ORGAN DER MILITÄRWISSENSCHAFTLICHEN

VEREINE

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ORGAN

der

Militärwissenschaftlichen Vereine.

Herausgegeben

AMtase öbs Militärwissenschafüiclien Vereines iE Wien.

LXXIII. Band.

1906,

WIEN.

Verlas des Militärwissenschattlichen Vereines.

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Alle Rechte vorbehalten.

Druck von Rudolf Bneiowaky & Söhne in Wl.n, IV. MarptretaMtmO« 19.

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Inhalt.

1. und 2. Heft.

Seite

Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. Vortrag, gehalten im Militärwissenschaftlichen und Kasinoverein in Wien, von Liniensohiffsleutnant Viktor YVieker- hauser 1

Feldmäfliges Schießen der Infanterie aus versteckten Stellungen. Von k. und k. Hauptmann Wilhelm Knobloch des FüstnngaartillerieregimentB Nr. 6 41

Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse. Vom k. und k.

Oberstleutnant K. Exler 73

Die Japaner in den Kämpfen beiMukden. Aus dem .Russischen invaliden" übersetzt von Oberstleutnant von Muszynski der k. und k. Militärbauabteilung des 6. Korps (Schluß) 95

Statistischer Sanitätsbericht über das k. und k. Heer für die Jahre 1894—1903. Von Dr. Paul Myrdacz, k. und k. Oberstabsarzt 1. Klasse, Sanitätschef des 4. Korps in Budapest - 125

Vereinekorrespondenz Nr. 2, 1906 (Nachtragsübersicht).

Bücher-Anzeiger:

Der Krieg Napoleon'» gegen Österreich 1809. Von C. Freiherrn Binder von Kriegl-

stein f, Hauptmann der Landwehr und Max Ritter von Hoen, k. und k.

Major des General «tabskorps I

Kein Schema! * I

Der Krieg /.wischen Rußland und Japan. Von Walter Erdmann von Kali-

nowski, konlgl. preuß. Hauptmann a. D II

Das französische Generalität)» werk flber den Krieg 1870 71. Von E. v. Schmld,

k. wttrt. Oberatl. a. D III

Infantcrialischer Reitunterricht. Von Freiherrn von Esebeck, Oberleutnant im

8. Pommergehen ülanenregiment Nr. 9 III

Der Qerichtsberr der Mllltaretrafgerlchtsordnung und seine Berater. Von Schlott,

KriegagerlchUrat hei dem Generalkommando des XI. Armeekorps ... 1Y Das Zuiammenwirken von Heer und Flotte im russisch -japanischen Kriege 1904- 5.

Von A. v. Janson, Oenerallentnant ». D IV

Englisch deutsche« Taschenwörterbuch gur Vorbereitung fflr militärische Prüfungen.

Von G. von Loebell Yl

Erfahrungen und Betrachtungen flber Soldatenreiterei und daa Fahren der Artillerie.

Von Alfred Freiherrn von Joelion, k. und k. Feldmarschalloutnant d. R. VI BrflckenzerBiorungen im Kflckzugsgefecht einst und jetit. Von Scharr, Major und

MlUt&rlehrer an der Kriegsakademie in Berlin » . Yl

Der Straßenbau Von Hauptmann Franz Tichertou, Lehrer an der k. und k.

Technischen Militärakademie in MSdllng Ell

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Seite

Die Aufgaben der Aufnahmeprüfung 1905 für die Kriegsakademie. Von K rafft,

Hauptmann, sugetellt dem großen Generalstabe VIII

Mitteilungen de« Ingenieurkomitee« Till

Infanter Utisi he Reflexionen Ober die Gefechte in Südafrika und Ottasien. Von Generalmajor Alexander Chevalier MInarelli-FItzgerald, Kommandant

der 64. Infanteriebrigade IX

Criteri d'lmpiego e metodl dl condotta del fuoco segulti dalle artlgHerie da cam- pagna del dae esercitl belligeranti nella gaerra ruaso-giapponese. Von Lulgi

G ian n i trap ani, Capitano d'artiglieria IX

Verwendung und Führung der Kavallerie 1870 bis rur Kapitulation von Sedan. Von

Kardinal von Widdern, kgl. preußischer Oberat a. D. X

Handbuch füi Schfltaen. Von k. u. k. Hauptmann Umlauf X

W. Roth'« Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiete des

MilltÄrsanitlltewesens. XXX. Jahrgang XI

Vorgang bei der Ausbildung im Schießwesen mit der Vorschule. Von J. Kriek,

k. u. k. Major im Infanterie-Reg. Nr. 88 XI

Waffenlehre von K o r z e n K ü h n XI

Die Kampfe der deutschen Truppen in Südwestafrika XII

Südwestafrika, Land und Leute. Unsere Kämpfe. Wert der Kolonie. Von Oberst von Deimling, Abteilungschef im Großen Generalstab, früher Kom- mandeur des 2. Feldregimentes in der Schutttruppe in Südwestafrika . ' XII

Di« militärische Welt. Von Oberstleutnant Karl Harbauer XII

Seidels kleines Armoeachema XIII

Die Eisenbahnen des europäischen Rußland mit Linien der angrenzenden Länder

und Kleinasiens XIII

Absatiquellen für Schriften XU I

3. Heft.

Anschauungen über Küstenbefestigungen und deren Ge- fecht. Von Hauptmann Heinrich Moosbrugger 221

Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation unserer Militärbildung s- und Erziehungsanstalten. Von Haupt- mann des Generalstabskorps Ignaz Rodid 235

Klußübersetzungsübungen der 6. Kavalleriebrigade bei

Tisza-Polgär im Juli 1902. Von H. G. 295

Bücher-Anzeiger:

Geschichte der k. und k. Technischen Militärakademie XV

Küstenschutz und Unternehmungen gegen denselben an der schleswlg-holsteinisch- jfltlschen Nord- und Osteeekfiste Im Feldauge 186-1. Von Georg Cardinal

von Widdern, königl. preußischer Oberst a. D XVI

Pierre Lehuutcourt Hiotoire de la iruerre de 1 870- l87l XVII

Geschichtliche Rückblicke auf die Entwicklung der deutschen Artillerie seit dem

Jahre 1886. Von Georg v. Ktetxell, Major a. D XVIII

Geschichte des Großherzoglich Oldenburgiscben Artilleriekorps. Von v Stumpf f, Major und Abteilungskommandeur im Ostfriesischen Feldartillerie-Regi- ment Nr. 68 XVIII

Das Maxim-Maschinengewehr und seine Verwendung. Von Hauptmann Braun . XIX Militärischer Führer durch das Donautal von Pasaan bis tur Marchmündung. Von

Major Ludwig Brunswik von Korompa XX

Kurlgefaßtes Lehrbuch der Mathemattk für Ingenieure. Von Dr. techn. Julius

Mandl, k. und k. ObursUeutnant de« Geniestabes XX

Kriege unter der Regierung der Kaiserin-KSnigin Maria Theresia XXI

Österreichischer Erbfolgekrieg 1740-17*8. Von Maximilian Ritter von Hoen,

k. und k. Major des GeneraUtabskorps XX

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Seite

Vierteljahrsbefte für Truppeufübrung und Heereakunde. Herausgegeben vom

Großen Generalatabe XXIII

Anregungen xur rationellen Verbesserung unserer jetzigen Truppenerziehung. Ausbildung und Fuhrung für unsere Offiziere aller Waffen. Von Major Theodor Bekie XXH1

Übtr Luftgewehre XXV

4. Heft.

Die Wahrheit über Ssandepu. Übersetzt von Oberstleutnant Muszynski-Arenhort der Militärbauabteilang des k. und k. 6. Korps 305

Der geistig Minderwertige in der Armee und dessen Beur- teilung durch die hiezu berufenen militärischen Organe. Von Stabsarzt Dr. Bruno Drastich, Vorstand der psychiatrischen Abteilung des Gamisonsspitales Nr. 1 in Wien 333

Geschichte der Entwicklung Prags. Von Major Franz Gibel,

Lehrer an der Infanieriekadettenschule in Prag 369

Bücher-Anzeiger:

Die Gefechtsausbildung der Infanteiie. Von F. C. r. H XXIX

Vergleichender Rückblick auf die neueste Tagesliteratur über den* Infanterieangriff.

Von General von Scherff XXIX

Schema oder Selbsttätigkeit? Von Walter von Hülsen . XXX

Studie Über die Schlacht bei Mudken (1. bis 10. Marz 1905). Von Hauptmann

Riebard von Fleck des Generalstabskorp* XXXI

Einzelschriften über d9n russisch -japanischen Krieg XXXII

Gedanken über unsere Waffe .... * XXXII

Paris— Ronen- Deauville. Von Paul Bausil, Capitaine Instructeur im 5. Dragoner

regimente XXXIII

Moderne Feldartillerie mit RohrrUcklaufgeschützen und Scbutzschüden. Von Otfrled

Layriz, Oberstleutnant z. D. . XXXIV

S c aran o Luigi Dott., La leva miiltare dal punto di vista morale XXXIV

England in deuUcher Beleuchtung. 4 Heft. Von Oberleutnant Neuschier- Ludwigsburg XXXV

England in deutscher Beleuchtung. 6. Heft Von Kapitänleutnant a. D. Graf

Reventlow XXXV

Die Taktik der Neuzelt im Spiegel des neuen französischen Reglements. Von

Hoppenstedt, Major XXXVI

Die italienische Wehnnacht. Von Major Viktor Grzeslcki XXXVII

Gebräuchliche Winkel-, Längen- und Gescbwindigkeitsmaße im Schießwesen. Von

Josef Kozak, k. und k. Oberstleutnant XXXVIT1

Waffenlehre. Von Kor zen -K tthn XXXIX

Ausbildung und Führung des Bataillons im Gefecht. Von Major Moser . . . . XL Katalog militärischer Werke der k. u k. Hofbuchhandlung L. W. Seidel & Sohn XLI

5. Heft.

Über dieVerwendung der Artillerie» usrüstung in großen modernen Festungen. Von Johann Hanika, k. u. k. Ober- leutnant 877

Geschichte von Rover eto und dem Lagertale. Von Oberstabs- arzt Dr. Johann Plahl 418

Der Postmeister von Sainte-Menehould. Von k. und k. Oberst

C. von Duncker •. 453

Die Wahrheit über Port Arthur . 481

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Seite

Bücher- Anzeiger :

Die Neuerungen der Handfeuerwaffen und Maschinengewehre. Von Hauptmann

Berlin XLIII

„Über da* Meer als Quelle der Seemacht und Staatengröße«. Von W. Staven-

bagen, königl. preuß. Hauptmann a. D XLin

Jahrbuch der Naturkunde. Von Hermann Berdron XLIV

Liege Vorrichtung für den Schwerverwundetentransport auf Landesfuhren. Von

Regimentaarzt Dr. Lawn e r XL IV

Dlctionnalre milttalre XLV

Handbibliothek des Offiziers. Von Q. F. Meier, Oberleutnant Im vierten groß-

henoglich hessischen Infanterieregiment (Prinz Karl) Nr. 118 .... . XLV Das Überwinden von Wasserlaufen in kriegstechnischer Hinsicht. Von W. Staven-

bagen, kgl. preuß. Hauptmann a. D XL VI

Schaarschmldt's Erziehung de« Unteroffiziers. Von Boyien, Hauptmann nnd

Kompaniechef Im 4. Tbflrlng. Infanterieregiment Nr. 7t XLVI

Trautenau. Von Fr. Regensberg XLVII

B r a u m fl 1 1 e r's Literarischer MonaUbericht XLVn

Karl Johann Ritter von Grueber. Von Fr. v. S t XLVII

Der rut irisch-türkische Krieg 1768—1774. Von Hauptmann Richard Ungermann XLVIII

Von Leipzig bis Erfurt. Von Hugo K erchnawe, Hauptmann des Generalstabskorps XLVHI

Revista del ejercito y marina , XLVIII

Offlsiersfelddlenstflbungen. Von Hop p e nstedt, Major . . . , .... XLIX

Die Führer der österreichisch ungarischen Armee etc XLIX

Der mechaniache Zug mittels Dampf- Straßenlokomotiven. Von Otfried Layriz,

Oberstleutnant z. D L

Einiges Aber die militärische Bedeutung des mechanischen Zuges von W. Staven-

bagen, kgl. preuß. Hauptmann a. D LI

Photographische* Praktikum. Von Ludwig David, k. und k. Major der Artillerie LH

Ludwig David Ratgeber für Anfanger Im Photographien ........ LH

Taktisches Handbuch von Major Hugo Schmld LIII

Autogramme zur neueren Geschichte der habsburgt'chen Länder LIII

Grundproblem« der Ausgleichsrechnung nach der Methode dor kleinsten Quadrate.

Von Josef K o i ä k, k. und k. Oberstleutnant LIV

Die Kai*ermanöver In Schlesien 1906 LV

Kavalleristiscbe Monatshefte. Von Karl M. Dan z er LVI

Die Eskadron im Felddienst. Von Frhr. von Maitzahn, Oberst LVI

Aufklarung und Führung der Kavallerie. Von Roßbach, Hauptmann .... LVI

Scbießlehre für Infanterie etc Von H. Hohne, Generalleutnant i. D LVII

Graphische Beilagen.

Tafel 1 (5 Skizzen). Zum Aufsätze: Einiges über den entscheidenden Episoden

im jüngsten Seekriege. Tafel 1 (12 Figuren). Zum Aufsätze: Feldmäßiges Schießen der Infanterie aus

versteckten Stellungen. Tafel 2. Anschauungen über Küstenbefestigungen und deren Gefecht.

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VEREINSKORRESPONDENZ,

Nr. 2.

1906.

VEREINSNACHRICHTEN,

Nachtragsübersicht der in den Wintermonaten 1905/1906 in den Militärwissenschaftiichen Vereinen gehaltenen wissenschaftlichen

Vortrage.

15. Dezember 1905

18. Jänner 190«

9. Februar 1906

16. Februar 1906

28. Februar 1906

23. März 1906

6. Anril 1906

Großwardeln (Nagy-Värad).

„Riehtmittel unserer Schnellfeuer- geschiitze M. 3-

„Land und Leute Bosnien« und der Hercegovina"

„Streiflichter auf den russisch-japani-

sch

en Krieg:

a) die völkerrechtliche Seite des Krieges,

b) die finanzielle Seite des Krieges,

c) die taktischen Lehren für die drei Hauptwaffen des Krieges44

„Japanische Infanterieangriffe und der Infantenespaten*

Plattensee, dessen Umgebung und Bäder"

„Die Feldhaubitzen und deren Ver- wendung"

„Fortsetzung des Vortrages vom 9. Februar 1906

d) Aufmarsch und Nachschubsver- bältnisse (Verbinduugen),

e) Intendanz- ui d Verpflegswesen, /; Sanitätswesen, Bekleidung und

Ausrüstung, g) Einiges über Technische Erfah- rungen"

Hauptin. des Generalstabs- korps Koloman Bänyai, Lehrer an der k. ung. Land- wehrkadettenschule Oberleutn. Felix Schmidt des k. ung. Landwehrinfan- terieregim. nts Nr. 4

Hauptm. Kd. Dittrich des Inlanteriereg. Nr. 37.

Oberl. Ernst W ei gl ein, Generalstabsoffizier der 33. Infanteriebrigade

Oberleutn. Josef KovAcs, Lehrer an der k. ung. Land- wehrkadettenschule

Oberst Rudolf D i e t e r i c h, Kommandant des Divisions- artilleneregiments Nr. 19

Hauptm. Ed. Dittrioii des Infanteriereg. Nr. 37

Nagy-Värad, am 12. Juni 1906.

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Bücher - Anzeiger.

Kritischer Teil.

Oer Krieg Napoleon1« gegen Österreich 1809. II. (Schluß) Band. Aspern und Wagram. Mit einer Übersichtsskizze und einem Gefechtsplan. Von C.Freiherrn Binder von Krieglstein f, Hauptmann der Landwehr und Max Ritter von Hoen, k. und k. Major des Generalstabskorps. Berlin 1906. Vos- sische Buchhandlung.

Freiherr von Binder, der in der Mandschurei ein so unerwartet rasches, tragisches Ende gefunden, hat als Schriftsteller doch nicht jene Erwartungen erfüllt, die man nach seinen vielversprechenden Erstlingswerken hegen durfte. Als seine ersten Studien erschienen, sprühend von Geist, wenn auch etwas raaniriert in Form, glaubte man einen neuen Clausewitz sich entwickeln zu sehen, aber es entstand nur ein talentierter Journalist. Möglich ist es immerhin, daß aus diesem doch nooh ein hervorragender Militärschriftsteller geworden wäre, aber Binder hat es vorgezogen, allem Wirken und Streben ein Ende zu machen. Wir müssen dies aufrichtig bedauern, wenngleich er die Armee, deren Reihen er einst angehört und in welcher er seine literarischen Sporen verdient, wenig freundlich in seinen Schriften behandelt bat. Nicht aus Objektivität, diese fehlte Binder, der kein ernster Historiker war, mit dem Drang nach Erforschung der Wahrheit, sondern aus, weiß Gott! welchen Gründen. Der Mangel an Ob- jektivität und Genauigkeit der Forschung zeigt sich auch in dem vorliegenden nachgelassenen Werke Binder's. Den besten Beweis liefern die „Ergänzungen und Richtigstellungen", die Major von Hoen, der Binder's Werk zu Ende geführt, auf nicht weniger als 31 enggedruckten Seiten beifügen mußte. Es sind dies nur „tatsächliche Berichtigungen", den Ton qui fait la musique läßt Major Hoen unberührt. Man wird trotzdem das geistvolle Werk mit Interesse lesen, aber dabei den Wunsch nicht unterdrücken können, es möge endlich ein objektives, grundlegendes, wenn irgend möglich abschließendes Werk über den

Kein Schema I Drei preisgekrönte Arbeiten über die Lehren aus dem Kriege in Ootasien in Bezug auf den lnfanterie- an griff. Wien 1906. Verlag von L. W. Seidel und Sohn. Preis K 1'50.

Wir haben mit großer Befriedigung die geistreichen Arbeiten dieser jungen Offiziere gelesen, wenngleioh eigentlich nur der erste der drei Autoren Haupt- mann Rodi6 das gestellte Thema der Frage gemäß beantwortet. Haupt- mann Ferjentsik und Hauptmann Bilansky geben der Hauptsache nach nur eine Schilderung der charakteristischen Eigentümlichkeiten der ostasiatischen Kämpfe und überlassen es zumeist dem Leser, sich hieraus die Schlußfolgerungen selbst zu ziehen.

In einem Punkte stimmen alle drei Autoren vollkommen Uberein, in der Folgerung der Wertlosigkeit jedes Schemas, was sie in mehr oder weniger prägnanter Weise zum Ausdruck bringen. Diese Anschauung ist jetzt die herr- schende und wenn auch nicht versucht werden soll, sich dagegen aufzulehneu, so kann doch nicht unerwähnt bleiben, daß eine allzustarke Betonung derselben leicht zu einer völligen Verachtung jeglicher Form, die wir Europäer ganz nun.

Organ der MiliUn»l«sen«cb»fU. Vereine LXXIII. Bd. VJQ6. Bücher-Anzeiger. j

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II

Bücher-Anzeiger.

einmal nicht entbehren können, führen könnte Selbst unser gewiß liberal ge- schriebenes Exezierreglement verpönt in Punkt 51*8 eigentlich nur die Anwendung einseitiger Scheme-i und Systeme. Hauptmann Ferjentsik scheiut sieb übrigens im Innern eines ähnlichen Gedankens nicht erwehrt zu haben, indem er «um Schluß ganz richtig ausruft: „es wjire gefehlt, erst das feindliche Ge- schoß zum Lehrmeister werden lassen zu wollen, der den Truppen den Nutzen y.der Form zur Kenntnis bringen soll*.

Auffällig ist d»r Widerspruch zwischen Hauptmann Ferj entsik und den beiden andern Autoren in Kezug auf die stattgefundenen nächtlichen Unter- nehmungen. Erstcrer findet, daß sie nur vereinzelt vorkamen und ohne durch- greifenden Erfolg verliefen. Letztere sprechen von einem häufigen Ausnützen der Dunkelheit für das Gefecht und folgert hieraus speziell Hauptmann Rod io deren hervorragende Bedeutung für die Kriege der Zukunft. Wenngleich die Akten über den ostasiatischen Krieg noch lauge nioht geschlossen sind, kann man nach dem bis heute vorliegenden Materiale sich doch wohl eher auf Seite der letzteren Anschauung neigen.

Die von Hauptmann Rodiu geäußerte Ansicht der Zweckmäßigkeit des Auflösens ganzer Kompagnien, bei Entfall der Kompagniereserven (Seite 10) ist diskutierbar. Dem Versuch des sofortigen Auflösens ganzer Bataillone müßte aber wirksam entgegengetreten werden, da sonst häufige Vermengungen der Mann- schaften verschiedener Bataillone, die nicht immer demselben Truppenkörper angehören werden, unvermeidlich sind.

Was Hauptmann Rodio über den Wert des Eingraben« (8eite 11) und Hauptmann Ferjentsik über die schädlichen Folgen der geringen Tiefen- gliederung der japanischen AugrifiVtruppen (Seite 22 und 23) sagt, muß voll anerkannt werden. Man kann übrigens nicht genug davor warnen, sich, von den japanischen Erfolgen geblendet, zu falschen Schlußfolgerungen verleiten zu lassen.

Wenn vielleicht mancher Leser des besprochenen Werkes nur mit Be- dauern konstatiert haben mag, darin nicht die von ihm erwartete Fülle des Stoffes vorgefunden zu haben, so kann dies den Autoren kaum zur Last gelegt werden. Die von Hauptmann Rodic und Ferjentsik einleitend gana richtig hervorgehobenen Umstünde rechtfertigen sie vollauf. Die Verlegung der Preis- ausschreibung auf einen späteren, bereits reichlicheres Material bietenden Zeit- punkt, wäre der Sache nur förderlich gewesen. Pk.

Der Krieg zwischen Rußland und Japan. Auf Grund zuverlässiger Quellen bearbeitet von Walter Erdmann von K a li- tt owski, königl. preuß. Hauptmann a. D. Mit Karten und Skizzen. 3.-6. (Schluß-) Heft. Berlin 1904—1905. Militär- verlag der Lieb el^chen Buchhandlung W. 57, Kurfürsten- straße 18.

Anknüpfend an die im 1. Hefte des LXXI. Bandes enthaltene Besprechung des 1. bis 3. Heftes, wird über die uns verspätet zugekommene Hefte 3 —6, welche die eigentliche Entwicklung und den Schluß des Krieges behandeln, im gleichen Sinne wie damals referiert.

Trotz der relativ spärlichen und, wie es in der Natur der Sache liegt, nicht ganz verläßlichen und widersprechenden Nachrichten vom Kriegsschauplatze, brachte der Verfasser eine abgerundete, zutreffende Arbeit zustande, die sich sowohl durch ihre ruhige, überlegte und logische Entwicklung, als auoh durch taktvolle und doch positive Kritik auszeichnet.

Leider hat der Verfasser sein Werk nioht überlebt; noch vor dem Er- scheinen des 6! Heftes befreite ihn der Tod am 1. Oktober 1905 von einem langjährigen Herzleiden.

Der Inhalt der uns vorliegenden Hefte ist folgender:

Viertes Heft (mit einer Anlage und 5 Skizzen).

Neue russische Kreuzerfahrten. Völkerrechtliche Verwicklungen. Die Be- lagerung von Port Arthur. Durchbruchsversuch der russischen Flotte. Seeschlacht

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Bücher-Anzeiger.

III

bei Round Island. Gefecht in der Koreastraße. Verstärkungen and Neugliederungen der russischen und japanischen Armee. Einfluß des Krieges auf die Volks- stimmung. Finanzielle Fragen. Der Feldzug in der Mandschurei. Gefechte hei Kaiping, Dasohitsao, Haitschöng. Kämpfe am Siokaolin-, Juschulin- und Janselin- paß. 8chlacht bei Liaujang. Betrachtungen. Fünftes Heft (mit drei Skizzen).

Der Feldzug in der Mandschurei (Fortsetzung). Die große russische Offensive. Die Schlacht am Tumönlinpaß, bei Jantai und am Schiliho, die Schlacht am Schaho. Betrachtungen. Fortsetzung der Mobilmachung. Bildung neuer Armeen. Wirkung der Niederlagen auf das russische Volk. Die Ausreise des Baltischen Geschwaders. Abenteuer an der Doggerbank. Der Fall Port Arthur's. Betrachtungen Über die Belagerung Port Arthur's, seine Bedeutung für die kriegführenden Staaten. Beurteilung der durch den Fall eingetretenen Kriegslage .

Sechstes (S c hl ») He ft (mit einem Abschiedswort und sechs Skizzen).

Ein kurzer Blick rückwärts. Der Feldzug 1905 in der Mandschurei (Fort- setzung). Mitschenko's Ritt. Die Suhlacht bei Sandepu. Die Sohlacht bei Mukden. Rückblick auf die maritime Lage. Noch einmal das Ereignis an der Dogger- bank laut englischer Darstellung. Die Seeschlacht bei Tsuschima. Der Friede in Sicht. Zeittafel der wichtigsten Ereignisse des Krieges.

Es ist nur zu bedauern, daß die ganze Arbeit, die bleibenden Wert be- sitzt, mit sehr minderem Skizzenmaterial ausgestattet ist. e—

Oas französische Generalstabswerk über den Krieg 1870 71. Wahres und Falsches, 2. Abteilung, Heft 5 und 6, besprochen von E. v. S c h m i d, k. würt. Oberstl. a. D. Berlin und Leipzig, Fr. Luckhardt.

In gleicher Art wie die bisher erschienenen Hefte fügt sich dieses Buch in der Fortsetzung der Schilderungen der denkwürdigen Ereignisse um Metz als ein historische!« Dokument an, welches die größte Beachtung verdient. Die Auswertung des reichen Quellenmaterials verleiht der Bearbeitung einen be- sonders großen Wert und kann dieses Buch zum kritischen Studium jener lehrreichen kriegshistoriücheu Ereignisse bestens empfohlen werden. r.

Infanteristischer Reitunterricht. Ratschläge und Winke für Lehrer und Schüler, von Freiherrn von Esebeck, Oberleutnant im 2. Pommerschen Ulanenregiment Nr. 9. Berlin, 1905. Deutsche Zentrale für Militärwissenschaft. Hermann R i 8 e 1. Dorotheratraße 38 u. 39.

Ein talentierter Reitlehrer, der mit Fleiß ond offenem Blick den Unter- richt leitet, tritt mit diesem Werkchen erneuert in die Öffentlichkeit.

Die ersten 4 Abschnitte sind der eigentlichen Bahnarbeit gewidmet; der Autor erwähnt mit Recht, vor welch' schwierige Aufgabe der Reitlehrer gestellt ist, der in 6 Wochen in reiterlicher Beziehung den auf den denkbar ver- schiedensten Stufen stehenden Schillern gemeinsamen Unterricht geben soll, und hiebei noch mit einem sehr ungleichen Pferdemateriale, sowohl was Ab- stammung wie Rittigkeit betrifft, rechnen muß.

In Anbetracht dieser Umstände ist es nicht recht einzusehen, watum der Herr Verfa.-ser Übungen anempfiehlt, die einerseits entbehrlich, anderseits nur schwer korrekt auszuiühren sind. Hingegen muß anerkannt werden, daß in den erwähnten Abschnitten sehr zu beherzigende Bemerkungen enthalten sind, die so manchem jungen Abrichter äußerst willkommen sein werden.

Im V. Abschnitte, Reiten im Gelände, daun in den VII. und X. Ab- st-hnitten finden wir einige recht gute Winke für den berittenen Infanterie- offizier; dagegen muß der Vi II. Abschnitt, Quadrillenreiter, zumindest im Rahmeu der gestellten Aufgabe, als ganz entbehrlich bezeichnet werden.

Boxberg, Obstlt.

1*

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IV

Bücher- Anzeiger.

Der Gerichtsherr der Militärstrafgerichtsordnung und seine Berater.

Von Schlott, Kriegsgerichtsrat bei dem Generalkommando des XL Armeekorps. Preis geheftet Mk. 2 50. Verlag von R. Eisenschmidt. Berlin, N.W. 7.

Das vorließende Buch, welches eine systematische Bearbeitung der deutschen Militärstrafgerichtsoidnung bietet, soll ein Leitfaden sein, sowohl für den Gerichtsherrn in Ausübung seines jus gladii, als auch für den Gerichts- Offizier und den Militärjustizbeamten bei der Mitwirkung im Strafverfahren und bei Versehung des Gerichtsdien*tes.

Es ist ein vortrefflich durchdachtes, auf großer Erfahrung und Sach- kenntnis aufgebautes Werk, dessen Benützung durch übersichtliche Anordnung des Stoffes und ein vorzügliches Sachregister erleichtert wird. Die Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, durch welche sich die vorliegende Bearbeitung de» Stoffes auszeichnet, läßt einen ansehnlichen Gewinn für Lehre und Praxis er- warten. Vor allem für den deutschen Offizier und Militftrgerichtsbeamten be- stimmt, wird es auch der fisterreichiseh-ungarische Offizier und Auditor mit Genuß und Vorteil lesen. Es ist daher dem Schlottachen Werke eine weit- gehende Verbreitung zu wünschen. Dr. Koller, Majorauditor.

Das Zusammenwirken von Heer und Flotte im russisch-japanischen Kriege 1904 5. Von A. v. Janson, Generalleutnant z. D. Mit einer Übersichtskarte. Berlin 1905. Verlag von R. Eisen- schmid, Verlagsbuchhandlung für Militärwissenschaft. Ira Offizier-Verein.

Vor mehr als fünf Jahren führte Generalleutnant v. Janson in seiner meisterhaft sachlich angelegteu und in Fachkreisen allgemein willkommen ge- heißenen und vielgepriesenen Publikation „Das strategische und taktische Zusammenwirken von Heer und Flotte" alle jene Grundbedingungen vor, welche in der modernen Kriegführung die kooperative Verwertung dieser zwei einzig ausschlaggebenden militärischen Machtfaktoren kennzeichnen sollen und er- läuterte dies in ebenso anregender als scharfsinniger Weise. In der jetzt vor- liegende!: Broschüre wendet nun der Autor die Thesen seiner einstigen Forschuug an und wählt hiefür das alleraktuellste, jüngste historische Beispiel, deu russisch-japanischen Krieg von 1904—.*», welcher sich zur Erhärtung der auf theoretischem Erwägungspfade gewonnenen Schlußergebi isse umsemehr eignet, als in diest-m großartigen, schon durch seine für neuzeitliche Verhältnisse abnorm langen Dauer für immer bemerkenswert bleibenden Waffengange, es tatsächlich der Seemacht beschieden war, ganz unmittelbar die kriegerischen Ereignisse auf dem ostasiatischen Kontinente durchgreifend zu beeinflussen.

Wenn das auch aus der Lektüre der über den Krieg im fernen Osten fort- laufend berichtenden Tagesblätter nicht allzuschwer entnommen werden konnte, so wurde man doch nicht so leicht der Tragweite der Meeresbeherrschung und der Behauptung derselben durch den Kampf, in jenem ungeheueren Ringen gewahr, welches sich vor unserem geistigen Auge abspielte, weil der große Zusammenhang der Geschehnisse aus stückweisen, wenn auch ununterbrochen einander folgenden Schilderungen, kaum deutlich stets zum Ausdrucke zu kommen vermochte.

Dem ist durch Generalleutnant v. Janson's Publikation nun Abhilfe geschaffen worden. Und dies vor allem deswegen, weil der auf dem in Rede stehenden Wissenschaftsgebiete zweifellos maßgebende Schriftsteller sich in seiner bloß 57 Seiten aufweisenden Broschüre einer ebenso bündigen, als be- stimmten Darlegung befliß, wodurch der große Stoff in weiten Zügen charakte- risiert erscheint und die Erbringung der Beweise auf den vom Verfasser in» Ziel genommenen Momenten klar gelang-.

Es fällt deshalb nicht leicht, die besonders hervortretenden Punkte de» Buches aus dem Rahmen des Ganzen auszuschalten und einer eingehenderen Diskussion zu unterziehen, denn alles ist da gleich wichtig, gleich beherzigungs-

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Bücher- Anzeiger.

V

würdig, gleich lesenswert. Namentlich jene militärischen Kreise, die das Studium der Strategie pflegen, sollten Generalleutnant v. Janson's Publikation mit un- geteilter Aufmerksamkeit durcharbeiten, denn sie ist das letzte und deshalb zeitgemäßeste Glied in jener Kette von fachmännischen literarischen Er- scheinungen, die vor mehr als einem Jahrzehnte Kapitän Mali an in seinen mit Rocht berühmt gewordenen Werken inaugurierte und welche dann auch ▼on vielen Epigonen des großen amerikanischen MiliUirschriftstellers mit nicht zu verkennendem Erfolge vor die Allgemeinheit gebracht wurden.

Hochinteressant ist in der vorliegenden Broschüre joner Teil, welcher die Vorbedingungen für Angriff und Verteidigung bei Rußland und Japan, den japanischen Überfall auf das Port Artur-Geschwader und die Einleitung des beiderseitigen Aufmarsches zu Lande bespricht, weil hier Generalleutnant v. Janson Gelegenheit findet, Beobachtungen anzustellen und daraus Schlüsse zu ziehen, die vielleicht den gewöhnlichen Anschauungen, auf den ersten Blick hin, nicht ganz entsprechen und doch vollkommen und unumstößlich zutreffen, wenn man genau die konkreten Verhältnisse abwägt, die hier vorhanden waren und denen die Japaner mit kühler und vorurteilsfreier Beurteilung der Lage vollauf Rechnung zu tragen verstanden. Wiederholt nimmt der Verfasser da Gelegenheit, auf die Bedontnng eines faktischen einheitlichen Kommandos, be- ziehungsweise eines einheitlichen Leitungszentrums für Land- und Seestreit- kräfte hinzuweisen, welches auf einem solchen Kriegsschauplätze unumgänglich notwendig erscheint, wenn nicht die Operationen schon von vorneherein den Keim des Meßlingens in sich tragen sollen.

Die folgenden Abschnitte führen uns, immer von wohlermessenen Er- wägungen auf dem vom Autor angestrebten Gedankengange begleitet, durch alle in knapper Schilderung abgefaßten Phasen des ostasiatischen Krieges und klingen in der gewaltigen Schlacht von Tsuschima aus, in der die japanische Flotte dem maritimen Prestige Rußland'« im fernen Osten, den auf unabsehbare Zeit lahmlegenden Streich versetzte.

Eine den Japanern das ihnen gebührende Lob nicht vorenthalte. ido Würdigung der beiderseitigen Operationspläne und eine Zusammenfassung der aus dem Kriege zu schöpfenden Lehren, welche ganz besonders zu intensivem Nachdenken über die großen Probleme in militärischer Hinsicht bei eiuer zu- künftigen Felde zwischen Mächten, die Land und See zum Kriegsschauplatze nehmen müssen, aneifert, bilden den Schlußstein in den wohlgefiigten Aus- führungen dieses vortrefflichen Buches Es endet mit dem Bemerken, d ß auch dieser allerjüngste Krieg, im Hinblicke auf das Zusammenwirken von Heer und Flotte, kein« anderen Ergebnisse zeitigte, als jene, die Generalleutnant v. Janson in seiner ein^angsgcnannteu früheren Publikation aus der älteren Kriegsgeschichte und den damit verbundenen theoretischen Deduktionen zu erlangen in der Lage war. Und diese müssen heute der militärischen Leserwelt zur Genüge bekannt sein, denn schon Kapitän M a bau hat sie in lapidarer Schrift auf Grund eines umfassenden und äußerst eingehend behandelten histo- rischen Maieriales festgelegt. Auch der Verfasser dieser Zeilen bemühte -»ich vor sechs Jahren, in Mahan's Fußstapfen tretend un ! dessen Gedankenarbeit, allerdings iu weitaus bescheideneren Grenzen fortsetzend, die Kriege des neun- zehnten Jahrhundertes, in der Absicht, die Rückwirkung der Meeresbeherrschung auf die gleichzeitigen Landoperationeu zu ergründen, einer flüchtigen Erörterung in vorgedacbtem Sinn« zu unterziehen und kam ebenso wie Generalleutnant v. Jan 8 on zum Schlüsse, daß die maßgebenden Grundsätze für eine erfolg- reiche Kooperation von Heer und Flotte, trotz der tiefeingreifenden Errungen- schaften auf technischem Gebiete, stets dieselben gehlieben seien.

Die letzte Bekräftigung dessen gibt aber das in Bede stehende Buch, welches schon deshalb dem weitesten Kreise der sich mit dieser aktuellen Frage auf strategischem Gebiete Befassenden wärrastens empfohlen werden kann und dies umsomehr, als es auch ansoust eine der bedeutendsten Tages- erscbeinungon der Militärliteratur insofern darstellt, weil aus ihr mit be- sonderer und nicht genug zu schätzender Übersichtlichkeit der gauze Verlauf des gigantischen Krieges verfolgt werden kann, dessen Nachwirkungen jetzt vielleicht noch gar nicht vorauszusehen sein dürften.

Major Albert Margutti.

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Bücher-Anzeiger.

G. von L o e b e 1 1, Englisch-deutsches Taschenwörterbuch zur Vor- bereitung für militärische Prüfungen. 137 Seiten, Flexibel- band, Preis 1 Mark = 1 K 20 h. L an ge n s c h ei d'sche Verlagsbuchhandlung, Berlin-Schöneberg.

Dieses Büchlein, eigentlich für die Offiziere der Kriegsakademie in Berlin bestimmt, wird auch allen anderen Offizieren, die sich mit der englischen Sprache, speziell aber mit dem Studium militärischer Werke in dieser 8prache befassen, hervorragende Dienste leisten und ein wertvoller, ja unentbehrlicher Ratgeber sein, denn es sind in diesem Tascheuwörterbuche alle gebräuchlichen mili- tärischen, sowie militärtechnischen Ausdrücke enthalten, die man sonst selbst in dickleibigen Wörterbüchern niöht vorfindet.

Für unsere Offiziere ist dieses Büchlein allerdings nur von geringem Interesse, doch sei es den wenigen Interessierten den Herren Artilleristen und Pionieren die an der Kriegsschule die englische Sprache lernen, wärmstens empfohlen, denn es wird ihnen das Studium um vieles erleichtern und unnötiges Nachschlagen in dickleibigen Kompendien ersparen.

Mehr Interesse würde von unseren Offizieren einem derartig vorzüglichen französich - deutschen, russisch - deutschen oder endlich italienisch - deutschen W'örterbuche entgegengebracht werden, da diese Sprachen aus begreiflichen Gründen mehr im Vordergründe stehen. Vielleicht tritt die Verlagsbuchhandlung

Erfahrungen und Betrachtungen über Soldatenreiterei und das Fahren der Artillerie. Von Alfred Freiherrn von Joelson, k. und k. Feldmarschalleutnant d. R. 3. Auflage. Verlag von L. W. Seidel & Sohn, Wien.

In dieser Broschüre erklärt der Verfasser seine neue Methode der Dressur dos Soldatenpferdes, deren Universalmittel in der Anwendung des doppelseitigen oder einseitigen r Vertikalruckers" besteht. Nach der Versicherung des Autors wirkt dieses Mittel richtig angewendet geradezu Wunder; mit dessen Hilfe besiegt er alle möglichen Schwierigkeiten.

Als vor drei Jahren die erste AuBage dieser Schrift erschien, stieß sie auf den Widerstand aller Reiter von Fach, die zwar den Rucker als Hilfe oder Strafe in Ausnahmsfällen zugestehen, in seiner allgemeinen Anwendung aber eine Verirrung der Reitkunst erblicken.

Nichtsdestoweniger gibt der Umstand, daß die Broschüre binnen kurzer Zeit nun schon in dritter Auflage vorliegt, Zeugnis davon, daß sie Anklang und

Brückenzerstörungen im Rückzugsgefecht einst und jetzt. Von

Berlin. Zweite, erweiterte Auflage mit 25 Abbildungen im Text und eine Karte. Berlin 1905. Verlag von Ernst Sieg- fried Mittler und Sohn.

Die großen Fortschritte im Gebiete der Technik beginnen einen immer größeren Einfluß auf den modernen Krieg auszuüben. Es muß daher jedes Be- streben, diese Tatsache in den weitesten Kreisen der Armee bekannt zu machen, nicht nur von jedem Kriegsteehniker, sondern auch von den militärischen Führern der Armee mit größter Befriedigung aufgenommen werden.

Die meisten Werke, welche die Verwendung der Bautechnik im Kriege behandeln, beziehen sich auf die schaffende Technik. Der Verfasser hat sich in seinem Werke in erster Linie die Aufgabe gestellt, den hohen Wert der zer- störenden Technik bei kriegerischen Operationen in einer populären und sehr anregenden Weise zum Ausdruck zu briugen. Durch eine übersichtliche Gliederung

diesem Vorschlage näher.

Hr.

große Verbieitung gewonnen hat.

Bdt.

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Bücher-Anzeiger.

VII

des Stoffes und eine Vermehrung der ersten Auflage durch die neuesten Er- fahrungen im Kriege, wie durch die applikatorische' Behandlung des Stoffes, hat die zweite Auflage dieses Werkes eine sehr beachtenswerte Vervollkommnung erfahren.

Nach einer kurzen Einleitung behandelt der Verfasser im I. Abschnitt „Kriegsgeschichtlicher Teil" .hauptsächlich die Zerstörung der Brücken an Hand von kriegsgeschiohtlichen Beispielen.

Aus diesen Beispielen geht klar hervor, welch' entscheidenden Einfluß auf Kriegsereignisse die zweckentsprechenden und zur richtigen Zeit ausge- führten, beziehungsweise unterlassener oder ungenügenden Brückenzerstörungen sowohl in taktischer, strategischer, wie auch operativer Beziehung ausübten.

Für den Fachmann wurde in diesem Abschnitte leider zu wenig die Zerstörung der modernen, d. h. der eisernen Brücken mit brisanten Spreng- mitteln behandelt. Obwohl der Verfasser anführt, daß die Buren den ausgiebigsten Gebrauch von den brisanten Sprengmitteln bei der Zerstörung von Brücken gemacht haben, bringt derselbe hierüber nicht nur kein einziges Beispiel, sondern bebandelt diesen Teil, gegenüber der Zerstörung von hölzernen und steinernen Brücken, nur sehr flüchtig, obwohl gerade die Art und Weise solcher im Felde durchgeführter eiserner Brückenzerstörungen sowohl für die Truppenführer, als auch für jeden technischen Offizier sehr interessant und lehrreich gewesen wäre.

Der II. Abschnitt behandelt in Kürze „Die Entwicklung der Technik der brisanten Sprengstoffe" und im allgemeinen die Aufzählung der normierten Munition mit ihren Eigenschaften.

Im III. Abschnitt „Taktischer Teil" werden einige Betrachtungen, nach welchen taktischen und technischen Gesichtspunkten Brückenzerstörungen im Rückzüge angewendet werden müsseu, dem Leser in Form von Beispielen mit einigen Abbildungen vorgeführt, an welche sich eine auf Grund einer ange- nommenen Kriegslage eines Armeekorps durchgeführte applikatorisohe Aufgabe anschließt.

In der „Schlußbetrachtung" weist der Verfasser bei Rückzugsgefechten auf die große räumliche Ausdehnung hin, in welcher bei beschränkter Zeit meistens sehr umfangreiche Sprengungen an den Flügeln und Flanken durch- zuführen nötig werden, welche Arbeiten nur von einer schnell beweglichen Pioniertruppe geleistet werden können. Er tritt daher für die Berittenmaohung eines Teiles der Pionierkompagnie, für die Beigabe von Meldereitern und Fahr- rädern, sowie für leichtere Einheitswägen für Sprengmunition ein.

Endlich findet man im „Anhang" Daten Uber Organisation, Ausrüstung und Leistungsfähigkeit der Divisions- und Korpsbrückentrains, sowie über die Tragfähigkeit der verschiedenen Gattungen der Kriegsbrücken und schließlich eine Tabelle über die Ausrüstung der Truppen mit Sprengmitteln und deren Ergänzung im Felde. B.

Der Straßenbau. Von Hauptmann Franz Tschertou, Lehrer an der k. und k. Technischen Militärakademie in Mödling. Leitfaden für den Unterricht an den k. und k. Militär- bildungsanstaltsn, sowie zum Gebrauche für Techniker. Wien 1905. Mit 137 Abbildungen im Text und fünf litho- graphischen Tafeln.

Das aus einem Bande bestehende Buch bietet einen sehr brauchbaren Lehrbehelf für den Unterricht in den Militärscliulen, dürfte sich jedoch als solcher in vielen Kapiteln als zu umfangreich erweisen, nachdem der Lehrplan an den Militärschulen diesem Unterrichtszweige nur wenige Stunden widmen kann. Für den Pionieroffizier hingegen bildet dieses Werk einen sehr wortvollen Studienbehelf zur Erweiterung seines Wissens in dieser Materie und wird das- selbe infolge seiner praktischen Zusammenstellung bei Verfassung von dies- bezüglichen Themen gerne zu Rate gezogen werden.

Der Stoff dieses Werkes gliedert sich in folgende Abschnitte:

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VIII Büch er- Anzeiger.

I. Einleitung, mit einer kurzen geschichtlichen Entwicklung des Straßen- baues und der allgemeinen Einteilung der StrHÜen in militärischer, Verkehrs-, bautechnischer und administrativer Hinsieht.

II. Grundsätze der Fnhrwerkskunde enthaltend einiges Aber Reibungs- und Steigungswiderstände, über Zugleistungen der Pferde und den Einfluß der Steigungs- und Richtuugsverhn tnisso auf die Zugkraft.

III. Baumaterialien: Erd- und Feldarbeiten

Im letzteren Kapitel wird die Bodenuntersuchung, die Klassifizierung der Bodergattung für Zivilbaulen im Vergleich zum Baugebührenauswaß H 6 und technischen Unterrichte für die k. und k. Pioniertruppe H-2f>, die verschiedenen Förderungsmeihoden etc. eingehend behandelt.

IV. Bauweise der Siraßen.

Dieser Abschritt enthält die Üblichen Straßenkörperprofile, die Kon- struktionen des Unterbaues, und zwar von Dämmen. Stütz- und Futtermauern mit einer eingehenden Abhandlung über di > Theorie und Berechnung der Erd- drücke auf dieselben, von Einschnitten und verschiedenen Kunstbauten, wie Kanälen, Durchlässen ete. und die Konstruktion des Oberbaues samt deren Xebenanlagen.

V. Gang der Heaibeitung eines Stnißenprojektes ; Trassieren von Straßen. Dieser Abschnitt behandelt in sehr lehrreicher Weise die Vornahme der

technischen Vorarbeiten für eine Trassierung, den Vorgang beim Trassieren selbst, das Ausstecken von Kurven, die Aufnahme der Längen- und der Quer- profile etc. und endlich das leblm;il.J<ige Trassieren von Straßen.

VI. Mas.senlicreclunuig, Masscndisposition, Kostmvoraiischlag.

Der Stoff dieses Kapitels ist nur etwas eingehender behandelt als im „Technischen Unterrichte für die k. und k. Pioniertruppe" und umfaßt die Er- mittlung der Flächen- und Kubikinhalte der Querprofile, beziehungsweise eine» Straßen körpers mittels Rechnung oder des Profilmaßstabes oder auf praktischem

Wege und weiters die Massenverteiiuug.

~~VI1. und VIII. Straßenpflege, ■lilitärtechniache Slraßenarbeiten, enthaltend allgemeine Direktiven über Slraßenreinigung , -erhaltune, -Zerstörung und -Wiederherstellung.

IX. Rekognoszierung von Straßen, behandelnd die Bautenbeschreibung einer Marschlinie nach dem „Tasehenhuche für Rekognoszenton, E-44*.

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Die Aufgaben der Aufnahmeprüfung 1905 für dia Kriegsakademie.

Besprechungen und Lösungen von Krafft, Hptm., zug. dem groß. Generalstabo. Berlin, E. Siegt. M i t tl e r & S o h n.

Diese« Heft ist zum Vergleich mit den bei uns zur Aufnahmsprüfung in die Kriegsschule, gestellten Aufgaben geeignet allerdings nur für jene, welche sich derselben bereits unterzogen haben denn falls wir nicht irren, ist bei uns eine Veröffentlichuuir der gestellten Themen, sowie deren musiergiltiger Lösungen noch nicht erfolgt. r.

Mitteilungen des Ingenieurkomitees. 40. Heft. Ein Beitrag zur Be- urteilung des Kampfes um Port Arthur. Berlin W. S. Verlag von A. K fit h.

Das vorliegende Heft enthält eine freie deutsche Übersetzung der unter dem Titel: „Einiges über Port Arthur und über die Organisation der Festungs- verteidiguug im allgemeinen* in der russischen Zeitschrift Wojennyj Sbornik von Timtsohenko-Ruban veröffentlichen Aufsätze.

Interessant und aufklärend ist der Inhalt des Heftes fcchon deswegen, weil er aus russischer Quelle stammt und eigentlich eine aktenmäßige Dar- stellung der Entwicklungsgeschichte von Port Arthur, von der russisohen Besitzergreifung bis einschließlich Beginn des Krieges enthält. Wie ein roter Faden zieht sich durchs ganze Heft der Vorwurf, den Timtsc henko-Ruban der russischen Heeresverwaltung macht, daß man die Ausrüstung von Port Arthur

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Bücher-Anzeiger.

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tolal vernaehläsaigte, datttr aber für Dalni ungeheuere Summen verausgabte und eigentlich auf diese Weise den Japanern einen bequemen Landungsplatz herrichtete.

Speziell Nichtkennern der russischen Sprache, welche den Wojennyj Sbornik nicht lesen können, sei dieses Heft zum Studium wärmsten« empfohlen.

Infanteristische Reflexionen über die Gefechte in Südafrika und Ostasien. Von Generalmajor Alexander Chevalier M i n a r e 1 1 i- Fitzgerald; k. u. k. Generalmajor, Kommandant der 64. Infanteriebrigade. Wien 1906. Verlag von L. W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hofbuchhändler.

Eine interessante und kurze Abhandlung, welche einen generellen Überblick über die taktischen Ergebnisse aus diesen beiden letzten Kriegen gestattet.

An der Hand statistischen Materials weist Verfasser vor allem die taktische Gleichwertigkeit der 6*5 und 8 mm Repetiergewehre auf den ent- scheidenden mittleren und kleinen Distanzen nach, wodurch die mit letzt- genanntem Gewehr ausgerüsteten Armeen die Bahn für eine Kaliberreduktion, beziehungsweise Erhöhung der Kriegstaschenmunition wieder frei haben.

Auch zur Entwicklung des Gedankens, daß die Zahl im Kriege meist Ubertrieben eingeschätzt wird, daß vielmehr mit dem Streben nach Erhöhung der Zahl der Bataillone auch jenes nach Verbesserung ihrer Qualitäten, Hand in Hand gehen müsse, hat Verfasser einiges Material aus diesen Feldzügen gesammelt.

Wenn wir noch das in Ostasien wieder mehr v.u Ehren gekommene Bajonett, die Bedeutung d--r Maschinengewehre, die Schwierigkeit aber nicht Ulidurchführbarkeit von Frontalangriffen und Durohbruchsversuchen, die ganz bedeutei de Vergrößerung der Gefechtsausdehnungen bei Verringerung der Tiefengliederungen, ferner das in Ostasien zutage getretene Streben nach Rückbehaltung «ehr starker Armeereaerven hervorheben, so haben wir den Inhalt dieses lesenswerten Werkchens in großen Zügen geschildert.

Vielleicht hat der Verlasser den „weit hervorragenden Einfluß der Führung- in diesen beiden Feld/.iigen ein wenig überschätzt. Dtnn es will scheinen, als hätte in dem einen Kalle mehr die erdrückende Überlegenheit der Zahl, in dem anderen der höhere Kampfwert der Truppen und der alle durchdringende Wdle zu siegen, den günstigen Enderiolg herbeigeführt. Pk.

Criteri d'impiego e metodi di condotta del fuoco seguiti dalie arti- glerie da campagna dei due eserciti belligeranti nella guerra russo-giapponese. Von Luigi Giannitrnpani, Capitano d'artiglieria. Verlag von Enrico Voghera. Roma 1905.

Hauptmann Gianuitrapani leitet durch ein sachkundiges, objektiv ge- schriebenes Essai über die Tätigkeiten der beiderseitigen Feldartillerien im russisch-japanischen Kriege, wertvolle Erfahrungssätze ab.

in der überzeugendsten Weise führt der Verfasser die Notwendigkeit des rationellen Zusammenarbeitens der Infanterie und Artillerie vor Augen ; er hebt den Nutzen von Masken nnd Feldbefestigungen und die Bedeutung des in- direkten Feueis hervor.

Mit Recht erblickt der Autor in der einheitlichen zielbewußten Feuer- führung, in der minutiösen Erkundung dos Gefechtsfeldes, in der Vervoll- kommnung der Richt-Beobachtungs- und Verständigungsmittel sichere Garantien für den Erfolg.

Die interessante Broschüre liefert aber auch den Beweis, daß das moralische Element für die Beurteilung des Wertes einer Truppe immer das entscheidendste bleiben wird, denn nicht das modernere, nicht das Gesohütz von höherer ballistischer Qualität hat zum Erfolge geführt.

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Bücher-Anzeiger.

Das primitivere Geschütz, gehandhabt von einer wohlgeschulten, opfer- freudigen, begeisterten Truppe, das hat in diesem denkwürdigen Kriege den Lorbeer des Sieges errungen.

Es sei erwähnt, daß die gediegene Arbeit Hauptmann G ia n n i t r ap a n i's über Auftrag des Generalartillerieinspektors des kgl. italienischen Heeres den Offizieren der Zentralschießschule der Feldartillerie zu Nettuno vortu- tragen ist. Koppensteiner, Hptm.

Verwendung und Führung der Kavallerie 1870 bis zur Kapitulation von Sedan. Von Kardinal von Widdern, kgl. preußischer Oberst a. D. Teil VI. Die Kavallerie der III. Armee und die gegenüberstehende französische Reiterei von der Schlacht bei Wörth bis nach Überschreitung der Marne, vom Abend des 6. bis zum 22. August. Nach den Akten des Kriegs- archives und nach Privatmitteilungen bearbeitet. Mit 2 Über- sichtskarten und 4 Skizzen. Berlin 1905. Verlag von R. E i s e n s c h m i d t.

Das Büchlein zählt 262 Seiten in Oktavformat und spricht zunächst Über die allgemeine Kriegslage nach der Schlacht bei Worth, über die Ver- folgungsanordnungen des Armeeoberkommandos, diese kritisierend, schildert sodann die Überraschung der Franzosen in Hagenau durch die badische Kavalleriebrigade, kritisiert sehr scharf das Verhalten der bayerischen Ulanen- brigade, bespricht sodann die Tätigkeit des preußischen Dragonerregiments Nr. 15, der bayerischen Küra*sierbrigade, der preußischen 4. Kavallerie- division, der württembergischen Reservekavallerie, den Rückzug der Franzosen und das Verhalten der französischen Kavallerie, speziell den Voratoßversuok der Kavallerie dt;s französischen V. Korps gegen Bitsch, die Tätigkeit der preußischen 2. Kavallerie-Division u. s. w.

Die Darstellung bringt sehr viele interessante Details von beiden Seiten, wodurch die Schilderungen sehr lebhaft werden, dem Streben des Verfassers nach Wahrheit Ehre machen und das Studium dieser Ereignisse sehr lehrreich gestalten.

So wird z. B. auch einer Panik erwähnt, welche bei dem nächtlichen Rückzüge der preußischen 4. Kavalleriedivision am 7. August von Steinburg nach Buchweiler entstand und sich bis zum Handgemeinwerden zwischen preußi- schen Ulanen und bayerischen Kürassieren entwickelte, und als ein weiteres und noch größeres Ezempel einer solchen Panik der Rüokzug der bayerischen Kavalleriedivision am 5. Juli 1866 im Schöngebirge im Anhang gebracht. In diesem Anhange sind überdies noch Berichtigungen zum V. Teile, Ordre de bataille der III. deutschen Armee und der Kavallerie der französischen Armeeteile unter Mac Mahon und Failly, endlich die Sicherung der Eisenbahn Chaumont-Blesme enthalten.

Die Art und Weise, wie die Anordnungen und der Vormarsch der 4. Kavalleriedivision, namentlich von Nancy aus, besprochen werden, ferner die Nachrichten über den Ritt der zwei Kürassieroftiziere Wostrowski und Ruffer nach Epinal und zurück und über die beträchtliche Leistung einer kombinierten Eskadron des Husarenregiments Nr. 5 am 22. und 23. August (115 km, für Patrouillen bis 165 km) sind besonders interessant und lehrreich. Die beigegebenen Karten und Skizzen sind sehr entsprechend.

So wie die früheren Teile dieses Werkes, muß auch dieser VI. Teil unseren Offizieren des Generalstabea und der Kavallerie zum Studium sehr empfohlen werden. (t.)

Handbuch für Schützen. Von k. u. k. Hauptmann Umlauf. Wien 1905. Im Selbstverläge des Verfassers.

Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, dem privaten Sohießwesen einen Behelf zur Heranbildung von guten 8chtitzen zu liefern.

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Die« ist ihm gelungen. Besonders der 2. Abschnitt ist reich an prak- tischen Winken, welche auch vielen filteren Schützen wertvoll werden dürften.

Es wäre wünschenswert, daß dieses Büchlein in Schützenkreisen sym- patische Aufnahme fände.

W. Roths Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiete des Militärsanitätswesens. XXX. Jahrgang. Bericht für das Jahr 1904. Berlin 1905. E. S. Mittler u. Sohn. 198 Seiten.

Der jüngst ausgegebene XXX. Jahresbericht über die Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiete des Militärsanitätswesens schließt sich seinen Vorgängern würdig an. Die Reichhaltigkeit des Gebotenen kann schon aus den folgenden Daten ersehen werden Der Bericht umfaßt 1446 Literaturangaben und 621 Referate, überdies wird auf 374 Rezensionen in der deutschen militär- firztlichen Zeitschrift, deren Supplement der „Jahresbericht" ist, verwiesen. Die Mitteilungen erstrecken sich auf den Militär- und Marinesanitätsdienst von 23 Staaten.

Besonders hervorzuheben sind die zusammenhängenden Referate des Generalarztes a. D. Körting über den russisch-japanischen Krieg und des Oberstabsarztes Steudel über den Hererofeldzug im Jahre 1904.

Mit lebhafter Befriedigung sehen wir auoh diesmal wieder, daß die Literatur des Militärsanitätswesens den Ärzten unseres Heeres, die durch 29 Autoren vertreten sind, eine namhafte Beisteuer verdankt.

Stabsarzt Jobann Steiner.

Vorgang bei der Ausbildung im Schießwesen mit der Vorschule.

Zusammengestellt von J. Kröek, k. u. k. Major im Infanterie-Reg. Nr. 28 5. Auflage. .Prag 1905. Im Selbst- verlage des Verfassers.

Diese Zusammenstellung fußt auf den Bestimmungen der neuen Sohieß- instruktion vom Jahre 1905.

Die Einteilung des Stoffes ist praktisch und letzterer selbst ersohöpfend behandelt.

Der Vorgang bei der Ausbildung lehnt sich an den in der k. u. k. Armee- schießschule gebräuchlichen an und läßt somit günstige, praktische Erfolge erwarten.

Das vorliegende Werkchen, für dessen Güte auch der Umstand spricht, daß es bereits zum fünften Male aufgelegt wird, kann jenen Herren, welche die Schießausbildung der jungen Mannschaft durchzuführen berufen sind, bestens empfohlen werden.

Es wird denselben gewiß manche gute Anhaltspunkte für den bei der Schießausbildung einzuschlagenden Weg liefern. .—

Waffenlehre von Korzen-Kühn. Heft XI Feldhaubitzen Wien 1905. Kommissionsverlag bei L. W. Seidel und Sohn, k. und k. Hofbuchhändler.

Ais sechstes der bisher erschienenen Hefte dieses im wahren Sinne modernen Werkes, das sich bereits allseitiger Würdigung und Wertschätzung erfreut, ist dieser den Steilbahngeschützen der Feldartillerie gewidmete Teil prinzipiell in ähnlicher Weise gegliedert, wie das Heft X Feldkanonen.

Im ersten Abschnitte geht der Besprechung der allgemeinen Anforderungen an die moderne Feldbaubitze, die historische Entwicklung der Feldwurfgesohütz- frage voran.

Der zweite Absohnitt bespricht wieder den allgemeinen Aufbau einer Feldhaubitze während der dritte Abschnitt eine eingehende Beschreibung

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und würdigerde Besprechung der in den europäischen Großstaaten eingeführten Feldwurfgesehütze enthalt deren Studium sieben angefügte, Äußerst deutliehe Figurentafeln wesentlich erleichtern.

Im letzten Absohrtitte endlich erscheint noch die Wirkungsfähigkeit und Verwendung der Feldhaubitze in Wort und Hild aufgenommen und eine bei- gefügte Elemententabelle fordert in dankenswerter Weise das Vergleichsstudium der Konstruktionsdaten über die Feldwurfgesehütze der verschiedenen euro- päischen Staaten.

Das vom k. und k. Artillerieingenieur Rudolf Kühn bearbeitete Heft XI dieses vorzüglichen Werkes reiht sich demnach würdig den bisher erschienenen Heften an und kann einer ebenso begeisterten Aufnahme sicher sein.

F. S.

Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika. Auf Grund

amtlichen Materials bearbeitet von der kriegsgeschichtlichen Abteilung I des Großen Generalstabes. 1. Heft: Ausbruch des Hereroaufstandes, Siegeszug der Kompagnie Franke. Berlin 1906. S. Mittler & Sohn, königl. Hotbuch- handlung.

Diese Veröffentlichung wird vierteljährlich fortlaufend in drei Heften er- folgen.

Das vorliegende 1. Heft beginnt mit dem Feldzuge gegen die Hereros. Die Schilderung i*t sachlich und anschaulich.

Militärisches Interesse verdient das klare lebendige Bild, das über die hohen Anforderungen an den Offizier im Kolonialkriege entworfen ist.

Dabei erfreut besonders die volle Anerkennung, welche vor der Öffent- lichkeit dem Werte der einzelnen Persönlichkeit, wie dem Mute, der Ausdauer und der Geschicklichkeit in der Gefechtsführung während dieser schweren Kämpfe gezollt wird.

Südwestafrika, Land und Leute. Unsere Kämpfe. Wert der Kolonie.

Von Oberst von Deimling, Abteilungschef im Großen Generalstab, früher Kommandeur des 2. Feldregimentes in der ivehutztruppe für Südwestafrika. Preis 50 Pfennig. Berlin. Verlag von R. Eisenschmidt.

Oberst von Deimling bat über Aufforderung der Kolonialgesellschaft in einer Anzahl deutscher Städte über Südwestafrika gesprochen.

Der erste Teil dieses Vortrages bietet eine kurze klare Charakteristik über Land und Leute.

Der zweite Teil würdigt die Kriegsereignisse, die Schwierigkeiten des Kolonialkrieges, speziell jene am südafrikanischen Kriegsschauplatze.

Der ilritte Abschnitt über Wert und Nutzen der Kolonie basiert auf einem Vergleiche mit der heutigen Produktion von Englisch - Südafrika. Diese patrio- tischen Darlegungen sollen das Interesse für die Kolonie heben und tragen gewiß dazu bei, „daß mehr Licht über die Verhältnisse draußen verbreitet wird".

Die militärische Welt. Illustrierte Monatsschrift für alle Gebiete des Militärwesens und der neueren Geschichte. Heraus- gegeben von Oberstleutnant Karl Harb au er. I.Jahrgang. 1. Heft. April 1906. Wien und Leipzig. Verlagshandlung C. W. Stern (L. Rosner).

Eine neue Monatsschrift, die das Angenehme mit dem Nützlichen, Unter- haltung mit Belehrung verbinden will, indem sie in ihrem ersten Teile populär gehaltene sachliche Aufsätze, vornehmlich auch aus dem Gebiete der neueren

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Geschichte, im zweiton belletristische Beiträge bringt. Die vorliegende Nummer \ft ganz interessant; allerdings kann erst die Zukunft lehren, ob die neue Zeil- schrift, nebst den unvermeidlichen Kinderkrankheiten, auoh andere Hiuderniase überwinden wird. C.

Seiders kleines Armeeschema. Nr. 59, Mai 1906. Dislokation und Einteilung des k. und k. Heeres, der k. und k. Kriegs- marine, der k. k. Landwehr und der k. ung. Landwehr. Abgeschlossen mit 24. Mai 1906. Wien. L. W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hofbuchhändler.

Angesichts der oft wiederholten günstigen Besprechung dieses vielver- breiteten und beliebten kleinen Sehemas, können wir uns auf die Ankündigung der neuesten Ausgabe desselben beschränken, welche alle Vorzüge ihrer Vor- gänger aufweist und worin auch die jüngst durchgeführten Garnisonsverfinderungen sowie das Maiavancement lü06 berücksichtigt erscheinen.

Die Eisenbahnen des europäischen Rußland mit Linien der an- grenzenden Länder und Kleinasiens. Wien. Verlag von Artaria & Comp., Kohlmarkt Nr. 9. 1906.

Diese von Dr. K. Peucker neubearbeitete Karte bringt in fünffachem Farbendrucke eine gelungene kartographische Darstellung des europäischen Rußland, mit allen im Betriebe stehenden Eisenbahnen bei Angabe der Spur- weite der inneren russischen und jener Bahnen, bei welchen noch die euro- päische Spurweite besteht. Außerdem sind der Karte zwei Tabellen beigegeben, in welcher alle Eisenbahnen, nach Gesellschaften geordnet, bei Hinweis auf die einzelnen Linien der Karte verzeichnet sind. Preis 1 K 80 h.

Absatzquellen für Schriften. Verlag der „Feder". Berlin W. 30. Eisholzstraße 5. Preis M. 150, gebd. M. 2*—.

Das Buch enthält eine Liste von 1000 für Schriftsteller in Betracht kom- mende Zeitschriften und Zeitungen, zum größten Teile mit Angabe der Honorar» und Mitarbeiterbedingungen. In «lern Nachweise ist angegeben, an welche Re- daktionen 87 verschiedene Arten von Manuskripten zu senden sind.

Jüngst eingelangte Werke und Schriften:

Patrouillen- und Radfahrkommandos von Major von Hoppenstedt. Kerlin. It. Eisenschmidt. Schießlehre für Infanterie itc. von Generalleutnant z. D. H. Rohne. Berlin. B. S. Mittler & Sohn.

Daa französische Generatstabswerk über den Krieg i87o— 7|. Wahres und Falsches. 5. und

6. Heft. Von Oberst a. D. B. von Sc hm id. Leipzig. Friedrich Engelmaun. Jahrbuch der Weltreisen und geographischen Forschungen. 5. Jahrgang. Von Wilhelm Berdron.

Teschen, Karl Prohaska. Die KSmpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika. 2. Heft. Von der kriegsgeschichtlichen

Abteilung d< s Grollen Generalstabes. Berlin. E S. Mittler A Sohn. Geschichte der Feldzüge Julius Caesars. Von Oberleutnant G. Veith, augeteilt dem Generalstabe.

Wien. L. W. 8eldel & Sohn. Die Führer der österreichisch-ungarischen Armee. 10. Lieferung. Wien Leopold Weiß. Geographie der B&lkanländer, Hosniens, der Hercegnwma, Monte, egros und Dalmaiiens. Vom

k. serb. Oberstleutnant N 1 k o 1 a j e w i tsch. Belgrad. Kriegsgesch chülche Einzelschritten. 36. Hsft. Vom Großen Gencralstab. Berlin. E. «. Mittler

& Sohn

Einiges über den mechanischen Zug. Aua der „Automobllwelf. Von Hauptmann a. D Wilhelm

8 taven hage n. Berlin. Die Aufgaben <1er Aufnahmeprüfung 1906 für die Kriegsakademie. Von Hauptmann Kraflt.

Herlio. E. 8. Miuler & 8ohn. „Die neue Gewehrpatrone . Von Artillerieoberingenieur Korzen. Wien. L. W. Seidel & Sohn.

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Bücher-Anzeiger.

Comment se defend un fortd'arret? Von Leutnant C'oionel L. Pierron de Mondeiir. Berger. Levrault, Pari« et Nancy.

Estai sur l'emploi tactique de la fortitication de campagn'. Von Leutnant Colonel L. Pierron de Mondeair. Berger-Levrault. Pari« et Nancy.

Der mechanische Zug mittels DampfutraUenlokumotivcn. Von Oberstleutnant z. D. Otfried LayrU. Berlin. E. 8. Mittler * Sohn.

Über dl«- Belagerung von Gaeta l8tiO-61. (Ans „Die Militärische Welt".) 2. Heft. Von Hanpt- nann n. D. W. Stavenhagen Berlin.

Kurzgefaßtes Lehrbuch der Mathematik für Ingenieure von Oberstleutnant Dr. Julius Mandl. Wien bei Lehmann & Wnntzel 1906.

Besprechung vorbehalten; Rfloksendung findet nicht statt.

In dem im 5. Hefte des Bandes LXXII dos „Organ" veröffentlichten Artikel „Zum sechzigsten Geburtstage Karl Baron Torresani's* soll es wie in einem Teile der Auflage schon berichtigt wurde auf Seite 349, Zeile 6 von oben, statt „sechziger Jahren" richtig heißen „achtziger Jahrenu.

Berichtigung.

Bücher -Anzeiger.

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Geschichte der k. und k. Technischen Militärakademie. Zweiter

Teil: Geschichte des k. k. Bombardierkorps, der k. k. Artillerielmuptschule und der k. k. Artillerieakademie, 1786 bis 1869. Wien 1905. In Kommission bei Wilhelm Brau- müller, k. und k. Hof- und Universitätsbuchhändler.

Der II. Hand ,.Geschichte der Technischen Militärakademie" ist erschienen und reiht sich würdig an den ersten an, welcher die älteste Militärerziehungs- und Bilduugsanstalt d. i. die Ingenieur- und Genieakademio behandelt.

Nunmehr ist das Bombardier korps 1786 1851, die Artilleriehauptschul* 1851 1852 und die Artillerieakademie 1852 1869, Gegenstand der eingehenden Erörterung.

Der Verfasser ist ebenfalls der mittlerweile leider verstorbene Oberst Friedrich Gatti. nach dessen Tode der k. und k. Generalmajor d. lt. Albert Edler you Obermayer die Herausgabe übernahm.

Heide sind durch ihre hervorragende Tätigkeit bekannt. Ersterer durch die eingehende Bearbeitung der Kriegschroniken und Verfassung des Lehrbuches d*-r Geschichte für die Kadettenscbulen, letzterer durch zahlreiche hochgelehrte Abhandlungen auf dem Gebiete der Naturw ssenfchaften, wofür derselbe zum korrespondierenden Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschafteu und zum Korrespondenten der ZontralanstaU für Meteorologie ernannt wurde.

Wenn die Namen solcher Größen auf dem Titelblatte eines Buches prangen, erscheint jede Empfehlung überflüssig, denn sie bürgen für sachliche, gewissenhafte und gediegene Arbeit.

Wie mühsam das Material vom Verfasser zusammengetragen werden mußte, schildert die Vorrede, denn lückenhaft, zersireut, zum Teile auch ver- niclitet sind die Aufzeichnungen, welche den Stoff für die Bearbeitung abgeben sollten.

Ist es schon schwierig genug, aus längst entschwundenen Jahren Details über wichtige, weltbewegende Ereignisse zu sammeln, um wie viel umständlicher gestaltet sich eine ähnliche Arbeit über zur gewöhnlichen Tagesordnung gehörige Begebenheiten einer Schule und ganz besonders dann, wenn die Bescheidenheit oder Nüchternheit der jeweiligen Zeitgenossen alles selbstverständlich und nichts bemerkenswert fand, um es für die Nachwelt aufzubewahren.

Unter letzterem Gesichtspunkte betrachtet, muß es mit Freude begrüßt werden. d*ß die Geschichte der eingangserwähnten Miliikrsehulen, aus welchen technisch und artilleristisch bedeutende Männer hervorgegangen sind, trotz vor- handener Schwierigkeiten, dennoch verfaßt und der Öffentlichkeit übergeben wurde.

Der Rückblick auf die bisherigen Erfolge der technischen Militärakademie wird gewiß dankbare Erinnerungen in den aus ihr Hervorgegangenen erwecken, aneifernd uud erhebend auf spätere Generationen einwirken Warme Anhäng- lichkeit an die schöne Pflanzstätte militärischer Tugenden und Ideale beseelt ihre Schüler. Möge sie sich nach außen ebenso geltend machen, wie die Liebe der NeustUdter Akademiker zu ihrer Mutteranstalt.

Den stattlichen II. Band, welcher 833 Seiten umfaßt und überdies noch ein zum I. Bande gehöriges Inhaltsverzeichnis enthält, zieren 25 illustrierte Bei- lagen, darunter das Porträt Kaiser Josefs II. als Titelbild, Mildnisse Sr. Majestät des Kaisers Franz Josef I.. Ihrer kaiserlichen Hoheiten der Erzherzoge Ludwig und Wilhelm, sowie anderer großer Männer. Interessante Situationsskizzen aus alter Zeit erläutern den Text.

Der Verfasser hat es verstanden, die Entstehung und Auflösung der Schulen und ihre allgemeine Wirksamkeit so charakteristisch zu schildern, daß mau sich lebhaft in die jeweilige Zeit versetzt fühlt. Sehr lehrreich ist die all- mähliche Entwicklung mancher artilleristischen Einrichtungen dargestellt, über deren primitive Ursprfinglichkeit sich achtungsvoll staunende Heiterkeit des Losers bemächtigt.

Genaue Namensverzeichnisse der Kommandanten, Lehrer und Frequen- tanten, letztere zumeist nach Jahrgängen geordnet, sind im Buche vorhanden. Der Lebenslauf aller ist kurz »>kizzi< rt, keiner ist deshalb ausgelassen, weil ihn

Organ der MilltlnrlMenachaftl. Vereine LXXIII. Bd. 1L>06. Bücher-Anaelgor. 2

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das Schicksal nicht bevorzugt hat. Die Tapfersten der Tapfern, wolohe das schönste militärische Ehrenzeichen das Theresienkrenz «ich errangen, sind besonders iiervorgehohen, unter Angabe der Kriegsgelegenheit, bei welcher ihnen der Glückstern leuchtete.

Wie aus vorstehendem ersichtlich, sollte das Irlich in den interessierten militärischen Bibliotheken nicht Cebion, weil es ein verläßliches, kompendiöses Nachschlagebuch auch für die ältere Zeit abgeben kann, in welche der Militär- schematinmus nicht zurückreicht oder nicht erlangbar ist. Sicherlich wird es gute Anhaltspunkte lieferu, wenn ei sich um weitere Nachforschungen in per- sönlichen oder artilleristischen Angelegenheiten handelt

Der in Kommission bei Wilhelm Braum iiiler erschienene Band ist iu Quartformat elegant gebunden und wirkt Überdies durch seinen großeu schonen Druck auf den Leser einladend. Alles in allem ein sehr wertvolles Buch, der Erinnerung geweiht. F. Wikullil, GM.

Küstenschutz und Unternehmungen gegen denselben an der schleswig- holsteinisch jütischen Nord und Ostseeküste im Feldzuge 1864.

Von Georg Cardinal von W i d d e rn, königl. preußischer Oberst a. D. Berlin 1906. Verlag von R. E i s e n s ch in i d t.

D»r Verfasser gliedert sein Werk in ein Vorwort und zehn Abschnitte.

Im enteren stoßen wir auf die Behauptung, daß es eine Sohrift über Kistenschutz und Unternehmungen gegen denselben vom Standpunkte des kleinen Krieges nicht gebe. Das ist nicht ganz zutreffend. Ober Landungen und Abwehr derselben wurde bereits mehrfach geschrieben und wenn in den ein- schlägigen Werken allerdings hauptsächlich Operationen größeren Stiles besprochen erscheinen, so sind in diesen die Details solcher Unternehmungen meist soweit durchgeführt, daß es nicht schwer fällt, ans ihnen die Aufgaben des kleinen Krieges abzuleiten.

Die ersten fünf Abschnitte bebandeln lediglich die geschichtlichen Ereig- nisse, Einnahme und Festhaltung der Insel Fehmarn, den Überfall von Assen- drup am 2lK März und die Durchführung der Küstenbewachung seitens Kavallerie und sind sehr anschaulich und lebhaft geschildert.

Dagegen können wir uns mit den Darlegungen des VI. Abschnittes, Betrachtungen über Küstenschutz und Landungen, vielfach nicht befreunden.

Die Behauptung, daß die Kavallerie infolge ihrer Beweglichkeit für den Bewachungsdieust an der Küste besonders befähigt sei, ist wohl nicht einwand- frei. Die Kavallerie ist nur in bedingtem Maße beweglich und nicht selten wird jenes Mittel, welches ihr die Beweglichkeit sichern soll, zum Hindernis. Dies ist speziell bei der Küsteubewachung der Fall, da der einzelne Posten, um die Küste gut zu übersehen, häufig bis an das Wasser vorgehen muß und felsiger, mit Gestrüpp durchwachsener oder sandiger, weicher Boden vielfach das Vor- wärtskommen erschwert für solchen Dienst ist das Pferd ein Hemmnis, der Fußsoldat, welcher sich überdies leichter decken kann, also leistungsfähiger.

Daß die Küstenbewachung durch Kavallerie in Jütland im allgemeinen entsprach, erklärt sich durch die geringe Unternehmungslust des Gegners ; wenn er aber sich zu einer Unternehmung bequemte, hatte er, wie die von Cardinal selbst vorgeführten Beispiele zeigen, immer den gewünschten Erfolg. Und hieran wird auch die Ausrüstung mit dem Karabiner nicht viel ändern, insolange das Pferd der wichtigste Teil des Kavalleristen bleibt.

Auch die Art, wie der Verfasser sich die Vernichtune gelandeter Truppen denkt, ist sehr anfechtbar.

.Gegen das Meer werfen, von den Schiffen abdrängen und gefangen nehmen', das könnte man sich nur bei sehr leichtfertig ausgeführten Laudungen vorstellen.

Die Erwägungen und Betrachtungen, welche an die Unternehmungen der Dänen geknüpft werden, haben kaum theoretischen Wert, da diese lediglich nur beunruhigen und aufreiben, möglicherweise auch noch die Bewachungs- verhältnisse als Vorbereitung einer größeren Landung, erkunden sollten.

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Im VII. Abschnitt sind Moltke's Direktiven über Küstenschutz wieder- gegeben.

Aus diesen Ableitungen allgemeiner Art zu machen, geht wohl nicht «n, da sie dem konkreten Fall angepaßt sind und daher selbstredond den modernen Verhältnissen nicht entsprechen können.

Ob es rätlich erscheint, zur raschen Beförderung von Abschnittsreserven bespannte Wägen bereitzuhalten, ist fragl'u-h. Man be lenke, wie viel Wägen nur ein Bataillon benötigt, welohe Kolonnenlänge diese ergeben und welche Situation entsteht, wenn das Bataillon wählend einer solchen Nachtfahrt über- raschend auf den Feind stößt.

Der VIII. Abschnitt bringt den weiteren Verlauf des Krieges und der IX. Abschnitt die Vorgange an der Nordseekiiste, welche für uns darum ein spezielles Interesse haben, weil hier ein österreichischer Truppen körper Ö. Feldjägerbataillon und die Flotte operieren. Vorteilhaft wäre es gewesen, diesem Kapitel ebenfalls eine Skizze beizugeben und nicht auf den Andre'sehen Atlas zu verweisen, da der.-elbe dem Leser nicht immer zur Verfügung steht.

In einem eigenen Kapitel Betrachtungen werden noch einzelne Kriegslagen besprochen, in welchen die Nordseeküste von Schleswig - Holstein «ine Rolle spielen könnte.

Diese ganz interessanten Darlegungen sind in manchem bestreitbar. So erscheint es nicht erklärlich, wie bei der ersten Kriegslage das Wattenmeer und die Küste des Festlandes unter Mitwirkung von Torpedobooten verteidigt werden sollte, wenn der Gegner im Besitze der Friesischen Inseln ist und das Meer beherrscht; für die zweite Kriegslage kann nur Dänemark in Frage kommen, sie ist also höchst unwahrscheinlich; warum an den West-, Nord- und Südküsten ein Anlaufen unmöglich sein sollte, wäre jedenfalls der Aufklärung bedürftig gewesen.

Cardinal von Widdern hat sich mit der Bearbeitung dieses Stoffes auf ein sehr schwieriges Gebiet begeben, weil hiezu nebst der Kenntnis des Land- krieges auch ein weitgehendes Verständnis für die moderne maritime Krieg- führung notwendig ist. Dieser Bedingung entspricht Verfasser wohl nicht voll- kommen, doch sei gerne anerkannt, daß wir es immerhin mit einer anregenden Arbeit zu tun haben, welche dem militärischen Leserkreise ohuoweitere empfohlen werden kann. M.

Pierre L e h au t c o u r t Histoire de la guerre de 1870— 1871. Tome V. Rezonville et Saint-Privat avec cinq cartes. Berger- Levrault et C i e., eriiteurs Paris 5, rue des beaux-arts; Nancy 18, rue des glacis. 1905.

Pierre Lehautcourt ist zweifellos einer der besten lebenden franzö- sischen Historiker, der sich auf Grund eingehender und ernster Studien bemüht, in die oft etwas verworrenen und nicht ganz sicher festgestel ten Ereignisse des Feldzuges 1870/71 Klarheit zu bringen und die wirklichen historischen Tatsachen testzustellen.

Wir haben an dieser Stelle schon wiederholt die Gründlichkeit und Objektivität Lehautcourt's festgestellt und müssen zu unserer großen Freude auch diesmal betonen, daß der Herr Verfasser mit seltenem Takt und außer- ordentlichem Feingefühl bei Feststellung der eiuzelnen Tatsachen verfährt «nd stets bemüht ist, nicht bitter zu werden, was den Wert der Darstellung nur erhöht und allen Historikern nicht genug empfohlen werden kann.

„Die vier Tage (von Rezonville und Saiut-Privat) vom 15. bis 18. August - sagt Pierre Lehautcourt in der Einleitung zu seinem Werke sind die wichtigsten des ganzen Feldzuges des Jahres 1870. Sie entscheiden in der Tat über das Schicksal der Rheiuarmee." Die 150.000 Manu, welche Marschall Bazaine befehligte, begannen am 14. die Mosel zu überschreiten. Die schweren, bei der Vorbereitung dieser Bewegung begangenen Fehler, dann die Lang- samkeit und die Verwirrung während des Marsches am 15., ermöglichten deu verbündeten deutschen Truppen die Franzosen am Morgen des 16. August in.

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Front und Flanke anzugreifen. Trotz der geringen Zahl ihrer Truppen, gelang es den Deutschen durch ihre Kühnheit die Franzosen zu Müschen, welche die Deutschen ohne grt lie Anstrengungen, leicht hätten über die Mosel zurückwerfen können, so aber wurde der ganze 16. August vertrttdelt, statt energisch die Offensive zu ergreifen, wie es die Umstände erheischt hätten.

Die schworwiegenden Folgen der Schlachten des 16. und 18. August 1870 zeigt der weitere Verlauf des Feldzuge* die Unterlassungssünden des 16. von Seite der Franzosen konnten nicht mehr wett gemacht werden.

Das Werk ist sehr richtig in vier Bücher geteilt, vou denen das erste dem Ib. August, das zweite den Ereignissen von Hezouville am 16., das dritte dem 17. August und endlich das vierte, letzte und umfangreichste Buch der Schlacht vou Saint- Privat gewidmet ist.

Pierre Lehautcourt vermeidet es zwar, anscheinend aus Bescheidenheit, bei diesem Werke ein zusammenhangendes Literaturverzeichnis anzuführen, doch hat er, nach den Fußnoten und dem Resultate der Arbeit zu schließen, sehr gewissennaft und mit großer Objektivität alle Quellen benutzt. Nur schade, daß der Herr Verfasser Bleibtreu's Arbeit „die Wahrheit über Mars la Tour" nicht mehr henützen konnte, da sie zu spät in seine Hände gelangte.

Die Überraschung von Moutigny, der Rückzug des 8. und 4. Korps sowie die Verhältnisse in den beiden Hauptquartieren und beim Generalstabe der II. Armee sind sehr treffend geschildert.

Die Schlacht von Saiut- Privat am 18. August war für die deutschen Waffen siegreich. Pierre Lehautcourt sau't iii seinen Betrachtungen zu derselben: „Wenn es eine lehrreiche Schlacht unter allen gibt, so ist es gewiß jene von Saint Privat." Daß der Herr Verfasser mit dieser Behauptung nur zu sehr Recht hat, ist sicher, denu soviel der lehrreicheu Situationen, wie in dieser be- deutungsvollen Schlacht, finden sich wohl selten in einer feindlichen Begebenheit. Daß bei der deutschen Führung auch einzelne Mißgriffe und Unterlassungen vorkamen, ist eine nicht wegtuleugnende Tatsache, doch soll dadurch nicht im mindesten das Verdienst jener großen Männer geschmälert werden.

Pierre Lehautcourt schließt seine äußerst lesenswerte Arbeit mit folgenden sehr richtigen Worten: „Die ganzen Ereignisse zusnmmengefaßt, bedeutet, der 18. August nicht die Überlegenheit der Zahl und der Kombination, nicht einmal die gute Ausführung der letzteren war es, welche dem Feinde den Erfolg sicherte. Die Deutschen verdanken den Erfolg vor allem der Unfähigkeit Bazaines, seiner vorbedachten und beabsichtigten Untätigkeit. Sie verhindern ihn aus den beständigen Fehlern seiner Gegner Nutzen zu ziehen. Seine Energielosigkeit hat den Deutschen den Sieg überlassen, das ist die Wahrheit und man ist erstaunt, daß französische Schriftsteller diese Schlacht als Muster hingestellt haben. Weit entfernt davon!"

Leider hat Herr L e h a u t o o u r t es auch diesmal unterlassen, seinen Karten Truppensignaturen beizufügen das ist wohl der einzige Einwand, der gegen das sonst vorzüglich gelungene Werk erhoben werden kann.

Oberleutnant H a r b a n e r.

Geschichtliche Rückblicke auf die Entwicklung der deutschen Artillerie seit dem Jahre 1866. Von Georg v. Kietz eil, Major a. D. Berlin, 1906. A. Batli.

Geschichte des Großherzoglich Oldenburgischen Artilleriekorps.

Von v. Stumpff, Major und Abteilungskommandeur im Ostfriesischen Feldurtillerie - Regiment Nr. 62. Oldenburg. G. Stalling.

Das erste der oben angezeigten Werke enthält, auf Grund amtlicher Behelfe, eine gedrängte Darstellung der Entwicklung der Artillerie Preußens, Bayerns, Sachsens und Württembergs, mit einer Nachweisung der Generale und in Generalstellung befindlichen Obersten dieser Waffe; das zweite schildert die Schicksale der Oldenhurgischun Artillerie, die sich aus kleinen Aufängeu

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kräftig entfaltete. Dor Darstellung der Tätigkeit der Oldenhurgischen Artillerie im X. preußischen Armeekorps während des deutsch-französischen Krieges, ist gebührendermaßen der verhältnismäßig breiteste Raum des Buches gewidmet.

C.

Das Maxim-Maschinengewehr und seine Verwendung. Von Haupt- mann Braun. 3. Auflage. Berlin 1905. Verlag von R. E i s e. n s c h m i d t.

Dieses Werk bildet eine auf Veranlassung der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken, welche seit einigen Jahren das Maximmaschinengewehr er- zeugen, neu bearbeitete und wesentlich erweiterte Neuauflage derselben Druck- schrift vom Jahre 1903.

Die Erfahrungen aller anderen Konstruktionen automatischer Handfeuer- waffen beziehen sich zumeist nur auf deren Verwendung im See- und Festungs- kriege, während das Maximmodell bereits s*»ine volle Kriegsbrauchbarkeit auch im Feldkriege erwiesen hat.

Dieses Moment soll augenscheinlich durch das vorliegende Werk naher beleuchtet respektive der Beweis hiefür erbracht werden; von diesem Stand- punkte verdient die Arbeit de« Hauptmann Braun auch volle Beachtung.

In deu ersten Abschnitten werden die Detailkonstruktion, Lafet- tierung. Munitionsversorgung und Wirkungsfähigk eit des Maxim- maschinengewehres in Wort und Bild vorgeführt.

Sehr interessant sind die nun folgenden kriegsgeschichtlichen Riiokblioke auf die Verwendung dieser automatischen Feuer- waffe. Dieselben bringen eingehende Berichte aus den Kolonialkämpfen Groß- britanniens in Ägypten, gegen die Matabele und aus dem Burenkriege, ferner die schon bekannteren Daten über die Teilnahme des .litis" an den Kämpfen gegen die Takn- Forts während der chinesischen Wirren.

Sehr eingehend erscheint die Verwendung des Maximmaschinengewehres in den Kämpfen, welche zwischen den deutschen Truppen und den aufstän- dischen Hereros im Jahre 1904 in Deutsch-Südwestafrika stattfanden, beschrieben und gewürdigt, wobei es mehrere Gefechtsskizzen ermöglichen, den Gang der Ereignisse folgen zu können.

Eine anschließende Zusammenstellung der im Jahre 1904 in den verschiedenen Staaten des Erdballes in Verwendung stehenden Maschinengewehre zeigt, daß jenes von Maxim bereits bei 43 Heeren und Flotten im Gebrauch steht, während der nächste Abschnitt der eingehenden Organisation der Maschinengewehrabteilungen einiger Staaten, besonders Deutschlands und der Schweiz mit Eude des Jahres 1904 gewidmet ist.

Bei Österreich - Ungarn werden die Daten Uber die seinerzeit zu Ver- suchszwecken organisierten Kavallerie- und Gebirgsmaschinengewehrabteilungen des 11. und 1*j. Korps gebracht und auf eine als beschlossene Sache bezeichnete definitive, ausgedehnte Einführung in der k. und k. Armee hingewiesen. Daß diesbezüglich des Maximmaschinengewehres keineswegs zutrifft, konnte der Verfasser freilich nicht wissen.

Besonders lesenswert erscheinen die folgenden Kapitel über die tak- tische Verwendung der Maschinengewehrabteilungen im Feld- kriege, sowie die Verwendung derselben im Festung»- und See- kriege, bei Kolonialkämpfen und im kleinen Kriege, welche Aus- führungen den bereits anerkannten hohen Wert dieser Gewehre als Kriegswaffo begründen und erhärten sollen.

Den Schluß bildet endlich die eingehende Beschreibung der umfassenden Verwendung der Maschinengewehrabteilungen der Landarmee uud auch der Marine bei den deutschen Kaisermanövern im Jahre 1901 zwischen Danzig uud Dirschau in Westpreußen an der Hand von zwei Plänen.

Wenn noch erwähnt wird, daß außer den vielen äußerst deutlichen photo- graphischen Bildern im Text noch am Schlüsse 16 Tafeln von Konstruktions- zeichnungen der Waffe, deren Lafettierung und Packung beigefügt wurden, so hat man ein möglichst vollständiges Bild der mit großer Sachkenntnis und anerkennenswertem Fleiße gelösten Aufgaben des Verfassers. F. S.

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Militärischer Führer durch das Donautal von Passau bis zurMarch-

mündunq (Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg). Von Major Ludwig Brunswik von Korompa. Verlag von L. W. Seidel und Sohn. Wien 1906.

Der rührige Verfasser der „Kriegsgeschichtliehen Beispiele zur lllustrierung ui'serer Reglement.*." erweist nunmehr, vom taktischen auf da» Gebiet der Ope- rationen übergehend, «eine Befähigung, in knapper und konziser Form die Heereshewegungen und Rümpfe zu schildi rn. die »ich im Üonautale und deu angrenzenden Manövrierräumen abspielten.

Der Feldzug 1741/42 in Oberösterreich gegen die Frankobayern, die kriegerischen Ereignisse der Jahi e lSCO, 18('5, 1848 und 186b' gelangen in über- sichtlicher Art zur Behandlung.

War es möglich aus den ersterwähnten Arbeiten reichlich Stoff für die taktisch»' Aufgabenstellung zu gewinnen, so bietet das jüngste Werk Gelegenheit, manche interessante Ausgangssituation zur Beurteilung operativer Kragen heraus- zuheben.

Wenn die Andeutung auf der letzten Seite des Textes richtig ausgelegt wurde, so scheint der Autor dem jetzt ausge^ebei en, weitere Hefte folgen lassen zu wollen. Die Absicht düifte vorliegen, das Anland uuseres sagenum- sponnenen Heimatsstromes dem Leser auch dadurch naher zu bringen, daß sich eingehende Gefecht»schilderungen mit den einzelnen, durch die Kriegsgeschichte bekannten Lokalitaten beschäftigen. Dem taktischen Wanderer wird dann auf historischem Boden die Erinneru- g an die Begebenheiten der Vergangenheit neu aufleben.

Die Ausführung dieses Gedankens durch den bewährten Schriftsteller wäre mit besonderer Freude zu begrüben. Ghy.

Kurzgefaßtes Lehrbuch der Mathematik für Ingenieure. Von

Dr. teehn. Julius Mandl, k. und k. Oberstleutnant des Geniestabes (Mit 147 Figuren. 346 Beispielen und eint in Diagramm.) Wien 1906. Verlag Lehmann & Wentzel (Paul Krebs).

Es ist schou geraume Zeit her, daß dein Zutritt von Offizieren aller Waffen zur Bewerbung um die Aufnahme in diu k. und k. technischen Militär- fachkurse die Tore geöffnet wurden. Der Zweck der genannten Kurse läßt es aber bei der ohnedies beschiänkten Zeit nicht zu, daß den Frequentanten die grundlegenden technischen und vorwiegend mathematischen Disziplinen erst dort vertraut gemacht werden. Diese müssen »ie schon mitbringen, d. h. sich die bezüglichen Kenntnisse soweit diese nicht in den früher absolvierten Schulen erworbi-n sein sollten durch Selbststudium aneignen. Diese an sich schon schwere Aufgabe wird durch den Umstand, daß zur Lösung der- selben eine außerordentlich reiche mathematische Literatur zur Venügung steht, nicht leichter, denn die meisten Werke sind zu diesem Zwecke zu um- fangreich, der übrige Teil aber ist meist zu unvollständig.

Es muß daher mit Freude begrüßt werden, daß sich Oberstleutnant Dr. techn. Julius Mandl, welcher als langjähriger Lehrer der mathematisch, technischen Fächer an den technischen Militärfachkursen ü(>er reichlichen Ein- blick in die von den Aspiranten mitgebrachten mathematischen Vorkenntnisse verfügt und mit den notwendigen Erfordernissen au mathematischem Können der eine höhere, faohtechnische Ausbildung anstrebenden Oifiziere aufs Iunigste vertraut ist, sich im vorliegenden Werke, wie aus dessen Vorwort zu entnehmen ist, die schwierige Aufgabe gestellt hat, denselben für die Vorbereitung zur Aufnahmsprüfung eiuen geeigueten Lernbehelf an die Hand zu geben; gleich- zeitig aber auch für die spätere praktische Tätigkeit des technischen Offiziers und Ingenieurs einen nützlichen liehelf an schaffen.

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Der Text des Werkes ist in einer genau abgewogenen, prägnanten dabei dem Verständnis leicht zugänglichen, klaren und anschaulichen Ausdrueksweise gehalten, und dient ein« reiche Zahl sehr gut gewählter Beispiele wesentlich zur Erhöhung de« Verständnisses.

Der Verfasser hat sich nicht auf die Erörterung der Differenzial- und Integralrechnung beschränkt, sondern derselben einen gedrängten Abriß der niederen Mathematik, soweit sie wenn der Ausdruck gestattet ist als Handwerkreug später hauptsächlich benötigt wird, vornngeschickt.

Ausgehend von der quadratischen Gleichung und dun Log.-irithinen folgen die Kapitel über die Goniometrie die ebene Trigonometrie und die analytische Geometrie des Punktes und der geraden Linie in der Ebene, ferners der Bino- mialreihe und die Fuuktionstheorie.

Dieser kurze Auszug, welcher dem späteren Studium der Ditrcrenzial- und Integralrechnung den Weg ebnet, wird für den Studierenden eine sehr vor- teilhafte Rekapitulation und wegen der übersichtlichen Zusammenstellung der gebräuchlichen Formeln, immer ein willkommener Nachschlagebelielf sein.

Au die Behandlung der Kapitel der Differenzial- un<l Integralrechnung schließt sich deren Anwendung auf die Reihentheorie, die analytische Geo- metrie der ebenen Kurven, ferner die Maxima und Minima und die Ausmittluug unbestimmter Formen von Funktiorswerten. Den Schluß bildet eine kurze Über- sicht über höhere Gleichungen

Der Zweck des Buches hat eine eingehendere Behandlung des letzteren sehr interessanten Gebietes der Mathematik sowie jenes der Determinandentheorie uud der Differentialgleichungen nicht mehr gestattet.

Die Durchsicht des Werkes, dessen Umfang im vorstehenden kurz skizziert ist, führt zu der Überzeugung. dati der dem Verfa-ser angestrebte doppelte Zweck in jeder Richtung vollkommen erreicht wurde. Dasselbe be- deutet nicht nur eine wohltuende Erleichterung für den sich einer höheren faohtechnisohen Ausbildung widmenden Offizier, sondern gestattet auch dem praktischen Ingenieur, bei gelegentlich herantretenden mathematischtheoretischen Fragen sich rasch zu orientieren.

Das Werk kann daher mit bestem Gewisssen jedermann empfohlen werden.

Kriege unter der Regierung der Kaiserin- Königin Maria Theresia.

Im Auftrage des k. und k. Chefs des Generalstabes heraus- gegeben von der Direktion des k. und k. Kriegsarchives.

Österreichischer Erbfolgekrieg 1740—1748. VIII. Band. (Mit neun Beilagen.) Nach den Feldakten und anderen authentischen Quellen bearbeitet kt der kriegsgeschichtlichen Abteilung des k. und k. Kriegsarchivs von Maximilian Rttter von Hoen, k. und k. Major des Generalstabskorps. XIII und 607 S. gr. 8°. Wien 1905. L. W. Seidel & Sohn.

Der achte Band des großen Werkes über den österreichischen Erbfolge- krieg, dessen wir wiederholt in diesen Blattern Erwähnung getan, liegt uns zur Anzeige vor. >) Er behandelt den Krieg in Italien gegen Spanien, Neapel uud Frauk reich in den Jahren 1741 bis 1744.

Dieser ganz vorzüglich aufgebaute und trefflich vom Major Ritter von Hoen geschriebene Band bringt viel Neues und Interessante) über den Krieg, den Maria Theresia auch auf dem Boden Italien s um ihr Erbe zu tühren ge- zwungen war. Wesentlich neue Aufschlüsse boten dem Verfasser in dieser Be- ziehung die reichen bestände des königlich spanisohen Hauptstaats-Archivs von Simancas, welches die Kriegsarohivs - Direktion durch einen eigens dahin ent- sendeten Offizier (Hauptmann Paldns) seinerzeit hat durchforschen lassen.

1) Sieh« de* Besprechung der trüheren Hände im Bücher- Anzeiger des „Organ" Band 52, 54. .r>7, 6«, 67. fi9.

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Bücher-Anzeiger.

In kurzem mag liier von «lern Inhalt des vorliegenden Bandes die Rede sein, wenn auch bei dem Reichtum de« auf 543 Seiten sieh drängenden Stoffes nur aiHleiitunghwei.se verfahren werden kann.

Die politische Lage in Italien vor Boginn des Krieges dient als Ein- leitung für das Verständnis der folgenden Ereignisse. Das provisorische Bündnis Maria Theresia'« mit Sardinien, eine iu der Staatengeschichte kaum dagewesene Vereinbarung, kommt zu Stande und läßt dem König Karl Emanuel III. völlig freie Hand nach einmonatlicher Kündigung eventuell die Gegenpartei zu ergreifen.

M a r i a T h e r e si a's Sache stand zu Ende des Jahres 1741 aber so schlecht, daß sich dieselbe Uber alle Bedenken eines solchen zweideutigen Vertrages hinwegsetzte, trotzdem sie eine fortdauernde Unsicherheit ihrer Stellung in Italien damit iu den Kauf nehmen und fürchten mußte, daß die Sarden, die als Hiltstrupi en zur Verteidigung in die Lombardei einrückten, dieselbe nicht verlassen würden, falls Karl Kmanuel das Bündnis kündigte und sich den Feinden der Königin anschloß. Verlasser gibt dann einen Überblick über die Streitkräfte, schildert den Vormarsch beider Armeon, die Belagerung der Ciia- delle von Modeua, die Operationen der spanischen Generale.

Es folgt eine eingehende Darstellung der eigentlich unentschiedenen Schlacht bei Camposauto («. Februar 1743).

Der Wechsel im österreichischen Armeekommaudo (Herbst 1713), die Ersetzung EM. Traun's durch EM. Christian Eürst Lobkowitz war ent- schieden ein Fehlgriff, nachdem dieser General vermöge seiner Fähigkeiten nicht im entferntesten seinen verdienstvollen Vorgänger zu ersetzen geeignet war. Verfasser wendet sich nun den Kämpfen auf dem westlichen Kriegsschauplatze zu. Im Wormser Traktat (13. September 1743) war endlich ein definitiver Vertrag zwischen Österreich, England und Sardinien abgeschlossen worden, dessen Zweck darin bestand, Italien, insbesonders aber den österreichischen Besitz daselbst, vor den unberechtigten Angriffen der Bourbonenstaaten zu sichern.

Der Einmarsch der Franko-Spanier iu Piemont, die Kämpfe um die Graf- schaft Nizza werden eingehend behandelt.

Ein Kabinetsstüek guter und anschaulicher Erzählungsknnst ist die Schilderung des Seegefechtes bei Cap Si' ie zwischen der englischen und franko- spani-chen Flotte. Der zweite Einfall der Verbündeten in Piemont bildet den Schluß des textlichen Teiles des Bandes.

Der Erfolg des Feldzuges hing von dem Besitze Cuneo's ab; wer es besaß, konnte in Piemout Winterquartiere nehmen. Der Verteidiger, General Lentruin, war ein tapferer, energischer Mann, und König V i k t o r Em a nu e 1 gab sich alle Mühe, die Festung zu entsetzen. Ein Angriff auf Madonna dell' Olmo. durch die Kampflust der Irregulären zu früh begonnen, führte zu einer Schlacht, die eigentlich unentschieden blieb. Indessen wurde die Lage der Ver- bündeten schwieriger, ihre Requisitionen wurden gestört, dazu kamen Krankheiten und das sehr rauhe Herbstwetter. So begann man denn am 22. Oktober 1744 den Rückzug.

Trotz der gebrachten großen Opfer war nur die Grafschaft Nizza gewonnen worden; den Verbündeten war es aber nicht gelungen, jene Gebiete zu erreichen, deren Eroberuug das Ziel des Krieges sein sollte. Der Plan einer Vereinigung der auf beiden Kriegsschauplätzen in Italien kämpfenden Heere war geseheltort.

Der Anhang bringt reiches Material au Ordres de bataille und Standes- tabellen. Die vortreffliche Ausführung der dem Bande beigegebenen Textskizzen uud graphischen Beilageu braucht bei der Gediegenheit, durch welche die Publi- kationen des Kriegsarchivs sich auszeichnen, nicht besonders hervorgehoben zu werden.

Alles in allem, ein trefflicher, auf außerordentlich gewissenhaftes Quellen- studium fundierter Band. C v. D.

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Vierteljahreshefte für Truppenfübrung und Heereskunde. Heraus- gegeben vom Großen Generalstabe. III. Jahrgang 1906. Zweites Heft. Berlin 1900. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Königliche Hofbuchhandlung, Kochstraße 68 71.

Der einleitende Aufsatz von Hauptmann Freiherrn von der Goltz im Großen Generalstabe „Rußland's militärische Stellung" geht von der Voraussetzung aus. daß das Zarenreich aus den jüngsten Ereignissen ohne tief- greifende Erschütterung, in mancher Hinsicht aber durch Reformen zweifellos gekräftigt, aus der Krise hervorgegangen ist, daß daher sehr bald mit einem Wiedereinsetzen einer aktiven russischen Politik zu rechnen ist. Von diesem Gesichtspunkte werden die russisch-englischen Chanoen in Indien besprochen, wobei dem geschichtlichen Teile, dem Drange der ältesten Völker nach den sagenhaften Schätzen Indien'» ein breiter Raum gelassen ist.

Der folgende Aufsatz von Oberstleutnant Freiherr von Freytag-Loring- hoven, Abteilungschef im Großen Generalstabe, ist eine Fortsetzung des im ersten und zweiten Hefte dieses Jahrganges gemachten Versuches, die in den Worten des Generals von Clause w it z zerstreut vorhandenen Elemente für den psychologischen Teil der Lehre vom Kriege zusammenzustellen. Unter dem Titel „Studien nach Clausewitz. Neue Folge1*, wird dieser Versuch hiemit auf die ülirigen Gebiete der Lehre vom Kriege ausgedehnt,

Hauptmann Hecker im Großen Generalstabe bespricht „die Gebirg s- trappen der österreichisch-ungarischen Armee", offenbar angeregt durch die vorjährigen Kaisermanöver in Tirol.

Major Scharr, Kommandeur des 1. Elsässischen Pionierbataillons Nr. 15, behandelt die Tätigkeit der .Pioniere auf dem Sc h lacht fei de von Königgrätz". Er kommt zu dem Schlüsse, daß das Verständnis für die Ver- wertung dieser Waffe zu jener Zeit bei beiden kämpfenden Teilen eine sehr mangelhafte war, daß auch organisatorische Mängel die Ursache der unbefrie- digenden Leistungen waren. Da man auch in Hinkunft damit rechnen muß, daß im Kriege oft Mängel der Organisation offenbar werden, müssen Führer und Unterführer ihre ganze Selbsttätigkeit entfalten, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden.

Dieses Heft bringt weiters die Fortsetzung der „Kämpfe derdeutschen Truppen in Südwestafrika". Sie umfaßt die Lage anfangs Februar und die Ereignisse bei der Ostabteilung bis zum Gefecht von Owikokorero, die Operationen der Westabteilung, die Tätigkeit der Hauptabteilung im März und die Vorbereitungen für die Aprilkämpfe, das Gefecht von Onganjira, das Gefecht von Owiumbo, die Ereignisse bei der Ostabteilung bis zu deren Auflösung, die Vorbereitungen für die weiteren Kämpfe, den Wiederbeginn der Operationen, endlich die Übernahme des Oberkommandos durch Generalleutnant von Trotha. Die durch photographische Aufnahmen unter anderen auoh einer Maschinen- gewehrabteilung im Gefechte bei Owiumbo durch zahlreiche Befehle im Wortlaute lebensfrisch gehaltene Darstellung, liest sich sehr interessant, oft spannend.

General der Infanterie z. D. Freiherr von Falkhausen schlieüt das Heft mit einer 8tudie „Angriff und Verteidigung", worin nochmals die Chancen dieser zwei Arten der Gefechtsführung besprochen werden. i.

Anregungen zur rationellen Verbesserung unserer jetzigen Truppen- erziehung, Ausbildung und Führung für unsere Offiziere aller Waffen. Supplement zu den leichtfaßlichen Besprechungen über die moderne angewandte Taktik I. und II. Teil von Major Theodor B e k i c.

Der Autor der „Leichtfattlichen Besprechungen über die moderne an- gewandte Taktik" (I. und II. Teil, Karl Grill, k. und k. Hofbuchhandlung, Budapest) hat in dem ueuerschienenen, 142 Seiten starken Hände Uber die

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XXIV

Bücher-Anzeiger.

rationelle Verbesserung unserer jetzigen Truppenerziehung, sehr beachtenswerte Winke und Fingerzeige zur Umwertung der wichtigsten, die Ausbildung unserer Offiziere aller Waffen betreffenden Vorschriften, iu den Offiziersschulen, im Terrain, auf dem Schießpiatee etc. etc. geliefert.

Wie schon der Titel seiner neuen Arbeit sagt, bildet diese ein Supple- ment zu den leichtfaßlichen Besprechungen tiber die moderne angewandte Taktik, I. und II Teil, und berücksichtigt dabei hauptsächlich alle jene Momente, die ihm zur Verbesserung innerer gegenwärtigen Truppenerziehung, Ausbildung und Führung, zweckdienlich erschienen.

In einer Reihe von Abschnitten, deren Inhalt unten gedacht wird, führt der Verfasser den Leser in die Offiziersschulen, auf den Übungsplatz, ins Terrain, überall belehrend und interessant, die Erfahrung des südafrikanischen und des russisch -japanischen Krieges ausnützend, und vor allem nicht trocken, wie dies bei einem solchen Thema nur iu leicht möglich ist.

Gerne schließen wir uns seinen im Abschnitte II, Uber Offiziersausbildung enthaltenen Ausführungen an ; auch wir wollen als Endziel dieser Ausbildung im Offizier keiueslalls nur den einfachen Vollstrecker erhaltener Befehle vielmehr einen praktischen und denkenden Führer ins Auge fassen, weloher ruhig überlegen und korrekt zu handeln vermag, Entschlüsse zu fassen und für deren Durchlührung die volle Verantwortung zu übernehmen befähigt ist.

Dieser schwierigen Aufgabe vermag er aber nur daun zu genügen, wenn seine theoretische Schulbildung mit seiner praktischen Betätigung Hand in Hand geht.

Offenbar von diesem Ideengange geleitet, hat der Verfasser die vor- liegende Arbeit aufgebaut. Beide Gesichtspunkte ihrem vollen Werte naoh würdigend, verlegt er das Schwergewicht dennoch auf die praktische Truppenausbildung und praktische Truppenführuug. auf die feldmäßige Durchlührung der Truppenübungen, auf das Infauteriegefecht und auf die Schieß- ausbildung.

Eine kurze Inhaltsangabe wird am besten einen Überblick über den Stoff des Buches bieten.

Itu Abschnitte II gedenkt der Verfasser der Grundsätze, auf welchen Er- ziehung und Ausbildung der Offiziere basiert sein soll.

Was er hier über physische Überaustrengung und geistige Abspannung der Offiziere bei pünktlicher Einhaltung der vorgeschriebenen vielen Unterrichts- stunden tagt, sind wohl wichtige Worte: „Das Einfache und Notwendige, dies aber gründlieh lehren und lernen, doch alles nur mit Maß und Ziel*. „Die wichtigste Tätigkeit des Offiziers ist nicht seine militärwissenschafthche Aus- bildung, sondern seine praktische Truppendienstleistung, die Ausbildung der Truppe für den Krieg.1*

Wo soll der Offizier Zeit und Kraft hernehmen, neben der Erledigung seiner täglichen dienstlichen Pflichten, alles das zu lernen, was er zur vollen Ausfüllung seiner Stellung und zur Weiterentwicklung braucht?

Das ist nur möglich durch eine Anleitung zu vernünftigem, angemessenem Leben durch die Vorgesetzten; das durchzusetzen, zählt zu den größter , aber auch schönsten Aufgaben der Truppenkommandanten ; ihnen wird es am leichtesten gelingen, wenn nötig, auch gesteigerte Ansprüche an die Leistungs- fähigkeit ihrer Offiziere stellen zu können.

Der Abschnitt III ist der praktischen Truppenausbildung, der Abschnitt IV der praktischen Truppenführuug go widmet.

Der Notwendigkeit, bei der Ausbildung in der Truppenführung den praktischen Gefechtsübungen den höchst*- n W*rt zuzusprechen, wird ebenso warm gedacht, wie in logischer Begründung gefordert wird, daß bei diesen Übungen nicht das Prüfen und Kritisieren, sondern das Zeigen der kor- rekten Durchführuug der Hauptzweck sei.

Durch die öftere Wiederkehr des Bildes einer korrekt durchgeführten Gefechtsübung und entsprechende Anpassung an verschiedene Situationen, gewiunt der Führer jenes Gefühl für das Richtige, das ihn dann auch in dou schwierigen Momenten immer etwas Durchführbares das beste muß es ja nicht immer sein treffen laßt.

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Bücher- Anzeiger.

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Dem Abschnitte V über instruktive und feldmäßige Durchführung der praktischen Übungen und den diesem «ich anreihenden Abschnitten VI XXXII, Über Reihenfolge, Art und Leitung der Übungen, Initiative, Infauteriegefecht, Sicherung, und der Verbindung im Gefechte, Frontalangriffe, Umfassungen, Ver- teidigungen, Gefechtaeinleitung, Feuereröffnung, Verwendung der Kavallerie, der Aitillerie, Verschieben und Entwicklung der Hauptkräfte, Vorrückung der Reserven, Gegenangriff und Verfolgung, dann Schießausbildung ist auoh der größte Kaum in diesem Buche gewidmet.

Daß es vorteilhaft ist, zuerst nur einzeluo Gefecbtsmomente zu üben und zu besprechen und dann erst zusammenhängende Gefechte auszuführen, findet im Gange unserer derzeit bestehenden Ausbildungsmethode vollen Ausdruck.

Bei der Darstellung der einzelnen Gefechtsmomente streut jedoch Major ßekiü eine ganze Menge von Bemerkungen ein, die den verständnisvollen Kenner moderner Gefechtsausbildung im recht günstigen Lichio erscheinen lassen.

Die in den Abschnitten über Achtung vor Gesetz und Pflicht über wahres Kriegerleben und Streben, Esprit de corps, über Glaubenskult nnd Gewissenä- zustand der Soldaten zusammengefaßten, ebenso fesselnden, wie lehrreichen Ausführungen werden gewiß zur Förderung militärischer Tugenden, Patriotismus und Ehrgefühl, Ordnungs- und Pflichtliehe anspornen

Vorliegende gutdurchdachte Arbeit des Major Theodor B o k i o strebt die Modernisierung unserer Friedenstätigkeit an; die gegenwärtige Wintertätigkeit im k. nnd k. Heere: Kriegsspiele, Vorträge, applikatorische Besprechungen etc. rerleiht dieser neuen Erscheinung auf dem militärischen Büchermärkte aktuelles Interesse und es wäre nur zu wünschen, wenn dieselbe in den Kreisen der Armeeangehörigen die ihr mit Recht gebührende Beachtung und Verbreitung fände. E. Sch.

Notiz.

Über Luftgewehre.

(Separatabdruck uns der Zeitschrift für das gesamte Schieß- und Spreng- stoffwesen Nr. 5, 190b.)

Die so vielseitig verwendete treibende Kraft der Luft auch für Schuß- waffen auszunutzen, lag umso näher, «ls gepreßte Luft den Vorteil bietet, weder Rauch noch Rückstand zu liefern und ein Lnttgewehr nur eineu sehr schwachen Knall haben kann, der also die Aufmerksamkeit des Gegners kaum auf sich lenkt Auch ist die Handhabung der Waffe verhältnismäßig einfach. Das erfindungsreiche Nürnberg ist nnrh die Heimat dieser Gewehre, angeblich sollen sie dort, schon 1430, nach anderen Forschungen aber erst ein Jahrhundert später durch Hans Lobsinger das Licht erblickt, haben. Leibuiz, der über- haupt viele Äußerungen über Waffenwesen gemacht hat, die sich in seinen politischen und physikalischen Schrift« n zerstreut finden, hat in den „Gedanken zur deutschen Kriegsverfassung" auch von Gewehren gesprochen, aus denen man statt mit Pulver rmit Wind ohne neue Ladung zum öfteren schießen konnte*. Da aber Windbüchsen nicht leicht zu laden seieu, schlug er vor, solche hernach mit einem Schuß Pulver wieder zu spannen.

Natürlich kann an Windgewehr niemals weiter in Bezug auf Gleich- mäßigkeit noch Giöße der Wirkui.g mit einer Feuerwaffe je, auch früher nicht, wetteifern. Nach einer größeren Schußzahl nimmt infolge des geringeren Luft- drucks die Treffgenauigkeit wie die Schußweile t>ehr rasch und erheblich ab. Letztere beträgt im besten Falle höchstens 300- 400 Schritt. 20—30 Schuß in der Minute ist die größte Feuer- oder richtiger Schießgeschwindigkeit, die er- reicht werden kann. Auch ist es schwer zu erkennen, ob die Luftverdichtung etwa 200 Atm. noch durch die Festigkeit des Kolbens gehalten werden kann, so daß dadurch Unglücksfälle beim Laden und selbst beim Schießen ent- stehen.

So konnten Wiudgowehro mehr für Jäger, namentlich aber wegen ihrer Lautlosigkeit für Wilderer, und militärisch höchstens im kleinen Kriege in Be- tracht kommen, wie sie ja auch im Tiroler Freiheitskampf gegen Napoleon eine sehr erfolgreiche, dem Kaiser äußerst unbequeme Rolle gespielt haben.

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XXVI

Bücher-Anzeiger.

Aber aus Max Jiihn's kurzer Notiz und vor allem aus Dolle czek's inter- essanter „Geschichte der k. und k. Kriegswaffen" ergibt sich, daß in Öster- reich-Ungarn eine Repetier -Windbüchse M. 1780 von 13 mm Kaliber fost ein- geführt war und (Iber 35 Jahre in Verwendung gestanden hat. Ein Exemplar davon besitzt auch das Berliner Zeughaus ; der Konstrukteur war der hervor- ragende Büchsenmacher G C Girardoni. Das im Metallkolben befindliche Luftmagazin dieser Walle, dessen Messingventil den l"zilgigen Lauf von 6/4 Drall nach hinten abschloß, reichte zwar für etwa 40 Schuß, indessen waren 20 da« übliche, weil dann die Präzision ungemein rasch abnahm Die Kugeln befanden sich in einem auf der rechten Laufseite angebrachten Magazin. "Durch einen leichten Druck auf einen Querriegel wurde stets ein Geschoß vor das Luft- ventil befördert, dann wurde mittels eines Hahns eine Feder gespannt und durch Ziehen am Abzug das Luftventil geöffnet abgedrückt. Es waren also nur drei Griffe nötig. War di- Luit verbraucht, so wurde der kleine lederbezogene Kolben abgeschraubt und sein Gehäuse neu aus einer Luftflasche gefüllt, darauf wieder aufgeschraubt. Jeder Mann führt dazu 24 Flaschen mit sich, auch befand sich ein Flaschenvorrat nebst zwei Luftpumpen auf dem Kompagniewagen, ähnlich wie heute zum Füllen des Luftballons Wasserstoffgaszylinder von den Militarluftsehiffern mitgt-führt werden. Seit 1790 gab es in Österreich ein eigenes Windbüchseu -SchUtzenkorps von etwa 1300 Mann, dessen Unterweisung sogar einem GeueraUtabsoffizier oblag ein Zeichen, welchen Wert man der Sache beimaß.

Zu Jagdzweckeu ist das Windgewehr leider zuweilen noch heute im Gebrauch, auch haben noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Wind- pistolen in Anwenduug gestanden.

Vorstellende Mitteilung war der Redaktion eingesandt, als ich durch die Liebens- wiirdigkeit derselben Mitteilung von einem längeren Artikel „über Luftgewehre*4 erhielt, den die Versuchsanstalt Neumannswalde (Leiter Herr Albrecht Preuß in Charlottenburg) in der Beilage „Das Schießwesen" zu Nr. 18 und 29 der „Deutschen Jngerzeitutig" veröffentlicht bezw. veranlaßt hat. Obwohl dieser Artikel mtjino Mitteilung im wesentlichen bestätigt, gibt er doch noch zahl- reiche Einzelheiten, die ich, soweit sie hier interessieren können und her gehören, noch zur Ergänzung meinen Ausführungen hinzufüge.

Kaiser Josef war es wie Hauptmann Haller aus den Originalakten festgestellt , der am 15. Juli 1779 den Hofkriegsrats- Vizepräsidenten General Graf Caramelli benachrichtigte, daß er auf dem Wiener Zeughause erfolg- reiche Verbuche mit der ihm von Girardoni angebotenen Windbflchse habe anstellen lassen. Deshalb habe der Hofkriegsrat das Hauptzeugamt zu veranlassen, dem Girardoni, den der Kaiser lebenslänglich in seine Dienste nehme, eine Werksiätte mit zwei beeideten, vertrauten Gesellen einzuräumen und das zur Arbeit erforderliche Handwerkszeug zu verabreichen. Er solle gleichzeitig die Kosten für jedes Gewehr und die Zeit feststellen, die die voll- ständig gebrauchsfähige Herstellung von 500 Windbüchsen, die genau durch Abgabe von 20 Schuß später zu prüfen seien und deren Struktur und Mechanis- mus Geheimnis bleihen müsse, erfordern. Schließlich aber wurden 1000 Wind- büebsen bestellt und da Girardoni deren Herstellungsze.it auf 20 Jahro be- rechnete, die Zahl seiner Hillskräfte vermehrt. Aber 1782 waren erst 59 Stück fertig, deren jedes 35 fl., Hie Windflasche 5 und die Pumpe 3 fl. kostete. Am 5. September 1787 erhielt der Hofkriegsrat die Weisung, den Grenzscharf- schützen 200 Windbüchsen mit 600 Flaschen nach Peterwardein zu senden, den Rest von 800 bis zum 1. April 1788 fertigstellen zu lassen. Durch Ver- fügung vom 7. Februar 1788 sollten, die 1000 Windbttchsen unter 46 Füsilier- bataillone derart verteilt werden, daß 34 Bataillone je 22, die Ul rigen je 21 Stück erhielten. Ob die Windbüchsen im Kriege gegen die Türkei, dessen Erklärung am 9. Februar 1788 erfolgte, etwas geleistet, ist nicht erwähnt. Da- gegen haben sie sehr gelitten durch unsachgemäße Behandlung, so daß kaum noch ein Drittel verwendbar war, weshalb r'as von mir erwähnte Windbüchsen- Schützenkorps, auch Tiroler Scharfschützenkorps, gebildet wurde, das auch in vielen Gefechten in den Niederlanden 1793—96 gekämpft hat.

Nach der Gebrauchsanweisung wurde die Flasche mit 2000 Pumpenstöisen geladen. Die Versuchsstation schätzt die Fluggeschwindigkeit der zuerst abge- schossenen Kugeln auf etwa 300 m.

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Büdier-Aüzeiger.

XXVII

Auch die französische Armee soll um 1793 in beschränktem Maße Windbüchsen gebrau« ht haben, ebenso 1818 noch die Russen; in beiden Fallen handelte es sieh wahrscheinlich um östet reichische Gewehre.

Die Veste Koburg deren auch mir wohlbekannter, tüchtiger Vorstand der Sammlungen, Major a. D. Losenitzer, viel Interesse für „Luftgewehre" bat besitzt zwei Windl>üchscn, ein sehr kostbares, von „Oesteileiiiü Fabrik in Wien" gefettigtes Jagdgewehr und ein Militarkotnmisgewehr »st rreichischer Art.

Einer der hervorragendsten Jäger des 18. Jahrhunderts. Landgraf Ludwig Vi II. von Hessen -Datmstadt, erlegte, wie Aufzeichnungen des weiland kurhessischen Oberforstmeist^rs v. Wildungen in Maiburg ergeben haben, fast alles Wild mit seiner Windbüchse. und eine von Oberförster A. Rauten- busch »u Wollsgarten gemachte „Spezifikation aller raren Schüsse" des hoch- fürstlichen Waidmanns enthielt scgar in Knittelversen Angaben (iber die Schuß- weite : „Die Windbüchse konnte nicht versagen auf hundert- und dreißig Schritt zu tragen". Ja es wird der erfolgreiche Beschuß eines Rehbockes auf 190 und von Hirschen auf 250 und 297 Schritt gemeldet, was wenn es sich nicht, wie hier kaum anzunehmen, um Jägerlatein handelt. auf ein sehr gut gearbeitetes Gewehr, vorzügliche Visiereinrichtung und einen sicheren Schützen schließen laßt, wie HerrT. in einem Artikel desselben Wattes „Das Schießwesen" erzählt.

Eidlich sei erwähnt, daß nach Mitteilungen des Herrn Dr. Koe tschau in derselben Zeitschrift auch die kgl. Gewehrgallcrie in Dresden eine von Franz Thiele gefertigte Magazinwindbüchse führt, die laut alten Inv-jntarvermerks für Tiroler Scharfschützen gefertigt war. Mittels eines wagrechten Hiegels, der die neben dem Laufe liegenden Magazinsrbhreu hinten schließt, wurde die Ladung in den Lauf gebracht. Thierbach soll in seiner bekannten „Ent- wicklung der Handfeuerwaffen" ein ähnliches System beschreiben. Das Dresdener Gewehr kann mit lüOO Stössen geladen werden, läßt also für eine nicht un- erhebliche Entfernung auf eine ziemliche Durchschlagskraft schließen. Ein zweites solches Gewehr befindet sich in der Dresdener Arsenalsammluhg, außer- dem noch 16 für Jagdzwecke bestimmte Windbüchsen.

Heute dürften sich aber wohl die Jäger energisch ge^en ihren Gebrauch wehren. W. S ta v e n h a g e n - Berlin.

Jungst eingelangte Werke und Schriften:

Die Gefechtsausbildung der Infanterie. Von P. C. v. II. Wien, L. W. Seidol & Sohn. Das rote Kreuz (Offizielles Organ der Gesellschaft). Wien, im Selbstverlag.

Kricgstecbnwche Zeitschrift, IX. Jahrgang, l., 2., 3. und 4. Heft. Von Oberst z. D. E. Hart- man n. Herlin, E. S. Mittler & Sohn.

Gebräuchliche Winkel-, Langen- und Geschwindigkeilsmaße im Scbießwesen. Von Oberstleutnant Josef Koxdk. Wien, L. W. Seidel & Sohn.

Glückliche Episoden aus den Kämpfen Österreichs im Jahre 1866. Wien, Danzer's Armeezeitong. Verlag von Danzcr's Anueezeitung.

Vergleichender Rückblick auf die neueste l'agosliteratur über den Infantericangriff. Von üen ral von Sc bar ff. Berlin, K. Eisenschmidt.

Schema oder Selbsttätigkeit. Von Major Walter von Hülsen. Berlin, K. Eisenschmidt.

Kriegstechnische Zeitschrift, IX. Jahrgang, 6. Heft. Von Oberst i. D. E. Hartmann. Berlin, E. S. Mittler & Sohn.

Handbuch für den Unteroffizier der Kavallerie Im Felddienst. Von Oberst Frclh. von Maitzahn. Benin, E. S. Mittler & Sohn.

Die österreichisch* Nordarmee und ihr Führer im Jahre 1866. Von Toilow (k. u. k. Ritt- meister F. C. Graf C r e n n e v i 1 1 e). Wien und Leipzig, Wilhelm Hraumüller.

Das neue Exerzierreglem«nt der Italienischen Infanterie. Von Generalmajor von Mikulicz- Radecki. Wien, L. W. Seidel & Sohn.

Das italienisch« Heer. Aus Streffleur'a österr. Militäi Zeitschrift. Wien, L. W. Seidel & Sohn.

Ofrizlersfelddiensiübungen in Beispielen au« kriegsgeschichtlicbor Grundlage, I. Teil. Von Major Hoppenstedt. Berlin, E. S. Mittler ifc Sohn.

L'nteroffizieisaufgabei.. Für Offiziere, Krieg*sehülär etc. Von Major Hoppenstedt. Berlin, E. S. Mütter <t Sohn.

Jahrbuch der Erfindungen. VI. Jahrgang 11)06 Von Hans Eldon. Teschen, Karl Prohaska. Die k. u. k. Militaroberrealaehul.) in Mahrisch Weißkirchen. Von Oberleutnant Gotthold K re ba.

Wien und Leipzig, C. W. Stern. Napoleon I. Iii. Band. Von August Fouraier. Wien und Leipzig, F. Tempsky und O. Freitag. Die Funken. Von Dr. Hans Fischer. München, G. m. b. H.

Mi-ne, mene tettel upharsln. (England'« Überwältigung >'urch Deutschland.) Von einem englischen

Generalstabsoifizier. Hannover, Adolphe Sponholz. Einzelschritten über den russisch japanischen Krieg. C. und 7. (Doppel-j Heft. Aus Streffleur's

Zeitschrift. Wien, im Selbstverlag. K.iegsteebmscuu Zeitschrift, IX. Jahrgang, 6. Heft. Von Oberst t. D. E. Hartman u. Berlin,

E. S. Mittler & Sohn.

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XXVJII

bücher- Anzeiger.

Studie n Uber den Krieg. Dritter Teil. Strategie, :,. Heft Ein/.clgcblete der Strategie, I. Gruppe.

(»perationsobjekto Hasi« und Linien, 3 Abteilung. Operationslinien. 2. Unterabteilung. S. it Einreihng der Eisenhahnen In die Kriegführung. Von Verdy du Vernois, General der Intante.ie. Merlin, B. S Mittler \ Sohn.

Selbsttätigkeit - Selbständigkeit. Von Troll.». (»Idenburg, Gerhard Sta ling.

Das Neue aus dem Exerzie.regleinent für die Infanten« vorn 25». Mal 19*>6 Von » * #. Olden- burg, Gerhard Stdllug.

Völker Europa«. . . . : Der Krieg der Zukunft. Von * ». Berlin, Richard Hoog.

Mitteilungen de« k. u. k. Milllärgeogtaphischcn Institute., XXV. Hand mit 6 Tafeln. Her-

amgogeben auf Befehl des k. u. k. Relchskriegsminiateriuius. Wien, Verlag de« Miiitftr- ge< graphisc hen Institute*.

Die Kampfe der deuls hen Truppen in SQdwestafrika 3. Heft: Der EnUrbeidungskampf sin Waterberg Der rnteigsng de« H< rer»volk< ». Herausgegeben von der Krlegsgesehlcbt lieben Abteilung 1 de« Großen Generalstal», n. Herlin, E. 8. Mittler & Sohn.

Trautenau— C'u*toza Lissa: lM'-f, |. Teil. Von Obireutnant Karl Harbauer. Wien, C. W. Stern.

Trautenau Cus.oza— Lissa : H. Teil. Von Oberleutnant Karl Harbaucr. Wien, C. W. Stern.

Die lielagerung von Freibnrg Im HieUgau l7l8 5f Autgabe. Von Fr. von der W e n g t n. Frei- burg im Hreisgau, Fr. Ernst Feiisenfeld.

Au« bewegten Tagen. Von Rrfla Kuderna, k. n. k. (»beiat. Wien, I,. W. Seidel & Sqbn.

Klnzel»chiiften Ober den rutsisch-japanis.-hen Krieg. 6. und 7 i Doppel-) Heft. Au« dem Beihefte xu Strcffit-rr'g iisterr. nitlltär. Zeitschrift. Wien, L. W. Seidel & Sohn.

Hcrechnung«grund*atze für frei anliegende Sprenttladungeo bei Holz und Eisen. (Sonderabdruck au» der Zeitschrift für das gesamte ebieß und Sprcngstoffwcaen.) Von Hauptmann Wilhelm Wachtel de* l'ionierbauillona Nr. 12 in Karlsburg. Manchen, I. F. Leh- mann'« v erlai.

Beitrüge zum Studium der Befesligung»fr«ge. \ on Hauptmann des G.-niestabea Julius Kitter

Malcgewski von T a r u a w a. Wien, L. W. Sc'del it Sohu. Kriegstechniscbe Ze.uchnit, IX. Jahrgang, 7. Heft. Von E. Hart mann, Oberst. Berlin,

E. S. Mittler ifc Sohn.

Gustav Fieytag'a General- und Straßenkarte von Westrnßland etc. 3. Auflage. Von Dr. Karl

Fe ucker. Wien, Artarla & Komp. Politische Übersichtskarte des europäischen Rußland. Von Dr Karl P e u c k e r. Wien, Artaria

& Komp.

Die Waffen hoch! Von Oberstleutnant von Muitv nski. Kaschau. Im Selbstverlag« des \ erfaaser». Kriegsgesi-hichtlicbe Einzelschritten. Heft 37 ,38 II. Au« dem russisch japaol-rhen Kriege 1904

hjs l'Joö. 1. Port Arthur. Großer UeneiaHtab. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. Karten, U bernichtsskizsen und Ansichten zu lieft 37/ 58 der kriegsgeschichtlichen Einzelschritten.

Berlin, E. S. Mittler Jt Sobn. Vierteljahreshefte für Truppen fflhrung und Heereskunde. III. Jahrgang. 3 Heft. Großer Gencral-

« ab. Berlin. E S. Mittler A Sohn. Der Krieg iu Südwe«tafrlka. Von Hauptmann Ray er vom Großen Generalstabe. Leipzig,

Friedrich Engelaiann.

Der Festungskrieg. 9. Auflage. Von Moiiz Kitter von llruoner, Hauptmann Im Geoiestabe. Wien, L. W. Seidel & Sohn.

Das Militärsanitätswesen in Schweden und Norwegen. Von Dr. Johann Steiner, k. u. k. Stabs- arzt Wien, Josef Saf;ir.

Epidemiologie der Garnisonen des k. u. k Heeres In den Jahren 18*1-1904. Von Dr. Paul Myrdacz. k. u k. Oberstabsarzt 1. Klasse. Wien, Josef Aafar.

Kepetitorium de« österr - ungar. Heerwesen« im Felde für Militärärzte. Von Dr. Felix Hahn, k k. Kegiment«ant. Wien, Josef Safaf.

Hilf>buch für «len Einj ihrigfreiwilligen Mediziner im ersten Halbjahre. Von Dr. Paul M yr daez, k. 11. k. Oberstabsarzt 1. Klasse. Wien, Josef S >fäf.

Keilunterricht Iflr Anfänger un>i Natuireiter. Von Richard von Westreil, kön. prenß. Oberst- leutnant a. D Leipzig, Friedrich Engelmann.

Lissabon und seine licfesilgung. Von Hauptmann W. Stavenhagen. Berlin, Verlag der < legenwart.

Der heutige Infautorieangriff. Von ('. Pauli, kouigl. preuß. Major a. D. Berlin, Rlescl's

deutsche Zeutrale für Militärwissenschaft. Der röinis.-lie Limes In Österreich. Heft 7. Kaiserliche Akademie der Wissenschaften. Wien,

Allred Holder.

Illustrazione Militarc Italisna. Vo- Direttori Maggioro G. Carpinacci Tenente I. Chittaro. >>oma, E. Armani.

P. Zech's Aufgabensammlui g zur theor.-tlschtn Mechanik nebst Arrlösungen. Von Dr. C. Cr an z unter Mithilfe von Leutnant Kitter von Eberhard. Stuttgart, J. B. Me'zler'scne Buch- handlung.

Besprechung vorbehalten; Rücksendung findet nicht statt.

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Bücher- Anzeiger.

XXIX

Die Gefechtsausbildung der Infanterie von F. C. v. H. Mit 17 Bei- lagen, darunter 1 Karte. Dritte Auflage. Wien. Seidel & Sohn. 1906.

Wir halten es für überflössig, das vorliegende Buch seinem Inhalt und seiner Bedeutung nach ausführlich zu charakterisieren, weil sieh die neueste Auflage von den vorhergehenden nur unwesentlich unterscheidet, mit diesen aber die militärische Welt des In- und Auslandes vertraut und der Verfasser schon längst als eine literarische Autorität ersten Hanges auf dem Gebiete der Taktik und der Ausbildung der Infanterie bekannt ist. Seine Leistungen bei den vorjährigen Manövern in Südtirol haben überdies neuerdings das große Vertrauen, welches die Armee in seine Fähigkeiten als höherer Führer setzt, vollauf gerechtfertigt. F. C. v. H. gilt heute der österreichisch-ungarischen In- fanterie als einer ihrer besten Lehrmeister nicht Schulmeister.

Die dritte Auflage berücksichtigt unser neues Exerzierreglement, die Schieß- instruktion von 1905 und in dem erforderlichen Maße auch die Erfahrungen des letzten großen Krieges. Die Hauptlehre, die F. C. v. H. aus dem Angriffs- verfatiren der Japaner zieht, ist, daß man eine Möglichkeit mehr kenneu lernte, im d< ekungslosen Terrain vorwärts zu kommen, die daher auch im Frieden geübt sein will. Er warnt aber gleichzeitig davor, in diesem Verfahren den allein seligmachendeu FNormalangriff" erkennen zu wollen. „Es bildet nur eines der Mittel für jene Fälle, wo die sonst gemeiniglich schneller zum Ziele führenden ausgeschlossen erscheinen."

Mit dem größten Interesse haben wir die neuen Kapitel „Ausbildung der moralischen Potenzen-, „Inspizierung des Zuges in der Gefechtsausbildung'1, „Form und Formalismus", sowie die Andeutungen über die Richtung gelesen, in der der Verfasser die Entwicklungsfähigkeit unseres Reglements erkennt.

Speziell das letzterwähnte Kapitel dürfte geeignet sein, richtige Vor- stellungen über das Verderbliche eines jeden Formalismus und die Not- wendigkeit einer zweckmäßigen Form für jeden einzelnen konkreten Gefechts- akt zu wecken.

„Nur eine in dieser Formengewandtheit systematisch ausgebildete, darin soharf erzogene und scharf disziplinierte, aber auch nur eine frei von jed- wedem Kormalismus geführte Infanterie kann sich erlauben, auf einem modernen Gefechtsfeld aufzutreten."

Wer im Sinne de» Autors bei der Truppe gearbeitet hat, weiß, welch' geistige und physische Anstrengung mit seiner Methode, speziell für den Aus- bildenden, verbunden ist. Er weiß aber auch, daß diese Methode die einzige ist, die ihm die Arbeit zur Freude macht und die ihn in seinem Berufe aus „Eigenem" vorwärtsschreiten läßt.

Wird er dann auch im Sinne dieser Methode inspiziert, dann wird er einst mit ehrlicher und wahrer, innerer Befriedigung auf das Feld seiner Lebensarbeit zurückblicken können, und mit diesem Bedürfnisse der Tüchtigen muß man rechnen. B. O.

Vergleichender Rückblick auf die neueste Tagesliteratur über den Infanterieangriff von General von Scher ff. 1906. Verlag von R. Eisenschmidt, Berlin.

Mit vorliegender Arbeit entwickelt eine berufene Feder den gegenwärtigen Stand der Frage über den Infanterieangriff durch den Vergleich jener Ansichten, welchen verschiedene Autoren, angeregt durch die Erscheinungen des Buren- krieges und durch die ostasiatischen Begebnisse, in den Jahrgängen 1904 und 1905 des Deutschen Militärwochenblattes Ausdruck gegeben haben.

Der einleitende alleemeine Überbliok läßt B ewegung, Feuer und Gelände als die Elemente hervortreten, durch welche der Angriff in die Hauptfeuerstellung gebracht wird. Iu welcher Relation dieso drei Elemente

Organ der MilitJrwiaaeiiMchaftl. Vereine LXXIII. Bd. l'J06. Bücber-Acaeiger. 3

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XXX

Bücher-Anzeiger.

stehen und wie die Einheitlichkeit im Auftreten der einzelnen Kampfglieder gewährleistet werden sott, erörtert der 2. Abschnitt in der Absicht, darzutun, daß die gemachten Vorschläge (trotzdem tue sich alle auf das Exerzierreglement vom Jahre 1888 berufen) vielfach einander geradezu ausschließen.

Eine derartige Doppelstrftmung wird im 3. Abschnitte „Stoßtaktik und Feuertaktik" namentlich hinsichtlich der Bedeutung der Feuerüber- legenbett nachgewiesen, deren Erkämpfung der Mehrheit lediglioh als Mittel zum Zweck, einzelnen aber als Selbstzweck gilt. Indem Scherff aus letzterer Ansicht wochenlauge Schlachten ableitet, aus denen jahrelange Kriege erwachsen, formuliert er die Relation von Bewegung, Feuer und Gelände in der Forderung nach richtiger Verknüpfung von Feuer und Bewegung, ohne auf das Gelände als Schild zu verzichten.

In weiterer Ausführung dieser Forderung behandeln die folgenden Ab- schnitte 4 und 5 den Entscheid ungs- und den Annäherungskampf. Hiebei stellt Scher ff den von ihm vertretenen Normalangriff in einen interessanten Vergleich mit dem Freifeldangriff.

Während ersterer aus der mit etwa 600 m angenommenen entscheidenden Feuerdistanz das Zusammenfassen der Kräfte und der Leistungen durch das Vorbrechen mit einem eiuheiilichen gleichzeitigen Schützenaugriff der g;mzen Angriffsfeuerliuie auf breiter Front zum Ausdruck gebracht wissen will, verlangt der bis auf GOU m ohne Feuer herangeführte Freifeldangriff von hier aus ein individualisiertes Vorgehen bis zur Sturmstellung auf nächsten Abstand und hier erst die Vereinheitlichung des weiteren Anlaufes.

Die lange Dauer des individualisierten Angriffes, die beispielsweise mit fünf Stunden angenommen ist, führt den Verfasser zu der Erwäeung, daß in dieser Zeit der mit 15ü Patronen ausgerüstete Schütze nur alle zwei Miuuteu einen Schuß abgeben kann, mit welchem Feuer kaum eine todessichere An- näherung auf die gewollte Nächstnähe erkämpft werden kann. Mit dieser Argumentation stimmt auch die geschichtliche Tatsache, daß über ein gewisses, meist relativ sehr kurzes Zeitmaß hinaus entscheidungslos verlaufene Kämpfe immer nur dort platzgegriffen haben, wo auch der Verteidiger nicht in der Lage war, die Entscheidung etwa durch einen Gegenstoß zu erzwingeu, und wenn schließlich doch der Erfolg dem Angreifer zufiel, dies immei nur dank frischer Kräfte, niemals aber dank der langen Zeit geschehen ist.

Im letzten Abschnitt .Glieder uugund Entwicklung- nimmt Scher ff zur Frage der Breiten- und Tiefengliederung und der gegensätzlichen An- schauung über Treffengefecht und Gefecht nach Kommandoeinheiten, Stellung. i Anch hier tritt er der fortgesetzten Individualisierung des Kampfes mit der Forderung entgegen: .Der Einheitsau griff wird reglementiert oder er wird nicht s ti i na.

Dies klingt wohl sehr als Ruf nach dem Rückhalt der Form, er wird aber durch das Schlußwort der Studie abgeschwächt, welches als den sie durch- ziehenden roten Faden das Verlangen bezeichnet, das neue Gesetz der Unter- führerselbständigkeit mit dem altbewährten Gesetz der Einheitlichkeit im An- griffsverfahreu zu verhöhnen. In diesem Sinne spricht auch die Erfahrung des russisch -japanischen Krieges, daß die Japaner wirkliche Kampferfolge nur da errungen haben, wo ihre Schiitzentaktik sich zur einheitlichen Handlung heraus- zubilden vermochte, während die russischen Mißerfolge darauf zurückzuführen sind, daß ihrer Einheitstaktik das nötige Verständnis tür den 8cbüuenkampf gefehlt hat. X.

Schema oder Selbsttätigkeit? Gedanken Uber das Gefecht und die Ausbildung von Major Walter von Hülsen. 1906. Verlag von R. E i s e n s c h in i d t, Berlin.

Mit der Beantwortung der Frage: „Schema oder Selbsttätigkeit?" tritt der Verfasser im Gegensatze zu den Anhängern des Normalangriffes mit der Kraft der Überzeugung für die Individualisierung des Angriffes ein und verlangt statt

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der Fesselung der Individualitäten durch starre Formen, die Festlegung des Rahmens für das freie Handeln.

Ein kurzer Rückblick über die Friedensausbildung während der letzten 150 Jahre kennzeichnet den Übergang1 von dem begründeten Formenwesen der Zeit Friedrich des Großen auf die durch die Entwicklung des Schützen- kampfes herbeigeführte Entfesselung der Individualitäten, legt aber auch dar, wie sich immer wieder da« Streben nach Schematisierung des Angriffsverfahrens geltend mache. In diesem Sinne konstatiert der Verfasser bei den Japanern Gefechtserzfe b uug in wechselndem Gelände, bei den Russen und Engländern hingegen üefeohtsexer zieren auf freier Ebene.

Wie die Selbsttätigkeit die Gefechtsgrundsätze und das Gefeohtsverhalten zu beherrschen habe, bildet den Hauptteil der Studie.

Wenn hiebei die Qualität des Feuers über die Quantität gestellt und von der Gefechtserziehung des Mannes die selbsttätige Regelung der Feuer- intensität, sowie der Feuervereinigung und Feuerverteilung gefordert wird, kann sich dagegen kaum ein Zweifel regen ; auch der Wunsch, daß die Schützenlinie mehr leiste als leide, erscheint berechtigt, ob er aber erreichbar ist, wenn die Dichte der Schützenlinie, abgesehen von guten Deckungen, durch die der Ent- fernung entsprechende Breite der Treffläche des einzelnen Schusses be- stimmt wird, bleibt fraglich, da im Gefechte nur mit der Wirkung der Garbe zu rechnen ist und auch die Ziele zumeist nicht mehr als Einzelziele, sondern als Zielstreifen erfaßbar sind.

Bei dem eingeschlagenen Gedankengang gelangt die Studie dazu, daß eine durch gute Deckungen ermöglichte dichte Schützenlinie bei der folgenden Vorrückuug über freies Feld bis zur Erlangung einer neuen Deckung wieder nur eine durch die Trefflächenbreite bestimmte schüttere Linie zur Weiter- führnng des Feuerkampfes vorseude; sie gelangt aber auch zu dem gewagten Schlus.-e, daß der Angriff nicht auf der Feuerüberlegenheit, sondern auf der Geländebenützung und Former. wähl aufzubauen und die Entscheidung in dem geschickten, überraschenden Manöver einer starken Reserve zu suchen sei.

X.

Studie über die Schlacht bei Mukden (I. bis 10. März 1905). Von

Hauptmann Richard von Fleck des Generalstabskorps. Wien, Verlag von L. W. Seidel & Sohn, k. und k. Hof- buchhftndler, 1906.

Es ist im höchsten Grade anerkennenswert, wenn ein junger Autor die Besprechung eines Ereignisse« unternimmt, über welches noch so wenig ein- gehende Schilderungen vorliegen, wie über die Sohlacht von Mukden.

Verändert eine spätere historische Darstellung das Bild, das uns gegen- wärtig von diesem blutigen Kampfe vorschwebt, so sind damit in gleicher Weise auch die Betrachtungen in Mitleidenschaft gezogen, welohe sich an das erstere knüpfen.

Die Besprechung, welche der Herr Verfasser den zehntägigen Kämpfen um Mukden widmet, basiert auf einer Darstellung, welche im 10. Beiheft des Berliner Militärwoohenblattes 1905 erschien.

Wir müssen der eingehenden und gründlichen Beurteilung, welohe diesen Ereignissen gewidmet wurde, vollste Anerkennung zollen.

So weit es die vorliegenden Nachrichten gestatten, sind die inneren Motive der Handlongen überall mit Fleiß ergründet und mit Schärfe hervor- gehoben worden.

Die Betrachtungen, welohe sich an die äußere Form der Ereignisse knüpfen, sind einfach, klar und durchaus zutreffend.

Beides gilt insbesonders von der Besprechung, welche dem russischen Angriffsplane vom 24. Februar, der entscheidenden Angriffsriohtuug der Japaner

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XXXII Bücher-Anzeiger.

und dem Entschlüsse der russischen Heeresleitung vom 28. Febrnar, zuteil wurde: dieselbe verbreitet in geistvoller, klarer und wohlmotivierter Weise Licht fiber die Lage.

Wir mfichten uns nur erlauben, noch zwei Momente zu berühren, welohe nicht ohne Interesse zu sein scheinen.

Die peinliche Lage, in welche die Küssen durch die Umgehung ihres rechten Flügels durch General Nogi kamen, hatte hauptsächlich darin ihre Ursache, daß die russische Heeresleitung fast ihre gesamten Kräfte in erste Linie gestellt und nur geringfügige Teile der Armee in zweiter Linie rück- gehalten hatte.

Dies sei uns ein Fingerzeig dafür, daß die gegenwärtige Theorie der Armeebewegungen, welche alle Armeekörper nebeneinander in einer Linie gruppieren will, auch wesentliche Nachteile mit sich bringen kann.

»laß halten ist in allen Dingen gut, auch bei der Gruppierung nach Breite und Tiefe!

Ein zweites Moment, welches unseres Erachtens nach eingehende Be- sprechung erfordern würde, ist die Tatsache, daß die Armee N ogi's nicht gegen den bereits überflügelten westlichen Flügel der Russen einschwenkte, sondern „unentwegt" auf Mukden fortmarschierte.

Sie gab damit die Sicherheit eines entscheidenden Erfolges gegen den russischen rechten Flügel nächst Tschantan für die schwankende Hoffnung eines noch größeren Erfolges durch Abschneiden der russischen Rflokzugslinie hin.

Sie ermöglichte es dadurch dem russischen rechten Flügel, sich in Parallelmärschen in die Gegend westlich Mukden zu ziehen und sich dort den Japanern erneut vorzulegen.

Der Armee N ogi's fehlte schließlich die Kraft, den Haken, den die Russen westlich Mukden gebildet hatten, zu durchbrechen.

Die Kriegskunst der Japaner hat die Russen aus ihrer Stellung südlich Mukden herausmanövriert, aber erster« nicht geschlagen.

Die Gründe diese« Vorgehens der Japaner kennen wir heute noch nicht; die Tatsache aber steht fest und wir möchten dieselbe umsomehr hervorheben, als wir dieselbe nicht für nachahmenswert halten. E. v. H.

Einzelschriften über den russisch japanischen Krieg. 5. Heft. Bei heft zu „Streffleur's österr. milit. Zeitschrift".

Die Fortsetzung der bekannten und sich allseitiger Wertschätzung er- freuenden Einzeldarstellungen des letzten Krieges umfaßt die Kämpfe bei Kintschou und die Ereignisse zur See vom 4. Mai bis 21. Juni 1904. Leider macht sich bezüglich der Landopprationen hier noch mehr als früher der Mangel ausreichenden Nachrichtenmaterials fühlbar. Speziell über die Schlacht bei Kintschou bringt das Heft nur wenig mehr als man nicht lauge nach den Er- eignissen wußte. Etwas, aber noch nicht g*nz aufgehellt sind die Vorgänge auf japanischer Seite; von den verteidigenden Rüsten gibt nur ein Zeitungsberioht des in Port Arthur erschienenen „Nowy Kraj" dürftige Kunde. Der Mangel einer offiziellen Relation läßt nur vage Mutmaßungen und Schlüsse zu. Dennoch muß es als dankenswert bezeichnet werden, daß hier alles, was bekannt wurde, in übersichtlicher Weise zusammengefaßt nnd ein Bild des Kampfes geschaffen wurde, das den Tatsachen ztemlioh nahe kommen dürfte. Man muß sich eben behelfen, so lange eine offizielle Darstellung seitens der beteiligten Mächte aus» ständig ist uud die Lücken, so gut es geht, schließen, die für uns insbesondere dort klaffen, wo die fremden Attache's nicht zur Stelle waren.

Die Vorgänge zur See sind anscheinend erschöpfend behandelt. Sie um- fassen im wesentlichen die Mitwirkung der japanischen Flotte an den Operationen der zweiten Armee und die Durchführung der Blockade der Halbinsel Kwantun.

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dann den erfolgreichen Streifzug des Kreuzergeschwaders von Wladiwostok. Das diesbezüglich bisher bekannt gewordene erscheint durch Detailangaben Wissentlich ergänzt. H.

Gedanken Über Unsere Waffe. Der österreichisch -ungarischen Kavallerie gewidmet. Wien 1906, Verlag von L. W. Seidel & Sohn. Preis 2 K.

Die tief eingewurzelte, herzerlreuende Passion unserer Kavallerieoffiziere für ihr Metier kommt auch in den relativ zahlreichen, den Kavalleriedienst be- treffenden Publikationen der Müitärliteratur zum Ausdruck. Sehr bezeichnend für die Verhaltnisse, schreiben alle anonym. Schade! Doppelt schade bei dieser ausgezeichneten Broschüre, die einen alteren, vielerfahrenen Fachmann zum Verfasser hat, dessen Blick und Urteil, weit über die Barriere der kleinen Reit- schule hinausreichend, klar erfaßt, was die heutige Zeit verlangt.

Ich bekenne offen, daß mir noch selten eine Lektüre dieser Art solch aufrichtige Freude bereitet hat, wie diese „Gedanken über unsere Waffe". Wie wahr und treffend ist fast alles, was der Verfasser in seiner kurz abgehackten, drastischen Ausdrucksweise sagt!

Die Broschüre enthält folgende Abschnitte: Regimentskommandant, Kaval- lerieoffizier, Unteroffizier, Mann, Detailausbildung, Exerzieren und Attackieren, Übungen, Schießen, Pionierzug, Telegraphen- und Signalwesen. Inspizierungen, Jagdreiten und sonstige Reiterei, Disziplin, Adjustierung. Goldene Worte, jedem Freunde wahren Fortschrittes aus der Seele gesprochen; möchten sie doch recht viel gelesen und beherzigt werden. Bdt.

Paris Rouen Oeauville. Von Paul Bausil, Capitaine instructeur im 5. Dragonerregimente. Übersetzt von Freiherrn H. A. von Esebeck. Oberleutnant im 2. Poinmer'schen Ulanen- regiment Nr. 9. Berlin 1906. Verlag von E. S. Mittler & Sohn. Preis Mk. 250.

In Frankreich wird in neuerer Zeit auf militärische Distanzritte ein besonderes Gewicht gelegt Als Sport betrachtet und in vernünftigen Grenzen gehalten, ist dagegen nichts einzuwenden, weil sie, wie jeder reiterliche Sport, die Reiterei. Reitpassiou und das Verständnis fürs Pferd zu fördern geeignet sind. Eine besondere militärische Kedeutung kann aber nach unseren An- schauungen solch forcierten Dauerritten nicht beigemessen werden. Die bis- herigen Erfahrungen haben gelehrt, daß diese Ritte nur zu leicht in dem kaval- leristischen Empfinden widerstrebende Grausamkeiten ausarten und die Begriffe Uber das Leistungsvermögen des Pferdes im Kriege eher verwirren.

In Frankreich wird jetzt alljährlich ein „Raid national militaire" ver- anstaltet. Jeuen von 1903 behandelt das vorliegende Buch. Der Sieger in diesem Distanzritt. Capitaine Bausil, beschreibt darin, wie er die exorbitante Leistung zuwege gebracht. (Zuerst Nachtritt 120 km in max. 15 Stunden, dann 85 km Wettritt in 4 Stunden 14 Minuten.) Bei der Vorbereitung und Ausführung des Rittes war sein leitender Gedanke, mit möglichst frischem Pferde anzukommen, was ihm auch vollkommen glückte. Dieser anerkennenswerte Grundsatz gibt seiner Leistung und seinem Ruche den eigentlichen kavalleristischen Wert. Sehr bemerkenswert sind seine auch bei spätereu Ritten wiederholt bewährte Trainiug- roethode, dann s^ine Beobachtungen über die Vorgänge im Pferdeorganismus bei Kraftleistungen, hochinteressant auch seine Erfahrungen mit der Zucker- fütterung. Für Kavalleristen ein sehr lesenswertes Buch! Bdt.

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Moderne Feldartillerie mit Rohrrücklaufgeschützen und Schutz- schilden. Betrachtungen über Kampfverfahren und Ausbildung mit Berücksichtigung der Erfahrungen im russisch - japani- schen Kriege, von Otfried Layriz, Oberstleutnant z. D. Mit 2 Abbildungen. Berlin 1905. Verlag von R. Eisen- schmidt, Verlagsbuchhandlung für Militärwissenschaften. Im Oftiziersverein. Preis 2 Mark 40 Pf.

»

In eingebender Weise und teilweise Kestiitzt auf die am Schlüsse de» Buche« wiedergegebenen artilleristischen Erfahrungen im russisch - japanischen Kriege, bespriohf der Verfasser den Einfluß der Einführung der Schnellfeuer- gesohütze auf die Gefechtsweise und Ausbildung der Artilli-rie. Einleitend tritt er für den Nahkampf der Artillerie ein, welchen er trotz aller Fernwirkung der Geschütze für notwendig erachtet, wenn die Infanterie durch ihr Vorgehen den Ausschuß der Artillerie hindert. Hiebei hatte das Vorgehen auf die nahen Distanzen, in möglichst kleinen Verbänden, ja selbst geschützweise, bei Aus- nützung aller Masken und Deckungen zu geschehen. Große Selbständigkeit de» einzelnen Geschützes verlangt der Verfasser bei Abwehr der Angriffe kleiner Infanterieabteilungen oder kleiner Patrouillen und einzelner Scharfschützen, die von der Artillerie selbst, jedoch nur durch wenige, gut gerichtete Schüsse einzelner Geschütze vertrieben werden sollen. Hied -rch erschiene die Artillerie von der Keigabe einer Infanteriebedecknng, welche stets auf ihre Bewegung verzögernd wirkt, unabhängiger gemacht; aber auch einem allzu großen Munitiona- verbrauch gegen so kleine Ziele wäre durch das Schießen mit einzelnen Geschützen wirksam vorgebeugt

Diesen Forderungen entsprechend, verlangt der Verfasser bei der Friedens- ausbilduug die Betonung der Einzelverwendung des Geschützes und dies sowohl in Bezug auf das Schießen als auch auf das Einfahren in die Geschützstellung.

Dem Werte der massierten Verwendung der Artillerie während des Artilleriezweikampfes und während der Beschießung dar Einbruchstelie, trägt der Verfasser durch die Forderung Rechnung, daß nebst intensiver Einzel- ausbildung auch die Verwendung der Gesamtbatterie im einheitlich geleiteten Feuer, dann das Beziehen der Geschützstellungen durch Batterien und größere Verbände*, nach wie vor, gründlich geschult werde.

Verfasser bespricht hierauf den Kampf der Artillerie gegen Kavallerie, der sich durch das beim Schusse ruhig stehende Rohrrücklaufgeschütz zu Gunsten der Artillerie gestaltet und kommt sodann bei Besprechung des Kampfes der Artillerie gegen Artillerie zu dem Schlüsse, daß mehr als bisher das Schießen aus ganz verdeckten Stellungen hiebei Anwendung finden müssen wird.

Bezüglich der Feuerarten wird schließlich 8treuverfahren und Präzisions- schießen, jedes dort, wo es den größeren Erfolg verspricht, verlaugt und das Schießen der Gesamtbatterie mehr auf den Fernkampf, jenes des einzelnen Ge- schützes auf den Nahkampf verwiesen. Hauptmann Meckel.

Scarano Luigi Dott., La leva militare dal punto di vista morale.

S. A. Roma, Voghera 1Mb. 60 pp.

In dieser flott und elegant geschriebenen kritischen Studie stellt sich Verfasser die Aufgabe, jene Angriffe, die in letzterer Zeit nicht nur in politi- schen Journalen, sondern auch von namhaften Psychiatern insbesondere von Pel legrini und An gi o 1 e 1 1 a, gegen das Rekrutierungssystem gerichtet wurden, zu bekämpfen. Die Angriffe Pellegrini's gipfeln darin, daß degenerierte, geisteskranke und erblich belastete Individuen assentiert werden wegen un- genügender psychiatrischer Vorbildung der Militärärzte; auch sei im bezüglichen Reglement für Ausscheidung solcher Elemente nicht Sorge getragen ; Anamnese, Gutachten von Zivil- und Spezialärzten werden nicht beachtet. In ähnlicher

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jedoch viel derberer Form sind Angiolella's Invektiven gehalten, deren Haupt- satz, daß der Militarismus der Vergangenheit angehöre, an sich die Objektivität des Angreifers in Zweifel zu ziehen gestattet.

Scarano weist die Hinfälligkeit der vorgebrachten Argumente durch Anführung der betreffenden Reglement.«, sowie durch Zitate aus der rrilitür- und ziviläjztlichen Literatur nach, welche unzweifelhaft dartun. daß das Militär- sanitätswesen diesen Fragen stets die nötige Aufmerksamkeit schenkt und sich ihrer Tragwpite bewußt ist. Statistische Daten zur Illustration der abnehmenden Zahl der Verbrechen im militätischen Dienste, dienendem Verfasser als weitere Stütze seiner Beweisführung. R. A. Földl.

England in deutscher Beleuchtung. 4. Heft. Das englische Land- heer von Oberleutnant Neuschier-Ludwigsburg. Herausgeber: Dr. Thomas Lenschau. Berlin. 1906. Verlag : Gebauer Schwetschke.

Ein mit besonderem Fleiße und groß'*m Verständnis zusammengestelltes Werk, das in die Organisation und Stärkeverhältnisse des englischen Land- heeres einen guten Einblick gestattet. Das Verdienst des Autors ist um so größer, als die seit dem südafrikanischen Kriege in Angriff genommene Reorganisation des Heerwesens in England noch in der Durchführung begriffen ist, daher die Zusammenstellung der vielfachen, stellenweise überreichen Zahlen- angaben viele Schwierigkeit machte.

Zu bedauern ist, daß, obwohl als Hauptaufgabe der englischen Armee die Verteidigung des britischen Weltreiches bezeichnet wird, die militärischen Kräfte Australiens. Neu - Seelands und Kanada'«, welche sich doch im Buren- kriege gerade in dieser Hinsicht als sehr in die Wagschale fallend erwiesen, aus der Schilderung ausgeschlossen wurden.

Genauere Angaben über das englische lnfanteriegowebr wären, ebenso wie eine kurze Skizzserung des Ausbildung svorg;>nges und der hiebei erreichten Resultate von Vorteil gewesen, da Stärke/.ahlen allein nooh kein genügendes Bild der Leistungsfähigkeit einer Armee bilden. Immerhin kann das Werk jeder- mann wärmstens empfohlen werden, der sich über Organisation, Rekrutierungs- ergebnisse, disziplinare Verhältnisse und Stärke der englischen Truppen in allen Teilen des Reiches genau orientieren will. B.

England in deutscher Beleuchtung. 5. Heft „Die englische See- macht" von Kapitänleutnant a. D. Graf Reveutlow. Herausgegeben von Dr. Thomas Lenschau. Berlin 1906. Verlag : Gebauer Schwetschke.

Als fünftes Bändchen einer Serie von Einzelabhandlungen, die den Zweck verfolgen, dem deutschen Lesepublikum eine genauere Kenntnis der englischen Verhältnisse zu vermitteln, um auf diese Weise womöglich zur Beseitigung der zwischen den beiden Völkern besteheuden bedenklichen Spannung bei- zutragen, ist den bisherigen politischen, diplomatischen und maritim- merkantilen Veröffentlichungen nun eine Abhandlung über Großbritanniens Kriegsflotte gefolgt. Ein bewährter Fachmann ergreift darin das Wort, um den Laien über die englische Marinepolitik, die Verhältnisse britischer Küstenverteidigung, den Dienst und die Detailausbildung des Marinepersonals, den Stand, die Gliederung und den Verwendungsplan des Flottenmaterials, über die Küstenwachen, die Flottenstützpunkte und die Zukunftsabsichten aufzuklären.

Es übertreibt niemand, der sagt: „daß die englische Flotte den mächtigsten Faktor der internationalen Politik bilde und daß das Instrument für England's

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wachsenden Einfluß in der Welt in erster Linie die großartige Flotte sei". Dieses Instrument genau kennen zu lernen, ist »ehr lehrreich für den Militär aller Waffen ; dieses Büchlein kann jedem das Wissenswerteste darüber vermitteln. Vor allem möfce man d«s eine daraus erkennen, daß es mit seiner Teudenz Recht habe: „das Richtigste ist, diu Stärkeren genau zu studieren, um auf diese Weise die eigenen Schwächen leichter zu erkennen und zu beseitigen". Sehr interessant eigentlich das Aktuellste und Neueste in der ganzen Publikation ist die neue Ordre de dislocation. durch die Aufschluß über die Zusammen- setzung und Verteilung sämtlicher englischer Geschwader in allen Teilen der Welt erhalten wird. Die in der Gliederung der Kanalflotte vorgenommenen neuesten Veränderungen erklärt der Autor als den ersten Schritt zur Aufstellung einer künftigen Nordseeflotte, deren Stützpunkt Rosyth im Firth of Förth bilden wird. Kür Deutschland ist dies begreiflicherweise ein empfindlicher Schachzug Englands gegen die seerechtlich zwar indiskutierbare und gegenstandlose, durch die Praxis der letzten Derennten in deutschen Landen jedoch ein- gewöhnte Auffassung des bequemen Prinzipes vom mare clausuni in der Nordsee!

Es braucht keiner weiterer Ausführungen, um zu zeigen, wie wertvoll und lesenswert dieses Schriftchen für jeden Gebildeten sei, das wir geradezu als einen wichtigen Orientierungsbehelf über einige der grüßen politisch-

Die Taktik der Neuzeit im Spiegel des neuen französischen Regle- ments. Von Hoppenstedt. Major im Füsilierregimente Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzoller'sches) Nr. 40. Berlin 1906. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Königl. Hofbuchhandlung.

Die Schrift bildet die Erweiterung eines vom Verfasser vor dem Offiziers- korps seines Regiments gehaltenen Vortrages.

Die in derselben angestellten Betrachtungen über die neuen französischen Reglements sind von großem Interesse und bieten viel Belehrung.

Die Vorteile und Nachteile des Verfahrens der Infanterie im Angriffe und in der Verteidigung werden in klarer, überzeugender Weise besprochen.

Die Taktik der Kavallerie wird kurz berührt und gewürdigt.

Detailliert und von fesselndem Interesse sind die Ausführungen über die Taktik der Artillerie. Der Verfasser schließt dieselben mit folgenden, be- merkenswerten Sätzen :

„Wenn es im (deutschen) Reglement heißt: „„Es ist eine Haupt- aufgabe der Führung, die allmähliche Entwicklung der Infanterie mit dem durch das Artilleriefeuer gewährten Schutz in Einklang zu bringen"", so erweitere ich meinerseits diese für den Angriff auf befestigte Stellungen gegebene Regel .... dahin, daß sie fortan der Angelpunkt der Sohlachtentaktik bei jeder Kampfart und in jeder Kampfphase ist freilich auch jetzt erst werden konnte.''

Die vorausgegangenen Betrachtungen zeigen, wie die neuen Gefechts- mittel neue taktische Werte und neuo Gefechtsverhältnisse schaffen werden. Das beeinflußt die höhere und niedere Führung Noch mehr wie früher muß der Angriff individualisiert werden. Jeder Fall verlangt seine besondere Be- handlung, immer ausgesprochener wird die Ausnahme Kegel, die Regel Ausnahme. Mehr als je ist die Truppenführung eine Kunst, aber weniger als je kann diese der Wissenschaft, der Übung und guter Handlanger entbehren."

Die Lektüre des Werkes trägt wesentlich zu einer richtigen Beurteilung der modern-taktischen Strömungen bei und kann jedem Offizier gleichgiltig welcher Waffe warm empfohlen werden. o o.

Lengnick.

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Die italienische Wehrmacht. Mit I Dislokationsskizze und 3 sonstigen Beilagen. Sonderabdruck aus „Streffleur's Osterreichische militärische Zeitschrift". 1905, II. Band, 10. und 11. Heft. Redigiert von Major Viktor Grzesicki. Wien 1906. Verlag von L. W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hofbuchhändler.

In diesem bloß 52 Druokseiten aufweisenden Heftchen ist es. dank einer übersichtlichen Anordnung des Stoffes und einer ebenso bündigen als präzisen Darlegung desselben gelungen, ein trefflich charakterisierendes Bild der italie- nischen Heeres- und Marineeinrichtungen zu bieten, welches weder an Genauig- keit und Ausführlichkeit, noch an Klarheit etwas zu wünschen übrig lassen dürfte. Man hat da eiiiH mit seltenem Geschicke und besonderer Sorgfalt redi- gierte Zusammenstellung vor sich, deren Lektüre allen, die sich ohne über- mäßigen Aufwand von Zeit und Mühe über die heutigen Verhältnisse in der Wehrmacht unseres südwestlichen Nachbars eingehend informieren wollen, auf das wärmste empfohlen werden kann.

Es fällt schwer, in wenig Worten den Inhalt dieser Publikation wieder- zugeben, weil eigentlich all' das in ihr Enthaltene berechtigterweise von Inter- esse sein muß, gleichen Anspruch auf Beachtung zu erheben vermag und ohnehin in gedrängtester Fassung vorgeführt erscheint.

In zwei Hauptabschnitte das Heer und die Kriegsmarine ist der Inhalt des Werkes geteilt; der erste gliedert sich wieder in Darlegung des Wehrgesetzes, der Heeresergänzung, der Verhältnisse im Chargenkader, der Pferdeaufbringung, der Friedens- und Kriegsstarke, der Organisation der Zentral- leitung und der höheren Kommanden, der Truppen, Behörden und Anstalten, der Militärschulen, der Friedensdislokation und -Ordre de bataille, der nationalen Institutionen für das Schießwesen, der Automobil- und Radfahrein- richtungen und schließt mit einer kurzen Vorführung der Armee im Felde und des Heeresbudgets ab, das zweite Hauptkapitel behandelt in analoger Einteilung wie das frühere die Zentralleitung und die höheren Kommanden der Kriegsmarine, deren Offizierskorps und Matrosenetat, dann die Kriegshäfen, Arsenale und Werften, das Geschütz- und Torpedowesen, die aktive Flotte, die Marineschulen und das Budget für die Seemacht.

Im ganzen kommt zum Ausdrucke, daß man es hier mit einem achtung- gebietenden, militärischen Machtfaktor zu tun hat, der mehr oder weniger auf der Höhe der Zeit steht.

Die in den Land -und Seestreitkräften aller europäischen Kontinentalstaaten zur Anwendung gelangenden modernen organisatorischen Grundsätze und tech- nischen Momente kommen auch bei Italiens Wehrmacht, in entsprechender Anpassung an die nationalen Eigentümlichkeiten und bei Rücksichtnahme auf die verfügbaren budgetären Mittel, nach Möglichkeit zur Geltung und weisen insbesonders die Bewaffnung der Armee, die Organisation der Alpini als einer schlagfertigen Grenz- und Gebirgstruppe par exoellence und der Marineformationen eine immerhin bemerkenswerte Vollkommenheit auf, während in allen anderen Teilen der Wehrkraft zumindest das Bestreben zu erkennen ist, einen fortschrittlichen Entwicklungsgang anzubahnen und den einzelnen Einrichtungen noch anhaftende atavistische Mängel zu beheben.

Das vorliegende Buoh enthält sich jeder Kritik und überhaupt jeder Beurteilung der bloß als vorhandene Tatsachen angeführten italienischen Heeres- und Marineinstitutionen und gereicht dies der als positiven Studienbehelf gedachten Publikation nur zum Vorteile.

In außerordentlich übersichtlichen tabellarischen Beilagen sind die Friedens- und Kriegsformationen des italienischen Heeres die Chargengrade der Offiziere und Mannschaft der italienischen Kriegsmarine, die Beförderung der Seeoffiziere und die Geschütze der Flotte angeführt, während eine sehr klare schematische Karte mit entsprechender Legende die Dislokation der höheren Kommanden und die Verteilung der Truppen auf die Korps darlegt und so auf eine sehr willkommene und zweokmäßige Weise die Angaban des Textes

ergänzt.

A. M.

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Gebräuchliche Winkel-, Längen- und Geschwindigkeitsmaße im Schießwesen. Von Josef Kozj'ik, k. und k. Oberstleutnant, zugeteilt dem k. und k. Technischen Militärkomitee. Mit einer Figurentafel und 23 Figuren im Texte. Wien. Verlag von L. W. Seidel & Sohn, k. u. k. Hofbuchhändler. 19U6\

Fast in den Artillerien aller Staaten hat sich mit der Verbesserung der Richtmittel das Bedürfnis nach einer Einheit ittr das Winkelmaß geltend gemacht, welche von artilleristischer Bedeutung und in ihrer Anwendung von praktischem Vorteile sein soll. Das gebräuchliche Gradmaß hat mit .-einen Einheiten für den ausübenden Artilleristen in vielen Füllen keine praktische Bedeutung. Der Wert einer Minute ist zu klein, der eines Grades viel %n groß. Die Praxis hat ergeben, daß für das Beurteilen von Seiten- und Höhen- abweichungoii ein Winkel von drei bis vier Minuten am besten als Einheit ent- spricht. Zuerst wurde bei uns als derartige „Strich" benannte Winkeleinheit

das Winkelmaß entsprechend der Bogenlänge von jqqq oder ~f^j~ des

Halbmessers, neuesten» der 6400. Teil des Vollwinkels normiert. Im Laufe der letzten Jahre wurden Rieht- und Beobachtungsmittel mit Zugrundelegung dieser drei verschiedenen Stricheinheiten konstruiert Die Folge dieser Komplikation war ein erschwertes Verständnis und ein nicht immer einfaches Zusammenarbeiten vom Beobachter und dem Richtenden des Geschützes.

Dem Autor des vorliegenden, Sr. Exzellenz dem Herrn k. und k. Feld- marschalleutnant Nikolaus Ritter von Wuich, Präsidenten des k. und k. Techni- schen Militärkomitees, gewidmeten Werkes ist das große Verdienst zuzusehreiben, das Wesen und die artilleristische Bedeutung aller im Schießwesen gebräuch- lichen Maße in leicht verständlicher und in jeder Beziehung einwandfreier Weise geschildert zu haben. Speziell die Erklärung der Stricharten und deren Zu- sammenhang mit anderen Maßen, sowie die zahlreichen, mit großem Geschicke gewählten Aufgaben werden viel zur richtigen Auflassung und zur Behebung mancher irrigen Versteilungen beitragen. Das Studium des vorliegenden Buches, welches eine Materie behandelt, die manchem trocken erscheinen kann, ist dadurch nicht nur lehrreich, sondern auch interessant, da der Verfasser über ein hervorragendes mathematisches Wissen verfügt und sich in-raer einer voll- kommen klaren Ausdrucksweise bedient.

Der Leser findet in diesem verdienstvollen Werke alle eingeführten Winkelmaße und ihre gegenseitigen Beziehungen ausführlich und übersichtlich besprochen. Daran anschließend sind zur Festigung der theoretischen Grund- lagen zahlreiche, aus dem Gebiete des ausübenden Artilleristen entnommene Aufgaben, d.e keine besonderen Kenntnisse voraussetzen, gelöst. Die Bedürfnisse des Ktistenartilleristen wurden hiebei auch berücksichtigt. Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, den Leser zu informieren, mit weichen Winkelmaßen die verschiedenen in Österreich- Ungarn eingeführten Rieht- und Beobachtungsmittel versehen sind. Durch die vorliegende Arbeit soll auch dem Bedürfnisse des ausübenden Offiziers insofern Rechnung getragen werden, als er für viele Regeln, die in Dienstbüchern, betreffend das Schießwesen und Beobachten, enthalten sind, eine einfaohe und gründliche Beweisführung kennen lernt, welche nicht Gegen- stand der dienstlichen Behelfe sein kann.

Anschließend gelangen die im Schießwesen gebräuchlichen Längenmaße, die Methoden der Entfernungsmessung, die Geschwindigkeitseinheiten und einige Aufgaben, welche auf der bekannten Schiffsgeschwindigkeit beruhen und der Meilenstrich zur Erklärung.

Nachdem bei der heutigen Mannigtaltigkeit der Geschütze und deren Richtmittel es wohl nur sehr wenij; Artillerieoffiziere geben wird, welche eine umfassende Kenntnis aller in Verwendung stehenden Winkel-, Längen- und Geschwindigkeitsmaße besitzen und diese Kenntnis durch das vorliegende Buch in leichter Weise zu erwerben ist, so ist schon aus diesem Grunde dem Werke ein großer Leserkreis gesichert Aber auch das Verständnis vieler Rieht- und Beobachtungsmittel, wie z. B. der Seitenrichtskalen, des Seiten-

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richtzeigers, der Fernrohre in Beobachtungsständen, der verschiedenen Meß- platten, der Scheinwerfer etc. wird durch das Studium dieses Buches sehr ge- fördert werden.

Wir sind Überzeugt, daß dieses für jeden Artillerieoffizier sehr nutz- bringende Werk, welches eine oft empfundene Lücke in der Literatur in vor- züglicher Weise ausfüllt, zahlreiche Lesor finden wird. A. E.

Waffenlehre von Korzen-Kühn. Heft XII. Schwere Geschütze des Feldheeres. Bearbeitet vom k. u. k. Artillerioingenieur Rudolf Kühn. Kommissionsverlag L. W. Seidel & Sohn, Wien 1906.

In erfreulich raschem Tempo gelangten in jüngster Zeit mehrere Hefte dieser so söhne) I beliebt gewordeneu Waffenlehre zur Ausgabe, so daß inner- halb Jahresfrist die Hälfte der angekündigten Hefte bereit« erschienen ist.

Das vorliegende Heftchen behandelt jenen Teil des Feldheeres, der durch die Erfahrungen des südafrikanischen und mandschurischen Feldzuges zu einer ganz eminenten Bedeutung gelangte, dessen Behandlung somit besonders aktuelles Interesse zu erwecken imstande ist.

Das Heftchen gliedert sieh in 4 Abschnitte, dessen erster die allgemeinen Anforderungen an die schweren Geschütze des Feldheeres entwickelt, deren Organisation heute nur in Österreich - Ungarn und Deutschland vollkommen durchgeführt erscheint, während sie in den übrigen Staaten mehr oder weniger mobile Teile des Belagerungsparkes bilden

Die Anforderungen bezüglich Wirkung und Beweglichkeit. sowie die im allgemeinen zu lösenden Aufgaben dieser Geschütze bilden den weiteren Inhalt des I. Abschnittes.

