder . je Tafeln in Wörterbücher. Orthographisches Wörterbuch der deutschen BDEGENS, von Dr. Konrad Duden. Achte Auflage. Orthographisches Wörterverzeichnis der deutschen Sprache, von Dr. Konrad Duden. Zweite re Gebunden, in Leinen . Wörterbuch der RD Sprache, von Dr. Daniel Sanders. Gebunden, in 3 Halblederbänden Handwörterbuch der deutschen Suche, ‚ von Dr. Daniel Sanders. Achte, von Dr. J. Ernst mamno: neubearbeitete le Gebunden, in Leinen . Fremdwörterbuch, von Dr. Daniel Sanders. Zweite ng. Gebunden, in 2 Leinenbänden Gebunden ‚in Leinen. .je Meyers Klassiker-Bibliothek. Arnim, herausgeg. von J. Dohmke, 1 Band Brentano, herausg. von J. Dohmke, 1 Band Bürger, herausg. von A. E. Berger, 1 Band Chamisso, herausg. von H. Tardel, 3 Bände Eichendorff, herausg. von R. Dietze, 2 Bände Freiligrath, herausg. von P. Zaunert, 2 Bände Gellert, herausg. von A. Schullerus, 1 Band Goethe, herausgegeben von K. Heinemann, kleine Ausgabe in 15 Bänden. — große Ausgabe in 30 Bänden . Grabbe, herausgegeben von A. Franz und P. Zaunert, 3 Bände . 3 Grillparzer, herausg. von R. Franz, 5 Bände Gutzkow, herausgeg. von P. Müller, 4 Bände Hauff, herausg. von M. ee 4 Bände Hebbel, herausgeg. von K. Zeiß, 4 Bände . Heine, herauszeg. von E. Elster, T Bände . Herder, herausg. von Th. Matthias, 5 Bände E. T. A. Hoffmann, herausg. von V. Schweizer und P. Zaunert, 4 Bände Immermann, herausg. von H. Mayne, 5 Bände Jean Paul, herausg. von R. Wustmann, 4 Bde. [2] oO 16 10 8 10 8 perommwm» [er] o Kleist, herausgegeben von E. Schmidt, 5 Bde. Körner, herausg. von H. Zimmer, 2 Bände Lenau, herausg. von C. Schaeffer, 2 Bände Lessing, herausg. von G. Witkowski, 7 Bde. O0. Ludwig, herausg. von V. Schweizer, 3 Bände Mörike, herausgeg. von H. Maync, 3 Bände Nibelungenlied, herausg. von G. Holz, 1 Bd. Novalis u. Fouqu&, herausg. v. J. Dohmke, 1 Bd. Platen, herausgegeben von @. A. Wolff und V. Schweizer, 2 Bände. Reuter, herausgegeben von W. Sclmann, kleine Ausgabe, 5 Bände — große Ausgabe, 7 Bände SS Rückert, herausg. von G. Ellinger, 2 Bände Schiller, herausgegeben von L. Bellermann, kleine Ausgabe in 8 Bänden . — große Ausgabe in 14 Bänden. Shakespeare, Schlegel- Tiecksche Übersetzung. Bearbeitet von A. Brandl. 10 Bände Tieck, herausgeg. von @. L. Klee, 3 Bände Uhland, herausgeg. von L. Fränkel, 2 Bände Wieland, herausgeg. von G. L. Klee, 4 Bände —— In Leineneinband; für Halbledereinband sind. die Preise um die Häljte höher. — Druck vom Bibliographischen Institut in Leipzig. Eua nihDs „ I. N N nN i Dir ıh Is A IR! a Ha urAln he As ah m | Sau: N ort arten Anm art, Be 2 75 h a u I ı) Ä I) | aan nn nn Bun ernnnunanks dein 0: Ä | I ii Hill) BR EN o 6 BERNIE : ARBEITEN H | AN IN I Il