Im II. Abschnitt ist der allgemeine Aufhau dieser Geschützgattung näher beleuchtet während der III. Abschnitt die Detaileinrichtung der in den euro- päischen Großstaaten eingeführten schweren Geschütze des Feldheeres an der Hand von deutlichen Figurentafein eingehend beschreibt.

In Österreich -Ungarn ist nur die 51 cm - Batteriehaubitze M. 99 für diese Aufgabe bestimmt, während Deutschland die in neuester Zeit- mit einer Kohrrücklauflafette und einer Seitenrichtmaschine veisehene schwere Feldhaubitze 02 als Hauptgeschütz, einen 21 cm - M firser als Spezialwnrf geschütz, sowie die moderne 10 cm -Kanone als schweres Flachbahngeschütz in die schwere Artillerie des Feldheeres eingestellt hat,

Intere8J«ant ist bei letzterer die Anordnung eines elastischen Spornes, bei welchem infolge der großen Rücklaufenergie nebst der Feder noch eine hydrau- lische Bremse als elastisches Zwihchenmittel eingeschaltet werden mußte und die Verwendung eines Sohutzschildes.

In England zählt dermalen zur schweren Artillerie eine 4'7 zöllige (12 cm) Sehrellfeuerkanone in Räderlafette, eine 5zöllige (12*7 cm) und eine 6 zöllige il5 cm) Haubitze, von denen die beiden Haubitzen Rohrrücklauf- geschütze sind, die aber infolge Fehlens eines Shrapnels zur Bekämpfung lebender Ziele weniger geeignet erscheinen.

Frankreich besitzt bisher auch kein eigentliches schweres Geschütz des Feldheeres. Für diesen Zweck kommen nur kurze 12 und 15 cm-Kanonen M. 90, Rohrrücklaufgeschütze älterer Konstruktion mit geringer Beweg- lichkeit und ein 22 cm-Mörser in Betracht.

In Italien ist als Ersatz, mangels eigener Geschütztypen, je ein Vorpark iii Alessandria, Piacenza und Mautua bereitgestellt, der eine rasche Mobil- machung ermöglichen soll.

Rußland endlich bildet die schwere Artillerie des Feldheeres erst im Mobilisierungsfalle aus der Belagerungsartillerie u. zw. werden hiezu 6 zöllige

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(15 cm) leichte Kanonen M. 77, G zfilltge (15 cm) Haubitzen und 8 zollige (20 cm) leichte Mörser M. 87 verwendet.

Der IV. und letzte Abschnitt behandelt die Wirkungsfähigkeit und Ver- wendung dieser Geschützgattung Von erster^r sind die verschiedenen Arten der Wirkung der Granaten und Shrapnels erläutert, von letzterer sehen wir die verschiedenen Verwendungsarten beim Angriff, bei der Verteidigung und im Festuugskriege angeführt.

Den Schluß bilden wieder die ebenso übersichtlichen als praktischen Konstruktion- und Wirkungsdaten sämtlicher früher angeführter Geschütze.

Das interessante Heft XII zeigt neuerlich die besonderen Vorteile dieser Waffenlehre u. zw. Teilung des umfangreichen Stoffes des gesamten Waffen- weseus in 15 in sich geschlossene Hefte. weiters die Mtttfliehkeit der ein- gehenden und doch raschen Orientierung über die modernen Anforderungen und den praktischen Aufbau der einzelnen Gattungen vou Waffen, endlich daß im beschreibenden Teile die im In- und Auslände tatsächlich eingeführten Feuerwaffen samt Wirkungsdaten aufgenommen und durch gute Abbildungen ergänzt sind, wobei sich fast durchwegs auf authentische Quellen gestützt wurde, so daß die angeführten Daten soweit nur irgend möglich auch den Vorzug der Richtigkeit für sich in Anspruch nehmen dürfen. F. 8.

Ausbildung und Führung des Bataillons im Gefecht. Gedanken und

Vorschläge von Moser, Major und Bataillonskommandeur im Infanterieregimente Kaiser Wilhelm, König von Preußen (2. Württ.) Nr. 120 Mit 51 Abbildungen im Text. Berlin 190(5. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, königl. Buchhandlung.

Die gesamte Tätigkeit des Bataillonskommandanten in einem leicht- faßlichen und übersichtlichen Werke zusammenzufassen, gab die Veranlassung zur Niederschrift der vorliegenden Arbeit.

In XIV Abschnitte gegliedert, mit 51 Abbildungen im Texte, umfaßt vorliegende jüngste Erscheinung auf diesem Gebiete der Militärliteratur die planmäßige Arbeit des Bataillonskommandxnten für eine zweckentsprechende taktische Erziehung und Ausbildung seines Bataillons wahrend des ganzen Dienstjahres.

Obschon über dieses Thema viel geschrieben, in verschiedenen mili- tärischen Werkeu gewürdigt und von autoritativer Seite wiederholt besprochen wurde,, begrüßen wir dennoch das Werk Major Moser's mit lebhaftem Inter- esse, iusbesonders deshalb, weil der Autor hauptsächlich die Führung des Bataillons im Gefechte und damit im Zusammenhange die Hebung derSelbständigkeit des Bataillon skommaudanten unverkennbar ins Auge faßt.

Es kennzeichnet in prägnauter Weise die dem Bataillonskommandanten m Frieden und Kriege zufallenden Aufgaben und die durch denselben zur Gefechtsbildung seines Bataillons einzuschlagenden Wege.

Wo die Zahl der kriegserfahrenen Offiziere, denen die Teilnahme an einem oder mehreren Feldzügen zugute kommt, immer mehr zusammenschrumpft, müssen die praktischen Gefechtsübungen im Frieden den notwendigen Aus- gleich schaffen, daher in Anlage und Durchführung dem wirklichen Ernstfälle möglichst nahe kommen.

Das vorliegende 195 Seiten starke Werk stellt in seinen Hauptzügen die Erreichung dieses Endzieles sich zur Aufgabe.

Sehr beachtenswerte Worte widmet der Verfasser im Abschnitte II der geistigen Vorbereitung des Bataillonskommandanten.

Diese Worte durchzieht der Gedanke, die Unterkommandanteu geistig anzuregen, Entschlußfähigkeit, Urteilskraft und Selbsttätigkeit zu erwecken und so für den Ernstfall die Saat auszustreuen.

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Die geistige Vorbereitung muß im Gelände stattfinden !

Zu diesem Zwecke empfiehlt der Verfasser unter anderem den öfteren Besuch dp.r Schlachtfelder, um die dem Bataillon im Kampfe zufallenden Auf- gaben und deren tatsächliche Lösung auf historischem Boden an seinem geistigen Auge vorüberziehen zu lassen, hiedurch sich selbsttätig für den Krieg vorzu- bilden, im Kriege aber das Erlernte sicher uud ohne Scheu vor Verantwortung anzuwenden. ,

Anregend bespricht der Autor in diesem Abschnitte die dem Bataillone im Gefechte hauptsächlich zufallenden Aufgahen als Vor-, Nach- und Seitenhut, als Tete der Hauptkolonne, als selbständig detachiert etc.

Der Abschnitt III ist der Ausbildung während der Wintermonate gewidmet und hiebei gesondert der Ausbildung der Unterführer und der Ausbildung der Truppe gedacht.

Hieran anschließend befaßt sich der Abschnitt IV. als Vorbereitung für die dem Bataillon im Gefechte hauptsächlich zufallenden Aufgaben, mit der Kompagnieschule.

Die folgenden Abschnitte V bis XIII umfassen in logischer Anordnung die Ausbildung des Bataillonsadjutanten, die Mittel für die Befehlsverbindung im Bataillonsgefecht, die Bedeutung und Verwertung des Exerzierplatzes, die Zeitdauer der Bataillonsschule, die Bataillonsschule selbst, die Bataillons- besichtigung, die Tätigkeit, von der Bataillonsbesichtigung bis zu den größeren Truppenübungen, Regiments- und Hrigadeschule, Manöver und als Schluß im Abschnitte XIV einiges über Humor und Begeisterung.

Dies der Inhalt des vorliegenden Buches.

Dasselbe ist in erster Reihe für deutsche Verhältnisse geschrieben, ent- hält aber auch für Angehörige anderer Armeen beachtenswerte Gedanken und Anregungen.

Wir empfehlen Moser s Arbeit bestens. Jedermann wird daraus eine Fülle von Beluhrung schöpfen. E. Sch.

Katalog militärischer Werke der k. und k. Hofbuchhandlung L. W. Seidel & Sohn. Wien, I., Graben 13. Depot der k. und k. Generalstabskarte. 1907. Verlag von L. W.Seidel & Sohn.

Der Inhalt der neuesten Ausgabe dieses reichhaltigen Kataloges ist gleich seinen Vorgängern in sehr übersichtlicher, das Aufsuchen jedes Werkes sehr er- leichternder Weise nach Stoffen gegliedert und enthält nebst den neuesten Er- scheinungen auf dem Gebiete der Militärliteratur, alle Behelfe zur Vorbereitung für die Aufnahme in die Kriegsschule, in den Militärbauingenieurkurs, in den Intendanzkurs, für die Prüfung zum Stabsarzt; ferner alle Lehrbücher für die k. und k. Militärerziehungs- und Bildungsanstalten, die genetischen Skizzen der Gegenstände, aus welchen die Berufsoftiziersaspirnnten die Ergänzungsprüfung abzulegen haben, dann jener Gegenstände, aus welchen bei Ablegung der Kadetten- prüfung ohne vorherige Absolvierung einer Kadettenschule, Kenntnisse nach- zuweisen sind. Wie immer ist besonders die Literatur der Feldzüpe seit 1792 aehr reichhaltig. Über den russisch -japanischen Krieg 1904— 1905 finden sich darin allein 28 Publikationen.

Das Inh Itsverzeichuis weist auch auf ein reiches Lager von Werken der schönen Literatur hin

Alle Werke können auch gegen Ratenzahlungen bezogen werden.

Jüngst eingelangte Werke und Schriften:

Das neue Modell der Gewehrstutze zum liegenden Anschlag und die auf deren Anwendung beruhend«; Schießmethode der Infanterie im Gefechte. Von Josef Livtschak Berlin, Roeenthal & Co.

Die Führer der osterrrcichUch-ungarischen Armee. 11. Lieferung. Wien. Leopold Weiß.

Anleitung für die praktische umi systematische Durchführung der in der Turnvorachiifl ent- haltenen Bestimmungen während der Rekruten-, Ersatzreservisten- und Kompagnieaus- bildungsperiode. Von Duschan Zsivkovits v. Toront&l-Sziget, k. und k. Ober- leutnant. Temeavär, Csanader-Diözesan-Buchdruckerei.

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Napoleon I. Band 1 und 2. Von John Holland Rote: übersetzt von Professor Dr. K. W. Schmidt. Stuttgart, Gr ein er und Pfeiffer.

Taktische Tagesfrsgen mit Rücksicht auf den russisch-Japanischen Krieg. Von Major Hugo Schmidt. Wien. Selbstverlag und L. W. Seidel & Sohn.

Montenegro und nein Heerwesen. Von W. Stavenbagen, Hauptmann a. D. (Aus der Zeit- •rhrlft .Die Gegenwart".) Berlin.

Hie Hedscbasbahn. Au» Dr. Petermanns Mitteilungen. Gotha, Justus Perthes.

Über das Meer als Quelle der Seemacht und SiaatengiöUe. Von W. Stavenbagen, Haupt- mann a. D. (Aus der Zeitschrift .Die militärische Welt*.) Herlin.

Über Tretminen. Von ebendemselben. (Aus der Zeitschrift „Die militärische Well".) Herlln.

Bulgarien und seine Heereseinrlchtungen. Von ebendemselben. (Aus der Zeitschrift „Die Gegen- wart-.! Berlin.

Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs. Von der Gesellschaft für neuere Oeicblchte Öster- reichs. Wien. Adolf Holzhausen.

Verzeichnis des Kuefstelnischen Familienarchivs. Von Karl Grafen K u e f s t e i n. Wien. Als Mannst rlpt gedruckt.

Studien cum älteien Österreichischen l'rkundenwesen. 1. Heft. Von Dr. Oskar Freiherrn von

Mit ls. Wien. Selb« vertag. Die Kaisermanöver in Schlesien UKW. Sonderabdruck aus Danzers Armeezeitung. Kriegstechnische Zeitschrift. IX. Jahrgang, 8. Heft. Von Oberst g. D. Ernst Hartmann.

Berlin E. S. Mittler & Sohn. Der Infanterieangriff im Lichte des russisch-japanischen Krieges Von k. und k. Hauptmann

Aladär Bitter Knebel von Tr e ue n s ch w ert. Wien, L. W. Seidel £ Sohn, f

Besprechung vorbehalten; Rücksendung findet nicht statt.

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Die Neuerungen der Handfeuerwaffen und Maschinengewehre. Zu- gleich erster Nachtrag zum Handbuch der Waffenlehre von Berlin, Haupttuaun und Kompagnieclief im Badisehen Kußartillerieregiment Nr. 14. Verlag der königl. Hofbuch- handlung Mittler & Sohn. Berlin 1906.

In ahnlicher Weise wie Generalmajor z. D. U. WTille im Oktober 1905 das Ergänzungsheft zur 3. Auflage se ner Wnffenlehre vom Jahre 1905. hat Hauptmann Berlin das vorliegende Heftchen als einen notwendig gewordenen wertvollen Nachtrag über Handfeuerwaffen »eines im Jahre 1904 er- schienenen „Handbuches der Walfenlehr.:" erscheinen lassen.

Aus demselben sind die ersten nutheutischen Details über den bedeu- tendsten Fortschritt in der Bewaffnung der deutschen und französischen Infanterie durch Einführung der neuen „Su Munition lür das Gewehr f»8. respektive für die deutschen Maschinengewehre und des , balle du Geschoßes für das franzö- sische Lebelgewehr zu entnehmen.

Diese neueste Errungenschaft, welche die Möglichkeit bietet, die so wünschenswerten und daher allgemein angestrebten ballistischen Vorteile des 6*5 mm Kalibers b»«i Beibehalt jenes von 8 mm, also nur durch Änderung der Munition, auf relativ billige Weise zu erreichen, hat ein umso bedeutungs- volleres Interesse, da die Heeresleitung voraussichtlich auch bei uns in abseh- barer Zeit zu einer ähnlichen, tief einschneidenden Änderung der Munition greifen dürfte.

Besonders interessant sind die Daten über den erst im November 1905 erschienenen Entwurf einer Schießvorschrift für die Infanterie und speziell die daraus entnommenen Schußleistungen des Gewehres 9V, welche unter anderen auf der Distanz von 700 m (933x) die vollkommene Rasanz der Flugbahn für 1 "85 m hohe Ziele entnehmen lassen.

Die zweite wichtige Neuerung, die im deutschen Heere Eingang gefunden hat, ist die Einführung der Parabellum-Pistole, mit welcher dermalen die Offiziere der Maschinengewehrabteilungen und der deutschen Marine aus- gerüstet wurden.

Das Detail dieser bekanntlich auch naoh ihren Konstrukteuren „Borehardt- Luger - Pistole* benannten automatischen Faustfeuerwaffe, die bereits in der Schweiz und in Bulgarien eingeführt ist, erscheint nun in ungemein klarer und verständlicher Weise, natürlich an der Hand zahlreicher Abbildungen, vor- geführt.

Eine Seite ist schließlich noch der schon mannigfach erörterten Frage des kleinsten Durchmessers des Gewehres gewidmet worin auffallenderweise eigentlich gegen das 6 5 mm Kaliber Stellung genommen wrd.

Die Angaben des japanischen Generalstabsarztes Kikuchi über die Wirkungen des 6-5 mm Gewehres der Japaner, finden übrigens hier eine bei- läufig entgegengesetzte Auffassung, als sie Generalmajor Wille in seinem ersten Nachtrage vom Herbste 1905 entrollte.

Unwillkürlich drängt sich einem der Gedanke auf, daß diese kleine Ab- handlung ohne sonderlichen Schaden für das sonst unbedingt hochinteressante und lesenswerte Heftchen, leicht hätte wegbleiben können. F. S.

„Uber das Meer als Quelle der Seemacht und Staatengrötte",

Artikel von W. Sturenhagen, königl. preuß. Hauptmann a. D. im Septembe-hefto der Zeits-chrift „Die militärische Welt" (VI 190H) ein beachtenswerter Aufsatz, in dem der Verfasser, gestützt auf ein Kompendium geschichtlicher Tatsachen, die Bedeutung der maritimen Entwicklung für den Wohlstand und die Machtstellung aller Nationen und Staaten hervorhebt, und den Nachweis liefert daß die Vernachlässigung der maritimen Intere-.sen für die Zukunft jed«s Volkes zum Verhängnis werden muß; ein Thema, über das schon eine ganz« Literatur besteht und all« klaren Denker zu überein- stimmenden Schlußfolgerungen geführt hat. Die aus der Natur des Staaten und

Organ d«r Milit«rwi«ien«chaftl. Vereine LXXIII. Bd. lvoß. Bücher-Aczei^r. 4

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Volker verbindenden Elementes der See folgende Notwendigkeit keine Mittel zu !»eheuen, um den heimatlichen Seehandel und die Seemacht zu fördern und auszugestalten und dicserart seinen Platz im Mund«» der lebensfähijen Kulturstaaten behaupten zu können, findet in der geschichtlichen Entwicklung bis in die frühesien Kulturepocheu zurück, seinen überzeugenden Ausdruck, der mit Rücksicht auf den steten Aufschwung aller mit dem Seeliandel und dem Verkehre zusammenhängenden Faktoren der neueren Zeit von in.mer größerer Tragweite wird. Es folgt daraus als Gebot der Stdhsterhaltung, hieb von seinen Rivalen zur See nicht zu sehr Überflügeln zu lassen, denn mehr als je zuvor wird in Hinkunft das Schicksal der Mächte in der Seeschlacht entschieden werden im Kampfe um die Seeherrscliaft, die nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nur mit dem großen Schlachtschifftyp zu erringen ist. Der Artikel berührt auch die Bedeutung der Adria tiir die österreichisch-ungarische Monarchie, sowie jene des Mittelmeeres für die gesamte Weltpolitik

Der inhaltlich wie stilistisch vortrefflich verfaßte Aufsatz kann den Leser- kreisen nur bestens empfohlen werden, indem zu wünscln-n stünde, daß er von allen, die auf die Entwicklung unserer Kriegs- und Handelsmarine Einfluß nehmen können, auch wärmstens beherzigt wird. V. W.

Jahrbuch der Naturkunde. Von Hermann Berdrow. Vierter Jahr- gang. Verlag und Druck von Karl Prochaska, Leipzig, Wien und Teschen.

Das Jahrbuch der Naturkunde, das nunmehr zum vierten Male in dem rührigen Verlage von Karl Prochaska in Teschen erscheint, ist ein aus- gezeichneter Almanach der Naturwissenschaften, der in leichtfaßlicher Dar- stellung, durch gute Illustrationen unterstützt, die Errungenschaften sämtlicher Gebiete der Naturkunde, dem Verständnisse des gebildeten Lesers näher bringt.

Das wohlgetroffene Porträt des Altmeisters Haekel an der Titelseite des Buches, ist mehr als ein Geleitwort es ist ein Programm.

Der Text, an die volkstümliche Behandlung naturwissenschaftlicher Themen Bölsche's gemahnend, ist eine Musterleistung Hermann Berdrow's. Wir können dieses Buch, dessen Preis nur 1 K 80 Ii beträgt, jedermann, der Schritt halten will mit seiner Zeit, bestens empfehlen. Weil.

Liegevorrichtung für den Schwerverwundetentransport auf Landes- fuhren. Sanitätstechn. Studie von Regimentsarzt Dr. L a w n e r. Sonderabdruck aus „Der Militärarzt" Nr. 5 von 1906.

Neben dem ersten Verband entscheidet der erste Transport über das Schicksal des Verwundeten. Bei dem gewaltigen Andränge, wie er nach Schlachten und großen Gefechten eintritt, können die vorhandenen Blessierten- wagen nie ausreichen und wird man stets auch Laudesfuhrwerke in Anspruch nehmen müssen, die durch Inprovisationen so gut wie möglich zur Verwundeten- beförderung einzurichten sein werden. Die meisten der vorgeschlagenen, oft sinnreich erdachten Improvisationsmethoden, sind teils wegen des nioht immer erhältlichen Materials, teils wegen der zeitraubenden Herstellung in der Kriegs- praxis unbrauchbar. So wird häufig nur die Strohschüttung auf den Fuhrwerken als Notbehelf übrig bleiben.

Law n er hat, um diesem Übelstande einigermaßen zu steuern, eine Liegevorrichtung für Schwerverwundete auf Landesfuhren konstruiert, die in der Hauptsache aus je einem Kopt- und Kußbalken von Eschenholz, zwei Leinwandunterlagen mit Schlupfen tür die Balken und zwei Decken aus Zelt- stoff besteht. Diese Vorrichtung ist 13"5 kg schwer, zusammengerollt 175 cm lang und 2h cm breit. Die Unterlage hat eine Länge von 195 cm. Zum Her- richteir eines Wagens werden 3 Minuten benötigt.

Bei diesem relativ geringen Gewichte könnten 40 Vorrichtungen auf einem Wagen tortgebracht werden. Der Preis einer Vorrichtung soll sich bei

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Herstellung im großen auf 30 Krouen belaufen. Wenn man naoh dem Ver- fasser — pro Truppendivision und Korps 2, pro Feldspital 1 Wagen zur Auf- nahme von je 40 Liegevorrichtungen annimmt, macht dies bei einem Korps zu 3 Truppendivisionen mit 3 Feldspilälern, 11 Fuhrwerke mit 440 Liegevor- richtungen für 880 Verwundete au». Zur Beschaffung von 11 Fuhrwerken und ca. 500 Vorrichtungen wären rund 20.000 Kronen erforderlich.

Um eine Belastung des Heeresbudgets zu vermeiden, schlägt der Ver- fasser vor, alle Gemeinden, welche kein Spital besitzen, schon im Frieden zur Anschaffung einer solohen Liegevorriohtung gesetzlich zu verpflichten.

Das dürfte sich wohl kaum so einlach realisieren lassen. Eher könnte die freiwillige Sanitätspflege eingreifen.

Nach unserem Empfinden wäre übrigens bei Einhaltung des zahlreiche Vorteile bietenden Grundsatzes, daß die normale Feldtrage das Universal- lagerungs- und -transportmittel für Verwundete im Felde bilden soll, nicht so sehr die Schaffung einer neuen Li ege Vorrichtung als vielmehr die Erhöhung der Feldtragenzahl und die Einführung einer bei jedem Landesfuhrwerke dauernd befindlichen, einfachen Suspensionsvorrichtung anzustreben.

Immerhin muß jeder Versuch, den Verwundetentransport im Felde zu verbessern, begrößt werden. Über die volle Feldbrauchbarkeit der vorgeschla- genen Liegevorrichtung könnte jedoch nur eine längere und vielseitige praktische Erprobuug Aufschluß geben. Stabsarzt Johann Steiner.

Dictionnaire militaire. Eneyclopedie des sciences militaires redigee par un comite d'ofticiers de toutes tirmes. 22e livraison. Siege (Guerre de) - Table. Librairie militaire Berger- Levrault et Cie, e"diteurs de l'anuuaire de l'armee etc Paris 5, nie des Beauxarts, Nancy 18, rue des glacis. 1905

Das vorliegende Heft enthält eine Reihe sehr ausführlich behandelter Themen, der Belagerungsdienst, das Sipnalwesen; auch den Skodawerken ist ein gebührender Platz gewidmet, das Gebührenwesen (service de la solde), die Unteroffiziersfrage und am ausführlichsten das Kapitel Strategie, dann der 8ioherungsdienst. i.

Handbibliothek des Offiziere. Neunter Band. „Der französische Dolmetscher". Ein Handbuch für Offiziere aller Waffen. Mit einem Anhang: Anleitung und 110 Aufgaben, teilweise mit Lösungen, zur Vorbereitung lur die Dolmetscherprüfung. Von G. F. M e i e r, Oberleutnant im vierten großherzoglich hessischen Infanterieregiment (Prinz Karl) Nr. 118. Mit Ul Abbildungen im Text. Berlin 1906. Ernst Siegfried Mittler & Sohn. Königliche Hofbuchhandlung, Koch- straße 68—71 ; gr. 8°, 279 Seiten, Preis 5*50 M. geb. 6 50 M.

Die Verdienste des Oberleutnants Meier um die Dolmetscherliteratur wurden an dieser Stelle schon wiederholt und eingehend gewürdigt. Der sehr tatige Schriftsteller hat uns abermals ein sehr praktisches buch beschert, das wir allen Kameraden, die sich di-m Studium der französischen Sprache widmen, nur wärmstens empfehlen können. Wenn es auch bei uns keine Dolmetscher- prüfung gibt, denn das Buch ist für diese bestimmt, so ist dieses Buch auch für unsere Offiziere sehr wertvoll, denn es gewährt Einblick in das militärische Gebiet der frauzösischon Sprache und gleichzeitig auch in die militärischen Einrichtungen und Anschauungen des französischen Heeres. Neben den die Or- ganisation, Zusammensetzung des Offizierskorps und der Stäbe, Bewaffnung, Ausrüstung, Kelddienst etc. behandelnden Kapiteln, enthält das Buch eine 8amralung von gut ausgewählten Aufsätzen über das Verkehrswesen.

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Bücher-Anzeiger.

Pa bei der Dolmetscherprüfung' Kartenlegen, Befragen von Gefangenen, Regimentsgeschichte und allgemeine Themen, wie eine Beschreibung der deutschen Kolonien oder der Verwaltung und Regierung Krankreichs, als Aufgabe gestellt werden, so mußte der Verfasser auch derartige Stoffe in sein Buch aufnehmen. Im letzten Kapitel werden das internationale Recht, die Kriegsmarine, sowie die wichtigsten geschichtlichen Ereignisse des 19 und 20. Jahrhundert« ausführlich und recht gut behandelr.

Dieses Buch verdient die vollste Aufmerksamkeit unserer maßgebenden Kreise, denn es würde sich, entsprechend umgearbeitet, ganz besonders als Lehrbuch der französischen Sprache für die in dieser bereits fortgeschritteneren Elemente der Akademie oder der Kriegsschule eignen. Man nehme das Gute, wo es sich findet. b

Das Überwinden von Wasserläufen in kriegstechnischer Hinsicht.

Von W. Stave n hagen, Berlin. Mit 28 Abbildungen. (Prome- theus „Illustrierte Wochenschrift über die Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft* Nr. 859 und 861.)

Der Verfasser bespricht dieses wichtige Thema in einem kurzgefaßten interessanten Aufsatze, welcher weniger für Fachleute als für die weiten Kreise der Zivilbevölkerung bestimmt ist.

Nach einer Einleitung über die Wichtigkeit, nasse Mindernisse während der Kriegsoperationen durch Truppen und Armeekörper in kürzester Zeit be- wältigen zu können, werden die verschiedenen im Deutschen Reicli9 ver- wendeten, resp. eingeführten Notmittel, sowie die überschifTungsarten mittels landesüblicher Fahrzeuge, I- lösse, Dampfer etc. angeführt. Es folgt sodann die präzise Schilderung der zahlreichen, durch Pioniere im Kriege mit dem requi- rierten Behelfsmateriale und dem der Divisions- und Korpsbrück ntrains her- zustellenden Feldbrücken.

Die das FKavalleriebrückengerätu und die „Eisenbahntruppen" behan- delnden Absätze müssen jedoch insoferne richtiggestellt werden, als der Kavallerie- brückentrain System Herbert in Österreich - Ungarn noch nicht definitiv einge- führt ist und die „EiffelbrÜckenabteilungen" nicht mehr bestehen.

Schaarschmidt's Erziehung des Unteroffiziers für seinen Beruf. Zum Dienstunterricht und zur Selbstbelehrung. Zweite Auflage. Bearbeitet von Boysen, Hauptmann und Kompagniechef im 4. Thüring. Infanterieregiment Nr. 72. Berlin 1906. Ver- lag der Liebe l'schen Buchhandlung, W. 57. Kurfürsten- straße 18.

Um (»eine Stellung voll und ganz ausfüllen zu können, gibt der Autor mit Vorliegeuder Arbeit dem Unteroffizier die Richtschnur in die Hand für sein Verhalten als Vorgesetzter, als Korporalschaftsfübrer, als Untergebener und im Verkehre mit Gleichgestellten.

Im zweiten Abschnitte werden die schwierigen Themata: „Die stete Fortbildung der Unteroffiziers für seinen militärischen Beruf" und „der Unter- offizier als Lehrmeister" eingehend behandelt.

Die Art der Bearbeitung dieses Stoffes verleiht die?er schönen Arbeit erhöhten Wert, weil sie geeignet ist, insbesondere jüngere, mit der Unterrich- tung der Mannschaft noch wenig vertraute Hilfsorgane bezüglich der Methode der Unterweisung in die richtige Bahn zu lenken.

Für wenig routinierte Lehrer des jungen Soldaten ist es mitunter nicht leicht, den Vorgang herauszubekommen, wie die Schule mit Aussicht auf bleibenden Erfolg zu halten sei, insbesondere deshalb, weil die zur Verfügung stehende Zeit in der Kegel kurz bemessen werden muß, um auch den wichtigen praktischen Ausbildungszweigen gerecht werden zu können.

Hauptmann Ungermann.

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XLVII

Ea ist somit mit Freuden zu begrüßen, daß Boysen einen Behelf in den Dienst dieser Sache stellt, welcher, wenn auch nur für deutsche Ver- hältnisse geschrieben, durch die trefflichen Anleitungen über die Art der Unter Weisung des jungen Soldaten, auch für uns von Interesse ist.

Die den Abschnitt IX einleitenden Zeilen enthalten gediegene Worte: „Wer ein Lehrmeister sein will, muß zunächst selbst seinen Lehrstoff beherrschen und ihn in verständiger, und sicherer Weise anderen mitzuteilen und zum Eigentume zu machen befähigt sein."

Der Insiruktor muß vorbereitet seine Deduktionen halten, denn nichts wirkt ungünstiger auf die Ausbildung des Schülers, als Unsicherheit in der Be- herrschung des Lehrstoffes seitens des Lehrers.

Auch sonst sehr beachtenswerte Winke enthält dio vorliegende, gut durchdachte Arbeit für den Dienstunterricht und für die 8elbstbelehrung des Unteroffiziers.

Gelingt es derselben, zu einer zielbewußten Erziehung des Unteroffiziers für seinen Beruf beizutragen, so hat sie ihren Zweck erfüllt

Die Durchsicht des Werkes kann bestens empfohlen werden. E. Sch.

Trautenau. Von Fr. R ege n sb erg. Stuttgart 1905. Frank h'sche Verlaust» andlung.

Eine anziehende und objektive, in populärem Tone gehaltene Darstellung der ruhmreichen Kämpfer bei Trautenau, 27. Juni 18fi6, schließt sich dieses Buch nach Form und Inhalt den frühcen Publikationen Regeusberg's über Königgrätz, Gitschin, Nacbod etc. würdig an. C

Braumüller's Literarischer Monatsbericht. IV. Jahrgang Nr. 3. Verlag von W. Braumüller. Wien 1906.

Nebst einigen gediegenen Bücherbespiecbuitgen enthält diese Nummer eine Anzeige der neuesten Ei'scheinun-en aus dem Gebiete der in- und aus- ländischen Literatur. C.

Karl Johann Ritter von Grueber. Lebenserinnerungen eines Reiter- offiziers vor hundert Jahren. Herausgegeben von seinem Neffen Fr. v. St. Wien 1906. L. W. Seidel, k. und k. Hof- buchhändler.

Man darf in diesem Küche nicht wichtige Beiträge zur Kriegs- oder Heerespe^chichte suchen, doch wird man darin eiu fesselndes Bild aus der großen Zeit der Napoleonischen Kriege finden. Der Verfasser dieser „Erinneiungen" machte im Kürassierregimeiue Albert und bei Rieschdragonern die Feldzüge der Jahre 1800. 1805, 1809 und 1812 mit, wurde dann in seine bayrische Heimat zurückberufen, kämpfte al» Rittmeister einer von ihm selbst aufgestellten Chevaux- legerseskadron bei Hanau und wurde im Feldzuge von 1814 in Frankreich ver- wundet. In die Heimat zurückgekehrt, fand er recht unerquickliche Verhältnisse. Hatte er unter den bayrischen Kameraden, die Grueber als „Ausländer1* um- soiuehr haßten, als ihn König Max Joseph von Bayern wiederholt auszeich- nete, schon früher unangenehme Stunden erlebt, so sah er sich nun förmlich systematisch verfolgt. Nicht weniger als zwaifzier Duelle hatte er auszufechten und al« er im 21. den Neffen des Königs selbst, den Grafen von Zwey brücken tötlich verwundete, mußte er die bayrische Armee verlassen. Er trat wieder als Gemeiner in ein österreichisches Kavallerieregiment, wurde n*ch Jahresfrist Leutnant und hatte als solcher noch einen Zweikampf mit einem ehemaligen bayrisohen Kameradeu. Die Schilderung dieser Affaue beschließt das an wechsel- vollen, abenteuerlichen Erlebnissen reiche Buch. dMs zweifellos allenthalben mit Interesse gelesen werden wird. C

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XLVIII

Bücher-Anzeiger.

Der russisch-türkische Krieg 1768-1774. Von Hauptmann Richard Ungermann. Wien und Leipzig 1906, Braumüller.

Der Verfasser hat sich der mühevollen Aufgabe unterzogen, Hieben im allgemeinen nur «ehr wenig bekannten Krieg neu zu bearbeiten. Als Pionier- offizier mögen ihm die zahlreichen, sehr geschickt durch|{efflhrten Übergänge der Russen über die untere Donau, welchen er als Fachmann besonder* dankens- werte Erzählungen widmet, besonders zu dieser interessanten Kriegsdar- Stellung veranlaßt haben, aber auoh als Historiker weiß Ungermann die spärlichen und veralteten Quellen geschickt zu einer modernen, gerundeten Wiedergabe zusammenzulassen. Die traditionelle Kunst Kußland'«, auf diplo- matischem Wege immer mehr zu erreichen, als seine Feldherrn errangen, welche sich auch in der jüngsten Vergangenheit wieder b währte, kommt in der Schilderung des Friedensschlusses von Kutschuck-Kainardsche sehr belehrend zum Ausdrucke. p.

Von Leipzig bis Erfurt. DieVerfolgungd er französischen Armee 1813. Von Hugo Kerchnawe. Hauptmann des Ger.eralstabskorps. Sonderabdruck aus »Mitteilungen des k. u. k. Kriegsarchivs 1906a.

Ein sehr interessantes und insbesondere mit reichen Originalbeilagen versehenes Werkohen. in welchem der geschätzte Kenner des Befreiungskrieges den Nachweis führt, daß die Verfolgung Napoleons nach der Sehlacht bei Leipzig entgegen der vielfach eingebürgerten Anficht von Schwarzen- berg tatkräftig eingeleitet und von den Unterkommandanten auoh so energisch durchgeführt wurde, daß sich ein anderer als eben Napoleon wohl kaum hätte durchschlagen können.

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Revista del ejercito y marina. Publication mensual, liecha por el

departemento de estarlo mayor de la secretaria de guerra. Tomo. I. Num. 3. Marzo 1906. Mexico. Talleres de departe- mento de estado mayor. 190G.

Die unter dem obigen Titel erscheinende mexikanische Militärmonatsschrift, herausgegeben von der Generalstabsabteilung des Kriegssekretariats, bringt in d*r uns zugekommenen Nummer 3 des Jahrganges 1906 eine fortsetzungsweise Besprechung der im Jahre 1905 in Böhmen stattgehabten Kaisermanöver. Diese Besprechung soweit sie uns vorliegt enthält eine detaillierte Schilderung des Verlaufes dieser Manöver, welche der „Revue militaire des armees etrangeres" entnommen ist und schließt mit der Bemerkung, daß den Kommandanten für ihre Entschließungen und AusJührungen ein hoher Grad von Selbständigkeit eingeräumt ist und d«ß von der Manöverleitung, mit Ausnahme der Bekanntgabe der allgemeinen Kriegslage und der fall weisen Bestimmung der Demarkations- linie, in den Wirkungskreis der gegeneinander operierenden Heeresteile in keiner Weise eing» griffen wird. Auch über das gegenseitige Kräfteverhältnis konnten sich die Kommandanten dieser Heeresteile nur durch Rekognoszierungen Kenntnis verschaffen. Diese Umstände erforderten die Aufstellung einer großen Zahl von Schiedsrichtern und -Gehilfen, welche ihre Entscheidungen lediglich auf Grund der durch die Gefechtlage geschaffenen Verhältnisse der Stärke der sich jeweilig entgegenstehenden Abteilungen und des Einflusses des Terrains schöpften.

An anderer Stelle bringt dieselbe Nummer der rRevista del ejercito y marit a* über Österreich-Ungarn die Mitteilung daJJ da» k. und k. Reichskriegs- ministerium die Erprobung von Sommeruniformen aus Drill in einzelnen süd- lichen Teilen des Reiches angeordnet habe. Diese Erprobungen finden seit zwei Jahren in Dalmatien und der Herzegovina statt. Die Sommeruniformen be- stehen aus erdfarbeuen, grauen und gelblichen Anzügen und Käppis. Die Truppen, welche diese Sommerkleider zu erproben hatten, sollen sich darüber sehr günstig

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aussprechen, so daß die Heeresleitung beschlossen hat, diese Versuche nicht auf Palmatien und die Her/egovina zu beschränken, sondern sie auch auf Südtirol auszudehnen. y.

Offiziersfelddienstübungen. II. Teil: Der B ewegun«;skrittg und Märsche zu Gefechtsübuofjszwecken. Von H op|ic nstcdt, Major im Füsilierregimeut Fürst Karl Anton von Hohen- zollern (Hoheuzollernsehes) Nr. 40. Mit einer Karte. Berlin 1906. F. 8. Mittler & Sohn.

Da» vorliegende Büchlein des bekannten Verfassers taktischer Aufgaben- sammlungen gibt 60 Bei.-piele für die Anlage von Felddienstübungen der Kom- pagnie und des Balaillons, welche dabei in die vielseitigsten, zum Teil sehr interessanten Lagen versetzt werden, die sehr geeignet *>ind, die Entschlußfähig- keit der betreffenden Kommandanten zu entwickeln, so daß nebst r Schulung der Mannschaft auch jene der Offiziere in hohem Grade gefördert wird.

Diese Beispiele können daher, wie auch die kurze, präzise Art der Charakterisierung der Situationen, ^ewiß als Muster gelten.

Daß manche Detachierung, mancher Auftrag nicht allseitig gutgeheißen werden dürfie, ist bei dem Wesen der Taktik eigentlich selbstverständlich.

Die Aufgaben sind in folgende Gruppen gegliedert: Unternehmungen gegen Verkehrswege und Nachrichteneinrichtungen und deren Abwehr, Ver- schleierung, Vortrupp, Seitendeckungen, Kü< kzug und Verfolgung, Deckung von Bagagen, Trains u. s w., Artilleriebedeckung, Vorposten, vorgeschobene Stellungen, Grenzkrieg und Kampf um Flußlinien.

Den meisten dieser Gruppen sind einige einleitende Worte vorangestellt.

Speziell die Hervorhebung der hohen Bedeutung der Verschleierung, welcher oft uicht die uötige Beachtung geschenkt wird, dürfte allgemein Zu- stimmung finden.

Die Supponierung größerer Kreite und Tiefe eines Gewässern, um eine bestimmte Übung vorzunehmen, erfordert ziemlich viel Phantasie, kann leicht su ganz unnatürlichen Situationen führen und namentlich bei der Mannschaft falsche Begriffe hervorrufen. (Beispiel 55 60.) In noch höherem Maße gilt dies von der Annahme iu Beispiel 64, daß eine Bahnlinie, die an einem (wenn auch sanften) Abhang führt, als Fluß anzusehen nei.

Die Beispiele 61 65 sollen zeigen, wie sich der Verfasser die Anlage von Übungen zur Gefechtsausbildung von Kompagnie und Bataillou denkt. Ks ist dies ungefähr so, wie es sich bei uns schon eingebürgert bat: Durchführung einzelner Gefeci tsroomente und Ausnützung der Märsche zu und von den Übungsplätzen zu Übungen im Aufklärung»-, Sicherung.« dienst u. s. w ; nur will es scheinen, daß die Programme für halbe Tage etwas zu reichhaltig sind.

Wie aber der Zweck erreicht werden soll, welcher iu der Einleitung zu diesem Absein. itt angegeben ist, nämlich die Schwierigkeiten zu überwinden, welche im Frühjahr und Sommer die Kulturverhältnisse der Veranlagung der Kompagnie- und Bataillonsübungen bieten, ist nicht zu ersehen. Eine Angriffs- übung ohne Betreten des Terrains abseits der Kommunikationen, ist eben un- denkbar, hiezu muß daher die Zeit ausgenützt werden, da es wegen Frosts oder tiefen Schnees möglich ist; später sind Gefechtsübungen auf den Exerzier-

Die Führer der österreichisch-ungarischen Armee etc. Lieferung 10

enthält die Lebensbeschreibungen und Bilder der folgenden Persönlichkeiten: FML R. von Wuich, Emil L in hart, GM. Csongvay de Czegez, Oberst des Generalstabskorps Alfred Krauss, ArtilleriegeneiHÜngenieur Hess, Generalstabsarzt Dr. Kratschmer, Ministerialrat Behebest» und beginnt endlich mit der Reihe d ?r Korpskommaudauten, in welcher als erster FZM. Edler von HorsetzUy gewürdigt ist.

(Übungs). Platz beschränkt.

P. R.

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Bücher-Anzeiger.

Der mechanische Zug mittels Dampf Straßenlokomotiven. Seine

Verwendbarkeit für die Armee im Kriege und im Frieden von Otfried Layriz, Oberstleutnant z. D., Berlin. Ernst Siegfried Mittler u n d S o b u , 1900.

Der Kampf der Parteien, ob dem Benzinmotor oder der Dampfmaschine im Kriege zur Bewegung der Fuhrwerke auf Straßen der Vorzug gegeben werden soll, dauert schon einige Zeit, an und scheint noch nicht allseits zu einem ab- schließenden Urteil geführt zu haben. Für den Dampfmotor spricht die außer- ordentliche Einfachheit der Maschine und die Möglichkeit, das Bronnmaterial sich leichter beschaffen zu können. Dagegen ist sie bei gleicher Stärke weit schwerfälliger als der Bonzinmotor, der pro Pferdekraft kaum den 10. bis 20. Teil des Gewichtes der Straßenlokomotive besitzt. Bei schlechten Straßen ist diesem Umstände «dne große Bedeutung beizumessen, denn der schwere Motor sinkt in der schlammigen Straße leichr tief ein. daß er gar nicht mehr fortzubewegen ist. Und im Kriege werden meistens die Straßen sehr schlecht. Allerdings haben die Konstrukteure die Straßenlokomotiveu bereits mit so breiten Felgen konstruiert, daß sin auch anstandlos die Straßen verlassen können, um querfeldein zu fahren, wie es bei der englischen Armee im Buren- kriege sehr häufig praktiziert wurde.

In diesem Kriege hat sich die Straßenlokomotive vollkommen bewährt und sie wird auch im Frieden in En-rl-md nicht nur für die Zwecke der Garnison, sondern auch seitens der Fabriken und Frächter im umfangreichsten Maße, namentlich zum Verfrachten schworer Stücke verwendet. Dadurch kommt die englische Kriegsverwa tung in die angenehme Lage, im Kriegsfalle über eine nicht unbedeutende Zahl dieser Motoren verfügeu zu können, die in zwei noch sehr schwerfälligen Exemplaren schon 1870/71 eine sehr gute Verwendung fanden, worüber im vorliegenden Buche auch die auf dieselben be2Ugnehmende Korrespondenz Moltkes zu finden ist.

Ober.stlt. Layriz entwickelt uns die vielseitige Verwendbarkeit dieser Straßenlokomotiven und ihre verschiedenen schweren und leichten Typen, die zum Teile, den Lesern des Organs aus dem Aufsätze des Oberst Til sch kert, „Die Straßenlokomotive neuerer Konstruktion zum Transport von Kriegsmaterial, ihre Verwendung im südafrikanischen Krie/e 1900a. (Organ der Milit&rwissen- scliaftlichen Vereine. 4. Heft des Bandes LX1I. Jahrg. 190!) bekannt sind.

Nsju ist Fowlers extra leiehte Militär- Straßonlokomotive mit Triplex- expansive, Type Ponton (so benannt, da sie Pontonbrücken passieren kann), die G bis 7 Tonnen bei 18 Pferdestärken wiegt, also das entsprechende Adhäsioiisgewieht lür Straßen besitzt, da pro Pferdekraft ca. 3'i0 kg entfallen. Sie arbeitet mit dreifacher Expansion und verbraucht *i03 kg Kohlen.

Neu ist die Verwendung der F. Straßenlokomotive für das Ziehen der Scheiben auf den Artillerie-Schießplätzen zu Münster und Döberitz. Sie dient hier mit ihrer aufmontierten Dyunmom iiohtiie zum Laden von Akkumulatoren und liefert mit diesen zusamn.en im Bedarfsfall den elektrischen Starkstrom, der zum Antrieb von Seiltrommeln dient, mit denen die Scheiben in Bewegung gesetzt werden (4 Seiltrommeln mit '2500 m Drahtseil 5 mm dick)

Jedenfalls ist die Straßenlokomotive geeignet, Deutschland in einem Kriege mit Frankreich, wo sehr gute Straßen vorhanden sind, in die Lage zu versetzen, seine Heere mit allem Bedarf, ja selbst für den zur Belagerung von Festungen rechtzeitig zu versehen.

Jst etwa der tägliche Nachschubabedarf des Heeres mit 40.000 q zu decken und die Ftappenlinie 10 Tageraärsche lang, so würden, wenn alle Eisenbahnen zerstört sind, ca 4000 Fuhren tür den Tagesbedarf erforderlich sein, daher 10 X 4000 Fuhren am Hinmärsche und 5 4000 am Rückmärsche sich befinden, was ein Fuhrenerfordernis von 60.000 oder einen Pferdebedarf von 120.000 ergibt, ein Aufgebot, das bald den Nachschub ins Stocken bringen

müßte da diese Pferde wieder ^ n* ° = 600 Wagen pro T-ig oder 9000

1000

auf der ganzen Linie nur tür den Hafer benötigen. Mit Maschinenpferden, die 10 Stunden im Tage arbeiten, sinkt die Zahl auf 60.000 herab, was immer noch

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ein sehr großes Erfordernis ergibt. Legt man jedoch auf allen Zusohub- linien Geleise, dann vermindert sich die Reibung auf '/lo- 68 l^nn dalier mit 6U00 Maschinenpferden oder mit 350 respektive wegen der notwendigen Reserve mit 4U0 Straßenlokomotiven das Auslangen gefunden werden. Von diesen erhalten in Deutschland leicht bei den Truppen- und Verpflegungsmaga- zinen zirka 20 per Korps Verwendung, daher der ganze Kriegsbedarf schon im Frieden verwertet wird Dioser wflrde sich verzehnfachen, weun man auf die Anwendung der Feldbahn verzichten wollte. Selbstverständlich versehen auch gleich starke Henzinautomobile denselben Dienst und fördern noch viel mehr da sie zur Erreichung des Adhäsionsgewichtes mit Bedarfsartikeln belastet werden müssen. Alle, denen die Fürsorge für den Nachschub des Heeres obliegt, sollten die Broschüre eines eingehenden Studiums würdigen. Sie werden dabei zur Überzeugung kommen, daß auch das beste Automobil nicht genügt, wenn auf der Straße die Last nicht auf dem Eisengeleise gefahren wird. Also erst dieses dann der Maschinenmotor, denn am Geleise leistet auch der Mensch sehr viel.

Bei der Förderung Jim Geleise macht sich der Vorteil de« Benzinmotors mit seinem geringen Eigengewicht gegenüber der Straßeidokomotive nicht so geltend, wie beim Fahren auf der Straßonflächo. denn das per Pferdekraft im Benzinmotor ersparte Gewicht von zirka 300 kg, gegenwärtig dem Dampfmotor, beträgt am Geleise nur mehr zirka ein Viertel der geförderten Lust, was mancher vielleicht durch die Einfachheit des letzteren als aufgewogen betrachten wird.

Zweifellos werden die Benzinmotoren im Krieg in viel größerer Zahl undienst- bar werden als die Damplmaschhien und auch das kann das Zünglein der Wage zugunsten der letzteren neigen.

Entscheidend wird für die Wahl des Motorensystems auch sein, welches derselben bei der Ausnützung im Frieden sich ökonomischer herausstellt.

Gegenüber den Dampflokomotiven auf dem Feldbahngeleisee haben die neben demselben den Zug besorgenden Straßenlokomofiven den Vorteil, daß sie 18 gegenüber 10 Pt'erdekrätten besitzen, also von Lokomotiven 720 erst das hesorgen, was 4U0 Straßenlokornotiven leisten und daß in starken Steigungen und Gefällen letztere vorzuziehen sind. Natürlich können Lokomotive nicht zum Lokaldienst bei den Truppen verwendet werden, man müßte sie Lokalbahnen mit 70 cm Spur leihweise überlassen. T.

Einiges über die militärische Bedeutung des mechanischen Zuges

von W. Stavenhagen, kgl. Hauptmann a. D.

In der „Automobilwelt- behandelt der genannte Autor in diesem Artikel (11. Mai ü'06) die Bedeutung des mechanischen Zuges für den Nachschub bei den modernen Heeren, wobei er die günstigsten Verhältnisse für denselben von den geleislosen Triebwagen erhofft, während er der Feldeisenbahn eine wesentlich geringere Bedeutung beimißt, welcher Anschauung wir nicht bei- stimmen können, weil bei jeder Lastetiförderunü nicht nur die entsprechenden leistungsfähigen Motoren, e>ondern auch die Verminderung der Reibung in Be- tracht zu ziehen sind. Diese Verminderung verschafft dauernd nur das Eisen- geleise, das vom Wetter unbeeinflußt Ideibt, wahren*! die „versteinteu Wege" (Straßen) bei Regen nur allzu schnell so zerfahreu werden, daß die Reibung von '/jo auf '/15 herabsinkt, also lOmal so groß ist, wie auf dem Eisen^eleise, daher auf diesen 10.(100 Pferde da« leisten, was lOO.O(H) auf der bezeichneten Straße fortschaffen uud selbst en> Mensch mehr als das Doppelte auf denselben fortbringt, wie eine Plerdekraft. Diese Tatsache verwerteten auch die Japaner, die in der Mandschurei - wie Layriz in seinem Werke „Der mechanische Zugmittels Dampfstraßenlokomotiven" berichtet auf der Feldeisenbahn, welche dem österreichischen System (Dolberg) nachgebildet war, den ganzen Nachschub hauptsächlich mit Menschen besorgten.

Die sonstigen Ausführungen des Autors sind sehr beachtenswert und in- formieren den Leser über die bisherigen Leistungen im Bau von Kriegsauto- mobilen, so den Scotte'schen Damplw;<gen von 20 oder 30 HP. und den T h omyerof t-Wagen mit 21 HP., dann über die weltbekannten, in England eingeführten Po wie Fachen Straßenlokomotiven, die einer Reihe von Wagen als Vorspann dienen und sich in Südafrika bestens bewährt haben.

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Bücher-Anzeiger.

Mit Recht erhofft der Autor vom gemischten Betrieb mit elektrischem Antrieb aller Wagenaxen eines Zuge« die günstigste Lastenfttrderung. Bei diesem wird am Motorwagen der elektrische Strom doch wohl nur mit Hilfe eines Benzinmotors, was der Verlnsscr anzugeben vcrjraß erzeugt Unter Hinweis auf das in Österreich eingetnhrte System Lohner-Porsche bemerkt der Autor, daß in Preußen dermalen auch erfolgreiche Versuche mit deutschen Systemen, die vorläufig noch geheim gehalten werden, gemacht werden, über die er später berichten wird.

Die deutsche Kriegsverwaltung scheint diher <lon in <l«r kriegstachnischen Zeitschrift (1904, 10. Heit) in dem Auf>atz „Der Zukunttsbetriei« auf der Keld- eisonbahn im Kriege" erteilten Rat zur Erprobung von ben/.in«lektrischen Ge- neratorwagen und entsprechenden Elektromotorwagen, wenn auch nur für den geleislosen Betrieb bestimmt, beachtet zu haben. Audi in Italien i>t diese Betriebs- weise in Erprobung genommen worden.

Entspricht dieses System auf der Straße, dann wird i-s sich auf dem Geleise noch besser bewahren. Die Darstellung S t n v e n h a g e n's wird zweifellos aufklarend in der Frage des Automobilbetriebe« i.u Kriege wirken.

Photographisches Praktikum. Ein Handbuch für Fachmänner und Freunde der Photographie von Ludwig David, k. und k. Major der Artillerie, Ehrenmitglied der Photographischen Gesellschaft in Hallo a. S. und des Klubs der Amateur- photographie in Hudweis; Korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft zur Förderung der Amateurphotographie in Hamburg, der Sehlesischen Gesellschaft von Freunden der Photographie in Breslau und des Klubs deutscher Araateur- photographen in Prag, Ehrenpräses der Lemberg<T Photo- graphischen Gesellschaft etc , Besitzer der kaiserlichen öster- reichischen goldeuen Medaille „Viribus unitis". Mit sechs Tafeln". Halle a. S.Verlag von Wilhelm Knapp. 1905.

Major David, der bekannte Amateurphotojrraph, hat nun seinem vielver- breiteten „Ratgeber für Anfanger im Photo^r^phieren* da" vorliegende „Prak- tikum" folgen lassen, welches den Zweck verfolgt, Kachmann und Amateur in weitere Gebiete der Lichthildkunst cinzulühren und mit deu neuesten Fort- schritten auf diesem Gebiete vertraut zu machen, sie somit, wie die Vorrede sagt, befähigen soll, Anspruch auf technische Meisterschaft erheben zu können.

Eine flüchiige Durchsicht des 817 Seiten starken Bandes genügt, um er- sehen zu kennen, daß auch auf das „Praktikum14 alle Vorzüge des populären. „Ratgeters- übertragen sind, und es ist zu erhoffen, daß bei der Gediegenheit des Inhaltes und der einfachen, leicht verständlichen, dabei gründlichen und gewissenhaften Bearbeitung der einzelnen Kapitel, auch diese Veröffentlichung des beliebten Autors den Umfang der Auflagen seines Vorgängers des „Rat- gebers" erreichen werde. C.

Ludwig David Ratgeber für Anfänger im Photographieren. Jubi- läumsausgabe 1906. 33. bis 35. Auflage. 97. bis 105. Tausend. Verlag Wilhelm Knapp. Halle a. S. Preis Mark.

Wäre auch der Name des Verfassers sowohl als Kachsohriftateller als auch als ausübender Amateur nicht in den weitesten pliotographischen Kreisen rühmlichst bekannt, so würde schon die am Titelblatte angegebene Anzahl der Auflagen und der gedruckten Exemplare bezeugen, daß diese»- Leitladen als viel henützter und treuer „Katgeber- tür die Jünger der Lichtbildkunst große Ver- breitung gefunden und Vorzüge aufweisen muß, welche ei. en solchen Erfolg rechtfertigen.

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Bücher-Anzeiger.

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In der Tat ist in diesem Büchlein int Taschenformate «lies enthalten, was für den Amateur von Wichtigkeit ist und womit sonst ähnliche Publikationen ein stattliches Bandformat ausfüllen. Durch Weglassung aller weitschweifenden Er- klärungen, bei einem Mindestmaß von Theorie stets den neuesten Fortschritten Rechnung tragend, ist das Werkchen derart klar geschrieben, daß auch das Verständnis für die photographischen Prozesse insoweit als dies notwendig ist, um nicht nur mechanisch zu arbeiten, in müheloser und anregender Art erzielt wird.

Die Publikation spricht also für sich, bedarf keiner weiteren Anpreisung und wer einmal den „Ratgeber" benfitzt hat, wird sich höchstens zu dem Zwecke von ihm trennen, um eine neue Auflage sich anzuschaffen. C.

Taktisches Handbuch von Major Hu^o Schmid. 5. Auflage. Kommissionsverlag L. W. Seidel & Sohn. Wien 1907.

Eines unserer besten Handbücher, das sich durch Vollständigkeit, über- sichtliche Anordnung des überaus reichen Stoffes, Hervorhebung besonders wichtiger Daten und zahlreiche praktische graphische Darstellungen auszeichnet. 80 bildet dasselbe, nachdem auch alle organisatorischen und sonstigen Neuerungen aufgenommen erscheinen, einen wertvollen Gedächtnisbehelf, der hiemit bestens empfohlen werden kann. e~

Autogramme zur neueren Geschichte der habsburgischen Länder.

Herausgegeben von der Direktion des k. u. k. Kriegsarchivs. I. Band. Einleitung. Handschriftliche ßeglaubigungsarten bis zum Ausgang des Mittelalters. Die Habsburger. Familien- chronik und Entwicklung der Hausmacht von Maximilian I. bis auf die neueste Zoit. Mit 494 Abbildungen im Text und 8 Tafeln. Wien 1906. L.W. Seidel und Sohn. XIII und 253 S. 4.

Ein Vorwort vom Direktor des k. und k. Kriegsarchivs, FML von Woinovich, orientiert den Leser über den Zweck der Publikation. Als Ein- leitung folgt sodann eine Abhandlung von Hauptmann Voitze über hand- schriftliche Beglaubigungsarten auf Kaiser- und Kfinigsurkunden, Urkunden geistlicher und weltlicher Fürsten bis zum Ausgang des Mittelalters, endlich Ausführungen über die Urkunden der päpstlichen Kanzlei. Die nach palao- graphischen Werken reproduzierten Schriften und Handzeichen über den Rahmen des Buches eigentlich hinausreichend geben im Verein mit dem klar ge- schriebenen Texte ein anschauliches Bild der Beglaubigungsformen auf Urkunden im Mittelalter.

Major Semek hat den Text für die Genealogie und Familienchronik der Habsburger von Kaiser Maximilian J. bis zum Tode Karl VI. geschrieben, während Hauptmann Sommeregger die Periode vom Regierungsantritte Maria Theresia's bis zur Gegenwart bearbeitet hat. Wir erblicken die Namens- züge bedeutender historischer Persönlichkeiten mit regem Interesse und ver- folgen in den Unterschriften die Mitglieder der habsburgischen Haupt- und Nebenlinien bis auf die Gegenwart.

Die reichen Bestände des Hans-, Hof- und Staatsarchivs, des Kriegs- archivs, die kostbare Autographenfammlung der Hofbibliothek, die verschie- denen Hofämter haben die Originale für die Reproduktion der Autogramme geliefert.

Wir möchten dem Werke, das in diesem vorliegenden 1. Bande eine weit ausholende und mühevolle Arbeit der Öffentlichkeit Übergibt, eine recht weite Verbreitung und den großen Leserkreis wünschen, den es ob seines Inhaltes reich- lich verdient. C. v. D.

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Bucher-Anzeiger.

Grundprobleme der Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate von Josef Kozäk, k. und k. Oberst- leutnant im Festung^artillerieregiment Nr. 4, zugeteilt dem Technischen Militärkomitee. Erster Band. Mit 10 Figuren im Texte. Wien uod Leipzig 1907. K. und k. Hofbuchdruckerei uud Hofverlagsbuchhandlung Karl Fromme.

Die Methode der kleinsten Quadrate int heute ein geradezu unentbehr- lii-hes Verfahren in all' deu zahlreichen Fällen, in welchen es sich um die Vor- wertung irgend eines durch Heubachtungen gewonnenen Materiales handelt. Es gibt wohl kaum einen Zweig der mathematisch-physikalischen Wissenschaften oder der diese anwendenden Disziplinen, welche in einzelnen Fällen dieser Methode antraten können. Je tiefer man in das Verständnis dieser Methode eindringt, desto größer erscheiut das Gebiet ihrer Anwendung und desto zahl- reicher sind die Fälle, welche deien Anwundung geradezu verlangen.

Wenn trotzdem heute leider dieses geniale, zuerst von Gauß aus- gearbeitete Verfahren nicht in allen Fällen, wo es am Platze wäre, angewendet wird, so ist die Erklärung in dem Umstände zu suchen, daü die meisten Werke, welche eich mit diesem Teile des mathematischen Wissens beschäftigen, den Bedürfnissen der Praxis zu wenig Rechnung tragen. Dem praktischen Arbeiter kommen im Prinzipe zwei verschieden geartete Aufgaben vor. Der eine ein- fachere Fall ist der, daß es sich um eiue der häutig vorkommenden Aus- gleichungen handelt Für diese Fälle, deren Behandlung eiue rein mechanische ist, genügen kurze Anleitungen für das Rechnen, wie sie beispielsweise iu Lehr- büchern der Geodäsie enthalten sind. Im andern Falle sollen Größen behufs ihrer Verwertung ausgeglichen werden, deren Natur oder deren Ermittelung nicht unter die typischen Fälle der Ausgleiohungsrechnuug »allen. Hiezu ist das Verständnis der Methode, also theoretisches Wissen, nötig Ober die Theorie der Beobachtungsfehler uud die Ausgleichung vou Beobachtungen besteht allerdings eine zahlreiche, zum Teile vorzügliche Literatur, welche aber dieses Problem mehr oder minder vom rein mathematischen Standpunkte auffaßt und den Be- dürfnissen der Praxis im allgemeinen meist wenig Rechnung trägt, und zwar nicht selten aus «lern Grunde, um das Werk rein wissen>chaftlich zu halten.

Der praktische Arbeiter benötigt aber in allen Fällen, welche ei »er rezept- mäßigen Behandlung nicht fähig sind, ein Buch, welches ihm nicht nur die reine Theorie, sondern auch deren Anwendung, die einfachste Art der oft viele Zeit beanspruchende» Rechnung und die Möglichkeit der Selbstkontrolle derselben lehrt. Das Bedürfnis nach einem derartigen Werke ist ein vielfach gefühltes, insbesondere bei allen, welche die Theorie der Ausgleichuugsreohnung an Hochschulen nicht oder vor längerer Zeit gehört haben.

Das vorliegende Werk, des durch verschiedene militärwissenschaftliche Publikationen bereits bekannten Autors füllt diese Luoke der Literatur bestens aus. Ks ist eine vollauf gelungene Verbindung der Theorie mit den Bedürfnissen der Praxis. Der theoretische Teil ist mit Anlehnung an die Ausführungen des in der ganzen wissenschaftlichen Welt als Fachautorität ersten Ranges bekannten Hofrates und Prol'es-sois der technischen Hochschule in Wien Emanuel Czuher in sehr ausführlicher, klarer und leicht verständlicher Weise verfaßt, so daß beim Selbststudium die Benützung jedes anderen Werkes entfällt. Das Werk ist die Frucht eines langjährigen Studiums der übet. diese Mat-no existierenden, zahlreichen Literatur und hat die Vorzüge, mit welchen es nur ein Mathema- tiker ausstatten kernte, nämlich: exaktes klares Denken uud streng logische und leicht verständliche Wiedergabe. Die Wahl lehrreicher Beispiele ist auf dem vom Verfasser behandelten Gebiete gewiß eine sehr schwierige ; die zahlreichen, in dem vorliegenden Buche erörterten Beispiele sind als besonders glücklich gewählt zu bezeichnen. Die vorgeiü'irten Beispiele erleichtern nicht nur sehr das Verständnis der Theorie, sondern geben auch eine wertvolle Anleitung zur prak- tischen Vei wertung derselben.

Das Werk bietet daher auch dem Anfänger die Möglichkeit, sieh leicht, verhältnismäßig rasch und durch bkßos Selbststudium nur dieses Werkes, in

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die Ausgleich ungsrechnung der Methode der kleinsten Quadrate einzuführen und diese in allen Gebieten, wo sie am Platze ist, nutzbringend zu verwerten.

Wir erblicken einen besonderen Vorzug diese» Werkes darin, daß es viel dazu beitragen wird, der genannten Methode (Iberall dort Eingang zu ver- schaffen, wo sie schon lange hingehört und nur wegen zu geringer Kenntnisse der Arbeitenden bis jetzt nicht Verwendung fand.

Der vorliegende erste Band bildet die unerläßliche theoretische Grund- lage für die im zweiten Bande aufgestellten Untersuchungen im Schießwesen. Er entiiält die Abschnitte: Fehlergattungcn, Fehlergesetz, Genauigkeitsmaße, direkte Beobachtungen, vermittelnde Beobachtungen, bedingte Beobachtungen, Vergleich des Fehlergesetzes mit der Erfahrung, kleinster und größter Fehler einer Beobaehtungsreihe und Ausscheidung widersprechender Beobachtungen. Den Schluß bilden 13 Tabellen, welche das gesamte*benötigte Tabellenmaterial umfassen. Der mathematische Teil, in erster Linie alle Anleitungen, ist in allen Ab- schnitten sehr ausführlich und möglichst wenip Vorkenntnisse voraussetzend, be- handelt. Diese Darstellungsart wird sich besonders beim Selbststudium sehr an- genehm bemerkbar macln-u.

Nachdem es hier nicht möglich ist, näher auf jeden einzelnen Abschnitt einzugehen, soll nur auf einige der Kapitel hingewiesen werden, welche in vielen Lehrbüchern der Ausgleichungsrechnung gar nicht oder nicht ausführlich enthalten sind. Einige dieser interessanten Kapitel sind: Ableitung des Fehler- gesetzes nach Herschel, Durchschnittswerte der Fehlerpotenzsummen als der Genauigkeitsmaße, die p-prozentigeu Fehlergrenzen als Genauigkeitsmaße, die Wurzeln der Durchschnittswerte der Fehlerpotenzsummen als p-prozentige Fehlergrenzen aufgefaßt (diese Auffassung wurde zuerst vom FML. Nikolaus Ritter von Wuich, und zwar bereits im Jahre 1877 zum Ausdrucke gebrachte Berechnung des durchschnittlichen Fehlers aus den scheinbaren Fehlern nach Peters, Verwendung von Beobaohtungsdifferenzi'n zur Genauigkeitsbestimmung, Kriterium von Peirce für beliebig viele auszuscheidende direkte Beobachtungen, Kriterium von Chauvenet für eine auszuscheidende direkte Beobachtung, Ver- fahren von Stone zur Ausscheidung widersprechender oder zweifelhafter Beob- achtungen, Urteile hervorragender Beobachter über das Ausscheiden von Beob- achtungen etc.

Der erste Band ist ganz allgemeiner Natur. Der zweite Band wird die Anwendung auf das Schießwesen behandeln. Es ist zu hoffen und zu erwarten, daß der zweite Band auf derselben Höhe wie der erste stehen und damit dem wissenschaftlich arbeitenden Artillerieoffizier ein äußerst wertvoller Bebelf ge- boten werden wird. # A. E.

Die Kaisermanöver in Schlesien 1906. Mit vier Kartenskizzen. Wien 1906. Verlag von L. W. Seidel und Sohn.

Alljährlich werden von unserm Generalstab Darstellungen der letztjährigen Kaisermanöver hinausgegeben. Diese Veröffentlichungen weisen aber zwei Nach- teile auf; sie erfolgen einesteils immer meist zu einem Zeitpunkte, da das Inter esse für die verflossenen Manöver bereits erloschen ist, anderseits sind dieselben dorart detailliert und umfangreich gehalten, daß sie ein zeitraubendes Studium verlangen, somit den, eine rasche, mühelose Orientierung suchenden Leser, sehr oft von der Lektüre abschrecken.

Die oben genannte, kurze, von einem höheren Offizier herrührende Arbeit, welche den Separatabdruck der zuerst in der Danzer'scheu Armeezeitung erschienenen Manöverberichte bildet, kommt daher einem fühlbaren Bedürfnis entgegen.

Die Lektüre der Broschüre kann umsomehr empfohlen werdeu, als die diesjährigen Kaisermanöver schon infolge der bei denselben praktisch verwer- teten Lehren des letzten Krieges, welche sich sowohl in den Entschlüssen der Parteikommaudanten, dann in der Gefechtstatigkeit der Truppen, als auch in weitgehendster Verwendung vieler technischer Neuerungen geltend machten, ein besonderes Interesse beanspruchen. I. K.

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Büchtr-Anzeiger.

Kavalleristische Monatshefte. Herausgegeben und redigiert unter Mitwirkung eines Kreises höherer Offiziere von Karl M. Danzer. Wien Konimissionsverlag von Karl Konegen. Heft 1.

Der rührige Herausgeher von „Danzer's Armeezeitung", dessen geschickte Leitung dieses Blatt auf ein früher nie erreichtes Niveau erhoben hat, hat nun ein neues militärliterarisches Unternehmen, die „Kavalleristischen Monatshefte", ins Leben gerufen, deren Erstlingsheft Mitte Oktober erschienen ist.

Wenn man bedenkt, daß in deutscher Sprache keine andere kavalleristisc he Fachzeitschrift existiert und weiter erwagt, djiti gerade bei uns ein vorzüg- licher Boden, dann hier wie auch in Deutschland, ein reges Interesse für eine solche vorhanden sind, endlich den gediegenen Inhalt des vorliegenden ersten Heftes, sowie die stattliche Reihe der Mitarbeiter und hohen Gönner gebührend wertet, so darf wohl der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß die neue Zeitschritt prosperieren und manchen Nutzen für die Waffe stiften werde. Das 1. Heft verspricht viel, hoffentlich erhalten nch auch die folgenden auf dieser Höhe. Rigoroseste Auswahl der aufzunehmenden Aufsätze kann nicht genug angeraten werden. In dieser Erwartung wünschen wir den „Kavalleristischen Monatsheften" Glück auf den Weg. Bdt.

Die Eskadron im Felddienst. Von Freiherr von Maitzahn, Oberst und Kommandeur der 8. Kavalleriebrigade. Berlin 1906. Verlag von E. S. Mittler & Sohn. Preis M. 225.

Diesem gediegenen Buche gebührt unstreitig ein hervorragender Platz unter den Behelfen für die Ausbildung im Felddienst. Mit vollendetem Sach- verständnis verfaßt, bildet ea einen vortrefflichen Leitfaden für eine rationelle Schulung in diesem wichtigen Zweige des Kavalleriedienstes.

Die Schrift enthält nebst einer Vorrede die folgenden Kapitel: Ziele der Ausbildung, Ausbildungsgang, Dienstuuterricbt, Reiten im Gelände, I esen von Karten uud deren Benutzung, Übungsritte, Marschsicherung, Marschtibuugen, Patrouillen, Vorpostendienst, Unterkunft und Biwak, Fußgefeoht, Meldereiter, Dauerritte, Felddienstübungen in der Esk;»dron und im Regiment. Daran schließen sich eine Reihe von Beispielen für Übungsritte und Felddienstaufgaben auf Basis einer beigegebenen Spezialkarte des Landes an der unteren Oder.

Der Umstand, daß das sehr empfehlenswerte Buch auf Grundlage der deutschen Felddienstordnung aufgebaut ist, beeinträchtigt in keiner Weise seine Eignung lür den nützlichen Gebrauch unserer Kavallerie; nur wird man hie und da die an das Wissen der Unteroffiziere und Mannschaft gestellten An- forderungen entsprechend beschränken müssen. Bdt.

Aufklärung und Führung der Kavallerie. Von Roßbach, Haupt- mann im kgl. sächsischen Kriegsministerium. Berlin 190(5. Verlag von E. S. Mittler & Sohn. Preis M. 125.

Diese geistvoll geschrit bene und inhaltlich sehr beachtenswerte Broschüre sei allen Kavalleristen und jenen, die mit Kavallerie zu disponieren haben, aufs angelegentlichste empfohlen.

Der Verfasser trachtet darin überzeugend nachzuweisen, daß sich der Aufklärungsdieust der Kavallerie im Kriege, sowohl in seiner Durchführung als auch in seinen Ergebnissen, wesentlich anders gestalten dürfte, als man es auf Grund der Friedensübungen erwartet Er zeigt, wie wenig manche in der Friedenspraxis eingebürgert« Verfahrungsweisen mit der rauhen Wirklichkeit des Krieges gemein haben (weitgehende Patrouillen, Zurückbringen der Meldungen, Vermeidung des Kampfes. Kolonnenteilung des Gros u. dgl. m ), und deutet ferner die Wege an . auf denen mehr Wahrscheinlichkeit des Erfolges winkt. Vollkommen beigestimmt muß auch der Anschauung werden, daß die Ver- wöhnung der höheren Führung durch die leicht erlangbaren überreichlichen

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Aufklärungsergebnisse bei Manövern, ernst«; Gefabron hinsichtlich der Entschluß- fähigkeit im Ernstfälle birgt, wo zumeist nur auf spärliche, dürftige Nachrichten hin folgenschwere Entschlüsse gefaßt werden müssen. Bdt.

Schießlehre für Infanterie unter besonderer Berücksichtigung des Gewehres 98 mit S-Munition der Maschinengewehre und der Schießvorschrift für die Infanterie vom 2. November 1905. Von H. Hohne, Generalleutnant z. D. Zweite Auflage mit 34 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Steindruck. Berlin 1906. Ernst Siegfried Mittler & Sohn, Königl. Hofbuchhandlung.

Mit der Einführung des S-Ge*chossus hat sich die ballistische Leistungs- fähigkeit des deutschen Armeegewehres M. 98 bedeutend gesteigert. Es geht dies schon daraus hervor, daß die Anfangsgeschwindigkeit 880 m gegen jene des Gewehrgeschosses M. 99 mit 640 m beträgt. Die Scheitelhöhe der Schuß- weite von 500 m mißt 71 cm. Die günstige .Spitzform des S-Geschosses hat eine Verminderung des Gewichtes auf 1U g (früher 14*7 g) ermöglicht. Die Geschoß- form überwindet besser den Luftwiderstand, wenn auch die Quersehnittsbelastmig mit 20 4 kleiner als jene des Gewehrs M. 88 (29 8) ist. Wenn auch die Geschoß- geschwindi^keit rasch abnimmt, bleibt dem Geschosse doch auf '^000 m noch eine lebende Kraft von 14 m kl. Als einziger Nachteil wäre die Abnahme der Präzision bei Distanzen über 12U0 m wahrscheinlich eine Folge starken „Pendeln»" zu erwähnen, welcher Naihteil aber den Vorteilen gegenüber kaum in Betracht kommt.

Diese Daten sol'en nur auf die große Verschiedenheit der ballistisohen Leistungsfähigkeit hinweisen.

Die neue Schießvorsohrift von 1905 weist gleichfalls bedeutende Ände- rungen gegen die frühere Vorschrift auf.

Diese Umstände veranlaßten den auf schießtechnischein Gebiete allgemein bekannten und anerkannten Autor zur Neubearbeitung seiner „Soliießlehre".

Selbe bespricht nach einer kurzen Einleitung im I. Kapitel die Geschoß- bahn, die Anfangsgeschwindigkeit, Abgangsrichtung, Flugbahn im luftleeren Raum, der Luftwiderstand und die Rotation. Das II. Kapitel behandelt die Regelmäßigkeit der Klugbahn, Ursachen und Größe der Streuung und besonders die Ermittlung der gegen einzelne Ziele zu erwartenden Trefferzahl. Das III. Kapitel enthält den Vorgang bei Ermittlung der ballistischen Daten des Gewehrs M. 98. Im IV. Kapitel wird die Treffwahrscheinlichkeit, im V. die Wirkung des Geschosses am Ziel besprochen; das VI. enthält Angaben über diu Wirkung des Schusses auf das Gewehr.

Das VII. bis IX. Kapitel befaßt sich mit dem Abteilungsfeuer sowohl im allgemeinen, als auch mit Kücksicht auf uie Ausbildung der Chargen zu Feuer- leitern umi mit den Schießregelu. Dieser Teil des Buches ist besonders be- achtenswert.

Das X. Kapitel bespricht das Schießen mit Maschinengewehren.

Endlich enthält das Buch einen Anhang Uber Messen der Anfangs- geschwindigkeit und über die parabolische Theorie, sowie mehrere Anlagen mit ballistischen Daten.

Das Studium des Buches kann nicht warm genug empfohlen werden. Die gesteigerten Anforderungen, welche der moderne Feuerkampf an die Urteils- fähigkeit der zur Feuerleitung Berufenen stellt, lassen immer mehr die Er- kenntnis durchdringen, daß theoretisches Wissen unerläßlich ist. So ist beispiels- weise das in diesem Buche besonders betoute und erläuterte Wahrscheinlich- keitsgesetz für ein richtiges Verständnis der Feuerwirkung ungemein wichtig. Wenn auch viele Leser des Buches mehr der Praxis das Wort reden und auf mathematische Erwägungen kein Gewicht legen, so mag dieser Umstand darauf zurückzuführen sein, daß mathematisches Denken nicht jedermanns Sache ist. Gerade der Praktiker kann aber durch richtig und zweckentsprechend ange- legte Schießaufgaben in dieser Beziehung Uberzeugt werden. So wird z. B. üie

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Bücher- Anzeiger.

Wiohtigkeit einer zutreffenden Aufstellung1, die durch Rechnung leicht bewiesen werden kann, sehr einfach demonstriert, wenn nach dem Schießen mit einer „zulällig-4 falsch gewähltem Aufsatzstellung, ein Schießen mit zutreffender Auf satzstellung eingeschaltet wird. Theorie und Praxis sollen Hand in Hand gehen, dann führen sie zum Erfolge; getrennt machen sie die mühsame Friedensarbeit fruchtlos.

Anderseits darf den rechnungsmäßig gefundenen Werten meist nur ein relativer Wi-rt heigemessen werden, weil in den seltensten Fällen alle einfluß- nehmenden Faktoren in der Rechnung berücksichtigt werden kftnnen.

Die „Schi »Wiehre* weist bei ruhiger und gründlicher Durchsicht auch den richtigen Weg für die Ausbildung.

Nicht nur dem jungen, sondern jedem Offizier bietet das Werk Anregung und eine Fülle des Wissenswerten auf schießleehnischem Gebiete.

R. v. Dworzak, Hptm.

Jüngst eingelangte Werke and Schriften:

Einzelschritten über den russisch -japanischen Krieg. 8 , 9. und 10. Heft. Aus Streffieura österr.

milit. Zeitschrift. Wien, im Selbstverläge. Vierteljahrf>heltc für Truppenführung und Heereskunde. III Jahrgang, 4. Heft. Herausgegeben

vom Großen Oeueralstabe. E. S. Mittler & Sohn. Herlin. Orundsät/.e der Militiirgesundheitapflege für tlen Truppenoffizier. Von Stabsarzt Dr. Bartbe Imus.

E. S. Mi tier & Sohn, Herlin. Abel« Untersuchungen über Schießbaumwolle. Von Dr. Richard P 1 e u s. lt. Friedlander

& Solu, Herlin.

Studien Ober Ljaojan und Mukden. Von Hauptmann Ritter von M al c z e w * k i T a r n a w a.

L. W. Seidel & Sohn, Wien. Gruppen- und Einheilsangriff Schlachtentakfischo Studie. Von Hauptmann Wilhelm W a c h t e I.

L. W. Seidel & Nohn, Wien. Über Kiiegg- und Soldatenpoe«le. Von Hauptmann a. D. W. Stavenbagen. Berlin. Sonder- abdruck aus .Nord und Süd". Die Ladungsbererbnung für feldmaßige Holz- und Einsprengungen. Von Hauptmann Wilhelm

Wachtel, L, W. Seidel & Sohn, Wien. Uber die Anwendung dir Longe in derDieaaur des Soldatecpferdes. Von Oberleutnant Groos.

Gerhard Stallinir, Oldenburg, Berlin, Leipzig. Verwendung und Führung der Kavallerie i>7(» bis Sedan. VII. Teil. Von Überst Georg

Kardinal von Widdern. A. Ehenachmidt, Berlin Taktik. .V Band. Die Gefechtslehre. Von Major Balcfc. R. Eisenschmidt, Berlin. Die Er2iehuu«; des Soldaten für «einen Beruf. Von Oberstleutnant S p o h n. R. Eisenschmidt,

Berlin.

Die Einjährigfretwilligen, Offizieisasplranten der Reserve etc. Von Oberstleutnant Spohn. R. Eisenschmidt, Berlin.

Kriegstechnische Zeitschrift. IX. Jahrgang, 9. Heft. Von Oberst %. D. E. Hartmann. E. S. Mittier A Sohn, Berlin.

Uber das Schießen aus Küstenbatterien gegen Kriegsschiffe. Von Hauptmann a.D. W. Staven- bagen. Berlin. Sonderabdruek aus den Mittellungen über Gegenstande des Artillerie- und Geniewesens.

Aide - Memoire pour les applications de la fortiricatlon de campagne. Von E. M.Tollen & M. Cauwe. Josef PolleunU, Bruxelies.

Moltkes Generalstabsreisen aus den Jahren 1858 18«9. Herausgegeben vom Großen General- stabe. E. S. Mittler & Sohn, Berlin.

Campagne de l'empereur Napoleon en Espagne. Tome 4. Von coramandant brevete Belagny. Berger Levrault, Pari i-Xancy.

Le gnerre russo-japonalse. Von chef d'escadron R. M e u n i e r. Berger-Levrault, Paris-Nancy.

Die Munition der k, und k. Festungsartillerie. Von Hauptmann Wilhalm Knobloch. Buda- pest. Selbstverlag.

Die Schlacht der Zukunft. Von Major H <> |> p e n s t e 1 1. E. S. Mittler & Sohn, Berlin.

Was sind und wie entstehen Erfindungen V Von Josef I.Swy. A. Hartleben, Wien und Leipzig.

Geschichte des preußischen Ingenieur- und Pionierkorp« von der Mitte es 19. Jahrhunderts

bis i88fi. Von Oberstleutnant a. D H. Frobenius, Georg Reimer, Berlin. Beitrage zur lakiischen Ausbildung unserer Offiziere. Von Generalleutnant s. D. Li tz mann.

K. EUenschmidt, Berlin. Der Werdegang des lialien>schen Heere*. Von Major a. D. von Bruckhausen. Richard

Schröder, Berlin. Seidels kleines Armeeschema. U. W. Seidel & Sohn.

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Einiges über die entscheidenden Episoden im

jüngsten Seekriege.

Vortrag, gehalten im Militürwissenschaftlichen nud Kasinoverein in Wien, von Linienschiffsleutnant Viktor Wickerhauser.

Mit 5 Skizzen auf Tafel 1, 6 Skizzen und 2 Beilagen (Ordres de bataille) im Text.

Mit der überraschenden Okkupation der Mandschurei seitens Rußland's, zur Zeit der Chinawirren im Jahre 1900, hatte der Interessengegensatz zwischen Rußland und Japan einen Höhepunkt erreicht, der einen Krieg zwischen diesen mächtigen Rivalen um die Vorherrschaft in Ostasien in naher Zukunft als unvermeidlich erscheinen ließ.

Ein Blick auf die Karte des ostasiatischen Kriegsschau- platzes läßt sofort erkennen, daß der Ausgang dieses großen Ringens in erster Linie von der S e e b eh e rrs c h u n g abhängen mußte ; eine den japanischen Seestreitkräften gewaltig überlegene russische Flotte hätte diesen Krieg von vornherein unmöglich gemacht.

Japan konnte sonach mit der Eröffnung der Feindseligkeiten nur solange zögern, bis die russischen Seestreitkräfte in Ostasien durch den steten Zuzug weiterer Schiffe die Seestreitmacht Japan's an Stärke nicht übertrafen.

Dieses Stärkeverhältnis war zu Beginn des Jahres 1904 annähernd erreicht, uud führte zu dem bekannten Abbruche der diplomatischen Beziehungen seitens Japan'«, dem der unvermutete Torpedoangriff auf die Port- Arthur-Flotte in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1904 als einleitende Aktion zu diesem größten und lehrreichsten aller Seekriege folgte.

Um den Verlauf dieses Seekrieges gerecht beurteilen zu können, muß gleich an erster Stelle darauf hingewiesen werden, daß Japan's strategische Lage die denkbar günstigste war, Rußland sich daher strategisch außerordentlich im Nachteil befand. Dessen maritime Schwäche war in Port-Arthur gelegen, das wegen der

Organ der Mllltarwüwen»ch*flUchen Vereine. LXXIII. Band. ltK>6. [

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Wickerhaus er.

ungünstigen Hafenverhältnisse wohl der schlechteste Stützpunkt genannt werden kann, den jemals eine mächtige Flotte zu ihrer alleinigen Basis zu machen gezwungen war. Wladiwostok konnte unter den obwaltenden Umständen hiefür nicht in Betracht kommen, wiewohl es den in maritimer Hinsicht an eine Flotten- basis zu stellenden Anforderungen in weit besserem Maße ent- sprochen hätte.

Das erwähnte Mißverhältnis in der strategischen Lage beider Parteien war für den Verlauf der maritimen Operationen be- stimmend, und ist darin die Ursache zu manchem Mißerfolge der russischen Flagge zu erblicken.

In den einleitenden Episoden dieses Krieges sind beide Parteien darauf bedacht, ihr Flottenmateriale dieses einzige Mittel, um die Seebeherrschung an sich zu reißen möglichst zu schonen; Rußland offenbar um, nach Zuzug weiterer Ver- stärkungen aus der Heimat, am Kriegsschauplatze das numerische Übergewicht zu erlangen; Japan, um nach allmählicher, aber vollständiger Vernichtung der Port- Arthur-Flotte, möglichst un- geschwächt den Kampf mit der heranrückenden baltischen Flotte, als alleinigem Gegner, erfolgreich bestehen zu können.

Japan's großer Erfolg in diesem Kriege gründet sich sonach auf die Vernichtung der Port-Arthur-Flotte und den Seesieg bei Tsushima; es sind dies zwei vollständig getrennte, durch einen wesentlich verschiedenen Verlauf charakterisierte Phasen. Während die Vernichtung der Port-Arthur- Flotte durch eine Reihe von Mißgeschicken und Katastrophen herbeigeführt, alle Welt durch Monate in Atem hielt, war das Schicksal der baltischen Flotte bei Tsushima in wenigen Stunden entschieden, und damit für Rußland auch jede Möglichkeit geschwunden, aus diesem Kriege siegreich hervorzugehen.

Vernichtung der P o rt- Art h u r-Fl o 1 1 e.

Die Schilderung der Hauptereignisse in den ersten Monaten dieses Seekrieges wurden in einem Aufsatze von Linienschiffs- leutuant Alfred Cicoli im Vorjahre eingehender behandelt,1) doch sei es gestattet, zur Vervollständigung des Bildes die wesentlichsten Momente vom Kriegsbeginn an in aller Kürze zu wiederholen.

l) Organ der Militärwissenschaftlichen Vereine, LXX. Band, 3. Heft 1905. „Die Hauptereignisse zur See im russisch-japanischen Kriege".

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 3

Rußland hatte bei der Eröffnuug der Feindseligkeiten in 'Port-Arthur :

7 Schlachtschiffe,

7 geschützte Kreuzer (Warjag eingerechnet),

2 Torpedofahrzeuge,

22 Torpedobootszerstörer und etwa 7 Torpedoboote, nebst einer Anzahl kleiner Kreuzer, Kanonenboote und Servitutschiffe vereinigt.

Die drei großen Kreuzer „Gromoboj", „Rossija"' und „Rjurik* verblieben in Wladiwostok, wofür unter anderem die unzuläng- lichen Hafenverhältnisse in Port- Arthur bestimmend gewesen sein mögen; jedenfalls war auf ein systematisches Zusammenwirken dieser durch die Entfernung von 1100 Seemeilen1) getrennten Geschwader von vornherein nicht zu rechnen. Ebenso war mit Bestimmtheit anzunehmen, daß das zu dieser Zeit auf* der Aus- reise befindliche Schiachschiff „Osljabja" mit 2 Kreuzern, 7 Torpedo- bootszerstörern und 4 Torpedobooten nicht in der Lage sein wird, die Vereinigung mit der Port- Arthur-Flotte zu bewirken, was auch die Rückberufung dieses Geschwaders zur Folge hatte.

Japan verfügte zu dieser Zeit über:

6 Schlachtschiffe mit überlegener Fahrgeschwindigkeit und .zum Teil größerem Gefechtswert,

8 Panzerkreuzer eines schlachtschiffahnlichen Typs(„Nishinu und „Kasugau eingerechnet, die Mitte Februar in den japanischen Gewässern eintrafen),

4 Torpedofahrzeuge,

19 Torpedobootszerstörer,

03 Torpedoboote und eine beträchtliche Anzahl kleiner .Kreuzer, Kanonenboote und speziellen Zwecken dienender Schiffe in den Haupteinheiten ein sehr homogenes Flottenmaterial, •ein Faktor, der für den offenen Seekampf nicht hoch genug zu veranschlagen ist.

Japan's Seestreitmacht war sonach bei Kriegsausbruch von vornherein der Port- Arthur-Flotte überlegen; durch die einleitende 'Torpedoattacke, bei der nebst Kreuzer „Pallada" die beiden stärksten Schiffe der Port- Arthur- Flotte „Cesarevic" und „Retvisan", so schwer havariert worden waren, daß sie für geraume Zeit .aktionsunfähig geworden siud, war Rußland's Schlachtflotte der- maßen geschwächt, daß ihr die Möglichkeit, gleich zu Beginn

') 1 Seemeile = 1853 m.

1*

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Wickerhauser.

des Krieges in offener Seeschlacht einen vernichtenden Schiag- gegen Admiral Togo zu führen, so gut wie benommen war.

Man entschied sich daher, auf die Widerstandsfähigkeit der Festung und den günstigen Verlauf der Operationen zu Lande bauend, für die Defensive.

Um die Offensive der gegnerischen Flotte möglichst zu erschweren, wurde zu einer im größten Stile angelegten See- minenverteidigung gegriffen, die sich von der Bucht von Talienvan mit Daljni, entlang der ganzen Südküste von Kwan-tung über Liaoti-shan bis zu den Miaotau-Inseln in Form von mehr-minder dichten Minenverlegungen erstreckte. Die geringen, 60 m nicht überschreitenden Tiefen dieses Gebietes erleichterten den Ver- teidigern Port-Arthur's diese Aufgabe.

So wirksam diese Maßnahme gegen Angriffe von See aus war, so brachte sie doch den Nachteil, daß sich auch die russische Flotte in ihrer Aktionsfreiheit erheblich behindert sah; ferner bot sich den Japanern die Gelegenheit, nach allmählicher Erkundung der von den russischen Schiffen befolgten Ein- und Auslaufbewegungen, die freien Passagen durch Offensivminen zu gefährden.

Auf diese Weise wurde am 13. April 1904 der Untergang des rPetropawlowsk" und der Tod des Vizeadmirals M aka row herbeigeführt. „Petropawlowsk" scheint auf eine Reihe gekoppelter Treibminen geraten zu sein, von denen drei durch die Fahrt des Schiffes zum Anschlag gebracht, an beiden Bordseiten explodierten und das Auffliegen der Munitionskammern zur Folge hatten.

Doch auch die russischen Minen verfehlten ihre Wirkung

nicht.

Am 15. Mai 1904 gerieten zwei der stärksten japanischen Sehlachtt-cbiffe „Hatsuse" und „Jashima" auf eine Minenreihe und gingen unter die einzigen schweren Schiffsverluste, von denen Japan während des Krieges betroffen wurde.

Diese erhebliche Einbuße an Kampfeinheiten machte es dem japanischen Kommandierenden zur Pflicht, sein Flotten- material außerordentlich zu schonen; eine weitere ähnliche Katastrophe hätte für Japan wahrscheinlich den Verlust der üSeeherrschaft und damit des ganzen Feldzuges zur Folge gehabt.. Auch mußten die im Laufe der Kampagne erlittenen Schäden ausgebessert werden, wobei den Japanern der Umstand sehr zu statten kam, daß die Port- Arthur- Flotte nach dem Tode Makaro w's- von jeder weiteren Offensive abzustehen schien.

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Einiges Ober die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 5

Man ging an die schleunigste Instandsetzung der japanischen SchifFe, die bei den reichen Hilfsmitteln und der großen Anzahl Docks, über die das Land verfügte, in kürzester Frist bewerk- stelligt werden konnte.

Alles vollzog sich bei strengster Geheimhaltung diesem bewährten Mittel, dem Japan nicht zum geringen Teile seine überraschenden Erfolge dankt.

In Port- Arthur war man über die Vorgänge bei der Flotte und die Absichten des Gegners meist völlig im unklaren ge- blieben; es stellte sich nachträglich heraus, daß der am 10. August 1904 mißglückte Durchbruchsversuch der Port- Arthur-Flotte einige Wochen früher viel mehr Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, da sich gerade zu dieser Zeit eine Anzahl japanischer Schiffe, darunter „Fuji1*, „Asama", „Nishin" und „Kasuga* in Reparatur befunden haben sollen. Bezeichnend ist es auch, daß der Verlust der Jashima" . erst nach der Schlacht bei Tsushima eingestanden wurde.

Dementgegen waren die Japaner durch Spione und einen -vorzüglich organisierten Späherdienst über alle Vorgänge im Bereiche von Porth-Arthur bestens informiert, und daher auch in der Lage, sich stets das rechtzeitige Eingreifen ihrer maritimen Kampfmittel zu sichern.

Um dies zu ermöglichen, mußte Japan seinen Flottenstütz- punkt nahe an Port- Arthur heranverlegen, denn nur auf diese Weise war es möglich, die gegnerische Flotte unausgesetzt im Schach zu halten.

Von Sasebo, dem nächstgelegenen japanischen Kriegshafen, wäre dies mit Rücksicht auf die fast 600 Seemeilen betragende Entfernung undurchführbar gewesen.

Gleich zu Beginn des Krieges war daher das japanische Flottenlager im geheimen nach einem Punkte der koreanischen Küste angeblich nach Mok-pho, somit auf 330 Seemeilen Entfernung von Port-Arthur, vorgeschoben worden. Doch auch -dieser Stützpunkt konnte auf die Dauer den Japanern nicht genügen ; die von Mok-pho nach Port- Arthur detachierten Streit- kräfte wären im regelmäßigen Turnus, etwa alle 8 Tage, ge- zwungen gewesen, behufs Kohlenergänzung nach der Basis zurück- zukehren, was bei Zugrundelegung einer mit rund 3 Tagen bewerteten Reisedauer für die Hin- und Rückfahrt, eine erhebliche Schwächung ^er jeweilig disponiblen Streitkräfte bedingt hätte. Erst durch

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Q Wickerlinuser.

die Verlegung des Flottenlagers nach den Eliottinsein, auf nur 05 Seemeilen von Port-Arthur, war die Flotte in der Lage, den ihr gestellten Aufgaben nach jeder Hinsicht zu entsprechen;: wäre sie gezwungen gewesen, sich so wie die Port-Arthur-Flotte auf eine durch permanente Befestigungen geschützte Basis der eigenen Küste zu stützen, so hätte sie dermaßen an Aktions- fähigkeit eingebüßt, daß jeder dauernde Erfolg in Frage gestellt gewesen wäre.

Die Fortschritte der Belagerer gestalteten die Lage der Port-Arthur-Flotte im inneren Hafen immer kritischer, daher am 10. August 1904 der Durchbruch nach Wladiwostok versucht wurde. Dank der früher erwähnten Umstände konnte Admiral Togo den Durchbruch verhindern; nachdem der komman- dierende Admiral Wi tthöft gefallen war, sah sich Kontreadiniral Fürst Uehtomsky veranlaßt, mit dem größten Teile dei Flotte wieder nach Port- Arthur zurückzukehren eine Maßregel, die insoferne gerechtfertigt erscheint, als nach den bei Tsushima gemachten Erfahrungen gefolgert werden kann, daß die Flotte bei Fortsetzung der Fahrt nach Wladiwostok aufgerieben worden wäre. Ob dies der japanischen Flotte ohne schwere Verluste gelungen wäre, ist allerdings sehr fraglich ; es »teilte sich nach- träglich heraus, daß die japanischen Schiffe weit härter mit- genommen waren, als man russischerseits vermutet hatte.

Namentlich Togo's Flaggenschiff „Mikasa" hatte schwer gelitten ; die Zahl der Toten und Verwundeten war auch größer als auf dein russischen Flaggenschiffe „Cesareviö*4, und nur dem glücklichen Umstände, daß die See vollkommen ruhig war, soll es zu danken sein, daß „Mikasa" nicht gesunken ist. Auch hatten die Japaner auf ihren Schlachtschiffen 5 Stück 30*5 cm Geschütze durch Treffer und Rohrkrepierer eingebüßt, wodurch sie sich zum Abbruch des Kampfes genötigt sahen.

Tatsächlich waren sich in der Seeschlacht am 10. August annähernd gleichwertige Schlachtflotten gegenüber gestanden,, und der Umstand, daß sowohl „Cesarevicu als „Retvisan" am Kampfe beteiligt waren, bezeigt, daß mau in Port-Arthur die Zeit nicht müßig verbracht hatte, sondern mit Aufgebot aller Mittel daran gegangen war, die erlittenen Havarien auszubessern.

Da man in Port-Arthur über keine Dockanlage verfügte, die eines der genannten Schiffe aufnehmen konnte, so muß es als erstaunliche Leistung angesehen werden, daß man bei dem Mangel an Ressourcen überhaupt im Stande war, Schäden, wie

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Einige« über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 7

die Torpedotreffer des „Cesarevic" und „Retvisan" zu beheben, und die Schiffe wieder aktionsfäbig zu machen.

Mit der Rückkehr der Schiffe nach Port-Arthur war deren Schicksal auch besiegelt. Da es einigen russischen Schiffen im Anschlüsse an die Seeschlacht am 10. August gelungen war, neutrale Häfen zu erreichen, so bestand die Port-Arthur- Flotte nunmehr aus den Schlachtschiffen : „Retvisan", „Sebastopolu, „Peresvjet", „Pobjeda" und „Poltawa", den Kreuzern „Bajan" und „Pallada" nebst der Torpedoflottille, dann den Kanonen- booten, Servitutschiffen und kleineren Fahrzeugen.

Die Absicht, einen erneuerten Durebbruch zu versuchen, scheint nicht bestanden zu haben; die Chuncen des Gelingens wären auch sehr geringe gewesen.

Die durch japanisches Steilfeuer den Schiffen zugefügten Schäden mehrten sich, und da an ein rechtzeitiges Eingreifen der baltischen Flotte nicht mehr zu denken war, so wurde die Flotte allmählich desarmiert und die Mannschaft zur Verteidigung der hartbedrängten Front herangezogen.

Hiefür mögen auch eintretender Kohlenniangel und die Erschöpfung aller sonstigen Ressourcen bestimmend gewesen sein.

Die vollständige Zerstörung der Port- Arthur-Flotte war sonach der japanischen Belagerungsartillerie vorbehalten und fällt auf die ersten Dezembertage 1904 im Anschluß an die Er- stürmung des 203 m Hügels (30. November 1904).

Von dieser rund 7 km entfernten Position konnte der größte Teil des inneren Hafens und der Stadt unter direktes Feuer genommen werden.

Gleich nach der Erstürmung des 203 m Hügels wurde da- selbst eine Beobachtungsstation errichtet, um das indirekte Feuer der schweren Belagerungsgeschütze dirigieren zu können, und gleichzeitig damit begonnen, eine Anzahl 28 cm Mörser in Position zu bringen, die am 2. Dezember zum erstenmal in Aktion kamen.

Alle größeren Schiffe bis auf „Sebastopol", die sich in teilweise gedeckter Position befand, lagen im geräumigeren West- hafen dem feindlichen Feuer ausgesetzt; dieses konnte sonach seine WirkuDg nicht verfehlen, wenn man bedenkt, daß selbst Schlachtschiffe gegen Wurfgeschosse keinerlei ausgiebigen Schutz besitzen. Die japanischen Granaten sollen nicht mit Shimospulver, sondern mit 8 kg eines schwarzpulverähnlichen Präparates gefüllt gewesen sein, um nach Durchschlagung möglichst vieler Decke in den unteren Schiffsräumen Brände zu stiften.

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W i o k e r h » u s e r.

In der ersten Dezemberwoche wiesen die Belagerer 134 Treffer aus, und am 12 Dezember galt die russische Schlacht- flotte bis auf „Sebastopol" als vernichtet, worauf das Bombarde- ment gegen die Stadt, das Arsenal und die kleineren Fahrzeuge gerichtet wurde.

In Port-Arthur weilende chinesische Fischer sollen durch verabredete Zeichen mit ausgesteckten Fischkörben den Japanern Kurz- und Weitschüsse angezeigt, und dadurch das Einschießen der Mörserbatterie wesentlich erleichtert haben.

Während des Bombardements zeigte sich an Bord kein Leben, ein Zeichen, daß die Schiffe nicht mehr bemannt waren.

Alle größeren Schiffe wurden mehrfach getroffen, in Brand geschossen und zum Sinken gebracht, beziehungsweise durch Offnen der Schiffsbodenventile (Kingstonventile) absichtlich versenkt. Dies hatte wegen der geringen Tiefen des inneren Hafens nur deren Überflutung etwa bis zum Oberdeck und eine Seitenneigung zur Folge; alle höher gelegenen Schiffsteile blieben über Wasser.

Um das Zerstörungswerk zu vollenden, setzten die Russen einige Tage vor der Kapitulation durch Petroleum ihre Schiffe abermals in Brand und brachten längseits verteilte Minen zur Explosion, in der Hoffnung, auf diese Weise die Schiffe voll- ständig zu Wracks zu inachen.

„Scbastopol" verließ am 9. Dezember den inneren Hafen und ankerte auf der Außenrhede; schon in der ersten Nacht war das Schiff Torpedoangriffen ausgesetzt, die sich in den darauf- folgenden Nächten wiederholten, bis es den Japanern endlich in der Nacht des 15. Dezembers gelungen war, den „Sebastopol~ ausgiebig anzulancieren. Nach japanischer Aussage sollen bei dieser letzten Attacke 8 Torpedoexplosionen beobachtet worden sein.

Das Schiff wurde vor der Haleneinfahrt in seichtem Wasser auf Grund gesetzt und vor der Kapitulation in nicht genau be- kannter Position in 30 m Tiefe versenkt.

Der letzte Torpedoangriff kostete den Japanern den Verlust eines Torpedobootszerstörers.

Nach der Kapitulation Port-Arthurs stellte sich heraus, daß die im inneren Hafen versenkten russischen Schiffe weniger gelitten hatten, als allgemein angenommen war; ein Beweis, daß die vollständige Zerstörung eines modernen Kriegsschiffes im seichteu Wasser, ein mit geringen Mitteln fast nicht zu lösendes Problem ist, falls nicht Verschlammung, Seegang oder Brandung das Zerstörungswerk vollenden, was in Port- Arthur nicht der Fall war.

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege.

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Die Hebungsarbeiten wurden unverzüglich unter persönlicher Leitung des zum Kriegshafenkommandanten und Gouverneur von Kwan-tung ernannten Vizeadmirals Shibayama in Angriff ge- nommen, und bisher die fünf Schlachtschiffe und die beiden Kreuzer nebst einer Anzahl kleinerer Schiffe und Fahtzeuge gehoben und nach Japan gebracht. Sie erhielten japanische Namen und werden allmählich der Reparatur unterzogen werden. „Ret- visan" ist das meistbeschädigte Schiff; dessen Herstellung dürfte kaum rentabel sein, hingegen konnten „Poltawa" und „Puresvjet" die Überfahrt nach Japan mit eigener Maschine bewirken.

Zur Hebung der Schiffe wurde ein vorzüglich organisierter Apparat ins Werk gesetzt, der von der Tüchtigkeit der Japaner auf allen maritimen Gebieten nicht weniger Zeugnis gibt, als ihre großartigen kriegerischen Erfolge zur See.

Die Hebung wurde durch an den Schiffskörper von außen angefügte hölzerne Caissons zur Dichtung der Leckstellen und anschließendes Auspumpen des Schiffsinneren bewirkt. Zu letzterem Zwecke wurden zwei eigene Pumpenschiffe angekauft.

Besondere Schwierigkeiten dürfte die Hebung der im Bereiche der Hafeneinfahrt und im Vorhafen versenkten Sperrschiffe und anderer gesunkener Objekte verursachen, deren Räumung an Privatunternehmungen vergeben wurde.

Enorme Arbeit verursacht auch das Räumen der sich meilen- weit erstreckenden Minenverlegungen, die seit der Besitzergreifung Port-Arthur's von den Japanern mit aller Energie betrieben wird, dessenungeachtet kaum vor Jahresfrist beendet sein dürfte.

Die bei der Kapitulation ausgefolgten russischen Minenpläne aind dabei nur von geringem Nutzen, weil russische und japanische Minen durcheinander geworfen wurden und viele dieser Minen durch Seegang und Strömung vertrieben worden sind. Bisher sollen gegen 600 Minen unschädlich gemacht worden sein ; gegen 400 wären noch zu beseitigen.

Einzeltie dieser Minen losgerissen, oder als Treibminen geworfen, gefährden die Schiffahrt im weiten Umkreise, so daß «8 noch geraume Zeit brauchen wird, bis man dieser Minenplage -vollständig enthoben sein wird. Einige Transportdampfer und Handelsfahrzeuge sind im Golfe von Pechiii durch solche Minen -verunglückt und ist zu staunen, daß nicht mehr solcher Unfälle zu verzeichnen waren. Jedenfalls kann es als eine berechtigte Forderung aller am Seeverkehre interessierten Kreise angesehen werden, daß die Seemine von den internationalen Haupthandels-

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Wicker hauser.

wegen verbannt, die Treibmine aber, als die neutrale Schiffahrt in zu hohem Maße gefährdend, ganz verpönt werde.

Ein Rückblick auf die maritimen Begebenheiten des ersten Kriegsjahres laßt erkennen, daß die Japaner die ihnen gestellte Aufgabe die Port-Arthur-Flotte zu vernichten ohne ihr eigenes Flottenmateriale erheblich zu schwächen, glänzend gelöst haben. Die Lehre, die sich aus dieser Phase des Krieges ziehen läßt, gipfelt in dem Grundsatze, daß eine Schlachtflotte, die sich lediglich defensiv verhält, keine Existenzberechtigung hat.

Der Erfahrungssatz, daß Kriegsschiffe modernen Küsten- befestigungen gegenüber entschieden im Nachteil sind, wurde durch die Ereignisse vor Port-Arthur in keiner Weise widerlegt; die von der japanischen Flotte gegen die Werke unternommenen Aktionen trugen stets mehr den Charakter von Demonstrationen.

Der Vorwurf: man habe in Petersburg die Bedeutung der Seeherrschaft nicht richtig erfaßt, ist sicherlich ungerechtfertigt: man hat nur den Fehler begangen, den Gegner zu unterschätze«! und sonach den Krieg mit unzulänglichen Mitteln zu beginnen. Vielleicht wäre es klüger gewesen, die in den letzten Jahren für die Gründung von Daljni verausgabten 60 Millionen Rubel, der schleunigsten Vollendung der Festung sowie der Hafenbauten von Port- Arthur zuzuwenden, ein Umstand, auf den schon Witte seinerzeit hingewiesen haben soll. Ob es selbst beim Vorhandensein geräumiger Dockanlagcn und genügend anderer Ressourcen, an denen es in diesem Kriege gemangelt hat, ge- lungen wäre, die Vernichtung der Port- Arthur- Flotte abzuwenden* muß dahingestellt bleiben ; die bewunderungswürdigen Leistungen der japanischen Marine lassen dies bezweifeln. Port-Arthur wäre als Hafen doch immer eine unzulängliche Basis für eine mächtige Flotte geblieben, die in ihrer Bewegungsfreiheit be- hindert, auch an Offensivkraft zu sehr einbüßen mußte.

Die Ausreise der baltischen Flotte

Die Überfahrt der baltischen Flotte nach den ostasiatisehen Gewässern bildet die Einleitung zur zweiten Phase dieses See- krieges und stellt hinsichtlich der Schiffszahl, der räumlichen Entfernung und der zur Deckung jeglichen Bedarfes aufgewen- deten Mittel, das größte derartige Unternehmen dar, das die Geschichte zu verzeichnen hat.

Die Schwierigkeit dieses Unternehmens gipfelte nicht in der von Libau nach Wladiwostok betragenden Entfernung von

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Einige« über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. H

rund 18.000 Seemeilen (bei Wahl der Route um Afrika), sondern in dem Umstände, daß die russischen Schiffe wegen der Neu- tralitätsverpflichtungen der anderen Mächte nicht nur in jeder Hinsicht auf ihre eigenen Hilfsquellen angewiesen waren, sondern im allgemeinen jedes Territorialgewässer zu meiden hatten, d. h. mit Ausschluß jedes geschützten Hafens auf mindestens 3 See- meilen von der Küste zu ankern gezwungen waren.

Inwieweit dieser Respektierung fremder Territorialgewässer strikte Rechnung getragen wurde, entzieht sich der Beurteilung, doch ist es sicher, daß sich die Kriegsschiffe ganz vereinzelte Fälle ausgenommen nur auf Küstenpunkte stützten, an denen sie ganz und gar auf ihre eigenen Ressourcen angewiesen waren.

Es bedurfte daher eines imposanten Apparates von Train- schiffen und über 100 größerer Transportdampfer, die d*»n ein- zelnen Unterabteilungen folgend, oder in vorhinein über drei Weltteile verteilt, für den Bedarf an Kohle. Lebensmittel und was die Flotte sonst noch benötigen mochte, aufzukommen hatten.

Da das Problem der Kohlenübernahme in See noch in keiner befriedigenden Weise gelöst ist, den seltenen Fall aus- genommen, daß die See vollkommen ruhig ist, so daß die Kohlen- transportschiffe unter Bord anlegen können, so bildete die Frage der Kohlenversorgung entschieden das schwierigste Kapitel dieses Unternehmens.

Der tägliche Kohlen verbrauch der baltischen Flotte belief sich in Fahrt mit Ausschluß der Transportdampfer annähernd auf eine ganze Dampferladung, was für die Überfahrt bis Wladi- wostok einem Kohlenaufwande von mindestens 300.000 Tonnen (die Tonne zu 1000 kg) gleichkäme ein Quantum, das allein schon genügt, um die Großartigkeit des Unternehmens zu illu- strieren-

Wiewohl Rußland ein eminentes Interesse daran hatte, seine Seestreitkräfte am ostasiatischen Kriegsschauplatze zu ver- stärken, so konnte dies mit einiger Aussicht auf Frfolg doch nur in der Weise bewirkt werden, daß alle disponiblen Kriegsschiffe zu einer der japanischen Flotte annähernd ebenbürtigen Streit- macht vereinigt, in Aktion gebracht werden.

Über eine derartige Streitmacht verfügte aber Rußland bei Ausbruch des Krieges nicht und trotz aller Bemühungen das vorhandene Flottenmateriale mit aller Beschleunigung auszurüsten und die im Baue befindlichen Schiffe der Indienststellung zuzu- führen, vergingen Monate, ehe die baltische Flotte auslaufen

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WickerliAuser

konnte. Die Schwnrzemeerflotte kam wegen der Dardanellen- sperre nicht in Betracht; der projektierte Ankauf argentinischer und chilenischer Kriegsschiffe scheiterte an den Neutralitäts- bedenken dieser Staaten.

Besonders empfindlich scheint der Mangel an Personal gewesen zu sein. Die Bemannungen nichts weniger als Elite- mannschaft — setzte sich vielfach aus minderwertigen Elementen zusammen; was nur irgendwie dem Schiffsdienste zugeführt werden konnte, wurde an Bord gepreßt; ein Umstand, der sich bitter rächen mußte.

Als erste Staffel verließ Admiral Rojestwensky am 15. Oktober 1904 mit dem Gros der baltischen Flotte den Hafen von Libau, somit zu einer Zeit, zu der an einen Entsatz Port- Arthur's ebensowenig zu denken war, als an ein Zusammenwirken der beiden Flotten. Als Reiseziel konnte sonach nur Wladiwostok in Betracht kommen, wenn der Start der baltischen Flotte damals überhaupt ernst gemeint und nicht bloß als Demonstration ge- plant war.

Solange Rußland noch über eine der japanischen Flotte annähernd ebenbürtige Seestreitraacht verfügte, brauchte es sich nicht als vollkommen besiegt anzusehen ; diese Streitmacht näher an den Gegner heranzubringen, war daher eine wohlbegründete Maßnahme, die im Falle eines Umschwunges am mandschurischen Kriegsschauplatze bei einem eventuellen Friedensschluß sehr zu Gunsten des Zarenreiches in die Wagschale fallen mußte.

Da der Umschwung am mandschurischen Kriegsschauplatze nicht eintrat, so blieb kein Ausweg, als die baltische Flotte als letzte Chance einzusetzen.

In der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober ereignete sich die ominöse Doggerbankaffaire, in deren Folge Rojestwensky genötigt war, den Hafen von Vigo anzulaufen und daselbst acht Tage zu verweilen. Die irrtümlich erfolgte Beschießung engli- scher Fischerfahrzeuge, zu der sich der Admiral wegen verbreiteter Gerüchte verleitet sah, daß die Japaner einen Handstreich gegen die baltische Flotte planten, hätte fast zu ernstlichen Verwicklungen geführt. England zog sofort den größten Teil seines Kanal- und Mitteime ergeschwaders bei Gibraltar zusammen, um die Weiter- fahrt der baltischen Flotte gewaltsam zu verhindern, falls Rußland nicht die Hand böte, um den Zwischenfall gütlich beizulegen. Durch Rußlands entgegenkommende Haltung beruhigten sich bald die Gemüter, so daß Rojestwensky die Reise fortsetzen konnte.

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jlingsten Seekriege. 13

Anfang November 1904 lag die baltische Flotte vor Tanger vereinigt, von wo aus sich das Geschwader teilte; der komman- dierende Admirai nahm mit der Schlachtschiffdivision und seinem Train die Route ums Kap; Kontreadmiral V ölk er sam, setzte mit dem Kreuzergeschwader die Fahrt durch das Mittelmeer und den Suezkanal fort.

Rojestwensky erreichte Mitte November Dakar, Ende No- vember Liberville (französisch Kongo), Mitte Dezember Mossa- niedes (portugiesisch Westafrika) und anfangs Jänner 1905 die im nordöstlichen Teile von Madagaskar gelegene Antongil-BaL An einem der nächsten Tage erfolgte die Vereinigung mit der Division Völkersam bei Diego Suarez am Nordende von Mada- gaskar; letztere hatte Ende November den Suezkanal und das Rote Meer passiert und war bis Mitte Dezember bei Djibouti vor Anker gelegen.

Mittlerweile hatte Mitte November 1904 eine aus einigen Kreuzern und Transportschiffen zusammengesetzte Ergänzungs- division von Libau die Ausreise angetreten, passierte Mitte Jänner den Suezkanal und stieß Ende Jänner zum Gros der baltischen Flotte bei Madagaskar.

Durch diese Verstärkung war Rojestwensky's Geschwader auf 7 Schlachtschiffe, 8 Kreuzer, etwa 9 Torpedobootszerstörer und einem mächtigen Train angewachsen.

In Rußland bewertete man das Stärkeverhältnis dieser Flotte zu jener des Gegners wie 2 : 3.

Hiezu sei bemerkt, daß das ziffermäßige Ausdrücken des Stärkeverhältnisses gegnerischer Flotten, wegen der Verschieden- heit der Schiffstypen und deren Gefechtswertes der moralischen Faktoren gar nicht zu erwähnen enorm schwierig ist und nur zu leicht den Stempel persönlicher Auffassung trägt. Immerhin läßt das Verhältnis 2 : 3 erkennen, daß man sich in den leiten- den Kreisen Rußland's der Überlegenheit des Gegners wohl- bewußt war und die Notwendigkeit einsah, Rojestwensky's Flotte zu noch verstärken.

Dies hatte die Entsendung einer die dritte Staffel bildenden Ergänzungsdivision zur Folge, bestehend aus : 1 älteren Schlacht- schiffe, 3 Küstenverteidigern und 1 Kreuzer, nebst einer Anzahl Transportschiffen, unter Kommando des Kontreadmirals Njebo- gatov, deren Ausreise auf den 15. Februar fällt.

Zu der für April 1905 beabsichtigten Entsendung des neu- erbauten Schlachtschiffes „Slavau (mit einigen älteren Schiffen.

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\V i c k e r h a u s e r.

zu einem vierten Geschwader vereinigt) ist es nicht mehr ge- kommen.

In Japan war man durch Kundschafter über die Zusammen- setzung und das Verweilen der baltischen Flotte stets weit besser informiert, als in der übrigen Welt.

Die Tatsache, mit einer herannahenden starken Flotte rechnen zu müssen, verfehlte nicht ihre Wirkung; war doch jeder Raid des Wladiwostok- Geschwaders im Stande, im Volke eine förmliche Panik hervorzurufen.

Doch die maßgebenden Kreise Japan's verkannten nicht, daß es kaum denkbar ist, eine Flotte auf eine so große Ent- fernung bei den obwaltenden Versorgungssehwierigkeiten mit uugeschwächter Kampfkraft an den Gegner heranzubringen und trafen in aller Siegeszuversicht ihre Gegenmaßnahmen, über die Ende Jänner 1905 in einem Admiralsrate in Tokio, dem auch Admiral Togo beigezogen war, eudgiltig Beschluß gefaßt wurde.

Bis zu dieser Zeit waren die Schiffe der Flotte wieder gründlich in Stand gesetzt worden, die Schiffsböden gereinigt, wo nötig Kessel- und Maschiuenbestandteile gewechselt, einzelne durch Rohrkrepierer schadhaft gewordene Geschütze ersetzt, kurz die Flotte vollkommen aktionsbereit gemacht.

Im Süden und im Norden wurden einzelne Gebiete, so die Pescadores-Inselgruppe und die Tsugaru- Straße, als Verteidigungs- rayons erklärt und für die Handelsschiffahrt gesperrt. Einzelne Kreuzer und Kreuzergruppen entfalteten eine rege Rekognos- zierungstätigkeit, die sich auch auf das Südchinesische Meer erstreckte.

Die nach Wladiwostok führenden Seewege die Tsushima- uud die Tsugarustraße wurden von kleinen Kreuzern, Hilfs- kreuzern und Torpedofahrzeugen schärfstens überwacht, um die nach Wladiwostok bestimmten Transportdampfer verschiedenster Nationalität abzufangen.

Rußland sah sich gerade zu dieser Zeit genötigt, die Festung mit allen Mitteln noch reichlich zu versehen, um einer eventuellen Belagerung widerstehen zu können, ferner große Mengen Kohlen iür die herannahende baltische Flotte aufzuspeichern. Solange die Blockade Port-Arthur's die japanischen Streitkräfte zum großen Teile in Anspruch nahm, erreichten viele dieser Transportdampfer Wladiwostok, doch war es kein Geheimnis, daß noch mindestens bO weitere Transportschiffe, meist Kohle führend, daselbst er- wartet werden. Diese fielen nun fast alle den Japanern als gute

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. J5

Prise in die Hände, darunter auch die Dampfer „Burma" uod „Siam" der „Societä Oriente" in Fiume. Japan erhielt hiedurch soviel Kohle, daß es jede weitere Kohlenbestellung einstellen konnte, wogegen Rojestwensky falls er mit einem großen Teile seiner Flotte das Heiseziel erreicht hätte sicher bald an Kohlenmangel zu leiden gehabt hätte.

Um seine Bemannungen doch einigermaßen zu schulen, verbrachte Rojestwensky 2x/2 Monate in den Gewässern von Madagaskar und an der benachbarten afrikanischen Küste, verließ diese Mitte März ziemlich unauffällig und erschien anfangs April in der Malaccastraße, ohne auf der 3000 Seemeilen langen Traversade eineu Zwischenhafen angelaufen zu haben.

Am 8. April passierte die baltische Flotte die Straße von Siugapore und setzte die Fahrt nach der Kam-rah-Bai an der anamitischen Küste (französisch Indochina) fort.

Die 15.000 Seemeilen lange Route von Libau nach dem Sudchinesischen Meere wurde sonach genau in einem halben Jahre zurückgelegt, während welcher Zeit die Mannschaft das Land nicht betreten haben soll.

Das Auftauchen der baltischen Flotte an den Gestaden von französisch Indochina stieß in Japan begreiflicherweise auf leb- haften Widerspruch, das bei der französischen Regierung dagegen energischen Protest einlegte, daß man der feindlichen Flotte gestatte, den französischen Kolonialbesitz zu einem Stützpunkt zu machen.

Schon das lange Verweilen Rojestwensky's in den Gewässern von Madagaskar ließ den Verdacht aufkommen, daß Frankreich seine Neutralitätsverpflichtungen nicht genau nähme und hatte einen ähnlichen Schritt der japanischen Regierung zur Folge gehabt. Da sich die russischen Schiffe meistens außerhalb der Territorialgewässer aufgehalten haben sollen, so erscheint der gegen Frankreich erhobene Vorwurf begangener Neutralitäts- verletzung wohl nicht gerechtfertigt; andererseits ist die Tatsache nicht zu leugnen, daß die baltische Flotte fast ausschließlich französisches Gebiet wie Cherbourg, Daker Algier, Djibouti, Majunga, dann die Küsten von Madagaskar und Anam auf der Ausreise berührte. Die ganze, navigatorisch sehr sinnreich an- gelegte Route war sonach auf den Kolonialbesitz der alliierten Macht gestützt, wodurch dieses so schwierige Unternehmen überhaupt möglich gemacht worden ist.

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IG

Wickerhauser.

Infolge des japanischen Protestes sah sich Rojestwensky genötigt, nach achttägigem Aufenthalte die Kara-rah-Bai zu ver- lassen, verblieb aber auch fernerhin an der anamitischen Küste, um das Eintreffen Nebogatov's abzuwarten. Die Schiffe ankerten zeitweilig auf größere Entfernung vom Lande zwischen der Kam-rah- und Hong-cohe-Bai und benützten diese Gelegenheit, um sich vollkommen gefechtsklar zu machen und reichlich mit Vorräten zu versehen, wobei sie Kohle auch auf Deck bekamen.

Anfangs Mai zog ein Taifun über das Südchinesische Meer, den die baltische Flotte in Seö abgeritten haben soll.

Bei dem Erscheinen der baltischen Flotte zogen sich die japanischen Kreuzer immer mehr gegen ihre heimatlichen Ge- wässer zurück; um den Gegner irrezuführen, war man bestrebt den Glauben zu erwecken, Togo sei mit der Schlachtflotte bei den Pescadoresinseln und beabsichtige der baltischen Flotte auf der Höbe von Fonnosa entgegenzutreten.

Um die vollkommene Geheimhaltung der Bewegungen der japanischen Flotte zu gewährleisten, wurde der Briefverkehr der Bemannungen vollkommen sistiert.

Die Blockade von Wladiwostok, die Ende Jänner 1905 pro- klamiert worden war, wurde nur mehr dem Namen nach geübte

Die Ergänzungsdivision Njebogatov's passierte Ende März den Suezkanal, ankerte zu mehrtägigem Aufenthalt vor Djibouti und trat anfangs April die Reise durch den indischen Ozean an.

Anfangs Mai erschien die Division nach 27tägiger Traver- sade, ohne Berührung eines Zwischenhafens in der Malaccastraße, worauf die Vereinigung mit der Flotte Rojestwensky's am 8. Mai 1905 auf der Höhe der Hong-cohe-Bucht stattgefunden haben soll.

Rojestwensky räumte den neuangekommenen Schiffen eine mehrtägige Frist zur Reinigung der Schiffsböden, Ergänzung aller Vorräte und völligen Gefechtsklarmachung ein.

Am 14. Mai fand an Bord des Flaggen Schiffes „Knjaz Suvorov" ein Kriegsrat statt, bei dem sich die Majorität für die Wahl der direkten Route nach Wladiwostok durch die Tsu- bhima8traße (Koreastraße) entschied. Hiefür dürfte der Aktions- radius der Schiffe, sowie die Minengefahr in der Tsugaru- und Laperousestraße bestimmend gewesen sein.

Am 16. Mai verließ Rojestwensky mit der gesamten Kriegs- flotte und mehreren Transportschiffen die anamische Küste, steuerte längs der Ostküste von Formosa und erreichte am 24. Mai die Yangtse-Mündung.

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 17

Das Gros ankerte bei den Saddle-Islands und ergänzte neuerdings den Kohlenvorrat, worauf der größte Teil der Trans- portflotte entlassen wurde ; zur Sicherung der verankerten Flotte waren einige Vedetten auf 200 Seemeilen gegen Quelpart vor- geschoben worden.

Während dieses Verweilens bei den Saddle-Islands soll Kontreadmiral Völkersain gestorben sein.

Die Seeschlacht bei Tsushima.

(Hiezu 5 Skizzen auf Tafel I.)

Tm wesentlichen dem Berichte des Admirals Togo folgend, nahm die Seeschlacht folgenden Verlauf:

In der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 1905 setzte die baltische Flotte die Fahrt nach der Koreastraße fort.

Admiral Togo ließ die Zufahrten gegen Tsushima durch Kreuzerdivisionen und detachierte Vedetten scharf überwachen, während er selbst mit dem. Gros der japanischen Flotte in vor- züglich konfigurierten Hafen von Mesampho lag. Zur leichteren Übermittlung gegnerischer Positionen war das Explorationsgebiet in fortlaufend numerierten Zonen eingeteilt worden.

Bei Tagesanbruch des 27. Mai 1905 passierte Rojestwensky die Goto-Inseln und steuerte gegen die Krusensternstraße (südlich von Tsushima).

Das Wetter war nebelig, bei frischem Südwestwinde und bewegter See ; die Sicht etwa auf 5 Seemeilen beschränkt besserte sich zeitweilig im Laufe des Nachmittages.

Um 5 Uhr morgens erhielt Togo durch eines seiner Späher- schiffe (Hilfskreuzer „Shinano-maru") auf funkentelegraphischem Wege die Kunde, daß die herankommende baltische Flotte in der Sektion 203 entdeckt worden sei.

Um 7 Uhr morgens kam vor der rechten russischen Kolonne der Kreuzer „Izumi" in Sicht, der den Kommandierenden über die Zusammensetzung und Fahrrichtung des Gegners informierte, so daß Togo seine Dispositionen danach treffen konnte, um gegen 2 Uhr nachmittags mit der feindlichen Flotte zusammen- zustoßen. „Izumi" wechselte einige Schüsse mit russischen Kreu- zern, zog sich hierauf schleunigst zurück und verschwand im Nebel.

Im Laufe des Vormittages kamen einige Kreuzerdivisionen mit der baltischen Flotte in Fühlung und behielten sie bis vor

Organ der Militfii wi»Ben»chaftlicben Verein*. LXXIII. Bd. JthJ6 Q

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W i c k e r L a u s e r.

Ordre de bataille.

Kussische Flotte (Flottenkominandaut Admiral Rojestwensky).

NB. Die den Schiffen in Klammern beigefügten Zahlen bedeuten die Maximal- fabrgeschwindigkeit in Seemeilen pro Stunde, die die Schiffe nach der Überfahrt iu die ostasiatischeu Gewässer keinesfalls einzuhalten imstande waren.

1. Panzerdivision (Rojestwensky).

Schlaoutachiff 1. Klasse Knjaz Suvorov(18) Flaggenschiff gesunken n 1. m Imperator Alexander III. (17)

1. Borodino (17) p

1. Orel (17) .......... genommen.

2. Panzerdivision (Kontreadmiral Yölkersam l) f).

Schlachtschiff 1. Klasse Osljabja (18) Flaggensohiff gesunken.

2. Sis.*oi Velikij (15)

Ü. Navmin (1<>)

Panzerkreuzer .... Admiral Naohimoff (16) ... w

3. Panzerdivision (Kontreadmiral Njebogatov).

Schlachtschiff 2. Klasse Imperator Nikolaj 1 15) Flaggenschiff genommen.

Küstenverteidiger General Admiral Apraxin (15)

Admiral Senjavin (16)

Admiral Uäakov (16) gesunken.

Kreuzerdivision (Kontreadmiral Enqnist).

Kreuzer 2. Klasse Oleg (23) Flaegenschiff Manila angelaufen.

2. Dimitrij Donskoi (17) gesunken.

2. Wladimir Monomach (17)

2. Avrora (18) Manila angelaufen.

i9 2. n Svjetlan« (17) gesunken.

3. Zemcug (23) Manila angelaufen.

3. lzumrud (24) gesprengt (Wladimirbai).

3. Almas (24) Wladiwostok erreicht.

Torpedobootszerstörer.

BlestjaSßi (26) gesunken.

Bezupreöni

uujny .

Bystrji

Gronki

Bedowji B genommen.

Bodry Shaughai angelaufen.

Grozni Wladiwostok erreioht.

Br*vj» n

Train.

Armierter Hilfskreuzer Ural gesunken.

Werkstättensch itf Kamcatka

Trausportschiff Kuß n

h I ' ti5

Korea Shanghei angelaufen.

Svir -

Anadyr Diejo Suarez angelaufen.

Spitalschiff Kostroma freigegeben.

Orel genommen und als ge-

setzmäßige Prise erklärt.

Zusammen 38 Schiffe nnd Fahrzeuge.

1) Einige Tage vor der Seeschlacht gestorben.

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 19

Ordre de bataille.

Japanische Flotte1) Flottenkommandant: Admiral Togo). Flotteustabschef : Kontreadmiral Kato.

Die den Schiffen in Klammern beigefügten Zahlen bedeuten die Maximal- fahrgeschwindigkeit in Seemeilen pro Stunde.

I. Eskadre (Togo). 1. Division (Togo). 2. Division (Vizeadmiral Kamimura).

Schlachtschiff 1. Kl. Mikasa (18) Flaggen- Panzerkreuzer 1. Kl.lvate (21) Flaggen-

schiff. Asahi

Fuji

(18) (18)

Panzerkreuzer

Shikishima (18)

Nishiu Karaga

(19) (19)

schiff. Tokiva . Azuma Izumo Jakuroo A*ama

(23) (19) (22) (21) (22)

II. Eskadre (Vizeadmiral Deva).

8. Division (Deva). 4. Division (Vizeadmiral Urin).*)

Kreuzer 2. Kl. Kasagi (22) Flaggenschiff. Kreuzer 2. Kl. Naniva (18) Flaggensohiff.

Tsbitose (22) Matsushima (16)

Niitaka .... (20) Takashiho (18)

Otava .... (21) r Izurai .... (17)

w Tsushima . (20) Itaukushima (16)

III. Eskadre (Vizeadmiral Kataoka).*)

5. Division (Kataoka). 6. Division (Kontreadmiral Togo jnn.).

Kreuzer 2. Kl. Tshiyoda(l9) Flaggenschiff. <j Akitsushima (19^

Akashi ... (19) Suma ... (19)

»ahm an der Schlacht nicht teil. Hashidate (16)

7. Division (Kontreadmiral Hosoya).

?

nahm an der Schlacht nicht teil.

Torpedobootszerstörerdivisionen.

Die nachstehenden und einige weiteren Zerstörer in 5 oder 6 Divisionen geteilt, ■deren Zusammensetzung nicht näher bekannt, nach ihren Führern : Hirose-, Suzuki-, Jajuna-, Joshijima- etc. Torpedobootszerstorerflottille benannt.

Har usame Mur usame Asagiri Shir akumo Asas hio Kasumi

(Ä9) .(29) .(31) .(31) (31; •(31)

Akebono

Inazuma

Oboro

Tshihaya

Ikagushi

Usugumo

•(31) •(31) ■(31) •(?)

(30)

(30)

Shiranubi Yugiri Kagero Sazamami Murakumo Shinonome

(30) (30) (30) (31) (30) (30)

Torbedobootsflottille. ")

•21 Torpedobootsgruppen zu 3 bis 4 Booten, im ganzen zirka 75 Torpedoboote verschiedener Klassen (vorwiegend 2. Klasse Boote). Nach ihren Führern: Fukuda-, Otaki-, Kondo-, Aoyama- eto. Torpedoboots-

zerstörerflotille benannt.

1) Der Flotte war eine Anzabl armierter Hilfskreuzer und Avisos beigegeben. *) Zusammensetzung nicht genau bekannt.

,) Die Torpedoboote 3i, 35 uud C9 in der Seeschlacht bei Tsushima gesunken.

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Wiek erh au s er.

Beginn der Schlacht, so daß Togo, der gefechtsklar nördlich? um die Insel Tsushima herandampfte, über die Formation, die etwa 12 Seemeilen betragende Geschwindigkeit, sowie jede Bewegung des Feindes genau informiert war. Bei der Gelegenheit geriet nach 11 Uhr a. m. die Division Deva in Schußbereich der baltischen Flotte und wurde heftig beschossen, docli gelang es ihr einem ernstlichen Engagement auszuweichen und sich unter dem Schutze des Nebels zurückzuziehen.

Togo's Torpedoflottillen verblieben wegen hohen Seeganges in Deckung der Insel Tsushima und scheinen sich an dem nun folgenden Tageskampfe nicht beteiligt zu haben; wo solche einge- griffen haben, dürften es die den Kreuzerdivisionen angegliederten Flottillen gewesen sein.

Kurz vor Mittag nahm Rojestwensky einen Formations- wechsel vor und setzte die Fahrt in nordöstlicher Richtung fort;, die vier stärksten Schlachtschiffe der Borodinoklasse postierte er als rechte, etwas vorgeschobene Kolonne, die übrigen Panzer- schiffe bildeten die linke Kolonne ; die Kreuzer und Trainschiffe verblieben an der Queue. Die Skizze 2 veranschaulicht diese Formation.

Um l3/4 Uhr p. m. kamen die gegnerischen Flotten Togo mit dem Gros seiner Flotte im Korden auf einige Seemeilen Entfernung in Sicht.

Beide Kommandierende erteilten den Befehl zur Eröffnung der Schlacht, wobei Togo seiner Flotte das denkwürdige Signal machte: „Das Emporkommen oder der Untergang des Reiches hängt von dem Ergebnisse des bevor- stehenden Kampfes ab; Jeder tue sein Äußerstes !u

Togo steuerte anfänglich SW - Kurs, um seinen Gegner glauben zu machen, er wolle mit Gegenkurs passieren, setzte jedoch bald nach 2 Uhr p. m., gefolgt von der Panzerkreuzer- division Kamimura's in Ostkurs und drückte auf diese Weise auf die Tete des Feindes. (Siehe Skizze 3.)

Die Divisionen Deva, Uriu und Togo junior schwirrten aus und dampften südwärts, um die baltische Flotte zu umklammern.

Kampf der Schlacht flotten.

Rojestwensky, an seiner Tete bedroht, änderte den Kurs etwas nach Steuerbord und eröffnete das Feuer. Das japanische Gros erwidert es erst auf die Entfernung von 6000 m angelangt, indem es seine gesamte Artillerie gegen die Fübrerschiffe der

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beiden feindlichen Kolonnen „Knjaz Suvorov" und „Osljabja" konzentrierte, und in dem Maße steigerte, als die Distanz ge- ringer wurde. (Fig. 1.) Das japanische Feuer war außerordentlich

Fig. 1.

\

\

\

2 Uhr 10 Min. p. m.

sicher und übte eine vernichtende Wirkung; namentlich die zahlreich einschlagenden 15 und 20 cm Granaten richteten in <ien oberen Schiffsteilen fürchterliche Zerstörungen an und riefen Brände hervor. Die mindergeübten Russen feuerten langsamer und schössen nach japanischer Aussage im allgemeinen zu hoch, so daß verhältnismäßig wenig Treffer erzielt wurden ; auch waren die russischen Schiffe durch den vom SW- Winde in der Fahrt- richtung fortgetriebenen Rauch aus den Kaminen, in der Sicht sehr behindert.

Die Feuerüberlegenheil der Japaner verfehlte nicht ihre Wirkung ; man kann sagen, daß schon nach der ersten halben Stunde die Schlacht zu ihren Gunsten entschieden war.

„Oslsjabja" erhielt gleich in der ersten Phase des Kampfes am Buge und an der Backbordwasserlinie ein Leck, wurde über- dies in Brand geschossen und mußte zurückbleiben. Eine 30*5 cm Granate traf den Kommandoturm und tötete den Kommandanten. 50 Minuten nach Beginn der Schlacht kenterte das Schiff infolge Wassereinbruchs.

Um 2V2 Uhr p. m. bricht Rojestwensky's Flaggenschiff „Knjaz Suvorov" und „Imperator Alexander III" aus der Gefechts- linie und bleiben zurück. Auf r,Knjaz Suvorov" ist mehrmals Feuer ausgebrochen, der Steuerapparat wurde beschädigt, beide

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Wickerhan b er.

Masten abgeschossen, die Kamine und das ganze Oberdeck durch- siebt, der kommandierende Admiral schwer verwundet. Dennoch setzte das Schiff den Geschützkampf energisch fort und trachtete seinen Posten wieder einzunehmen.

Der taktische Verband der russischen Flotte begann sich zu lockern; mehrere Schilfe hatten Brände an Bord; Nebel und Rauch verhüllten das russische Gros dermaßen, daß das Geschütz- feuer zeitweilig von beiden Parteien eingestellt werden mußte.

In der ersten Phase des Kampfes haben die japanischen Schiffe wohl auch schwer gelitten ; Panzerkreuzer r Asama" wurde dreimal an der Wasserlinie getroffen und dessen Steuerapparat beschädigt. Das Schiff mußte aus der Sehlachtlinie treten, konnte aber nach provisorischer Behebung der Schäden bald darauf am Kampfe wieder teilnehmen.

Durch die überlegene Fahrgeschwindigkeit «les japanischen Gros wurden die russischen Schlachtschiffdivisionen allmählich gegen Süden abgedrängt und deren Tete überlaufen; aus der nissischen Kolonne war mittlerweile durch Vorziehen des rechten Flügels eine unregelmäßige Kielwasstrlinie gebildet worden. Um 3 Uhr m. p. stand Togo etwa vor der russischen Formation, die diese Situation benützte, um gegen Norden zu wenden, in der Absicht, die feindliche Queue zu doublieren. Togo ließ daher seine Schlachtschiffdivision schiffsweise den Kurs verkehren, Karoi-

hatten, wendeten sie, den Bewegungen des Gegners folgend,, wieder nach Steuerbord und drängten die russischen Schiffe- neuerdings nach Osten ab.

Fig. 2.

mura folgte mit seiner Division im Gegen- marsch (Fig. 2), worauf sich eine ähnliche Situ- ation entwickelte, wie zu Beginn derSchlacht,. indem das japanische Gros wieder die feind- liche Tete, diesmal von Steuerbord, zu ge- winnen suchte.

Sobald die japa-

3 Uhr 10 Min. p. m.

nischen Schiffe einen entsprechenden Vor- sprung gewonnen

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 23

Es folgte eine längere Gefechtsphase in parallelen Kursen, bei der die Japaner abermals gegen die russische Tete drückten. Hiebei lancierten die japanischen Schiffe auch mehrmals Torpedos, von denen jedoch keiner getroffen zu haben scheint.

Rojestwensky-s Flaggerschiff „Knjaz Suvorov" war mittler- weile kampfunfähig geworden, hatte neuerdings einen Brand an Bord und mußte sich von seiner Flotte trennen. Um 37s Uhr p. m. wurde der Admiral im hewußtlosen Zustande, nebst seinem Stabe auf den Torpedobootszerstörer „Bujny" gebracht, der hierauf entlang der Schlachtlinie steuerte und das Signal gehißt hatte: „Admiral schwerverwundet an Bord". Das Kommando der russischen Flotte ging auf Kontreadmiral Njebogatov über; die Führung der Schlachtschiffdivisionen hatten „Borodino" und „Sissoi Velikij" übernommen.

Nach der Isolierung des „Knjaz Suvorov" war das Schiff wiederholt den Angriffen japanischer Torpedobootszerstörer- Flottillen ausgesetzt, bei deren Abwehr zwei Torpedobootszerstörer stark beschädigt wurden, doch angeblich in Sicherheit gebracht werden konnten. Gegen 4% Uhr p. m. wurde „Knjaz Suvorov44 backbord achter von einem Torpedo getroffen und neigte sich 10° zur Seite; um 77g Uhr p. m. erhielt das Schiff abermals 3 Torpedotreffer und ging unter.

Bis 43/4 Uhr p. m. war die russische Hauptmacht wieder in Stidkurs abgedrängt, vollführte deshalb, durch Rauch und Nebel gerade der Sicht des Gegners entzogen, eine Wendung nach Nordost. Den Japanern scheint dies entgangen zu sein, denn Togo steuerte noch 8 Seemeilen im Südkurse weiter und ver- kehrte erst um 57g P- m- mit seinen Schlachtschiffen den Kurs, um mit dem Gegner wieder Fühlung zu sucheu. Die Panzer- kreuzerdivision Kamimura'8 setzte die Suche in südwestlicher Richtung fort, geriet hiebei mit russischen Kreuzern ins Gefecht und suchte eo getrennt operierend, erst bei Sonnenuntergang, d. i. gegen 7 72 Uhr p. m., den Anschluß an die Schlachtschiffs - division.

Togo stieß auf seiner Fahrt nach Norden vorerst auf den Hilfskreuzer „Ural" und versenkte ihn, entdeckte hierauf vor sich die in nördlicher Richtung steuernde, auf 6 Schiffe zusammen- * geschrumpfte russische Hauptmacht und nimmt den Kampf wieder auf. Es wiederholt sich das Bild der früheren Phasen; der An- griff erfolgt wieder von Steuerbord, erst im Parallelkurs, dann die feindliche Tete überlaufend. Die russischen Schiffe sahen

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W ickerhause r.

sich hiedurch nach Westen abgedrängt und setzten hierauf ihre Fahrt möglicherweise die von Backbord herannahende Panzer- kreuzerdivision Kamimura's gewahrwerdend in nordwestlicher Richtung fort.

Dieses Gefecht dauerte von 6 Uhr p. m. bis Sonnenunter- gang. Das japanische Geschützfeuer wurde mit aller Intensität aufrechterhalten, unter dessen verheerender Wirkung das russische Feuer allmählich nachzulassen begann.

„Imperator Alexander IIIU brach zuerst aus der Linie und kenterte infolge Wassereinbruches nach 7 Uhr p. m. Um 6s/4 Uhr p. m. brach auf „Borodino" ein mächtiger Brand aus, der die Munitionskammern ergriff und kurz vor Sonnenuntergang infolge einer Explosion den Untergang des Schiffes herbeiführte. Von der 782 Köpfe starken Bemannung wurde angeblich nur ein Mann gerettet.

Nach Sonnenuntergang zog sich Togo in östlicher Richtung zurück und räumte den aus verschiedenen Richtungen einen Angriff vorbereitenden Torpedoflottillen das Feld; eine kluge Maßregel, um die eigenen Schiffe nicht der Gefahr auszusetzen irrtümlicherweise anlanciert zu werden.

Aviso „Tatsuta" wurde ausgesandt, um der ganzen Flotte funkentelegraphi&ch den Befehl zu überbringen, nachtsüber die Verfolgung der feindlichen Schifte fortzusetzen und am nächsten Morgen, den 28. Mai, die Vereinigung mit dem Gros bei Matsu- shima anzustreben.

Kampf der K r e u z e r d i v i si o n e n.

Die japanischen Kreuzerdivisionen Deva, Uriu und Togo junior trennten sich, wie erwähnt, noch vor Eröffnung des Kampfes vom Gros ihrer Flotte und engagierten die an der Queue postierten russischen Kreuzer und Trainschiffe. Um 2:74 Uhr p. m. nahmen sie im Gegenkurse heranbteuernd das Gefecht auf. In dem nun folgenden Kampfe umschwärmten die japanischen Divisionen, bei Ausnützung ihrer höheren Fahrgeschwindigkeit, die feindliche Queue, die zu Beginn der Schlacht durch die voranfahrenden Schlachtschiffsdivisionen an der Ausnützung ihrer vollen Maschinenleistung behindert gewesen ist. Dies bot den japanischen Kreuzerdivisionen die Möglichkeit etwa halbstündlich den Kurs verkehrend bald die rechte, bald die linke Flanke des Gegners zu enfilieren. Einzelne Ausfälle russischer Kreuzer vermochten an der Situation nichts zu ändern und auch die von

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einzelnen russischen Torpedobootszerstörern unternommenen An- griffe hatten keinen Erfolg.

Bis 4 Uhr p. m. war der Verband der russischen Nachhut sehr gelockert; fast alle Schiffe hatten erheblich gelitten, besonders die Trainsciliffe, von denen einige bewegungsunfähig geworden waren und in dieser Verfassung zum Sinken gebracht wurden. (Russ, Irtis.)

Die japanischen Kreuzer waren nicht minder hart mitge- nommen; Deva's Flaggenschiff „Kasasri" wurde an der Wasser- linie getroffen, begann zu lecken und zog sich, von „Tshitose" begleitet, in seichtes Wasser zurück. Das Kommando der Division Deva übernahm Vizeadmiral Uriu; Vizeadmiral Deva lief erst am Abend wieder mit „Tshitose" aus, um sich mit seiner Division zu vereinigen.

Gegen 43/4 Uhr p. m. griff die hinter dem Gros zurück- gebliebene russische Küstenverteidigungsdivision in das Kreuzer- gefecht ein, wobei die japanischen Kreuzer hiedurch in den Kampf mit einem überlegenen Gegner verwickelt erheblich gelitten haben sollen.

Uriu'8 Flaggenschiff „Naniva" wurde gleichfalls an der Wasserlinie getroffen und mußte sich um 5V4 Uhr p. m. aus dem Kampfe zurückziehen, doch scheint zu dieser Zeit die vom Gros in südwestlicher Riehtung detachierte Panzerkreuzerdivision Kamimura's, die Situation erfassend, den bedrängten japanischen Kreuzern zu Hilfe gekommen zu sein, so daß sie standhalten und im weiteren Verlaufe die Verfolgung der zerstreuten russischen Kreuzer und Trainschiffe wieder aufnehmen konnten. Bei dieser Gelegenheit versenkten sie das Werkstättenschiff „Kanic'atka", stießen auf den zu Wrak geschossenen „Knjaz Suvorov" und provozierten den erwähnten Torpedoangriff, der dessen Untergang herbeiführte.

Nachtangriff der Torpedoflottillen.

Mit Sonnenuntergang hatten sich die am Tageskampfe be- teiligten, sowie die unter Land verbliebenen Torpedoflottillen (Zerstörer und Boote) dem japanischen Gros genähert, um den Nachtangriff vorzubereiten. Der Wind hatte abgeflaut, doch ging die See noch immer hoch, so daß die Fahrzeuge schwere Arbeit hatten.

Vom Einbrüche der Dunkelheit an waren die im Sammeln begriffenen russischen Schiffe einer Reihe von Torpedoangriffen

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Wickerhaus er.

ausgesetzt, die von den Zerstürerflottillen ausgeführt und von den Torpedobootflottillen unterstützt wurden.

Die von drei Seiten umringten russischen Schiffe fuhren nach Sonnenuntergang, mutmaßlich um den Gegner zu tauschen, in südwestlicher Richtung und setzten erst später die Fahrt in östlicher und dann in nördlicher Richtung fort. Den japanischen Flottillen war es hiebei gelungen, mit den feindlichen Schiffen in Fühlung zu bleiben. Um 8V4 Uhr p. m. rückten sie konzen- trisch vor und setzten die Ai griffe fast ununterbrochen bis 11 Uhr nachts fort. Die ersten Attacken wehrten die russischen Schiffe im Lichte der Scheinwerfer mit Schnellfeuergeschützen erfolgreich ab, wurden aber in kleinere Gruppen getrennt und einzelne Schiffe auch isoliert, so daß sich der Verband zu lösen begann. Kontreadmiral Enquist setzte mit den Kreuzern r01ega, „Zem- fug" und „Avrora" die Fahrt in südlicher Richtung mit aller Maschinenkraft fort, und erreichte Mauila, ohne weiteren An- griffen ausgesetzt gewesen zu sein, die die japanischen Torpedo- flottillen die ganze Nacht hindurch fortsetzten, wo sie nur eines Gegners ansichtig wurden. Auf diese Weise wurden „Sissoi Velikij", „Admiral Nachimoff" und „Wladimir Monomach" an- lanciert und das Schlachtschiff „Navarin" gegen 2 Uhr morgens durch Torpedotreffer zum Sinken gebracht.

Bei diesen Angriffen verloren die Japaner drei Torpedo- boote, deren Bemannungen jedoch zum größten Teile gerettet werden konnten; überdies wurden 4 Torpedobootszerstörer nnd zwei weitere Torpedoboote außer Gefecht gesetzt.

Die Angriffe sollen mit außerordentlicher Bravour durch- geführt worden sein, so daß Admiral Togo den Flottillen vollste* Lob spendet. Die Fahrzeuge waren bestrebt, auf Minimallancier- distanz heranzukommen ein Vorgang, der bei frühen Gelegen- heiten vor Port-Arthur nicht beobachtet worden war und den Japanern den Vorworf eintrug, daß sie auf zu große Entfernung lancieren und deshalb auch wenig Treffer erzielen.

28. Mai.

Am Morgen des 28. Mai war der Nebel völlig geschwunden. Togo hatte mit dem Gros seiner Flotte südlich von Matsushima Stellung genommen, die Kreuzerdivisionen und Torpedoflottillen steuerten aus verschiedenen Richtungen dem Rendezvousplatze zu.

Eine nach Norden detachierte japanische Aufklärungsdivision entdeckte bei Tagesaubruch einige Rauchsäulen, näherte sich

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Einiges über die entscheidenden Episoden im j Ängsten Seekriege. 27

diesen und erkannte das auf 6 Schiffe reduzierte Gros der bal- tischen Flotte, bestehend aus zwei Schlachtschiffen, zwei Küsten- verteidigern und zwei Kreuzern, die in nordöstlicher Richtung gegen Wladiwostok steuerten.

Togo, hievon funkentelegraphisch benachrichtigt, nahm sogleich mit seinem Gros die Verfolgung auf; die Divisionen Uriu und Togo junior wurden auf die Rückzugslinie postiert. Schon um IOV2 Uhr a. m. sahen sich die russischen Panzer- schiffe auf der Höhe von Liancourt-Rock vom Gegner vollständig eingeschlossen. Njebogatov kapitulierte, einer so überwältigen feindlichen Übermacht gegenübergestellt, bei der Eröffnung des feindlichen Feuers und übergab die schon vom Vortage schwer- beschädigten, zum Teil Munitions- und Kohlenmangel leidenden Schiffe „Imperator Nikolaj I" (Flaggenscliiff), „Orel", „General Admiral Apraxin" und „Admiral Senjavin". Kreuzer „Almas" konnte vor Annäherungder japanischen Streitkräfte in nördlicher Richtung entkommen und erreichte Wladiwostok; auch „Izumrud" suchte sich mit aller Maschinenkraft der Verfolgung durch feind- liche Kreuzer zu entziehen, erreichte die nördlich von Wladi- wostok gelegene Wladimirbai, woselbst er auf ein Riff stieß, daher gesprengt wurde.

Um 8 Uhr a. m. des 28. Mai entdeckte die Division Deva in westlicher Richtung den Kreuzer „Svjetlana" mit dem Torpedo- bootszerstörer P Bystrjiu und brachte ersteren zum Sinken. „Bystriji", .vom Kreuzer „Niitaka" und einem Torpedobootszerstörer verfolgt, strandete an der koreanischen Küste und wurde zerstört.

Während das japanische Gros noch mit der Übernahme der russischen Panzerschiffe beschäftigt war. kam gegen 3 Uhr p. m. der Küstenverteidiger „Admiral Usakov" aus südlicher Richtung herangedampft. AU er die feindliche Flotte gewahr wurde, suchte er wieder nach Süden zu entkommen. Die zu seiner Verfolgung ausgesaudten Panzerkreuzer „Iwateu und „Jakumo" holten ihn gegen 5 Uhr p. m. ein und forderten ihn zur Übergabe auf. Anstatt die Aufforderung zu beantworten, eröffnete „Usakov" das Feuer, heldenmütig kämpfend bis zum Untergang, der an- scheinend durch Öffnen der Bodeuventile herbeigeführt wurde.

Nachmittags entdeckte eine japanische Ki euzergruppe den schwerbeschädigten „Dimitrij Donskoi" und nahm den Kampf auf, ohne daß es ihr gelungen wäre, das Schiff bis zum Einbrüche der Dunkelheit zum Sinken zu bringen; in der Nacht von Torpedo- booten angegriffen, sank das Schiff bei Matsushima.

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28

W i c k e r h a n s e r.

Die in den Kämpfen schwerbeschädigten Kreuzer „Admiral Nachimov" und rWladimir Monomach" suchten die Ostküste von Tsushima zu erreichen und sanken infolge Wassereinbruches gegen 10 Uhr a. m. Zu dieser Zeit suchte sich ihnen Torpedo- bootszerstörer „Gromki" zu nähern, wurde von japanischen Torpedofahrzeugen entdeckt, niedergekämpft und genommen, doch ging er infolge der erlittenen Schäden unter, bevor er geborgen werden konnte.

„Sissoi Velikij" wurde von japanischen Hilfskreuzern in der Nähe von Tsushima im sinkenden Zustande angetroffen; dessen Untergang erfolgte um 11 Uhr a. m.

Bald nachdem Admiral Rojestwensky vom „Knjaz Suvorov" auf „Bujny" überschifft worden war, muß der Torpedobootszer- fetörer Maschinenhavarie erlitten haben, denn der schwerverwundete Admiral wurde nebst seinem Stabe vom Torpedobootszerstörer „Bedowji" aufgenommen und „Bujny" versenkt.

Um 3Y2 Uhr p. m. des 28. Mai, somit 24 Stunden, nachdem Rojestwensky vom Flaggenschiff auf „Bujny" gebracht worden war, entdeckten die japanischen Torpedobootszerstörer „Sazauamia und „Kagero" etwa 40 Seemeilen südwestlich von Matsushima den „Bedowji", der gefolgt von Zerstörer „Grozni" der koreanischen Küste zusteuerte. Um 43/4 Uhr p. m. waren die russischen Fahr- zeuge von den japanischen Zerstörern eingeholt und engagiert. „Bedoviij" hißte die weiße Flagge und wurde von „Sazanami" genommen, wobei Admiral Rojestwensky mit seinem Stabe in Gefangenschaft geriet. Dem „Grozni" gelang es sich der Ver- folgung durch „Kagero" zu entziehen und Wladiwostok zu erreichen.

Rojeitwenstky's Gefangennahme dürfte eine Folge der Maschinenhavarie des „Bujny" und eines durch die Uberschiffung auf „Bedowji" bedingten mehrstündigen Zeitverlustes sein, da ein Torpedobootszerstörer bei Ausnützung seiner vollen Maschinenkraft in 24 Stunden die 500 Seemeilen lange Strecke von der Tsushima- straße bis Wladiwostok zurückzulegen vermochte, die Stelle aber, wo „Bedowji" entdeckt wurde, kaum 180 Seemeilen vom Kampf- platze des Vortages entfernt ist.

Das Schicksal der in der Schilderung der Seeschlacht nicht erwähnten russischen Schiffe ist den ergänzenden Daten der ordres de bataille (Seite 18 und 19 und der Skizze 1) zu ent- nehmen.

Von der etwa 14.000 Mann betragenden Besatzung der baltischen Flotte gerieten 6000 Mann in japanische Gefangenschaft,

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 29

rund 3000 erreichten Wladiwostok oder neutralen Boden, bei 5000 Mann fanden den Tod.

Da sieh unter den Gefangenen wohl eine große Anzahl Verwundeter befunden haben dürfte, so können die russischen Verluste in der Seeschlacht bei Tsushima etwa mit 40% veran- schlagt werden.

Japan verlor in der zweitägigen Seeschlacht an Stab und Mannschaft nur 116 Tote und 067 Verwundete, bei einem bei- läufigen Gesamtbemannung8stand von 16.000 Köpfen, was dem minimalen Gesamtverluste von nicht ganz 5% gleichkäme.

Die Schiffsverluste der Japaner beliefen sich laut amtlicher Angabe nur auf drei Torpedoboote.

Das Schicksal der aus 38 Schiffen und Fahrzeugen zu- sammengesetzten baltischen Flotte ist nachstehender Zusammen- stellung zu entnehmen:

Vernichtet Wladiwostok Neutr. Häfen Genommen Summe

Schlachtschiffe

6

-2

8

Küstenverteidiger

1

2

3

Kreuzer

5

l

3

9

Torpedoboots-

zerstörer

5

2

1

1

9

Hilfskreuzer und

Trainschiffe

4

3

7

Hospitalschiffe

1

1

2

21

4

7

6

38

Bern

erkun

gen zur

Seeschlacht.

Der Seesieg bei Tsushima muß die hervorragendste aller maritimen Waffentaten der neueren Zeit genannt werden und hat der japanischen Flotte mit Fug und Recht die Bewunderung aller Welt eingetragen. Mit Staunen frug man sich, wieso es möglich war, eine nahezu ebenbürtige Streitmacht gänzlich zu vernichten und dabei selbst fast keine Verluste erlitten zu haben eine Tatsache, die im ersten Momente in Fachkreisen nicht minder überraschte als in der Allgemeinheit.

Erst als die näheren Umstände bekannt wurden, erschien die russische ^Niederlage verständlich.

Zweifelsohne verdanken die Japaner den glänzenden Sieg ihrer weitüberlegenen Schießkunst, im Verein mit Togo's genialer Kainpfesweise, der es dank der überlegenen Fahrgeschwindigkeit seiner Schiffe verstanden hat, sich in den entscheidenden Phasen

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30

Wickerli aus e r.

der Schlacht derart zum Gros des Gegners zu postieren, daß die hiebei engagierten japanischen Divisionen (Schlachtschiffe und Panzerkreuzer) die ganze Wucht ihrer Feuerwirkung gegen die russischen Führerschiffe zu konzentrieren vermochten, was deren baldige Außergefechtsetzung zur Folge hatte, ohne daß Rojest- wensky imstande gewesen wäre, den Angriff zu parieren.

Die japanischen Divisionen manövrierten, in Kielwasserlinie formiert, selbständig nach der Teiji- und Otsuji - Taktik (nach den Charakteren *J"= Tei und *L» Otso so benannt) ; nach „Tei" die feindliche Tete bedrohend und wo sich im Verlaufe der Schlacht die Gelegenheit bot, nach „Otso" gleichzeitig gegen die Tete und die Flanke im Kreuzfeuer wirkend.

Rojestwensky selbst erklärte, daß der Untergang seiner stärksten Einheiten auf das vernichtende Feuer der Japaner zurückzuführen war, die die jeweiligen Führerschiffe mit einem Hagel wohlgezielter Granaten derart überschütteten, daß das Schicksal der baltischen Flotte in längstens einer Stunde ent- schieden war. Hiebei sollen namentlich die 15 cm und 20 cm Geschütze durch ihre hohe Feuerschnelligkeit und die große Trefferzahl einen überwältigenden moralischen Effekt hervor- gerufen haben.

Ausschlaggebend für den Ausgang der Schlacht mußte die artilleristische Leistungsfähigkeit der beiderseitigen Gros ge- wesen sein.

Nachstehende Zusammenstellung zeigt die Anzahl Geschütze schweren und mittleren Kalibers der sich im Kampfe gegen- übergestaudenen Gros:

schwere Artillerie mittlere Artillerie

Rußland: 305 cm, 25 cm, 23 cm, 20 cm 15 cm 12 cm

26 15 4 81 12

45 93

Japan: 305 cm, 25 cm, 23 cm, 20 cm, 15 cm 12 cm

12 .30 160

42 160 Sonach waren die russischen Panzerschiffe dem japanischen Gros an schwerer Artillerie um einiges überlegen, an mittlerer Artillerie aber fast nur halb so stark ; hinsichtlich der Gesamt- bestückung konnte also von vornherein von einer überlegenen Artillerie der baltischen Flotte nicht gut die Rede sein.

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Auf dieses Bestückungsverhältnis war der ganze japanische Operationsplan gegründet, der einen mehrtägigen Kampf von der Koreastraße bis vor Wladiwostok, ins Auge faßte, gestützt auf die Voraussetzung, daß die weit besser geschulten, auf eine nahezu eineinhalbjährige Kriegserfahrung zurückblickenden japa- n:schen Geschützführer vier Treffer in zehn Schüssen erzielen würden, gegen zwei Treffer bei gleicher Anzahl Schüssen auf russischer Seite.

Nun sollen aber die Russen nach Aussage der Japaner im Mittel auf zehn Schüsse kaum einen Treffer erzielt haben, was wohl in erster Linie dem herrschenden Seegange zuzuschreiben war. Das gegenseitige Treffergebnis war somit wie 4 : 1 wobei die Japaner auch noch über die höhere Feuerschnelligkeit ver- fügton.

Die vier japanischen Schlachtschiffe vermochten es sonach der Artilleriewirkung von sechzehn russischen Schlachtschiffen gleichzutun, der acht Panzerkreuzer nicht zu erwähnen, denen bei Tsushima, vermöge ihres Typs, vollends die Rolle von Schlacht- schiffen zufiel. Zudem vermochten die russischen Schiffe, durch ihre geringe Eskadregeschwindigkeit taktisch benachteiligt, in den entscheidenden Gefechtsphasen nicht ihre gesamte Artillerie jsur Geltung zu bringen, was den Japanern eine derartige Über- legenheit sicherte, daß die russische Niederlage nicht mehr un- verständlich erscheint. Tatsächlich sollen die Japaner an der Tete schon Zerstörungen augerichtet haben, bevor noch die russischen Queueschiffe ins Gefecht gekommen waren.

Geradezu zum Verhängnis für die Russen mußte aber bei dem herrschenden Seegange der Umstand werden, daß die Schiffe zuviel Kohle und sonstige Vorräte an Bord genommen hatten, daher zu tief tauchten, so daß sie (namentlich die Schiffe der ßorodinoklasse) wegen mangelhafter Stabilität bei den Wen- dungen stark überkrängend, bei den Schußlöchern Wasser ein- nahmen und in weiterer Folge zum Kentern oder Sinken gebracht ^wurden.

Auch war der Nebel im Verein mit dem herrschenden Südwestwinde von besonderem Nachteil für die baltische Flotte, indem der durch die Feuerbeschickung und die entstandenen Schiffsbrände verursachte Qualm vom Winde in der Fahrt- richtung fortgetragen, die russischen Schiffe umhüllte und deren Sicht zeitweilig noch in weit höhcrem Maße behinderte, als die des Gegners.

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Wickerhause r.

Tatsächlich hatten die Russen in der Seeschlacht bei Tsushima alle Umstände gegen sich, was auf die moralische Verfassung der Bemannungen nicht ohne Wirkung bleiben konnte; auf Bemannungen, die, einem nördlichen Klima ent- stammend, nach halbjährigem Verweilen in den Tropen, durch ununterbrochene Strapazen und Aufregungen heruntergebracht, unvermittelt vor so enorme Anforderungen gestellt waren, wie sie der moderne, bis zur Vernichtung geführte Seekampf mit sich bringt, und denen nur in bester Kondition befindliche Be- mannungen gentigen können.

Togo hat sicherlich dafür gesorgt, daß seine Leute in bester Verfassung, wohlgenährt und ausgeruht, ohne durch Übermtiduug und Überbürdung abgestumpft zu sein, in voller Siegeszuversicht dr-n schweren Kampf beginnen.

Schon das plötzliche Auftauchen der ganzen japanischen Flotte aus dem Nebel wird einen gewaltigen Eindruck auf die russischen Bemannungen geübt haben, denen die moralische Überlegenheit schon aus dem Grunde nicht zugesprochen werden konnte, weil sich jeder denkende Russe darüber im klaren sein mußte, daß eine Niederlage des baltischen Geschwaders mit dessen völliger Vernichtung enden müsse, wogegen es den japanischen Streitkräften immer offen stand, bei zunehmenden Verlusten den Kampf abzubrechen und sich mit dem Reste der Flotte nach den benachbarten Stützpunkten zurückzuziehen.

Dessenungeachtet hat es den russischen Bemannungen an Tapferkeit und Todesmut in keiner Weise gefehlt und Togo selbst spendete in seinem Berichte über den errungenen Sieg dem heldenmütigen Verhalten des Gegners alles Lob.

Bei objektiver Beurteilung kann weder gegen Rojestwensky noch gegen dessen Bemannungen wegen der erlittenen Nieder- lage ein Vorwurf erhoben werden: dieser träfe nur jene, die den Admiral vor die Lösung einer Aufgabe gestellt hatten, zu der die verfügbaren Mittel nicht ausreichten. Wenn Rojestwensky, selbst mit einem ansehnlichen Teile der baltischen Flotte Wladi- wostok erreicht hätte, so hätte dies an dem weiteren Verlaufe des Krieges kaum etwas zu ändern vermocht, indem seiner Flotte mutmaßlich ein ähnliches Schicksal zuteil geworden wäre, wie es der Port-Artur-Flotte beschieden war.

Besonders lehrreich sind die hinsichtlich der Geschoß- wirkung gemachten Erfahrungen.

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Von den stärksten russischen Einheiten ist nur das Schlacht- schiff „Orel" jetzt „Ivami" benannt, der Vernichtung entgangen. Da diese Schiffsklasse am intensivsten beschossen wurde, so dürfte unter den verbliebenen Schiffen das Trefferbild des „Orelw das meiste Interesse bieten.

Die dem Schiffe zugefügten Schäden lassen erkennen, daß es ausschließlich mit Zündergranaten beschossen wurde, da keine Perforation oder Zerstörung des Panzers stattfand, die Wirkung an den ungeschützten, höhergelegenen Schiffsteilen aber eine umso verheerendere war, was auf große, den Zündergranaten eigentümliche Sprengladungen zurückzuführen ist. Das Panzer- deck wurde nicht durchschlagen, demgemäß sind die darunter gelegenen Schiffsräume unversehrt geblieben.

Das Trefferbild A (Backbord) und B (Steuerbord) der Skizze 4 zeigt nur jene Schüsse, deren Einschußöffnung oder Aufschlagstelle deutlich zu erkennen war, nicht aber die zahl- reichen an Krahnen, Ständern und sonstigen Teilen der Schiffs- garnitur explodierten Granaten, oder durch Sprengstücke und Splitter herbeigeführten Beschädigungen.

Die Masten, Kamine, Boote, freistehenden kleinkalibrigen Schnellfeuerkanonen u. dgl. wiesen so viele Spuren von Schüssen und Sprengstücken auf, daß die Verfolgung einzelner Granat- wirkungen überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Die Schiffsartillerie hatte namhaft gelitten.

Das linke vordere 30*5 cm Turmgeschütz wurde auf etwa 2 m von der Mündung durch eine 30 5 cm Granate getroffen und abgesprengt. Das rechte Zwillingsgeschütz blieb in diesem Augenblicke wahrscheinlich höher eleviert unversehrt; das Turminnere erlitt gleichfalls keine wahrnehmbare Beschädigung. Der achtere Geschützturm (Panzerstärke 253 mm) wurde zweimal getroffen; durch eine 15 cm Granate voll, durch ein anscheinend schwereres Kaliber an der oberen Turmdecke, wodurch der Panzer leicht nach unten ausgebogen wurde, ohne weiteren Schaden zu verursachen.

Der linke vordere 15 cm Geschützturm wurde von einer 30*5 cm Granate am unteren Rande des drehbaren Teiles, dicht am Stoße zweier Platten (Panzerstärke 152 mm) voll getroffen. Hiedurch wurde die eine untere Plattenecke eingebogen, die Plattenstöße der entgegengesetzten Seite leicht geöffnet und der Turm verkeilt (Fig. 3 u. 4).

Organ der Militfrwisienscbaftllchen Vererne. LXX1II. Bd. 1906. 3

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W i c k e r h a u » e r.

Fi« *

Fig. 3. Das Turm-

L innere hatte nicht

erheblich gelit- ten, doch waren die beiden 15 cm Geschützejeden- falls außer Ge- fecht gesetzt ; auffallend ver- heerend war die Wirkung dieser ' Granate außer- halb des Turmes.

Der mittlere 15 cm Geschütz - türm am Back- bord erlitt, durch eine 15 cm Granate vollgetroffen, keinen Schaden.

Der rechte achtere 15 cm Geschützturm wurde am gepanzerten Munitionsschachte ge- troffen, was dessen Außergefechtssetzung verursacht haben dürfte.

Von den 20 Stück 7*5 cm Schnellfeuer- kanonen (hinter 80 mm Panzer) waren viere un- brauchbar geworden. Die an» Bootsdecke, auf der Brücke und

in den Marsen freiinstallierten 47 mm Schnellfeuerkanonen waren alle mehr minder beschädigt und wahrscheinlich durchwegs gebrauchsunfahig geworden.

Der Kommandoturm wurde 2 mal, anscheinend durch 15 cm Granaten getroffen. Der eine Schuß traf an Steuerbord unter der Turmkrempe voll auf und dürfte keinen Schaden angerichtet

geöffnet

geöffnet

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 35

haben (Fig. 5) ; der andere von Backbord traf den nach abwärts reichenden Rand der Turmhaube und bog sie ein, wobei auch die darunterbefindliche Turmkrempe abgebogen wurde (Fig. 6). Es ist anzunehmen, daß bei diesem Schusse Sprengstücke in das Turininnere gelangten, wiewohl die an einer isolierten Wand installierten Befehlübermittlungsapparate u. dgl. scheinbar un- versehrt geblieben sind. Für die im Turm weilenden Personen mußte dieser Schuß jedenfalls verhängnisvoll gewesen sein.

Fig. 5.

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Fig. 6.

Apparate

25cm

Überhaupt hatten die Kommaudotürme das Feuer ganz be- sonders auf sich ge- zogen, so daß in deren Umgebung die ärgsten Verheerungen angerichtet wurden; dies erklärt auch den Verlust sovieler russischer Admirale und Kommandanten in diesem Kriege.

Die Verluste am „Orelw betrugen : der Kommandant, 3 Olh'ziere uud 30 Mann tot; 12 Offiziere und 41 Mann ver- wundet.* Vom Stabe sollen nur 3 Offiziere, ein Kadett und alle Mnschinenbeamten unverletzt geblieben sein, welcher Umstand für die Ubergabe des Schiffes mitbestimmend war.

Als besonders nachteilig für den Organismus, wird die Wirkung der Explosionsgase des Shimosepulvers bezeichnet. Viele Leute wurden betäubt, ohne nachweisbare Verletzungen erlitten zu haben und starben oft erst nach einigen Tagen, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben ; die Obduktion ließ all- gemeine Vergiftungserscheinungen als Todesursache erkennen.

3*

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3G

W ickerhause r.

Die Bordwand im Feuerluv ist die weniger gefährdete; die verheerende Wirkunsr der Granaten machte sich weitmehr an der gegenüberliegenden, vom Streukegel der explodierenden Granate bestrichenen Bordwand oder Schote fühlbar, als an der Seite, wo der Durchschlag erfolgte.

Die sogenannte Bereitschaftsmunition der Geschütze mittleren und kleinen Kalibers erwies sich in Augenblicken harter Be- drängnis als eine eminente Gefahr für das eigene Schiff. Die Russen vermieden es auf Grund der gewonnenen Erfahrungen größere Mengen von Munition bei den Geschützen aufzustapeln, die nur zu häufig Ursache von Sekundärexplosionen und Schiffs- bränden gewesen sein soll.

Es ist nicht ohneweiters verständlich, wieso auf modernen Kriegsschiffen, bei deren Bau fast kein brennbares Material Ver- wendung findet, so häufig Feuer ausbrechen konnte und oft kaum, zu bewältigen war. Als besonders gefährlich erwies sich in dieser Hinsicht der allgemein übliche Ölfarbenanstrich der inneren Schiffsräume, der auch zur raschen Verbreitung des Brandes Anlaß gegeben haben soll, so daß man künftighin darauf Bedacht zu nehmen haben wird, einen minderbrennbaren Anstrich zu verwenden.

Auf Grund der bisher in die Öffentlichkeit gelangten Einzel- heiten lassen sich die während des jüngsten Seekrieges gemachten Erfahrungen der Hauptsache nach in folgenden Punkten zu- sammenfassen :

Die modernen Schiffseinrichtungen haben sich im allgemeinen bewährt.

Das ausschlaggebende Kampfmittel in offener Seeschiacht ist lediglich die Artillerie, namentlich die großen Kaliber.

Die entscheidende Rolle im modernen Seekriege fällt nur den Schlachtschiffen zu, und zwar den stärksten Repräsentanten dieses Typs. Die großen Marinen, denen auch die anderen bis zu einem gewissen Grade folgen müssen, sehen sich daher ver- anlaßt, das Deplacement der Schlachtschiffe von 14.000 bis 16.000 Tonnen auf 18.000 bis 19.000 Tonnen zu vergrößern, weil es nur dadurch möglich wird, den verschiedenen sich wider- sprechenden Bedingungen gerecht zu werden, d. h. die Schiffe mit einer mächtigen Artillerie hinter ausgiebigem Panzerschütze und einer relativ hohen Fahrgeschwindigkeit bei entsprechendem Aktionsradius auszustatten.

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England zum Beispiel baut den „Dreadnought", ein Schiff von 18.000 Tonnen mit 10 Stück 30 5 cm und 18 bis 20 Stück 10 cm Geschützen. Japan beabsichtigt ein im Bau befindliches 19.000 Tonnen Schlachtschiff („Satsuma") mit 4 Stück 30"5 cm, 8 Stück 25 cm und 12 Stück 12 cm Geschützen zu armieren, indem man offenbar in der größeren Feuerschnelligkeit der 25 cm Geschütze das geeignete Mittel erblickt, den Gegner rascher moralisch niederzukämpfen.

Zu gunsten der englischen Bestückung kann die größere Portee der 30*5 cm Geschütze und die hiedurch gebotene Möglich- keit hervorgehoben werden, die Entscheidung schon im Fern- kampfe herbeizuführen, oder doch wirksam vorzubereiten. Die Möglichkeit, dem Gegner den Fernkampf aufzuzwingen, ist allerdings auch an eine überlegene Eskadrefabrgeschwindigkeit gebunden.1)

Auf die ungeschützten Schnellfeuerkauouen kleinen Kalibers, kann im Anschluß an einen bestandenen Flottenkampf nicht mehr gerechnet werden, falls sie während der Aktion nicht abmontiert und in geschützten Räumen verwahrt worden wären.

Alle ungeschützten Aufbauten, wie Masten, Brücken, Galerien u. dgl., die im Kampfe keine Existenzberechtigung haben und die Treffläche unnützerweise vergrößern, müssen auf das Mindestmaß reduziert werden.

l) Die Anfnngsenergie, die die Artillerie des japanischen 19.000 Tonnen- Schlachtschiffes in einer bestimmten Zeit zu entwickeln vermag, kann der des „Dreadnouglit" überlegen angesehen werden, wie aus nachstehender Betrachtung hervorgeht.

Unter der Voraussetzung, daß die 30*5 cm Geschütze einen, die 25 cm drei und die 12 und 10 cm zehn gezielte Schuß pro Minute abzugeben imstande sind, und die bezüglichen Anfangsenergien mit 10.900, 4200, 330 und 194 mt pro Schuß veranschlagt werden, resultiert für eine Minute:

auf „Dreadnought" : auf „Satsuma" :

10.900x10 10.900x4 109.000 109.000 mt 43.600 43.600 mt

194x20x10 4200x3x8

38.800 38.800 100.800 100.860

147.800 mt 330x10x21

39.600 39.600

1 84.000 mt

Eine ähnliche Geschfltzplazierung vorausgesetzt, gilt dieses Verhältnis auch bei Berücksichtigung nur einer Bordseite.

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W i c k c r h a u s e r.

Es empfiehlt sich, die Kommandotürme ganz freistehend anzuordnen.

Um die Gefahr des Wassereinbruches bei Minen- und Torpedoexplosionen zu vermindern, wird die Frage erwogen, die großen Schiffe anstatt wie bisher mit Doppelboden, mit einem dreifachen Schiffsboden zu versehen. Längsschoten erhöhen die Gefahr des Kenterns, sind daher im allgemeinen zu vermeiden.

Der Ramme wird keine Bedeutung mehr beigemessen, daher wurde mit dem Baue von Schlachtschiffen und Kreuzein ohne Sporn begonnen.

Die Torpedowaffe hat die zweite Stelle unter den offensiven Kampfmitteln behauptet und sich, wie die Seeschlacht bei Tsushima dargetan hat, vorzüglich zur Ausnutzung des Erfolges bewährt. Auch in dieser Hinsicht haben sich die Japaner als Meister erwiesen. Wenn die japanischen Schiffe bei Tsushima im Tageskampfe schwerer gelitten hätten, so wäre die Verfolgung ausschließlich den Torpedofahrzeugen zugefallen, wodurch ihre Bedeutung noch erhöht worden wäre. Nicht minder wichtig ist die Rolle, die den Torpedofahrzeugen zufällt, um vor entscheidenden Flottenaktionen den Gegner zu ermüden, zu schwächen oder in seiner Bewegungsfreiheit zu behindern; einer Flotte müssen daher unbedingt Torpedoflottillen angegliedert sein.

Durch die Funkentelegraphie hat der ganze Aufklärungs- und Depeschendienst eine solche Vervollkommnung erfahren, daß sie zu einem unerläßlichen Hilfsmittel für alle künftigen Seeoperationen geworden ist. Mit Rücksicht auf die strategische Lage bot die Funkentelegraphie naturgemäß den Japanern größere Vorteile als den Russen.

Beide Parteien hatten im Laufe des Krieges eine Anzahl Unterseebote bereitgestellt, doch bot sich keine Gelegenheit, sie in Aktion zu bringen.

Schlußwort.

Die hohen moralischen Anforderungen, die der moderne Seekampf stellt, machen selbstredend die kriegerischen Tugenden den Geist, der die Marine beseelt zum wichtigsten Faktor des Erfolges, dem sich als weitere unerläßliche Bedingung eine gewissenhafte, bis ins kleinste Detail gehende Ausbildung und Perfektionierung auf allen einschlägigen Gebieten anreiht, die ihrerseits wieder in einer vollendeten Schießausbildung zu gipfeln hat. Grundbedingung zu jedem maritimen Erfolge ist und bleibt

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Einiges über die entscheidenden Episoden im jüngsten Seekriege. 39

aber eine entsprechende Flotte, wobei unter „entsprechend" das relative Stärkeverhältnis zu dem inbetrachtkommenden Gegner apostrophiert sein soll.

Mit unzulänglichen Mitteln läßt sich auch beim hervor- ragendsten Kampfesmute kein Seesieg erringen und jedes Ver- säumnis in dieser Hinsicht muß zum Verhängnis werden. Dies lehrt die Geschichte und bestätigt der Verlauf dieses Krieges.

Die Seeschlacht bei Tsushima bedeutet aber mehr als einen entscheidenden Sieg, der Japans künftige Großmachtstellung festigt, sie bildet einen Wendepunkt in der Weltgeschichte.

Der Erfolg der jüngsten Großmacht unter dem Banner der aufgehenden Sonne, ist der Vorbote eines unabsehbaren Ringens zwischen dem Osten und dem Westen, von dem die Geschicke künftiger Generationen abhängen werden. Dies sollten sich die westlichen Kulturnationen vor Augen halten, um für diesen Kampf gerüstet zu sein!

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Feldmäßiges Schießen der Infanterie aus versteckten Stellungen,

Von k. und k. Hauptmann Wilhelm Knobloch des Festungsartillerie- regiments Nr. ri.

Mit 12 Figuren auf Tafel 1. Nachdruck verboten. Überietzunjsrecht vorbehalten.

Im Herbst 1904 habe ich eine Broschüre unter dem Titel „Verstecktes Gewehrfeuer" publiziert,1) in welcher ich ein Projekt für eine neue indirekte Schießart der Infanterie entwickelte, welche, bei kriegsgemäßer Einfachheit und Leich- tigkeit der Ausführung, unserer Infanterie bedeutende taktische und auch technische Vorteile beim Schießen auf mittleren und großen Distanzen (Weitfeuer) zu bieten vermag und dadurch einen erheblichen Fortschritt beim Waffengebrauche inaugurieren, sowie den Gefechtswert der Infanterie wesentlich heben könnte.

Die von mir in der genannten Broschüre angegebene, sehr einfache Methode, welche eigentlich nur die Übertragung eines analogen Verfahrens der Artillerie auf die Verhältnisse der In- fanterie bedeutet und dem Bedürfnis der letzteren angepaßt ist, wurde im Sommer vorigen Jahres durch drei Infanterie- regimenter der Budapester Garnison auf dem Gefechtsschieß- platze von Piliscsaba in feldmäßiger Weise und mit sehr gutem Erfolge versucht; die Resultate dieser komparativen Schießversuche wurden von mir im 11. Hefte 1905 der „Mit- teilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesen 8U, herausgegeben vom k. und k. Technischen Militärkomitee, publiziert.

Überdies hat das k. und k. Reichskriegsministerium die offizielle Erprobung des Verfahrens durch ergänzende

') Zu beziehen vom Verfasser oder der Hofbuchhandlung Seidel und Sohn in Wien, beziehungsweise Buchhandlung Grill in Budapest, Preis 1 Krone.

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K n o b 1 o c h.

Schieß versuche der Armeeschi eßscliule in Bruck a. d. Leitha im heurigen Sommer angeordnet, von deren Ergebnis die Weiter- entwicklung meiner Methode und eventuell deren Einführung bei unserer Infanterie abhangen dürfte.

Da einerseits eine Broschüre nicht die wünschenswerte Verbreitung erfahrt (wie beispielsweise das „Organ der militär- wissenschaftliehen Vereine"), anderseits meine in der Broschüre niedergelegten Ideen und Vorschlüge nicht überall richtig aufgefaßt wurden, endlich die Broschüre das Thema nur in knapper Form behandelte, um damit den ersten Anstoß zu geben, will ich im nachfolgenden das Wesen, die Ausführung und die Vorteile des versteckten Schießens etwas näher beleuchten und eingehender behandeln, um damit das allgemeine richtige Ver- ständnis hiefür zu fördern.

Iliebei werde ich im Wesen jener Darstellung folgen, die ich am 9. Jänner dieses Jahres gelegentlich eines von mir über diese Frage gehaltenen Vortrages im militäi wissenschaftlichen Vereine in Budapest entwickelte.

Als vor einem Säkulum die Artillerie noch mit glatten Ge- schützen schoß, standen sich die gegnerischen Batterien auf kurzen Distanzen einander gegenüber. Die Feuerstellung wurde stets so gewählt, daß der Gegner von den Geschützen aus sichtbar war und der Vormeister sein Ziel direkt mit dem Aufsatze avisieren konnte. (Offene Stellungen.)

Mit dem Übergange auf die gezogenen Geschütze wurden die Schußdistanzen größer, aber die Art der Aufstellung blieb vorläufig die gleiche

Erst mit dem rapiden Anwachsen der Portee, Schußpräzision und namentlich der Geschoßwirkung seit Einführung der Hinteriadgeschütze und Brisanzgranaten, kam man allmählich zur Üb erzeugung, daß eine derartige freie Aufstellung der Geschütze, welche es dem Gegner möglich machte, sich gegen sie einzu- schießen, tunlichst vermieden werden sollte. Man begann die Geschütze zuerst derart zu postieren, daß sie vom Feinde nur schwer oder nur teilweise gesehen werden konnten, indem man sie etwas hinter die deckende Höhenlinie zurückzog oder sie hinter Gebüschen, hohem Getreide u. dgl. aufstellte, dadurch dem Gegner das Einsc hießen schwerer machte und ihn hinderte, seine volle Geschützwirkuug auszunützen. (Teilweise verdeckte Stellungen.)

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Solche Stellungen hatten aber noch immer das Mißliche, daß man mit dem Momente, als man das eigene Feuer eröffnete, auch schon die Autstellung der Geschütze verraten hatte, denn der beim Schusse entstehende bedeutende Pulverrauch zeigte dem Feinde sofort an, wo er unsere Batterie zu suchen hatte.

Mit der Einführung des rauchschwachen Pulvers änderte sich aber die Sachlage bedeutend. Der Wert der teil- weise verdeckten Stellung gewann wesentlich; immerhin aber konnte der Feind aus verschiedenen anderen Anzeichen unsere Geschützaufstellung noch immer, wenn auch schwerer, erkunden und sein Feuer bald dagegen richten.

Man suchte daher in der bereits eingeschlagenen Richtung fortzuschreiten und solche Stellungen zu wählen, welche es dein Feinde nahezu unmöglich machten, sie zu entdecken, indem man die Geschütze ganz dem Auge der feindlichen Beobachter selbst von einem Fesselballon aus entzog und sie hiezu hinter den Höhen, hinter Wäldern, Dörfern, in Mulden u. dgl. Terrainteilen so gut verdeckte, als es die Flugbahn- verhältnisse des betreffenden Geschützes und die Aufgabe der Batterie gestatteten. (Verdeckte Stellungen.)

Mit diesem Verdecken der eigenen Position wuchsen natürlich die Schwierigkeiten bei der Ausführung des Schießens. Einerseits erfordert das Feuer aus solchen verdeckten Stellungen oft. daß der Kommandant von einem mehr oder weniger entfernten Standpunkte aus die Beobachtung der eigenen Schüsse durchführt, anderseits ein entsprechend einfaches, rasches Ricbtverfahren, welche» es ermöglicht, die Geschütze gegen das von ihnen aus unsichtbare Ziel korrekt, nicht nur in Bezug auf Elevation, sondern auch in Bezug auf die Seitenstellung zu richten.

Die hiezu dienlichen Hilfsmittel und Methoden sind derzeit schon derart ausgebildet, daß das Schießen aus verdeckter Stellung für Belagerung s- und Festungsgeschütze beim Angriff und bei der Verteidigung von Festungen in einem nächsten Kriege schon zur Regel geworden sein wird. Das Gros der Angriffs- und flüchtigen Zwischenbatterien wird bei voller Ausnützung aller durch das Terrain gegebenen Vorteile aus ver- deckten Stellungen oder wenigstens hinter künstlichen Masken feuern. In offener Stellung werden meist nur mehr solche Batterien etabliert werden, deren Hauptaufgabe es ist, feindliche sich bewegende Truppen (Infanterie, Kavallerie, Feld-

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artillerie) zu beschießen oder Nahangriffe abzuwehren, in welchen Fällen noch immer der direkte Schuß angewendet werden muß. Wenn möglich werden aber solche Geschütze unter Panzer gestellt.

Diesem Entwicklungsgange des Schießwesens bei der Festun gsartillerie folgte, wenn auch zögernd, die Feld- artillerie. Auch sie muß trachten, sei es im Festungs-, sei es im Feldkriege, nur dann sich frei aufzustellen, wenn uur so der Gefechtszweck erreicht werden kann.

War schon früher das offene Auffahren einer Feldbatterie gegenüber einem in Stellung befindlichen und vorbereiteten Gegner ein gewagtes und gefährliches Unternehmen, so haben sich die Verhältnisse seit Einführung der Schnellfeuergeschütze noch mehr zu Ungunsten einer offenen Aufstellung geändert. Die Vernichtung einer solchen offenen Batterie kann das Werk einiger Minuten sein!

Die Feldartillerie wird daher gezwungen sein, nicht nur während des Marsches in die Feuerstellung, sondern auch in letzterer selbst, sich der Sicht des Gegners tunlichst zu ent- ziehen, was immer angängig sein wird, sobald es sich um das Beschießen von Zielen handelt, die ihren Aufstellungsplatz nicht oder nur selten verändern, oder wo es darauf ankommt, einen bestimmten Raum unter Feuer zu halten.

So unsympathisch auch manchem Feldartilleristen das Ver- stecken einer Batterie sein mag: der zwingenden Notwendigkeit, das Schießen aus verdeckten Stellungen mehr als früher zu kul- tivieren, wird sich die Feldartillerie nicht verschließen können.

Wir sehen ja, daß auf Grund der Erfahrungen im letzten asiatischen Kriege die russische Feldartillerie ihr Schießen in erster Linie auf die verdeckte Stellung und auf die Ver- wendung des Richtkreises zur indirekten Seitenrichtung basiert, ferner daß sämtliche europäischen Feldartillerien analoge Richtinstrumente teils schon besitzen, teils zur Einführung bringen und daß auch unser zukünftiges Schnellfeuerfeldgeschtitz mit einem Richtkreis ausgestattet sein wird.

Ist man nun über den Entwicklungsprozeß des artillerie- Btischen Schießwesens in obigem Sinne orientiert, so drängt sich unwillkürlich die Frage auf, warum nicht auch die In- fanterie, dort wo es zweckmäßig und vorteilhaft erscheint, von dieser indirekten Schießart Ge- brauch macht?

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Sind denn die Gefechtsverhältnisse der Iufanterie so grund- verschieden von jenen der Feldartillerie, daß sie nicht imstande wäre, in gewissen Fällen aus einer verdeckten oder sagen wir besser „ve rst e ekte n" Stellung mit Erfolg zu schießen?

Muß sie sich immer, um von ihrer Feuerwaffe Gebrauch zu machen, dem Gegner zeigen und es ihm ermöglichen, sie mit seinem Feuer zu überschütten und ihr große Verluste bei- zubringen ?

Die Benützung von Schützengräben und sonstigen direkten Dockungen äudert hu ran wenig. Wenn auch dadurch die Treff- fläche des Schützen auf das zulässige Mini malmaß herabgedrückt und die Verluste vermindert werden können, das Eine kann man dadurch nicht verhindern, daß nämlich der Gegner weiß, wo wir stehen und daß er darnach Ge»entnaßregeln zu unserer systematischen Niederkämpfung treffen kann.

Denn sobald unsere Infanterie aus einem Schützengraben feuert, verrät sie sich dem Gegner durch das Aufblitzen ihrer Schüsse, durch den wenn auch schwachen Pulverrauch und hauptsächlieh durch die Bewegungen der Schützen bei der Feuerabgabe. Überdies findet man auch in der Verteidigung nicht immer Zeit und Gelegenheit zur Schaffung künstlicher Deckungen.

Würde aber unsere Infanterie, wenn es die Umstände erlauben, ihr Feuer in ähnlicher Weise aus einer gegen Sicht des Gegner versteckten Stellung abgeben wie die Feldartillerie, so wäre es ihr dadurch möglich, den Feind über den Ort unserer Aufstellung und auch Uber unsere Stärke zu täuschen, ihn mit unserem Feuer zu überraschen, ihn zu falschen Maßnahmen zu verleiten und ihm über hau pt die Möglichkeit zu benehmen gegen uns planmäßig vorzugehen.

Worin liegt also der Grund, daß nicht nur unsere Infanterie, sondern auch jene aller anderen Staaten, bis heute von einem solchen Schießverfahren nichts wissen wollte? Der Grund ist einfach der, daß erst mit Einführung des rauchschwachen Pulvers dieses Schießen überhaupt ausführbar wurde und daß es überdies bisher an einer für die Infanterie brauchbaren, kriegsgemäß einfachen Methode hiefür fehlte.

Daß es aber eine solche Methode gibt und daß mit ihr die Infanterie nicht nur taktische Vorteile sondern

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auch eine Verbesserung ihres Schießens in techni- scher Beziehung ernten kann, dies zu zeigen, soll der Zweck der nachfolgenden Erörterungen sein, bei welchen die Theorie nur jene elementare Rolle spielen soll, welche zum Verständnisse des Wesens des versteckten Schießens unbedingt nötig erscheint.

Denken wir uns, es sei L (Tafel I, Fig. 1) der Lauf eines Infanteriegewehres, welches gegen ein auf 10üOx entferntes Ziel Z gerichtet ist. Hiebei geht die Visierlinie vom Grinsel Gl über die Spitze des Visierkornes K auf den Zielpunkt Z, und die Laufachse L hat die zum Treffen des Zieles erforderliche Ele- vation, wobei natürlich von den Witterungseinflüssen und von der Streuung der Flugbahnen abgesehen ist.

Schieben wir nun, ohne die Stellung der Laufachse L zu ver- ändern, den Aufsatzschuber weiter herab, z. B. bis zum Distanzstrich „600", so geht nun die neue Visierlinie Uber das verschobene Grinsel G2 und über die Kornspitze K in der Richtung H über das Ziel Z hinweg.

Dieses Hinwegstreichen der Visierlinie über das Ziel wird umso bedeutender sein, je mehr wir das Grinsel am Aufsatze nach abwärts schieben, je größer also mit anderen Worten der Unterschied der beiden Grinselstellungen G1 und G2 ist.

Das Winkelmaß a, um welches die Visierlinie KH gegen die normale Visierlinie KZ gehoben wurde, entspricht dem gleichen Winkel a, um welchen wir das Grinsel nach abwärts geschoben haben.

Geben wir nun einen Schuß ab, so wird, da ja die Lauf- achse L ihre ursprüngliche Elevation beibehalten hat, die Flug- bahn F wieder das Ziel Z treffen.

Wie wir aus der Figur 1 entnehmen, schneidet hiebei diese Flugbahn die verschobene Visierlinie KH in irgend einem Punkte S.

Je weiter wir das Grinsel herabschieben, in desto kürzerer Entfernung wird der Punkt S von der Gewehr- in Undung abliegen.

Die Distanz KS muß in unserem konkreten Beispiele 600x be- tragen, weil das Grinsel G2 die Aufsatzhöhe 600x besitzt und die Visierlinie, nach einer bekannten elementaren ballistischen Regel, stets in jenem Punkte von der Flugbahn ge- schnitten wird, dessen Entfernung der jeweilig benützten Aufsatzdistanz gleich ist.

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Würden wir das Grinsel nicht auf 600 sondern bis auf 300 herabschieben, so würde sich die Visierlinie KH entsprechend heben und der Schnittpunkt S nicht mehr 600x, sondern nur mehr 30üx entfernt sein.

Aus dem Gesagten ist ohneweiters klar, daß es ganz gleich- giltig ist, ob wir das Gewehr mit der Grinselstellung Gl gegen das Ziel Z selbst, oder mit der Grinselstellung G2 gegen den höheren Punkt H einvisieren, da in beiden Fällen die Lauf- achse L die gleiche Stellung erhält und die Flugbahn b ei de- in ale den gleichen Punkt des Zieles trifft.

Liegt also in der Richtung KH irgend ein zum Zielen geeigneter Gegenstand, z. B. die Bergspitze Hx oder die Pappel- spitze H2 so ist es nach obigem für das Schießen und Treffen gleichgiltig, ob mit der normalen Aufsatzdistanz KZ auf daß Ziel Z oder aber mit der kleineren Aufsatzdistanz KS gegen die Bergspitze Hx (Pappel H2) visiert wird.

Wir nennen den zu Hilfe genommenen Punkt HY (H2) den „Hilfszielpunkt", die Distanz KS die „reduzierte Aufsatz- distanz".

Es ist ersichtlich, daß die reduzierte Aufsatzdistanz oder die Grinselhöhe AG% (reduzierte Aufsatzhöhe) umso kleiner sein muß, je größer die Überhöhung a des Hilfszielpunktes in bezug auf das Ziel ist. Es ist aber klar, daß es ganz gleichgiltig ist, wie weit der Hilfszielpunkt vom Schützen entfernt ist, ob er also hinter dem Ziele, wie in Hx oder H2, oder aber vor dem Ziele liegt.

Die Distanz des Hilfszielpunktes spielt daher keine Rolle, sondern nur seine Überhöhung a.

Da nun mit dem Größerwerden dieses Winkels a die reduzierte Aufsatzdistauz immer kleiner wird, die kh inste zu- lässige Aufsatzhöhe beim Infanteriegewehr aber 300x beträgt, so folgt daraus, daß der Hillszielpunkt nur dann für das Schießen benutzbar ist, wenn dessen Überhöhung a nicht eine kleinere reduzierte Aufsatzdistans als 300x bedingt.

Daraus folgt weiters, daß die zulässigen Schwankungen der Lage des Hilfszielpunktes in jenem Winkeloereich liegen, welcher durch die der wirklichen Distanz des Zieles zu- kommende jeweilige Aufsatzhöhe und durch die Aufsatzhöhe 300x begrenzt ist.

Wir haben bisher nur die Verhältnisse bei höher als das Ziel liegenden Hilfszielpunkten betrachtet, da nur solche für das

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versteckte Schießen in Betracht kommen können. Bei tiefer liegenden Hilfszielpunkten ändert sich das Ganze nur insoweit, als die für einen solchen Hilfszielpunkt zutreffende Aufsatzhöhe nicht kleiner, sondern entsprechend größer ausfällt, als die normale Aufsatzhöhe für das Visieren auf das Ziel.

Aus der ganzen bisherigen Darstellung geht eine zweite elementare ballistische Regel hervor, welche lautet:

rDas Ziel wird nicht nur allein bei der Aufsatz*tellung für die wirkliche Distanz, sondern auch bei Verwendung einer beliebigen höheren (tieferen) Aufsatzstellung getroffen, wenn die Visur mit derselben gegen einen entsprechend tieferen (höheren) Punkt erfolgt, also ein außerhalb des Zieles liegender, geeigneter Hilfszielpunkt benützt wird."

Oder anders gesagt:

rBenützt man einen Hilfszielpunkt, welcher höher (tiefer) liegt, als das Ziel, so ist zum Treffen des letzteren eine gegen die normale verkleinerte (vergrößerte) Aufsatzhöhe erforderlich. Das Maß der Verkleinerung (Vergrößerung) der Aufsatzhöhe ist proportional dem Grade der Überhöhung (Vertiefung) des Hilfszielpunktes. "

Ist also das zu beschießende Ziel, z. B. eine feuernde Schwarmlinie, nur sehr schlecht siebtbar oder wird es vermutlich infolge von Staub, Regen u. dgl. demnächst ganz unsichtbar werden, so wählt man einen gut markierten, deutlich sichtbaren Terrainpunkt, welcher über oder unter dem Ziele erscheint als Hilfszielpunkt und bestimmt sich für letzteren die zutreffende Aufsatzhöhe.

Wie dies geschehen kann, zeigt die Fig. 1. Visiert man nämlich mit dem der Zieldistanz entsprechenden Aufsatz- höhe AGX auf den Zielpunkt Z, hält dann das Gewehr in dieser Lage fest und schiebt den Aufsatzschuber soweit nach abwärts bezw. aufwärts, bis die neue Visur den gewählten Hilfs- zielpunkt H trifft, so zeigt die neue Schuberstellung G% am Aufsatze unmittelbar jene Aufsatzdistanz an, welche zu be- nützen ist.

Bisher haben wir noch immer von einem Schießen ge- sprochen, bei welchem der Schütze sowohl das Ziel als auch den Hilfszielpunkt sehen konnte und gezeigt, daß man mit dem Gewehr selbst die Aufsatzstellung für den Hilfszielpunkt ermitteln kann. Es ist nun leicht einzusehen, daß die Handhabung des Gewehres zu diesem Zwecke eine nicht ganz leichte ist, da es

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hiezu irgend einer Vorrichtung zum Festhalten des Gewehres (Einspannvorrichtung) bedürfte, um nicht durch unbeabsichtigte Verrückungen des Gewehres größere Fehler zu begehen. Dieses Bestimmen der reduzierten Aufsatzdistanz kann jedoch mit einem separaten Instrumente viel leichter und zwar durch den Kommandanten der schießenden Abteilung selbst erfolgen und hiedurch auch für das versteckte Feuer angewendet werden.

In der Eingangs genannten Broschüre habe ich hiezu eine sogenannte „Meßplatte" vorgeschlagen, deren Einrichtung die Figuren 2 und 4 zeigen.

Diese Platte kann aus Metall, Holz oder Karton erzeugt sein und ist an einer Kante mit einer von 300x bis 2600* reichenden Distanzskala versehen. Die gegenseitigen Abstände der Distanzstriche sind die gleichen wie am Gewehre selbst. Die Distanzskala ist also nichts anderes als die umgekehrte Aufsatzskala des Gewehres, indem die größte Aufsatzdistanz unten, die kleinste oben angebracht ist.

Die Länge der Visierlinie des Infanteriegewehres be- trägt bekanntlich rund 66 cm, welches Maß auch gleichzeitig der durchschnittlichen Länge des gestreckten Armes erwachsener Personen entspricht.

Hält man also die Meßplatte bei gestrecktem Arme vor das visierende Auge, so erscheinen die gegenseitigen Abstände der Distanzstriche der Meßplatte in derselben Größe, als würde man beim Gewehre vom Visierkorn aus nach rückwärts auf den aufgestellten Aufsatz schauen, nur in umgekehrter Reihenfolge.

Um demnach die dem gewählten Hilfszielpunkt H (Fig. 3) zukommende Aufsatzhöhe für das Treffen des Zieles Z mit der Meßplatte M zu bestimmen, braucht man nur letztere auf 66 cm vor das visierende Auge und zwar so zu halten, daß der Distanzstrich für die wirkliche Zieldistanz, z. B. 1000x in die Visur nach dem Ziele gelangt und bei dieser Stellung jenen Distanzstrich, z. B. 600x abzulesen, in dessen Richtung der Hilfszielpunkt erscheint.

Wird diese abgelesene Aufsatzhöhe 600x kommandiert und der Hilfszielpunkt H mit derselben anvisiert, so wird das Ziel Z ebenso getroffen, als wenn man es mit dem Aufsatze 1000x direkt anvisiert hätte.

Um die Meßplatte in dem richtigen Abstände von 66 cm vor das Auge zu halten, empfiehlt es sich, diese Augdistanz

Organ der MiUt»rwiMen«cu»ftlicben Vereine. LXXIII. Bd. 1906. 4

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durch eine Schnur von gleicher Länge zu sichern, um die Genauigkeit der Arbeit zu vergrößern.

Wir haben bis jetzt vorausgesetzt, daß der Hilfszielpunkt wohl außerhalb des Zieles, jedoch dabei in der Schußrichtung, d. h. in der durch den Standpunkt des Schützen und durch den Zielpunkt gelegt gedachten Vertikalebene sich befindet.

Dies wird wohl sehr oft, aber nicht immer der Fall sein. Liegt der Hilfszielpunkt etwas links oder rechts des Zieles, so würden die Schüsse um dieses Maß Dach links oder rechts ab- weichen, also das Ziel nicht treffen.

Für die Benützung derartiger HilfszielpuDkte ist es daher meist erforderlich, nicht nur die „reduzierte Aufsatz- d i s t a n zw, sondern auch eine „Seitenverschiebun g", analog wie bei der Artillerie, zu ermitteln und zu erteilen, wodurch die Seitenstellung des Hilfszielpunktes berücksichtigt werden kann.

Hiezu habe ich in der mehrerwähnten Broschüre einerseits die hiefür nötige Einrichtung der Meßplatte, anderseits die Ver- sehung des Gewehres mit einem am Visierkorns töckel verschiebbaren, losen, mit einer Millimeterskala und einem H i 1 f s k o r n versehenen Querarm vorgeschlagen.

Die Einrichtung der Meßplatte besteht in der Anbringung einer Millimeterskala, Fig. 4, an der zweiten Kante, deren Null- strich in der Mitte liegt, und von welchem aus die Bezifferung nach beiden Seite bis etwa 50 läuft.

Die Ermittlung und Erteilung der Seitenverschiebung mit Rücksicht auf einen zu benützenden Hilfszielpunkt, welcher links oder rechts vom Ziele erscheint, geschieht wie folgt:

Der Kommandant hält die Meßplatte bei gespannter Schnur so vor das visierende Auge, daß der Nu 11 strich der Millimeter- skala in die Visur nach dein Ziele Z (Fig. 5) gelangt und liest jenen Millimeterstrich ab, in dessen Richtung der Hilfsziel- punkt H erscheint. Diese Ablesung ergibt den Sinn und die Größe der mit dem Querarm des Gewehres zu erteilenden Säitenverschiebung.

Wäre z. B. die Ablesung mit „5 rechts" (Fig. 5) erfolgt, so müßte der Querarm so gestellt werden, daß das Hilfskorn um 5 mm nach rechts vom Normalkorn des Gewehres zu stehen käme.

Der Schütze visiert dann mit dem so gestellten Hilfskorne nach dem Hilfszielpunkt, wodurch der Schuß in der Richtung auf das Ziel abgeht.

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Um einen Irrtum beim Visieren zu vermeiden, ist der Querarm so eingerichtet daß er das Normalkorn verdeckt.

Nach dieser Einleitung wollen wir nun zu unserem eigent- lichen Thema, nämlich zum „versteckten" Schießen über- gehen.

In Figur 6 sind die Verhältnisse des Schießens analoge wie in Figur 1. Der Unterschied besteht nur darin, daß sich nahe vor der schießenden Abteilung A ein Terrainobjekt D be- findet, welches die Sicht von A nach Z und umgekehrt verhindert.

Dem Ziele ist es daher nicht möglich, die eigene schießende Abteilung zu sehen, das heißt, wir befinden uns jetzt in einer „versteckten Stellung". Umgekehrt können auch unsere Schlitzeu das Ziel nicht sehen, daher auch nicht auf dasselbe visieren, sondern es muß ein entsprechend höherer, von A aus noch sichtbarer Punkt H des Terrains als Hilfszielpunkt benutzt werden. Wie dies geschehen muß, haben wir schon in der Ein- leitung entwickelt.

Der Kommandant braucht nur von einem Punkte zunächst der Stellung A, von welchem aus er Ziel und Hilfszielpunkt zu sehen vermag, mittels der Meßplatte die reduzierte Aufsatzdistanz und, wenn der Hilfszielpunkt nicht in der Schußrichtung liegt, auch die Seitenvorschiebung zu ermitteln, diese beiden Elemente zu kommandieren und das Feuer eröffnen zu lassen, z. B. :

das Ziel Z wäre von A auf 2000x entfernt. Der Kommandant hat mit seiner Meßplatte die reduzierte Aufsatzdistanz mit 1000*, die Seitenstellung des Hilfszielpunktes mit „15 rechts" bestimmt. Er kommandiert daher:

„Hilfszielpunkt die Bergspitze!"

„10 Hundert!"

„Querarm 15 rechts!"

Die Mannschaft stellt den Aufsatz auf den Distanzstrich 1000x und den Querarm auf 15 mm rechts ein, visiert über Grinsei und Hilfskorn auf den Hilfszielpunkt H und eröffnet das Feuer.

Das Ziel wird ebenso sicher getroffen, als ob die Deckung D nicht vorhanden wäre und die Abteilung mit dem Aufsatze 2000x auf das Ziel selbst visiert hätte.

Wir wollen nun den Genauigkeitsgrad des versteckten Feuers untersuchen.

Bei der Bestimmung der reduzierten Aufsatzdistanz mittels der Meßplatte kann ein Fehler resultieren, welcher aus den kleinen

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Fehlern entsteht, die sich aus einer uurichtigen Ablesung des Distanzstriehes und aus einer gegen die richtige Augdistanz von 66 cm abweichenden Haltung der Meßplatte ergeben. Außerdem ergibt sich noch aus dein Umstände, daß der Kommandant nicht von der Stellung der schießenden Abteilung aus, sondern von einem anderen, obwohl nicht weit davon entfernten Aussichts- punkte die Messung des Winkels a vornimmt, ein weiterer kleiner Fehler.

Bezeichnen wir den Fehler beim Ablesen mit a, den durch unrichtige Augdistanz sich ergebenden mit b und den durch die Aufstellung des Kommandanten entstehenden mit c, so resultiert, da die einzelnen Fehler sowohl positiv als auch negativ sein können, der tatsächliche Fehler in der Ermittlung der redu- zierten Aufsatzdistanz im allgemeinen nach dem Didion'scheo Lehrsatz mit:

f = |/a* + b2-Fc«

Es ist daher anzunehmen und auch durch die Praxis be- stätigt, daß bei der Ermittlung der reduzierten Aufsatzdistanz kaum größere Fehler als höchstens 100x entstehen, voraus- gesetzt natürlich, daß der Messende mit dem Gebrauche der Meßplatte vertraut ist und sich wenigstens einigemale darin geübt hat.

Bedenken wir, daß die Tiefenstreuung der Kerngarbe beim Abteilungsfeuer auf 1500x schon im Frieden etwa 150x beträgt und im Gefechte jedenfalls erheblich größer sein wird, daß die Distanz des Zieles ja meist ohnehin nicht genau bekannt ist, daß ferner der Aufsatz nicht auf eine beliebige Zwischen- distanz gestellt werden kann und endlich die im vorhinein nicht abschätzbaren Witterungseinflüsse die Kerngarbe verschieben, so ist es einleuchtend, daß die kleinen Fehler des Messenden für den TrefFerfolg im Ern stkampfe ganz unwesentlich sind.

Dagegen ist es unzweifelhaft, daß die Präzision des Schießens beim versteckten Feuer eine größere ist, als bei dem direkten Feuer, und zwar aus folgenden Ursachen :

1. an Stelle des oft schwer sieht- und anvisierbaren Zieles selbst, benützt die Mannschaft einen gut sichtbaren, markanten Punkt des Terrains (Hilfszielpunkt), welcher nicht leicht mit einem anderen verwechselt werden kann. Dadurch wird nicht nur das richtige Zielen und Abkommen bedeutend erleichtert, sondern es werden auch die sonst oft auftretenden Irrtümer in

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der Auffassung des richtigen Zieles wenn, wie es ja meist der Fall, deren mehrere vorhanden sind ausgeschaltet;

2. da beim versteckten Schießen stets eine kleinere Auf- satzhöhe bentitzt wird, als die Zieldistanz beträgt, so arbeitet der einzelne Mann durch den bequemeren Anschlag viel leichter und sicherer, was besonders beim Feuer auf großen Distanzen (Weit- feuer) augenfällig in die Erscheinung tritt;

3. da sich die Abteilung in einer Stellung befindet, wo sie vom Gegner nicht gesehen wird, sie daher selbst gewöhnlich nicht in feindlichem Feuer steht, wird das Schießen im Ernstfalle mit einer viel größeren Ruhe abgegeben werden, als beim direkten Schießen, bei welchem die Mannschaft der feindlichen Sicht und der feindlichen Wirkung ausgesetzt wäre.

Alle in Punkt 1. bis 3. genannten Momente wirken in günstigem Sinne für die Präzision des eigenen Feuers zusammen und verursachen, daß die Tiefenstreuung der Kern- und noch mehr der Fehlschußgarbe wesentlich verkürzt und dadurch auch die Beobachtung der Geschoßaufschläge eine leichtere wird.

Diese theoretischen Erwägungen wurden durch die Resultate der Eingangs erwähnten Schießversuche in Piliscsaba, von welchen die Daten später folgen werden, bestätigt.

Gehen wir nun auf den Genauigkeitsgrad des versteckten Schießens in Bezug auf die Seitenrichtung über, wenn in- folge der seitlichen Lage des Hilfszielpunktes, der Querarm benützt werden muß.

Bei der Augdistanz von 66 cra entspricht einem Millimeter der Skala der Meßplatte, Fig. 3, ein Sehwinkel, dessen Tangente Veeo beträgt. Wenn also der Messende einen Ablesungsfehler von 1 mm begeht, so wird dadurch bei einem 660x entfernten Ziele eine Seitenabweichung des Schusses von lx hervorgerufen. Es betragen daher die bezüglichen Seitenabweichungen auf den Schußdistanzen von 1000x 1500*, 2000x und 2500x ungefähr 17*x, 2»/4x 3X und 3V-

Da jedoch das versteckte Schießen nicht von einem ein- zelnen Schützen, sondern von ganzen Abteilungen und überdies nicht gegen einen einzelnen feindlichen Schützen, sondern gegen eine mehr oder weniger breite Zielfront aus- geführt wird, so sind derartige Messungsfehler bei der Ermittlung der Seitenverschiebung für die Praxis ebenfalls ganz be- deutungslos.

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Haben wir in Bezug auf die Höhenrichtung früher ge- sehen, daß die Garbe beim Abteilungsfeuer aus versteckter Stellung geschlossener ist als jene beim direkten Schießen, so werden wir in Bezug auf die Seitenrichtung finden, daß zumeist von selbst und ohne Kenntnis der einzelnen Schützen eine gewisse Feuerverteilung nach der Breite eintritt.

Liegt nämlich der gewählte HilfszielpuDkt sehr weit hinter dem Ziele Z (z. B. auf einem sehr entfernten Berge) Fig. 7, so können die Schußrichtungen der beiden Flügel der schießenden Abteilung A als parallel betrachtet werden. Dadurch wird eine Zielfront bestrichen, welche ungefähr gleich breit wie die eigene Abteilung ist und in welcher sich die Schüsse der übrigen Schützen ganz gleichmäßig verteilen (Parallelfeuer). Hiebei ist es gleichgiltig, ob der Hilfszielpunkt in der Schuß- richtung des Zieles oder links bezw. rechts davon liegt, da ja in den letzteren Fällen durch Anwendung der Seitenverschiebung des Querarmes die Seitenlage des Hilfszielpunktes unschädlich ge- macht ist.

Liegt der Hilfszielpunkt nicht in so großer Entfernung, so verringert sich hiedurch die Feuerverteilung (Fig. 8). Befindet er sich in doppelt so großer Entfernung als das Ziel, so reduziert sich die bestrichene Zielbreite auf die h a 1 b e Breite der eigenen Front.

Würde der Hilfszielpunkt auf gleicher Distanz mit dem Ziele liegen, so käme eine Feuer konzentrierung in einem Punkte des Zieles zu Stande (Fig. 9), während bei der Lage des Hilfs- zielpunktes vor dem Ziele (Fig. 10) wieder eine Feuerverteilung, jedoch mit Kreuzung der Schußlinien entstehen würde (Kreuzfeuer).

Die Fälle der Fig. 9 und 10 werden nur selten eintreten können, zumeist werden die Verhältnisse wie in Fig 8 liegen, demnach die Schüsse sich auf eine Zielfront verteilen, welche etwas kleiner als die eigene Frontbreite ist, wodurch einer Zer- splitterung des Feuers von selbst vorgebeugt ist.

Sollte aber in einem konkreten Falle eine größere Feuer- verteilung platzgreifen müssen, so kann durch Anwendung ver- schiedener Seitenverschiebungen bei den zwei Gliedern eines Zuges oder bei den Zügen einer Kompagnie, die Feuer- verteilung bedeutend vergrößert werden. Es ist hiebei nur zu beachten, daß durch eine Verschiebung des Hilfskornes nach links (rechts), der Schuß bezw. die ganze Salve nach rechts (links) verlegt wird.

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Während also beim versteckten Schießen eine gleich- mäßige Feuerverteilung gewissermaßen automatisch, ohne Dazutun der einzelnen Schützen, erreicht wird, stößt die Feuer- verteilung beim gewöhnlichen direkten Schießen zumeist auf große Schwierigkeiten, da entweder die Schützen selbst das Feuer durch Wahl der richtigen Zielpunkte verteilen müßten oder aber durch die feuerleitenden Offiziere (Unterofh'ziere) hiezu veranlaßt werden müßten. Beide Arten sind sehr unsicher, im Gefecht kaum ausführbar und schwer kontrollierbar. Das automatische Feuer verteilen muß daher als ein weiterer taktischer und technischer Vorteil des versteckten Feuers bezw. der Benützung eines Hilfszielpunktes angesehen werden.

Wie aus den bisherigen Erörterungen hervorgeht, macht das versteckte Schießen dem Manne keine Schwierigkeit. Liegt der Hilfszielpunkt in der Schußrichtung so arbeitet der Mann genau so wie sonst, d. h. er stellt den Aufsatz auf die kom- mandierte Distanz und visiert auf den kommandierten Zielpunkt (Hilfszielpunkt).

Nur bei der Lage des Hilfszielpunktes seitlich des Zieles tritt eine Vermehrung der Tätigkeit des Mannes dadurch ein, daß er außerdem noch den Querarm einzuschieben und auf die kommandierte Millimeterzahl einzustellen hat.

Kann dieser Umstand die Ausbildung der Infanterie wesent- lich erschweren? Ich denke nicht!

Was sollte dann die Artillerie und insbesondere die Festungs- artillerie machen, bei welcher sich auch keine ausgesuchten Leute befinden? Die Artillerie bekommt das gleiche Mannschafts- materiale wie die Infanterie und ebenso Analphabeten wie diese und um wie vieles komplizierter ist doch die Ausrüstung und Bedienung eines modernen Geschützes?! Jeder Artillerist muß nicht nur den Aufsatz seines Stutzens und eines jeden der vielerlei Geschütze stellen können, sondern auch imstande sein, die sonstigen bedeutend komplizierter zu behandelnden Richt- instrumente wie Quadrant, Richtbogen, Richtvorrichtung, Richt- schuber u. s. w. richtig zu gebrauchen, obwohl die Dienstzeit bei der Artillerie die gleiche wie bei der Infanterie ist.

Wir wollen nun sehen, wie die Tätigkeit des kommandieren- den Offiziers bei der praktischen Ausführung des versteckten Schießens beschaffen ist.

Diese Tätigkeit vor Beginn des Schießens wird sich er- strecken müssen auf:

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Kn ob loch.

1. die Wahl eines geeigneten Hilfszielpunktes,

2. die Handhabung der Meß platte,

3. die Wahl des engeren Aufstellungsortes seiner Abteilung,

4. das Erteilen des Kommandos für die Feuereröffnung. Hiezu wäre noch folgendes zu bemerken:

Ad 1. Wir haben schon früher erwähnt, daß die Uber- höhung des Hilfs Zielpunktes nur so groß sein darf, daß keine kleinere reduzierte Aufsatzdistanz als 300x resultiert. Daraus folgt, daß man umso größere Freiheit in der Wahl eines Hilfs- zielpunktes hat, je größer die Distanz des Zieles ist, weil hie- durch die Winkeldifferenz zwischen dem Aufsatz für die Ziel- distanz und dem Aufsatz 300* immer größer wird und daher ein größerer Winkelraum ober dem Ziel zum Aufsuchen eines ge- eigneten Hilfszielpunktes zur Verfügung steht.

Der Winkelraum zwischen der Aufsatzstellung 2600x und 300x beträgt ungefähr 5°, das heißt, man kann beim Beschießen eines Zieles, welches 2600x entfernt liegt, noch einen Punkt des Terrains als Hilfszielpunkt benützen, welcher um höher liegt als das Ziel.

Daraus folgt weiters, daß das versteckte Schießen sich haupt- sächlich für das Schießen auf großen und mittleren Distanzen eignet.

Der zulässige seitliche Abstand des Hilfsziel- punktes vom Ziele hängt von dem Bereich der Millimeter- skala am Querarme und an der M'eßplatte ab. Wir können annehmen, daß die Ausdehnung der Skala bis auf 50 mm beider- seits des Nullpunktes (Fig. 4) für die Praxis ausreicht. Es können dann noch solche Hilfszielpunkte in Betracht kommen, deren scheinbare seitliche Entfernung von der Schußrichtung nicht mehr als 50 mm oder gleichfalls etwa beträgt.

Eine selbstverständliche Voraussetzung für die Eignung eines Hilfszielpunktes ist die, daß er deutlich markiert, nicht leicht verwechselbar und von der Aufstellung der schießenden Abteilung aus noch sichtbar sein muß (Fig. 6).

Ad 2. Wie wir schon aus den vorangegangenen Erläute- rungen gesehen haben, erfordert die Benützung der Meßplatte für die Ermittlung der Schußelemente gar keine Rechnungen, Tabellen u. dgl. Die Handhabung ist eine rein mechanische, manuelle Arbeit, ohne jede geistige Anstrengung und daher auch unter den störenden Einflüssen des Krieges leicht aus-

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FeMmfißiges Schießen der Infanterie etc.

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führbar. Nach ganz kurzer Übung erfolgen die Messungen außerordentlich rasch und sicher.

Da die schießende Abteilung für die Ausführung des Schießens verdeckt sein muß, so kann von ihrem Aufstellungs- platze aus die Messung mittels der Meßplatte nicht erfolgen. Dies wird meist von einem etwas vor- und seitwärts gelegenen Punkte au» geschehen müssen. In diesem Falle ergibt sich durch die Messung in der Regel eine etwas zu kleine reduzierte Aufsatzdistanz, welcher geringe Fehler dadurch berücksichtigt werden kann, daß man, wenn der Hilfszielpunkt bei der Messung zwischen 2 Hundertern der Skala erscheint, die größere der beiden Distanzen als reduzierte Aufsatzdistanz wählt.

Ad 3. Der Platz für die Aufstellung der schießenden Abteilung soll mit Rücksicht auf Feuerleitung und Beobachtung tunlichst nahe an der verdeckenden Linie (Höhenlinie, Mauer, Planke, Waldstreifen etc.), jedoch so gewählt werden, daß der Hilfszielpunkt noch sichtbar ist und bei der Feuerabgabe nicht nur die Abteilung selbst, sondern auch die Feuer- und R au eher sch ein un gen ihrer Schüsse vom Feinde nicht gesehen werden können.

Das Feuer kann dann je nach den Deckungsverhältnissen in stehender, knieender oder liegender Stellung ab- gegeben werden.

Ein Abstand von mehr als 50* von der vorliegenden Deckung wird nur selten notwendig sein.

Beim Schießen selbst gehen dann die Flugbahnen stets sicher über die vorliegende Deckung hinweg, solange der Ab- stand der schießenden Abteilung von derselben kleiner ist als die kommandierte reduzierte Aufsatzdistanz. Da letztere ja mindestens 300x betragen muß, so ist ein Einschlagen der eigenen Geschosse in die Deckung nicht zu be- sorgen, weil ja die Visierlinie auf keiner kürzeren Entfernung von der Flugbahn geschnitten werden kann und überdies die Visierlinie selbst noch um ein gewisses Maß über die vorliegende Deckung streicht (Fig. 6).

Wir wollen aber nun anschließend die auf die engere Wahl des Aufstellungsplatzes für die schießende Ab- teilung Einfluß nehmenden Faktoren etwas näher betrachten.

Sei Z (Fig. 1 1) das zu beschießende Ziel, D eine Deckung (Mauer, Planke, Hecke, Damm u. dgl.), hinter welcher die

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Knoblocli.

Abteilung für das versteckte Schießen placiert werden soll, und H der zu benützende Hiltszielpunkt.

Zieht man von Z und von 11 aus gerade Linien durch die deckende Linie D und verlängert sie nach rückwärts, so zeigt uns der dazwischen liegende Raum zDh an, wo sich die Mündungen der Gewehre befinden müssen. In jedem Punkte dieses Raumes wird der Schütze von Z aus nicht ge- sehen, während er selbst noch immer den Hilfszielpunkt H für die Visur benützen kann. Der Teil ober und unter diesem Räume kann für das versteckte Schießen nicht benützt werden, weil man in ersterem vom Feinde entdeckt wird und in letzterem den Hilfszielpunkt nicht mehr zu sehen vermag. Je höher der Hilf8zielpunkt liegt, desto mehr vergrößert sich der Raum nach abwärts.

Wie schon früher erwähnt wurde, genügt es aber für das versteckte Schießen nicht, daß die Schützen und deren Gewehre versteckt sind, sondern es darf der Feind unsere Stellung auch nicht aus dem Rauch unserer Schüsse erkennen.

Erfahrungsgemäß wird die Raucherscheiuung des Schusses vom Feinde nicht mehr gesehen, wenn seine Sehlinie ZDz um zirka 0*5 Meter über die Gewehrmündung hinwegstreicht.

Ziehen wir uns daher zu dieser Sehlinie eine um etwa 0 5 m tiefere Parallele PPV so erhalten wir in dem darunter liegenden Teile des Raumes jenen Px Ph, welcher streng ge- nominen von uns zu benützen sein wird.

Nehmen wir an, daß die Feuerhöhe eines liegenden, knieenden, bzw. stehenden Schützen 0'3, 0 9 bzw. 1*5 m beträgt und ziehen wir in dieser Höhe vom Hoden zu letzterem parallele Linien, so zeigen uns die Schnittpunkte bzw. «3 derselben

mit der von H kommenden Geraden jene kürzesten Abstände von der Deckung D au, bei welchem noch liegend, knieend bzw. stehend geschossen werden kann.

Wir sehen also, daß unter derartigen Deckungsverhältnissen man umso näher au die Deckung vorgehen kann, je höher die einzunehmende Körperstellung ist.

Etwas anders gestaltet sich die Sache bei einer Aufstellung hinter einer Höhenlinie.

Wäre D in Fig. 12 die Krete einer Bodenerhebung (Terrain- welle, Kuppe, Rücken) oder der vordere Rand einer Terrain- vertiefung (Mulde) und ziehen wir wieder von Z und H die geraden Linien über dieselbe, so erhalten wir, bei Berück-

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Feldmäßiges Schießen der Infanterie etc.

sichtigung der Parallelen PPi wieder jenen Raum Px Ph, innerhalb welchem das versteckte Schießen ausführbar ist, ohne vom Feinde entdeckt zu werden.

Da in dieser Figur die Neigung des Hanges B2 kleiner ist, wie jene der aus H gezogenen Geraden, so ist klar, daß der ganze Hang vom Punkte P angefangen nach rückwärts zum Auf- stellen der Abteilung benützt werden kann.

Ist hingegen die Neigung des Bodens größer als jene der Geraden HD, wie z. B. bei dem Hange Blt so ist dies nicht mehr der Fall. Ziehen wir uns wieder die den verschiedenen Feuerhöhen entsprechenden Parallelen zum Boden, so erhalten wir in den Schnittpunkten slf *2 und % die weitesten Ab- stände von der Deckung für das liegende, kuiende und stehende Schießen.

Wird schließlich die Neigung des Hanges noch größer, so ist ersichtlich, daß es eine Grenze des Böschungswinkels gibt, bei welcher eine entsprechende Aufstellung für das versteckte Schießen nicht mehr auffindbar ist.

Aus dieser Untersuchung ergibt sich, daß eine günstige Aufstellung am leichtesten hinter niedrigen vertikalen Deckungen, wie Gartenmauern, Planken, dichten lebenden Hecken, Eisen b ahn dämmen oder aber hinter der höchsten Linie von sanften Terrain wellen und flachen Kuppen oder Rücken aufzufinden sein wird.

Auf den ersten Blick scheint die richtige Wahl des Auf- stellungsortes bezw. der Körperstellung für das Schießen schwierig zu sein. Sie ist es jedoch in der Praxis durchaus nicht. Der Kommandant kann hiezu folgenden einfachen Vor- gang einhalten.

Kr geht hiezu soweit hinter die deckende Linie zurück, bis er bei der betreffenden Körperstellung eben noch den ge- wählten Hilfszielpunkt H gut sieht. Nimmt er nun die nächst höhere Körperstellung an und sieht er aus dieser das Ziel noch nicht, so ist er sicher, daß das Schießen nicht nur ausführbar ist, sondern auch, daß es vom Ziele aus nicht entdeckt werden kann.

Der Kommandant beabsichtigt beispielsweise seine Ab- teilung liegend schießen zu lassen. Er findet, daß auf 60x hinter der Deckung der Hilfszielpunkt bei dieser Körperlage sichtbar ist. Nun erhebt er sich in die knie ende Stellung. Ist aus dieser Stellung das Ziel noch nicht zu sehen, so kann von

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diesem Platze aus das versteckte Schießen durchgeführt werden. Im Gegenfalle probiert er dasselbe von einer weiter vor- oder rückwärts gelegenen Stelle. Zur praktischen Ausführung dieses Verfahrens ist meist nur eine sehr kurze Zeit erforderlich.

Ad 4. Das Kommando zur Feuereröffnung muß den Hilfszielpunkt, die reduzierte Aufsatzdistanz und eventuell auch die Seitenverschiebung enthalten, z. B. :

„Hilfszielpunkt die Spitze der hohen Pappel!"

„5 Hundert!"

(„Querarm 30 links!")

Dagegen kann die Angabe des zu beschießenden Zieles und dessen Ortslage, weil überflüssig, hier ganz entfallen.

Wer öfter Gelegenheit hatte, bei Friedensübungen eine Abteilung zu kommandieren, weiß aus Erfahrung, wie schwierig es ist, das Ziel und dessen Lage im Terrain so präzise zu bezeichnen, daß ein Irrtum des Mannes bezüglich der richtigen Zielauffassung ausgeschlossen erscheint. Das Beschießen eines unrichtigen Zieles kommt deshalb schon im Frieden häufig genug vor; wie viel öfter wird aber dieser Übelstand des direkten Feuers im Kriege eintreten, wenn die Ziele zahlreicher, mannigfacher und schwerer sichtbar sind als beim Manöver oder bei den feldmäßigen Schießübungen!

Wie ungleich einfacher und sicherer ist es da, dem Manne ein auffallendes, schwer verwechselbares, gleichsam in die Augen springendes Terraiuobjekt als Hilfszielpunkt anzugeben !

Hört man nicht schon am Exerzierplatze fortwährend kom- mandieren : „Zielpunkt die schwarze Tafel, die Spitze des Rauch- fanges, die Spitze des Kirchturmes, das dunkle Gebüsch, der weiße Felsen, das kleine Haus, das rote Haus, die Waldspitze" u. s. w.?

Es ist also für den Mann gar nichts Neues, wenn ihm ein solcher Hilfszielpunkt für das versteckte Feuer kommandiert wird.

An dem nachfolgenden konkreten Beispiele möchte ich nun den Vorgang beim versteckten Schießen veranschaulichen, ihn dem verehrten Leser gewissermaßen plastisch vor Augen führen.

Es sei hiezu angenommen, daß das eigene Regiment eine Verteidigungsstellung bezogen habe, und daß eine zur Besetzung eines Meierhofes bestimmte Halbkompagnie den Auftrag erhielt, das Vorgehen des Angreifers in einem bestimmten Abschnitte des Vorfeldes schon von den größten Distanzen herwärts durch

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Feldmäßiges 8chießen der Infanterie etc.

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verstecktes Feuer möglichst aufzuhalten. Zu diesem Zwecke wurde die Halbkompagnie, welche also gleichsam als Infanterie- batterie wirken soll, mit einer größeren Munitionsdotation aus- gerüstet.

Bei der Rekognoszierung hat der Kommandant der Halb- kompagnie ermittelt, daß das versteckte Feuer gegen den zu- gewiesenen Terrainabschnitt sehr gut im Hofraume des Meier- hofes ausgeführt werden kann, und daß sich hiezu am besten ein Abstand der eigenen Feuerlinie von 40x hinter der dem Feinde zugekehrten Hofmauer, welche ca. V/2 m hoch ist, eignet.

Er läßt dort die Halbkompagnie in entwickelter Linie zum Feuern niederlegen, die Querarme an den Visierstöckeln in die Nullstellung einschieben und ruhen.

Von dort aus scheint für die liegenden Schützen der obere Rand der Mauer sich auf dem Terrain in der Linie SS (Tafel 1, Fig. 12) zu projizieren. Es sind demnach die Ruine a, die Berg- spitze b und der obere Teil des Fabriksschlotes c von der schießenden Abteilung aus noch sichtbar und können diese Objekte als Hilfszielpunkte benützt werden.

Der Kommandant wählte als seinen Standort einen Punkt an der Mauer selbst, vor- und seitwärts der Abteilung, und sieht von dort aus das in Tafel 1, Fig. 12 skizzierte Panorama.

Schon früher hat er die Distanzen zu markanten Terrain- teilen, welche der Feind bei seinem Vorgehen passieren muß, mit dem Distanzmesser gemessen oder der Karte entnommen oder möglichst verläßlich geschätzt. So beträgt z. B. die Distanz bis zum Walddefilee bei A = 2400x, bis zur Allee bei B = 2100x, bis zur Terrainwelle bei C = 2300x und bis zum Wäldchen bei D = 1800X

Zuerst erscheint bei A die Spitze der feindlichen Vor- patrouille. Obwohl diese kein schußwürdiges Ziel darstellt, will der Kommandant doch, in Erwartung der nachfolgenden größeren Abteilung, vorerst durch eine oder zwei Probesalven kontrollieren, ob die Distanz von 2400x stimmt.

Uber dem Punkte A ist die Ruine a deutlich sichtbar. Der Kommandant bestimmt mit seiner Meßplatte (Tafel I, Fig. 2) die reduzierte Aufsatzdistanz für diesen Hilfszielpunkt mit 1700x und kommandiert:

„Schießen !u

„Hilfszielpunkt die Ruine auf dem Berge!"

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„17 Hundert!"

„1. Zug Probesalve!"

Trotz des trockenen Bodens sind keine Geschoßaufschläge sichtbar. Sie dürften im Walde sein. Er kommandiert: „15 Hundert!" „2. Zug Probesalve!8

Es ist nun deutlich das Einschlagen der Garbe vor dem Walde zu erkennen. Die Geschoßaufschläge waren rechts und links vom Punkte A zu sehen.

Der Kommandant betrachtet daher die reduzierte Aufsatz- höhe von 1600x als die zutreffendste» um dem Gegner die Ent- wicklung aus dem Defilee zu verwehren.

Nach einiger Zeit erscheint die Tete einer Infanterie- kolonne bei A.

Es wird sofort kommandiert:

„16 Hundert!"

„Einzelfeuer!"

Infolge der Wirkung des eigenen Feuers kehrt die bereits teilweise aus dem Walde gekommene Kolonne wieder in den- selben zurück.

Es wird kommandiert:

„Feuer einstellen! Ruht!"

Mittlerweile ist aber eine andere feindliche Abteilung an den Waldrand stark links von A gelangt und bricht eben aus der Lisiere in der Richtung gegen die Allee bei B in Schwarm- linie vor.

Der Kommandant mißt die reduzierte Aufsatzdistanz filr den Hilfszielpunkt b mit 800* und kommandiert: „Habt Acht!"

„Hiifszielpunkt die Bergspitze links von der Ruine!" „8 Hundert!" „Salven !"

In dem Moment des Feuerbeginns befindet sich die feind- liche Schwarmlinie halbwegs zwischen dem Waldrand und der Allee. Sie geht nun in Laufschritt bis zur letzteren vor und deckt sich dort im Straßengraben.

Es wird kommandiert:

„Feuer einstellen! Ruht!"

Während dieser Zeit sind kleinere Infanterieabteilungen aus verschiedenen Richtungen bis auf ungefähr 1500x herangekommen.

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Feldmftßiges Schießen der Infanterie etc.

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Aus dem Walde links der Fabrik debouchiert eine feind- liche Batterie, nimmt Direktion im Trab auf die Terrainwelle bei C und scheint sich dort ins Feuer setzen zu wollen.

Der Kommandant bestimmt die reduzierte Aufsatzdistanz für den Hilfszielpunkt c mit 1800x und die Seitenverschiebung mit 5 mm links. Er kommandiert:

„Habt Acht!-4

„Hilfszielpunkt die Spitze des Fabriksschlotes !u „18 Hundert!" „Querarm 5 links!" und beim Anlangen der Batterie bei C: „Salven !w

Infolge der Wirkung kann die Batterie nicht auffahren und bleibt hinter dem Kamm der Welle gedeckt stehen.

Während des Schießens gegen die Batterie ist eine feind- liche Infanterieabteilung nahe an die Waldparzelle D heran- gekommen.

Um das Verbrechen derselben aus dem Wäldchen zu hindern, will der Kommandant die diesseitige Lisiere unter Feuer halten.

Die Benützung einer der Hilfszielpunkte a, b oder c ist jedoch jetzt nicht mehr möglich, da sie eine reduzierte Aufsatz- distanz von weniger als 300x erfordern würden.

Der Kommandant avisiert daher:

„Kniet!"

Dadurch rückt die Projektionslinie der Hofmauer von SS auf SjSj herunter und es kann nun die jetzt von der schießenden Abteilung aus sichtbare Pappel als Hilfszielpunkt benützt werden. Die Spitze dieser Pappel verlangt einen reduzierten Aufsatz von 700x. Da aber die Pappel nicht weit hinter dem Wäldchen steht, würden sich die eigenen Schüsse zu sehr gegen die Mitte der Lisiere konzentrieren. Die Breite des Wäldchens ist nach Angabe der Meßplatte 40 mm. Er kommandiert daher:

„Hilfszielpunkt Spitze der hohen Pappel!"

„7 Hundert!"

»1- Zug 10 links! 2. Zug 10 rechts!"

„Langsames Kinzelfeuer !" wodurch die Lisiere nach ihrer ganzen Breite unter ziemlich gleichmäßiges Feuer gelangt. Wir sehen also, daß die Tätigkeit der Halbkompagnie durchaus keine schwierige ist, daß sie schon auf großen Distanzen eine gute Wirkung erzielen kann und daß sie infolge ihrer versteckten Aufstellung vom Feinde

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nicht entdeckt und daher auch nicht beschossen werden kann. Das Schießen kann fast mit ebensolcher Ruhe und Sicherheit ausgeführt werden, wie bei einer Friedensschießübung.

Ich gehe nun zur Besprechung der eingangs erwähnten, auf dem Gefechtsschießplatze bei Piliscsaba im Sommer 1905 durch die Infanterieregimenter Nr. 32, 23 und 38 ausgeführten feldmäßigen Schießübungen über, welche nach dem Verfahren des versteckten Schießens zu dem Zwecke erfolgten, um ein Urteil über die Zweckmäßigkeit und Anwendbarkeit der Methode, namentlich aber über die zu erwartende Präzision und Wirkung zn gewinnen.

Die Versuche geschahen auf die Initiative des Komman- danten des Infanterieregiments Nr. 32, sowie mit Unterstützung des Kommandanten der 32. Infanterietruppendivision und der Kommandanten der 63. und 64. Infanteriebrigade.

Zur Vornahme des ersten orientierenden Schießversuches wurde eine aus 60 ausgesuchten Schützen des Infanterie- regiments Nr. 32 zusammengesetzte Halbkompagnie unter Kom- mando eines Oberleutnants bestimmt.

Als Ziel diente eine mannshohe, 27 m oder 45 Rotten- streifen breite Abteilungsscheibe. Sie war an dem Rande des den Schießplatz begrenzenden Waldes aufgestellt, unter der An- nahme, daß sie eine eben aus dem Walde sich entwickelnde feindliche Infanteriekolonne vorstelle.

Die schießende Halbkompagnie, welche den Auftrag hatte, mit verstecktem Feuer das Vorgehen des Gegners aus dem Walde zu hindern, stand etwa 150* hinter dem Kamme einer sanften Terrainwelle, dem Blicke des Gegners vollkommen entzogen. Die Distanz von der schießenden Abteilung bis zum Ziele be- trug 1950*.

Der Kommandant ging vorsichtig so nahe an den Kamm der Welle vor, bis er den Waldrand sehen konnte, wählte den gerade hinter dem Ziele aufragenden, etwa 1000x weiter entfernten Lipinaberg als Hilfszielpunkt, bestimmte mittels einer nach Tafel I, Fig. 2 auf Holz improvisierten Meßplatte die reduzierte Aufsatzdistanz für diesen Hilfszielpunkt mit 800x, begab sich sodann etwas seitwärts, um aus der Schußlinie der Abteilung zu gelangen und kommandierte:

„Schießen !a

„Hilfszielpunkt die kahle Bergspitze!"

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Feldmäßiges Schießen der Infanterie eto.

„8 Hundert!"

„1. Zug Probesalve!"

Infolge der gut geschlossenen Kerngarbe und des günstigen Bodens vor dem Ziele war die Beobachtung der Geschoßauf- schläge der Probesalve selbst mit freiem Auge, trotz der großen Distanz sehr leicht und ergab, daß die Salve zum größeren Teile vor dem Ziele, zum kleineren Teile hinter dem Ziele lag.

Zwei weitere Salven wurden sodann mit den Aufsätzen 900x und 1000x abgegeben, welche deutlich erkennen ließen, daß jene mit 900x am günstigsten lag. Mit letzterem Aufsatze wurde nun zum Einzelfeuer übergegangen.

Die beim Ziele aufgenommenen Treffer zeigten folgende Wirkung :

mit der gesamten verfeuerten Zahl von 1170 Patronen (per Schütze etwa 20 Schuß) wurden im Ziele 198 Treffer erreicht. Diese Trefferzahl entspricht einem Resultate von rund 1 7 Prozent Treffern, ein auffallend günstiges Ergebnis, das wohl zum Teile der ausgesuchten Mannschaft zugeschrieben werden konnte.

Die Treffer verteilten sich nahezu gleichmäßig im ganzen Ziele.

Aus der Trefferzabi von 198 ergibt sich, daß j e d e r R o 1 1 e n- streifen des Zieles durchschnittlich mit 4 Treffern belegt war, woraus zu schließen ist, daß zur Außergefechtsetzung des Zieles l/4 der verfeuerten Schußzahl oder etwa 5 Schuß pro Schütze gentigt hätte. Anderseits konnte geschlossen werden, daß in dem Falle, als das Ziel nicht stehend, sondern liegend dar- gestellt worden wäre, die verfeuerte Schußzahl genügend gewesen wäre, es gleichfalls außer Gefecht zu setzen.

Die günstige Lage der Kerngarbe der ersten Probesalve hatte bestätigt, daß die mit der Meßplatte ermittelte reduzierte A u fs atz d i s tan z nahezu ideal zutreffend war, und daß auch ohne Durchführung des Einschießens die Wirkung im Ziele eine bedeutende gewesen wäre.

Um das Schießen noch kriegsmäßiger zu gestalten und gleichzeitig auch einen unmittelbaren Vergleich mit den Ergebnissen des direkten Schießens zu erhalten, wurde der Versuch in der Folge unter den gleichen Verhältnissen, jedoch jedesmal mit einer anderen Kompagnie auf Kriegsstärke ohne Auswahl von Schützen und mit anderen Kommandanten noch viermal von demselben Regimente durchgeführt.

Organ der Militarwissenschaftlichen Vereine. LXXIII. Band. 1906. 5

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Hiebei schoß die betrefft Mle Kricgskompagnie stets zuerst in der bisher vorgeschriebenen Weise direkt vom Kamine der Welle aus Distanz 1800x und sodann, nach Auf- nahme der Treffresultate, versteckt hinter der Welle Distanz 1900x bis 1950x gegen das gleiche Ziel.

Mit Rücksieht auf die bei diesen Versuchen erreichten, für das versteckte Schießen sehr günstigen Resultate, wurde das Vergleichsschießen in analoger Weise von den Infanterieregi- mentern Nr. 23 und 38 mit je einer verstärkten Frieden s- kompagnie wiederholt.

Die Ergebnisse aller durchgeführten 7 Schießübungen sind in der nachfolgenden Tabelle übersichtlich zusammengestellt.

Truppen- r körper

Schießen Nr.

Formation und Stärke ■% | der schießenden i5!^ S Abteilung J 2

Erzielte Trefferprozente beim

direkten versteckten

Schießen

I. R. Nr. 32

I.

Halbkompagnie zu 60 Schützen

20

17,0

II.

Kriegskompagnie zu rund 240 Gewehren

4

2,7

7,3

III.

7,2

5,7

IV."

4,7

5,7

V.

0

7,8

7,1

I. R. Nr. 23

VI.

Friedenskompagnie zu 120 Gewehren

4,2

6,4

I. R. Nr 38

VII.

13,0

12,9

Summe aus Serie II bis VII

39,6%

"45,1%"

Mittel aus Serie Ii bis VII

ö,0%

7,5%

Von den angeführten 7 Übungen können nur jene Nr. II bis VII zu einem unmittelbaren Vergleich der Wirkung zwischen dem versteckten und dem direkten Schießen herange- zogen werden.

Diese zeigen, daß in der halben Anzahl der Fälle Nr. III, V, VII das direkte Feuer, in der anderen halben Anzahl Nr. II, IV, VI hingegen das versteckte Feuer eine größere Wirkung aufwies und daß im Durchschnitt aller 6 Serien das versteckte Feuer um etwa 1 Trefferprozeut oder % der Wirkung dem direkten Feuer überlegen war, trotzdem letzteres auf einer um rund 150x kürzeren Distanz ausgeführt wurde.

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s

Feldmäßiges Schießen der Infanterie etc. (57

Hiedureh wurde die früher von uns aufgestellte theoretische Behauptung, daß das versteckte Feuer eine Erhöhung der Schußpräzision mit sich bringe, auch praktisch und ein- wandfrei bestätigt.

Obwohl weder die betreffenden Kommandanten noch auch die schießende Mannschaft für das versteckte Schießen besonders vorbereitet, sondern nur durch eine kurze Belehrung hierüber orientiert worden waren, bot die Ausführung des Schießens keinerlei Schwierigkeit.

Alle Teilnehmer folgten mit großem Interesse diesen Übungen und waren von dem Erfolge der neuen Feuerart sichtlich freudig überrascht.

Bei den geschilderten Versuchen konnte aber leider der am Gewehre zu benützende Querarm mit Hilfskorn noch nicht erprobt werden, weil hiefür die Adaptierung der Gewehre erforderlich gewesen wäre.

Indem ich nun zum Schlüsse meiner Abhandlung eile, möchte ich noch eine irrtümliche Anschauung richtig stellen, der ich wiederholt, auch in der das versteckte Schießen besprechenden Kritik begegnet bin und welche geeignet wäre, die von mir vorgeschlagene Methode zu diskreditieren.

Es wird nämlich mancherseits die Ansicht ausgesprochen, daß die auf dem den Truppen bekannten Gefechtsschießplatze von Piliscsaba erzielten, sehr günstigen Treffergebnisse des- halb nicht einwandfrei seien, weil es sich dabei um bekannte und nicht um geschätzte Distanzen handelte und daß beim Schießen in unbekanntem Terrain und auf nur geschätzten Distanzen, die Methode a. priori versagen müßte. Diese Ansicht findet sich auch in der sonst gediegenen und meiner Methode sym-" pathisch gegenüberstehenden neuesten Auflage der Broschüre: „Infanterieschießwesenu von Oberleutnant Lechner.

Wie ich schon früher sagte, wurden die Schießversuche in Piliscsaba hauptsächlich zu dem Zwecke durchgeführt, um ein Urteil über die zu erwartende Schußpräzision und Wirkung im Vergleiche zum direkten Schießen, also relativ, zu gewinnen. Dies war nur so möglich, daß man die Verhältnisse für beide Arten des Schießens möglichst gleich und günstig gestaltete. Es ist doch selbstverständlich, daß man einen Ver- gleich der Wirkung zweier Feuerwaffen oder zweier Schieß- methoden nur dann erhalten kann, wenn man jene Be- dingungen schafft, welche für das Treffen des Zieles in beiden

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K n o b 1 o c h.

Fällen notwendig sind. Denn wenn die Vorsuche so angelegt gewesen wären, daß mit keiner der beiden Metboden etwas ge- troffen worden wäre, so hätte sieb eben der Vergleich aufgehört.

Will man beispielsweise die Präzision zweier verschiedener Gewehr modelle vergleichen, so muß der komparative Versuch derart angelegt .sein, daß von beiden Gewehren alle Schüsse der Serie durch eine vertikale oder horizontale Zielfläche auf- gefangen werden, da sonst die Ermittlung der Präzisions- daten (Streuungen) nicht durchführbar und ein Vergleich aus- geschlossen wäre.

Die Versuche in Pilisesaba sind daher, was das Er- gebnis der Schußpräzision im Abteilungsfeuer anbelangt, unbedingt als einwandfrei zu betrachten, umsomehr als dieses Ergebnis mit der Theorie vollkommen übereinstimmt und eine genügende Zahl von Schußserien herangezogen wurde.

Ich wende mich nun gegen die zweite irrige Ansicht, daß nämlich beim Schießen auf nur geschätzten Entfernungen das versteckte Feuer a priori unanwendbar bzw. resultatlos sein müßte.

Hat schon einmal jemand erwartet, daß beim direkten Feuer gegen ein Ziel, dessen Distanz stark unter- oder über- schätzt wurde, ein ausreichender Trefferfolg resultieren kann ? Ich glaube nicht! Warum soll dann gerade das versteckte Feuer etwas unmögliches leisten?!

Würde die Zieldistanz, welche z. B. tatsächlich 2000x be- trägt, mit 1500x geschätzt werden, so ist es selbstverständlich daß beim Schießen mit dem Aufsatze für die letztere Distanz die mittlere Flugbahn der Garbe abgesehen von der etwaigen Tagesrelation sowohl beim versteckten als auch beim direkten Feuer um 500* zu kurz liegen wird und nur einzelne Schüsse der Fehlschußgarbe das Ziel erreichen können, man also in beiden Fällen nur mit Zufallstreffern rechnen kann.

Die Ursache für die irrige Ansicht, daß die Distanz- schätzungsfehler beim versteckten Feuer einen größeren un- günstigen Einfluß auf das Schießen ausüben als beim direkten Feuer, glaube ich in folgendem vermuten zu dürfen.

Nehmen wir an, daß sich ein Ziel tatsächlich auf der Ent- fernung von 2000x befände und daß der gewählte Hilfszielpunkt so hoch über dem Ziele erscheine, daß hieraus eine reduzierte Aufsatzdistanz von 1200x resultieren würde.

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Nehmen wir nun weiter an, daß der Kommandant die Ziel- distanz nicht mit 2000 sondern irrtümlich mit 2400x geschätzt habe. Welche reduzierte Aufsatzdistanz würde sich hiebei an der Meßplatte ergeben ? Da ja die Überhöhung des Hilfsziel- punktes über dem Ziele dadurch nicht tangiert wurde, muß die Differenz zwischen der Aufsatzhöhe für das Ziel und der redu- zierten Aufsatzhöhe für den Hilfsziclpunkt wieder das gleiche Maß wie früher betragen.

Wenn wir also einen Zirkel in die Hand nehmen, die eine Spitze desselben auf den Distanzstrich 2000 der Meßplatte (Tafel I, Fig. 2) setzen und die andere Spitze bis zum Distanz- strich 1200 verschieben, so erhalten wir das Maß der Differenz der Aufsatzhöhen, entsprechend der Überhöhung des Hilfsziel- punktes.

Lassen wir den Zirkel in dieser Stellung und legen wir die eine Spitze nun auf den Distanzstrich 2400 (geschätzte Distanz), so werden wir finden, daß die andere Spitze jetzt in die Höhe des Distanzstriches 1800 gelangt.

Während also die Zieldistanz vom Kommandanten um 400x überschätzt wurde, wird die reduzierte Aufsatzdistanz um G00x größer. Scheinbar würde man also beim direkten Feuer nur um 400x, beim versteckten Feuer aber um 600x zu weit schießen. Wir sagen scheinbar, denn tatsächlich wird bei beiden Schießarten das Ziel um 400x überschössen werden.

Denn wie man sich auf der Meßplatte leicht überzeugen kann, ist die tatsächliche Aufsatzhöhendifferenz zwischen den Distanzstrichen 1200 und 1800 gerade so groß wie zwischen 2000 und 2400.

Der Fehler am Ziele ist also der gleiche, ob nun mit 2400 auf das Ziel direkt visiert oder aber mit 1800 auf den Hilfszielpunkt visiert wird.

Dadurch ist der Beweis erbracht, daß Distanzschätzungs- fehler bei beiden Schießarten den ganz gleichen Einfluß auf das Schießen ausüben, daß also von einem Nachteil des versteckten Schießens in dieser Beziehung keine Rede sein kann.

Steht demnach kein Distanzmesser zur Verfügung und muß man sich mit dem Schätzen begnügen, so bleibt bei beiden Schießarten in gleicher Weise nichts anderes übrig, als entweder den zutreffenden Aufsatz durch ein Ein sc hießen zu ermitteln, sei es durch Beobachten der Geschoßaufschläge der Kerngarbe,

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sei es durch Beobachtung der Wirkung im Ziele, oder aber mit wechselnden oder verschiedenen Aufsatzstelluugen zu feuern.

Heim versteckten Feuer wäre hiebei nur das Eine zu beachten, daß eine Änderung der reduzierten Aufsatzdistanz um 100* die Kerngarbe nicht um dieses, sondern um ein kleineres Maß verschiebt, welches um so kleiner wird, je kleiner die ursprünglich benützte reduzierte Aufsatzdistanz ist. Die Ursache liegt darin, daß in dem Aufsatzbereich, in welchem die redu- zierte Aufsatzdistanz in der Regel liegt, die Distanzstriche näher aneinander liegen, als im Aufsatzbereich der Zieldistanzen. Wäre beispielsweise die Zieldistanz 2000x und die reduzierte Aufsatz- distanz 1000x und wird letztere zum Zwecke des Einschießens um 100* verkleinert, so geht hiedurch die Kerngarbe nur um 50x kürzer, da, wie aus Tafel T, Fig. 2 zu ersehen ist, die Auf- satzhöhendifFerenz zwischen 1000x und 900x ungefähr die gleiche wie zwischen 2000x und 1950x ist und daher die Kerngarbe durch die Korrektur um 100x von 2000x nur auf 1950x ver- schoben wird. Es empfiehlt sich daher beim versteckten Feuer im allgemeinen zum Einschießen kräftigere Aufsatz- korrekturen als beim direkten Feuer anzuwenden und beim Schießen mit mehreren Aufsatzstellungen die reduzierten Auf- satzdistanzen um mindestens 200x differieren zu lassen.

Zum Schlüsse noch einige kurze Bemerkungen.

Ich habe schon seinerzeit in meiner Broschüre ausdrücklich betont, daß die gewöhnliche Schußart nach wie vor das direkte Feuer bleiben muß und daß überhaupt das versteckte Feuer nur auf mittleren und großen Distanzen angewendet werden kann.

Aus den Nachrichten über den russisch -japanischen Krieg geht hervor, daß die japanische Infanterie manchmal schon auf 2000— 3000x das Feuer eröffnet hat. Jedenfalls geschah dies mit Rücksicht auf die großen Ziele, welche die Russen oft darboten und welche trotz der großen Schußdistanz eine gute Wirkung dieses Feuers erwarten ließen. Es ist auch gar nicht einzusehen, warum man den Gegner ganz ohne Verluste bis auf wirksamste Schußweite herankommen lassen soll, wenn man genügend mit Munition dotiert ist und das Weitfeuer mindestens den Erfolg verspricht, daß der Gegner gezwungen wird, früher in lockere Formationen überzugchen und dadurch der Angriff eine Ver- zögerung erleidet.

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Die volle Ausnützung des Weitfeuers scheint auch dann gerechtfertigt, wenn die eigene Artillerie nicht an Ort und Stelle oder aber zu schwach ist.

Daß man durch das Weitfeucr unter günstigen Umständen sogar eine sehr große Wirkung gegen kleine Ziele erreichen kann, lehren die früher vorgeführten Schießversuche in Pilis- c s a b a.

Da man nun überdies das Weitfeuer sehr ofi mit in indesteus gleicher Wirkung aus versteckter Stellung abgeben kann, so erscheint es mir geradezu als ein taktischer Fehler, diesen Vorteil nicht bestens auszunützen, notabene da ja das versteckte Feuer kein besonderes Talent und keine besondere Routine ver- langt und man dadurch vor großen Verlusten bewahrt wird.

Sieht man von der Verwendung des Querarmes ab, so ist die Anforderung, welche man an die Mannschaft stellt, die gleiche wie beim sonstigen gewöhnlichen Schießen und braucht man zur An- wendung des versteckten Feuers weder Bestimmungen im Regle- ment, noch solche in der Sehießinstruktion. Im Wesen besteht ja das versteckte Feuer nur darin, daß man nicht auf das Ziel selbst, sondern auf einen Hilfszielpunkt visiert und dies gestatten auch schon die jetzigen Vorschriften. Es handelt sich nur darum, daß der kommandierende Offizier mit einer Meß- platte versehen ist un 1 sie zu verwenden versteht

Da es der Infanterie bisher an einem einheitlichen Taschen- instrument fehlte, welches zur Vornahme dieser und anderer Messungen im Terrain und auf Plänen (Karten) dienen könnte, habe ich die in Fig. 2 und 4 der Tafel I dargestellte Meßplatte durch weitere Anbringung einer Distanzmeßskala, zweier Strich- skalen und dreier Distanzskalen zu einem elementaren Distanz-, Aufsatz- und Winkelmesser ausgestaltet, ihr den Namen „Infanterie- Meßplatte" gegeben und im Buchhandel samt einer Anleitung erscheinen lassen.1)

Diese in Form eines kleinen Notizbuches samt Bleistift und Notizblättern gebrachte Anleitung orientiert über den Vorgang beim versteckten Schießen, über das Verfahren beim Messen von Zieldistanzen im Terrain und auf Plänen (Karten) und dürfte dem Offizier der Fußtruppen sowohl bei Übungen als auch im

') „Anleitung zum Gebrauche der Infanterie-Meßplatte11. Mit 1 Figuren- tafel und 1 Meßplatte. Preis komplett 2 Kronen. Zu beziehen vom Verfasser oder bei L. W. Seidel & Sohn in Wien, bezw. Grill iu Budapest.

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Kn ob loch.

Feldmäßiges Schießen der Infanterie etc.

Gefechte recht gute Dienste leisten können. Der Meßplatte ist zur Sicherung der richtigen Augdistanz eine 66 cm lange Schnur beigegeben.

Es ist selbstverständlich, daß man das Prinzip des ver- steckten Schießens auch beim Stutzen oder Karabiner an- wenden kann. Man braucht hiezu nur die Aufsatzskala an der Meßplutle, Tafel 1, Fig. 2 entsprechend jener am Stutzen bezw. Karabiner zu ändern und die Meßplatte auf eine der Visier- linienläuge dieser Waffen gleiche Augdistanz zu halten.

Auch bei Maschinengewehren oder M i t rai 1 1 eu s e n, welche zur Bestreichung des Vorfeldes einer Stellung bestimmt sind, ist das Verfahren anwendbar, doch scheint es mir für diese nicht von solcher Wichtigkeit zu sein wie bei der Infanterie, da ja ein Maschinengewehr auch beim direkten Schießen und jedenfalls viel leichter sich der Sicht des Gegners entzieht als eine ganze Infanterieabteilung und solche Waffen außerdem ge- wöhnlich mit einem gewehrsicheren Panzerschutz versehen sind.

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

Vom k. und k. Oberstleutnant K. Exler. Mit 16 Figuren auf Tafel 1.

Nachdruck verboten. Übernetzungurecht vorbehalten.

Der stetige Fortschritt in der Technik der Handfeuerwaffen hat gegenwärtig durch die Schaffung von Infanteriespitz- und Panzergeschossen wieder einen interessanten Entwicklungspunkt markiert, den festzuhalten es im Interesse der geschichtlichen Entwicklung des Waffen- und Munitionswesens wohl geboten erscheint. Durch die Schaffung der beiden vorbezeichneten Ge- schoßgattungen ist es im Vereine mit der Anwendung einer wesentlich gesteigerten Mündungsgeschwindigkeit gelungen, die Leistung der Handfeuerwaffen auf eine von denselben bisher nie erreichte Hohe zu bringen, ein Erfolg, welcher bereits zur Einführung von Spitzgeschossen in die Munitionsaus- rüstung des deutschen und französischen Heeres geführt hat, während hingegen die Panzergeschoase aus später anzuführenden Gründen, den Rahmen des Versuches noch nicht endgiltig über- schritten haben.

Bei dein großen Interesse, welches nun die durch die neue deutsche „Schießinstruktion für die Infanterie" geoffenbarte Ein führung der deutschen M. 04 Spitzgeschosse allerorts hervor- gerufen hat, erschien es wünschenswert, eine kleine genetische Skizzierung des Entwicklungsganges dieser Geschoßgattung und ihrer ballistischen Leistungen den Lesern dieser Zeitschrift zu bieten. Mit Rücksicht darauf, daß aber jedes der vorbezeichneten Geschosse verschiedenen Zwecken dient, empfiehlt es sich, ihre Besprechung iu getrennter Weise vorzunehmen. *)

*) Vorstehende Darlegungen schließen sich einem vom Verfasser im Offizierskasino zu Komarom, Dezember 1905 gehaltenen Vortrage an.

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74

Exler.

I. Die Spitzgeschosse.

Der seit Einführung der Repetiergewehre infolge lang- jähriger TruppenbenUtzuug bedingte Verbrauch solcher Waffen, sowie der damit im Zusammenhang stehende Neuersatz, stellte jene Mächte Europa'», welche den 8 mm Gewehrkaliber bei sich eingeführt hatten, vor die Erwägung, ob es zweckmäßig sei, den bestehenden Kaliber auch für die Zukunft beizubehalten, . oder ob es mit Rücksicht auf die stetig fortschreitende Verbreitung des kleinereu (65 mm) Kalibers vorteilhafter wäre, auf diesen Gewehrkaliber überzugehen.

Naturgemäß spielt hinsichtlieh der Lösung einer solchen Frage, die Beschaffung der für eine Waffenreform notwendigen Geldmittel die Hauptrolle, und dies im gegenwärtigen Augen- blicke umsomehr, als fast alle Militärmächte Europa's sich an- schicken, ihr Feldartilleriematerial zu vervollkommen, und Maschinengewehrformationen teils neu aufzustellen, teils die auf- gestellten wesentlich zu vermehren.

Dies involviert so beträchtliche Ausgaben für den Staats- schatz, daß die Kombinierung der Gewehrbeschaffungsfrage mit jener für die Beschaffung von Schnellfeuergeschützen und Maschinengewehren der finanziellen Rücksichten wegen wohl fast aussichtslos erscheint. Vergleicht man den gegenwärtig bei den drei Großmächten: Deutschland, Frankreich und Österreich- Ungarn eingeführten 8 mm - Gewehrkaliber mit dem ebenfalls in einigen Staaten eingefühlten 6*5 mm - Kaliber, so ergibt sich, daß der letztere infolge der bei demselben angewendeten höheren Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses, rasantere Flugbahnen und eine größere Treffähigkeit, ferner in Bezug auf die Quer- schnittsenergie — u. zw. innerhalb gewisser Entfernungen größere Werte zeigt, als der 8 - mm Kaliber, daher diesem letzteren gegenüber als ballistisch höherwertig zu bezeichnen ist. Allerdings weisen die Anhänger des größeren Kalibers stets auf die augeblich geringere tötende Wirkung und geringere Aufhaltekraft des kleineren Geschosses hin ; indes haben ein- wandfreie Versuche, dann insbesondere der südafrikanische, so- wie der russisch - japanische Krieg gezeigt, daß dem 6*5 mm- Kaliber eine bedeutende tötende Wirkung und eine große Auf- haltekraft, insbesondere auf den nahen Entfernungen zukommt, ja daß derselbe auf diesen Distanzen die Wirkung des 8 mm Kalibers unter Umständen sogar zu überragen vermag. Dies-

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

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bezüglich sei auf die Berichte des japanischen Generalstabs- arztes Kichuki, dann des Hauptchirurgen der russischen Mandschureiarmee Dr. Wreden hingewiesen,1) welche die Überlegenheit des 6 5 mui-Kalibers gegenüber dein 8 mm auf Grund der selbstgemachten Kriegserfahrungen anerkannten, und deren Urteile in der kolossalen Verwundungsziffer der Russen wohl die sprechendste Begründung erhalten haben.

In der Frage einer eventuellen Kaliberänderung spielen aber noch zwei wesentliche Momente hinein, und dies ist:

a) die fortschreitende Entwicklung der Selbstlade- gewehre und

b) der Umstand, daß bei den angeführten drei Militär- mächten Europa's so beträchtliche Augmentationsvorräte an KriegshandfeuerwafTen erliegen, daß deren Zurückstellung aus vielerlei Gründen wohl der Überlegung wert sein muß.

Der Einfluß der Selbstlader auf einen eventuellen Waffen- wechsel ist gegenwärtig noch nicht so wesentlich ausgeprägt, weil, genau besehen, ein kriegsbrauchbares Selbstladegewehr, welches dem 6*5 mm-Kaliber ballistisch äquivalent wäre, eigentlich noch nicht offiziell vorliegt und selbst wenn man die erreichbare technische Vervollkommnung dieser Waffenspezies zugibt, dürfte der wesentlich komplizierte Mechanismus der Waffe, welcher insbesondere mit Rücksicht auf die zweijährige Dienstzeit höhere Bedeutung erlangt, dann das nicht unwesentliche Plus der Be- schaffungskosten, verbunden mit einer bei dieser Waffengattung notwendigen Munitionsvermehrung, geeignet sein, die Einführung der Selbstladewaffen, wenn auch nicht aufzuhalten, so doch merklich zu verlangsamen. 2)

Wesentlich anders stellt sich der Einfluß des Vorhanden- seins beträchtlicher Augmentationsvorräte an 8 mm - Gewehren bei den genannten drei Mächten, welcher Umstand die Erwägung hat näherrücken lassen, ob es nicht möglich wäre, den 8 mm- Gcwehrkaliber ballistisch so zu verbessern, daß er hinsichtlich des Hauptvorteils des 6'5 mm-Kalibere, d. i. der höheren Flug- bahnrasanz, diesem ebenbürtig gemacht werden könne.

l) Siehe Wille, Waffenlehro, 1. Ergänzungsheft 1905.

*) Frankreich behauptet zwar, gegenwärtig ein kriegsbrauohbares auto- matisches Gewebrmodell von 6'7 mm-Kaliber bereit zu haben, will sich aber für dessen Einführung erst daun entschließen, wenn ihm sein deutscher Nachbar vorangeht. (Wille 1905.)

76

Exler.

Den ersten Anstoß zur öffentlichen Diskussion dieser Frage hat der frühere französische Kiiegsminister Andrere (1902) ge- geben, als er die französische Volksvertretung mit der Nachricht erfreute, daß Frankreich nunmehr ein Gewehr besäße, welches infolge seiner Verbesserungen alle übrigen Ordonnanzgewehre zu Ubertreffen vermag.

Wie die späteren Veröffentlichungen lehrten, bestanden diese angekündigten Verbesserungen in der Schaffung flaschenförmiger Kupfergeschosse (balle D, Muster 1903), sowie in einer erheblichen Steigerung der Mündungsgeschwindigkeit des Geschosses, welch beide Faktoren die vergrößerte Flugbahnrasanz des französischen Gewehrmodells begründeten.

Die französischen Versuche führten in der Folge 'las deutsche Reich auf den gleichen Versuchsweg, und tatsachlich konnte man durch einige Jahre die deutschen Waffen- und Munitions- fabriken emsig an der Hebung der Flugbahn rasanz der von ihnen erzeugten Handfeuerwaffen arbeiten sehen. Der Abschluß der bezüglichen Versuchsarbeiten charakterisiert sich durch die schon erwähnte Einführung der sogenannten „S -Geschosse" (Spitz- geschosse M. 1904) in die Munitionsausrüstung der deutschen Infanterie.

Bei der einschneidenden Wichtigkeit, welche nun der deutsche und französische Wechsel in der Infanteriemunition auch für das österreichisch-ungarische Heer gewonnen hat, sei im nachfolgenden der Versuch unternommen, zu zeigen, in welcher Weise eine Erhöhung der Flugbahnrasanz bei einem gegebenen Gewehr- kaliber im allgemeinen zu erreichen ist und was sich in der Praxis bisher hat realisieren lassen.

Die Faktoren, welche die Flugbahnrasanz eines Geschosses beeinflußen, sind nun im wesentlichen : A) die Mündungsgeschwin- digkeit und B) die spezifische Querschnittsbelastung oder Quer- dichte eines Geschosses. ')

') Dies geht aus der einfachen Betrachtung der parabolischen Flugbahn (Fig. 1) hervor, indem eine Flugbahn umso rasanter (flacher) sein wird, je kleiner für eine bestimmte Schußweite OA = x<, die Scheitelhöhe SU = der Flugbahn oder umgekehrt, je größer für eiue gegebene Scheitelhöhe y8 die Schußweite x0 ist. Aus den Bestimmungsgrößen xg und y8 des Scheitelpunktes 8 durch die bekannten Formeln für die parabolische Flugbahn:

£ tang » und x, = V .

2y 81n * ?.

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

77

Die erstere beeinflußt die Gestaltung der Flugbahnkurve in der Weise, daß ein Geschoß mit großer Mündungsgeschwindig- keit in gleichen Zeiten relativ größere Wege zurücklegt als ein gleiches Geschoß mit kleinerer Geschwindigkeit und demnach

bei gleicher Fallhöhe des Geschosses im ersteren Falle eine weniger gekrümmte Flugbahn erzeugen wird als im letzteren. Dieser Einfluß ist auch die Ursache, warum die Waffentechnik fortgesetzt bestrebt war, die Mündungsgeschwindigkeit der Ge- schosse der Handfeuerwaffen zu heben.

Man kann nun die Münduogsgeschwindigkeit vergrößern:

1. durch die Anwendung eines entsprechend treibfähigeren Pulvers,

2. durch die Vergrößerung des Ladungsquotienten (d. i. des Verhältnisses des Pulvers zum Geschoßgewichte), was wieder

a) durch die Vergrößerung der Ladung oder

b) durch die Verkleinerung des Geschoßgewichtes bewerk- stelligt werden kann und

3. in manchen Fällen auch durch die Verminderung der Bewegungswiderstände des Geschosses im Laufe.

Eine kurze Betrachtung dieser Fälle ergibt folgendes Bild :

Hinsichtlich der Anwendung eines treibfähigeren Pulvers erscheint es selbstverständlich, daß, je größer die Mündungs- geschwindigkeit des Geschosses sein soll, umso größer die Ge- samtarbeit des Pulvers sein muß. Da nun dieser Gesamtarbeit die mittlere Gasspannung des Treibmittels proportional ist, letztere durch Material und Konstruktion der Handfeuerwaffe begrenzt wird, so hängt die Größe der Mündungsgeschwindigkeit bei der Einhaltung einer noch zulässigen Maximal - Gasspannung

von der richtigen Wahl des Treibmittels ab. Nachdem aber

wobei v0 die Mündungsgeschwindigkeit, (p den Abgangswinkel und g die Fall- beschleunigung bedeutet, folgt, daß um die Scheitelhöhe BS = y8 bei gegebenem Werte von x<j (= 2xg) möglichst klein zu machen, tang <p, bezw. tp möglichst klein werden muß; ferner, daß ein großer Wert von nur durch einen großen Wert von v0 erzielt werden kann. Da im lufterfüllten Räume aber die Krümmung der Flugbahn noch vom Luftwiderstande abhängt, bezw., wie die Theorie lehrt, insbesondere von der spezifischen Querschnittsbelastung, so bestimmen Ab- gangswinkel, Mttndungsgeschwindigkeit und Qnersolinittsbelastung die ßahn- krümmuug und damit die Flugbahnrasanz eines Geschosses. Von diesen drei Faktoren kommen für die Praxis aber nur die letzteren zwei eigentlich in Betracht zu ziehen.

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E x 1 e r.

mit der fortschreitenden Waffentechnik das Konstruktionsmaterial der Handfeuerwaffen stetig verbessert worden ist, können die neueren Handfeuerwaffen eine größere Beanspruchung des Lauf- inateriales zulassen als die älteren Modelle, und sind daher gegen- wärtig erfahrungsgemäß Maximalgasspannungen von im Mittel 3500 Atmosphären beim 8 mm-Gewehrkaliber (gegenüber 2700 bis 2800 Atmosphären von früher) noch als „zulässige11 zu erklären. Eine solche Erhöhung der maximalen Gasspannung würde aber bei den bestehenden Pulversorten und bisher normal angewendeten Geschoßgewichten eine Vermehrung der Ladung bedingen, welche wieder von dem Inhalte der Patronenhülse abhängig ist. Ander- seits ist jede solche Ladungsvermehrung bei Beibehalt des Geschoßgewichtes geeignet, den Rückstoß der Handfeuer- waffen wesentlich zu steigern, was insbesondere beim Stutzen und Karabiner, welcher die gleiche Patrone wie das Infanterie- gewehr verfeuert, sehr unangenehm empfunden werden würde. Deutscherseits hat man sich daher bemüht, mit der Einführung der M. 1904 - Spitzgeschosse ein neues Pulver zu verwenden, welches in der Form kleiner und in der Dichte größer ge- halten — gestatten soll, dem Geschosse bei möglichst gleichem Gasdrucke wie bisher, dennoch eine größere Geschoßgeschwindig- keit zu erteilen. Dabei ist die Pulverladung der neuen Patrone von 2 67 g auf 3 2 g vermehrt worden.

Man kann sich nun ad 2 a über den Einfluß einer solchen Ladungsvermehrung auf die Mündungsgeschwindigkeit des Ge- schosses, sowie auch über jenen der später zu besprechenden Faktoren ein Bild verschaffen, wenn man die interessanten Resultate analysiert, welche von den „Vereinigten deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Karlsruhe" über ihre M. 04 Spitzgeschosse im 1. Ergänzungshefte der Wille'schen Waffen- lehre veröffentlicht worden sind und die zur Illustrierung der vorliegenden theoretischen Betrachtungen hier auszugsweise wiedergegeben werden sollen.

In diesen Tabellen sind die Schießversuche mit den „S- Ge- schossen", jenen mit den bisher normal verwendeten, also bei den gegenwärtig bestehenden Ordonnanzgewehren des Typs Mauser eingeführten, zylindroogivalen Infanteriegeschossen gegen- übergestellt.

So zeigt die folgende Tabelle I die Vergrößerung der Mündungsgeschwindigkeit, des Gasdruckes und der Mündungs- arbeit mit der angewendeten Ladungsvermehrung.

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Die Infanteriespitz- und Panzergepchos.se. 79

Tabelle I.

8m

7-65

mm

7 mm |

6*5

mm

Gegenstand

Gewehre mit dem Geschosse

M. 98

M. 04

M. 91

M. 04

M. 93

M. 04

Im. 94

M. 04

Gesohoßlänge mm .

31 3

28

30-8

30-8

808

80 8

322

32-2

Geschoßgewicht g

14-7

10

137

118

11 2

10

101

907

Querdichte g/omf

QO

Ort

7

OO. 1

SSO

0*7.0

27o

Patronen 1 ancft mm

82

80

78

78

78

78

80*2

82 2

Hölsenlftnge mm

56

56

53-4

53-4

565

56-5

55-7

57-7

Pul Verladung g

2-63

32

2-65

3-1

245

2-95

28

3-3

Mündungsgeschwin- digkeit (v„) m Anfangsgeschwin- digkeit (v26) m

645 620

880 860

650 630

790 770

730 700

835 815

735 700

905 880

Mündungsarbeit mkg

312

395

295

376

280

355

271

374

Höohster Gasdruck

2800

3000

8030

3000

3050

3350

3050

8300

Allerdings ist die angeführte Steigerung der Mündungs- geschwindigkeit der M. 04 Spitzgeschosse nicht die Folgewirkung der neuen Pulversorte, Kornform und Ladungsvermehrung allein, sondern vorwiegend auch des geringeren Geschoßgewicht^s, da wie die Versuche lehren man durch die Anwendung treib- fähigeren Nitrozellulose-Pulvers und einer zulässigen Ladungs- vermehrung, die Mündungsgeschwindigkeit der normalen Ge- schosse höchstens um 50 70 m, und zwar bei Einhaltung der oben angeführten, zulässig höchsten Gasspannung, steigern kann. Die weitere Erhöhung der Mundungsgeschwindigkeit fällt sonach dem Einflüsse der anderen Faktoren zu.

Was nun die Beeinflussung der Mündungsgeschwindigkeit durch die Verkleinerung des Geschoßgewichtes ad 2b— be- trifft, so ist es einleuchtend, daß bei der Voraussetzung gleicher Treibkraft (also derselben Pulverladung), eine solche Ver- kleinerung stets eine Vermehrung der Geschoßgeschwindigkeit zur Folge haben muß.

Es fragt sich nur, wieweit kann man mit der Geschoß- gewichtsverminderung im konkreten Falle (z. B. beim 8 mm

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E x 1 e r.

Infanteriegeschosse) gehen und in welcher Weise ist diese durch- führbar?

Die untere Grenze für das Geachoßgewicht der Handfeuer- waffen ist durch die Verwundungsfäbigkeit (sogenannte „tötende Kraft") auf große Entfernungen bedingt !) In dieser Beziehung hat die Kriegserfahrung gelehrt, daß bei den Gewehren ein Herabgehen des Geschoßgewichtes auf 10 bis 9 g noch praktisch zulässig ist, weil unter der Voraussetzung hoher Mündungs- geschwindigkeit, die Wirkung solcher Infanteriegeschosse auf der Entfernung von 2000 m (2600x) eine noch vollkommen aus- reichende ist.2)

Eine solche Geschoßgewichtsverkleinerung kann aber durch- geführt werden, u. zw. bei gegebenem Geschoßmateriale :

«) durch die Änderung der Geschoßlänge,

&) n » Form und

c) Konfinierung beider.

Wählt mau an Stelle des gegenwärtig gebräuchlichen Ge- schoßmaterialcs Hartblei ein spezifisch leichteres (z. B. Stahl, Kupfer etc.), so ergibt sich bei gleicher Formgebung des Geschosses, eine Geschoßgewichtsverminderung noch

d) durch die Wahl entsprechend leichteren Geschoß- materiale 8.

Im Falle a) wird bei ähnlichen Geschossen A und B (Fig. 2) dem kleineren (kürzeren) Geschosse eine bedeutend größere Mündungsgeschwindigkeit als dem größeren (längeren) Geschosse zukommen und es wird dementsprechend bei ersterem eine höhere Flugbahnrasanz erreichbar sein, als bei letzterem; aber die Flugstabilität des kürzeren Mantelgeschosses kann auf den größeren Entfernungen eine minder günstige, daher die Treff- fähigkeit eine weniger gute werden.

Im Falle b) kann man die Geschoßgewichtsverkleinerung in der Weise herbeiführen, daß man die ogivalen Geschosse nach der Fig. 3 umformt, d. h. die Geschoßspitze schärfer ausbildet und damit an Material erspart (Form der Spitzgeschosse).

Infolge des kleineren Querschnittes am vorderen Ende wird bei gleicher Geschoßlänge und bei gleichem Kaliber das Geschoß entsprechend leichter werden.

*) Vom mechanischen Standpunkte ist hiefür die spezifische Auftreff- energie des Geschosses maßgebend.

«) 8iehe: „Überall" 1904; Grautorff, die Wirkung des 6 5 mm Gewehres; Wille, Waffenlehre 1905 u. s. f.

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Dift Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

81

Beispielsweise beträgt nach der Tabelle I die Gewichts- verminderung beim Spitzgeschosse des 8, 7*65, bzw. 7, 6 5 mm Gewehrkalibers: 4*8, 2, bzw. lg, d. i. 32, 14, bzw. 10°/0 des Gewichtes des normalen ogivalen Geschosses.

Diese Gewichtsverkleinerung würde aber für sich allein nicht ausreichen, um die in der Tabelle I angeführte, namhafte Steigerung der Mündungsgeschwindigkeit herbeizuführen, sondern es muß wie schon angeführt mit der Gewichtsverminderung zugleich eine Ladung.svermehrung und Auswahl entsprechend treihffihigeren Pulvers verbunden werden.

Durch die Anordnung einer solchen schlanken, vorne ziemlich scharf auslaufenden, ungefähr zwei Kaliber langen Spitze (Fig. 4) kann nun der Luftwiderstand in seiner Wirkung derart ver- ringert werden, daß der „Luftwiderstandskoeffizic.nt" auf den kleinen Entfernungen fast auf die Hälfte seines für ogivale Geschosse geltenden Wertes, auf den größeren Distanzen auf zirka 4/5 dieses Wertes herabsinkt. Infolge dieser geringeren Einwirkung des Luftwiderstandes, dann infolge des Umstandes, daß solche Spitzgeschosse gleiche Flugbahnstrecken in relativ kürzerer Zeit zurücklegen als ogivale Geschosse von kleinerer Anfangsgeschwindigkeit, kann das Spitzgeschoß mit seiner großen Mtindungsgeschwindigkeit einen erheblichen Bruchteil seiner Geschwindigkeit auf den größeren Entfernungen noch weiter erhalten.

Deutscherseits hat man nun beide Fälle a) und b) beim neuen M. 04 Spitzgeschoß realisiert und dem Geschosse nicht nur die in der Fig. 4 gezeichnete Form gegeben, sondern auch das Geschoß um 4 mm kürzer gemacht, wodurch das Geschoß- gewicht von 14'7 g (des M. 88 Geschosses) auf 10 g (des M. 04 Spitzgeschosses) sank. Damit erklärt sich die große Zunahme der Mündungsgeschwindigkeit (880 m) beim deutschen Spitz- geschosse. Nach dem Entwürfe zur neuen deutschen „Schieß- instruktion für die Infanterie 1905" beträgt die Geschoßge- schwindigkeit 25 m vor der Mündung (v25) 860 m, was gegenüber dem M. 88 Geschoß ein mehr von 240 rn ergibt.

Eine so große Anfangsgeschwindigkeit involviert aber ein wesentliches Hinausschieben der Flugbahnrasanz, wie dies auch aus der später folgenden Darstellung hervorgeht.

Um jedoch dem Nachteile der mit der Kürzung der Ge- schoßlänge verbundenen Verringerung der Länge des Führungs- teiles (0 mm) zu begegnen und eine bessere Geschoßabdichtung

Organ der MilitlrwUsenschaftlJchen Verein«». LXXIII. Bd. 1906. g

82 Exler.

-

und günstigere Auswertung des relativ dichteren Pulvers zu er- reichet;, wurde dem neuen Spitzgesehosse eine stärkere For- cierung (durcli Verbreiterung des Durchmessers am Boden auf 8"2 mm) gegeben.

Um die Gewichtsverkleinerung durch die Anwendung eines Geschoßmateriales von kleinerem spezifischen Gewichte als jenes des gebräuchlichen Hartbleis zu realisieren, hat Frankreich bei seinen M. 03 Spitzges<-hossen Kupfer, und in neuerer Zeit bei seinen Projekts waffen Bronze als Geschoßmaterial angewendet. Da das spezifische Gewicht des Kupfers zu jenem des Hartbleis sich wie 8'8 : 11 '3 verbalt, so sind massive Kupfergeschosse, bei der gleichen Formgebung, um 1/A leichter als Hartbleigeschosse und werden noch leichter, wenn man sie ähnlich der Fig. 5 als Spitzgeschosse formt. Die in der Figur 5 gezeichnete Flaschen- form des französischen D-Geschosses mit dem stempelartigen An- sätze erklärt sich dadurch, daß Frankreich bei seinen Lebel- Gewehren noch ein Vorderschaftsinagazin besitzt, bei welchem die untereinander gereiht liegenden Geschosse aus Sicherheits- rücksichten — mit scharf ausgebildeter Spitze nicht angewendet werden können. Diese Formbildung muß weiters schon mit Rücksicht auf die Art des Geschoßauftreffens bei festen Zielen als ungünstig bezeichtet werden und soll soviel man in der militärischen Öffentlichkeit hört Frankreich von dieser Ge- schoßform wieder abzugehen beabsichtigen und seine Bronze geschosse ähnlich seinen M. 86 Infanteriegeschossen, aber mit etwas verjüngtem Hinterteile, gestalten wollen.

Die französischen Kupfergeschosse (balle D, M. 03) haben ein Gewicht von 11*5 g bei einer Geschoßlänge von 34 mm. Ihre Mündungsgeschwindigkeit soll bei etwas vergrößerter Pulver- ladung (2*9 g) 725 m betragen. Die Bronzegeschosse sollen bei einer Länge von 39 2 mm ein Gewicht von 12 8 g haben.

Was nun den Einfluß der spezifischen Quer- schnittsbelastung oder der Querdichte (siehe Seite 76) be- trifft, so würde der verzögernden Wirkung des Luftwiderstandes auf das Geschoß, am besten durch eine möglichst hohe Quer- dichte (relativ großes Geschoßgewicht) entgegengearbeitet werden. Diese Forderung steht aber der früher begründeten Forderung der Geschoßgewichtsverininderung gerade entgegen, und es sollte daher das M. 04 Spitzgeschoß mit seiner nach Tabelle I an gegebenen erheblich geringeren Quei Schnittsbelastung als ballistisch ungünstig bezeichnet wei den müssen. Entgegen dieser

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse. §3

Anschauung, welche den schwereren Infanteriegeschossen den Vorzug gibt, haben die Schießver»uche mit den leichten M. 04 Spitzgeschossen aber klar gezeigt, daß diese dank ihrer großen Mündungsgeschwindigkeit und überaus günstigen Geschoßfortn

den Luftwiderstand erheblich herabzusetzen imstande sind. Der günstige Einfluß dieser Spitzenformung ist nach General- leutnant Robne beim deutschen 8 min Spitzgeschosse M 04 so bedeutend, daß dadurch die Herabsetzung der Querschnitts- belastung noch überkompensiert wird.

Fragt man sich nun, wie mit Rücksicht auf die vorstehend dargelegten Bedingungen sich in praxi die Flugbahnrasanz der neuen S - Geschosse gegenüber den bisherigen ogivalen Infanteriegeschossen stellt, so braucht man sich nur den be- strichenen Raum der Flugbahn für die verschiedenen Aufsatz- stellungen zu konstruieren, oder aus den Flughöbentabellen jene Entfernungen zu ermitteln, für welche die Scheitelhöhe BS (Fig. I) gleich der gewählten Zielhöhe (1'7, 0*5 m) wird. Dergestalt er- gibt sich für das deutsche 8 mm M. 98 Gewehr und zwar aus der Flughöhentabelle des deutschen Entwurfes zur „Schieß- instruktion" für die Infanterie daß, die Flugbahnrasanz für 1'7 m hohe Ziele sieh annähernd bis 700 m (= 930x) erstreckt. (Bei den älteren deutschen M. 88 Patronen beträgt diese Flug- bahnrasanz nur 525 m.)

Für eine „gedeckt liegende" Figurenscheibe von 0'36 m Zielhöhe beträgt der bestrichene Raum beim M. 04 Spitzgeschosse noch 400 m (500x).

Der Wirkungsbereich der Aufsatzstellung ist also bei der Anwendung der neuen Patrone wesentlich hinausgeschoben ■worden. Das niedrigste Visier (Aufsatzstellung) des M. 98 Ge- wehres entspricht nunmehr einer Schußweite von 400 m (500*),

gegenüber 250 m bei der M. 88 Patrone. *)

Bei der Abwehr eines Kavallerieangriffes braucht man das Visier von 800 m (1050*) ab, nicht mehr umzustellen, da es ganz gleichgiltig ist, ob der deutsche Infanterist mit dem Aufsatze 400, 600 oder 800 m schießt. Die Handhabung des Gewehres wird dadurch auf den nächsten und für den Infanteriekampf wich- tigsten Entfernungen eine möglichst einfache.

*) Siebe hierüber auch : Streffleur's Österr. milit. Zeitschrift 1906, 2. Heft, wonach die Geschoßgarbe des Aufsatzes 600 m ein anfreohtstehendes Infanterie- ziel b.s 1003 c hritt, jene des Aufsatzes 4t»0 m für jedes Ziel einen vollkommen bestrichenen Raum von fast 800 Schritt gibt.

6*

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84

Exle r.

In der Fig. 6 sind vergleichsweise die Grenzdistanzen der rasanten Flugbahnen für 17 tu hohe Ziele, und zwar für das deutsche S- und für das französische D- Geschoß dargestellt worden.1) Aus der Figur ist zu ersehen, daß die Rasanz des deutschen S-Geschosses, jene des französischen D- Geschosses etwas übertrifft. Linie A (Fi*. Ö) stellt die Flugbahn beim M. 88, beziehungsweise M. 86 französischen Geschosse für den Aufsatz 700 in dar.

Aus der Figur G ergibt sich leicht der Vergleich der Scheitelhöhen und der RasanzverhHltnisse für die bezeichneten Kaliber.

In welcher Weise nun bei den übrigen, in der Tabelle I angeführten Gewehrkalibern die Flugbahnrasanz durch die Ein- führung der 8- Geschosse zugenommen hat, läßt sich am ein- fachsten durch die Darstellung der „Scheitelkurven" (Fig. 7) zeigen.2) Aus dieser Figur ersieht man. daß die Flugbahnrasanz sich mit der Abnahme des Kalibers erweitert und am größten beim 6*5 mm - Kaliber (Linie IV) ist. wo man gegen 1*7 m hohe Ziele, u. zw. beim Zielpunkte = Fußpunkt der Figur, mit einer Aufsatzstellung bis auf die Distanz von 1050* (800 ni) auskommt. Infolge dieser großen Gestrecktheit der Geschoßflug- bahn werden sonach Fehler bei der Distanzschätzung von geringerem Einflüsse auf das Treffergebnis mit Spitzgeschossen als bei den älteren ogivalen Geschossen sein. Wie aus der Fig. 7 zu ersehen, hälte man mit dem 6'5 mm -Spitz- (Mantel- )geschosse sonach jene ideale Rasanzdistanz erreicht, welche bisher seitens der Waffentechniker stets angestrebt worden ist. Aus dem Kom- promiß zwischen der von Seite der Deutschen glücklich gelösten Gewehrpulverfrage und der gewählten günstigen Geschoßform hat die neue Patrone für das M. 98 Gewehr geradezu einen über- raschenden Erfolg der Waffentechnik gezeitigt!

Daß mit der höheren Flugbahnrasanz der verschiedenen Gewehrkaliber, u. zw. bei Anwendung der S-Gescbosse, auch die Treffäh igkeit, welche mit der Bahnrasanz wächst, ins- besondere jene auf den näheren Entfernungen, größer geworden ist, ergibt sich auch aus dem Vergleiche der bei den Schieß- versuchen erhaltenen Streuungswerte der folgenden Tabelle.

•) Nach „^Illustration" 1906.

5) Letztere Kurven erhalt man, wenn man für die verschiedenen Distanzen (100, 200 .. . m) die bezüglichen Scheiielhöhen auf den Vertikalen aufträgt und die Endpunkte miteinander verbindet.

I

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse. 85

Tabelle II.

TT1 T. 4

Ent- fernung in m

1 flAO / -

Streuung nach der

8 n

im

1

7-65 mm

7 n

im

6-5

mm

G e w e

h r m

i t d

b m Geschosse

M. 88

M. 04

M. 91

M.04

M. 93

IL 04

M. 94

M. 04

200

Höhe cm Breite |

25 20

21 18

21 14

13 11

12 15

12 12

12 11

12

11

500

Höhe cm j

102

65

41

32

40

36

64

85

Breite

| 53

21

45

31

40

30

26

900

Höhe cm

249

173

~i2<r

71

92

84

92

87

Breite

136

121

113

83

77

aa!

77

64

1200

Höhe cm

505

296

158

116

153

138

173

152

Breite

378

204

97

103

105

74

180

81

2000

Höhe cm

613

603

755

592

858

668

Breite

438

278

483

395

405

432

Nach vorstehender Tabelle hat sich die 100%ige Höhen- streuung der Gewehre, u. zw. bei Anwendung der M. 04 Spitz- geschosse, gegenüber jener der normalen ogivalen Geschosse wesentlich vermindert, d. h. die Treffähigkeit des betreffenden Gewehrkalibers ist eine bessere geworden. Allerdings bewegen sich die in der Tabelle II angeführten Streuungszunahmen mit der wachsenden Entfernung in stufenweisen Schwankungen, so daß das Gesamtbild der deutschen Angaben über die Treff- iähigkeit der M. 04 Spitzgeschosse einigermaßen durch diese Unregelmäßigkeiten beeinträchtigt wird.

Aus dem Vergleiche der Streuungswerte in Tabelle II er- sieht man jedoch, daß die Streuung des 6*5 mm-Gewehrkalibers von ca. 900 m (1200x) an, eine etwas größere als beim 7 und 7*65 mm Kaliber wird, obwohl sie immer noch beträchtlich kleiner als jene des 8 mm -Kalibers ist, demnach der 6*5 mm auf die gleichen Entfernungen besser trifft.

Im engen Zusammenhange mit der höheren Mündungs- geschwindigkeit steht weiters die größere Durchschlags- leistung der M. 04 Spitzgeschosse. Die Endgeschwindigkeit dieser Geschosse ist für die gleichen Entfernungen nach der folgenden, auszugsweise für den 7'65 und 6*5 mm-Kaliber ge- gebenen Tabelle III, wesentlich größer als jene der zylindro-

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8o

E x 1 e r.

ogivalen Geschosse und ist trotz des relativ größeren Ge- schwindigkeitsverlustes noch immer so groß, daß die Auftreff- energie des leichteren Geschosses höher als jene des schwereren Geschosses ist.

Tabelle III.

1

Entfernung in m

Endgeschwindigkeit in

Geschoßarbeit (mkg)

7-65

mm

6-5

mm

7-65

mm

6 5

mm

Gewehr mit dem

Geschosse

M. 91

1

M. 04

M.94

M. 04

M.91

M.04

M.94

M.04

200

508

644

517

751

180

249

171

259

400

399

523

457

625

111

164

108

180

600

328

425

368

520

75

108

70

124

800

289

353

314

432

58

75

51

86

1000

259

309

281

364

47

57

41

61

1200

233

281

i 258

323

38

47

33

48

1400

211

256

230

292

81

39

27

39

1600

192

234

211

268

26

33

23

33

1800

176

215

192

247

22

28

19

28

2000

162

193

197

229

18

24

17

24

Diese Überlegenheit der Geschoßwirkung des M. 1904- Spitzgeschosses drückt sich auch in den Angaben der neuen deutschen Schießinstruktion aus, nach welchen sich z. B. die Eindringungstiefe des 8 mm-Spitzgeschosses gegenüber jener dea älteren ogivalen M. 88-Geschosses im Tannenholz stellt, auf 400 m: wie 80 cm zu 45 cm, 800 35 25 und 1800 10 5 „.

Sehr bestimmt spricht sich die überlegene Geschoßwirkung der M. 1904 -Spitzgeschosse beim Schießen gegen Eisen- und Stahlplatten aus.

Nach der vorbezeichneten Schießinstruktion vermag" ein 8 mm-Spitzge8choß 7 mm starke eiserne Platten bis etwa 350 m (465x) glatt zu durchschlagen, und nach den Versuchen der „Ver- einigten deutschen Waffen- und Munitionsfabriken" werden Nickel- stahlplatten von 6 mm Stärke noch auf 100 m Entfernung, von 3 mm auf 500 m (vom 6*5 mm-Kaliber sogar auf 530 m) durch-

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Die Inf;tnt»rie<pitz- und Panzergeschosse.

87

schlagen, während die älteren deutschen Geschosse solche Stahl- platten von 6 bis 5 mm Stärke überhaupt nicht, jene von 3 mm Stärke nur auf 250—300 m Entfernung durchschlagen können.

Auch in Jsriegschirurgischer Beziehung haben die von der königl. preußischen Medizinalabteilung *) veröffentlichten Resultate der Schießversuche auf anatomische Präparate des menschlichen Körpers ergeben, daß die neue S Munition für jene Entfernungen, für welche das S- Geschoß seitens der deutschen Heeresleitung mit so großen ballistischen Vorzügen ausgestattet wurde, eine ausgezeichnete und anf 1350 m (1800*) eine noch gut ausreichende Leistung besitzt. So ist z. B. die Länge der Splitterzouen der großen Röhrenknochen auf diese letztere Distanz beim S-Geschoß ebenso groß wie beim alten deutsehen zylindroogivalen und bei anderen Spitzgeschossen von größerer Länge und Schwere, sowie vom entsprechenden Kaliber. Nach den Versuchen der deutschen Gewehrprüfungskommis8ion erscheint das S-Geschoß auf Ent- fernungen noch verwendungsfähig, welche jenseits derjenigen des heutigen Infanteriegefechtes liegen.

Aus der vorgeschilderten Vereinigung der drei wesentlichen Eigenschaften beim Spitzgeschosse, nämlich: der größeren Fl ugbahnrasan z, der höheren Tr e ffäh igke it und des größeren D ur c h s c h 1 ag ve r m ö g e n s, folgt die wesentliche Steigerung des Gefechtswertes des deutschen M. 08- Infanterie- gewehres infolge Einführung der neuen deutschen Infanterie- patrone. Bedenkt man weiters, daß der durch diese Einführung erzielte ballistische Gewinn im auffallenden Gegensatze zur Ge ringfügigkeit der aufgewendeten technischen Mittel und zu dem relativ geringen Mehraufwand an Kraft steht, so muß dieser Gewinn geradezu als ein überraschend großer bezeichnet werden. Die Deutschen haben mit ihrer S- Munition die Franzosen mit der D- Munition waffentechnisch übertroffen und den Übergang in der Infanteriebewaffnung, u. zw. im Sinne einer Kaliber- verkleinerung, als dermalen unnötig erwiesen.

Die Erzeugung der Spitzgeschosse ist nun wegen der richtigen Spitzenformung und des notwendigen Erhaltes symme- trischer Oberfläche eine allerdings etwas schwierigere als jene der ogivalcn Geschosse; doch dürften sich in praxi die Erzeugungs- kosten für beide Geschoßgattungen gleich gestalten, weil das

j Deutsohe medizinische Wochenschrift 1906.

!

88 Exler.

8 mm -Spitzgeschoß wesentlich leichter als das ältere ogivale Geschoß ist.

Da das Patronengewicht bei der S- Munition sich ebenfalls um 4 5 g pro Patrone vermindert hat, ließ sich die pro Mann entfallende Kriegstaschenmunition von 120 auf 150 Patronen ver- mehren.

Die Umänderungen, welche durch die Einführung dieser Munition an dem Infanteriegewehre M. 98 sich ergeben, betreffen die Umskalierung der Aufsatzteilung und vielleicht mit Rück- sicht auf die größere Getchoßforcierung eine ganz geringe Nachhilfe im Laderäume der Waffe. Im großen und ganzen muß aber die Einführung der Spitzgeschosse obwohl diese Geschoß- forin im Wesen theoretisch nichts Neues bedeutet tatsächlich, wie schon angedeutet, als ein wesentlicher Fortschritt der Waffen- technik bezeichnet werden.

II. Die Pan zergeschoss e.

Unter solchen versteht man Infanteriegeschosse, welche aus einem Material von hoher Festigkeit erzeugt werden (daher deutscherseits auch „Hartgeschosse" genannt) und den Zweck haben, gegen Mittel von großer Widerstandsfähigkeit also gegen Eisenplatten, Stahlpanzer, Artillerieschutzschilde etc. zu wirken.

Derartige Geschosse von großer Durchschlagsleistung sind schon vor zirka 30 Jahren französischerseits versucht worden und war es insbesondere Oberst Pralou, welcher massive Stahl- geschosse für das 8 mm- Lebel- Gewehr konstruierte, die er siehe Fig. 8 ähnlich den Artilleriegeschossen mit einem kupfernen Führungsbande a versah. Die damit erzielten Erfolge waren jedoch nicht befriedigend, weil die Läufe nach wenig Schüssen bereits stark ausgeschliffen waren ; überdies war die Erzeugung teuer und führte die Anwendung solcher Geschosse infolge ihrer Härte leicht zu Brüchen. Die Versuche wurden daher wieder eingestellt.

Erst mit der Ausrüstung der Feldartillerie mit Schutzschilden wurden die Versuche mit Geschossen hoher Festigkeit mehr- seitig wieder aufgenommen, ohne bisher soweit es in der militärischen Öffentlichkeit bekannt geworden ist zum Ab- schlüsse gebracht worden zu sein.

Bei dem Umstände, als die Schrapnellwirkung der Feld- artillerie gegen solche Schutzschilde mit der Steigerung der

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

80

Qualität der letzteren immer ungenügender und die Wirkung der Iufanteriegeschosse fast ganz aufgehoben wurde, war man be müssigt nachzudenken, in welcher Weise eine genügende Wirkung der beiden Geschoßgattungen gegen die Schutzschilde und die dahinter befindliche Mannschaft zu erreichen möglich sei. Es wurden hiezu zwei Lösungen vorgeschlagen, von welchen eine im rein artilleristischen Sinne (General Reichenau) die Ein- führung kleinkalibriger Geschütze verfolgte, während die zweite im rein infanteristischen Sinne dahin ging, die Schutz- schilde durch Infanteriegeschosse größeren Durchschlagsvermögens zu zerstören. Die erstere Lösung fand sowohl in der Literatur wie auf dem Schießplatze, eine minder günstige Beurteilung, während die zweite sich gegenwärtig noch im Versuchsstadium befindet.

Damit nun ein Infanteriegeschoß zum Durchschlagen von Zielen großen Widerstandsvermögens (Stahl, Eisen) verwendet werden kann, muß es eine große lebendige Kraft erhalten, die als „Auftreffenergie" am Ziele zur Geltung kommt. Eine große Auftreffenergie bedingt aber eine große End-, bezw. rückwirkend, eine große Anfangsgeschwindigkeit, welche siehe die Er- örterungen bei den Spitzgeschossen wieder die Anwendung kleineren Geschoßgewichtes, eventueller Spitzenformung und eines treibfähigeren Pulvers, bezw. die Anwendung vergrößerter Pulverladung erfordert. Für den richtigen Ausgleich dieser Faktoren entscheidet da nur der Schießversuch.

Die hinsichtlich der Schaffung von Hartgeschossen nun ge- machten Bestrebungen der Waffen industrie haben eine ganze Reihe von Modellen gezeitigt, die man nach ihrer Konstruktionsart prinzipiell unterscheiden kann in:

a) Massiv-,

b) Stahldorn-,

c) Stahlkern- und

d) Stahlspitzengeschosse.

Im folgenden sollen einige typische Konstruktionen solcher Panzergeschosse kurz besprochen werden.

Die einfachste Form der Panzergeschosse ist 1. jene des Pralon'schen Geschosses (Fig. 8), das aus einem massiven Stahlkern besteht, der an seinem unteren Ende mit einer Kupferfübrung versehen ist. Auch die ersten Krupp'- schen Infanterie- Stahlgeschosse bestanden aus solchen massiven Stahlkernen, welche mit einem sehr dünnen Kupferüberzuge

90

E x 1 e r.

(behufs leichterer Führung im Laufe) versehen waren. Diese beiden Geschosse haben sich aber nicht bewährt.

2. Borchardt ordnete in einem Mantelgeschosse einen durchgehenden Stahldorn 8 (Fig. 9) an, welcher unten aus dem Geschosse herausragte und welche Verlängerung den Zweck hatte, das Panzergeschoß auf das Gewicht des normalen Mantel- geschosses zu bringen. Diese Geschosse zeigten tatsächlich eine höhere Durchschlagskraft als die normalen ogivalen Mantel- geschosse; doch sind sie konstruktiv unrichtig aufgebaut. Beim AuftrefFen am festen Ziele findet ein Abscheren des Bleikernes samt dem Mantel statt, während der Stahlkern 8 das Ziel durch- dringt. Dieses Abscheren bedingt einen großen Energieverlust des Geschosses.

3. Bei einer anderen Ausführungsart der Panzergeschosse versuchte man den normalen Mantelgeschossen am vorderen Ende eine kappeuartige Verstärkung des Stahlmantels zu geben (Kappengesehosse), welche eventuell gehärtet worden ist (Fig. 10). Es zeigte sich aber beim Schießen mit solchen Geschossen, daß beim Auftreffen derselben auf feste Panzerziele die Geschoß- spitzen entweder stark deformiert wurden, oder die Kappen, wenn stark gehärtet, absprangen. Man ist daher

4. zu einer Ausführung übergangen, wie sie die Figuren 11 bis 13, d. 8. Hartgeschosse nach dem Patente der „Vereinigten deutsehen Waffen- und Munitionsfabriken" in Karlsruhe zeigen. Hier besteht das Geschoß aus zwei Teilen, wovon der Vorderteil s aus Stahl, der Hinterteil b aus Blei erzeugt ist, die beide durch einen Mantel vereinigt werden. Die nach Wahl länger oder kürzer konstruierte stählerne Spitze 8 (Fig. 10) hat den Zweck, das Ziel zu durchschlagen, also der Forderung hoher Festigkeit des Geschosses zu genügen, während die dahinter liegende Blei- füllung (b) dem Geschosse ein größeres Gewicht geben soll und gleichzeitig bestimmt ist, die Führung des Geschosses zu über- nehmen. Die äußere Gestaltung der Hartgeschosse kann eine ver- schiedene sein, wie dies aus den Figuren 11 13 hervorgeht (Stahlspitzengeschosse).

5. Nach dem Patente von G. Roth in Wien wird bei dessen Panzergeschossen ein Stahlkern * von einem Bleimantel b (Fig. 14) und beide von einem Vollmantel umgeben. Hier gelangt der volle Querschnitt des massiven Stahlkerns behufs Über- windung des widerstehenden Mittels zur Geltung; jedoch findet zuerst ein Abscheren und Absprengen des Mantels und der Blei-

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

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führung statt, was wieder einen Arbeitsverlust bedeutet. Um diesen zu vermindern, hat G.Roth seinen neuesten Geschossen eine etwas geänderte, zweckmäßigere Form gegeben.

6. Den gleichen Gesichtspunkt wie vor, hat auch Krupp in Essen bei seinen Geschossen mit hoher Durchschlagskraft (Stahlgeschosse mit einer mit spezifisch schweren Metall gefüllten Höhlung) eingehalten. Das Geschoß besitzt in seinem vorderen Teile eine gehärtete Spitze S (Fig. 15) und in seinem hinteren Teile einen ringförmigen Hohlraum H} welcher mit Blei ausge- füllt wird. Dieser Hohlraum ist von einer derartigen Dimension, daß nur eine schwache Stahlwand bei x stehen bleibt.

Zur Führung des Geschosses erhält dasselbe einen ent- sprechenden Führungsmantel (Massivgeschoß).

Beim Auftreffen des Geschosses am festen Ziele, staucht sich die Füllung im zylindrischen Teile in der Flugrichtung des Geschosses zusammen und sprengt den schwachen Stahlmantel mit dem darauf sitzenden Führungsmantel vom Geschosse ab. Der in das Ziel einschlagende Teil besteht nur mehr aus dem vorderen Stahlteile, welcher die kinetische Energie des voll- ständigen Geschosses für das Durchdringen des Panzerschildes verwendet. Da der Führungsmantel mitabgesprengt wird, vermag derselbe die Durchschlagsbewegung des Geschosses nicht zu hindern, so daß der durchschlagende Gesehoßteil sich wie ein glattes Geschoß verhält und mit genügender Geschwindigkeit hinter dem Schutzschilde seinen Weg fortsetzen kann.

7. Beim Typ Pascal- Patronenfabrik Hirtenberg (Fig. 16) wird ein kleiner Stahlkern in den Bleikern des Ge schosses eingebettet (Stahlkcrngeschoß).

Diese Konstruktion hat den Nachteil, daß beim Auftreffen des Geschosses, der Stahlkern das Geschoß nicht derart versteift, daß das ganze Geschoß zum Durchschlag kommt, sondern es tritt oft nur der Stahlkern allein durch den Schutzschild. Dem Stahlkern kann aber infolge seiner geringen Dimension eine nachhaltige Verwundungsfähigkeit nicht zugesprochen werden.

Die mit solchen Panzergeschossen mehrseitig vorgenommenen Schieß versuche haben nun gezeigt, daß es tatsächlich möglich ist, eine Durchschlagsleistung zu erzeugen, welche jene der normalen Infanteriegeschosse um ein vielfaches überragt und auch gegenüber den M. 04 Spitzgeschossen als eine wesentlich bessere (mindest doppelt so große) bezeichnet werden muß. Beispiels- weise soll es nach den Angaben des Erfinders gelungen

92

E x 1 e r.

sein, mit dem Borchardt'schen Geschosse (bei 15g Jeschoßgewicht und 640 m Mündungsgeschwindigkeit) auf 50 m Entfernung 20 mm dicken Stahl tadellos zu durchschlagen.

6*5 mm Pascal-Hirtenberg'sche Geschosse durchschlugen bei Schießversuchen gegen Panzerplatten, auf die gleiche Distanz 33 mm dicke Flußeisenplatten; Roth 'sehe 8 mm Geschosse solche von 45 mm u. s. f. Schießversuche, auf größere Entfernungen ausgeführt, sollen gezeigt haben, daß es möglich ist, leichte (3 mm dicke) Artillerieschutzschilde bis auf 1000 in glatt zu durchschlagen, während schwere (6 mm dicke) Schutzschilde über 300 m (= 400*) noch glatt durchschlagen worden sind. Die normalen ogivalen 8 mm Stahlmantelgeschosse zeigten im letzteren Falle hingegen nur eine Wirkung bis auf etwas mehr wie 100 m.

Nebst dieser beträchtlichen Durchschlagsleistung besitzen die der leichteren Eindringung wegen meist als schwache Spitz- geschoBse geformten Panzergeschosse noch den Vorteil größerer Flugbahnrasanz und größerer Treffähigkeit als die normalen Mantelgeschosse, weil sie infolge Verwendung des spezifisch leichteren Stahls als Geschoßmaterial, ein kleineres Geschoßgewicht wie die normalen Mantelgeschosse besitzen, daher die Mündungs- geschwindigkeit hiedurch, sowie ähnlich wie bei den M. 04 Spitzgeschossen durch eine Ladungsvergrößerung und An- wendung treibfähigeren Pulvers gesteigert werden kann. Die Panzergeschosse sind also auch in dieser Hinsicht den normalen ogivalen Mantelgeschossen als ballistisch überlegen zu bezeichnen.

Die Erzeugung solcher Geschosse ist aber, wie dies schon aus der früher geschilderten verschiedenen Konstruktionsart hervorgeht, komplizierter als jene der normalen Mantelgeschosse, und deshalb ist auch ihr Erzeuguogspreis ein höherer. Ihre große zerstörende Wirkungsfähigkeit würde weiters die Einführung eigener Wach- und Schießstättemunition absolut bedingen.

Welche Geschosse nun von den beiden vorgeschilderten Gattungen Spitz- oder Panzergeschosse vorzuziehen seien, ist nicht einfach zu entscheiden. Entschieden wäre die Erreichung einer hohen Flugbahnrasanz der Spitzgeschosse in Verbindung mit der großen Durchschlagsleistung der Panzergeschosse wohl das Ideal eines jeden WafFentechnikers !

Deutschland und Frankreich haben sich dem infante- ristischen Kampfe gegen den Schutzpanzer minderen Wert bei- legend — vorderhand für die Annahme der billigen Spitzgeschosse

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Die Infanteriespitz- und Panzergeschosse.

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entschieden und damit den hauptsächlichsten Wert auf die Vergrößerung der Flugbahn rasa nz gelegt, welche imstande ist, die Widerstandskraft der modernen Handfeuerwaffen auf den näheren Distanzen wesentlich zu steigern. Auf diesen Distanzen spielt sich ja wie die letzten Kriegserfahrungen lehren der Hauptfeuerkampf und die eigentliche Entscheidung ab; und daher muß für diese Kampfzone die ballistische Leistung der Handfeuerwaffe das Höchstmaß derselben ausweisen können.

Der Kampf auf große Entfernungen, dann das Weitfeuer verliert aber für die Infanterie bei der wesentlich gesteigerten Wirkung schnellfeuernder Artillerie und präzis arbeitenden Maschinengewehren heute sichtlich jenen einschneidenden Wert, der ihm nach dem deutsch-französischen Kriege (1870/71), und zwar vielleicht auch im Übermaße zugemutet worden ist.

Ob nun deutscher- oder französischerseits neben den Spitz- geschossen für den Feldkrieg, etwa noch Panzergeschosse für den Positionskampf (behufs infanteristischer Bekämpfung schwächerer Panzerschilde, Sappenschirme u. s. f.) zu verwenden in Aussicht genommen sind, entzieht sich noch der Kenntnis und Beurteilung. Die Verwendungsmöglichkeit der Panzergeschosse wird aber in der Zukunft umsomehr auf den Plan treten, je realisierbarer die Schaffung persönlicher Schutzpanzerungen in der Zukunft werden dürfte und je allgemeiner das Bestreben wird, den Soldaten durch Deckungen gegen die Wirkung des Infanteriegeschosses zu schützen.

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

Aus dem „Russischen Invaliden" übersetzt von Oberstleutnant von Moszynski der k. und k. MilitKrbauabteilung des 6. Korps.

•Schluß des gleichnamigen Artikels im 1. und 5. Hefte des Bandes LXXII.

Tatsache ist, daß am 8. März das ganze Gelände südlich vom Chun «Flusse plötzlich von den Russen geräumt war; die Japaner mußten diese heiß umstrittenen Positionen endlich wenn auch spät bekommen, um dem Gegner einen ernsten Schlag zu versetzen. Der Putilof-Hügel, der im Laufe der letzten sechs Monate so viele Opfer verschlungen hatte, wurde am 4. März von den Japanern leicht genommen. Die Änderung der Front war eine vollständige; jetzt war das Hindernis, welches überwunden werden mußte, der Chun -Fluß von Mukden bis Fuschun. Das war eine unerwartete und unvermutete Änderung der Front auf 15 km, vollbracht von einer starken Armee, die sich mit dem Gegner im innigsten Kontakt befand. Gegenüber dem japanischen Zentrum und dem rechten Flügel wird der langtägige, standhalte Widerstand binnen wenigen Stunden ge- brochen.

Nodsu, Kuroki und Kawamura bewegen sich gegen die neue Verteidigungslinie der Russen. Die ganze Armee Kuro- patkin's mußte sich zu deren Verteidigung zusammenziehen, um dieselbe so weit als möglich zu stärken. Von diesem Momente an beginnt eine neue Phase der grandiosen, fürchterlichen Schlacht.

Die Armee Nogi macht verzweifelte aber fruchtlose An- strengungen, um die Eisenbahn nördlich von Mukden zu erreichen und den Russen in den Rücken zu kommen. Die 5. und 8. Division Oku's ist in heftigen Kampf am „Alten Damm" verwickelt, um Mukden von West und Südwest her anzugreifen, sie kann aber

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M u a z y n s k i.

nicht um einen Schritt vorwärts kommen. General Kuropatkin konzentriert in der Nähe clor Eisenhahnstation Mukden größere Massen und hantierte mit ihnen wi«> mit einem Hammer gegen die japanische Front. Wenn dies gelungen wäre wäre es ein Sieg gewesen. Die ganze Wut der Seh lacht konzentriert sich nunmehr hier; 300.000 Mann auf einer Front von 25 km.

Die 5. und 8. Division der Armee Oku trafen wie schon früher erwähnt am 4. März abends nach einer zweitägigen Verfolgung des Gegners auf den Widerstand der befestigten russischen Linie am „Alten Damma und lagerte ihre ganz er- schöpften Truppen im Biwak. Mittlerweile ertönte von Lajschinpu, Schaolintsu und Kaolinpu her das GeschutzfVuer der dort in den Kampf verwickelten 4. Division. Mit seinem Stabe auf das rechte Chun-Ufer nach Bejjapu übersiedelnd, gab General Oku den beiden Divisionären den Befehl zur Vorrückung.

Das künftige Schlachtfeld stellte eine ungeheure Ebene dar mit wenigen sich weithinziehenden sandigen Erhöhungen nach Art und Charakter der Dünen, als Überreste der vielfachen Flußlaufanderungeo des Chun-Flusses. Die Vegetation in diesem Gebiete ist eine sehr reiche; am Wasser erheben sich dichte Gestrüppe und junger Baumwuchs und auch die Ansiedlungen weisen Baumwuchs auf; über deren Gipfeln ragen hin und wieder die Spitzen der Pagoden hervor, mehr mongolischen als chinesi- schen Charakters, die auf die Nähe der von hier zwei Marsch- stunden entfernten, den Landesbewohnern heiligen Stadt Mukden hindeuten.

Der bevölkerten Punkte gibt es hier zahllose; diesseits des mehrfach erwähnten „Alten Damm" waren ihrer sehr viele, teils voneinander getrennt, teils miteinander verbunden oder aber in Gruppen gehäuft aber alle noch unbeschädigt. Sie sehen so friedlich aus und niemand würde vermutet haben, daß sie durch Grüben, Wälle und Brustwehren, Drahtnetze und Verhaue, Minen und alle möglichen anderen künstlichen Hindernisse, zu veri- tablen Festungen umgewandelt waren, die mit ihren eingebauten Kasematten und Caponieren tausende von zum Kampfe bereiten Soldaten mit ihren Geschützen und Maschinengewehren be- herbergten.

Die Linie der russischen Befestigungen zog sich von Norden her über Tschencbiljen, Jaussitunj, Kankjatjen, Ssatentsu, Chumu- japu, Ssijenmujapu und Mujapu am rechten Ufer des Chun-Flusses. Die Fortifikationen dieser Punkte wurden uoch vor der Schlacht

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

97

bei Chekc-utaj (Ssandepu) (Offensive des Generals Grippen- berg Ende Jänner 1905) begonnen.

General Kuropatkin setzte voraus, daß der Gegner den Versuch machen werde, diesen Flügel zu umgehen, der durch die Mißerfolge geschwächt war und er irrte sich nicht. Namentlich von dieser Seite her machten die Japaner die größten An- strengungen und wäre diese befestigte Linie nicht vorbanden gewesen, so würde Mukden eben zu dieser Zeit schon genommen und die ganze russische Armee von ihrer Rückzugslinie abge- schnitten gewesen sein.

Längs des „Alten Damm" entwickelte sich die russische Infanterie und bestrich das ganze Glacis in der Tiefe von 1500 m. Das Feuer begann in dem Momente, wo die vorderen Ab- teilungen der Japaner aus den zunächst gelegenen Ansiedelungen zum Vorschein kamen. Aus Taijaschapu debouchierte die 5. Di- vision der Japaner, welcher befohlen worden war, die russische Position zwischen den beiden Ortschaften Ssatatsü und Mujapu zur selben Zeit anzugreifen, zu welcher die aus Chaojatunj vor- rückende 8. Division zum Angriffe auf die Ortschaften Kankjatjen und Janssitunj zu schreiten hatte.

Kaum hatten die Japaner 100 m zurückgelegt, als die Artillerie der Russen ihre Feuer eröffnete; sie schuß halbbatterie- weise, jedesmal mit Salven aus vier Geschützen.

Die Distanzen gegen das Vorfeld waren genau gemessen, das Feuer daher sehr sicher. Gradatim wurde die Linie der Russen immer länger; Batterie auf Batterie trat in den Kampf. Die Japaner schätzten die gegnerische Artillerie auf 3 Batterien (24 Geschütze) südwestlich von Ssijen mujapu am rechten Chun- Ufer, 3 solche südlich von Ssatatsü und drei nördlich desselben Ortes; weiters standen 66 Geschütze der 5. japanischen Division und eine weit größere Zahl nach Norden hin der 8. japanischen Division gegenüber.

Eine Brigade der 5. Division unter dem Kommando des Generals Ssurisawa griff den „Alten Damm" frontal an; ihre Artillerie fuhr auf dem minder hohen sandigen Rücken zwischen Tajuschapu und Schaoschupu auf und begann den Angriff der Infanterie vorzubereiten, indem sie den „Alten Damm" unter Feuer nahm.

Die japanische Infanterie konnte sich in dem vom geg- nerischen Feuer rasant bestrichenen Räume nur langsam und mit äußerster Vorsicht bewegen.

Organ der MllitärwissenscbaftHchen Vereine. LXXIIT. Bd. 1906. 7

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Die Soldaten lernten es, unter der Zahl der vielen ihnen gegenüberstehenden Batterien jene zu erkennen, von welcher sie beschossen wurden und wenn sie das Aufblitzen der Schüsse bemerkten, hatten sie noch Zeit, sich in irgend einer Terraiuvertiefung gegen die Geschosse zu decken; nach dem Einschlagen derselben wurde die Bewegung nach vorwärts fort- gesetzt.

An demselben Abende wurde diese Brigade Ssurisawa durch ein Regiment (Oberst Ischida) verstärkt, das sich gegen- über der Ortschaft Chumujapu entwickelte. Als die vorderste Linie auf eine Distanz von 1000 m an den Damm herange- kommen war, gestaltete sich das Feuer besonders heftig. Die Nacht brach herein, die Truppen waren sehr erschöpft und General Ssurisawa hielt es für untunlich, den Sturm zu unter- nehmen, bevor die Truppen der Ruhe gepflogen hatten. Es wurde deshalb die Bewegung, die unter dem ununterbrochenen Feuer des Verteidigers vor sich ging, nur bis auf eine Distanz von 800 m vom Gegner fortgesetzt.

Der Morgen des 5. März war trübe und düster und die Artillerie, die ihre Ziele nicht zu sehen vermochte, schoß aufs Geratewohl. Die Brigade Ssurisawa setzte den Angriff auf den Damm energisch fort, ohne Rücksicht auf das energische Feuer der gegnerischen Infanterie. Als erstes erreichte den Damm das Regiment Oberst Ischida bei Chumujapu. Hier geschah etwas ganz Merkwürdiges. Der Damm der Eisenbahn erreicht an dieser Stelle die Höhe von 5 m ; die Japaner liefen rasch bis an den Fuß der Dammböschung und kamen so in den toten Raum, in welchem sie von dem Feuer der auf der Damm- kronc eingegrabenen Russen nicht erreicht werden konnten. Von dort aus begannen die Japaner Handgranaten auf die Krone des Dammes zu werfen. Aber auch die Russen waren mit solchen ausgerüstet, die sie mittels hölzerner Stöcke schleuderten, in den meisten Fällen jedoch zu weit, so daß dem am Böschungsfuße angeschmiegten Gegner nur wenig Schaden verursacht wurde. Hierauf pflanzten die Japaner die Bajonette und krochen die Böschung hinan ; an der Brustwehre angelaugt, sammelten sie sich, wo es der Platz gestattete, in Haufen und stürzten sich mit Bansaigeschrei auf die Verteidiger. Der Schlag war nicht aufzuhalten und das Handgemenge währte nicht lange. Der Ver- teidiger verließ deu Bahndamm und flüchtete in die Befestigungen von Chumujapu. Seine Stärke wurde auf 1 Bataillon geschätzt.

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So war also der erste Abschnitt des „Alten Damm" in den Händen der Japaner.

Dreimal versuchten die durch Reserven verstärkten Russen aus Chumujapu heraus Gegenangriffe, aber vergebens. Mittler- weile fielen auch andere Abschnitte des „Alten Damm" in die Hände, der Japaner und dieser wurde so zu sagen zu einer Ver- teidigungslinie und guten Basis für die weiteren Angriffe der Japaner. Übrigens winkte ihnen ja der Erfolg Mukden war nicht mehr ferne!

Unter dem Schutze dieses Dammes übersetzte das Regiment Oberst Ssukimura der Brigade Ssurisawa den Chun-Fluß und ging am linken Ufer desselben zum Angriffe auf Mujapu los. Unterstützt durch die mitgegebene Artillerie kam das Regi- ment ohne sonderliche Verluste bis auf 200 in an die Position der Russen heran. Hinter einigen Erdbuckeln zwischen Chuijapu und Schaoschupu wurden einige leichte, schwere und Mörser- batterien etabliert, welche die russische Artillerie bei Mujapu und Ssatatsü zu beschießen begannen. Die Hauptkraft der Brigade Ssurisawa griff Ssatatsu, das Regiment Oberst Ischida die Ortschaft Chumujapu an.

Die ganze Infanterie rückte in der gewöhnlichen Formation in kleinen Sprüngen vor; um mittag war sie 400 m von der fortifizierten Linie entfernt. Mit unbewaffnetem Auge konnte man schon die Drahthindernisse, Palisaden und Vorhaue wahr- nehmen. Um 4 Uhr nachm. trennten nur mehr 200 m die beiden Gegner, als plötzlich die Vorwärtsbewegung des Angreifers ins Stocken kam.

Hier ging folgendes vor sich: aus der Ortschaft Ssijen- mujapu, bis zu diesem Momente lautlos und von den Japanern als zur zweiten Verteidigungslinie der Russen gehörig betrachtet, wurde plötzlich ein orkanartiges Feuer eröffnet; aus Geschützen und Gewehren fällt unvermutet ein Hagel von Blei in die Flanke der Angreifer und paralysiert deren Vorruckung. Sich von der Stelle zu bewegen, wäre gleichbedeutend mit Tod; der Angreifer kann weder vor noch zurück und über seine Köpfe hinweg fliegen die Projektile der schweren Geschütze in wirrem Durcheinander; die Japaner beginnen zu weichen.

Es bricht der Abend herein und die Nacht die kälteste in den Tagen dieses langen Kampfes; das Thermometer zeigt 15° unter Null und hier am offenen Felde lagen 20.000 Mann un- beweglich am Boden.

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Es beginnt der Morgen des 6. März, ohne daß eine Ände- rung in der Situation eintritt. Die Aussicht auf einen nahen und entscheidenden Sieg entschwand. Der Divisionär General Kikoschi erwiderte dem ihm zum Rückzüge in die Linie Tajuschupu-Chujapu ratenden Offizier des Generalstabes, der eben mit einer Meldung bei ihm eingetroffen war, stolz: „Zurück- gehen — niemals !u Die ihm übergebene Ordre enthielt den Befehl zum Angriff.

Ein Regiment, Oberst Chorija, in der Reserve stehend, wurde angewiesen, eine Umfassung des Gegners durch ein Um- gehen der Ortschaft Ssatatsü zu bewirken. Es schritt sogleich zur Ausführung dieses Befehles, während die Hauptkraft die frontale Vorrückung fortsetzte. Zur besseren Unterstützung dea Angriffes fuhr die Brigadeartillerie in einer Position auf, die in der Sphäre des gegnerischen Infanteriefeuers lag. Die schwere Artillerie konzentrierte ihr Feuer auf die russischen Geschütze bei Ssijenmujapu. deren eiifilierendes Feuer so verderblich war. Die selbständige Feldartillerie, die bis dorthin mit der schweren Artillerie in einer und derselben Linie stand, fuhr im freien Felde weit voraus und postierte sich in der Ebene östlich von Tajuscliapu.

Um 7 Uhr früh war der Kampf in vollem Gange. Das Regiment Oberst Chorija, unter heftigem Feuer mit großen Verlusten vorgehend, traf etwa 600 m von der gegnerischen Position eine deckende Terrainfalte. Die weiteren Versuche, die Bewegung nach vorwärts fortzusetzen, mißlangen. Zweifellos haben die Russen während der Nacht Verstärkungen erhalten und schien es, daß ihre Stärke jener einer Division gleichkam. Der frontale Angriff kam zum Stehen. Die erste Linie war vernichtet, wurde erneuert und abermals vernichtet vier Kompagnien «j. waren verloren. Es blieb nichts anderes übrig, als den bis jetzt

gewonnenen Raum festzuhalten, sich hier so weit als es zulässig einzugraben und zuzuwarten.

So verging der 6. März ; die zweite Nacht senkte sich auf den blutgedüngten Boden herab; 3 Tage und 3 Nächte ohne Unterbrechung währte der Kampf.

Mit Eintritt der Morgendämmerung des 7. März war das Wetter klar. Leicht wahrzunehmen war, daß während der Nacht frische Artillerie bei den Russen eingetroffen war. Der Stab des Generals Ssurisawa kalkulierte, daß nördlich von Ssatatsü, wo sich die russische Linie schwächer zeigte, nicht weniger als

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100 Geschüte koLzentriert seien. Die russische Infanterie war zum mindesten um eine Truppendivision verstärkt. Es vergeht noch ein Tag; die Vorrückung dauert schon 76 Stunden. Um 9 Uhr abends erhielten die Truppen den Befehl, gegen den „Alten Damm" zurückzugehen und diese Bewegung wurde noch im Laufe der Nacht vollführt.

Die ganze 5. Division verließ ihre Stellung und grub sich auf etwa 1 km weiter rückwärts ein. Die Situation war also jetzt dieselbe wie vor dem Angriffe am 4. März. Nur die Opfer waren vergebens gebracht, das Blut umsonst geflossen, man mußte wieder von neuein beginnen!

General Kikoschi erwartete einen Gegenangriff der Russen und traf deshalb Maßnahmen zur Verteidigung. Mit Tagesanbruch erneuerte sich das Artillerieduell und um 9 Uhr vormittags begann das Infanteriefeuer der Russen aus Mujapu schwächer zu werden. Hieß dies, daß sich der Gegner zurückziehe ? Sogleich ward ein Regiment Kavallerie zur Erforschung dessen vorgesendet, welches südlich des Chun- Flusses in weitem Bogen ausgreifend vorgeht. Schon von ferne erblickte es die russischen Kolonnen, die aus den Ortschaften Tschinpo, Pejtschatsuin, Schaokinpao und von allen Positionen an der Eisenbahn südlich des Chun -Flusses zurückgingen. Das waren die Truppen, die der 4. japanischen Division gegenübergestanden waren. Aus der geringen Kraft des aus Mujapu kommenden Feuers schloß die japanische Kavallerie, daß die russische Besatzung daselbst sehr klein sei und meldete hierüber dem Divisionär, der nach Ablauf von einigen Stunden das allgemeine Vorrücken seiner ganzen Linie anordnete. Die Vorrückung wird aufs neue mit verzweifelter Kraft bewirkt. Das Feuer dtr russischen Artillerie nördlich und nordöstlich von Ssatatsü begann schwächer zu werden und bald daraufhatte man den Eindruck, daß ein Teil der russischen Infanterie sich zurück- zuziehen beginne. Jetzt wurde der Angriff auf Chumujapu in Szene gesetzt und gleichzeitig auch jener der Hauptkräfte auf Ssatatsü. Aber schon war die Nacht hereingebrochen.

Zu dieser Zeit, als sich die erwähnten Tatsachen abspielten, befahl General Oku der Brigade Ssumaga (der 4. Division), die 5. Division bei ihrem Angriff auf Ssatatsü zu unterstützen. Die Artillerie dieser Brigade ging infolgedessen über den Chun Fluß uud begann die Ortschaft Ssatatsü unter Feuer zu nehmen, auf eine Distanz von 40U0 m aus einer Position östlich von Sehao- schupu, während sich die Infanterie gegen Mujapu vorschob.

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Die erste Linie rückte noch im Dunkel der Nacht an die Position der Russen bei Ssatatsü heran; die Hauptkräfte der Brigade gingen von Südwest und Oberst Chorija von Westen her vor. Als die Japaner, auf 900 m herangekommen waren, begann das Feuer der Russen; trotzdem aber kam der Angreifer Schritt für Schritt vorwärts und bei Tagesanbruch war er schon auf 500 m an den Gegner gelangt. Man versuchte noch vor Sonnenaufgang zu stürmen, aber das gegnerische Gewehrfeuer fegte alles hinweg, was sich vorwagte; die wenigen Übrig gebliebenen krochen auf allen Vieren zurück. Der zweite Ver- such um 7 Uhr früh wurde gleichfalls mit großen Verlusten für den Angreifer abgewieseu. Vor ihrer Hauptposition hatten die Russen eine ihrer Redouten mit Gräben, Palisaden und Verhauen versehen, die unzugänglich erschien; der Angreifer konnte auch tatsächlich nicht näher an dieselbe herankommen.

Um K Uhr früh trat Südwind ein, der schon mit Tages- anbruch so heftig blies, daß er fast orkanartige Stärke erlangte; es erhoben sich ganze Säulen gefrorenen Sandes und wirbelten wie ein Chaos durcheinander.

Die Russen, von denen wie es schien, ein Teil aus Ssatatsü abgezogen war, erhielten um 9 Uhr vormittags Unterstützung, etwa in der Stärke eines Regimentes und waren sichtlich ent- schlossen, die Position um jeden Preis zu halten, da ihr Feuer fort und fort stärker wurde und eine fürchterliche Kraft anzu- nehmen begann. Die Verluste des Angreifers waren schreckliche; nicht mehr als ein Drittel der am Boden liegenden Leute war fähig, den Kampf fortzusetzen : im Regimente Oberst Chorija blieben vom ganzen Offizierskorps nur drei Leutnants unver- wundet; eine der Kompagnien wird von einem älteren In- fanteristen geführt. Mehrmals versuchten die Angreifenden ihre erste Linie mit allen verfügbaren Kräften zu verstärken, aber die Reserven konnten in dem ganz offenen Terrain nicht vor- wärts kommen und nur eine lange Reihe Toter und Verwundeter bezeichnete deren Weg. Bemerkenswert ist es, daß das Feuer der Russen, die des heftigen Sandgestöbers wegen kaum auf 50 m zu sehen vermochten, aufs Geratewohl geschah und es niemals so verderbenbringend war, wie gerade hier. Die Vor- rückung der Japaner kam zum drittenmal ins Stocken, während der staubaufwirbelnde Sturm weiterwütete und alles in einen dichten Sandnebel hüllte.

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Um mittag meldete ein Offizier Hern General Kikoschi, daß die Patronen Vorräte verschossen sind, die die Patronen Zutragenden auf dem Wege zur Feuerlinie getötet oder ver- wundet wurden und so nicht im Stande waren die vorderste Linie zu erreichen. Es blieb also den Angreifern nichts anderes übrig, als unbeweglich am Boden liegen zu bleiben und zuzu- warten.

So vergingen noch zwei Stunden unbeschreiblichen Ent- setzens, bis endlich sich gegen Norden hin abermals Merkmale des Abziehens des Gegners zeigten und es begannen die Japaner neue Hoffnung zu schöpfen. Die Dunkelheit ausnützend, wurden die Leute wieder mit Patronen versorgt und die Vor- bereitungen zum letzten Anlauf getroffen. Um 1 Uhr nachts begann die vorderste Linie wieder ihr Vorrücken.

Am Tage vorher hatte die Brigade Ssumaga, ohne Wider- stand zu fiuden, Mujapu besetzt und war von dort über Cbo- wantunj marschiert, mit der Absicht, der Ortschaft Ssatatsü in den Rücken zu kommen und es ist möglich, daß diese Vor- bewegung der genaunten Brigade den Rückzug der Russen von dort beschleunigte und so die 5. japanische Division aus ihrer verzweifrlten Lage befreite.

Am 10. Mörz um 4 Uhr früh stürmte die 5. Division im Vereine mit der Brigade Ssumaga die Ortsc haft Ssatatsü, wo die Russen zur Deckung ihres Rückzuges nur zwei Bataillone gelassen hatten. Diese letzteren gaben zwei Salven auf die An- greifer ab und stellten dann plötzlich ihr Feuer ein. Ssatatsü wurde von den Japanern genommen und mit dieser Ortschaft die ganze Linie. Die o. Division hatte den Kampf beend« t und setzte sich gegen das von brennenden Ortschaften umgebene Mukden in Marsch. Nur vor Port Arthur kamen in den ver- zweifelten Stürmen auf die Befestigungen ähnliche Fälle vor und der eben beschriebene Teil der Schlacht bei Mukden ist in der Tat einer der fürchterlichsten und entsetzlichsten Kämpfe aller Zeiten !

Zu der Zeit, als die 5. Division 0 k u's Ssatatsü attakierte, stand der linke Flügel seiner Armee, die 8. Division, gegenüber den Ortschaften Kankjatjen und Janssitun j im Kampfe. Sechs Tage und sechs Nächte dauerte das ununterbrochene Blutvergießen. Der 4. März verging mit Vorbereitungen. Die 8. Division unter Kommando des Generals Tatsumi bestand aus den Brigaden Komada am linken und Joda am rechten Flügel; die Divisions-

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reserve war ein Regiment stark. Des morgens am 4. März bewegte sich die linke Brigade aus Chaojatunj mit Umgehung des „Alten Damm" nach Njenkuantunj, dessen russische Besatzung sich nach einigen Schüssen nach dem etwa 1*5 km östlich gelegenen Janssitunj zurückzog. Njenkuantunj besteht aus einer großen Anzahl zerstreut liegender Gebäudegruppen und war weil nicht wie die übrigen Ansiedlungen mit gestampften Lehm- mauern umgeben für eine Verteidigung nicht geeignet.

Die Besetzung dieser Ortschaft durch die Japaner zwang auch die in Julinpu (1 km südöstlich von ersterem) befindlichen Russen sich nach der befestigten Ortschaft Kankjatjen zurück- zuziehen, worauf Julinpu gleichfalls durch die Brigade Joda be- setzt wurde. Bald darauf wurden diese von den Japanern besetzten Ortschaften durch das Feuer der russischen Artillerie in Brand gesteckt; ungeachtet dessen fortifizierten sich die Japanerin den- selben für den Fall eines Gegenangriffes der Russen und bereiteten sich sodann zur weiteren Vorrückung vor, zu deren Antritt General Tatsumi um 11 Uhr nachts den Befehl erteilte.

Am Schlachtfelde herrschte vollste Ruhe, als die Japaner aus Njenkuantunj und Julinpu abmarschierten. Es war 7 Uhr früh; alles noch dunkel; der Morgen ließ sich neblig an. Die Japaner begannen sich zu entwickeln und gingen ihrer Ge wohnheit gemäß je nach Umständen entweder in kleinen Gruppen sprungweise vorlaufend oder au: allen Vieren kriechend vor. Die Linie der Russen schweigt noch immer. Ist nicht etwa der Gegner im Laufe der Nacht abgezogen ? Der Angriff wurde mit zwei Regimentern unternommen; unterstützt war er durch zwei Batterien und einige Maschinengewehre, auf deren Feuer die Russen nicht antworteten.

Auf 800 in vom Gegner eröffnete die japanische Infanterie ihr Feuer, aber die Russen schwiegen noch immer. Hierauf sandte das eine der beiden im Angriffe befindlichen 2 Regimenter eine Kompagnie zur Aufklärung voraus; als diese auf 400 m von den Befestigungen anlangte, eröffneten die Russen auf der ganzen Linie das Feuer, worauf sich die Japaner zur Erde warfen und unbeweglich liegen blieben.

Die bei Julinpu stehende Artillerie trachtete das Schicksal dieser Kompagnie durch ihr Feuer zu erleichtern, aber in diesem Momente begann auch die russische Artillerie ihr Feuer. Man berechnete, daß auf die Dauer vou 20 Minuten auf diesen Teil des Schlachtfeldes das Feuer von 130 russischen Geschützen

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konzentriert war, denen gegenüber die Japaner nur 32 zur Ver- fügung hatten. Das Feuer der nördlich von Ssatatsü postierten russischen Batterie erifilierte die Vorrückung der Japaner, es war demnach ein Vorwärtskommen nicht möglich. So verging der Tag. In der Nacht ging der Rest der fast ganz vernichteten vordersten Kompagnie auf die zweite Linie der angreifenden Truppen zurück. Da traf General Oku Anstalten zur Ver- stärkung der Artillerie seiner 8. Division, zu welchem Zwecke er sieh an die Artilleriebrigade der Armee Nogi wenden mußte; am Morgen kommandierte diese 24 Feldgeschütze und 1 Mörserbatterie zur Disposition des Generals Tatsumi ab. Diese Geschütze wurden hinter dem „Alten Damm" postiert; eine Gebirgsbatterie wurde überdies bei der in Flammen stehenden Ortsehaft Julinpu etabliert.

Von 7 Uhr früh beginnend wird die Infanterielinie ver- stärkt; die Unterstützungen durchschreiten die Ebene in dünnen Linien, eine hinter der anderen. Das Feuer der russischen Artillerie ist erschreckend stark und beherrscht das ganze Gelände. Die Geschosse schlagen mitten in den Stab der Armee ein und be- schädigen die Lazarette. Das Gewelirfeuer knattert fort, ohne Unterbrechung. Um mittag herum sind alle Reserven der Japaner verausgabt und die Kräfte des Gegners wachsen von Stunde zu Stunde. Die Verluste sind enorme.

Nun telegraphiert General Tatsumi zum Stabe der Armee, daß seine Lage eine verzweifelte und Verstärkung unbedingt erforderlich sei; daß die Division, wenn die Russen einen Gegen- angriff ausfuhren, außerstande wäre, ihn abzuweisen. Aber General Oku hatte keine Reserven mehr, nicht einen einzigen Mann; er bat daher um Hilfe bei der 3. Division, welche eine solche Unterstützung sogleich in Marsch setzte. Hier erscheint in der ganzen Schlacht zum erstenmal die 3. Division, welche anfänglich dem Stande der Armee Oku angehörig, nach dein Kampfe bei Cheke-utaj (Ssandepu) verschwand und nunmehr Uber Befehl des Marschalls Ojama die strategische Reserve seiner Armeen bildete.

Sie befand sich hinter dem Zentrum, bereit für den Fall des Bedarfes und dieser Moment war jetzt eben eingetreten. Und gerade jetzt, wo die Armee Nogi (äußerster linker Flügel der Japaner) weit nach Norden ausgreifen mußte, um durch Umgehung des äußersten rechten Flügels der Russen Mukden von Nordwesten her anzugreifen, war es eben bei diesem Aus-

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einandcrziehen der ganzen Front notwendig, dafür zu sorgen, daß sie nirgends der erforderlichen Dichte entbehre und die Aufrechthaltung der Verbindung mit der Armee Oku nicht allzu schwierig werde.

General Kuropatkin entdeckte diesen schwachen Punkt und begann seine Truppen diesem Punkte gegenüber zu kon- zentrieren. Aber Marschall Ojama sandte am 3. März die 3. Division in forciertem Marsch vor und 6chob sie zwischen Oku und Nogi ein, um dem linken FlHgel die Möglichkeit zu geben, sich für eine nachdrückliche Vorrückung zu sammeln. Am Morgen des 0. März entwickelte sich diese 3. Division gegen- über Likampu und Chenchutjen und gerade zu dieser Zeit traf Oku's Ansuchen um Unterstützung ein.

Die Ankunft der zur Unterstützung bestimmten 3. Division belebte die im Kampfe stehenden Truppen aufs neue; die Brigade Toda drang gegin Kankjatjen vor und die Mannschaft strebte danach, so rasch als möglieh zum Bajonettkampf überzugehen, da das Feuer immer heftiger und verlustreicher wurde. Aber auf 400 m vom Gegner geriet der Angriff wieder ios Stocken, da die Verluste ungeheuere waren. Die erste Linie der Japaner war ver- nichtet; die Leichen lagen mit den Gewehren an den Backen, so daß man glauben konnte, sie seien gerade im Schießen be- griffen. Ein Regiment versuchte Kankjatjen von Norden her zu umgehen ; in Gruppen zu je 5 Mann liefen die Leute vor und legten sich sogleich wieder zu Boden. Zitternd und zagend folgten die anderen mit den Augen dieser Bewegung; schon sind sie nahe an den russischen Schützengräben und es scheint, als könnten sie mit Sturm genommen werden. Doch aufs neue vergeht Stunde auf Stunde. Am Hügel erscheinen von Zeit zu Zeit Offiziere des Gencralstabes, die mit ihren Binocles schweigend das Schlachtfeld überschauen und ungeachtet des ihnen eigenen Lächelns nicht imstande sind, das Gefahrvolle der Situation in ihren Mienen zu verbergen.

Am 6. März konnten die Japaner gegenüber Janssitunj und Kankjatjen keinen Schritt vorwärts kommen. Drei Regiments- kommandanten waren schwer verwundet und die Verluste an Leuten überaus große. Gegen abend ließ das Feuer des Gegners anscheinend etwas nach und es wurde ein verzweifelter Versuch zum Sturme gemacht. Aber sogleich lebte die Verteidigung wieder auf; die Maschinengewehre begannen wieder Feuer zu speien und nach Ablauf der ersten Minute waren schon über 100 Mann

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der ersteu Linie gefallen. Jetzt wurden die Japaner gewahr, daß die Russen Verstärkungen erhalten hatten und ihre Reserven sehr starke gewesen sein mußten. Eine weitere Fortführung des Angriffes bei Tag wäre Torheit gewesen und deshalb verschob man denselben bis zum Eintritte der Nacht.

Gegen abend begann der Kampf zu verstummen und General Tatsumi erließ einen Befehl, mit welchem für 2 Uhr nachts der gleichzeitige Angriff auf Janssitunj und Kankjatjen an- geordnet wurde. Mit Rücksicht auf die schweren Verluste war es nicht leicht, zwei Kolonnen für den Sturm zu formieren und es mußten zu deren Bildung Leute aus allen Regimentern genommen werden. Der Hauptschlag wurde gegen Janssitunj gerichtet, das sich als schwächer besetzt erwiesen hatte; gegen dasselbe gingen drei Bataillone Infanterie und eine Kompagnie Sappeure vor, letztere ausgerüstet mit Handgranaten und hölzernen Vor- richtungen zum Schleudern von Sprengmittelu. Zum Angriffe gegen Kankjatjen wurden nur 400 Mann mit einer Kompagnie Sappeure bestimmt, über welche Kolonne auf seine Bitte hin der Adjutant des Generals To da das Kommando übernahm.

Der Befehl des General.s Tatsumi für diesen Angriff enthielt die Worte: „Soldaten, denkt daran, daß zum Heile der kaiserlichen Armee Janssitunj und Kankjatjen um jeden Preis genommen werden müssen, was es auch immer kosten möge!"

Die 400 Mann mit einer Sappeurkompagnie brachen um 2 Uhr 30 Min. nachts auR Julinpu in aller Stille auf; sie be- absichtigten nach Süden hin gegen Ssatatsü auszuweichen, um dann unerwartet Kankjatjen von der Flanke her anzugreifen. Bald stießen sie auf die russischen Sicherheitsposten, welche sich schießend zurückzogen; zwischen Ssatatsü und Kankjatjen ge- rieten die Japaner in starkes Flankenfeuer aus Schützengräben östlich der Straße und gleichzeitig wurden sie auch aus der Ortschaft beschossen. Die Sappeurkompagnie an der Tete lief in gebückter Stellung bis an die Umfassungswälle und begann von dort aus ihre Handgranaten über die Brustwehre zu schleudern.

Auf einen Moment verschwanden die gegnerischen Linien im Rauche, dann aber traf die Angreifer das verstärkte Feuer der Verteidiger. Mittlerweile wartete die Infanterie am Boden liegend den geeigneten Moment für den Sturm ab. Aber von den Sappeuren fielen einer nach dem andern und auch bei der rückwärts liegenden Infanterie wurden die Verluste stärker. Jetzt gab der Kommandant dieser Kolonne das Zeichen zum Bajonett-

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angriff ; aber schon nach wenigen Schritten war diese stürmende Abteilung fast vernichtet und den Übriggebliebenen unter dem Kreuzfeuer des Verteidigers die Möglichkeit benommen, sich irgend wohin zu retten. Es erübrigte ihnen nur auf eine De^agierung durch den Angriff aut Janssitunj zu hoffen; be- dauerlicherweise vermochten sich die für diesen Angriff bestimmten Truppen, auf verhältnismäßig großem Räume zerstreut, nicht so schnell zu sammeln und auf diese Weise standen die Reste dieser 400 Mann den weitaus stärkeren Kräften des Gegners Aug' in Aug' gegenüber. Noch durch drei Stunden lagen sie hier unbe- weglich und erst bei Tagesanbruch begannen sie wich zurück- zuziehen. Als sich der Kommandant dieser Schar beim Brigadier meldete, hatte er nur mehr 21 Mann unter seinem Kommando.

Die früher genannte, zum Angriffe auf Janssitunj bestimmte Abteilung war zum Abmärsche erst um 4 Uhr 30 Min. bereit und selzte sich sodann gegen die südliche Front der Russen in Bewegung. Dem Kommandanten dieser Kolonne wurde der Befehl gegeben, ohne Schuß vorzugehen und mit dem Bajonette anzu- greifen; sollte das gegnerische Feuer das Herankommen an die feindliche Stellung unmöglich machen, hätten sich die Truppen niederzulegen und das gewonnene Terrain festzuhalten.

Es begann schon zu dämmern. Kaum hatten sich die Japaner entwickelt, so eröffneten die Russen ein heftiges Ge- schütz- und Gewehrfeuer; trotzdem gingen die Japauer, gemäß dem t-rhaltenen Befehle, unaufgehalten vor. Zum Unglücke schoß die japanische Artillerie, welche diesen Angriff zu unterstützen hatte, zu kurz und es flogen die Schrapnells auch in die eigene vorderste Linie, welche gegen 11 Uhr vormittags auf wenige Meter vor die russische befestigte Linie h< rangekommen war. Nun stand der Sturm bevor; zu diesem aber kam es nicht, weil der Kommandant der Japaner, Leutnant Ssibanchi, durch eine Schußwunde das Augenlicht verloren hatte. In der Verzweiflung zu jeder weiteren Aktion unfähig zu sein, zerriß er seine Uniform und versuchte mit seinem Dolche das Harikiri an sich zu voll- ziehen. In diesem Momente warfen sich einige Russen auf ihn, noch schneller aber sprang einer seiner Leute herbei, der ihm den Dolch entwand, ihn auf die Schulter nahm und aus der Ge- techtslinie trug. Die Russen von dem Gefühle der Achtung und des Respektes vor diesem Tapfereu erfüllt stellten ihr Feuer ein und der Kampf erneuerte sich erst wieder, als diese Gruppe in Sicherheit war. Der Angriff aber war abgeschlagen;

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die Hauptkräfte der angreifenden Japaner konnten nur bis auf 200 in an den Feind vordringen ; zweimal hatten sie schon ihre vorderste Linie verstärkt, konnten aber einen Erfolg nicht er- ringen.

Um 2 Uhr nachmittags hatten die Japaner etwa die Hälfte ihres Standes eingebüßt und es waren nur drei Offiziere unver- wundet geblieben. Der Angriff war unwiederbringlich mißlungen und unter dem Schutze der hereinbrechenden Abenddämmerung begannen die Japaner den Rückzug.

Am 8. März änderte sich an der Situation nichts; die Japaner waren erschöpft und aufgerieben ; sie konnten nicht mehr vor- wärts dringen. Früh kam die Nachricht vom Beginne des Rück- zuges der Russen aus Mujapu und ^satatsü. General Tatsumi wollte dies ausnützen und befahl der Brigade Toda eine Um- gehung gegen Lukatunj zu versuchen. Um 7 Uhr abends waren die diesbezüglichen Vorbereitungen beendet und es hätte der Marsch angetreten werden sollen, als plötzlich ein Telegramm der 3. Division eintraf, die ihrerseits um Unterstützung bat. Sie befand sich bei Likampu in äußerst gefahrvoller Lage.

Was war dort vor sich gegangen? Man sprach von ver- nichteten Regimentern und davon, daß der Division durch 50.000 Mann der Russen Aufreibung drohe. Likampu war den ganzen Morgen hindurch in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Hinter dieser Ortschaft war der geheiligte Hain der chinesischen Kaiser- gräber von Pejlin sichtbar, über deren Pagode den ganzen Tag hindurch ein russischer Luftballon stand. Die erhaltenen Nach- richten müssen sehr traurige gewesen sein, da General Tatsumi sofort die Bewegung einstellte und noch in der Nacht die 8. Di- vision zum „Alten Damm" führte. Nur 450 Mann mit 1 Maschinen- gewehr blieben in Julinpu znrück und das ganze in dem fünf- tägigen fürchterlichen Kampfe gewonnene Terrain mußte verlassen werden. Jetzt mußten die Kräfte geschont werden, um die bei Likampu auf Leben und Tod fechtende Division zu degagieren.

Sofort wurde zur Unterstützung der 3. Division ein Regiment beordert. Das war ein Tag eines fürchterlichen Stauborkans, der vom Süden herbrausend den Russen ins Gesicht blies und so heilbringend wurde für die Armee No d 8 u, Kuroki und Ka wa- rn u r a, die an diesem Tage die befestigte Chun- Linie südlich und östlich von Mukden angriffen. Die Verteidigungslinie wurde in der Nacht durchbrochen, der Fluß überschritten und die drei Armeen stürzten in den Rücken der gegnerischen Massen, die

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in Unordnung den Ausweg nach Norden suchten. Es begann das Debacle der Küssen!

Hinter der großartigen, imposanten Verteidigungslinie spielt sich nunmehr der Rückzug in ungeheuren Dimensionen ab, denn der russischen Armee droht die Umzingelung. Sie beginnt ihren Rückzug. Aber diese heldenmütigen Truppen schlagen sich ohne Hoffnung auf einen Sieg mit großer Selbstaufopferung zur Rettung ihrer besiegten Kameraden. Sie retirieren langsam in voller Ordnung; die Schlacht wird nicht unterbrochen, aber sie wird allmählich stiller; immer weiter von Mukden sich abspinnend, nähert sie sich immer mehr und mehr Tjelin.

In der Nacht auf den 9. März entschloß sich General Oku die ganze 8. Division zur Unterstützung der 3. Division abzu- geben, die 5. Division aber zur Festhaltung des von der II. Armee eingenommenen Terrains zu verwenden. Das aber war unnütz, denn alle Armeen konnten ungehindert vordringen.

Das zur Unterstützung abgesendete Regiment der 8. Division verließ die aus ihrer kritischen Lage befreite 3. Division und marschierte weiter gegen Sinmintin, während zwei Batterien der Brigade Toda die langen Kolonnen der Russen beschossen, die in Unordnung nach Tjelin zurückgingen; bald darauf besetzte sie die Bahnstation und das Nordtor von Mukden. Bei den Pejlin- Kaisergräbern, von deren Türmen General Kuropatkin die letzten Phasen des Kampfes beobachtete, hißte eine russische Brigade bei der Annäherung eines japanischen Regimentes die weiße Fahne; als sie aber die geringe Anzahl der Japaner ge- wahr wurde, zog sie die Flagge ein und eröffnete das Feuer; bald darauf zog sich auch diese Brigade der Russen zurück, nachdem sie 250 Mann an Toten liegen gelassen hatte.

Stellenweise war der Kampf furchtbar und wurde von beiden Seiten mit wilder Verzweiflung geführt. An anderen Stellen be- gannen die Russen zu kapitulieren und sich zu ergeben; gegen abend hatte so die 8. Division allein 1100 Mann Gefangene gemacht.

Die Armeen Nogi, Nodsu, Kuroki und Kawamura setzten die Verfolgung fort; nur die Armee Oku, fast ganz er- schöpft, konnte an dieser Verfolgung nicht teilnehmen und mar- schierte über das mit Leichen und allen möglichen Ruinen und Trümmern bedeckte Schlachtfeld gegen Mukden. Die Soldaten sangen Siegeshymnen, aber aus ihren Augen vermochte man

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Kummer, Schrecken und Entsetzen zu lesen; beim Namensaufruf zählte man nur 22.000 Mann!

Am 7. März um 10 Uhr vormittags war, als die Sonne den am Schlachtfelde lagernden Nebel auseinandergetrieben hatte, von einigen Positionen der Armee Oku aus in nordöstlicher Richtung ein eigentümlicher schwarzer Streifen zu sehen ; anfänglich dem dunklen Schatten einer Wolke gleichend, war er späterhin einem Zaune ähnlich, der sich auf eine Länge von 8 bis 10 km hinzog. Doch konnte man wahrnehmen, daß dieser Zaun nicht unbeweglicli blieb; stellenweise wurde er auch schütterer, stellenweise dichter; er änderte seinen Ort und wuchs auch der Länge nach an. Das waren russische Truppen, die sich in großer Masse im Anmartche befanden. Rechts, zur Seite der Bahnstation Mukden, waren die Massen schütterer; man gewahrte Zwischenräume, in denen Fuhr- werke und Reiter zu sehen waren ; das war anscheinend ein Merkmal der Unordnung des Zusammentreffens von Park- und Trainkolonnen, mobilen Lazaretten, reitenden Patrouillen etc. etc., wie es sich immer trifft, wenn Truppenmassen im Feuer des Gegners in Bewegung begriffen sind. General Kuropatkin wollte sich Bahn brechen und isolierte die Armee Nogi. Mit wahrer Herzbeklemmung verfolgte der japanische Stab die Be- wegung dieser schwarzen Welle; die Stärke schätzte er auf ein Armeekorps und entgegenszutellen vermochte man ihr japanischer- 6eit8 nur zwei Regimenter. Diese beiden hielten noch bis zum letzten Momente, d. i. jenem des allgemeinen Rückzuges der Russen aus, wurden aber fast ganz vernichtet. Der Hauptschlag dieser in der Anrtickung begriffenen Kolonne war gegen Likampu gerichtet. Bevor jedoch diese schreckliche, äußerst blutige Episode der Schlacht besprochen wird, ist es unbedingt notwendig, die Vorbrreitungsphas-e dieses verzweifelten Kampfes in wenigen Zügen zu skizzieren.

Gegenüber Likampu stand die 3. Division (General Oschima), die zwischen den beiden Armeen Nogi und Oku eingeschoben worden war, um die hier stark auseinandergezogene also schwache Linie der Japaner zu verstärken. Nach Aussendung eines Teiles der Kräfte zur Unterstützung der hartbedrängten 8. Division, blieb bei der 3. Division nur eine Brigade unter Kommando des Generals Nambu. Dieser erhielt bei Tagesanbruch des 6. März den Befehl, von Chinmiutin (4 5 km südwestlich von Likampu) aus vorzurücken. Da er aber über den Gegner keinerlei Nach- richten hatte, sandte er ein Bataillon zu einer forcierten Rekog-

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noszierung vor. Diese» kam Dach Sonnenuntergang mit der Meldung zurück, daß der Gegner eine zweifache Linie von Be- festigungen besetzt halte, die aus einzelnen, mit gedeckten Ver- bindungswegen verbundenen Redouten bestand, in denen 36 Ge- schütze gezählt wurden uüd die sich von Likampu bis Chen- chtisi-en erstreckte. Besonders stark schien Likampu und ein kleines Dorf ohne Namen südlich davon, welches die Japaner „Ssangeja", d. i. „Drei Häuser" nannten.

Der Divisionär entschied sich, sogleich gegen beide Ort- schaften vorzugehen und ließ beide Regimenter in der Nacht vorrücken u. zw. das eine (Oberst Take-uchi) auf Likampu, das andere (Oberst Joschichoka) nach Ssangeja. Zwei Bataillone, je eines dieser beiden Regimenter, bildeten die Reserve unter Kommando des Generals Nambu. Die Truppen waren von zwei Sappeurkompagnien begleitet, welche mit höl- zernen Vorrichtungen zum Schleudern von Sprengmitteln reich ausgerüstet waren.

Die Dunkelheit begünstigte die Vorrückung. AU die Japaner auf 500 m an die Befestigungen herangekommen waren, eröffneten die Russen ihr Gewehrfeuer; sie vermochten jedoch die Ziele nicht zu sehen und ihre Geschosse flogen über die Köpfe der Angreifer hinweg, die sich still und lautlos vorwärts bewegten. Plötzlich sprangen drei russische Kompagnien aus ihren Schützengräben gegenüber dem Regimente Oberst Joschichoka und stürzten sich auf die Gegner. Es beginnt zu tagen. Das japanische Feuer vernichtete auf diese kurze Distanz in wenigen Augenblicken zwei Drittel der Angreifer; die Übriggebliebenen drangen jedoch vorwärts und griffen mit dem Bajonette an ; dieser Bajonettkampf dauerte aber nicht lange an, da die Russen, dank der Überlegenheit der Japaner an Zahl, bald nur mehr 20 Mann stark waren, die sich zu eiliger Flucht wendeten. Diesen Moment benützten die Japaner zum Stürmen. Sie wen- deten die mitgebrachten Schleudervorrichtungen für Spreng- mittel und ihre Handgranaten an und nach nicht langem Wider- stande der Russen verließen diese ihre Schützengräben und zogen sich nach Ssangeja zurück. Die Japaner nützten die hier- gefundenen russischen Leichen dazu aus, um mit den toten Körpern die Breschen zu füllen, welche ihre Sprengmittel ge- rissen hatten. Ein Teil der Japaner versuchte auch den fliehenden Russen den Rückzug zu verlegen.

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

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Bald nachher bemächtigten sich die Japaner des Ortes Ssangeja; die Russen zogen sich auf ihre zweite Linie zurilck- und eröffneten ein wütendes Kreuzfeuer gegen das ihnen ab- genommene Dorf. Jetzt griff auch die russische Artillerie iu die Aktion ein.

Das zweite Regiment der Brigade unter Kommando des Obersten Take-uchi, griff mit der Hoffnung auf Erfolg, Likampu energisch an. Hier aber stand der Verteidiger hinter den Um- fassungsmauern der Ortschaft mit überlegeneu Kräften und wies den frontalen Angriff ab. Hierauf wandte sich das durch eineu Teil der Reserve verstärkte Regiment nach links, diesmals aber mit mehr Erfolg.

Am Flügel der befestigten russischen Position waren nicht genügende Kräfte postiert und überrascht durch das plötzliche Erscheinen des Gegners in ihrer Flanke, verließen die Russen den südwestlichen Teil der Ortschaft und zogen sich in den nordöstlichen Teil derselben zurück. Auf diese Art war um 6 Uhr früh Likampu zum allergrößten Teile in den Händen der Japaner.

Um 6 Uhr 20 Min. früh wurde die Lage des Regimentes Oberst Joschichoka in Ssangeja eine kritische, da die Russen einen energischen Gegenangriff unternahmen. In allen russischen Re- douten wurden die Besatzungen immer stärker und von Seite der Ortschaft Chenchinpen war das Vorrücken der Russen gegen den rechten Flügel der Japaner bemerkbar. Um 7 Uhr drohte dem Regimente die Gefahr vom Rücken her, weshalb General Nambu aus seiner Reserve zwei Kompagnien zur Unterstützung des eigenen rechten Flügels vorzog. Aber diese vermochten die Gefahr nicht abzuwenden und General Nambu mußte noch zwei Kompagnien aus der Reserve an den bedrohten Punkt disponieren. In einer der Redouten südwestlich von Ssangeja konzentrierten sich bedeutende Unterstützungen, welche die japanische Linie mit enfilierendem Feuer bestrichen und da noch überdies die russische Artillerie ihr ziemlich heftiges Feuer gleichfalls auf Ssangeja konzentrierte, war ein weiteres Sich- halten nicht möglich. Die Soldaten schufen sich Deckungen durch Ausnützung der Leichen ihrer gefallenen Kameraden. General Nambu beauftragte zwar die eigene Artillerie, das Feuer der gegnerischen zu beantworten, aber dieses Feuer der Japaner blieb des eingetretenen Nebels wegen resultatlos.

Organ der Mililärwi«8Pnschafllloheii Vereine. LXXIU. Bd. 10O6. 8

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Um 9 Uhr vormittags trafen neuerliche russische Ver- stärkungen aus Kiuschuaun ein und es wurde aus der Kraft des gegnerischen Feuers klar, daß der Gegner nunmehr an Kräften bedeutend überlegen sei. Das Regiment Oberst Joschichoka hielt sich in seiner Stellung mit ungeheueren Opfern und als gegen 10 Uhr der Nebel wieder geschwunden war, bemerkten die Japaner den Anmarsch einer Truppenmasse von mindestens einem Armeekorps, das von Osten her in mehreren Kolonnen im An- rücken war. Jetzt wurde der Kampf ein verzweifelter.

Die Japaner trachteten nunmehr die Intensität ihres Feuers zu vergrößern und schoßen aus den brennenden Ortschaften heraus mit Salvenfeuer. Die Russen fielen en masse, rückten dennoch weiter vor. Im Verlaufe einer Stunde wurde ihre vor- derste Linie dreimal vernichtet und abermals wieder ersetzt; dennoch wird der Angriff fortgeführt. Um mittag fuhr eine russische Batterie 2000 m östlich von Likampu auf, beschoß das Dorf und zerstörte an mehreren Stellen die japanischen Schützen- gräben und Befestigungen. General N a m b u befahl seiner Batterie näher an den Gegner heranzufahren und die gegnerische Artillerie zum Schweigen zu bringen; aber das vollkommen ebene, nicht die geringste Deckung gestattende Terrain ver- hinderte dieses Vorfahren der Geschütze; überdies überwog die russische Artillerie diejenige der Japaner in Feuerschnelligkeit und Tragweite; auch waren ihr die Distanzeu genauer bekannt.

Um 12 Uhr 30 Min. hörte das gegnerischen Artilleriefeuer plötzlich ganz auf; es stand nunmehr der Angriff der gegneri- schen Infanterie bevor. Die Angriffsfront erstreckte sich von Likampu gegen Kordost bis Chenchutjen. Die Japaner beschossen die angreifenden Massen, konnten dieselben jedoch nicht auf- halten ; aber auch das Feuer der Russen riß manche Bresche in die Reihen der Japaner; es war von beiden Seiten ein ent- setzliches Morden und Schlachten.

Vom Regiment Oberst Joschichoka blieb nur ein Drittel des ursprünglichen Standes übrig; unverwundet blieben nur der Oberst und vier seiner Offiziere; mehrere der Kompagnien wurden durch Unteroffiziere geführt. Eine Hoffnung auf Hilfe gab es nicht ; alle Reserven waren bereits aufgebracht. So ent- schloß sich der Regimentskommandant den Ort Ssangeja zu räumen und sich in die rückwärtige mit Schützengraben ver- sehene Linie, die er am Morgen inne gehabt hatte, zurück- zugehen ; während dieses Zurückgehens über den Terrainstreifen

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

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zwischen den Ortschaften und Schützengräben, etwa 400 in breit, wurde er von zwei Kugeln in den Kopf getroffen, in dem Momente, wo er sich bei einem als Bataillonskommandanten fungierenden Sergeant um das Schicksal der Regimentsfahne erkundigen wollte.

In Likampu standen vom frühesten Morgen an die beiden Gegner Aug' in Aug' einander gegenüber auf Steinwurfweite ; zur Eroberung jedes einzelnen Gebäudes im Orte gebrauchten beide Handgranaten. Die Artillerie beider Seiten schwieg, um die eigenen Leute nicht zu gefährden. Nirgends noch haben die Handgranaten eine derartige Verwüstung angerichtet wie hier; jedes Platzen einer solchen zertrümmerte alles, was auf eine Distanz von 5 m im Umkreise vorhanden war; die Leute wurden in Stücke zerrissen, die Mauern zerbröckelt; nirgends ein Winkel, wo man die Verwundeten hätte bergen können, weil die Granaten auch die Lehm mauern der Häuser durchschlugen und die ohnehin zertrümmerten Dachungen Feuer fingen. Die Japaner zündeten Stöße zusammengetragenen Gaoljans an, um hiedurch ihre Be- wegungen zu maskieren. Eines der Häuser, in welchem 20 Ver- wundete Zuflucht fanden, brannte vollständig ab und alle darin Untergebrachten fanden den Tod in den Flammen. In diesem fürchterlichen Straßenkampf, in welchem sich die starke nume- rische Überlegenheit der Russen nicht fühlbar machen konnte, gelang es den Japanern, ein wenig an Terrain zu gewinnen und gegen Mittag waren etwa zwei Drittel der Ortschaft in ihren Händen. Nun aber gingen die Russen zur Offensive über, wobei sie ebensolche Schleudervorrichtungen zum Werfen von Spreng- mitteln verwendeten, wie sie bis nunzu nur eine Spezialität der Japaner waren

Das Regiment Oberst Take-uchi versuchte den von ihm okkupierten Teil der Ortschaft zu fortifizieren, konnte aber der Schwäche des Detachements wegen nicht viel erreichen und auch nicht hindern, daß die Russen gradatim die Ortschaft von drei Seiten her umzingelten. Um 2 Uhr nachmittags waren die Ver- luste zu einer derartigen Höhe angewachsen, daß das Regiment gezwungen war, diesen Teil der Ortschaft zu verlassen, ohne die Verwundeten mitnehmen zu können. Schon einigemale hatte der Oberst dreimal verwundet um Hilfe gebeten, aber General Nambu hatte keine Reserven mehr zur Verfügung und wenn auch eine solche vorhanden gewesen wäre, hätte er sie dennoch nicht senden können, da alle Verbindungen abgeschnitten waren.

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Die Besatzung von Likampu war vollständig isoliert und ihrem Schicksale überlassen. Um 5 Uhr war die gesamte Gewehr- munition verschossen und auch der größere Teil der Gewehre zum weiteren Gebrauche untauglich geworden. Die Japaner sammelten die Gewehre und Patronen der getöteten Gegner und begannen mit diesen den Gegner zu beschießen. Oberst Take- uchi rief, um seine Leute zu ermuntern, mit lauter, dröhnender Stimme: schipu mad6, d. i. rbis zum Tode".

Endlich kam er zu einem verzweifelten Entschlüsse; er stürzte sich mit seinen Leuten auf den Gegner und machte so dieser unerträglichen Situation ein rasches Ende!

Hier beschreibt ßarzini eine Szene so charakteristisch für die Denkungsweise und Lebensansichten der japanischen Offiziere, daß es angezeigt erscheint, diese Kritik wenn auch nur in Kürze hier wiederzugeben.

Zu dem obenerwähnten Entschlüsse gekommen, rief Oberst Take-uchi den Major 0 k o s c h i zu sich und befahl ihm die Regimentsfahne in Sicherheit zu bringen und von dem, was in Likampu vor sich ging, dem Brigadekommandanten Bericht zu erstatten.

Zuerst erbat sich der genannte Major die Erlaubnis, hier zu bleiben, um mit dein Oberst gemeinsam zu sterben; der Oberst schlug dies ab und beharrte auf seinem Befehle; darauf- hin marschierte Major Okoschi mit der Fahne und 6 Mann ab. Diese kleine Gruppe zog sofort das Feuer der Russen auf sich und binnen kurzer Zeit waren 5 Mann der Fahnenbegleiter gefallen. Der Major und der sechste Soldat, beide schwer verwundet, krochen bis zu einer verlassenen kleinen Ansiedelung ; hier befahl der Major dem ihn begleitenden Mann die Fahne und einen ihm einzuhändigenden Brief dem General Nambu zu überbringen, legte hierauf die blutgetränkte Fahne an die Stirne *) und überreichte sie feierlich dem Soldaten. Dann begann er nachdem seine rechte Hand verwundet war mit der linken den Brief zu schreiben, den der Soldat dem Brigadier zu über- bringen hatte. Er enthielt folgende drei Punkte: 1. wenn er das Regiment verlassen habe, so geschah dies nur infolge eines kategorischen Befehles des Kegirnentskommandanten ; 2. er kenne vollkommen die ganze Gefahr des ihm gewordenen Auftrages

*) Der russische Autor bemerkt liier, daß das Anlegen der Fahne an die Stirne bei den Japanern ebenso Sitte ist, wie bei den Russen das Küssen der- selben.

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

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und die verzweifelte Lage des Regimentes und sei daher ent- schlossen, unbedingt zum Regimente zurückzukehren, wenn er die Fahne übergeben und die Bitte um Hilfe überbracht haben würde. Infolge seiner Verwundung sei er jedoch nicht imstande, den erhaltenen Auftrag zu vollführen. Er entschließe sich daher mit sich selbst abzurechnen, um sich mit seinen Kameraden im Jenseits zu vereinen. Seine rechte Hand sei verwundet, er vermöge seinen Säbel nicht zu gebrauchen und greife daher zum Revolver, wofür er um Vergebung bitte. Zuletzt spricht er noch für die langjährige Kameradschaft seinen Dank aus und schließt den Wunsch nach einem rühmlichen Erfolge an. 3. bis zum äußersten erschöpft und kaum imstande, den Bleistift zu führen, könne er nur diesen Wink hinsichtlich der verzweifelten, hoffnungslosen Situation seines Regimentes geben I

Die japanischen Gesetze der Ehre schreiben vor, daß sich zur Vollführung des Selbstmordes nur des Säbels bedient werden darf (das traditionelle Harikiri) und erachten den Gebrauch des Revolvers oder der Pistole, also überhaupt der Schußwaffe für schmachvoll; dies erklärt die vorstehende Bitte des Sterbenden um Vergebung. Nach Übergabe des Schreibens an den ihn be- gleitenden Soldaten jagte er sich eine Kugel in die Schläfe; der Soldat, den Tod des Majors konstatierend, begibt sich mit Fahne und Schreiben zum Brigadekommandanten.

Beim Regimente Oberst Take-uchi blieben im ganzen nur 200 Mann, aber der Oberst kam nicht in die Lage, seinen unsinnigen Entschluß zur Ausführung zu bringen, da eben ein Mann mit der Meldung anlangte, daß Hilfe nahe. Tatsächlich langte unter dem Schutze der Dunkelheit eine Kompagnie ein, die noch dazu 100.000 Patronen mit sich brachte. Am Wege hieher hatte allerdings diese Kompagnie schon 90 Mann ver- loren; später langte noch der Rest des Regimeutes Oberst Joschichoka ein, das gezwungen war, Ssangeja zu verlassen ; es waren ihrer 60 Mann!

In der folgenden Nacht zogen sich die Japaner zurück, um sich in für die Verteidigung günstigeren Positionen zu etablieren. Aber auch die Russen ließen an dieser Stelle von der Offensive ab und begannen sich zurückzuziehen.

Die Armeen Nogi und Kawamura bildeten die beiden Flügel der japanischen Schlachtlinie; ihr Streben war auf eine vollständige Umzingelung des Gegners gerichtet. Der rechte Flügel Kawamura trat am 20. Februar in den Kampf;

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im Laufe von sechs Tagen durchzog er das Gebirge östlich von Mukden auf etwa 40 km und wurde, nachdem er fast alle ver- fügbaren Reserven der Russen auf sich gezogen hatte, zu der- selben Zeit aufgehalten, zu welcher Nogi am linken Flügel der Japaner mit seiner ganzen Kraft vorwärts drückte; in vier Tagen vollzog sich so eine Frontveränderung um 90°.

Die Armee Nogi wurde aus den drei Divisionen gebildet, die aus Port Artur kamen und von Ost nach West wie folgt gruppiert waren: die 9., 11. und 1. Division. Zwischen der 9. und 11. Division war eine selbständige Reserveinfanteriebrigade und eine Artilleriebrigade eingeschoben und am linken Flügel der 1. Division stand die Kavalleriebrigade dieser Armee. Die Armee Nogi mit dem Stande von 90.000 Mann war die stärkste aller fünf operierenden Armeen. Ihre Bewegung begann sie links (westlich) von jener des Generals Oku zwischen den Flüssen Ljao und Chun am 27. Februar 1905.

An diesen Stellen befestigten die Russen als einen Stütz- punkt für ihren rechten Flügel die Ortschaft Ssüfantaj, l) die sie mit einer starken Besatzung und einer Armierung von 40 Ge- schützen versahen ; überdies stand auch hier die Kasaken- abteilung2) des Generals M i s ch t s c h e n k o, jedoch ohne ihren Kommandanten, der in der Schlacht bei Cheke-utaj (Ssandepu) am Fuße verwundet im Spitale in Mukden lag. Die Japaner entwickelten sich rasch nach links, mit der Absicht, die Russen zu umfassen und wo möglich ohne Kampf zum Rückzüge zu zwingen. Nach einigen Scharmützeln und Rencontres mit den vorge- schobenen Kasakendetachements schritten die Japaner am l.März zum Angriff auf Ssüfantaj. Die Russen verteidigten sich hier den ganzen Tag hindurch ziemlich erfolgreich durch Artilleriefeuer; in der Nacht jedoch zogen sie sich angesichts der drohenden Umfassung zurück.

Um mittag des 2. März befand sich die Armee Nogi schon 20 km westlich von Mukden; von ihrem früheren Ausgangs- punkte an gerechnet, hatte sie unter beständigen Kämpfen mit ihrem rechten Flügel 45 km, mit ihrem linken 60 km zurück-

l) Nach der russ. Vierwerstkarte (1 : 168.000) liegt diese Ortschaft etwa 1*5 km westlich der Bahn, von den zunächstliegenden Bahnstationen Ssuja-tunj (nördlich; 64 km und 8cha-che (südlich) 3*4 km Luftlinie entfernt.

*) Kasaken (und nicht: Kosaken) ist die in allen russischen Reglements gebräuchliche daher richtige Schreibweise.

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Die Japaner in den Kfimpfen bei Mukclen.

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gelegt. Nunmehr nach Beendigung der Schwenkung mit dem linken Flügel war ihre Front von West nach Ost gerichtet.

Des morgens am 3. Marz griff eine aus Mukden gekommene russische Division unter dem Schutze des Feuers von 32 Ge- schützen, zu welchen gegen 9 Uhr vorm. noch vier Batterien stießen, das Zentrum der 3. japanischen Armee an, aber der linke Flügel derselben veranlaßte durch seine Bewegung gegen die Flanke, den Gegner nach kurzem aber heftigem Kampfe sich zurückzuziehen. Das war eine Wiederholung jenes Manövers Umgehung der Flanke welches auch zum Falle Ssüfantaj's führte, das so oft schon mit Erfolg angewendet worden war und das die Japaner jetzt in vergrößertem Maßstabe mit der ganzen Armee Nogi gegenüber Mukden anzuwenden trachteten. Dieser Versuch kostete bis zum Eintritte des Abendes 400 Mann, aber man war gegen Mukden auf 17 km herangekommen und es schien alles gut zu gehen. Aber der 4. März machte diese Hoffnung zunichte. Die Japaner strebten die rechte Flanke des Gegners zu umfassen, dem entgegen aber zeigte sieh, daß der Gegner diesen Schlag erwartet hatte und bereit war, ihn abzu- weisen. An diesem Tage schlug sich Oku gegenüber der starken russischen Position am „Alten Damme"', den er nicht imstande war zu erringen und Nogi stieß auf die bekannte befestigte Linie: rechter Flügel bei Chenehutjen, das Zentrum auf der Position bei Likampu und linker Flügel in den Schützen- gräben bei Taschitschao (an der Sinmintiner Straße). Die gegen Norden zur Eclairierung ausgesendete Kavallerie fand überall gegnerische Kräfte, die sofort bereit waren, Widerstand zu leisten. Auf diese Weise war die Umfassungsbewegung paralysiert. Nogi, der vorausgesetzt hatte, daß er außerhalb der Kampfsphäre zu operieren haben werde, sah sich jetzt mitten in derselben und konnte sich nirgends hinbewegen. Das breite System der be- festigten russischen Linien nahm der 3. Division die Hauptquelle ihrer Kraft, die Freiheit der Bewegung, und verwickelte sie in einen blutigen Kampf. Zur Erkenntnis dessen gelangt, bat Nogi um Verstärkungen, da er seine Truppen nicht allzusehr er- schöpfen wollte.

Zu dieser Zeit dirigierte Marsehall 0 j a m a auf den linken Flügel die in der Reserve befindliche 3. Division, die sich mit einem forcierten Marsche zwischen die beiden Armeen Oku und Nogi einschob, womit der III. Armee die Möglichkeit gegeben war, nach Norden vorzudringen. Ihre linksflügelige

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Division begann, nachdem sie Taschitschao genommen hatte, von der Sinmintiner - Straße nach Norden vorzurücken; das Zentrum mit der Artilleriebrigade war au Likampu gekettet; die rechtsflügelige Division, ersetzt in ihrer Position durch die 3. Division, ging hinter das Zentrum, um die am linken Flügel verlassene Position einzunehmen. Diese Bewegung hätte in der Nacht auf den 6. März beendet sein sollen, aber die Truppen waren derart erschöpft, daß sich bei Tagesanbruch des 6. März die Division noch am Marsche befand. Dies bemerkend, schritten die Russen zum Gegenangriffe und umzingelten das von den Japanern schwach besetzte Taschitschao, wo es jedoch der japanischen Artilleriebrigade gelang, den Angriff abzuweisen. Am Vormittage des 6. März war das Changement in der Gruppierung der japanischen Divisionen vollzogen und sie standen nunmehr, von rechts (östlich) nach links (westlich) aufgezählt in nach- folgender Reihenfolge: IL, 9. und 1. Division. Sie ließen der 3. Division die schwierige Aufgabe der Wegnahme von Likampu zurück und die Kämpfe, welche sie hier zu bestehen hatte, sind aus dem früheren bekannt. Des Nachts versuchte die japanische Kavallerie die Eisenbahn und den Telegraph bei der Bahn- station Ussü-tchaj l) zu zerstören und traf dort auf einen hart- näckigen Widerstand der Russen. Vor den Kaisergräbern bei Pejlin befand sich jetzt Nogi in einer ähnlichen Situation wie Oku vor dem Alten Damm". Jede Ortschaft war hier wie dort fortifiziert und mit Geschützen bespickt; die Erreichung der Eisenbahn wenn auch nur auf wenige Kilometer ihrer Aus- dehnung — hätte den Sieg verbürgt, da eine Zerstörung der- selben im Rücken der russischen Armee diese unausweichlich in die Gefangenschaft der Japaner gebracht hätte. Aber es gelang den Japanern nicht, hier auch nur um einen Schritt vorwärts zu kommen, sie konnten auch das Nordende der befestigten russischen Linie nicht erreichen, ohne sich allzusehr von den Hauptkräften zu entfernen und sich so dem Risiko eines töt- lichen Schlages auszusetzen. Der Sieg war so nahe und doch unerreichbar! Der Kampf war mittlerweile in allen Ortschaften entbrannt; die japanische Artillerie fuhr, um günstigere Resultate zu erreichen, sehr häufig in die Mitte der Kampflinie ihrer Infanterie. Zeit durfte keine verloren werden; zur Herab-

>) Diese Bahnstation liegt 22 7 Bahnkilometer von der Bahnstation Mukden welch* letztere etwa 3 km von der Westlisiere der Stadt entfernt liegt.

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

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minderung, der Verluste mit dem Vorbereiten des Sturmes zu- zuwarten, ging auch nicht an und so mußte alles auf eine Karte gesetzt werden.

Es rückte der 7. März heran. Die Armee Nogi greift mit der größten Erbitterung an. Tag und Nacht, ohne Hast und Ruh1 wogt der Kampf; die Ortschaften werden genommen und verloren, wieder gewonnen und wieder verloren ; die Japaner halten sich in den unwahrscheinlichsten Positionen und ziehen vor, eher unterzugehen, als dem Gegner den kleinsten Erfolg zuzugestehen. Bei den Russen aber langen fortwährend Ver- stärkungen ein und auf Seite der Japaner beginnt Niederge- schlagenheit und Mutlosigkeit platzzugreifen.

In der Nacht auf den 8. März gelang es einer japanischen Kavallerieabteilung den Bahndamm auf etwa 20 m zu zerstören, aber binnen 8 Stunden hatten die Russen die Schäden ausge- bessert und ihre Bahnzüge konnten wieder in ununterbrochener Reihe gegen Norden abrollen. Die russische Armee begann den allgemeinen Rückzug und marschierte in der Entfernung von etwa 4 km längs der japanischen Front vorüber; es wiederholt sich das Bild von Ljaojan!

Der Kampf dauert in fürchterlieher Wut und Erbitterung fort; des Nachts wird Ssantajtsa, eine Ortschaft in der Nähe der Kaisergräber von jlin, angegriffen und hier wiederholen sich die Schrecken des Straßenkampfes von Likampu; zur Er- stürmung jedes einzelnen Gebäudes benützen die Japaner Hand- granaten und Schimosesprengpulver. Diese Ortschaft hatten die Japaner zur Hälfte genommen, dann verloren, zur Gänze zurück- gewonnen und abermals ganz verloren. Pejlin, wo ein beträcht- licher Teil der russischen Artillerie stand, wurde von einem japanischen Infanterieregimente angegriffen, welches hiebei die Hälfte seines Standes verlor. Jetzt begann auch der schon früher erwähnte Stauborkan; es schien, als ob Himmel und Erde sich empört und verschworen hätten. Bei einem Angriffe der Japaner auf Untschantsü verlor eines der Regimenter am linken Flügel zwei Drittel seines Mannschaftsstandes und alle Offiziere; viele der Batterien blieben ohue Pferde. Und mitten in diesem Staub- gestöber, in welchem man kaum auf 10x sehen kotinte, drangen die Russen in Massen zum Gegenangriffe vor; eine Brigade der 1. japanischen Division wurde gezwungen zurückzugehen, ohne ihre Maschinengewehre mitnehmen zu können. Die Übermittlung von Befehlen war unmöglich geworden und in einigen Teilen

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des großen Schlachtfeldes hatte man den Eindruck, daß die Schlacht für die Japaner hoffnungslos verloren sei. Nur das Gefühl der Selbstaufopferung und die Disziplin hielt die Soldaten noch aufrecht. Unter dein Schutze dichter Staubwolken kamen die Russen unerwartet dicht geschlossen an die linksflügelige Division der Japaner heran; es entspinnt sich ein fürchterlicher Bajonettkampf, der mit einem fluchtartigen Rückzüge dieser Division endete. Die Russen verfolgten hier die Japaner bis vor die Mündung ihrer Geschütze, wichen zwar vor der Stärke des Geschützfeuers zurück, jedoch nur um erneuert mit stärkeren Kräften wiederzukehren. Dem linken Flügel Nogi's drohte vollständige Vernichtung. Die Brigade Nakamura verlor hier 8000 Mann; General Ida meldet lakonisch seinem Armee- kommandanten Nogi: „Ich bin vollständig umzingelt habe keine Leute mehr kann mich höchstens noch 4 Stunden halten*. Da wurde der 9. Division aus dem Zentrum befohlen zur Abweisung dieser Umfassung gegen den linken Flügel vor- zugehen ; die Stelle der 9. Division sollte die 1. Division ein- nehmen. Als die 9. Division zur Ausführung dieser Bewegung schritt, hatte die Mannschaft derselben schon 22 Stunden nichts gegessen ; nichtsdestoweniger vollzieht sich der March rasch und exakt und am Abende trat die Division aufs neue in den Kampf. Am 10. März wurde der Kampf hier noeh fortgesetzt, gegen Süden hin jedoch schon eingestellt; er folgt den Spuren des Rückzuges der Russen nach Tjelin. Mukden wird von der Armee Oku besetzt. Erst um 6 Uhr abends nach einem letzten Sturm er- reichten die Truppen Nogi's die Eisenbahn aber es war zu spät, die Hauptkräfte der Russen waren nach Norden entschlüpft! Die 9. Division der Japaner am linken Flügel, der weiter als die anderen vorgedrungen war und deshalb für die Russen weit gefährlicher werden konnte, mußte in der Nacht mehrere heftige Gegenangriffe der Russen aushalten. Eine Ruhe trat erst am Vormittage des 11. März ein. Die beiden japanischen Flanken- armeen traten in Verbindung und die Umzingelung Mukden's war beendet; zum Opfer fielen ihr nur einige verspätete Teile der russischen Armee, also 30.000 Mann anstatt 300.000 Mann. Die Russen waren besiegt, aber nicht vernichtet; die Schlacht bei Mukden war geschlagen, aber der Krieg nicht zu Ende.

Der von Süden her brausende Orkan, so verhängnisvoll für Nogi, half den Armeen Nodsu, Kuroki und Kawamura die Übergänge über den Chun-Fluß zu forcieren. Wie bekannt,

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Die Japaner in den Kämpfen bei Mukden.

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verließen die Russen am 7. März ihre Positionen am Scha-Fiusse, um sich in der neuen, seit langem vorbereiteten befestigten Stellung am Nordufer des Chun-Flusses festzusetzen. Alle drei japanischen Armeen waren ganz verblüfft über diesen plötzlichen Rückzug der Russen nach einer so langen heldenmütigen Ver- teidigung. Die Japaner verfolgten nicht, sie gingen sehr vor- sichtig zu Werke. Am 8. März wurde der Marsch fortgesetzt und am 9. März begann der Kampf in der neuen russischen Front.

Die bedeutend kleinere Ausdehnung der Front am Chun- Flusse erlaubte es General Kuropatkin Truppen von seinem östlichen Flügel abzuziehen und sie den Armeen Oku und Nogi entgegenzuwerfen. Wäre der orkanartige staubaufwirbelnde Sturm nicht gewesen, der den Russen ins Gesicht blies, wäre der Übergang über den Chun-Fluß den Japanern vielleicht nicht gelungen, aber auch so hat er sie enorme Opfer gekostet. Der Sturm der Redouten begann in der Nacht vom 9. auf den 10. März, wobei die Japaner einen halbzugefrorenen Fluß zu übersetzen hatten. Ganze Kompagnien der ersten Linie wurden vernichtet, aber um 1 Uhr 10 Min. nachm. waren die ersten Redouten genommen ; zwei Stunden später übersetzten alle drei Armeen der Japaner schon den Fluß. Früh erreichten sie Mukden; Nodsu ging über dasselbe hinaus, während Kuroki sich auf die Straße nach Tjelin warf und Kawamura dieser Bewegung assistierte. Hin und wieder gab es noch Kämpfe mit den Über- bleibseln der russischen Armee, welche den Ausgang nach Norden suchten. Am Abende trafen die Kolonnen der kriegs- gefangenen Russen in Mukden ein, beleuchtet durch den Feuer- schein einer kolossalen Feuersbrunst: es brannte die russische Niederlassung !

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Statistischer Sanitätsbericht

über das k, und k. Heer für die Jahre 1894 1903.

Von Dr. Paul Myrdacz, k. u. k. Oberstabsarzt 1. Klasse, Sanitätschef des 4. Korps

in Budapest.

Nachdruck verboten. Übersetzungsrecht vorbehalten.

Einleitung.

Im Verfolge meiner früheren einschlägigen Werke, und zwar „Ergebnisse der Sanitätsstatistik des k. k. Heeres in den Jahren 1870 bis 1882" und „Statistischer Sanitätsbericht über das k. und k. Heer für die Jahre 1883—1893" übergebe ich hiemit eine gedrängte Über- sicht der wichtigsten sanitätsstatistischen Daten für das Dezennium 1894 1903 der Öffentlichkeit, zusammengestellt nach den jähr- lichen Publikationen des Technischen Militärkomitees, welche seit 1895 den Titei „Statistik der Sanitätsverhältnisse der Mannschaft des k. und k. Heeres" führen.

Diese Publikationen gründeu sich seit 1894 auf die „Vor- schrift für die sanitätsstatistischen Eingaben im k. und k. Heere (Dienstbuch N 6)", deren leitende Gesichtspunkte, abweichend von den Vorschriften früherer Jahre, folgende sind:

1. Die Tabellen und Berichte beschränken sich der Haupt- sache nach auf die in der „durchschnittlichen Kopfstärke" ge- zählten Personen des Mannschaftsstandes. Ausnahmen sind : a) die Tabellen Über die Krankenbewegung der Heilanstalten; in diesen sind auch die Gagisten, sowie die nicht zum Heere ge- hörigen „anderen Personen" einbezogen; b) die Tabellen über den natürlichen Abgang, welche deu „Präsenzstand", den „nichtaktiven Stand" in Summa daher den „Grundbuchstand" umfassen ; c) die Tabellen über die Sanitätsverhältnisse der Zöglinge, Invaliden und Sträflinge.

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Dr. Myrdacz.

2. Das örtliche Auftreten der Erkrankungen gelangt nach Garnisonsorten zur Darstelluug, daneben auch nach Truppenkörpern.

3. Die zeitliche Verteilung der Krankheiten nach Monaten gründet sich auf die Zugangsdiagnose, welche für die Nachweisung der Krankheitsforraen überhaupt auch dann maßgebend bleibt, wenn im weiteren Verlaufe der Behandlung eine andere Krankheit als die ursprünglich diagnostizierte zutage tritt.

4. Die Krankentage in ihrer Bedeutung als Verlust an Dienst- tagen wie auch als Behandlungsdauer der Krankheiten werden ein- gehend erhoben.

5. Die Resultate der Krankenbehandlung kommen in dreifacher Form zum Ausdruck, nämlich als Wiederherstellung der Dienst- tauglichkeit (bei nicht der Wehrkraft angehörenden Personen als Genesung), als Abgang durch Tod und als Abgang „auf andere Art", d. i. mit vorübergehender oder dauernder Invalidität, vor Ablauf des Krankheitsprozesses u. dgl.

I. Saiiitätsverhältnisse nach Korps und Waffengattungen.

a) Krankenzugang.

Die Kopfstärke (K) der Mannschaft des k. und k. Heeres in den Jahren 1894- 1903 betrug durchschnittlich 292.470 Mann.

Zu den mit Ende 1893 in Behandlung verbliebenen 9057 Kranken sind im Laufe dieser 10 Jahre im ganzen 2,052.597 Erkrankungsfälle zugewachsen, d. i. jährlich durchschnittlich 205.260 Erkrankungen, entsprechend 702-8°/00 K, gegen 1043 1°/^ in den Jahren 1883 bis 1893.

In den einzelnen Jahrgängen hat der Krankenzugang von 832-9%o K im Jahre 1894 bis 608-6°/00 K im Jahre 1903 stetig abgenommen.

Nach der am Schlüsse beigefügten Tabelle I bilden die Korps rücksichtlich des jährlich durchschnittlichen Krankenzuganges in den Jahren 1894—1903 folgende aufsteigende Reihe:

l) Die Vergleichsdaten pro 1883 98 bezieben eicb auf den Präsenzstand (welcher auch die Gagisten umfaßt) und auf den „Krankenabgang" aus den in njeineni „Statistischen Sanitätsbericht über das k. und k. Heer für die Jahre 1883 bis 1893", Seite 27, angegebenen Gründen.

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Statistischer Sanitätsbericbt etc.

127

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1313-3

Die zwischen Lemberg und Temesvär gezogene Linie scheidet die Korps in zwei Gruppen. Die obere Gruppe umfaßt jeue Korps, deren Krankenzugang in °/0 ., K unter dem allgemeinen Mittel (702 8°/00) bleibt, während dieser Zugang bei den Korps der unteren Gruppe das Mittel mehr oder weniger übersteigt. Zur ersten Gruppe gehören vorwiegend die im Norden, zur zweiten die im Süden der Monarchie dislozierten Korps; eine Ausnahme bildet in der ersteren das 15. in der letzteren das 8. Korps. Eine ähnliche Gruppierung der Korps ist auch für die Jahre 1883 1893 konstatiert worden, insbesondere sind das 3. Korps und das Militärkommando Zara in beiden Perioden mit dem höchsten Krankenzugang hervorgetreten.

Von dem Gesamtkrankenstande sind in den Jahren 1894—1903 zusammen 982.055 Fälle, d. i. jährlich durchschnittlich 98.205 Fälle oder 335 1°/oo K an Heilanstalten abgegeben worden, gegen 378%o in den Jahren 1882—93. Die Abgabe an Heilanstalten ist von 347 6°/00 K im Jahre 1894 zunächst bis 350'3%0 K im Jahre 1895 gestiegen, sodann unter Rückschlägen bis auf 310-2%o K im Jahre 1903 gefallen. Nach Korps schwankt die Abgabe an Heil- anstalten, laut Tabelle I, zwischen 271-9°/00 K beim 8. Korps und 437'3%0 K im Militärkommando Zara. Letzterem zunächst steht das 12. Korps mit 392 1%0 K.

Die Waffengattungen reihen sich hinsichtlich des Kranken- zugangs, laut Tabelle II, aneinander, wie folgt:

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128

Dr. Myrdacz.

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00 00 CO

CO

Technische Artillerie 521*90/0(, K gegen

Heeresanstalten 587*1

Kavallerie 054 8 869*1

Eisenbahn- und Telegrapheuregitnent 679*2 1098*6

Infanterie 6S8 8 1086 9

Sanitätstruppe 689*0,, 1 145 9

Traintruppe 706*0 B 1111-4

ßosnisch-herzegovinische Infanterie . 749 2 1278 9

Jägertruppe .... 750*7 1081*4

Festungsartillerie 802*6 1120*2

Feldartillerie 814*6 n 1043*1

Pioniertruppe 921*5 n n 1154*2

Die ausgiebigste Verminderung des Krankenzugangs um 529*7°/00 K wurde bei der bosnisch - herzegovinischen Infanterie nachgewiesen.

Die Abgaben an Heilanstalten erreichen bei der Sanitätstruppe 435*l°/oo dagegen bei der technischen Artillerie nur 227*9%cn beim Eisenbahn- und Telegraphenregiment 237 2%o K. Die Sanitäts- truppe hatte auch in den Jahren 1883—93 die meisten Abgaben an Heilanstalten berichtet.

b) Zeitliche Verteilung der Erkrankungen.

Nach Tabelle III a gestaltet sich der monatliche Krauken- zugang in pro Mille der jeweiligen Kopfstärke aufsteigend wie folgt: September 39*4, August 46*4, Juni 54*1, Mai 551, Juli 56*3, April 57 5; Dezember 60*9, Februar 62*5, März und November 64 5, Oktober 65*9, Jänner 73*1°/O0 K. Iu den Jahren 1883-93 fiel das Maximum des Krankenzugangs ebenfalls auf den Monat Jänner (mit 106*l%o). tlas Minimum auf den September (mit 61*5°/00).

Was die Territorialbezirke betrifft, so fiel im 10 jährigen Durchschnitte das Maximum der Erkrankungen beim 4. Korps auf den Oktober, im Militärkommando Zara auf den August, bei allen übrigen Korps auf den Jänner, das Minimum im Militärkommando Zara auf den Mai, bei allen übrigen Korps auf den September.

Von den Waffengattungen hatten den höchsten Krankenzugang: die technische Artillerie, dann das Eisenbahn- und Telegrapheu- regiment im Juli, die Sanitätstruppe und Festungsartillerie im Oktober, alle übrigen im Jänner. Das Minimum des Krankenzugangs ergab sich bei der Kavallerie im August, bei den Heeresanstalten im Oktober, bei der technischen Artillerie im Dezember, bei allen übrigen im September.

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Statistischer Sanitätsberielit eto.

129

c) Kranke n tage und täglicher Krauken stand.

Die Summe der ausgewiesenen Krankeutage in den Jahren 1894-1903 beläuft sich fQr die gesamte Kopfstärke an Mann- schaft auf 38,620.295 Tage, die durchschnittliche Jahressumme auf 3,862.029 Tage, darunter 1,039.911 Tage bei den in Kasernen und eigenen Wohnungen, 2,822.118 Tage bei den in Heilanstalten be- handelten Kranken. Auf jeden Mann der Kopfstäike entfallen im Mittel 13-2 Krankentage gegen 14 8 in den Jahren 1883 1893. Von diesen 13*2 Krankentagen entfallen 9 6 Tage auf den Auf- enthalt im Krankenstande der Heilanstalten, gegen 10 9 Tage in den Jahren 1883—1893.

Nach Tabelle I und II schwankte der Ausfall an Diensttagen wegen Krankheit zwischen 117 Tagen beim 8. Korps und 15 4 Tagen beim 11. Korps, beziehungsweise zwischen 8*5 Tagen bei der tech- nischen Artillerie und 16*2 Tagen bei der bosnisch-herzegowinischen Infanterie.

Aus dem Vergleiche der sämtlichen Krankentage mit der Summe der behandelten Krankheitsfälle ergibt sich die durchschnitt- liche Behandlungsdauer eines Krankheitsfalles mit 181 Tagen gegen 14*1 Tage in den Jahren 1883—1893 und es hat diese Behandlungs- dauer von 16*5 Tagen im Jahre 1894 bis zu 19*9 Tagen im Jahre 1903 stetig zugenommen. Eine zureichende Erklärung dieser sehr beachtenswerten Erscheinung ist zur Zeit noch ausständig. Die durch- schnittliche Behandluugsdauer eines Krankheitsfalles schwankte nach Korps von 15 6 Tagen beim 14. Korps bis zu 211 Tagen beim 11. Korps, nach Waffengattungen von 15 9 Tagen bei der Jäger- truppe und technischen Artillerie bis zu 20'8 Tagen bei der Kavallerie, den Heeresaustalteu und der bosnisch - herzegowinischen Infanterie.

Der täglich durchschnittliche Krankenstand betrug im Mittel der in Kede stehenden zehn Jahre 10.578 Mann, davon 7729 Mann in Heilanstalten. Der tägliche Krankenstand entspricht 36 2°/00 K, davon 26'4%0 K in Heilanstalten, gegen 41*3°/0o> resp. 29-9y00 P in den Jahren 1883—1893.

Der tägliche Krankenstand schwankt nach Korps (Tabelle I) zwischen 32*2°/0o K beim 8. Korps und 42*5%o K beim 11. Korps; nach Waffengattungen (Tabelle II) zwischen 23*3%o K bei der technischen Artillerie und 44,3°/0o K De' ^er bosuisch-herzegowini- , sehen Infanterie. Es sind das genau dieselben Korps und Waffen- gattungen, welche oben als Maxima und Minima des Ausfalls an Diensttagen namhaft gemacht wurden.

Organ dor Milit&rwiiwenschaftlicherj Vereine. LXX1II. Band. 190fi. <j

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130

Dr. Myrdacz.

Nach Monaten schwankt der tägliche Krankenstand (Tab. III, b) von 27'8%o K im September bis 44,40/00 K im Februar. Abweichend von diesem Durchschnitt hatten den größten täglichen Krankenstand das 3., 6. und 15. Korps im Monate Jänner, das 8. Korps, dann die technische Artillerie und bosnisch-herzegowinische Infanterie im März, den niedrigsten täglichen Kraukenstand das 1. und 7. Korps, dann die Kavallerie, Pioniertruppe und das Eisenbahn- und Tele- graphenregiment im August, das 2., 3., 8., 9., 11., 13., 14. Korps und das Militärkommando Zara, dann die Festungsartillerie, die technische Artillerie und die Heeresanstalten im Oktober.

In den Jahren 1894—1903 wurden aus der Behandlung bei der Truppe und in Heilanstalten insgesamt 2,054.438 kranke Per- sonen des Mannsehaftsstandes in Abgang gebracht, darunter: als diensttauglich (genesen) . . . 1,802.656 Mann = 876" i I £g

Das Verhältnis der diensttauglich Entlassenen zum Gesamt- abgange ist von 907 9%0 im Jahre 1894 bis auf850-2°/oo im Jahre 1903 stetig gefallen, während umgekehrt der Abgang „auf andere Art" (d. h. durch Urlaub, Superarbitrierung etc.) von 87 7°/00 des Abganges im Jahre 1894 bis auf 145-90/00 ira Jahre 1903 8 1 e ti g zugenommen hat. Hierauf hätten sich also die Behaud- lungserfolge von Jahr zu Jahr ungünstiger gestaltet, da bezüglich der Letalität der Erkrankten nur eine unerhebliche Schwankung zwischen 3 68°/00 im Jahre 1902 und 4-84°/0o im Jahre 1897 zu konstatieren ist.

Das Verhältnis der diensttauglich Entlassenen zum Gesamt- abgange schwankt nach Korps zwischen 85l-3"/00 beim 1. Korps und 916-4°/^ beim 15. Korps, nach Waffengattungen zwischen 8.;0*6%o bei der bosnisch - herzegovinischen Infanterie und 927*7"/00 beim Eisenbahn- und Telegraphenregimente. Dementsprechend ist das Verhältnis der auf „andere Art" Entlassenen am ungünstigsten beim 1. Korps mit 144-2%0 u°d De' der bosnisch - herzegovinischen In- fanterie mit 169"ü%0, am günstigsten beim 15. Korps mit 78'7°/, 0, beziehungsweise beim Eisenbahn- und Telegraphenregimente mit 70'5%0 des Gesaratabganges.

Das Verhältnis der Todesfälle zum Gesamtabgange oder die Letalität war am günstigsten beim 14. Korps mit 3'10°/00 und beim Eisenbahn- und Telegraphenregimente mit l"84°/0o» am ungünstigsten

d) Abgang vom Krankenstande.

durch Tod . auf andere Art

8.752 243.030

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

131

beim 11. Kops mit 5'88%o» beziehungsweise bei der bosnisch-her- zegowinischen Infanterie mit 9'81%o> nach welcher die Kavallerie mit der erheblich geringeren Verhältniszahl von 5'910/00 folgt.

Wie oben angegeben, betrug die Gesamtzahl der bei der Mannschaftskopfstärke ausgewiesenen Todesfälle (mit Ausschluß der Selbstmorde und Verunglückungen) 8.752, somit jährlich durch- schnittlich 875. Die Mortalität, d. i. das Verhältnis der Todesfälle zur Kopfstärke stellt sich hiernach im zehnjährigen Mittel auf 3'00°/00 K; dieselbe ist von 3'67%0 K in den Jahren 1894 und 95 auf 2 35%0 K in den Jahren 1902 und 1903 unter Rückschlägen gefallen.

Außer den in der Kopfstärke nachgewiesenen Todesfällen sind noch 2378 Todesfälle bei Mannschaftspersonen vorgekommen, welche nicht zur durchschnittlichen Kopfstärke gehören, aber auf den „Prä- senzstand" zählen, (kurz Beurlaubte, Isolierte u. dgl.). Dieser Prä- senzstand beziffert sich für die Jahre 1894 1903 durchschnittlich mit 301.830 Mann; es entspricht daher die Gesamtzahl der Todes- fälle 8.752 + 2378 = 11.130, oder 1113 jährlich, einer Mortalität von 3-68%o' was ge8en den Zeitraum 1883—93, in welchem die Mortalität 5'l%o betrug, eine Abnahme um l*4%o bedeutet.

Nach der Mortalität der Kopfstärke in den Jahren 1894—1903 bilden die Korps folgende Skala, wobei des ungefähren Vergleichs wegen die Mortalität des Präsenzstandes in den Jahren 1883—93 daneben gesetzt wird:

14. Korps Innsbruck 2-34°/00 K gegen 3 5

9.

8.

6.

4.

5.

7.

3. 10.

I.

2. 12. 15. 13.

Josefstadt 2'38

Prag 2-43

Kassa 2'59

Budapest 2 63

Pozsony 2*64

Temesvär 269

Graz 2 91

Przemysl 2*97

Krakau 2-98

Wien 302

Nagyszebeu Sarajevo

Agram . 3 48

336

Militärkommando Zara 3*78

11. Korps Lemberg 4*17

3- 6 39

4- 8 4-4 4-5 51 3-8 46 6-6 53 49 56 5*9 55 6-8

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PO

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132

Dr. Myrdaoz.

Wenn auch, nach dem Vorgesagten, ein direkter Vergleich der Mortalität beider Zeitperioden nicht tunlich ist, kann doch so viel gesagt werden, daß in beiden Zeiträumen die Mortalität des 14, 9. und 8. Korps am geringsten, jene des 11. Korps am höchsten war.

Die Waffengattungen verhalten sich diesbezüglich wie folgt:

Eisenbahn- und Telegraphenregiment

1 -22700

K gegen 3'3

Technische Artillerie

. . 2-04

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71

8

. 2-31

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Kavallerie

. 3 91

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6-6

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Bosnisch-herzegowiuiscbe Infanterie

. . 7 32

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7)

10-5

In beiden Perioden hatte das

Eisenbahu-

und

Telegrap

len-

regimeut die geringste, die bosnisch - herzegowinische Infanterie die höchste Mortalität, und zwar ist letztere auffallend höher als die Mortalität der nächstfolgenden Waffengattung (1894 1903 Kaval- lerie, 1883—93 Sanitätstruppe).

e) Die physische Beschaffenheit der Ergänzung.

Seitdem die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung der Wehr- pflichtigen dem reservierten Teile des militärstatistischen Jahrbuches einverleibt sind (seit 1895), stehen uns zur Beurteilung der phy- sischen Beschaffenheit der Ergänzung nur jene Daten zu Gebote, welche im Punkte 3 der Truppensauitätsberichte enthalten und im XIX. Abschnitte der „Statistik der Sanitätsverhältnisse der Maun- schaft" summarisch dargestellt sind. Nach diesen Daten, welche in der Tabelle IV für das Dezennium 1894—1903 zusammengefaßt wurden, sind an Ergänzungsmannschaften aller Art in diesem Zeit- räume eingerückt 4,494,914 Mann, von welchen 147.247 Mann = 32*7°/00 als dienstuntauglich im Überprüfungs- oder Superarbitrierungs- wege (beziehungsweise bei Geisteskranken und Fallsüchtigen ohne solche Amtshandlung) entlassen wurden. Bei den in der Tabelle IV ersichtlichen 4 Kategorien der Ergänzung weicht die Quote der Entlassenen von dem Gesamtdurchschnitt verschieden ab; dieselbe betrug nämlich bei deu Hesel vemänneiu 13*0, bei den Ersatzresei-

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Statistisoher Sanitätsbericht etc.

133

visten 33*6, bei den Rekruten 741 und bei den Einjährig- Frei- willigen 107*4%0 der Eingerückten.

Die häufigsten Ursachen der Ausscheidung sind in derselben Tabelle IV sowohl in absoluten Zahlen als auch in °/<-0 der sämt- lichen Entlassungen dargestellt, Bei den Eingerückten überhaupt haben die Gebrechen in der aus der Tabelle ersichtlichen Reihen- folge zu den Ausscheidungen beigetragen: obenan steht die Körper- schwäche und Blutarmut mit 156*3, dann folgt die Eingeweide- vorlagerung mit 133 6, Folgezustände nach Beschädigungen mit 58*4, eitrige Mittelohrentzündung mit 53-8%0 aIler Entlassungen u. s. w. Bei den einzelnen Kategorien der Ergänzung ergeben sich mehr- fache Abweichungen. Von den eingerückten Einjährig- Freiwilligen z. B. wurden allerdings auch die meisten wegen Körperschwäche und Blutarmut ausgeschieden, die Quote dieser Ausscheidungen beträgt nämüch 200*4°/00, dann folgen aber: chronischer Brouchial- katai rh, l) Lungenemphysem mit 84 0, Kurzsichtigkeit mit 83*5 und Herzklappeufehler mit 69 d%o aller Ausscheidungen dieser Kategorie. Bei den Rekruten sind die Entlassungen wegen Körperschwäche und Blutarmut abermals mit 208*4%0 vertreten, dann folgen Eingeweide- vorlagetungen mit 94-7%o» eitrige Mittelohrentzündung mit 72-7%0 und Herabsetzung der Sehschärfe mit 49*5700. Bei den Reserve - männern hingegen waren die häufigsten Ursachen der Ausscheidung : Eingeweidevorlagerung mit 212*1, Folgezustände nach Beschädigungen mit 96*9, Erweiterung der Blutadern mit 71*7 und chronischer Bronchialkatarrh, Lungenemphysem mit 56-9%0 der Gesamtzahl, bei den Ersatzreservisten endlich : Eiugeweidevorlagerung mit 163*2, Körperschwäche und Blutarmut mit 134*9, Folgezustäude nach Be- schädigungen mit 65*5 und chronischer Bronchialkatarrh, Lungen- emphysem mit 51*l°/o0 sämtlicher Entlassungen von Ersatzreservisten.

f) Der natürliche Abgang aus dem Präsenz-, dem nicht- aktiven und dem Gruudbuchstande der Mannschaft.

Der natürliche Abgang erfolgt a) wegen zeitlicher Invalidität durch Beurlaubung aus Gesundheitsrücksichten bis zu drei Monaten bei Belassung im Verbände des Präsenzstandes (jedoch nicht im Verbände der Kopfstärke), beziehungsweise durch Beurlaubung im Superarbitrierungswege auf mehr als drei Monate bis zu einem Jahre; b) wegen imbehebbarer Invalidität durch Entlassung aus dem Heere,

*■} Unter dieser Diagnose sind auch die „Lungenspitzenkatarrhe" und wohl auch viele beginnende Lungentuberkulosen inbegriffen.

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134

Dr. My r dacz.

Übernahme in die Invalidenversorgung etc., endlich c) durch Tod. Diese Abgangsarten sind nach Jahrgängen, Waffengattungen, Assent- jahren und wichtigsten Ursachen in der Tabelle V dargestellt.

Darnach sind in den Jahren 1894—1903 im ganzen 115.274 Mann wegen zeitlicher Invalidität beurlaubt worden, somit jährlich im Mittel 11.527 Mann = 38-1%,, gegen 29 00 in den Jahren 1883—93- Der Abgang durch zeitliche Invalidität hat also um 8'7%o zuge- nommen. Die absolute Zahl der Beurlaubungen ist von 8804 im Jahre 1894 bis 14.652 im Jahre 1903 fast ununterbrochen gestiegen.

Die Waffengattungen bilden hinsichtlich der Beurlaubungen in °/0o P folgende Reihe :

. . 19'3°/oo

gegen

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19-6

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Eisenbahn- und Telegraphenregiment

. . 27 3

175

5"

Technische Artillerie

. . 30 0

-

. . 319

151

§

. .356

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296

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. . 374

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Feldartillerie

. . 39-9

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236

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Bosnisch- herzegovinische Infanterie

. .66-7„

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Die Beurlaubungen haben sonach bei allen in Vergleich ge- zogenen Waffengattungen zugenommen, am meisten bei der Pionier- truppe, und zwar um 22-9%0- Auffallend hoch ist das Verhältnis bei der bosnisch-herzegovinischen Infanterie.

Was die Assentjahre der Beurlaubten betrifft, so hatten den größten Auteil an den Beurlaubungen die im erstzurückliegenden Jahre Assentierten, somit zur Zeit der Beurlaubung im 4.— 15. Monate der Dienstleistung stehenden Mannschaftspersonen, nämlich 418%0 der Gesamtzahl, d. i. fast ebensoviel wie in den Jahren 1883—93 mit 414°/00; 287%0 betrug der Anteil der im zweiten Jahre und 180%o Jener der im dritten Jahre vorher Assentierten, gegen 300%o und 180%o in den Jahren 1883 93. Die im Jahre der Beurlaubung selbst Eingereihten haben (wie 1883 93) nur mit 34%0 zu den Beurlaubungen beigetragen. Im allgemeinen wiederholt sich abermals die Erscheinung, daß die Beurlaubungen aus Gesundheitsrücksichten im ersten Dienstjahre entschieden am häufigsten sind und im weiteren Verlaufe der Dienstzeit sukzessive abnehmen.

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Statistischer Sanitätsbericht etc. 135

Beurlaubungen jährlich auf je \ 10.000 Mann des Präsenz- standes.

Als die häufigsten Ursachen der Beurlaubung erscheinen geuannt:

Chronischer Bronchialkatari h: Lungenemphysem

mit 70

Krankheiten der Lymphdrüsen 30

Körperschwäche, Blutarmut 26

Brustfellentzüuduug ....... .24

Kruppöse Lungenentzündung 18

Körperliche Beschädigungen 17

Wegen unbehebbarer Invalidität wurden in den Jahren 1894 bis 1903 im ganzen 122.380 Mann des Präsenzstandes entlassen (in die Invalidenversorguug übernommen etc.), d. i. jährlich durch- schnittlich 12.238 Mann = 40-5%0 P.

Die Jahresziffer der Entlassungen ist von 8522 im Jahre 1894 auf 16.551 im Jahre 1902 stetig gestiegen; im Jahre 1903 fiel sie auf 13.958.

Nach Waffengattungen verhalten sich diese Entlassungen wie

folgt :

Technische Artillerie 8'7

Heeresanstalten . 166

Bosnisch-herzegowinische Infanterie 35 2

Kavallerie 357

Sanitätstruppe 36*2

Feldartillerie 41'0

Traintruppe 423

Infanterie 43 6

Pioniertruppe ... 46 7

Festungsartillerie 468

Jägertruppe 49*8

Eisenbahn- uud Telegraphenregiraent ..... 50-8

An den Entlassungen partizipierten die im Entlassungsjahre Assentierten mit dem größten Anteil, nämlich mit 419°/00 der Gesamtzahl, während die im nächst zurückliegenden Jahre Assen- tierten mit 324%0 den Entlassungen beitrugen. Auf alle übrigen Altersklassen und die Einjährig- Freiwilligen entfallen nur 257%o aller Entlassungen.

Die häufigsten Ursachen der Entlassung aus dem Präsenz- stande waren:

7oo

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136

Dr. Myrdaez.

Körperschwäehe, Blutarmut . . mit 53 Eingeweidevorlagerung . . . . 44

Eitrige Mittelohrentzündung . 29 Entlassungen jährlich Körperliehe Beschädigungen ... 22 i auf jrt 10.000 Mann Chronischer Brouchialkatanh etc. . 21 (ies Präsenzstandes.

Herzklappenfehler 17

Herabsetzung der Sehschärfe . . „17

Durch Tod gingen aus dem Präsenzstande jährlich durch- schnittlich 1113 Mann ab, entsprechend 3-7%o P gegen 5*1 %o m den Jahren 1883—1893. Bei der bosnisch - herzegowinischen In- fanterie erreichte diese Mortalität 8 7°/00 P, bei den übrigen Waffen- gattungen schwankte sie zwischen 2'0%o beim Eisenbahn- und Telegraphenregimente und 4*5%o üei der Kavallerie. An deu Todes- fällen partizipieren die im Sterbejahr Assentierten mit 72%oi die im ersten Vorjahr Assentierten mit 354%o^ die im zweiten Vorjahre Assentierten mit 285°/0o> alle übrigen Jahrgänge und die Einjährig- Freiwilligen mit 289°/00 der Gesamtzahl. Die häufigsten Ursachen des Ablebens waren wie seit jeher: Lungentuberkulose mit 296°/00j Darmtyphus mit 1 33%o un(1 kruppöse Lungenentzündung mit 126°/00 aller Todesfälle.

Im nichtaktiven Stande des Heeres wurden iu den Jahren 1894 bis 1903 insgesamt 92.404 Entlassungen und 56.261 Todesfälle nachgewiesen ; erstere entsprechen jährlich durchschnittlich S'4°/m letztere 5'1°/00 des genannten Standes. Nach Waffengattungen schwanken die Entlassungen von 1'7%0 bei der technischen Artil- lerie bis 9'8%o Dei der Infanterie, die Todesfälle von 4-6%0 Dei der Jägertruppe bis 7'2° 00 bei der technischen Artillerie.

Zu dem natürlichen Abgange aus dem nichtaktiven Stande haben selbstverständlich die älteren Assentjahrgänge am meisten beigetragen und zwar entfallen auf die im vierten Jahre vor dem Assentjahre und früher Assentierten 497°/00 sämtlicher Entlassungen und 765°/oo sämtlicher Todesfälle im nichtaktiven Stande.

Von den Entlassungen aus dem nichtaktiven Stande waren verursacht durch: Eingeweidevorlagerung 181°/0o< Körperschwäche und Blutarmut 104°/00, körperliche Beschädigungen 102°/00 der Ge- samtzahl, während von den Todesfällen 450°/0o durch Lungentuber- kulose, 112°/oo durch körperliche Beschädigungen, 96°/oo durch kruppöse Lungenentzündung, 70%o durch Darmtyphus herbeigeführt waren.

Im Grundbuchstande, d. h. im Präsenz- und im nichtaktiven Stande zusammen, erreichten die Entlassungen in den Jahren 1894

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137

bis 1903 die Zahl von 214.784, die Todesfälle 67.391, der Gesamt- abgang 282.175 Fälle oder jährlich durchschnittlich 28.217 Fälle = 20'1%0 des Grundbuchstaudes, gegen 21-3%0 m den Jahren 1883-93. Nach Waffengattungen schwankte dieser Abgang zwischen 10-3°/Oo des Gruudbuchstandes bei der Traintruppe und technischen Artil- lerie und 2426/oo desselben Standes bei der Kavallerie. In den Jahren 1883—93 hatte gleichfalls die Traintruppe den geringsten, die Kavallerie den höchsten Gesamtabgang aus dem Grundbuch- stande berichtet.

Zum Gesamtabgang aus dem Grundbuchstande haben bei- getragen: Lungentuberkulose 121°/0oi Emgeweidevorlagerung 107%Oi Körperschwäche und Blutarmut 98%oi körperliche Beschädigungen 80°/oo» eitrige Mittelohrentzündung 44°/00 umi chronischer Bronchial- katarrh, Lungenemphysem 39°/00-

Anhang. Selbstbeschädigungen undVerunglflckungen

mit tödlichem Ausgange.

Die Totalsumme der laut Tabelle VI in den Jahren 1894—1903 nachgewiesenen absichtlichen Selbstbeschädigungen war 3963, darunter 3101 Selbstmorde, 677 Selbstmoniversuche und 185 Selbstver- stümmelungen. Auf ein Jahr entfallen also durchschnittlich in der Kopfstärke des k. und k. Heeres:

310 Selbstmorde = 1*06%0 K gegen 1*27

68 Selbstmordversuche = 0*23 0*38 18 Selbstverstümmelungen =Q-Q6 » 0 26

Summe 396 Selbstbeschädigungen = T35%o K gegen 1-91,

Es ergibt sich souach für das letzte Dezennium eine Abnahme der absichtlichen Selbstbeschädigungen um 0'56%oi der Selbst- morde um 0*21 %o» der Selbstmordversuche um 0*1 5%o "nd der Selbstverstümmelungen um 0 20 K. Die landläufige Annahme, daß diese Vorkommnisse von Jahr zu Jahr im Wachsen begriffen seien, ist durch diese Zahlen endgiltig widerlegt.

Die monatliche Verteilung der Selbstmorde und Selbstmord- versuche zusammengenommen zeigt ein Minimum im September mit durchschnittlich 13 Fällen und einen Höhepunkt im Jänner mit 43 und November mit 41 Fällen. In den Jahren 1883 93 war das Minimum dieser Fälle gleichfalls im September, das Maximum im November nachgewiesen worden.

Die Territorialbezirke bilden hinsichtlich der Frequenz der Selbstmorde und Selbstmordversuche folgende aufsteigende Reihe:

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138

Dr. Myrdaoz.

Agram 077%o K, Innsbruck und Sarajevo 091, Zara 098, Przeraysl 1*13, Krakau 1*14, Wien 1'20, Lemberg 121, Graz 1-29, Kassa V30, Budapest und Nagyszeben 1*44, Josefstadt 1*50, Prag 155, Temesvär 1*58 uud Pozsony l-61%o K. In den Jahren 1883 93 hatten die Territorialbeziike Innsbruck und Agram die wenigsten, Josefstadt und Kassa die meisten Fälle dieser Art auf- zuweisen. Im allgemeinen wiederholt sich die schon für die früheren Dezennien erhobene Erscheinung, daß die Selbstmorde und Selbst- mordversuche in den nördlichen Territorialbezirken zumeist häufiger vorkommen als in den südlichen, jedoch ist zu bemerken, daß speziell der Territorialbezirk Prztmyäl, welcher diesfalls in den Tagesblättern so häufig genannt wurde, zu jenen Territorialbezirken gehört, welche verhältnismäßig die wenigsten Selbstmorde und Selbstmordversuche berichtet haben.

Die Reihenfolge der Waffengattungen stellt sich in dieser Beziehung folgendermaßen dar: Bosnisch - herzegowinische Infan- terie 0'520/00 K, Festungs- und technische Artillerie 0 96, Feld- artillerie 103, Sanitätstruppe 1*06 Traintruppe 1T5, Jägertruppe 1 -23, Eisenbahn- und Telegraphenregiment 134, Infanterie 136 Kaval- lerie 1-53, Pioniertruppe l-56°/00K. In den Jahren 1883—93 hatten die Feld- und Festui.gsartillerie die wenigsten, die Train- und Genie- truppe die meisten Selbstmorde und Selbstmordversuche nach- gewiesen.

Von den 3778 Mannschaftspersonen, welche Selbstmorde und Selbstmordversuche verübt hatten, waren assentiert:

im Begebenheitsjahre ... 739 Mann

1. Vorjahre 1431

«2. n 665

n 3- n 503

„4. und früher . . . 322

Nachdem die im Begebenheitsjahre Assentierten fast ausnahms- los erst vom 1. Oktober an im Präsenzdienste standen, erhält deren Quote eine erhöhte Bedeutung gegenüber den im 1. Vorjahre Assen- tierten, und die Häufigkeit der Selbstmorde und Selbstmordversuche bei den ersteren kann im Hinblick auf ihre kurze Dienstzeit doppelt so hoch veranschlagt werden, als die Häufigkeit derselben Handlung bei den im 1. Vorjahre Assentierten.

Die dritte, lediglich in der Absicht, sich dem Militärdienste zu entziehen, unternommene Art der Selbstbeschädigung, die Selbst- verstümmelung hat von ihrer ehemaligen Bedeutung viel ein- gebüßt. Die wenigen nachgewiesenen Fälle, im ganzen 185, ereigneten

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

139

sich noch verhältnismäßig am häufigsten in den Monaten der Re- krutenabrichtung Oktober und November, während sie in den Monaten Juli, August und September nur ganz ausnahmsweise zur Wahr- nehmung gelangten.

Was die Art der Ausführung der Selbstbeschädigungen betrifft, so stehen jene durch Schuß mit 662°/00 obenan, dann folgen die Selbstmorde und Selbstmordversuche durch Erhängen mit 185%o und die Selbstbeschädigungen durch Schnitt, Hieb und Stich mit 54°/00 der Gesamtzahl. Im Vergleiche zu den Jahren 1883-93 ist der Anteil der Selbstbeschädigungen durch Erhängen um 61°/00 höher, jener der Schnitt, Hieb und Stich um 57°/0o geringer, während die durch Schuß bedingte Quote nahezu unverändert geblieben ist. Bei den Selbstverstümmelungen insbesondere erfolgte mehr als die Hälfte (101 von 185) durch Schnitt, Hieb und Stich, jene durch Schuß stehen mit 71 Fällen erst an zweiter Stelle.

In 2432 Fällen von absichtlicher Selbstbeschädigung wurde eine Ursache erhoben. Obenan steht Furcht vor Strafe mit 716, dann ünkist zum Dienen mit 626 Fällen. Speziell die Selbst- verstümmelung wird unter 158 Fällen 144mal als durch Unlust zum Dienen begründet angegeben. In den Jahren 1883- 93 waren die meisten Selbstbeschädigungen durch Unlust zum Dienen veranlaßt.

Von Ver un glück un gen mit tödlichem Ausgange wurden 865 Fälle berichtet oder jährlich im Mittel 86 Fälle = 0'29°/,.0 K gegen 0 37°/00 P in den Jahren 1883-93.

Der Zeit nach entfielen auf die Monate Juni, Juli und August zusammen (ßadesaison) jährlich rund 50 Fälle, auf alle übrigen Monate zusammen 36 Fälle.

Unter den Korps wei*t das 14. mit 0 52%o K die. meisten, das 4. mit 016%0 die wenigsten Fälle aus. Von den Waffengattungen stehen die Pioniertruppe und das Eisenbahn- und Telegrapheuregiment mit 0'87°/00 K an erster, die technische Artillerie mit 0*06°/00 an letzter Stelle. Die beiden erstgenannten Waffengattungen hatten auch in den Jahren 1883—93 die meisten Verunglückungen nachgewiesen.

Die Verunglückung geschah in 537'5°/00 der Fälle durch Er- trinken, gegen 439%o den Jahren 1883—93; als nächste Art folgt Sturz und Fall in 97°/00, dann Schuß in 71-5%0 und Huf- schlag in 61°/oo der Gesamtzahl.

II. Krankenbewegung in den Heilanstalten.

Mit Schluß des Jahres 1893 waren in sämtlichen Militär- heilanstalten 8899 Kranke in Behandlung verblieben. Im Laufe der

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Dr. Myrdacz.

%0 in den Jahren

1883 bis 1893.

Jahre 1804-1903 gelangten 1,350.888 Kranke zur Aufnahme, und zwar 58.767 durch Zuschub aus anderen Heilanstalten, 1,292.121 durch direkte Abgabe von Truppen und Heeresanstalten. Der Gesamt- krankenstand belauft sich demnach auf 1,359.787 Kranke. Hievon sind in dem gleichen Zeiträume 1.352.577 Kranke aus den Heilanstalten abgegangen, so daß am Schlüsse des Jahres 1903 7210 Kranke in Behandlung verblieben.

Werden vom Gesamtabgange in Abzug gebracht 1. die trans- ferierten, d. i. von einer Heilanstalt in eine andere übersetzten, daher hier wiederholt gezählten Kranken, deren Summe 63.004 beträgt, ferner die sonst in Abgang gebrachten nicht zum Heere gehörigen sogenannten „anderen Personen", deren Zahl sich auf 216.138 beläuft, so bleiben 1,073.435 dem Heere angehörige Personen, welche im Laufe der Jahre 1894 1903 aus den Heilanstalten endgiltig in Abgang gebracht worden sind, und zwar:

851.024 als diensttauglich (genesen) =

792 9°/00 des Abganges ... gegen 856*3

9183 durch Tod = 8*54%0 des Abganges 12*4

217.465 auf andere Art = 198*5 des Ab- ganges • . . 131*3

Diese letzte Abgangspost umfaßt die Beurlaubten, die Super- arbitrierten, die vor Ablauf des Krankheitsprozesses Abgegangenen etc. Im Vergleiche zu den Jahren 1883 1893 sind die Behandlungs- resultate iu den Heilanstalten insoferne günstiger geworden, als die Letalität der Kranken um rund 4 0°/00 abgenommen hat; anderseits insoferne ungünstiger als das Verhältnis der diensttauglich Ent- lassenen um rund 63*0%o gefallen, jenes der auf „andere Art" Ab- gegangenen um 67 0%o gestiegen ist. Diese Ergebnisse deuten, wie schon in dem „Statistischen Sanitätsberichte für 1883—1893" be- merkt wurde, darauf hin. daß rücksichtlich einer gewissen Quote von Kranken das Bestreben, sie zu heilen, in den Hintergrund tritt gegenüber der Tendenz, sie im Wege der Beurlaubung oder Ent- lassung aus den Reihen des Präsenzstaudes auszuscheiden.

Bemerkenswert ist es trotzdem, daß die Quote der diensttaug- lich Entlassenen bei den Personen des k. und k. Heeres von 831*0°/oo im Jahre 1894 bis auf 754 0°/00 im Jahre 1903 stetig und ohne Unterbrechung gefallen, die Quote der „auf andere Art" Entlasseneu umgekehrt von 159*2%0 im Jahre 1894 bis auf 238*8°/00 im Jahre 1903 ebenso stetig gestiegen ist, während das Verhältnis der Verstorbenen nach einer anfänglichen Steigerung von 9-8n/0o ira Jahre 1884 auf

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

141

10-l°/oo im Jahre 1895 unter wiedei holten Relapsen auf 7-2%0 im Jahre 1902 und 1903 gesunken ist.

Nach Territorialbezirken berechnet sich das Verhältnis der diensttauglich Eutlassenen und der Gestorbenen zum endgültigen Gesamtabgange aus den Heilanstalten liieksichtlich der Personen des

Heeres wie folgt (siehe Tab. VII):

diensttauglich gestorben gefren bezw.

1. Korps Krakau . . . 7667%0, 9-1 %0 847 5, 169

2. Wien . . 749-4

3. Graz .... 778 4

4. Budapest . . 770-7

5. Pozsony . . 825 4

6. Kassa . . . 822 0

7. Temesvdr . . 804*4

8. Prag .... 719-G

9. Josefstadt . 789 4

10. Przemyäl . . 802-3

11. Lemberg . . 798"8

12. Nagyszeben . 814*1

13. Agram . . . 820*4

14. Innsbruck . . 7617

15. Sarajevo . . 894 3 Militärkommando Zara . 848 6

Die günstigsten Behandlungsergebnisse, gemessen nach dem Ver- hältnisse der Diensttauglichen, erzielten in den Jahren 1894—1903 die Heilanstalten des 15. Korps mit 894-3%0 und ,,es Militär- kommandos Zara mit 848*60/o0 des Abgangs ; am ungünstigsten waren diesbezüglich die Resultate in den Heilanstalten des 8. und des 2. Korps mit 719-6%0 bezw. 749'4%0- Die genannten vier Territorial- bezirke sind im gleichen Sinne auch in den Jahren 1883 93 hervor- getreten. Hinsichtlich der Letalität stehen am günstigsten die Heil- anstalten des 14., 4. und 7. Korps mit 67, bezw. 6'8 und 6-9°/00, am ungünstigsten die Heilanstalten des 11. und des 2. Korps mit lO'l^oo resp. 10*4°/00 des Abgangs. Die Heilanstalten des 11. und des 2. Korps hatten auch in den Jahren 1883—93 die höchsten Sterblichkeitsquoten aufzuweisen.

Im Vergleiche zu den Jahren 1883 93 ist das Verhältnis der Gestorbenen zu den Behandelten in allen Territorialbezirken gefallen, am meisten in den Heilanstalten des 1. Korps (um 7 8%o) 5 aber auch das Verhältnis der Diensttauglichen zum endgiltigeu Gesamtabgange ist in allen Territoriulbczirkcu gefallen, am meisten beim 8. Korps, und zwar um 113*5°/00 des Abganges!

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142

Dr. Myrdacz.

Die Krankentage des endgiltigen Abganges belaufen sich für die Jahre 1894—1903 insgesamt auf 34,855.425 Tage, wovon 29,342.209 Tage auf Personen des Heeres entfallen. Die durch- schnittliche Behandlungsdauer dieser letzteren Personen in Heil- anstalten stellt sich auf 27*3 Tage und bewegte sich, dieselbe zwischen 26 6 Tagen im Jahre 1898 und 28*5 Tagen im Jahre 1903, nach Korps zwischen 23*1 Tagen in den Heilanstalten des 14. Korps und 30-3 Tageu in den Heilanstalten des 4. Korps.

Über die Krankenbewegung von 117 größeren Militärheil- anstalten gibt die Tabelle VII näheren Aufschluß. Mehr als 900%0 erreichte das Verhältnis der diensttauglich Entlassenen bloß in den sechs Truppenspitälern zu Bilek, Castelnuovo, Korneuburg, Neve- sinje, Plevije und Stolac; unter 700%o M'eD dieses Verhältnis in den vier Garnisonsspitälern Nr. 1 zu Wien, Nr. 4 in Linz, Nr. 11 in Prag und Nr. 12 in Josefstadt, dann in den zwei Truppenspitälern zu Eger und Pilsen.

Die Todesfälle überstiegen 12%o der Behandelten in den Garnisonsspitälein Nr. 1 zu Wien, dann Graz und Sarajevo, sowie in den Truppenspitälern zu Öaslau, Dolnja, Tuzla, Fiume (24*9°/oo '•)> Göding, Otoeac, Rzeszow, Sanok, Spalato, Trebinje, Zara und ^oikiew. Eine Letalität von 5%o unc* darunter berichten die Heilanstalten in Avtovac, Belovär, Bruck a. d. L., Budweis, Eger, Eger (Ungarn), Fehertemplora, Grödek, Iglau, Korneuburg, Peterwardein, Plevije, Salzburg, Sarabor und Ungvär. Unter den Garnisonsspitälern hatten die niedrigste Sterblichkeit die Filiale Baden mit 54%o» das Garnisonsspital zu Innsbruck mit 5'8%0 UDd das Garnisonsspital Nr. 16 in Budapest mit 5*9°/00.

Die durchschnittliche Krankheitsdauer der kranken Heeres-

-

personen Oberstieg 33 Tage im Garnisonsspitale Nr. 1 zu Wien, im Filialspital Baden (551 Tage!), in den Garnisoösspitälern zu Graz, Triest und Nr. 17 in Budapest, ferner in den Truppenspitälern zu Caslau, Czernowitz, Debreczen, Fiume, Nyiregyhaza, Pettau, Pilsen, Reichenberg, Tarnopoi und 2ofkiew. Dieselbe betrug hingegen weniger als 22 Tage in den Truppenspitälern zu Besztercze, Bruck a. d. L., Eger (UngarnJ, Iglau, Jittn, Kaposvär, Maros- Vasärhely, Nevesinje, Rzeszow, Stockerau, Stolac und Ungvär. Unter den Garnisons- spitälein berichtet die kürzeste Behandlungsdauer jenes Nr. 3 zu PrzemySl mit 22*6 Tagen.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

143

III. Die behandelten Krankheiten.

a) Allgemeines über die Krankheitsformen.

Wie sich der Gesamtzugang der 108 Krankt) eitsforrnen des Morbiditätsschemas nach Monaten verteilt, ist aus der Tabelle VIII ersichtlich. Hiernach fiel das Maximum des Zugangs auf den Monat

Jänner bei: Neuralgien; Krankheiten der Lider und der Tränenorgane; Krankheiten des äußeren Ohres und des Trommel- felles; katarrhalische Mittelohrentzündung, akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung ; Mandelentzündung, Rachenkatarrh ; nächtliches Bettnässen, Harnträufeln; Gelenksrheumatismus, Muskel- rheumatismus; akute Hautausschläge; Verletzungen durch Schuß und Explosion; Erfrierung;

Februar bei: Verbrennung, Ätzung;

März bei: Influenza; Ohrspeicheldrüsenentzündung; Krank- heiten des Kehlkopfes, kruppöse Lungenentzündung, Vergiftung;

April bei: Lungentuberkulose; Tuberkulose der sonstigen Organe; Krankheiten der Hirnhäute und des Gehirns; chronischer Bronchialkatarrh, Luogenemphysem ; Krankheiten der Lymphdrüsen ;

Mai bei: Krankheiten des Rückenmarkes und seiner Häute; Entzündung der Hornhaut; Nachtuebel; Brustfellentzündung; Lungen- blutung; Entzündung des Herzbeutels, des Herzmuskels und der inneren Herzauskleidung; Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches ;

Juni bei: Skorbut, Hoden- und Nebenhodenentzündung ; Ver- engerung der Vorhaut; Schweißfüße;

Juli bei: Hitzschlag und Sonnenstich; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh, katarrhalische Gelbsucht; Blasenkatarrh;

August bei: Ruhr; Malariakrankheit;

November bei: Scharlach; Masern; Rotlauf; Diphtherie und Krupp; Knochen-, Knochenmark- und Beinhautentzündung; Gelenks- entzündung; Krankheiten der Schleimbeutel und Sehnenscheiden; Fingerwurm; Entzündung des Unterhautbindegewebes; Abszesse, Ge- schwüre, Furunkel, Anthrax; Wuuddruck der Füße, Aultritt; Krätze; Verletzungen des Auges; Verletzungen des Ohres; Hiruerschütterung, Rückenraarkserschütterung ; Quetschung, Quetschwunden, Bißwunden; Knochenbrüche; Verstauchungen ;

Oktober bei allen übrigen Kraukheitsformen, besonders aus- gesprochen bei : Trachom und Augenblennorrhöe ; venerische und syphilitische Krankheiten; Körperschwäche und Blutarmut; Fall- sucht; Narben, Trübungen, Formveräuderungen der Hornhaut; Herab-

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144 Dr- Myrdacss.

Setzung der Sehschärfe ; Km zsichtigkeit ; eitrige Mittelohrentzündung; Durchlöcherung des Trommelfelles; Herabsetzung der Hörschärfe; Herzklappenfehler ; Kropf und Blähhals: K.ingeweidevorlagerung; Wasserbrucb, Blutbruch des Hodens, Zysten des Samenstranges: Mißbildungen etc. am Skelette des Kopfes und Stammes; Miß- bildungen an den Gliedmaßen; Plattfuß; Folgezustände nach Be- schädigungen; ohne bestimmte Diagnose.

Die im Oktober mit ihrem Maximum auftretenden Kraukheits- formen sind zumeist Gebrechen der eingerückten Rekruten, die im November kulminierenden Formen sind zumeist Folgen der inten- siven Rekrutenausbildung. In den Monaten September und Dezember erreicht keine Krankheitsform ihr Zugangsmaximum.

Von dem mit 2,052.597 Fällen ermittelten Gesamtzugang ent- fallen weitaus die größten Quoten auf nachbenannte fünf Krankheits- formen :

Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax 262.072 Fälle = 127*7 Akuter Brouchialkatarrh, katarrhalische

Lungenentzündung 192.584 = 93 8

Venerische und syphilitische Krankheiten 178.232 = 86*8 Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc. 169.771 = 82*7 Quetschung, Quetschwunden, Bißwunden 1 11.929 w = 54*5

Summa . 914.588 Fälle = 445 5

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Die günstigsten Behaudlungsresultate, d. h. die höchsten Ver- hältnisse des Abgangs als diensttauglich wurden bei nachbeuannten elf Krankheitsformen erzielt, und zwar:

Haruröhrentripper 980-8

Ohrspeicheldrüsenentzflndung 981*8

Verbrennung, Ätzung 984*1

Weicher Schauker 985*5

Verengerung der Vorhaut 989*1

Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax . 989*2 Mandelentzündung, Rachenkatarrh . . . 994 5

Krätze .... 996 0

Wunddruck der Füsse, Auftritt .... 996*1 Eicheltripper, spitze Feigwarzen .... 996*8

Die höchsten Letalitätsziffern über 70*00/00 des endgültigen Abganges ergaben sich bei nachbenannten neun Krankheitsformen :

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des Abganges der betreffenden Krankheitsform.

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des Abganges der betreffende» Krankbeitsform.

Kruppöse Lungenentzündung 70 2

Diphtherie und Krupp 88*3

Nierenentzündung, Nierenbeckenentzündung 117-3

Entzündung des Herzbeutels, des Herz- muskels etc 123 8

Krankheiten des Rückenmarks und seiner

Häute 133-6

Bauchfellentzündung, Blinddarmentzündung 136 7

Darmtyphus 150 3

Lungentuberkulose 1944

Krankheiten der Hirnhäute und des Gehirns 562 0

Eine durchschnittliche Behandlungsdauer von mehr als 40 Tagen erforderten folgende neun Krankheitsformen, und zwar:

Scharlach 40 6 Tage- Brustfellentzündung .... 41*9

Allgemeine Syphilis 43*2

Nierenentzündung, Nierenbeckenentzündung 44*7

Darmtyphus 48*5

Harter Schanker 49*1

Krankheiten des Rückenmarkes und seiner Häute . . . 50'0 Knochenbrüche 54*9

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Trachom und Augenblennorrhöe 61 '2

In der Tabelle IX sind 40 Krankheitsformen bezüglich ihrer durchschnittlichen Jahresfrequenz nach Korps uud nach Waffen- gattungen dargestellt. Aus dieser Tabelle seien im nachstehenden für jedes Korps jene Krankheitsformen hervorgehoben, welche in demselben häufiger als in den übrigen Korps aufgetreten sind.

L Korps Krakau: Lungentuberkulose; Knochenbrüche.

2. Wien: Tuberkulose sonstiger Organe; Knochenbrüche.

3. Graz: Katarrhalische Mittelohrentzündung; akuter Bron-

chialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Muskel- rheumatismus; Knochen-, Knochenmark- und Beinhaut- entzündung; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Quetschung, Quetschwunden, Bißwunden; Stich-, Schnitt- und Hiebwunden.

4. Budapest: Rotlauf; Trachom und Augenblennorrhöe.

6. Kassa: Kruppöse Lungenentzündung; Krankheiten der

Lymphdrüsen.

7. Temesvär: Venerische und syphilitische Krankheiten.

Organ der MiliUrwiiaenachaftlichen Vereine. LXX1II. Bd. 1906. JQ

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Dr. Myrdaoz.

8. Korps Prag: Lungentuberkulose; chronischer Bronchialkatairh, Lungenernphysem ; Herzklappenfehler ; Erweiterung der Blutadern ; Gelenksentzünduug.

10. Przeraysl : Ruhr; chrouische Hantausschläge.

11. Lemberg: üindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut;

eitrige Mittelohrentzündung; Fingerwurm.

12. Nagyszeben: Influenza.

13. Agran: Entzündung des Unterhautbindegewebes; Abszesse,

Geschwüre, Furunkel, Anthrax ; Wunddruck der Füße, Aufritt; akute Hautausschläge; Krätze.

14. Innsbruck: Mandelentzündung, Rachenkatarrh; Gelenks-

rheumatismus; Schweißföße; Verstauchungen.

15. Sarajevo: Darmtyphus; Bauchfellentzündung, Blinddarm-

entzündung.

Militärkommando Zara: Masern; Ohrspeicheldrüsenentzündung;

Malariakrankheit; Brustfellentzündung; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh, katarrhalische Gelbsucht; Schweiß- füße.

Im 5. und 9. Korps ist keine der oberwähnten Krankheits- formen mit ihrer Maximalfrequeuz aufgetreten.

Eine ähnliche Auslese nach Waffengattungen ergibt folgendes: Jägertruppe: Knocheu-, Knochenmark- und Beinhautentzündung;

Schweißfüße.

Kavallerie: Ruhr; Trachom und Augenblennorrhöe, Bindehaut- katarrh, Herpes der Bindehaut; Knochenbrüche.

Feldartillerie: Quetschung, Quetschwunden, Bißwunden.

Fcstungsartillerie : Malariakrankheit; venerische und syphilitische Krankheiten ; Herzklappenfehler ; Magenkatarrh, akuter Darm- katanh, katarrhalische Gelbsucht; Gelenksrheumatismus; chro- nische Hautausschläge.

Pioniertruppe: Katarrhalische Mittelohrentzündung; Muskelrheuma- tismus; Entzündung des Unterhautbindegewebes ; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Aufritt; akute Hautausschläge; Verstauchungen.

Eisenbahn- und Telegrapheuregiment: Mandelentzündung Rachen- katarrh: Fingerwurm; Stich-, Schnitt- uud Hiebwunden.

Sanitätstruppe: Darmtyphus; Rotlauf; Lungentuberkulose; Herz- klappenfehler ; Erweiterung der Blutadern; Bauchfellentzündung, Blindarmeutzündung; Krätze.

Bosnisch-herzegowinische Infanterie: Masern; Influenza; Ohrspeichel - drüseneutzündung; Tuberkulose der serösen Häute, Drüsen,

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Knochen etc.; eitrige Mittelohrentzündung; akuter Bronchial- katarrh, katarrhalische Lungenentzündung; chronischer Bron- chialkatarrh, Luugenemphysem ; kruppöse Lungenentzündung, Brustfellentzündung; Krankheiten der Lymphdrüsen; Gelenks- entzündung.

Bei der Infanterie, technischen Artillerie und Traintruppe ist "keine der angeführten Krankheitsformen mit der Maximalftequenz ausgewiesen worden.

b) Die einzelnen Krank h ei tsforraen.

Im nachfolgenden betrachten wir die Krankheitsformen nach ihrem Vorkommen bei der „Kopfstärke der Mannschaft" unter Angabe des Gesaratzuganges im Laufe des Dezenniums 1894 1903, des Jahresdurchschnittes, der Frequenz in °/00 K, der monatlichen Verteilung des Zuganges, des Gesamtabganges aus der Behandlung bei der Truppe und in Heilanstalten und der durchschnittlichen Behandlungsdauer berechnet aus den Krankentagen hei der Truppe und in Heilanstalten. Mehrfach werden auch jene Korps und Waffen- gattungen genannt, bei welchen die betreffende Krankheitsfoi ra häufiger als bei den übrigen vorgekommen ist.

Bei mehreren Krankheitsforraeu werden die aus Heilanstalten abgegangenen Fälle gesondert besprochen. Bezüglich dieser Fälle muß man sich gegenwärtig halten, daß dieselben nicht allein Per- sonen vom Mannschaftsstande des k. und k. Heeres, sondern auch »Gagisten und „andere Personen" umfassen. Die Behandlungsdauer -dieser Fälle betrifft nur die Behandlung in Heilanstalten.

Gruppe I. Akute Infektionskrankheiten.

1. Darmtypbus. Gesamtzugang 8210, Jahresdurchschnitt 821 Fälle = 2-8°/00 K. Höchste Frequenz beim 15. Korps mit 5'9%o un(* bei der Sanitätstruppe mit 4'9°/00 K; höchster Monats- zugang im Oktober, 134 Fälle, und September, 131 Fälle, niedrigster im März, 34 Fälle. Gesamtabgang 8268 Fälle, davon 270'5°/00 als diensttauglich, 150'3°/00 durch Tod; durchschnittliche Behandlungs- -dauer 48-5 Tage.

Abgang aus den Heilanstalten 10.065 Fälle, davon 270*5°/00 als diensttauglich, 144'l0/00 durch Tod; Behandlungsdauer 46*4 Tage.

2. Flecktyphus. In Summa 38 Fälle, davon 4 mit tödlichem Ausgange.

3. Asiatische Cholera kam bloß im Jahre 1894 mit 39 Fällen in Beobachtung, wovon 19 letal verliefe]'.

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Dr. Myrdaoz.

4. Einheimische Cholera. Im ganzen 39 Fälle mit 4 Todesfällen.

5. Ruhr. Zugang insgesamt 2327, Jahresdurchschnitt 232 Fälle = 0-8%o K, im 10. Korps 2-3°/00, bei der Kavallerie 2'4°/00 K. Höchster Monatszugang im August mit 88 Fällen, niedrigster im Dezember, 2 Fälle. Gesamtabgang 2332 Fälle, davon 683'9°/00 ais- diensttauglich, 62'l°/oo durch Tod. Behandlungsdauer 319 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 2502, davon 653 4% » als dienst- tauglich, 67-7%o durch Tod. Behandlungsdauer 29*8 Tage.

6. Blattern. Zugang 233, Abgang 236 Fälle, davon 55-l%0. durch Tod. Behandlungsdauer 34*3 Tage. In den Jahren 1899— 1903 ist kein Blatterntodesfall vorgekommen.

7. Scharlach. Gesamtzugang 739, Jahresdurchschnitt 74 Fälle; Maximum im November 12 Fälle, Minimum im August 1—2 Fälle- Gesaratabgang 736 Fälle, davon ü5-20/00 mifc tödlichem Ausgange. Behandlungsdauer 40 6 Tage.

8. Ma sern. Gesamtzugang 3581, Jahresdurchschnitt 358 Fälle = V2°/oo K, im Militärkommando Zara 7'7%0, bei der bosnisch- herzegowinischen Infanterie H'5%0 K. Monatsmaximum im No- vember mit 50, Minimum im September mit 3—4 Fällen. Gesamt- abgang 3588 Fälle, davon 15"6%o mit letalem Ausgange. Behand- lungsdauer 26*1 Tage.

9. Rotlauf. Zugang 5440, Jahresdurchschnitt 544 Fälle = l*8°/00 K, im 4. Korps 2 9%0, bei der Sanitätstruppe 4-l%0 K. Monatsmaximum im November 89, Minimum im August 20 Fälle- Abgang 5476, davon letal 10*7%0. Behandlungsdauer 29 Tage.

Aus Heilanstalten kamen 6181 Fälle in Abgang, davon H'60/,,^ als gestorben. Behandlungsdauer 27*6 Tage.

10. Influenza. Gesamtzugang 13.810, Jahresdurchschnitt 1381 Fälle = 4'7%o K, beim 12. Korps 9'3°/00, bei der bosnisch- herzegowinischen Iufauterie 10-3%o K. Monatsmaximum im März 536 Fälle, Minimum im August 3 Fälle. Gesamtabgang 13.916 Fälle, davon 945-9ü/00 als diensttauglich, 7*4%o ra»t letalem Ausgang. Behandlungsdauer 12 3 Tage.

11. Diphtherie und Krupp. Zugang 349, Jahresdurch- schnitt 35, Abgang 362 Fälle, darunter 83-3%0 mit letalem Aus- gang. Behandlungsdauer 261 Tage.

12. Ohrspeicheid rösenentzündung. Zugang 7472, Jahresdurchschnitt 747 Fälle = 2*5°/oo ^> *m Militärkommando Zara

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12-2%oi bei der bosnisch - herzegowiuischen Infanterie 17*6%o K Monatsmaximum im März 137, Miniraum im September 10 Fälle. •Gesamtabgang 7470, davon 981 -8%o als diensttauglich, 0-6°/00 durch Tod. Behandlungsdauer 131 Tage.

Gruppe II. Chronische Infektionskrankheiten.

14. Malariakrankheit. Gesamtzugang 57.000, Jahres- durchschnitt 5700 Fäll« = 19-4%o K, im Militärkommaudo Zara 78 0%o> bei der Festungsartillerie 48*1 °/o0 K. Höchster Monats- zugang im August mit 800, niedrigster im Dezember mit 193 Fällen. Gesamtabgang 56.690 Fälle, davon 9528%0 als diensttauglich,

1- 2%0 durch Tod. Behandlungsdauer 11*5 Tage.

Bemerkenswert ist bei dieser Krankheit folgendes : Im Jahre 1902 wurden fQr die Dauer von drei Jahren Erhebungen über Malaria mittele Zählkarten angeordnet. Im selben Jahre fiel der nachgewiesene Malariazugang auf l/4 des vorjährigen (987 gegen 3731 Fälle), im Jahre 1903 auf 471 Fälle, während gleichzeitig die durchschnittliche Behandlungsdauer, welche bis dahin 12 Tage nicht Überschritten hatte, auf 18 5, bezw. 19*3 Tage anstieg. Man war mit der Diagnose „Malaria" zurückhaltend geworden.

15. Lungentuberkulose. Zugang 3840, Jahresdurchschnitt 384 Fälle == l-3%0 K, im 1. Korps 2'1%0, bei der Sanitätstruppe

2- 4%0 K. Abgang 3888 Fälle, davon 194 4%0 durch Tod, 788-4%0 „auf andere Art". Behandlungsdauer 32*1 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 4962 Fälle, davon 249'30/00 durch Tod, 721*9% „auf andere Art". Behandlungsdauer 38*5 Tage.

16. Tuberkulose sonstiger Organe. Zugang 4807, Jahresdurchschnitt 481 Fälle = l'6°/00 K, im 2. Korps 3'3°/00, bei der bosnisch-herzegowinischen Infanterie 4-l°/oo K. Abgang 4817 Fälle, davon 169-6700 als diensttauglich, 35 90/00 durch Tod, Behandlungs- dauer 36-4 Tage.

17. Trachom und Augenblennorrhoe. Zugang 14.885, Jahresdurchschnitt 1488 Fälle = 5-l°/oo K, im 4. Korps 243°/00, bei der Kavallerie 6*4e/0o K- Maximum des Monatszuganges im Oktober mit 369, Minimum im Juli mit 66 Fällen. Gesamtabgang 15.179 Fälle, davon 561*8%o a^8 diensttauglich. Behandlungsdauer -61-2 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 19.073 Fälle, darunter 515'8%0 als -diensttauglich. In 11 Fällen = 0 6%o der Gesamtzahl wurde durch interkurrente Krankheiten der letale Ausgang herbeigeführt, nacb-

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Dr. Myrducz.

dem die Zugangsdiagnose „Trachom" nicht mehr geändert werden- konnte.J) Durchschnittliche Behandlungsdauer 60*8 Tage.

18. 21. Venerische und syphilitische Krankheiten. Zugang 178.232, Jahresdurchschnitt 17.823 Fälle G0 9°/00 K, im 7. Korps 96'1%0, bei der Festungsartillerie 75'7%0 K. Höchster Monatszugang im Oktober mit 2173, niedrigster im Dezember mit 1101 Fällen. Gesamtabgang 177.105 Fälle, davon 974 5°/00 als diensttauglich, 0'4%0 durch Tod. Behandlungsdauer 39 7 Tage.

Aus Heilanstalten wurden insgesamt 221.957 Fälle von veneri- schen und syphilitischen Krankheiten in Abgang gebracht, und zwarr 111.504 (= 502-3%o der Gesamtzahl) Harnröhrentripper, davon 972*7%o al§ diensttauglich, nach einer durchschnittlichen Behand- lungsdauer von 371 Tagen; 39.265 (= 176-9°/00 der Gesamtzahl) weiche Schanker, davon 979-9° 00 als diensttauglich, nach einer Be- handlungsdauer von 36 3 Tagen; 24.250 (= 1092%0 der Gesamt- zahl) harte Schanker, davon 973-ü%o als diensttauglich, nach einer Behandlungsdauer von 44*0 Tagen ; endlich 46 938 Fälle (= 211'5°/0O. der Gesamtzahl) von allgemeiner Syphilis, davon 931'5°/00 als dienst- tauglich, nach einer Behandlungsdauer von 42-9 Tagen. Hinsichtlich des Heilerfolges und der Behandlungsdauer wurden demnach bei den weichen Schankern die besten Resultate erzielt, während in eisterer Beziehung die allgemeine Syphilis, in letzterer die harten Schanker die letzte Stelle einnehmen. Infolge venerischer und syphilitischer Krankheiten starben in den Heilanstalten 106 Mann = 0 00 der Gesamtzahl dieser Kranken.

Gruppe III. Entwicklung* uud Ernährungsstörungen.

22. Körperschwäche, Altersschwäche, Blutarmut. Zugang 12.212, Jahresdurchschnitt 1221 Fälle; höchster Monats- zugang im Oktober mit 366, niedrigster im September mit 37 Fällen. Abgang 12.222 Fälle, davon 927'7°00 „auf andere Art". Behand- lungs-, bezw. Beobachtungsdauer 5 5 Tage.

23. Skorbut. Zugang 2012, Jahresdurchschnitt 201 Fälle, Monatsmaximum im Juni mit 75 Fällen. Abgang 2013 Fälle, davon 864-4°/00 als diensttauglich, 7-9%o durch Tod. Behandlungsdauer 33-9 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 1986 Fälle, darunter 851'4°/00 als diensttauglich, 8'5°/oo durch Tod. Behandlungsdauer 33 9 Tage.

x) Dieser Umstand ist auch zur Erklärung der bei verschiedenen anderen» an sich nicht letal verlaufenden Krankheiten ausgewiesenen Todesfälle, heran- zuziehen.

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Gruppe IV. Krankheiten des Nervensystems.

25. Hitzschlag und Sonnenstich. Zu- und Abgang 763 Fälle, Jahresdurchschnitt 76; Mouatsmaximum im Juli mit 34 Fällen. Von den Behandelten sind 929-2%0 diensttauglich ab- gegangen, 48-5°/oo gestorben, ßehandluugsdauer 9'2 Tage.

26. Krankheiten der Hirnhäute und des Gehirns. Zugang 1011, Abgang 1016 Fälle, davon 225 4700 als diensttaug- lich, 562 0°/„0 gestorben. Behandlungsdauer 24*3 Tage.

27. Krankheiten des Rückenmarks und seiner Häute. Zu- und Abgang 232 Fälle, davon 150-8°/00 diensttauglich, 133-6°/0o gestorben. Behandlungsdauer 50'0 Tage.

28. Neuralgien. Zugang 6015, Jahresdurchschnitt 601 Fälle. Monatsmaximum im Jänner mit 63, Minimum im September mit 27 Fällen. Abgang 6009 Fälle, davon 873-7%0 als diensttauglich, l-5°/oo durch Tod. Behandlungsdauer 18 7 Tage.

29. Fallsucht. Im Zugang sind insgesamt 1275 Fälle nach- gewiesen, doch war die Zahl der vorgekommeneu Erkrankungen an Fallsucht erheblich größer, wie schon daraus erhellt, daß im natür- lichen Abgang (vgl. Tab. V) 2837 Mann als wegen Fallsucht aus dem Präsenzstande abgegangen verzeichnet sind. Viele Erkrankungen au Fallsucht verbeigen sich unter der Zugangsdiagnose „Beobachtung" oder „Konstatierung" und kommen erst in den auf der Abgangs- diagnose basierten Ausweisen Aber den natürlichen Abgang zum Vorscheine. Ein ähnliches Bewandtnis hat es mit

30. Geistesstörung, von welcher im Zugang bloß 565 Fälle verzeichnet sind, während die Ausweise Ober den natürlichen Abgang aus dem Präsenzstande der Mannschaft 1617 Fälle von Geistes- störung, demnach jährlich durchschnittlich rund 162 Fälle enthalten.

Die mit 1. Jänner 1905 angebahnte Reform des sanitären Rappottwesens hat den Grundsatz der Festhaltung an der Zugangs- diagnose beseitigt und damit der richtigen Nachweisung der Krank- heitsformen wenigstens in den für die Statistik allein maßgebenden Jahreseingaben die Wege geebnet.

Gruppe V. Krankheiten des Auges.

32. Krankheiten der Lider und der Tränenorgane. Zugang 5752, Abgang 5769 Fälle, davon 937-9°/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 13 6 Tags.

33. Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut. Zu- gang 64.283, Jahresdurchschnitt 6428 Fälle = 22-0%0 K, im

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Dr. Myrdacz.

11. Korps 46"9%o K. Monatsmaximurn im Oktober mit 734, Mini- raum im September mit 385 Fällen. Abgang 64.261, davon 959-3°/<ll> als diensttauglich. Hehandlungsdauer 19*2 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 38.680 Fälle, davon 932-6%0 als diensttauglich; 9 Mann starben an interkurrenten Krankheiten. Be- handlungsdauer 251 Tage.

34. Entzündung der Hornhaut. Zugang 6563, Abgang 6558 Fälle, davon 885-9"/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 301 Tage.

35. Narben, Trübungen, Form Veränderungen der Hornhaut. Zugang 1105, Abgang 1166 Fälle, davon 177-5°/00 als diensttauglich. Behandluugsdauer 91 Tage.

36. Herabsetzung der Sehschärfe. Zugang 1818, Ab- gang 1821 Fälle, davon 47 00 als diensttauglich. Beobachtungs- dauer 4 7 Tage.

37. Kurz sichtigkeit. Zugang 1647, Abgang 1648 Fälle, davon 116-5%0 R\s diensttauglich. Beobachtungsdauer 4*9 Tage.

38. Übersichtigkeit, Anomalien der Akkommo- dation. Zugang 428, Abgang 431 Fälle, davon 129 9%0 als dienst- tauglich. Beobachtuugsdauer 61 Tage.

39. Schielen, Lähmungen der Augenmuskel. Zu- gang 274, Abgang 276 Fälle, davon 228 2°/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 11*9 Tage.

40. Nachtnebel. Zu- und Abgang 1278 Fälle, Jahresdurch- schnitt 128 Fälle, davon 35 Fälle im Mai. Abgegangen sind 947'5%0 als diensttauglich. Behandluugsdauer 16 6 Tage.

Gruppe VI. Krankheiten des Ohres.

42. Krankheiten des äußeren Ohres und des Trommelfelles. Zugang 11.100, Jahresdurchschnitt 1110 Fälle = 3*6°/0o K. Monatsmaximum im Jänner 123, Minimum im Sep- tember 42 Fälle. Abgang 11140 Fälle, davon 951*8%o als dienst- tauglich. Behandluugsdauer 16'6 Tage.

43. Katarrhalische Mittelohrentzündung. Zugang 9339, Jahresdurchschnitt 934 Fälle = 3 2°,0„ K, im 3. Korps 5'l°/00, bei der Pioniertruppe 4,5°/0o K. Monatsmaximum im Jänner mit 117, Minimum im September mit 32 Fällen. Abgang 9357 Fälle, davon 841 -9%o flls diensttauglich. Behandlungsdauer 237 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 8667 Fälle, davon 800'3%o a*8 diensttauglich; 7 Fälle = 0'8°/00 der Gesamtzahl verliefen infolge interkurrenter Krankheiten letal. Behandlungsdauer 25*1 Tage.

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44. Eitrige Mittelohrentzündung. Zugang 16.237 Fälle, Jahresdurchschnitt 1624 = 5-5%0 K, im 11. Korps 7'3%0, beider bosnisch-herzegowinischen Infanterie 9'2%0 K. Monatsmaximum im Oktober mit 272, Minimum im September mit 52 Fällen. Abgang 10.344 Fälle, davon 508-9°/00 als diensttauglich, 3-9°/ü0 durch Tod. Behandlungsdauer 351 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 16.708 Fälle, davon 508 6°/00 als diensttauglich, 4'50/0o durcn Tod- Behandlungsdauer 36'1 Tage.

45. Durchlöcherung des Trommelfelles. Zugang 3358, Abgang 3375 Fälle, davon 327 1%0 als diensttauglich. Behandlungs- dauer 22-2 Tage.

46. Herabsetzung der Hörschärfe. Zugang 657, Ab- gang 667 Fälle, davon 161-9°/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 10-7 Tage.

Gruppe VII. Krankheiten der Atmungsorgane.

47. Krankheiten der Nasenhöhlen. Zugang 2247, Abgang 2245 Fälle, davon 766'l°/00 als diensttauglich, 2'2%0 durch Tod. Behandlungsdauer 18 9 Tage.

48. Krankheiten des Kehlkopfes. Zugang 25.631, Jahresdurchschnitt 2563 Fälle = 8*7°/oo K. Monatsmaximum im März mit 484, Minimum im September mit 28 Fällen. Abgang 25.694 Fälle, davon 950 0%0 als diensttauglich, 0-7%0 durch Tod. Behandlungsdauer 12*1 Tage.

49. Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung. Zugang 192.584, Jahresdurchschnitt 19.258 Fälle = 65 9°/00 K, im 3. Korps 89'3°/00, bei der bosnisch- herzegowinischen Infanterie 119*5%0 K. Monatsmaximum im Jänner mit 2770, Minimum im September mit 620 Fällen. Abgang 192.819 Fälle, davon 933 5°/00 als diensttauglich, 2'7%0 durch Tod. Behandlungsdauer 14 4 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 94.988 Fälle, davon 880-8%0 als diensttauglich, 6 4%o durch Tod. Behandlungsdauer 20*6 Tage.

50. Chronischer Bronchialkatarrh, Lungen- emphysem. Zugang 29.176 Fälle, Jahresdurchschnitt 2918 = 9*9%o K, im 8. Korps 137%0, bei der bosnisch-herzegowinischen Infanterie 29 0°/00. Monatsmaximura im April mit 342, Minimum im September mit 128 Fällen. Abgang 29.115 Fälle, davon 246'8%0 als dieusttauglich, 12-8%o durch Tod. Behandlungsdauer 24*7 Tage.

51. Kruppöse Lungenentzündung. Zugang 16.875 Fälle, Jahresdurchschnitt 1687 = 5"7%0 K, im 6. Korps 8-9°/00, bei der

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bosnisch - herzegowinischen Infanterie 7'7%0 K Monatsmaximum- im März mit 223, Minimum im August mit 45 Fällen. Abgang 16.934 Fälle, davon 508'6°/OÜ als diensttauglich, 70'2%0 durch Tod. Behandlungsdauer 312 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 19.516 Fälle, davon 509-1°/ÜO als diensttauglich, 70'7°/O0 durch Tod. Behandlungsdauer 33 4 Tage.

52. Brustfellentzündung. Zugang 14.546, Jahresdurch- schnitt 1455 Fälle = 4-9°/00 K> im Militärkommando Zara 91°/00, bei der bosnisch - herzegowinischen Infanterie 16-7°/0o K. Monats- maximum im April mit 178, Minimum im September mit 63 Fällen. Abgang 14.559 Fälle, davon 374-7%o als diensttauglich, 37-8%o durch Tod. Behandlungsdauer 41 9 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 15.75U Fälle, davon 373 9%0 als diensttauglich, 41"4%ü durch Tod. Behandlungsdauer 42*7 Tage.

53. Lungenblutung. Zugang 1951, Abgang 1946 Fälle, davon 398'7°/oo als diensttauglich, 38 0%0 durch Tod. Behandlungs- dauer 34'6 Tage.

Gruppe VIII. Krankheiten der Kreislaufsorgane.

55. Entzündung des Herzbeutels, des Herzmuskels und der inneren Herzauskleidung. Zugang 753, Abgang 751 Fälle, davon 153*l°/oo als diensttauglich, 123 8700 durch Tod. Behandlungsdauer 37 5 Tage.

56. H e r z k 1 a p p e n f e h 1 e r. Zugang 3374, Jahresdurchschnitt 337 Fälle = M°/00 K, im 8. Korps 2 40/00, bei der Festungsartillerie und Sanitätstruppe 2,00/00 K. Monatsmaximum im Oktober mit 77, Minimum im September mit 12 Fällen. Abgang 3408 Fälle, davon 30*8°/oo °ls diensttauglich, 24,3%0 durch Tod. Behandlungsdauer 13 3 Tage.

57. Kropf und Blähhals. Zugang 1919, Abgang 1910 Fälle, davon 256'7%0 a^ diensttauglich, 2*l°/00 durch Tod. Behandlungs- dauer 8-5 Tage.

58. Erweiterung der Blutadern. Zugang 6460, Jahres- durchschnitt 646 Fälle = 2-2°/00 K, im 8. Korps 31%0, bei der Sanitätstruppe 4*0°/oo« Mouatsmaximum im Oktober mit 87, Minimum im Jänner mit 33 Fällen. Abgang 6451 Fälle, davon 563"3%0 als diensttauglich. Behandlungsdauer 119 Tage.

59. Krankheiten der Lymphdrüsen. Zugang 35 276r Jahresdurchschnitt 3528 Fälle = 121%0 K, im 6. Korps 16 3%0, bei der bosnisch - herzegowinischen Infanterie 141°/0o K. Monats- maximum des Zugangs im April mit 446, Minimum im September

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mit 126 Fallen. Abgang 35.277 Fälle, davon 712 3%0 als dienst- tauglich, 07%0 durch Tod. Behandluugsdauer 24-9 Tage.

Abgang aus Heilaustalten 21.892 Fälle, davon 687 1%0 als diensttauglich, 1'80/00 durch Tod. Behandlungsdauer 367 Tage.

Gruppe IX. Krankheiten der Verdauungs- und adnexen

Organe.

61. Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches. Zugang 24.375, Jahresdurchschnitt 2437 Fälle = 8 3%0 K. Abgang 24.364 Fälle, davon 96450 00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 67 Tage.

62. Mandelentzü ndung, Rachenkatarrh. Zugang 93 662, Jahresdurchschnitt 9366 Fälle = 32-l°/00 K, im 14. Korps 637°/0ü, beim Eisenbahn- und Telegraphenregiment 56'l%o Monats- maximum des Zugangs im Jänner mit 1365, Minimum im Juli mit 393 Fällen. Abgaug 93.691 Fälle, davon 994*5°/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 7 6 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 30.572 Fälle, davon 984 3%0 als diensttauglich, 1'3%0 durch Tod. Durchschnittliche Behaudlungs- dauer 11 5 Tage.

63. Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh, katarrha- lische Gelbsucht. Zugang 169771 Fälle, Jahresdurchschnitt 16.977 = 58-3%0 K, im Militärkommando Zara 134 0%0, bei der Festungsartillerie 93-2%0 K. Monatsmaximum im Juli mit 2392, Minimum im Dezember mit 947 Fällen. Abgang 169.759 Fälle, davon 953'9%0 als diensttauglich, 1'5%0 durch Tod. Behandluiigs- dauer 11 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 87.975 Fälle, davon 906-3%o als diensttauglich, 3*5°/00 durch Tod. Behandlungsdauer 16 5 Tage.

64. Bauchfellentzündung, Blinddarmentzündung. Zugang 2584, Abgang 25S1 Fälle, davon 505-2%o als diensttauglich, 13677k, durch Tod. Behandlungsdauer 34 4 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 3029 Fälle, davon 496-2°/0o a^s diensttauglich, 1406%o durch Tod. Behandlungsdauer 33 7 Tage.

65. Eingeweide vorlagerung. Zugang 12.990, Jahres- durchschnitt 1299 Fälle = 4,4°/0o K. Monatsmaximum des Zuganges im Oktober mit 322, Minimum im September mit 47 Fällen. Ab- gang 12.946 Fälle, davon 67-6°/00 als diensttauglich, 15%0 durch Tod. Behandluugsdauer 9*3 Tage.

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Dr. Myrdacz.

Gruppe X. Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane.

67. Nierenentzündung, Nierenbeckenentzündung. Zugang 1547, Abgang 1560 Fälle, davon 262 2%0 als diensttauglich, 117 3%0 durch Tod. Behandlungsdauer 447 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 2010 Fälle, davon 240*8° 00 als diensttauglich, 142 00 durch Tod. Behandlungsdauer 44*1 Tage.

08 Blasenkatarrh. Zugang 2360, Abgang 2366 Fälle, davon 840 2°/O0 als diensttauglich, 2*9° 00 durch Tod. Behandlungsdaner 31-9 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 2596 Fälle, davon 775*8° 00 als diensttauglich, 11-1 °--,00 durch Tod. Behandlungsdauer 36'7 Tage.

69. Nächtliches Bettnässen, Harnträufeln. Zugang 1178 Abgang 1209 Fälle, davon 572-3° 00 als diensttauglich. Be- handlungsdauer 27-9 Tage.

70. Eicheltripper, spitze Feigwarzen. Zugang 12.171, Abgang 12.183 Fälle, davon 99ß-8%0 als diensttauglich. Behandlungs- dauer 14-6 Tage.

71. Hoden- und Nebe n h od enent Zündung. Zugang 14.776, Abgang 14.763 Fälle, davon 971'5° O0 als diensttauglich. Hehandlungsdauer 14*8 Tage.

72. W asser bruch. Blntbruch des Hodens, Zysten des Samenstranges. Zugang 2139, Abgang 2133 Fälle, davon 493*7° ;o0 als diensttauglich. Bebandlungsdauer 10 4 Tage.

73. Verengerung der Vorhaut. Zugang 2869, Abgang 2854 Fälle, davon 989 00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 26-6 Tage.

Gruppe XI. Krankheiten der Bewegungsorgane und des

Skeletts.

75. Gelenksrheumatismus. Zugang 29.822 Fälle, Jahres- durchschnitt 2982 = 10-2° 00 K, im 14. Korps 13-9°/ü0, bei der Festungsartillerie 150°/oo K. Maximum des Monatszuganges im Jänner 347, Minimum im September mit 104 Fällen. Abgang 29.906 Fälle, davou 734-8° 00 als diensttauglich, 2 3%0 durch Tod. Behandlungsdauer 30'4 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 28.584 Fälle, davon 693-6%0 als diensttauglich, S-O0/^ durch Tod. Behandlungsdaner 337 Tage.

76. Muskel rheumatismu 8. Zugang 29.626 Fälle, Jahres- durchschnitt 2963 = 10-1°/00 K, im 3. Korps 13'4%0, bei der Pioniertruppe 15 00 K. Monatsraaximum des Zuganges im Jänner

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Statistischer Sanitätsberioht etc.

157

mit 297, Minimum im September mit 146 Fällen. Abgang 29.646 Fälle, davon 943*2%0 als diensttauglich. Behandluogsdauer 12*8 Tage.

77. Knochen-, Knochenmark- und Beinhaut eut- zQndung. Zugang 15.414 Fälle, Jahresdurchschnitt 1541 =--5'3%0 K, im 3. Korps 7"7°/o0, bei der Jägertruppe 7*4%0 K. Monatsmaximum des Zugangs im November mit 160, Minimum im September mit 85 Fällen. Abgang 15.445 Fälle, davon 903,7%o a'8 diensttauglich, l"5°/oo durch Tod. Behandluugsdauer 17*9 Tage.

78. Gelenksentzündung. Zugang 17.472 Fälle, Jahres- durchschnitt 1747 5'9%0 K, im 8. Korps 9 3%0, bei der bosnisch- herzegowinischen Infanterie 9 2°/0o K. Maximum des Monatszugangs im November mit 263, Minimum im September im 68 Fällen. Ab- gang 17.463 Fälle, davon 83l*8%0 als diensttauglich, l-8%0 durch Tod. Behandlungsdauer 20' 1 Tage.

79. Krankheiten der Schleimbeutel und Sehnen- scheiden. Zugang 12.481, Abgang 12.453 Fälle, davon 934*1 %0. als diensttauglich. Behandlungsdauer 16 6 Tage.

80. Mißbildungen, Deformitäten und Defekte am Skelette des Kopfes und Stammes. Zugang 547, Abgang 549 Fälle, davon 107 9°/Oo als diensttauglich. Beobachtungsdauer 5-8 Tage.

81. Mißbildungen etc. an den Gliedmaßen. Zugang 1635, Abgang 1639 Fälle, davon 98'8%0 als diensttauglich. Beob- achtungsdauer 5 Tage.

82. Plattfuß. Zugang 1568, Abgang 1565 Fälle, davon 104-8%o als diensttauglich. Beobachtuugsdauer 4'5 Tage.

Gruppe XII. Krankheiten der äußeren Bedeckungen.

84. Fing er wurm. Zugaug 49.346 Fälle, Jahresdurchschnitt 4935 = 16-9%0 K, im 11. Korps 24-3%0, beim Eisenbahn- und Telegraphenregiment 21'4°/00 K. Monatsmaximum des Zugangs im November mit 878, Minimum im September mit 102 Fällen. Ab- gang 49.543 Fälle, davon 942-8° 00 als diensttauglich. Behandlungs- dauer 21-8 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 17.388 Fälle, davon 900 l%0 als diensttauglich, 0-7%0 durch Tod. Behandlungsdauer 35 9 Tage.

85. Entzündung des Unterbautbindegewebes. Zu- gang 66.404 Fälle, Jahresdurchschnitt 6640 = 227%0 K, im 13. Korps 32-7°/00, bei der Pioniertruppe 31*2%0 K. Monats- maximum des Zugangs im November mit 1084, Minimum im Sep-

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Dr. Myrdaez.

tember mit 294 Fällen. Abgang 66.424 Fälle, davon 964-0°/ü0 als diensttauglich, 1-5°(MJ durch Tod. Behandhiugsdauer 19 9 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 29.090 Fälle, davon 916 00 als diensttauglich, 3-8" U(J durch Tod. Behaudlungsdauer 312 Tage.

86. Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax. Zu- gang 262.072 Fälle, Jahresdurchschnitt 26.207 = 89*8° ü0 K, im 3. und 13. Korps 107 00, bei der Pioniertruppe 124-4° 00 K. Monatsmaxiinum des Zugangs im November mit 3384, Minimum im September mit 1174 Fällen. Abgang 262.516 Fälle, davon 989 als diensttauglich. Behandlungsdauer 13*5 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 61.791 Fälle, davon 956 8%0 als diensttauglich, 1*5° ;uu durch Tod. Behandlungsdauer 24 5 Tage.

87. Wunddruck der Füße, Auf ritt. Zugang 60.844 Fälle, Jahresdurchschnitt 6084 = 20'9%0 K, im 13. Korps 30-4° 00, bei der Pioniertruppe 34 u0 K. Monatsraaxiraura des Zugaugs im November mit 1067, Minimum im September mit 259 Fällen. Ab- gang 60.914 Fälle, davon 996 00 als diensttauglich. Behaudlungs- dauer 10 2 Tage.

88. Schweiß füße. Zugang 4076, Jahresdurchschnitt 408 Fälle •= 1"4%0 K, im 13. Korps und im Militärkommando Zara 3'5°/0o» bei der Jägertruppe 2*6° 00 K. Monatsmaximum dos Zugangs im Juni mit 83, Minimum im Jänner mit 9 Fällen. Abgang 4077 Fälle, davon 972'8°/ÜO als diensttauglich. Behandlungsdauer 7*8 Tage.

89. Akute Hautausschläge. Zugang 28.977 Fälle, Jahres- durchschnitt 2898 = 9 9%0 K, im 13. Korps 13*3° 00, bei der Pioniertruppe 12 0%0 K. Mouatsmaximum des Zugangs im Jänner mit 328, Minimum im September mit 124 Fällen. Abgang 29.102 Fälle, davon 989*6° ü0 als diensttauglich. Behandlungsdauer 16*7 Tage.

90. Chronische Hautausschläge. Zugang 8178 Fälle,

Jahresdurchschnitt 818 = 2*8%0 K* ira 10- KorPs 5*6%0, bei der Festungsartillerie 3-9%0 K. Monatsmaximum des Zugangs im Oktober mit 107, Miniraum im September mit 31 Fällen. Abgang 8178 Fälle, davon 875*1 °/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 33-2 Tage.

91. Krätze. Zugang 10.506, Jahresdurchschnitt 1051 Fälle 3*6%0 K, im 13. Korps 6'4°/00, bei der Sanitätstruppe 5'4%0 K. Monatsmaximum des Zugangs im November mit 149, Minimum im August mit 32 Fällen. Abgang 10.531 Fälle, davon 996-00/00 als diensttauglich. Behandlungsdauer 10'7 Tage.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

159

Gruppe. XIII. Körperliche Beschädigungen.

93. Verletzungen des Auges. Zugang 2711, Abgang 2710 Fälle, davon 866-4%0 als diensttauglich. Behandlungsdauer 2T9 Tage.

94. Verletzungen des Ohres. Zugang 1534, Abgaug 1535 Fälle, davon 881"4%0 als diensttauglich. Behandlungsdauer 33*4 Tage.

95. HirnersebOtterung, Rflckenmarkserschfltterung. Zugang 657, Abgang 655 Fälle, davon 752-7%0 als diensttauglich, o2 0%0 durch Tod. Behandlungsdauer 28*4 Tage.

96. Quetschung, Quetschwunden, Bißwunden. Zu- gang 111.929 Fälle, Jahresdurchschnitt 11.193 = 38-3%0 K, im 3. Korps 47-0%0, bei der Feldartillerie 96 8%0 K. Monatsmaximum des Zugangs im November mit 1124, Minimum im September mit 621 Fällen. Abgang 111.939 Fälle, davon 977«1%0 als dienst- tauglich, 0S°/Q0 durch Tod. Behandlungsdauer 14 9 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 39.473 Fälle, davon 928*6°/00 als diensttauglich, 3 6%0 durch Tod. Behandlungsdauer 24'8 Tage.

97. Stich-, Schnitt- und Hiebwunden. Zugang 26.250 Fälle, Jahresdurchschnitt 2625 = 9*0° 00 K, im 3. Korps ll'30/00, beim Eisenbahn- und Telegraphenregiment 16'50/00 K. Monatsmaxiraum des Zugangs im Oktober mit 277, Minimum im September mit 159 Fällen. Abgang 26.229 Fälle, davon 962-L°/00 als diensttauglich, 1*8°/M durch Tod. Behandlungsdauer 16*5 Tage.

Abgang aus Heilanstalteu 10.975 Fälle, davon 884 1°/00 als diensttauglich, 6*4°/oo durch Tod. Behandlungsdauer 27"1 Tage.

98. Verletzungen durch Schuß und Explosion. Zu- gang 4677, Jahresdurchschnitt 468 Fälle = 16%0 K. Monats- niaximum des Zugangs im Jänner mit 54, Minimum im September mit 20 Fällen. Abgang 4690 Fälle, davon 740-3%0 als diensttauglich, 17'9°/M durch Tod. Behandlungsdauer 34'3 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 4145 Fälle, davon 665*3°/ü0 als diensttauglich, 80-3%0 durch Tod. Behandlungsdauer 41 9 Tage.

99. Knochen brüche. Zugang 6023, Jahresdurchschnitt 602 Fälle = 2-0°/00 K, im L und 2. Korps 2'7%0, bei der Kavallerie 5-4%o K. Monatsmaximum des Zugangs im November mit 61, Minimum im September mit 40 Fällen. Abgang 5996 Fälle, davon 599*7%o a*s diensttauglich, 8-5%0 durch Tod. Behandluugsdauer 54-9 Tage.

100. Verrenkungen. Zugaug 1854, Abgang 1855 Fälle, davon 821-0°/Ot> als diensttauglich. Behandlungsdauer 27*4 Tage.

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Dr. Myrdacz.

Abgang aus Heilanstalteu 1463 Fälle, davon 753'2%0 als diensttauglich; 2 Fälle mit letalem Ausgang. Behandlungsdaner 32 9 Tage.

101. Verstauchungen. Zugang 25.527 Fälle, Jahresdurch- schnitt 2553 = 8 7%0 K, im 14. Korps 18 0°/00, bei der Pionier- truppe 16*7%0 Monatsraaximum des Zugangs im November mit 318, Minimum im September mit 133 Fällen. Abgang 25.529 Fälle, davon 962-9%0 als diensttauglich. Behandlungsdauer 13-5 Tage.

Abgang aus Heilanstalten 9475 Fälle, davon 899 als diensttauglich; 4 Fälle mit letalem Ausgang. Behandlungsdauer 23 Tage.

102. Verbrennung, Ätzung. Zugaug 7318, Abgang 7325 Fälle, davon 9841%0 als diensttauglich, 0 8°/00 durch Tod. Bebandlungsdauer 14*6 Tage.

103. Erfrierung. Zugang 5241, Abgang 5255 Fälle, davon 970-7°/00 als diensttauglich, 2 8%0 durch Tod- Behandlungsdauer 16 5 Tage.

104. Vergiftung. Zugang 407, Abgang 406 Fälle, davon 847 3°/oo a^s diensttauglich, 32,0°/Oo durch Tod. Behandlungsdauer 15-3 Tage.

105. Folgezustände nach Beschädigungen. Zugang und Abgang 4905 Fälle, davon 253 2%o ^s diensttauglich, l'60/0o durch Tod. Behandlungsdauer 12 4 Tage.

Gruppe XIV. Ohne bestimmte Diagnose.

Hierher gehören 88.727 Zugangsfälle, oder jährlich durch- schnittlich 8873 = 30,3°/oo K. Monatsmaximum des Zugangs im Oktober mit 2959 Fällen (vorwiegend Konstatierungen), Minimum im September mit 255 Fällen. Abgang 88.456 Fälle, davon Qli b0/^ als diensttauglich, 2-7°/00 durch Tod. Beobachtungsdauer 20 Tage.

IV. Sanitäts Verhältnisse der Garnisonsorte.

Die Einführung der Qarnisonskrankenrapporte gibt uns ein Mittel an die Hand, die Sanitätsverhältnisse der einzelnen Garni- sonen bis ins Detail zu verfolgen. Die wesentlichsten Daten Aber die Krankenbewegung in 207 Garnisonsorten sind in der Tabelle X, die °/00- Zahlen des jährlich durchschnittlichen Zugangs vou 18 wichtigeren Kranheitsformen für dieselben Garnisonsorte in der Tabelle XI enthalten. Aus der erstgenannten Tabelle soll folgendes hervorgehoben werden.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

161

Der Kranken zu gang war am geringsten in Mährisch- Weißkirchen mit 376'7%0 K, dann folgen Zloczow mit 460-8, Löcse4819, Stryj 483 1, Dolnja Tuzla 483 8, Risano und Kri- voSije 484-8, Nyiregyhaza 487 2, Dobfan 489 0 und Bruck a. d. L. mit 490 0°/oo K, weiter Klattau, Szombatbely, Turnau, Seebach, Kisszeben, Prerau, Debreczen, Plevlje, Caslau, Zuczka nowa und Brandeis a. E. mit Zugangsziffern, die von 501*5 bis 550 0°/00 an- steigen, ferner 155 Garnisonsorte mit Zugangsziffern zwischen 558*8 und 896-2°/00 K, an welche schließlich als Garnisonen mit den höchsten Zugangsziffern anzureihen sind : Cilli 906 9, Kolomea 908 3, Agrara 916'6, Ragusa 918-3, Steyr 929 9, Klosterneuburg 927-1, Spalato 942 9, Szabadka 947 6, Nevesinje 9954, Triest 1014-6, Cattaro 1026 2, Zara 1032 8, Pettau 1091*5 und Pola 1116-0°/^ K.

Die Quote der an Heilanstalten Abgegebenen betrug in Mährisch-Weißkirchen 130*3°/o0, Seebach 175 5, Neuhaus 180*3, Villach 1815, Köszeg 183*6, Bochnia 184*80/0o< m Bisenz, Juden- burg, Koraotau, Königgrätz, Braunau, Prerau, Jägerndorf 190*9 bis 197*9%0 K, in 179 Garnisonen zwischen 2057 bis 498*5%0 K, in Warasdin, Karansebes, Medgyes, Kaposvär, Petrinja, Fogaias und Nevesinje 504*6 bis 532'3ü/00. endlich in St. Pölten 547*3, Mostar 565 0, Ragusa 586 1, SzabaUka 657*9 und Nezsider 732*0%0 K.

Die Mortalität in °/00-K war am geringsten in Prachatitz 0*59, Eger 0*86 und Gorazda 0*87°/00, betrug ferner in Szabadka, Bielitz, Pisek, Tcschen, Budwcis, Steyr, Györ, Jägerndorf, Korneu- burg und Seraliu zwischen 106 und l*24°/00. in Wollersdorf, St. Pölten, Iglau, Kisszeben, Bilek, Hohenmauth, Plevlje, Sambor, Tarvis und Königgrätz zwischen 127 und 1 50%0« m weiteren 152 Garnisonen über 150 bis 4-41%0. ferner in Göding, Stockerau, Czernowitz, Mosty wielkie, Klattau, Märmaros- Sziget und Gyön- gyös zwischen 4*61 und 4-9ü%0. endlich in Judeuburg 5 01, Mona- sterzyska und Sanok 5 05, Foca 5*31, Zuczka nowa 5*38, Trebinjo 5*45, Zara 5 95, Stolac 6 03, Hruszöw 6 69, Otocac 7*02, Bisenz 7*10, Trembowla 7*85, Spalato 8 37, Fiume 8 67 und Fogaras 9*20%0 K.

Der täglich durchschnittliche Krankenstand betrug in Mährisch-Weißkirchen 161%0, Wittingau 20 9 Zuaim 22*8, Bruck a. d. L. 23*5. Turnau 23 9, Mährisch - Schöuberg 24*0, Neu- haus und Villach 241, Dolnja Tuzla 24*4, Pisek 24*6 und Iglau 24 9%0 K, in 190 Garnisonen Ober 25*0 bis 49-7°/00. ferner in Ujvidek 50 5, Zara 50*7, Pettau 50*9, Triest 54*1, Tolna 57*7 und Szabadka 61-3°/^ K.

OtirHn d-r MllittrwiMpn»chnftHph«>n Vereine. LXXIII. Bind. 1906. ]J

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Dr. Myrdacz.

Auf jeden Mann der Kopfstärke entfielen jährlich durchschnitt- lich Krankentage: in Mährisch - Weißkirchen 6, in Znaim-- Klosterbruck, Turnau. Mährisch-Schönberg, Neuhaus, Villach, Wit- tiugau und Dolnja Tuzla 8 3 bis 8 9 Tage, in Pisek, Iglau, Köszeg, Bekes-Csaba. Hohenraauth, Kouiotau, Löcse, Kisano und Krivosije, Eperies, Iglo, Beneschau 91 bis 9 8 Tage, dagegen in Kolozsvär, Nagyvärad, Temesvar, Nezsider, Fiume, Peterwardein 161 bis 16 8 Tage, in Mostar, Stanislau, Zotkiew 17 3 bis 17*5 Tage, in Czernowitz, BrzeSany, Pardubitz, Pettau, Rügusa, üjvidek 18 bis 18*7 Tage, eudlich in Zara 19, Triest 19 8, Tolna 212, Szabadka 22-4 Tage.

Bei näherem Zusehen stellt es sich heraus, daß die vor- angeführten Extreme der Krankenbewegung nach auf- und abwäits vorwiegend kleinere und kleiuste Garnisonen betreffen, während die größten Garnisoueu Wien, Budapest, Krakau, Przemyäl, Lemberg, Prag etc. sich durchaus in mittleren Verhältnissen bewegen, daher in keiner Richtung als Extreme angeführt erscheinen.

Aus der Tabelle XI werden nachstehend jene Garnisonen nam- haft gemacht, in welcheu die darin genannten 18 Krankheitsformen im Durchschnitte der Jahre 1894—1903 die höchsten Frequenz- zahlen in 0 (K) K erreichen.

Daimtyphus: Jungbunzlau 102, Pola 116, Stolac 12-9. Trebinje 13-0, Trembowla 131, Sauok 14'5, Foia 15 2, Rogatica 19*1, Fogaras 35 1 °/00.

Ruhr: Bochnia, Brody, Bruck a. d. L. 4'5, Marburg 6'0, Prerau 7*0, Hruszöw 134, Radymno 14'1%0 K.

Rotlauf; Foöa 5*3, Nagykanizsa 56, Fiume 6'0°/00.

Influenza: Rogatica 20*9, Mähr.- Weißkirchen 21*0, Nagy- becskerek 21*4, Villach 21*5, Tarvis 23 8, Zuaim-Klosterbruck 26*7, Foea 27-0, Rovereto 28 5, Szaszväros 29*1, Pettau 517, Tolna 63'5%0 K.

Malariakrankheit: Warasdin 80*7, Belovär 850, Esseg 92-1, Cattaro und Peterwardein 997, Semlin 109-1, Brod 117 4, Zara 125'3, Spalato 127-4, Pola 160-2° ^ K.

Lungentuberkulose: Bouhnia 3*5, Eger 4 2, Klagenflirt 52, Göding 5'7, Karänsebes 9-6°/oo K.

Tuberkulose soustiger Organe: BrzeZany 4'2, There- sieustadt und Turnau 4*3, Wien 4*8, Komärom 5 2, Komotau 5*8, Klosterneuburg 6*4, Mosty wielkie 8*2, Groß-Enzersdorf 8-4°/00 K.

Trachom und Augen bl ennorrhöe: Szeged 21 -6, Sambor 22 4, Esseg 23 0, Zombor 37*5, Tolna 92'5, üjvidek 183*8, Szabadka

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Statistischer Sauitätsbericht etc.

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Ü9ri°/oo K. Mit Ausnahme von Sambor gehören alle diese Garni- sonen zu den Ländern der ungarischen Krone.

Venerische undßyph iiitische Krankheiten: Szolnok 101*3, SzekesfVhenrar 102*0, Nyiiegyhäza und Kis-Szent-Miklos 102*4, Pöcs 102 5, Kaposvär 104 5, Peterwardein 105 0, Szeged und Trem- bowla 108*6; Temesvar 1 lO'l, Nagyvärad 110-7, Nagykanizsa 1 1 5 1% K. Mit Ausnahme von Trembowla gehören alle diese Garnisonen zu den Ländern der ungarischen Krone.

Binde h au tkatarrb, Herpes der Bindehaut: Nezsider 52-5, Brody 53 3. Czernowitz 54*2 Monasterzyska 56*5, Brzeiany 57-6, Zoikiew 59 8, ZJoczöw 677, Tarnopol 68'9, Tolua 69*4, Gödiug 81-8, Pardubitz 91*6%0 K.

Akuter Bronchialkatarrh, katarrh aliseheLungen- entzündung: Fiume 1248, Nevesinje 125*2, St. Pölten 126*3, Pettau 1341, Tarvis 138 2, Zara 140 2%0 K.

Kruppöse Lungenentzündung: Göding 122. Szatmär- Ne'meti 12*8, Kaposvär 12-9, Fiume 16 0, Zara 16'8, Nevesiuje 17 6, •Spalato 25-9700 K.

Brustfellentzündung: Triest 101, Bregenz 10*3, Gö- ding 11-3, Ragusa 13-3, Brzezany 15*4, Zara 18*9, Spalato 20-9%o K.

Krankheiten der Lymphdrüsen: Wadowice 20 1, Wels 20-2, Kisszeben 20 4, BrzeSony 21-7, Eperjes? 22*3, Nezsider 24*0, Iglö 28 3%0 K.

Mandelentzündung, Rachenkatarrh: Iglau 60*9, ßeraun 61*5, Judenburg 63*4, Steyr 6rv3, Triest 68 6, Klosterneu- burg 69 2, Brixen 74 3, Hall i. T. 79*0, St. Pölten 84*7, Bregenz 93*6, Innsbruck lOe-2%0 K.

Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.: Nagy- becskerek 12 vO, Fiume 129*6, Nevesinje 131*1, Triest 135*3, Castel- nuovo 184*7, Pola 193-4. Stolac 196*6, Mostar 222*1, Cattaro 240*5, Trebiuje 285 0°/oo K. Mit Ausnahme von Nagybecskerek gehören .alle diese Garnisonen dem Küstengebiete und der Herzegowina an.

Gelenksrheumatismus: Kuttenherg 18*3, Kolozsvär 193, Brzezany 19'6, Innsbruck 20-6, Braunau 20*7, Cilli 21*0, Bregenz 22*0, Pola 23*4, Caslau 27-3%0 K.

Wunddruck der Füße, Aufritt: Eger 40*5, Zombor 40*6, Bjelina 41-7, Nevesinje 41*8, Pardubitz 44'6, Agram 47*9, Krem- «ier 48 3, Enns 57*2, Nezsider 60*5°/O0 K.

Als Gegenstück zu dieser Zusammenstellung folgt schließlich -<lie Anführung jener der obigeu 18 Krankheitsformen, welche in den

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Dr. Myrdacz.

nachbenaonten Garnisonsorten häufiger als in allen übrigen oder in den meisten übrigen Garnisonen nachgewiesen wurden.

Agrara: Wunddruck der Füße, Aufritt.

Belovär: Malariakrankheit.

Beraun: Mandelentzündung, Rachenkatarrh.

Bjelina: Wunddruck der Füße, Aufritt.

Rocbnia: Ruhr; Lungentuberkulose.

Braunau : Gelenksrheumatisrnus.

Bregenz: Brustfellentzündung; Mandelentzündung, Rachen- katarrh : Gelenksrheumatisrnus.

Brixen: Mandelentzündung, Rachenkatarrh. Brod : Malariakrankheit.

Brody: Ruhr; Bindebautkatarrh, Herpes der Bindehaut. Bruck a. d. L. : Ruhr.

Brzeiany: Tuberkulose sonstiger Organe; Bindehautkatarrh,. Herpes der Bindehaut: Brustfellentzündung; Krankheiten der Lymph- drüsen; Gelenksrheumatismus.

Caslau: Gelenksrheumatisrnus.

Castelnuovo: Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Cattaro: Malariakrankheit; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Cilli: Gelenksrheumatisrnus.

Czernowitz : Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

Eger (i. B.) : Lungentuberkulose, Wunddruck der Füße, Aufritt.

Enns: Wunddruck der Füße, Aufritt.

Eperjes: Krankheiten der Lymphdrüsen.

Esseg: Malariakrankheit, Trachom und Augenblennorrhöe.

Fiurae: Rotlauf; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungen- entzündung; kruppöse Lungenentzündung; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Foca: Darmtyphus; Rotlauf; Influenza. Fogaras: Darmtyphus.

Göding: Lungentuberkulose; Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; kruppöse Lungenentzündung; Brustfellentzündung. Groß- Enzersdorf: Tuberkulose sonstiger Organe. Hall i. T.: Mandelentzündung, Rachenkatarrh. Hruszöw: Ruhr.

iglau: Mandelentzündung, Rachenkatarrh. Iglö: Krankheiten der Lymphdrüsen.

Innsbruck: Mandelentzündung, Rachenkatarrh; Gelenksrheuma- tisrnus.

Judenbuig: Mandelentzündung, Rachenkatarrh.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

165

Juogbunzlau: Darmtyphus.

Kaposvdr: Venerische und syphilitische Krankheiten; kruppöse Lungenentzündung.

Kardnsebes: Lungentuberkulose.

Kisszeben; Krankheiten der Lymphdrüsen.

Kis- Szent- Miklos : Venerische und syphilitische Krankheiten.

Klagenfurt: Lungentuberkulose.

Klosterneuburg: Tuberkulose sonstiger Orgaue; Mandelent- zündung, Kachonkatarrh.

Kolozsvär : Gelenksrheumatismus. Komärom: Tuberkulose sonstiger Organe. Komotau: Tuberkulose sonstiger Organe. Kremsier: Wunddruck der Füße, Aufritt. Kuttenberg : Gelenksrheuraatismus. Mähr.-Weißkirchen : Influenza. Marburg: Ruhr.

Monasterzyska : Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

Mostar: Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Mosty wielkie: Tuberkulose sonstiger Orgaue.

Nagybecskerek: Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Nagykanizsa: Rotlauf; venerische und syphilitische Krankheiten.

Nagyvärad : Venerische und syphilitische Krankheiten.

Nevesinje: Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungen- entzündung; kruppöse Lungenentzündung; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.; Wuuddruck der Füße, Aufritt.

Nezsider: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; Krank- heiten der Lymphdrüsen; Wunddruck der Füße, Auflitt.

Nyiregyhäza: Venerische und syphilitische Krankheiten.

Pardubitz: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; Wund- -druck der Füße, Aufritt.

Pe\is: Venerische und syphilitische Krankheiten.

Peterwardein ; Malariakrankheit; venerische und syphilitische Krankheiten.

Pettau: Influeuza; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung.

Pola: Darmtyphus; Malariakrankheit; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.; Gelenksrheumatismus.

Prerau: Ruhr.

Radzymno: Ruhr.

Ragusa : Brustfellentzündung.

Rogatica: Darmtyphus; Influenza.

Rovereto: Influenza.

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Dr. Myrdac t.

St. Pölten : Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungen- entzündung; Mandelentzündung, Rachenkatarrh. Sanok : Darmtyphus. Seinlin : Malariakrankheit.

Spalato: Malariakrankheit; kruppöse Lungenentzündung; Brust- fellentzündung.

Steyr: Mandelentzündung, Rachenkatarrh.

Stolac: Darmtyphus; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.

Szabadka: Trachom- und Augenblennorrhöe.

Szaszväios: Influenza.

Szatmär- Nemeti : Kruppöse Lungenentzündung.

Szeged : Trachom und Augenblennorrhöe ; venerische und syphi- litische Krankheiten.

Szökesfehervär : Venerische und syphilitische Krankheiten.

Szo'nok : Venerische und syphilitische Krankheiten.

Tarnopol: Bitidehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

Tarvis: Influenza; akuter Bronchialkatarrh; katarrhalische Lungenentzündung.

Temesvär: Venerische und syphilitische Krankheiten.

Theresienstadt: Tuberkulose sonstiger Organe.

Tolna: Influenza; Trachom und Augenblennorrhöe; Biudehaut- katarrh, Herpes der Bindehaut.

Trebinje: Darmtyphus; Magenkatarrh; akuter Darmkatarrh etc.

Trembowla: Darmtyphus; venerische und syphilitische Krank- heiten.

Triest: Mandelentzündung, Rachenkatarrh; Magenkatarrh,, akuter Darmkatarrh etc.

Turnau: Tuberkulose sonstiger Organe. Ujvidek : Trachom und Augeublennorrhöe. Villach : Influenza.

Wadowice: Krankheiten der Lymphdrüsen. Warasdin: Malariakrankheit. Wels: Krankheiten der Lymphdrüsen. Wien: Tuberkulose sonstiger Organe.

Zara: Malariakrankheit; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; kruppöse Lungenentzündung; Brustfellentzündung.

Zloczöw: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

Znaim Klosterbruck : Influenza.

Zolkiew: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

Zombor: Trachom und Augenblennorrhöe; Wunddruck der Füsse, Aufritt.

£ukow: Ruhr.

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Statistischer SanitRtsberlcht etc.

167

Id den übrigen 109 Garnisonsorten ist keine der in Tabelle XI aufgezählten Krankheiten auffallend häufig aulgetreten. Hervorzu- heben ist insbesondere, daß in den Garnisonen Bielitz und Caslau kein Fall von Darmtyphus, in Brandeis a. d. E., Braunau und Prachatiz kein Fall von Malariakrankheit, in ßrandeis a. d. E., Bregenz, Konjica, Prachatitz, Rovereto und Salzburg kein Fall von Trachom und Augenblennorrhöe während des ganzen Dezenniums 1894—1903 nachgewiesen wurde.

V. SanitätsYerhältnisse der Truppeiikörper.

Ähnliche Daten, wie vorstehend för die Garnisonen, enthalten die Tabellen XII und XIII Über die einzelnen Truppenkörper, und zwar zeigt Tabelle XII die allgemeinen Morbiditäts- und Mortalitätsdaten, Tabelle XIII die durchschnittliche Jahresfrequenz von 20 Krankhcits- formen für 259 Truppenkörper. Außerdem enthält die Tabelle XIV die absoluten Zahlen des natürlichen Abgangs vom aktiven und nicht- aktiven Mannschaftsstaude der Infanterie-, Kaiserjäger-, Kavallerie-, Korpsartillerie- und bosnisch-herzegowinischen Infanterieregimenter im Dezennium 1894—1903.

Nach Tabelle XII schwankte der jährlich durchschnittliche Krankenzugang von 464 6%0 K beim 21. Feldjägerbataillon bis 1368*0%0 K beim 13. Korpsartillerieregimente. Au das 21. Feld- jägerbataillon schließen sich in aufsteigender Reihenfolge an: da» 13. Ulanenregiment mit 4727, das 3. ülanenregiment mit 4957, das 10. Dragonerregiraent mit 496 5 und das 14. Dragonerregiment mit 498 6%o K- ^ann folgen 11 Truppenkörper mit Zugangszahlen über 500 bis 550%0» «nd zwai": das 67. Infanterieregiment 5125, das 29. Feldjägerbataillon 5127, das 34. Infanterieregiment 5147» das 7. ülanenregiment 527 0. das 13. Husarenregiment 531*6, das 15. Dragonerregiraent 533 6, das 101. Infanterieregiment 540-5, das

6. Ulanenregiment 540-6, das 10. Husarenregiment 541-9, das 57. In- fanterieregiment 545 4 und 72. Infanterieregiment mit 548-8%0 K. Bei 228 Truppenkörpern bewegt sich der Krankenzugang zwischen 550 und 1000%0 K. Einen Zugang von mehr als 1000%0 K berichten nachbenarnte Truppenkörper: 8. Korpsartillerieregiment 1000-1, 13. Pionierbataillon 1004 2, 7. Korpsartillerieregiment 1012-3, 8. Divisionsartillerieregiment 1023*8, 15. Pionierbataillon 1043*5,

7. Pionierbataillon 1056-4, 12. Pionierbataillon 1076*5, 97. Infanterie- regiment 1085 6, 38. Divisionsartillerieregiment 1091*7, 22. Infanterie- regiment 10919, 4. Pionierbataillon 1095 4, 14. Pionierbataillon

uigiiizeo Dy "LiOOQle

108

Dr. Myrdac

1133-4, 4. Festungsaitillerieregiment 1140*6, 37. Divisionsartillei ie- regiment 1244-2 und das bereits genannte 13. Korpsartillerieregiment 1368-0%0 K.

Das Verhältnis der Abgaben au Heilaustalten war am niedrigsten beim 21. Feldjägerbataillon mit 136-6%0 K; dann folgen: das 22. Divisionsartillerieregiment mit 197-9, 24. Divisionsartillerie- regiment 201 6. 9. Feldjägerbataillon 203 0, 7. Feldjägerbataillon 210 9, 99. Infanterieregiment 213 3, 2. Ulanenregiment 217-7, 12. Feld jägerbataillon 219-7, 11. Infauterieregimeut 2217, 10. Feldjäger- bataillou mit 223*9%0 K. über 225 bis 475%0 K betrug die Quote der Spitalsabgaben bei 240 Truppenkörpern. Die höchsten Quoten berichten: 4. Festungsartillerieregiment 476'8, 97. Infanterieregi- ment 479-0, 3. Festungsartillerieregiment 479 0, 58. Infanterie- regiment 509*7, 5. Husarenregiment und 33. Divisionsartillerie- regiment 509*8, 24. Feldjägerbataillon 512 3, 5. ülanenregiment 521*6 und 21. Infanterieregiment 531*3%0 K.

Die Mortalität der Mannschaftskopfstärke schwankt von 0*55%0 K beim 2. Feldjägerbataillon bis 10*93%0 beim 4. bosnisch- herzegowinischen Infanterieregimente. Au das Minimum schließen sich weiters an: das 16., 24. und 25. Feldjägerbataillon, das 4. Divisions- artillerieregiment, 2. Festungsartilleriebataillon und 13. Pionier- bataillon mit Mortalitätszittern von 0-77 bis 0*98%0> weiters die Iufanterieregimenter Nr. 19, 28, 32 und 54, das 7. Feldjägerbataillon, 14. Korps- und 11., 13., 40. und 41. Divisionsartillerieregiment mit Mortalitätsziffern vou 1*05 bis l*48°/00 K. Bei 229 Truppen- körpern schwankt die Mortalität von über 1-50 bis 5*00%o K. Zwischen 5' 18 und 5*99%0 K bewegt sich die Mortalität bei folgenden 7 Truppeukörperu: 64. Infanterieregiment, 9. Dragonerregiment, 4. und 5. Ülanenregiment, 15. und 31. Divisionsartillerieregiment und 11. Pionierbataillon. In aufsteigender Linie schließen sich an: 2. bosnisch -herzegowinisches Infanterieregiment mit 6 09, 22. In- fanterieregiment 6*92, 1. bosnisch - herzegowinisches Infanterieregi- ment 7 52, 10. Dragonerregimeut 8 24, 79. Infanterieregiment mit 8*43%0 K; den Schluß bildet das 3. bosnisch-herzegowinische In- fanterieregiment mit der höchsten Mortalität von 10 93%o K.

Der täglich durchschnittlicheK ranken stand betrug beim 21. Feldjägerbataillon 191%o dann Deira Infanterie- regiment 22*8, beim 2. Tiroler Kaiserjägerregimeut 24-0 uud beim 75. Infanterieregiment 24*8%0 K. Über 25%0 bis 27%0 K betrug dieser Krankenstand bei den Infanterieregimente™ Nr. 17, 34, 67, 71, 72 und 81, dann beim 9. und 11. Feldjägerbataillon.

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Statistischer Sanitatsbericht etc.

169

Über 27%0 bis zu 50°/00 K betrug der durchschnittliche Kranken- sland bei 232 Truppenkörpern. Den höchsten durchschnittlichen Krankenstand weisen aufsteigend nach : das 14. Pionierbataillon 50*6, 4. Pionierbataillon 50'8, 22. Infanterieregiment 51*5, 7. Korps- artillerieregiment 51*8, 97. Infanterieregiment 52-3, 13. Pionier- bataillon 53*0, 31. Divisionsartillerieregiment 53*3, 20. Divisions- artilleiieregiment 53 6, 4. bosnisch - herzegowinisches Infanterie- regiment 53*8, 37. Divisionsartillerieregiment 53 9, 9. Dragoner- regiment 54 0, 13. Korpsartillerieregiment 547, 5. Ulanenregiment 54*8, 12. Ulanenregiment 55*4 und 33. Divisionsartillerieregiraent 6<H%o K.

Der Verlust an Diensttagen infolge von Krankheiten war am geringsten beim 21. Feldjägerbataillon mit jährlich durch- schnittlich 7 2 Tagen und beim 99. Infanterieregiment mit 8*3 Tagen. Zwischen 91 und 10*0 Tagen betrug dieser Verlust bei den Infan- terieregimenten) Nr. 3, 17, 34, 67, 71, 72 und 81, dann beim 9. und 11. Feldjägerbataillon und beim 1. Festungsartilleriebataillon. Andererseits erreichte der Verlust an Diensttageu 18*4 bis 19*8 Tage beim 22. und 97. Infanterieregiment, 4. bosn. -herz. Infanterieregiment, 9. Dragonerregiment, 5. Ulanenregiment, 20., 31. und 37. Divisions- artillerieregiment, 4., 13. und 14. Pionierbataillon und betrug schließlich beim 13. Korpsartillerieregiment 20'1, beim 12. Ulanen- regiment 20*3 und beim 33. Divisionsartilleiieregiment 22 0 Tage.

Über das Vorkommen der in Tabelle XIII dargestellten zwanzig Krankheitsformen nach Truppenkörpern sei Folgendes bemerkt.

Ohrspeicheldrüse nentzöndung. Während 17 Truppen- körper keinen Fall dieser Erkrankungsart während des ganzen De- zenniums 1894 1903 nachgewiesen haben, berichten sieben Truppen- körper eine jährlich durchschnittliche Frequenz von 10°/00 K und darüber, und zwar: das 79. Infanterieregiment 10*0, die bosn. -herz. Infanterieregimenter Nr. 4-14 3, Nr. 3-14 6, Nr. 1-18 9. Nr. 2-19'3%0, das 31. Feldjägerbataillon 20'2°/0o nnd 22- Infanterieregiment 33*3%o K. Alle diese Truppenkörper ergänzen sich aus Kroatien, Dalraatien und dem Okkupationsgebiete.

Lungentuberkulose. Erscheint beim 29. Feldjägerbataillon, 11., 34. und 35. Divisionsartilleiieregiment und 3. Festungsartillerie- bataillon mit keinem Falle vertreten, erreicht hingegen beim 9. Feld- jägerbataillon 3*5, beim 9. Divisionsartillerieregiment 3'6, beim 17. Infanterieregiment 4*0, beim 23. Divisionsartillerieregiment 4'2, beim 43. Infanterieregiment 4 4 und beim 3. Divisionsartilleiie- regiment sogar 0*7%o K-

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Dr. Myrdacz.

Tuberkulose sonstiger Organ o. Nicht vertreten beim» 9. Feldjägerbataillon, 20. und 22. Divisionsartillerieregiraent und

5. Festungsartilleripregiment, erreicht diese Krankheit beim 7. Hu- sarenregiment 4*0, beim 13. Feldjägerbataillon, 7. Ulanenregiment und 3. Divisionsartillerieregiment 4*7, beim 15. Divisionsartillerie- regimeut 4 9, beim 26. Divisionsartillerieregiraent 5*3, beim 5. Korps- artillerieregimeut 5*4, beim 2. Feldjägerbataillon 5*8, beim 8. Pionier- bataillon 6 5, beim 15. Pionierbataillon 7 1, beim 4. und 1. bosn.- herz. Infanteriereregiment 7*4 bezw. 8*5%o K-

Venerische und syphilitische Krankheiten. Von. 16*4%0 beim Dragonerregiment Nr. 11 steigt die Frequenz derselben bis zu nachstehenden Ziffern: 3. Festungsartillerieregiment 100*2, 23. Feldjägerbataillon 1013, 13. Korpsartillerieregiraent 103*9, 33, und 35. Divisionsartillerieregiraent 1047 bezw. 106*2, 4. Korps- artillerieregiraent 1069, 12. Pionierbataillon 108*1, 10. Husaren- regiment 1084, 20. und 11. Divisioosartillerieregiment 110 4 bezw. 110 6, 19. Divisionsartillerieregiraent 129 5, 7. Korpsartillerieregiment 132-9, 39. Infanterieregiment 134*8, 21. Divisionsartillerieregiment 141*6, 24. Feldjägerbataillon 153*7%0 K.

Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut. Die niedrigste Frequenzziffer war 7*5%o beim 43. Infanterieregiment und 21. Feldjägerbataillon. Die meisten Fälle sind b >i folgenden 12 Truppen- körpern vorgekommen: 77. Infanterieregiment 60*2, 4. Ulanen- regiment 61*0, 8. Dragonerregiment 64 4, 33. Divisionsaitillerieregi- raeut 65*4, 13. Korpsartillerieregiment 69 8, lt. Pionierbataillon 75*3,

6. Dragonerregiment 76 5, 55. und 15. Infanterieregiment 79*6, be- ziehungsweise 85*7, 32. Divisionsartillerieregiraent 88 4, 30. Feld- jägerbataillon 93 0, 9. Dragonerregiment 104*2°/00 K.

Eitrige Mittelohrentzündung. Die wenigsten Fälle wurden beim 51. Infanterieregiment nachgewiesen mit 0*8°/00 K. Mehr als 100%o berichten 10 Truppenkörper, und zwar: 6'6. In- fanterieregiment und 31. Divisionsartillerieregiraent 10*1, 80. und 15. Infanterieregiment 10*3 resp. 10*7, 1. bosnisch-herzegowinisches In- fanterieregiment 10*8, 30. Divisionsartillerieregiraent 11 -4, 3. bosnisch- herzegowinisches Infanterieregiment 11*7, 30. Infanterieregiment 12*2,.

7. Pionierbataillon 12*4, 33. Divisionsartillerieregiment 12*5%o K.

Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lunge n- entzündung. Am seltensten war diese Krankheitsform beim 102. Infanterieregimente mit 10*6 und heim 22. Feldjägerbataillon mit 10*1 0/o0 K. Die höchsten Zugangsziffern ergaben sich bei fol- genden 12 Truppenkörpern : 97. Infanterieregiment 118*7, 1. und

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

17t

2. bosn.isch-herzegowinisches Infanterieregiment 1 19 5. beziehungs- weise 120 9, 31. und 32. Feldjägerbataillon 123 8, beziehungsweise 124 2, 96. und 22. Infanterieregiment 129-9. beziehungsweise 134*4, 11. und 4. Pionierbataillon 132*8 resp. 134 9, 20. und 2. Feldjäger« bataillon 138-0 bezw. 138*7, 4. bosnisch-herzegowiuisches Infanterie- regiment 140*3%,, K.

Kruppöse L u ngen e ntz ü n d a u g. Das Vorkommen der- selben schwankt von 0*6%0 K bemi 30- Feldjägerbataillon bis über .10-0°/00 bei nachbeuannten 12 Tiuppenkörpern, und zwar: 10. und 90. Infanterieregiment, dann 4. und 14. Husarenregiment 10*1%^ 79. und 85. Infanterieregiment 10*9, 5. Infanterieregiment 11*2, 42. üivisionsartillerieregiment 11*6, 96. Infanterieregiment 11*7, 37. Infanterieregiment 12*4, dann 72. Infanterieregiment 19*4 und 13. Pionierbataillon 25*0%0 K.

Brustfellentzündung schwaukt von 0*8%0 K beim 13. Divisionsartillerieregiment und 4. Pionierbataillon bis 10 0%^ und darüber bei folgenden 6 Truppenkörperu : 5. Ulanenregiment 10*0, 97. Inlanterieregiment 10*3, 2. und 1. bosnisch - herzegowinisches Infanterieregiment 11*7, beziehungsweise 19-7, 22. Infanterieregi- ment 19*9, und 4. bosn.-herzegowinisches Infanterieregiment 27*1%0 K.

Krankheiten der Lymphdrüsen. Miniraalzugang 1* l°/00 K beim 32. Infanterieregiment; Maximalzugang bei folgenden 13 Truppen- körpern: 2. Dragonerregiment 18*1. 16. und 31.Feldjägerhataillou 18*6 resp. 18*8, 12. und 5. Ulanenregimeut 19*0, beziehungsweise 19*3, 9. Dragonerregiment 20*2, 67. Infanterieregiment 20*5, 4. bosnisch- herzegowiuisches Infanterieregiment 20 6, 66. Infanterieregiment 21*3, 21. Divisionsartillerieregiment 21*6, 32. Feldjägerbataillon 22*2, 18. und 16. Divisionsartillerieregiment 23 9 resp. 25*7%o K-

Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches Geringster Zugaug 0,90/0o K beim 7. Husarenregimeut, höchster Zugang bei nachbenaunten 13 Truppenkörpern: 75. Infauterie- regiment 235. 26. Divisionsartillerieregiment 23'6, 9. Korps- artillerieregiment 24*2, 2. Feldjägerbataillon 25*3, 94., 88. und 4. Infanterieregiment 25*5, bezw. 25*7 und 25*8, 11. Infanterie- regiment und 12. Divisionsartillerieregiment 27*6, 24. Divisions- artillerieregiment 27 7, 10. Feldjägerbataillou 29*3, 3. Pionierbataillon 3C*8 und 35. Infanterieregiment 34 8%o K. Fast alle diese Truppen- köiper ergänzen sich aus Böhmen.

Mandelentzündung, Rachenkatarrh. Geringster Zu- gang 5*9%o K beim 16. Husarenregiment, höchster Zugang bei folgenden 11 Truppenkörperu: 21. Feldjägerbataillon 66 0, 88. Infan-

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Dr. Myrdacz.

teriereijiment 66*3, 2. Tiroler Kaiserjägerregiment 66*4, 49. Infan- terieregiment 68*6, 10. Feldjägerbataillon 71*7, 15. Pionierbataillon 75*8, 97. Infanterieregiment 81*5, 2. Feldjägerbataillon 83*2, 1. Tiroler Kaiserjägerregiment 93 4, 14. Infanterieregiment 961 und 13. Korps- artillerieregiment 112'4 %0 K.

Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc. Der Zugaug schwankt von 19&%o K beim 13 Husarenregiraent bis über 1100%o K bei folgenden 9 Truppenkörpern: 15. Pionierbataillon 110"6, 2. Festungsartilleriebataillou 115*1, 11. Infanterieregiment 120 8, 37. Divisionsartillerieregiment 128*5, 87. Infanterieregiment 1419, 14. Pionierbataillon 152*0, 97. Infanterieregiment 156*1, 5. und 4. Festungsarlillerieregiraent 168 0 bezw. 175*2%0 K-

Eingeweide vorlagerung. Minimalzugang 1 l%o beim' 12. Ulanenregiment. Über 7 0%o K betrug der Zugang bei nach- stehenden 11 Truppeiikörpern: 14. Pionierbataillon 71, 24. und

62. Infanterieregiment 7*2, 4. Dragonerregiment 7 5, 64. Infanterie- regiment, 2. Feldjägerbataillon und 4. Pionierbataiilou 7 7, 56. In- fanterieregiment 7*8, 22. Feldjägerbataillon 8 0, 25. und 3. Divisions- artillerieregiment 8 9 resp. 9*1%0 K.

Geleuksrheumatismus. Minimalzugang 3*5%0 K beim 8. Husarenregiment, 2\). Divisionsartillerieregiment und 11. Pionier- bataillon. Höchster Zugang bei folgenden 11 Truppenkörpern: 51. Infanterieregiment 17*5, 1. Tiroler Kaiserjägerregiment 17*6, 4 uud 0. Festungsartillerieregiment 18*1, 7. Infanterieregiment 18*2, 35. Divisionsartillerieregiraent 18*6, 21., 87. uud 14. Infanterie- regiment 19-2 resp. 20*5 und 21'3, 28. Feldjägerbataillon 21% 97. Infanterieregiment 22*l°/00 K.

Muskel rheumatism us. Geringster Zugang 2*9%0 K De'm

14. Husaienregimeut. Über 20 0%o K fctieg der Zugaug bei nach- stehenden 9 Truppenkörpern : 3. Festungsartilleriebataillon 20 1, 10. Feldjägerbataillon 20*4, 51. Infanterieregiment 20 6, 14. Pionier- bataillon 20*7, 87. Infanterieregiment 213, 1. Feldjägerbataillon 22*3,

15. Pionierbataillon 247, 35. und 37. Divisionsartillerieregiment 25*4 resp. 27-4700 K.

Fi iiger wurm. Von 7-5%o K beim 24« Divisionsartillerie- regiment steigt die Frequenz dieser Krankheitsform bis zu den fol- genden höchsten Zugangszahlen bei 13 Truppenkörperu au, und zwar:

63. und 58. Infanterieregiment 30*4, bezw. 30 6, 30. und 33. Divi- sionsartillerieregimeut 30*7 resp. 30*8, 4. Feldjägerbataillon 31*2, 68. Infanterieregiment und 11. Korpsartillerieregiment 31*6, 4. Pio- nierbataillon 31*8, 15. Infanterieregiment 33*1, 31. Divisionsartillerie-

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regiraent 37-0, 95. Infanterieregiment 37 3, 32. Divisionsartillerie- regiment 37 4, 2. Pionierbataillon 45*8%0 K.

Entzündung des Unterhautbindegewebes. Minimal- zugang 8*2°/oo beim 11. Feldjägerbataillon; höchster Zugang bei folgenden 10 Truppenkörpern: 53. und 87. Infanterieregiment 45-4, 11. Pionierbataillon 46 6, 16. und 9. Husarenregiment 47 3, bezw. 47 5, 16. Infanterieregiment 48*3, 2. Ulanenregiment 48*4, 9. Dra- gouenegiment 49 1, 79. Infanterieregiment 50 5 und 11. Dragoner- regiment 55*0°/0o K.

Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax. Diese außerordentlich weitverbreitete Krankheitsform erreicht selbst in ihrem Minimum beim 83. Infanterieregimente die ansehnliche Höhe von 54 2°/oo K und übersteigt bei 13 Truppenkörpern (darunter 5 Pionierbataillonen) 140%o K, und zwar: 13. Korpsartillerieregi- ment 141*3, 8. und 38. Divisionsartillerieregiment 142" 1, bezw. 142*6, 17., 87. und 5. Infanterieregiment 142*9, bezw. 143*5 und 150*5, 7. und 12. Pionierbataillon 154*1. bezw. 158*0, 31. Feldjäger- bataillon 160*1, 37. Divisionsartillerieregiment 160 5, 13., 4. und 14. Pionierbataillon 173*0, bezw. 175*8 und 1781°/^ K.

Wunddruck der Füße, Auf ritt. Während diese Krank- heitsform beim 30. Iufanterieregimeute nur mit 2 9°/oo K vertreten ist, übersteigt deren Zugang bei 13 Truppenkörpern die Ziffer von 50°/oo K, und zwar: 11. Divisionsartillerieregiment 50*3, 5. Korps- artillerieregiment 52*4, 6. Dragonerregiment 56*5, 12. Divisions- artillerieregiment 60*0, 4. Korpsartillerieregiment 62*5, 41. Divisions- artillerieregiment 62*9, 14. und 7. Pionierbataillon 70*2, resp. 71*2, 37., 38. und 20. Divisionsartillerieregiment 71*7, resp. 72 0 und 72*1, 7. und 13. Korpsartillerieregiment 72*6. bezw. 96*3%0 K. Unter diesen 13 Truppenkörpern ist auffallenderweise die Feldartillerie mit 10 Trnppenkörpern vertreten.

Mit Benützung der vorstehenden Angaben seien im nach- stehenden jene Truppenkörper angeführt, bei welchen eine oder mehrere der obbenannten 20 Krankheitsformen häufiger als bei allen übrigen oder den meisteu übrigen Truppenkörpern nachge- wiesen wurden.

4. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches.

5. Infanterieregiment: Kruppöse Lungenentzündung ; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

7. Infanterieregiment: Gelenksrheumatismus. 11. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh.

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Dr. Myrdacz.

14. Infanterieregiment: Mandelentzündung, Rachenkitarrh ; Gelenkrheumatismus.

15. Infanterieregiment: Bindebautkatairh, Herpes der Binde- haut; eitrige Mittelohrentzündung : Fiugerwurro

IG. Infanterieregiment : Kruppöse Lungenentzündung; Ent- zündung des Unterhautbindegewebes.

17. Infanterieregiment: Lungentuberkulose; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

21. Infanterieregiment: Gelenksrheumatismus.

22. Infanterieregiment: Obrspeicheldrüseuentzünduug; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung ; kruppöse Lungen- entzündung ; Brustfellentzündung.

24. Infanterieregiment: Eingeweidevoilageruug. 30. Infanterieregiment: Eitrige Mittelohrentzündung. 32. Iufanterieregimeut: Venerische und syphilitische Krank- heiten.

35. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne uud des Zahn- fleisches.

37. Infanterieregiment: Kruppöse Lungenentzündung. 43. Infanterieregiment: Lungentuberkulose. 49. Infanterieregiment: Mandelentzündung, Rachenkatarrh. 51. Infanterieregiment: Gelenksrheumatismus; Muskelrheuma- tismus.

53. Infanterieregiment : Entzündung des Unterhautbindegewebes.

55. Infanterieregiment: Biudehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

56. Infanterieregiment : Eingeweidevorlagerung. 58. Infanterieregiment: Fingerwurm.

C2. Infanterieregiment: Eingeweidevorlagerung.

63. Infanterieregiment: Eitrige Mittelohrentzündung; Finger- wurm.

64. Infanterieregiment: Eingeweidevorlagerung.

06. und 67. Infanterieregiment: Krankheiten der Lymphdrüsen. 68. Infanterieregiment: Fingerwurm.

75. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches.

77. Infanterieregiment: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

79. Infanterieregiment: ObrspeicheldrüsenentzQndung; kruppöse Lungenentzündung; Entzündung des Unterhautbindegewebes.

80. Infanterieregiment: Eitrige Mittelohrentzündung. 85. Infanterieregiment: Kruppö;>e Lungenentzündung.

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Statistischer Sanitätsbericht eto.

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87. Infanterieregiment: Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.; Gelenksrheumatisraus; Muskelrheumatisraus ; Entzündung des Unter- hautbindegewebes ; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

88. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches; Mandelentzündung, Rachenkatarrh.

90. Infanterieregiment: Kruppöse Lungenentzündung.

94. Infanterieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches.

95. Infanterieregiment: Fingerwurm.

96. Infanterieregiment: Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; kruppöse Lungenentzündung.

97. Infanterieregiment: Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Brustfellentzündung; Mandelentzündung, Rachen- katarrh ; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh ; Gelenksrheumatismus.

1. Bosnisch-herzegowinisches Infanterieregiment: Ohrspeichel- drüsenentzfindung ; Tuberkulose sonstiger Organe; eitrige Mittelohr- entzündung; akuter Bronchialkatarrb, katarrhalische Lungenentzün- dung; Brustfellentzündung.

2. Bosnisch-herzegowinisches Infanterieregiment: Ohrspeichel- drüsenentzündung; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungen- entzündung ; Brustfellentzündung.

3. Bosnisch-lierzegowiuisches Infanterieregiment: Ohrspeichel- drüsenentzündung; eitrige Mittelohrentzündung.

4. Bosnisch-herzegowinisches Infanterieregiment : Ohrspeichel- drüsenentzOndung; Tuberkulose sonstiger Organe ; akuter Brouchiul- katarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Brustfellentzündung; Krankheiten der Lymphdrüsen.

1. Tiroler Kaiserjägerregiment: Mandelentzündung, Rachen- katarrh ; Gelenksrheumatismus.

2. Tiroler Kaiserjägerregiment: Mandelentzündung, Rachen- katairh.

1. Feldjägerbataillon: Muskelrheumatismus.

2. Feldjägerbataillon : Tuberkulose sonstiger Organe; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Kraukheiten der Zähne und des Zahnfleisches; Mandelentzündung, Rachenkatarrh; Eingeweidevorlagerung.

4. Feldjägerbataillon: Fingerwurm.

9. Feldjägerbataillon: Lungentuberkulose.

10. Feldjägerbataillon : Kraukheiten der Zähne und des Zahn- fleisches; Mandelentzündung, Rachenkatarrh; Muskelrheumatisraus.

13. Feldjägerbataillou: Tuberkulose sonstiger Organe.

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Dr. Myrducz.

16. Feldjägerbataillon: Krankheiten der Lymphdrüsen.

20. Feldjägerbataillon: Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung.

21. Feldjägerbataillon: Mandelentzönduug, Rachenkatarrh.

22. Feldjägerbataillon: Eingeweidevorlagerung.

23. und 24. Feldjägerbataillon: Venerische und syphilitische Krankheiten.

28. Feldjägerbataillon : Gelenksrheumatismus.

30. Feldjägerbataillon: Bindehauthautkatarrh, Herpes der Bindehaut,

31. Feldjägerbataillon : Ohrspeicheldrüsenentzüudung; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Krankheiten der Lymphdrüsen; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrai.

32. Feldjägerbataillon : Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Krankheiten der Lymphdrüsen.

2. Dragonerregiment: Krankheiten der Lymphdrüsen. 4. Dragonerregiment: Eingeweidevorlagerung.

6. und 8. Dragonerregiment: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

9. Dragonerregiment: Bindehautkatarrh, Herpes der Binde- haut; Krankheiten der Lymphdrüsen; Entzündung des Unterhaut- bindegewebes.

11. Dragonerregiment: Entzündung des Unterhautbindegewebes. 4. und 14. Husarenregiment : Kruppöse Lungenentzündung.

7. Husarenregiraent: Tuberkulose sonstiger Organe.

9. Husarenregiment: Entzündung des Unterhautbindegewebes.

1 0. Husarenregiment : Venerische und syphilitische Krankheiten. 1. Ulanenregiment: Entzündung des Unterhautbindegewebes.

4. Ulanenregiment: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut.

5. Ulanenregiment: Brustfellentzündung; Krankheiten der Lymphdrüsen.

7. ülanenregiment: Tuberkulose sonstiger Organe.

12. Ülanenregiment: Krankheiten der Lymphdrüsen.

4. und 7. Korpsartillerieregiment : Venerische und syphilitische Krankheiten; Wunddruck der Füße, Aufritt.

5. Korpsartillerieregiment : Tuberkulose sonstiger Organe; Wunddruck der Füße, Aufritt.

9. Korpsartillerieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches.

11. Korpsartillerieregiment: Fingerwurm.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

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13. Korpsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krank- keiten; Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; Mandelentzündung, Rachenkatarrh ; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Aufritt.

3. Divisionsartillerieregiment: Lungentuberkulose; Tuberkulose sonstiger Organe; Eingeweidevorlagerung.

8. Divisionsartillerieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

9. Divisionsartillerieregiment: Lungentuberkulose.

11. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten; Wunddruck der Füße, Aufritt.

12. Divisionsartillerieregiment: Wunddruck der Füße, Aufritt.

15. Divisionsartillerieregiment: Tuberkulose sonstiger Organe.

16. und 18. Divisionsartillerieregiment: Krankheiten der Lymphdrüsen.

19. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten.

20. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten; Wunddruck der Füße, Aufritt.

21. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten; Krankheiten der Lymphdrüsen.

22. und 24. Divisionsartillerieregiment: Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches.

23. Divisionsartillerieregiment: Lungentuberkulose.

25. Divisionsartillerieregiment: Kingeweidevorlagerung.

26. Divisionsartillerieregiment: Tuberkulose sonstiger Organe; Krankheiten der Zähne und des Zahnfleisches.

30. Divisionsartillerieregiment: Eitrige Mittelohrentzündung; Fingerwurm.

31. Divisionsartillerieregiment: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; eitrige Mittelohrentzündung ; Fingerwurm.

32. Divisionsartillerieregiment: Fingerwurm.

83. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten; Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut; eitrige Mittel- ohrentzündung; Fingerwurm.

35. Divisionsartillerieregiment: Venerische und syphilitische Krankheiten; Gelenksrheumatismus; Muskelrheumatismus.

37. Divisionsartillerieregiment: Magenkatarrh, akuter Darm- katarrh etc.; Muskelrheumatisraus; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Aufritt.

Organ der MI!itiirwls«en*cbafUlclien Vereine. LXX1II. Bd. 1906. 12

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Dr. Myrdacz.

38. Divisionsartillerieregiment: Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Aufritt.

41. Divisiousartillerieregiment: Wunddruck der Füße, Aufritt.

42. Divisionsartillerieregiment: Kruppöse Lungenentzündung.

3. Festuugsartillerieregiment : Venerische und syphilische Krank- heiten.

4. Festungsartillerieregiment: Magenkatarrh, akuter Darm- katarrh etc. ; Gelenksrheumatismus.

5. Festuugsartillerieregiment: Magenkatarrh, akuter Darm- katarrh etc.

6. Festungsartillerieregiment : Gelenksrheumatismus.

2. Festuugsartilleriebataillon : Magenkatarrh, akuter Darm- katarrh etc.

3. Festungsartilleriebataillon : Muskelrheumatismus.

2. Pionierbataillon: Fingerwurm.

3. Pionierbataillon: Krankheiten der Zähne und des Zahn- fleisches.

4. Pionierbataillon: Akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Eingeweidevorlagerung; Fingerwurm; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

7. Pionierbataillon: Eitrige Mittelohrentzündung; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Aufritt.

8. Pionierbataillon : Tuberkulose sonstiger Organe.

11. Pionierbataillon: Bindehautkatarrh, Herpes der Bindehaut ; akuter Bronchialkatarrh, katarrhalische Lungenentzündung; Ent- zündung des Unterhautbindegewebes.

12. Pionierbataillon: Veuerische und syphilitische Krankheiten; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

13. Pionierbataillon: Kruppöse Lungenentzündung; Abszesse, Geschwüre, Furunkel, Anthrax.

14. Pionierbataillon: Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.; Eingeweidevorlageruug; Muskelrheumatismus; Abszesse, Geschwüre» Furunkel, Anthrax; Wunddruck der Füße, Auttritt.

15. Pionierbataillon: Tuberkulose sonstiger Organe; Mandel- entzündung, Rachenkatarrh ; Magenkatarrh, akuter Darmkatarrh etc.; Muskelrheumatismus.

Was die Tabelle XIV über den natürlichen Abgang anbelangt, so fehlen uns leider die Daten über den Präsenz-, den nichtaktiven und den Grundbuchstand der einzelnen Truppenkörper

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Statistischer Sanitiitsbericht etc.

179

«und sind wir demuach außer Stande, eine auf °/00-Zahlen gegründete "vergleichende Betrachtung dieses Abganges durchzuführen. Wir müssen uns vielmehr damit begnügen, die auffälligsten Erscheinungen, •welche sich aus den absoluten Zahlen ergeben, hier anzuführen.

a) Infanterieregimenter, bosnisch - herzegowiniscbe Infanterie- Regimenter, Tiroler Kaiserjägerregimenter.

Mehr als 1000 Beurlaubungen im Laufe des Dezenniums J 894— 1903 sind vorgekommen bei den Infanterieregimenteru Nr. 9, 22, 77, 87, bei den Tiroler Kaiserjägerregimentern Nr. 2 und 3 «und bei den bosn.-herzegowinischen Infanterieregimentern Nr. 1, 2 4ind 4.

Mehr als 1000 Entlassungen aus dem Präsenzstande wurden verfügt bei den Infanterieregimentern Nr. 22, 56, 73, 88 •und bei den Tiroler Kaiserjägerregimentern Nr. 1 und 4.

Mehr als 100 Todesfälle sind im Präsenzs tande vor- gekommen bei den Infanterieregimentern Nr. 22, 64, 79 und bei den bosnisch-herzegowinischen Infanterieregimentern Nr. 1, 2 und 4.

Mehr als 1000 Entlassungen aus dem nichtaktiven •Stande wurden ausgewiesen bei den Infanterieregimeutern Nr. 4, 7, 14, 15, 24, 55, 59, 65, 75, 89, 91 und 102.

Mehr als 500 Todesfälle im nichtaktiven Stande Berichten die Infanterieregimenter Nr. 3, 17, 79 und das bosnisch- lierzegowinische Infanterieregiment Nr. 2.

Im Grundbuchstande ergaben sich demnach mehr als 2000 Entlassungen bei den Infanterieregimentern Nr. 4, 7, 14, 59, 73, 88 und 91; mehr als 600 Todesfälle bei den Infanterie- Regimentern Nr. 22, 79 und beim bosnisch-herzegowinischen Infanterie- regimente Nr. 2.

Über 2500 betrug der Gesamtabgang durch Entlassung -und Tod bei den Iufanterieregimentern Nr. 4, 7, 14, 59 und 91.

b) Kavallerieregimenter.

Mehr als 500 Beurlaubungen werden berichtet beim 'Dragonerregiment Nr. 3, Husarenregiment Nr. 15 und ülanenregi- ment Nr. 11.

Mehr als 500 Entlassungen aus dem Präsenzstande wurden verfügt beim 3., 4, und 12. Dragonerregiment, 2., 4., 7. «und 26. Husarenregiment und beim 8. Ulanenregiment.

Mehr als 60 Todesfälle im Präsenzstande kamen vor beim 3. und 10. Dragonerregiment, 4., 5., 11. und 13. Ulanen- ö-egiment.

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Dr. Myrdacz.

Mehr als 150 Entlassungen aus dem nichtakti ve» Stande berichten das 12. und 14. Husarenregiment und das 12. Ulanenregiment.

Mehr als 80 Todesfälle im nichtaktiven Stande sind vorgekommen beim 11. und 12. Dragonerregiment 1„ 3M 6., 7., 12.» 15. und 16. Husareuregiment, beim 1. und 7. Ulanenregiment.

Im Grundbuchstande überstieg demnach die Zahl der Entlassungen die Ziffer 650 bei den Dragonerregimentern Nr. 3, 4, beim Husarenregiment Nr. 4 und beim Ulanenregiment Nr. 8; mehr als 140 Todesfälle ergaben sich bei den Dragonerregimentern- Nr. 10 und 12 und bei den Husarenregimentern Nr. 7 und 15; der Gesamtabgang durch Entlassung und Tod betrug mehr als 750 bei den Dragonerregimentern Nr. 3 und 4, bei den Husarenregimentera Nr. 4 und 16 und bei den Ulanenregimentern Nr. 8 und 12.

c) Korpsartillerieregimenter.

Mehr als 400 Beurlaubungen und mehr als 400 Entlassungen aus dem Präsenzstande berichten die Korpsartillerieregimenter Nr. 1 und 2 ; mehr als 35 Todesfälle im Präsenzstande sind bei den Korps- artillerieregimentern Nr. 1, 10 und 11 vorgekommen. Mehr als- 100 Entlassungen aus dem nichtaktiven Stande berichten die Korps- artillerieregiraenter Nr. 1, 6 und 11, mehr als 100 Todesfälle die- Korpsartillerieregimenter Nr. 1, 2, 7 und 10. Im Grundbuchstande ergaben sich mehr als 500 Entlassungen bei den Korpsartillerie- regimentern Nr. 1, 2 und 11, mehr als 140 Todesfälle bei den» Regimentern Nr. 1, 7 und 11, endlich ein Gesamtabgang von mehr als 600 bei den Regimentern Nr. 1, 2 und 11.

Die vorangeföhrten Daten Ober die Sanitätsverhältnisse der Truppenkörper, insbesondere jene über hohe Frequenzziffern der Krankheitsformen geben den Truppenchefärzten Fingerzeige, nach welcher Richtung vorzugsweise in Hinkunft vorbeugende Maßnahmen ins Auge zu fassen seiu werdeu.

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Tabelle DI.

Krankenbewegnng bei der Mannschaft des k. nnd k. Heeres

in den Jahren 1894—1903.

a) Kraiikenzugang in p/o0 K nach Monaten.

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2. 3. 4.

6. 7.

10

Krakau Wien Graz ... Budapest Pozsony Kassa .... Temesvar

8. Prag

9. Josefstadt Przemysl

1 1 . Lemberg *

12. Nagyszeben

13. Agram

14. Innsbruck

15. Sarajevo Militärkomm. Zara

f Infanterie

Jagertruppe Kavallerie Feldartillorie Festungsartillerie gi Techn. Artillerie Pioniertruppe Eisenb.- u. Tel. -Heg Traintruppe Sanitätstruppe Heeresanstalten Bosn.-herz. Infant Gesamtdurchschnitt

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68-7

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610

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61-5

556

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456

613

53-9

54-8

47-8

47-2

47-8

498

462

75.8

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73-2

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636

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470

73-1 j 62-6 64-5

57-5

5.V1

54-1

56-3

46-4

öS

1. Krakau .

2. Wien ....

3. Graz ....

4. Budapest

5. Pozsony

6. Kassa ...

7. Temesvar

8. Prag ...

9. Josefstadt

10. Przemysl

11. Lemberg

12. Nagyszeben

13. Agram >

14. Innsbruck

15. Sarajevo Militärkomm. Zara

Infanterie Jäger truppe Kavallerie Feldartillerie F e stu n gsarti 1 1 eri e Techn. Artillerie Pioniertruppe Eisenb.- u.Tel.-Reg Traintruppe Sanitätstruppe Heeresanstalten Bosn.-herz. Infant. Gesamtdurchschnitt

b) Durchschnittlicher täglicher Krankenstand in

4M1 42-01 411! 37-8 36-6| 32-9 38-9 41-2 40 4 34-7 83-6; 33 5

34- 8 31-0 45-4 36-3

35- 4 353 39-3 42-8 50-4

64- 7 630

70- 7,

76- 7

65- 5 58-5i

71- 7 691 62-2

62- 3

63- 6

77- 7; 70-6: 67-6 54-6

66-2 Ii-

36-8

87-5

40-6

45-61

53-6

360!

53-9

400!

39-8

35-4

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35-9

39-4

65-7

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59-9

82-3

771

36-8

880

58-9

68-5

76-<

43-2

64- 5

65- 9

59- 6 56-7 Öl -9 55-7 71-9 61-6

63- 8

60- 3 66-6

71- 2 60-9 60-8

64- 4 70-3 75-8 69-6, 58- 1

72- 9

69-1

59- 3 f>7-2 58-1 61-2

60- 7

55- 4

56- 4 67-2

67- 2

68- 2 68-5 60-0 72-3

62-4 62 1 68-6, 64-2 61-5' 55-6 83-2 68-5 72 6 63-0 37-8 35-3 89 «! b8-9 62 0' 47-9 66-8 56-3 59-8 48-5 45-3 48-4 68-2i 67-9 64-5 60-9

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c

3

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46 0 44-5! 37-4 39-6 36-2 35 4 49-5 49-6! 46-1 41-4; 36 1 39-5

41-8 40-9 33-5 32-8 36-6 41 0 38-4 32-4 32-7 31 3

40- 8

41- 4

48-8 49-71 46-1 87 5 34-5 38 2

87-8 39-41 40 0 84 0 32-8 32 3

39- 4 42-2! 41-5 34-7 35 8 34 9

40- 7 42 0 41-2 36 2 34*7' 33 4 50-2 51-9 49-8i43-7j 41-5 43 6|

48- 21 48-8 45-0 86-9 33-8 33-5

49- 81 50-8 46-6 40 3; 34 8 39-0 41-7 40-6 33-81 33-1 34-9

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45- 6 43-9 47-5 45-2

40-2

411

22-3 26-4 26-5 47-3 50-6 48-0 31-8 38-3 33-21 40-4J 43-9 42 1 j 36-5i 38-9 88 1 38-9 39-9 38-1 51-51 56-8 60-3 43-3 44-4 42-6

36-5 40-6

35-1

34- 8 40-8 400

35- 3 23-8 42-3 29-8 38-6 87-8 35-8 52-8 37 0

35-2 81-8 3b-9 38-7

32- 2

33- 6 41 5 3*1-6 88-7 28-7 38-6 28-8 36-5

33- 5

34- 8 48-2

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34- 8 4o-5 401

34- 7 24-1, 44-5! 33 01 331 88-2 350 38-5!

35- 3

o 33-2

31- 2

36- 2 391

32- 2

37- 5 321 34 5

33- 5 43-3 32-7 37-3

32- 2 85-6 41-61

33- 7 331

36- 9

37- 5

33- 7 25-3 41-5 85-2 35-6 83-3 83-0 431

34- 8

K nach Monaten.

27-fi' 27-9

26- 2 26-2 29-8 29-2 33-9: 32-2 25 1 24-4 24-3 21-9 804 32-3

24- 9 24-4

25- 8, '^6-5:

25- 9 25-ö! 33 0l 32-6

27- 4| 26-4 32-7 31-2

26- 4 [ 25-4 32-3; 27-8 40-8! 37 0

26- 5 25-7

30- 7

32- 8

33- 8 251 35-4 29-9 32-5

27- 8

31- 8 88-9

28- 5

25-8I

24- 5) 30-8,

30- 9 b21 211 35-7

31- 5

25- 5 23-4 33-9 27-8

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29- 1

30- 3 27-9

25- 6

33- 0

23- 7

24- 4

26- 4 321

31- 7 3 -0 23-7

27- 9 341

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25- 6

32- 9

34- 3

31- 7 19-9

35- 9 25-9

32- 3

28- 3 31-6 28-8 28-5

35-9

34- 2 38-5 43-9

35- 9

34- 6 42-9 32-8 31-9

35- 4 420

40- 4 41 7 330 35-7

41- 7

35-3 34-8 411 46-1

39-4

37- 2 43-6 491

39- 4

40- 7 49-4 3«i-l

38- 1

39- 9 49-5 46-2

45- 8

38- 6

39- 5

46- 1

42-8 38-7 42- 1 45-5

37-9' 89-2 20-8' 20-2 46-5< 44-6 33-2: 31-7 42-0' 38-1 33-5 33-3 33-5! 33-6

41-2 37-2

491 41-9

Tabelle IV.

Die eingerückte Ergänzung und die we^en Gebrechen A.ns geschiedenen

in den Jahren 1894—1903.

Ein- Frei-

Rekruten

r? awa rva .

minner

Ersatz- re*er-

visien

Summe j

willige

In den Jahren 1894 bis 1903 sind im

52 805

1 044 855

2 433 187

964 067

4 494 914

Hievon wurden wegen Gebrechen aus-

5.672

77.428

31.764

32.383

147.247

:

Entsprechend 0 09 der Eingerückten

107-4

i

74- 1

130

33-6

32-7

i

Körperschwiiche, Blutarmut

' 1.137

16.187

1.376

4.367

23.017 !

Eingeweidevorlagerung .... Folgezustäude nach Beschädi-

324

7.332

6.788

5.285

19.679

128

3.282

3.077

2.121

8.608

Eiterige Mittelohrentzündung

133

5.63 1

662

1.502

7.928

Chronischer Bronchialkatarrh,

477

3.199

1.808

1.657

7.141

c

3

nüt*nL'l<lnnAnidMlai*

394

2.252

1.249

1.504

5.399

Erwniterung der Blutadern

159

1.728

2.278

1.188

5.353

2 e

Herabsetzung der Sehschärfe

353

8.838

296

687

5.119

-C u

ü

00 J3

Kurzsichtigkeit

474

2.556

167

720

3.917

73

1.502

999

1.067

8.641

<

Durchlöcherung d. Trommelfelles

65

2.6 1 5

314

638

3.632

CD U ■•->

Trachom und Augenblennorrhöe

30

1.749

1.U28

792

3.599

0> ~

Mißbildungen etc. an den Glied-

i

ß s

105

1.900

745

834

8.584

Narben, Trübungen etc. derHom-

1

o

58

1.772

412

614

2.856

Lungentuberkulose ......

119

623

1.116

881

2.739

108

1.150

178

511

1.947

Tuberkulose sonstiger Organe

39

473

699

477

1.688

Herabsetzung der Hörschürfe

58

I.Q99

168

AMT

287

1 R 1 O

"Wasserbruch, Blutbrucb des

Hodens etc. ...

47

<48

41<

860

Mißbildungen etc. am Skelette

des Kopfes und Stammes

9<5

1/8

308

1.Ö02

Körperschwäche, Blutarmut

200-4

208-4

43-2

184-9

:

156-3

Eingeweidevorlagerung ... Folgezustände nach Beschädi-

571

94-7

2121

163-2 !

133-6

®

22-5

42-4

96-9

65-5

58-4

i oo

Eiterige Mittelohrentzündung

23-4

72-7

20-8

46-4

53-8

eS

Chronischer Bronchialkatarrh,

d

84-0

41-3

56-9

511

48-5

69-4

29 l

39-3

46-4

36-6

1 5 *C

Erweiterung der Blutadern -

28-0

22-3

71-7

36-7

86-3

S ° 2 sc

Herabsetzung der Sehschärfe

62-5!

49-5

9-3

19-6

84-7

, 03 *j

83-5

330

5-2

22-2

26-6

73 *

12-8

19-4

81-4

32-9

24-7 ,

w

Durchlöcherung d. Trommelfelles

11-4

38-7

9-9

19-7

24-6

a i »- a>

-o c

Trachom und Augenblennorrhöe

5-3

22-6

32-3

24-4

244 !

Mißbildungen etc. an den Glied- 1

18-5

24-5

23-4

25-7

248

Narben, Trübungen etc. der Horn-

ll

10-2

22-9

12-9

18-9 1

19-4

a>

20-9

8-0 !

351

27-2

18-6

ja

Plattfuß

190

14-8

5-6

15-8

13*8

£

Tuberkulose sonstiger Organe

6-9

61

220

14-7

11-4

f 1

Herabsetzung der Hörschärfe

10-2

14-2

5-3

8-8

10-9

Wasserbruch, Blutbruch des

10-7

8-3

9-6

131

III

Mißbildungen etc. am Skelette des Kopfes und Stammes

12-5

12-7

5-6

9-5

10-4

I

Der natürliche Absrai

Absolute Zahl der Fälle im Jahre

1891 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1908

Jahresdurchschnitt in %

Nach Waffen- gattungen betrug dieser Abgang in H/00 des betreffenden Standes

Unter den Abgegangenen befanden sich

Von den Ursachen des natürlichen Abgangs entfallen auf

Inf au t Jagert Kavall Feldar Festui Techn Pionie Eisen! Traint Sanitä Heere Bosni

Einjäh 1 Im Bei

. 1.

* 2.

3. Früher

Darmtyf Malaria Lungen Tuberk Trachoi Veneris Körpen Fallsuc Geistes Narben Herabsff Kurzsic) Eitrige ] Durchlö Akuter Chronis( Kruppöi Brustfei Herzkla Kropf u Erweitei Krankhe Magenk Eingew Gelenks Körperli

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185

Tabelle VI.

Die absichtlichen Selbstbeschädignngen, dann Vei nnglücknngen mit tötlichem Ausgange bei der Hannschaft des k. n. k. Heeres

in den Jahren 1894—1903.

Selbsibesohädigungen und zwar

VerungKickungen mit tntlichem Ausgange I

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E S

9

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1

Absolute Zabl der nachgewiesenen Fälle im Jahre

1894 II

1895

1896

1897

1898

1899

1900;

1901)

1902 !

1903 |

288

247

314

334 |

344

295

313

318

349

299

99 !

82

98

70

73

65

62

4y

54

60 |

37 27 18 22 31 ;

10 1

12 12 11

5

424 1

356

395

426

448

0"7A

oYÜ 387 37«) 414 3ö4

69

79 95 97 95 77 88 82 83 90

Summe | «101 |

677

185 |

3968

865

Entsprechend °/ü0 K im Jahre

1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1

103 086 1-08 113 116

0- 99

1- 05 107 117 102

0-35

0-27

0-22

023 1

0-25

0-22

0-21

017

0-18

0-2 1

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Technische Artillerie

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Von den Selbst- im Berichtsjahre beschädigern bezw. * 1. Vorjahre Verunglückten waren |* »

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48 306 275 185

41

Von den Selbst- beschädii>ungen resp. Verungiückungen erfolgten durch

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Schnitt, Hieb, Stich Sturz und Fall ....

Überfahren

Sturz vom und mit dem

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31 53 31

Zahl der Fälle, in welchen eine Ursache der Selbstbescbädigungen angegeben wurde

j 1 766

508

158

2432

Davon entfielen auf

Unlust zum Dienen

Zerrüttete Familienverhältnisse

Schulden, Veruntreuung etc. Kränkung, Mißhandlung .... Geistesstörung, Heimweh

561 366 174

232 92 69

157

149 116 85 46 12 86 31

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716 626 209 278 104 162 189

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Statistischer Sauitätsbericht etc.

187

Tabelle VII.

Die Heilanstalten des k. u. k. Heeres. *) Durchschnittlicher Krankenstand. Abgang uiul durchschnittliche Behand-

lungsdauer in deu Jahren 1894 1 903.

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Tabelle VIII.

Tabelle IX.

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Krätze

Quetschung, Quetsc Stich-, Schnitt- und Knochenbrüche Verstauchungen

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51

Statistischer Sanitätsbericht etc.

189

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Marinespital in Pola

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9.198

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6-5

192-6

22-6

Digitized by Google

190 Dr. Myrdacz.

Tabelle X.

Krankenbeweguug bei der Mannschaft des k. und k. Heeres

in den Jahren 1894—1903.

Jahresdurchschnitte für 207 Garnisonsorte.

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Konjica

267

764-3

230- 1

292

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18-4

Korneuburg

1.435

683-6

231-4

119

31-2

11-4

Kö'szeg

426

669-2

183-6

202

25-2

9-8

Krakau

10.529

6780

851-2

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13-6

Krems

1.571

771-7

304-7

195

35-7

131

Kremsier

487

702-4

373-2

208

26-5

9-8

Kuttenberg

808

613-2

268-2

2 71

30- 1

110

Laibach

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199

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Dr. Myrdacz.

Tabelle XII.

Kranke nbewegung bei der Mannschaft des k. und k. Heeres

in den Jahren 1894—1903.

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

201

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Divisionsartillerie-

4 •

360

745-0

242-8

0-85

34-5

12-6

regiment Nr.

5

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Statistischer Sanitätsbericht etc.

205

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Pionierbataillon Nr.

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214

Dr. Myrdac«.

Der natürliche Abgang

bei der Mannschaft der Infanterieregimente^ der Tiroler Kaiser- jägerregimenter, der Kavallerieregimenter, der Korpsartillerieregi- menter und der bosnisch - herzegowinischen Infanterieregimenter in den Jahren 1894—1903. Absolute Zahlen.

Trnppenkörper

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Im nichtaktiv. Stande

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216

Dr. Myrdacz.

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regiment Nr.

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65

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294

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291

113

404

Statistischer Sanitatsberioht etc.

217

Im nichtaktiv.

Im Präsenzstande

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Im Grundbuchstande

Truppenkörper

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Ent- lassungen

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regiment Nr.

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74

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407

Bosn.-herzeg. Infanterie- regiment Nr.

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566

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197

210

305

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502

1286

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218

Dr. Myrdacz.

Inhalt.

Einleitung 125«

I. Sanitätsverhültnisse nach Korps und Waffengattungen .... 126-

a) Krankenzugang 126

b) Zeitliche Verteilung der Erkrankungen 128

c) Krankentage und taglicher Krankenstand 129

d) Abgang vom Krankenstande 130 *

e) Die physische Beschaffenheit der Ergänzung 132

f) Der natürliche Abgang aus dem Präsenz-, dem nichtaktiven und dem Grundbuchstande 133

Anhang. Selbstbeschädigungen und Verunglückungen mit tödlichem

Ausgange 137

II. Krankenbewegung in den Heilanstalten 139

III. Die behandelten Krankheiten 143

a) Allgemeines über die Krankheitsiörmen 143

bj Die ein/einen Krankheitsformen 147

IV. Sanitätsverhältnisse der Garnisonsorte 160

V. Sanitätsverhültnisse der Truppenkörper 167

Tabellen.

I. Krankenbewegung bei der Mannschaft. Jahresdurchschnitte nach

Korps 181

II. Krankenbewegung bei der Mannschaft. Jahresdurchschnitte nach

Waffengattungen 182

HI. Kranken bewegung bei der Mannschaft:

a) Krankenzugang in " 00 K nach Monaten 183

b) Durchschnittlicher täglicher Krankenstand in %<, K nach Monaten 183

IV. Die eingerückte Ergänzung und die wegen Gebrechen Aus- geschiedenen ................... 184

V. Der natürliche Abgang aus dem Präsenz-, nichtaktiven und Grundbuchstande. Tafel.

VI. Die absichtlichen Selbstbeschädigungen, dann Verunglückungen

mit tödlichem Ausgange 185-

VII. Die Heilanstalten des k. und k. Heeres. Durchschnittlicher Krankenstand. Abgang und durchschnittliche Behandlungsdauer 187 '

VIII. Die Krankheiten der Mannschalt in den Jahren 1894—1908. Tafel . IX. Die Krankheiten der Mannschaft. Jahresdurchschnitte des Zu- gangs in °/00 K nach Korps und Waffengattungen. Tafel.

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Statistischer Sanitätsbericht etc. 219

X. Krankenbewegung bei der Mannschaft. Jahresdurchschnitte für

207 Garnisonsorte 190

XI. Die Krankheiten der Mannschaft. Jahresdurchschnitte des Zu- gangs einiger Krankheitsformen in °/(l0 K für 207 Garnisonsorte 190

XII. Kranken bewegung bei der Mannschaft. Jahresdurchschnitte für

259 Truppenkörper 200

JLIII. Die Krankheiten der Mannschaft. Jahresdurchschnitte des Zu- gangs einiger Krankheitsformen in °/00 K für 259 Truppenkörper 206

XIV. Der natürliche Abgang bei der Mannschaft der Infanterieregi- menter, der Tiroler Kaiserjägerregimenter, der Kavallerieregi- menter, der Korpsartillerieregimenter und der bosnisch - herze- gowinischen Infanterieregimenter 214

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Anschauungen über Küstenbefestigungen

und deren Gefecht.

Von Hauptmann Heinrich Moosbrugger des Festungsartillerieregiments Nr. 4.

Hiezu Tiif<*l »2.

Nachdruck verboten. Alle Rechte vorbehalten.

Zu dieser rein artilleristischen Studie, welche die Verteidi- gung der Seefront von Port-Arthur in Betracht zieht, sei voraus bemerkt, daß der Einfluß der Seeminenverlegung auf die Küsten- verteidigung wegen der unverläßlichen Nachrichten über die Lage der Seeminen linien nicht berücksichtigt erscheint.

Die großen beiderseitigen SchifFsverluste geben den besten Beweis von der furchtbaren Wirkung der Seeminen und es ist diesem Kampfmittel auch zuzuschreiben, daß die Bewegungsfrei- heit beider Flotten beschränkt und daß besonders die japanische Flotte zur größten Vorsicht bei ihren Operationen gegen Port- Arthur gezwungen wurde.

Der Kampf um Port-Arthur hat erneuert bewiesen, daß feste Flottenstützpunkte für den Kampf um die Seeherrschaft, für eine schwächere oder von Unglücksfällen betroffene Marine unbedingt notwendig sind.

Der überraschend lange Widerstand dieses Kriegshafens ist den offensiven Maßnahmen des Verteidigers bei vorzüglicher Ausnützung des für die Verteidigung günstigen Terrains, den tiefgegliederten fortifikatorischen Anlagen und den überaus reich- lichen Kampfmitteln zuzuschreiben.

Der heldenmütigen Verteidigung der Landfronten reiht sich auch würdig jene der Seefront an.

Die Küstenbefestigungen haben die an sie gestellten For- derungen voll erfüllt; sie hielten die japanische Flotte vom Hafen ab, sie ermöglichten zu wiederholten Malen die schwierigen, zeitraubenden Aus- und Einfahrten der russischen Flotte, deren

Orjan der MilltarwLsonichaftliclien Vereine. LXX1II. Bd. 1906. 15

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Moosbrugger.

aktive Teilnahme zur Unterstützung der schwer bedrängten Ost- front, sowie das Gelingen zahlreicher und nutzbringender Blokade- durchbrüche.

Wenn auch während der Belagerung kein eigentlicher An- griff zur See seitens der japanischen Flotte unternommen wurde, so empfiehlt es sich doch auf Grund der bisher bekannt ge- wordenen Ereignisse zur See und der russischen Normen für den Bau und die Armierung von Seefronten jene Verhältnisse und Erscheinungen in Betracht zu ziehen, welche die derzeitigen Anschauungen über die Küstenbefestigungen beeinflussen könnten.

Ein Kriegshafen oder Flottenstützpunkt muß über perma- nente oder provisorische Anlagen verfügen, um den verschiedenen Angriffsarten: dem Bombardement, Angriff zur See, den For- cierungen und Landungen erfolgreich begegnen zu können.

Von den genannten Angriffsarten ist das Bombardement am leichtesten, für die Flotte am ungefährlichsten durchführbar.

Die Kustenbildung von Port-Arthur begünstigte im hohen Maße die Anlage von Befestigungen zur Beherrschung der voll- kommen freien Außenrhede sie begünstigte aber auch das Bombardement gegen den Hafen und die Stadt.

Von großem Einflüsse für die Verteidigungsverhältnisse von Port-Arthur war das südwestlich gelegene Vorgebirge, der „Liaoteschanu. Der Besitz desselben schützte den Westhafen, den linken Flügel der Westfront und machte Landungen in der Taubenbucht unmöglich,

Die überaus hohe Steilküste des Kaps Liaote^cban gestattete aber die gefahrlose Annäherung feindlicher Schiffe an dieselbe und dadurch das Gelingen überraschender Angriffe gegen die Außenrhede und den Hafeneingang.

Um dieser Gefahr zu begegnen, wie auch um die enfilierende Beschießung der Befestigungen auf der Tigerhalbinsel und damit das gleichzeitige Bombardement des Hafens und der Stadt zu verhindern, wurde das Vorgebirge in die Verteidigung von Port- Arthur einbezogen und als selbständige Befestigungsgruppe pro- visorisch befestigt.

Die Küstenbildung des Liaoteschan war für die Anlage von Küstenbatterien nicht günstig ; sie mußten in hoher Lage erbaut werden und zeigten vor der Front große unbestrichene Räume, die von den Werken auf dem Goldenen Berg wegen der großen Distanz (über 10 km) nicht vollkommen beherrscht werden konnten.

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Anschauungen Uber Küstenbefestigungen und deren Gefecht. 223

Die Japaner, mit den Verteidigungsverhältnissen des Platzes wohlvertraut, feuerten indirekt und ohne von den Russen belästigt werden zu können, aus der Tache- und der Taubenbucht, dann knapp unter dem Kap Liaoteschan liegend, mit großem Erfolge in den Hafen und die Stadt. Während dieser Aktionen beschosssen Flottenabteilungen die Ktistenwerke, besonders jene der Tiger- halbinsel und erzielten mit den Weitschüssen ebenfalls günstige Treffresultate.

Die erfolgreichen Bombardements der japanischen Flotte lehren, daß man bei der Anlage von Küstenbefestigungen auch auf die für solche Unternehmungen günstigen Plätze Bedacht nehmen muß, es somit nicht genügt, die Verteidigung gegen direkte Angriffe allein im Auge zu behalten.

Der Hafen von Port-Arthur war mangels einer weit vor- liegenden Abschließung der Außenrhede, wegen der zu hohen Lage vieler Küsteuwerke, dem gänzlichen Fehlen solcher gegen die Taubenbucht und teilweise gegen die Tachebucht, nur durch die offensive Tätigkeit der russischen Flotte vor einem Bombarde- ment zu schützen. Dieser erhoffte Schutz blieb leider aus.

Es unterliegt nunmehr keinem Zweifel, daß die selbständige Befestigungsgruppe am Liaoteschan während der Belagerung aus- gebaut und mit Geschützen versehen und daß derselben für die Verteidigung des Hafens eine große Bedeutung beigelegt wurde.

Die Japaner durchbrachen bald nach der Erstürmung des 203 m-Berges die Verbindung des Liaoteschan mit Port-Arthur und isolierten die Gruppe vom Hafen.

Dieses Schicksal werden wahrscheinlich alle selbständigen Befestigungsgruppen teilen müssen, wenn sie mit Rücksicht auf die wichtigeren Nebengruppen, mit Miniraalbesatzungen dotiert werden müssen.

So schlecht die Kampfverhältnisse von Port-Arthur gegen das Bombardement waren, so günstig waren sie gegen einen Angriff zur See.

Der Hauptzweck der Küstenbefestigungen bestand darin, die russische Flotte, welche im Innenhafen nur beschränkten Raum hatte, auf der Außenrhede zu sichern und ihr einen möglichst großen Formierungsraum zu schaffen.

Hiezu war eine zahlreiche, schwere und weitwirkende Ar- tillerie erforderlich. .

Die russischen Armierungsgrundsätze für Küstenbefestigungen sind auf den Vergleich des summarischen Gefechtswertes jener

15*

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224

Moosbrugger.

cm Geschütze

Schiffe, welche am Kampfe teilnehmen können mit der Küsten- artillerie basiert; es wird angenommen, daß auf einer Kampf- distanz von 3 Werst (3*2 km) die Küstenartillerie gegen die Schiffe 10% Treffer-, die Schiffsartillerie gegen die Werke 4%, gegen die einzelnen Geschützstände 0*5% Treffer erzielen können.

Nachstehendes Beispiel diene zur Erläuterung des oben Gesagten :

Gegen eine Verteidigungsstrecke von einem Werst (1066 m) a b, wirken drei Schlachtschiffe des Typs „Magnificent" Kampf- distaoz 3 Werst.

Gegen a b können von den Schiffen :

12—305 18—15.0 24- 7 6 36— 4 7

ins Feuer gebracht werden, welchen, bei Berücksichtigung der Schußgeschwindigkeiten der einzelnen Geschütze, dann der ge- nannten Trefferprozente

(4%, 0-5% und 10%) ~

2— 254cm Ktistenkanonen, 4—15*2 cm )

3- 57 mm \ Schnellfeuer-Geschütze

entgegengestellt werden müssen, um das Kampfgleichgewicht herzustellen.

Um die absolute Feuerüberlegenheit dem Verteidiger zu sichern, werden der obigen Geschützzahl noch 50%; das sind fünf schwere Mörser beigefügt.

Für die Verteidigungsstrecke von einem Werst resultieren daher 14 Geschütze.

Die eigentliche Seefront von Port- Arthur die Tigerhalb- insel und der Goldene Berg hat eine Länge von ca. 8 Werst nnd sollte daher mit

16— 25'4 cm Küstenkanonen, 32 - 15*2 cm )

24—57 mm \ Schnellfeuergeschützen,

dann mit 40 schweren Mörsern armiert werden.

Beim Kriegsausbruche sollen in der genannten Front, 10 Stück 25*4 cm Küstenkanonen, 24 15 2 cm )

24 57 inm l Schnellfeuergeschütze

und 51 schwere Mörser eingestellt gewesen sein.

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Anschauungen über Küstenbefestigungen und deren Gefecht.

225

Es erscheinen die nach dem Rechnungssatze für ein Werst fehlenden Kanonen, das sind 6 Stück 25*4 cm Küstenkanoncn und 8 Stück 15*2 cm Schnellfeuergeschütze durch Mörser ersetzt.

Werden die russischen Arraierungsgrundsätze einer näheren Betrachtung unterzogen, so zeigt es sich, daß sie von zwei Fak- toren abhängig sind, und zwar:

1. von der Stärke des Gegners,

2. von der Trefferwirkung der Schiffs- und Küstengeschütze. Der Berechnung der Zahl an Verteidigungsgeschützen für

die einzelnen Abschnitte muß die Ermittlung der Zahl der gegnerischen Schiffe, welche in den Kampf eintreten können, vorausgehen.

Wird die voraussichtliche Kampflinie ca. 3 km von der Seefront entfernt angenommen und werden auf ihrer Länge die gegnerischen Schiffe in Kielwasserlinie in Abständen von 200 m eingestellt, so erhält man die Maximalzahl der Schiffe, welche gegen die Seefront den Abschnitt wirken können.

Durch den Vergleich dieser Schiffszahl mit jener, welche der supponierte Gegner voraussichtlich in den Kampf zu bringen vermag, kann die wahrscheinliche Stärke des Gegners festgesetzt werden.

Den russischen Armierungsgrundsätzen ist eine Treffer- wirkung zugrunde gelegt, welche durch praktische Versuche ermittelt wurde.

Wie erwähnt, erzielen Schiffsgeschütze auf die Distanz von 3 Werst gegen Werke 4°/0, gegen die einzelnen Geschützstände 0*5°/0, Küstengeschütze hingegen auf derselben Distanz gegen Schiffe 10% Treffer.

Durch die Einstellung von Geschützen, großen, mittleren und kleinen Kalibers in die Seefronten ist zu erkennen, daß die Absicht vorliegt, der Wirkung der Schiffsgeschütze durch Küsten- geschütze gleichen oder ähnlichen Kalibers zu begegnen.

Flachbahnkanonen großen Kalibers sind für die Fern- haltung der gegnerischen Flotte, für die Bekämpfung der Schlacht- schiffe, Schnellfeuergescbütze mittleren Kalibers für den Kampf gegen Torpedofahrzeuge, zur Abwehr von Torpedoangriffen, Rekognoszierungen und Landungen unbedingt erforderlich.

Die schweren Flachbahngeschütze müssen im Stande sein, K. C. Platten von 250 mm Stärke, wie sie derzeit in Verwendung kommen, noch auf Distanzen von 6000 m zu durchschlagen.

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22G

Moosbrugger.

Bei Schnellfeuergeschützen mittleren Kalibers ist eine so mächtige Geschoßwirkung, wie sie der 15 cm-Kanone eigen ist, nicht erforderlich, da sie nicht zum Kampfe gegen Schlacht- schiffe, sondern gegen rasch fahrende, ungepanzerte Ziele in Verwendung kommen; dagegen ist eine bedeutende Erhöhung der Feuerschnelligkeit bis zu 400 Schuß pro Stunde unbedingt notwendig, welcher Forderung nur durch die Herabsetzung des Kalibers bis zu 10 cm nachzukommen wäre.

Die Ereignisse von Port-Arthur haben ferner gezeigt, daß kleinkalibrige Schnellfeuerkanonen mit 4*7 5'7 cm Kaliber gegen Torpedofahrzeuge fast gar keine Wirkung erzielten; diese Ge- schütze erscheinen daher für die Verteidigung der Seefronten zwecklos und könnten ausgeschieden werden.

Bei einer modernen Armierung würden nur zwei Geschütz- gattungen zu berücksichtigen sein, und zwar:

eine 24 30*5 cm 45—50 Kaliber lange Schnelladekanone und

ein 10 cm-Schnellfeuergeschützmit 400 Schuß Feuerschnellig- keit pro Stunde.

Bei Einstellung dieses Geschützmaterials in die Verteidi- gungsstrecke, welche von den drei Schlachtschiffen des Typs rMagnificentu beschossen wird, ergibt es sich, daß mit einer 24—30*5 cm Schnclladekanone und drei 10 cm - Schnellfeuer- geschützen das Kampfgleichgewicht erzielt werden kann, wenn die kleinkalibrigen Geschoßtreffer unberücksichtigt bleiben, was geschehen kann, da moderne Geschütze unter leichtem Panzer oder hinter Stahlschirmen stehen, die der Bedienungsmannschaft nahezu vollkommenen Schutz gewähren.

Die Trefferprozente der Küstengeschütze gegen die Schiffe erscheinen für eine Distanz von 3*2 km mit 10% zu gering bemessen ; dieser Umstand kommt wohl der Stärke der Armie- rung zugute; auf jeden Fall müßte man die beiderseitigen Treff- resultate einer eingehenden Überprüfung unterziehen, bevor sie als bindend angenommen werden könnten.

Rußland scheint dem Mörserfeuer große Bedeutung beizu- legen, indem es den Flachbahngeschützen 50% schwere Mörser zuweist; dadurch wird nicht allein dem Verteidiger die Feuer- überlegenheit gesichert, sondern er wird auch befähigt, den Kampf auf große Entfernungen mit aller Energie aufzunehmen und durchzuführen.

Die Anwendung der russischen Armierungsgrundsätze für die Ausgestaltung von Seefronten bedingt die Anlage zahlreicher

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Anschauungen Ober Küstenbefestigungen und deren Gefecht.

227

im Terrain zerstreut liegenden Batterien, welche mit schwerer, mittlerer und leichter Artillerie zu armieren sind.

Gruppenbildungen kommen bei der russischen Küstenbefe- stigung nur bei beschrankten Raumverhältnissen vor (Goldener Berg).

Das russische Geschützmatcrial, welches bei der Verteidi- gung in Verwendung kam, muß, wenn auch nicht ganz modern, doch als sehr gut bezeichnet werden.

Das Hauptkampfgeschütz war die 25*4 cm 45 Kaliber lange Küstenkanone mit einem Geschoßgewicht von 225 kg und einer Anfangsgeschwindigkeit von 780 m ; sie vermochte auf ca. 5000 m Stahlplatten von 254 mm Stärke zu durschlagen. Feuerschnellig- keit 12 Schuß pro Stunde.

Die 15*2 cm Schnellfeuerkanone, System Canet, in Mittel- pivotlafetten, weist eine Feuerschnelligkeit von 300 Schuß pro Stunde auf.

Die 57 mm-Schnellfeuerkanone war Einschieß- und Nah- kampfgeschütz.

Als schwere Steilfeuergeschütze kamen 23 cm- und 28 cm- Mörser in Verwendung. Ersterer konnte 1 10 kg schwere Bomben bis 7500 m, letzterer 250 kg schwere Bomben bis 8500 m werfen, aufweichen Distanzen 93 resp. 100 mm horizontalliegende Stahl- platten durchschlagen wurden.

Die Feuerschnelligkeit dieser Geschütze war mit 15 bezw. mit 8 Würfen pro Stunde festgesetzt.

In richtiger Würdigung des Terrains wurden alle hoch- gelegenen Batterien mit Mörsern armiert.

Eine schwere 25'4 cm-Kanonenbatterie zu fünf Geschützen war auf der Tigerhalbinsel, eine zweite ebenfalls mit fünf Ge- schützen auf der elektrischen Klippe erbaut.

Dieselbe beherrschte, knapp über dem Meeresspiegel liegend, die ganze Außenrhede und bildete aus dieser Ursache stets das Hauptangriffsobjekt der japanischen Flotte.

Nach den japanischen Rapporten sind nur fünf Stück 25'4 cm- Küstenkanonen übernommen worden, es ist daher möglich, daß die Batterie auf der Tigerhalbinsel mit 23 cm-Küstenkanonen 20 Kaliber lang (Portee 9"ü km) armiert war.

Die Geschütze der elektrischen Klippenbatterie sollen in Verschwindungslafetten installiert gewesen sein.

Die 15*2 cm-Schnellfeuerbatterien lagen in der Front ver- teilt; die auffallend große Tätigkeit dieser Batterien beweist, daß

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228

Moosbrugger.

die Seefronten zur Abwehr kleiner feindlicher Unternehmungen ein nicht zu schweres Schnellfeuergeschtitz vorzüglichster Kon- struktion notwendig haben.

Das Streben nach Vereinfachung der Armierung des Kriegs- hafens von Port- Arthur tritt deutlich hervor; außer den Mörsern sind nur drei Geschützsysteme vertreten.

In den Batterien standen fünf bis sechs Geschütze gleichen Kalibers und eines Systemes.

Während der dreimonatlichen Ausrüstungszeit, dann nach dem unglücklichen Flottenausfalle am 10. August, erhielten die See- und Landfronten durch entbehrliche Küstengeschütze älterer Konstruktion des Kriegshafens Wladiwostok und durch Schiffs- geschütze mittleren und kleinen Kalibers, eine bedeutende Ver- stärkung.

Zum Zwecke der Feuerleitung wurde die Seefront in drei Bezirke eingeteilt ; die Bezifferung dieser und der Batterien ging von Westen nach Osten. Im zweiten Verteidigungsbezirk, welcher Batterien des Goldenen Berges und der Tigerhalbinsel umfaßte, lag die Einfahrt eine Anordnung, welche als vollkommen richtig bezeichnet werden muß, da Fahrstraßen nie Bezirksgrenzen bilden sollen.

Eine sehr schwache Armierung, nur bestimmt für die Ab- wehr von Torpedobooten, zeigt die Hafeneinfahrt; zur direkten Verteidigung derselben waren 2 57 mm zu beiden Seiten und eine 15*2 cm-Schnellfeuerbatterie auf dem Wachtelberg erbaut.

Die überaus starke Armierung des Hafens von Port-Arthur, die schwere, beinahe unmögliche Bekämpfung der Batterien wegen ihrer hohen Lage, die günstige Lage der Seefronten gegen die Außenrhede waren die alleinigen Ursachen, daß die Japaner auf jeden Angriff zur See verzichteten.

Ebenso waren Forcierungen wegen der schlechten Fahrt- rinne der Einfahrt, Landungen wegen der an vielen Stellen un- ersteiglichen Steilküste, Dinge der Unmöglichkeit.

Es ist nicht schwer, eine Küste zu verteidigen, wenn ge- nügend viele und gute Geschütze zur Verfügung stehen.

Die Beschaffungskosten für moderne Geschütze großen Kalibers sind so bedeutend, daß die größte Ökonomie bei dem Bau von Batterien und Forts angestrebt werden muß.

Eine Ausnahme kann nur für Küstenforts und Batterien gelten, welche auf exponierten Punkten liegen und wo auf die Mitwirkung der Infanterie zur Abwehr von Landungen verzichtet werden muß.

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Anschauungen fiber Küstenbefestigungen und deren Gefecht. 229

Viele Kü.stenbatterien in Port-Arthur waren sehr primitiv aus Erde oder Lehm gebaut und haben vollkommen entsprochen.

Im Vergleiche zu unseren Küstenbefestigungen weisen die russischen folgende Unterschiede auf :

Die Geschütze feuern über Bank und nicht durch Scharten. Die Rahmeneinrichtung gestattet eine vollkommene Kreiswirkung, welche, wenn auch nicht ganz ausnützbar, gegen die Kehle der Batterie von Bedeutung ist.

Durch diese Art von Geschützaufstellungen verschlechtern sich die Deckungsverhältuisse für die Geschütze und Mannschaft; da für die Batterien eine normale Bauhöhe von 30 m vorge- schrieben ist und auf Kampfdistanzen von 3000 bis 4000 in die Flugbahnen noch sehr flach sind, ist der Verlust an Deckung nicht bedeutend.

Zwischen den Geschützen sind Traversen angeordnet, welche die Brustwehre nicht überhöhen und für die Aufnahme der ge- samten Munition der Batterie eingerichtet sind.

Eigene Munitionsräume und Munitionsförderanlagen sind nicht vorhanden.

Die zurückgezogene Lage des Geschützes in Bezug auf die Kammlinie der Brustwehr, die niedrig gehaltenen Traversen, ermöglichen die gutgedeckte Anlage der Batterie und eine gute Maskierung derselben.

Die russische Batterie zeigt unter dem GeschUtzwalle keine Mannschaftsunterkünfte, wodurch die Baukosten bei steinigem oder sehr weichem Boden erheblich verringert werden; für die Bedienungsmannschaft sind in den Traversen Unterkunftsräume vorhanden.

Auf einen verteidigungsfähigen Graben und sehr starken Kehlabschluß wird meist verzichtet, da Landungen größeren Stiles im unmittelbaren Feuerbereiche des Kriegshafens Un- möglichkeiten sind, kleinere Unternehmungen gegen die Werke bei gutem Beobachtungs- und Sicherungsdienste aber keinen Erfolg versprechen.

Die eventuell geforderte Sturmfreiheit wird durch dieselben Einrichtungen, wie sie bei uns gebräuchlich sind, erzielt.

Die russische Küstenbatterie zeichnet sich durch große Einfachheit im Bau aus und kann mit einer Zwischenbatterie des Laudgürtels verglichen werden ; das Meer bildet für alle Küstenwerke das beste Annäherungshindernis und ist unpassier-

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Moosbrugger.

bar, wenn es durch das Feuer beherrscht und durch Seeminen verteidigt wird.

Die Operationen der japanischen Flotte gegen Port-Arthur haben leider zu keinem größeren Gefechte zwischen ihr und der Küstenartillerie geführt, durch welches viele Fragen des Küsten- krieges eine befriedigende Lösung hätten erhalten können.

Fast alle Gefechte vor Port-Arthur zeigen den Charakter der reineu Abwehr und nur in wenigen Fällen ist ein Zusammen- wirken der Schiffs- und Küstenartillerie konstatierbar.

In weiterer Folge soll das Gefecht der Küstenartillerie ohne Mitwirkung der eigenen Flotte, gegen einen Gegner be- sprochen werden, der den Angriff zur See, die Vernichtung der Küstenartillerie, durchzuführen beabsichtigt.

Wie im Feldkriege, so ist auch im Küstenkriege der Ge- fechtserfolg mit der Behauptung der Feuerüberlegenheit innigst verbunden, nur die Art der Behauptung ist verschieden.

Im Feldkriege wird beim Beginn des Kampfes die Feuer- überlegenheit angestrebt, im letzten Momente unbedingt gefordert wozu die richtige Verwendung der Reserven das Mittel bietet.

Im Küstenkriege besitzt der Verteidiger von Haus aus die Feuerüberlegenheit, welche aber gegenüber jener der angreifen- den Flotte in dem Maße abnimmt, als sich die Kampfdistanzen verringern.

Die Verteidigung wird selten über eine genügende und geeignete Geschützreserve verfügen, welche im entscheidenden Momente am richtigen Platze eingesetzt, die Behauptung eventuell die Wiedererlangung der Feuerüberlegenheit ermög- lichen könnte.

Die Küstenartillerie muß daher in Berücksichtigung vor- erwähnter Umstände, die Entscheidung im Kampfe auf solchen Entfernungen suchen, auf welchen sie im unbeschränkten Besitze der Feuerüberlegenheit ist, wo sie das Maximum derselben er- reichen kann.

In den reglementarischen Bestimmungen ist die Art der Durchführung des Verteidigungpgefechtes wie folgt angedeutet:

Zur Fernhaltung des Gegners eignen sich in erster Lini« die schweren Flachbahngeschütze, in weiterer Folge die schweren Steilfeuergeschütze.

Man kann daher das Gefecht in 2 Teile trennen und den Kampf der schweren Flachbahngeschütze mit großem Portee- bereiche gegenüber der Flotte, als den Einleitungskampf

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Anschauungen über Küstenbefestigungen und deren Gefecht. 231

jenen an welchen außerdem die schweren Steilfeuergeschütze mit kleinerer Portee teilnehmen können, als den Entscheidungs- karapf bezeichnen.

Durch den Einleitungskampf muß bezweckt werden, dem Gegner so viel als möglich Schaden zuzufügen, um ihn zum Aufgeben seiner Absichten zu bringen oder ihn zu Formations- und Direktionsveränderungen zu zwingen, welche in weiterer Folge günstige Kampfverhältnisse für den Verteidiger schaffen können.

Da der Einleitungskampf jenen der Entscheidung wesent- lich beeinflußt, so muß er nach den Anordnungen des höchsten Kommandanten geleitet werden.

Es wird diesem möglich sein, aus der Gruppierung, For- mation der gegnerischen Flotte, der Fahrtrichtung und Ge- schwindigkeit derselben, Schlüsse auf die Absichten des Gegners zu ziehen, bevor noch die Ziele in den Schußbereich der weit- tragenden Batterien gelangen.

Die planmäßige Inkampfstellung dieser Batterien geschieht durch Feuerbefehle, welche wegen der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit nichts anderes als die Zielangabe zu enthalten haben. Treten nun die Ziele in den Schußbereich der Batterien, so eröffnen dieselben, wenn die Beobachtungsverhältnisse günstig sind, das Feuer, welches mit Rücksicht auf die schnell sich ändernden Gefechtsphasen mit der immer zu fordernden größten Feuerschnelligkeit abzugeben ist.

Wenn auch zu beachten ist, daß das vorteilhafteste Wirkungs- feld der Flachbahnkanonen auf den näheren Distanzen liegt, auf denen die Durchschlagskraft und Treffsicherheit ihre höchsten Werte erreichen, während die Wurfgeschütze auf den weiteren Distanzen günstigere Wirkungsresultate ergeben, so dürfen diese Erwägungen die Abgabe des Feuers auf große Distanzen nicht hindern.

Die jüngsten Seeschlachten sind auf Distanzen von 4000 bis 6000 m und darüber ausgefochten worden Distanzen, welche früher als zu groß, die Wirkung des Einzelnschusses beeinträch- tigend, bezeichnet wurden.

Können Küstengeschütze, welchen die präziseste Schuß- abgabe eigen ist, auf Distanzen von 4 bis 8000 in nicht die gleichen Resultate erzielen wie die japanischen Schiffsgeschütze, und muß nicht im Gefechte die Leistungsfähigkeit jeder Waffe vollkommen ausgenützt werden?

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Moosbrugger.

Die russische Küstenartillerie hat, nach dem Verhalten der japanischen Flotte urteilend, auf sehr große Distanzen ge- schossen, denn die genannte Flotte hielt sich stets 8 bis 10 km von den Befestigungen ab ; nachdem diese Flotte auch schwach gepanzerte Kreuzer verwendete, ist es nicht ausgeschlossen, daß die Russen ihr Hauptkampfgeschütz die 25*4 cm Küsten- kanone — zuviel schoDten und die Fernhaltung haupsächlich den schweren Mörsern und den Seeminen überließen.

Der Einleitungskampf wird meist von kurzer Dauer seiu. Eine Flotte mit hoher Fahrt durchfährt den Raum von der Grenze des schweren Flachbahnfeuers bis zur Grenze des Wurf- feuers — von 10.000 bis 6000 m in zehn Minuten. Können in dieser kurzen Zeit nicht genügend viele schwere Geschütze ins Feuer gebracht werden, so wird es kaum gelingen, den Gegner zum Aufgeben seiner Absichten zu bringen. Gelangt nun die Flotte in den Wirkungsbereich der Steilfeuergeschtitze, so beginnt der Entscheidungskampf.

Durch denselben muß der Gegner zum Rückzüge, zum endgiltigen Aufgeben seiner Offensivoperationen gegen den Kriegs- hafen gezwungen werden.

Der Einleitungskampf wird immer, wenn er auch nur kurze Zeit währt, dem gefechtsführenden -Kommandanten Anhalts- punkte lür die weitere Durchführung des Kampfes geben, um die schweren Steilfeuergeschütze, dann die schweren Flachbahn- geschütze mit kleiner Portee planmäßig wie die weittragenden Batterien in den Kampf zu bringen.

Für die gegnerische Flotte gilt der Hauptgrundsatz, so rasch als möglich auf solche Distanzen an die Küstenwerke heranzu- fahren, von denen in kurzer Zeit die Feuerüberlegenheit und die Vernichtung der Verteidigungsartillerie erreicht werden kann.

Je kleiner die Distanzen, desto erfolgreicher ist das Feuer.

Die russischen Armierungsgrundsätze berücksichtigen beim Kampfe auf kleine Entfernungen, bei Forcierungen, die beider- seitige, besonders bei der Schiffsartillerie hochsteigende Treffer- wirkung. Diese wird auf einer Distanz von 700 m gegen die Werke mit 50%> gegen die Geschützstände mit 6°/0> jene der Küstengeschütze gegen die Schiffe mit 60% angenommen.

Wenn auch der Kampf der Schiffsartillerie gegen die Küsten- werke auf solche kleine Distanzen selten zur Ausführung kommen dürfte, so möge das die vorerwähnten Trefferprozente berück- sichtigende Beispiel zeigen, wie überwältigend das Feuer der

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Anschauungen (Iber Küstenbefestigungen und deren Gefecht. 233

Schiffsgeschütze zur Geltung kommt, wenn die Kampfdi stanzen klein sind.

Ein Küstenfort mit 4 30'5 cm-Kanonen stehe im Kampfe mit drei Schlachtschiffen des Typs „Vittorio Emanuele" und der Kampf würde 15 Minuten dauern.

Das Werk erzielt mit 30 Schüssen 18 Treffer.

Die Schiffsartillerie erreicht, wenn nur die sechs Stück 30*5 cm und 18 Stück 20 cm schweren Geschütze der drei Schlachtschiffe berücksichtigt werden, in derselben Zeit mit 300 Schüssen rund 150 Treffer gegen das Werk mit 18 Treffer gegen die Geschütz- stände.

In Anbetracht der überraschend zunehmenden Wirkung der Schiffsartillerie bei kleinen Distanzen muß die Küsten- artillerie durch das Massenfeuer ihrer gesamten schweren Bat- terien die gegnerische Flotte auf den Distanzen von 6000 bis 4000 m zum Wenden und zur Feuereröffnung ihrer Artillerie zwingen.

Gelingt dies dem Verteidiger, so hat er nicht nur Zeit für die Ausnützung der noch bestehenden Feuerüberlegenheit gewonnen, sondern sich auch die Initiative für den Kampf gesichert; die Ziel- und Wirkungsverhältnisse für die Geschütze können auf den genannten Distanzen als sehr gute bezeichnet werden.

Diese Kampfesphase ist für den Angreifer und Verteidiger die wichtigste und entscheidendste. Die Flotte muß ihren Er- folg in der Annäherung, die Verteidigung ihren im Feuer suchen.

Gelingt es der Flotte, ihr Massenfeuer auf kleinere Distanzen 2 3000 m gegen die Werke und Batterien zu eröffnen, so wird sich der Entscheidungskampf in viele Einzelkämpfe auflösen, die der planmäßigen Feuerleitung ein rasches Ende machen werden.

Die Objekts-Artilleriegruppen- und Batteriekommandanten werden dann selbständig die in ihren Wirkungsbereichen befind- lichen Ziele bekämpfen müssen.

Der gefechtsleitende Kommandant muß während dieser Einzelkämpfe alles aufbieten, um den bedrängten Hauptangriffs- objekten die möglichste Feuerunterstützung zukommen zu lassen, zu welchem Zwecke Batterien, welche keinen Angriff abzuwehren haben, dann Batterien einer eventuellen zweiten Verteidigungs- linie heranzuziehen sind.

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234 Moosbrugger. Anschauungen über Küstenbefestigungen etc.

Die Leitung de8 Verteidigungskampfes gegen einen mit starken Kräften inszenierten Angriff zur See wird immer eine der schwierigsten Aufgaben ftlr den Kommandanten sein.

Die überaus rasch sich ändernden Gefechtssituationen ver- langen nicht nur die schnellste Entschlußfassung, sondern auch die ebenso schnelle Erteilung kurzer Befehle. Die geringste Störung in der Befehlsübermittlung kann den verlangten plan- mäßigen Feuerkampf unmöglich machen und den Erfolg im Feuergefechte in Frage stellen.

Im Frieden kann die Schulung des planmäßigen Feuer- kampfes, bei Schaffung kriegsmäßiger Verhältnisse, nur durch die tätige Anteilnahme seitens der Marine ermöglicht werden. Man lege diesen Übungen Annahmen zugrunde, welche die Durch- führung des Kampfes ganzer Seefronten ermöglichen, denn nicht im Einzelkampfe, sondern im Zusammenwirken aller Anlagen liegt die Kraft der Küstenbefestigungen.

Das vereinte Wirken mit der Marine, im Frieden verbürgt den sicheren Erfolg im Kriege.

Anmerkung: Die Daten Aber die russische Küstenbefestigung sind dem Sonderabdruok aus den Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens 1900 entnommen.

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Vorschläge

zu einer zeitgemäßen Reorganisation unserer Militärbildung s- und Erziehungsanstalten.

Von Hauptmann des Generalstabskorps Igna8 Rodic. Nachdruck verboten. ÜberaeUungnrecht vorbehalten.

Unsere Militärbildungsanstalteu, namentlich jene, welche weitaus die Mehrzahl des Offiziersnachwuchses der Armee liefern die Kadettenschulen haben seit ihrem Bestände vielfache Wandlungen durchgemacht. Es ist an denselben sehr viel or- ganisiert, leider auch experimentiert worden, nicht immer zum Besten der Sache.

Der an und für sich sehr richtige Gedanke, welcher für die Ausgestaltung der Kadettenschulen die Richtschnur bildete, war, das allgemeine Bildungsniveau des künftigen Offfziers mög- lichst zu heben. Als wünschenswertes Ziel war hiebei maß- gebend, daß der in das praktische Leben eintretende Kadett nebst den zur Ausübung seines Berufes notwendigen mili- tärischen Fachkenntnissen auch jene allgemeine Bildung besitze, welche die Absolventen einer österreichischen Staatsoberreal- schule aufweisen.

Allerdings lief bei der Feststellung des Lehrplans auch der Nebenzweck mit, den, während des Aufenthaltes in der Schule kriegsdienstuntauglich gewordenen oder aus sonst irgend einem Grunde austretenden Zöglingen, die Ablegung der Maturitäts- prüfung und damit das Hochschulstudium zu ermöglichen.

Es wird daher verlangt, daß der Kadettenschüler in den 4 Jahren seines Aufenthaltes in der Anstalt den Unterrichtsstoff der oberen drei Klassen einer Staatsoberroalschule nahezu in demselben Umfange bewältigt, wie ein Abiturient einer solchen Anstalt, sich nebstbei die erforderlichen, umfangreichen mili- tärischen Fachkenntnisse zu eigen macht und überdies noch physisch zum möglichst leistungsfähigen Soldaten ausgebildet werde.

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Rodiö.

Entspricht nun aber tatsächlich der aus der Anstalt neu ausgemusterte Kadett allen diesen Anforderungen?

Ich dürfte außer bei einigen voreingenommenen Schul- männern — kaum einem Widerspruch begegnen, wenn ich diese Frage kurzweg mit „nein" beantworte.

Daß die militärfachliche Ausbildung nicht auf der wün- schenswerten Höhe steht, um den jungen Kadetten ohneweiters bei der Truppe als Instruktor verwenden zu können, darüber gibt die Truppe selbst das unanfechtbarste Zeugnis; daß aber auch der Grad der allgemeinen Bildung der zufolge Lehrplan zu erreichen wäre, bei weitem nicht erreicht wird, dies beweist schon die geringe Zahl der sich zur Ablegung der Maturitäts- prüfung meldenden und bei derselben reüssierenden Zöglinge.

Aber nicht allein, daß das zufolge der Lehrpläne vorge- schriebene Lehrziel nicht erreicht wird, treten überdies in den Kadettenschulen und bei den neu ausgemusterten Kadetten Er- scheinungen zu Tage, welche zu denken geben und zu einer Kritik des gegenwärtig herrschenden Erziehungssystemes heraus- fordern. Ist es z. B. nicht auffallend, daß in den Militärbildungs- und Erziehungsanstalten wiederholt Selbstmorde vorkommen an manchen Schulen fast alljährlich, sogar in wiederholter An- zahl? Ist diese Erscheinung bei gesunden, jungen Menschen körperlich und geistig abnormale sollten ja an einer Militär- schule nicht zu finden sein nicht befremdend? Dies fällt umsomehr auf, da ja an Zivilmittelschulen Selbstmorde der Studierenden so gut wie gar nicht vorkommen. Ein weiteres, das herrschende Erziehungssystem belastendes Moment bieten die vielen ehrenrätlichen Untersuchungen bei kaum der Schule entwachsenen Kadetten. Ist nach alldem der Schluß nicht nahe- liegend, daß in den Anstalten Bedingungen vorhanden sein müssen, welche zu krankhafter Disposition der Zöglinge führen, oder daß trotz aller Vorsorgen der leitenden Behörden, der Charakterbildung der jungen Leute nicht die erforderliche Sorg- falt zugewendet wird?

Wo mag nun die Ursache dieser Unzukömmlichkeiten liegen ?

Nichts ist leichter als diese Frage zu beantworten. Der Lehr plan stellt die Anforderungen zu hoch. Um diese voll zu erfüllen, wäre ein idealer Lehrkörper und ein ausgesuchtes Schülermaterial erforderlich. Nun ist aber der Lehrkörper, trotz der eminenten Fortschritte der letzten Jahre und bei voller Würdigung

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

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einzelner rühmlicher Ausnahmen, sowohl wissenschaftlich als auch pädagogisch doch nicht einmal auf jener Höhe, wie z. B. an einer Staatsoberrealschule Österreichs und was das Zöglings- material anbetrifft, so steht dessen Durchschnitt geistig bei weitem nicht auf jener Stufe, um die Fülle des Lehrstoffes bei der gegenwärtig üblichen Lehrmethode in der kurzen Zeit von vier Jahren aufnehmen und verdauen zu können. Mit einem Worte, man fordert zu viel, sowohl von den Lehrern als auch von den Schülern. Die Folge davon ist nicht allein, daß das gesteckte Lehrziel nicht erreicht wird, sondern und das ist das weit Schlimmere daß das bestehende System indirekt die Moral der Schule schädigt, das Pflichtgefühl abstumpft, Mißmut und Verdrossenheit bei Lehrern und Schülern erzeugt.

Gegenwärtiger Ausbildungsvorgang und Ausbil- dungsresultate an den Infanteriekadettenschulen.

Die Behauptung, daß der Lehrplan der Kadettenschulen mit Bezug auf deren Lehrer und Schüler zuviel verlangt, soll nunmehr im nachfolgenden des Näheren bewiesen werden. Zu diesem Zwecke soll zunächst der Lehrplan der Infanterie- kadettenschnlen mit dem der österreichischen Staatsoberreal- achulen verglichen werden, wobei aber von vornherein bemerkt wird, daß auch an letzteren über Über' ürdung der Schüler geklagt wird und eine Bewegung zur Reorganisierung im Zuge ist.

Bei einer nur oberflächlicher, nicht in das Wesen der Sache eindringenden Betrachtung erscheint der Lehrplan unserer Infanteriekadettenschulen als ganz zweckentsprechend, manchen geradezu als mustergültig. Im großen ganzen stimmt derselbe mit geringfügigen Abweichungen in den unteren 3 Jahr- gängen der Kadettenschule mit jenem der 3 oberen Klassen der Staatsoberrealschule überein; der 4. Jahrgang der Kadettenschule ist fast ausschließlich der berufsmäßigen Ausbildung gewidmet. Die Stundenzahl ist in den einzelnen Jahrgängen der Kadetten- schulen nur unbedeutend größer, als in den äquiparierenden Klassen der Staatsoberrealschule und ist diese größere Stunden- zahl nur durch die intensivere Pflege körperlicher Übungen bedingt.

Die Zahl der Unterrichtsstunden beträgt:

in der 5. Realklasse 32 (davon 2 Turnen) n n 6- n 33 ( 2 ) r«7- 7) 33(„2„)

Organ der MlliUrwissenichafillctaen Vereine. LXX1II. Bd. 1906.

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Rodic.

dagegen

im 1. Jahrg. d. Kadettenschule SSl/2 (dav. entf. 41/* a. körp. Übung.)

v 2- j, ri r ^lit ( r> n v n )

n 3. r 37 (d» *> /i n n )

n » H 71 S^1/« ( 01/» n n n )

Insofern ist ja alles in Ordnung und es wäre vorerst nicht einzusehen, warum das Lehrziel nicht erreicht werden sollte, sobald Lehrer und Zöglinge auf demselben Niveau stünden, wie jene an der Staatsoberrealschule. Nun sind aber in dieser Be- ziehung — wie bereits bemerkt worden ist und später näher erläutert werden soll derartige Unterschiede vorhanden, daß schon aus diesem Grunde allein die Erreichung des Lehrzieles mehr als illusorisch, das ganze Gebäude hinfällig wird.

Doch dies ist nicht die einzige Ursache. Die Hauptschäden sind im Lehrplan selbst gelegen.

Die Vergleichung der Lehrpläne ergibt allerdings, daß die Stundenzahl der theoretischen Unterrichtsstunden in den äqui- parierenden Klassen, bezw. Jahrgängen nahezu gleich ist, dazu kommen aber in der Realschule wöchentlich nur 2 Turnstunden, in der Kadettenschule 4*/2 bis 61/: Stunden für körperliche Übungen (Exerzieren, Turnen, Fechten u. s. w.). Während ferner in den Staatsrealschulen der Turnunterricht auf eine Weise gehandhabt wird, daß dabei von einer Anstrengung und Er- müdung des Körpers nicht die Rede ist, erfordert der Unter- richt im Exerzieren, Turnen und Fechten an der Kadettenschule tatsächlich eine volle Inanspruchnahme der physischen Kraft der Zöglinge. Der Kadettenschüler muß daher nicht nur täglich dieselbe geistige Arbeit leisten wie ein Zivilrealschüler, sondern es wird ihm noch dazu täglich zirka eine Stunde anstrengender, körperlicher Mehrarbeit, somit ein bedeutendes Plus an allge- meinem Kräfteverbrauch zugemutet. Dies wäre vielleicht belang- los, wenn körperliche und geistige Arbeit voneinander völlig un- abhängig geleistet werden könnten. Dies ist aber keineswegs der Fall. Allerdings wirken Übungen des Körpers auch er- frischend auf den Geist, dies aber nur insofern, als durch die- selben das Gehirn von dem infolge der geistigen Anstrengung in letzteres eingeströmten Blutüberschuß wieder befreit wird. Dagegen wäre es eine Täuschung, wenn mau glauben würde, daß der Geist eines durch eine anstrengende Fecht- oder Turnstunde ermüdeten Zöglings, ebenso aufnahmsfähig sein sollte, als der, eines körperlich noch nicht in Anspruch genommenen Schülers.

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc. 239

Nun bedeutet aber die gegenwartig im Lehrplane der Real- schule fixierte Stundenzahl das Maximum, welches einem mittel- mäßig begabten Schüler zugemutet werden kann. Gibt man nun noch eine Stunde anstrengender körperlicher Arbeit dazu, so ergibt sich als logische Folge, daß man zu viel verlangt, da ja ein Maximum nicht mehr erhöht werden kann, daß man sonach den Zögling überbürdet. Da aber anderseits die körperliche Aus- bildung für den zukünftigen Offizier von eminenter Wichtigkeit ist und wie später dargelegt werden soll gegenwärtig für •dieselbe noch viel zu wenig getan wird, die Stundenzahl der körperlichen Übungen somit keinesfalls verringert werden darf, so ergibt sich zufolge des oben Gesagten als unabweisliche Not- wendigkeit, daß das Ausmaß des theoretischen Unterrichtes redu- ziert werden muß, wenn befriedigende Resultate erzielt werden sollen.

Der gegenwärtige Lehrplan der Staatsrealschulen und der auf derselben Basis fußende der Kadetteuschulen erfordert über- dies eine intensive Arbeit des Schülers außerhalb der Lehr- stunden. Die hieftir erforderliche Zeit hängt von der geistigen Kapazität des Einzelindividuums ab (allerdings in hohem Grade auch von der Lehrmethode und den Anforderungen des Lehrers) und erheischt in der Regel mehrstündige tägliche Arbeit. Die hiezu erforderliche Zeit besitzt der täglich um 4 Uhr, spätestens aber 5 Uhr schulfrei werdende, überdies für gewöhnlich über zwei freie Nachmittage und den Sonntag verfügende Realschüler in genügendem Ausmaße. Dazu kommt noch der fördernde Um- stand, daß er zumeist ungestört und allein arbeiten kann.

Anders steht es in dieser Hinsicht mit dem Zögling der Kadettenschule. Eine, jede Freiheit der Bewegung hemmende, in ihrer Pedanterie mitunter geradezu widersinnige Tageseinteilung, läßt ihm für den Wiederholungsunterricht höchstens zwei Stunden täglich, zumeist noch weniger. Während dieser Zeit darf aber sein Studium nur im wüsten Lärm und in der schlechten Luft des Lehrsaales stattfinden. Diese Wiederholungsstunden sind selbst für den befähigteren Schüler, der sich hiebei vom Lernen nicht ablenken läßt, unzureichend. Die freien Wochennachmittage und den freien Sonntagvormittag des Zivilrealschülers gibt es für den Zögling nicht und daß letzterer den freien Sonntag- nachmittag mit Sehnsucht erwartet, um aus den Schulmauern für einige Stunden zu entfliehen, aber nicht um zu studieren, kann man ihm nicht verübeln. Im Sommersemester sind die

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Rodid.

Verhältnisse womöglich noch ungünstiger. Die an mehreren Nach- mittagen in der Woche stattfindenden Exerzier- und anderen praktischen Übungen beschneiden die Wiederholungszeit noch mehr, bezw. ermüden den Zögling derart, daß er nachher einer vollwertigen geistigen Arbeit nicht mehr fähig ist.

Während infolgedessen der Realschüler über genügend Zeit verfügt, um das ihm in den Unterrichtsstunden Gelehrte zu wiederholen und zu vertiefen, fehlt dem Kadettenschüler die er- forderliche Muße hiezu. Da aber ohne diesen Wiederholungsunter- richt bei der gegenwärtig herrschenden Lehrmethode ein gedeih- licher Fortschritt ausgeschlossen ist, so ergibt sich als notwendige Folge, daß das Endresultat hinter den gestellten Erwartungen, zurückbleiben muß.

Was das geistige Niveau der Zöglinge anbelangt, so lassen sich hier zwei Kategorien unterscheiden. Die eine Kategorie Söhne von Offizieren, Staatsbeamten, Lehrern und minder be- güterten Staatsbürgern kommt vielleicht mit Ausnahme einiger Offizierssöhne nicht aus eigenem Drange, aus Vorliebe für den Militärberuf in die Anstalt, wird vielmehr nur wegen der Wohlfeilheit der Versorgung und Erziehung von den Eltern oder Vormündern für den Soldatenstand bestimmt. Diese Zöglinge stehen geistig im allgemeinen auf demselben Niveau, wie der Durchschnitt der Mittelschüler. Die andere Kategorie, u. zw. die zahlreichere, besteht aus jenen, allen Kreisen der Gesellschaft entstammenden Jünglingen, welche den Militärberuf teils aus an- geborener Vorliebe für den Soldatenstand erwählten, teils aber auch aus solchen, welche in den Zivilschulen aus irgend einem Grunde Schiffbruch gelitten haben und nun beim Militär auf eine leichtere, bequemere Art etwas zu erreichen hoffen. Die- selben werden am besten durch das Dichterwort charakterisiert:

Flott will ich leben und müßig gehen, Alle Tage was Neues sehen, Mich dem Augenblick frisch vertrauen. Nicht zurück, auch nicht vorwärts schauen.

Im großen ganzen steht daher das geistige Niveau des Kadettenschülers und nur von diesem ist hier vorerst die Rede weit eher unter, als über dem des Schülers der Mittelschulen. Damit soll aber keineswegs ein abträgliches Urteil über unseren Offiziersnachwuchs gefällt worden sein im Gegenteil ich behaupte, die Armee könnte sich kein besseres Material wünschen. Es steckt zumeist ein guter, männlicher Kern,.

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•ein unbezähmbarer Lebensdrang in diesen aueh geistig durch- schnittlich ganz gut veranlagten, nur etwas vernachlässigten verunglückten Mittelschülern, verzogenen Muttersöhnchen und schlecht erzogenen Kindern aus dem Volke. Es gehört nur der richtige Vorgang und die rechte, feste, dabei wohlwollende Hand, um aus dieser mißraten scheinenden, jungen Brut, das beste Soldaten- und Offiziersmaterial zu züchten.

Beim Lehrpersoual muß man unterscheiden zwischen den Lehrern der Militärfachgegenstände und jenen der Gegenstände des allgemeinen Wissens. Daß erstere gleichsam die Pro- fessionals — besser entsprechen als letztere, welche sozusagen aus Amateurs gebildet werden, liegt in der Natur der Sache selbst. Im Lehrkörper für Gegenstände allgemeiner Bildung sind nur wenige geprüfte Lehramtskandidaten, die Mehrzahl besteht aus Autodidakten, die sich ihr Wissen selbst geformt haben. Selbstverständlich wird aus diesem Grunde dasselbe oft lücken- haft sein. Werden auch derartige Autodidakten, falls sie beim Lehrberuf verbleiben, sehr oft, ja zumeist sehr gute Lehrer, in den ersten Jahren ihrer Lehrtätigkeit tappen sie doch viel im Finstern herum und können daher unmöglich vollkommen ent- sprechen. Die Mehrzahl verbleibt aber nicht beim Lehrfach, sondern scheidet nach einer größeren oder kleineren Anzahl von Jahren wieder von der Schule und da kommt es denn sehr oft vor, daß, nachdem sich ein Lehrer nach mehrjähriger Lehrzeit eben erst die nötige Routine verschafft hat, er auch schon wieder den Lehrerberuf aufgibt, bezw. mit Rücksicht auf seine mili- tärische Karriere aufzugeben gezwungen ist.

Allerdings ist in den letzten Jahren so manches getan worden, um diesen Übelstand abzuschwächen. In erster Linie wäre hier die Forderung des Hospitierens der Lehramtskandi- daten an Militärbildungsanstalten, ehe ihnen eine Lehrerstelle anvertraut wird, zu erwähnen. Leider muß wegen des chronischen Lehrermangels nur allzuoft von dieser gewiß guten Maßregel abgegangen werden. Der neue Lehrer bleibt sich daher zumeist selbst überlassen, denn um ihn auf den richtigen Weg zu führen, dazu ist an der Schule zumeist niemand vorhanden. Der einzige hiezu Berufene wäre der Kommandant, daß aber dieser, der alle vier bis fünf Jahre wechselt, dazu zumeist nie Lehrer gewesen, nicht in allen Dingen au fait sein, somit den neuen Lehrer kaum anleiten kann, liegt auf der Hand. Verhältnismäßig gut ist es dann noch bestellt, wenn der Lehrer tatsächlich in jenen Disziplinen

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Rodic.

das Lehramt ausübt, für welche er sich selbst gemeldet; viel schlimmer ist es aber, wenn er als Lehrer für Gegenstände kommandiert wird für die er weder die erforderliche Vorbildung noch Vorliebe hat.

Für der Sache Fernerstehende mag hier angeführt werden,, wie mitunter Lehrerposten besetzt werden.

Verhältnismäßig schwer sind zum Beispiel Lehrer für Natur- geschichte und Physik zu finden. Da hilft man sich aber sehr einfach. Der geistliche Professor und der Anstaltsarzt haben die wenigsten Unterrichtsstunden, beide haben aber das Gymnasium und Hochschulstudien absolviert dies genügt, um sie die ge- nannten Unterrichtsstunden tradieren zu lassen. Ob sie aber tatsächlich die erforderlichen Fachkenntnisse hiezu besitzen oder auch nur die Eignung und Lust dazu haben, darnach fragt niemand.

Ein technischer Offizier, absolvierter technischer Militär- akademiker, der ein tüchtiger Mathematiker ist, meldet sich als Lehrer für Mathematik, Mechanik und darstellende Geometrie. Er erhält eine Lehrerstelle an einer Infanteriekadettenschule, bekommt aber keines der von ihm gewählten Lehrfächer, die er vollkommen beherrscht und für die er besondere Vorliebe hegt, sondern Chemie und Rechtslehre, weil diese Gegenstände zufällig von ihm an der Akademie gehört wurden. Er, der nie in einem Laboratorium gearbeitet, muß seinen Schülern nie gesehene Experimente vorführen. Daß er dabei in seinem Übereifer anfangs mitunter sich selbst und seine Zöglinge in Lebensgefahr bringt,, sich sogar dabei einmal nicht unerheblich verletzt hat, dies touchiert wieder niemand. Anderseits muß wieder ein in seinem Berufe aufgehender deutscher Sprachlehrer, der einer jeden Zivillehranstalt zur Zierde gereichen würde, dem aber jede rein, militärische Dienstleistung eine Qual ist und der vor der Front die unglücklichste Figur bietet zum Exerzieren der Zögliüge ausrücken. Solche Fälle ließen sich noch in Hülle und Fülle anführen.

Überdies wird der unerfahrene, junge Lehrer zumeist auch sofort mit Lehrstunden überlastet, muß ferner anstrengenden Inspektionsdienst halten und wird mitunter auch noch zu anderen, ihm fernstehenden Diensten herangezogen. Es ist daher nicht zu wundern, daß unter solchen Verhältnissen wozu noch sehr oft eine kleinliche Bevormundung des allmächtigen Schulkoin- mandanten kommt Unzufriedenheit unter den Lehrern uro

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

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sich greift. Die befähigteren und selbständigeren Elemente unter den letzteren ergreifen dann nur zu oft, insoferne ihnen der Lehrstand über den Soldatenberuf geht, jede sieb darbietende Gelegenheit, um in den Lehrerstand von Zivilsehulen über- zutreten.

Es ist daher wohl nicht zu wundern, daß unter solchen Verhältnissen das normierte Lehrziel nicht erreicht werden kann. Dies ist auch an leitender Stelle erkannt worden und es wurde versucht, wenigstens zum Teil eine Abhilfe zu schaffen. Leider hat man den einzigen Weg, der ein positives Resultat hätte zeitigen können nämlich eine gründliche Änderung des Lehr- planes — nicht eingeschlagen, vielmehr begnügte man sich mit einer mehr als fraglichen Maßregel. Man stellte es nSmlich dem Belieben der Schulkommaiidanten anheim, eine zeitweilige Restrin- gierung des Unterrichtsstoffes in einzelnen Unterrichtsgegen- ständen nach eigenem Ermessen vorzunehmen.

Eine besondere Sorgfalt, so sollte man meinen, müßte an der Kadettenschule der Erziehung, der Bildung des Charakters des künftigen Offiziers gewidmet werden. Diese ist fast aus- schließliche Domäne der Kompagniekommaudanten. Daß es mit den Resultaten der Erziehung nicht am besten aussieht, ist bereits erwähnt worden. Es ist dies auch nicht anders mög- lich, man wendet der Erziehung viel zu wenig Aufmerksam- keit zu, glaubt mit einigen formellen Dingen in dieser Be- ziehung der Sache zu genügen. Allerdings ist auch viel zu wenig Zeit dazu vorhanden; eigentlich die einzige Gelegenheit, da der Kompagniekommandant charakterbildend auf seine Zög- linge einwirken kann, ist der Rapport. Die ohnedies spärlich bemessene Zeit des letzteren wird aber viel zu viel von Äußer- lichkeiten in Anspruch genommen, der große Zweck über Klein- lichkeiten (vorschriftswidrige Kappen, schmutzige Halsstreifen, ungeputzte Knöpfen etc.) nur zu oft vergessen. Sonst aber ist der Kompagniekommandant, der nebstbei auch als Lehrer fungiert, von administrativen und sonstigen Dienstgeschäften viel zu sehr in Anspruch genommen, die Zeit der Zöglinge aber viel zu sehr bis ins letzte Detail von der Stundeneinteilung verbraucht, als daß eine dauernde Einflußnahme des erstereri auf die letzteren möglich wäre.

Noch viel weniger kann von einem erziehlichen Einfluß des Schulkommandanten auf die Zöglinge die Rede sein. Es soll damit keineswegs bestritten werden, daß es Kommandanten

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gibt, welche vermöge ihrer persönlichen Eigenschaften einen großen, in gewissen Augenblicken einen geradezu faszinierenden Einfluß auf ihre Zöglinge ausüben. Dieser Eiufluß besteht aber, genau besehen, doch nur darin, daß der eine Schulkomraandant seinen Untergebenen mehr Respekt einzuflößen, sich deren An- hänglichkeit besser zu erwerben versteht als der andere. Eine wirkliche, dauernde, erziehliche Einwirkung werden auch die hervorragendsten Schulkommandanten auf die ihnen unterstehende Jugend nicht ausüben können, dazu sind viel zu wenig Be- rührungspunkte zwischen ersteren und den Zöglingen vorhanden. Der Kommandant vermag nur die „Stimmung" zu machen, die allerdings für das Gedeihen des Ganzen sehr notwendig ist, eine wirkliche Heranbildung des Charakters ist aber nur durch eine nach einem wohldurchdachten System geregelte, ziel- bewußte und konsequente Arbeit aller am Erziehungswerke Beteiligten, zu erreichen möglich.

Scheinbar einen großen Fortschritt in dieser Hinsicht bildet, die vor noch nicht langer Zeit erfolgte Systemisierung der „Er- zieher". Ich sage scheinbar, weil auch hier ein allerdings sehr schöner Zweck, mit ganz unzulänglichen Mitteln zu erreichen versucht wird. Der Erzieher müßte ein iu seiner Art vollkommener Offizier und Soldat sein , dazu volles Verständnis für die Behandlung und Erziehimg der Jugend haben, endlich ein un- gewöhnliches Maß von Aufopferungsfähigkeit und Selbstlosigkeit besitzen denn er wäre genötigt, wollte er wirklich Ersprieß- liches erreichen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit seinen Schützlingen zusammen zu sein.

Glaubt nun wirklich jemand, daß es derartige Ausnahms- menschen in der Armee gibt? Hie und da einen, vielleicht; daß es aber möglich sein sollte, für die große Anzahl der Kadetten - schulen die erforderliche Zahl auch nur in geringerem Maße diesbezüglich entsprechender Offiziere zu finden, muß wohl be- zweifelt werden. Anderseits ist aber ein Erzieher, der die Sache nicht beim rechten Ende anfaßt, viel schlechter, als gar keiner.

Noch ein Experiment der letzten Zeit muß hier der Voll- ständigkeit halber erwähnt werden nämlich der gemischt- sprachige Unterricht der ungarischen Anstalten. Nach dem vorhergehenden braucht man darüber nicht viel zu sagen. Kann schon gegenwärtig der neu ausgemusterte Kadett kaum soviel deutsch, um eins Meldung, geschweige denn einen Brief, halb-

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Vorsohläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

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wreffs korrekt und verständlich verfassen zu können wie wird <es erst damit in wenigen Jahren aussehen ?

Neue Organisation.

Allgemeine Gesichtspunkte.

Nachdem im vorhergehenden gezeigt worden ist, daß die gegenwärtigen Erziehungs- und Ausbildungsresultate an unseren Militärbildungs- und Erziehungsanstalten in keiner Hinsicht be- friedigen, soll im nachstehenden ein Versuch gemacht werden einen Weg zu weisen, auf welche Weise ein allen Anforderungen entsprechendes Offizierskorps herangebildet werden könnte. Hiebei wird da ein Anschmiegen an bereits Bestehendes unter den obwaltenden Umständen nur halbe Resultate zeitigen könnte von der Anschauung ausgegangen, daß es notwendig ist, das gegenwärtige System völlig über Bord zu werfen uud durch ein ganz neues, den modernen Anschauungen entsprechendes, zeit- gemäßes, zu ersetzen.

Bevor jedoch das neue Gebäude aufgeführt werden kann, muß zunächst das Fundament gelegt werden, das sind hier die Hauptgrundsätze, auf welche das neue Lehr- und Erziehungs- system zu basieren wäre.

Immer mehr bricht sich die Überzeugung Bahn, daß der moderne Krieg geistig hochstehende, sehr gebildete und intelli- gente Offiziere fordert. Diese Forderung liegt nicht allein in dem gegen früher bedeutend komplizierten Wesen des ganzen Kriegsapparates, dessen virtuose Beherrschung eine große Summe der verschiedenartigsten Kenntnisse und Geschicklichkeiten er- fordert, sondern sie ist auch in der »allgemeinen Wehrpflicht* selbst begründet. Letztere vereint im Kriegsfalle die gesamte Intelligenz des Staates in „Reih' und Glied". Ist da die For- derung nicht naheliegend, daß der zur Führung berufene Offizier geistig auf derselben, wenn nicht höheren Stufe stehe, wie die seinen Befehlen Unterstehenden?

Uber ein solches Wissen verfügt aber der aus den heutigen Militärbildungs- und Erziehungsanstalten hervorgehende Offizier Glicht. Dieses Umstandes war man sich in der Armee seit jeher bewußt. Um nun wenigstens einem Teil der Offiziere die wün- schenswerte höhere Ausbildung zu geben, wurde die Kriegsschule vor einigen Jahren auf eine breitere Basis gestellt, so daß die-

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selbe gegenwärtig nicht nur dem Generalstab seinen Nachwuchs, sondern auch der Truppe eine erkleckliche Zahl höher gebildeter Offiziere liefert.

Daß sich durch diese Maßregel die geistige Regsamkeit bei der Truppe gehoben hat, ist zweifellos, ebenso zweifellos ist aber leider auch, daß damit auch die Unzufriedenheit im Offiziers- korps gestiegen ist und dadurch der erstere Vorteil zum Teil wieder aufgehoben wird. Unzufrieden sind sowohl jene, welche die Kriegsschule absolviert haben, dabei aber keineswegs jener Vorteile teilhaftig werden, wie ihre glücklicheren Kameraden vom Generalstab, als auch die anderen, Uber die höhere Aus- bildung nicht Verfügenden, welche sich durch die immer mehr anschwellende Anzahl der Kriegsschüler, in ihrem weiteren Vor- wärtskommen bedroht fühlen. Dies wird insolange nicht anders werden, insolange nicht alle Offiziere dieselbe Bildung genossen haben und damit das Offizierskorps ganz homogen geworden ist. Daß jedoch diese Homogenität nur auf der höheren Bildungs- stufe gesucht, somit das Bildungsniveau des Offiziersnach- wuchses gehoben werden muß, liegt auf der Hand. Damit ergibt sich als erste Forderung für die neu zu organisierende Schule, daß dieselbe ein weit umfassenderes Wissen, eine viel gründ- lichere Ausbildung gewähren muß, als die gegenwärtig bestehenden Anstalten.

Ebenso wichtig wie das Wissen, wenn nicht noch wich- tiger, ist für den Offizier der Charakter. Während er, was das erstere anbetrifft, mit den intelligentesten seiner Untergebenen auf gleicher Stufe stehen soll, muß er dieselben in letzterer Beziehung soll er tatsächlich ihr Führer sein überragen. Ebenso wie der Geist, muß auch der Charakter systematisch geschult, bezw. die latenten Anlagen des Einzelindividuums ent- wickelt werden. Das wertvollste Mittel hiezu bietet, wie später gezeigt werden soll, die körperliche Erziehung und Ausbildung. Die letztere darf daher nicht, wie in dem jetzigen System, der geistigen subordiniert werden, sondern sie muß der letzteren koordiniert sein. Körper und Geist müssen gleichmäßig ent- wickelt, in Harmonie gebracht werden.

Eine weitere Hauptbedingung ist, daß die Lehrmethode soll man wirklich Ersprießliches erreichen eine ganz andere wird, als die gegenwärtig übliche.

Dieselbe ist gegenwärtig vorwiegend auf das Gedächtnis, aber nicht auf die Denktätigkeit des Schülers basiert. Darum.

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc. 247

die geringen Resultate. Vieles, was der Zögling gegenwärtig auswendig lernen muß, kommt mitunter gar nicht vor sein geistiges Bewußtsein ; ist die Prüfung vorbei, so verdunstet sehr oft spurlos in kürzerer oder längerer Zeit das mühselig aufge- speicherte Wissen. Wie eine erfolgverheißende Lehrmethode beschaffen sein sollte, wird bei Besprechung der einzelnen Unter- richtszweige angedeutet werden, hier führe ich vorerst nur an, daß dieselbe auf Basis der Selbstbeobachtung, Anschauung, der Neugier, des Selbstsuchens und Findens, der Kritik bei nur minimaler Inanspruchnahme des Gedächtnisses aufgebaut sein müßte.

Wie schon erwähnt, ist auch die Zeitdauer, während welcher täglich der Zögling gegenwärtig geistige Arbeit leisten soll, zu hoch bemessen.

Gegenwärtig sitzt der Zögling ganz abgesehen von der Wiederholungszeit täglich 5 bis 6 Stunden auf der Schulbank. Während dieser Zeit soll er ebensovielen Lehrern, welche die verschiedensten Materien vortragen, seine volle Aufmerksamkeit zuwenden. Kann er dies tatsächlich? Einzelne vielleicht und diese kaum auf die Dauer, die Mehrzahl aber gewiß nicht. Es wird daher eine Hauptforderung des neuen Lehrplaues sein, daß die Zahl der theoretischen Unterrichtsstunden reduziert wird. Sie dürften inklusive graphischer Gegenstände, insofern dieselben im Zimmer vorgenommen werden, 4 Stunden täglich nicht über- schreiten. Dagegen müßte die Zahl der Stunden, welche der körperlichen Ausbildung, dann der Erholung zu widmen wären, ganz bedeutend erhöht werden. Letzteres nicht allein, um den zukünftigen Soldaten den, für seinen Beruf erforderlichen, wider- standsfähigen Körper zu schaffen, sondern vielmehr, weil die körperlichen Übungen das wertvollste Mittel zur Bildung und Stählung des Charakters bieten. Allerdings wäre es notwendig, um letzteren Zweck zu erreichen, dieselben auf eine ähnliche Weise zu pflegen, wie dies an den englischen und amerikanischen Universitäten der Fall ist, d. h. das System der „englischen Athletik", wie es in dem geradezu klassisch geschriebenen Buche1) von Viktor Silber er dargestellt ist, müßte an allen Mittelschulen das Bürgerrecht erhalten.

1) Sil her er, Handbuch der Athletik, Wien (erschien in vielen Auflagen).

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Ro die.

So gut auch gegenwärtig (im Vergleiche zu den Zivilmittel- schulen) die körperliche Ausbildung an unseren Militäranstalten betrieben wird, sie ist unzureichend und muß in Hinkunft auf eine ganz andere Basis gestellt werden. Der Unterricht hierin müßte in erster Linie darauf abzielen, daß der Wetteifer der Zöglinge unter einander geweckt und der einzelne von dem Wunsche beseelt werde, das Höchstmögliche zu leisten, Rekorde zu schaffen, Sieger über seine Kameraden zu werden. Zu diesem Zwecke müßte Wettkämpfen, die ein ernstes, entsagungsvolles Training erheischen, eine große Rolle zugedacht werden, der ein- zelne müßte lernen, in entscheidenden Augenblicken alles, was er hat, eventuell den letzten Atemzug daran zu setzen, um den Erfolg für sich zu erringen. Dann erst, falls die Übungen auf diese Weise vonstatten gehen, werden sie die beste Schule für die Bildung des Charakters sein und es wird wohl jedermann zu- geben, daß es auf diese Art und Weise weit eher möglich sein dürfte, dem jungen Zögling Selbstverläugnung, Ausdauer, Kon- sequenz, Festigkeit auch Ordnungssinn anzuerziehen, als durch das Predigen beim Rapporte, endlose Nachtkastelvisiten und ähnliche, gegenwärtig übliche Erziehungsmittel.

Man könnte vielleicht einwenden, daß ein derartiger Aus- bildungsvorgang mitunter nicht ohne Nachteil für die Gesundheit der jungen Leute werden könnte. Dieser Einwand ist jedoch nicht stichhältig, er wäre es nur dann, wenn man die Jugend ganz sich selbst überlassen würde. Dies wäre aber keineswegs der Fall, die Übungen würden unter Aufsicht stattfinden u. zw. unter der Leitung eigens hiefür geschulter Kräfte, die wir bereits jetzt in vorzüglicher Qualität um die uns jeder Staat beneiden kann in unserem Militärfechtmeisterkorps besitzen. Allerdings ist auch bei strengster Aufsicht nicht ausgeschlossen, daß mit- unter widrige Zufälle vorfallen, somit ein oder der andere Schaden an der Gesundheit nimmt, jedoch was schadet dies im Vergleiche zu dem zu erreichenden großen Zwecke.

Ein derartiger Vorgang bei der körperlichen Schulung würde aber seinen wohltätigen Einfluß auch auf die Fortschritte in den wissenschaftlichen Unterrichtsgegenständen üben.

Ein junger Mensch, der es gelernt hat, beim Training jede Müdigkeit und Sucht nach Bequemlichkeit zu überwinden, wird auch in der Schule weit eher als ein anderer seine Aufmerk- samkeit wach zu erhalten und sein Gedächtnis zu bezwingen in der Lage sein.

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Ein weiterer, hauptsächlich die Erziehung des angehenden Offiziers betreffender Grundsatz wäre, die Zöglinge schon in der Anstalt möglichst selbständig und selbst- tätig zu machen. Dieselben müßten allerdings beaufsichtigt, sogar sehr scharf überwacht, dabei aber keineswegs derart am Gängelbande geführt werden, wie dies gegenwärtig üblich ist. Der willenlose Gehorsam, der beim Exerzieren in Reih' und Glied herrschen muß, darf absolut keine Richtschnur für die ' Erziehung im allgemeinen bilden, somit keineswegs auf alle Handlungen der Zöglinge ausgedehnt werden.

Auf die gegenwärtig übliche Art und Weise erzieht man keine Charaktere, dagegen aber nur zu oft Pharisäismus, Ver- logenheit und Verstocktheit. Man darf sich dann nicht wundern, wenn dann die so erzogenen, gleichsam stets am Zügel ge- führten jungen Leute, sobald sie in die Freiheit kommen, sich ähnlich gebärden , wie ein lediges Pferd, das keinen Reiter mehr fühlt.

Die Durchführung des letzteren Grundsatzes der Frei- heit der Dressur in der Praxis stelle ich mir, wie folgt, vor.

Außerhalb der vorgeschriebenen Schulstunden, d. h. wirk- lichen Unterrichtsstunden, dann der für die Nachtruhe bestimmten Zeit, darf der Zögling innerhalb des Anstaltsrayons tun und lassen, was ihm beliebt. Stunden, die er außerhalb des Unter- richtes im Lehrsaale sitzend verbringen müßte die jetzt überall üblichen Wiederholungsstunden gibt es nicht. Jeder- mann steht es frei zu lernen, wann, wo und wie er will. Es ist dies bei näherem Zusehen keine so revolu- tionäre Idee, wie sie vielleicht den jetzigen zunftmäßigen Schul- männern erscheinen mag. Erinnern wir uns nur an unsere eigene Schulzeit.

Als Gymnasiasten oder Realschüler durften wir, aus der Schule daheim angelangt, die Zeit nach eigenem Gutdünken verbringen. War dies vielleicht etwa von nachteiligen Folgen begleitet? Gewiß nicht. Man tat seine Pflicht, lockte ein schöner Frühjahrs- oder Herbstnachmittag hinaus ins Freie, so gab man dem Drange nach, gewiß nicLt zum Schaden des Studiums. Die versäumte Lernzeit holte man durch früheres Aufstehen und an Regentagen reichlich wieder ein.

Welches sind aber die Erfolge, die man mit dem Lernzwang erreicht? Der Leser denke sich nur in eine Wiederholungsstunde an der Akademie oder Kadettenschule zurück. Wer lernte tat-

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sächlich? Nur eine Minderzahl und diese keineswegs während der ganzen Dauer der zugewiesenen Zeit. Was tat aber der Rest? Tarockieren, Lärmen, im besten Falle Romanlesen. Dazu draußen mitunter der herrlichste Tag. Gut, man wollte ja lernen, aber doch dabei im Garten, in der freien Natur sein. Doch das war verboten.

Bezweifelt man etwa, daß die Fleißigen ihrer Pflicht nicht ebenso nachgekommen wären, wenn auch der Zwang der Wieder- holungsstunden nicht bestanden hätte? Im Gegenteil wahrschein- lich besser, weil sie sich ihren Winkel zum Lernen selbst aus- gesucht hätten und von ihren Nachbarn nicht gestört worden wären. Und was die Spieler anbetrifft, hätten die nicht lieber zum Fußball oder Raket gegriffen, als zu den Karten, und hie- durch, wenn auch nicht ihrem Geiste, so doch dem Körper eine wohltätige Übung zuteil werden lassen ? Allerdings gab es dazumal noch keinen Spielplatz in der Anstalt. In letzterer Hinsicht ist es jetzt besser bestellt, aber noch immer unzulänglich genug. Was bedeuten zwei, höchstens vier Tennisplätze für eine An- zahl von 200 Zöglingen umsomehr, da für das Spiel in der Regel nur zwei Pausen von kaum einer Stunde täglich ver- fügbar sind.

Hieße es da nicht den Zweck des Ganzen fördern, wenn man nach angestrengter, geregelter Tagesarbeit, um 4 oder 5 Uhr nachmittags den jungen Leuten sagen würde: So, jetzt seid ihr frei, die Zeit bis zur Nachtruhe steht zu eurer aus- schließlichen Verfügung. Für den morgigen Unterricht müßt ihr allerdings vorbereitet sein (das Ausmaß des Lernstoffes wäre aber, namentlich in den unteren Jahrgängen, möglichst einzu- schränken), im übrigen aber könnt ihr tun und lassen, was euch beliebt. Ihr könnt turnen, laufen, rudern, radfahren, Tennis oder Fußball spielen, lesen, jeder nach seinem Geschmack.

Allerdings müßten aber in der Anstalt die Vorbedingungen zu alledem vorhanden sein, was gegenwärtig ganz und gar nicht zutrifft.

Was nun die Dauer der Ausbildungszeit anbe- trifft, so ist es wohl einleuchtend, daß das Lehrziel den Eintritt der Aspiranten im bisherigen Alter von 14 bis 16 Jahren und unter den gegenwärtig giltigen Bedingungen vorausgesetzt nicht in der Zeit von vier Jahren erreicht werden könnte. Es wäre hiezu eine weit längere Dauer notwendig, unter sieben Jahre dürfte man kaum herabgehen, wollte mau ein erheblich

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höheres Bildungsniveau erzielen, als es gegenwärtig die Kadetten- schulen bieten. Das Alter des aus der Schule in die Armee tretenden jungen Berufssoldaten würde dann 21 his 23 Jahre, gegen 18 bis 20 des jetzigen Systems betragen.

Dies wäre nur ein Vorteil, denn der gegenwärtig ins Heer tretende Kadett ist, man mag sagen, was man will zu jung. Mit 18 Jahren ist er in den seltensten Fällen geeignet, als Er- zieher von 21- bis 24jährigen, teilweise sehr intelligenten Leuten auftreten zu können.

Man hat das vollendete 21. Lebensjahr als untere Grenze für den normalmäßigen Eintritt in das Heer normiert, von der Voraussetzung ausgehend, daß erst in diesem Alter der Körper hinlänglich entwickelt ist, um allen Anstrengungen des Militär- berufes, ohne Nachteil für die Gesundheit widerstehen zu können. Ist es nicht naheliegend, daß man diese Grenze auch für den Berufssoldaten annimmt? Wenn auch dessen Körper für seinen Beruf besser vorgebildet ist, als der des assentierten gemeinen Mannes, so werden anderseits die an den ersteren gestellten An- forderungen mitunter größer sein und von einem Einund- zwanzig! ährigen gewiß besser ertragen werden können, als von einem mitunter noch ganz unentwickelten und knabenhaft aus- sehenden Achtzehn- oder Neunzehnjährigen.

Da aber die Ausbildung des Offiziersaspiranten in der neu- zuschaffenden Schule erst in einem Alter von 21 bis 23 Jahren beendet wäre, so würde es anderseits die Gerechtigkeit er- fordern, daß derselbe analog wie gegenwärtig der Zögling einer Militärakademie sofort als Offizier in die Reihen des Heeres eintrete.

Damit entfiele die Institution der Berufskadetten. Dies wäre kein Schaden, denn dieselbe ist ein historisches Überbleibsel, welches gegenwärtig jede Berechtigung verloren hat. Ehemals war der Kadett gleichsam der Lehrling in der Armee, wenn er die Offiziersprüfung bestand, wurde er Offizier. Gegenwärtig ist er von vornherein Offiziersdiensttuer. Er braucht, um Offizier zu werden, keine Prüfung mehr abzulegen, nur die „Würdigkeit4* zum Offizier muß ihm noch zuerkannt werden. Der Kadett ver- sieht aber nicht nur denselben Dienst wie der Offizier, er nimmt auch an dessen Mittagstisch und außerdienstlichem Leben teil. Er hat infolgedessen in der Praxis die Pflichten und Rechte, die gesellschaftliche Stellung des Offiziers, nur die Mittel hiezu gibt ihm aber der Staat nicht.

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Rodir.

Zur Zeit, da der Kadett noch ganz zu den Unteroffizieren» zählte, die Menage der Mannschaft teilte und deren Kommißbrot aß, hatte die Institution noch einen moralischen Hintergrund. Der Kadett gehörte zur Mannschaft, mußte daher wie diese leben und konnte mit den Unteroffiziersbezügen auskommen. Gegen- wärtig ist die ganze Einrichtung geradezu unmoralisch, denn sie fordert ein „über die Mittel leben" heraus. Die Abschaffung der Berufskadetten würde aber nicht hindern, daß Kadetten im Reservestande weiter behalten würden, denn dort wären sie nach wie vor eine Notwendigkeit.

Steht schon heute die berufsmäßige Ausbildung des Reeerve- offiziers mit der des angehenden Berufsoffiziers nicht auf der- selben Stufe, der Unterschied würde, falls man die Bildung des Berufsoffiziers vertieft, noch größer werden. Wäre es da nicht geradezu eine Ungerechtigkeit, dem gewesenen Einjährigfrei- willigen- die Offizierscharge zuzuerkennen? Dem könnte man dadurch vorbeugen, daß man im Frieden von der Ernennung von Reserveoffizieren ganz absehen und nur Reservekadetten gelten lassen würde; im Kriegsfalle könnte aber den sich bewährenden Reservekadetten ausnahmsweise die Offizierscharge zuerkannt werden.

Die Forderung, die Absolventen der neu zu organisierenden Militärbildungsanstalten als Offiziere ins Heer treten zu lassen, würde als Konsequenz nach sich ziehen, sämtliche Anstalten einheitlich zu organisieren. Damit würde auch der Vorteil erreicht, daß die Armee ein durchaus homogenes Offizierskorps erhielte.

Es gäbe sodann keinen Unterschied mehr zwischen Kadetten- schulen und Militärakademien, sondern nur einheitlich organi- sierte Offiziersbildungsanstalten. Der Name hätte zwar nichts zu bedeuten, um aber die Traditionen zu schonen, welche mit den beiden gegenwärtig vorhandenen Akademien verknüpft sind, könnte man sich dadurch helfen, daß man eben allen Anstalten den „Titel" einer Akademie verleihen würde. Mit Rücksicht auf das höhere Niveau der zukünftigen Anstalten wäre dies gewiß nur gerechtfertigt.

Der Lehrplan dieser Akademien wäre in den unteren Klassen überall vollkommen gleich, erst in den oberen drei Klassen würde eine Scheidung der Waffen stattfinden. Der Spezialunter- richt hätte jedoch nur das rein handwerksmäßige der betreffenden Waffe zu umfassen, die wissenschaftliche Grundlage müßte aber für alle dieselbe sein.

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Um nun die Ausbildung des Offiziersnachwuchses im Sinne der dargelegten Gesichtspunkte durchfuhren zu können, müßte man für die zukünftige Offiziersschule vorerst die erforder- lichen Vorbedingungen schaffen. Diese wären:

1. eine allen Anforderungen des Lehrzieles entsprechende Unterkunftsstätte ;

2. ein nach modernen Gesichtspunkten verfaßter Lehrplan und eine zeitgemäße Lehrmethode;

3. ein gut vorgebildeter, dem hohen Ziele gewachsener Lehrkörper.

Beschaffenheit desHeims der zukünftigen Offiz. iers-

bildungBanstalt.

Die Anstalt ist in einer gesunden, wenn möglich auch land- schaftlich schönen Gegend, welch letztere alle Eigenschaften haben muß, um die Pflege jeglichen Sports zu ermöglichen, zu erbauen. Das zur Anstalt gehörende Territorium muß, um allen sportlichen Bedingungen entsprechen und den in derselben untergebrachten Zöglingen ein komfortables Heim bieten zu können, ein Areal von mehreren Quadratkilometern umfassen. Ganz besonders ist die Lage an einem größeren, schiffbaren Fluß oder See, ferner in waldreicher, gebirgiger Gegend anzustreben.

Im Anstaltsterritorium sind die erforderlichen Baulichkeiten zerstreut anzuordnen.

Das Hauptgebäude Zöglingsgebäude könnte ähnlich beschaffen sein, wie die Hauptgebände unserer jetzigen Militär- bildungsanstalten. Es hätte in erster Linie die notwendigen Unter- kunftsräume, dann die Lehr-, Speisesäle etc. für zirka 350 Zög- linge zu umfassen. Lehrsäle und Schlafräume müssen groß und luftig sein, für jeden Fall bedeutend größer, als in den scheinbar nach dem Prinzip des Minimalluftraumes gebauten modernen Unterrichtsanstalten. Im Hauptgebäude müßten auch die notwendigen Räumlichkeiten für die diversen wissenschaft- lichen Lehrmittelsammlungen, Lehrerzimmer, Bibliothek und das sonstige Zugehör einer Schule, vorhanden sein. Dagegen wäre in demselben kein Platz für das sogenannte Zöglingskasino, welches merkwürdigerweise ein unentbehrliches Requisit unserer Militärbildungs- und Erziehungsanstalten bildet.

Einen großen Teil des Gesamtraumes des Hauptgebäudes würden die Turn- und Fechtsäle einnehmen. Da nämlich in den-

Org&n der MJIItirwU.emchaflllchen Vereine. LXXI1I. Bd. 1906. \-J

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Ro d i c.

selben, namentlich im Falle ungünstigen Wetters, der größte Teil der Zöglinge zu manchen Tagesstunden verweilen würde, so wäre selbstverständlich ein Turn- und Fechtsaal für die ganze Anstalt nicht ausreichend. Es wäre vielmehr anzustreben, daß jede Klasse ihren eigenen Turn- und Fechtsaal hätte.

Das ganze Hauptgebäude wäre, inklusive aller Korridore mit Luftheizung, ferner mit elektrischem Licht und Warmwasser- leitung zu versehen, müßte ferner soviele Bäder im Anschluß an die Schlafräume enthalten, daß jeder Zögling täglich ein Bad nehmen könnte.

An sonstigen Baulichkeiten vom Hauptgebäude abge- trennt und im Anstaltsterritorium zerstreut liegend, wären vor- handen:

Das Kommandogebäude, enthaltend die nötigen Kanzleien,

das Lehrergebäude für die Offiziersmesse, Lesezimmer und Gesellschaftsräume des Lehrkörpers,

das Mannschaftsgebände als Unterkunft für das zur Anstalt gehörende Wartpersonal,

das Zöglingsspital,

die Reitschule,

die erforderliche Anzahl von Offizierswohngebäuden. Letztere wären aber keinesfalls, wie gegenwärtig üblich, in einem ge- meinsamen Pavillon untergebracht, sondern villenartig jedes Ge- bäude für nur eine Wohnpartei eingerichtet, vollkommen in sich und vom Schulrayon abgeschlossen angelegt;

die Stallungen für die Offiziers- und die zum Stande der Schule gehörenden Reit- und Zugpferde.

Sonst sind innerhalb des Schulterritoriums vorhanden:

eine im Sinne der diesbezüglichen Vorschrift eingerichtete Elementarschießstätte; sollteu die örtlichen Verhältnisse den Bau derselben im Anstaltsrayon nicht möglich machen, so wäre doch deren Anlage in nicht zu weiter Entfernung von der Schule an- zustrebeu;

eine oder mehrere Kapselschießstätten,

die erforderlichen Sportplätze u. zw.

für jede Klasse eine athletische Rennbahn,

für jede Klasse mehrere Tennis- und ein Fußballspielplatz.

für jede Klasse ein vollkommen eingerichteter Turnplatz.

Ferner für die ganze Anstalt:

eine Radrennbahn,

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ein großer asphaltierter Platz, der im Winter als Eislaufplatz hergerichtet werden könnte,

eine große Schwimmschule im nahen Fluß oder See mit allen Einrichtungen, um einer größeren Anzahl von Zöglingen gleich- zeitig Schwimmunterricht erteilen zu können,

ein Bootshaus mit allen Hilfsmitteln zur Ausübung des Ruder- sports, von der Weidzille bis zum Rennboot,

ein mit allem technischen Zubehör versehener Pionier- (Land- und Wasserdienst-) Übungsplatz.

Endlich enthält das Anstaltsterritorium einen großen Park, einen Exerzierplatz, dann einen Obst- und Gemüsegarten.

Das zum Betrieb der Sportplätze erforderliche Material muß in genügender Menge und Qualität vorhanden sein, für NacbschaffuDgen rechtzeitig gesorgt werden. Sollte es überdies möglich seink für die Anstalt eine Jagd gepachtet zu erhalten, so wäre eine solche Gelegenheit nicht außer Acht zu lassen.

Organisation der zukünftigen Offiziersbildungs-

anstal ten.

Kommandant der Anstalt ist ein hiezu geeigneter Oberst- leutnant oder Oberst der Truppe, welcher auf die Dauer von wenigstens fünf Jahren auf diesen Posten berufen wird. Ihm ob- liegt die Leitung in erziehlicher, wissenschaftlicher, disziplinarer und administrativer Beziehung. Dem Kommandanten zur Seite steht ein dem Professorenkorps angehörender Oberstleutnant oder Oberst als Studieninspektor1) für die Überwachung des wissenschaftlichen Unterrichtes und ein Inspektor der körperlichen Übungen als Leiter der körperlichen Ausbildung der Zöglinge. Für die Leitung des Kanzleidienstes ist dem Kommandanten ein Offizier des Armeestandes als Adjutant beigegeben.

Die administrativen Geschäfte der Anstalt besorgt im Sinne der Weisungen des Schulkommandanten die Verwaltungskoin- mission. Dieselbe besteht aus einem Stabsoffizier des Professoren- korps als Präses, aus einem Hauptmann des Professorenkorps

*) Der Studieninspektor bezw. der Inspektor der körperlichen Übungen wären auch aur Mitverfassung der Qualifikationslisten über den Lehrkörper be- rufen. Diese Maßregel würde gewiß von allen Lehrern mit Freude begrüßt werden, denn gegenwärtig sind dieselben völlig der „Allmacht" des Schul- kommandanten — der mitunter gar nicht in der Lage ist, die Leistungen der Lehrer beurteilen zu können ausgeliefert.

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Rodic.

als Präsesstellvertreter, aus einem Offizier des Ruhe- oder Armeestandes als Ökonomieoffizier, einem Truppenrechnungs- führer und den erforderlichen Hilfsarbeitern. Entweder der Präses oder dessen Stellvertreter müßte Fechtlehrer sein. Der Öko nomieoffizier fungiert gleichzeitig als Kommandant des Mann- schaftsdetachements.

Die Erziehung und der Unterricht der Zöglinge obliegen dem Lehrkörper. Derselbe gliedert sich in das Militärprofessoren- korps, die demselben zugeteilten Offiziere und die zur Schule kommandierten Offiziere.

Das Militärprofessorenkorps das sind Offiziere, welche das Lehrfach zum Lebensberuf erwählten bildet einen eigenen Konkretualstatus mit Chargengraden von der IX. bis zur VI. Rang- klasse. Die Chargenbezeichnungen sind dieselben, wie bei den Offizieren des Soldatenstandes.

Die dem Militärprofessorenkorps zugeteilten Offiziere sind Lehraspiranten, welche die Übernahme in das Professorenkorps anstreben und bereits als Lehrer verwendet werden.

Die zur Schule kommandierten Offiziere sind Offiziere der Truppe (des Generalstabes), welche als Lehrer von Fachgegen- ständen ausschließlich militärischer Natur, bzw. als Kompagnie- kommandanten und Inspektionsoffiziere für eine Anzahl von fünf bzw. drei Jahren in die Anstalt kommandiert werden.

Die Leitung des sanitären Dienstes obliegt zwei Militär- ärzten, von denen der ältere als Chefarzt fungiert. Beide zählen auf den Stand der kommandierten Offiziere.

Den geistlichen Seelsorgedienet besorgt ein geistlicher Militärprofessor.

Die Schule zählt sieben Jahrgänge, von denen jeder in zwei Parallelklassen zerfällt. Die Zahl der Zöglinge in jeder Klasse darf 25, der Stand der ganzen Schule 350 nicht über- schreiten. Die Zöglinge formieren zwei Zöglingskompagnien unter dem Kommando von zwei zur Schule kommandierten Haupt- leuten (Rittmeistern) der Truppe. Dem Kompagniekommandanten obliegt die Leitung ihrer Kompagnien in disziplinarer Beziehung. Ferner sind dieselben Leiter des Unterrichts im Schießwesen und Exerzieren. Zu letzteren Zwecken sind überdies jeder Kom- pagnie je vier ebenfalls von der Truppe zur Schule kom- mandierte — Offiziere der Truppe beigegeben. Den Kompagnie- kommandanten und deren Subalternoffizieren obliegt überdies die Handhabung des Scliulinspektionsdienstes.

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Zum Stande der Schule gehört ferner ein ausreichendes Mannschaftsdetacheraent und die erforderliche Anzahl der zum Reitunterrichte nötigen Reitpferde. Letztere, samt dem erforder- lichen Wartpersonal unterstehen dem Reitlehrer (einem zur Schule kommandierten Kavallerie- oder Artillerieoffizier).

Die Verpflegung der Zöglinge hätte in ähnlicher, jedoch ausgiebigerer Weise, wie es an unseren bestehenden Mililtär- bildungsanstalten der Fall ist, zu erfolgen. Spirituosen dürften den Zöglingen bei gar keiner Gelegenheit verabreicht werden.

Die Kleidung müßte militärischen Schnitt haben, dabei jedoch ungehinderte, freie Bewegung bei allem körperlichen Übungen zulassen, somit frei von allem Beengenden sein. An- statt des gegenwärtig eingeführten Waffenrockes bzw. der Bluse, wäre ein Kleidungsstück einzuführen, welches den Hals und einen Teil der Brust freiließe, ähnlich etwa der Matrosenkleidung. Von der gegenwärtig systemisierten Kopfbedeckung wäre der Tschako als Paradekopfbedeckung beizubehalten, dagegen die Öffizierskappe abzuschaffen. An deren Stelle wäre für die kalte Jahreszeit eine warme, weiche Tuchkappe, für den Sommer ein luftiger Strohhut zu systemisieren.

Aufnahmsbedingungen.

Die Aufnahme in die neue Offiziersbildungsanstalt kann jeder unbescholtene Jüngling im Alter von 14 bis 16 Jahren anstreben, der vollkommen gesund, körperlich für sein Alter gut entwickelt ist, die rigorose, sehr ins Detail gehende Aufnahms- prüfung besteht und dessen Eltern den Pensionspreis von 2000 Kronen jährlich erlegen können. Söhne von Offizieren bis zu 7* de8 Gesamttstandes sind Von der Zahlung der Pension befreit. Jene Bewerber, welche die 4 unteren Klassen einer Staatsinittelschule mit Vorzug absolviert haben und mittel- los sind, können ebenfalls um die unentgeltliche Aufnahme an- suchen. Dieselbe wird jedoch nur in dem Falle gewährt, wenn diese Anwärter auch die Aufnahmsprüfung mit Vorzug bestehen. Die Zahl solcherart aufgenommener Bewerber darf ebenfalls 74 des Gesamtstandes der Schule nicht überschreiten. Von der Ablegung der Aufnahmsprüfung wird grundsätzlich niemand befreit, letzterer müssen sich auch die gewesenen Zöglinge der Militärunterrealschulen unterziehen.

Sogenannte Stiftungsplätze existieren nicht, da von der Voraussetzung ausgegangen wird, daß dieselben, falls sie be-

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258

Rodic.

stäDcien, leicht minderwertigen, durch Protektion vorgeschobenen Individuen zufallen könnten.

Auf die körperliche Rüstigkeit und Gesundheit wird bei der Aufnahme das Hauptgewicht gelegt. Die diesbezügliche ärztliche Untersuchung wird zu diesem Zweck« kommissioneil unter Vorsitz des Schulkommandanten selbst vorgenommen. Mit Gebrechen behaftete, stark kurzsichtige, anämische Individuen, werden für keinen Fall aufgenommen. Für die Aufnahme spielt die körperliche Tüchtigkeit dieselbe Rolle, wie die geistige, der Zögling ist daher auch bei der körper- lichen Untersuchung zu klassifizieren und diese Klassifizierung in das Resultat der Aufnahmsprüfung mit einzubcziehen.

Auf Grund des Prüfungsresultates wird eine Rangsliste jener Bewerber, welche die Prüfung bestanden haben, angefertigt. Aus derselben werden zunächst die Offizierssöhne, welche die Prüfung bestanden haben, bis zu 7* ä*er insgesamt Aufzunehmenden aus- geschieden. Für die Aufnahme der übrigen Prüfungskandidaten ist deren RangsverhUltnis maßgebend.

Das Pensionsgeld erscheint auf der ersten Blick mit 2000 Kronen als hoch bemessen. Im Hinblicke auf alles, was dem Zöglinge in der 'Anstalt geboten wird, ist dies aber keineswegs der Fall, es könnte im Gegenteil noch erhöht werden. An Be- werbern wird es nicht fehlen, denn eine Anstalt, in welcher der Sport eine Hauptgrundlage für die Erziehung bildet, muß in einer Zeit, da auch bereits bei uus in Österreich- Ungarn das Inter- esse für den Sport allgemein zu werden beginnt, eine mächtige Anziehungskraft auf die Jugend ausüben.

Le hrplan.

Für die Verfassung des Lehrplanes müssen in erster Linie die früher angeführten Grundsätze maßgebend sein, daß der Ausbildung des Körpers dieselbe Wichtigkeit beigemessen werde, wie jener des Geistes, daß ferner den Zöglingen, die, bei dein raschen Wachstum der jungen Leute doppelt notwendigen Ruhe- und Mußestunden gewährt werden. Daraus folgt die ebenfalls bereits erwähnte Notwendigkeit, einerseits die Stundenzahl des wissenschaftlichen Unterrichts im Laufe des Tages geringer zo bemessen, als es gegenwärtig der Fall ist, dagegen jene für die körperliche Ausbildung und die Ruhezeit zu erhöhen. Ferner muß, um einer einseitigen Ermüdung vorzubeugen, sowohl ein an- gemessener Wechsel zwischen leiblichem und geistigem Unterricht

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Verschlage zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

259

angestrebt werden, als auch jene Disziplinen, welche in erster Linie die Denkkraft des Zöglings beanspruchen in jene Tages- zeit verlegt werden, in welcher der Geist am aufnahinsfähigsten ist, d. i. in die Morgenstunden. Besonders anzustreben wäre, daß ein möglichst großer Teil des Unterrichts günstige Witterung vorausgesetzt in der freien Natur vorgenommen werde. Auf letzteren Umstand wird bei der Besprechung des Lehrplanes in den einzelnen Unterrichtsgegenständen, zurück- gekommen werden.

Der Schulunterricht wird umso fruchtbringender sein, je inniger der Kontakt des Lehrers mit dem Schüler ist. Dies ist aber umsomehr der Fall, je weniger Schüler gleichzeitig am Unterricht teilnehmen. Daraus ergibt sich die Forderung, die Stärke der Klassen möglichst gering zu halten. 40 und mehr Zöglinge in einer Klasse zu vereinen, wie dies heute an unseren Anstalten nur zu oft der Fall ist, kann nicht ohne nachteilige Folgen für den Fortschritt der einzelnen sein; anzustreben wäre, daß die Anzahl der Schüler in einer Klasse 20 bis 25 nicht überschritte. Daraus ergäbe sich als Stand der Anstalt 175 Zöglinge. Da letztere Zahl aber mit dem Apparat, der hiefür in Bewegung gesetzt würde, in keinem rechten Ver- hältnisse stände, so müßte diesem Umstände durch Errichtung von Parallelklassen abgeholfen werden.

Allgemeine Zeiteinteilung:

Winterhalbjahr (vom Beginne des Schuljahrs bis Ende März).

Tagwache um 6 Uhr früh, sodann eine Stunde für das Morgenbad, Ankleiden und Frühstück. Die folgende Stunde (bis 8 Uhr vormittags) ist dem eigenen Ermessen der Zöglinge }e nach der Wahl zum Wiederholungsunterricht, Spaziergang im Park u. dgl. Uberlassen, mit der Beschränkung, daß während dieser Zeit keine physisch anstrengenden Spiele und körperlichen Übungen vorgenommen werden dürften, damit bei dem folgenden, die volle Aufmerksamkeit erheischenden Unterricht der Zögling nicht bereits ermüdet sei. Im übrigen ist während dieser Zeit der Aufenthalt überall gestattet, mit einziger Ausnahme des Schlaf- saales, welcher spätestens um 7 Uhr früh von allen geräumt sein muß.

Von 8 bis 10 Uhr vormittags folgen nun zwei, das Denk- vermögen mehr in Anspruch nehmende Gegenstände, z. B.

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260

Rodiß.

Mathematik, Physik, Sprachen u. dgl. ; sodann zirka 10 15 Minuten Ruhepause und anschließend daran eventuell noch ein graphischer Unterrichtsgegenstand bzw. einer, der keine intensive Vorbereitung erfordert. Im allgemeinen wäre anzustreben, daß in den unteren Klassen nur zwei theoretische Vorträge, erst in den oberen Klassen deren drei in der Dauer von nicht mehr als je einer Stunde am Vormittag stattfinden. Die Ruhepause nach der zweiten Unterrichtsstunde würde durch entsprechende Abkürzung der Unterrichtsstunden um je zirka 5 Minuten gewonnen werden. Auf den vormittägigen theoretischen Schulunterricht folgt in allen Klassen noch eine Stunde körperlicher Übungen, u. zw. Exer- zieren, Turnen, Reiten, Fechten oder Schießen, sodann in den unteren vier Jahrgängen noch eine ganz dem Gutdünken der Zöglinge überlassene Erholungsstunde.

Zwölf Uhr mittags ist gemeinsames Mittagsmahl, sodann bis 2 Uhr nachmittags wieder Erholungspause, welche überall nur nicht im Schlafsaal zugebracht werden darf.

Nachmittags, von 2 bis 4 Uhr, finden wieder zwei theo- retische Unterrichtsstunden statt, u. zw. womöglich von Gegen- ständen, die weniger intensives Denken und gründliche Vor- bereitung beanspruchen, sodann eventuell noch eine Stunde körperlicher Unterricht.

Um 4 bzw. 5 Uhr nachmittags hört der Schulunterricht auf und ist die nun folgende Zeit bis 10 Uhr nachts ganz Eigentum der Zöglinge. Dieselbe wird allerdings teilweise zum Studium und für Aufgaben benützt werden müssen, doch wäre anzustreben, daß eine Wiederholungszeit von 1 bis 2 Stunden täglich für diesen Zweck genügt. Der Zögling kann in der freien Zeit arbeiten wann, wo und wie er will, es wird ihm unter Umständen gleichgiltig ob zu Zwecken des Studiums oder des Sports auch ein früheres Aufstehen gestattet.

Das Lehrpersonale muß seinen Einfluß dahin geltend machen, daß ohne aber auch nur den geringsten Zwang auszuüben die nicht durch das Studium in Anspruch genommene Zeit, von den Zöglingen ausschließlich sportlich ausgenützt werde. Für diesen Zweck ist die Schule wie im früheren Kapitel dar- gelegt wurde mit allen erforderlichen Einrichtungen versehen. Die Lust am Sport zu wecken, wäre nicht schwer, denn auch gegenwärtig, da an unseren Militärschulen in dieser Hinsicht so gut wie gar nicht vorgesorgt ist, kann man beobachten, daß ein großer Teil der Zöglinge, die ganz unzureichenden Mittel der

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

2»il

Schule stets benützt und jede Gelegenheit mit Freuden ergreift, um sich im Freien tummeln zu können. Sind aber alle erforder- lichen Mittel, ferner ausreichende Unterweisungsorgane vor- handen, wird ferner dem Zwecke noch dadurch Vorschub ge- leistet, daß von Zeit zu Zeit Wettkämpfe veranstaltet werden, so würde das sportliche Leben in der Schule sehr bald derart in Fluß kommen, daß man wird bremsen müssen, um Übertrei- bungen zu verhüten. Ist man aber so weit, so wird die Anstalt jeden einzelnen Zögling ein wahres, teures Heim sein und nicht mehr das enge Vogelhaus wie jetzt, aus welchem die lebens- kräftigen Elemente immer hinausgravitieren müssen.

Da eine Nachtruhe von wenigstens acht Stunden für die Jugend unbedingt notwendig ist, so müßte um 10 Uhr nachts, wenn möglich noch früher, unbedingt alles wieder in den Schlaf- sälen sein.

Im Sommerhalbjahr, vom 1. April an, würde die Tagesein- teilung insoferne eine Änderung erleiden, als die Tagwache um eine Stunde früher festgesetzt, am Vormittag der Schulunterricht wie im Winterhalbjahr abgehalten, dagegen an den Nachmittagen zumeist im Freien vorgenommen werden würde. Auf letztere Art wäre in den unteren Jahrgängen der Unterricht in Natur- geschichte und im Landschaftszeichnen, dann im praktischen Pionierdienst, in den oberen Klassen in der Taktik, praktischen Geometrie und in einzelnen militärtechnischen Gegenständen vor- zunehmen.

Die nachfolgenden Übersichten geben die Detaillehrpläne.

Beim Vergleiche derselben mit den gegenwärtig an unseren Kadettenschulen in Kraft stehenden Lehrplänen, dürfte mancher Leser eines vermissen, nämlich das Fehlen des Religions- unterrichtes. Es könnte daraus leicht gefolgert werden, daß der Verfasser die Bedeutung der Religiosität für den Soldaten unterschätze. Dies wäre ein großer Irrtum. Im Gegenteil, ich bin nur zu fest überzeugt, daß nur derjenige Offizier, der seinen christlichen Gott mit sich im Herzen trägt, in den Stunden blutigen Ernstes in vollem Um- fang jene felsenfeste Ruhe und Überlegenheit be- wahren wird, gegen welche alle Gefahren, Anstren- gungen und Entbehrungen wirkungslos bleiben.

Fortgelassen aus dem Lebrplane habe ich den Religions- unterricht nur aus dem Grunde, weil er gegenwärtig nicht nur

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2Ö2

Rodiö.

keine, sondern im Gegenteile eher negative Resultate zeitigt. Mit dem Auawendiglernen von Katechismussätzen und Gebeten, mit der Darlegung einiger sophistischer Gottesbeweise, wird man in, an klares Denken gewohnten Köpfen, kaum den Gottesglauben stärken können. Hier müßte ein ganz anderer Vorgang platz- greifen, den zu weisen ich mich aber nicht berufen fühle.

Lehrplan der unteren vier Jahrgänge. Winterhalbjahr.

Anzahl rf*r Unterrichts- stunden im

Unterrichtsgegenstand

l.i 2. 8. 4.

Jahrgang

c

9 ns c =

3

e

*

co V

O

Anmerkung

Deutsche Sprache Zweite Landessprache

Mathematik

Darstellende Geometrie

Zeichnen

Naturwissenschaften

Geographie

Geschichte

Schönschreiben » Stenographie

6 3 4

4 4

2

Zusammen

Schießen (Vorübungen, Kapsel- und Scharfschießen)

Turnen

Exerzieren

Fechten

24

3 4

2 3

6 3 4

4 4 2

24

3 4

2 3

6 3 3 2 4 3

2

1

24

8 4 2 3

Zusammen (körperl. Übungen) 12 12 12

8

3 3 2 4 3

2

1

24

12

Gesamtstundenzahl

36 36 36 36 144

24 1* 14 4

16 14 4 4

2 2

96

12 16 8 12

im 4- Jahrgang höhere Mathe- matik.

inklusive Elemente der Terrain

lehre.

Vorwiegend Physik u. Chemie.

48

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

263

Lehrplan der unteren vier Jahrgänge. Sommerhalbjahr.

Anzulil iL r Unterrlcntsutun den an den Vor mittagen im

Unterrichtsgegenstand

Anzahl der Nachmittage S 3 Stunden* im

1. 2. 3. 4. S

1 I 8

II

Jahrgang

1. 2. 8J 4.| § § i

Jahrgang

Anmerkung

Deutsche Sprache 2. Landessprache Mathematik .... Darstellende Geometrie

Zeichnen

Geographie

Geschichte

Naturwissenschaften (vom. Naturgescb.)

Zeichnen enst

Zusammen

Turnen

Schießen

Fechten

. .

Zusammen (körperl Übungen) ... | 6

1818

6 24

12

8

2 2

3 3 14

2 4| 2 8 ü 4

2 8

Im Falle Im Lehrsaale zwei Stunden vorwiegend Anschauungnunter- richt.

Im Fallo ungünstigen Wettera zwei Stunden im Lehrsaale.

Im Falle ungünstigen Wettern zwei Stunden Unterricht im Lehrsaale.

1>

18 72

5 5 5 5

20

2 8

6

8

e

24

1 1 1

Gesamtsumme

24 24 24 24 2

24|24j

6

<i 6 24

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264

Rodic.

-

Lehrplan der oberen drei Jahrgange. (Infanterieschule.) Winterhalbjahr.

Anzahl der Unterrichts- stunden im

Unterriohtagegenstand

5.

6.

e l

Anmerkung

Jahrgang

I

s

Deutsche Sprache

*

3

3

3

9

Mit Gesch&ftsstil, Rhetorik. Ein-

ffitimini» In rite* PhiloROnhip

Höhere Mathematik und Grund-

1

lehren der Mechanik

3

3

6

Praktische Geometrie

3

8

5

4

5

14

4

4

4

12

Inklusive Heerwesen und Befesti- gung.

3

3

8

Q

inkl. Einführung in die Strategie und Mlllt&rgeograpbie.

3

3

0

inklusive Schießtheorie.

Militardienstvorsohriften

1

2 1

o

o &

Staats- und Völkerrecht. Dlenstreglement 1. u. S. Teil, das Wichtigste aus den sonstigen Militär-

Zweite Landessprache

3

8

3

24

24

72

1

1

1

3

2

2

2

6

6

6

6

18

3

8

3

9

Zusammen (körperl. Übungen)

12

r

12

12

12

36

36

36

108

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Vorschlage zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

2G5

Lehrplan der oberen drei Jahrgänge. (Infanterie8chule.) Sommerhalbjahr.

Anzahl der Unterrichts- stunden a d. ' Vorm. im

AnzuLl <lrr Nachmittage a 3-4 Stun- den im

Unterrichtfgegenstand

1 5.1 6.| 7.

Z

s

5.| 6.

7.

a

8

Anmerkung

Jahr- gang

i

Jahr- gang

1

Deutsche Sprache Höhere Mathematik . Praktische Geometrie .

Militärtechnik Taktik . .

»»•••••

Kriegsgeschichte Waffenlehre Rechtslehre Militärdienstvorschriften Zweite Landessprache Pionierdienst ....

3 3 3 9-

1

3 3 I 61 .

3

8 2

» 3 9

6

2 3

8

2 3 5 2 1

1

3

20

Exerzieren

Reiten

Turnen

Fechten

Schießen

Zusammen (körperl. Übung.)

Gesamtsumme

6

20

8

20

6

9

60

18

1 1 1

27

7 27

7 27

8 21 81

1 1

ö 15 3

3

18

Wie im Winterhalbjahr, deito

Übungen in der Terrainauf- nalime in der Mapplerung und im Kroqulren.

An den Nachmittagen Aufgaben im Terrain.

Wie im Winterhalbjahr.

WrIo im Winterhalbjahr.

Bei ungünstigem Wetter Militär technik im Lehraaale.

Nur Im Terrain.

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266 Rodic.

Umfang d es U n te rri cli t es und Vorgang bei dem- selben.

Deutsche Sprache.

Anzustrebendes Lehrziel ist nach der Vollendung des vierten Jahrganges vollkommene Sicherheit im schriftlichen Ge- brauche der Sprache in grammatikalischer Hinsicht und Kenntnis der hervorragendsten Meisterwerke der deutschen und fremd- sprachlichen Literatur; nach Absolvierung der oberen drei Jahrgänge überdies eine gewisse Fertigkeit im mündlichen Vor- trag. Um diesem Lehrziel das gegenwärtig weder an unseren Militärerziehung8- und Bildungsanstalten noch an den Staatsreal- schulen auch nur annähernd erreicht wird möglichst nahe zu kommen, muß ein von dem gegenwärtigen verschiedener Unter- richtsvorgang eingeschlagen werden. Derselbe wird allerdings weitmehr Zeit erfordern, als der gegenwärtig übliche, diese steht aber auch im reichen Ausmaße zur Verfügung (33 Stunden gegen 12% an der heutigen Kadettenschule).

Die Grundlagen des künftigen deutschsprachlichen Unter- richtes sind einerseits die schriftliche Arbeit, anderseits die Lektüre, jede rein theorisierende Sprachlehre ist verpönt. Von den, in den untern vier Jahrgängen zur Verfügung stehenden sechswöchentlichen Unterrichtsstunden wären zwei zur Lösung von Schulaufgaben, zwei zu deren gründlicher Besprechung und zwei zur Lektüre zu verwenden. Die Aufgaben haben von der Wiedergabe einfacher, vom Lehrer vorgelesener und vorge- tragener Erzählungen und Beschreibungen, nach und nach bis zu Abhandlungen, Kritiken etc. über die verschiedensten Gegen- stände des allgemeinen Wissens fortzuschreiten. Hiebei ist vor allem auf logische, einfache, militärisch prägnante, durchsichtig klare, jeden Zweifel ausschließende Ausdrucks- bzw. Schreibweise hinzuarbeiten.

Jede Aufgabe muß vom Lehrer sowohl inhaltlich als auch sprachlich korrigiert, die Hauptverstöße der Schreibenden in einer einzig und allein nur der Besprechung gewidmeten Unter- richtsstunde, eingehend kritisiert werden.

Die der Lektüre gewidmeten Stunden müssen wirklich Lektüre sein, der Zweck ist hier, daß die Schüler die Meisterwerke der neueren Literatur kennen und würdigen lernen. Es darf daher nicht der dermalen an den Mittelschulen übliche Vorgang ein- gehalten werden, wonach in einer Unterrichtsstunde zumeist

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc. 207

nur wenige Zeilen eines Gedichtes oder ganz kleine Bruch- stücke eines Dramas oder Prosawerkes gelesen, mit den wenigen Zeilen aber derartige sprachliche, ästhetische und anderen Quälereien verübt werden daß es den Lehrern zumeist gründlich gelingt, ihren Schülern das Interesse an den schönsten dichterischen Schöpfungen zu verekeln. Es muß vielmehr die ganze Unterrichtsstunde ausschließlich Lesestunde sein. Von einem Prüfen dürfte hiebei nicht die Rede sein, die Einwirkung des Lehrers hätte sich nur auf das sprachlich richtige Lesen und die Erläuterung der für das Verständnis des Werkes unum- gänglich notwendigen Kommentare zu beschränken. Anzustreben wäre die Lektüre ganzer Werke, aber nicht von Bruchstücken; die Benützung der gegenwärtig gebräuchlichen, mitunter mit sehr fragwürdigem Verständnis und Geschmacke zusammen- gestellten Lesebücher, wäre womöglich zu vermeiden.

Der rein grammatikalische Unterricht ist nur in den, der Besprechung von schriftlichen Aufgaben gewidmeten Stunden zu pflegen. Die hiefür zur Verfügung stehende Zeit dürfte mehr als ausreichen.

In den oberen zwei Jahrgängen ist eine gewisse Fertigkeit der Schüler im freien Vortrag anzustreben, in den der Lektüre ge- widmeten Stunden sind einzelne Kapitel aus den bekanntesten philosophischen Schriftstellern zu lesen und dabei vom Lehrer kurze Umrisse über die betreffenden Philosophiesysteme zu geben.

Letzteres wird vielleicht manchem Lehrer als zu weitgehend erscheinen. Es ist dies aber keineswegs der Fall. Es gehört nicht allein zur modernen Bildung, daß man weiß, was man sich beim Nennen von Namen, wie Kant, Schopenhauer oder Nietzs che vorzustellen hat, sondern es bedeutet auch die Lektüre der Philosophen, namentlich wenn vom Lehrer mit kundiger Hand die rechten Kapitel ausgewählt werden, auch eine wertvolle Beigabe zur Bildung des Geistes und Charakters.

Das Lehramt des deutsehen Sprachlehrers wird nach alldem ein besonders schwieriges sein, somit eiDen besonders gebildeten und intelligenten, dabei in seinem Beruf aufgehenden Lehrer fordern, dem man da namentlich bei ihm der Stoff jeder Stunde wohl durchdacht sein muß, ferner die eingehende Kor- rektur der schriftliehen Arbeiten sehr viel Zeit in Anspruch nehmen wird nur eine beschränkte Zahl von Unterrichts- stunden, womöglich nur eine Klasse, zuweisen dürfte.

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R o d i c.

Math e m a t i k.

Das volle Verständnis für das moderne Kriegswesen er- heischt eine Menge technischer Kenntnisse. Die Rolle, welche die Technik im modernen Krieg spielt, ist gegen frühere Zeiten ungeheuer gewachsen und es wäre wohl müssig, dies hier des näheren beleuchten zu wollen. Sie ist ein besonders wichtiger Kampffaktor geworden, der Erfolg sehr oft von ihrer Beherr- schung, ihrem tadellosen Funktionieren abhängig.

Bis vor kurzem war man zum Teil ist man noch jetzt in Offizierskreisen geneigt, auf alles technische mit einer gewissen Geringschätzung herabzublicken. Die Geburtsstätte dieser Richtung ist das deutsche Reich. Der vorwiegend humanistisch gebildete preußische Offizier, dem zumeist wie der Krieg 1870/71 zeigte das technische Verständnis stark abging, hielt die Technik mit der Hurrahtaktik für schwer vereinbar und überließ sie ganz dem Spezialisten.

Der letzte Krieg in Ostasien hat in dieser Hinsicht gründ- liche Wandlungen gebracht. Nunmehr genügt es nicht mehr, daß der Offizier nichts weiter kann, als seinen Zug zum Angriff zu führen und im Feuer zu kommandieren. Er wird es ver- stehen müssen, soll er überall am Platze sein, mitunter im feind- lichen Feuer ein deutliches, charakteristisches Kroquis des Ge- ländes zu machen, alle Verständigungsmittel und wie zahlreich und kompliziert sind denselben vom optischen Telegraphen bis zur Funkentelegraphie - zu handhaben, unter Umständen die Stärke einer Brücke zu beurteilen, dieselbe auszubessern, bzw. zu verstärken. Er wird auch das Geschick haben müssen, sich in welchem Terrain und Objekte immer, mit seiner Abteilung technisch verstärken, bzw. einzurichten, Wege herzustellen, Sprengungen vorzunehmen, vorhandene technische Hilfsmittel der momentanen Kampflage dienstbar zu machen. Allerdings fallen alle diese technischen Dienstleistungen in erster Linie den technischen Spezialwaffen zu. Diese werden aber bei den ungeheuren modernen Gefechtsräumen nicht immer rechtzeitig und in ausreichender Zahl am Orte des Bedarfes eintreffen können, es wird sich daher die Truppe, in erster Linie der Offizier, sehr oft selbst helfen müssen. Soll er dies aber können, soll er auf die früher geschilderte Art und Weise überall ver- wendbar sein, so muß er über weit größere technische Kennt- nisse verfügen, als es gegenwärtig der Fall ist. Hat er aber

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

269

diese Kenntnisse nicht, so kann er nur allzu leicht in Lagen kommen, wo er sich nicht zu helfen weiß.

Die Grundlage für alle technischen Kenntnisse bilden aber die Mathematik und das Zeichnen. Es wird daher diesen Gegen- ständen *) in der künftigen Offiziersbildungsanstalt eine besondere Pflege zu teil werden müssen.

Das in unseren Infanteriekadettenschulen gelehrte Maß an Mathematik genügt aber selbst für das Verständnis einfacherer technischer Probleme nicht. Man vorsuche es, unseren neu aus- gemusterten Kadetten (aber auch Offizieren) etwas kompliziertere Infanterieschießaufgaben vorzulegen, man würde staunen, wie wenige sie zufriedenstellend zu lösen vermöchten. Die Ursache liegt nicht allein darin, daß der Umfang des an den Kadetten- scbulen gelehrten Stoffes nicht genügt, sondern weit mehr darin, daß das theoretisch Gelehrte in der Praxis nicht beherrscht wird, die Sicherheit in der Anwendung der Theorie bei Lösung von Aufgaben oder drastisch ausgedrückt die Fertigkeit im Rechnen fehlt.

Was nützen all1 die vielen, auf den hellen Kopf der gelehrte Mathematiker verzeihe den Ausdruck mitunter wie eine kalte Dusche wirkenden Beweise, wenn der Absolvent der Kadettenschule schließlich nach vierjährigem Studium nicht im Stande ist, eine quadratische Gleichung aufzulösen oder die Logarithmentafeln zu gebrauchen, bzw., daß der Absolvent der technischen Militärakademie bei Erhalt des Leutnantssternes in der Regel vom Differenzieren und Integrieren keine Idee mehr hat.

Man könnte hier allerdings einwenden, daß ja viele Menschen überhaupt keine Begabung für Mathematik besitzen und es in dieser Wissenschaft, trotz allen angewandten Fleißes, nie zu nennenswerten Resultaten bringen. Gewiß, es gibt Indi- viduen, denen die Begabung für Mathematik ganz und gar ab- geht, dieselben sind jedoch weit seltener, als man in der Regel anzunehmen gewillt ist. Dagegen bestreite ich es, daß das „Handwerkszeug" schwerer zu erlernen ist, als etwa die Gram- matik einer Sprache oder Uberhaupt eine Wissenschaft, die mehr

») Der augenfälligste Beweis, daß die mathematische Bildung der In- fanterieoffiziere nicht auf der Höhe der Zeit und der Infanteriewaffe steht, ist wohl der, daß das Referat über das Sohießwesen der Infanterie, bei den Korpskommanden zumeist in Händen von in dieser Hinsicht besser vor- gebildeten — Artillerieoffizieren liegt.

Organ der MllUirwlMenichaftlichen Vereine. LXXIII. Bd. 1906. ] s

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R o (1 i c.

das Denken als das Gedächtnis beansprucht. Die Lösung schwie- riger mathematischer Probleme ist allerdings nicht eines jeden Sache, den praktischen Gebrauch des mathematischen Apparates das Rechnen kann jedermann erlerneu.

Die Ursache, daß die erreichten Resultate so oft ganz minderwertig sind, liegt hier weit mehr an den Lehrern als an den Schülern. Die wenigsten Mathematiklehrer verstehen es. sich der Mehrzahl ihrer Schüler verständlich zu machen, sehr viele nehmen sich gar nicht die Mühe dazu und sind nur zu gern bereit, von ihrer stolzen Höhe überall dort Unfähigkeit zu er- blicken, wo sich genau besehen nur ihr eigenes Unvermögen, die Unfähigkeit logisch und verständlich vorzutragen, doku- mentiert. Allerdings wird die Sachlage noch dadurch erschwert, daß im Mathematikunterricht mehr als in jedem anderen Gegen- stand, eine Unmasse unnützer Ballast mitgeschleppt wird. Man nehme nur die an den Mittelschulen eingeführten Lehrbücher zur Hand. Sie strotzen von Ableitungen und Beweisen, die der Schüler lernen muß. Ist dies notwendig? Zum Teil gewiß, aber auch da nur, um dem Schüler den allgemeinen Vorgang zu zeigen, größtenteils sind dieselben aber völlig überflüssig. Was wird z. B. aus der niederen Geometrie nicht alles gemacht. Ist es denn notwendig, den ganzen Entstehungsgang derselben von den Schülern mitmachen zu lassen, während in der Praxis nur einige wenige Lehrsätze gebraucht werden?1) Wie interessant könnte dagegen das Studium der Mathematik und wie anregend deren Unterricht durch die häufige Lösung von, dem reellen praktischen Leben entnommenen Aufgaben gemacht werden ! Leider hat man hiezu, bei der heutigen Unterrichtsmethode keine Zeit.

Nach dieser Abschweifung gehe ich nun daran, den Lehr- stoff, der in der zukünftigen Offiziersbildungsanstalt zu ab- solvieren wäre, zu präzisieren. Es wäre dies in den unteren 3 Jahrgängen, der für die 3 oberen Klassen einer österreichischen Staatsoberrealschule vorgeschriebene Lehrstoff, mit Ausschluß der Analysis und der sphärischen Trigonometrie. Anzustreben wäre

>) Allerdings geschieht dies nur zu dem Zwecke wie die phrasen- reiehen „Instruktionen für den Unterricht an den Realschulen" ausführen weil diesem Unterriohtsvorgang ein anerkannt hoher Bildungswert (?) zukommt und weil hiedurch angeblich das Denkvermögen besonders ausgebildet wird ; als ob das Denkvermögen durch Pflege des praktischen Zwecks bei Beiseitelassung aller Wolkenschiebereien, nicht ebensogut gesteigert werden könnte.

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Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

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besonders die gründliche Kenntnis der Algebra, der Gleichungen 1. und 2. Grades und der ebenen Trigonometrie. Aller überflüssige Beweis- und Formelkram wäre wegzulassen, dagegen das prak- tische „Rechnen" durch Lösung von vielen, allen Gebieten der Technik entnommenen Aufgaben, besonders zu kultivieren. Im 4. Jahrgang wäre die „höhere Analysis" (die niedere zu lehren hat gar keinen Zweck) und im 5. und 6. wären die Elemente der Differential- und Integralrechnung vorzunehmen. Durch das Studium der letzteren würde erst der Zögling die erforderliche Grundlage für das volle Verständnis der Schießtheorie und einzelner Kapitel der Technik erhalten.

Darstellende Geometrie.

Vielleicht noch öfter als für Mathematik, gibt es für dar- stellende Geometrie Lehrer, bei welchen die Schüler mit Ausnahme einiger weniger besonders Begabter gar nichts profitieren, dagegen aber auch Lehrer, die eine derart anschau- liche Art zu lehren haben und das Vorstellungsvermögen ihrer Schüler und darauf kommt ja in der darstellenden Geometrie alles an so gut zu wecken verstehen, daß' sie gleichsam spielend die schönsten Resultate erzielen.

Auch in der darstellenden Geometrie ist eine gründliche Reme- dur zu Gunsten der Praxis notwendig. So manches Kapitel, so z. B. das von vielen Lehrern mit Vorliebe breitgesponnene Parade- kapitel von den „Durchdringungen" wäre auf ein Minimum ein- zuschränken, dagegen die Hauptaufmerksamkeit dem „praktischen Zeichnen" zuzuwenden. Technische Objekte in allen Projektions- arten „darstellen" soll der Zögling lernen, von der Lösung ab- strakter Aufgaben wäre ganz abzusehen. Was nützt es, wenn auch einigen Schülern die Lösung derartiger Aufgaben gelingt, wenn aber die Mehrzahl nach mehrjährigem Unterricht kaum im Stande ist, einen Tisch in zwei Projektionen darzustellen?

Zeichnen.

Auch für den Unterricht im Zeichnen müßte der praktische Endzweck allein maßgebend sein. Der Offizier soll Fertigkeit im Kroquieren, Entwerfen einfacher technischer Pläne, ferner im Anfertigen einfacher, charakteristischer Landschaftsskizzen haben.

Um diesen Zweck zu erreichen, ist der Schüler im scharfen Konturenzeichnen, im Zeichnen von Terrainskizzen- und Plänen, im geometrischen Zeichnen, ferner im Landschaftszeichnen zu üben.

18*

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RodiC.

Alles andere die künstlerischen Forderungen dabei hoch in Ehren namentlich das rgenialeu Schmieren mit Wischer und Pinsel, dann das an unseren Schulen mit Schwung betriebene Zeichnen und Malen von zerbrochenen Krüzen, Obst und Gemüse, fördert mir die Oberflächlichkeit Ein „genialer" Stillebenmaler, der Stimmungen und Affekte darzustellen vermag, wird sich in der Regel viel zu erhaben fühlen, um eine haarscharfe, peinlich genaue Terrainzeichnung zu verfertigen. Letzteres muß aber der Offizier vor allem können. Der Schüler wird daher zunächst, um sich einen scharfen Strich und Genauigkeit anzugewöhnen, lange Zeit hindurch Vorlagen kopieren, bzw. um sein Augen- maß zu bilden, das auf der Schultafel vom Lehrer Vorgezeichnete nachzeichnen müssen. Gleichzeitig wird er in die Handhabung von Reißzeug und Lineal, Farben und Pinsel eingeführt. Ist er in dieser Beziehung genügend vorgeschritten, so kommen die Grundlehren der Perspektive und das Landschaftszeichnen an die Reihe. Hand in Hand damit müßte das, für den Offizier be- sonders wichtige Terrainzeichnen gehen.

Der Unterricht im Zeichnen ist auch die beste Schule, um dem angehend«» Offizier jene Genauigkeit anzuerziehen, die für seinen Beruf unerläßlich ist.

Naturwissenschaften.

Am wenigsten entsprechen die erzielten Erfolge dem anzu- strebenden Zwecke im Unterrichte in den Naturwissenschaften. Dies gilt in gleicher Weise für die Militäranstalten als auch für die Zivilmittelschulen.

Nach einem dreijährigen Unterrichte in der Naturgeschichte ist die Mehrzahl der Schüler nicht in der Lage, die Gesteins- arten in einem Steinbruche zu erkennen, einen Apfel- von einen Zwetschkenbaum (außer wenn die reifen Früchte daran hängen), eine Amsel von einem Finken zu unterscheiden. Dafür werden gelehrt und geprüft und unmittelbar nach der Prüfung nicht nur von den Schülern, sondern sehr oft auch von den Lehrern wieder vergessen, die kompliziertesten Systeme der Kristallo- graphie, die anatomischen Unterschiede der Skelette sämtlicher Wirbeltiere, die Eigentümlichkeiten der Flora Kaliforniens und Australiens etc.

Wenn irgendwo der Anschauungsunterricht mit dem theo- retischen Hand in Hand gehen muß, so ist dies in der Natur- geschichte vor allem notwendig. Damit aber, daß man dem

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Schüler hie und da einen ausgestopften Vogel, eine verwelkte Pflanze oder einen Steinbrocken vorweist ist nichts getan. Der Unterricht kann erst anschaulich, lebendig werden, wenn man ihn in der freien Natur vornimmt und letztere in den Augen der Schülers als lebenden Organismus vorführt und ihre Er- scheinungen erklart. Die von der Wissenschaft eingeführten Grenzen, die ja nur dazu vorhanden sind, um den ungeheuren Stoff zu sichten und übersichtlich zu machen, dürfen in der Schule, wo ja ein Überblick über das ganze Gebäude gewährt werden soll, nicht vorhanden sein. Nicht von einander getrennt dürfen Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie gelehrt, sondern gleichzeitig, in innerem Zusammenhang und von demselben Lehrer müssen sie den Schülern vorgeführt werden.

Nichts ist anregender, nichts kann für das empfangliche Gemüt der Jugend interessanter gestaltet werden, nichts das Vergnügen und die Freude an der Natur mehr heben, als der Unterricht in der Naturgeschichte. Was wird aber in der Regel aus demselben gemacht?

Ebenso wie die deutschen Sprachlehrer ihren Schülern das Interesse an den erhebendsten Dichterwerken zu verekeln ver- stehen, ebenso bringen es die Naturgeschichteprofessoren zu- stande, ihren Schülern die ganze Natur als ein großes Schema, aus nichts anderen als unzähligen Klassen, Ordnungen, Familien u. dgl. bestehend, erscheinen zu lassen. Allerdings, ist irgendwo die Wahl des Lehrers schwer, so ist sie es hier ganz besonders. Fehlt dem Lehrer der Sinn für die Reize der Natur, so taugt er auch nicht zu ihrem Interpreten.

Im nachfolgenden soll ein Versuch gemacht werden zu zeigen, wie sich ein rationeller Unterricht in der Naturgeschichte vornehmen ließe.

Der Unterricht hätte grundsätzlich im Freien, nur aus- nahmsweise und bei schlechtem Wetter im Zimmer, stattzufinden. Da zu den mit demselben im Zusammenhange stehenden Wande- rungen Zeit erfordert wird, so wird derselbe auf zwei bis drei Stunden ausgedehnt.

Der Lehrer führt seine Schüler in einer solchen Unter- richtsstunde z. B. an einen Waldrand. Er benennt die dortselbst vorhandenen Bäume, Sträucher, Pflanzen, hebt ihre Hauptmerk- male, das allen Gemeinsame, sodann die Unterschiede hervor. Er bespricht die Entwicklung im Laufe des Jahres, geht in das Detail des Baumes über, erklärt ihren Wachstum, ihre Lebens-

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Verrichtungen, u. zw. alles in einer anregenden Art und Weise. Ein über die Aste dahinhuschendes Eichhörnchen, ein schillernder Käfer, ein Vogel in den Zweigen, ein mit einer Pflanze gleich- zeitig ausgehobener Engerling, eine auf den Blattern kriechende Raupe, geben ihm die Gelegenheit, um unmerklich auf ein anderes Wissensgebiet, das der Zoologie, überzugehen und auf demselben seine Ausführungen fortzuspinnen. Hiedurch wird nicht nur die Aufmerksamkeit der Schüler rege erhalten, sondern auch deren Beobachtungsgabe geschärft.

Ein anderesmal führt der Lehrer seine Zöglinge in einen Steinbruch. Er benennt die in demselben auffindbaren Mineralien, macht auf die Formen, in welchen sie vorkommen, sowie auf ihre Eigenschaften aufmerksam. Die Schichtung der Gesteine, einzelne aufgefundene Peträfakten geben ihm Gelegenheit, auf die Erdgeschichte überzugehen. Er zeigt die über dem Gestein aufliegende Erdschichte, belehrt die Schüler über deren Ent- stehung und Zusammensetzung.

Bei anderer Gelegenheit zeigt er an einem Fluß oder Bach die Wirkung des Wassers, geht auf meteorologische Erschei- nungen über, bespricht das Leben im Wasser u dgl. m. An den Tagen, welche einen Unterriehl im Freien nicht gestatten würden, also im Winter, wenn der Boden mit Schnee bedeckt ist, oder schlechtes Wetter den Aufenthalt im Freien behindert, könnte der Unterricht im Zimmer durch Kapitel mehr theore- tischer Färbung jedoch auch hier bei tunlichster Inanspruch- nahme von Sammlungen, Modellen, Tafein, ergänzt werden. Dieser im Zimmer abzuhaltende Unterricht in der Naturgeschichte wäre aber auf ein Minimum zu reduzieren, die ungünstige Zeit, speziell das Winterhalbjahr, wäre vielmehr für den Unterricht in der Physik und Chemie auszunützen.

Was den Unterricht in der Physik anbetrifft, so müßte der- selbe in einem solchen Umfang gelehrt werden, um eine sichere Basis für den in den drei oberen Jahrgängen der Schule vorzuneh- menden Unterricht in den technischen Unterrichtsstunden zu gewähren. Die Methode wäre in erster Linie auf die Natur- beobachtung und das Experiment aufzubauen, jedoch dürfte aus dem vorerwähnten Grunde die mathematische Grundlage nicht vernachlässigt werden. Im allgemeinen dürfte der an der Real- schule gelehrte Umfang entsprechen, was aber nicht verhindern würde, daß einzelne Kapitel bedeutend restringiert, andere aber,

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speziell diejenigen, welche die Ausnützung durch die Technik lehren, erweitert werden könnten.

Eine gründliche Unigestaltung müßte auch der Unterricht in der Chemie erfahren. Gegenwärtig lernt zwar der Zögling die Struktur der kompliziertesten Verbindungen der organischen Chemie, weiß dagegen in der Regel Uber die chemischen Pro- zesse bei der Brotbäckerei, der Stahlerzeugung u. s. w. kaum oder nur ungenügend Auskunft zu geben. Der Chemieunterricht in der modernen Offiziersbildungsanstalt hätte in erster Linie die im bürgerlichen und militärischen Leben auf Schritt und Tritt vorkommenden Anwendungen der Chemie zu berücksichtigen und die wissenschaftliche Basis nur insofern zu pflegen, als sie zur ausreichenden Erklärung dieser Erscheinungen notwendig erscheint.

Geographie.

Beim Unterrichte in der Geographie muß von allem un- nützen Gedächtniskram abstrahiert werden. Der Unterricht muß im Interesse der Sache zum großen Teile graphisch erfolgen, das gegenwärtig übliche Gedächtniszeichnen müßte aber da das hiemit erzielte Resultat in keinem Verhältnis zur aufge- wandten Mühe steht verpönt werden. Der Umfang des Unter- richtsstoffes könnte der gegenwärtig lehrplanmäßig vorge- schriebene bleiben, als Ziel wäre aber nur anzustreben, daß eich der Schüler auf jeder geographischen Karte leicht orien- tieren kann, die wichtigsten oro-, hydro- und topographischen Verhältnisse der fünf Erdteile kennt und über die am häufigsten vorkommenden derlei Namen leicht Auskunft zu geben versteht. Hiebei müßte selbstverständlich die Geographie Österreich- Ungarns und der, im Falle eines Krieges in Betracht kommenden Grenzgebiete der fremden Staaten eingehender behandelt werden.

Um den spröden Stoff möglichst interessant zu machen, wäre bei jeder sich darbietenden Gelegenheit der Einfluß der geographischen BodenbeschafFenheit auf den Gang der Kultur und Geschichte (nach Art Ratzels politischer Geographie) zu zeigen. Es müßte daher der Unterricht in der Geographie und Geschichte in engsten Zusammenhang zu einander gebracht und von dem- selben Lehrer vorgetragen werden.

Die einschlägigen Kapitel der physikalischen Geographie wären zweckmäßiger in den Unterricht der Naturwissenschaften aufzunehmen.

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Allgemeine Geschichte.

Einer gründlichen Umgestaltung muß auch der geschicht- liche Unterricht unterzogen werden, sowohl was den Umfang des Stoffes, als auch, was die Methode anbelangt.

Welchen Wert für den modernen Menschen die eingehende Kenntnis der Geschichte des Altertums und des Mittelalters haben soll, darüber mögen sich gelehrte Professoren streiten, für den Soldaten ist die detaillierte Kenntnis der geschichtlichen Vorgänge der letzten hundert Jahre unvergleichlich wichtiger als die der ganzen, bis dahin verflossenen Zeit. Es wäre daher die Geschichte des Altertums und Mittelalters, sowie des Be- ginnes der Neuzeit nur ganz episodenhaft vorzunehmen, letztere nur insofern etwas eingehender, als es sich hiebei um die vaterländische Geschichte handelt. Der eigentliche geschichtliche Unterricht sollte erst da beginnen, wo er an unseren Mittelschulen eigentlich aufhört, nämlich bei der ersten großen französischen Revolution. Die ältere Geschichte wäre nur enzyklopädisch zu behandeln und die Schüler nur mit jenen Erscheinungen der- selben bekannt zu machen, welche gleichsam Marksteine der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit bilden. Es wären dies Solon, Lykurg, Perikles bei den Griechen, die punischen Kriege und Cäsar bei den Römern, die Völkerwanderung, Karl der Große, die Kreuzzüge im Mittelalter, die geographischen Entdeckungen, der Humanismus und die Religionskriege am Beginn der Neuzeit.

Was den Vorgang beim Unterricht anbetrifft, so wäre der- selbe nach der modernen, Ursache und Wirkung einander gegen- überstellenden Methode vorzunehmen. Allerdings fehlen hieftir derzeit noch die nötigen Behelfe; der Lehrer müßte eben auf den von Buckle gewiesenen (unter anderen vom Professor Richter der Kriegsschule auf hervorragende Weise) prakti- zierten Pfaden, selbstschaffend vorgehen. Hiebei wäre das Haupt- gewicht auf die Staats- und Kulturgeschichte zu legen, dagegen die Kriegsgeschichte, da dieselbe in den oberen drei Klassen einen besondereu Lehrgegenstand bilden würde, nur nebstbei, insoweit zum Verständnis der historischen Vorgänge erforderlich, zu betreiben.

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Praktische Geometrie.

Dieselbe wird beiläufig in dem Umfang, wie in der tech- nischen Militärakademie, jedoch bei größerer Betonung des praktischen Zweckes vorzunehmen sein. Auch hier muß der rein wissenschaftliche Ballast zu Gunsten der Praxis zurücktreten. Anzustreben ist die gründliche Kenntnis und Handhabung der geodätischen Instrumente, volle Versiertheit und Übung in allen Arten von Terraiuaufnahmen. Um letztere zu erlangen, dürfte es notwendig sein, außer den im Sommersemester für diesen Zweck verfügbaren zwei Nachmittagen in der Woche, noch nachher, außerhalb des eigentlichen Schuljahres, eine mehr- wöchentliche Terrainaufnahme vorzunehmen.

Militärtechnische Unterrichtsgegenstände.

Der Unterricht in denselben hätte die wichtigsten Kapitel der Militärtechnik zu umfassen. Er wäre nichts anderes als ein bedeutend erweiterter, zum Teil auf wissenschaftlicher Basis gelehrter „Piönierdienst". Der Unterricht müßte sich auf alle von den technischen Truppen im Felde auszuführenden tech- nischen Verrichtungen erstrecken u. zw. in einem solchen Um- fang, daß der Absolvent der Anstalt die Eignung erhielte, um unter Umständen selbständig als Leiter derartige Arbeiten vor- nehmen zu können. Es müßte daher in der Schule zum großen Teil auch praktisch alles gelehrt werden, was im technischen Unterrichte der Pioniertruppe und zum Teil auch des Eisenbahn- und Telegraphenregiments enthalten ist.

In erster Linie müßte jeder Zögling die eingehendste Kenntnis sämtlicher im Felde vorkommender Verbindungsmittel haben. So wenig mehr eine moderne Schlacht ohne weitgehendste Inanspruchnahme von optischem und elektrischem Telegraph, Telephon, ja sogar drahtlosem Telegraphen denkbar ist, ebenso notwendig wird es sein, daß die eingehendste Kenntnis derselben bei der fechtenden Truppe selbst vorhanden sei, soll deren rationelle Verwendung in allen Fällen verbürgt sein. Dies erfordert, daß der Offizier diesbezüglich schon in der Schule in eingehendster Weise unterwiesen werde.

Im übrigen sollte der Grundsatz maßgebend sein je mehr praktischtechnische Kenntnis man dem zukünftigen Offizier lehrt, umso besser verwendbar wird er sein. Bei sonst gleicher militärischer Berufsausbildung undVer-

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a n 1 a g u n g, wird der technisch gebildete Offizier im Ernstfälle jedem andern überlegen sein. Er wird sich und seiner Truppe in prekären Lagen zu helfen wissen, ohne auf diu Unterstützung der technischen Truppen warten zu müssen und damit oft um einen Schritt dem schließlichen Er- folge näher sein, als der technisch nicht Gebildete. Es muß daher, wenn auch im beschränkten Sinne, jeder Offizier gleich- zeitig Techniker, Ingenieur sein.

Waffenlehre und Schieß wesen.

Die Ausbildung im Schießwesen hat in der Armee in den letzten Jahren einen enormen Aufschwung genommen. Wenn noch vor wenigen Jahren ~ trotz Armeeschießschule ein im Schießwesen allseitig gebildeter Infanterieoffizier eine Selten- heit war, verfügt heutzutage jedes Infanterieregiment über mehrere eminent tüchtige Fachleute.

Dagegen sind die vom Offiziersnachwuchs aus der Kadetten- schule, aber auch aus den Akademien zur Truppe mitgebrachten derlei Kenntnisse, zumeist unzureichend. So wertvoll anderseits wieder die Armeeschießschule ist, so ist dieselbe doch nicht im Stande, die große Zahl von Schießfachleuten heranzubilden, welche die Truppe benötigt, denn eigentlich sollte ja jeder Offizier ohne Unterschied der Waffe, das Schießwesen virtuos beherrschen.

Um dieser Forderung möglichst nahe zu kommen, muß der Unterricht in der künftigen Offiziersbildungsanstalt in weit größerem Umfange und auf weit gediegenerer wissenschaftlicher Basis gehandhabt werden. Derselbe hätte schon im ersten Jahr- gang der Schule hier vorerst nur auf rein praktische Weise zu beginnen und es müßte getrachtet werden, den Zögling schon in den untern vier Jahrgängen zum sicheren Schützen heranzubilden. Während dieser Zeit müßte ihm bereits soviel von der Schießtheorie beigebracht worden sein, daß er die Schießinstruktion völlig sicher beherrscht und alle in der Praxis vorkommenden Schießaufgaben mit Verständnis zu lösen vermag.

Im obersten Jahrgang der Schule wäre sodann auf solider mathematischer Basis, die wissenschaftliche Grundlage des Schießwesens zu geben. Diese mathematische Basis wäre unum- gänglich notwendig, denn ohne Mathematik gibt es kein volles, gründliches Verständnis des Schießwesens.

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Der Unterricht in der Waffenlehre müßte mit jenem im Schießwesen Hand in Hand gehen ; auf Grund der Schießtheorie müßte der Schüler die Vor- und Nachteile der Waffen unserer Nachbarstaaten kennen lernen.

Was den Umfang des Lehrstoffes anbetrifft, so wäre der- selbe beiläufig in dem Ausmaße vorzunehmen, welches im Lehr- plan für die Theresianische Militärakademie vorgeschrieben ist.

Taktik.

Der an unseren Militärbildungsanstalten gegenwärtig übliche, auf die applikatorische Methode aufgebaute Unterricht in der Taktik, kann als völlig auf moderner Grundlage stehend und ent- sprechend bezeichnet werden. Zu bemerken wäre nur, daß die lange Dauer der Unterrichtsptuuden (2, selbst 2l/2 Stunden), abgesehen von jenen Gelegenheiten, da der Unterricht im Terrain abgehalten wird, Lehrer und Schüler ermüdet, daher nicht zweckmäßig ist. Zwei, selbst 21/» Stunden die Aufmerksamkeit unausgesetzt einem Thema zuzuwenden, dies ist, sowohl vom Lehrer als auch vom Schüler, zu viel verlangt. Auch hier sollte, wie in den anderen Disziplinen, die Dauer der Unterrichtszeit eine Stunde nicht überschreiten.

Es dürfte sich als zweckmäßig erweisen, in den Taktik- unterricht den Unterricht im Heerwesen mit einzubeziehen und den letzteren Hand in Hand mit dem ersteren zu erteilen. Damit wäre nebstbei der Vorteil erreicht, daß dem Schüler nur das wirklich Notwendige aus der Heeresorganisation gelehrt würde, während alles überflüssige, das Gedächtnis belastende Detail womit die Zöglinge heutzutage geplagt werden von selbst entfiele.

Auch die Befestigung wäre nicht als besonderer, in sich abgeschlossener Unterrichtsgegenstand vorzunehmen außer au den Spezialschulen für die Pioniertruppe und die Festungs- artillerie. Die Feldbefestigung speziell ist derart mit der Taktik verquickt, daß es geradezu als naturwidrig genannt werden muß, die erstere von letzterer getrennt, durch einen der Infanterie mehr oder weniger fremd stehenden Offizier des Geniestabes lehren zu lassen. Der Natur der Sache dürfte es weit mehr entsprechen, wenn die Feldbefestigung im innigsten Kontakt mit der Taktik durch den Taktiklehrer vorgenommen wird u. zw. als nichts anderes, als eine, infolge besonderer Umstände mitunter notwendig werdende besondere Kampfart der Infanterie.

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Der Unterricht in der beständigen Befestigung und im Festungskrieg könnte dagegen ebensowohl als besonderes Kapitel der Taktik als auch der technischen Wissenschaft behandelt werden. Hiebei wäre aus der beständigen Befestigung nur das Wichtigste, nur die Nomenklaturen vorzunehmen, bzw. anzu- streben, daß sich der Zögling auf Festungsplänen zurechtzu- finden weiß; im Festungskrieg wäre das Hauptaugenmerk ins- beBonders der, den besonderen Verhältnissen anzupassenden Kampfweise der Infanterie, zuzuwenden.

Kriegsgeschichte.

Der Zweck des Unterrichtes in der Kriegsgeschichte wäre einerseits, die Zöglinge in die Hauptlohren der Strategie einzu- führen, anderseits denselben die wichtigsten Begebenheiten der eigenen und fremden Kriegsgeschichte der neuesten Zeit in ihren Hauptztigen vorzuführen. Hiebei müßte der Vortragende auf die Hebung des kriegerischen Geistes der Jugend vor allem bedacht sein. Auf die im Kriege zutage tretenden Friktionen müßte besonders aufmerksam gemacht und gezeigt werden, daß nur dort, wo nationale Begeisterung der Truppe und nicht minder das derselben anerzogene, in Fleisch und Blut übergegangene Pflichtgefühl, dann die Charakterstärke und Selbständigkeit der Führer, dieser Friktionen Herr geworden, auch tatsächlich der Sieg zu finden war; daß diese Faktoren weit wichtiger sind, als unbedeutende Unterschiede in der Bewaffnung und als alle, wenn auch noch so fein ausgeklügelten Kombinationen, welch letztere an der Unfähigkeit und Unselbständigkeit der Ausfüh- renden nur zu leicht scheitern.

Selbstverständlich wären nicht alle zur Besprechung ge- langenden Kriegsepisoden in gleichem Umfang zu behandeln, vielmehr müßte der Lehrer es verstehen, die besonders charak- teristischen Momente, welche für die Deraonstrierung der be- treffenden Lehren am zweckmäßigsten erscheinen, herauszu- greifen.

Um den Schülern den Einblick in das Wesen und die Methode der Militärgeographie zu gewähren, würde es sich als vorteilhaft erweisen, der Besprechung mehrerer Feldzüge eine militärgeographische Würdigung des betreffenden Kriegsschau- platzes voranzuschicken.

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Rechtslehre.

Der Unterricht in der Rechtslehre hätte die staatliche Or- ganisation der Monarchie, ferner die wichtigsten Kapitel aus dem Völkerrecht zu umfassen. Anzustreben wäre ein gründ- liches Verständnrs der staatlichen Institutionen Österreich-Ungarns.

Militärdienstvorschriften.

Uuter diesem Namen ist der Unterricht im Dienstreglement 1. und 3. Teil, ferner in den sonstigen Vorschriften, deren aus- zugsweise Kenntnis für den Offizier erforderlich ist, die dabei in den lehrplanmäßigen Unterrichtsgegenständen nicht berührt werden (z. B. Gebühren Vorschrift, Schulinstruktion etc.) ver- standen.

Zweite Landessprache.

An jeder Offiziersbildungsanstalt wird außer in der deutschen Sprache, eingehender Unterricht in einer, der von den Völkern Österreich- Ungarns gesprochenen Idiome (Regimentssprachen) erteilt. Diese Sprachen sind an den verschiedenen Anstalten nicht die gleichen ; jeder Zögliug nimmt im Interesse einer möglichst gründlichen Erlernung nur am Unterrichte einer u. zw. ihm völlig fremden Sprache teil. Hiebei wird angestrebt, daß jeder Absolvent der Schule außer der deutschen Sprache noch eine Sprache der Monarchie möglichst vollkommen, und zwar in Wort und Schrift beherrschen lernt. Maßgebend für diese Forderung ist der Umstand, daß der Offizier nur dann seinen ganzen Einfluß auf seine Untergebenen ausüben, somit nur dann deren erfolgreicher Ausbildner im Frieden und Führer im Kriege sein kann, wenn er sich mit denselben voll- kommen und ohne jede Schwierigkeit zu verständigen vermag. Die derzeit geforderte Kenntnis der Regimentssprache (zum Dienstgebrauch genügend) ist in der Praxis sehr oft nicht be- friedigend.

Da der Sprachunterricht in sämtlichen Jahrgängen vorge- nommen werden würde, so ließe sich, bei entsprechender Methode gewiß viel erreichen. Allerdings dürfte es zur Ausübung des Lehramtes nicht wie gegenwärtig genügen, daß der Lehrer die Sprache beherrscht, sondern derselbe müßte auch die Quali- fikation zum Sprachlehrer besitzen, d. h. dementsprechend ge- schult sein.

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Beim Unterrichte müßte besonders darauf gesehen werden, daß die Schüler di t* Sprache tatsächlich sprechen lernen, was schon leicht in den ersten Jahren mit Hilfe einer leichtfaßlichen Methode (z. B. Berlitz) erreicht werden könnte. In den oberen Klassen wäre der Unterricht auf grammatikalischer und literatür- historischer Grundlage zu vertiefen.

Vom Unterricht in einer fremden Sprache müßte wegen Zeitmangel abgesehen werden. Dies würde keine Lücke zur Folge haben, da ja auch gegenwärtig die Resultate, die an unseren Militärschulen im fremdsprachlichen Unterricht erreicht werden, kaum nennenswert sind.

Unterricht in den körperlichen Übungen.

Wie schon wiederholt angeführt worden ist, soll der körper- lichen Schulung an der zukünftigen Offiziersbildungsanstalt ein besonders hervorragendes Augenmerk zugewendet werden, diesem Unterricht keine geringere Wichtigkeit zugesprochen werden als jenem in den wissenschaftlichen Fächern u. zw. aus dem Grunde, weil die Ausbildung zur körperlichen Tüchtigkeit Hand in Hand geht mit der Bildung des Charakters.

Die Ausbildung des Körpers hätte einerseits als regel- rechter Unterricht (im Turnen, Fechten, Reiten, Exerzieren u. s. w.) zu erfolgen, anderseits müßte dieselbe durch freiwillige Übungen der Schüler in deren freien Zeit hauptsächlich durch Pflege athletischer Spiele und aller Arten des Sports erweitert und ergänzt werden.

Ersterer Unterricht wäre systematisch durch wohlgeschulte Lehrer vorzunehmen. Über die Art und Weise desselben braucht hier nichts weiter erwähnt zu werd» n, denn es hat bereits jetzt in unseren Militärschulen eine gute Basis, es ist daher nichts weiter notwendig, als auf dieser sicheren Grundlage weiter fort- zuschreiten und das System zu verbreitern.

Was die Pflege des Sports aber anbetrifft, so ist dieselbe gegenwärtig allerdings kaum im Embryo vorhanden u. zw. aus mehrfachen Gründen. In erster Linie sind hiezu gegenwärtig weder die Zeit noch die erforderlichen Mittel vorhanden, anderseits fehlt zumeist die nötige Anregung, ja es soll sogar Schui- koinmandanten geben, die jede sportliche Veranstaltung in der Schule geradezu als Zeitvergeudung ansehen.

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Sobald aber einmal alle Vorbedingungen vorhanden sein werden, so wird sich die Lust und Freude der Zöglinge an allen sportlichen Veranstaltungen in ungeahnter Weise entwickeln. Diesen Umständen könnte noch dadurch Vorschub geleistet werden, daß nicht nur von Zeit zu Zeit Wettkämpfe an der Schule arrangiert würden, sondern daß sportliche Konkurrenzen der Anstalten untereinander, ja sogar mit vornehmeren Zivil- sportvereinigungen gestattet wären.

Was die Methode des Unterrichts anbelangt, so hätte als Hauptgrundsatz desselben zu gelten, daß die Willensbetätigung und Selbstverleugnung des Einzelindividuums bis an die äußerste mögliche Grenze anzuspannen wären. Eine geradezu spartanische Schule müßte in Schwung kommen. Zöglinge, welche in den körperlichen Übungen nur matte Fortschritte aufzuweisen hätten, müßten unbedingt aus der Anstalt entfernt werden. Eine Aus- nahme hätte nur hinsichtlich jener eventuell einzutreten, die in wissenschaftlicher Beziehung hervorragend tüchtiges leisten würden.

Praktischer Kurs.

Bei der Darlegung des Lehrvorgangs in den einzelnen UnteiTichtsgegenständen wurde wiederholt auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Theorie durch die Praxis nach Möglichkeit zu ergänzen. Zu diesem Zwecke wurden im Sommerhalbjahr die Nachmittage vorwiegend der praktischen Schulung zugewiesen. Diese Stunden dürften aber nicht genügen, es ergibt sich viel- mehr die Notwendigkeit, eine Zeit des Schuljahres ausschließlich der praktischen Schulung zu widmen.

Dieser praktische Kurs hätte sioh auf sämtliche sieben Jahrgänge zu erstrecken. Gegenstand der Schulung wäre, die ' militärische und militärtechnische Ausbildung. Der Vorgang müßte aber von dem heute üblichen grundverschieden werden. Während der Zögling gegenwärtig im praktischen Kurse wohl zu manchem „riecht", aber tatsächlich nur wenig reelles lernt, müßte er in Hinkunft eine rationelle praktische Ausbildung erhalten. Da der Kurs jährlich sechs bis acht Wochen, somit in sieben Jahren 42 bis 5G Wochen in Anspruch nehmen würde, so wäre wohl genügend Zeit vorhanden, um gute Resultate erzielen zu können. Der praktische Kurs wäre überdies auch die Zeit des Trainings, der Vorbereitung, für die am Schlüsse des Schuljahres in allen Sportzweigen vorzunehmenden athletischen Konkurrenzen.

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Kodic.

Erziehung des Charakters.

Die Erziehung der Zöglinge in der künftigen Offiziers- bildungsanstalt würde auf eine vun der gegenwärtig üblichen grundverschiedenen Weise stattfinden. Gegenwärtig ist die ganze Schuldisziplin auf „Furcht vor Strafe** aufgebaut, hinkünftig soll das Vertrauen, welches einerseits die Jugend dem Lehr- und Erziehungspersonale, anderseits letzteres der Jugend entgegen- bringen soll, die Grundlage des neuen Erziehungssystems werden.

Ein Charakterzug, welcher dem innersten Wesen aller Volksstämme unseres Reiches eigen ist, den Deutschen nicht weniger als den Südslaven, den Magyaren ebenso wie den Czechen, Folen, Rumänen und Ruthenen *) man orientiere sich diesbezüglich in den verschiedenen Nationalliteraturen und vor allem in unseren Regiinentsgeschichten ist der Zug der Anhänglichkeit und Treue sowohl zum Vorgesetzten als auch zum Kameraden. Speziell demjenigen, der es jemals mit der Erziehung der Jugend an unseren Angehörige aller Nationen beherbergenden Kadettenschulen zu tun gehabt hat, ist dieser Charakterzug der Treue, welcher allerdings durch ein verkehrtes Erziehungssystem und ungünstige Einflüsse von außen, in seiner Entfaltung nur zu leicht gehemmt werden kann, bekannt. Nichts ist leichter als bei der Jugend diese, für den innern Wert der Armee so wichtige Tugend zu wecken und doch wird hiefür in unseren Militärbildungsanstalten fast gar nichts getan.

„Wer wollte sich die militärische Monarchie der Gegenwart denken ohne Treue" sagt Houston Stewart Chamberlain in seinem wundervollen Werke „die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts".

Grund genug, um in unserer militärischen Jugend diesen schlummernden Trieb die Treue zum selbst gewählten Beruf und zum obersten Kriegsherrn, zu seinen Kameraden und schließlich zu sich selbst mit aller Macht zu stärken und zu entwickeln. Nur auf dem Prinzip der Treue kann jede wahre soldatische Disziplin und jedes echte Pflichtgefühl fußen. Mit der Fuchtel, mit der Furcht vor Strafe erzieht man nur Sklavenseeleu. Ratlos und tatlos stehen letztere da, wenn sie dann die Fuchtel nicht

*) Auch bei den österreichischen Italienern, die ja zum größten Teil nichts anderes als italienisch sprechende Germanen (in Süd -Tirol) bzw. Süd- hlaven (im Küstenland und Dalmatien) sind.

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mehr in ihrem Rücken fühlen und lösen alle Bande der Zucht und Ordnung. Nur Männer, die wahrhaft frei sind und unver- änderliche Treue in ihrem Herzen wahren, können unter allen Verhältnissen ganz und voll ihre Pflicht erfüllen.

„Freiheit ist eine Expansivkraft, welche die Menschen aus- einandersprengt, germanische Treue ist das Band, welches freie Menschen durch innere Gewalt fester aneinander schließt als das Schwert des Tyrannen ; Freiheit bedeutet Durst nach un- mittelbarer, selbst entdeckter Wahrheit, Treue, die Ehrfurcht vor dem, was den Ahnen wahr dünkte; Freiheit schafft sich seine eigene Bestimmung, Treue hält unerschütterlich an dieser Bestimmung fest.4*

„Für den freien Mann heißt die'nen sich selber befehlen", sagt der früher zitierte Autor.

Freiheit und Treue, dies müssen die Grundpfeiler für die Erziehung des Offiziersnachwuchses werden, im Sinne dieser Grundpfeiler müßte die Arbeit sämtlicher, am Erziehungswerke Beteiligten geregelt werden.

Eine auf den Wettstreit, auf den Kampf basierte körper- liche Erziehung ist in hohem Grade geeignet, das Gefühl und Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit zu steigern; das hiebei sowie auch im sonstigen Unterricht unvermeidliche gegen- seitige Abmessen der Kräfte und der inneren Tätigkeit, dann das Zusammenarbeiten und Zusammenleben nährt das Gefühl der Achtung der Studiengenossen vor einander und schafft das Gefühl der Zusammengehörigkeit, die Kameradschaft und die Treue. Die gegenwärtige, jeden Schritt regelnde und beengende Zeiteinteilung gibt aber hiezu keine Gelegenheit; erst wenn volle Freiheit der Bewegung vorhanden ist, wird es ermöglicht, daß sich Gleichgesinnte zu wahrer, ein volles Aufgehen in einander bedingender, kein Opfer scheuender Kameradschaft zusammen- finden — einer Kameradschaft die himmelweit verschieden wäre von jener, welche im Alkoholdunst so oft eitel genannt wird.

Um nun die Entwicklung in einer solchen Richtung möglich zu machen, muß jedem Zöglinge innerhalb des Anstaltsrayons möglichste Freiheit des Handelns und der Bewegung gewährt werden, jede kleinliche Bevormundung entfallen. Außerhalb der Unterrichtsstunden darf kein Lehrorgan die Freiheit der Zöglinge beeinträchtigen ; außer den zur Leitung der sportlichen Übungen hiezu Berufenen darf niemand das Tun und Lassen der Zöglinge innerhalb der Anstalt überwachen. Alle Inspizie-

Organ der Millttrwiwengchaftlichen Vereine. I.XXIII. Bd. 1906. ]9

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rungen und Visitierungen wären auf das unumgänglich not- wendige Mindestmaß zu beschränken und falls sie stattfinden dürfte kein zeitraubendes Warten der Zöglinge damit verbunden, jedes unnütze Herumstehen vermieden werden.

Gegenwärtig müssen an unseren Militärschulen die Zög- linge mitunter ein dutzendmal im Tage antreten. Vor jeder Speisestunde wird die Kompagnie versammelt was wenigstens 5 bis 10 Minuten dauert um wie eine Herde in den Speise- saal geführt zu werden, denn einzeln dürften ja die Zöglinge nicht hintreffen. Findet der Unterricht nicht im gemeinsamen Lehrsaal, sondern etwa im Zeichensaal oder in der Turnhalle statt, so muß wieder angetreten und die Klas3e mit einer Anzahl von Kommandos hingeführt werden. Dann kommt das Antreten zum Befi-hl, zu den Gelenkübungen, zum Rapport und zu un- zähligen anderen Anlässen.

Was will man mit diesem vielen Soldatenspielen denn anders kann man ja das nicht bezeichnen erreichen? Der einzige plausible Grund wäre, daß man damit der Jugend mili- tärische Strainmheit anerziehen wollte. Dazu ist dies aber just der verkehrte Weg, denn bei all' dieser vielen Antreterei wird man alles eher, nur keine Strammheit bemerken. Hier gilt wohl das Sprichwort allzuscharf macht schartig durch das allzu- häufige Strammseinwollen erzielt man nur Nachlässigkeit und Stumpfsinn.

Gewiß, es soll den Zöglingen auch das Strammsein aner- zogen werdrn. Dazu genügen aber die Stunden des Exerzierens und der Befehlsausgabe völlig. Auch letztere hätte keineswegs täglich, sondern nur ausnahmsweise, und zwar dann stattzufinden, wenn etwas von Belang zu verlautbaren wäre, dann aber mit aller militärischen Würde und wenn möglich, in Anwesenheit des Schulkommandanten.

Wäre einmal ein Befehl angesagt dies käme vielleicht in der Woche einmal, vielleicht nur einmal im Monat vor, dann müßte jedes der jugendlichen Gemüter darauf gefaßt sein, daß es ernste Worte geben werde. Dann wäre die Befehlsausgabe auch wirklich jener feierliche militärische Akt. bei welchem Lob und Tadel ausgeteilt und über jene Zöglinge, welche sich gegen die Schulgesetze vergangen haben, vor der versammelten Schule Gericht gehalten würde.

Dagegen hätte die gegenwärtig übliche Befehls- und Rapport- abhaltuug, durch welch' beide den Zöglingen zwecklos freie Zeit

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genommen wird, zu entfallen. Hat der Kompagnie- oder Schul - kommandant einem Zögling etwas zu sagen, so kann er ihn ja bei passender Gelegenheit zu sich rufen, ohne deswegen andere warten zu lassen. Die Übernahme der gewöhnlichen Dienste hätte kein Gegenstand einer Meldung zu sein.

Ein Mittel, mit welchem ganz besonders auf die Jugend erziehlich gewirkt werden könnte und müßte, würde das Be- streben der Lehrer sein, den Zöglingen bei jeder Gelegenheit ein nachahmungswertes Beispiel zu bieten. Der zum großen Teile im Freien abzuhaltende Schulunterricht macht einen innigen Kontakt zwischen Lehrer und Schüler unvermeidlich und bietet dem ersteren die beste Gelegenheit, um durch scheinbar absichts- los hingeworfene, tatsächlich aber wohldurchdachte Worte und Bemerkungen erziehlich auf die Jugend einzuwirken. Der Lehrer dürfte sich vor der Jugend niemals gehen lassen, stets die Form wahren und immer überlegt handeln.

In hervorragender Weise gilt dies vom Kommandanten selbst. Dieser muß in der Lage sein, schon durch sein Äußeres die Zöglinge für sich einzunehmen. Da der Jugend körperliche Gewandtheit und Sicherheit weit mehr imponieren als Geist und Gelehrsamkeit, so wird der Schulkommandant umsomehr ge- winnen, je mehr er Sportsman ist. Dagegen hat ein Schulkom mandant, der eine schlechte Figur macht, ein minderer Reiter ist, eventuell vor der versammelten Schule vom Pferde fällt, auch bereits seinen ganzen Nimbus verloren. Obgleich ihn dann seine Strenge immerhin gefürchtet machen kann, so wird er doch nicht die wahre Disziplin erzielen können ; für das oberflächlich urteilende Auge wird allerdings Ordnung bemerklich, tatsächlich aber in Innern die Zersetzung am Werke sein.

Einen sehr schlechten Einfluß auf die Moral der ganzen Schule sind einzelne schlechte Elemente unter der Jugend auszu- üben fähig. Solch' räudige Schafe sind imstande, ihre ganze Um- gebung zu verpesten und den Geist der Zwietracht unter ihren Kameraden zu verbreiten. Dieselben wären daher dort, wo man sie entdeckt, rücksichtslos zu entfernen. Jedes Mitleid, jede falsche Humanität ist in solchen Fällen übel angebracht. Gegen- wärtig geschieht es leider nur allzu häufig, daß solche Elemente durch falsche Rücksichtnahme oder Ubelangebrachtes Mitleid in der Anstalt belassen werden. Allerdings sind dieselben mitunter schwer zu erkennen, da es oft geistig gut veranlagte, daher äußer- lich gut entsprechende Schüler sind. Die Jugend müßte aus

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diesem Grunde bei jeder sich darbietenden Gelegenheit darauf gewiesen werden, solche störende Elemente nicht zu dulden, sich vielmehr von denselben zu befreien, dieselben aus ihrer Mitte auszustoßen.

Im Gegensatze hiezu sollte aber ungenügender Fortgang in den wissenschaftlichen Unterrichtsfächern keineswegs immer Ursache der Relegation eines Zöglings sein. Es könnte vielmehr unter Umständen geistig Schwächeren die Repetition eines Jahrgangs gestattet sein. So wünschenswert nämlich auch wissen- schaftliche Kenntnisse für den Offizier sind, so ist damit doch keineswegs gesagt, daß jemand, dem die geistige Schmiegsamkeit teilweise abgeht, nicht auch ein tüchtiger Soldat und Offizier werden kann. Es sollte daher für die Beurteilung des Zöglinge in der Schule nicht allein der geistige Fortschritt, sondern in erster Linie dessen Charakter und Ausdauer maßgebend sein. Erfüllt der Zögling alle Bedingungen, um als ehrenwert zu gelten, so dürfte ihm, falls er es auch in einzelnen wissenschaft- lichen Fächern nicht über ein „ungenügend" bringt, die Würdig- keit zum Offizier nicht abgesprochen werden. Allerdings müßte aber Fleiß und das Bestreben, es zu etwas bringen zu wollen, konstatierbar sein.

Bei Einhaltung der angeführten Grundsätze würde an den künftigen Offiziersbildungsanstalten für Erzieher, Präfekten und ähnliche, mit einer Erziehung zum Manne unverträglichen Zwitter- erscheinungen einer überlebten Zivilpädagogik kein Platz sein. Dies wäre kein Schaden, denn man sehe sich vom Soldaten- standpunkt, die an den hervorragendsten Zivilerziehungsanstalten mit derartigen Mitteln aufgezogenen Muttersöhnchen nur näher an. Man sieht dort nur zum Verwechseln ähnliche, wie nach einer Schablone gemachte, jeder Individualität beraubte Muster- knaben. Solche benötigt aber unsere Armee nicht, was sie aber nötig hat, das sind selbständige, wetterfeste Männer mit stählernen Muskeln und eisernem Willen. Diese können aber nur „in Frei- heit dressiert" werden.

Ergänzung und Heranbildung des Lehrkörpers.

Der gesamte Lehrkörper der Offiziersbildungsanstalt muß sollen wirklich volle Erfolge erzielt werden aus Offizieren bestehen u. zw. einerseits aus erziehlichen Gründen und ander- seits deshalb, weil sich erfahrungsgemäß ein Lehrer aus dem Zivilataude bei den Zöglingen einer Militäranstalt in den selten -

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Vorschlüge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc.

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sten Fällen die erforderliche Autorität zu erringen und zu er- halten vermag.

Wie früher gezeigt worden ist, steht der Lehrkörper schon gegenwärtig an den Militärerziehungs- und Bildungsanstalten nicht auf der Höhe der Aufgabe, viel weniger wäre er noch in der Lage, den erhöhten Anforderungen an einer Schule zu ent- sprechen, deren Organisation eben dargelegt worden ist.

Die Hauptgründe, warum der Lehrkörper unserer Militär- anstalten nicht voll entspricht und auch in Hinkunft insolang die gegenwärtigen Verhältnisse andauern kaum eine wesent- lich höhere Stufe erreichen dürfte, sind:

1. weil ihm die erforderliche Vor- bzw. Ausbildung forden Lehrerberuf mangelt;

2. weil die Anforderungen, die an einen eifrigen Lehrer gestellt werden, größer als bei der Truppe, die aber hiefür ale Er- satz gebotenen materiellen Vorteile zu unbedeutend sind ;

3. weil die nötige Stabilität fehlt; der Offizier, der sich dem Lehrberuf gewidmet hat, stets gewärtig sein muß, einem der rasch wechselnden Kommandanten bzw. einem der inspizierenden Vor- gesetzten nicht zu Gesicht zu stehen und Knall und Fall seinen Beruf wieder aufgeben zu müssen;

4. weil der Lehrer zu Diensten herangezogen wird, die mit dem eigentlichen Lehrerberuf nichts zu tun haben, z. B. Schul- inspektionsdienst, Ausrückung, Heranziehung zu Verwaltungs- diensten u. 8. w.

Um in Hinkunft ein auf der Höhe stehendes Lehrpersonal zu erhalten, müßte bei voller Berücksichtigung aller eben er- wähnten Momente ein gründlicher Wandel geschaffen werden. Der Organisation des Lehrkörpers wurde bereits gedacht Im nachfolgenden soll versucht werden, zu zeigen, wie die Aus- bildung der Berufslehrer zu geschehen hätte und wie deren materielle Lage zu verbessern wäre.

Heranbildung des P rof e i sorenko rpa.

Zur Heranbildung der Berufslehrer wäre in Wien ein zwei- jähriger Kurs für „Lehrer an Militärbildungsanstalten zu organi- sieren. Die Bestimmung dieses Kurses wäre, den, den Lehrberuf anstrebenden Offizieren die erforderliche Fachbildung und die nötige pädagogische Anleitung zu geben. Als Lehrer an diesem Kurse hätten Professoren von Zivilhochschulen und geeignete Offiziere zu fungieren.

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2!

Rodid.

Die Aufnahme in den Kurs stünde jedem Offizier frei, welcher eine Anzahl von Jahren bei der Truppe als Offizier gedient hat (wenigsten vier Jahre), eine entsprechende Quali- fikation besitzt und eine Aufnahmsprüfung (aus der deutschen Sprache und den gewählten Fachgegenständen) ablegt. Am Kurse selbst, müßte jeder Frequentant nebst Pädagogik noch drei Fach- gegenstände hören.

Nach befriedigender Absolvierung des Kurses würden die Lehraspiranten Vakanzen vorausgesetzt als provisorische Lehrer dem Professorenkorps einer Offiziersbildungsanstalt zuge- teilt. Nach einer zufriedenstellenden dreijährigen Zuteilungszeit hätte sodann die Beförderung der Lehraspiranten zu Hauptleuten und deren definitive Übernahme in das Militärprofessorenkorps zu erfolgen.

Die Lehrer für die körperlichen Übungen (exklusive Reiten) könnten, ebenso wi« dies heute geschieht, im Fecht- und Turn- lehrerkurs für das Lehramt vorbereitet werden, u. zw. in einem zweijährigen Lehrkurse. Die Absolventen des Kurses wären ebenso, wie die Lelirkandidaten für die wissenschaftlichen Gegen- stände, vorerst als provisorische Lehrer einer Schule zuzuteilen und nach dreijähriger Probezeit ebenfalls als Hauptleute in das Militärprofessorenkorps zu übernehmen. Die Ergänzung hätte aber nicht durch gewesene Unteroffiziere, sondern ausschließlich durch Offiziere zu erfolgen ; der gegenwartig bestehende Kon- kretualstatus der Militärfechtmeister hätte im künftigen Professoren- korps aufzugehen.

Gebühren des Lehrpersonals.

Ein Lehrer, der pekuniäre Sorgen hat, wird sich niemals mit vollem Eifer seinem Berufe widmen können. Es ist daher notwendig, daß man ihn u. zw. vom Beginn seiner Lehrtätig- keit an, nicht aber erst nach einer Anzahl von Jahren materiell günstig stellt.

Gegenwärtig ist die Bezahlung der Lehrer an den Militär- bildungs- und Erziehungsanstalten schlechter als jene der Pro- fessoren an Zivilmittelschulen somit unzureichend und sie wird, da sie abhängig von den sich immer langsamer gestaltenden Avancement in der Armee ist, von Jahr zu Jahr ungünstiger.

Da die zukünftige Offiziersbildungsanstalt auf einem weit höheren Niveau stünde, als die heutige Staats mittelschule in den drei oberen Jahrgängen eine Hochschule wäre so wäre

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Vorschläge su einer zeitgemäßen Reorganisation etc. 291

es wohl nur gerecht, wenn deren Lehrkörper materiell besser gestellt würde, als jener der Zivilmittelschulen. Dafür spricht noch ein weiterer Unistand. Die neuen Militärschulen würden nämlich, zufolge deren früher dargelegten Organisation, außerhalb größerer Städte liegen ; es wäre daher nur recht und billig, daß man die Lehrer für diesen Nachteil materiell kompensieren würde.

Eine, die Lehrer befriedigende Gebührenbemessung stelle ich mir beiläufig wie folgt vor:

1. Die Grundlage des Einkommens bilden auch fernerhiu die chargenmäßigen Bezüge. Um aber letztere von den Schwan- kungen des Avaucements möglichst unabhängig zu machen, wird festgesetzt :

Der Oberleutnant- Lehreraspirant wird nach höchstens drei- jähriger Erprobung, somit im Alter von zirka 30 Jahren, zum Haupt- mann II. Klasse befördert. Er rückt nach weiteren fünf Jahren zum Hauptmann I. Klasse vor und wird nach weiteren sieben Jahren (somit nach zwölfjähriger Hauptmannsdienstzeit, im beiläufigen Alter von 42 Jahren) Major, sodann nach sechs Jahren Oberst- leutnant (u. zw. höherer Gebühr). Die Zahl der Oberstenstellen wäre auf je eine per Anstalt beschränkt.

2. Jeder Militärprofessor, einschließlich der zugeteilten und kommandierten Offiziere bezieht eine Schulzulage von 1200 Kronen jährlich.

3. Dazu kommen fünf Triennien zu 720 Kronen jährlich.

4. Ferner gebührt jedem Lehrer eine in der Regel über- kompetente — ganz in sich abgeschlossene (Villensystem), voll- kommen eingerichtete Wohnung. Um ihn aber für den Entgang des in manchen Garnisonen reichlich bemessenen Quartiergeldes zu entschädigen, erhält er überdies eine Aktivitätszulage im Ausmaß des halben chargemäßigen Wiener Quai tiergel des (bei Berittenen inklusive Stallgeld).

Unverheiratete Offiziere können auch kleinere als die ge- btihrmäßigen Wohnungen (einzelne Zimmer) zugewiesen erhalten und als Ersatz ein entsprechendes Geldäquivalent für nicht be- nützte Wohnungseinheiten beziehen.

5. Der Schulkommandant bezieht nebst den angeführten Gebühren noch eine Funktionszuiage von 2400 Kronen jährlich.

6. Jeder Militärprofessor ist nach 30 (inklusive Zuteilungs- zeit) im Lehrberufe verbrachten Jahren, oder nach 40 Dienst- jahren mit vollen Gebühren pensionsberechtigt. Als Altersgrenze, nach deren Erreichung unbedingt das Ausscheiden aus der Ak-

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Rodic.

tivität stattfinden muß, gilt das 60. Lebensjahr. Die Schulzulage, die Triennien und die Aktivitätszulage werden in die Pension eingerechnet.

7. Jeder Militärprofessor darf, sobald er die Hauptmanns- charge erreicht hat, ohne Kaution heiraten.

8. Die Turn- und Fechtlehrer bilden einen integrierenden Bestandteil des Militärprofessorenkorps, haben sonach auch das- selbe Avancement und dieselben Gebühren.

Daß diese keineswegs als Uberschwänglich zu be- zeichnenden Gebührensätze doch eine bedeutende Anziehungs- kraft ausüben würden, ist zweifellos. Während gegenwärtig an unseren Militärbildungs- und Erziehungsanstalten chronischer Lehrermangel herrscht, wäre nach dem Inkrafttreten der ge- schilderten Organisation eine Auswahl unter dem Besten, was in den Reihen der Armee vorhanden ist, möglich.

Schlußwort.

Damit wären wir mit unseren Vorschlägen zum Schlüsse gelangt. Sie wurden unter der leitenden Idee geschrieben, daß die Armee erst dann ihrer Vollkommenheit nahe kommen kann, wenn in ihrem Offizierskorps die Elite der Völker Österreich- Ungarns enthalten sein wird. Zur wahren Elite kann das Offiziers- korps aber nur dann werden, wenn es durch Bildung und Charakter über alle anderen Staatsangehörigen hervorragt. Dies erfordert aber nebst rigoroser Auswahl der Kandidaten eine auf hoher Stufe stehende Erziehung. Um letztere möglichst vollkommen zu gestalten, darf dein Staate kein Opfer zu groß sein. Die für die Erziehung des Offiziersnachwuchses geopferten Millionen dürften nicht schlechter angelegt sein, als wenn man sie für neue Kanonen oder Kriegsschiffe verausgaben würde. Übrigens wäre der Mehraufwand für eine, im Sinne der vorstehenden Ausführungen, durchzuführende Reform des militärischen Unter- richtswesens, verschwindend klein im Verhältnis zu den Gesamt- ausgaben für die Armee.

So einleuchtend vielleicht manchem Leser die Vorteile des dargelegten Ausbildungsmodus erscheinen werden, im großen ganzen dürften sie als zu weit von der gewohnten Norm ab- weichend — Widerspruch erregen. Allerdings wäre das ganze System insolange hinfällig, insolange nicht das nötige, voll ent- sprechende Lehrerkorps vorhanden wäre. Eine gleichzeitige Reorganisierung aller Militärbildungs- und Erziehungsanstalten

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Vorsehläge zu einer zeitgemäßen Reorganisation etc. 293

Dach den dargelegten Gesichtspunkten, wäre sonach ein Ding der Unmöglichkeit.

Dagegen könnte leicht der Versuch mit einer Anstalt ge- macht werden. Der Organisator derselben müßte dabei schritt- weise vorgehen. Er hätte vorerst die Aufgabe, einen Stamm von Lehrern heranzubilden. Erst wenn er diesen hätte, könnte er daran gehen, mit der Ausbildung der Schüler zu beginnen. Aber auch dann noch wäre in den ersten Jahren die intensivste Ein- wirkung auf das Lehrpersonal notwendig, sollte das Unternehmen nicht auf Abwege gelangen. Zufolge des auch in geistigen Dingen herrschenden Gesetzes des Beharrungsvermögens, ist es sehr schwer mit demjenigen, was einmal von der Mehrheit als gut erkannt wurde, aufzuräumen, es durch etwas Besseres ersetzen zu wollen. Wir sehen dies unter anderem an den Reformbe- strebungen, betreffend die Reorganisierung der Staatsmittelschulen. Sie kommen nicht von der Stelle und werden insolange nicht von der Stelle rücken, insolange sie Schulmännern tiberlassen bleiben.

So ist es bei jedem Reformversuch. Nicht die alten, an alten Anschauungen festhaltenden, einseitigen, konservativen Beamten und Fachmänner, bringen grundstürzende Projekte zuwege, sondern weit eher die außenstehenden, einen weiten Horizont mit ihrem Blick umfassenden, jungen Unbefangenen, welche sich nicht durch die Schwere und Enge des Amtes, ihr klares Urteil trüben ließen und die vor keiner Verantwortung zurückschrecken.

Wie war es den seinerzeit mit der Reorganisation der österreichischen Reiterei? Kein alter, kriegserfahrener General war es, der sie auf die heutige Höhe brachte. Ein junger, blut- junger Offizier machte den Versuch vorerst mit einem Regiment und dieses ward die Wiege für die ganze Waffe.

Einen solchen Versuch müßte man auch mit der Schule machen. Der Versuch würde nicht viel kosten, gelänge er aber, so würde er eine Zufuhr neuen, frischen Blutes und damit eine Verjüngung und Regenerierung unserer Armee bedeuten.

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Flußübersetzungsübungen

der 6. Kavalleriebrigade bei Tisza-Polgär im

Juli 1902. von H. 0.

Nachdruck verboten. Überaetzunf*recht vorbehalten.

Für die Kavallerie ist es von hoher Wichtigkeit, daß sie im Kriege befähigt sei, größere Gewässer ohne besonderen Auf- wand an Zeit und Mitteln zu übersetzen. Damit sie dies im stände sei, muß sie durch gründliche Schulung in diesem Dienst- zweige im Frieden hiefür vorbereitet werden. Deshalb werden auch alljährlich die Kavallerieregimenter oder wo dies nicht angeht, doch wenigstens Detachements von ihnen durch einige Zeit an größere Flußläufe verlegt, um solche Übungen vorzunehmen.

Der Vorgang hiebei ist kein gleichmäßiger. Es liegt in der Natur der Suche, daß jene Regimenter, die in der Nähe von Strömen garnisonieren, reichlicher Gelegenheit finden, die Fluß- tibersetzungsübungen rationell zu betreiben und Erfahrungen zu sammeln, als solche, die, mangels eines größeren Flusses in er- reichbarer Nähe, sich mit Übungen in unbedeutenden Gewässern behelfen müssen.

Um die Kenntnis eines praktischen, erprobten Vorganges bei Bewältigung eines bedeutenden Wasserlaufes zu verall- gemeinern, dürfte es daher von Interesse sein, die nachfolgende Schilderung einer Flußübersetzungsübung an der oberen Theiß zu veröffentlichen, wenngleich sie der Zeit nach schon einige Jahre zurückliegt.

Wie alljährlich wurden auch im Jahre 1902 von der 6. Kavalleriebrigade Flußübersetzungsübungen bei Tisza-Polgär, u. zw. von jedem Regimente divisionsweise vom 16. bis 23. und vom 24. bis 31. Juli durchgeführt. In dem erwähnten Jahre er-

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Flußübersetzungsübungen.

schienen dieselben besonders schwierig, da infolge Hochwassers die Flußbreite vom 16. bis 20. Juli zirka 850 Meter, und die Wassergesch windigkeit 1*80 Meter betrug. Vom 20. Juli ange- fangen fiel das Wasser zwar stetig, doch betrug die Flußbreite am 31. Juli, d. i. zur Zeit der Beendigung der Schwimmübungen, noch immer zirka 300 Meter, weshalb die Pferde bis 20. Juli zirka 300 Meter, später zirka 250 Meter tatsächlich schwimmen mußten.

Die rationelle Durchführung der Übungen, welche nach den Bestimmungen des Exerzierreglements 1. Teil und nach den von Sr. Exzellenz dem Herrn Korpskommandanten und kom- mandierenden General G. d. K. Hermann von P o k o r n y erteilten sehr sachgemäßen Direktiven geschah, ergab jedoch trotz des ungünstigen Wasserstandes die denkbar besten Resultate, welche in den am 23. Juli von der 3. Eskadron und am 30. Juli von der 6. Eskadron des k. und k. Husarenregiments Nr. 14, ge- legentlich der Inspizierung des Korpskomraandanten, durch- geführten feldmäßigen Übersetzungen zum Ausdrucke kamen.

Diese feldmäßigen Übersetzungen geschahen von der 3. Eskadron ohne, von der 6. Eskadron mit feindlicher Gegen- wirkung. Letztere Eskadron wurde bei der Übersetzung von der 5. Eskadron des Regiments insoferne unterstützt, als von dieser die Mannschaft, welche die Übersetzung zu sichern hatte, ent- nommen wurde.

Die 3. Eskadron (Übersetzung ohne feindliche Gegen- wirkung) vollführte die Übersetzung in einer Stunde 58 Minuten, u. zw. von der Beendigung des Befehles zur Übersetzung, erteilt nach dem Anlangen der Eskadron am Theißdamme, bis zum Kommando rApellu am jenseitigen Ufer gerechnet.

Die Übersetzung der 6. Eskadron wurde, nachdem zirka 25 Pferde samt Rüstung tibersetzt hatten, durch feindliche Gegenwirkung (Husarenregiment Nr. 15) vereitelt. Die 3. Es- kadron war bis hart an das Ufer herangegangen, um sich für die Übersetzung vorzubereiten, während die 6. Eskadron dies hinter einem Weidengestrüpp, zirka 200 Schritte vom Ufer entfernt, vollführte. Infolgedessen mußten die Rüstungen diese Strecke bis zu den Überführungsmitteln getragen werden, was einen großen Zeitverlust bedeutete.

Das k. und k. Husarenregiment Nr. 15 erzielte dieselben Resultate, und sei hier die Flußübersetzung dreier Patrouillen

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Flußübersetzungsübungen.

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dieses Regiments bei Nacht, welche unter Leitung Sr. Exzellenz anstandlos schwimmend durchgeführt wurde, besonders hervor- gehoben.

Zur Erzielung dieser Resultate, wurde als Vorübung folgender Vorgang eingehalten :

Einschwimmen der Pferde: 1. Jedes Pferd ist an der Longe vom Kahn einmal vorzunehmen und ist hiebei die Schwimmfähigkeit desselben von beiden Ufern wie auch vom Longeführer zu beobachten und zu notieren, desgleichen sein Wille beim Betreten des Wassers. Ebenso hat jeder Schwimmer der Mannschaft ein- bis zweimal auf dem Pferde an der Longe, vom Kahne geleitet, den Fluß zu übersetzen und ist derselbe dabei vom Longeführer in dem Verhalten während des Schwimmens mit dem Pferde zu unterrichten. Hiedurch werden Mann und Pferd bei vollkommener Lebenssicherheit mit dem Wasser vertraut.

2. In der Folge haben alle Pferde den Fluß nach der be- kannten Methode des Einschwimmens am Kahne zu übersetzen und sind dieselben hiebei weiter zu beobachten.

Der Vorteil dieser Übung gegenüber der ersten ist die größere Raschheit und das Vertrautwerden der Pferde mit dem Kahne zur Vorbereitung der feldmäßigen Übersetzung mit dem- selben.

3. Diejenigen Pferde, welche in den Übungen 1 und 2 sich als die willigsten und bestschwimmenden erwiesen, werden in Rudel von 8 bis 10 Pferden formiert und an einen Kahn mit eingespannten schlechtschwimmcnden Pferden angehängt. Die Pfeide im Rudel werden hiebei von Schwimmern geritten, welche die Pferde, sobald dieselben willig schwimmen, verlassen und zurückkehren.

4. Die angehängten Rudel werden sukzessive vergrößert

5. Schwimmen der Pferde in freien Rudeln, d. h. ohne Führung von eingespannten Kähnen.

6. Schwimmen der Pferde in freien Rudeln unter dem Reiter mit je einem Handpferde.

Das Einschwimmen verfolgt den Zweck, die Pferde an das Wasser und das Schwimmen zu gewöhnen, in ihnen die Lust hiezu zu erwecken, weshalb alles vermieden werden muß; was das Gegenteil zu Folge haben könnte. Weiters ist gewöhnlich die für das Einschwimmen bemessene Zeit beschränkt, weshalb alles so rasch als möglich und ohne Friktion durchgeführt

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F I ü b erset» ungsübun gen

werdet» muß. Infolge der bei der erwähnten Übung gewonnenen Erfahrungen, sollen nun bei allen vorangeführten Phasen jene Momente hervorgehoben werden, bei welchen am meisten gegen diese Grundsätze verstoßen werden kann.

adl.Longieren vom Kahne: Stellung der Kähne. Die Kähne liegen mit einem Intervalle von wenigstens zehn Schritten nebeneinander mit dem Steuerstücke am Ufer, mit dem Kranzl etwas stromaufwärts gerichtet, in der Mitte jedes Kahnes sitzt der Longeführcr mit dem Gesichte zum Ufer.

Einteilung der Mannschaft zu den verschiedenen Verrichtungen. Zu jedem Pferde ist eine Partie von sechs aus- gezogenen Leuten notwendig, von welchen einer die Longe halt, einer das Pferd führt, zwei mit langen Ruten versehen sind, um das. Pferd von rückwärts durch Betupfen anzutreiben, endlich zwei Mann zum Stoßen des Kahnes. Da immer nur ein Kahn auf einmal abgeht, sind zwei solche Partien genügend. Außerdem ist eine Partie von vier Mann zum Abholen der Longe von den zurück- kehrenden Kähnen, sowie zur Befestigung derselben an die folgenden Pferde notwendig. Schließlich empfiehlt es sich, eine Partie zu bestimmen, welche die stromabwärts zurückkehrenden Kähne wieder stromaufwärts zieht.

Das Führen der Pferde ins Wasser und das Ab- gehen des Kahnes. Das Pferd wird stromabwärts des Kahnes durch den Mann, welcher es am Backenstücke des Zaumes hält, in das Wasser geführt. Hiebei befinden sich Longehalter und Pferdeführer stromaufwärts vom Pferde, daher zwischen Pferd und Kahn. Das Pferd, welches gewöhnlich Scheu vor dem Kahne hat, muß wenigstens 3 bis 4 Schritte von demselben entfernt sein. Hiebei treiben die beiden mit Ruten versehenen Männer, wenn nötig, an. Der Longehalter übergibt die Longe dem Longeführer im Kahn.

Mit dem Fortschreiten des Pferdes wird auch der Kahn von den hiezu bestimmten Leuten mit dem Kranzl stets etwas stromaufwärts gestoßen, bis alle Leute bis an die Brust im Wasser sind, worauf sie Pferd und Kahn auslassen. In diesem Momente beginnt das Rudern mit Aufbietung aller Kraft, um das Pferd ins tiefe Wasser zu ziehen.

Schwimmen des Pferdes. Wenn das Pferd schwimmt, hat sich der Kahn ganz nach demselben zu richten. Derselbe muß stets ca. 5 Schritte vom Pferde entfernt sein. Der Longe- führer hält die Longe stets leicht, es genügt ein geringes Aus-

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Flußflb«raetsungsflbiingen. 299

halten derselben bei einem Umkehrversuche des Pferdes. Er beobachtet stets das Pferd und regelt durch kurze Zurufe die Stellung des Kahnes.

Das Landen am anderen Ufer geschieht in der Regel an- standlos, da das Pferd gewöhnlich erschöpft, sich ganz ruhig verhält. Es wird von einem hiezu am Ufer aufgestellten Mann übernommen, die Longe ausgeschnallt, worauf der Kahn zu- rückkehrt.

ad 2. Einspannen am Kahne: Die Stellung der Kähne ist dieselbe wie ad 1.

Mit dem Abgehen hat stets der stromabwärtigste Kahn zu beginnen, das Antauchruder ist auszulegen und setzen sich 4 bis 6 Mann je nach der Größe des Kahnes, der Antauchruderer eingerechnet, derart in den Kahn, daß 2 im Kranzl, 2 im Mittel und 2 im Steuerstück nebeneinander mit dem Gesicht gegen das Ufer sitzen.

Einteilung der Mannschaft zu den verschiedenen Verrichtungen. Zu jedem Kahne ist eine Partie von 9(11 für Kähne zu 6 Pferden) Mann erforderlich, wovon 4 die Pferde führen, 2 dieselben antreiben, 1 das Kranzl und 2 das Steuer- stück halten.

Das Führen der Pferde ins Wasser. Die Pferde- führer übernehmen die Pferde und führen dieselben beiderseits des Kahnes mit herabgenommenen Wischzaumzügel, in deren Mitte ein Knoten geschlungen ist, zum Kahne und übergeben dieselben den in dem Kahne sitzenden Leuten. Hiebei sind die willigen Pferde vorauszuführen und die unwilligen von rückwärts anzutreiben. Der Kahn wird sodann von rückwärts kräftig mit dem Kranzl etwas stromaufwärts, soweit in das Wasser gestoßen, als es den hiezu bestimmten Leuten überhaupt möglich ist.

Die Pferdehalter im Kahne halten die Pferde kurz und drücken die Zügel fest an die Bordwand, damit das Hinein- springen des Pferdes in den Kahn vermieden wird. Die Zügel können nachgelassen werden, sobald das Pferd willig schwimmt. Der Steuermann hat alles aufzubieten, um den Kahn in der Richtung wie eine Fähre zu erhalten; hiezu können ihn die Pferdehalter sehr gut unterstützen, wenn ein Pferd die eine Ecke des Kahnes wegzieht, indem der Pferdehalter des diagonal gegenüberliegenden Pferdes , dasselbe durch Anspritzen auch zum Wegziehen veranlaßt, wodurch der Zug des unwilligen Pferdes ausgeglichen wird. Der nächstfolgende Kahn darf erst

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Flußübersetaungsftbungen.

dann abgehen, wenn die Pferde des vorhergehenden bereits schwimmen.

In der Folge können die Pferde in der halben Breite des Flusses ausgelassen werden. Dies dient als Ubergang zum freien Schwimmen im Rudel und hat nebstbei den Vorteil, daß die Kähne schneller zurückkehren können, wodurch Zeit gewonnen wird. Hiebei ist zu beobachten, daß der Kahn in diesem Momente mit der Spitze etwas stromabwärts gericbtet wird und zuerst die stromaufwärtigen, dann die stromabwärtigen Pferde ausgelassen werden.

ad 3 und 4. Die Größe des Rudels ist von der Anzahl der Freischwimmer bedingt, darf jedoch anfangs 8 bis 10 Reiter nicht übersteigen, da die Pferde bezüglich ihrer Willigkeit noch nicht genügend erprobt sind und durch das Umkehren nur eines Pferdes der ganze Rudel hiezu veranlaßt werden kann, wodurch die Pferde verdorben werden und viel Zeit verloren geht. Außer- dem sind auch die Leute noch unvertraut und fühlen sich in einem großen Rudel viel unsicherer.

Die Form der Rudel soll keine breite sondern eine läng- liche sein, derart, daß Gruppen von 2 bis 3 Pferden sich in der Distanz von zirka 4 Schritten folgen.

Das Reiten des Rudels in das Wasser geschieht stromauf- wärts vom Kahne bis in die Höhe des Kranzis. Mit dem Fort- schreiten der Kahnes schreitet auch der Rudel fort und werden die Pferde vom Reiter mit kleinen Ruten angetrieben, welche dieselben auch zum Dirigieren des Pferdes während des Schwimmens mit Vorteil benützen können. Sobald das Pferd willig schwimmt, trennt sich der Reiter stromabwärts von ihm und schwimmt zum Ufer zurück, wobei er wohl achtet, keinem Pferde in den Weg zu kommen.

ad 5. Freier Rudel: Form und Größe wie bei Sund 4. Die Pferde deB Rudels sind am Ufer in der großen Tour zu bewegen und sind die willigsten Pferde an die Spitze zu nehmen. Das Fuhrpferd wird stromaufwärts hineingeritten, die anderen folgen. Sobald die Pferde die Füsse verlieren, werden sie gerade gestellt, der Reiter läßt sich stromabwärts herunter und dirigiert das Pferd wenn nötig mit der kleinen Rute.

ad 6. Freier Rudel mit Handpferden: Jeder Frei- schwimmer erhält ein Handpferd, welches sich stromaufwärts vom Reiter zu befinden hat. Der Reiter hält die Zügel des Handpferdes in der Hand, welche die Mähne faßt Die Pferde -

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Flußüborsetzungsfibungen.

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paare, die willigsten voraus, werden vorerst mit 4 bis 5 Schritten Distanz in der großen Tour geritten, worauf die Tete Direktion zum Flusse nimmt. Der Reiter benimmt sich wie ohne Handpferd. Macht ihm dieses während des Schwimmens Schwierigkeiten, so läßt er es aus. Es ist dem Mann genau einzuschärfen, die Mähne nicht höher als eine Spanne ober dem Widerriß zu fassen, da wenn höher, das Pferd leicht in Ertrinkungsgefahr geraten kann.

Himmel' sehe Schwimmapparate.

Diese bewährten sich sehr bei den SchwimmUbungen und wurde kein Mann ohne diesen Apparat in das tiefe Wasser ge- lassen. Die Apparate haben einen großen Auftrieb. Dies empfiehlt sich den Leuten dadurch begreiflich zu machen, daß man sie im Wasser Hände und Füße emporstrecken läßt. Da der Mann nicht untersinken kann, faßt er Vertrauen zu dem Apparate und wird zu allen Verrichtungen im Wasser freudig bereit. Die Apparate sind am Manne derart zu befestigen, daß die Gurten unter den Achselhöhlen durchgezogen und am Genicke vereinigt werden. Das Herabrutschen der Ballons wird hiedurch ver- mieden.

Schweinsblasen, welche denselben Zweck verfolgen, bewährten sich nicht, da sie sehr schnell faulen, leicht platzen und die Pferde deren Geruch nicht vertragen. Schilfbündel bewährteu sich besser, saugen sich jedoch bald mit Wasser an und ver- lieren hiedurch an Tragvermögen. Im Felde werden jedoch solche Mittel in Ermangelung sicherer stets von großem Werte sein.

Feldmäßige Übersetzung.

Nachdem das Schwimmen der Pferde bereits behandelt wurde, sei hier nur der technische Teil erwähnt und zwar das Überschiffen der Armatur, der Rüstung und der Mannschaft.

Da eingeschwommene Pferde viel schneller zu übersetzen sind als Armatur etc., ist die Benützung der Uberschiffungs- mittel genau zu regeln, indem eine sinngemäße Einteilung der Mannschaft zu den verschiedenen Verrichtungen stattzufinden hat* Insbesonders ist eine Partie zu bestimmen, welche das Zu- tragen und Verladen der Rüstung etc. zu besorgen hat, wobei der taktische Verband zu wahren ist, da sonst das Satteln am anderen Ufer sehr verzögert wird.

Organ der MilitlnrlMenscnaftiichen Vereine. LXXIII. Bd. 1906. 20

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Flußübersetzungsübungen.

Überschiffungsmittel.

Kähne sind das schnellste und sicherste Übersetzungs- und Überschiffungsniittel, da mit diesen die Übersetzung selbst des größten Flusses mit der Methode des Einspannens der Pferde durchgeführt werden kann.

Flösse aus Baumstämmen erfordern, selbst wenn das Material in gehauenem Zustande am Ufer vorhanden ist, mit geübten Leuten zwei bis drei Stunden zur vollkommenen Her- stellung, sind schwer zu bewegen, bedürfen daher einer großen Bemannung und besitzen zwar eine große Tragkraft, doch ist die Rüstung dem Naßwerden sehr ausgesetzt.

Flösse aus Schwimm säcken. Von diesen bewährte sich jenes aus neun Schwimmsäcken am besten, weil es im Ver- hältnis zur Tragkraft wenig Bemannung erfordert. Dieses Floß kann von sechs Mann gerudert werden und trägt 24 komplette Mannes- und Pferderüstungen. Die Ruderer stellen dasselbe in 21 Minuten her, vom Abpacken des Schwimmsackes bis zur Verladungsbereitschaft gerechnet, wenn das erforderliche Holz- material am Ufer zerstreut angenommen wird. Kleinere Floß- typen erfordern im Verhältnisse ihrer Tragkraft zu viel Ruderer. Die beste der kleineren Typen ist die aus drei Schwimmsäcken hergestellte. Das Material der Schwimmsäcke bedarf zwar großer Sorgfalt bei Aufbewahrung und Gebrauch, jedoch kann den •Beschädigungen durch Verpicken mit Paralösung leicht abge holfen werden.

Schwimmen mit gesatteltem Pferde.

Dieser Versuch wurde mit einem sehr gut eingeschwommenen Pferde unternommen.

Die Sattelgurte wurde um ein Loch nachgelassen, das Pferd an die Longe vom Kahne genommen und der Reiter mit dem Himmerschen Schwim mapparate versehen.

Das Pferd schwamm gleich im Anfange der Übung sehr schwer, weshalb dem Reiter das Loslassen des Pferdes befohlen wurde. Er wurde von der Rettungszille aufgenommen. Bald darauf gebärdete sich das Pferd wie eine gurtenzwängige Remonte, indem es sich im Wasser überschlug und dem Ertrinken nahe kam. Es wurde sofort mit aller Kraft zum Kahne gezogen, ihm die Nüstern aus dem Wasser gehalten, worauf es sich wie leblos an 's Ufer ziehen ließ, wo es sich bald wieder erholte. Infolge der schwierigen Wasserverhältnisse wurden weitere diesbezügliche

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Flußiibersetzungsübungen.

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Versuche unterlassen, doch kann man aus diesem Versuche schließen, daß, wo tatsächliches Schwimmen von längerer Dauer infolge Breite und Tiefe des Hindernisses geboten erscheint, das Nachlassen der Gurte nur um ein Loch nicht genügt; wo die Grenze zwischen Nachlassen der Gurte und genügender Festig- keit der Sattlung beim Schwimmen zu finden wäre, könnte sich nur durch weitere Versuche ergeben, welche jedoch immer eine Gefahr für Reiter und Pferd bedeuten.

Die unter der sachkundigen Anleitung Sr. Exzellenz des Herrn Korpskommandanten G. d. K. von Pokorny durchge- führten Flußübersetzungsübungen der 6. Kavalleriebrigade bei Tisza-Polgär im Juli 1902 ergaben das Resultat, daß ein sehr schwieriges Hindernis, wie es die Theiß besonders zu Beginn der Übungen war, ohne jedwede Friktion überwunden werden kann, wenn die Pferde systematisch im Schwimmen geübt sind und die Mannschaft gründlich geschult wurde, vertrauend auf die sachverständige Leitung ihrer Kommandanten, mit Ruhe und peinlichstem Ordnungssinne den verschiedenen schwierigen Auf- gaben zu obliegen, welche an sie gestellt werden müssen.

In den letzten Tagen der Flußübersetzungsübungen war der Eindruck nicht zu verkennen, daß die Bewältigung eines geringeren Hindernisses, als es die Theiß im Juli 1902 war, der Brigade wohl nicht die geringste Schwierigkeit bereitet haben würde.

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I

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Die Wahrheit über Ssandepu.

Aus dem „Russischen Invalid" übersetzt von Oberstleutnant Mussynski von Arenhort der Militärbauabteilung des k. und k. 6. Korps.

Mit einer Textskizze. "

Die Beschreibung der Schlacht von Ssandepu in dem vor nicht langer Zeit unter dem Titel „Die Wahrheit über den Krieg 1904/5" erschienenen Werke des russischen Autors J. Taburno veranlaßte die unter der Redaktion des Generalmajors im Generalstabe M a k s c h e j e w stehende russische Tageszeitung des „Russischen Invalid", eines der gelesensten russischen Militärblätter, zu einer Richtigstellung der dort angeführten Daten. Diese in den Nummern 161 und 165 de 1905 des „Russischen Invalid" erschienene Korrektur des Tab u r n o'schen Werkes geben wir nachfolgend unter der Überschrift „Be- schreibung des Kampfes bei Cheke-utaj Ssandepu" vollinhalt- lich wieder. Auf diese Darstellung der Tatsachen hin, sah sich der Kommandant der dort in Aktion gestandenen russischen Streit- kräfte, Generaladjutant O. Grippenberg, veranlaßt, dennach- folgend unter dem Titel „Die Wahrheit über Ssandepuu zitierten Artikel in Nr. 31, 1906 des „Russischen Invalid" zu veröffent- lichen.

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I. Beschreibung des Kampfes bei Cheke-utaj Ssandepu. l)

Mit Rücksicht darauf, daß in dem Werke J. Taburnos unter dem Titel: „Die Wahrheit über den Krieg" der Kampf bei Ssandepu vollkommen unrichtig dargestellt ist, hält es

>) Cheke-utaj ist in der russischen Zweiwerstkarte (1" 2 Werst oder 1:84.000) mit Che-keu-taj bezeichnet; hier lautet jedoch „ouu nicht als Diphtong, sondern es sind „eu und „uu getrennt ssu hören, weshalb wir in richtigerer phonetischer Übertragung die Schreibweise Cheke-utaj wählen; andere Schreibweisen als Chejgoutaj, Hajkontaj etc. sind also inkorrekt. Ssandepu ist in der vorerwähnten Karte B8san-de-puu geschrieben; der hier im Rassischen gebrauchte „su -Konsonant ist nicht wie im Worte „Roseu weich, sondern wie im Worte Rosse" hart und scharf zu sprechen.

Org&n der MlUtlrwisBenscbaflllehen Vereine. LXXIII. Bd. 1906. 21

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der „Russische Invalid" für unerläßlich, die nachstehende, auf dokumentale Daten gegründete, richtigstellende Beschreibung dieses Kampfes zu geben.

Nach einer längeren (fast viermonatlichon) Unterbrechung der kriegerischen Aktionen, im Verlaufe welcher sich unsere Armee durch Nachschübe von Truppeu bedeuteud verstärkte, wurde von Seite des Armeeoberkommandanten Generaladjutanten Kuropatkin für den 12/25. Jänner 1905 (alten, neuen Stils) der Übergang zur allgemeinen Offensive angeordnet. Diesbezüg- lich wurden von ihm den Armeekommandanten die nachfolgen- den Direktiven unter Nr. 33 vom 6./19. Jänner 1905 gegeben:

„Mit dem heutigen Tage ist die Konzentrierung der Truppen in Mukden u. zw. des kombinierten Schützenkorps l) beendet und jene des 1(5. (europäischen) Armeekorps begonnen worden. Mit diesen Verstärkungen bekommen wir jene Überlegenheit an Zahl, die für einen Ubergang zur Offensive genügt. Als an- fängliches Ziel der OfFensivoperationen stelle ich nach der Niederringung der japanischen Armeen, deren Zurückdrängung hinter den Tajtzü-Fluß fest. Als erstes AngrifFsobjekt wähle ich die Armee Okus. Als Ort der Durchführung dieser Aktion wird eine Umfassung des linken Flügels dieser Armee in Aus- sicht genommen. In Abhängigkeit vom Erfolge der Tätigkeit der 2. und 3. Armee bei der Besitzergreifung des linken Flügels der japanischen Stellung am Scha- Flusse 2) haben die 3. und 1. Armee die Aktion gegen die von der Armee Nodsus und Kurokis besetzten Positionen zu eröffnen. Mit Rücksicht auf die bedeutende Stärke dieser japanischen Positionen wird ein frontaler Angriff mit schweren Verlusten verbunden sein. Des- halb muß vor dem Angriffe auf den einen oder anderen Abschnitt der gegnerischen Position getrachtet werden, eine Stellung zu erreichen, von welcher aus sowohl die Vorbereitungen zum An- griffe als auch der letztere selbst nicht nur frontal sondern auch von der Flanke her durchgeführt weiden können.8)

*) Bestehend aus der 1., 2. und 5. europäischen Schützenbrigade.

*) Im Russischen: Scha-che; die Endsilbe „ehe1* ist der Sprache der Eingeborenen (Chinesen und Mongolen) phonetisch nachgebildet, in welcher „nbtt Kluß bedeutet; statt der bisher üblichen Schreibweise Ljaoho, Hunho, Schaho etc. wäre richtiger Ljao-ehe, Chunche, Scha-che etc. zu gebrauchen.

•) Nach der Entschlußfassung bezüglich des Überganges zur Offensive mit allen disponiblen Kräften holte der Armeeoberkommandierende, Generai« adjutant Kuropatkin, die Me innnj;sHuU(>rung aller seiner Armeekonrmandanten hinsichtlich der Richtung, in welcher der Ha iptschldg zu führen und mit

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Die Wahrheit über Ssandepu.

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Für jede unserer Armeen setze ich folgende Aufgabe fest:

Die 2. mandschurische Armee bemächtigt sich der Linie der gegnerischen Befestigungen Ssandepu Lidiutun Tataj Tinjatzü und hierauf der Linie der Befestigungen am Scha- Flusse Tzunlunjantunj. l) In Abhängigkeit von der Tätigkeit des Gegners und dem von der 3. Armee erzielten Erfolge, ent- wickelt die 2. Armee, die sich gegen Süden hin durch einen entsprechend dichten Schleier deckt, ihre Tätigkeit in der Richtung auf die Linie Ulitajtzü Schiliche und die südlich der Ortschaft Schiliche gelegenen Höhen.

Die 3. mandschurische Armee nimmt die Linie der gegneri- schen Befestigungen Tschinlinpu Linschinpu und hierauf die gleichfalls fortifizierte Stellung am Scha-Flusse von Lischinpu bis einschließlich Chunlipu. Je nach der Tätigkeit des Gegners und den von der 2. mandschurischen Armee erreichten Erfolgen, richtet die 3. sodann ihre weitere Aktion gegen die Linie Choutchaj-Hügel und Chunboaschanj- Hügel.

Die 1. mandschurische Armee unterstützt die 3. bei der Aktion gegen den Choutchaj-Hügel und bemächtigt sich der Höhen bei der Ortschaft Tschenssanlintza (von den Russen: „Zweihornhügelu genannt) und Scheschanjtza. Je nach dem Ver- halten und der Tätigkeit des Gegners, sowie den von der 2. und 3. Armee erzielten Resultaten richtet diese 1. Armee, unter- stützt von der 3., ihre Aktion gegen die seinerzeit (27. bis 29. September, 10. bis 12. Oktober 1904) von uns besetzt gewesene, nunmehrige gegnerische Stellung Tapu Ssantzjatzü Schani ju- chedsü.

Während des Zeitraumes dieser Aktionen obliegt der 1. mandschurischen Armee die Sicherung der linken Flanke und der 2. mandschurischen Armee jene der rechten Flanke unserer Stellung.

welchen Kräften er zu unternehmen wäre, ein. Sowohl bei diesen Verhand- lungen wie auch späterhin beim Kriegsrate im Hauptquartiere äußerten Bich alle Armeekommandanten einstimmig für die Führung des Hauptschlages gegen den linken Flügel Okus u. «w. gerichtet auf die Bahnstation Jentaj in Umgehung der japanischen Befestigungen am Scha-Flusse, zu welchem Zwecke am rechten Flügel uuserer Streitkräfte 7 Armeekorps massiert werden sollten.

*) Wo in Ortsnamen „njtt vorkommt, ist „n" jotiert zu sprechen, ähnlich wie in den französischen Wörtern: Coguao, Bretagne, Champagne; denselben jotierten Konsonanten bezeichnet die ungarische Sprache mit „nyu, die polnische mit „ri" und die spanische mit „fi44.

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Alle drei Armeen haben sich nach Tunlichkeit gegenseitig zu unterstützen. Die Unterstützung durch Feuer oder mittels Abgabe von Truppen einer der Armeen beim Angriffe dieses oder jenes Abschnittes der gegnerischen Position durch die andere Armee, geschieht im gegenseitigen Einverständnisse der Armeekommandanten.

Hinsichtlich dieser Unterstützung und Mitwirkung, die für alle wichtigen Fälle Giltigkeit hat, erachte ich es für notwendig, folgendes hervorzuheben : bei der Aktion der Truppen der 2. Armee unterstützt die 3. durch ihr Artilleriefeuer die Vor- bereitung des Angriffes auf jenen Teil der feindlichen Stellung, der sich in der Wirkungssphäre der Batterien der 3. Armee be- findet, und wirkt direkt beim Angriffe auf die Position bei Paotzüjan durch Abgabe von Truppen mit. Die Truppen der 2. Armee unterstützen den Angriff der 3. Armee gegen die Position bei Tschanlinpu und Chunlinpu durch ihr Feuer. Die Truppen der 1. Armee leihen ihre Unterstützung der 3. Armee bei der Weg- nahme des Choutchaj-Hügels sowohl durch Feuer wie durch Abgabe von Truppen an dieselbe. Die Truppen der 3. Armee unterstützen bei der Wegnahme des Choutchaj-Hügels jene der 1. Armee durch Feuer und bei der Aktion gegen den Zwei- hornhügel und die Ortschaften Tschenssanlinsa und Scheschanjtza durch Truppen. Das Maß der Hilfeleistung in den vorangeführten Fällen betreffs des Feuers und der Abgabe von Truppen unter- liegt gleichfalls dem gegenseitigen Einvernehmen der Armee- kommandanten.

Während der Aktion unserer Armeen muß sich jederzeit bereitgehalten werden, einen feindlichen Gegenangriff entgegen- treten zu können.

Mit der Aktion hat die 1. Armee zu beginnen. Als erster Tag hiefür ist der 12./25. Jänner 1905 bestimmt

Zu meiner unmittelbaren Verfügung bleiben : das XVI. (europäische) Armeekorps, das III. sibirische Korps ausge- nommen das 10. und 12. ostsibirische Schützenregiment dann die 72. Reserveinfanterie-Truppendivision des VI. sibiri- schen Korps ; diese die strategische Reserve der Operations- armeen bildenden Truppen werden vorläufig im Rayon Ssujatunj Bajtapu Chwanjschanj versammelt.

Weisungen über die weitere Tätigkeit der Armeen werden nach Maßgabe des Erfolges unserer Aktion gegeben."

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Die Wahrheit über Ssandepu.

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Sich in diesen ebenzitierten Direktiven mit einer Fest- setzung der allgemeinen Aufgabe was mit wenigen Worten hätte geschehen können nicht begnügend, hat der Armee- oberkommandant diese langatmige Disposition selbst zusammen- gestellt und dieselbe den zu diesem Zwecke eigens ins Haupt- quartier beschiedenen Armeekommandanten zur Verlesung ge- bracht; er hat also darin nicht nur den Aktionszweck in großen Zügen dargelegt, soudern auch die Gruppierung der Kräfte, die den verschiedenen Truppenteilen zufallenden Aufgaben, sowie die Reihenfolge für die anfängliche Tätigkeit, also mit einem Worte auch die Details der Durchführung festgesetzt.

Speziell betreffs der Anfangstätigkeit der II. mandschuri- schen Armee ergab das Vorhandensein dieser Bestimmungen das nachfolgende Resultat: 1. die Armee bemächtigte sich folge- richtig der Stützpunkte der fortifizierten gegnerischen Position, beim Chun-Flusse beginnend; 2. der unmittelbare Angriff eines jeden dieser Stützpunkte geschieht nur mit den schon früher hiefür bestimmten Truppenteilen ; die übrigen unterstützen ohne Anlaß zum Ubergange in die Offensive zu finden die ersteren in den von ihnen genommenen Positionen durch Feuer und bereiten auch gleichzeitig durch Feuer den Angriff auf die benachbarten Abschnitte der gegnerischen Stellung vor.

Zur Besitzergreifung des Rayons von Ssandepu und dieses Ortes selbst, war nach der Disposition des Kommandanten der II. Armee nur das I. sibirische Korps, das kombinierte Scbützenkorps und die 14. Infanterietruppendivision bestimmt. Die 15. Infanterietruppendivision und das X. Armeekorps sollten gemäß der Disposition des Armeeoberkommandierenden in ihren Positionen gegenüber den gegnerischen Befestigungen verbleiben und den Angriff mit ihrem Feuer vorbereiten.

Zu der früher angegebenen Zeit waren die Daten, welche hinsichtlich der Kräftegruppierung des Gegners an seinem linken Flügel und in einem Teile seines Zentrums zur Verfügung standen, die nachfolgenden : die Japaner halten eine befestigte Stellung in der Linie Ssandepu Bejtajtzü Ssjaotajtzü Chuandi Tzinjschanjtunj Tataj Tzanjdschuantzü Paotzüjan Tschan- linpu Linschinpu und weiter nach Osten längs des Scha-Flusses ; westlich davon am Chun-Flu3se waren in Verteidigungszustand gesetzt: Cheke-utaj, Chuantototzü und Mamakaj.

In dieser Linie der Stützpunkte waren stark befestigt und mit starken Besatzungen (inkl. Maschinengewehren) dotiert:

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Ssandepu, Lidiutunj, Ssjaojantaj und Chunlinpu in der Front, sowie Cheke-utaj als Staffel am linken Flügel. Schwächere Kräfte hatten die Japaner überdies in Tsehitajtzü, Toutajtzü und mehreren anderen unbenannten Ansiedlungen am Chun-Flusse.

Außer diesen Daten über die Truppen, welche die eben- bezeichnete befestigte Linie besetzt hielten, hatte man auch solche über einen ununterbrochenen Zufluß feindlicher Streit- kräfte iu den hinter dieser Position gelegenen Raum. So sollen 1. in der zweiten Hälfte des Dezember 1904 dort die 8. Feld- division der Japaner, in der ersten Hälfte des Jänner 1905 zwei neu formierte Reservebrigaden und iregen Ende dieses Monates Teile der Armee Nogi's aus Port-Artur eingetroffen sein; 2. wurde eine ununterbrochene Verschiebung japanischer Truppen längs der Front von Ost nach West bemerkt; 3. zu- folge Nachrichten, die von Chinesen überbracht wurden, be- reiteten sich die Japaner für den Übergang zur Offensive gegen unseren rechten Flügel vor; auf die Glaubwürdigkeit speziell dieses Gerüchtes deutete auch das bei jedem Vorrücken der Japaner charakteristische Übersiedeln der Landesbewohner nach jenen Ortschaften und Ansiedlungen, wo eben die Japaner an- wesend waren, hin; 4. westlich vom Chun-Flusse im Rayon Dawan, Mamakaj und Aschen julu sollen die Japaner nach Aus- sage von Chinesen gegen Mitte Jänner 1905 etwa 8 Bataillone Infanterie, 6- 7 Regimenter Kavallerie und 24 Geschütze kon- zentriert haben.

Die Truppen der II. mandschurischen Armee massierten sich am 11./24. Jänner 1905 an folgenden Punkten:

1. das I. sibirische Korps in den Ortschaften Ssüfantaj, Chaumachulintzü, Tschenmochulintzü und Tzüjuto;

2. das VIII. (europäische) Armeekorps u. zw. 14 Infanterie- truppendivision, die 41. Artilleriebrigade und das 12. Sappeur- bataillon am rechten Chuu-Ufer im Rayon Dschanjton (eine Bri- gade), Tschandiopa, Ssissejupao und Tundjaopao (eine Brigade) ; die 15. Infanterietruppendivision mit der 29. Artilleriebrigade, Haubitz- und 2 Mörserbatterien im Rayon zwischen dem Chun- Flusse und der Linie Ssulubtaj Tschanssümen Ertchasa und hielt die befestigte Stellung Dschouguanjpu Ertchasa;

3. das X. (europäische) Armeekorps im Rayon zwischen der Linie Ssuljubtaj— Tschanssüpu— Paussentunj und Ssechobetaj Pajunjdschuatdzü— Lanschanjpu— Wassjudschuantzü, die befestigte Stellung in der Front von Ertchasa nach Ssechobetaj besetzt haltend.

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Die Wahrheit über 8sandepu.

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4. das kombinierte Schützenkorps hatte die 2. und 5. Schützenbrigade in Tauchusa und die. 1. in Dawanjganjpu ; *)

5. das Detachement des Generals Kossog owski2) im Rayon Pijapudsa Matju-entzü Tzüjuto Tschenmachulintzü mit den Vorhuten in Ssantajtzü und Ssjaodamün ;

6. das Kavalleriedetachement Generaladjutant Misch- tschenko: im Rayon zwischen der Route Tadmantschipu Tsbanjulu und den Höhen von Ssüfontaj.

Mit der für diese Armee vom 12./25. Jänner 1905 aus- gegebenen Disposition waren nachfolgende Aufgaben gestellt:

a) Das I. sibirische Korps hat in der Nacht vom 1 1./24. zum 12. /25. die Ortschaften Chuanlotatzü und Tutajtzü zu nehmen und hierauf Cheke-utaj anzugreifen. Nach der Wegnahme des letzteren sind dem Kommandanten des VIII. Armeekorps eine Schützenbrigade mit allen Haubitz- und Mörserbatterien sowie den Maschinengewehren zum Angriffe auf Ssandepu zur Ver- fügung zu stellen. Der übrigbleibende Teil des Korps hat den rechten Flügel des Detachements General Mülow während des Angriffes auf Ssandepu zu decken und ihm im Bedarfsfalle Hilfe zu leisten.

b) Die 14. Infanterietruppendivision hat sich nach der durch das I. sibirische zu bewirkenden Einnahme von Cheke-utaj in der Front Tulajtzü Dschanjtanj (letzteres eingerechnet) zu entwickeln, Ssandepu anzugreifen und zu nehmen.

c) Die 15. Infanterietruppendivision hat dem Angriffe auf Ssandepu mit kräftigem Feuer von Nordwest her aus der Linie Dschoutschuanpu Gudsjatzü zu assistieren.

d) Das X. Armeekorps hat den Angriff des VIII. Armee- korps auf Ssandepu durch sein Feuer gegen die Linie Chuandi Futzjadschuantzü und das Aufsichziehen der Aufmerksamkeit des Gegners zu unterstützen.

l) Gemäß der Verfügung des Armeeoberkommandanten.

*) u. zw das 241. Omsk sehe Infanterieregiment (4 Bat.), das 215. Busuluk- sche Infanterieregiment (4 Bat.), dann von der 28. Artilleriebrigade 8 Geschätze, ▼on der 4. sibirischen Artilleriedivision 4 Geschütze, endlich vom Amur- Kavallerieregiment 3 Ssotnjen, im ganzen also 8 Bataillone, 12 Geschütze und 8 Ssotnjen. (Nach Bemerkung (1) ist „Ssotnja" und nicht „Sotnie" die riohtige Schreibweise (plur. „Ssotnjen").

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Muszynski.

e) Das kombiuierte Schützenkorps bildet die allgemeine Reserve der zum Angriffe auf Cheke-utaj und Ssandepu be- stimmten Truppen. x)

f) Das Detachement Genoralmajor Kossogowski, auf seiner Position südlich von Szüfontaj verbleibend, hat den Rücken

des VIII. Armee und des I. sibirischen Korps zu decken und « gleichzeitig den Raum zwischen den beiden Flüssen Ljao und Chun zu beobachten.

g) Das Kavalleriedetachement Generaladjutant Misch- tschenko hat beim Angriffe des I. sibirischen Korps auf Chuanlotatzü mitzuwirken, dann auf das linke Ufer des Tajtzü- Flusses überzugehen und den Raum zwischen dem Tajtzü und der Linie Cheke-utaj -Landungon Tadussampu aufzuklären ; im Falle eines Vorrückens des Gegners gegen Ssandepu hat es gegen den Rücken und die Flanke desselben zu operieren. 2)

Iii der Nacht vom 11./24. auf den 12./25. Jänner begannen die Truppen der Disposition gemäß die Vorrückung und gegen Morgen des 12./25. Jänner hatten sie folgende Erfolge erreicht: das I. sibirische Korps, in 2 Kolonnen vorgehend, nahm die Ortschaften Chualotatzü und Tutajtzü. Unbedeutende Kräfte der Japaner, die an diesen Punkten standen, plötzlich überrascht und überrumpelt, wurden zum Teile niedergemacht, zum Teile fluchteten sie auf das linke Chun -Ufer. Die ganze Artillerie des Korps konzentrierte unverweilt ihr Feuer auf Cheke-utaj.

Die beiden Detachements , Generaladjutani Misch- tschenko und Generalmajor Kossogowski, bemächtigten

>) Der Armeeoberkommandierende befahl ursprünglich, die allgemeine Reserve (das kombinierte Schützenkorps) boi Dawanjganjpu d. i. 20 Werst (21*8 km.) von Cheke-utaj zu postieren, erklärte sich jedoch später damit einverstanden, daß die 2. und 5. Schützenbrigade bei Tanchusa (10 Werst = 11*7 km. von Cheke-utaj entfernt) und die 1. Schiitzenbrigade bei Dawanj- gaujpu etabliert werde. Die Aufstellung der erstgenannten 2 Brigaden bei Tauchusa als von Cheke-utaj zu entlegen anerkennend, verschob der Komman- dant der II. Armee dieselbe gleich nach Beginn des Kampfes noch D*chantanj.

*) Bei Durchführung der Disposition wurden seitens der Armeeoberkomman- danten sowohl den Armeekommandanten als auch direkte den Korpskomman- danten nachfolgende unabänderliche Weisungen gegeben: 1. das I. sibirische Korps hat sich nach der Wegnahme von Cheke-utaj bis zum Kalle von Ssandepu lediglich auf das Festhalten des erstgenannten Punktes zu be- schränken und 2. die 15. Iufauterietruppendlvision sowie das X. Armeekorps sind wahreud der Operation gegen Ssandepu nicht ohne zwingenden Grund zu verausgaben und ist es denselben uicht gestattet, aus der innehabenden Position heraus <tur Offensive überzugehen.

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Die Wahrheit von Ssandepu. 313

sich gemeinsam der Ortschaften Tschitajtzü , Mamakaj und Utzjagantsa. Nach Einnahme der erstgeuanuten zwei Punkte durch die Vorhut Generalmajor Kossogowski's übersetzte Generaladjutant Mischtsehenko mit seinem Detachement den Chun-Fluß im Abschnitte Tschitajtzü Chuanlotajtzü und wendete sich gegen Ssju-erpu.

Um 12 Uhr mittags übersetzte das I. sibirische Korps den Chun-Fluß bei Chuaülotajtzü und begann den Angriff auf Cheke-utaj mit der I. ost«ibirischen Schützendivision und dem kleineren Teile der Artillerie in der Kampflinie und drei Regi- mentern der 9. ostsibirischen Schützendivision in der Reserve. Zur selben Zeit beschoß der größere Teil der Artillerie des Korps mit den Maschinengewehren unter dem Schutze eines Regimentes der 9. ostsibirischen Schützendivision, ununterbrochen die Ortschatt Cheke-utaj von Tutajtzü her. Ungeachtet des heftigen gegnerischen Gewehrfeuers drang die I. ostsibirische Schützendivision rasch bis zur Höhe von Toupao vor, wurde jedoch hier unerwartet mit Flankenfeuer beschossen. Deshalb erschien es notwendig, sich des Ortes Toupao zu bemächtigen, zu welchem Zwecke die am linken Ufer des Chun-Flusses etablierte Artillerie den Befehl erhielt, sofort ihr Feuer gegen diese Ortschalt zu richten, während gleichzeitig die zur Unterstützung des Angriffes erforder- lichen Kräfte aus der Reserve herangezogen wurden. Aber alle Anstrengungen, die dahin gerichtet waren, sich der Ortschaften Toupao und Cheke-utaj noch bei Tageslicht zu bemächtigen, erwiesen sich als vergebliche. Erst bei Eintritt der Dunkelheit gelang es durch einen Angriff mit dem Bajonett, die Japaner aus dem erstgenannten und gegen 11 Uhr nachts auch aus dem zweitgenau nten Orte zu werfen. Die hereinbrechende Nacht verbrachten die Truppen des I. sibirischen Korps in den durch den Kampf erworbenen Stellungen u. zw. die I. ostsibirische Schützendivision bei Cheke-utaj und die 9. ostsibirische Schützen- division bei Toupao.

Was das VIII. und X. Armeekorps anbelangt, so hatten auch diese die ihnen in der Disposition für die iL Armee vom 12./25. Jänner bezeichneten Punkte heftig beschossen; die vor- deren Truppen des X. Armeekorps besetzten die Ortschaften Chuandi und Tzinjschanjtunj.

Am folgenden Tage, dem 13./26. Jänner, setzten die Truppen die ihnen in der Disposition vorgezeichnete Tätigkeit fort. Die 1, Brigade der I. ostsibirischen Schützendivision mit ihrer Ar-

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tillerie, unter dem Kommando des Kommandanten des I. ost- sibiriseheu Schützenregimentes Sr. Majestät, Oberst Lese Ii, setzte sich zur Vereinigung mit der 14. Infanterietruppendivision in Marsch, welch letztere noch am 12./25. Jänner, nachdem sie die von den Japanern mit schwachen Kräften besetzten Ufer- ansiedelungen am linken Ufer des Chun durch Artillerie beschossen hatte, den Fluß mit drei Regimentern übersetzte und auf den 13. /26. Jänner in der Linie Malandjan Wonsjawopu Dschanj- tanjehenan Dschantanj nächtigte. Am Morgen des 13./26. Jänner begann diese Division ihre VorrückaDg gegen Ssandepu.

Die 2. Brigade der I. ostsibirischen Schützendivision, der ebengenannten Brigade folgend, hatte von Cheke-utaj aus vorzu- gehen, sich der Ortschaften Ssjaotzjao, Dataj und Gutschentzü zu bemächtigen und hierauf hier gegen Süden hin den Vor- hang zu bilden, der von dieser Seite den Angriff auf Ssandepu decken sollte.

Die 9. ostsibirische Schützendivision konzentrierte sich, in den Ortschaften Chuanlitatzü und Toupao Besatzungen zu- rücklassend, bei der Ortschaft Cheke-utaj als allgemeine Reserve des Korps.

Gegen 11 Uhr vorm. des 13./26. Jänner konstatierte die Kavallerie des Korps die von Süd und Südost her in der Rich- tung auf Pjaotzjao, Cheke-utaj und Toupao erfolgeude Vor- rückung stärkerer und mit Artillerie ausgestatteter gegnerischer Kräfte. Das I. ostsibirische Korps entwickelte sich ungesäumt in die Gefechtsform, um dem rasch vorrückenden Gegner entgegen- zutreten. Die 2. Brigade der I. ostsibirischen Schützendivision und das 33. ostsibirische Schützenregiment bildeten die Kampf- gruppe bei Cheke-utaj, das 36. ostsibirische Schützenregiment besetzte den Ort Toupao. Zu dieser Zeit hatten die Japaner schon Ssumapu, Schiflsa und Pjaotzjao genommen, von wo aus sie die von uns besetzten Positionen energisch angriffen.

Wie dieser, so scheiterten auch die folgenden Angriffe an der unerschütterlichen Widerstandskraft unserer ostsibirischen Schützen, die den japanischen Truppen schwere Verluste bei- brachten.

Ungeachtet der erfolgreich durchgeführten Aufgabe dieses Tages konnte die Lage des I. ostsibirischen Korps keiue vor- teilhafte genannt werden. Mitten in der Ebene südlich von Cheke-utaj zieht sich von Ost nach West eine Reihe niedriger Hügel, eine für die Verteidigung von Cheke-utaj von Natur aus

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Die Wahrheit über Ssandepu.

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günstige Position. Jenseits dieser Hügelreihe liegt im Bereiche der Feuerwirkung die Ortschaft Ssumapu, die wie viele andere Ortschaften dieses Gebietes mit Lehm mauern umgeben ist. Diese durch Truppen des Verteidigers besetzte Ortschaft erwies sich als ein vorzüglicher „vorgeschobener Posten" mit Bezug auf die rückwärts gelegene Stellung und umgekehrt erschwerte sie in den Händen des Gegners befindlich wie im vorliegenden Falle wesentlich die Verteidigung des I. ostsibirischen Korps, welches durch das gegnerische Feuer von dort her schwere Verluste zu erleiden hatte. Dies, veranlaßte auch den Korps- kommandanten, sieb der Ortschaft Ssumapu um jeden Preis zu bemächtigen.

Zu der Zeit, wo drei Brigaden des I. ostsibirischen Korps sich der sie drückenden gegnerischen Kräfte erfolgreich erwehrten, tobte nördlich von denselben der Kampf nicht minder heftig.

Die 1. Brigade der I. ostsibirischen Schützendivision mit der Artillerie unter Kommando des Obersten Lesch, am Morgen des 13./26. Jänner aus Cheke-utaj aufbrechend, er- reichte um Mittag glücklich Malandjan, wo sie mit der 14. In- fanterietruppendivision in Kontakt trat. Nachdem sie hier den Befehl Generalleutnant Mülow's erhalten hatte, sich zu dein von Süden her auf Ssandepu geplanten Angriffe gegen Südost zu ziehen während gleichzeitig die 14. Infanterietruppen- division von Nordwest her anzugreifen hatte zog sich Oberst Lesch in der ihm angegebenen Richtung, wurde jedoch schon bei Tzjutzanchetzü von überlegenen Kräften der Japaner angegriffen und gezwungen, zur Verteidigung über- zugehen.

Nach Erhalt der Meldung über den Übergang des Gegners zur Offensive, sandte der Kommandant der 11. mandschurischen Armee der 1. europäischen Schützenbrigade den Befehl, von Dawanjganjpu nach Dschanjtanj zu rücken, um sich dort mit den übrigen zwei Brigaden (der 2. und 5. Schützenbrigade) des Korps zu vereinigen.

Mit Rücksicht auf die schwierige Lage der Brigade des Oberst Lesch und der von ihm eingelangten Bitte um Unter- stützung, verstärkte der Kommandant der IL mandschurischen Armee dieselbe durch die 2. europäische Schützenbrigade, die sich links von der erstgenannten entwickelte.

Mittlerweile wurden die Japaner allerwärts durch die un- unterbrochen aus dem Süden einlangenden Zuschübe verstärkt.

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In ihrem Drucke auf die Brigade Oberst Lesch und die 2. europäische Schützenbrigade nicht nachlassend, waren sie gleichzeitig bestrebt, unsere Stellung im Intervalle zwischen dieser letzteren und der 14. Infanterietruppendivision zu durch- brechen, welch letztere zu dieser Zeit in einen heftigen Kampf gegenüber Ssandepu verwickelt war.

Im Hinblicke auf die uns drohende Gefahr eines Durch- bruches zog der Kommandant der II. mandschurischen Armee gegen 4 Uhr nachm. aus der Reserve die 5. europäische Schützen- brigade in die Kampflinie vor, die auch das weitere Vorrücken der Japaner zum Stehen brachte.

Der auf diese Weise am 13./26. Jänner an der ganzen Front entbrannte wütende Kampf wurde erst mit Eintritt der Dunkelheit unterbrochen, nach welchem die 2. europäische Schützenbrigade aus der Kampflinie gezogen und nach Cheke-utaj dirigiert wurde, wo sie die Reserve hinter dem I. sibirischen Korps zu bilden hatte.

Sowohl dem Kommandanten dieses letzteren, wie auch jenem des kombinierten Schützenkorps wurde seitens des Armee- kommandos der Befehl übermittelt, in jenen Stellungen zu ver- bleiben, welche die Truppen bei Eintritt der Dunkelheit inne hatten und hiebei alle Sicherungsmaßnahmen für den Fall eines nächtlichen Angriffes der Japaner zu treffen.

Auf diese Weise herrschte an der ganzen Front der II. mandschurischen Armee nach 6 Uhr abends vollkommene Ruhe und Stille, die jedoch bald durch den Angriff der 14. In- funterietruppendivision im Vereine mit dem 18. ostsibirischen Schützenregimente auf Ssandepu gestört wurde.

Die Teilnahme der 15. Infanterietruppendivision und des X. Armeekorps an den Kämpfen dieses Tages äußerte sich außer durch die ununterbrochene Beschießung der gegnerischen Positionen auch durch die Wegnahme der Ortschaft Bejtajtzü durch die erstere.

Die 14. Infanterietruppendivision, welche wie oben erwähnt zum Angriffe auf Ssandepu vorrückte, bemächtigte sich bald des größeren Teiles dieser Ortschaft. Überzeugt davon, daß nach dem Gange der Operation der endliche Erfolg nicht ausbleiben könne, meldete der Kommandant dieser Division Generalleutnant Russanow noch vor Beendigung des Kampfes die Wegnahme von Ssandepu. Diese Meldung zeigte sich jedoch sehr bald als verfrüht, denn die an der nordöstlichen Umfassung

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Die Wahrheit Uber Ssandepu.

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der mit hohen Lehmmauern umgebenen Ortschaft bestehende Redoute sowie eine dreifache Zone künstlicher Hindernisse, zeigten sich für unsere Artillerie unüberwindlich und es endete infolgedessen der Versuch, dieselbe mit Sturm zu nehmen, mit einem vollen Mißerfolge unsererseits. Die schweren Verluste unserer Truppen durch das japanische Feuer aus der Redoute (Maschinengewehre) einerseits und die Erkenntnis andererseits, daß die Niederringung derselben durch die Artillerie und die Wegnahme des noch in Händen der Japaner befindlichen und hartnäckigst verteidigten Teiles der Ortschaft trotz geringer Wahrscheinlichkeit auf Erfolg noch größere Opfer gekostet hätte, bewogen den Generalleutnant Russanow, gegen 2 Uhr nachts alle seine Truppen von Ssandepu aus eigener Initiative zurückzuziehen.

Um 3 Uhr nachts im Orte Dschanjtanj die Meldung von der Räumung Ssandepirs empfangend, befahl der Arnieekomman- dant mit Rücksicht auf die Erschöpfung der 14. Infanteric- truppendivision dieser letzteren, sich bei Dschanjtanj aufzustellen und dortselbst als Armeereserve zu verbleiben; die Kampflinie verstärkte er am Morgen des 14./27. Jänner durch die 1. Schützen - brigade. Die vom Armeekommandanten für den 15./28. Jänner befohlene Wiederholung des Angriffes wurde dem kombinierten Schützenkorps übertragen.

Mit Tagesanbruch des 14./27. Jänner erneuerte sich der Kampf in seiner früheren Intensität an der ganzen Front. Das L sibirische Korps vollführte den Angriff auf Ssumapu, er- reichte jedoch bis zum Eintritt der Dunkelheit keine greifbaren' Resultate, sowohl wegen der Überlegenheit der ihm gegenüber- stehenden feindlichen Kräfte, als auch infolge der schweren Verluste, die dem Korps durch das Kreuzfeuer des Gegners aus den Ortschaften Ssumapu Erdsa und Pjaotzjao verursacht wurden. Die beiden Ersuchen des Kommandanten des I. sibi- rischen Korps, einerseits an Oberst Lesch einen Druck auf Pjaotzjao von Norden her auszuüben, um sich dem Feuer der dort postierten gegnerischen Batterien entziehen zu können und andererseits an den Kommandanten des Kavalleriedetachements, Generaladjutanten Misch tschenk o, den Angriff auf Ssumapu seinerseits von Süden zu unterstützen, blieben erfolglos; ersterer war, weil er überlegene Kräfte gegen sich hatte, nicht imstande vorwärts zu kommen; letzterer, welcher am Vortage fast ohne Widerstand bis Landougon vorgedrungen war und später ge-

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Muszynski.

zwirnten wurde zurückzuweichen, nächtigte am 13./26. Jänner in Ssju-erpu und unterließ aus unbekannter Ursache die von ihm verlangte Unterstützung des I. sibirischen Korps.

Sein Ziel im Laufe des Tages nicht erreichend, entschloß sich der Kommandant des I. sibirischen Korps, Generalleutnant Baron Stakelberg, sich Ssumapu's durch einen plötzlichen und unvermuteten nächtlichen Angriff zu bemächtigen und ver- stärkte zu diesem Zwecke die dem Ort gegenüberstehenden Truppen durch das der Reserve entnommene 6. ostsibirische Schützenregiment. Zugleich wurde das bei der Ortschaft Toupao aufgestellte 36. ostsibirische Schützenregiment durch das 8. ost- sibirische Schützenregiment verstärkt.

Ungeachtet der Stärke der Kräfte (fünf Regimenter), die an dem gedachten Angriffe auf Ssumapu teilnahmen, gelang es nur, den nordwestlichen Teil der Ortschaft zu gewinnen, am Morgen des 15./28. Jänner wurden unsere Truppen nach einem während der Nacht ununterbrochen weiter geführten Kampfe durch den unüberwindlichen Druck der Japaner gezwungen, in ihre früheren Positionen zurückzugehen.

Au der übrigen Front der II. mandschurischen Armee wurde den ganzen 14/27. Jänner hindurch der Kampf hart- näckig, aber für die Japaner resultatlos geführt. Ihre Versuche, die Stellung zu durchbrechen, zerschellten an der unerschütter- lichen Standhaftigkeit unserer Schützen, die dem Gegner schwere Verluste beibrachten; es trat daher bis zum Eintritte der Dunkel- heit in der gegenseitigen Lage eine Änderung nicht ein. Erst früh morgens wurde vom Armeekommandanten ein Regiment der 15. Infanterietruppendivision vordisponiert, um eine festere Verbindung zwischen dem kombinierten Schützenkorps und der letztgenannten Division herzustellen. Mit dem Eintritte der Dunkel- heit wurde der Kampf hier unterbrochen uud den Truppen wie am Vortage der Befehl zugeschickt, in ihren Stellungen zu verbleiben und alle zur Sicherung gegen nächtliche Angriffe der Japaner erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen.

Durch Zuschübe während der Nacht verstärkt, eröffneten die Japaner am frühesten Margen des 15./28. Jänner mit erneuerter Kraft den Angriff auf das I. sibirische Korps und das kom- binierte Schützenkorps.

Um sieh auf den südlich von Cheke-utaj gelegenen Höhen zu halten, war Generalleutnant Baron Stakelberg gezwungen, den letzten Rest seiner Reserve, das 5. und 7. ostsibirische

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Die Wahrheit über Ssandepu.

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Schützenregiment, in Aktion treten zu lassen, dem ungeachtet blieb seine Lage eine äußerst schwierige. Das kombinierte Schützenkorps konnte gegen Ssandepu nicht zur Offensive über- gehen, ja es mußte seine ganze Kraft anspannen, um im Kampfe mit den überlegenen gegnerischen Kräften standzuhalten.

Im Hinblicke auf die ernste Lage der Dinge war der Kommandant der IL mandschurischen Armee gezwungen : 1. den Kommandanten der beiden ebengenannten Korps je ein Bataillon der 14. Infanterietruppendivision in Form einer Teilreserve zu- zuweisen; 2. das bei Dschanjdschuantzü im Kampfe stehende Regiment noch durch ein Regiment der 15. Infanterietruppen- division zu verstärken und 3. abermals beim Armeeoberkommando um Unterstützung zu bitten. ')

Dank den eben angeführten Maßnahmen, wurden alle An- griffe der Japaner unter bedeutenden Verlusten für sie abge- gewiesen und gegen mittag des 15./28. Jänner nahm der Kampf anf der ganzen Front einen ruhigen Charakter an. Wahrnehmend, daß sich alle Anstrengungen der Japaner gegen jene unserer Truppen richteten , die westlich von Ssandepu standen und wünschend, denselben zu Hilfe zu kommen, ergriff das X. Armee- korps Uber Initiative seines Kommandanten Generalleutnant Tzerpitzk i, mit einem Teile seiner Infanteriekräfte die Offensive gegen die beiden Ortschaften S-jaotatzii und Labataj, deren er sich am 15./28. Jänner abends leicht bemächtigt hatte.

Der Kampf an diesem Tage dem 15./28. Jänner endete wie in den meisten Fällen erst mit dem Eintritte der Dunkelheit. Darauf rechnend, daß am folgendeu Tage die vor- teilhafte Lage, welche mit der Einnahme von Ssjaotajtzü und Labataj durch das X. Armeekorps geschaffen wurde, ausgenützt werden könne, gab der Kommandant der II. mandschurischen Armee für die folgende Nacht die gleichlautende Disposition wie für die vorhergangenen Nächte.

Am 15./28. Jänner gegen 11 Uhr 30 Min. abends erhielt er vom Armeeoberkommando den nachfolgenden Befehl : 1. unverweilt die in

») Die erste Bitte um Verstärkung war dem Armeeoberkommandierenden schon am 14 /27. Janner vorgelegt worden, als klar geworden war, daß die Krkfte, die dem Kommandanten der II. mandschurischen Armee zur Disposition standen, für einen Übergang zur Offensive gegen die massierten Kräfte de« Gegners gänslioh unzureichende waren. Auf alle diese Kitten hatte der Armee- oberkommandant nur die eine Antwort, daß er die Stärke dieser II. Armee für genügend erachte, den Druck der Japaner auszuhaken.

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Muszynski.

der vordersten Kampflinie befindlichen Truppen und Einrichtungen aller Art zurückzuziehen ; 2. sämtliche Verwundete aus der Ge- fechtszone fortzuschaffen, wobei dieselben, wenn es an Transport- mitteln fehlen sollte, durch die Mannschaft am Rücken zu tragen sind; 3 die Armee unter Zurücklassung des kombinierten Schützen- korps bei Dschanjtanj und Etablierung des I. sibirischen Korps als allgemeine Reserve bei Dawanjganjpu, noch im Laufe der Nacht auf das rechte Chun-Ufer zurückzuführen und sie dort möglich konzentriert zu etablieren.

Iu Befolg dieses Befehles traf der Kommandant der IL man- dschurischen Armee die notwendigen Verfügungen und es be- gannen die Truppen um 2 Uhr nachts (vom 15./28. auf den 16./29. Jänner) den Rückzug. Ungeachtet der großen Schwierig- keiten, mit welchen diese Rückzugsbewegung im Hinblicke auf die Umstände, unter denen sich die Truppen befanden,1) ver- bunden war, wurde sie in vollster Ordnung vollzogen.

Besonders gut wurde diese Aufgabe seitens des I. sibiri- schen Korps durchgeführt, das gerade unmittelbar vor Antritt der Rückzugsbewegung den hartnäckigsten Widerstand zu leisten hatte. Die durch den Eintritt der Dunkelheit unterbrochenen wütenden Angriffe gegen dieses Korps wurden gegen 10 Uhr nachts seitens der Japaner auf der ganzen Front mit verdoppelter Kraft wieder aufgenommen. Von vier unmittelbar hintereinander folgenden Angriffen bricht der letzte, mit der Wut der Ver- zweiflung unternommene, vor dem heldenmütigen Widerstande der sibirischen Schützen zusammen und der Kampf endete um Mitternacht mit einer völligen Desorganisation und Zerrüttung des Gegners.

Umso unerwarteter kam den Japanern unser Rückzug, während welchem von ihrer Seite nicht der geringste Versuch gemacht wurde, uns zu verfolgen.

Die anerkennenswerte Ruhe und Ordnung, die seitens der Truppen der II. mandschurischen Armee und speziell des L sibirischen und kombinierten Schützenkorps gelegentlich des Rückzuges bewiesen wurde, charakterisiert auch den ganzen vier- tägigen Kampf bei Cheke-utaj Ssandepu. Ganze Tage und Nächte

') Diese Umbtande waren: engster Kontakt mit dem Gegner, ungeheuere Zahl an Verwundeten, die von den zurückgehenden Mannschaften am Rucken getragen werden mußten, empßndliche Fröste, äußerst knapper Zeitraum, den die Truppen zur Durchführung des Rückzuges zur Verfügung hatten, weil ihnen der bezügliche Befehl so spat (11 Uhr 30 Min. nacht«) zukam.

Die Wahrheit Aber Ssandepn.

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hindurch bei den stärksten Frösten sich mit dem doppelt starken Gegner schlagend, Ruhe und Schlaf entbehrend, gaben die braven wackeren Truppen der II. Armee vom obersten General bis zum letzten Infanteristen herab ein leuchtendes Beispiel heldenhafter Mannhaftigkeit, zäher Ausdauer und unbegrenzter Hingabe für die Sache. Dies bezeugen beredt die ungeheueren Verluste, die diese Truppen im Kampfe erlitten, ohne auch nur eine Minute zu schwanken.

Im allgemeinen muß bemerkt werden, daß die Aufgabe bei Cheke-utaj Ssandepu so gut gelöst wurde, wie es eben möglich war ; nach allen Regeln der Taktik, einfach und klar, bei Beob- achtung vollster Ruhe vom Höchsten bis zum Niedersten und Aufrechthaltung einer anerkennenswerten Ordnung. Dank dem wurden die tollkühnen Angriffe der Japaner, die sie innerhalb eines Zeitraumes von drei Tagen und einer Nacht bei Frösten bis 18° unter Null wiederholt unternahmen, glänzend abgewiesen.

Zum Schlüsse erachten wir es für angezeigt, im Interesse der Sache den nachstehenden offiziellen Bericht des Marschalls Oj am a Uber die Schlacht bei Chek-utaj Ssandepu anzuschließen :

„Der Angriff so lautet der Bericht , der am 25. Jänner 1904 mit dem frühesten Morgen begann, führte die Russen zu einem Erfolge. Die von einer russischen Division am 25. Jänner 1905 angegriffene Ortschaft Cheke-utaj wurde umzingelt und genommen; die unsererseits dort befindliche schwache Besatzung wurde fast erdrückt; nichtsdestoweniger hat sie sich mit großer Erbitterung verteidigt und zog sich bei Eintritt der Dunkelheit unter dem Schutze derselben nach Kutschantzü zurück. Zu dieser Zeit wurde eine entsprechend starke Unterstützung zur Wegnahme von Cheke-utaj beordert. Starker Schneefall hinderte ein rasches Vorwärtskommen dieser Truppen. Um Mittag des 26. Jänner während der Entwicklung des Gefechtes bei Cheke-utaj kam die Nachricht, daß eine russische Infanterietruppendivision aufDschanj- tanj vorrücke und Schentjenpao (Ssandepu) umzingle; überdies operierten kleinere russische Detachements selbständig westlich von Schentjenpao (Ssandepu) und bedrohten die linke Flanke unserer Truppen, die sich gegen Chek-utaj in Bewegung gesetzt hatten. Die angreifende Kolonne entschied sich anfänglich für eine Ent- wicklung in der Linie Ssumapu Toupao. Dann griffen wir Cheke- utaj und Toupao gleichzeitig an. Letztere Ortschaft war durch stärkere gegnerische Kräfte besetzt und mußte früher genommen werden, bevor es möglich war, Cheke-utaj zu bewältigen. Die

Organ der Milltärwluenscliaftl. Vereine IJCX1II. Bd. 1906. 22

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Muszyuski.

Russen etablierten etwa 13 Geschütze sehr günstg bei Cheke-utaj, mit welchen sie unsere Truppen in Toupao enfilierend beschossen. Am 27. Jänner zogen sich die Russen, welche unseren rechten Flügel bedrängt hatten, plötzlich zurück, x) was uns ermöglichte, die vor Cheke-utaj stehenden Truppen zu verstärken; sodann wurde der Angriff erneuert. Unsere Truppen gingen ohne Zögern vor, ohne Rücksicht auf die bedeutenden Verluste, welche ihnen von den mittlerweile wesentlich verstärkten russischen Truppen verursacht wurden. Eine der russischen Divisionen kam seitwärts der Ortschaft Niuschuju heran. Sie traf mit ihrer linken Kolonne auf unseren rechten Flügel; zu derselben Zeit eröffnete die durch reitende Artillerie unterstützte russische Infanterie das Feuer gegen den Rücken unserer linken Kolonne. Wir hatten so ernste Verluste, daß unser linker Flügel vorläufig zurückweichen mußte. Die Russen unternahmen am 27. Jänner eine Reihe von Angriffen nach allen Richtungen und es gelang ihnen, unser Detachement in Ssumapu auf die Hauptstellung zurückzudrängen. Es erfolgten mehrere Bajonettangriffe, welche unsererseits abgeschlagen wurden. Am Morgen des 28. Jänner beschossen die Russen den Rücken unseres Zentrums, wir vollführten eine Flankenbewegung und vernichteten eine kleinere russische Abteilung, von der nur 200 Mann übrig blieben, die zu Kriegsgefangenen gemacht wurden. Die Schlacht dauerte fort, sowohl während des ganzen Tages (28.) als auch während der Nacht. Wir waren Uberall durch die Über- zahl des Gegners stark bedrängt; es wurde demnach beschlossen, den allgemeinen Angriff in der Nacht zu bewirken."

Zum Schlüsse sagt Marschall Ojama in seinem Berichte: „Unser Zweck war nicht erreicht und mit Rücksicht darauf ent- schloß ich mich zu einem nächtlichen Angriff mit allen Kolonnen ; sie alle waren dazu bereit, sich eventuell für diesen Zweck auf- zuopfern. Wir versuchten einigemale vorzurücken, erlitten aber durch die gegnerische Artillerie und insbesondere durch die Maschinengewehre bedeutende Verluste. Nichtsdestoweniger setzten alle unsere Kolonnen den Angriff mit der größten Energie fort. Der Feind vermochte nicht standzuhalten und zog sich um 6 Uhr 80 Min. früh, außerstande den Widerstand fortzusetzen, zurück. *)

*) Das russische X. Armeekorps erhielt diesen Befehl tum Rückzüge direkt vom Armeeoberkommandierenden Generaladjutanten Kuropatkin.

4) Das I. sibirische Korps zog von Cheke-utaj um 2 Uhr nachts vom 15./28. auf den 16./29. Jänner nioht unter dem Drucke der Japaner ab, da ja deren Angriffe abgeschlagen waren, sondern lediglioh infolge des um 11 Uhr

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Unsere Truppen rUckten in Cheke-utaj im Laufschritte ein, setzten sich dort definitiv fest und behaupteten sich daselbst bis 9 Uhr 30 Min. vormittags. Wir schätzen die russischen Streitkräfte, welche an dieser Schlacht teilnahmen, auf sieben Infanterie- truppendivisionen und eine Kavalleriedivision. M l)

Hier noch ein Telegramm vom 20. Jänner/2. Februar 1905 aus London :

Das Korrespondenzbureau Reuter teilt aus Tokio den Bericht O j a m a's Uber die Details der Schlacht vom 12./25. bis 16. /29. Jänner, von ihm Schlacht bei „Cheke-utaj" benannt, mit:

„Es nahmen an derselben sehr viele Truppen teil; sie schlugen sich erbittert im heftigsten Schneegestöber bei starken Frösten. Einige Zeit hindurch war die Lage der Japaner eine kritische; die Russen hatten mit größter Geschicklichkeit etwa 30 Geschütze2) rund um Cheke-utaj postiert; die linke Kolonne der Japaner hatte beträchtliche Verluste; ihr äußerster linker Flügel wurde zum Rückzüge gezwungen; die Russen verfolgten zwar die Japaner, wurden jedoch schließlich von den letzteren zurückgedrängt. Am Morgen des 15./28. Jänner begannen die Russen unter dem Schutze des Nebels die japanische Nachhut zu beschießen; die Japaner waren jedoch an Zahl überlegen, wes- halb Marschall Ojama sich dazu entschloß, in der Nacht den Angriff mit allen seinen Kolonnen zu bewirken. In den folgenden Angriffen hatten die Japaner zwar starke Verluste, zwangen aber die Russen gegen 5 Uhr 30 Min. früh zum Rückzüge. Am 16./29. Jänner um 9 Uhr 30 Min. früh nahmen die Japaner Cheke-utaj."

Aus vorstehendem so sagt der „Russische Invalid" ist ersichtlich, daß die Schlacht bei Cheke-utaj Ssandepu von den Japanern als eine der schwersten und erbittertsten Kämpfe des Krieges anerkannt ist und sie zu Ende derselben, ihrer eigenen Aussage nach, in einer kritischen Lage waren.

Friedrich Palm er, ein Augenzeuge aller Kämpfe Ojama's achreibt im „Collier Weekly" unter anderem :

30 Min. (am 15./28. Jänner) erhaltenen Befehles; es hätte sich leicht and mit bestem Erfolge noch mehrere Tage bei Cheke-utaj halten können bemerkt der „Russische Invalid".

*) Nach dem „Russ. Invalid" nahmen von Seite der Rassen im Kampfe bei Cheke-utaj— Ssandepu 63 Bataillone teil.

*) Hier bemerkt die Redaktion des „Russ. Invalid": Es war die ganze Artillerie des I. «.b irischen Korps in Aktion.

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Maszynski.

„Mehr als kritisch war die Lage der Japaner, insolange die russische Armee ihren Rückzug nicht angetreten hatte , weil dieser Umstand mit jenem der Erschöpfung der Kriegsmittel bei den Japanern zusammenfiel; sie wurde sogar eine verzweifelte, als General Grippenberg den Angriff auf Cheke-utaj Ssandepu unternahm. Hätte er denselben fortgesetzt und sich in der gewonnenen Stellung gehalten, würde und dies geben auch die Japaner zu der Krieg eine andere Wendung ge- nommen haben."

II. General 0. Grippenberg schreibt im „Russischen Invalid" (Nr. 31 de 1906) unter dem Titel:

„Die Wahrheit über Ssandepu"

wie folgt:

Der Kampf bei Cheke-utaj— Ssandepu ging im allgemeinen übereinstimmend mit der im „Russischen Invalid" Nr. 161 und 165 de 1905 gegebenen Beschreibung vor sich. *)

In derselben ist nur dessen nicht gedacht, daß die Japaner in Ssandepu in der Nacht vom 13./26. auf den 14./27. Jänner Verstärkungen erhalten hatten, die nach den vorhandenen Nach- richten die Stärke einer Infanterietruppendivision erreichten. Weiters ist in dieser Beschreibung gesagt, daß die forzierten Ortschaften Ssjaotatzü und Labataj durch den Kommandanten, des X. Armeekorps Generalleutnant Tzerpitzki auf dessen Initiative hin genommen wurden. Es ist dies unwahr. Nachdem ich auf meine dreimalige Bitte um Unterstützung beim Armee- oberkommandierenden abweislichen Bescheid erhalten hatte, befahl ich am 15./28. Jänner zwischen 3 und 4 Uhr nachm. dem Kommandanten des X. Armeekorps, sich der beiden vorer- wähnten Punkte zu bemächtigen, womit sich für uns der unge- hinderte freie Weg in den Rücken des Gegners eröffnete. Diese Übertretung des vom Armeeoberkommandanten gegebenen Be- fehles, das X. Armeekorps nicht von der Stelle zu rühren,, war hervorgerufen durch die Notwendigkeit, unseren in den Kampf verwickelten Truppen die erforderliche Hilfe zu leisten.

Die stark fortifizierte Ortschaft Labataj wurde erst um 3 Uhr nachm., Ssjaotajtzü kurz vorher genommen. In Erkenntnis der Wichtigkeit dieser beiden befestigten Punkte, im Ermessen des Vorteilhaften unserer Lage und im Wunsche, dem I. sibi-

*) Siehe das Vorstehende unter I.

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riachen Korps zu Hilfe zu kommen, wollte Generalleutnant Tzerpitzki, der keine Kenntnis davon hatte, daß die Japaner Anstalten zum Massieren ihrer Streitkräfte unserem Zentrum gegenüber trafen, nicht zurückgehen. Es mußte ihm der Befehl zum Rückzüge ein zweitesmal gegeben werden.

Gleichzeitig mit dem Befehle zur Wegnahme von Ssjaotajtzü und Labataj sandte ich dem Kommandanten des bei Ssüfontaj stehenden Detachements, Generalmajor Kossogowski, den Befehl, mit dem ihm anvertrauten Detachement zur Offensive überzugehen und den linken Flügel der Japaner anzufallen.

Dieser Befehl konnte nicht mehr vollständig zur Aus- führung gebracht werden, weil mittlerweile der Befehl zum all- gemeinen Rückzüge gegeben wurde. *)

Der Kampf bei Cheke-utaj— Ssandepu wurde tatsächlich so geführt, wie es möglich war, nach allen Regeln der Taktik, einfach und klar, unter Beobachtung und Wahrung von Ruhe und Ordnung. Die daran beteiligten Truppen trugen ein über allen Tadel erhabenes Benehmen zur Schau; ihre Haltung war eine durchaus lobenswerte. 2)

Von 11 Uhr nachts (vom 11. /24. auf den 12./25. Jänner) bis um 11 Uhr abends desselben Tages (des 12./25. Jänner) wurden genommen : durch das I. sibirische Korps die befestigten Ortschaften Chuanlototzü und Toupao, durch das Detachement in Ssüfontaj die Ortschaft Tschitajtzü und der stark befestigte Ort Mamakaj, durch die 14. Infanterietruppendivision der Ort Tschantanchenon und einige befestigte Ansiedelungen ohne Namen zwischen dem Chun- Flusse und der Ortschaft Ssandepn. Am

13. /2G. Jänner 1905 wurden durch die 15. Infanterietruppen- division die Ortschaft Bejtajtzü und durch das X. Armeekorps die beiden Ortschaften Chuandü und Tzanjschantun genommen; die letztgenannten 3 Ortschaften auf die Initiative des Korps-

*) Die dem Generalleutnant Tzerpitzki und dem Generalmajor Kossogowski schriftlich erteilten Befehle liegen der Gefeohtsrelation zu, sind also als Dokumente aufbewahrt.

*) Zur Bewältigung des Rayons von Ssandepu und des Ortes waren bestimmt: das I. sibirische Korps, das kombinierte SchUtzenkorps und die

14. Infanterietruppendivision. Die übrigen Truppen der II. mandschurischen Armee, das X. Armeekorps und die 15. Infanterietruppendivision waren durch den Anneeoberkommandierenden an ihre Positionen gefesselt, der es strenge untersagt hatte, über dieselbe zu disponieren. Die Reserve des Anneeober- kommandierenden, bestehend aus 60 Bataillonen, befand sioh 20— 25' Werst (21*3 bis 26-7 km) vom Gefeohtsfelde.

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Mus zy nski.

kommandanten hin und am 15./28. Jänner wurden durch das X. Armeekorps um 11 Uhr abends Ssjagotajzü und und das stark befestigte Labataj genommen. *)

Und so wurden alle wütenden Angriffe der zur Offensive tibergegangenen Japaner auf der Linie Cheke Ssandepu am 13./26., 14./27. und 15./28. sowie in der Nacht vom 15./28. auf den 16./29. Jänner glänzend abgewiesen und soll die japanische Armee einem on dit zufolge in Unordnung geraten sein.

Bei der am 4./17. Jänner 1905 stattgehabten Beratschlagung anläßlich des bevorstehenden Überganges zur Offensive untersagte der Armeeoberkommandierende, Generaladjutant Kuropatkin, für den Fall als die Japaner die Offensive ergreifen sollten, jedes offensive Vorgehen unsererseits und bezeichnete eigenhändig auf der Karte jene Linie, die von unseren Truppen nicht über- schritten werden dürfe. Diese Linie ging von der Ortschaft Tzüjuto in der Richtung auf Cheke-utaj und Labataj, dann weiterhin nach Osten, d. i. also gerade zwischen unseren und den gegnerischen Truppen hindurch. Um den am 12./25. Jänner genommenen Ort Cheke-utaj festzuhalten, mußte der lokalen Verhältnisse wegen die Verteidigung aktiv geführt und es mußte daher auch die vom Armeeoberkommandanten, Generaladjutanten Kuropatkin, auf der Karte vorgezeichneten Linie überschritten werden ; hiefür erhielt der Korpskommandant noch während des Kampfes auf telegraphischem Wege vom Armeeoberkommandanten eine Rüge und ich eine ausstellige Bemerkung.

Während des Gefechtes am 15./28. Jänner kam mir gegen 4 Uhr nachm. vom Armeeoberkommandierenden ein Telegramm nachfolgenden Wortlautes zu: „Erhielt Kenntnis, daß sich stärkere Kräfte der Japaner dem Zentrum gegenüber massieren ; die Ihnen anvertrauten Truppen haben bereit zu sein, auf den ersten Be- fehl hin jenen der III. Armee zuhilfe zu kommen. u

Um 9 Uhr abends erhielt ich vom Armeeoberkommando ein zweites Telegramm, welches lautete: „Alle Einrichtungen der vorderen Linie zurückziehen ; alle Verwundeten zurücktrans- portieren, wenn hiefür nicht genug Transportmittel vorhanden, so

*) Die Mehrzahl der befestigten Ortschaften wurden während der Naoht unvermutet und mit geringen Verlusten genommen und nur die Wegnahme Chek-utajs kostete dem I. sibirischen Korps 1500 Mann und jene Labataj 's dem X. Armeekorps gegen 600 Mann.

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durch Mannschaften tragen lassen; alle Truppen noch während der Nacht zurückziehen und konzentierte Aufstellung annehmen. 44

Der mir zugewiesene Generalstabschef sowie der mir zu- geteilte Generalquartiermeister äußerten übereinstimmend ihre Meinung dahin, daß nicht zurückgegangen, sondern im Gegenteil zum Angriffe geschritten werden sollte; mich mit dieser Ansicht vollständig identifizierend, erwiderte ich: „Ganz einverstanden mit Ihrer Meinung; senden Sie sogleich ein Telegramm an den Armeeoberkommandanten mit der Bitte ab, die Truppen an Ort und Stelle belassen zu wollen."

Hierauf erwiderte mir der Generalquartiermeister, der früher das gleiche Amt an der Seite Kuropatkin's inne hatte, daß er die Ansichten des Armeeoberkommandierenden genau kenne, derselbe niemals gegebene Befehle umstoße oder abändere, weiters daß auf alle Fälle die Entscheidung darüber zu spät käme und endlich daß im Falle der Abweisung der Bitte keine Zeit mehr vorhanden wäre, den Rückzugsbefehl den Truppen zeitgerecht zu verlautbaren, es den letzteren daher nicht mehr mög- lich wäre den Rückzug noch vor Tagesanbruch zu vollführen. Der gleichen Ansicht war auch der Generalstabschef. Nachdem ich nun schon einmal eine scharfe Bemerkung des Armeeoberkom- mandieren dafür erhielt, daß ich um Abänderung eines mir ge- gebenen Befehles bat, mußte ich mich den Ansichten und Meinungen des Generalstabschefs und Generalquartiermeisters an- schließen ; überdies war mir bei diesem Entschlüsse das erste vom Oberkommando erhaltene Telegramm über die Konzen- trierung der gegnerischen Kräfte gegenüber unserem Zentrum und der Befehl, der III. mandschurischen Armee zuhilfe zu kommen, vor Augen.

Und so gingen die Truppen über Befehl des Anneeober- komtnandierenden schweren Herzens und gedrückter Stimmung zurück. Der Gedanke daran, daß 348 Offiziere und gegen 10.000 Mann nutzlos hingeopfert waren, ließ niemandem Ruhe.

Am anderen Tage dem 16./29. Jänner wußte ich, daß eine Konzentrierung größerer Streitkräfte gegenüber unserem Zentrum nicht stattgefunden hatte und das Zurückziehen der Truppen der II. mandschurischen Armee nach dem gehabten Erfolge ganz unnütz war.

Es kann nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, daß mit. diesem verhängnisvollen Befehle des Armeeoberkommaa-

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Muzzynski.

dierenden sozusagen der Steg der II. raaudschurischen Armee ihren Händen entwunden wurde. l)

All' das, das vollständige Abhandenkommen des Glaubens und Vertrauens in den Armeeoberkommandierenden, die drückende Erkenntnis einer Unmöglichkeit, der Sache weiteren Nutzen bringen zu können, weil man mich der gesetzlich zuer- kannten Selbständigkeit und Intiative beraubte,2) die unverdiente Beschuldigung der mir untersteilt gewesenen Truppenkotnman-

i) Hier bemerkt die Redaktion des „Russischen Invalid" :

Einer der Korpskommandanten schreibt uns aus der Mandschurei: „Bis zum heutigen Tage vermochte ich den absurden, geradezu frevelhaften Befehl zum Rückzüge nioht zu vergessen, welcher der II. mandschurischen Armee nach dem Erfolge, den sie Ende Jänner 1905 (Iber die Japaner hatte, gegeben wurde. Es hätte die Niederlage der Japaner zu einer vollständigen gemacht werden sollen, dann wäre auch das Debakel von Mukden nicht eingetreten und der Feldzug wäre zweifelsohne für uns gewonnen gewesen. Ganz der gleichen Ansioht war auch einer unserer tüchtigsten Truppenführer, der gefallene General- leutnant Tzerpitzki.

*) u. zw. 1. Die beharrlichen Vorwürfe, darüber daß ich in meiner Disposition vom 12 /25. Jänner 1905 den Truppen der allgemeinen Reserve, die zur Besitz- ergreifung des Rayons von Ssandepu und dieses Ortes selbst bestimmt waren und dem kombinierten Sohützenkorps befahl, sich bei Dawanjganjpu. einer von Cheke- utaj etwa 20-25 Werst (21*8 26-7 km) entfernten Stelle zu etablieren. Erst nach einem heftigen Proteste meinerseits entschied sich Kuropatkin dafür, nach Zurücklassung einer Schützenbrigade bei Dawanjganjpu, die zwei Schützen- brigaden nach Tauchusa zu dirigieren, das sich in etwa 10—15 Werst (10*7 bis 16 km) vom Gefechtsfelde befand, von wo sie gleich zu Beginn des Kampfes über meinen Befehl nach Dschantanj geführt wurden, was es möglich maohte, die in der Gefeohtslinie stehenden Truppen rechtzeitig zu unterstützen.

2. Das strenge Verbot zur Offensive überzugehen, wenn uns die Japaner angreifen sollten und das Markieren jener Linie auf der Karte, welche von den Truppen nicht überschritten werden durfte,

8. Ich wurde des mir reglementmäßig zustehenden Rechtes, über die 15. Infanterietruppendivision und das X. Armeekorps zur Besitzergreifung Ssandepu's und seines Rayons zu disponieren, beraubt, ebenso wie ich auch des Rechtes beraubt wurde, irgend eine Änderung in der Etablierung meiner Truppen selbst nicht im Falle dringendster Notwendigkeit vorzunehmen.

4. Die Prätension Kuropatkin 's die im Kampfe stehenden Truppen aus seinem bei Ssachetunj, also 25 Werst (26'7 km) vom Gefechtsfelde ent- fernten Pullmannwagen heraus duroh mehrere lange Depeschen über das, was zu tun ist, und wie es zu machen wäre, leiten zu wollen. Die so gegebenen Befehle und Weisungen entsprachen zum allergrößten Teile nicht den momen- tanen Verhältnissen. Nach den bestehenden Normen gibt der Armeeoberkom-

mandierende das Ziel der Aktion und überläßt die Wahl der entsprechenden Mittel, sowie die Art und Weise der Ausführung zur Erreichung dieses Zieles, dem Ermessen Beiner Armeekommandanteu.

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danten bezüglich verschiedener Versäumnisse im Dienste und die erwiesene Absicht, sie durch andere ersetzen zu lassen, *) endlich das den Truppen gegebene Versprechen, daß ein Rück- zug nicht stattfinden werde, wir die Japaner besiegen müssen und auch werden veranlaßte mich die Fürsprache des Kriegs- ministers wegen meiner Enthebung vom Kommando der II. man- dschurischen Armee aus Gesundheitsrücksichten telegraphisch zu erbitten. Zu dieser Zeit war ich auch tatsächlich krank. Während eines durch fünf Tage und fünf Nächte dauernden ständigen Aufenthaltes am Gefechtsfelde zur Zeit der strengsten Fröste, zog ich mir eine Verkühlung zu, die einen heftigen Rheumatismus zur Folge hatte, der mir unsägliche Schmerzen bereitete. Ich ver- mochte meine Pflicht nicht mehr zu erfüllen und mußte mich krank melden. Das Kommando der II. mandschurischen Armee überging zufolge Befehles des Armeeoberkommandos an General Mülow.

Mein an den Kriegsminister gerichtetes Telegramm wurde über Anordnung des Armeeoberkommandanten in Mukden zu- rückgehalten und von dort sandte er mir im Verlaufe zweier Stunden 2 Telegramme und 3 Briefe, um mich zum Verbleiben ab der Spitze der II. mandschurischen Armee zu überreden.

Der Inhalt der beiden Telegramme und des ersten Schreibens war ein beleidigender und kränkender, jener der beiden anderen Briefe ein schmeichelhafter. So z. B. enthielten sie unter anderem die Worte: „Sie sind schwer zu ersetzen"; „Sie haben Talent und Erfahrung" ; „ich liebe Sie, achte Sie hoch und habe Ver- trauen in Ihr militärisches Talent" u. dgl.

Diese Telegramme und Briefe ließ ich unerwidert und schließlich wurde mein an den Kriegsminister adressiertes Tele- gramm in Mukden freigegeben und nach Petersburg weiter- geleitet.

l) Generaladjutant Mitschenk o, Generalleutnant Baron Stakelberg. Generalmajor Kossogowski und andere u. zw. Mischtscbenko wegen übermäßigen und schonungslosen Abhetzens seiner Truppen, Stakelb erg wegen der frQher berührten Nichterfüllung des vom Armeeoberkommandanten gegebenen Befehles und Kosso go wski dafür, daß er aus eigener Initiative zur Offensive überging und mit ihr die zwei befestigten Ortschaften Tschitajtzü und Mamakaj dem Gegner entriß, durch deren Wegnahme unserer Kavallerie der Weg naoh dem Bücken des Gegners freigemacht und zugleich der Bücken des anderen Teiles der Kavallerie gesichert wurde.

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Muszyntki.

Nachdem ich von dort her die telegraphische Weisung er- halten hatte, mit vollster Aufrichtigkeit und Offenherzigheit die Gründe anzugeben, warum ich um die Enthebung vom Posten des Kommandierenden der II. mandschurischen Armee gebeten hatte, kam ich diesem Auftrage nach und bat zugleich um Genehmi- gung zur Abreise nach Petersburg zum Zwecke einer offen- herzigen mündlichen Berichterstattung über unsere Lage im „Fernen Osten", l) die nach meiner Meinung zwar eine trost- lose sei, aber immerhin noch zum Besseren gewendet werden könnte.

Innerhalb zweier Tage bekam ich aus Petersburg tele- graphisch die Erlaubnis zur sofortigen Rückkehr dorthin. Wenige Tage darauf erhielt ich vom Armeeoberkommandierenden das Telegramm nachfolgenden Inhaltes:

„Generaladjutant Grippen berg! Sie sind ermächtigt, nach Petersburg abzureisen.

Generaladjutant Kuropatkin."

Nach Erhalt dieses Telegrammes reiste ich unverzüglich ab. Vor dem Verlassen Mukden's fertigte ich an den Generalstabs- chef beim Armeeoberkommando, Generalleutnant Ssacharow, eine Depesche nachfolgenden Inhalts ab:

„Überreden Sie um Gotteswillen den Armeeoberkomman- dierenden, die Truppen an unserem rechten Flügel zu ver- stärken.

Generalleutnant Grippenberg."

Anstatt dieser Verstärkung wurden gerade von dort 30 Ba- taillone entnommen und gegen den linken Flügel disponiert und das in Sstifontaj befindliche Detachement Generalmajor Kosso- go wski und das Kavalleriedetachement Generaladjutant Misch- tschenko, welche zwischen dem Ljao- und Chun-Flusse eta- bliert waren, eingezogen! Das Resultat dessen ist bekannt.

Nach meiner Ankunft in Petersburg und Erstattung des Berichtes über die Sachlage im „Fernen Osten" hoffte ich wieder nach der Mandschurei zurückkehren zu dürfen ; diese Bitte trug ich auch wiederholt dem Kriegsminister vor, erhielt jedoch hier- auf ablehnenden Bescheid. Späterhin verständigte mich derselbe mittels eines Privatschreibens, daß die öffentliche Meinung gegen mich eine derartig erregte sei, daß meine Rückkehr auf den Kriegsschauplatz nicht gewünscht wird.

») russisch: „dalnji wostok".

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Die Wahrheit über Ssandepu.

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Und so war ich also schuldig erklärt ! Die unflätigsten und niedrigsten Beschuldigungen und Vorwürfe ergossen sich Uber mich, nichtsdestoweniger bewahre ich mir das Bewußtsein, daß ich, meine Pflicht vor Kaiser und Vaterland erfüllend, nicht anders handeln konnte.

Mit meinem Namen die zu Schmach und Schande führenden Handlungen und Unterlassungen anderer zu decken, fühle ich mich nicht geschaffen.

Das ist die Wahrheit über die Affäre von Ssandepu, die auch wahr bleiben wird, so sehr man bestrebt ist, die Wahrheit zu verdunkeln. Die Beweise dafür sind in meiner Hand!

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Der geistig Minderwertige in der Armee

und dessen Beurteilung durch die hiezu berufenen

militärischen Organe.

Vortrag gehalten im MilitärwissensohafHichen und Kasinoverein in Wien, vom Stabsarzt Dr. Bruno Drastich, Vorstand der psychiatrischen Abteilung des Gar-

nisonsspitales Nr. 1 in Wien.

Nachdruck verboten. ÜberseUung;«recbt vorbehalten.

Über die geistig Minderwertigen ist namentlich im Verlaufe der letzten Jahre an den verschiedensten Orten und bei den ver- schiedensten Anlassen so viel geschrieben und gesprochen worden, daß es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte, es sei vergebliche Mühe, diesem an sich hochinteressanten Thema irgendwelche neuen Seiten abzugewinnen und dasselbe vor allem zum Gegenstande eines für ein großes und illustres Auditorium bestimmten Vortrages zu machen. Wenn ich es dessenungeachtet wage, mit meinem Vortrage vor dieses Forum zu treten, so geschieht dies aus ganz bestimmten Gründen.

Vor allem möchte ich die Aufmerksamkeit aller militäri- schen Kreise auf die Tatsache lenken, daß wie überall, so auch in der Armee geistig Minderwertige zu finden sind, daß sich viele derselben für den Militärdienst nicht eignen und daß dem- nach getrachtet werden muß, einerseits ihre Aufnahme in den Militärverband soviel als möglich zu verhindern, anderseits die Ausscheidung solcher, die dennoch eingereiht worden, jedoch nicht diensttauglich sind, möglichst rasch durchzuführen. Ein weiterer Grund ist dadurch gegeben, daß die geistig Minder- wertigen vielfach eine Sonderstellung einnehmen und namentlich in ihren eigenen Beziehungen zum Disziplinar- und Militär- Strafgesetz einer besonderen, spezifischen Beurteilung bedürfen, und schließlich erscheint es mir von eminentester Wichtigkeit, den Begriff der geistigen Minderwertigkeit, die durch gewisse sozialpolitische Faktoren zu immer größerer Bedeutung gelangt, möglichst zu präzisieren, um in der Armee eine einheitliche und zweckdienliche Beurteilung derselben anzubahnen.

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D rast ich.

Zu dieser Stellungnahme fühle ich mich durch den Umstand veranlaßt und berechtigt, daß ich mir während meiner nahezu zwölfjährigen Tätigkeit auf der psychiatrischen Abteilung des Garnisonsspitales Nr. 1 in Wien und meiner mehr als zehn- jährigen Zugehörigkeit zum Militärsanitätskomitee die Uberzeugung verschafft habe, daß in der Armee den geistig Minderwertigen im allgemeinen eine verhältnismäßig geringe Beachtung ge- schenkt und daß ihrer Sonderstellung, die sie in mehrfacher Beziehung einnehmen, nicht immer, oder zum mindesten häufig, in nicht genügender Weise Rechnung getragen wird.

Bevor ich aber auf die diesbezüglich in Betracht kommen- den Verhältnisse näher eingehe, erscheint es mir geboten, vor- erst über die geistig Minderwertigen selbst zu sprechen.

Professor Dr. Cr am er in Göttingen hat im Jahre 1904 am 27. deutschen Juristentage in Innsbruck, bei welchem auch die geistige Minderwertigkeit eine eingehende Behandlung er- fahren hat, erklärt, daß dieselbe ein Krankheits- bezw. ein Grenz- zustand ist, „der zwischen geistiger Gesundheit und geistiger Krankheit mitten darin steht".

Demgemäß sind als geistig minderwertig alle jene anzu- sehen, die infolge gewisser Eigentümlichkeiten ihres psychischen Verhaltens aus dem Rahmen der geistigen Normalität heraus- treten, ohne jedoch genügende Anhaltspunkte für die Annahme einer Geistesstörung im engeren Sinne zu bieten.

Es liegt in der Natur der Sache, daß nach beiden Rich- tungen fließende Übergänge bestehen und darin ist auch der Grund gelegen, warum mitunter die Begutachtung dieser „Grenz- zustände" zu den größten Schwierigkeiten gehört und daß speziell die so häufig aufgeworfene Frage der Zurechnungsfähigkeit derartiger Persönlichkeiten nicht immer mit der vom Richter gewünschten Bestimmtheit beantwortet werden kann.

Wenn ich nun zu der Frage übergehe, wie sich die geistige Minderwertigkeit äußert, so muß ich vor allem erklären, daß diese Frage einer präzisen und erschöpfenden Beantwortung kaum fähig ist und daß mir überdies die zu Gebote stehende Zeit, diesbezüglich enge Grenzen zieht. Ich kann mich nur darauf beschränken, allgemeine Gesichtspunkte zu eröffnen, die aber, wie ich hoffe, genügen werden, um darzutun, wie unendlich mannigfaltig die Erscheinungsformen der geistigen Minderwertig- keit sein können.

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Der geistig Minderwertige in der Arme« etc.

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Professor Dr. Koch hat die hier in Betracht komm enden Persönlichkeiten unter der Bezeichnung „die psychopathi- schen Minderwertigkeiten44 mehrfach einer eingehen- den Schilderung und Besprechung unterzogen und gebührt sowohl ihm, wie auch dem französischen Psychiater Magnan und vielen anderen, namentlich französischen Autoren, das große Verdienst, die Aufmerksamkeit und das Verständnis weiter Kreise für gewisse psychische Anomalien geweckt zu haben, die es notwendig machen, daß man ihren Trägern entweder dauernd oder wenigstens zeitweise eine Ausnahmsstellung einräumt, indem man ihnen das große Gebiet zwischen geistiger Normalität und Geistestörung zuweist.

Koch teilt die psychopathischen Minderwertigkeiten ein in angeborene und erworbene und unterscheidet in jeder dieser beiden Gruppen die psychopathische Disposition, diepsychopathische Belastuug und die psychopathi- sche Degeneration, wobei er von den leichtesten zu den schwersten Fällen übergeht.

Es ist allgemein anerkannt, daß unter den Ursachen der angebornen psychopathischen Minderwertigkeit die sogenannte hereditäre Belastung eine große und hervorragende Rolle einnimmt. Unter diesem Ausdrucke wird die Tatsache ver- standen, daß die Nachkommen geisteskranker, trunksüchtiger, mitunter auch nervenkranker, beziehungsweise psychopathischer Menschen sehr häufig geistig minderwertig sind, d. h. eine er- höhte Disposition zum Auftreten von Geistes-, Nervenkrank- heiten und Trunksucht besitzen und überdies die sonstigen allgemeinen Zeichen der psychopathischen Minderwertigkeit erkennen lassen können. Je nachdem es sich bei ihnen nur um eine zartere, d. h. weniger widerstandsfähige Veranlagung, oder um greifbarere Störungen, bzw. um ausgesprochene Zeichen von Degeneration handelt, unterscheidet Koch, wie schon oben erwähnt, die angeborne psychopathische Disposition, Belastung und Degeneration.

Die Kenntnis ist ungemein wichtig, daß nicht alle Ab- kömmlinge der früher geschilderten Aszendenten psychopathisch minderwertig sein müssen und daß es gelegentlich vorkommen kann, daß einzelne Geschwister nicht nur verschiedene Grade von Minderwertigkeit aufweisen, sondern daß sogar einige von ihnen auch ganz gesund sein können, während andere wieder schwere Grade von Degeneration zeigen. Es handelt sich somit

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Drastioh.

bei der hereditären Belastung keineswegs um ein starres Gesetz, das zu mathematischen Schlüssen berechtigt, sondern im Gegen- teil um äußerst variable, vielfach noch ganz unbekannte Ver- hältnisse, weshalb der hereditären Belastung an sich ein bewei- sendes Moment nicht innewohnt. Überdies kann durch den Ein- schlag gesunden Blutes in degenerierte Familien die Wirkung der hereditären Belastung nicht selten erheblich abgeschwächt, ja durch Wiederholung eines solchen regenerierenden Einflusses mit der Zeit wieder vollkommen paralysiert werden. Hofrat Professor von Wagner in Wien hat sich erst vor kurzem in einem sehr interessanten Aufsatze mit der Frage der hereditären Belastung befaßt und darin auf mancherlei irrtümliche Auf- fassungen in der Verwertung hereditärer Einflüsse hingewiesen.

Die Folgen der hereditären Belastung können sich sowohl auf psychischem als auch auf körperlichem Gebiete äußern; doch sind die weitaus wichtigeren Symptome die psychischen. Dieselben bestehen im allgemeinen in einer erhöhten Reizbarkeit der betreffenden Individuen, die sich schon in der Kindheit in der Neigung zum Auftreten von Konvulsionen (Fraisen), von Delirien bei fieberhaften Erkrankungen, im späteren Alter als erhöhte Disposition zum Auftreten gewisser Nerven- und Geistes- krankheiten äußert.

Derartige Menschen sind überhaupt viel weniger wider- standsfähig als geistig intakte Individuen; sie sind häufig unstet, wankelmütig, unberechenbar, eigensinnig und verschroben, leiden an Zwangsvorstellungen, grundlosen Befürchtungen, verschiedenen sie zeitweise befallenden krankhaften Antrieben, sind unmotivierten Stimmungsschwankungen unterworfen, die sich gelegentlich bis zum Lebensüberdruß steigern können und zeigen abgesehen von vielen anderen Eigentümlichkeiten und offenkundig krank- haften Neigungen fast durchwegs eine höchst charakteristische Erscheinung, nämlich das immer wieder zutage tretende Miß- verhältnis zwischen Ursache und Wirkung. Ihnen allen eigen- tümlich ist ferner ein mehr oder weniger ausgesprochener Zu- stand von Affektlabilität, insofern sie gewöhnlich sehr leicht in Affekt geraten, der nicht selten zu pathologischen Graden an- steigen kann, desgleichen der Umstand, daß sie im allgemeinen den Alkohol schlecht vertragen, zu dem sie sich aber häufig be- sonders hingezogen fühlen. Auch das frühzeitige Erwachen des Geschlechtstriebes findet sich nicht selten als Ausdruck einer psychopathischen Veranlagung.

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Die körperlichen Symptome, auch anatomische Degenerations- zeichen genannt, bestehen in Abnormitäten der verschiedensten Art, die sich an dem Körper derartiger Menschen, aber wie ich gleich hinzufügen möchte, gar nicht selten, wenn auch mehr ver- einzelt, auch bei Persönlichkeiten finden, die weder hereditär belastet sind, noch gröbere psychische Degenerationszeichen er- kennen lassen.

Die bekanntesten sind die Mißbildungen und Unregelmäßig- keiten im Baue des Gehirn- und Gesichtsschädels, Vorbildungen der Ohrmuscheln, abnorme Zahnstellungen u. s. w.

Auf einen Umstand möchte ich besonders aufmerksam machen, das sind die Tätowierungen. Wenn ich auch nicht allgemein behaupten kann, daß jeder Tätowierte ein Degenerierter bzw. überhaupt ein geistig Minderwertiger ist, so trifft dies doch zweifellos in sehr vielen Fällen zu. Denn es ist eine eigentüm- liche Neigung dieser Kategorie von Menschen, sich zu tätowieren oder tätowieren zu lassen; erfahrungsgemäß geschieht dies sehr häufig in den Strafanstalten. Tätowierungen bei unseren Soldaten dürften daher gelegentlich einen Fingerzeig abgeben, an dem man nicht immer achtlos vorbeigehen sollte!

Wie ich schon früher erwähnt habe, unterscheidet Koch neben den angeborenen die erworbenen psychopathischen Minder- wertigkeiten und teilt auch diese ein in die Disposition, Belastung und Degeneration.

Die angeborenen psychopathischen Minderwertigkeiten sind im allgemeinen die weitaus wichtigeren, doch darf nicht tiber- sehen werden, daß auch die erworbenen mitunter selbst zu schweren Graden von Degeneration führen können. Zu den Ur- sachen derselben gehören: Krankheiten des Zentralnervensystems, speziell organische Gehirnerkrankungen, ferner die Epilepsie und Hysterie, überstandene Geistesstörungen, die nicht selten nur eine scheinbare Heilung erfahren haben, erschöpfende Krankheiten, die zu einer vorübergebenden oder dauernden Schädigung des Nerven- systems führen, Schädelverletzungen und sonstige Traumen, die gelegentlich die Ursache von Nervenkrankheiten, insbesondere der sogenannten traumatischen Neurose werden, Ausschweifungen der verschiedensten Art u. s. w., namentlich aber auch die un- günstigen, degenerierenden Einflüsse des Milieus, in dem viele unserer Proletarier aufwachsen.

Ich möchte aber gleich hinzufügen, daß einzelne der soeben angeführten Momente nur deshalb zu schwereren Schädigungen

Organ der MlHtärwisienichmfUlchen Vereine. LXXlII.|Bd. 1906. 23

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Drastich.

er betreffenden Persönlichkeiten fahren, weil die letzteren schon von Haus aus minderwertig veranlagt sind und nun durch das Hinzutreten äußerer Schädlichkeiten eine weitere Verschlechterung ihrer an sich wenig günstigen Veranlagung erfahren und daß andere schädigende Momente, wie z. B. Geistesstörungen im jugendlichen Alter und gewisse Nervenkrankheiten Uberhaupt, nur deshalb aufgetreten sind, weil der von ihnen Befallene ein an- geboren Minderwertiger ist.

Auch die spezifischen militärischen Verhältnisse können nicht selten eine wichtige Ursache für das Zustande- kommen erworbener psychopathischer Minderwertigkeit abgeben.

Schon unter normalen Zeiten bringen es die mitunter hoch- gestellten Anforderungen an Körper und Geist, die vielfachen Widerwärtigkeiten und Aufregungen des Dienstes, Enttäuschungen und Zurücksetzungen mannigfacher Art und die dadurch bedingten psychischen Alterationen, insbesondere auch die zur Erreichung höherer Chargengrade immer wieder notwendigen Prüfungsnach- weise, die namentlich im reiferen Mannesalter nicht selten eine gefährliche Belastungsprobe für das Gehirn abgeben, mit sich, daß vorübergehende, mitunter auch dauernde Störungen im Be- reiche des Zentralnervensystems resultieren können, die sich in letzter Linie als erworbene psychopathische Minderwertigkeit dar- stellen und sehr häufig unter dem Bilde der erworbenen Neu- rasthenie verlaufen.

In diesen Momenten dürfte meines Erachtens vielleicht auch der Grund zu suchen sein, daß die progressive Paralyse verhältnismäßig häufig beim Militär vorkommt, wobei ich jedoch ausdrücklich hinzufüge, daß der Boden hiezu durch Lues, eventuell auch durch Alkoholismus gegeben sein muß.

Eine besondere Beachtung verdient auch der Umstand, daß namentlich bei jüngeren Offizieren, aber auch bei Personen des Mannschaftsstandes, vor allem den länger dienenden, gewisse Unzweckmäßigkeiten der Lebensweise, Exzesse in baccho et venere, die mannigfachen Verlockungen und Verführungen und sonstige Momente zu erworbener psychopathischer Minderwertig- keit führen können, denen keineswegs immer die Schlechtesten zum Opfer fallen. Ich verfüge in dieser Beziehung Uber eine ziemlich reiche Erfahrung und könnte Beispiele anführen, die in fürchterlicher Tragik die schiefe Ebene beleuchten, auf der so mancher hoffnungsvolle Sohn aus gutem Hause ein Opfer dieser Verhältnisse wurde. In allen Fällen konnte ich eine geradezu fatalistische Willensschwäche konstatieren.

Der geistig Minderwertige in der Armee etc. 339

Es ist selbstverständlich und bedarf wohl keiner weiteren Begründung, daß zur Zeit eines Krieges die erhöhten körper- lichen Strapazen und seelischen Erschütterungen im Vereine mit sonstigen, zum Teile früher genannten Momenten zu einer erheblichen Vermehrung der Fälle erworbener psychopathischer Minderwertigkeit und von Geistesstörungen fuhren, die teils in einem vorübergehenden, wieder ausgleichbaren Zustande von Er- schöpfung des Zentralnervensystems ihren Grund haben, teils aber auch dauernde Schädigungen bedingen können.

Nach dem im vorstehenden Gesagten ist es begreiflich, daß sich die beiden Arten psychopathischer Minderwertigkeit «inerseits in der mannigfaltigsten Weise äußern können, daß es aber andererseits nicht selten sehr schwer sein mag, zwischen den angeborenen und den erworbenen Formen genau zu unter- scheiden.

Für unsere praktischen Verhältnisse ist dieses Moment übrigens von untergeordneter Bedeutung; für uns kommt in erster Linie in Betracht, woran wir die psychisch Minderwertigen in der Armee erkennen, wie wir uns ihnen gegenüber im all- gemeinen verhalten sollen, und wie sie im gegebenen Falle be- züglich ihrer Dienst- und Straftauglichkeit zu beurteilen sind,

Bevor ich jedoch auf diese Fragen näher eingehe, möchte ich vorerst noch zwei bestimmte Gruppen psychopathisch Minder- wertiger hervorheben, die mir für unsere militärischen Verhält- nisse von besonderer Bedeutung zu sein scheinen. Es sind dies einerseits die von Prof. Kraepelin in München beschriebenen Zustände der sogenannten „konstitutionellen Erregung", andererseits jene Persönlichkeiten, die derselbe Autor unter dem Namen „der geborene Verbrecher" zusammenfaßt.

Zu der ersten Gruppe gehören jene Menschen, die sich dauernd in einem gewissen geistigen und körperlichen (psycho- motorischen) Erregungszustande befinden und sich durch ihr im allgemeinen gehobenes Selbstgefühl, ihr reizbares, rechthaberi- sches Wesen, durch einen mehr minder ausgesprochenen Mangel an Zartgefühl, ihre Neigung zu unbesonnenen, mitunter geradezu abenteuerlichen Handlungen u. s. w. auszeichnen. Kraepelin be- merkt bezüglich ihrer unter anderem: „Die militärische Zucht ver- tragen sie sehr schlecht, vernachlässigen Sauberkeit und Ordnung, überschreiten den Urlaub, versagen den Dienst, lehnen sich auf und werden in der Regel vielfach bestraft, wenn man sie nicht als krank erkennt. Eine bedeutende Rolle spielt dabei vielfach der früh

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Dr a stich.

erwachende und sehr rege Geschlechtstrieb, der sie zu Aus- schweifungen verfuhrt, noch mehr fast der Einfluß des Alkohols, dem sie sich widerstandslos hinzugeben pflegen". ...... Sie

bleiben immer unzuverlässig und wetterwendisch, eine stete Not und Gefahr für diejenigen, die für sie zu sorgen haben."

In die zweite Gruppe gehören die mit ausgesprochen antisozialen Neigungen versehenen Menschen, bei denen haupt- sächlich die sittlichen Gefühle verkümmert sind, während die intellektuelle Seite gewöhnlich nur in geringerem Grade betroffen ist. Von Lombroso stammt für diese Kategorie von Individuen die Bezeichnung „delinguente nato", andere wieder fassen sie unter dem Namen „moralisches Irresein Moral i nsanityu zusammen. Es sind dies ausgesprochene Verbrecher- naturen, die offenbar in ihrer innersten Veranlagung den Keim zum Verbrechen besitzen, die immer wieder straffällig werden und selbst durch die härtesten Strafen und häufig trotz aller Bemühungen und erziehlicher Einflüsse, vom Pfade des Ver- brechens nicht abzubringen sind. Sie sind die Degenerierten im eigentlichen Sinne des Wortes und auch im Sinne der früher angeführten Einteilung nach Koch.

Diese Individuen fallen gewöhnlich schon in der frühesten Jugend durch ihr besonders rohes Wesen, durch Tierquälereien und sonstige Brutalitätsakte auf, sie werden frühzeitig kriminell, erlernen gewöhnlich keine Profession, vagabundieren vielmehr herum und bringen sich durch Diebstahl und Raub über die zumeist nur kurzen Zeitintervalle, während welcher sie die Freiheit ge- nießen, fort.

Ich übergehe nun zur Besprechung der psychisch Minderwertigen in der Armee.

Unter den jährlich zur aktiven Dienstleistung einrückenden Rekruten findet sich naturgemäß auch eine gewisse und wie ich glaube nicht geringe Zahl von psychopathisch minderwertigen Persönlichkeiten.

Die Assentierung, auch wenn sie noch so streng ge- handhabt wird, schützt davor entweder gar nicht, oder doch nur zum geringsten Teile; denn bei derselben handelt es sich in erster Linie um die physische Tauglichkeit des Mannes; seiner psychischen Beschaffenheit kann begreiflicherweise nur eine ver^ hältnismäßig geringe Beachtung geschenkt werden; übrigens wäre auch eine eingehendere Befassung, als dies am Assent- platze möglich ist, wohl nur in den seltensten Fällen geeignet»

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Der geistig Minderwertige in der Armee etc.

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die Untauglichkeit wegen psychischer Nichteignung ohneweiters zu dekretieren.

So kommt es, daß vor allem eine Reihe von Imbezillen, d. h. leicht Schwachsinnigen, die mit einer „auffallend zurück- gebliebenen geistigen Entwicklung" behaftet sind, zum Militär einrücken. Aber auch solche Rekruten, die fallsüchtig, hysterisch oder sonst nervenleidend sind, die eine Geistesstörung, eine erschöpfende Erkrankung durchgemacht, Schädel- oder andere Verletzungen erlitten haben u. s. w., und überdies das Gros der sonstigen psychopathischen d. h. geistig minderwertigen Persönlichkeiten, sobald sie nur bei der Assentierung als physisch tauglich befundeu worden sind, folgen der an sie ergangenen Einberufung zur aktiven Dienstleistung.

Ich glaube, daß es kaum eine Unterabteilung geben mag, die nicht alljährlich den einen oder anderen psychisch Minder- wertigen in ihren Stand bekäme.

Bei der militärischen Ausbildung fallen gewöhnlich zuerst die in ihrer geistigen Entwicklung Zurückgebliebenen, dann die in ihrer psychisch-nervösen Sphäre schwerer Betroffenen auf, sei es dadurch, daß sie einer erfolgreichen Ausbildung große Schwierig- keiten bereiten, sei es, daß sie immer wieder marodieren und über verschiedene, zumeist vage Beschwerden klagen. Wird ihr Zustand nicht als krankhaft angesehen nicht selten ent- scheiden diesbezüglich in erster Linie die unmittelbaren Vor- gesetzten, das sind die Unteroffiziere so kommt es vorerst zu den üblichen Maßnahmen, gelegentlich auch zu Bestrafungen. So- wohl die letzteren, als auch das vielfach geübte Nachexerzieren oder Zuweisen eigener Abrichter führt bei den Imbezillen sehr oft zu Störrigkeit, aktiver Widersetzlichkeit, ja selbst zu schwerer Subordinationsverletzung und Desertion, worauf dann gewöhnlich im Verlaufe der eingeleiteten Untersuchung der wahre Sach- verhalt aufgeklärt wird.

Bei der II. Gruppe, bei den in ihrer psychisch -nervösen Sphäre schwerer Betroffenen, erzielen die soeben genannten Momente anfangs sehr häufig ein Nachlassen des anscheinenden Widerstandes, da sich diese Persönlichkeiten unter dem auf sie ausgeübten Drucke zusammennehmen und nun deu gestellten Anforderungen halbwegs nachkommen. Sie vermögen dies jedoch nur auf kurze Zeit und werden dann rückfällig.

Manche von ihnen aber klagen überhaupt nicht, sondern trachten unter Anspannung aller Kräfte ihren Verpflichtungen

!

342 Drastich.

nachzukommen, bis auch sie an der Grenze ihrer Leistungs- fähigkeit anlangen.

Der weitere Verlauf ist ein rein individueller. Der eine marodiert immer wieder, der andere macht sich gelegentlich im Affekt einer Subordioationsverletzung oder irgend eines anderen Vergehens oder Verbrechens schuldig, der dritte entzieht sich dem ihm unleidlichen Drucke durch eigenmächtige Entfernung oder Desertion, der vierte endlich zieht die äußerste Konsequenz und begeht einen Selbstmord.

Die leichteren Fälle psychopathischer Minderwertigkeit über- stehen nicht selten ohne besonderen Anstand die militärische Aus- bildung, mitunter auch ihre gesetzliche Dienstzeit, ohne daß ihr bis zu einem gewissen Grade von der Norm abweichender Zustand auch nur geahnt würde; manche von ihnen werden sogar recht gute und brauchbare Soldaten. Gelegentlich kommt es aber auch yor, daß bei diesen Leuten durch besondere Zwischenfälle ihre Minderwertigkeit plötzlich in die Erscheinung tritt. Ein Selbst- mord aus geringfügiger Ursache oder irgend eine andere unüber- legte, ganz unverständliche Handlung läßt dann mitunter einen solchen Zusammenhang annehmen oder zum mindesten vermuten.

Viele dieser geistig Minderwertigen kommen im Verlaufe der ersten Wochen, manchmal auch erst nach Monaten und selbst Jahren, in die Militärsanitätsanstalten zur Konstatierung ihres Zu- standes und werden dann wegen Imbezillität, Neurasthenie, Hysterie oder wegen sonstiger die Militärdiensttauglichkeit aua- schließender Gebrechen und Krank heitszustände zur Überprüfung beziehungsweise Superarbitrierung, oder wegen Epilepsie eventuell Geistesstörung zur direkten Ausscheidung aus dem Heeresverbande beantragt. Manche rücken aber auch wieder zu ihrem Standes- körper ein, bei denen keine oder zum mindesten keine genügen- den Umstände nachgewiesen werden konnten, welche ihre Militär- dienstuntauglichkeit würden begrüuden lassen.

Das sind dann gewöhnlich jene scheuen, ängstlichen und unentschlossenen Männer, die sehr leicht den Kopf verlieren, selbständig kaum zu verwenden sind und die oft trotz besten Willens und sichtlichen Bestrebens hinter ihren Kameraden zurückbleiben. Wegen ihrer mannigfachen Sonderbarkeiten und gewisser Auffälligkeiten, die ihre gesunden Kameraden bald herauszufinden pflegen, sind sie oft der Gegenstand der Spott- sucht der letzteren und müssen sich so manche Hänselei, so manchen Spitznamen gefallen lassen.

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Der geistig Minderwertige in der Armee etc.

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Die Minderwertigen stellen aber nicht immer und aus- schließlich den passiven Teil dar : denn jene früher angeführten, von Kraepelin beschriebenen „konstitutionell Erregten" und die „Degenerierten" im strengeren Sinne des Wortes pflegen ge- wöhnlich sehr bald, wenn sie sich auch im Anfange durch die ungewohnten Verhältnisse und eine gewisse Scheu vor der militärischen Zucht und Ordnung haben verblüffen lassen, aus ihrer erzwungenen Reserve herauszutreten, um eine aktive Rolle zu übernehmen.

Wenn sie auch gewöhnlich eine Zeit lang gut tun, was immerhin beweist, daß sie wenigstens vorübergehend genügend korrigierenden und hemmenden Vorstellungen zugänglich sind, so geraten sie doch über kurz oder lang in einen Zustand, in dem sie ihre krankhaften Neigungen und Triebe nicht mehr unterdrücken können.

Das Ungewohnte der Situation und das Bewußtsein, sich in strammer Zucht zu befinden, mag sie vorerst abhalten, sich gehen zu lassen, bzw. sie bestimmen, einige Vorsicht und Zurückhaltung zu beobachten. Ihre Hemmungen sind aber im allgemeinen nicht groß, ich meine damit die Extensität, aber auch die Stärke, die Intensität derselben ist eine relativ nur geringe und so kommt es, daß ihre wahre Natur mitunter plötzlich zum Durchbruch kommt, namentlich dann, wenn sie unter dem Einflüsse von Affekt oder Alkohol stehen. Auch der Umstand, daß sie ihre allenfalls anfangs bestehende Scheu gewöhnlich sehr bald ver- lieren und daß auch ihre Vorliebe für den Militärdienst rasch zu schwinden pflegt, bringt es mit sich, daß sie ihre, wenn ich so sagen darf, normale Haltung wieder gewinnen und nun durch ihr selbstbewußtes, häufig freches und provozierendes Auftreten vielfach mit dem Disziplinar- und Militärstrafgesetz in Konflikt geraten. Nichtbefolgung von Befehlen, Widerrede aus Reih' und Glied, Beschimpfungen von Kameraden und Chargen ja selbst tätliche Angriffe auf ihre Vorgesetzten sind nicht seltene Vor- kommnisse, die namentlich unter dem Einflüsse von Alkohol oder Affekt besonders leicht ausgelöst werden, was ich immer wieder betonen zu sollen für notwendig halte.

Soweit meine Erfahrung reicht, finden sich diese Elemente recht oft unter jenen Soldaten, die sich freiwillig haben assentieren lassen, bei denen somit von vornherein eine beson- dere Vorliebe für den Militärdienst anzunehmen wäre. In Wirk- lichkeit suchen aber die psychopathisch Minderwertigen sehr

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häufig nur deshalb um ihre vorzeitige Assentierung an, weil ihnen vielfach die Äußerlichkeiten des Militärlebens gefallen, oder weil sie ihres beschäftigungslosen Daseins und der bestän- digen Konflikte mit den Zivilbehörden UberdrUssig geworden sind ; mitunter mögen sie auch hiebei einem ihrer plötzlichen Impulse folgen. Gelegentlich werden sie von ihren Angehörigen, die sich einen günstigen, korrigierenden Einfluß von der strammen militärischen Zucht und Ordnung auf ihre sehr häufig bereits entgleisten Pfleglinge versprechen, zum vorzeitigen Einrücken zur aktiven Dienstleistung verhalten.

Es ist ungemein wichtig, daß so manche von den hier in Rede stehenden Soldaten vor ihrer Einrückung zum Militär entweder gar nicht oder doch nur in geringem Maße mit dem Strafgesetze oder den Polizeivorschriften in Konflikt geraten sind, während sie sich beim Militär alsbald ganz unfähig er- weisen, sich in die Disziplin und Subordination hineinzufinden und den an sie gestellten Anforderungen nachzukommen. Es zeigt sich somit, was übrigens ohneweiters zu verstehen ist, daß die militärischen Verhältnisse, speziell die von jedermann geforderte Unterordnung und Befolgung der bestehenden Vorschriften, ein recht empfindliches Reagens für die psycho- pathisch veranlagten Individuen sind und es erklärt sich daraus, daß so mancher als geistig minderwertig beim Militär erkannt wird, bei dem man dies nach seiner Lebensführung im Zivile nicht ohneweiters vermuten würde.

Allerdings muß auch zugegeben werden, daß so mancher erst beim Militär eine psychopathische Minderwertigkeit erwirbt oder eine Steigerung einer schon bestandenen erfährt.

Ich habe schon wiederholt die Wahrnehmung machen können, daß mitunter schwerer Degenerierte verhältnismäßig längere Zeit ihrer Militärdienstpflicht genügt haben, ohne daß sie besonders auffällig geworden, d. h. in erheblichere Konflikte geraten wären. Erst beim Wechsel des Unterabteilungskommandanten oder der einflußreicheren Chargen, wenn damit gleichzeitig ein schärferer Ton eingeführt wurde, kam es nun rasch zu Anständen mit derartigen Persönlichkeiten, worüber der Auszug aus dem Straf- protokoll überzeugenden Aufschluß gab. Nicht selten wurde mir auch seitens der Betreffenden spontan mitgeteilt, daß sie der oder jener ihrer Vergesetzten sekiert habe, ihnen aufsäßig gewesen sei, daß sie sich endlich nicht mehr haben zurückhalten können,

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dadurch wiederholt in Strafe und gewöhnlich zum Schlüsse in gerichtliche Untersuchung gekommen seisn.

Daraus ergiht sich der Schluß, daß keineswegs alle Soldaten, die mit schwereren Graden psychopathischer Minderwertigkeit behaftet sind, sich ohneweiters für den Militärdienst nicht eignen. So mancher von ihnen kann demselben erhalten werden, wenn man es nur versteht, ihn richtig zu behandeln und seiner Eigenart bis zu einem gewissen Grade Rechnung zu tragen. Es erscheint mir dies durchaus nicht ein zweckloses Bestreben, indem man einwenden könnte, daß es der Mühe nicht wert sei und über- dies gewisse Inkonsequenzen in der Behandlung der Mannschaft voraussetze, denn ich kann versichern, daß solche Individuen gar nicht selten auch recht gute Seiten haben können. Nament- lich in kritischen Lagen zeigt es sich, daß sie sich infolge ihrer Kühnheit, ihres Wagemutes, ihres unerschrockenen Drauflos- gehens sehr häufig für spezielle Missionen, bei denen derartige Eigenschaften von großem Vorteil sind, besonders eignen, aber auch auf ihre zaghaften, ängstlicheren Kameraden aneifernd wirken und auf diese Weise insbesondere im Ernstfalle nicht nur positive, sondern geradezu hervorragende Dienste für die gute Sache verrichten können.

Gelegentlich kann es aber auch vorkommen, daß bei der- artigen Individuen, nachdem sie durch längere Zeit verhältnis- mäßig brav und ohne wesentlichen Anstand gedient haben, auch ohne Änderung in der Behandlung seitens ihrer Vor- gesetzten, sondern nur dadurch, daß sie in schlechte Gesell- schaft oder sonst in ungünstige äußere Verhältnisse geraten sind, ihre latenten, bösen Instinkte und Triebe wieder geweckt werden.

Namentlich Affekt und Alkohol sind ihnen gefährlich, da sie im allgemeinen sehr reizbar sind und häufig eine von der Norm abweichende Reaktion auf Alkohol zeigen. (Quantita- tive und qualitative Intoleranz pathologische Alkoholreaktion) Unter dem Einflüsse dieser beiden ge- nannten Momente können sie leicht die Herrschaft über sich verlieren und in Zustände geraten, in denen sie sich dann gewöhnlich in der zügellosesten Weise benehmen.

Derartige Zustände nehmen sehr leicht einen pathologischen Charakter an und präsentieren sich dann klinisch als sogenannte patho logische Affekt- oder Rauschzustände, je nach- dem sie durch Affekt oder Alkohol ausgelöst werden. Sehr häufig

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Drasti ch.

konkurrieren beide Momente beim Zustandekommen dieser „psychischen Ausnahmezustände", die auch mit dem Namen „transitorische Psychosen" bezeichnet werden und vor allem durch das blinde Wüten und den nachträglich zu konstatierenden, mehr minder schweren Erinnerungsverlust charakterisiert sind.

Zwei Beispiele, die ich in gedrängter Kürze anführe, mögen diese Verhältnisse illustrieren:

1. Infanterist F. T., geb. 1881, stammt, soweit erhoben werden konnte, ans gesunder Familie, Uberstand im ersten Lebensjahre Fraisen, fiel schon in der Schule durch sein eigentümliches Benehmen auf, indem er zeitweise in so zornmütige Erregung geriet, daß er kaum zu bändigen war, litt 1892 an Typhus, seit welcher Zeit sein Jähzorn und seine Reizbarkeit eine Zunahme erfuhren. Kr genoß eiuen schlechten Leumund, war als Rauf- und Trunkenbold bekannt, wurde bereits im Zivile wegen Diebstahls, Veruntreuung und Gewalttätigkeit siebenmal gerichtlich bestraft und 1902 auf 10 Jahre aus Niederösterreich abgeschafft. Im selben Jahre assentiert, erhielt er beim Militär 18 Disziplinar- strafen wegen Frechheit, Nichtbefolgung von Befehlen, Renitenz etc., sowie eine gerichtliche Strafe wegen Subordinationsverletzung und Trunkenheit; Zeichen von geistiger Erkrankung konnten während seiner Dienstzeit nicht beobachtet werden, doch fiel seine Erregbarkeit und Gewalttätigkeit besonders nach Alkohol - genuß auf; er erschien überdies „verlogen und jeder besseren Regung unfähig". Im Jahre 1903 wurde er dem Garnisonsspitale in . . zur Beobachtung seine» Geisteszustandes übergeben, da er sich nach seiner ersten gerichtlichen Ver- urteilung im Garnisonsarreste äußerst exzessiv benommen und getobt hatte, döch wurde er nur als ethisch-moralisch defektes Individuum, nicht aber als militärdienstuntauglich begutachtet.

Am 19. April 1904 vom Kaserninspektionsoffizier wegen unvollständiger Adjustierung beanständet und vom Kaserntor abgeschafft, geriet er in maßlosen Zorn, drohte dem Offizier mit gezogenem Bajonett und exzedierte im Arreste derart, daß ihm Spangen angelegt werden mußten. Er drehte jedooh die Schlösser ab, zerriß Monturen und Wäsche und demolierte förmlich den Arrest.

Dem Garnisonsspitale Nr. 1 in Wien aus diesem Grunde zur neuerlichen Beobachtung übergeben, erwies er sich auch da als ungemein reizbar, unbot- mäßig, zu Exzessen geneigt, gefühlsroh und ehrlos und kam es gelegentlich bei ihm aus geringfügigen Ursachen zu maßlosen Ausbrüchen zornmütiger Erregung, in denen er tobte, brüllte, seine Monturen zerriß und die Umgebung bedrohte. Für derartige Vorkommnisse, wie auch für den Tobsuohtsanfall in der Kaserne hatte er nur eine lückenhafte Erinnerung. Er wurde zur Superarbitrierung beantragt.

2. Infanterist J. M., geb. 1S82. stammt von einem Vater, der als ethisch- moralisch defekter Trinker in Irrenanstaltsbehandlung gestanden ist, lernte erst mit 3^ Jahren sprechen, war in der Kindheit oft kränklich, mürrisch nnd ver- sohlossen, lief oft grundlos von der Arbeit und vom Hause weg und ist dem Trünke ergeben. Er wurde bereits im Zivile wegen Diebstahls, Rauferei, Ein- bruchs, Vergehens gegen die körperliche Sicherheit achtmal geriohtlioh abge- straft und für immer aus Niederösterreich abgeschafft. Im Jahre 1903 aasen-

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tiert, konnte er wegen einer Kerkerstrafe, die er in der Strafanstalt in . . . verbflßte, nicht rechtzeitig einrücken, folgte aber auch dann dem Einberufungs- befehle nicht, sondern trieb sich in Wien unter falschem Namen herum und war zur Zeit seiner Ergreifurg mehrerer Diebstähle und Einbruchsversuche verdächtig. Bei einer Rauferei am 23. Dezember 1904 verletzte er einen Möbel- packer durch einen Messerstich, zog sich dabei selbst eine Verletzung der Hand zu, wurde sodann arretiert, der Militärbehörde übergeben und wegen seiner Verletzung auf der Arrestantenabteilung des Garnisonsspitales Nr. 1 unter- gebracht.

Am 13. Jänner 1905 geriet er mit einem Mithäftling in Streit, benahm sich dem InspektionsofFizier gegenüber frech, wurde in den Eiuzelarrest abge- führt, begann sofort zu toben und zu schreien, riß sich die Kleider vom Leibe, demolierte die Arresteinrichtung, wurde mit Mühe überwältigt und nach Ver- abreichung einer Hyoscininjektion auf die Beobachtungsabteilung geschafft, wo er bald einschlief. Am nächsten Morgen behauptete er, von dem ganzen Vorfalle nichts zu wissen, doch konnte duroh genauere Befragung festgestellt werden, daß die Erinnerung nur für die Ereignisse nach seiner Verbringung in den Einzelarrest lückenhaft ist.

Nach einigen Tagen wieder auf die Arrestantenabteilung überlegt, wurde er alsbald erregt, begann zu schimpfen, daß man ihn vergiften wolle, verweigerte

«

die Nahrungsaufnahme und benahm sich derart ungeberdig, daß er abermals auf die Beobachtungsabteilung gebracht wurde. Hier führte er Selbstgespräche, war kaum zu Antworten zu fixieren, verhielt sich zumeist mürrisoh und ab- lehnend, sprach von Vergiftung und Verfolgung, nahm durch zwei Tage gar keine Nahrung, wurde dann wieder klar und ruhig und hatte nur eine unbe- stimmte Erinnerung an die Vorfälle der letzten Tage.

Er wurde als hereditär belastetes, psychopathisches, moralisch defektes Individuum mit Neigung zum Auftreten von pathologischen Affekt- und psychischen Ausnahmszuständen, zur Vorstellung vor die Superarbitrierungs- kommission beantragt, hierauf aus dem Heeresverbande entlassen.

Namentlich in der Unter suchung s- und Strafhaft kommen sehr häufig mehr minder schwere Affektzustände vor. Es dürfte dies einerseits durch den Umstand zu erklären sein, daß die Degenerierten und sonstigen psychopathisch Minder- wertigen die Entziehung der Freiheit an sich schwer empfinden und dadurch, sowie durch die mit ihnen stattfindenden Verhöre, gelegentlich auch durch andere Momente, in einen gewissen Er- regungszustand versetzt werden ; anderseits werden sie zweifellos sehr häufig durch ihre Kameraden, mitunter aber auch durch eine unzweckmäßige Behandlung seitens ihrer Aufsichtsorgane, zu zornigen Affekten provoziert. Ich möchte insbesondere auf den Umstand aufmerksam machen, daß gar nicht selten durch zu energisches Vorgehen seitens der Beschließer und Profoßen in den Militärgefangenhäusern worunter ich sämtliche zur Inter- nierung von Untersuchungsgefangenen, Arrestanten und Sträf-

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348 Drastich.

lingen bestimmten Lokale und Gebäude verstehe ganz un- Bes

nötigerweise derartige Konflikte hervorgerufen werden. gelt

Wohlwollendes Eingehen auf gewisse nicht selten begrün- Tri:

dete Beschwerden, maßvolles Schlichten irgend eines aus gering- der fügiger Ursache entstandenen Streites, wenn es sein muß

energisches, aber nicht provozierendes Vorgehen u. s. w. wäre ^ En

gewiß geeignet, so manchen ernsteren Konflikt, mitunter auch De

einen pathologischen Affektzustand zu vermeiden! bu

Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß bei gefangenen 80i

psych opatbisch Minderwertigen, was auch gelegentlich in der

Freiheit und zwar viel häufiger als bei normal veranlagten H,

Menschen vorkommt, auch ohne die soeben genannten Momente, gleichsam aus sich heraus, Zustände zornmütiger Erregung mit aggressiver Tendenz, aber auch Geistesstörungen vorkommen können, die zumeist nur von kurzer Dauer sind, mitunter einen chronischen Verlauf nehmen und nicht selten dann zu unheilbarem Wahnsinn oder Verblödung führen. Namentlich die Einzelhaft begünstigt das Zustandekommen der sogenannten „Gefängnispsychosen", bei denen Halluzinationen und Wahnideen zumeist eine wichtige Rolle spielen. Im übrigen zeigen die bei psychopathisch Minderwertigen vorkommenden Geistesstörungen sehr häufig atypische Krankheitsbilder, so daß sie leicht den Verdacht bewußter Simulation hervorrufen können.

Ich möchte einen Umstand nicht übergehen, der mir für unsere militärischen Verhältnisse äußerst wichtig erscheint. Es ist dies die Tatsache, daß die Verbringung in Strafanstalten im allgemeinen auf die betreffenden Häftlinge einen depravierenden Einfluß auszuüben pflegt, da sich in denselben immer eine gewisse Anzahl von Degenerierten befindet , die begreiflicherweise in hohem Grade geeignet sind, ihre Kameraden zu verderben. Es erscheint mir daher die Forderung sehr berechtigt, solche Häft- linge, von denen ein ungünstiger Einfluß auf ihre Umgebung von vornherein zu erwarten ist, also die ethisch -moralisch Defekten, möglichst zu separieren oder wenigstens mit ihres- gleichen zu unterbringen, insbesondere aber eine scharfe Scheidung zwischen gemeinen Verbrechern und solchen, die wegen rein militärischer Delikte in Haft kommen, durchzuführen. Abgesehen von den in erster Linie in Betracht kommenden ethischen Motiven ist eine der- artige Maßnahme auch aus dem Grunde dringend geboten, weil

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die Zahl der wegen militärischer Vergehen, bzw. Verbrechen Bestraften keineswegs eine geringe ist, sich somit der Fall nicht selten ergeben mag, daß dieselben nach ihrer Rückkehr zur Truppe oder Anstalt, infolge ihrer in der Haft erworbenen Ver- derbtheit, auf die Kameraden schädigend einwirken.

In diesen und ähnlichen Erwägungen liegt auch meine» Erachtens ein wesentlicher Grund für die Notwendigkeit, jene Degenerierten, die durch besonders gesellsc-haftsfeindliche, ver- brecherische Neigungen und Handlungen auffallen und auch sonst die Zeichen psychopathischer Minderwertigkeit schwereren Grades erkennen lassen, so rasch als möglich aus dem Heeresverbande zu eliminieren. Denn diese Elemente vermögen sich auf die Dauer in die militärische Zucht und Ordnung nicht zu fügen, sie geraten immer wieder mit dem Disziplinar- und Militärstrafgesetz in Konflikt und können mit ihrer Dienst- zeit sehr häufig nicht fertig werden, da sie sowohl jene Zeit, die sie in Strafanstalten verbringen, recht oft nach- dienen müssen, als auch zum Nachdienen von je einem Jahre verurteilt werden, wenn sie sich des Verbrechens der Desertion schuldig machen, was bei ihnen gerade nicht selten vorkommt.

Ich erlaube mir im nachstehenden zwei Beispiele anzuführen, die das soeben Gesagte in einer, wie ich glaube, sehr über- zeugenden Weise bestätigen.

1. Unterkanonier J. G., geb. 1882, stammt von gesunden Eltern ab; Bein Großvater ist auf dem Beobaohtungszimmer gestorben. Er lernte zwar leicht, zeigto aber wenig Lust zum Lernen, absolvierte Volks- und Bürgerschule, war dann angeblich gegen seinen Willen Lehrling in einer Maschinenfabrik, bereiste hierauf duroh einige Monate 8ttddeutsohland, um eine Stellung zu suchen und ließ sich schließlich zur Marine freiwillig assentieren. Nach kurzer Zeit wegen Krampfadern wieder entlassen , lebte er beschäftigungslos bei seinen Ange- hörigen, wurde einmal wegen Vagabondage bestraft, einmal wegen Diebstahls in Untersuchung gezogen und rückte 1899 freiwillig zu einem Artillerieregi- mente ein.

Nachdem er sich anfangs gut aufgeführt hatte, geriet er nach kurzer Zeit in sohlechte Gesellschaft und ergab sich in noch stärkerem Maße dem Trünke, dem er bereits seit seiner Lehrlingszeit gehuldigt hatte. Von diesem Zeitpunkte an war seine Dienstzeit mit einer fast ununterbrochenen Reihe von disziplinaren und gerichtlichen Bestrafungen und zwar wegen eigenmächtiger Entfernung, Desertion, Subordinationsverletzung, Betrug etc., zumeist begangen unter dem Einflüsse von Alkohol, ausgefüllt. Er erhielt allein 9 gerichtliche Strafen. Im Jahre 1903 stand er im Garnisonsspitale in . . . in Beobachtung seines Geisteszustandes, da er behauptet hatte, die ihm damals zur Last gelegene Handlung in betrunkenem, unzurechnungsfähigem Zustande begangen zu haben. Er wurde jedoch als zurechnungsfähig, wenn auch psychisch minderwertig be- zeichnet. Am 11. Dezember 1904 entfernte er sich aus der Kaserne, wurde am

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Drastich.

nächsten Tage durch einen Gendarm wegen Betteins angehalten, verhaftet und seinem 8tandeskörper übergeben. Er entsprang jedoch aus der Präventiv- haft, wurde wieder eingebracht, benahm sich äußerst exzessiv, riß unter anderm einen ganzen TUrstock aus der Mauer und konnte nur mit größter Mühe über- wältigt werden. Da er behauptete, diese Handlungen in unzurechnungsfähigem Zustande begangen zu haben , wurde er vorerst dem Garnisonsspitale in . . und sodann dem Garnisonsspitale Nr. 1 in Wien zur neuerlichen Beobachtung über- geben. Hier stellte er sich als ganz ungewöhnlich reizbares, jähzorniges, zu heftigen Wutausbrüchen neigendes Individuum dar. Er wurde im Jahre 1905, also nach fast 6j ähriger Dienstzeit, als militärdieustuntauglich superarbitriert.

2. Ulane J. W., geb. 1871, zeigte nach Angabe seiner Eltern schon seit seinem 7. Lebensjahre den Hang zum Vagieren, der mit den Jahren immer mehr zunahm. Er blieb Tage, selbst Monate vom Elternhause fort, ohne daß man wußte, was er während dieser Zeit getrieben, noch wo er sich aufgehalten habe. Er war überdies sehr jäh-zornig und schleuderte einmal in der Erregung die Holzhacke gegen seine eigene Mutter. Im Zivilverhältnisse wurde er 1892 und 1894 wegen Diebstahls gerichtlich bestraft. Im Oktober 1894 zur aktiven Dienstleistung eingerückt, entfernte er sich sohon im nächsten Monate eigen- mächtig von seinem Truppenkörper und wurde in der Folge 7 mal wegen eigenmächtiger Entfernung und 4 mal wegen Desertion bestraft. Während der Haft bekuudete er oft ein unbotmäßiges, freches Benehmen, geriet leicht in hochgradige Aufregungszustäude, demolierte mehrmals die Einrichtungsgegen- t-tände seiner Zelle, zerriß seine Monturen u. s. w. und mußte deshalb immer wieder im Disziplinarwege bestraft werden. Nachdem er im Juni 1905 eine dreimonatliche Garnisonsarreststrafe wegen eigenmächtiger Entfernung erhalten und gelegentlich einer Inspizierung die Bitte um Nachsicht der strafweise verlärgerten Militärdienstzeit vorgebracht hatte, wurde er dem Garnisonsspitala Nr. 1 zur Beobachtung seines Geisteszustandes übergeben. In dem einge- holten Berichte führte das Unterabteilungskommando aus, daß W. ein höchst verkommenes, ehrgefühlloseB Individuum sei, bei welchem weder durch Güte noch durch Strenge eine Besserung erzielt werden könne. Er habe im Jabre 1908 zwei 8elbstmordversuohe verübt und gelegentlich auch erklärt, er werde den Wachtmeister umbringen, sobald er aus dem Arreste herauskomme. Er diene 11 Jahre, habe 44 Strafen verbüßt und sei vollständig unabgerichtet. Es wäre wünschenswert, ihn aus dem Heeresverbande zu eliminieren, weil er gemein- gefährlich sei, seine Kameraden ohne jeden Grund mißhandle und die Dis- ziplin im höchsten Grade schädige. Während der durchgeführten Beobachtung wurden an dam Manne körperliche und psyobische Degonerationszeichen, ins- besondere eine hochgradige Reizbarkeit und auch Ausfallserscheinungen auf intellektuellem Gebiete konstatiert. Er wurde als militärdienstuntauglich im Superarbilrierungswege ausgeschieden.

Es ist leicht einzusehen, daß sich auf diese Weise, was auch aus den soeben angeführteu Beispielen, die ich noch viel- fach ergänzen könnte, hervorgeht, derartige Minderwertige viele Jahre im aktiven Militärverbande befinden, ohne aber ihrem eigentlichen Berufe zu obliegen. Sie werden bei den Unter- abteilungen zumeist nur auf dem Papier in Evidenz geführt, füllen zum großen Teil die militärischen Gefängnisse, leisten

uigitizeo uy

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wenig oder gar keinen Dienst und nehmen überdies für ihre Erhaltung alljährlich nicht unbedeutende Summen in Anspruch. Schließlich üben sie auf ihre Kameraden bei der Unterabteilung, wenn sie gelegentlich zu dieser zurückkehren, den denkbar schlechtesten Einfluß, terrorisieren dieselben durch Wort und Tat und begründen wohl dadurch am besten die Notwendigkeit, durch ihre Ausscheidung aus dem Militärverbande die anderen vor ihnen zu schützen !

In Staaten, in denen solche Individuen in Arbeitsabteilungen, Strafkompagnien etc. untergebracht, oder zu den Kolonial- truppen geschickt und von den übrigen, ethisch - moralisch intakten Soldaten getrennt werden können, mag es ja möglich sein , so manchen von ihnen dem Militärdienste zu erhalten und ihn, wenn nicht anders, zur Erfüllung seiner Dienstpflicht zu zwingen. Das setzt aber außerdem noch voraus, daß man diesen Elementen gegenüber erhöhte Machtbefugnisse hat, um sie eventuell mit eiserner Faust niederzuhalten.

So mancher psychisch Minderwertige, den seine Wander- lust oder sonstige Zufälle in die Fremdenlegion gebracht haben, schilderte mir als Stellungsflüchtling, Deserteur etc. bei uns ein- gebracht und aus irgend einem Grunde der Beobachtung oder Behandlung übergeben in anschaulicher und überzeugender Weise die drakonische Strenge, mit der dort vorgegangen wird, und habe ich die volle Überzeugung, daß nur auf diese Weise Zucht und Ordnung unter diesen bunt zusammengewürfelten, heterogenen Elementen erhalten werden kann

Die bei uns heutzutage zulässigen Strafarten erweisen sich nach meiner Ansicht bei den Degenerierten sehr häufig als unzulänglich und betrachte ich die immer wieder nicht gerade von berufenster Seite gestellten Forderungen nach möglichster Einschränkung der beim Militär eingeräumten Strafbefugnisse mit Rücksicht auf die Degenerierten, für die ja die Strafen in erster Linie in Betracht kommen und vor denen das Qros unserer Soldaten geschützt werden soll, als eine nicht besonders glück- liche Wahl in der Betätigung des Humanitätsprinzips!

Wenn ich nun die praktischen Folgerungen aus dem vorstehend Gesagten ziehen soll, so möchte ich dieselben allgemein in der Behauptung zusammenfassen, daß ein zweck- dienliches und erfolgreiches Vorgehen nur dann zu erwarten ist, wenn sich alle hiezu berufenen Faktoren in gemeinsamem Zu- sammenwirken bestreben, den hier geschilderten Persönlichkeiten,

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D ragti ob.

soweit sie mit unseren militärischen Verhältnissen in Berührung kommen, ein besonderes Augenmerk zuzuwenden, ihre spezi- fischen Eigentümlichkeiten nach Möglichkeit wahrzunehmen, sie demgemäß richtig zu beurteilen und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Wenn es auch auf den ersten Blick recht schwierig erscheinen mag, allen diesen Postulaten gerecht zu werden, so glaube ich doch, daß Konsequenz und guter Wille ohne besondere Mühe zum Ziele führen können, was ich nun in gedrängter Kürze skizzieren will.

Es ist eine für den erwähnten Zweck selbstverständliche Bedingung, daß alle in Betracht kommenden Organe, das sind in erster Linie die Chargen, dann die Truppenoffiziere, ferner die Militärärzte, ebenso auch die Auditore als Untersuchungs- und Strafrichter und schließlich alle jene Organe, die mit der Leitung und Beaufsichtigung der militärischen Strafanstalten und ihrer Pfleglinge betraut sind, die in Betracht kommenden Ver- hältnisse entsprechend ihrem Wirkungskreise kennen.

Dieses Ziel zu erreichen, sind vor allem die Militärärzte berufen, die in Form von Vorträgen, Belehrungen, aktiver Be- teiligung an dem Unterrichte in den Unteroffiziersbild ungs- schulen und sonstigen Anregungen, äußerst erfolgreich wirken können.

Die Angelegenheit ist viel zu wichtig, als daß, wenn sie nur einmal in Fluß gekommen ist, nicht ein reges Interesse bei allen Beteiligten zu erwarten wäre.

Auf diese Weise kann es, wie ich mit vollster Überzeugung glaube, möglich sein, daß in relativ kurzer Zeit die wichtigsten Momente, auf die es bei der Erkennung und Beurteilung psychisch Minderwertiger ankommt, Gemeingut der hiezu berufenen, früher erwähnten Faktoren wird.

Ist einmal das Ziel erreicht, dann ergibt sich das Weitere eigentlich von selbst ; es ist dann nur mehr die natürliche Kon- sequenz als richtig erkannter, dem allgemeinen Beaten dienender Grundsätze.

Im übrigen erwächst für die einzelnen Unterabteilungen aus der Befolgung der von mir gegebenen Katschläge keine besondere Mühe. Denn unter den jährlich einrückenden Rekruten finden sich doch nur sporadisch Persönlichkeiten, die sich in dem oder jenem Sinne auffällig machen, während das Gros derselben sowohl in körperlicher als geistiger Beziehung unverfänglich ist. Diesen bei der Unterabteilung gewiß nur in geringer Zahl vor-

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handenen Rekruten wäre ein vermehrtes Augenmerk zuzuwenden, das sich nicht nur auf ihr Verhalten bei der militärischen Aus- bildung zu beschränken, sondern sich auch auf ihr Benehmen zu erstrecken hätte, welches sie bieten, wenn sie sich selbst über- lassen sind. Es wäre ferner Sache der Chargen, der Truppen- offiziere und über Aufforderung und Verständigung seitens dieser, insbesondere auch der eingeteilten Militärärzte, mit diesen Leuten möglichst viel in pei sönlichen Kontakt zu treten, um sich so über ihren Seelenzustand, über ihre Gefühle und Gedanken in möglichst eingehender Weise zu orientieren. Gleichzeitig wären im Wege der politischen Behörden Erhebungen in der Heimat, gelegentlich auch in jenen Orten, wo die Betreffenden vor ihrer Einrückung geweilt haben, einzuleiten und zwar über die Gesnndbeitsverhältnisse in der Familie, über allenfalls bei einzelneu Mitgliedern oder bei den Rekruten selbst voraus- gegangene oder noch bestehende Geistesstörungen oder sonstige differente Erkrankungen, über Vorbestrafungen im Zivile, über Erziehung, Lebensführung, Bildungsniveau, Schulerfolge etc. etc., Fragen, die sich jeweils nach dem konkreten Falle richten müßten.

Im Sinne der vorstehenden Ausführungen wäre es meines Dafürhaltens sehr zu begrüßen, wenn alle gerichtlichen Bestra- fungen der wehrpflichtigen jungen Männer seitens der politischen Behörden I. Instanz, desgleichen allfällige, von den Vertrauens- männern bei der Assentierung vorgebrachten Angaben, beziehungs- weise Belege über gewisse psychische Anomalien, überstanden'e Geistesstörungen und ähnliche Daten in den Assentlisten vor- gemerkt würden. Wenn weiters der von mir an anderer Stelle ausgesprochenen Forderung Folge gegeben würde, nämlich jeden Stellungspflichtigen, wenn er eine Geistesstörung durchgemacht hat, worüber selbstverständlich einwandfreie Belege vorliegen müßten, eo ipso als militärdienstuntauglicb zu erklären, dann könnten schon die assentierenden Arzte einen Teil de sonst tauglichen Minderwertigen zur Zurückstellung beantragen; es würden aber auch die präsentierenden Arzte und die Unter- abteilungen in ihrem Bestreben, die psychopathisch Minderwertigen unter den neu einrückenden Rekruten möglichst rasch heraus- zufinden, wesentlich gefördert werden.

Durch diese vorgeschilderten Maßnahmen könnte, wie ich glaube, so mancher Fall sehr bald herausgefunden werden, welcher sich vermöge zurückgebliebener geistiger Entwicklung zum Militär-

OrgAB der MlllUrwlsteiincbafUlchen Vereine. LXXIII. Bd 1906. 94

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Drast ich.

dienste nicht eignet, bei dem der Verdacht auf eine bestehende oder in Entwicklung begriffene Geistesstörung zu erheben, die Gefahr eines Selbstmordes zu befürchten wäre u. s. w.

Namentlich die Imbezillität und die als „Dementia praecox", auch unter dem Namen „Jugendirresein" bekannte Geistesstörung, die häufig beim Militär vorzukommen und sehr oft zu Konflikten zu führen pflegen, lassen die Forderung einer möglichst raschen Konstatierung dringend notwendig erscheinen.

Wenn ferner im allgemeinen das Verständnis dafür geweckt, bezw. verbreitert würde, daß die psychopathisch Minderwertigen die verschiedensten Eigentümlichkeiten aufweisen und in ihren Vorstellungen, Trieben, Entschlüssen und Handlungen wie es unter anderem im § 181 der Militärstrafprozeßordnung heißt mannigfache Abweichungen von der Norm zeigen, desgleichen, daß sich beginnende Geistesstörungen nicht selten als ver- meintliche Simulation darstellen und selbst verbrecherische Handlungen sehr häufig sogar der Ausdruck psychischer Anomalie sein können u. s. w. dann steht zu erwarten, daß der bisher vielfach eingenommene Standpunkt eine wesentliche Verrückung erfahren und daß für die Beurteilung und Behandlung der geistig Minderwertigen in der Armee neue und weitausgreifende Gesichts- punkte maßgebend sein werden !

Die Truppenoffiziere uud Militärärzte, gelegentlich auch die Auditore, werden in regem Zusammenwirken diese infolge hereditärer oder erworbener ungünstiger äußerer Einflüsse häufig recht unglücklich veranlagten, von der Natur oft äußerst stief- mütterlich behandelten Soldaten herausfinden und dann gewiß leicht in der Lage sein, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Dann wird so mancher, der bisher wegen seines reiz- baren, unbotmäßigen, scheinbar eine offenkundige Abneigung gegen den Militärdienst verratenden Verhaltens, wegen fort- gesetzter Verstöße gegen das Disziplinar- und Militärstrafgesetz, vor allem wegen wiederholter Desertionen, Insubordinationen u. s. w. als ein besonders verstockter Sünder vielfach angesehen und demgemäß auch behandelt wurde, nunmehr als geistig minderwertig, mitunter auch als geisteskrank erkannt werden.

Ich betone daher nochmals die dringende Notwendigkeit, in jedem einzelnen Falle, der sich durch besondere gesellschafts- feindliche, verbrecherische Tendenzen, oder durch andere auf- fälligere Abweichungen von dem durchschnittlichen Verhalten unserer Soldaten abhebt, der oft mit dem Disziplinar- oder

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Militärstrafgesetz in Konflikt gerät, sich eventuell mit einer krank- haften Veranlagung zu entschuldigen sucht, oder sein Handeln nicht entsprechend zu motivieren vermag u. s. w. einer ein- gehenden Untersuchung zu unterziehen, über ihn Erhebungen zu pflegen und schließlich, wenn es notwendig erscheint, die Spitalsabgabe behufs Konstatierung seines Zustandes zu ver- anlassen.

Natürlich wird es notwendig sein, daß die Zahl der Beob- achtungsabteilungen und der psychiatrisch geschulten Militärärzte vor allem in den Garnisonsspitälern eine möglichste Vermehrung erfährt, denn die Arbeit wird mit der zunehmenden Erkenntnis der hier in Rede stehenden Anomalien auf geistigem Gebiete zweifellos erheblich wachsen.

Über die Behandlungder geistig Minderwertigen seitens ihrer Vorgesetzten kann ich begreiflicherweise nur all- gemeine Direktiven geben.

Eine gewisse Reserve im Verkehre mit den neueinrückenden Rekruten und eine möglichst individualisierende Be- handlung wird unter allen Umständen die zweckmäßigste Maß- nahme sein, insbesondere aber in jenen Fällen, wo gewisse Zweifel bezüglich der geistigen Voll Wertigkeit des betreffenden Soldaten bestehen.

Alle berufenen Organe sollten sich stets vor Augen halten, daß man sich gerade den psychopathisch Minderwertigen gegen- über einer besonderen Zurück haitun x und Vorsicht in ihrer Be- handlung befleißen solle. Ich bin weit entfernt davon, für sie eine zu nachsichtige, die Disziplin gefährdende Behandlung zu fordern, möchte aber doch meiner Überzeugung dahin Aus- druck geben, daß rücksichtslose Strenge diesen Leuten gegen- über wenig am Platze ist und daß sie auf diese Weise gewöhn- lich erst recht zu Widerspruch und Auflehnung provoziert werden. Dagegen kann man häufig die Wahrnehmung machen, daß eine gewisse Rücksichtnahme und ein verständnisvolles Eingehen auf manche ihrer Eigenheiten und Schwächen, ein gelegentliches Übersehen irgend einer belanglosen oder unwesentlichen Unzu- kömmlichkeit bei ihnen oft auf guten Boden fällt und gerade dadurch den Vorsatz weckt, sich zu bessern. Ein Vorgesetzter, der diese Momente beachtet, wird sie auch im richtigen Augen- blicke seine ganze Strenge fühlen lassen können, wenn sie nur das Empfinden haben, daß er ihnen im allgemeinen wohl will und daß ihre Bestrafung gerecht ist.

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D rastich.

Im übrigen ist für die richtige Beurteilung und Behandlung solcher Persönlichkeiten in erster Linie ein gewisser Grad von auf psychologischer Erkenntnis beruhender Erfahrung und die entsprechende Selbstbeherrschung notwendig.

In manchen Fällen, die keineswegs so selten sind, als es den Anschein haben mag, führt weder Güte noch Strenge zu einem gedeihlichen Ziele. Die Betreffenden erweisen sich jedem Zuspruche unzugänglich und lassen sich auch nicht selbst durch die härtesten Strafen von ihrem unheilvollen Lebenswandel ab- bringen. Ihre Ausscheidung aus dem Heeresverbande bedeutet, wie ich schon früher ausgeführt habe, in jeder Beziehung nur einen Gewinn!

Damit ist die Frage der Diensttauglichkeit der psychopathisch Minderwertigen aufgeworfen. Dieselbe ist natür- licherweise in jedem einzelnen Falle nur auf Grund einer ein- gehenden Untersuchung, beziehungsweise Beobachtung, even- tueller Erhebungen u. s. w. zu lösen. Je mehr die Erkenntnis der mannigfachen Erscheinungsformen der geistigen Minderwertigkeit Gemeingut der berufenen Faktoren wird, umsomehr wird eine Purifikation der Armee von den mit ihr Behafteten, soweit sie nicht militär diensttauglich sind, zu erwarten sein.

Ich betrachte den Umstand an sich schon als einen großen Gewinn, wenn sich die Überzeugung allgemeine Geltung ver- schafft, daß sich namentlich die Degenerierten vielfach für den Militärdienst nicht eignen und daß ihre Ausscheidung wegen der ihnen anhaftenden psychischen Minderwertigkeit zulässig und mögli ch ist. Die anderen Formen psychopathischer Minder- wertigkeit, bei denen sich hauptsächlich nervöse Störungen im Vordergrunde der Erscheinungen befinden (Neurasthenie, Epilepsie, Hysterie, traumatische Neurose, beginnende Geistes- störungen u. 8. w.) sind schon seit langem Gegenstand ent- sprechender Maßnahmen, doch glaube ich, daß auch hier eine Vertiefung in die Sache oft ein rascheres Handeln, beziehungs- weise ein schnelleres Erkennen zur Folge haben wird.

Was die forensische Beurteilung der hier in Betracht kommenden Persönlichkeiten betrifft, so ergibt sich aus meinen Ausführungen als natürliche Folgerung, die übrigens auch mit der sonst üblichen Auffassung übereinstimmt, daß die geistig Minderwertigen im allgemeinen einer milderen Beur- teilung bedürfen als der geistig intakte Mensch. Es muß namentlich bei ihnen auf die geringere Extensität und Intensität

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Der geistig Minderwertige in der Armee etc.

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ihrer Hemmungen, die unter der Wirkung von Affekt, Alkohol oder sonstigen ungünstigen äußeren Einflüssen zumeist eine recht erhebliche Verminderung, mitunter sogar Aufhebung erfahren, ferner auf ihre zumeist lebhaft, gelegentlich auch krankhaft be- tonten Triebe, die Neigung zu unüberlegten, impulsiven Hand- lungen u. s. w. Rücksicht genommen werden.

Aus dem soeben Gesagten ist unschwer abzuleiten, daß die Frage der Zurechnungsfähigkeit in einzelnen Fällen große Schwierigkeiten bereitet. Dazu kommt die besondere Disposition der geistig Minderwertigen zum Auftreten psychischer Ausnahms- zustände, die unter dem Bilde von pathologischen Affekt-, Rausch-, Dämmer- und sonstigen Zuständen von Verwirrtheit einhergehen und die dann ihre Zurechnungsfähigkeit auf die Dauer der letzteren im Sinne der §§ 3 und 5 lit. c des Militärstrafgesetzes aufheben. Schließlich können bei ihnen auch andere Formen von Geistesstörung vorkommen, die, wie ich früher erwähnt habe, häufig ein atypisches Gepräge zu zeigen pflegen und nicht selten einen derart fließenden Ver- lauf nehmen, daß Beginn und Ende derselben oft sehr schwer abzugrenzen sind. Auch wird die Entscheidung mitunter große Schwierigkeiten bereiten können, ob ein Individuum, welches sich im Verlaufe der wider dasselbe wegen irgend einer krimi- nellen oder sonstigen strafbaren Handlung eingeleiteten Unter- suchung als geisteskrank erweist, schon zur Zeit der Begehung derselben geisteskrank, oder nur psychopathisch minderwertig war.

Ich habe diese Momente deshalb angeführt, um zu zeigen, daß der ärztliche Sachverständige gelegentlich nicht im- stande sein mag, sich über die Zurechnungsfähigkeit präzise auszusprechen und daß die Beurteilung derselben bei psycho- pathisch Minderwertigen überhaupt sehr häufig auf große Schwierigkeiten stößt.

Ich möchte jedoch für unsere Verhältnisse zur allgemeinen Richtschnur empfehlen, in allen Fällen, wo nicht besonders zwingende Momente für die Annahme von Unzurechnungsfähigkeit vorliegen, schon im Interesse der militärischen Disziplin die Zurechnungsfähigkeit nicht auszuschließen und die Zulässig- keit der Bestrafung, wenn auch unter Anwendung mildernder Umstände, welcher Ausspruch jedoch stets motiviert sein muß, zu betonen. Denn es erscheint mir nicht zweckmäßig, ins- besondere den Degenerierten gegenüber eine besondere Milde walten zu lassen, da für sie die Furcht vor Strafe sehr oft

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ein weit wirksameres Gegenmotiv gegen die Begehung neuerlicher strafbarer Handlungen ist, als alle sonstigen Hemmungen, die sie aus sich selbst mit Rücksicht auf ihre ungünstige Ver- anlagung aufzubringen vermögen.

Im übrigen glaube ich, daß auch die Gesellschaft ein Recht darauf hat, vor diesen Elementen möglichst geschützt zu werden, insolange nicht die schon von vielen Seiten geforderte dauernde oder wenigstens bedingt beschränkte Unterbringung immer rückfälliger Verbrecher und ähnlicher Persönlichkeiten in eigenen Detentionsanstalten durchgeführt wird. Denn je länger jeder Einzelne von ihnen in sicherem Gewahrsam ist, umso weniger haben ihre Mitmenschen unter ihren gesellschaftsfeind- lichen Handlungen zu leiden und ihre Angriffe auf Hab und Gut, mitunter auch auf das Leben zu fürchten.

Dagegen empfehle ich eine möglichste Strenge in der Beurteilung der Diensttauglichkeit dieser Individuen, die in den meisten Fällen ihre Uniform allen zur Last und keinem zur Freude tragen ! l)

') Separatabdrücke dieses Aufsatzes können durch die Verlagsbuch- handlung Josef Safar, Wien, VIII., Schlösselgasse Nr. 22, zum Preise von Kr. 1. bezogen werden.

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Geschichte der Entwicklung Prags. 1}

Vortrag, gehalten im MilitÄrwisBenschaftlichen Vereine in Prag, von Major Franz Gibel, derzeit Lehrer an der Militäroberrealschule in Mahrisch - Weißkirchen.

Nachdruck verboten. t'bewelsungsrecbt vorbehalten.

Die ersten Nachrichten über die Landeshauptstadt Prag verlieren sich im Bereiche der Sage. Die eigentlich geschichtliche Zeit beginnt mit der Einführung des Christentums unter dem Herzog Borivoj (895).

Über Prags Ortsverhältnisse schöpfen wir die ersten Nach- richten vornehmlich aus den Schriften des ältesten und bekannten Geschichtsschreiber Böhmens, Cosmas von Prag, (Cosmas Pra- gensis) (1125).

Der älteste Teil Prags, der Wyschehrad, ist ohne Zweifel in der heidnischen Zeit die vornehmste Kulturstätte des Landes gewesen. Kein geringerer als der spätere Papst Gregor VII. hat als Kardinal Hildebrand das Wyschehrader- Kollegiatkapitel ge- gründet und dasselbe mit bedeutenden Privilegien ausgestattet (1073).

Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts wohnten die böhmischen Fürsten bald auf dem Prager Schlosse, bald auf dem Wysche-

*) Benfitste Quellen: Totnek: Geschichte der Stadt Prag.

Schaller: Beschreibung der königlichen Hauptstadt Prag.

Schottky: Prag wie es war und wie es ist.

E. Herold : Malerische Wanderungen durch Prag.

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hrad ; hier feierten sie ihre Feste, hielten Landtage und Gericht viel häufiger als in anderen Burgen des Landes. Das ansehn- lichste Gebäude im Innern war der fürstliche Palast mit einem gewaltigen Umfange und einer Menge von Kirchen und Kapellen. Uber alle älteren Gebäude Wyschehrads aber erhob sich die Kirche zu St Peter und Paul auf derselben Stelle, wo sie noch jetzt zu sehen ist.

Unter der Bure breitet sich der Burgflecken Wyschehrad aus, eine Art Unterstadt, die bis in die Nähe des heutigen Karolinental reichte.

Prag selbst hatte, wie erwähnt, seinen Anfang durch die Erbauung der Prager Burg genommen. Diese war mehrere Jahr- hunderte nach der Gründung jedenfalls der vorzüglichste und wesentlichste Bestandteil der Stadt. Auf einer länglichen, nicht gar hohen Bergzunge gelegen, welche, wie Cosmas sich aus- drückte, dem Rücken eines Delphins glich, nahm sie, wie es scheint gleich vom allerersten Anfange an, beinahe ihren ganzen jetzigen Raum ein.

Auf der Westseite, wo es keinen natürlichen Graben gibt, war der Schloßberg von einem künstlichen Graben durchschnitten, worüber von dem jetzigen Hradschiner- Platz eine Holzbrücke in die Burg führte, dort beiläufig, wo jetzt der Haupteingang ins Schloß ist. Das östliche schmale Ende des Schloßberges, Uber welches gegenwärtig die sogenannte alte Schloßstiege hinauf- führt, hieß Opys. In die Burg führten zwei Tore, ein größeres, zu welchem man über die obgenannte Holzbrücke gelangte, und ein kleineres, zu welchem man auf steilem Wege, wahrscheinlich nur zu Fuß über den Opy§ hinaufging. Die älteste Befestigung war sowie alle Bauten im Innern ohne Zweifel aus Holz, an welchem es ja bei der Nähe des Waldes nicht fehlte. Zu einer Zeit, die dem Gedächtnisse des Cosmas schon viel näher lag, etwa um die Mitte des 11. Jahrhunderts, ließ Herzog Bretislav die Prager Burg ummauern. Zirka 100 Jahre später wurde das Prager Schloß vollständig mit einer neuen Mauer umgeben und diese Umfassungsmauer mit festen Türmen versehen. Zu Füßen der Burg lag der Burgflecken oder auch das Prager Suburbium, anfangs lose Ansiedlungen, welche infolge des sich lebhafter entwickelnden Verkehrs immer mehr zusammenwuchsen und wegen ihrer Lage als Unterstadt (suburbium) bezeichnet wurden.

Die Verbindung zwischen beiden Burgen und deren Unter- städten wurde anfangs durch Schiffe unterhalten; in geschichtlicher

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Zeit erfahren wir bald von einer Holzbrücke, welche die beiden Burgflecken miteinander verband, dort beiläufig, wo heute die Karlsbrücke sich befindet. Eine steinerne Brücke über die Moldau erbaute erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts die Königin Judith, die Gemahlin Wladislaw II. Der im Laufe der Zeit zunehmende Verkehr, der sich vom Wysehehrader Burg- flecken aus weiter ins Land fortsetzte, hatte zur Folge, daß sich die Ansiedlungen hier immer melir schlössen und bald jenen Raum einnahmen, den die heutige Altstadt ausfüllt.

Bereits Cosmas erwähnt eines Platzes, dem späteren Großen Ring, welcher nicht nur zu Marktzwecken, sondern auch für Kundmachungen, Hinriehtungen und andere öffentlich zu voll- ziehende Strafen diente. Nebst dem großen Ringplatze verdient vor allem die altberühmte Marienkirche vor dem Teyn erwähnt zu werden.

In der Nähe derselben erscheint schon im 10. Jahrhundert auf der Stätte des heutigen „Alten Ungeld", ein Hof für fremde Kaufleute, welcher den Namen Teyn führte. In demselben mußten die fremden Kaufleute ihre Waren, ehe sie dieselben zum Ver- kaufe ausboten, verzollen lassen, weshalb die Häusergruppe hinter der Teynkirche noch heute das „Alte Ungeld" genannt wird. Außer dieser Kirche werden im Umfange der Altstadt genannt: die Kirche det heiligen Egidius, die Dominikaner-, die Kiemens- und heilige Kreuzkirche, letztere in der Postgasse, rund und klein, wie wohl damals alle Kirchen Prags gewesen sein dürften. Auch die Juden, welche von jeher in der Gegend der jetzigen Judenstadt wohnten, hatten schon zu Cosmas Zeit ihre Synagoge. Auf einem freien Platz zwischen der Altstadt und dem Wysche- hrad wurden von altersher die Viehmärkte abgehalten (heute der Karlsplatz). Prag hatte überhaupt im 10. Jahrhundert schon städtischen Charakter, eine große Einwohnerzahl und reichen Besitz. Denn der arabische Schriftsteller Al-Bekri berichtet nach den Schilderungen eines Augenzeugen, des jüdischen Kaufmanns Abraham Jakobsohn oder Ibrahim-ibn- Jakub, über Prag wie folgt: „Die Stadt Prag ist erbaut von Stein und Kalk und der größte Markt in den Slavenländern." Bedeutend waren aber auch schon in diesem Zeiträume die abgesonderten Dörfer, welche teils zum Prager, teils zum Wysehehrader Suburbimn gehörten. Frühzeitig tauchen die Namen Podskal, Zderaz und Opatowitz auf; weiter ins Land hinein in der Gegend der heutigen Stephans- kirche hören wir von einem Orte Rybnik. Am linken Ufer unter-

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halb der Burg und des heutigen Petrin standen mehrere kleine Dörfer, wie Ujezd, Nebovidy und Travnik, welche Ansiedlungen bis tief in die Heidenzeit zurückreichten.

Die Prager Burg entwickelte sich rasch; im Innern ent- standen fortwährend neue Bauten. Der Vater des heiligen Wenzel, Fürst Wratislaw, gründete am Ende des 9. Jahrhunderts zu Ehren des heiligen Georg eine Kirche, in welche er den Leichnam seiner Mutter Ludmilla beisetzen ließ. Der heilige Wenzel selbst erbaute zu Ehren des heiligen Veit ein kleines, rundes Kirchlein, welches unter Boleslaw II. zur Kathedrale erhoben wurde (976). Er gründete das Prager Bistum und stiftete das erste Nonnenkloster zum heiligen Georg auf dem Hradschin. Bischof Adalbert brachte gegen Ende des 10. Jahrhunderts Mönche aus Rom nach Prag, mit denen er das Benediktinerkloster zu Bfcewnow gründete welches durch bedeutende Schenkungen, besonders Boleslaw II., zu einem der reichsten Klöster Böhmens wurde. Unter dem Herzog BJetislaw wurden die Gebeine des heiligen Adalbert aus Gnesen nach Prag gebracht und im St. Veitsdome beigesetzt. Auch die Umwallung der Prager Burg wurde unter ihm neu hergestellt.

Spitighniew ließ die Veitskirche, nachdem sie sich als allzu klein erwies, niederreißen und an deren Stelle eine größere Kirche erbauen. Diese wurde ein Raub der Flammen : später jedoch wieder vollständig neu aufgebaut, wurde darin der Landes- patron, der heilige Wenzel, bestattet.

In das Jahr 1140 fällt die Gründung des Prämonstratenser- kloster* Strahow durch den König Wladislaw II.

Eine besonders glanzvolle Zeit brach für Prag mit Pfemysl Ottokar II. an. Die Nachbarvölker nannten ihn ob seines Reich- tums den goldenen König; Böhmen könnte ihn mit gleichem Rechte den deutschen König und Städtegründer nennen. Denn er zog zahlreiche deutsche Kolonisten in das Land und auch nach Prag, wobei er oft grausam gegen die einheimische slavische Bevölkerung vorging, indem er dieselbe einfach vertrieb. So entstand die kleinere Stadt am linksseitigen Moldauufer unterhalb des Hradscilins, aus welcher Bezeichnung sich mit der Zeit der Name „Kleinst-ite" entwickelte. Von den früheren Dörfern des Prager Suburbiums hat sich nur der Name Ujezd oder Aujezd bis heute erhalten.

Auch in dem rechtsseitigen Suburbium hatte sich das deutsche Element am Pofiß immer mehr ausgebreitet und so entstand die

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sogenannte „Alte oder Größere Stadt". Die Gründung, und der Bau zahlreicher Kirchen, die Einführung verschiedener geistlicher Orden, wie im Jahre 1252 jenes der Kreuzherren mit dem roten Stern nächst der Karlsbrticke, die neue Uminauerung und Ver- größerung der Prager Burg u. v. a. bezeichnen gleichfalls die glänzende Regierungszeit Premysl Ottokar IL

Eine Epoche höchsten Glanzes erblühte für Böhmens Landes- hauptstadt unter dem Luxemburger Karl IV., dem „Vater des Vaterlandes" (1347— 1378). Unter ihm war Prag nicht nur die Landeshauptstadt Böhmens und die Haupt- und Residenzstadt des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, sondern auch der Sitz der Hofhaltung des angesehensten Herrschers in Europa. Hieher strömten Gesandtschaften aus aller Herren Länder, hier fiel die Entscheidung in manch wichtigen, weit über die Landes- grenzen hinausgreifenden Angelegenheiten. Karl IV. ließ auch den vernachlässigten Sitz der böhmischen Könige im Prager Schlosse wiederherstellen. Er begann auf der Brandstätte des ehe- maligen Palastes den Bau eines ganz neuen, nach französischem Muster, indem er die königliche Residenz in Paris zum Vor- bilde nahm. Die Erhebung Prags zu einem Erzbistum sicherte dieser Stadt, als dem Sitze eines Metropoliten, erhöhten Glanz. Der Neubau einer prächtigen, der Stadt würdigen Kathedrale, des St. Veitsdoms, in jener herrlichen Gestalt, wie ihn unsere Nachkommen einst in seiner Vollendung sehen werden, die An- häufung zahlreicher Reliquieuschätze. brachten frischen Fluß in das Kunstleben Prags.

Die Gründung der Universität (1348), der ersten Hochschule des deutschen Reiches, machte Prag zu einem vielbesuchten Bil- dungszentrum für alle mitteleuropäischen Länder und Völker. Zu den herrlichsten Bauten Karl IV. zählen : die steinerne Brücke (Karlsbrücke) samt dem Altstädter Brückenturm, die durch Jahr- hunderte ihren Vorrang unter den bedeutendsten Werken der Technik in Europa behaupten konnte, die Marienkirche am Teyn, die Kirche Emaus und der gotische Kuppelbau am Karls- hofe. Unter seiner Regierung entstand weiters die Neustadt, zu welcher im Gegensatze die frühere „Größere Stadt" von jetzt an „Altstadt14 genannt wurde. Den Mittelpunkt der Neustadt bildete das Neustädter - Ratbaus mit seinem hohen und starken Turme auf dem Karlsplatze. Außer diesem städtischen Gemeinde- wesen entstand unter Karl IV. der Hradschin, von Wällen ein- geschlossen, mit Toren und Türmen versehen. Eine zackige

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Mauer, welche Karl IV. bei einer ausgebrochenen Hungersnot zu bauen begann, um den Armen Brot zu verschaffen und die deshalb auch die Hungermauer heißt, umschließt noch heute die der Stadt zugewendele Lehne des Petrin. Die Altstadt, Neustadt, Kleinseite und der Hradschin waren die vier Prager Städte, die zu Zeiten Karl IV. die größte, glanzvollste und genußreichste Metropole Mitteleuropa^ bildeten.

Unter seinen Söhnen trat abermals ein Verfall ein. In Prag selbst legte sich sein Sohn Wenzel IV. einen Sommersitz am Zderaz an, dort, wo später das Wenzelsstrafhaus und das Wenzels- bad standen. Auch begründete er den Königshof in der Nähe des Pulverturms. Unter diesem Könige sank die Macht Böhmen's immer mehr, wozu seine Grausamkeit und Trunksucht wesentlich beigetragen haben (1378-1419).

Schon unter Wenzel's Regierung begann die husitische Be- wegung, welche auf die Entwicklung Prags, einen in jeder Be- ziehung, hemmenden Einfluß ausgeübt hat. Unter seinem Bruder und Nachfolger Sigismund, der als Kaiser seit 1410, als König von Böhmen seit 1419 regierte, breitete sich diese religiöse und nationale Bewegung über ganz Böhmen aus (1410 [1419] 1437). Hus wurde auf das Konzil von Konstanz (1414—1418) vorgeladen und erhielt auch einen freien Geleitsbrief vom Kaiser ausgefolgt, wurde aber trotzdem als Ketzer am 6. Juli 1415 verbrannt.

Die unmittelbare Folge davon war eine heftige Volksbewegung in Prag, die keine Fessel mehr ertrug. Johann von Selau, ein ehemaliger Chorherr des Prämonstratenserstiftes Selau, ein Dema- goge schlimmster Sorte, hatte sich zum Prediger in der Maria Schneekirche aufgeworfen. Dort hetzte er am 30. Juli 1419 auf der Kanzel die Menge gegen die katholischen Neustädter-Ratsherren auf und führte dann trotz des Verbotes eine Prozession, die sich bewaffnete, unter Vorantragung der Hostie zur Stephans- kirche, wo Exzesse verübt wurden. Dann zogen die Haufen auf den Karlsplatz und warfen sich auf das Neustädter Rathaus, weil angeblich von dort ein Stein auf den die Hostie tragenden Priester geschleudert wurde, stürmten durch das erbrochene Tor die Stiegen hinauf, schlugen einige Ratsherren und Bürger nieder, warfen 3ie aus den Fenstern hinab, wo die noch lebenden vollends getötet und die blutenden Leichname sodann miß- handelt wurden. Die Mörder hatten die Leitung der Stadt an sich gerissen. Am 16. August 1419 bereitete infolge der Auf- regungen ein Schlagfluß dem Leben Wenzel IV. ein jähes Ende.

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Scharenweise rotteten sich die Schwärme zusammen, über- fielen, plünderten und zerstörten Kirchen und Klöster. Wohl- habende und Besitzende flohen aus der Stadt und gaben Häuser und Güter dem Pöbel Preis. Auch Sigismunds Truppen, die den Wyschehrad und Hradschin besetzt hielten, trugen bei ihren häufigen Ausfällen in die benachbarten, von den Husiten besetzten Stadtteile dazu bei, diese in Trümmer zu legen. Der Wyschehrad fiel in die Hände der Husiten. Binnen wenigen Stunden war diese kirchen- und palastreiche Feste von dem rasenden Pöbel in eine Ruine verwandelt. Erst 1436 zog Sigismund als Sieger in Prag ein und wählte den Königshof als ständigen Sitz. Aber wie hatte sich die unter Karl IV. so prächtige und blühende Stadt verändert. Die herrlichsten Stifte, Klöster und Kirchen lagen in Schutt und Trümmern, die Königsburg auf dem Hradschin, die Domkirche, die Georgskirche, Kirche und Kloster Strahow u. v. a. waren entweder niedergerissen oder standen nur mehr als Ruinen da. Prag hatte seine schönsten Zierden verloren, selbst nach außen zeigten sich die Merkmale der Anarchie und des Bürgerkrieges, Handel und Industrie lagen ganz darnieder. Noch lange verspürte man in Prag die schlimmen Folgen des Husiten- krieges. Erst unter Georg von Podöbrad (1458 1471) trat einiger- maßen Ruhe im Lande ein. Aus der Zeit dieses Königs stammen zwei ehrwürdige Denkmäler Prags, die Türme der Teynkirche und der Kleinseitner Brückenturm. Sein Nachfolger Wladislaw II. (1471 1516) verlegte seine Residenz, weil er sich im Königshofe nicht recht sicher fühlte, auf den Hradschin, den er vergrößerte und von welchem Teile der Burg sich noch der Wladislaw'sche Saal bis auf die jetzige Zeit erhalten hat. Auch das sogenannte Wladislaw'sche Oratorium im St. Veitsdom stammt von ihm. An jene Zeit erinnert auch noch das Wahrzeichen Prags, der Pulver- turm, ein Wunderwerk bizarrer Gotik.

Unter dem Kaiser Ferdinand I. 1556 1564 verschönerte sich besonders das Prager Schloß und seine Umgebung. In jenem entstanden der deutsche und spanische Saal, die an Größe und Schönheit der Ausschmückung gewiß ihresgleichen suchen. Die Umgebung der Hofburg gewann durch die Anlage eines Schloß- gartens und eines Turnierhauses jenseits der Staubbrücke und durch den reizendsten Renaissancebau diesseits der Alpen, das Belvedere. Um die Ausführung dieses Werkes erwarb sich der durch zwei Jahrzehnte (1547 1567) mit der Statthalterschaft in Böhmen betraute Sohn des Kaisers, Erzherzog Ferdinand von

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Tirol, der Gemahl der schönen Augsburger Patrizierstochter Philippine Welser, besondere Verdienste. Auch begann er sich selbst als Architekt zu versuchen und lieferte den Plan zu dem Bau des in der Nähe Prags gelegenen Schlosses „Stern". Doch wurde Prag im Jahre 1541 von einem schweren Unglücke be- troffen. Am 2. Juni brach in einem Hause auf der Kleinaeite Feuer aus, welches wegen der herrschenden Trockenheit mit unheimlicher Schnelligkeit sich verbreitete. Begünstigt durch einen heftigen Wind, wurden im Laufe einer Stunde 55 Häuser auf. der KJeinseite und dem Hradschin ein Raub der Flammen. Das Feuer ergriff auch einen Teil der Hofburg, den es mit allen darin geborgenen Schätzen in Asche legte, wobei auch die Landtafel mit den ältesten Handschriften und Urkunden, ein unersetzlicher Verlust, verloren ging. Aber auch der Veitsdom, die Allerheiligen- kirche, Kloster und Kirche zu St. Georg, brannten nieder.

Ferdinand I. erweiterte auch die Universität, an welche er Jesuiten berief, besetzte den Prager erzbischöflichen Stuhl wieder, nachdem derselbe seit 140 Jahren unbesetzt geblieben war und baute die Königsburg nach dem großen Brande wieder auf. An der Seite seiner Gemahlin Anna wurde Ferdinand I. im St. Veits- dom beigesetzt. Ein prächtiges Mnrmorgrabmal zeigt noch heute die Gestalten des Kaisers, seiner Gemahlin und seines Nach- folgers Maximilian II. (1564—1576).

Eine neue Glanzepoche für die Entwicklung Prags begann unter Rudolf II. (1570 1611), der seine Residenz beständig in Prag aufschlug. In dieser Zeit war die Prager Hofburg der Mittel- punkt eines großartigen, kaiserlichen Hofhaltes, wo glänzende Turniere abgehalten wurden. Aber besonders in wissenschaft- licher und künstlerischer Hinsicht war die Regierung Rudolf II. für Prag von hoher Bedeutung.

Dieser Kaiser sammelte kostbare Gemälde, Statuen, Schmuck - und Kunstgegcnstände ; aus allen Gegenden kamen derartige Objekte nach Prag und selbst in den Tagen bitterer Finanznot hatte Rudolf immer noch Geld, um seinen Sammeleifer zu befrie- digen. So entstand die damals mit Recht berühmte Rudolfinische Kunstkammer, welche freilich, schon bald nach dem Tode des Kaisers, in den Stürmen des 30jährigen Krieges zum größten Teil wieder verloren ging.

Auch in wissenschaftlicher Hinsicht gereicht es Rudolfs Regierung zu besonderem Glänze, daß nach einander zwei Astronomen berühmten Namens, wie der Däne Tycho Brahe

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und der Deutsche Kepler an seinem Hofe weilten. Rudolf II. schätzte aber an diesen Männern nicht so sehr ihre wissen- schaftliche Bedeutung, als vielmehr, dem Aberglauben des Zeit- alters gemäß, die ihnen eigentümliche Kunst, die Geschicke der Menschen aus dem Stande der Gestirne vorherzubestimmen, ihnen das „Horoskop" zu stellen. Der große Däne hat in der Teyu- kirche seine letzte Ruhestätte gefunden. Aber auch an die Kunst der Goldmacher glaubte der Kaiser, was von vielen Betrügern und Abenteurern ausgebeutet wurde. In dem Schloßgarten wurden ein Bärenzwinger und eine Löwengrube angelegt; auch wird behauptet, daß die tiefe Schlucht an der Nordseite des Hradschin, durch die sich der Bruskabach nach der Moldau hinzieht, unter ihm den Namen Hirschgraben erhielt. Leider vernachlässigte Rudolf II. über die Pflege der Künste und Wissenschaften die Regierungsgeschäfte. Er mußte (1608) Österreich und Ungarn seinem Bruder Matthias überlassen und den Böhmen durch den Majestätsbrief Religionsfreiheit bewilligen. (12. Juli 1609.)

Der Prager Fenstersturz (1618), sowie die Schlacht am Weißen Berge (1620) und deren Folgen wirkten hemmend auf die Entwicklung Prags.

Nach dieser Schlacht verließen viele gewerbfleißige Be- wohner die Stadt, weil sie sich hier nicht mehr sicher fühlten, während Albrecht Graf Wal d stein am Fuße des Hradschins eine Menge von Bürgerhäusern erstand, die er niederreißen ließ, um an deren Stelle einen großartigen Palast zu erbauen und mit herrlichen Gartenanlagen zu umgeben.

Prag hatte auch durch die Angriffe der Sachsen und Schweden sehr zu leiden gehabt. Die Spuren des 3C jährigen Krieges wurden hier noch lange empfunden. Die meisten Häuser waren rein ausgeplündert, was Prag an Schätzen und Kunst- werken besessen, war größtenteils fortgeschleppt worden. Hungers- not und Seuchen hatten mehr als Vio der Bevölkerung auf- gerieben, viele Gebäude lagen in Trümmern, ganze Straßen waren verödet und unbewohnt. Ein großer Teil der Rudolfinischen Kunst- sammlungen wanderte teils nach Sachsen, teils nach Schweden. Auf 50 Wagen wurden die Kunstwerke vom Kurfürsten Johann Georg von Sachsen weggeführt. (1648.)

Nach dem 30jährigen Kriege trat eine Änderung der durch die neue Ordnung der Dinge geschaffenen Verhältnisse gerade hier so recht deutlich zu Tage. Das Bürgertum hatte seine Bedeutung eingebüßt und seinen Wohlstand verloren, während Adel und

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Geistlichkeit in ihrer baulichen Tätigkeit mit einer wuchtigen Macht auftraten. Die Gegenreformation, welche siegreich durchs Land zog, kennzeichnet ihre Macht auch auf dem Gebiete der Baukunst. In Prag, wie im ganzen Lande, übernahm der Jesuiten- orden die Führung. In der Altstadt ging er zunächst daran, das für Uuterricht8zwecke der Universität bestimmte Clemen- tinum zu vollenden. Auf der Kleinseite entstand das Profeßhaus, das heutige Oberlandesgericht, mit der herrlicheu Niklaskirche und auf der oberen Neustadt das Novizenhaus zum heiligen Ignatius, das heutige Garnisonsspital.

Von Seite des mächtigen Adels wurden auch pomphafte Paläste aufgeführt, von welchen nur das schöne Kinsky-Palais auf dem Altstädter Ring, das Palais Kostitz am Graben und der Prachtbau des Grafen C 1 am »-Gallas von Fischer von Erlach in der Husgasse auf der Altstadt genannt sein sollen. So erholte sich Prag allmählich wieder, wobei ihm der glückliche Umstand von großem Nutzen war, daß fast volle 100 Jahre kein aus- wärtiger Feind in Böhmen sich zeigte. Aber auch in dieser Zeit blieb Prag von Unfällen nicht verschont; die Pest und andere Seuchen brachten der Stadt viele Leiden.

Im Jahre 1689 kamen französische Mordbrenner sogar bis in die böhmische Hauptstadt und legten einen großen Teil der Juden-, Alt- und Neustadt in Asche. Auch Überschwemmungen richteten bedeutenden Schaden an, aber alle diese Unglücks- fälle waren durch mehr oder minder große Zeitabstände von einander geschieden und griffen nicht so tief in das Volksleben ein, wie es Kriegsstürme gewöhnlich tun und namentlich die letzteren es getan hatten.

Ein Besuch Kaiser Karl VI. hatte auf die Entwicklung Prags insofern einen Einfluß ausgeübt, als für denselben die um- fassendsten Maßregeln im Interesse der öffentliche Ruhe und Sicherheit getroffen wurden, Maßregeln, die dann auch weiter beibehalten wurden, so daß diese Reise in Bezug auf die Hebung der Ordnung, Reinlichkeit und Sicherheit der Stadt ein bedeut- samer Wendepunkt im kulturellen Leben Prags bildet. .

Zur Zeit Maria Theres ia's 1740—1780 litt Prag sehr durch die Angriffe der Bayern und Franzosen und bald darauf durch die Rückeroberung seitens der kaiserlichen Truppen. Traurige Episoden in der Entwicklung der Stadt folgten aber 1744 und 1757, in welchen Jahren Friedrich II. Prag belagerte und ein- nahm. Besonders im letzteren Jahre hatte Prag durch die Be-

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lagerung, welche eine der schrecklichsten war, die die Chronik der Stadt zu verzeichnen hat, sehr zu leiden. Am stärksten richtete sich die Beschießung gegen den St. Veitsdom.

Aber auch die Stadt selbst hatte sehr gelitten; über 800 Gebäude waren teils ganz zerstört, teils durch Braud und Kugeln beschädigt, manch' herrlicher Bau lag in Schutt und Asche. Sobald als möglich wandte die große Kaiserin ihre Sorg- falt dein Wohle der Stadt wieder zu.

Unter Kaiser Josef IL (1780 1790) wurden eine Menge nützlicher Einrichtungen und trefflicher Institute ins Leben ge- rufen. Prag erhielt durch diesen Herrscher ein anderes Aus- sehen, da viele Kirchen und Klöster aufgehoben und in Amts- gebäude, Kasernen, Magazine oder Wohltäti^keitsanstalten um- gewandelt wurden.

Die vier Prager Städte wurden unter einem Magistrate und einem Stadthauptmann vereinigt (1784), die Gräben, welche die Alt- und Neustadt trennten, ausgefüllt. Da auch die Kriminal- justiz verbessert wurde, so verschwanden die Pranger und Käfige der Sträflinge, sowie die Körbe an der Moldau, in welchen straf- würdige Bäcker untergetaucht worden waren.

Zur Zeit des Kaisers Franzi. (1792—1835) war Prag noch eine stille Stadt und zählte 1817 kaum 80.000 Einwohner inner- halb der Basteien. Um dieselbe Zeit entstand vor dem Poficer Tor eine Vorstadt, welche zu Ehren der Gemahlin des Kaisers Franz L, Karoline Auguste, Karolinental genannt wurde und welche sich schon im Laufe von wenigen Dezennien zu einer bedeutenden Fabriksstadt entwickelt hatte. Etwas später entstand vor dem Aujezder Tor gleichfalls eine Vorstadt, welche den Namen Smichow erhielt.

Unter Ferdinand I. entfaltete sich Böhmen's Hauptstadt zu neuer Blüte, Handel und Industrie hoben sich. Den Verkehr beförderten neue Straßen, mit dem Norden stand die Stadt durch die Moldau-Elbedampfschiffahrt in Verbindung und 1845 wurde Prag mit Wien durch die erste Eisenbahn verbunden.

Ein besonderes Verdienst um die Verschönerung der Stadt, besonders der Kleinseite und des Hradschin erwarb sich Graf Karl Chotek, Oberstburggraf von Böhmen, dessen Andenken durch die Benennung der Chotekstraße, Chotekgasse und der Chotekanlageu verewigt ist. Seinem Wirken verdankt Prag auch den sogenannten „Neuen Weg" nach Baumgarten, sowie die Erbauung der Franzenskettenbrücke (an Stelle der heutigen

Organ der Mllltärwls«en.iehafiHchen Vereine. LXX1II. Bd 1906. 25

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Kaiser Franzensbrücke), die damals als ein technisches Meister- werk betrachtet wurde. Im oberen Teil der Neustadt entstand an der Stelle des ehemaligen Grabens eine schöne Straße, welche die Alt- von der Neustadt trennte und in die sogenannte „Neue Allee", die jetzige Ferdinandstraße, überging.

Auch war Prag damals noch eine verhältnismäßig kleine Stadt, von Mauern und Schanzen mit großen Toren umgeben, die des Nachts gesperrt wurden. Diese Schanzen, vor allem aber die sogenannte Bastei, also jener Teil, der vom Spitteltor, das nach Karolinental führte, über das Neutor (am Heuwegsplatz bei der heutigen Hypothekenbank) und Roßtor (beim Landes- museum am Wenzelsplatz), zum Korntor (Korngasse) führte, waren die beliebteste Promenade der Prager. Alle diese Tore sind jetzt verschwunden. Die Straßen waren damals eng und öde, der Verkehr gering, die Fassaden der Häuser und die Aus- lagen der Geschäfte ohne Luxus.

Unter der glorreichen Regierung Sr. Majestät des Kaisers und Königs Franz Joseph I. (seit 1848) entwickelte und vergrößerte sich Prag immer mehr und mehr. Es entstanden neue Stadtteile und Parkanlagen, die alten historischen Denk- würdigkeiten wurden erneuert und eine große Anzahl humanitärer Anstalten gestiftet.

So wurde im Jahre 1868 die Kaiser Franz Josefsbrücke dem öffentlichen Verkehre übergeben und im selben Jahre der Grund- stein zum tschechischen Nationaltheater gelegt. Im Jahre 1869 wurde der Kettensteg über die Moldau erbaut und die Teilung der Technik nach Nationalitäten vorgenommen. Im Jahre 1878 wurde die von Podskal nach Smichow iührende Brücke, welche den Namen Palackybrücke erhielt, der Gemeinde Smichow übergeben.

AU im Jahre 1881 das tschechische Nationaltheater ab- brannte, wurde es auf demselben Platze neuaufgebaut und 1883 feierlich eröffnet. Um dieselbe Zeit erstand auch das von Felln er und He 11 m er erbaute Neue deutsche Theater in der Nähe des Stadtparks. Auch begann man schon damals Verhand- lungen mit den Vorstädten Prags, um dieselben an Prag anzu- gliedern. So wurde Wyschehrad als VI. und Bubna-Holleschowitz als VII. Bezirk mit Prag verbunden. Das Landesmuseum am oberen Wenzelsplatze wurde errichtet und im Jahre 18y2 an dieses anschließend der Celakowsk^-Park angelegt.

Anläßlich der Landesjubiläumsausstellung im Jahre 1891 wurde die erst«- elektrische Straßenbahn vom oberen Belvedere

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nach dem Baumgarten erbaut, aber einige Jahre später mangele an Frequenz wieder aufgelassen. In Holleschowitz wurde eine Zentralschlachthalle und 1896 in Prag die Altstädter Zentral- markthalle, sowie auf dem Heuwagaplatze die Produktenbörse errichtet. Um dieselbe Zeit begann die Assanierung der Alt-, Josefs- und teilweise auch der Neustadt, in welchen Stadtteilen sich gegenwärtig eine Modernisierung im «roßten Stile voll- zieht, so daß Neubauten gleichsam über Nacht aus der Erde wachsen. Auch das altberühmte Ghetto wird bald in einen Schutt- haufen verwandelt sein, aus dem sich moderne Zinskasernen erheben werden.

Gegen Ende der 90er Jahre entstanden auch zahlreiche schöne Bauten in anderen Stadtteilen Prags, wie die Landes- bank am Graben, die Graf Straka'sche Akademie unterhalb des Belvedere u. v. a.

Im Jahre 1890 wurde das Strahower Tor demoliert, auf der MarieuBchanze im Jahre 1900 eine neue Kadettenschule und später an der Peripherie der Stadt auch noch andere militärische Gebäude erbaut.

Seit dem Jahre 1894 wird an der neuen Kanalisierung nach dem Projekte des Ingenieurs Lindley gearbeitet; seit 1895 ist auch die elektrische Straßenbeleuchtung teilweise eingeführt, 1900 wurde in Holleschowitz eine elektrische Zentrale für die Beleuchtung und die Straßenbahnen errichtet und vor einigen Jahren Lieben als VIII. Bezirk an Prag angeschlossen.

Auch an der Moldauregulierung wird fleißig gearbeitet, in Holleschowitz wurde ein Hafen errichtet; 1902 wurde der Floß- hafen in Smichow ausgebaut und der Riegerkai, zwischen dem Nationaltheater und der Palackybrücke angelegt.

Eine neue Brücke aus Kisenkonstruktiou, welche in der Richtung der Niklasstraße in gerader Linie die Moldau unter- halb des Belvederes übersetzen wird, steht in Arbeit. Diese Straße, welche von der nunmehr freigelegten russischen Kirche am Altstädter Ring direkt zur Moldau führt, wird nicht nur eine der schönsten, sondern auch eine der belebtesten Straßen werden. Da die Moldau im Straßenzuge überbrückt, das Belvedere- plateau tunneliert und die Straße dann weiter fortgesetzt wird, so ist die natürlichste und kürzeste Verbindung zwischen dem Bel- vedere, Bubentsch, Baumgarten, Dejwitz und Podbaba geschaffen.

Die Vorstädte Prags haben im Laufe der Zeit ebenfalls an Ausdehnung gewonnen. Überraschend ist vor allem das

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Wachsen von Zirkow und Weinberge, gewaltig dehnt sich auch Bubna-Holleschowitz aus und die Bautätigkeit auf dem Belvedere wird durch die Nutzbarmachung der Fortifikationsgrtinde einen mächtigen Aufschwung nehmen.

Nach allen Richtungen hin dehnt und streckt die Stadt ihre Glieder immer weiter aus. Oft mitten in Feldern erheben sich förmlich über Nacht Zinskasernen und schieben die Stadt- grenzen immer weiter hinaus. Das Wachstum der Stadt ver- schlingt Hektar um Hektar Ackerland und zwingt die Bewohner immer weiter hinauszuwandern, wenn sie dem Lärm der Groß- stadt entfliehen wollen.

Das 19. Jahrhundert brachte auch der Landeshauptstadt Böhmen's die Wiederbelebung der historischen Stile, besonders bei den Kirchenbauten. So entstand im romanischen Baustil die Cyrill- und Methudkirche in Karolinental mit herrlichem Bilder- schmuck von Trenkwald, Meixner und Zenischek. Im gotischen Baustil erscheint die vom Dombaumeister J. Mocker erbaute Ludmillakirche in der Weinberge, während ßarvitius die Wenzelsbasilika in Smichow schuf. Der Wandgemäldeschmuck de* Hauptschiffes und diri Entwürfe für die Glasmalereien rühren von Franz Sequens her. Die Renaissance kommt besonders schön zur Geltung bei Zitek's Prachtbau des tschechischen National- theaters. Die Ausschmückung des Innern und Äußern lieferten die tschechischen Künstler : die Bildhauer Myslbek, Schnirch und Wagner; die Maler Liebscher, Hynais u. a.

Die Baumeister des Nationaltheaters vereinigten sich auch zur Errichtung des Rudolfinums, eines von der böhmischen Sparkassa ausgeführten Prachtbaues, das für die Unterbringung der Gemäldegalerie patriotischer Kunstfreunde, für die Ver- anstaltung der Jahresausstellungen des Kunstvereines und für das Konservatorium, sowie für die Gewinnung zweier großer Konzertsäle bestimmt war. Von 1889— 189o entstand nach den Plänen von J. Schulz das großangelegte Landesmuseum, in dessen kuppelgekröntem Mittelbau sich das sogenannte Pantheon be- findet. Das Fassadenmotiv des Mittelbaues kehrt etwas vereinfacht wieder bei dem städtischen Museum, geschmackvoll hingegen präsentiert sich die Landesbank mit dem kräftig ausladenden Dachgesimse, deren Lünetten Bilderschmuck ansprechend belebt. Motive italienischer Renaissance findet man bei der städtischen Sparkasse, deren Inneres einer gewissen Wirkung keineswegs

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ermangelt. Gedankenreichtum und geschmackvolle Gliederung zeichnen F. Ohmann's Entwurf für das stattliche Palais der Assicurazioni generali aus, ebenso gefällig zeigt sich das von Fellner und Hellmer erbaute neue deutsche Theater, dessen Innenausstattung bei allem Glänze durch maßvolle Beschränkung anspricht. Die 1897 eröffnete Graf Straka'sche Akademie läßt in der ausgedehnten Fassadenentwicklung bei aller Stattlichkeit des Baues, eine lebendigere Gliederung vermissen.

Seit nunmehr 20 Jahren entfalten besonders eine rege Kunsttätigkeit die in das alte Emauskloster eingezogenen Beuroner Benediktiner, durch d«-ren Bemühung das arg verwahrloste Haus und seine Kirche in neuer Schönheit erstanden.

Die erste bedeutende Leistung der Plastik war das Denk- mal für Kaiser Franz I. in Verbindung mit dem 23 m hohen gotischen Monumentalbrunnen, der 1845 errichtet wnrde. Die Entwürfe stammen von J. Max. Seinem jüngeren Bruder E. Max dankt Prag mehrere hervorragende Bildhauerwerke, von denen im Veitsdome die heilige Ludmilla, in der Teyukirche die Marmor- statue der Slavenapostel Cyrill und Method hervorgehoben seien. An den Namen dieses Künstlerpaares erinnern außer einigen Statuen auf der Karlsbrücke und dem Studentendenkmal im Clementinum, noch das soldatisch markige Denkmal des Feld- marschall Grafen Radetzky. Erwähnenswert ist noch das Denk- mal Karl IV. von Hähnel.

Was die Musik betrifft, welche in Prag seit jeher eifrigst gepflegt wurde, so fallen in den Beginn des 19. Jahrhunderts drei hochbedeutende Ereignisse, welche die Musik Böhmen's auf durchwegs neue Grundlage stellen halfen: 1803 wurde nämlich die Prager Tonkünstlersozietät gegründet, 1807 an dem ständischen Theater anstatt der italienischen, die deutsche Oper eingeführt und 1811 das Konservatorium eröffnet. An der Spitze des Kon- servatoriums stand nach dem Tode F. D. Webers, der talent- volle Johann Friedrich Kittl. Zu seinem Nachfolger wurde der damalige Direktor der Organistenschule J. Kreci berufen, worauf A. Bennewitz mit der Direktion betraut ward. Diesem folgte der berühmte Tonkünstler Anton Dvorak; gegenwärtig führt Karl Knittl die Leitung des Instituts.

In Böhmen und hauptsächlich in Prag, hat man seit je gern und viel Musik getrieben. Der Hauptanteil an dem Ruhme des Prager Konservatoriums gebührt jedoch den Violinspielern, von denen nur einige von Weltruf hervorgehoben seien: Öevöik, Ondfiöek, Kocian und Kubelik.

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Gibel

Dem definitiven Aufgeben der italienischen Oper folgte die Einführung des deutschen Opernrepertoirs unter C. M. Weber, der kurze Zeit (1813 1816) das Amt eines Operndirektors ver- waltete.

Von Opernvorstellungen in tschechischer Sprache kann erst seit 1823 die Rede sein, in welchem Jahre die „Schweizer- familie" von Weigel zur ersten Aufführung gelangte und vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Bald nachher erschien von F. Skraup eine Originaloper betitelt „Drateniku (der Drahtbinder), in welcher der Komponist selbst die Titelrolle sang und erster Kapellmeister des ständischen Theaters wurde Sein jüngerer Bruder J. Skraup war der Kom- ponist des Nationalgesanges des tschechischen Volkes „Kde domov muj?rt (Wo ist mein Vaterland?)

Der Meister, dessen Name im Musikleben Prags zur Sig- natur der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geworden ist, war Tomasehek, ein begeisterter Mozartianer, als dessen reichstes Werk das große Requiem in C-moll noch heute gilt. Seine fünfzigjährige Lehrtätigkeit war eine reich gesegnete.

Auch der berühmte Wiener Musikschrittsteller Eduard Hansliek war ein Schüler Tomaschek's. Böhmen und besonders Prag war ja überhaupt und namentlich in dieser Epoche die Heimat gar vieler trefflicher Musikpädagogen. Unter diesen sei nur J. Proksch erwähnt, welcher durch seine berühmte Schule sich einen Ehrenplatz im Musikleben Prags gesichert hat. Alfred Grünfeld, ein Prager, eine der hervorragendsten Persönlichkeiten unter den Klavierkünstlern der Gegenwart, ist gleichfalls aus der Proksch'schen Mu^kschule hervorgegangen.

Unter den zahlreichen böhmischen Chorkomponisten nahm R. Bendl die erste Stelle ein, indem er eine Reihe größerer Chorwerke mit Orchester, sowie zahlreiche Lieder komponiert hat. Im Jahre 1862 wurde das tschechische Interimstheater er- öffnet und bald darauf von dem deutschen Landestheater völlig getrennt. Eine heilsame, alle Kräfte anspannende Konkurrenz führte bald zur Belebung und Steigerung des Prager Musiklebens und zu dessen Bereicherung durch neue Elemente. Daß dies in erster Linie der tschechischen Nation zugute kam, deren Kunst- interessen sich in Prag konzentrieren, liegt in verschiedenen Verhältnissen. Aber auch die deutschen Kunstinteressen haben aus jener Trennung nur Vorteil gezogen. Das deutsche Konzert- wesen hat durch den „Männergesangverein", durch die „Liedertafel

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Geschichte der Entwicklung Prags.

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deutscher Studenten", durch den „Singverein", „Kammermusik verein" und besonders durch den „Deutschen Theaterverein" einen bedeutenden Aufschwung erfahren. Die neue Situation zu Beginn der sechziger Jahre mit ihrem Tatendrang und ihrer Sangeslust mit genialem Blick richtig erkannt und ausgenützt zu haben, ist das unvergängliche Verdienst Friedrich Smetana's, des Kom- ponisten von „Prodanä nevösta", (die verkaufte Braut), „Dalibor", „HubiÖka" (der Kuß), „Libuscha", welch letztere Oper in Gegen- wart Sr. k. und k. Hoheit weiland des Kronprinzen Rudolf im Jahre 1881 zum erstenmal iu Prag in Szene ging. Neben diesem Komponisten seien noch Z. Fibich und A. Dvofäk erwähnt. Letzterer errang 1873 in einem „Hlahol"- (Gesangverein) Konzert mit einem Hymnus, einem Chorwerke von elementarer Gewalt, einen so stürmischen Erfolg, wie ihn das Prager Musikleben nur selten verzeichnet. Die wahre künstlerische Bedeutung dieses Meisters ist aber in der Instrumentalmusik zu suchen. Als Sym- phoniker konnte er sich eines großen Vorzuges rühmen und durch seine „Slavischen Täuzo" hat er sich in der ganzen zivi- lisierten Welt populär gemacht.

Als der jüngste unter den drei Meistern, die als die be- rufensten Vertreter der böhmischen Tonkunst gelten, ist Zdenko Fibich hervorzuheben, welcher bereits als vierzehnjähriger Knabe in Chrudim einen Symphoniesatz eigener Komposition dirigieren konnte.

Prag gehört zu den Städten mit schnellem Wachstum. Be- günstigt durch seine geographi.>che Lage, als Mittelpunkt des reichsten Landes Cisleithaniens, mußte es der Sammelpunkt einer starken Industrie und eines gewaltigen Verkehres werden, wozu die reichen Kohlenlager in der Nähe wesentlich beitragen. Bis jetzt wirkten noch verschiedene Hindernisse hemmend auf ein freies Aufströmen wirtschaftlichen Aufschwunges. Nun geht man daran, diese Hindernisse zu beseitigen und dann wird Prag einer steten Entwicklung entgegengehen. Nach mehreren Richtungen hin werden von den beteiligten Faktoren Stadt, Land und Staat, die Schranken für die freiere Entfaltung des Verkehres nieder- gerissen.

Durch die Beihilfe des Staates war es möglich, den Gürtel der Fortifikationsgründe zu erwerben. Die Bautätigkeit erhält dadurch einen gewaltigen Impuls und die Errichtung tausender neuer Wohnungen wird eine gesunde Bewegung in die Wohnungs-

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Gibel. Geschichte der Entwicklung Prags.

und Mietfrage tragen. Staat und Land haben auch beschlossen, die Moldau und Elbe zu kanalisieren. Die Moldau soll aufhören für Prag ein totes Wasser zu sein und soll dem Schiffahrtsver- kehr erschlossen weiden. Die Folgen der Schaffung einer solch' billigen Verkehrsader für die Industrie Prags sind gar nicht ab- zusehen. Der Staat hat weiter beschlossen, den Bahnverkehr von und nach Prag zu zentralisieren. Ein gewaltiger Bahnhof wird mit der Zeit, wenn die Verstaatlichungsfrage gelöst sein wird, einen großen Teil der in Prag einmündenden Verkehrsadern wie in ein großes Becken leiten. Sind dann schließlich auch alle Vororte mit Prag vereinigt, dann ist Prag eine Halbmillionen- stadt und wird sich vereinigt haben zur gewaltigen Landeshaupt- stadt Böhmens Groß -Prag!

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Über die Verwendung der Artillerie- ausrüstung in großen modernen Festungen.

Von Johann Hanika, k. u. k. Oberleutuant, zugeteilt dem Generalstabe. Nachdruck verboten. Überiettungarecht vorbehalten.

Die nachstehende Abhandlung hat sich folgende Fragen zur Beantwortung vorgelegt:

L Wie hat der Verteidiger moderner Festungen sein Geschütz- material verteilt?

II. Können auf Grund dieser Verteilung die Ziele, die von ieder tatkräftigen Verteidigung anzustreben sind, erreicht werden?

III. Wann und in welchem Umfange sind die Geschütz- reserven des festen Platzes einzusetzen, wie kann hiebei der Zersplitterung des eigenen Kampfmaterials vorgebeugt und die Überlegenheit im Artilleriekampf erreicht werden ?

Zu I. Die Armierung großer jetztzeitiger Festungen zählt weit über 1000 Geschütze fast aller Kaliber. Die planmäßige Ver- wendung einer derartigen Geschützmasse ist im Hinblick auf die den größeren Kalibern anhaftende geringe Beweglichkeit und die umfangreichen Arbeiten beim Batteriebau, bei der Armierung und Munitionsversorgung der schweren Artillerie nur auf Grund einer sorgfältig durchdachten Verteilung und Bereitstellung möglich. Je schmiegsamer die Verteilung ist, desto leichter werden die bei jeder Arbeitsanbäufung entstehenden Reibungen überwunden werden. Die Möglichkeit, alle beim Einsetzen der Artillerie notwendigen Arbeiten anstandlos durchzuführen, darf jedoch nicht die wichtigste Richtschnur für die während der Ausrüstungsperiode eintretende Artilleriegruppierung sein. Die Frage, bis zu welchem Grade sollen und können die Geschütze des festen Platzes ausgenützt werden, um die Kraft der Ver- teidigung zu steigern, ist in erster Linie zu beantworten. Diese Antwort gibt die einzig zutreffende Anleitung für die vorbereitende

Organ der MiHtarwisseniehaftlichen Vereine. LXXIII. Bd. 1906.

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H a n i k a.

Aufstellung und Gruppierung der Artillerie und bestimmt in der Folge alle beim Einsetzen derselben zu leistenden Arbeiten.

Eine große, modern ausgestattete Gürtelfestung zeigt nach vollendeter Ausrüstung in der Erwartung eines Angriffes im all- gemeinen folgende Gruppierung der Artillerie:

a) Die im Gürtel und im Noyau aufgestellten Geschütze dienen hauptsächlich Sicherungszwecken und heißen daher die Sicherheitsanniel ung. Ihre Stärke wird derart bemessen, daß wenigstens die anfängliche artilleristische Abwehr gewaltsamer Angriffe durch sie allein so lange verbürgt ist, bis Geschütze der Reserven eintreffen.

Von den Geschützen der Sicherheitsarmierung steht ein Teil in den Werken und ein Teil in den Intervallen. Die ersteren gehören dort, wo die Trennung der artilleristischen Fern- und Nah- kampfmittel bereits durchgeführt worden ist, kleineren, modernen Kalibern an.

Die in den Intervallen befindliche Armierung enthält Fern- und Nahkampfgeschütze. Die Ausübung einer fernhaltenden Wirkung gegen alle wichtigen feindlichen Anmarschlinien mit dem Zwecke, dem Gegner das Vorbringen seiner Artillerie und Munitionstransporte zu erschweren, erfordert weittragende 12 und 15 cm-Kanonen. Zur Lösung dieser Aufgabe sind fast alle in der Festung verfügbaren Geschütze dieser Art herangezogen und in eigens hiezu ausgemittelte Batterien eingestellt. Für die Fern- haltung der Zernierungstruppen und zur Wirkung hinter die von ihneu aufgeworfenen Deckungen, müssen außer den früher genannten noch weitere schwere Kanonen mit mehr gebogener Flugbahn, ferner mittlere Haubitzen und im stark durchschnittenen Gelände auch Mörser herangezogen werden. Neben dieser schweren Intervallartillerie sind in besonderen Emplacements auch leichtere Systeme, gewöhnlich Feldgeschütze, eingestellt, welche das Vordringen des Gegners in gewissen Tiefenlinien verhindern, bezw. das Gelände vor der eigenen Verteidigungs- stellung in der Art der Traditoren bestreichen sollen.

Zur Sicherheitsarmierung zählen noch die mobilen Geschütze der Bezirksreserven, welche im Falle des Bedarfes dort zur Ver- wendung gelangen, wo es der Verteidigungsbezirkskommandant für nötig erachtet und jene des Noyaus meist ältere Geschütz- gattuugen die einen gelungenen gewaltsamen Angriff vor der zweiten Verteidigungsstellung zum Scheitern bringen sollen.

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Über die Verwendung der Artillerieausrüstung etc. 379

Alle diese Geschütze, jene in den Werken, welche eine Wirkung in das Vorfeld haben und jene in den Intervallen, um- fassen einen beträchtlichen Teil der Gesamtarmierung des festen Platzes. Und dieser ganze große Teil ist nur beschränkt in der Hand des Festungskommandanten ; er hat seine Widmung und steht verteilt auf dem ganzen Umfange des Gürtels.

b) Die nach Abschlag der Sicherheitsarmierung verbleibenden Geschütze bilden die mobile und schwere Geschützreserve. Die mobile Geschützreserve, welche, wie der Name sagt, zu ver- hältnismäßig raschem Stellungswechsel bei eintretender Gefahr befähigt sein soll und demgemäß aus beweglichen Geschütz- gattungen bestehen muß, ist nicht besonders stark, da nach Ab- gabe beweglicher Kaliber an die Bezirke, nicht viele mehr für die Reserven übrig bleiben werden. Überhaupt umfassen die mobile und schwere Geschützreserve den kleineren Teil der ge- samten Artillerieausrüstung des festen Platzes; es kann dies fast mit Sicherheit behauptet werden, trotzdem die Artillerieverteilung nach vollendeter Ausrüstung der Allgemeinheit fast gar nicht bekannt ist. Für die Verteilung der Artillerie im großen bestehen eben gewisse im Laufe der Jahre festgelegte Normen, welche, abgesehen von einigen, durch örtliche Verhältnisse bedingten Abweichungen, überall eingehalten werden. Und auf Grund dieser Leitsätze wird zu Sicherungszwecken der größere Teil ausgegeben, so daß dem Festungskommandanten für den entscheidenden Artilleriekampf, der vom Verteidiger nur dort aufgenommen werden kann, wo der Angreifer anfaßt, nur der kleinere Teil der Gesamtbestückung verbleibt.

In dieser Beziehung steht die Artillerietaktik des Festungs- krieges im Widerspruche mit der Taktik der Verteidigung im freien Felde. Der Verteidiger im freien Felde verwendet zu Sicherungszwecken für den Anfang des Gefechtes das zulässige Mindestmaß an Kraft und hält sein Gros so lange zurück, bis er nach Erkenntnis des feindlichen Hauptangriffes einen zu- treffenden Entschluß für die entscheidende Verwendung der Hauptkraft fassen kann. Der Nachteil, daß die Verteidigung im Wesen von den Maßnahmen des Angreifers abhängig ist, kann nur durch das Zurückhalten starker Reserven ausgeglichen werden. In den Gefechten des Feldkrieges besteht wohl die Gefahr, daß •der Verteidiger durch den Angreifer getäuscht wird, oder daß er infolge ungenügender Aufklärungsergebnisse, mit seinen Reserven zu spät kommt, um einen durchschlagenden Erfolg zu erringen. Im

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Kampfe um Festungen liegen die Verhältnisse, was das recht- zeitige Erkennen des Hauptangriffes anbetrifft, wesentlich anders. Der Verteidiger besitzt gute Beobachtungsmittel; er kann sie im Sinne sorgfältiger und bereits im Frieden diesbezüglich ge- pflogener Erhebungen sachgemäß ausnützen. Der Angriff auf große Festungen bedingt, soll er Aussicht auf Erfolg haben, einen bedeutenden und lange dauernden Geschütz- und Material- transport; er besitzt daher nur eine beschränkte Bewegungs- freiheit. Diese Umstände und noch andere, welche später zur Erörterung kommen werden, setzen den Verteidiger in die Lage, die Maßnahmen des Angreifers im großen zu erkennen und geben ihm, falls er die notwendigen Vorbereitungen hiezu getroffen hat, die Möglichkeit, seine Reserven am richtigen Orte recht- zeitig einzusetzen. Ist aber diese Möglichkeit gegeben, dann sollen auch die Reserven möglichst stark sein. Wenn es wahr ist, daß überraschend durchgeführte und demnach nicht genügend vor- bereitete Angriffe gegen moderne Befestigungen wenig oder gar keine Aussicht auf Erfolg haben, dann dürfte eine Zersplitterung der artilleristischen Kampfmittel, wie sie jetzt für notwendig erkannt wird, nicht ganz gerechtfertigt sein. Sie lähmt unter Umständen die Kraft der Verteidigung.

Aus der Geschichte der großen Belagerungen läßt sich viel- leicht der Schluß ableiten, daß der Kampf des Verteidigers in Festungen immer nur ein Kampf um Zeitgewinn sei. Diese Er- kenntnis und das Bewußtsein, daß nach einer gewissen Zeit des Widerstandes, wenn nicht äußere Verhältnisse rettend eingreifen, die unvermeidliche Übergabe komme, lähmen unbewußt die durch den rücksichtslosen Krafteinsatz zum Ausdrucke ge- langende Energie der Kriegshandlung. In der Notwendigkeit, daß der Verteidiger nach erfolgter Einschließung des Platzes für die langwierigen Kämpfe bis zum Falle der Festung mit den eigenen Mitteln auslangen müsse, liegt vielleicht eine indirekte Aufforderung zum Sparen mit denselben. Es wäre eine sehr dankbare Aufgabe, zu untersuchen, ob von modernen, gut aus- gerüsteten Festungen wirklich nicht mehr als ein Kampf um Zeitgewinn gefordert werden sollte. Können wir die Unsummen Geldes, welche in großen Waffeiiplätzen stecken, nicht besser, nicht höher verwerten?

Wir tadeln den passiven Verteidiger im freien Felde, wir fordern von ihm, daß er über die testhaltende oder umlassende Gruppe des Angreifers mit einem Gegenangriff herfalle, kurz,

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Über die Verwendung der Artillerieausriistung etc.

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daß er aktiv sei und einen positiven Erfolg anstrebe. Sollte nicht auch einer starken Verteidigung im Festungskriege ein positiver Erfolg beschieden sein?

Zu II. Soll die Verteilung der Geschütze in festen Plätzen zweckmäßig sein, dann muß sie, dem allgemeinen Verlaufe einer kühn und zäh ausgeführten Belagerung entsprechend, die volle Ausnützung der Gesamtarmierung gestatten.

Es ist zwar gewagt, den Verlauf einer kriegerischen Opera- tion, wenn auch nur im großen, vorher bestimmen zu wollen. Jeder kriegführende Teil ist auf seinen Erfolg bedacht und sucht durch seine Entschlüsse die Absicht des Gegners zu vereiteln. Überdies beeinflußt die Individualität, des Führers in einer voraus kaum bestimmbaren Weise alle Kampfhandlungen. Es gilt dies im allgemeinen wohl für die gesamte Kriegführung, für den Festungskrieg jedoch nur mit einer gewissen Einschränkung. Ope- rationen um Festungen, insbesondere Belagerungen, sind ohne ein System, welches das Heranführen der Geschütz-, Munitions- und sonstigen Transporte regelt, heute nicht mehr denkbar. Man kann somit, nachdem die Leistungsfähigkeit der Voll- und Feldbahnen und der Straßen als Nachschublinien bekannt ist, den Verlauf eines Festungsangriffes bis zum Einsetzen der Belagerungs- artilleriemasse annähernd bestimmen und daraus einige Gesichts- punkte für die Verwendung der Verteidigungsgeschütze ableiten. Diesbezügliche Gesichtspunkte bestehen schon; man hat hiezu den Verlauf einer Belagerung in einzelne Phasen zerlegt und die Stärke der in denselben zu verwendenden Geschütze den ver- mutlich auftretenden Zielen angepaßt. Man sollte sich jedoch hiebei nicht fragen: „wie viele Geschütze muß ich einsetzen, um mir diesen oder jenen Gegner vom Leibe zu halten, welche Geschützzahl reicht hiezu gerade noch aus?", sondern „wie ist jeweilig der größte Erfolg zu erreichen und welches Maximum an Geschützen soll und kann man überhaupt hiefür verwenden?"

Im nachfolgenden wäre zu untersuchen, welche Aufgaben nach den jetzt maßgebenden Anschauungen den einzelnen Teilen der Gesamtarmierung zufallen und ob sie von denselben gelöst werden können.

Die Erkenntnis, daß Werke gute Ziele seien und als die wichtigsten und widerstandfähigsten Stützpunkte der Verteidigungs- linie ein übermächtiges Feuer auf sich lenken, führte zur Trennung der Fern- und Nahkampfartillerie. Ist aber diese Trennung un- bedingt notwendig und das steht außer Zweifel, dann muß man

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Hanika.

sie bei Neu- und Umbauten beharrlich durchführen. Nur tat- sächlicher Platzmangel außerhalb des Werkes kann eine Ab- weichung hierin gestatten. Ist nun in großen Gürtelfestungen des Hügel- und Flachlandes wirklich der Raum so beschränkt, daß die wenigen Feinkampfgeschütze, welche sich jetzt in manchen Werken befinden, außerhalb derselben nicht aufgestellt werden könnten ? Den Platz, welchen Fernkampfgeschütze in Stütz- punkten auf offenem Walle beanspruchen, würde man zweck- mäßiger als Feuerstellung für eine verstärkte Infanteriebesatzung verwenden. Offen aufgestellte schwere Artillerie in Werken ver- wertet sich nicht so, wie man es von einem wirkungsfähigen Geschütze verlangen darf. Placiert man sie aber in den Inter- vallen, dann wird man darauf achten müssen, ob dieselben auf den wahrscheinlichen Angriffsfronten oder abseits derselben liegen. Im letzteren Falle erscheint die Aufstellung schwerer Artillerie dortselbst während der Ausrüstungsperiode nicht un- umgänglich notwendig, weil ihre Verwendung fraglich ist und Nahkampfgeschütze gegen die seltener auftretenden Ziele, die ja ohnehin keinen ernsten Angriff durchführen dürften, genügend wirken. Man wird demnach die dort in den Werken stehenden Fern- kampfgeschütze, wenn ihre Lafettierung dies zuläßt, besser zu den Geschützreserven einziehen, um diese zu verstärken; denn sie führen den entscheidenden Artilleriekampf.

Die Nahkampfarmierung der Forts konnte mit Rücksicht auf das in manchen Staaten vorherrschende Streben, an Stelle der großen Werke mehrere kleine Stützpunkte zu erbauen, welche in ihrer geringen Ausdehnung einen teilweisen Schutz gegen die feindliche Artilleriewirkung finden, nur schwach sein. Sie soll die unmittelbare Verteidigung des Werkes verstärken, das Vorbrechen des Gegners auf nahe Distanzen verhindern und den Sturm durch ihre große Feuerwirkung zum Scheitern bringen. Nachdem aber die Sturmabteilungen bestrebt sein werden, möglichst von allen Seiten in das Werk einzudringen, so ist neben der Wirkung in die Front, zum mindesten für die Flugelgeschütze, eine ausgiebige Wirkung gegen die Flanke unerläßlich.

Für den Fall, daß ein Intervall durchbrochen wurde, ist von den drehbaren Panzerkanonen der Werke auch entsprechende Wirkung nach rückwärts zu verlangen.

Es besteht wohl überall die Ansicht, daß zur Bestreichung der Gräben das Feuer der Schnellfeuerkanonen vorzuziehen sei. Nur dort, wo Raummangel vorhanden ist, können Maschinen-

Über die Verwendung der Artillerieausriistung etc.

gewehre, diese noch immer nicht vollkommen zuverlässig wirken- den Feuerwaffen, eingestellt werden. Wenn die verfügbaren Geldmittel eine Ausrüstung der Grabenflankierungsanlagen mit Kanonen nicht gestatten, dann dürfte sobald Raum für vier bis sechs Schützen vorhanden ist, die Verwendung von Selbstlade- gewehren, die in Gewehrlafetten einzuspannen wären, zweck- mäßiger sein. Mit dem Selbstladegewehr könnte man auch die Sturmfreiheit älterer Werke, deren Gräben und Hindernisse aus Gewehrgallerien bestrichen werden, auf eine wenig kostspielige Art bedeutend verstärken. In demselben Maße, wie die Sturm- freiheit der Werke steigt, wächst die Widerstandskraft des ganzen Gürtels. Ist dies der Fall, dann kann in jenen Bezirken, gegen welche Angriffe weniger wahrscheinlich sind, insbesondere an schwerer Aitillerie mehr erspart werden, als es bisher möglich war.

Die Traditorengeschütze sollen einen gegen das Intervall oder das Nacht arwerk gerichteten Angriff flankierend unter Feuer nehmen. Man verspricht sich viel von ihrer Wirkung !

Die Entfernung von Werk zu Werk beträgt oftmals 2 km und noch mehr. Im Intervall werden Schanzen, Batterien und Infanterielinien für die frontale Verteidigung angelegt Man muß annehmen, daß der Feind im Morgengrauen zum Sturme vor- bricht. Von allen Seiten werden gegnerische Abteilungen gegen die zu stürmenden Werke und gegen das Intervall vordringen. Nachdem entscheidende Angriffe nur mit einem bedeutenden Kraftaufgebot durchgeführt werden können, so dürften sich, wenn überhaupt eine Beobachtung möglich ist, außerordentlich viele \ Ziele zeigen. Wohin sollen da die Traditorgeschütze eines Werkes,

oft nur zwei an der Zahl, zuerst schießen? Wenn auch die Füllkugeln eines Kauonenschrapnells sich in der Länge auf eine Strecke von etwa 400x verteilen, so besitzt der dichteste und wirkungsvolle Teil des Streukegels doch nur eine Tiefe von rund 100*. Zwei Geschütze können demnach nur Ziele in einem Räume von zirka 200x mit Aussicht auf einen durchschlagenden Erfolg beschießen. Ein rasches Vorwärtstragen des Feuers, ein rasches Verlegen desselben, verspricht auch nicht immer einen entscheidenden Effekt, denn dann würde die ohnehin nicht große Wirkung der beiden Geschütze überdies noch zersplittert.

Die Abwehr der Angriffe gegen ein Intervall und das Nach- barwerk fällt allerdings nicht den Traditorgeschützen allein zu. Man müßte sonst nach obigem gegen ein Intervall von 2000 m zwanzig Traditorgeschütze wirken lassen. Es beteiligt sich ja

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Hanika.

auch die frontale Infanterie- und Artillerieverteidigung an der Abwehr des Angriffes und diese sind an der Hauptangriffsfront vor- aussichtlich sehr stark. Wenn aber im Laufe der Belagerung ein vom Angreifer überraschend durchgeführter gewaltsamer Angriff Intervalle trifft, welche weit ab von der belagerungsmäßig an- gegriffenen Front liegen und daher mit Kampfmitteln weniger bedacht siud, dann liegen die Verhältnisse für den Verteidiger wesentlich ungünstiger. Es können, abgesehen vom rechtzeitigen Eingreifen der Hauptreserve und der von anderen Orten heran- gezogeneu Geschütze, in erster Linie nur sturmfreie Stützpunkte und ausreichend viele Intervallflankierungsanlagen den Angriff zum Scheitern bringen. Für derartige Intervalle sind zwei Tra- ditorgeschütze gewiß nicht ausreichend.

Sollen die Intervallflankierungsanlagen ihren Zweck er- füllen, dann würde vielleicht folgendes zu beachten sein:

Zu mindestens jedes Gürtelhauptwerk wäre mit Traditoren oder traditorähnlichen Anlagen zu versehen und die Intervall- flankierung beiderseitig zu gestalten.

In diese Traditorenlagen sind, falls dieselben ein gutes Schußfeld haben, welches bei Durchbruchsversuchen voraus- sichtlich viele Ziele zeigen dürfte, stets je vier raschfeuernde Geschütze einzustellen.

Überall, wo es das Gelände im Intervall erlaubt, sind Emplacements für die Flankierung der Verteidigungslinie einzu- richten und in der Nacht mit den Feldgeschützen der Bezirks- reserve zu besetzen. Durch ausgiebige Maskierung und Ein- deckung derselben ist Sorge zu tragen, daß sie von der feind- lichen Artillerieautklärung tunlichst nicht gesehen werden.

Die Panzergeschütze der Werke unter Kuppeln sollen gleich- falls in das Intervall wirken können.

Es ist ersichtlich, daß die Durchführung der vorgeschlagenen artilleristischen Maßnahmen zum Zwecke einer starken Intervall- flankierung sehr viele leichte Geschütze erfordert. Ein Intervall zwischen zwei Gürtelhauptwerken würde von den beiderseitigen Traditoren mit acht Geschützen von vier bis sechs Geschützen, welche in sonstige flankierende Emplacements eingestellt sind und von vier Panzergeschützen (zwei in jedem Gürtelhaupt- werk) unter Feuer gehalten werden. Mit Ausnahme der Tradi- torengeschütze können alle hier genannten jedoch auch in das Vorfeld wirken und dort anderen Aufgaben nachkommen.

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Über die Verwendung der Arttllerieausriistung etc. 385

Wenn auf allen Fronten, in allen Intervallen im Sinne des Vorstehenden verfahren wird, dann könnte man den Eindruck gewinnen, daß die leichte Armierung des festen Platzes gleich- falls allzusehr zersplittert sei. Solch ein irriger Eindruck kann entstehen, denn der hier behandelte Gegenstand verbietet, kon- krete Angaben zu machen. Die Zersplitterung der leichten Ge- schütze ist jedoch nicht so arg, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag, denn es ist tatsächlich nur das Notwendigste geschehen, um die Intervalle zur Abwehr von Durchbruchs- versuchen genügend sturmfrei zu machen. Nachdem die Panzer- geschütze der Werke und der Traditoren zur ständigen Armie- rung dieser Objekte zählen und mit Rücksicht auf ihre Kon- struktion zu Ortsänderungen nicht befähigt sind, so kann der Vorwurf der Zersplitterung höchstens die übrigen in den Inter- vallen eingestellten leichten Kaliber treffen. Denkt man jedoch von Haus aus nicht an eine engherzige Verwendung derselben, baut man außer den für die Flankierung der Intervalle dienenden Emplacements noch andere aus, von denen sie auch die übrigen Aufgaben eines Gefechtes lösen können, hält man ferner wenigstens einen Teil von ihnen tagsüber bei der Bezirksreserve beisammen, dann kann von ungerechtfertigter Zersplitterung keine Rede sein; denn es ist ihnen in ihrer Beweglichkeit meistenteils das Mittel gegeben, rechtzeitig dort zu erscheinen, wo es der Bezirkskom- mandant für nötig hält.

Man beachte übrigens vor der Aburteilung dieser Frage, warum eine derartige Verteilung der Artillerie angeregt worden ist.

Von den während der Ausrüstungszeit im Gürtel zu er- bauenden Fernkam pfbatterien wird gefordert, daß sie den Gegner zwingen, mit der Zernierungslinie weit vom festen Platze abzubleiben, daß sie, insofern die Tragweite der Geschütze aus- reicht, alle vom Feinde für den Angriff durchzuführenden Vor- bereitungsarbeiten stören ; sie sollen außerdem im Vereine mit den Nahkampfgesehützen in den Werken und Intervallen die Abwehr gewaltsamer Angriffe ermöglichen und die für die Artillerie des Gegners in Frage kommenden Stellungen unter wirksamem Feuer halten. Gelingt es dem Verteidiger, den An- greifer an der Verengung der Zernierungslinie zu verhindern, das Heranführen des Belagerungsm ateriales, die Einrichtung der Parks und die Durchführung der sonstigen Etablierungsarbeiten zu verzögern, so ist das für den weiteren Verlauf der Verteidi- gung ein wesentlicher Gewinn.

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H r n i k a.

Man glaubt nun vielfach, daß Festungen nach durch- geführter Ausrüstung vermöge der jetzt bestehenden Geschütz- verteilung, bereit i.nd befähigt seien, überall und auf dem ganzen Umfange des Gürtels diesen Aufgaben nachzukommen. In diesen Ansichten dürfte viel artilleristische Selbstüberschätzung liegen ! Gewiß sind die heutigen Geschütze und ihre Munition sehr wirkungsvoll, aber die Wirkung tritt nur dann ein, wenn Geschütz- zahl und die zu beschießenden Ziele in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen. Es sei hiemit durchaus nicht jenen das Wort geredet, welche aus den neuesten Kriegsereignissen folgern, daß die Artillerie im Gefechte bei weitem nicht jenen Einfluß verdiene, den man ihr auf Grund der Schießplatzerfah- rungen zusprechen will! Daß eben der von ihr im Kampfe er- reichte Erfolg weit hinter dem erwarteten zurückblieb, kann nur die Folge ihrer Verwendung sein. Es liegt nur an uns, die Ver- wendung der Geschütze derart zu gestalten, daß ihre ohne Zweifel hohe taktische und ballistische Leistungsfähigkeit wirklich zur Geltung komme. Man darf von wenigen Kanonen und seien es die besten und weittragendsten, nicht verlangen, daß sie beim Schießen auf große Distanzen gegen Ziele, welche alle Falten und Deckungen des Bodens ausnützen und etwa bei Abgabe eines Streufeuers, eine besondere Wirkung erzielen.

In den Intervallen neuzeitig ausgerüsteter Festungen stehen nach durchgeführter Kriegsausrüstung bei Wahrscheinlichkeit eines feindlichen Angriffes, wohl selten mehr als vier bis fünf Fernkampfbatterien. Auf den Fronten, welche von ernsten Unter- nehmungen des Gegners nicht getroffen werden dürften, ist die Zahl derselben pro Intervall meist viel geringer. Im ganzen Gürtel zusammen ergibt dies eine recht bedeutende Zahl von Fern- kampfbatterien, welche aber eine immerhin schüttere Artillerie- linie darstellen. Diese Verteilung und das kleine Bestreichungs- feld der Geschütze, etwa 15° nach rechts und links, hindert die Vereinigung ihres Feuers gegen wichtige Ziele ganz wesentlich.

Würde im Feldkriege einer so schütteren Artillerielinie ein Erfolg zugesprochen werden können? Wenn es, wie der ost- asiatische Krieg beweist, dem Infanteristen des Angreifers im Artillerie- und Infanteriefeuer selbst bei Tage möglich war, Deckungen herzustellen, so wird dies die Sicherheitsarmierung des Verteidigers auf Entfernungen über 3 km auch nur in minderem Maße verhindern können. Arbeitet der Feind nun in der Nacht und er wird das tun, denn er hat es nicht notwendig, sich

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Clter die Verwendung der Artillerieausn'istung etc. 387

am Tage Verlusten auszusetzen dann dürfte der von den wenigen Fernkampfgeschützen erreichbare Erfolg überhaupt kaum nennenswert sein. Man liest zwar hie und da von großen Er- folgen des Streufeuers, aber die zum Beweise dieser Behauptung herangezogenen Daten stammen meist von Schießplätzen und sind Schießaufgaben entnommen, für deren Lösung dem Schießen- den doch manche Anhaltspunkte über die Lage des Zieles bekannt waren. Man hört ferner bei applikatorischen Übungen im Festungskriege manchmal, daß jener Raum, jene Niederung, jene Linie von dieser und jener Batterie des Verteidigers unter Streufeuer gehalten werde und deshalb für den Angreifer un- benutzbar sei. Was aber von solchem Feuer in vielen Fällen zu erwarten sei, zeigt an einem konkreten Beispiel der Artillerie- kampf von Daschitsao, in welchem drei russische Batterien, 500 m hinter dem Kamm eines Höhenzuges aufgestellt, acht Stunden lang im Gefechte mit ungefähr 80 japanischen Geschützen ohne besondere Verluste standhielten und daß die Japaner, weil es ihnen nicht möglich war, die feindlichen Batterien zum Schweigen zu bringen, den Gegner fast 100 Geschütze stark schätzten.

Dem Verteidiger von Festungen kommen für die Abgabe eines Streufeuers wohl seine Kenntnis des Vorfeldes, die aus- gearbeiteten Schußbehelfe und ein sorgfältig angelegtes Beob- achtungssystem zugute. Trotz alledem hat das Bestreuen großer nicht eingesehener Räume zu dem Zwecke, Truppen, welche sich darin befinden sollen, zu vertreiben, in den seltensten Fällen Berechtigung; einerseits verteilen sich die Geschosse im Räume mehr, als für eine gute Wirkung zulässig ist, andererseits werden sich die Truppen durch eine Ortsveränderung leicht der Gefahr entziehen. Ein Streufeuer gegen bewegungsfähige Ziele, welche an keine genau fixierte Linie gebunden sind und deren Standort nicht halbwegs genau bestimmt ist, bedeutet gewöhnlich nur eine Verschwendung der Munition, dieses kostbaren Gutes, das sich auf eine andere Art und Weise besser verwerten muß.

Überdies sind die Truppen in der Vorbereitungszeit des Angriffes, das ist während der Zernierung bis zum Einsetzen der Belagerungsarlillerie, nicht immer die wichtigsten und dankbarsten Ziele für die Festungsgeschütze. Ein wesentlicher Erfolg wird von den wenigen Fern- und Nahkampfgeschützen, welche den Gegner in der Zernierungsstellung beschießen können, kaum erreicht werden, es sei denn, daß es möglich wäre, frei sich bewegende Abteilungen und Stäbe des Feindes mit Feuer zu

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Han ika.

überraschen. Um die Zernierungslinie fern zu halten, bedarf es eines großen Aufgebotes an Artillerie und eines bedeutenden Aufwandes an Munition. Es erscheint zweckmäßiger, dieses wert- volle Kampfmaterial vorwiegend zur Fernhaltung der feindlichen Geschütze und zur Verzögerung, wenn möglich Verhinderung der für sie durchzuführenden Einrichtungsarbeiten zu verwenden. Diesbezügliche Ziele wären :

1. Formationen der schweren Artillerie des Feldheeres, welche mit den Belagerungstruppen gleichzeitig anmarschieren und aus verdeckten, mehrfach wechselnden Stellungen den Ver- teidiger unter Feuer nehmen, um die etwa noch zu vollendende Ausrüstung zu stören ;

2. die Auswaggonierungsstation des Angreifers, sobald sie bekannt wird und innerhalb des Geschützertrages liegt;

3. Feldbahnlinien von der Auswaggonierungsstation in die Parkanstalten, um den Betrieb auf ihnen zu verhindern;

4. die Parkanstalten selbst, wenn sie erreichbar sind;

5. die von den Parks in die Kampfstellung führenden Armie- rungslinien.

Die angegebenen Ziele dürften meistens verdeckt liegen und zur weitgehenden Anwendung des indirekten Feuers zwingen. Die Schußdistanzen werden durchwegs größer als 4 km sein, ja sie dürften ö. 7 und 8 km und darüber erreichen. Es ist trotz dieser großen Entfernungen ein Erfolg wahrscheinlich, wenn die Beobachtungsmittel gestatten, die Lage der Ziele festzustellen und genügend viele Geschütze zur Verfügung stehen.

Das Vorfeld jeder Festung hat eine Menge verdeckter Räume, welche der Angreifer für die Anlage von Feldbahnen, Parkanstalten u. dgl. ausnützen wird, um den Verteidiger über die Richtung des entscheidenden Angriffes zu täuschen. Die Aufklärung dieser Räume hinter der Zernierungslinie muß der Ballon übernehmen. Ein Blick in eine Karte, auf welcher das Gesichtsfeld eines Ballons mit einer Steighöhe von 400 bis 600 m dargestellt ist, beweist, daß es im Hügelland für denselben noch genug uneingesehene Räume gibt. Diese sichttoten Räume kann der feindliche Artillerist bei der Erkundung leicht bestimmen. Soll also bezüglich der Beobachtung der notwendige Fortschritt erzielt werden, so müssen Ballons in Anwendung kommen, welche gefesselt, bedeutend größere Steighöhen erzielen. Die Größe des Gesichtsfeldes und die Verringerung der sichttoten Räume sind für das rechtzeitige Erkennen der Angriffsfront aus der Lage der

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über «lie Verwendung der Artillerieausrüstung: etc.

Auswaggonierungsstationen, der Trasse der Feldbahnen und der Lage der Parkanstalten, ferner für die artilleristische Schußbeob- achtung im fernhaltenden und im entscheidenden Artilleriekampfe sehr wichtig vielleicht sogar ausschlaggebend ! Es ist richtig, daß die Erzeugung größerer Ballons eine unliebsame Kosten- vermehrung bedingt. Denkt man aber an die Vorteile, welche damit erreicht werden sollen, dann erscheint eine nicht allzu- große Mehrausgabe ganz gerechtfertigt. Erst nach einer Vervoll- kommnung des Ballonmateriales können die Unsummen, welche in modernen Festungen aufgespeichert sind, bessere Zinsen tragen als bisher. Die Ballons für die Verwendung in Festungen dürfen jedoch nicht nach einer Schablone erzeugt werden. Jeder feste Platz weist in seinem Vorgelände besondere Formen auf, welchen der Ballon, was die Steighöhe anbetrifft, entsprechen soll. Schließlich sei bemerkt, daß es genügt, wenn für die wahr- scheinlichen Angriffsfronten vergrößerte Ballons verfügbar sind.

Es möge nun untersucht werden, wie sich das Schießen der Fernhaltungsartillerie gegen die unter 1 bis 5 genannten Ziele gestaltet.

Die vom Gegner in den Marschkolonnen mitgeführte schwere Artillerie des Feldheeres dürfte zu Anfang der Zernierung nicht allzu zahlreich sein. Trotzdem wird der Kampf mit ihr und der leichten Feldhaubitzdivisionen wenig Erfolg haben, wenn es nicht gelingt, ihre Standorte auszumitteln, denn es kommt ihnen die Möglichkeit eines relativ raschen Stellungswechsels zu statten. Nur ein hoch aufgelassener Ballon wird die Lage der feindlichen Batterien genau oder wenigstens in engen Grenzen feststellen können. Ist dies geschehen, dann braucht der Verteidiger nur mehr das Feuer möglichst vieler Geschütze auf eine feindliche Gruppe Batterie zu lenken. Diese Möglichkeit ist dem Verteidiger ohne Vermehrung der Fernkampfgeschütze im Gürtel gegeben, wenn das Bestreichungsfeld derselben auf 45° oder 60° erhöht wird. Die sonst in Intervallbatterien meist übliche Wendungs- fUhigkeit von 15° nach rechts und links ist tatsachlich zu klein, um moderne Geschütze ihrer Tragweite gemäß vollkommen aus- nützen zu können. Je kleiner das Bestreichungsfeld, desto fühl- barer wird der Nachteil der Zersplitterung der artilleristischen Kampfmittel, welche mit dem Wesen der Festung innig verknüpft ist und mehr oder weniger immer bestehen muß. Wird das Bestreichungsfeld vergrößert, dann wird der erwähnte Übelstand verringert und die Wirkung der Geschütze vervielfältigt.

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In Festungen, für welche immer eine gewisse Ausrüstungs- zeit verfügbar ist, fällt der Transport verbreiterter Bettungen für alle Geschütze mit größerer Tragweite nicht mehr ins Gewicht. Und was die unvermeidliche Verbreiterung der Scharten und die damit verbundene Gefährdung der Bedienungsmannschaft betrifft, so gilt auch hier wie überall im Kriege, daß die Wirkung der Deckung voranzustellen ist. Das Streben nach Erhaltung der Kampffähigkeit der Batterien wird durch etwas größere Scharten nicht viel hintangesetzt; diese soll in erster Linie durch die zweckmäßige Wahl der Baustelle und die Maskierung erreicht werden. Die Bedienungskanoniere müssen geübt sein, möglichst alle Obliegenheiten bis auf das Laden und Richten in den Unter- ständen vorzunehmen. Es wäre lohnend, praktisch zu erheben, inwieweit die Erhaltung der Geschütze und die Sicherheit der Bedienung von der Sehartengröße abhängen, bezw. ob man den Nachteil größerer Scharten im Hinblicke auf den durch sie er- reichbaren Vorteil einer vielseitigeren Verwendung der schweren Artillerie, nicht in Kauf nehmen könnte.

Sind einmal die Bestreichungsfelder der Intervallbatterien vergrößert und tut der hochsteigende Ballon seine Schuldigkeit, dann dürften die wenigen in oder hinter der Zernierungsstellung wirkenden Batterien des Angreifers einen schweren Stand haben, sobald der Verteidiger von der Möglichkeit, das Feuer vieler Geschütze gegen einen Punkt des Vorfeldes zu vereinigen, aus- giebig Gebrauch macht. Mit Rücksicht auf die hier in Rede stehenden Ziele ist eine Vermehrung der Intervallbatterien während der Ausrüstungsperiode nicht erforderlich ; es genügt die Verwendung der schweren Geschütze auf verbreiterten Bettungen auf den wahrscheinlichen Angriffsfronten.

Man könnte nur noch einwenden, daß die Feldhaubitz- divisionen und die schweren Batterien des Feldheeres, nachdem sie ja mobil sind, überall in der Zernierungsstellung aufzutreten vermögen und daß der Verteidiger mit dieser Möglichkeit rechnend, gleichfalls überall im Gürtel schwere Geschütze bereit halten müsse, um den Kampf mit ihnen aufzunehmen. Dies dürfte aber wohl nicht notwendig sein.

Der Gegner, welcher seine wenigen, ihm anfänglich zur Ver- fügung stehenden schweren Batterien bald gegen diese, bald gegen jene Front der Festung ins Feuer bringt, schafft sich nur Arbeit und erreicht, weil seine Geschützzahl gering ist, keine nennenswerte Wirkung. Setzt aber der Angreifer das Gros

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derselben auf mehr abgelegenen Fronten gegen den Gürtel ein, so könnte er damit die Absicht haben, den Verteidiger über die entscheidende Angriffsrichtung zu täuschen. In beiden Fällen ist, wenn es not tut, die mobile Geschützreserve zur Hand, welche im Vereine mit den leichten Geschützen im Gürtel jede ernste Gefahr verhüten kann. Die Aufstellung schwerer Intervallbatterien im ganzen Gürtel erscheint somit nicht erforderlich ; es entspricht vollkommen ihrem Zwecke, wenn sie, insolange nicht Nach- richten über die vom Gegner tatsächlich gewählte Angriffs- richtung einlaufen, nur auf den wahrscheinlichen Angriffsfronten vorhanden sind.

Die Auswaggonierungsstation (Auswaggonierungsstationen), auf welchen der Angreifer lebhaft tätig ist, wird meist außer- halb des größten Geschützertrages der Festung angelegt. Nur sehr selten dürfte eine Beschießung derselben möglich sein. Soll jedoch ein Erfolg eintreten und dies kann geschehen, denn das Ziel ist eine Bahnhofanlage und bei der Präzision moderner Flachbahnkanonen selbst auf eine Entfernung von 8000 m und auch darüber, noch gut treffbar, dann darf das Feuer nicht von 1 oder 2 Batterien dahin übertragen werden; man muß möglichst viele Kanonen gegen dieses Ziel in Tätigkeit bringen. Wie viele es sein sollen, das kann ohne Eingehen auf ein bestimmtes Beispiel schwer gesagt werden. Je mehr, desto besser. Jedenfalls weist dieser Umstand wieder darauf hin, die im festen Platz verfügbaren Flachbahnkanonen nicht im vorhinein und schon in der Ausrüstungszeit fast auf den ganzen Umfang des Gürtels zu verteilen. Man müßte sie sonst, wenn in einem be- stimmten Abschnitte ein erhöhter Bedarf eintritt, teilweise aus ihren Batterien herausziehen und in andere einstellen und hätte damit Arbeit geschaffen, auf deren Verringerung es im Festungs- wesen sehr ankommt. Zweckmäßig scheint es daher zu sein, daß nur ein Teil der weittragenden Flachbahnkanonen zur Aufstellung gelange und dieser Teil gleichfalls nur auf den wahrscheinlichsten Angriffsfronten verwendet wird. Der Rest dieser Geschütze, welcher bei der Geschützreserve bleiben müßte, wäre erst, wenn Nach- richten über die Lage der feindlichen Auswaggonierungsstation. der Feldbahnen und Parkanstalten eingetroffen sind, in Stellung zu bringen. Man kommt mit den zurückgehaltenen schweren Geschützen keinesfalls zu spät, denn die Arbeiten in den Aus- ladestationen und Parkanstalten beanspruchen viel Zeit, ja sie werden überhaupt erat mit dem Falle der Festung beendet.

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Die Zusammenziehung der weittragenden Flachbahnkanonen ausschließlich an den gefährdeten Fronten und die rechtzeitige zweckmäßige Etablierung der noch zurückgehaltenen derlei Ge- schütze, erscheint nur dann möglich, wenn es den Beobachtungs- mitteln verläßlich gelingt, die Sachlage beim Gegner aufzuklären. In dieser Beziehung sei abermals auf die Notwendigkeit hin- gewiesen, das Ballonmaterial zu vervollkommnen und den je- weiligen Verhältnissen im Vorfelde entsprechend auszugestalten. Ist es bei dem jetzigen Stande der Beobachtungsmittel schon kaum anzunehmen, daß die AngrifFsrichtung den Verteidiger über- raschen könne, so wird dann, wenn der Ballon größere Steig- höhe erreicht, eine Täuschung überhaupt nicht möglich seio.

Wenn die weitere Vervollkommnung der Beobachtungs- mittel möglich ist und es andererseits feststeht, daß der Angreifer, je mehr Geschütze er in Tätigkeit bringt, desto mehr von der Voll- und Feldbahn abhängig wird, dann kann der Verteidiger für sich eine umso günstigere Situation schaffen, je fester er entschlossen ist, die ihm im Anfange zukommende artilleristische Überlegenheit auszunützen.

Und dies muß schon in der Zeit der Fernhaltung ge- schehen.

Die Theorie fordert, daß die Parkanstalten, zu mindestens aber die Munitionsparks, außerhalb der Ertragsgrenze derFestungs- geschütze anzulegen seien. Wenn es angeht, wird man dieser Forderung folgen; manchesmal dürfte jedoch ein teilweises näheres Herangehen an den Gürtel nicht zu vermeiden sein, bezw. dem Angreifer vorteilhaft erscheinen. Der Verteidiger darf sich dann die Ausnützung dieses Umstandes keinesfalls entgehen lassen; denn er kann durch eine wirksame Beschießung der Parkanstalten entweder deren Verlegung veranlassen oder aber die Etablierung der Belagerungsartillerie wesentlich verzögern.

Jene Flachbahnkanonen, die auf Fronten stehen, denen gegenüber keine Angriffaarbeiten wahrgenommen werden, sind zunächst wertlos; denn sie haben ja nichts fernzuhalten. Es wäre vielleicht einzuwenden, daß schußwürdige Ziele für Fernkampf- batterien überall und fast im ganzen Umkreise der Festung auf- treten können und daß deshalb, wenn auch die Mehrzahl der Flachbahnkanonen für die wahrscheinliche AngrifFsfront bestimmt seien, doch einige Batterien in den anderen Verteidigungsbezirken aufgestellt werden müssen. Was sollen aber diese wenigen Fern- kampfbatterien gegen schußwürdige Ziele, die außerhalb des

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Hauptangriffes auftreten und welche für den festen Platz keine ernste Gefahr bedeuten, für Erfolge erzielen ? Diese Ziele könnten Truppen hinter Deckungen sein ; das Feuer der Flachbahn- kanonen wäre darauf sehr unzweckmäßig. Diese Ziele können Truppen in einer beliebigen Situation sein ; Truppen können leicht Deckungen benützen. Diese Ziele können Feld- und andere mobile Batterien des Gegners sein ; Batterien dieser Art werden es in Ausnützung ihrer Beweglichkeit auf keine großen Verluste ankommen lassen. Und seien es was immer für Ziele, das eine steht fest, daß eine unzureichende Geschützzahl immer nur einen unzureichenden Erfolg haben wird.

Es ist nicht zweckmäßig, alle Ziele, deren Beschießung einen nur vorübergehenden Nutzen verspricht, auch wirklich zu be- kämpfen. Wer kleinen Erfolgen zu Liebe auf die große Wirkung an der entscheidenden Front verzichtet und seine Geschütze so verteilt, damit tiberall alle Ziele beschoßen werden können, der wird dem HauptangrifF wenig Kampfmittel entgegenstellen und ihm bald unterliegen.

„Dem Hauptangriff muß, sobald er erkannt ist, schon vom Anfange an möglichst mit allen jeweilig wirksamen Kampfmitteln entgegengetreten werden." Eine diesem Grundsatze entsprechende Verteilung der Intervallartillerie könnte sich im allgemeinen wie folgt gestalten:

1. Außer den Nahkampfgeschtitzen der Werke werden in den Intervallen noch so viele leichte Geschütze zur Vorfeld- bestreichung und Intervallflankierung aufgestellt, als notwendig sind, um mit der Bezirksreserve gewaltsame Unternehmungen des Feindes so lange abzuwehren, bis Teile der mobilen Geschütz- reserve und aridere Kräfte der Verteidigung eingreifen können.

2. Was daher manchen Intervallen an schwerer Artillerie abgeht, ist durch eine Erhöhung der Sturmfreiheit mit anderen Mitteln schon in der Ausrüstungszeit hereinzubringen.

3. Schwere Fernkampfartillerie u. zw. Kanonen, Haubitzen und in stark bewegtem Gelände auch Mörser, erhalten in der Ausrüstungszeit zunächst nur die auf den wahrscheinlichsten An- griffsfronten liegenden Verteidigungsbezirke.

4. Von den weittragenden Flachbahnkanonen ist vorerst nur ein Teil derart auf die wahrscheinlichen Angriffsfronten auf- zuteilen, daß wenigstens die Hauptannäherungswege, die Bahnen und Straßen, bestrichen werden; eine den Verhältnissen ent- sprechende Zahl wird zurückgehalten und erst dann eingesetzt,

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wenn der Feind sich nach der Lage der Auswaggonierungsstation und Parkanstalten über die Richtung des entscheidenden Angriffes entschieden hat.

5. In der Fernhaltungsperiode muß meist indirektes Feuer auf große Entfernungen angewendet werden. Es ist deshalb, soll ein Erfolg unter diesen Verhältnissen eintreten, notwendig, das sich darbietende wichtigste Ziel möglichst mit allen Geschützen, welche dasselbe erreichen können, zu beschießen. Zu Gunsten einer guten Wirkung soll hiebei die Lösung anderer, vor der Hand minder wichtiger Schießaufgaben verschoben werden.

6. Die Festungsgeschütze im Gürtel stehen im allgemeinen auf einer Kreislinie, sind demnach in Bezug auf eine Feuer- vereinigung gegen Punkte des Vorfeldes ungünstig gelegen. Eine Besserung dieses Übelstandes könnte durch die Anwendung ver- breiteter Bettungen für alle weittragenden Kanonen und Haubitzen erzielt werden.

7. Wenn Festungen infolge des heranführenden Bahnnetzes und des Vorgeländes von vielen Seiten aus angegriffen werden können und, genau genommen, keine wahrscheinlichen Angriffs- fronten bestehen, dann muß eine Abänderung des Punktes 3 eintreten. Ein kleiner Teil der schweren Sicherheitsarraierung wird dann wohl, allen Möglichkeiten entsprechend, im Gürtel einzustellen sein. Mit Bezug auf die Erwägung, daß Fernkampf- geschütze eben nur dort etwas fernzuhalten haben, wo der ent- scheidende Angriff ansetzt, muß der größere, in Reserve zurück- gehaltene Teil erst mit der Entwicklung der Verhältnisse beim Gegner eingesetzt werden.

8. Greift der Gegner zwei Fronten an, dann könnte sich an einer Stelle ein Nebenangriff zur Täuschung des Verteidigers und an der anderen der Hauptangriff entwickeln. Das Beobachtungs- system muß in der Lage sein, möglichst bald alle diesbezüglichen Zweifel zu beheben. Wie der Verteidiger unter solchen Um- ständen zu verfahren hätte, ist in allgemeiner Form schwer zu sagen. Jedenfalls hat die Fernhaltung dem Hauptangriffe gegen- über eine dankbarere Aufgabe. Zur Fernhaltung eines Neben- angriffes dürfte ein kleiner Teil der schweren Sicherheitsarmierung, etwa verstärkt durch die mobile Geschützreserve, ausreichend sein. Ändert der Angreifer infolge der fühlbaren starken artil- leristischen Gegenwehr des festen Platzes, im Laufe seiner bereits im Gange befindlichen Vorbereitungsarbeiten seinen Entschluß, macht er nachträglich aus dem Nebenangriff den Hauptangriff:

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dann hat die Verteidigung einen wesentlichen Erfolg errungen. Kann die Fernhaltung ein höheres Ziel anstreben? Der Ver- teidiger muß durch Friedensvorsorgen seine Geschütze so mobil gestalten, daß er dem Angreifer nach einem Wechsel der An- griffsrichtung gleichfalls wieder zuvorkommen könne.

Auf das Schießen gegen die feindlichen Armierungsbahn- linien, Armierungswege, das ebenfalls noch dem Fernhaltungs- kampfe zukommt, wird später eingegangen werden. Hier wäre nur noch die Notwendigkeit und Bestimmung der Sicherheits- armierung im Noyau zu erwägen.

Was die Fragen über das Noyau (die Enceinte oder Kern- um wallung) anbetrifft, gehen die Ansichten weit auseinander. In einigen Staaten wird ein Noyau für unbedingt notwendig ge- halten, um gelungene Gürteldurcbbrüche selbst im Innern des festen Platzes noch mit Sicherheit abwehren zu können. Zu diesem Zwecke wurden selbst veraltete Kernumwallungen fester Plätze noch beibehalten, bezw. neue solche schon im Frieden hergestellt oder wenigstens für den Ausrüstungsfall in Aussicht genommen. In anderen Staaten hält man Noyaubefestigungen für überflüssig, da sie Kampfmittel beanspruchen, welche zur Ver- teidigung der Gürtellinie, dieser wichtigsten und am sorgfältigsten auszubauenden Kampfstellung, besser verwendet werden können. Auch hier dürften für das Für und Wider die jeweiligen tat- sächlichen Verhältnisse des einzelnen Falles das entscheidende Wort sprechen.

Es sei hier festgehalten, daß durch das Noyau und das gleichzeitige Eingreifen der verfügbaren Reserven, Gtirteldurch- brüche zum Scheitern gebracht werden sollen; weiters zum Zwecke des Zeitgewinnes der Gegner nach dem belagerungs- mäßigen Niederringen eines Gürtelabschnittes, zur Fortsetzung des belagerungsweisen Vorgehens veranlaßt werden soll. Man darf demnach folgern, daß Festungen mit starkem und modern ausgebautem, gut flankierten Gürtel, der gute Ausschuß Verhält- nisse gegen das Vorfeld aufweist und welcher mit dem Aufgebote aller Mittel und insbesondere durch eine entschiedene Ver- wendung der Artillerie verteidigt wird, die meisten Aussichten für einen langen Widerstand gewinnen und demgemäß am ehesten des Noyaus entbehren können. Festungen dagegen, welche sich nicht vollkommen auf der Höhe der Zeit befinden, deren Gürtel teilweise aus älteren Werken mit großen Intervallen besteht und -erst im Ausrüstungsfalle durch Behelfsbefestigungen ergänzt wird,

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müssen, wenn überdies das Vorfeld die verdeckte Annäherung des Gegners gegen mehrere Verteidigungsbezirke gestattet, mit gewaltsamen Angriffen und Gürteldurchbrüchen rechnen und von Noyaus Gebrauch machen. Grenzfestungen endlich, welche mit Rücksicht auf ihre Lage bald nach Eröffnung der Feindselig- keiten angegriffen werden können, bedürfen gleichfalls einer Kernumwallung.

In allen festen Plätzen, in denen Noyaus bestehen, rechnet man mit der Verteidigung aus der Tiefe, welche neuestens von manchen Seiten auch für den Feldkrieg vorgeschlagen wird, jedoch nur dort Berechtigung haben dürfte, wo es an Zeit für den starken Ausbau der Hauptstellung fehlt. Bringt man der Hauptstellung, weil man ihre Mängel erkennt, kein festes Vertrauen entgegen, dann muß der Kampf um Zeitgewinn durch die Verteidigung mehrerer hinter einander liegender befestigter Linien erreicht werden. .

Zum Beweise, ob ein Noyau notwendig sei oder nicht, könnte man vielleicht auch die Kämpfe um Port Arthur anfuhren. Es sei aber gleich erwähnt, daß die dort bestandenen Verhält- nisse, was die Anlage des Platzes anbetrifft, in keiner europäischen Festung vorhanden sind.

Die stärkste Verteidigungsstellung Port Arthur's auf der Landfront, welche mit unserem Fortsgürtel verglichen werden könnte, war eine Linie zum Teile permanenter Befestigungen, welche auf dem Drakonnowyj - Rücken 2*6 km, bei der Erlung- schan-Gruppe 4*2 km von der Altstadt und bei der Itschan- Gruppe ungefähr 3 km von der Neustadt entfernt war. Man könnte diese Verteidigungsstellung nach einem Vergleiche mit den radialen Entfernungen in europäischen Gürtelfestungen mit Recht als ein stark armiertes und stark ausgebautes Noyau betrachten. Das Bewußtsein des Verteidigers, daß die ihm anvertraute Festung, was die Entfernung der Hauptstellung und demnach den Schutz des Hafens, der Stadt und der ruhenden Besatzung anbetrifft, dem weittragenden Artilleriefeuer nicht entspreche, zwang zur Einrichtung mehrerer improvisierter Vorfeldstellungen. Jene Vor- feldstellung, welche sich beiderseits der Bahn Uber den Wolfs- berg gegen Westen bis in die Gegend östlich Fandsjatun und nach Osten bis Paschdudsi zog, lag 7 bis 9 km vom Hafen ent- fernt; sie lief also derart wie die Gürtellinie großer Lagerfestungen. Nach dem Vorstehenden kennzeichnen sich die Verhältnisse bei Port Arthur ungefähr folgend:

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Die Hauptverteidigungsstellung lag in einem Gürtel, den man in unserem Sinne Noyau nennen könnte. Die Aufgaben des Gürtels großer Lagerfestungen (Erzielung eines langen Wider- standes und Schutz der Etablissements und ruhenden Truppen im Innern) mußten mehrere Vorfeldstellungen übernehmen. Die beschränkten Mittel ließen die Ausgestaltung der Vorfeldstellungen im Sinne unserer Gürtellinie nicht zu und so blieben sie also doch nur verstärkt feldmäßige Anlagen.

Mag man für oder gegen das Noyau Stellung nehmen, das eine erkennt man sicher, daß sein Bestehen an und für sich nützlich ist und der Verteidigung Gelegenheit gibt, den Wider- stand noch dann fortzusetzen, wenn ein Teil des Gürtels bereits gewonnen wurde und daß es nur dann die Kämpfe im Gürtel nachteilig: beeinflussen wird, wenn es allzuviel Kampfmittel er- fordert. Die Verteidigung muß im Streben, die anfänglich viel- leicht vorhandene artilleristische Überlegenheit möglichst lange aufrechtzuerhalten, auf jedes zum Kampfe geeignete Geschütz reflektieren.

Ist der Wille, dem Angreifer aus dem Gürtel eine artille- ristische Niederlage beizubringen, stark ausgeprägt und hat man für die Sturmfreiheit aller den gewaltsamen Angriffen ausgesetzten Fronten mit sämtlichen hiezu anwendbaren Mitteln vorgesorgt, dann verschwindet' von selbst das ängstliche Gefühl der Unsicher- heit, welches Ursache ist, daß schwere Geschütze auf Punkten aufgestellt werden, wo sie sich nicht sicher verwerten lassen. In das Noyau sollten somit zunächst nur alte, für den Artilleriefern - kämpf nicht geeignete Geschütze und jene Kanonen kleinen Kalibers, die zur Erhöhung der Sturmfreiheit notwendig sind, ein- gestellt werden. Man könnte einwenden, daß dann der Schuß- bereich der Kernumwallung sich nicht bis in den Gürtel er- strecke und daß gegen den in das Innere der Festung ein- gedrungenen Feind nur eine ungenügende Artilleriewirkung möglich sei. Zur teilweisen Beantwortung dieses Einwandes darf man jedoch anführen, daß die in den Intervallbatterien des Gürtels stehenden Nahkampfkanonen gegebenenfalls gegen das Innere der Festung schießen können, und daß die Feuerwirkung wesent- lich vermehrt wird, wenn die 360° betragende Bestreichung der Geschütze unter Panzerkuppeln tatsächlich zur Ausnutzung gelangt.

Man muß, um vollständig zu sein, bei Angriffen auf das Noyau zwei Fälle unterscheiden.

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a) Zunächst bandelt es sich lediglich um gewaltsame An- griffe und Gürteldurchbrüche. Nachdem diese im Vergleiche zur Belagerung nur kurze Gefechtshandlungen darstellen, so dürfte meistenteils keine Zeit zur Verfügung stehen, die Kernumwallung nachträglich noch stark mit Artillerie auszurüsten. Man darf diesen Nachteil jedoch nicht überschätzen und muß bedenken, daß der Feind auf seinem Vordringen gegen den Kern der Festung höchstens Feldgeschütze mitnehmen kann. Der Kern- umwallung, welche überdies durch das Feuer einwärts wirkender Gürtelgeschütze und durch die Hauptreserve unterstützt wird, fällt sonach nur die Aufgabe zu, die von schwacher Artillerie begleitete Angriffsinfanterie abzuwehren. Die Erfüllungsmöglich- keit dieser Aufgabe muß der eigenen Infanterie, die hinter sturm- freien Deckungen kämpft, auch ohne besondere Mitwirkung der Artillerie zugesprochen werden.

b) Anders stehen die Verhältnisse, wenn der Feind nach gelungenem belagerungsmäßigem Angriffe auf den Gürtel gegen das Noyau vorgeht. Der Angreifer zieht, insoweit es die Ver- teidigung aus dem noch unbezwungen gebliebenen Teile des Gürtels gestattet, schwere Geschütze nach, um durch deren Feuer die Einbruchsteilen in den Kern der Festung sturmfrei zu machen. In diesem Falle sind zur Abwehr im Noyau gleichfalls schwere Geschütze erforderlich. Nachdem aber dieselben dort fehlen, so müssen sie erst dann, wenn sich das Ubergewicht entschieden auf die Feindesseite neigt, in vorbereitete Batterien eingestellt werden und es frägt sich nur, ob man auf den für die Armierung des Noyaus nötigen Zeitbedarf wird rechnen können. Es scheint ja ! Denn der Artilleriekampf schwerer, auf einer 8 bis 10 km langen und vielleicht noch längeren Front aufgestellter und gut gedeckter Geschütze ist ein hin- und herschwankendes, lang andauerndes und, wenn man nur eine kurze Zeit ins Auge faßt, eigentlich wenig verlustreiches Ringen. Der Umschlag kann nur langsam eintreten. Sieht der Verteidiger endlich, daß, trotzdem alle verfügbaren Geschütze herangezogen wurden, gegen die Be- lagerungsartillerie nicht aufzukommen ist, erweist es sich unter dem feindlichen Feuer als unmöglich, den Infanteriekampf ab- zuwehren, dann dürfte noch immer Zeit genug sein, an die Armierung des Noyaus mit schweren Geschützen zu schreiten. Auf diese Art wird die Artillerie voll und ganz ausgenützt, um den Gegner eine artilleristische Niederlage beizubringen und die Widerstandsdauer des Gürtels zu erhöhen, ferner um nach dem

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Falle eines Gürtelteiles die Verteidigung auch weiter noch zu er- möglichen.

Zum Schlüsse der über die Verteilung der Sicherheits- armierung angestellten Erwägungen seien noch einmal die Grund- gedanken festgelegt.

Es ist urbedingt nötig, die schweren Geschütze tunlichst nicht zu zersplittern. Nachdem aber eine Sicherung der Festung nach allen Richtungen notwendig ist, so sollen hiezu nebst den sonstigen Mitteln zur Erhöhung der Sturmfreiheit womöglich nur leichte Geschütze verwendet werden. Mit Rücksieht auf die Schwerfälligkeit einer großen Belagerung genügt es, schwere Fernkampfgeschütze im Anfange nur auf den wahrscheinlichen Angriffsfronten aufzustellen. Zum entscheidenden Artilleriekampfe muß jedes geeignete Geschütz eingesetzt werden.

Vielleicht gehen manche Ansichten über das zulässige Maß. Es mag sein und überdies werden die tatsächlichen Verhältnisse jeder Festung Abänderungen bedingen Jedenfalls sind die hier aufgeworfenen Fragen einer nähereu Erwägung wert und die Grundsätze über die Verteilung der Artillerie in Festungen eines Fortschrittes fähig.

Zu III. Es wird im allgemeinen zugegeben, daß der Ausgang des großen Artilleriekampfes in hohem Grade entscheidend für das Schicksal der Festung ist. Sind die eigenen schweren Ge- schütze infolge ihrer geringen Zahl oder nach bereits ungünstig ausgefallenem Kampfe nicht mehr im Stande, das Feuer der feindlichen Artilleriemasse auf sich zu lenken, dann stehen alle nur irgendwie zum Gefechte auftauchenden Truppen des Ver- teidigers unter der ungeteilten Wirkung der gegnerischen G< sehoße. Die Stützpunkte der Hauptverteidigungsstellung im Gürtel, die Werke, müssen und seien sie aus dem widerstandsfähigsten Baustoffe und in der modernsten und zweckmäßigsten Weise, aus- geführt — bald erliegen, wenn der Angriffsartillmst und schließ- lich der Angriffspionier nur minder gestört, ihrem Zerstörungs- werke obliegen können. Die Infanterie- und die Nahkarnpf- geschütze der Werke werden, sobald die mächtige Artillerie- wirkung aus den Intervallen fehlt, die Annäherung des Gegners zum Sturmangriff auf den Stützpunkt nur schwer abwehren können.

Besteht also das Grundbestreben des Festungsartilleristen darin, zu verhindern, daß seine Batterien niedergekämpft werden, so muß andererseits in der Organisation der Verteidigung der

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feste Wille zu erkennen sein, möglichst viele Geschütze an dem entscheidenden Feuergefechte teilnehmen zu lassen. Wie dies erreicht werden könnte, ist aus den vorhergegangenen Betrach- tungen zu erkennen. Es wurde vorgeschlagen, nur die wahr- scheinlichen Angriffsfrontc-n im Ausrüstungsfalle mit schwerer Artillerie auszustatten und alle übrigen Fernkampfgeschütze zu den Geschützreserven einzuziehen. Haben letztere nach diesem Vorgange die möglichst größte Stärke erreicht, dann ist wenigstens, was die Beistellung der Zahl anbelangt, das Ideal für die Ver- teidigung geschehen.

Dem Nachteile, welcher aus der Entblößung der anderen Fronten von schwerer Artillerie entstehen könnte, braucht keine besondere Tragweite zugemessen zu werden, wenn die Sturmfreiheit durch Auwendung aller Mittel erhöht und für unvorhergesehene Fälle eine starke mobile Geschützreserve gebildet wurde. Dies letztere erscheint nach entsprechenden Vorsorgen für die Be- spannungen leicht möglich, da ja die immerhin noch mobilen Geschütze mittlerer Kaliber nicht zersplittert und nicht aus der Hand gegeben sind. Man könnte hier auch noch auf die Ver- wendung von Feldhaubitzen in Festungen hinweisen. Dieses für die Beschießung gedeckter Truppen und Batterien hervorragend verwendbare Geschütz wird im Festungskampfe beim Angriff und in der Verteidigung zumindest die gleichen vorzüglichen Dienste leisten wie im Feldkriege. Für den Kampf um Festungen und insbesondere für die Verteidigung ist rieben dem fast durchwegs schweren Haubitz- und Mörsermaterial ein leicht bewegliches Wurfgeschütz mit großem Ertrage dringend erforderlich. Die Beweglichkeit der Kampfmittel schwächt in vielen Fällen die Ab- hängigkeit des Verteidigers von den unbekannten Maßnahmen des Angreifers ab und diesbezüglich entspricht die moderne leichte Feldhaubitze vollkommen. Ihre Wirkung befähigt sie, ebenbürtig mit anderen schweren Geschützen, am entscheidenden Artillerie- kampfe teilzunehmen. Die diesfalls am meisten in Betracht kommenden Ziele sind AngrifTsbatterien mit offen aufgestellten Geschützen und flüchtigen Unterständen, bei deren Beschießung die Wirkung der leichten Feldhaubitzen vollkommen zum Demon- tieren der Geschütze und zum Durchschlagen der Unterstände ausreicht.

Durch die Aufstellung einer starken, schweren und mobilen Geschützreserve an und für sich ist der artilleristische Erfolg wohl vorbereitet, aber noch nicht erreicht. Hiezu gehört vor allem

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die rechtzeitige und entschiedene Verwendung dieser Geschütz- mas8e von der Fernhaltungsperiode angefangen. Die von der Leitung der Verteidigung zu erfüllenden Autgaben müssen höher gesteckt werden und sollen nicht etwa nur die Fernhaltung und Abwehr des Gegners bezwecken. Die Artillerie des Verteidigers muß vom Glauben durchdrungen sein, daß die Angriffsartillerie im Feuer der bald und in übermächtiger Zahl aufgebotenen Festungsgeschütze weder zu Beginn des Kampfes noch später aufkommen könne. Es ist überall zu lesen, daß die Festungs- artillerie trachten solle, durch das Einsetzen der Geschützreserven die anfängliehe Überlegenheit zu erringen. Dieser Satz ist dahin zu ergänzen, daß die vom Verteidiger in artilleristischer Be- ziehung erreichte Überlegenheit überhaupt während der ganzen Dauer des Artilleriekampfes erhalten werden müsse. Es ist in allen militärischen Betrachtungen zu finden, daß eine zielbewußte und auf Entscheidung abzielende Gefechtsleituug zuerst mit dem wichtigsten Gegner abzurechnen habe und bis dahin alle Neben- absichten und Plänchen nach Möglichkeit bei Seite legen muß. Man übertrage diese Erkenntnis auch auf den Festungskrieg und fordere nebst der unumgänglichen Sicherheit auf anderen Fronten, den rücksichtslosen Einsatz aller schweren Geschütze. Die Werke namhafter Fachschriftsteller schildern die Reibungen und Schwierig:- keiten, die der Angreifer während der Durchführung der Be- lagerung zu überwinden hat. Man erkenne die in dieser Beziehung günstige Lage des Verteidigers und ziehe hieraus die Folgerung für die rasche Inkampfsetzung einer artilleristischen Über- legenheit.

Nachdem nun festgelegt wurde, daß alle nur irgend ent- behrlichen und geeigneten Geschütze für den entscheidenden Artilleriekampf bereitzuhalten sind, so muß man sich auch, soweit dies möglich, über den Zeitpunkt für das Einsetzen dieser Ge- schützmasse klar werden. Die hiefür maßgebenden Grenzen, daß der Verteidiger seine Geschützreserven nicht früher zur Ver- wendung bringen dürfe, ehe er die Hauptangriffsrichtung mit Sicherheit erkannt habe und keinesfalls später als der Feind die Massen der Belagerungsartillerie, sind theoretisch wohl bestimmt. Zwischen diesen zwei Grenzen liegt aber manchesmal ein langer Zeitraum und erledigt der Gegner alle für das Gelingen des Angriffes grundlegenden Arbeiten.

Es ist eigentlich verwunderlich, daß die Fachliteratur dem wichtigsten Entschlüsse der Verteidigung, dem Einsetzen der Ge-

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schützreserve, nicht nähergetreten ist und sich diesbezüglich bisher nur mit ganz allgemeinen Forderungen begnügt hat. Ob- zwar die hier geäußerten Anschauungen und überhaupt die Meinungen eines einzelnen für die Entschlußfassung im Kriege keinesfalls maßgebend sein können, so ist doch schon viel damit gewonnen, wenn sich die Literatur mit bisher wenig betretenen Gebieten beschäftigt und dadurch andere zur Bildung eines all- gemeinen Urteils anregt.

Dem eigentlichen entscheidenden Kampf der beiderseitigen Geschützmassen geht die bereits früher gestreifte Fernhaltungs- periode voraus. Durch eine kräftige Fernhaltung kann der Weg für den Erfolg im anschließenden Ringen der beiderseitigen schweren Artillerien bereits geebnet werden. Die in der Fern- haltungsperiode zu beschießenden Ziele liegen alle auf großen Entfernungen und sind oft nur von den in beschränkter Anzahl vorhandenen weittragenden Flachbahnkanonen erreichbar. Das Streben, dem Gegner gleich vom Anfange an möglichst viele Geschütze entgegenzustellen, wird also durch den vorerwähnten Umstand begrenzt; es muß aber auch vorhanden sein, denn die bisher während der Ausrüstungsperiode aufgestellten wenigen Fernkampf- und Fernhaltungsbatterien genügen infolge ihrer Zersplitterung keineswegs, um irgend einen nennenswerten Erfolg zu erreichen. Ist ein Ballon vorhanden, der die Maß- nahmen des Gegners aufhellt und eine Schußbeobachtung ermöglicht, dann ist das Feuer gegen große Ziele auf große Entfernungen keine Munitionsverschwendung mehr und es er- scheint zweckmäßig, zur Fernhaltung eines Angriffes, der durch die Anlage der Parks bereits die Angriffsrichtung ausgesprochen hat, alle schweren Geschütze mit großer Tragweite einzu- setzen. Es wird also ein namhafter Teil der Geschützreserven schon zu einem frühen Zeitpunkt eingesetzt werden. Die für das rasche und anstandlose Einsetzen dieser Geschütze not- wendigen Vorarbeiten, u. zw. der Batteriebau und die Auf- stappelung eines mehrtägigen Munitions Vorrates in den Gürtel- magazinen, müssen in der Ausrüstungsperiode beendet sein. Nach Abgabe dieser Fernhaltungsgeschütze an die laut Ballon- meldungen angegriffene Front, bleiben noch die mobile und jene Teile der schweren Geschützreserven, welche, wie die Mörser, Haubitzen und haubitzähnlichen Kanonen, für den Fernhaltungs- kampf nicht geeignet sind, in der Hand des Festungskommandanten. Der Zeitpunkt für das Einsetzen derselben wird dann gekommen

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sein, wenn der Gegner von seinen Parks die Armierungsfeld- bahnlinien bis in ihren Schußbereich vorgebaut, bezw. wenn er mit seinen Batteriebautransporten den von ihnen mit Wirkung zu beschießenden Raum erreicht hat. Von diesem Augenblicke an wird bis zur Feuereröffnung der Belagerungsartilleriemasse noch geraume Zeit vergehen, innerhalb den n der Verteidiger Gelegen- heit hat, das Feuer seiner Geschütze auf Grund der Rekognos- zierungsergebnisse aus dem Ballon, planmäßig vorzubereiten. Die hie und da noch geäußerte Anschauung, daß der Angreifer in einer Nacht den Batteriebau, in der anderen Nacht die Armierung, ja daß er beides selbst in einer Nacht vollenden kann, gilt wohl für kleine Verhältnisse, ist aber für die Masse der Belagerungs- artillerie gewiß unzutreffend. Man lese nach, welche Zeit auf der Nordfront von Paris und vor Sebastopol für den Batteriebau not- wendig war und wird finden, daß Wochen vergehen mußten, um der Ungunst der Boden- und Witterungsverhältnisse Herr zu werden.

Man könnte vielleicht einwenden, daß das Einsetzen der Geschützreserve, noch bevor der Gegner mit dem Batteriebau beginnt, zu früh erfolge und daß noch weitere Erkundungen abgewartet werden müssen, ob der Gegner tatsächlich hier oder dort seine schwere Artillerie in Stellung bringt. Es ist richtig; man darf nicht vorgreifen und die eigenen schweren Geschütze an Ort und Stelle bringen, bevor der Kampfraum der feindlichen Artillerie festgelegt ist. Kann sich nuu der Verteidiger, der aus sonstigen Nachrichten und Ballonbeobachtungen die Lage der Auswaggonierungsstationen, der Parkanstalten und vielleicht auch teilweise den Verlauf des Angriffsfeldbahnnetzes erkennt, noch über die anzugreifende Front täuschen ? Nein und ja! Nein dann, wenn der Feind, wie sich aus der Dichtigkeit seiner Parkanstalten und aus der Leitung seiner Transporte auf der Voll- und Feld- bahn ergibt, sein gesamtes Material in einem der Entwicklung der schweren Belagerungsartillerie entsprechenden Raum ver- schiebt und sonach geschlossen werden kann, daß sich seine Geschütze auf einer zusammenhängenden Front entwickeln werden. Ja, dann, wenn der Gegner sein Angriffsmaterial teilt und durch die Anlage des Parks und sonstige Zeichen zu erkennen gibt, daß zwei räumlich von einander getrennte Fronten der Festung angegriffen werden sollen. Eine gleichmäßige Dotierung der beiden Angriffe wird man vom Gegner nicht voraussetzen dürfen; es wird sich sonach ein Nebenangriff und ein Hauptangriff ent-

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wickeln. Es ist wie im Feldkriege; der Feind will durch einen Nebenaugriff den Verteidiger täuschen, seine Kraft auf eine falsche Front ziehen und sich für den entscheidenden Kampf günstige Vorbedingungen verschaffen. Nur insoferne ist die Lage der Verteidigung im Festungskriege von jener im freien Felde verschieden, als das rechtzeitige Erkennen der feindlichen Ab- sicht hier, weil das schwere Kampfmaterial der Artillerie, wenn bereits irgendwo eingesetzt, nur schwer und mit großem Zeit- und Kraftaufwande verschoben werden kann, noch wichtiger für eine zweckmäßige eigene Entschließung ist als im Feldkriege. Betont muß aber werden, daß dieses Erkennen im Festungskriege wesentlich erleichtert ist. Einesteils gibt die lange Vorbereitungs- und Basierungsdauer des Angriffes, es mögen die Arbeiten be- schleunigt werden wie sie wollen, dem Verteidiger viel Zeit zur Beobachtung, andererseits sind die Beobachtungsmittel der Festung und insbesondere der Ballon, was die Vergrößerung seiner Steig- höhe und die Anpassung derselben an das Gelände betrifft, wie schon erwähnt, noch verbesserungsfähig. Teilt also der Angreifer seine Kampfmittel für einen räumlich getrennten Haupt- und Nebenangriff, so dürfte ersterer aus dem Umfang der Vor- bereitungsarbeiten meistenteils erkannt werden. Betreibt aber der Angreifer bei völliger Geheimhaltung der von ihm gefaßten ent- scheidenden Absicht zuerst ausschließlich nur die Etablierung des Nebenangriffes, dann schafft er sich mit Rücksicht auf die Hintercinanderfolge der für den Neben- und Hauptangriff er- forderlichen Arbeiten einen ganz bedeutenden Zeitverlust und läuft Gefahr, daß die für den ersteren eingesetzten Kampf- mittel von der Übermacht des Verteidigers erdrückt werden. Es gibt zwar Verhältnisse (insbesondere bei mehreren von Feindes- seite heranführenden Bahnen und bei entsprechender Gelände- gestaltung), welche den Angreifer in der Verschleierung seiner Absicht begünstigen; aber im ganzen genommen wird bei einer räumlichen Trennung der schwerbeweglichen Kampfmittel für einen Neben- und Hauptangriff, doch zu sehr mit der Täuschung des Verteidigers gerechnet. Nachdem eine in dieser Art geplante Täuschung wohl gelingen kann, aber möglicherweise und das ist wahrscheinlicher nicht gelingen wird, so ist eine Teilung der schweren Artillerie für den Angreifer selbst ein zwei- schneidiges Schwert.

Ist die Lage der feindlichen Parkanstalten bekannt, dann erscheint ein Fehlgreifen des Verteidigers bezüglich des Raumes

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für das Einsetzen seiner schweren Artillerie fast ausgeschlossen. Einige Parkanstalten werden wohl immer aufzufinden sein, denn man darf kaum annehmen, daß der Gegner alle Anzeichen für die Lage der Parkteile vollkommen verbergen könne, bezw. daß das Nachrichtensystem des Verteidigers vom Ballon angefangen bis zum Observatorium und den Patrouillen herunter versagen werde. Es ist zu beachten, daß der Gegner von seinen Park- anstalten nur mehr gerade oder wenig schräg nach vorwärts gehen kann und daß man seine Artillerie sicher treffen wird, wenn die Verteidigungsgeschütze im Räume gegenüber den An- griffsetablisseirents zur Aufstellung gelangen. In der Durchführung des Grundsatzes, mit der eigenen Artillerie früher in Stellung zu sein als der Gegner, u. zw. so früh, daß der Feind alle im Schuß- bereiche der eigenen Geschütze vorzunehmenden Etablierungs- arbeiten für seine Batterien im gänzlich entfalteten Feuer der Festung vollenden müsse, braucht man nicht ängstlich zu sein; denn Artillerielinien von 8 und 10 km Länge können sich nicht verfehlen, sie werden sich bei Verwertung der über den Angriff jedenfalls verfügbaren Aufklärungsdaten mit Bestimmtheit treffen. Man kann auch schwer annehmen, daß der Angreifer, sobald er die vollentwickelte Kraft des Verteidigers gewahrt und die in ihr liegende Feuerüberlegenheit fühlt, eine Verlegung des ganzen Angriffes und eine Verschiebung des schwerfälligen und bereits in Entwicklung befindlichen Angriffsmaterials beschließen werde. Dies wäre theoretisch und praktisch noch viel mehr eine bedeutende Verzögerung der Angriffsoperation und ein wesentlicher Vorteil für die Verteidigung. Jetzige Festungsangriffe mit den großen zu bewegenden Lasten benötigen zu ihrer Einrichtung und ganz besonders zu ihrer ununterbrochenen Erhaltung eines peinlich und sorgfältig durchdachten Transportwesens, das die Leistungs- fähigkeit der Vollbahnen, Feldbahnen und etwaiger Armierungs- linien mit Fuhrwerksbetrieb, auf haushälterische Art iu Einklang bringt, und weisen demnach eine Ständigkeit auf, die dem An- griffe zum Nachteile gereicht und dem Verteidiger bei tat- kräftigem und entschlossenem Verhalten seiner Artillerie weit- reichende Erfolge bringen kann. Die Verlegung eines bereits ent- wickelten und basierten Festun^sangriffes ist, auch abgesehen von der Feuerwirkung des Verteidigers, mindestens ebenso schwierig und umständlich, als die Verlegung einer Etappenlinie im Feld- kriege. Im Notfalle können die im freien Felde operierenden Truppen auf kurze Zeit von den mitgefühlten Vorräten und vom

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Lande leben; der Munitionsverbrauch ist mit Rücksicht auf die doch seltener stattfindenden Schlachten geringer und erreicht nicht im entferntesten jenes Gewicht, das täglich in die Parks und aus den Parks in die Batterien zu schaffen ist. Eine Ver- legung des Angriffes bedeutet tatsächlich eine langwierige und mit vielen Reibungen verbundene Unterbrechung desselben, welche dem Verteidiger nur lieb sein kann. Man spricht vom Streben, den Augriff mobil auszugestalten und von der Schwerfälligkeit des V au b a n'schen Verfahrens. Tatsächlich ist aber der heutige große Festungsangriff, freilich infolge unabwendbarer Verhältnisse, stabiler als es der alte war. Es sei also hier konstatiert als operativer Vorteil des Angriffes: die im Anfange und innerhalb gewisser und durch den Nachschul) bedingter Grenzen bestehende Entschlußfreiheit, welcher sich der Verteidiger wohl anpassen muß, und als Nachteil desselben seine spätere Stabilität.

Hat die Verteidigung diesen Nachteil des Angreifers bisher voll ausgenützt? Beabsichtigt sie dies zu tun? Bisher war von einer Ausnützung des erwähnten Umstandes wenig zu hören ; denn die Friedensvorbereitungen und die Vorsorgen während der Ausrüstungsperiode bewegten sich nicht vollkommen in diesem Sinne. In Zukunft wird sie es tun können, wenn der feste Wille vorhanden ist, auch in Festungen alle Kräfte bis zum letzten Hauche und nicht nach einander und zersplittert einzusetzen. Und dieser Wille, muß weiter gefolgert werden, wird vorhanden sein, wenn für die Sturmfreiheit der von schwerer Artillerie fast oder wirklich ganz entblößten Fronten so viel geschehen ist, daß überraschende Angriffe zuverläßlich bis zum Eingreifen weiterer Reserven zurückgewiesen werden können.

Ist diese Forderung vielleicht zu hoch gestellt? Es scheint fast so zu sein; aber nur aus dem Grunde, weil der Festungs- krieg bisher fast ausschließlich die Domäne der Ingenieure und der Artillerie war und weil man glaubte, ohne schwere Geschütze überhaupt bei keiner Gelegenheit auskommen zu können. Die hervorragende Notwendigkeit der schweren Artillerie im Festungs- kriege wird im Wesen nicht angetastet, aber die Überschätzung dieser Notwendigkeit führt zu falschen Folgerungen, welche im blutigen Ernstfalle einem vorurteilslosen Feinde gegenüber ihre Unzulänglichkeit erweisen. Bestätigen nicht die in der Kriegs- geschichte verzeichneten Kämpfe um feldmäßig befestigte Stellungen, daß eine tapfere Infanterie mit Feldartillerie ganz allein imstande sei, die Stellung zu halten? Konnten die Japaner trotz ihrer bei-

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spiellosen Todesverachtung feldmäßige undstark besetzte Stellungen der Russen im ersten Anlaufe nehmen? Beweisen nicht die mehr- tägigen Kämpfe um Liaojan und Mukden und der Umstand, daß sie immer durch die Umgehung entschieden wurden, welche im Festungskriege ausgeschlossen ist, die Zähigkeit der durch die Feldartillerie unterstützten Infanterieverteidigung? Die Zahl der in diesen Kämpfen auf russischer Seite verwendeten Geschütze war im Verhältnis zur Ausdehnung der Verteidigungslinie, jeden- falls gering; ihre Wirkung mag ja an bestimmten Punkten den Japanern recht fühlbar gewesen sein, ihr Einfluß auf den Ge- samtverlauf der Verteidigung war, wie dies auch nicht anders sein kann, ohne Zweifel kaum besonders groß.

Eine weitere Frage wirlt sich auf: soll von den schweren Festungsgeschützen nach Einsetzung des Gros keine Reserve für unvorhergesehene Fälle zurückgehalten werden? Man sagt, daß jeder Kriegführende mit dem Willen des Gegners rechnen müsse, der Überraschungen bringen kann. Diese allgemeine Lehre ist im Feldkriege wohl fast immer zu beachten, muß aber im Festungskampfe etwas eingeschränkt werden. Im Feldkriege müssen außer den Reserven zur Nährung des Kampfes noch Truppen für unvorhergesehene Fälle, zur Abwehr umfassender Angriffe und zur Durchführung von Gegenangriffen zurückgehalten werden. Im Festungskriege sind für die Nährung des Kampfes, für Ausfälle, die Truppen der Bezirks- und Hauptreserve ver- lügbar. Überflügelungen und Umfassungen haben bei weitem nicht einen so entscheidenden Erfolg wie im Kampfe auf freiem Felde. Umfassungen können höchstens gegen vorspringende Gürtelteile unternommen werden und was die Überflügeluog anbetrifft, so könnte sie sich höchstens auf die Belagerungsartillerie beziehen, welche mit einem Teile ihres Gros die Geschützstellungen des Verteidigers übergreift. Man bedenke aber, daß das Einsetzen der Geschützreserven zur Aufnahme des entscheidenden Artillerie- kampfes kein plötzlicher Entschluß ist und es auch nicht sein soll, daß dieser wichtigen Handlung lange Erkundungen und Beobachtungen vorangehen, auf deren Grundlage die Situation ganz anders und viel erschöpfender beurteilt werden kann als im Feldkriege. Wenn man die Sache von einem allgemeinen Standpunkte aus betrachtet, dann könnte man sagen: „wo Reserven nicht notwendig sind, dort scheide man sie nicht aus; denn sie sind ohne Zweifel ein durch die heutige Kampfweise bedingtes, notwendiges Übel, welches Kräfte zurückhält, auf

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deren Verwendung nicht unter allen Umständen sicher mehr gerechnet werden kann. Widerspricht es nicht dem Wesen der Festung, wenn man annimmt, daß möglicherweise auch außer- halb der belagerungsmäßig angegriffenen Front Gefahren für den Platz auftreten können, zu deren Abwehr dann die Zeit für das Heranziehen der mobilen im großen Artilleriekampf eingesetzten Geschütze fehlt? Sind nicht auf sämtlichen mit allen Mitteln sturmfrei ausgestalteten Fronten Infanteriebesatzungen, Nahkampf- geschütze, Bezirksreserven vorhanden und ist schließlich nicht die Hauptreserve verfügbar ?

Ist es mit Rücksicht auf die Sicherheit aller Fronten zulässig, von der Zurückhaltung schwerer Geschütze abzusehen, so ist es in Anbetracht der Forderung, die Überlegenheit über die Angriffs- artillerie zu erringen und weiterhin aufrecht zu erhalten, geboten, möglichst alle Geschütze zum entscheidenden Feuerkampfe zu vereinigen. Der artilleristische Feuerkampf der beiderseits gut gedeckten Ziele ist ein langandauerndes, vielfach schwankendes Ringen ; soll ein Erfolg eintreten, dann muß die Ubermacht möglichst frühzeitig und nicht nach einander zur Geltung gebracht werden.

Ein wichtiger Punkt bei Beurteilung der Verhältnisse für das Einsetzen so vieler Geschütze ist die Raumfrage. Der An- greifer hat eine bessere Entwicklungsmöglichkeit, denn er steht auf dem äußeren Bogen. Für 400 Geschütze beispielsweise be- nötigt er, wenn für jedes 30 m gerechnet wird, 12 km. Diesen 12 km beim Angreifer entsprechen beim Verteidiger bei 8 km Gürtelradius und 3 km Entfernung der Belagerungsbatterien von den Intervallen, ungefähr 9 km. Der Verteidiger könnte also nach dem gleicheu Satze höchstens 300 Geschütze aufstellen. Man ist beinahe geneigt, angesichts dieser Tatsache das ganze Gebäude zu zerstören und den Wunsch des Verteidigers, die Überlegen- heit in der Zahl zur Geltung zu bringen, eben nur als solchen zu bezeichnen. Es sei jedoch dieser Sache nähergetreten.

30 m Frontraum für jedes Angriffs- und Verteidigungs- geschütz sind sehr reichlich gerechnet. Der Angreifer kann sich tatsächlich durch eine minder dichte Aufstellung seiner Geschütze im Räume einen Vorteil schaffen. Der Verteidiger hingegen steht vor einer Zwangslage. Geht ihm das Streben, womöglich die Zahlen- überlegenheit im Geschützkampfe zu erreichen, über alles, dann wird er die gedrängte Aufstellung seiner Artillerie hinnehmen ! Sieht er das Mißliche einer zu gedrängten Etablierung seiner

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Artillerie als ausschlaggebend an, so muß er auf die Ausnutzung seiner Geschütze verzichten. Man dürfte, wenn der Sache auf den Grund gegangen wird, wenn alle Vor- und Nachteile vor- urteilslos betrachtet werden, die gänzliche Ausnützung des schweren Verteidigungsgeschützmaterials einer bequemen Auf- stellung vorziehen.

Zu den 9 km Entwicklungsraum des Verteidigers, welchen 12 km des Angreifers entsprechen, können wir an den Flügeln ganz gut noch je 1 km hinzuschlagen, so daß dann 11 km für die Entwicklung der Festungsartillerie zur Verfügung stehen. Wie weit man überhaupt in der Verlängerung der Geschütz- aufstellung gehen darf, entscheiden wohl nur die Verhältnisse des Vor- und Gürtelgeländes, dann insbesondere der Umstand, wie weit die auf dem äußersten Flügel befindlichen Geschütze mit eben noch entsprechender Wirkung schießen können. Wird eine der 12 km langen Angriffsfront symmetrisch gegenüber- liegende 9 km lange Verteidigungsfront an den Flügeln um 1 km verlängert, dann hätte das äußerste Flügelgeschtitz des Verteidigers, um gerade noch das Fitigelgeschütz des Angreifers zu erreichen, eine Entfernung von ungefähr 3200 m (senkrechter Abstand beider Kampfrouten 3 km).

Von einer entsprechenden Wirkung wären somit die Flügel- geschütze keineswegs ausgeschlossen; man könnte in dieser Be- ziehung sogar bis 4000 m gehen. Von Nachteil ist nur die not- wendigerweise schiefe Schußrichtung der gedachten Fitigel- geschütze. Eine derart schiefe Anlage der Batterien, so daß ihre Hauptschußrichtung in erster Linie dieser Forderung Rechnung trage, ist nicht zweckmäßig; denn sie wären nicht befähigt, Batterien zu bekämpfen, welche der Gegner in ihrem eigenen Vorfelde und zu ihrer eigenen Enfilierung aufstellen könnte. Hier kann eben auch nur wieder die schon wiederholt als notwendig betonte, ausgiebige Vergrößerung des Bestreichungsraumes der Batterien teilweise abhelfen.

Nimmt man 11 km Entwicklungsraum für die Verteidigungs- artillerie und das einemal 30 m, das anderemal 25 m Frontbreite für das Geschütz an, dann könnten im ersten Falle 366, im zweiten 400 Geschütze aufgestellt werden. Sind 25 m für ein Geschütz zu wenig? Man vergesse nicht, daß es sich um die artilleristische Überlegenheit handelt und daß, wie überall im Leben, so auch hier gewisse Nachteile hingenommen werden müssen. Man beachte weiter, daß die Länge einer sechspiecigen Batterie 100

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höchstens 120 m beträgt und daß somit nach dem erwähnten Rechnungssatze selbst bei vollkommen linearer Entwicklung der Batterien Zwischenräume von 50 bezw. 30 m zwischen den Batterien übrig bleiben.

Man könnte auch noch einwender, daß das Gelände oder dessen Bedeckung hinderlich seien und niemals eine so dichte Aufstellung der Artillerie gestatten werden. Dieser Einwand hätte nur Berechtigung, wenn man in ganz veralteter Weise immer und überall direkt schießen wollte, sonst trifft er nur im Weich- lande, in Teichgegenden und bei absolutem Felsboden zu. Wo kommt aber in Festungen an den für eine Belagerung in erster Linie in Rücksicht zu nehmenden Fronten so wenig benützbares Ge- lände in großer Ausdehnung vor? Schwierige Geländeteile werden sich ja gewiß so manchesmal vorfinden, aber sie müssen in der Vorbereitungszeit wohl auch schon im Frieden für ihre spätere Bestimmung hergerichtet werden. Wenn man dem Angreifer großartige artilleristische Leistungen im Überwinden von Terrain- schwierigkeiten in kurzer Zeit und oft nur mit Behelfsmitteln ausgeführt zutraut, dann darf man sie dem Verteidiger, dem schon die Friedens- und eine oft recht lange Vorbereitungszeit für den gleichet! Zweck zur Verfügung stehen, auch nicht absprechen.

Wenn man nun im einzelnen an die Aufstellung einer so bedeutenden Geschützmasse in beschränktem Räume herantritt, dann wird man finden, daß manche Batterien natürlich recht ungünstig in Bezug auf die artilleristische Feuerleitung zu liegen kommen. Auf den Höhen und den leicht zugänglichen Hängen haben eben bei einer linearen Entwicklung von 11 km 72 Batterien keinen Platz. Man wird auch Terrainformen mit schwierigen Zu- gängen und Geländeteile mit unangenehmen Bauverhältnissen notwendigerweise ausnützen müssen. Man kommt bei Beant- wortung dieser und noch mauch anderer Einwände immer wieder darauf zurück, daß die Verteidigung mit ihren organisierten Arbeitskräften besseres leisten kann und muß als der Angreifer und daß der Batteriebau in schwierigem Boden kein Hindernis sein darf. Die Verteidigung großer Festungen kann mit dem Bau und der Armierung der erforderlichen Batterien gewiß fertig werden, denn sie ist ja in der Zeit nicht so arg beschränkt. Schon in der Ausrüstungsperiode können an den wahrschein- lichen Angriffsfronten viele Batterien in Erde ausgeführt werden, weiters vergeht vom Zeitpunkte der Entdeckung feindlicher Parkanlagen und der sonstigen für die Richtung des Angriffes

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maßgebenden Anhaltspunkte bis zum Inkampfsetzen der Be- lagerungsartilleriemasse, noch geraume Zeit, welche für den er- gänzenden Batteriebau, für die Armierung und Munitionsversor- gung der Geschütze in der Festung genügen wird.

Und nimmt man selbst das Äußerste an: es gelänge dem Verteidiger infolge verschiedentlicher Hindernisse nur einen Bruchteil der Fernkampfartillerie rechtzeitig, d. h. vor dem Auf- treten der Belagerungsartilleriemasse in Stellung zu bringen. Man muß gerecht sein und zugeben, daß dieser Bruchteil jeden- falls den nach den heute bestehenden Ansichten für den ent- scheidenden Artilleriekampf einzusetzenden Geschützzahlen gleich sein wird. Ist nun bei Eintreten dieses ungünstigen Falles etwas verloren ? Nein, denn es ist für die ersten Tage des Artillerie- kampfes alles beim Alten geblieben! Der Vorteil, der das Wesen dieser Studie bildet und den sich der Verteidiger durch die voll- endete Ausnutzung seiner Artillerie schaffen kann, kommt auch bei den erwähnten schwierigen Umständen zum Ausdruck, weil die aus irgend einem Grunde noch nicht aufgeführten Geschütze, wenn auch verspätet, so doch nicht zu spät eintreffen werden. Denn im Sinne des Strebens, die gesammte schwere Armierung zu verwerten, müssen von den berufenen Organen im Frieden und in der Ausrüstungsperiode, Vorbereitungen getroffen werden, auf deren Grundlage im Vereine mit dem festen Willen des Ver- teidigers, den Kampf so energisch als möglich zu führen, alle Reibungen und Schwierigkeiten rasch überwunden werden können. Sprach man dem Angreifer die Möglichkeit nicht ab, seine Ge- schütze im bereits entfalteten Feuer der Verteidigungsartillerie in Stellung zu bringen, so muß man zugestehen, daß der Ver- teidiger auch imstande sein werde, Geschütze im Feuer des Angreifers aufzuführen. Und ist es dem Verteidiger gelungen, wenn auch nicht auf einmal und vor dem Feuerbeginne der Be- lagerungsartilleriemasse, so doch in einem frühen Stadium des artilleristischen Feuerkampfes, die Überlegenheit in der Zahl der schweren Geschütze zu erringen, so wird er noch immer auf einen Erfolg rechnen können. Läßt er aber zuerst seine schwachen Geschützreserven und die an der angegriffenen Front stehende Sicherheitsarmierung niederkämpfen, bevor er durch den eigenen Mißerfolg gezwungen, schwere Geschütze von anderen Fronten heranzieht, dann hat er nichts zu erhoffen.

Nur ein kleiner Bruchteil der schweren Geschütze darf im Entscheidungskampfe der Artillerie fehlen. Im Verlaufe der hiezu

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412 Hanika. Über die Verwendung der Artillerieausrüstung etc.

notwendigen Friedensvorbereitungen wird man sehen, welche Batterien direkt und welche indirekt schießen können, und was für Vorkehrungen für die Schußbeobachtung und Feuerleitung der letzteren zu treffen sind. Die Durchfuhrung des indirekten Schießens ist bereits so vereinfacht, daß man fast keine der über- haupt für die Geschütze und den Munitionsersatz zugängliche Stellungen zu scheuen braucht. Schwierigkeiten im Erteilen der indirekten Richtung, in der Übermittlung der Beobachtungen und in der Feuerleitung treten jedoch infolge der Anhäufung der Batterien dann auf, wenn alles erst aus dem Stegreife geschaffen werden muß. In diesen verwickelten Apparat muß deshalb schon im Frieden Ordnung kommen, indem die Bauplätze der Batterien und ihre einfachste Bauart bestimmt, dann für jede derselben geeignete Hilfszielpunkte, Beobachtungsstände und Verbindungs- linien für die Übermittlung der Beobachtungsergebnisse ausgesucht werden. Sollten nicht alle Batterien in einem Treffen Platz finden, dann darf man nicht zurückschrecken, sie hintereinander anzulegen. Haubitzen mit größerer Tragweite werden auch aus rückwärtigen Aufstellungen nutzbringend an dem großen Artilleriekampfe teil- nehmen können.

Es sei noch einmal das Wesen dieser Studie zusammen- gefaßt. Die Verwertung der Artillerieausrüstung und insbesondere der schweren Festungsartillerie muß mit allen Mitteln betrieben werden. Der Verteidiger großer Festungen, der alles zur Hand hat, könnte, was die Zahl der schweren Artillerie betrifft, nur auf diesem Wege die Überlegenheit gewinnen, denn die artilleri- stische Stärke des Angreifers ist bei Vorhandensein nur einer Nachschubslinie verhältnismäßig beschränkt. Aus dem Umstände, daß andere Festungen infolge ihres großen Gürtelumfanges viele Streitkräfte und Kampfmittel zur Verteidigung benötigen, was allseits als Nachteil hervorgekehrt wird, entsteht ein Vorteil, sobald die Kampfmittel entschieden zur Verwertung gelangen. Nachteile müssen hiebei in Kauf genommen werden. Ob die Nachteile so groß sind, daß das der Studie vorangestellte Ziel nur ein frommer Wunsch bleibt, muß dem Urteil der hievon Betroffenen überlassen werden.

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Geschichte von Rovereto und dem Lagertal.

Vortrag gehalten im Militärwissenschaftlichen und Kasinoverein in Innsbruck von Oberstabsarzt Dr. Johann Plah.1, Sanilätsreferent des k. k. Landesrerteidigungs-

komn.andos in Innsbruck.

Nachdruck verboten. Übcrsetzunjsrecht vorbehalten.

Im vergangenen Jahre wurde der Name von Rovereto öfters in den Blättern und auch im Parlamente genannt, als der Stadt, wohin bei den nationalen Schwierigkeiten in Innsbruck die rechtswissenschaftliche Fakultät für die Italiener verlegt werden sollte. Dadurch wurde bei manchen die Aufmerksamkeit auf diese kleine, an der Peripherie gelegene Stadt gelenkt und dieser Umstand, sowie der Gedanke, daß ich viele Jahre dort in Gar- nison, Gelegenheit hatte, Land und Leute und ihre Geschichte kennen zu lernen und daß letztere besonders für den Militär in einer Tiroler Garnison nicht ohne Interesse sei, gaben mir das Vertrauen zu der Bitte um den heutigen Vortrag.

Das Lagertal, „Valle lagarina", ist der südlichste Abschnitt des österreichischen Etschgebietes von Acqua viva, wo dem nach Süden Reisenden linkerhand sich ein größeres Landhaus mit einem Föhrenwald im Tale zeigt, bis ungefähr 2 km unter Borghetto, mit den geographisch und administrativ dazugehörigen Seitentälern : dem Hochtal von Folgaria, dem tiefeingeschnittenen von Terragnuolo, Vall'Arsa und Ronchi, den östlich - nördlichen Abhängen des Monte Baldo, dem Val di Loppio und Gresta, der östlichen Flanke des Stivo-Abramostockes mit dem Val Cei bis Aldeno 41 km in der Längsrichtung, 7 Quadratmyriameter Flächeninhalt, 75.000 Einwohner. Rovereto, sein Hauptort liegt beiläufig in der Mitte, am Eingang von Vall'Arsa, vom Lenowild- bache durchflössen, Sitz eines Kreisgerichtes, sowie einer Bezirks- hauptmannschaft, eines Obergymnasiums und einer Realschule, Lehrerbildungsanstalt, eines Mädchenlvzeums, Stadt mit eigenem Statut und 10.000 Einwohnern.

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Der Name der Stadt rührt wie der vieler anderer Orte, von einer Eigentümlichkeit der Gegend her: wie Loppio von Opplus, L'oppli Feldahorn, Pomaruolo von Pomarium, Apfelhain, Tiarno von Tilliarnum, Lindenwald, stammt, so heißt Rovereto von einem Eichenwald, der die benachbarten Hügel einnahm; deshalb zeigt auch das Wappen der Stadt eine Eiche in goldenem Schild mit der Devise : „Magno eum robore quercus ingentes tendet ramos, mit großer Kraft streckt der Eichbaum die ungeheuren Äste*4 ; und noch heute steht am doss Coste als einziger städtischer Grund- besitz ein Eichenforst im Niederwaldbetrieb, an dessen Eingang drei Stämme als lebendes Merkzeichen der Stadt die Axt nicht zu fürchten brauchen. Nicht so einfach ist es, den Namen des Tales zu erklären; einige Autoren glauben, daß hier einmal ein See bestanden habe, daß es daher ein Val del laco, ein Seetal, gewesen sei. Dem widerspricht aber, daß nirgends der Talboden die Eigenschaften eines Seebodens aufweist. Andere meinen, daß die fruchtbaren Flächen bei Mori und Volano frühzeitig zum Ackerbau geführt haben, daß es also sich um ein vallis agrorum (Tal der Felder) handle; doch ist diese Erklärung unwahr- scheinlich, weil anstatt ager lateinisch in den romanischen Ländern stets campus, französisch champs, eingetreten ist; nicht unmöglich wäre etymologisch ferner, daß das Tal von den Liguren am heutigen Busen von Genua eigentlich Vallis ligurina heiße, aus dem lagorina, endlich lagarina durch Veränderung der Vokale in tonlosen Stammsilben geworden ist; aber für die Ligurier im Etschtal fehlt jeder geschichtliche Beleg. Am meisten Wahr- scheinlichkeit hat die Deutung, daß der Name vom deutschen Worte „Lager", im althochdeutschen läga, im mittelhochdeutschen lögare, d. h. Lagerstätte, Heerlager, stamme; dafür spricht, daß es auch Val lagri heißt, daß nach einem ungenannten Schrift- steller aus Ravenna ausdrücklich in unserer Gegend zwischen den Städten (civitas) von Sirmio und Garda einerseits und Trient anderseits, eine civitas Ligeris angeführt wird, daß man noch Mauerreste in der Nähe bei der heutigen Citadella findet, daß die Gegend zwischen Volano und S, Ilario vermöge ihrer Lage sich ganz gut zu einem Kriegslager eignet, daß „ligers" im Gotischen wirklich Lager bedeutet. In der Geschichte der Lango- barden, welche der Diakon Paulus vom Kloster Monte Caseian geschrieben, wird ein Graf Ragilo de Lagare (comes Lango- bardorum de Lagare Ragilo nomine) genannt, der, unter dem Herzog von Trident stehend, im Lagertal gebot und wahrschein- lich im gegenüberliegenden heutigen Villa lagarina residierte.

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Geschichte von Rovereto und dem Lagertale.

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Wenn man nun die Geschiebte einer Gegend geben will, so soll man dem Geographen folgen, der, wenn er einen Fluß beschreibt, denselben von der Quelle bis zur Mündung begleitet. So folge ich auch diesem Beispiele und tue es so gerne, weil ja selten ein menschlich Gemüt sich dem Reize entzieht, welchen die Geschichte altvergangener Zeiten, wo Tatsachen und Er- findung, Historie und Legende aneinander streifend, geheim- nisvoll einen Schleier um jene remoten Ereignisse weben; es mag dieses eine Reminiszenz aus unserer Kinderzeit sein, wo wir als Knaben so gerne Märchen hörten und in ihnen träumten. Freilich fehlen für jene Zeiten Archive und Geschichtswerke und was ältere Historiker berichten (Strabo, Plutarch, Plinius), ist lückenhaft, unklar, oft sich widersprechend. Dafür birgt aber die Gegend selbst manches, was dem Kundigen ein aufgeschlagenes Buch ist; das sind Reste von menschlichen Wohnstätten, Werkzeugen und Waffen, von Straßen, das sind Flur- und Ortsnamen und vor allem die Grabstätten, welche von den früheren Bewohnern und ihrer Kultur uns erzählen. In ähnlicher Weise ermöglichen ja dem Geologen die in den Erd- schichten eingeschlossenen Tierreste, die sogenannten Leitfossilien, eine Abschätzung des Alters der Gesteinschichten, welche sich bei dem Abkühlungsprozesse des Erdkörpers vielfach gegen- einander verschoben haben, ja es wird aus den in den weichen Gesteinen sich findenden Pflanzenresten sogar ein Schluß auf die klimatischen Verhältnisse jener Erdentwicklungsperioden sich erlaubt. So viel kann man gleich sagen: Rovereto, die heutige Stadt, hat ihre Anfänge im 10. Jahrhundert, der Ort aber, wo sie steht, sowie das Tal war schon früher besiedelt, zur Zeit Roms, ja noch früher, in der prähistorischen Zeit.

Bekanntlich war unsere nördliche Erdhälfte nach der wärmeren Tertiärzeit, vor vielleicht 100.000 Jahren, von den sogenannten Eiszeiten bedeckt. 2 oder 3 Perioden gewaltiger Niederschläge und starker Erkältung, unterbrochen von Zeiten größerer Wärme und Trockenheit; die Täler der Alpen, also auch das Etsch- tal, war von einem mächtigen Eisstrom erfüllt; der Mensch war, natürlich in entfernten Gegenden, Zeuge der Sintflut, des Diluviums Ende (vielleicht vor 15 000 Jahren), welches die in der Eiszeit entstandenen Ablagerungen darstellt, worauf das Alluvium folgte. Als die Gletscher im Etsch Sarca Inntale ge- schmolzen waren, die Berghänge und das Tal mit Grün bedeckt, von Tieren bevölkert worden, kam der Mensch in die Täler,

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zuerst als Jäger, der in Höhlen wohnte, in Tierfelle sich kleidete, den Höhlenbären, den Hirschen in Fallen, mit Speer und Pfeilen erlegte, Werkzeuge und Waffen aus Knochen und Feuerstein sich beschaffte, in rohgeformten Tongefäßen sich kochte. Solche neolithische Wohnstätten finden sich mehrere in unserm Lager- tal, bei Pomaruolo, besonders aber bei Mori, wo Prof. Orsi, ein Roveretaner, gegenwärtig Direktor der Ausgrabungen auf Sizilien, vor beiläufig 25 Jahren mehrere Kisten von Tonscherben, Knochen- resten, Messer, Pfeilspitzen, Beilen aus Feuerstein, aus einer Höhle unter den Ruinen des Castel Corte Bammelt«. Nach den Jägern kamen nomadisierende Hirten, dann seßhafte Ackerbebauer. Wessen Stammes diese Menschen waren, ist leicht zu erraten; es waren il lyrische Veneter, die durch das Brentatal einwan- derten, Etrusker, die aus der italischen Halbinsel (Umbrien) kamen, endlich Franken, welche in historisch sicherer Zeit über die Alpen in die norditalische Ebene herabgestiegen waren und Como, Brixia (Brescia), Verona, Vicenza, Feltria und höchst- wahrscheinlich auch Tridentum, den Hauptort des Etschtales, gegründet haben. Das sich ausbreitende Rom kam bald mit den Franken in Berührung, 390 erlitt es durch sie die schreckliche Niederlage an der Allia; ihre Unterwerfung gelang erst nach dem zweiten punischen Kriege, das Land südlich des Po wurde römische Provinz, nördlich eine civitas foederata. Die Verbindung mit Rom blieb aufrecht; deshalb konnte der römische Senat als 102 v. Chr. die Cimbern wiederum die Nordgrenze bedrohten, dem Konsul Lutatius Catulu« die Besetzung der Alpenpässe '. auftragen ; bei Calliano, wahrscheinlicher aber bei Trient, ver-

suchte der Konsul Widerstand, zog sich dann zurück, um im Vereine mit dem Kameraden Marius ihnen auf den Candinischen Feldern eine totale Niederlage beizubringen. Flüchtige Scharen haben dann in den Bergen südlich der Brenta und östlich der Etsch zu den sette und tredici communi Veranlassung gegeben. Das Etschtal und mit ihm Rhaetien trat in noch nähere Ver- bindung zu Rom, als Kaiser Augustus im Jahre 15 v. Chr. seine beiden Stiefsöhne zur Sicherung der Nordgrenze Italien's gegen das freie Germanica mit zwei Heeren auasandte. Tiberius zog über Curia (Chur) durch das Rheintal, wo der Bodensee am Brigantium entsteht; Drusus dringt durch das Etsch-Eisacktal über den Brenner und pflanzt an der Donau bei Augusta Vindelicorum die römischen Legionsadler auf; pons Drusi bei Bozen, ein Sieg über die Isarci am Eisack, über die Breonen

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und Genaunen am Eisack und im Inntal gingen voraus. Die Bewohner des Etschtales von Bozen abwärts, die Tridentiner, figurieren nicht unter den Namen der besiegten Stämme, welche das von Augustus bei Torbia auf den Seealpen errichtete Tropaeum aufzählte, dessen Inschrift der jüngere Plinius uns bewahrt hat; ein deutlicher Beweis, daß dieser Teil des Etsch- tales und darin unser Lagertal, schon zum römischen Reiche gehört hatte. Dadurch wurde das heutige Tirol und Vorarlberg, Veltlin und Graubünden. d. i. das Gebiet der Mittelalpen, unter dem Namen Rhaetien römische Provinz und beginnt mit diesem Zeitpunkte eine Reihe von Einrichtungen, welche für die ganze spätere Zeit von dauernder Bedeutung blieben.

In erster Linie wurde auf Befehl von Augustus selbst der Bau einer Straße begonnen, der Militärstraße Claudia- Augusta, für welche das Etschtal mit dem Eisack die natürliche Route zwischen Italien und den nördlichen Provinzen darbot und den Po mit der Donau verband. An diese Straße erinnern an vielen Stellen noch nachweisbare Reste des festgefügten Straßen- körpers und die in Nordtirol und im Süden ausgegrabenen Meilensteine; seit Cajus Gracchus, dessen Konsulat 122 v. Chr. fällt, wurden die römischen Straßen unterteilt durch solche Meilen- steine, runde starke Steinglieder, auf welchen der Name eines Kaisers, die Entfernung des betreffenden Ortes von Rom oder einem anderen Orte in Tausenden von römischen Schritten (M. P.) eingegraben wurde. In unserem Lagertal wurden böi Volano, Marani und Ala derlei Steine gefunden; ohne Zweifel lief die Straße am linken Etschufer und kam erst später eine zweite Straße streckenweise am anderen Ufer dazu.

Außerdem erzählen uns von dieser Straße zwei schriftliche Denkmäler: ein Reisehandbuch, richtiger ein Kartenwerk, das von einem gewissen Peutinger, einem Geschichtschreiber zur Zeit Kaiser Maximilian's, den Namen trägt und das aus 12 Blättern, von denen noch 11 in Wien uns erhalten sind, be- stand; das Werk stammt aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., ist auf einer Reisebeschreibung des Kaisers Theodosius basiert und zählt in dem unteren Etschtal die Stationen Tridente Sornis XXIlIl Vennum X Verona auf. Sornis liegt am rechten Ufer, wo bei dem heutigen Chizzola die Sorne in die Etsch mündet. Das zweite wichtigere Dokument ist das Itinerarium Antonini oder wie es heißt: Vetera Romauorum itineraria. Darin heißt es: Weg von Augusta Vindelicorum (Augsburg) bis Verona

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M. P. CCLXII (262 Tausend römische Schritte) mit folgenden Stationen :

Abuzaco M. P. XXXVI Partano (Partenkirchen) XXX Veldi- dena (Wüten) XXX Vipitenum (Sterzing) XXXVI, Sublavione (Sehen) XXXII, Endidae (Egna?) XXIIII, Tridento XXXIIII. Von Trient aus teilte sich die Straße, ein Arm durch das von beiden Seiten offene und daher schon früh besuchte Val Sugana (Ausugum) über Feltria nach Odergo und weiters nach Aquileja, das Haupt- festung und Handelsstadt des römischen Reiches war, und weiter, was uns interessiert, in südlicher Richtung: ad Palatium XXIIII Verona XXXVI. Von Trient bis Verona zählt demnach die Römerstraße 70 Tausend römische Schritte und da der Schritt zu 5 Fuß k 0*29 cm gleich 147 m kommt, 103*5 km. Die Eisen- bahnlinie von Trient nach Verona mißt 90 km, die Differenz von 13*5 km darf nicht Wunder nehmen, wenn man bedenkt, daß die Bahnlinie dank der durch die neuen Mittel möglichen Felsensprengungen und Aufschüttungen eine gerade Linie einzu- halten vermag, während die Römerstraße den vielfach gewundenen Lauf des Flusses zur Vermeidung von Brücken einhielt und an der Lehne des buchtigen Gebirgs hinzog, um die Sümpfe und Wässer der Talsohle zu vermeiden.

Was sagt nun das Wort „ad palatium ?" „In der Nähe des Palastes". Palatium hieß in Rom das Haus des Kaisers auf dem Palatin ; Palatium hieß jeder Ort, wo die Kaiser in den Provinzen vorübergehend wohnten, z. B. in Aquileja, in Cremona, Placentia. Es ist nun einleuchtend, daß der Kaiser, wenn er, wie es öfter geschah, die Nordprovinzen bereiste, die Strecke von Verona bis Trient nicht in einem Tage zurücklegen konnte, daß demnach irgendwo in diesen wilden unwirtlichen Talschluchten eine Stätte bereitet sei, wo der Kaiser Unterkunft, Verpflegung, Pferde und durch eine Besatzung auch den nötigen Schutz zu finden ver- mochte. Ahnliche Verhältnisse galten auch den Generalen und höheren Beamten, wenn sie mit einer sogenannten Tractoria, wir würden sagen „Marschroute", zu reisen hatten. Nun trat im Mittellateinischen an die Stelle des Wortes palatium das Wort Halla, hala, im älteren Italienischen auch alla, weil ja der Italiener das „h" nicht ausspricht, unser deutsches „Halle", das halle der Franzosen; nicht weit von der Stelle, wo der Meilen- stein mit ad palatium gefunden wurde, war demnach ein kaiser- licher Palast, d. h. dort, wo jetzt die Stadt Ala liegt, die in älteren Dokumenten wirklich öfter Halla und Alla heißt und wo

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noch ein Grundstück die Bezeichnung „ai Palazzi" trägt. Wie an den Palast sich dann eine Ortschaft angeschlossen hat, ist nicht bekannt, aber die Entstehung der heutigen Stadt Ala wohl er- klärlich.

Diese Straße, welche die römischen Soldaten mit den unter- worfenen Stämmen bauten, in Kastellen bewachten, (Prataglia und L i z z e n a rühmen sich dieses Ursprunges,) zogen die Legionen, die Proviantkolonnen, der Kaufmann, kam der römische Bürger, um Grundbesitz zu erwerben, Niederlassungen zu gründen, wo Sklaven und Eingeborene das Feld bestellten, der Herr vielleicht den Sommer zubrachte. So erklärt sich die Auffindung von zwei Grabsteinen bei Avio, welche die Namen von zwei Seviren tragen, welche zu den sechs obersten Priestern der Kaiser Augustus und Claudius gehörten und gewiß hier nicht ihren Amtssitz hatten (das Wort Avio = a via, fern von der Straße, zeigt, daß der Hauptweg am linken Etschufer ursprünglich lief) ; so erklären sich die Namen vieler Orte von ihren Besitzern : wie man Bozen von einem Baudiamus ableitet, so stammt Mori von einer gens Muria, Lizzana von einem Licinius, Savignano von einem Sabinius, Marco von einem Marcus. Die Ansiedlungen mehrten sich, zumeist und in erster Linie an den Berghängen des rechten Ufers, welche den Gruß der aufgehenden Sonne empfangen ; so zieht sich von Brentonico bis Nomi eine dichte Kette von Niederlassungen, wie die zahlreichen Grabstätten es bezeugen, die in das Seitental von Loppio und hoch hinauf ins Tal von Gresta sich erstrecken. Aber auch an der Lehne der linksseitigen Berge wohnten die Leute, im besonderen sind Marco und Lizzana reich an Gräbern und auch in Rovereto, in der Stadt, auf den umliegenden Hügeln, kamen Gruppen von Gräbern zu Tage, welche die Existenz von Weilern „pagus" bezeugen, die sich zu einer Gemeinde „vieusu vereinigen konnten, welche ihre kleinen Tempel, ihre Obrigkeiten magistri oder aediles, hatten. Die östlichen Seitentäler des Leno, Vallarsa und Terragnuolo scheinen nach den nur ganz vereinzelten und spärlichen Funden wenig bewohnt gewesen zu sein.

Die meisten der Grabstätten gehören der niedersten Be- völkeruugsklasse an, finden sich in Gruppen auf Gemeindegrund, bestehen aus fünf Steinplatten, vier seitlich, eine als Deckel; manchmal wird dieser durch einen Ziegel oder behauenen Stein ersetzt, welcher mitunter rohe Schriftzeichen, auch den Stempel der Fabrik trägt. Andere Grabstätten sind aus gebrannten Ziegeln, von verschiedener Form zusammengesetzt und hat der Deckel

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oft die Form eines Daches, mit seinen zwei geneigten Seiten- flächen.

In den meisten findet sich die Knochenasche in einem rohen Tongefäße, daneben Salbengefäße, Nadeln, Bronzemünzen, seltener andere Gegenstände als Waffen, Schmuck, Werkzeuge, z. B. Laternen, eine Schafschere; Münzen und Schmuck aus Edelmetall sind selten, vieles mag in früherer Zeit gefunden und verkauft worden sein; interessant ist, daß gerade in den westlichen Seiten- tälern Ornamente aus Silber und Gold relativ häufiger waren, so z. B. in den höchsten Ortschaften Chienis - Rouzo von Gresta, Ringe, Ohrgehänge und ein Armreif (Schlange von 25 cm Durch- messer) von Gold.

Besonders zahlreich sind die Grabstätten bei Tierno, bei Mori (hier besonders aus Ziegeln), bei Isera und Brancolino in einer Örtlichkeit, die durch ihren Namen doss pagano (Heiden- hügel) an ihre frühe Benützung erinnert, in Savignano, wo man vor beiläufig 40 Jahren eine Feldmauer aus den Platten formierte. Neben den Brandgräbern finden sich auch Skelettgräber, sie stammen aus späterer Zeit, aus dem 2. Jahrhundert. Die Münzen erinnern an die beiden An ton ini 138—180 n. Chr. oder weiter aus der christlichen Epoche. Äußerst selten sind die Sarkophage und die wenigen ohne Verzierungen und Reliefbildwerk, ein Zeichen, daß sie nicht über der Erde unseren heutigen Grab- mälern entsprechend aufgestellt, sondern gleichfalls in die Erde versenkt waren.

Nach den Fundbeigaben stammen die tiberwiegenden Gräber aus der Kaiserzeit; die prähistorischen keltorhätischen sind selten; merkwürdigerweise wurde in dem hoch über Isera gelegenen Dorfe Lenzima eine Grabschrift aus der Zeit der Republik, die älteste im ganzen italienischen Tirol, gefunden.

Mit der Besitzergreifung des Landes kam auch die römische Sprache nach Rhaetien und in unser Etschtal, welcher sich die unterworfenen Stämme bald, und wie scheint, willig, akkomo- dierten. Aus der Vermischung der römischen Volkssprache und der keltisch rhätischen entstand die romanische Sprache, speziell in Tirol und den angrenzenden Gebieten der Schweiz und Italiens (Graubünden und Friaul), dann Vorarlberg, die ladinische. In den Haupttälern wich im Verlaufe des Mittelalters dieselbe unter dem Einflüsse der Deutschen und Italiener, die Romanen wurden germanisiert oder italienisiert; in den Seitentälern valle di Non, Groden, Enneberg, Fassa erhielt sie sich noch ohne eigentliche

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Schriftsprache, in mehreren Mundarten, auf Grund ihrer gemein- schaftlichen Abstammung mit den anderen romanischen Sprachen auf belgischer, französischer und hispanischer Erde in morpholo- gischer und phonetischer Richtung noch manches gemeinsam be- wahrend. So brachte die „Innsbrucker Nachrichten" in ihrer Nummer vom 29. Jänner 1. J. eine Notiz, wonach ein Professor Brugnes aus Barcelona sein Erstaunen bekundete, daß er mit den Bewohnern von Enneberg sich in seiner Mundart verständigen konnte. Auch die Catalonen sind ja Romanen und hieß einmal Catalonien Gothalonga.

Und dann folgte die römische Religion; an Stelle des einheimischen Saatengottes traten die altrömischen und griechischen, besonders aber die asiatisch-ägyptischen Gottheiten, der Kultus des altiranischen, dann persischen Sonnengottes Mithras, von welchem außer einem Bilde in Mauls im Eisacktale und bei Mechel und in der Tresangaschlucht im Val de Non eine Statue bei Sanzeno in einer Grotte vor kurzem gefunden wurde, der Isis und des Osiris. Die waffenfähige Mannschaft der Tridentiner, Isarker, Breonen, welche in das römische Heer eingereiht worden, brachten aus Syrien und Afrika jene fremdländischen Gottheiten in die. Heimat.

Und als durch Konstantin den Großen das Christentum zur Staatsreligion erhoben worden, da wichen wieder die Heiden- götter dem Glauben des Gekreuzigten; zuerst in den Städten und großen Orten, allmählich auch unter den Bewohnern des Landes, den kleinen Ortschaften (pagus daher die Bezeichnung paganus für Heide). Der heilige Vigilius wirkte schon zu Ende des 4. Jahr- hunderts in Trient (f 404), seine drei Diakonen, welche er als Glaubensboten in das Nonstal gesendet, starben 397 in dem obenerwähnten Sanzeno den Märtyrertod; so ist kein Zweifel, daß auch im untern Etschtal schon in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts das Christentum Eingang gefunden hat. Die älteste Kirche dürfte in Lizzana entstanden sein, welches im Mittelalter bis ins 15. Jahrhundert als die Pfarre „Pieve" für das mittlerweile herangewachsene Rovereto und für Vall'Arsa und Torragnuolo fungierte.

Während dieser langen Periode der Kaiser war das ganze Gebiet in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse von Tridentum das des Titels eines Muuizipiums, später (nach Marc Aurel) einer römischen Kolonie sich erfreute; auf dem nahen, von seiner Form „Verruca die Warze" genannten Felsblock, dem heutigen

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doss di Trento, die Burg, das Kapitol, hatte, der Sitz verschiedener hoher Magistratspersonell war, von denen unter andern ein Flamen Romae et Augusti, die Dekurionen und von militärischen Würden- trägern ein Legatus Appuleius, dann ein Tribun der 3. italischen von M. Aurel dorthin gesandten Legion etc. Erwähnung ver- dienen. Da das ganze nordwärts des Po gelegene Land nach italischer Ordnung in Stadtgebiete zerfiel, war der Einfluß der Civitas Tridenti, welches mit den Gebieten von Feltria, Verona und Brixia (Brescia) gerade im untern Etschtal grenzte, ein be- deutender.

Und so teilte nun Rhätien und in ihm unser Lagertal alle Geschicke des römischen Reiches in der Kaiserzeit, seine Größe an Land und Macht, seine Blüte in Kunst und Kultur, aber auch seinen allmählicher Verfall. Wohl schien Rom unvergänglich ; wußte ja H o r a t i u s, ein Zeitgenosse des Augustus, keine bessere Un- sterblichkeit für seinen Dichterruhm als die der Weltherrschaft und der Religion Rom's, wie Prof. Lindner aus Halle seine neue Weltgeschichte seit der Völkerwanderung einleitet; die Entfernung der Provinzen vom Zentrum, der Verfall der Sitten, das Überwiegen germanischer Söldner im Heere, die Unsicher- heit auf dem Kaiserthron, brachten seinen Sturz. Ricimer 456, ein Sueve, dann Orestes aus Pannonien, nach ihm Odovakar 476, waren die germanischen Heerführer, in deren Hände die Macht kam, wenn sie auch noch das in Byzanz fortdauernde Kaiser- tum anerkannten ; auch in wirtschaftlicher Richtung war eine Ver- änderung eingetreten, indem die Truppen statt wie bisher beim Bürger ein Drittel des Hauses zu benützen und die Verpflegung aus den Staatsmagazinen zu erhalten die sogenannte Hospi- talitas ein Drittel des Bodens und Hauses als wirkliches Eigentum erlangten.

Es folgt das Reich der Ostgoten; Theodorich, einer der größten Helden und Staatsmänner, den ein italischer Schrift- steller nicht mehr zu preisen vermag, als daß er das Land glücklich nennt, welches von einem solchen Barbaren beherrscht wird. Als es zum Sterben kam nach 38jähriger Regierung, schickt er so erzählt Felix Dahn in seinem „Kampfe um Rom" seinen tapfern Grafen Vitiges, das gotische Fußvolk in Trident zu mustern; das ist dichterisch; historisch ist, daß Theodorich durch einen Sieg über den Bayernherzog Theodosius die Nord- grenze des Reiches, welche schon lange nicht mehr an der Donau stand, (520) bis nach Bozen zurückverlegt und Trient, dessen

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Mauern aus der Rhätier- und Rörnerzeit durch Kriege und Erdbeben gelitten hatten, neu aufrichten ließ. Cassiodorus, sein Minister, gab den Bewohnern von Feltre den Befehl des Königs, an der Befestigung als Nachbarn teilzunehmen; endlich schreibt Theo- dor ich an die Goten und Romanen, welche die Umgebung der Veruca bewohnen, daß sie sich hier niederlassen, wo die Natur in dem Felsen ein sicheres Bollwerk geschaffen hat. Für den Militär ist es gewiß interessant, was Cassiodorus hiezu schreibt: „Die Veruca, deutsch Warze, ist ein Schloß, das von seiner Lage den Namen hat: mitten in der Ebene ein runder Felsblock wie ein Turm, an der Basis von geringerem Umfange als oben, eine Feste, die sich selbst verteidigt, in welcher der Belagerte nichts zu fürchten hat, der Schlüssel der Provinz, ein Schloß einzig in der Welt, das mit vollem Recht auch als das älteste angesehen werden kann". In Trient und Treviso hatte Theodorich auch große Magazine errichtet, welche bei einer Hungersnot große Dienste leisteten.

555 war das Goteureich wieder vernichtet, weder die durch Schönheit wie Bildung hervorragende Tochter Amalasuntha, noch der tapfere Witiges, der ideale Totitas, der schönste der Goten, noch der fatalistisch finstere Tej as konnten es retten. Als die Goten noch in Süditalien gegen Narses fochten, rief der oströmische Kaiser Justin ian die Franken gegen sie zu Hilfe; sie folgten, kamen aber auf eigene Rechnung (539) und hielten wenigstens durch 20 Jahre das Gebiet der Alpen besetzt, bis Narses sie daraus vertrieb und Trient neuerdings unter die oströmische Herrschaft (Exarchat Ravenna) brachte (554), aber nur für wenige Jahre; denn 568 brachen aus Pannonien über Friaul die Lango- barden mit anderen germanischen Stämmen in Italien ein und brachten Norditalien und die angrenzenden Alpengebiete in ihre Macht. Das Land wurde in 36 Herzogtümer geteilt, eines der mächtigeren war Trient.

Die Geschichte lehrt uns, wie grausam die Langobarden und ihre ersten Könige Alboin und Olef den Unterworfenen gegenüber auftraten. Als Arianer verschonten sie nicht Kirchen und Priester, die Römer wurden wie vom Heerdienst auch von allen Ämtern ausgeschlossen, sie waren einfach Unterworfene und wurden nach Kriegsrecht behandelt.

Der Name des ersten Herzogs von Trient ist uns in der Geschichte bewahrt: Evin; die Nordgrenzen des Herzogtums reichten in dem beständigen Kampfe mit Franken und Bajovaren

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wechselnd bis in die Gegend von Bozen (Etschlinie) und zeitweise nur bis zum Noceflusse. Nach einigen Autoren sollen die Namen Mezzolombardo und Mezzotedesco noch an die metalombarda und tedesca erinnern. Mezzotedesco heißt gegenwärtig nach dem alten darüberliegenden Schlosse Kronmetz, mezzocorona. Als in einem Kampfe mit den Franken sich der feste Ort Anagnis den Franken ergab, sandte E v i d den Grafen von L a g a r e (comes Lango- bardorum de Lagare Ragilo nomine) gegen sie, welcher Anagnis erstürmte und plünderte, am Rückwege aber vom Frankenherzog Cramnichis besiegt und getötet wurde. Jener Graf Ragilo war Herr im Lagertal; wo Castrum Anagnis stand, darüber sind viele Meinungen; Paul Diacon bezeichnet es näher mit den Worten: ober Trident an der Grenze Italiens; das Schloß Nano an der Tresengaschlucht im Nonstal, das noch erhaltene Schloß Egna ober Neumarkt im Etschtal wird dafür gewöhnlich an- gesehen; ein neuer Autor verlegt sie in die Gegend des heutigen Sanzeno (Major B e r tag n o Ii von dort gebürtig), in dessen Nähe die Reste eines bedeutenden Ortes sich finden; die Ruinen be- decken eine Fläche von 1 qkm, sind von Mauern und Türmen eingeschlossen, zahlreiche Räume sind nachweisbar, darunter solche, die offenbar als Magazine dienten (große Mengen ver- kohlter Getreidekörner und Linseu), Waffen, Münzen. Bertagnoli bezieht den Ort, dem er den Namen Anagnis beilegt und von dem das ganze Tal Anagnia, Anaunium, benannt wird, auch auf die Stätte, wo die drei Glaubensboten des Bischofs von Trident, des heiligen Vigil, getötet wurden und der heutige Ort nach dem Führer derselben Sisinius, Sanzeno, heißt.

Nach einem kurzen Interregnum wählten die Langobarden- herzoge wieder einen König Autari, 585, der das Reich, wie die späteren Nachfolger, bis nach Unteritalien (Spoleto, Benevent) ausdehnten, Rom und Ravenna aber nicht zu nehmen vermochten. Autari verlobte sich mit der Tochter des Bajovaren- herzogs Theudelinde; in der Nähe des heutigen Borghetto, wo im Mittelalter ein Hospiz uud heute noch die Kirche S. Leonardo in Sardibus steht, wurde das Beilager gefeiert. Die fromme, dem Papste Gregor dem Großen ergebene Königin schenkte, bald Witwe geworden, dem nahen Kirchlein S. Pietro, in Bosco einige kostbare Reliquien. Im Volke erhielt sich die Kunde von Schätzen, die das noch heute stehende Gotteshaus berge; 1803 wurde genauer im Innern nachgeforscht und als man den Altar weghob, fand sich darunter ein römischer Meilen-

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stein, der die eingangs erwähnten 24.000 römischen Schritte des Itinerariums zeigt und die Namen des Kaisers Magnus Maximus) und seines Sohnes Flavius Viktor (383 388) trägt. Die Langobarden, welche anfangs noch ihr eigenes Recht gebrauchten (König Rothari sammelte es 643 im „edictus") verschmolzen allmählich mit den Römern, von denen sie die lateinische Sprache schon vom Anfang benützt hatten, besonders als sie um 650 vom Ariacismus ließen, und wurden romanisiert. 590 fallen die Franken wiederum ein, zahlreiche Städte und Burgen in Oberitalien und Veronesischen wurden zerstört, im Gebiet von Trident 10 Burgen, darunter Brentonico und Volanes im Lagertal, wo den Namen Destor = decem torres = Zehntürme noch einige Hügel tragen und in den Feldern vielfach Fragmente von Ziegeln und Reste von starken Mauern alter Konstruktion sich zeigen. Südlich nicht weit davon mochte das früher erwähnte Standlager rligerisu gewesen sein, das Goten und Langobarden und wahr- scheinlich vor ihnen d«'e Römer schon besetzt hielten, um die daselbst vorbeiführende Heerstraße, die obenerwähnte Via Claudia Augustazu halten und einem Gegner von Norden Stand zu halten. Nur Trient wurde vor Plünderung und Zerstörung bewahrt, auf die Bitten seines Bischofes Agnello gegen die Zahlung von einem Goldsolidus für jede Person. Ein solcher solidus hatte bei einem Gewicht von 4'5 g einen Münzwert von mehr als 15 Kronen, Kaiser Konstantin hatte ihn 312 eingeführt und galt er als Reichs- und Weltmünze bis zum Untergange des byzantinischen Reiches.

Während der fast 200jährigen Herrschaft der Langobarden wurde das Land südlich von Bozen von Krieg wiederholt heim- gesucht, die Grafschaft Bozen von Bajovaren und Langobarden besetzt. Die Feindseligkeiten, welche zwischen den Päpsten und den letzten langobardischen Königen A i s t u 1 f und Desiderius Uber die Vorherrschaft über Italien unvermeidlich eintraten, zogen die Einmischung der Fraukenkönige Pippin und Karl (des Großen) nach sich, das Reich wurde bis aui kleine Teile im Süden (Herzogtum Benevent) mit dem Frankenreiche vereinigt (774). Die Langobarden hatten in einem ihres Stammes, dem Paulus Dia conus, Sohn des Warnefrieds, einen getreuen Geschicht- schreiber; als Mönch in S. Cassian schrieb er, u. zw. in ziemlich guter lateinischer Sprache, eine historia romana und eine „de gestis Langobardorumu.

Das Volk der Langobarden, gering an Zahl, ver. chmolz besonders nach dem Übertritte vom Arianismas zum orthodoxen

Oriran <ler MUiUrwUsen«ctaaftliehen Vereine. LXXHI. Bd 1906. 29

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Glauben allmählich mit dem Volke Italien18 zu einem Volke; in der italischen Sprache sind nach den Gelehrten kaum 150 Worte von der Sprache der Barbaren erhaltea; blonde Haare, blaue Augen und hohe Gestalten erinnern noch heute in der Lombardei an langobardische Abstammung, sowie Orts- und Familiennamen auf ango und ingo.

Karl der Große, welcher durch Savoyen, durch die Schweiz und über dem Tonal nach Italien gezogen war, hatte anfangs in Trient einen Grafen Rupert, 777, eingesetzt und als dieser von dm Bajovaren getötet worden, da& ganze Gebiet des heutigen Tirol vereinigt und nach seiner Gewohnheit in sieben Gaue geteilt, von denen der südlichste vom Avisio abwärts Mark- grafschaft Trident hieß. Diese Einteilung bezw. Vereinigung hielt sich nicht lange; schon unter seinem Sohne und seinen Enkeln kam Trient zum Königreich Italien; später unter Otto L mit der Mark Verona zu Bayern, noch später unter Otto II. beide zum Herzogtum Kärnten. Karl schenkt dem Bischof Albert von Trient das Schloß Tenuo, Riva und Stenico; eine Inschrift von letzterem gibt dieses kund.

Eine interessante Talsache verdient angeführt zu werden : Lotar, 829, erließ über Anregung des Mönches Adelard ein Capitolan, wonach die Jugend Italien's zum Studium an gewisse italienische Städte gewiesen wurde, darunter di«> von Mantua und Trient an Verona.

Unter Liutfred, dem Grafen von Trient, fand 845 ein placetum publicum, ein öffentliches Gericht, dortselbst in einer Streitsache des Abtes von S. Maria in organo in Verona gegen einen Lupus aus Mori, der sich der Hörigkeit des Klosters entziehen wollte, statt; unter den vorgerufenen 18 Zeugen finden wir die Hälfte aus dem Lagertal: einen Yihso von Mar es, Andelpert von Villa, Martin und Gundald von Avio, Manronto von C a 8 1 i o n e, Brunald von T i e r n o, Gisempert von L e n z i m a. Ich erlaube mir diese Eigennamen anzuführen, weil aus ihnen sowie den in den späteren Jahrhunderten noch vorkommenden deutschen Personennamen sich erkennen läßt, daß im Lager- tal ein Grundstock alter deutscher Bevölkerung nachgewiesen werden kann.

Im Jahre 883 fand nach den Annalen, welche in der von einem Schüler des heiligen Bonifatius gestifteten Abtei Fulda sich fanden, vom östlichen Berghange des Zuna ein Bergsturz statt, der zwischen Lizzana und Marco das Tal in seiner ganzen Breite,

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auch über die westlich fließende Etsch hinüber, in einer Aus- dehnung von 350 ha mit Schutt und Steintrüminern bedeckte und den Fluß auf einige Zeit staute; das Volk nennt diese Trüinmer- landschaft slavini, lavini; neuere Geologen fuhren ihren Ursprung auf einen urweltlichen Gletscher des Etschtales zurück; mensch- licher Fleiß hat in diesem Steinmeer oft bloß einige Quadratmeter messende Stellen zur Weingartenkultur bearbeitet, die in manchem weniger trockenen Jahre ein vorzügliches Produkt ergibt.

Nach dem Aussterben der Karolinger in Deutschland folgte Wahlkönigtum; schon unter den letzten Nachkommen des großen Karl begann in Deutschland die frühere Herzogsgewalt auf- zuleben, die von jenem durch beine Einteilung des Reiches in Gaue in Vergessenheit geraten war; der König wurde von den Herzogen von Schwaben, Bayern, Frauken, Lotharingen und Sachsen gewählt, welche, selbst mächtig, so wenig als möglich dem Könige Macht über sich gönnten. Die Könige waren des- halb gezwungen, sich Stützen und Freunde gegen die Herzoge zu erwerben und zu erhalten; außerdem war eines jeden Streben sich die römische Kaiserkrone und dadurch das äußere Zeichen des Herrschers des oströmischen abendländischen Kaisertumes zu gewinnen, das Karl der Große 800 wieder erneuert hatte, und Italien zu besitzen, in welchem meist einheimische Fürsten regierten. So darf es uns nicht Wunder nehmen, daß König Konrad IL, wie er durch das Gesetz über die Erblichkeit der kleinen Lehen die Macht der großen Vasallen einengte, durch die Verleihung der vom Herzogtum Kärnten wieder getrennten Mark Trient, 1027, an den dortigen Bischof Udalrich, wozu er später noch die Grafschaft Bozen und Venosta (Vintschgau) reihte, in diesem neuen Reichsftirsten sich einen treuen Anhänger schuf. Da auch der Bischof von Säben in ähnlicher Weise Landes- herr von dem anschließenden Norital, das vom Brenner bis unter Klausen reichte, wurde, so hatte der deutsche König auf diese Weise auch den Weg zur Kaiserkrönung in der Hand, die alte Röraerstraße über den Brenner bis zur Veroneser Klause. Und was das sagen will, erhellt deutlich, wenn man bedenkt, daß über den Brenner, den niedrigsten, auch zentralen, zu jeder Jahreszeit passierbaren Alpenpaß von 144 sogenannten Römer- zügen von und nach Italien, deren 66 gingen und über ihn auch die bedeutendste Welthandelsstraße eine Zeit führte.

Das Lagertal gehörte zum neuen Fürstentume Trient; der Fürstbischof belehnte nun, wie der König und die alten Herzoge

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in Deutschland, mit Landgebiet Vornehme und Herren, welche dasselbe entweder schon früher vom Reiche besaßen oder für geleistete Dienste von ihm selbst erst erhielten. Definiert ein italienischer Historiker (Perini 1835) ja treffend das Lehenwesen als: einen Dienst mit den Waffen gegen Belohnung im Land- besitz „un servizio nelle armate e delle terre in ricorapensa". Wahrscheinlich blieben die antiken Burgen Avio, Lizzana, Pra- daglia, Barco, Beseno mit Pietra (Stein am Kallian) im Besitze ihrer früheren Herren ; im Vintschgau belehnten die Bischöfe ein Grafengeschlecht mit dem Vintschau und dem westlichen Teile der Grafschaft Bozen, mit ihrem anderen Teile die Grafen von Eppan, die Herren von Fla von mit dem Nonstal; und so ent- standen im südlichen Teile weiter die Grafen vonLodron, von Arco und von Barco, letztere für einige Jahrhunderte das mächtigste Geschlecht im Lagertal, das in verschiedenen Linien allmählich das ganze Tal in seinen Besitz bekam und zu den obengenannten alten Burgen neue baute. Aber wie in Deutsch- land die Herzoge gegenüber dem König, so zeigten sich auch die Lehensträger im Fürstentum Trknt widerspenstig und unbot- sam gegen ihren Lehensherren ; ja die Grafen von Vintschgau, welche von der Burg auf dem Kuchelberge bei Meran, wo einst die Römerfestung Teriolis stand, sich benannten und später dem ganzen Lande den Namen gaben, gelangten durch Erbschaft und glückliche Kämpfe zu immer weiterer Macht und beherrschten als avvocati und vicari des Bischofs ihren Herrn faktisch. Als der letzte des Geschlechtes, Albert III. starb, 1253, reichte seine Herrschaft von Finstermünz bis nach Trient, ja in einem gewissen Sinne bis zur Bernerklause. In ähnlicher Weise über- hoben sich auch unsere Castelbarco; die Ähnlichkeit ihres Wappenbildes : ein doppelgeschwänzter aufrechter Löwe mag durch seiDe Ähnlichkeit mit dem böhmischen Wappen zur Sage Veranlassung gegeben haben, daß sie von einer königlichen Prin- zessin aus Böhmen stammten; geschichtlich ist, daß Kaiser Lotar der Sachse, 1138, auf seinem Römerzuge einen seines Gefolges, Engilbert, auf das Schloß Barco setzte, dessen früherer Herr dem Kaiser den Durchzug verwehren wollte.

Die Castelbarker verbanden sich mit den lombardischen Städten zum gemeinsamen Kampfe gegen Kaiser Friedrich I. den Rotbart und seinen getreuen Bischof von Trient; als nun nach der Niederlage bei Legnago, 29. Mai 1176, ein Kongreß auf neutralem Boden, 1177, nach Venedig zu Stande kam und der

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Bischof Adalbert dorthin zu seinein Herrn sich begeben wollte, wurde er in der Nähe von Rovereto von einem Aldrighetto Castelbarco durch einen Lanzenstoß getötet. An der Mauer des heutigen Franziskanerklosters wurde später eine Inschrift an- gebracht, die den Tod des Bischofs, der als Märtyrer und Heiliger bezeichnet wird, mit falscher Jahreszahl, 1161, der Nachwelt verkündet. Die Bischöflichen verbrannten zwei Schlösser der Hareo dafür.

Um diese Zeit begann Rovereto zu entstehen ; über dem Leno bestand schon längere Zeit eine Brücke, daneben eine Zollstation; Häuser reihten sich an, auf der nahen Burg Lizzana saß sein Dynast. Als Zeuge erscheint 1154 ein Liutus de Ruveredo, 1211 wird ein Haus des Konrad genannt (apud domum Coradi), wo ein Regenerard von Rovereto seinem Dynasten Felder schenkt; 12 37 werden drei Männer aus Rovereto mit vier aus Lizzana von dem kaiserlichen Richter aus Trient zur Ein- fangung von Räubern beauftragt. In der ersten Hälfte des

13. Jahrhunderts saß auf dem Schlosse Lizzana, in welchem Kaiser Heinrich H. aus dem Sachsengeschlechte 1014 gewohnt hatte, ein Graf Jacopus, der sich wiederholt gegen den Bischof empört hatte, und eine Zeit lang geächtet und gefangen war; von ihm ist eine Urkunde erhalten, in der ein Manfredus, einer von seinen Leuten, bestimmt wurde, für ihn Recht zu sprechen in der Gemeinde Lizzana auf dem Gebirge und in der Ebene den Teutonicis und Latinis. Als mit seinem Sohne Jaco- bin us der Mannesstamm ausstarb, erbte als Eidam ein Caste- larco. Rovereto war währenddes schon größer geworden, heißt bald villa, bald terra, auch burgum; dazu kommt endlich ein Lebzeichen auch von seinem Schlosse, das durch seine oft ab- weichende Benennung Kasteljunct, Castrum Junkuli, in einer Urkunde von 1355 Castringnunculum de super terra Rouredo (Schloß über dem Orte Rovereto), wahrseheinlich als ein Kind des alten Lizzanaschlosses sich erkennen gibt. Einer der vor- nehmsten war Graf Wilhelm. Ende des 13., anfangs des

14. Jahrhunderts. Vom Bischof wurde er zum Generalkapitän der Judikarien, von den Scaligern dreimal zum Podestä von Verona gewählt; bei der Freundschaft mit den Scaligern ist es leicht begreiflich, daß Dante, welcher seit 1302 als Verbannter aus seiuein Florenz am Hofe des can grande, des Herrn „von der Leiter**, weilte, auch auf die Burg Lizzaua gekommen sei und dort Gastfreundschaft gefunden habe.

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Naturgetreu schildert eine terzine in der divina commedhi des unsterblichen Dichters und Gelehrten (12. Gesang der Hölle) den Bergsturz zu den Füßen des Schlosses:

„quäl' 6 quella ruina che nel fianco

Di qui da Trento )'A<lige percosse

O per tremuoto o per sostegno manco*.

Überm Tor der Einfassungsmauer des Schloßhügels. welches noch zwei Mauern und ein großes Gewölbe von der alten Burjr trägt, ist seit ungefähr 40 Jahren eine Tafel, welche in begeisterten Worten verkündet, daß Dante hier geweilt hat.

1388 schworen mehrere Castelbarco (darunter der von Gresta) den österreichischen Herzogen, welche als Erben der Margarete Maultasch seit 1363 Tirols Herrschaft innehatten, den Eid der Treue, demzufolge sie nur dein Fürstbischof und den Grafen von Tirol ihre Schlösser offen halten werden. In einer auf Anordnung des Fürstbischofs 1339 vorgenommenen Volkszählung wird Rovereto mit 216 Feuerstellen, ungefähr 1000 Einwohnern entsprechend, angeführt; außerdem werden auf- gezählt: die Gemeinde von Gardumo (vall di Gresta) mit 207, die Castellania von Pradaglia mit 179, die Castellania von Castel- corno mit 44, von Castelnuovo mit 136, Castellano mit 65, die von Castel Barco mit 117, dann die gestaldia von S. Ilario mit 9 Feuerstellen. Sacco mit 65 Feuerstellen unterstand Rovereto.

Der Hader zwischen Ghibellinen und Guelfen (Hohenstaufen und Weifen) beherrschte auch die Politik der Herren im Lagertal; die Bischöfe hielten zu den ersteren, die Castelbarker häufig zu den letzteren. Die Lage der Bischöfe war keine beneidenswerte ; ein italienischer Schriftsteller sagt treffend, daß von Norden sie der Adler vom Schloß Tirol mit seinen Fängen zu packen versuchte, während vom Süden Ezzelin da Ro magna. Friedrich II. Eidam und Haupt der Ghibellinen, des Teufels Ebenbild, wie ihn ein Mönch auf der Kanzel nannte, beraubte. Um diese Zeit zählte die Familie der Castelbarco sechs Linien, die sich nach ihren Hauptschlössern nannten, von Avio, Brentonico, Lizzana, Beseno, Gresta und Castellano; alle waren ein wetterwendisches Geschlecht; früher Freunde der Scaliger, als diese mächtig in Verona herrschten, wandten sie sich den neuen Herren von Mailand zu, den Visconti, welche Verona, Vicenza und den Gardasee okkupierten, endlich schlössen sie 1405 mit der Republik Venedig einen Vertrag ab, der in nicht weniger als 20 Punkten ein gegenseitiges Schutz- und Trutzbündnis feststellte, in welchem

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die Castelbarco sich selbst als gute Söhne, Diener, Freunde, Zu- gehörige uod Empfohlene der Republik nennen, während diese sich zu Subsidiarzahlungen an jene (25 50 Dukaten monatlich für jede Linie), sowie zur Beistellung von Truppen für sie sich ver- pflichtete. Zuletzt 1410 setzte der Herr auf Avio, dem damals auch Brentonico und Ala gehörten, für den Fall, als sein Sohn stürbe, die Republik zu seinem Erben ein; und als dieser Sohn dem Vater noch im selben Jahre im Tode folgte, nahm Venedig die drei obengenannten Schlösser mit dem Monte Baldo in seinen Besitz, mit der Absicht, durch kluge Politik oder Gewalt sich des Lager- tales, womöglich auch der reichen Handelsstädte Trient und Bozen zu bemächtigen. Den neuen Untertanen wurde mit größtem Wohl- wollen begegnet, Nachlaß aller Schulden gegenüber den Herren, Übernahme der Besoldungen für Richter und sonstige Angestellte durch die Republik, Bezahlung aller Guthabungen, die den Unter- tanen gegenüber den Castellbarco zustehen, durch den neuen Herren, Befreiung von Zoll und Patenten für jede Art Handels- geschäfte zugesichert; den Bewohnern von Brentonico überdies noch volle Amnestie für jene, welche je der Republik feindselig sich gezeigt oder Gegenstände aus dem Schlosse vor der Besetzung durch venetianische Truppen fortgetragen haben.

Unter dem Titel der Allianz legte Venedig Kriegsvolk in die Burg von Rovereto, Pietra und Beseno, und als Herzog Friedrich 1413 letztere zu belagern sich anschickte, wurde er von dem Proveditor in Verona unter Verlust von 350 Gefangenen und einigen Toten zurückgeworfen. Gewiß beugten sich die Castel- barco nur schweren Herzens; der Herr von Rovereto Aldri- ghet, entfernte sogar die venetianisehe Besatzung aus dem Schlosse, worauf Venedig am 4. Oktober 1416 die Stadt besetzte; Herzog Friedrich kam mit 1500 Mann zu Hilfe unterdessen hatte sich auch das Schloß durch Bestechung des Kommandanten an Venedig ergeben; Friedrich macht nun einen Tausch: Aldrighet übergab il.m formell Rovereto und Pradaglia gegen Ausfol-rung der Grafschaft Nomi und überließ Rovereto an die Venetianer gegen eine große Summe In dem auf solche Weise gewonnenen Hauptorte richtete die Republik sich nun häuslich ein. Der Doge Mocenigo schickte den venetianischen Edelmann Andrea Valliero als Podestä von Rovereto und Capitan des Tales „potestas Roveredi et Vallis lagarinae capitaneus generalis*, ließ den Palast des Pret»»riums, das heutige Munizipalgebäude, erbauen, setzte auf das Schloß einen Offizier als Castellan und

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verstärkte die Befestigungen ; noch heute führt ein starker runder Turm, dessen Plattform statt Geschützen, einen kleinen Garten trägt, den Namen des zweiten Podesta Francesco Basadona, und jedem Fremden fällt ins Auge der gewaltige, die Form einer Sanduhr nachahmende Turm an der Südostecke des Kastelles, welches als ein wahres Sperrschloß gegen Vall'Arsa mit Bastionen und Mauern über den steilen Fels bis an den Lenowildbach reichte. Die alten Privilegien der Stadt wurden bestätigt, alle Laoten, die der frühere Dynast gefordert hatte, z. B. Wein, Holz und Heu ins Schloß zu schaffen, 200 Lire alijährlich ihm zu geben, erlassen, Befreiung von allen Umlagen auf Lebensmitteln gewährt etc.; im Jahre 1425 wurden diese Statuten verbessert und finden sich im städtischen Archiv als: „Buch der Statuten der Gemeinde und Männer von Rovereto zu Ehren des all- mächtigen Gottes, der glorreichen Jungfrau und von San Marcou. Die Castelbareo trieben wieder doppelte Politik, den Venetianern zeigten >'iq sich als Freunde, dem Herzog Friedrich, Grafen von Tirol und Herrn über Trient in den weltlichen Dingen schwuren Treue und Gehorsam auf das Evangelium vor dessen Abgesandten, einem Herrn von Matsch, der Generalkapitän im Gebiete längs der Etsch genannt wird. Dagegen schloß sich freiwillig Folgaria der Republik an. Die Bewohner dieses Hoch- tales waren deutsch ; mit aller Berechtigung wird sein Name von „Raut Rautta" abgeleitet und lautete Vilgereut, wie gegen- wärtig die deutsehe Tiroler Presse ihn wieder schreibt flüehtige Cimbern, Goten, Langobarden und später einfache Kolonisten, welche die Bischöfe eingeführt haben, mochten die Bevölkerung ergeben haben ; in einer lockern Verbindung mit dem Gebieter von Beseno regierten sie sich anfangs selbst die allgemeine Volksversammlung wählte den Dekan und die Syndaki; für die Venetianer hatte das Gebiet zwischen Etsch und dem Astieo bei der Nähe ihres Vicenza große Bedeutung. Als die Grafen Trapp vom Bischof über Bitte des Herzogs Sigismund 1470 mit Beseno belehnt wurden, hatten die Folge- reiter manches zu erdulden, doch gelang es jenen nicht, sie unter ihre Gerichtsbai keit zu bringen und bestätigten Max 1. und nach ihm Karl V. und Ferdinand I. ihnen als Angehörigen der welschen Continen ihre Rechte. Die deutsche Haussprache, eine altbayovarische Mundart, „el slambrot" erhielt sich in der Fraktion San Sebastian noch bis End- des 19. Jahrhunderts; bei den Ladinern heißt slambrote unverständlich reden, lumbardisch

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reden. Besenello, eine Gründung von Folgaria, war nach dem Chronisten Sittich von Wolkenstein noch im 17. Jahr- hundert „meistenteils deutsches Volka ; im iunern Teile von Vall'Arsa bis ins 18. Jahrhundert und in Terragnuolo bis ins 19. Jahrhundert, wie die angrenzenden venetianischen Gegenden von Posina, Schio urd Recoaro und hat ein Pfarrer Zanella, weicher erst 1832 pensioniert wurde, es zumeist am Gewissen, daß die alten Leute von ihrer barbarischen, vom Teufel stammen- den Haussprache aus Furcht vor der Verweigerung der Absolution abließen. In kirchlicher Beziehung gehörten die Folgereiter mit ihrer Kolonie Bisanel (Besenello) zur Pfarre des alten Ortes Volano, wie Vall'Arsa und Terrajinuolo zu Lizzana.

1830 kam A 1 a, A v i o und ßrentonico, welche noch immer von einem Capitaneus regiert wurden, jetzt ausdrücklich unter die Pretura, d. h. unter den Podesta von Rovereto, welcher aus einem Ternavorschlag jener drei Gemeinden einen als seinen Vikar für die richterlichen Geschäfte I. Instanz bestimmte; von diesen Vikari und Richtern wird einer auf dem Schlosse in Psoentonico angeführt, dessen Besolduug 240 Dukaten betrug.

1438 bis 1440 hatte die Republik einen blutigen Krieg mit den Visconti, auf deren Seite der Bischof, die Grafen von Arco und die Castelbarco standen. Die einzelnen Episoden stehen unserer Geschichte zu fern, es ist nur hervorzuheben, daß ein Bürger von Rovereto als tapferer Offizier durch die Erstürmung des Schlosses Pencde bei Kago, welches auf steilem Felsen und von den Grafen Arco besetzt, den Ausgang vom Loppiotal ins Sarca- tal sperrte, dem Feldherrn der Venetianer Erasmus von N arn i den Weg zum Entsätze von Verona öffnete ; P e 1 o s o. durch klugen Ent- schluß wie Tapferkeit sich auszeichnend, starb; in einem Gefechte schwer verwundet, wurde er nach Verona gebracht und dort mit großen Ehren begraben. Die Herren von Lizzana und Beseno traten offen als Feinde «1er Republik auf; Lizzana wurde bombar- diert; da aber der Mörser sprang, hielt sich das Schloß durch zwei Monate und ergab sich erst, als Hunger und Pest die Besatzung bezwangen ; auch das Schloß von Albano und Nomesino wurde 1440 genommen und gleich Lizzana zerstört. Auf den Rat eines Kandioten schafften die Venetianer 20 Flußschiffe und 5 Galeeren auf der Etsch bis Ravazzone, von hier zu Lande mit 2000 Ochsen in 14 Tagen und einem Aufwände von 15.000 Dukaten in den Loppiosee und über den Sattel von Na^o in den Gardasee, wo sie am 10. April 1440 die Seemacht der Visconti vollständig

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vernichteten. Noch manche Ereignisse vor dem Schlosse Tenno, in den Judikarien und bei Brescia wären zu erzählen ; Riva wurde den Visconti genommen, Arco zerstört; der Bischof und die Grafen von Arco Rchloßen, da die Sache ihres Verbündeten, des Visconti, sich immer verschlimmerte, endlich Frieden. Die Güter des Castelbarco als Rebellen, wurden eingezogen, P-nede, Torbole und Nago wie Riva behalten, den Gemeinden im Lagertal, in VairArsa, Terragnuolo, Volano, die sich während des Krieges treu bewiesen, ihre Privilegien neu bestätigt. Beseno und Pietra blieben noch im Besitze der Castelbarco als bischöfliches Lehen und gingen nach längerem Verhandeln an den Erzherzog Sigis- mund, Sohn des früher öfter genannlen Friede! mit der leeren Tasche, gegen Erlag von 2000 rheinischen Gulden und einer jährlichen Rente von 300 Dukaten über.

Obwohl Venedig durch Erbschaft, Verträge und Eroberung das ganze Lagertal im faktischen Besitz hielt, begann der Fürst- bischof 1447 einzelne Linien der vertriebenen Castelbarco mit ihren früheren, teilweise zerstörten Sehlöss« rn zu belehnen, um dadurch zu zeigen, daß er auf das Lagertal nicht verzichtet habe und belehnte die Grafen von Lodron mit den Schlössern von Castelnuovo und Castellano (1456); noch heute sieht man an den Mauern von Castellano unter dem laufenden Löwen, dem Wappenbild der Lodron, an einzelnen Stellen, wo der spätere Verputz abgefallen ist, den aufrechten doppelschwänzigen Löwen der Castelbarco.

Die Republik gab allmählich den Traum, auch Trient zu nehmen, auf und trachtete nur. sich in ihrem Besitz zu erhalten ; Castelbarco wurde nun befestigt, Rovereto verproviantiert, seinem Hauptmann der Ausgang ohne besondere Erlaubnis bei Todes- strafe verboten, aller Anlaß zu Unfrieden mit dem Bischof und dem Grafen von Tirol vermieden.

146-' wurde der Grundstein zur Kirche S. Marco gelegt, Industrie und Handel unterstützt, die 12 Dogen, welche von 1410 bis 1509, so lange Venedig im Lagertal herrschte, die Regierung führten und 36 Podestä, darunter einen Foscolo, Pisani, Contarini, Cornaro, P i s an i. D o n d o 1 o, Männer ihrer vornehmsten Geschlechter, sandten, legten großen Wert auf diesen vorgeschobenen Landbesitz ; sie mußten zuletzt, dem diesmal mit seinem Vikar, dem Grafen von Tirol, Erzherzog Sigismund vereinten Bischof doch weid en. E;n Zoll, den jeder Untertan der Republik beim Wiederverlassen von Trieut zu zahlen hatte,

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die Verhaftung venetianischer Kaufleute, die den berühmten Fastenmarkt in Bozen besuchten, und Konfiskation ihrer Waren, waren die ersten offenkundig feindseligen Akte, denen bald Ge- rüchte über Anwerbung von Söldnern in der Schweiz, im Engadin und Tirol folgten. Der Podesta Priuli verstärkt die Mauern und ruft die waffenfähige Mannschaft (eine Art Nationalgarde, cornide genannt) in die Stadt, vor welcher am 23. April 1487 unter den Führern Graf von Matsch, Sonnenburg und Camp eller der Feind mit 12.000 Mann erscheint. Zwei Mar- zani, Vater und Sohn, verschwägert mit den Ca stelbar co's, verraten die schwächsten Stellen der Mauern, das Depot der Munition, welches gewechselt werden mußte; ein Bauer Mur er o aus Brentonico, leistet wiederum den Belagerten Dienste durch Einschleppen von Pulver und Verstärkungen aus Riva und Verona. Die Stadt ergibt sich unter der Bedingung, daß das Privilegientum und die Personen geschützt werden ; der Sieger plündert aber und führt 50 der reichsten Bürger nach Beseno ab, von wo sie nur gegen hohes Lösegeld die Freiheit erlangen ; das Schloß wird fortwährend beschossen, dünnwandige eiserne Hohlkugeln, mit Pech gefüllt, zünden an vielen Stellen. Am 30. Mai erfolgte die Übergabe des Schlosses nach 36tägiger Be- lagerung. Unterdessen hatte sich ein venetianisches Heer all- mählich bei Serravalle gesammelt und näherte sich langsam dem zerstörten Pradaglia. oberhalb dessen das deutsche Heer sich gelagert hatte, beide untätig bis Ende Juli. In dieser Langeweile forderte der Sohn des deutschen Feldhauptmannes Sonnenburg einen venetianischen Edelmann zum Zweikampf: 1000 Dukaten gehören dem Sieger und dazu nach alter Sitte Waffen und Pferd. Antonio Maria, der Sohn des venetianischen Heerführers San- severino, nahm die Forderung auf, unterlag im Kampfe und wurde unter Jubel ins deutsche Lager geführt, wohin der Vater sogleich die 1000 Dukaten schickte. Sonnenburg stellte Gold, Pferd und Waffen seinem Gegner zurück und bot ihm die Hand seiner Schwester mit großer Mitgift an; aber, wie der Chronist erzählt, nahm Anton Maria Pferd und Waffen, die Schwester aber wolle er vorläufig nicht als Gemahlin und dankte sehr. Da ver- läßt Gaudenz von Matsch, welcher im eroberten Rovereto be- fehligte, plötzlich dasselbe, 24. Juli, und zieht sich über Bozen zurück; venetianisches Gold hatte ihn ohne Zweifel verführt (er wurde geächtet, flüchtete ins Prätigau [Engadin] und kehrte nach vielen Jahren, 1504, in die Heimat zurück, wo er als letzter

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seines Stammes im Kloster Marienberg begraben wurde). Die Venetianer besetzen Rovereto, als erste zog die Mannschaft von Tiene ein, woran eine Marmortafel am Platze dieser Stadt noch erinnert. Das Hauptheer drängt nach Norden mit der Absicht, Trieut zu nehmen. Bei Pomarolo und Nomi, die in acht Tagen eingenommen worden, wird eine Brücke geschlagen; zur Um- gehung von Castelpietra wird eine Seitenkolonne über Serrada und Folgeria abgesandt, die Soldaten zerstreuen sich, des Sieges gewiß, um zu plündern.

In Trient war wenig Kriegsvolk; Friedrich Campeller und Georg von Pietra Plana, mit 300 Reitern und 5000 Mann zu Fuß, unterstützt von Bauern und Bürgern, besetzen Mattaretto ; am Morgen des 10. August, S. Laurenzitag, -treffen aus dem bischöflichen Judikarien noch 400 Bauern unter dem Hauptmann Capelletti ein; Campeller befiehlt den Angriff; die Bauern gehen an den Hängen des Berges Scanuppia. Die Soldaten der Republik, zerstreut, ohne Ordnung, durch das kriegerische Getöse der Feinde erschreckt, über ihre geringe Zahl getäuscht, wenden sich zur Flucht; der Ruf: „zu den Waffen, ganz Deutschland kommt gegen uns", „all'arme, ne viene adosso tutta la Lamagna contro de noi" löst alle Bande, „al ponte si salvi chi puo", „zur Brücke rette sich wer kann" ertönt von allen Seiten. Der Feld- hauptmann, welcher sich entgegenstellt, wird von der Menge in den Fluß geworfen und ertrinkt; die Brücke bricht, ihre Trümmer reißen die Wellen fort, die Flüchtlinge versuchen den Fluß zu durchschwimmen oder zu durchführten, die am Ufer Haltenden fallen durch das Schwert oder werden gefangen. Es soll die Re- publik an jenem Tage 10.000 Mann verloren haben, u.zw. 3000 durch das Schwert, 7000 in den Fluten der Etsch ; so erzählt das Statut von Trient, welches den 10. August, den Tag des heiligen Laurenz, zum ewigen Danke für diesen wunderbaren Sieg unter jene Tage einreiht, an welchen Privauchuldner nicht eingekerkert werden durften. Die Leiche von Robert de Sanseverino, erst nach sechs Tagen aufgefunden, wird mit fürstlichen Ehren im Dome begraben. Von dem ursprünglichen Sarg aus rotem Marmor sind der Deckel und die Schmalseiten noch erhalten und in der Mauer des rechten Seitenschiffes zu sehen ; von der Hand eines Lukas Maurus ist meisterhaft das Hochrelief gehauen: der Feldherr aufrecht, entblößten Hauptes, tiefe Trauer in dem porträt- getreuen Gesichte, die Standarte des heiligen Markus in »1er Rechten, deren Schaft gebrochen, die Spitze zur Erde gesenkt, so

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daß, wie Buzzacarini in seiner Chronik erzählt, „S. Markus mit den Füßen nach aufwärts kommt".

Erzherzog Sigmund errichtete eine Kapelle am Orte der Schlacht, die heutige Kuratialkirche, welche bis zum Jahre 1642 von Österreich erhalten, dann der Gemeinde Calliano mit einem Kapital von 600 Talern übergeben wurde; die Beute war un- geheuer, nach dem Chronisten sei nämlich viel Silber und Gold in die Düngergruben geworfen worden, um es später wieder heraus zuholen, unter den vielen Pferden waren manche edle Tiere, die, 100-200 Dukaten wert, um 10 Gulden verkauft wurden. Venedig zeigte sich edelmütig gegenüber den Söhnen seines unglücklichen Feldherrn, welche zu Führern ihrer Reiterei ernannt und sonst gleich dem wackeren Bauer Murero aus Brentonico, den Grafen Lodrou und den Herren von Gresta, die auf Seite der Republik standen, reich beschenkt wurden. Auch in Val Sugana und Sarca wurde gekämpft, die Venetianer nahmen das Schloß Ivano, Besitz des Grafen Trapp, und zerstörten Arco.

Unter der Furcht vor den Türken begünstigten Papst und Kaiser Friedrich III. den Frieden, welcher am 13. November zu Stande kam und alles beim Alten ließ; die Burgen Nomi und Ivano, über welche das Arbitrium dem Papste überlassen wurden, kamen später an den Nachfolger des Erzherzogs Sigismund Maximilian.

Außer dem obgenannten Buzzacarini wurde dieser Krieg „la guerra Roveretana" noch von einem Augenzeugen und Mit- kämpfer: Jacopo Caviceo aus Parma, in lateinischer Sprache geschrieben. Auf diese Weise doppelter Parteigänger, versucht er die Niederlage der Seinen zu verkleinern, Verrat (der Haupt- mann von der Brückenwache, Andreas von Borg«, habe die Brücke, welche auf den Schiffen ruhte, losgelöst) zu finden. Die Schlacht selbst ist eine Probe der alten Erfahrung, wie gefähr- lich es sei, getrennt und einen Fluß im Rücken, sich zu schlagen.

Venedig befestigte aufs neue Rovereto, besonders die Stadt, Nomi und Barco, bestätigte aufs neue die alten Privilegien den Bürgern der Stadt und dem Dorfe Volano, seinen getreuesten Untertanen, dekretierte die Austreibung der Juden, welche als Wucherer das arme Volk aussaugten, obwohl einer von ihnen kurz vorher während der Belagerung des Schlosses (Mai 1487) mit seinem Sohne Eribert sich sehr verdient gemacht hatte und führte den monte di Pieta, eine Art Versatzamt, an ihrer Stelle ein. Der Mord an dem Knaben Simon in Trient, welcher den

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Juden zugeschoben worden war (1475), erleichterte dieses gewiß auf egoistischen Motiven basierende Vorgehen. Den Bewohnern des Tales wird in Anerkennung ihrer Privilegien ihre Mithilfe an den Befestigungen belöhnt; die Republik erklärte offen, daß sie sich zu Handarbeit und Beistellung des Baumateriales freiwillig herbeigelassen haben.

Als Kaiser Friedrich III., welcher während eines Waffen- stillstandes mit Ungarn nach Trient gekommen war, jenen Teil von Italien zu sehen wünschte, der längs der Alpen vom Gardasee bis Aquileja sich erstreckt, ließ der Doge Barbarigo durch Abgesandte den Kaiser in Rovereto begrüßen und ihm mit höchsten Ehren das Geleite geben ; am Turme der Kirche S.Antonio ober Pomaro lo erinnert noch eine Inschrift, daß der Kaiser am 22. Juni 1489 hier vorbeigekommen sei.

Als aber M a x i m i 1 i a n nach Sigismund 1495 Herr von Tirol wurde, nahm der letzte der früher so zahlreichen Familie Castelbarco, Anton, auf Gresta, der 1487 mit denLodron's treu zu Venedig stand, seine Güter als Lehen von ihm. Venedig, dadurch aufmerksam gemacht, verweigerte hierauf dem Könige den Durchzug mit 4000 Pferden ; mit einfachem Gefolge wolle es ihn ehren wie den Vater. Max schickte hierauf 1508 von Trient aus 1500 Soldaten, um den Monte Baldo für seinen Vormarsch zu besetzen und ins Mantovanische vorzugehen; der venetianische Generalissimus Georg Emo zwang dieselben aber zur Kapitulation, wobei ihnen die Rückkehr ohne Waffen gestattet blieb. Max kam nun selbst, nahm das Castel Barco durch Verrat; Venedig er- stürmt Castel Gresta und Pietra und schlägt die Truppen von ihm und dem Bischof bei Calliano durch Wiederholung der Um- gehung von Folgaria aus. Im Kloster der Franziskaner bei Arco (Nostra donna delle Grazie) kommt ein Waffenstillstand auf drei Jahre zu Staude.

Es folgt darauf das Bündnis zwischen Max, dem König Ludwig XII. von Frankreich, dem König von Aragonien und dem Papste Julius II. gegen Venedig, 1509. Der Kaiser hatte sich für den Fall des Sieges ausbedungen, Rovereto, d. h. das ganze Lagertal, Verona, Padua, Vicenza, Cividale in Friul und das Patriarchat von Aquileja. Venedig sandte ein mächtiges Heer unter dem Grafen Pittigliana nach Brescia, gegen welches König Ludwig 40.000 Mann führte.

Bei Ghiara d'Adda oder bei Vaile, 14. Mai 1509, wurde durch Überraschung der Nachhut, das Heer der Republik voll-

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kommen geschlagen; zahlreiche Desertionen schwächten es weiter, die offenen Städte ergaben sich eine nach der anderen den Allierten, Peschiera wurde erstürmt, die Besatzung niedergemacht, auf den Zinnen aufgehängt, Padua genommen, Verona überreicht die Schlüssel den kaiserlichen Delegierten im französischen Heere; die Flotte am Gardasee wurde durch ihren Führer Zacharias Sore- dano selbst verbrannt, Riva und Penede von den Bischöflichen mit Hilfe der Einwohner erobert. In dieser Bedrängnis bot die Bürgerschaft von Rovereto, dem Beispiele der anderen Städte iolgend, durch Abgesandte an den Bischof und den General Liechtenstein dem Kaiser Augusto Romanorum Imperatori, heißt es, ihre freiwillige Unterwerfung gegen Aufrechterhaltung ihrer alten Privilegien, an, unter welchen besonders hervorzuheben ist, daß der Podesta in allen Zivil- und Kriminalsachen als Richter des ganzen Tales fungiere, üaß die Stadt das Salzmonopol er- halte, kein Einfuhrzoll für Waren jeder Art erhoben werde, fremde Weine bei Verlust von Waren, Wagen und Gespann eingeführt werden dürfe und als letzter der 14 Punkte: daß die Juden im Gebiete von Rovereto nicht bleiben dürfen „che Ii Judei mai po.ssi star in la Terra de Rovereu, heißt es wörtlich in der in der Volkssprache abgefaßten, im städtischen Archiv noch vorhandenen Kopie. Am 1. Juni besetzte Liechtenstein mit 15.000 Mann die Stadt, der Kommandant des wohl verwahrten Schlosses, Dandolo, zog übi-r Vermittlung der Bürgerschaft ab. In einer lateinischen Chronik heißt es: „Castrum novum in- expugnabile Roveredi nostra inventione, Deo favente, imperio suo saciatissimo devencrit*. Der Kaiser nannte in einem Dekret aus Bassano vom 17. Juli die Roveretaner seine getreuen und ge- liebten Untertanen, verbot jede molestia derselben durch Er- hebung von Zehenten und Abgaben, wie solche die Castelbarco vor der venetianischen Herrschaft eingefordert hatten und ge- stattete ihnen die Wahl von zwei Richtern für das ganze Tai. Unterdessen war Padua in die Hände der Republik zurück- gefallen, Maximilian versuchte vergeblich, mit einem starken Heere es zu erobern und zog im Oktober nach Deutschland ab ; in Avio erwartete ihn seine Gemahlin Bianca Maria; auf dem Schlosse verweilten beide wie in Rovereto durch je zwei Tage und ergaben sich hiebei dem Vergnügen der Jagd (prese »ollazzo alla caccia). Vallarsa war gewiß noch reich an Bären und Hirschen, sein Wappen, zwei Bären, die aus einem Brunnen trinken, mag noch daran erinnern.

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Ein Jahrhundert früher war das Lagertal, und wenige Jahre später (1416) auch Rovereto, aus Untertanen kleiner, ungebildeter, rebellischer Dynasten Bürger eines großen reichen, im Handel, Kunst und Wissenschaft berühmten Freistaates geworden; jetzt wurden sie Untertanen des Kaisers, des letzten Ritters, Teile eines großen Reiches. Rovereto und Vall\Arsa, Terragnuolo, Fol- garia mit den meisten Orten des Tales bildeten ein eigenes, der Regierung in Innsbruck unterstehendes Gebiet, die sogenannten wälschen Konfinen, welches allerdings nach einem vom Kaiser Ferdinand I. mit dem Bischof Kardinal C 1 e s abgeschlossenen Vertrage, der Form nach bis zur Verweltlichung des Bistums, bischöfliches Lehen blieb. Die vier Vicariate Ala, Avio, Brentonico und Mori kamen in die volle Oberl.errlichkeit des Bischofs. Als Podestä wurde von dem seither im Schlosse als eine Art von kaiserlichem Statthalter residierenden Schloßhauptmanne einer aus einem von den Bürgern gemachten Ternavorschlage auf zwei Jahre gewählt. Für die innere Verwaltung wählte der allgemeine Rat, d. h. fast die ganze Bürgerschaft, den engeren Rat von 31 Männern, aus welchen vier Provveditores hervorgingen. Diese Statuten, in welchen natürlich noch alles andere:- Verkehr, Ge- werbe, Straßen und Kanäle geregelt wurden, blieben im großen und ganzen bis zur Übergabe Tirols an Bayern, 1806, bestehen, wobei bloß die Errichtung eines Kreisamtes unter Kaiserin Theresia 1752 vorkam. Kaiser Max selbst getreu seinem Versprechen, bestätigte in einem Diplom aus Brisaoh vom 3. No- vember 1510 alle Privilegien und Statuten der Stadt und des Bezirkes, gemäß des in Trient zur Zeit der Übergabe festgesetzten Übereinkommens." In zwei anderen Dekreten vom Jahre 1511 aus Innsbruck und vom Schloß Pergin e werden Erläuterungen vom Kaiser gegeben, insbesonders ausdrücklich angeordnet, daß die vier Vikariate die Appellationsinstanz in Rovereto haben.

Im Stadtarchiv findet sich eine Kopie, als „libello delP Undeciu bezeichnet, des Vertrages zwischen dem Kaiser und den Bischöfen G e o rg von Trient und Ch ri st o p hör u s von Brixen, wornach zur gemeinsamen feindlichen Abwehr diese drei Fürsten ihren Anteil an Bewaffneten, Geld und Verpflegung, zu leisten sich verpflichteten, zwei Drittel der Kaiser, ein Drittel die Bischöfe nach der Kriegslage 1000 bis 20.000 Mann, ein aus- gerüstetes Pferd mit Reiter sei 3 Mann, eiu Arquebusier 21/i Mann gleichzuhalten, ein Tagmarsch betrage vier deutsche Meilen, jeder Waffenfähige sei zum Wehrdienste verpflichtet, unter der

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Strafe des Verlustes des Lebens und Eigentums, alles aber nur innerhalb der Landesgrenzen.

Die Grafschaft, Nomi, welche Max von den Castelbarkern gekault hatte, überließ er mit einem Gewinn von 2800 Dukaten an den Busio de Castelletti Grafen von Vall Sasina; der Bischof be- lehnte ihn hierauf. Mit Castel Corno war vom Bischof Udalrich von Liechtenstein seine Familie belehnt worden ; Castelnuovo und Castellano war noch lodronisch ; Castel Gresta gab der Bischof 1512 dem noch verhandenen Zweige der Castelbarker : in den Besitz von Bescno, welches Erzherzog Sigismund als bischöfliches Lehen besessen und der Familie Gradner ge- geben, dann den Grafen Trapp 1470 tiberlassen wollte, kam diese Familie erst 1490. Interessant ist der Stil des Briefes, in welchem Sigmun d diese Belehnung rals eine besondere Gnade und Gunst von der Freundschaft des Bisehofes" erbittet. Die übrigen Burgen Lizzana (1439), Pradalia (1416), Manzano und Nomesino (1439) Barco (1509) lagen zerstört, Castel Pietra, das einst zu Beseno gehörte, war noch seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Besitze der Grafen von Tirol und Erzherzoge von Österreich; noch vor wenig Jahren war der Doppeladler an dem das Straßentor flankierenden Gebäude zu sehen.

Im Jahre 1514 bestieg den bischöflichen Stuhl in Trient Bernhard aus der Familie der Barone Cles im Valle di Non, durch Reichtum, Bildung und Sinn für die Kunst wie durch Politik, der größte unter den Bischöfen Trients, einer der einfluß- reichsten Männer seiner Zeit. Nach Art der römischen Cäsaren: panem et circenses riß er das Volk aus seiner Lethargie durch Freigebigkeit und Schauspiele; das Schloß in Trient mit seinen Loggien, Sälen und den Fresken wie andere Bauten, sprechen noch heute von diesem Fürsten. Der Krieg in Italien währte fort. Das Lagertal hatte viel durch die Truppendurch- züge, Beistellung vou Lebensmitteln und Soldaten zu leiden ; endlich kam der Friede von Brüssel 1516 zustande, in welchem Rovereto, Ampezzo, Riva und die vier Vikariate dem Kaiser blieben, Verona gegen 200.000 Dukaten den Venetianern zurück- gegeben wurde. Daß die vier Vikariate dem Bischof als Lehens- herrn zugewendet wurden, ist schon früher erwähnt worden.

Kaum war Friede und mit ihm Wohlstand in das Etschtal eingezogen, so drohte bald wieder fast mit noch größerer Ver- wüstung der Bauernkrieg: von Deutschland her. Es ist nicht meine Aufgabe zu zeigen, wie auf die ursprüngliche Bewegung

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auf rein kirchlich dogmatischem Gebiete rasch der Kampf zwischen den armen Bauern und dem reichen Klerus, die Ideen von Freiheit folgten und die Insurrektion gegen die Unterdrückung der Herren, besonders der Geistlichkeit, mit Ungeheuern Greueln und Aus- schreitungen ohne Maß. In Judikarien, in Val Sugana, im Fleims- tal, auch in Trient brach die Bewegung los; dem Bischof Kardinal, welcher im Anfang in die Rocca von Riva sich flüchtete, gelang es. den Aufstand niederzuwerfen. Der kaiser- liche General Georg von Frundsperg mit dem Grafen von Lodron und Arco hatten dazu ihre starke Hand geliehen. Im Lagertal blieb die Bauernschaft klüger und ruhiger; nur Busio, Herr in Nomi, welcher sich zu Gewalttätigkeiten in dieser ernsten Zeit hinreißen ließ, wurde samt den Seinen mit seinem Schloß in der Nacht des 3. Juli 1525 verbrannt.

Trotz des Krieges zwischen Karl V. und Frankreich, der häufigen Truppendurchzüge, entwickelte sich die Stadt und wehrte ihre Rechte, in welche häufig von dem kaiserlichen Schloßhaupt- mann eine Einmischung versucht wurde. Aus der Zeit der Herr- schaft von Venedig hatte ein Sinn für Handel und Gewerbe sich entwickelt. 1545 erhielt der Bürger Savioli ein kaiserliches Privileg für die Einführung der Seidenindustrie, (Maulbeerbäume und Rohseide mögen schon unter den Venetianern gewesen sein), 1562 erhob Kaiser Ferdinand dessen Söhne in den Adel- stand. Einheimische und Deutsche gesellten sich hinzu, zwei Brüder Ferlegher aus Nürnberg errichteten 1580 die erste Seidenspinnerei mit Wasserbetrieb, eine große Anzahl heimischer Familien gelangte im 17. und 18. Jahrhundert zu Reichtum, darunter besonders Tacchi, Bettini. Die Seide von Rovereto kam anfangs nur in die nahe Handelsstadt Bozen, später aber nach Wien, Mailand, London, Lyon: alle Arten der besten Seidengattungen wie die Kettenseide, Nähseide, Einschlagseide, Bandseide konnte Rovereto liefern, welches nicht mit Unrecht als das österreichische Lyon sich rühmen konnte. Die durch den Lenowildbach gelieferte Wasserkraft unterstützte die Arbeit leider mußte die Industrie schwere Schläge erfahren, welche durch die Krankheit der Seidenraupe und des Maulbeerbaumes bedingt wurden und auf welche in letzter Zeit Japan-China und die Fortschritte in der Fabrikation anderer Staaten schädigend einwirkten. Von den vielen Seidenspinnereien (im Jahre 1766 zählte man 23 Handelshäuser, 36 Seidenzwirnereien) arbeiten noch drei bis vier im ganzen Tale, an die Seidenzwirnereien (Filatoji),

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erinnern noch die 7 8 Stockwerke zählenden turmartigen Ge- bäude, die alle leer stehen.

Im nahen Ala führten im 17. Jahrhundert zwei flüchtige Öenuesen die Sammtweberei ein; Todesstrafe hatte Genua auf die Ausfuhr der hiezu nötigen Einrichtungen gesetzt; im Jahre 17G2 zählte Ala 209 Sammtwebstühle, für welche RoVereto die Seide schaffte. Unter Maria Theresia war Ala als Teil des Fürsten- tums Trient durch Zollschranken von den deutschen Provinzen Österreichs und Deutschlands geschieden, welche Josef II. bei seinem Besuche 1783 sogleich authob. Berühmt wurden früh- zeitig die Roveretaner Färbereien und Gerbereien; das Wasser des Leno soll vorzüglich die damals allein gebräuchlichen Pflanzen- farbstoffe zur Verwendung gebracht haben, die ausgedehnten Eichenwaldungen lieferten vorzügliche Lohe. Rovereto war eine industrielle Stadt geworden, und kam dadurch zu immer größerem Wohlstand. Wohl forderten die Kriege Karls V. mit Franz I. von Frankreich große materielle Opfer, wohl war die Pest gleich Italien dem südlichen Etschgebiet nicht ferne geblieben (in Trient sollen 1630 2000 Menschen gestorben sein), wohl ver- ursachten die beständigen Einmischungen des kaiserlichen Haupt- manns in die zivilen und administrativen Angelegenheiten der Stadt häufige Proteste und Berufungen auf ihre Privilegien ; auch fehlte es trotz der fortschreitenden Bildung nicht an Aberglauben und Hexenprozessen, trotz allem blühte die Stadt und das ganze Tal, auch die den kleinern Dynastien gehörigen Orte, und konnte Bischof Emanuel Madruzzo 1670 von ihm rühmen : „die großen ■Geschäfte im Handel mit Holz, Seide, Korn , Wein etc., die einen jährlichen Umsatz von mehr als 1 Million Dukaten betragen und 18.000 Dukaten dem Kaiser als Zoll ergeben, es seien hier auch Personen von hervorragendem Genie und Wissen, die der Kaiser zu seinen Räten beriefe, das Volk friedliebend, gebildet, mildtätig, fromm etc." Im großen Saale des Munizipalpalastes (Pretorio) fand auch die Zusammenkunft Maria Theresia's, Tochter Philipp IV. von Spanien als Verlobte des Kaisers Leopold I. mit dem Kardinal Fürstbischof Harrach von Trient, der die Mission hatte, sie zu empfangen, statt. Auch von dem 1545 bis 1563 zeitweilig tagenden Konzil in Trient wurde Rovereto berührt, sein Name bekannt, sein Wohlstand gehoben.

1063 erhielt ein Francesco Castelbarco von Gresta, nach- dem die vier Vikariate mehr als l1^ Jahrhunderte widerrechtlich von den Bischöfen in Trient der Familie vorenthalten worden

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waren, durch die Vermittlung der in Tirol herrschenden Erz- herzoge, dieselben als bischöfliche Lehen und behielt seine Familie solche bis zur Säkularisation.

Da naht das Jahr 1700 und mit ihm das Vorspiel für den spanischen Erbfclgekrieg, der fast ganz Europa berührte. Als Ludwig XIV. Mailand und die anderen spanischen Besitzungen in Italien besetzt, mit dem Rechte des Stärkern die Neutralität Vencdig's mißachtend, von Verona aus den Paß von Rivoli durch den Marschall Catinat besetzt hielt, führte ein gewaltiger Kriegs1 held Eugen von Savoyen des Kaisers Heer, 32.000 Mann, ihm entgegen. Rovereto war bestimmt als Versammlungsort der auf drei Straßen (aus Süddeutschland über Reuth durch Vintschgau, aus Innerösterreich durch's Pustertal und über Salzburg, Inns- bruck) anmarschierenden Truppen; Eugen trifft am 20. Mai 1701 in Rovereto ein, die Berichte über die Rekognoszierungen des Gardasees und des Gebietes ostwärts der Etsch liegen ihm vor, gegen den See wird demonstriert, unterdeß die Wege durch Valle fredda (südlich Ala) durch einen Offizier mit 300 Arbeitern, durch Terregnuol von Oberstleutnant Kriechbaummitl 000 Mann und 3000 Bauern aus Folgaria und den Tälern hergerichtet (leider gelang die Verbreitung des Saumwegs über den Paß Borcola auf neun Schuh nur unvollständig). Am 21. Mai gehen anstatt neun bloß zwei Regimenter mit 20 Regimentsstücken durch Val fredda, denen der Prinz am 23. folgt. Zwölf Bataillone hatten zu gleicher Zeit (27. Mai) den Aufstieg von Peri durch Val com- p arsa nach Fosse, von dem nahen Feinde nicht eingesehen voll- führt, Palffy bringt drei Regimenter wahrscheinlich dureh ValF Arsa über den erbärmlichen Saumweg von Campo grosso, während über die Borcola die anderen Reiterregimenter langsam folgen.

Das Aufgebot der vier Vikariate mit General Gutteu stein (4 Bataillone, 100 Reiter) hielten Etschtal und Monte Baldo besetzt.

Der Abstieg der Kaiserlichen über die weiten Alpenflächen der sogenannten Podesteria, (der Podesta von Grezzena in Val Pantena hatte überm Sommer mit Bewaffneten die Räuber und Banditen einzufangen) zwang Catinat aus seinen Befestigungen und über den Mincio zurückzugehen ; seinen Nachfolger V i 1 1 e r o y traf die Niederlage von Chiari und Gefangenschaft in Cremona. Als aber die geringe Unterstützung des Prinzen, die steten Ver- stärkungen den Franzosen wieder die Übermacht gaben und Vendome den schwachbesetzten Monte Baldo in einem Tage über- wand und bis Mori gelangte, begann neue Gefahr für Rovereto

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und Tirol, das zu gleicher Zeit die Bayern von Norden aus be- setzten. Generalleutnant Vauböcourt suchte den Paß von Ravazzone nach dem durchgeführten Abmarsch des Hauptkorps gegen Arco zu nehmen, am 1. und 23. August daselbst die Etsch zu überbrücken; die Vorsicht der Kaiserlichen unter dem wackern Schloßhauptmann Santo Boffasi von Rovereto, Soldaten, Bauern, freiwillige Bürgerkompagnie und, wie die Chronik berichtet, Hochwassser der Etsch und schreckliches Ungewitter, vereitelten alle diese Versuche, wie auch das Hauptheer nach der Erstür- mung von Penede, von Arco (nach zehntägiger Beschießung) ver- geblich das durch General Solari, den Grafen Brandis und Audreas Flugi mit 2000 Landesschützen verteidigte Trient nutzlos, durch eine Woche beschoß. Auf die Nachricht, daß der Kurfürst von Bayern durch die Nordtiroler aus dem Lande ge- trieben sei, verließ auch Vendome über den See das Land, überall Ruinen und Vernichtung zurücklassend.

Graf Johann von Castelbarco als Herr der Vikariate hatte die Sache des Kaisers kräftig gefördert; Brentonico, Mori, Loppio ging dafür in Flammen auf; ein Pfarrer aus dem Sarcatal, der mit seinen Bauern Arco zu entsetzen versuchte, ward er- schossen.

Aus Rovereto flüchtete was konnte; die andern lagen auf den Knieen, die Himmelskönigin um Beistand anflehend; die Flammen von Isera, Marano am rechten Etschufer zeigten ihnen ihr Schicksal; dankbar und fromm sah die Stadt in ihrer wunder- baren Errettung eine Hilfe des Himmels und gelobte alljährlich in einer feierlichen Prozession den Nachkommen das Gedächtnis derselben zu erhalten ; noch heute am 5. August (Tag Maria della neve) begeht die ganze Bürgerschaft dieses Fest, das an Pracht und Begeisterung Frohnleichnam noch übertrifft. Alle Confrater- nitäten in ihren bunten Kleidern mit Fahnen und Bannern, die Frauen noch nach venetianischer Sitte mit dem Schleier am Haupte, hinter dem Prälaten der Podesta, welcher eine große Kerze der Madonna weiht. Als vor fünf Jahren die Hauptkirche S. Marco artistisch restauriert ward, wurde die Erinnerung an jenes Ereignis auf dem Triumphbogen zwischen Schiff und Pres- byterium in drei Medaillons von Künstlerhand (Prof. Cavenaghi aus Mailand) a fresco erneuert: in der Mitte die Königin des Himmels, und darunter das Votum: „hanc urbem, Virgo, cerne tuere, bea" („diese Stadt sehe au, Jungfrau, schütze und beglücke sie), an den Seiten das Gelübde: auf den Knien die Bürger,

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im Hintergrund das brennende Isera und seine Erfüllung: die feierliche Prozession.

Die Stadt hatte sich im Jahre 1701 durch Patriotismus und Unterstützung die Gunst des Prinzen Eugen erworben (im Archiv werden zwei Briefe desselben an die Gemeinde aus den Tagen von S. Martino und Castelnuovo 1706 aufbewahrt) ; ein Glück für sie, denn als 1703 ein neapolitanischer Truppenkom- mandant Don Pietro Marotta, der die Bürgerschaft aufs höchste drangsalierte, über Befehl des Podestä, dem der Schloßhaupt- mann seineu Leutnant mit Soldaten als Unterstützung beistellte, verhaftet werden sollte und hiebei mit mehreren der Seinen ge- tötet wurde, erhielt die Bürgerschaft durch Vermittlung des dank- baren Prinzen die Gnade des darob erzürnten Kaisers.

Das 18. Jahrhundert verlief nun bis zu den letzten Jahren in Frieden ; die Stadt blühte im Gewerbe und Handel, aber auch in Wissenschaft und Kunst. Schon 1670 war durch Stiftungen der Grund zum Gymnasium gelegt worden, 1750 wurde von den Philosophen Vanetti und seiner Gemahlin Laura die Academie degli Agiati, rder Bedächtigen", nach dem Muster der gelehrten Gesellschaften in Trient und in Italien eröffnet, welche von Mari a Theresia mit einem Diplom 1753 zur kaiserlichen Akademie erhoben wurde und noch fortbesteht; viele seiner Bürger machten sich verdienstvoll und berühmt: ein Frizzi hat wegen seiner Kriegsdienste den Adel bekommen, ein Partini starb als Feld- marschalkutnant in Prag (viele alten Familien haben deutsche Adelsprädikate), als Geschichtsschreiber erscheint ein Tarta- rotti Girolamo und ihm gleich sein Bruder Giacopo; als Maier Baroni aus Sacco, als Bildhauer die Brüder Benedetti aus Castione bei Mori. In das Jahr 1797 fällt auch die Geburt des Abbate Antonio Rosmini aus einer reich begüterten Familie, der, Geistlicher geworden, den Glauben mit der Wissenschaft auf Grund eines idealen philosophischen Systems der Philosophie der Wahrheit zu versöhnen suchte und das religiöse Leben im Sinne werktätiger christlicher Nächstenliebe erneuert sehen wollte. Als Politiker träumte er von einem italischen Staaten- bunde unter dem Papste, einem deutschen unter dem Kaiser von Osterreich. Er gilt als der größte der neueren italischen Philosophen und die Vaterstadt, welche von seinen Nach- folgern — er wurde Gründer eines geistlichen Ordens noch heute Wohltaten bekommt, hatte ihm vor 30 Jahren ein Denk- mal gesetzt.

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In diesen Frieden brachte die französische Revolution Sturm und Drangsal. Auf die Niederlage Beaulieu's bei Montenotte, Millesimo und Lodi zogen die Reste dos Heeres durch die Etsch- klause bis Calliano zurück. Wurms er, der mit 80.000 Mann durch die Judikarien, Valsugana und Etschtal vorstößt, wird bei Castiglione und Bassano geschlagen und in Mantua eingeschlossen. Napoleon erscheint am 3. September 179b" vor deu Ver- schanzungen bei Marco, zieht am 4. mit Berthier, Augerau Murat in Rovereto ein, wo er im Palast Fedrigotti übernachtet, für 30.000 Mann Schuhe und Lebensmitteln fordert, 20.000 fl. aus den Kassen nimmt, während der Generalleutnant V au b o i s vom Gardasee aus in Ravazzone eintrifft. Massena nimmt nach heftigem Widerstande am Abend des 5. Castelpietra, vom Turme in Volano beobachtet Napoleon das Gefecht, bezieht den nächsten Tag in Trient im Kastell Quartier und verfolgt den flüchtigen Wurmser durch Valsugana. Anfang November nahmen die Österreicher in dreitägigem Kampfe die Stellung bei Pietra und Nomi wieder, verweilten über zehn Tage in Rovereto, anstatt dem fliehenden Vaubois zu folgen. Neue Siege Napoleon\s bei Rivoli und Arcole. Mantua fällt 2. Februar 1797. Die Repu- blikaner führen in Rovereto und Trient eine provisorische Regierung ein, in welche von Rovereto auch ein Mitglied ent- sendet wurde. Die Österreicher werden bei Lavis zurückgeworfen. Napoleon kämpft gegen Erzherzog Karl in Kärnten. Landnn ruft den Landsturm auf in acht Monaten hatte Rovereto zwei- mal französisch - republikanische, zweimal österreichisch - mon- archische Regierung. Im Frieden von Campio formio bei Udine, 17. Oktober 1797 erhält Tirol an Stelle der Lombardei, als neuen Nachbar die cisalpinische Republik und wird Venedig dem Kaiser abgetreten.

In der zweiten Koalition, welche anfangs so glücklich in Deutschland und Italien verlief, wurden Russen und Österreicher aus der Schweiz nach Tirol zurückgedrängt. General Lecchi zog 7. Jänner 1801 in Trient ein und besetzte Rovereto; dem Waffenstillstand zwischen Brune, und Bellegarde folgte der Friede von Luneville; die beiden Bistümer Trient und Brixen kommen zu Tirol und Österreich. Rovereto fühlte sich durch diese Veränderung weuig betroffen, weil es sich seit 1510 schon als wirklichen und ordentlichen Untertan des römisch-deutschen Kaisertums gesehen hatte und nicht als Teil des Hochstiftes. In Rovereto kommandierte im Februar General Van dam me, als

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der Friedensschluß bekannt wurde; ein dreitägiges Fest folgte, der General beglückwünschte seine Bataillone zur Heimkehr nach Frankreich, die braven und achtbaren Bewohner von Tirol zum wieder gewonnenen Frieden und hielt ihnen vor Augen den Erz- herzog Karl, den großen Kapitän und berühmten Fürsten, der ihre ganze Liebe verdiene. In einem vom 10 ventose a. 9. R. F. (28. Februar) datierten Briefe nimmt der Franzose nochmals Ab-, schied, dankt der municipalite de Rovereto für die Ordnung und Bereitwilligkeit, die es ihm möglich gemacht hätten, que le metier des armes sans donner la facilitä de faire du bien laiBse ancor le moyen8 de ne pas faire du mal, je Vous rends cette justice, qui doit etre pour Vous un titre pres de Votre gouvernement et en particulier pres des habitants de Votre arrondissement, c'est que Vous avez soutenu avec chaleur les interets de Votre Pays et les avez concilies autant que possible a ce que nous etions en droit de pretendre".

War der Abzug der Franzosen artig, so war die Rückkehr der Österreicher ein Freudenfest, das durch vier Tage währte und außer der Kirche auf den Plätzen vom ganzen Volke gefeiert wurde. Vor dem Prätorenpalast der kaiserliche Adler auf einer Pyramide zwischen zwei Weihrauch ausströmenden Ge- fäßen ; nach der Inschrift erglühen ebenso die Herzen der Stadt für das Haus Österreich ; vor der Kirche S. Marco ein Friedens- tempel, am Corso unter einem Triumphbogen eine Statue Erz- herzogs Karl, im Borgo S. Caterina ein Bildnis Kaisers Franz Feuerwerk reiche Gaben für die Armen.

Im Frieden von Preßburg, der durch die Kapitulation von Ulm, Besetzung Wien's und Sieg in der Dreikaiserschlacbt bei Austerlitz, den Krieg der dritten Koalition trotz der herrlichen Taten des Erzherzogs Karl bei Caldiero rasch beendete, mußte Tirol an Bayern abgetreten werden ; ohne das Gefühl von Liebe, aber auch nicht mit Haß wurde die neue Herrschaft aufgenommen ; mannigfache Reformen folgten (im ganzen wurde durch selbe der italienische Landesteil weniger betroffen als der deutsche), so daß die Priester sich vor dem königlichen Kommissär einer Habi- litationsprüfung unterziehen sollen, die Einziehung von Klöstern angeordnet, die Militärkonskription eingeführt, der Kurs des zumeist zirkulierenden Papiergeldes nach dem in Augsburg be- rechnet wurde, etc. In einer Konvention mit Frankreich ver- pflichtete sich Bayern, alle Befestigungen und Militärstationen an der Südgrenze aufzulassen.

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Ich bin nicht berufeD, den ruhmreichen Kampf 1809 des Tiroler Volkes, an welchem mit bewaffneter Hand auch die Be- wohner der Seitentäler des italienischen Teiles teilnahmen, zu schreiben. Am 15. April (nach der ersten Berg Iselschlacht) kam das 7. französische Dragonerregiment nach Rovereto ; Baraguay d'Hilliers mit 10.000 Mann von Venedig, durch Valsugana nach Trient. Der bayrische Kommissär im Etschkreise forderte untern gleichen Datum zur Ruhe auf, indem er auf zwei Bauern aus Cembra hinwies, die als Rebellen erschossen worden waren. Aus dem Etschtale ergriffen wenige die Waffen ; die Besetzung durch die Franzosen, die Furcht vor den schrecklichen Repressalien, die mehr friedliche Beschäftigung der Bürger, hielt sie zurück. Die Franzosen verlassen Trient am 22. April, am 24. und 25. Ge- fechte bei Volano und Isera, zahlreiche Verwundete werden nach Rovereto gebracht; die Freude der Stadt, als die Tiroler ein- zogen, war gewissermaßen ein Delirium, man hoffte nun für immer dem vergötterten Monarchen wieder anzugehören. Nach den Niederlagen in Süddeutschland änderte sich freilich die Lage; Erzherzog Johann zieht sich aus Italien, H o f e r und Chasteler aus Südtirol zurück. Am 3. Mai besetzt Rusca die Stadt und Trient und geht nach Valsugana; nach einem Monate bombar- diert Oberst Li vi er Trient. So währte dieser bedeutungslose, für das arme Land aber erschöpfende Krieg fort bis an die Grenze bei Borghetto, bis General Buoi 21. Juni das Militär nach Rovereto zurückbeorderte und nach den Bestimmungen des Waffenstillstandes von Znaim ganz Tirol geräumt werden mußte. Aber die Aufständischen, Deutsche und Italiener, glaubten nicht daran, General Desmar muß sich wieder zurückziehen; am 13. August, treibt die dritte Berg Iselschlacht auch die drei Divisionen Lefevres aus dem Lande, es kommt nach Wagram zum Frieden von Schönbrunn (14. Oktober 1809), Tirol wird von Nord und Süden mit Franzosen überschwemmt. Vial und Peyri pazifieren den italienischen Landesteil durch Streifkommanden, von denen eine in Judikarien 52 Bauern erschießt. Ende Jänner wurde Hof er durch Rovereto nach Mantua geführt; Südtirol bis Gargazon und Kollman kam als Departement der obern Etsch an das Königreich Italien, das Finanzsystem war drückend, bis im Oktober 1813 Österreichs Truppen Tirol wieder besetzten. Ein Schriftsteller aus Italienisch-Tirol, C h i e s a 1904, schreibt zu der Einteilung Südtirols zum Königreich Italien : so war das Land geworden, was es nach Sprache und Eigenart wirklich ist und

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auch in früheren Zeiten gewesen, ein Teil Italiens, was aber sein materielles Interesse ihm nie wünschenswert machen darf, da es nur in einer politischen Vereinigung mit den andern Pro- vinzen Freiheit für den Handel seiner Produkte, Schutzzoll gegen die gleichen aus dem reichern Italien findet." Und ein anderer Autor Perini in seinem Werke „i castelli del tirolo 1835" sagt in dieser Beziehung: „wenn man von Nationalität spricht, so kenne er kein anderes Merkmal als die Sprache; wenn man aber von politischen Verhältnissen spricht, so sind wir Tirol er seit der Zeit, als die eiserne und gewaltige Faust der Grafen von Tirol auf die schwachen Schultern des Bischofs von Trient sich legte ; lächerlich sind die Folgerungen aus der Abstammung von Rhätiern und Italikern.

Was nun weiter folgte, ist neue Geschichte, vielfach poli- tisch ; und „politisch Lied ist ein garstig Lied". Gleich dem übrigen italienischen Landesteile betonte Rovereto stets seine italienische Nationalität und suchte gegen die Verbindung mit dem deutschen Bunde (1818) zu demonstrieren; an die Stelle der Patrimonial- gerichte, des letzten Schattens des Feudalwesens, das die Lodron und Castellbarco noch bis 1842 aufrecht erhielten, traten kaiser- liche Gerichte; die Revolution 1848—1849 im Lorabardo-venetia- nischen blieb nicht ohne jede Beteiligung etc., das fortdauernde Streben nach Autonomie auf administrativem Gebiete; als erfreuliche Tatsachen die Einführung einer Hochquellenleitung an Stelle des früheren, künstlich gehobenen Lenowassers und der Bau einer großen Tabakfabrik in Sacco; im letzten Dezennium andere Industrien. .

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Von dem Ahnherrn unseres Kaiserhauses, dem Grafen Radbod, der die Habichtsburg auf dem Wülpesberg an den Ufern der Aar erbaute, erzählt die Sage, daß der Bruder Bischof Werner von Straßburg ihm reiche Mittel gegeben, die Burg zu vergrößern : nicht zufrieden war der Bischof, als er nach längerer Zeit zu Besuch kam und noch den kleinen Burgstall fand; aber freudig sein Erstaunen, als nach kurzer Zeit Ge- waffnete von allen Seiten die Burg umstanden, eine lebendige Schutzwehr derselben, welche der Graf durch Wohltaten und Getchenke gewonnen.

Österreich besitzt in seinem Tirol eine gewaltige Burg, die Berge, ihre Türme benötigen keine Erhöhung, bastionartig springt

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das Land, wo die Etsch hinausfließt, in die lombardisch - vene- tianische Ebene, drohend dem Feinde, ein sicherer Hort dem Verteidiger; ünd an Verteidigern fehlt es nicht, nicht bloß im Norden, auch im Süden. Das hat die Geschichte bewiesen, 1701 und 1703 und später. Ich habe meinem Gedächtnis eingeprägt die Worte, welche das Kriegsarchiv in dem großen Werke über die Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen widmet. 1701 er lobt die schlichte, einfache Treue des Tiroler Volkes kein Verräter unter den Bauern und Bürgern von Rovereto, Trient und Ala; willig griffen sie zu Hacken und Spaten, um den kühnen Feldherrn den Weg über das Gebirge zu bahnen, würdig der Begeisterung, mit welcher Judikarien die Sturm mannschaft bereit hielt; und 1703: „in den Stunden höchster Gefahr, als die churbayrisch fränkischen Scharen durch die Bergengen einge- drungen, da ward wachgerufen im Tiroler Volke, was an Hoch- gefühlen der Kaisertreue, Heimatsliebe und an Mannestrotz schlummerte; im Norden und Süden wurde der Tiroler Boden rein vom Feinde gefegt, bei Pontlatz, an der Martinswand, am Brenner und vor Arco, Trient, in den Judikarien wir können auch hinzusetzen, an der Etsch bei Rovereto bleibende Denk- male leuchtender Tugenden und sittlicher Vorzüge !" Das beweisen in späteren Zeiten die Freudenfeste, welche in den Drangjahren der Franzosenkriege das Volk beging, wenn es wieder unter Osterreich sich fühlte; das beweist schließlich die sttirmisclie Huldigung, welche Seine Majestät das italienische Volk Südtirols im Vorjahre in Mezzolombardo entgegenbrachte. Und so wird sich mit Gottes Hilfe erfüllen, was einer der Obelisken am Berg Isel in einem Distichon der Welt verkündet:

„Donec montes et saxa et pectora nostra Austriacae domui moenia Semper sunt" ; so lange die Berge sich erheben , wo Etsch und die Brenta das Land verläßt und die Felsen nicht wanken und treu die Herzen schlagen im deutschen und italienischen Tiroler Volk, wird Österreichs Herrschaft immer bestehen.

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Der Postmeister von Sainte-Menehould.

Von k. und k. Oberst C. von Duncker.

Nachdruck verboten. Übernetzunesrechi vorbehalten

Der vorliegende Essai stützt sich auf Akten des k. und.k. Haus-, Hof- und Staatsarchivs und des k. und k. Kriegsarchivs, welche dem Verfasser mit der an beiden wissenschaftlichen In- stituten gewohnten Liberalität zur Benutzung überlassen wurden.

An dieser Stelle kann ich es mir nicht versagen, den Ge- fühlen aufrichtigen Dankes Ausdruck zu geben für die Förderung und Unterstützung meiner Arbeit, welche mir diesmal wieder, wie schon so oft in beiden großen Archiven gewährt worden.

Am 3. Oktober 1793 erstattete der „Kommandant der kaiser- lich königlichen Haupt- dann kombinierten englisch und hollän- dischen Armee" FM. Prinz von Coburg aus seinem Haupt- quartier Pont-sur-Sainbre an den Hofkriegsratspräsidenten FM. Graf Wallis den folgenden Bericht:

„Der in Maubeuge von der Nationalkonvention als Depu- tierter gestandene Drouet hat sich in der verflossenen Nacht aus besagter Festung nach Philippeville flüchten wollen, ist aber bei dem Herrn GM. von Mikoviny auf den Vorposten arretiert worden.

Dieser Mensch gesteht ein, daß er der nämliche Postmeister von Sainte-Menehould sei, welcher den höchstseligen König von Frankreich bekanntermaßen hat arretieren lassen.

Ich habe die Ehre, Euer Exzellenz hievon mit dem ge- horsamsten Bemerken die Nachricht zu erteilen, daß ich diesen Arrestanten bis auf weitere Ordre, die ich Euer Exzellenz von Seiner Majestät gefällig einholen zu wollen bitte, nach Luxem- burg in gute Verwahrung bringen lassen." l)

l) K. und k. Kriegsarchiv. Feldakten, Coburg 1798, 11/56. Abgedruckt in „Quellen zur Geschichte der deutschen Kaiserpolitik Österreichs während der französischen Revolutionskriege 1790-1801". III/l, 308.

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Gleichzeitig benachrichtigte der Armeekommandant den kaiserlichen Minister Graf Mercy-Argenteau in Brüssel von der Gefangennahrae Drouet's und fügte hinzu: „Cet hoinme, sur qui dont peser la vengeance des rois et de la societe, puis ce que c'est lui, qui notoirement (et ainsi qu'il l'a avoue" lui mime aux avant-postes) a 6t6 la cause qu'on a reconnu et arre^e" a Varennes l'infortune roi de France, est par la un homme important ä garder et a punir." l)

Die Berennung von Maubeuge war am 30. September bewirkt und das Hauptquartier des Prinzen Coburg nach Pout- sur-Sambre verlegt worden. In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober hatte eine etwa 100 Mann starke Kavallerieabteilung aus Mau- beuge den Versuch gemacht, zwischen Grand camp perdu und Assevent durchzubrechen. Die dort ausgestellten Kavalleriefeld- wachen bemerkten die Annäherung zeitgerecht, der Soutien eilte herbei, trieb die Abteilung zurück und machte dabei einen Offizier und fünf Mann zu Gefangenen. Die übrigen flohen eiligst in die Festung zurück. Wie sich dann nachträglich herausstellte, war dieser gefangene angebliche Offizier: Drouet, welcher als Kom- missär des Nationalkonvents in der Festung geweilt hatte. 2)

Prinz Coburg ließ den Gefangenen am 5. Oktober durch Major Bradatsch des Stabsinfanterieregiments und einigen Kom- mandierten mit Post vorläufig nach Brüssel eskortieren und er-

l) Coburg au Mercy, Pont-sur-Sambre 3. Oct. 1793. K. A. F. A. Coburg 1793,

11/73.

*) K.-A. F.-A. Coburg 1793, 11/62.

Ein neueres französisches Werk (Gosselin-Lenotre, rLe drame de Va- rennes") bezeichnet den Offizier, welcher Drouet gefangen genommen, als den Rittmeister Ferdinand Freiherr von Stetten und gibt Details nach dessen Tagebuch, daa ihm von einem Nachkommen dieses Offiziers zur Ver- fügung gestellt wurde. In den Akten habe ich diese Tatsache nicht ver- zeichnet gefunden. Stetten war Rittmeister bei Kinsky-Chevauxlegers (jet** Dragonerregiment Nr. 10) und wird sonst bei verschiedenen Anlässen lobend erwähnt. Dronet erzählte später selbst, er sei von BlankensteinsHusaren (jetzt Nr. 6) gefangen worden. Auch die Wiener - Zeitung (Beilage zu Nr. 83 vom 16. Oktober 1793), welche diese Affaire, jedoch ohne Drouet zu nennen, kurz erwähnt, spricht von Husarenvedetten, auf welche die feindliche Abteilung zuerst gestoßen sei. Dies schließt nicht aus, daß der „8outien" in jener Nacht nicht von Kinsky-Chevauxlegers beigestellt wurde, umsoweniger als das Zu- sammenwirken beider Truppenkörper in manch anderer Gelegenheit aktenmäßig festgestellt werden kann.

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Der Postmeister von Saiute-Menehould.

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suchte den Grafen Mercy !) den Gefangenen zu befragen oder befragen zu lassen, nachdem derselbe außer mannigfachen Auf- klärungen, die man durch ihn erlangen könnte, Andeutungen bezüglich eiuer Auswechslung seiner Person gegen jene der Königin Marie Antoinette gemacht habe, ein Gegenstand, den man von Seiten des Armeekommando selbstverständlich nicht habe in Diskussion ziehen können. *)

Am 6. Oktober kam der Gefangene in Brüssel an, und wurde in Sainte-Elisabeth interniert.

Hier sah ihn Graf Fersen. Es muß ein hochdramatischer Moment gewesen sein, als diese zwei Männer sich gegenüber standen. Der eine, welcher mit Aufbietung allen Scharfsinnes die Flucht der königlichen Familie vor zwei Jahren vorbereitet und durch aktive Teilnahme wesentlich unterstützt hatte, der feine, elegante, tapfere Offizier dem brutalen Volksmanne gegenüber, der durch seine Intervention das Scheitern der Flucht, so nahe dem Ziele, veranlaßt hatte. Welche Gefühle immer beim Anblick dieses Mannes das Herz des ritterlichen Kavaliers bewegt haben mögen, er bewahrte seine Haltung. Über die Zusammenkunft erwähnt er nur kurz in seinen Aufzeichnungen : Ich ging mit Oberst Hervey in das Gefängnis von Sainte-Elisabeth, um Drouet zu sehen. Er ist ein hochgewachsener Mann von 33 bis 34 Jahren, nicht übel, wenn er nicht ein so arger Verbrecher wäre.3) Er war an Händen und Füßen gefesselt. Wir fragten ihn, ob erder Postmeister von Saiote-Menehould sei, welcher den König in Varennes verhaftet hätte. Er entgegnete, daß er allerdings in

]) Floritnond Claude Graf Mercy- Argenteau, Gesandter in Frankreich vom Jahre 1766 bis September 1790, war durch kaiserliches Patent desselben Jahres zum bevollmächtigten Minister in den Niederlanden während der Ab- wesenheit der Generalstatthalter Erzherzogin Marie Christine und Herzog Albert von 8aohsen-Tesohen ernannt worden. Später (1791) ersetzte ihn in dieser Stellung Graf Metternich. Graf Mercy führte jedoch noch immer den Titel Ge- sandter des Wiener Hofes in Frankreich und residierte in Brössei. Er hatte den Auftrag, die politischen und militärischen Ereignisse sowie die Operationen der Armee zu verfolgen, erhielt die Berichte der Generale und hatte seine Bemer- kungen dem Wiener Kabinette einzusenden. Nach der Räumung Belgien's (1794) hielt er sich vorübergehend in Schloß Brühl bei Köln auf und sollte dann nach England gehen, um mit der dortigen Regierung zu verhandeln ; krank schiffte er sich am 18. August 1794 in Helvoetsluys ein. die Überfahrt verschlimmerte seinen Zustand, und am 26. August 1794 versohied er, 72 Jahre alt, in London.

a) K.-A. F.-A. Coburg 1793, U/99.

") Drouet war damals erst 30 Jahre alt. Er war am 8. Januar 1763 zu Sainte-Menehould aU Sohn eines Holzhändlers geboren.

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Duncker.

Varennes gewesen sei, jedoch habe nicht er den König verhaftet. rDer Anblick dieses abscheulichen Verbrechers", fügt Graf Fersen seinen Aufzeichnungen bei, „versetzte mich in Zorn, und der Zwang, den ich mir in Rücksicht auf den Abbe1 von Limon und den Grafen Fitz-James, die mit uns waren, auferlegen mußte, um ruhig zu bleiben, tat mir förmlich weh." l)

Darin, daßJDrouet dem Grafen Fersen gegenüber erklärte, er persönlich habe den König in Varcnnes nicht verhaften lassen, hatte er nicht gelogen, wohl aber war er der alleinige Urheber der Anhaltung der königlichen Familie und dadurch der Ver- eitler der Flucht gewesen.

Es ist hier wohl am Platz, einen Rückblick auf die Ge- schehnisse des Jahres 1791 zu werfen und die Umstände kurz zu beleuchten, welche beitrugen, die Flucht des Königs Ludwig XVI. scheitern zu lassen.

Am 19. Juni 1791 schrieb Königin Marie Antoinette an Graf Mercy: ,.Tout est decide : Nous partons, lundi 20, a minuit, et rien ne peut plus deranger ce plan, nous exposerions trop ceux qui nous servent dans cette entreprise." 2)

Und so geschah es. Wie durch ein Wunder gelangte die in den Tuilerien scharf bewachte königliche Familie, hauptsächlich infolge der Veranstaltungen und der tätigen Mithilfe» des Grafen Fersen, aus dem Königsschlosse und passierte unerkannt die Barrieren von Paris.

Die Reisegesellschaft bestand aus dem König, der Königin, der Schwester Louis XVI., Madame Elisabeth, dem Dauphin, der Prinzessin Marie Therese Charlotte (gewöhnlich Madame royale genannt), der Gouvernante der königliehen Kinder, Madame de Tourzel, zwei Kammertrauen und drei Leibgardisten als Kuriere.

Die Königin reiste mit einem vollkommen richtigen Paß als Baronin Kor ff mit Kindern und Dienerschaft, der König figurierte als ihr Kammerdiener.3)

*) „Le conite de Fersen et la cour de France. Extraits des papiers du graud-marechal de Suede, comte Jean Axel de Fersen puMies par son pettt- neveu le Baron R. M. de Klinekowstrfira colonel suedois.- II, 93.

') Feuillct de Conches „Louis XVI., Marie Antoinette et Madame Elisa- beth- II, 91.

3) Paß. einen Monat giltig, aufgestellt am 5. Juni 1791 in Paris für Baronin von Korff mit zwei Kindern, einer Kammerfrau, einem Kammerdiener und drei Domestiken nach Frankfurt. (Faksimile des Reisepasses bei Bimbeiiet „Fuite do Louis XVI. k Varenues-. ed. Cotee 242.)

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Der Postmeifter von Sainte - Menehould.

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Die zwei Kammerfrauen fuhren in einer besonderen Post- chaise, der König mit Familie und Madame de Tourzel in einem eigens für diesen Zweck gebauten großen Reisewagen.

Das Reiseziel war die französische Grenzfestuug Montmedy. Auf der Route waren hinter Chälons-sur-Marne Truppenabteilungen zum Schutze der königlichen Familie aufgestellt. Man fuhr auf der großen Straße Paris -Metz. Gegen 8 Uhr abends, am 21. Juni, erfolgte die Ankunft in der Poststation Sainte - Menehould.

Die Reisenden sollen schon in Chaintrix und Chalons-sur- Marne erkannt und von vorausgeeilten übereifrigen „Patrioten44 in den folgenden Ortschaften avisiert worden sein. l)

In Sainte-Menehould herrschte Aufregung, Truppen in der Stadt, vor der Post die beiden Reisewagen, von denen jener, in welchem sich die königliche Familie befand, soeben wieder mit sechs Pferden bespannt wurde. Man vermutete in den Reisenden sehr vornehme Personen, und es darf nicht Wunder nehmen, daß bei der damals in Frankreich gegen die Besitzenden, welche das Land verlassen wollten, herrschenden Stimmung, aus der an- gesammelten Menge, die dem Umspannen zusah, schmähende Zurufe zu vernehmen waren. Als die Postillone gerade in den Sattel stiegen, kehrte der Postmeister Jean Baptiste Drouet vom Felde heim. Er wirft noch einen Blick auf die Insassen des Reisewagens und ruft in Rücksicht auf dessen schwere Belastung den Postillonen zu: „Die Plerde nicht zu sehr abzujagen".2)

Kaum waren die Wagen abgefahren, als sich in der Stadt das Gerücht verbreitete, die Durchreisenden seien der König und seine Familie gewesen. Drouet wird auf das Stadthaus ge- holt und über die Reisenden befragt. Er meint, im Innern des großen Rei*ewagens sei ihm ein beleibter Mann mit stark hervor- tretendem Profil besonders aufgefallen. Man zeigte ihm dabei wohl ein Assignatenbillet mit dem darauf eingedruckten Bilde Ludwig XVI. und er glaubte bestimmt Ähnlichkeit mit dem von ihm beobachteten Reisenden zu finden.

Aus dieser Wahrnehmung Drouets und den vagen Gerüchten, die man aus den früher von den Heisenden passierten Stationen schon vernommen hatte, nahm die Munizipalität an, daß mög- licherweise der König die Stadt passiert habe und beschloß, den Reisenden nachsetzen zu lassen und deren Wr eiterfahrt zu ver- »

') Goaselin-Lenotre „Le dratne de VarenneB, Juin 1791, d'apres des docu- ments iuedit« et le» relation* d.-.s temoins oculaires." Paris IbOb, 66. *) (Jos.-elin-Lenotre a. a. 0. 76. Organ der MillUrwUnenichaftHchen Vereine. LXXIII. Bd. 1H06 91

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Duncker.

hindern. Zur Verfolgung wurden Drouet und ein Distriktsbeamter, namens Guillaume, bestimmt; sie hatten bei den Dragonern gedient und waren sichere Reiter. Um 9 Uhr abends sprengten die beiden von Sainte - Menehould in die Nacht hinaus.

Ehe sie jedoch die nächste an der großen Route liegende Poststatiou Clermont-eu-Argonne erreichten, hörten sie schon von den mit den ledigen Pferden nach Sainte - Menehould zurück- reitenden, ihnen begegnenden Postillonen, daß die Reisenden nicht die Straße nach Verdun weiter verfolgt, sondern von Clermont jene nach Varennes eingeschlagen hätten. Diese zweigt bei ersterem Orte von der Straße Paris Metz nordwestlich ab.

Auf diese Kunde schlugen Drouet und sein Begleiter, ohne Clermont zu berühren, ihnen bekannte Seitenwege nach Varennes ein und langten um 11 Uhr nachts vor den Wagen der könig- lichen Familie dort an.

In Varennes befand sich keine Poststation, es sollten aber Relaispferde aus den Ställen des Herzogs von Choiseul zur Weiter- fahrt bereit stehen. Als die Reisenden etwa um 1/212 Uhr nachts bei den ersten Häusern der Stadt anlangten und die frischen Pferde bei dem Eingange des Ortes zu finden hofften, wurde vergeblich nach diesen gesucht.1) Inzwischen war Drouet im Gasthofe „Au bras d'oru abgestiegen und hatte den dort noch anwesenden Gästen das Geheimuis von der Durchfahrt der vornehmen Reisenden mitgeteilt und hinzugefügt, man müsse deren Abfahrt mit allen Mitteln zu verhindern suchen. Man beschloß infolge- dessen, die Uber den Aire führende Brücke, welche die Wagen passiereu mußten, wenn sie ihren Weg fortsetzen wollten, sofort zu barrikadieren. Sodann erwartete man in der Straße die An- kunft der Reisenden, um sie anzuhalten und ihre Pässe zu ver- langen. Als diese sich vollkommen in Ordnung erwiesen, wäre vom anwesenden Beamten der Munizipalität die Weiterreise ge- stattet worden, wenn Drouet nicht erklärt hätte, er habe jetzt die Gewißheit, daß man den König und seine Familie vor sich habe, wer diese ins Ausland passieren lasse, mache sich des Verbrechens des Hochverrates schuldig. Diese Worte machten Eindruck, die Weiterreise wurde verhindert und so nahe dem

•) Die Relaispferde standen tatsächlich bereit, aber nicht am Eingange der .Stadt; sie waren in dem etwas entfernter jenseits der Brücke gelegenen Gasthofe: „Au grand mon:«rqiui- eingestellt.

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Der Postmeister von Sainte - Menehould.

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geplanten Ziele scheiterte die mit großer Mühe und viel Scharf- sinn ins Werk gesetzte Flucht. *)

Drouet selbst, der nun seines Erfolges sicher war, kehrte noch im Laufe der Nacht nach Sainte-Menehould zurück, wohin er die Nachricht von der Verhaftung des Königs und seiner Familie überbrachte. Um 6 Uhr morgens ritt er wieder nach Clermont, um von dort an der Spitze des Zuges, der den Mon- archen in die Hauptstadt zurückführte, seinen Triumpheinzug in Sainte-Menehould zu halten.

Mit der zwangsweisen Zurückführung des Königs und der Mitglieder seiner Familie nach Paris, die auf dieser Tour von den rohesten Volksinstinkten bedroht waren, beginnt der furcht- bare Leidensweg jener armen Dulder, der, mit einer einzigen Ausnahme, erst auf dem Blutgerüst sein Ende finden sollte.

„De perir ainsi, si pres du port, c'est cruel!", schrieb Erz- herzogin Marie Christine, die Statthalterin sder Niederlande, über den verunglückten Fluchtversuch der so nah verwandten könig- lichen Familie an ihren Bruder, den Kaiser Leopold.2) Dieser Ausspruch ist wohl mehr als berechtigt, wenn man die Entfer- nung von etwa 40 Kilometern in Betracht zieht, welche die Reisenden von Varennes bis an ihr Ziel nur mehr zurückzulegen gehabt hätten.

Die hier eingeschaltete knappe Schilderung des Fluchtver- suches stützt sich auf die bisherige Überlieferung. Diese ist ohne Zweifel nicht lückenlos und in verschiedener Hinsicht noch recht ergänzungsbedürftig; über manche Einzelheiten ist gewiß das letzte Wort noch nicht gesprochen. Max Lenz hat voll- kommen recht, wenn er betont, daß zur Entdeckung nichts mehr beigetragen habe, „als die Aufregung, welche die Truppen - häufung längs des Weges in der argwöhnischen Bevölkerung hervorrief". 3)

*) Gosselin-Lenotre a. a. O.

'J) Dr. Hans Schütter: „Briefe der Erzherzogin Marie Christine, Statt- lialterin der Niederlande, an Leopold II." Fontes rerum austriacarum. II. Abt. 48. Bd. 1. Hälfte, 187.

3) M. Lenz „Die Vorbereitung der Flucht Ludwig XVI." Historische Zeit- schrift, 72. Bd., 34.

31*

460 Duncker.

Zu diesem Mißtrauen kam nun noch die Unverläßlichkeit der zum Schutze des Königs aufgebotenen Truppen, welche schon mit der erregten Bevölkerung zu fraternisieren begannen. Eine königstreue und entschlossene Truppe hätte im letzten Augenblicke den Kriegsherrn mit ihrem Leben gedeckt. l)

Ein weiterer Umstand des Mißlingens war, daß man sich nicht entschlossen hatte, als Reiseleiter einen energischen Mann mitzunehmen, der auf den Poststationen und bei unerwarteten Zwischenfällen das Wort hätte führen können. Dem Könige wurden in dieser Hinsicht wiederholt Vorschläge gemacht, auch die Begleitung Graf Fersens selbst scheint diskutiert, dann aber abgelehnt worden zu sein. 2)

„Genug, daß man nach langem Schwanken zu gar keinem Entschluß kam, und daß der König am Ende niemand im Wagen bei sich hatte als Frauen und Kinder." 3)

Jemand, der im Stande gewesen wäre, im Falle der Not entscheidende Entschlüsse zu fassen, war nicht da und das Unternehmen, dessen schwierigsten Teil : den König und seine Familie aus dem scharf bewachten Tuilerienpalast heraus und bis vor die Barrieren von Paris zu bringen, Graf Fersen allein durchgeführt hatte, ist wirklich sehr nahe dem Ziele mangels einer solchen Persönlichkeit gescheitert.

Wenn der wilde Verfolgungsritt Drouet's das Schicksal der königlichen Familie beeinflußte, so hat er auf dessen Lebenslauf eine nicht minder tragische Wirkung geübt.

Der einfache Postmeister wird Volksmann, er tritt in das politische Getriebe und beginnt ein an Abenteuern und Sensa- tionen reiches Leben.

Tatsächlich wurde Drouet als derjenige betrachtet, der die Flucht der königlichen Familie verhindert hatte, und als er am 24. Juni in Paris ankam, stellte ihn die Munizipalität triura-

*) Graf Fersen, der Anfang 1791 aus dem französischen Militärdienst als Oberst - Inhaber des Regiments Royal - Suedois geschieden war, schrieb am 10. April 1791 über den Zustand der Armee seinem Vater: „La Situation du roi, et surtout de la reine, faitpitie; sa conduite et son oourage lui ont ramene les esprits. L'armie est perdue, les regiments se r^voltent, n'ob&ssent plus k leurs chefs, et prenneiit parti pour la cause populaire." „Le comte de Fersen" a. a. O. I, LX1.

„Je n'accompaguerai pas le roi, il n'a pas voulu." Graf Fersen an Marquis de Bouille, 29 Mai 1791. „Le comte de Fersen- a. a. O. I, 182. s) M.. Leuz, „Die Vorbereitung zur Flucht" a. a. O. 48.

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Der Postmeister von Sainte - Menehould.

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phierend der Assemblee nationale vor, die ihm 30.000 livres als Belohnung votierte. Er spricht in der Nationalversammlung, er- zählt den Hergang der Geschehnisse in Varennes. Er vindiziert sich das Verdienst, Frankreich gerettet und vor einem verhängnis- vollen Kriege bewahrt zu haben. Sein Bild wird in tausenden von Exemplaren verkauft, einen Monat später ist sein Name in ganz Europa bekannt. Ein neuerer französischer Schriftsteller schildert ihn folgendermaßen: „Mutig, unternehmend, zähe, prahlerisch, voller List, wenn es Ränke zu üben galt, unterwürfig, wenn not- wendig, war er augenscheinlich für Abenteuer geschaffen." *)

Als Konventsdeputierter stimmte er ohne Zögern für den Tod des unglücklichen Monarchen, dessen Rettung er allein ver- eitelt hatte.2)

So war Drouet, den wir im Oktober 1793 als österrei- chischen Gefangenen in Brüssel verlassen haben.

Graf Mercy befand sich, als ihm die Nachricht von Drouet's Gefangennahme und dessen Transportierung nach Brüssel zur Kenntnis gelangte, nicht in der Hauptstadt, konnte auch wegen Unwohlseins den Gefangenen nicht sehen oder befragen, war aber der Ansicht, daß bei der mehr oder weniger subalternen Stellung, die Drouet einnehme, man bei ihm weder Einfluß noch genügende Verbindungen voraussetzen könne, um daraus für die Sache der Königin Nutzen zu ziehen. Der Name derselben werde vom Ver- brecher wohl nur gebraucht worden sein, um zu versuchen, dadurch eine bessere Behandlung zu erlangen, als jeue, auf die er gefaßt sein mußte. Man werde übrigens bald über den Ein- druck unterrichtet sein, den Drouet's Gefangennahme in Paris hervorgerufen habe und dann könne man über die dadurch not- wendigen Maßregeln schlüssig werden. Sonst erklärte sich der Minister ganz mit Coburg's Dispositionen betreff der Unter- bringung des Gefangenen einverstanden, bis Befehle des Hofes anders über denselben bestimmen würden.3)

Der kaiserliche bevollmächtigte Minister in den Nieder- landen Graf Metternich4) unterzog Drouet während dessen An- wesenheit in der Hauptstadt einem Verhör. Er schildert ihn, in

') Gosselin-Lenotre a. a. O.

*) Am 21. Januar 1793 hatte die Hinrichtung Ludwig XVI. stattgefunden. 3) Mercy an Cohurg, pres de Bruxelles, 7. Octobre 1793. K.-A. FA. 1793, 11/133.

«) Franz Georg Graf Metternich, 1791—1794 Minister in den Niederlanden.

402

Duncker.

seinem darüber an den belgischen Hofkanzler Graf Trautmans- dorf l) erstatteten Berichte als von Statur groß, mit unsympathischem Gesichtsausdruck. Unter anderem befragt, warum er für den Tod des Königs gestimmt habe, antwortet er, daß die fremden Armeen im Jahre 1792 bei der ß eschießung von Lille, der Ein- nahme von Longwy und der Belagerung von Verdun erklärt hätten, dies im Kamen des Königs von Frankreich zu vollführen. Er habe Ludwig XVI. im Verdacht gehabt, im Einverständnis mit dem Feinde zu handeln und habe deshalb nicht gezögert, für dessen Tod zu stimmen. „Da ist also", ruft Trautmausdorf aus, „ein einflußreiches Mitglied der Assembler legislative, das eingesteht, daß man den unglücklichen König allein auf Ver- dachtgründe hin aufs SchafFot geführt habe."

Im allgemeinen seien seine Aussagen voller Lügen. Eine Bemerkung von ihm ist jedoch charakteristisch. Er sagte näm- lich, als über die Zustände in Frankreich gesprochen wurde, „jene, die die Revolutionen machen, sollten sich das früher gut überlegen, denn, sei das Volk einmal losgelassen, so sei es nicht mehr zurückzuhalten". Drouet erzählt dann, wie er von Blanken- stein-Husaren gefangen worden, lobt sehr das Vorgehen und die Behandlung ihm gegenüber. „Er habe geglaubt, man werde ihn in Stücke reißen. * *)

Am 10. Oktober brachte Major Bradatsch den Gefangenen in die Festung Luxemburg. Nun kam auch aus Wien die Weisung, daß Drouet auf Befehl des Kaisers in Eisen zu schließen „unter guter Vorsicht von dort abzuführen" uud auf den Spielberg „in Verwahrung" gebracht werden solle. 3) Dieser Befehl ward drei Tage später vom Kaiser selbst dahin abgeändert, daß Drouet nicht in Eisen geschlossen zu transportieren sei, „nachdem ein solcher Vorgang die gegenseitigen Gemüter nur noch mehr gegeneinander aufbringen würde." 4)

Diese milde Weisung erging genau an dem Tage, an welchem das Haupt der unglücklichen Königin von Frankreich auf dem Schaffote fiel.

l) Ferdinand Graf Trautmanadorf Hofkanzler der niederländischen Ge- schäfte.

•) Metternich au Trautmannsdorf, Brüssel, 9. Oktober 1793. H.-H. und 8t. -A. Berichte aus Belgien 1793.

») Wallis an Coburg, Wien, 13. Oktober 1793, K -A. F.-A. Coburg 1793,

11/344.

«) Derselbe an denselben, Wien, 16. Oktober 1793. K.-A. 11/399.

Der Postmeister von Sainte - Menehould.

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Der Kommandant von Luxemburg FML. Baron Schröder stellte Major Rötterich vom Würzburg'schen Regiment und zwei Unteroffiziere unter deren Aufsieht Drouet am 1. November mittelst Post über Trier, Coblenz, Frankfurt, Würzburg, Bam- berg, Bayreuth nach Eger gebracht und dem dortigen Festungs- kommando zur Weiterbeförderung übergeben werden sollte. l)

Am 9. November mittags traf der Würzburg sehe Major mit Drouet in Eger ein. Hier erwartete schon Rittmeister Baron Thünefeld vom Wallisch'en Kürassierregiment (jetzt Dragoner- regiment Nr. 7) den Gefangenen, um ihn auf den Spielberg zu bringen.

Das böhmische Generalkommando hatte für den Transport außer dem Kommandanten, einen Wachtmeister, einen Korporal und vier Gemeine beigestellt, und sehr strenge Instruktionen für die Eskorte gegeben. Die «äußerste Geheimhaltung des Namens des Gefangenen und Vermeidung jedes Aufsehens war anbe- fohlen.-)

Thünefeld traf am 14. November um 8 Uhr abends mit seinem Gefangenen auf dem Spielberge bei Brünn ein und über- gab denselben dem dortigen Festungskommandanten Oberst von Jarrai.

Nun verschwindet Drouet hinter den festen Mauern des Spielberges, sein Name ist nur den wenigen Eingeweihten bekannt und er figuriert fortan als der Staatsgefangene von Numero 8. Schlecht untergebracht war er nicht, wurde auch nicht schlecht behandelt, es fand sich sogar in seinem Gelasse, von dem er Aussicht auf die umliegende Gegend hatte, manches, was an einen gewissen Komfort gemahnte. Zu seinem Unterhalte waren nach der eigenen Entschließung des Kaisers, ihm „täglich zwei Gulden zu verabreichen".

i) Die Reise sollte beschleunigt und Nachtstation nuriu jenen Orten gehalten werden, wo Garnison lag, der Gefangene durfte mit niemand sprechen, noch kor- respondieren. Beim Pferdewechsel sollte er scharf beobachtet und beim Aussteigen stets von der Eskorte begleitet werden. Im Nachtquartier mußte Licht brenuen und vor der Tilr eine Wache stehen. Untertags durfte nirgends Mittagsstation gehalten werden. Der Stabsoffizier hatte für sich täglich sechs Gulden zu ver- rechnen ; die Kommandierten erhielten die doppelte Kriegsgobühr. ( Coburg an Festungskommandanten in Luxemburg, Bermerain, 24. Oktober 1798. K.-A. F.-A. Coburg 1793, 11/678.)

») K.-A. HofkriegsrHtliche Akten 1794, 83/708.

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D u n c k e r.

Die Akten schweigen nun längere Zeit hindurch über Drouet. Hinter den Mauern des .Spielberges verlebte er in der genau ge- regelten Einteilung des Gefangenen seine Tage. l)

Da plötzlich im Juli 1794 erhalten wir gelegentlich eines Fluchtversuches von ihm wiederum Kunde. Er hatte sich aus Leintüchern, Vorhängen und Handtüchern eine Art Fallschirm konstruiert, in welchem er sieh nach Durchfeilung des Fenster- gitters in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli nach 1 Uhr morgens herablassen wollte. Der Apparat erwies sich jedoch nicht als widerstandsfähig, zerriß, und der Gefangene fiel auf das unter dem Bastion befindliche Werk, wo er mit stark verletztem linken Fuß liegen blieb und von dem Wachtposten gefunden, in Ver- wahrung gebracht und dessen verrenkter Fuß durch den Stabs- chirurgen untersucht und behandelt wurde.

Im Zimmer des Gefangenen fand man den folgenden Ab- schiedsbrief Drouet's, den dieser mittelst eines Hölzchens mit Ofenruß und Wasser auf den Tisch niedergeschrieben hatte. Der Festungskommandant ließ den Brief kopieren und das Brünner Generalkommando sendete diese Kopie zugleich mit der Meldung über den Fluchtversuch dem Hofkriegsrate ein. 2)

„Drouet ä ceux, qui liront cettedeclaration salut. 3)

J'ai ete fait prisonnier de guerre en quaiite^ d'un commissaire general des armees de la republique fraucoise employe dans le nord le 2 Octobre 1793 faisant une reconnaissance pendant la nuit au milieu de l'armee imperiale devant Maubeuge, je me suis pas rendu commc un lache mais je ne suis succombe que par accident; j'etois transfere dans cette forteresse, dont j'ignore le nom environ vers le 15 ou 20 Novembre, ou j'ai et6 jusqu'a ce jour renferm^ au plus grand secret, comme si j'etois un cri- minel; cette conduite a mon egard a me faire croire, que

*) Die Staatsgefangenen der damaligen Zeit waren vollständig isoliert. Sie durften weder Briefe absenden, noch solche erhalten, ihre Aufenthaltsorte galten als unbekannt; über die politischen Ereignisse blieben sie in vollständiger Unkenntnis. Im Jahre 1795 wurde man humaner und gestattete die Korrespon- denz in Familienangelegenheiten, jedoch nur nach Einsichtnahme der abzu- sendenden und einlaufenden Briefe durch die Staatskar.zlei ; der Aufenthaltsort der Gefangenen blieb deren Angehörigen jedoch nach wie vor unbekannt.

*) GM. Rehbach an den Hofkriegsratspräsidenten, Brünn, 10. Juli 1794. K.-A. H. K. R. G. Nr. 6445 de 1796. Beilage 33-394/8 (Fast. 3521.)

8) Der Abschiedsbrief ist auch betreff der Orthographie nach der in den Akten erliegenden Kopie wiedergegeben.

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Der Postmeister von Sainte - Menehonld.

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ma vie n'etoit pas eu suret^, quoique je erains assez peu la mort pour exposer temerairement raes jours tout le fois que je les crois utiles ä l'interet de mon pais ; cependant comme l'auteur de la nature m'a donnee une existance, m'aussi confie le soin de la defendre et de la prolonger, autant qu'il nie seroit possible; eu m'echapant de ma prison j'ai rcmpli ce devoir sacre, impose a tout etre vivant.

La gene, dans laquelle on me tient. legitime tous nies efforts; si on rn eut consigne dans la citadelle sur ma parole, de n'en point sortir, je me serois cassee la jambe, qui la premier auroit voulue, malgre moi faire un pas en avant pour fuir plutöt, que de manquer k l'honneur. [?J

Je remercie Messieurs les generaux, et officiers de l'armee imperiale, qui en remplissant envers moi, quoique strictement les devoirs, dont ils etoient charges n'ont apporte de leurs pas ni passions, ni aigreur, quant a ceux, qui ont eue la bassesse et la lachete de m'outrager, et meme de me frapper, lorsque j'etois enchaine, je les uieprise trop, pour m'occuper d'eux en ce moment, peut etre le dernier de ma vie.

Au reste le nombre en est petit, c'est une justice que je dois rendre k la nation allemande. chez laquelle j'ai trouve plus de generosite, que je ne m'y etois attendu.

J'ignore s'il y a quelque negociation entamee pour mon echange, en ce cas, si j'ai le bonheur de rentrer dans ma patrie, je m'empresserai de faire tout ce qui sera juste et raisonable, pour procurer la libert£ a la personne, qui devroit etre 6changee contre moi, ne voulant pas par ma fuite la priver d'un bien aussi estimable.

Personne ne m'a aid6, ni favorise dans mon projet d'e>asion, je n'ai eu besoin que des moyens, et des instrutnens, que mon genie et la nature m'ont donnes, mon entreprise est difficile je le sais, et meme je ne eonipte pas beaucoup sur mes succes: il est tres possible, que je me casse le col en sautant en bas de rempart, c'est pourquoi je recommande en avance mon äme a Dieu, ma femme, et mes enfans a tous mes parens et amis, et ma memoire aux hommes, qui cherissent Thonneur, et la liberte.

Le 6 juilb t 1794."

Seltsam nehmen sieh jedoch diese „adieux de Drouet* gegen die Rede aus, die er nach seiner Auswechslung im Rate der Fünfhundert zu Paris hielt, worin er Beschwerde über die Leiden führte, die er im Kerker (!) des Spielberges überstanden hatte.

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4h<;

Duncker.

Die Verletzung des Fußes erwies sieh als nachhaltig; Drouet scheint längere Zeit an das Lager gefesselt gewesen zu sein und war auch im Gebrauch des Fußes behindert. Er selbst war der Ansicht, daß nur eine Kur im Bade von Plombieres ihm helfen könne ; auf welchen Wunsch man begreiflicherweise nicht einging, da ärztlicherseits die Notwendigkeit einer Badekur nicht anerkannt wurde, und falls eine solche vorgelegen hätte, man im Lande über entsprechende Heilquellen verfügen konnte.

Übrigens sollte sich des Gefangenen Schicksal in nicht ferner Zeit anders gestalten.

Es hatte schon im März des Jahres 1795 der in Lörrach unweit Basel beim Auswechslungsgeschäfte der Kriegsgefangenen angestellte kaiserliche Rittmeister Baron Grcsselsberg über eine Unterredung mit dem Secr^taire interprete Bacher der franzö- sischen Gesandtschaft in Basel berichtet, iu welcher von dem letzteren der Wunsch ausgedrückt wurde, die seit zwei Jahren in österreichischer Gefangenschaft befindlichen Konventsdepu- tierten auszuwechseln. Man ging auf diese Anregung in Wieu aber vorläufig nicht ein, sondern wies Gresselsberg an, bei schick- licher Gelegenheit zu erklären, daß die erwähnten Deputierten nicht in die Kategorie der Kriegsgefangenen gehörten. Bei einer Unterhandlung über die allgemeine Auswechslung der letzteren könnte es sich allerdings fügen, daß auch über die Entlassung dieser Staatsgefangenen eine besondere Übereinkunft getroffen werde. l)

Es geschahen jedoch französischerseits weitere Schritte. Anfangs Juli wendete sich der Oberbefehlshaber der französischen Rhein- und Mosel-Armee. General Pichegru, an den in Kork die Postierung von Freistadt bis Ichenheim kommandierenden Reichsfeldzeugmeister Stain, mit dem Ersuchen, den seinem Schreiben beigeschlossenen Protokollsauszug des Nationalkonvents zur Kenntnis der österreichischen Regierung zu bringen. In diesem Aktenstück war ausgesprochen, man sei gewillt, die Tochter Ludwig XVI. einem österreichischen Befehlshaber zu tibergeben, sobald die Volksrepräsentantcn, der Ministerund die französischen

l) Haus-, Hof- und StHatsarchiv. Vorträge 1795, Fase. 232.

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Der Postmeister von Sainte - Menehould.

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Gesandten, die noch in Österreich sich in Haft befänden, in Freiheit gesetzt werden würden." l)

FZM. Stain erwiderte, er werde dieses Schreiben dem kommandierenden General der kaiserlichen und der Reichsarmee FM. Grafen Clerfayt einsenden, um die Weisungen des Hofes einzuholen, und dieselben seinerzeit mitteilen.

Kaiser Franz erklärte hierauf in einem an FM. Graf Clerfayt gerichteten Befehlsclireiben vom 30. Juli, daß bei jeder anderen Gelegenheit die Bedingungen, von denen man die Befreiung der Mitglieder der unglücklichen Familie der Bourbonen, welche in Frankreich geblieben waren, abhängig machen wolle, als voll- ständig unannehmbar betrachtet werden müßten. Jedoch mit Rücksicht auf die furchtbaren Katastrophen, welche während der französischen Revolution einander gefolgt, dürfe allein die Zu- neigung für seine Cousine und das lebhafte Interesse für die Mitglieder des Hauses Bourbon sowie der Gedanke an die Ge- fahren, von denen sie noch unaufhörlich bedroht werden, maß- gebend sein. Der Kaiser gestatte daher den französischen General in Kenntnis zu setzen, daß er im allgemeinen dem gemachten Vorschlage zustimmen wolle, und fügte außerdem seiner Weisung bei, daß er es im Interesse der Menschlichkeit lebhaft begrüßen würde, wenn man auch sämtliche Kriegsgefangene gleichzeitig auswechsle, was man bisher seitens Frankreichs beharrlich ver- weigert habe. 2j

Am 21. August kounte der kaiserliche Gesandte in Basel, Ignaz Freiherr von Degelmann, der Staatskanzlei die Bedingungen vorlegen, welche man französischerseits bezüglich der Freilassung der königlichen Prinzessin Marie Therese aufstellte: Gesandt- schaftssekretär Bacher wurde als Kommissär bezüglich der Aus- wechslung der französischen gegen österreichische Kriegsgefangene bestimmt Als Hauptbedingung für jede weitere Verhandlung

l) Marie Therese Charlotte, gewöhnlich Madame royale genannt, war am 19. Dezember 1778 in Versailles geboren. Am 18. August 1792 kam die Prin- zessin, noch nicht 14 Jahre alt, in den Temple. Sie lebte dort anfangs neben ihrem Vater und ihrer Mutter, dann neben ihrer Tante Madame Elisabeth bis auch dieae vor das Revolutionstribunal geführt wurde und von da aufs 8ohaffot (9./10. Mai 1794). Von ihrem Bruder, dem Dauphin getrennt, der am 8. Juni 1795 der unwürdigen Behandlung seiner Henker erlag, befand sie sich fünfzehn Monate ganz allein im Temple, bis ihr eine Frau von Chantereiue als Gesellschafterin beigegeben v»urde.

■) Vivenot-Zeiiiberg, „Quellen zur Geschichte der deutsohen Kaiserpolitik Österreichs" V/III, 304 und Vivenot, „Tbugut, Clerfayt und Wurmger» 177—180.

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D uncker.

ward die sofortige Freilassung der fünf Volksvertreter, des Mini.-ters, der französischen Gesandten und der in ihrem Ge- folge befindlichen Personen, welche sich in österreichischer Ge- fangenschaft befänden, verlangt, und zwar deren Ubergabe in Basel ; dagegen würde das französische Gouvernement zur näm- lichen Zeit, ebenfalls in Basel, „die Tochter des letzten Königs der Franzosen" der von dem österreichischen Gouvernement dazu bestimmten Person übergeben lassen. Die übrigen Mitglieder der Bourbon'schen Familie, welche in Frankreich gegenwärtig noch zurückgehalten seien, würden ebenfalls, gemäß dem Dekrete des Nationalkonvents vom 12 Messidor (30. Juni) das Territorium der Republik verlassen können.1)

Freiherr von Thugut2) erließ in Beantwortung dieses Be- richtes am 31. August eine ausführliche Instruktion an den Ge- sandten. Die Unterhandlung sollte, da Österreich die Republik bisher nicht anerkannt hatte, durch die Vermittlung des Baseler Bürgermeisters Burkhardt mit der dortigen französischen Gesandt- schaft, speziell dem designierten Sekretär Bacher geführt werden

Die Übergabe der königichen Prinzessin hätte in Rücksicht auf die Veranlassung und die Erinnerungen, welche sie hervor- rufe, in möglichster Stille zu geschehen. Basel schiene wegen des Zusammenflusses von Fremden nicht gerade hiezu der schicklichste Ort.

Wenn aber trotzdem Basel gewählt würde, so dürfe die Ubergabe nicht in der Stadt, sondern müsse auf der Grenze entweder gegen St. Louis, oder auf der Straße von Hüningen vorgenommen werden. Da man österreichischerseits mit der Be- freiung mehrerer Konventsmitglieder und ihrer Begleitpersonen außerordentlich entgegenkommend sei, so wünsche man von der Gegenseite, daß Madame de Tourzel als ehemalige „Gouvernante des enfants de France" die Prinzessin begleite, und daß deren Töchtern, wenn dieselben die Mutter nicht verlassen wollten, auch keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt würden.

Sobald Ort, Anordnung und Zeit der Ubergabe der Prin- zessin festgesetzt seien, werde der Kaiser einen Kommissär zur Übernahme und Begleitung sofort abgehen lassen, und würden

*) Degelmann an Thugut, Basel, 21. August 1795 bei Vivenot-Zeißberg „Quellen etc.- V/3, 335 u. St.-A. Berichte aus der Schweiz 1795.

*) Geheimer Rat Johann Amadeus Franz de Paula Freiherr von Thugut seit 27. März 1793 Generaldirekteur der auswärtigen Geschäfte.

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Vorkehrungen getroffen werden, damit die auszuwechselnden Konventsdeputierten zur nämlichen Zeit eintreffen könnten. l)

Am 18. September konnte Freiherr von Degelmann an die Staatskanzlei berichten, daß die Verhandlungen mit Sekretär Bacher durch Vermittlung des Bürgermeisters Burkhardt im guten Fortgange begriffen seien. Auf Basel, beziehungsweise dessen Umgebung als Auswechslungsort beharre der französische Unter- händler. Zur Übernahme der Staatsgefangenen schlage er Riehen, das nächste Dorf bei Lörrach, vor, wodurch das Zusammen- treffen der Prinzessin mit den letzteren vermieden werde.2)

Bezüglich der Madame de Tourzel hatte Sekretär Bacher zuerst die Begleitung dieser Dame geradezu versprochen, später aber geäußert, er habe um die Genehmigung dieses Punktes in Paris angefragt. Degelmann hofft, dieselbe werde in Rücksicht seiner wiederholten Vorstellungen erfolgen. 3)

Die französischen Gefangenen, um deren Befreiung es sich handelte, waren in erster Linie die seinerzeit von General Dumouriez an die Österreicher ausgelieferten vier Konvents- deputierten Camus. Quinette, Bancal und Lamarque nebst dem Kriegsminister Beurnonville4)

Einige Monate später war Postmeister Drouet auf dem Spielberg interniert worden. Außerdem befanden sich in der Festung Kufstein noch die früher in Mantua in Haft gewesenen zwei Staatsgefangenen Semonville und Maret. 5)

Nachdem die Unterhandlung wegen der Auslieferung der Prinzessin Marie Therese günstig verlief, beauftragte der Kaiser

*) Vivenot, „Thugut, Clerfayt and Wurmser", 195 u. ff.

3) Riehen ist 5.5 km von Basel entfernt.

») Vivenot-Zeißberg „Quellen eto.M V/3, 880 u. ff.

«) Die Nachricht von der Niederlage bei Neerwinden (18. März 1793) hatte in Paris große Aufregung verursacht. Dumouriez, der Befehlshaber des französischen Heeres, war im Konvent verräterischer Umtriebe angeklagt und aufgefordert worden, nach Paris zu kommen, um Aber die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen vernommen zu werden. Zu diesem Zweck« gingen vier Kom- missäre an ihn ab, die vom Kriegsminister General Beurnonville begleitet wurden. Dumouriez bofand sich in 8t. Amand, als er das Dekret des Konvents erhielt (2. April). Er ließ die vier Volksreprfisentanten und den Minister ver- haften, die bald darauf den Österreichern überliefert und in die Staatsarreste naoh Böhmen und Mähren transportiert wurden.

a) Zwei französische Diplomaten : Maret, unter Napoleon Herzog von Bassano, und der Marquis von Semonville, die mit einer Mission naoh Neapel und Konstantinopel beauftragt, in Graubünden in österreichische Hände gefallen waren.

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den Minister der auswärtigen Geschäfte sich mit dem Hofkriegs- ratspräsidenten ins Einvernehmen zu setzen, damit die gegen die Prinzessin auszuwechselnden französischen Staatsgefangenen sobald als möglich nach einer dem Orte ihrer künftigen Über- gabe nahe liegenden Gegend gebracht würden, um an dem zur wechselseitigen Übergabe bestimmten Tage in dem unweit von Basel gelegenen schweizerischen Ort Riehen punktlich eintreffen zu können. Der Hofkriegsratspräsident möge die Staatskanzlei benachrichtigen, welcher Ort in den vorderösterreichischen Landen hiezu am geeignetsten sein werde und an welchem Tage die Staatsgefangenen mittelst Post von ihren verschiedenen Ver- wahrungsorten dort eintreffen könnten. l)

Der Hofkriegsrat bestimmte Freiburg in Vorderösterreich als den passendsten Ort, um die an Frankreich zu übergebenden Gefangenen bei der Hand zu haben und verfügte am 26. Ok- tober die in Königgrätz, Olmütz, am Spielberg und in Kufstein Internierten aus den Verwahrungsorten derart abzusenden, daß, bei Zurücklegung von fünf Posten zu zwei Meilen täglich, deren Ankunft am 14. November in Freiburg bestimmt erfolgen könne. 2)

Zur Auswechslung waren vorläufig dreizehn Personen be- stimmt, und zwar aus der Festung Olmütz: Kriegsminister Beurnonville mit seinem Bedienten und Konventsdeputierter Bancal; vom Spirlberg die Deputierten La Marque und Qui nette, der Postmeister Drouet und der Sekretär Faucon; aus Königgrätz der Deputierte Camus, ein Sekretär, ein Adju- tant Beurnonville's, nebst seinem Bedienten; aus Kufstein die beiden Diplomaten Semonville und Mar et.

Die Abfahrt aus den Stationen sowie das Eintreffen am Bestimmungsorte hatte zur Nachtzeit zu geschehen. Jedem Trans- port war ein verläßlicher Offizier, welcher auch der französischen Sprache kundig sein mußte, mit einigen Unteroffizieren beizu- geben. Jene Staatsgefangenen, welche seinerzeit eigene Wagen mitgebracht, sollten in diesen nach Freiburg expediert, jeder

») Thugut an Wallis. Wien 26. Oktober 1795. K.-A. H. K. K. G. 10.614.

2) Von Olmütz erfolgte die lnstradierung über Brünn, Iglau, Budweis, Linz, Braunau, München, Augsburg, Güntzburg, Ulm bis Freiburg, 58 Posten oder 116 Meilen; vom Spielberg (Brünn) über Iglau etc. (w.o.) bSlj2 Posten oder 107 Meilen; von Königgrätz über Prag. Pilsen, Regensburg, Augs- burg, Güntzburg, Ulm 50 Posten oder 100 Meilen; von Kuf stein über Inns- bruck, Füssen, Leutkircb, Stockach bis Freiburg 28 Posten oder 56 Meilen.

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Der Postmeister von Sainte - Meneliould.

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Verkehr vermieden werden. Absendung von schriftlichen Mit- teilungen war untersagt. l)

Eine Erschwerung in den Transportniodalitäten trat noch dadurch ein, daß das aus einem Sekretär und sechs Bedienten bestehende Gefolge der beiden Diplomaten Maret und Semon- ville in deren fiüherem Verwahrungsorte Mantua nebst ver- schiedenen ihnen gehörigen Effekten zurückgeblieben war. Diese sieben Personen sollten ebenfalls zur Übergabe nach Freiburg gebracht werden. Das Mailänder Gouvernement wurde daher von der Staatskanzlei zur unverweilten Absendung derselben bis nach Roveredo beauftragt, von wo aus die weitere Fortbringung durch das Generalkommando in Inner- und Oberösterreich bewirkt werden sollte." 2)

Die Ankunft der Gefangenen in Freiburg vollzog sich programmgemäß. Am 16. November war der kaiserliche Gesaudte in Basel bereits in Kenntnis, daU dieselben am 14. abends und in der Nacht zum 15. in Freiburg angelangt seien.

Nachdem die zu Basel geführte Verhandlung, die Übergabe der Prinzessin Marie Therese Charlotte betreifend, beendet war, erhielt der Kämmerer und Generalmajor Franz Joseph Prinz von Gaure vom Kaiser am 9. November Vollmacht und Auftrag, die Tochter des sechzehnten Ludwig, deren Ankunft in Basel am 25. oder 26. November erwartet wurde, an der Grenze des Baseler Territoriums von dem französischen Kommissär in Empfang zu nehmen und nach Wien zu geleiten.

Gaure sollte am 23. oder 24. November in Basel eintreffen, dort mit Freiherrn von Degelmaun über den Empfang und die Form der Übernahme sich ins Einvernehmen setzen.

Der Kaiser wünschte, daß die Reise ohne Aufsehen in strengstem Inkognito zurückgelegt und in den größeren Städten so wenig Aufenthalt als möglich genommen werde. Die Neu- gierigen, besonders die Emigranten, seien von der Prinzessin fernzuhalten, Vorstellungen dürften durchaus nicht stattfinden, die Ermüdung der hohen Reisenden könne als Grund hiefür angegeben werden, bei Zudringlichen sei sich auf den Befehl des Kaisers zu berufen. Der kaiserliche Kommissär wurde angewiesen, die

!) K.-A. H. K R. G. Nr. 10.614.

*) Die Route ging über Trient, Holzen, Brixen, Innsbruck. Füssen, Ravensburg, Stockach. Der Transport hatte jeden Tag fünf Posten zu hinter- legen. 39 12 Posten wurden von Roveredo bis Freiburg gerechnet. (K.-A. Ii. K. R G. Nr. 10.792.)

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Prinzessin während der Reise zu zerstreuen, und all dasjenige von ihr fernzuhalten was sie an ihr Unglück erinnern könne. Er möge ihr vom Kaiser erzählen, von seiner zärtlichen Zu- neigung für sie, von dem lebhaften Interesse, das er an ihrem Glücke nehme, endlich wie sehnsüchtig sie von der kaiserlichen sowie von der königlichen Familie erwartet werde. ])

Auch der Madame de Tourzel wäre die Achtung des Kaisers auszusprechen sowie dessen Genugtuung eine Gelegenheit ge- funden zu haben, um sie den Gefahren, die sie stets bedroht hätten, zu entziehen.

Falls Gaure iu Basel durch Krankheit etwa verhindert sein sollte, so hätte Freiherr von Degelmann die Prinzessin zu empfangen und Freiherr von Suminerau, der Präsident des Rates der Regentschaft in Vorderösterreich, ihn zu vertreten und die Prinzessin nach Wien zu geleiten.

Die Reise möge in schwachen Etappen zurückgelegt werden, um die Fürstin nicht zu großen Anstrengungen auszusetzen; in Wien hätte die Ankunft am Abend zu erfolgen. 2)

Prinz von Gaure langte am 20. November allein in Basel an; die für die Prinzessin bestimmte Dienerschaft sowie die Equipagen hatte er, um jedes Aufsehen zu vermeiden, vorläufig in Lauffeuburg zurückgelassen.

Inzwischen erhielt Degelmann aus Freiburg die Nachricht, daß auch das Gefolge der beiden Diplomaten Maret und Semon- ville nebst deren Reisewagen und Gepäck aus Mantua dort an- gekommen seien. Es war also für die Ubergabe der Staats- gefangenen Österreichisch^rseits alles bereit ; man hörte jedoch nichts von der Abreiße der königlichen Prinzessin aus Paris, dagegen entnahm man den französischen Zeitungen, daß Frau von Tourzel, die frühere Gouvernante der königlichen Kinder, welche der kaiserliche Hof als alleinige Begleitung der Prin- zessin Marie Therese angesprochen hatte, verhaftet worden sei. Der französische Gesandtschaftssekretär Bacher erklärte, darüber vollständig in Unkenntnis zu sein. Ebensowenig vermochte die französische Gesandtschaft darüber Auskunft zu geben, aus welchen Gründen sich die Abreise der Prinzessin so lange verzögere.

*) Nach dem Tode des Dauphin (8. Juui 1795) hatte sich der Graf von Provence, Ludwig Stanislaa Aaver, im Juli 1796 unter dem Namen Ludwig XVIII. zum König von Frankreich erklärt.

2) St.-A. Instruction pour le prince de üaure. Berichte aus der Schweiz

1795.

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Endlich am 19. Dezember wurde Degelmann in Kenntnis gesetzt, daß Pdie Tochter des letzten Königs der Franzosen am 28. Friniaire (19. Dezember) abreisen werde".

Das Mitkommen der Frau von Tourzel erschien jedoch mehr als zweifelhaft. Degelmann war der Ansicht, daß das fran- zösische Gouvernement willens zu sein scheine, über alle Details der Übergabe leicht hinwegzugehen, wenn man sichösterreichischer- seits bequeme, anstatt der Madame de Tourzel die Madame de Soucy, die frühere zweite Gouvernante der königlichen Kinder, passieren zu lassen und nicht auf der ersteren zu bestehen. ')

Am 24. Dezember gegen Mitternacht erhielt der Gesandte Nachricht, daß die Prinzessin am selben Abend in Hüningen eingetroffen sei und die Übergabe derselben am 26. Dezember stattfinden werde. Das Militärkommando in Freiburg wurde sofort verständigt, an diesem Tage sämtliche französische Staatsgefangene zwischen 1 bis 2 Uhr nachmittags in Riehen eintreffen zu lassen; der Offizier, welcher den Transport kommandiere, sollte sich bei dem Basel'schen Landvogt melden und die Gefangenen gegen Revers in dessen Aufsicht übergeben. Die Eskorte hatte in der Nähe, der Offizier aber so lange in Riehen zu bleiben, bis ihm der Landvogt die von Degelmann unterschriebene Erklärung vorzeigen würde, daß die Übergabe der Prinzessin an den kaiserlichen Kommissär stattgefunden habe.2)

Der Akt der Übergabe der Prinzessin war für Samstag, den 26. abends sechs Uhr, festgesetzt. Legationssekretär Bacher verfugte sich am 25. nach Hüningen, kehrte gegen Abend zurück, und um 6 Uhr traten im Hause des Bürgermeisters Burkhardt, dieser, die Bevollmächtigten und der Landvogt von Riehen zu einer letzten Besprechung über die Modalitäten der Übergabe zusammen.

Bei dieser Besprechung beschwerte sich Baron Degelmann dem französischen Agenten gegenüber sehr energisch, daß Frau ton Tourzel nicht mit der Prinzessin gekommen sei, nachdem deren Begleitung ausdrücklich zugesagt worden war. Bacher er- klärte, er werde diese Reklamation zur Kenntnis seines Gouverne-

') Degelmann an Thugut, Basel, 19. Dezember 1795. St.-A. Berichte ans der Schwei« 1795.

") Degelmann an Militärkommando Freiburg (GM. Aufaesa). Basel, 24. Dezember 1795. K.-A. H. K. R. 179Ö, 33/93.

Organ der Mllll»rwlaieii»rliaft]. Vereine LXX1II. Bd. 1906. QO

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ments bringen. Er selbst habe nur sehr allgemeine Vermutungen betreff des Verdachtes, der auf ihr laste. l)

Oberstleutnant Baron Knorr von Erbach - Infanterie (jetzt Nr. 42) brachte die Staatsgefangenen am 26. Dezember 1 Uhr mittags nach Riehen, wo der französische Sekretär Bacher ihre Identität feststellte, sodann nach Hüningen fuhr, und von dort die Prinzessin Marie Therese in das etwa zweihundert Schritte abseits der Hüningerstraße vor dein Tore von Basel liegende Landhaus des Herrn Reber brachte, wo der kaiserliche Kom- missär, Baron Degelmann und Gesandtschaftsattach^ Hoppe die erlauchte Reisende erwarteten.

Prinz Gaure bewillkommnete die Ankommende im Namen des Kaisers und versicherte dieselbe der innigen Gefühle, welche Seine Majestät und dessen erhabene Familie für die Prinzessin hege und wie ungeduldig die hohen Verwandten seien, ihr Be- weise der lebhaftesten Zärtlichkeit geben zu können. Die Prin- zessin erwiderte mit Worten dankbarer Erkenntlichkeit.

Prinz Gaure übergab sodann Herrn Bacher die Bestätigungs- urkunde bezüglich der Ubergabe der königlichen Prinzessin und Baron Degelmann händigte ihm gleichzeitig die Schrift ein, durch welche die französischen Staatsgefangenen frei erklärt wurden ; mit welcher Erklärung sich der französische Agent entfernte und nach Riehen begab, dieselbe dem dortigen Landvogt vorzeigte,

') Louise-Elisabeth-Felicite deCroy-Havro, geboren zu Paris, 11. Juni 1749, heiratete am 8. April 1764 LouiB-Francois du Bouchet de Sourches, Marquis de Tourzel, grand prevöt de France. Ludwig XVIII. verlieh ihr 1816 den Titel einer Herzogin ; sie starb am 15. Mai 1882.

Madame de Tourzel war erst im Oktober 1794 aus dem Gefängnis ent- lassen worden. Sie hatte alle möglichen Schritte getan, um die Prinzessin Marie Therese nach Wien begleiten zu können und hatte begründete Aussicht, hiezu die Erlaubnis zu erhalten, als am Morgen des 8. November 17i>5 zwei Kom- missäre in ihrer Wohnung erschienen, um sie zu verhaften. Ihre Papiere wurden saisiert, sie ins Hotel Brienne gebracht, wo das Comite de salut publio tagte, und dort zwei Stunden verhört. Sie ward verdachtigt, mit dem Kaiser zu kor- respondieren und mit allen Mächten, die sich für das Haus Bourbon inter- essierten. Am Abend wurde sie ins Gefängnis abgeführt und blieb dort drei Tage. Da der Friedensrichter, dem man das Protokoll ihrer ersten Einvernahme vor- legte, auf welches hin er die Anklage erheben sollte, dies für unmöglich er- klarte, wurde sie in Freiheit gesetzt, blieb aber unter Anklage gestellt, insolange bis die Jury sie von dieser losgesprochen hnben würde.

Diese neue Verfolgung diente als Vorwand, die Tourzel in Paris zurück- zuhalten, der auch nicht mehr gestattet wurde, die Prinzessin vor ihrer Abreise zu sehen. („Memoire* de Madame la Duchesse de Tourzel", 336 u. ff.)

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worauf dieser, etwa um 9 Uhr abends, die Staatsgefangenen als aus ihrer Haft entlassen erklärte.

Nachdem beim Reber'schen Landhause die französischen Reisewagen mit den von Wien gekommenen kaiserlichen Wagen vertauscht werden mußten, so ergab sich bezüglich des Umladens der Effekten immerhin einiger Aufenthalt.

Während dieser Zeit teilte die Prinzessin dem Prinzen Gaure mit. daß sie außer der Madame de Soucy, deren Sohn, dann den alten vertrauten Kammerdiener ihres Vaters Hue sowie einen Koch und einen Lakai mitgebracht und natürlich den Wunsch habe, diese Persouen nach Wien mitzunehmen.

Die Instruktionen, welche Gaure und Degelmann seitens des Wiener Hofes hatteo, setzten ausdrücklich fest, daß die Prinzessin ohne jede andere Begleitung als jene der Madame de Tourzel nach Wien geleitet werde. Nun war statt dieser Dame schon eine andere von Paris mitüesendet worden, und die Prin- zessin hatte außerdem noch einige Personen mitgebracht. Die kaiserlichen Bevollmächtigten befanden sich daher in nicht ge- ringer Verlegenheit und versuchten die Prinzessin zu überzeugen, daß es für sie unmöglich sei, diesem unvorhergesehenen Ver- langen zu willfahren. Aber die junge Fürstin von der Grabbe später sagte: „Sie sei der einzige bourbonische Sprößling, der Hosen zu tragen verdiene", bestand sehr energisch auf ihrem Wullen und erklärte, daß sie in Betreff Hue's nur den letzten AVillen ihrer unglücklichen Eltern erfülle und wurde so drängend, <laß die Bevollmächtigten endlich nachgeben mußten, und zu- stimmten, daß die in Rede stehenden Personen bis Lauffenburg mit ihr die Reise zurücklegen. Von dort sollte dann der Sohn der Madame de Soucy und die beiden Diener mit der gewöhn- lichen Post eine andere Route nach Wien nehmen. Kammer- diener Hue würde jedoch die Reise mit der Prinzessin machen.1)

Hierauf erwähnte Frau von Soucy, daß ein Trousseau für die Prinzessin von Paris aus mitgegeben worden sei. Die Prin- zessin befahl sofort, daß er zurückgegeben werde. Zwei Kisten, welche den Trousseau enthielten, wurden infolgedessen vom Wagen abgenommen und dem Baron Degelmann das Verzeichnis

*) Francis Hue, zu Fontainebleau am 18. November 1757 geboren, 1787 Türhüter der königlichen Kammer, von Ludwig XVI. zum ersten Kammerdiener des Dauphin ernannt, war beim König im Tempel bis zu dessen engeren Haft. Bald nach der Ankunft in Wien ernannte Ludwig XVlll. ihn zum General- komraissär seines Hauses.

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ihres Inhalts, welcher aus Wäsche und Kleidern von leichtem Stoffe bestand, übergeben. *)

Etwa gegen 9 Uhr abends konnte die Abreise angetreten werden ; um halb 2 Uhr morgens kam die Prinzessin in Lauffen- burg an, wo sie den 27. Dezember über blieb.

Die klugen Maßregeln des Bürgermeisters Burkhardt hatten wesentlich dazu beigetragen, daß die Ankunft der Prinzessin in Basel sowie der Akt der Übergabe ohne Aufsehen durchgeführt werden konnten und indiskrete Neugier ferngehalten wurde.

Nachdem die Prinzessin abgereist war, begab sich Degel- mann zum Bürgermeister und händigte ihm die verschiedenen Portefeuilles und Pakete ein, welche Papiere und Dokumente der Staatsgefangenen enthielten, und ihm von der Staatskanzlet übersendet worden waren, um sie nach vollendetem Übergabs- akte abzuliefern, ebenso die beiden, den Trousseau enthaltenden Kisten mit der Bitte, die sämtlichen Gegenstände an Sekretär Bacher zu übergeben.

In Riehen war die Freilassung der Gefangenen ebenfalls- erst gegen 9 Uhr abends erfolgt, weshalb die Übergabe der Effekten auf den folgenden Tag verschoben wurde. Am 27. De- zember erhielten die Franzosen ihr gesamtes Eigentum an Hab- seligkeiten, Geld, Wagen und bestätigten mit ihrer Unterschrift den richtigen Empfang ihrer seinerzeit mitgebrachten Habe. 2)

So endete diese sehr langwierige und peinliche Negotiation.

Die Prinzessin setzte am 28. Dezember ihre Reise über Stockach nach Innsbruck fort, wo sie am Neujahrstage ankam, in der Hofburg abstieg und von der Erzherzogin Maria Elisabeth empfangen wurde. Von dort ging die Fahrt am 3. Januar über Salzburg nach Wien, wo die Ankunft am 9. nach 6 Uhr abends erfolgte. Kabinetsminister Graf Colloredo war der Prin-

*) Dem Gesandten war übrigens schon am 31. Oktober von der Staats- kanzlei zur Richtschnur die Weisung erteilt worden, wie es der Wille des Kaisers sei, daß die Prinzessin von Paris durchaus nichts anderes mitbringe, als die ihr auf der Reise nötigen Kleider und Wäsohe. Falls sie ein Trousseau, Schmuck von einigem Werte, oder eine größere Summe Geldes mit sich führe so habe der Gesandte dem französischen Bevollmächtigten zu bemerken, daß die bestehenden politischen Verhältnisse der Prinzessin nicht erlaubten, irgend etwas anzunehmen, da sie in der Hochherzigkeit des Kaisers, ihres Cousins, eine gesicherte Ressource für ihre Bedürfnisse fände. (St.-A. 8chweiz, Weisungen 1795.)

s) Degelmann an Thugut und Prinz von^Gaure an denselben. Lauffen- burg, 27. Dezember 1795. St.-A. Berichte aus der Schweiz 1795.

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Zessin bis Pnrkersdorf entgegengefahren, um dieselbe im Namen des Kaiserpaires zu bewillkommnen.

Unter freudigem Zuruf der zahlreich versammelten Menge fuhr Marie Therese in die Hofburg ein, woselbst die Fürstin die für sie bereitgestellten Appartements bezog. l)

Die Enkelin der großen Kaiserin, der letzte überlebende Sproß der unglücklichen Familie des sechzehnten Ludwig, sollte nach den furchtbaren Schicksalsschlägen, die sie betroffen, im alten Kaiserschlosse endlich wieder Sicherheit und Ruhe finden.-)

Seltsame Tragik des Schicksals: der Mann, welcher als der eigentliche Urheber des Unglücks der königlichen Familie von Frankreich gelten, von dem Napoleon L später, als er ihm das Kreuz der Ehrenlegion an die Brust heftete, mit Recht sagen konnte: „Monsieur Drouet vous avez change la face du monde", dieser Mann wird gegen das einzig überlebende Mitglied jener Familie freigegeben, die seine Schuld vernichtet hat. Leicht mag dem Kaiser Franz der Entschluß, gerade diesen Mann in Frei- heit zu setzen, nicht gefallen sein.3)

Der Verräter seines Königs ist, wie wir aus seinem eigenen Zeugnisse gesehen haben, in österreichischer Gefangenschaft nicht schlecht behandelt worden. Im Gegenteil. Und sein Dank !

•) Wiener Zeitung 1796.

'-') Die Prinzessin vermählte sich am 10. Juni 1709 mit Lonis Autoine <le Bourbon, Herzog von Angou1$me (geb. 6. August 1775 in Versailles, gest. 3. Juni 1844 in Görz), dem ältesten 8ohne des Grafen Artois, nachherigen Konig Karl X. (1824 -IbSO). Am 4. Mai 1814 zog Marie Therese mit Ludwig XVIII. in Paris ein, weilte während der hundert Tage in England, wohin sie bei Aus- bruch der Julirevolution 1830 sich ebenfalls begab. An der 8eite ihres Gemahls lebte sie später in Görz, zuletzt mit ihrem Netfen, dem Grafen von Ch.imbord, auf ihrer Herrschaft Frohsdorf bei Wiener-Neustadt, wo sie am 19. Oktober 1851 starb. Die Tugenden, welche diese im Unglücke starke Frau entfaltete, machten sie des Beinamens der „modernen Antigone", den Ludwig XVIII. ihr gegeben hatte, würdig.

:i) Ludwig XVIII. betont dies ausdrücklich in einem am 21. August 1195 aus Verona an den Kaiser gerichteten Schreiben: , Monsieur mon frere et cousin !

En surmontant la juste horreur que devait Lui faire eprouver le prix auquel les regicide« ont ose mettre la liberte de ma nit'ce, V. M. » est acquis un droit certain k la reconnaissance de tous les bons Francis, et k la mienne en particulier; je La prie d en recevoir les assurances, avec autant de plaisir que j e i ai ä les Lui offrir." Vivenot-Zeißberg, „Quellen etc." V/3, 333.

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Kaum zurückgekehrt, schildert er seine entsetzlichen Leiden in den „Kerkern" des Spielbergs, seine Behandlung in Brüssel, wo man ihn in einen Käfig eingesperrt gehalten habe, und was mehr der Lügen dieses abenteuernden Fanatikers. l) Jedoch auch sein Leben, reich an Seltsamkeiten und Abenteuern, sollte sich nach mancher Errungenschaft in absteigendem Aste bewegen.

Kaum sechs Monate nach seiner Rückkehr wurde Drouet als an einer Verschwörung beteiligt, verhaftet, entkommt jedoch in die Schweiz, schifft sich in Genua nach Indien ein, landet auf den Canarischen Inseln, kämpft dort gegen die Engländer, kehrt nach Frankreich zurück, erhält neuerdings eine ansehnliche Be- lohnung aus Staatsmitteln als angebliches „Opfer des Hasses der Könige und ihrer unverbesserlichen Parteigänger", wird unter den» Kaiserreich Unterpräfekt von Sainte-Menehould und erhält das Kreuz der Ehrenlegion.

Nach der Restauration abgesetzt, wird er nach der Schlacht von Waterloo, da er der Mithilfe an der Rückkehr Napoleon's beschuldigt war, eifrig verfolgt. Dann hieß es, er sei gestorben und die Polizei, die ihn nicht hatte finden können, propagierte sogar diese Mär.

Drouet inzwischen in gutem Versteck in Paris selbst, hatte sich die Papiere eines aus Sainte-Menehould gebürtigen Mecha- nikers namens Nicolas Severin Maergesse verschafft, war in St. Denis als Stallbursche in Dienst, dann in die Legion der „Hautes Alpes" getreten, mit der er nach Briancon ging. Nach achtzehn Monaten demissionierte der falsche Maergesse, ziemlich, sicher jetzt jeden Verdacht von sich abgelenkt zu haben, und setzte sich in Begleitung einer Deutschen, die er für seine Frau ausgab, zu Macon fest (1817), wo er am 11. April 1824 starb. Nach seinem Tode erschien die Frau auf der Mairie und gab an, der Verstorbene habe befohlen, anzuzeigen, daß er nicht

') Dieser Käfig war beim Einmarsch der Franzosen in Brüssel angeblich entdeckt und nach Paris gebracht worden. Er wurde dann am Fuße der Frei- heitssäule aufgestellt, ein Wächter dazu postiert, der von Zeit zu Zeit rufen mußte: „Citoyens, voilä les bienfaits que vous preparent les tyraus".

Nach Drouet's Erzählung habe er seinen Kluohtversuoh vom Spiel berg ursprünglich für den 21. Juni 1794 geplant gehabt, dem „anniversaire d'une epoque fameuse dans les annales de la republique et de l'histoire de ma vieu. Die Lügengeschichten, die Drouet nach seiner Auswechslung erzählte, als er wieder triumphierend in Paris einzog, wurden gedruckt, an alle Gemeinden Krankreichs versendet, und in verschiedene Sprachen übersetzt. (Lenotre a. a. O 318 u. ff.)

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Der Postmeister tou Saint« - Menehould.

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Maörgesse, sondern Drouet geheißen habe, und daß er der Königsmörder gewesen wäre, den die Polizei des Königreiches so lange gesucht habe. !)

So endete in den bescheidensten Verhältnissen ein an Aben- teuern tiberreiches Leben, ein Mann, der durch sein Eingreifen in Varennes die Auhaltung König Ludwig's veranlaßt und dadurch den Geschicken Frankreichs und der Welt eine ganz andere Richtung gegeben hatte. Denn es ist heute wohl keinem Zweifel mehr unterworfen, daß sobald der König von Frankreich in einen festen Platz seines Landes, Montmedy war dazu ausersehen, ge- langt und dadurch wieder Herr seiner Entschließungen geworden wäre, die Intervention der Mächte rascher und energischer ein- gesetzt haben würde. Hatte doch Leopold II. bereits im Herbste 1790 seine Dazwischenkunft von der persönlichen Sicher- heit der königlichen Familie außerhalb Paris abhängig gemacht. 2)

Von welchen Zufälligkeiten übrigens die folgenschwersten Ereignisse oft abhängen, dafür bietet die Episode der Nacht vom 20. zum 21. Juni 1791 wieder ein Beispiel: Ein Straucheln von Drouet's Pferd beim wilden Verfolgungsritte nach Varennes, ein Sturz in finsterer Nacht auf schlechten Nebenwegen kann sein Eintreffen um kostbare Minuten verzögern und König Ludwig fährt unbehindert nach Montmedy, in den Bereich treugebliebener Truppen der Freiheit entgegen!

■) Lenotre a. a. O.

») Schiitter a. o. O. XVI.

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Die Wahrheit über Port Arthur.

Unter dem Titel rDie Belagerung und Üb ergäbe von Port Arthur-4 ist vor kurzem in Kiew ein interessantes Werk aus der Feder dos Generals M. J. Kostenko erschienen. Derselbe erhielt zu Beginn der Belagerung seine Einteilung in Port Arthur und verblieb daselbst bis zur Übergabe der Festung. Wenn auch Auditor, so interessierte sich der Verfasser doch für alle Angelegenheiten der Verteidigung, war im unmittelbaren Kontakte mit den maßgebenden Persönlichkeiten und machte Freud und Leid der Besatzung mit.

General Kostenko gibt nun in seiuem Werke das Tage- buch wieder, welches er während der Belagerung geführt hat. Sein Ruf als Patriot und Militär von hohem Pflicht- und Ehr- gefühl bürgen für den Inhalt.

Die Aufzeichnungen K osten ko's sind keineswegs eine Geschichte der Verteidigung, sondern sie enthalten lediglich seine Eindrücke und Beobachtungen doch kann ich gleich vorwegs bemerken, daß Interessanteres über Port Arthur bisher nicht geschrieben wurde.

Eine wertvolle Eigenschaft des Werkes ist die Leidenschafts- losigkeit und Objektivität der Schilderung ; keine Parteilichkeit, keine Voreingenommenheit. Ansichten werden äußerst vorsichtig vorgebracht und Schlußfolgerungen meist durch eine Unzahl von Tatsachen, sogar Dokumente, unterstützt. In literarischer Beziehung ist das Werk nur Rohmaterial die Augaben eines unparteiischen Zeugen, aber sie sind umso interessanter, als sie volles Vertrauen auf ihre Richtigkeit in Anspruch nehmen können.

Ich will keineswegs den Inhalt des Werkes wiedergeben, sondern werde mich lediglich darauf beschränken, einige charak- teristische Abschnitte bezw. Momente der Belagerung und Über- gabe der Festung zu berühren.

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Die Wahrheit fiber Port Arthur.

Als den Hauptleiter und die Seele der Verteidigungsmaß- n ah inen bezeichnet der Verfasser den Festungskommandanten General Smirnow, als seinen wichtigsten und fähigsten Mit- arbeiter den General Kondratenko. In dieser Beziehung stimmt der Verfasser mit dem Autor eines anderen Buches über Port Arthur dem Herrn N oschin tiberein, setzt sich aber in Widerspruch mit vielen anderen Zeugnissen, so auch mit den Erhebungen der Untersuchungskommission unter General Ro o p. Mich dünkt, dies sei auf den Umstand zurückzuführen, daß sowohl Herr Nos Chi n, als auch General Kostenko, wie er selbst zugibt, die meisten Angaben auf die Mitteilungen stützen, die sie von General Smirnow, mit welchem sie persönlich des Dienstes wegen in Berührung kamen, erhielten.

Anderwärts wird behauptet, die Seele der Verteidigung sei General Kondratenko gewesen; hiefür sprechen übrigens auch die von General Kostenko angeführten Daten indes hierüber später.

Jedenfalls ist es zweifellos, daß Smirnow und Kondra- tenko die Hauptpersonen bei der Leitung der Verteidigung der Festung waren, wenn auch selbstverständlich der erstere als Kommandant, der zweite als sein Untergebener.

Diese beiden Persönlichkeiten zeichnet der Verfasser als wahre Helden, Ritter ohne Furcht und Tadel; beide äußerst ge- bildet und befähigt, besonders energisch, arbeitsfreudig und voll persönlicher Tapferkeit.

Dem General Smirnow oblag die Oberleitung der Ver- teidigung, Ko ndratenko fungierte als Leiter der Verteidigungs- maßnahmen auf der Landseite der Festung und stand deshalb fast ununterbrochen im Feuer. Beide unterhielten die besten Beziehungen zu einander, beide dachten nur an die Ehre und den Ruhm des Vaterlandes.

Der Verfasser schildert eingehend den ruhigen, etwas methodischen und schweigsamen Kondratenko, welcher die ungeteilte Sympathie der Mannschaft genoß. Er kannte keine Ermüdung es gab weder Tag noch Nacht, wo er nicht, oft wiederholt, die Forts und Positionen, an welchen es heiß zuging, besichtigt hätte.

Bemerkenswert ist die Laufbahn dieses hervorragenden, jedoch äußerst bescheidenen Mannes. Der verstorbene Generai M. J. Dragomirow hat selbst zugestanden, daß ihm „der Mann nicht aufgefallen" sei auch General Grodekow, an dessen

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Die Wahrheit Aber Port Arthur.

Seite Kondralenko in der Eigenschaft eines General du jour (im Militärbezirke Amur) diente, hatte ihn nicht zu würdigen verstanden. Grodekow war insbesondere Kondratenko's langsamer Vortrag ein Greuel ....

Kondratenko zeichnete sich nebst militärischem Scharf- blick, Tapferkeit und Energie noch durch seine „diplomatischen" Fähigkeiten aus. Er war es, welcher die „feindlichen Parteien" in der Festung so oft zu beschwichtigen verstand.

Nun die „Helden der Übergabe", wie sich der Verfasser ausdrückt. Ihre Führer waren die Generale Stössel und Fok. Hier stimmen die Beobachtungen des Verfassers vollständig mit den Resultaten der Untersuchungskommission unter General Roop überein.

Auch S t ö s 8 e 1 und Fok werden eingehend charakterisiert, die angeführten Daten vielfach durch Tatsachen erhärtet. Beide ganz unbedeutende Menschen, welchen jeder militärische Blick fehlte und die überdies kleinmütig, ja furchtsam waren ; sie sollen stets nur auf ihre persönliche Sicherheit bedacht gewesen sein.

Stössel und Smirnow konnten sich von Anbeginn an nicht vertragen. Veranlassung zu dieser Feindschaft war folgendes: Stössel war der Liebling des Admirals A 1 e k s i e j e w, welcher ihn in der Eigenschaft eines Festimgskommandanten an seiner Seite hielt. Beide waren untätig. Der Verfasser schildert ein- gehend den Zustand Port Arthur's, welches zu Beginn des Feld- zuges eigentlich nicht als Festung bezeichnet werden konnte. Aleksiejew soll gar nicht an die Verteidigungsinstandsetzung Port Arthur s gedacht haben, weil er mit Hilfe der Flotte einen Offensivkrieg zu führen beabsichtigte. Bald beschloß man in- dessen in Petersburg, einen „faktischen" Festungskommandanten für Port Arthur zu ernennen. Die Wahl fiel auf General Smir- now, welcher nebst der Ingenieur- auch die Generalstabsaka- demie absolviert und auch später als Generalstabschef der Festung Warschau Gelegenheit gehabt hatte, sich mit dem Festungswesen vertraut zu machen. Diese Ernennung war Stössel ein Dorn im Auge.

Auf Verwendung des Admirals Aleksiejew wurde Stössel zum Kommandanten des dritten sibirischen Armeekorps ernannt. Die Truppen dieses Korps kamen alsbald in die erste Linie, am Jalu, und auch Stössel mußte sich, so unangenehm ihm dies war, dahin begeben. Bald darauf kam General Smir- now nach Port Arthur. Er erschrack, als er den Zustand der

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Die Wahrheit über Port Arthur.

Befestigungen besichtigt und sich über die allgemeine Lage orientiert hatte. Seine Worte waren: „Das ist ja keine Festung, nicht einmal ein befestigtes Lager einfach eine Senkgrube !** Nun begann eine fieberhafte Tätigkeit um die Herstellung der wich- tigsten Verteidigungsinstandsetzungs-Arbeiten. Dieselben wurden von der ganzen Besatzung ausgeführt und es gelang bis Anfang Mai ein „befestigtes Lager" herzustellen; allerdings, eine „Festung" konnte nicht geschaffen werden.

Smirnow's Urteile über die Festung und ihre Mängel erregten vollends den Unmut Stössel's.

Nach dem Unglücke, welchem Admiral Makarow zum Opfer fiel, traf Aleksiejew in Port Arthur ein, ließ seine Flagge hissen, befaßte sich jedoch nur mit der Organisierung des Sicherheitsdienstes um seine Person. Stössel wurde wieder heiter ....

Und plötzlieh, für die Besatzung völlig unerwartet, erscheint ein Befehl des Statthalters, mittels welchem General S t ö s s e 1 zum Kommandanten des befestigten Rayons auf der Kwantung- Halbinsel mit den Befugnissen eines selbständig detachierten Korpskommaudanten ernannt wird; ihm wird General Smirnow, weichem nur die Rechte eines Korpskommaudanten im Verbände zugestanden wurden, unterstellt.

Stössel nahm sofort Stellung gegen General Smirnow; er hinderte ihn, wo es nur anging, an der Durchführung der projektierten Arbeiten, änderte wiederholt seine Befehle und An- ordnungen ab, ja verstieg sich sogar zu Verweisen etc. Wenn trotzdem die Verteidigungsinstandsetzungs-Arbeiten fortschritten, so ist dies vornehmlich General Kondratenko zu danken, welcher gute Beziehungen zu S ss e I unterhielt und denselben meistens zu überzeugen, sowie für die Anordnungen Smirnow's zu gewinnen wußte. Mit einem Worte: Kondratenko ver- mittelte zwischen den beiden Parteien im Festungsrayon. Da begann die Armee Oku's die Landung. Stössel verlor voll- ständig den Mut und schickte noch vor Beginn der Belagerung einen Bericht nach dem anderen an General K u r o p a tk i n, des Inhalts, daß er sich unmöglich lange werde halten können, des- halb um Entsatz, Verstärkungen etc. bitte.

Bei Tsintschou kommandierte die Truppen der intimste Freund Stössel's, General Fok. Abgesehen davon, daß er voll- kommen unfähig und sehr ängstlich war, lebte er noch dazu in einer fabelhaften Einbildung. Eine Position nach der anderen

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wurde fast ohne Kampf den Japanern überlassen. Die Stellung bei Tsintsehou, welche „gehalten" werden sollte, war gar nicht für die Verteidigung eingerichtet, zudem nur von einem Regi- mente besetzt, während fünf Regimenter dem General Fok hiefür zur Verfügung standen. Die Truppen rückten in die Stellungen ein, ohne irgend welche Befehle für ihr Verhalten zu bekommen. Am 13. Mai gingen die Jar arer zum Argriffe über. Das russische Regiment hielt sich den ganzen Tag gegen den übermächtigen Feind, ohne eine Unterstützung zu erhalten, ja General Fok weilte gar nicht auf dem Kampffelde, so daß von einer Gefechts- leitung keine Rede sein konnte. Gegen Abend erhielten die Russen den Befehl zum Rückzüge; derselbe wurde in Unordnung angetreten und artete zu einer förmlichen Flucht aus, die riesigen Verluste wurden in der Folge geflissentlich verschwiegen ; in der entstandenen Panik hatten sich die Regimenter gegenseitig be- schossen ....

Auf der Rüekzugslinie des Generals Fok (60 Werst bis Port Arthur) waren mehrere starke Verteidigungsabschnitte. Bei jedem derselben disponierte Fok: „Hier werden wir erneuert hartnäckigen Widerstand leisten"; kaum, daß die Japaner näher kamen, wurde die Stellung, meist ohne einen Schuß abzugeben, verlassen. Die besonders starke Position bei Nangalinsk, welche Dalnij deckte, wurde von General Fok so rasch geräumt, daß dieser Hafen, welcher Millionen verschlungen hatte, fast unver- sehrt mit seinen Docks, Maschinen Werkstätten etc. in die Hände des Feindes fiel. Sogar die dem Fortsgürtel von Port Arthur vor- geschobenen Stellungen gab General Fok rasch auf, unter anderen auch die in taktischer Beziehung wichtige Stellung am Berge Kuinsan.

Schließlich rückte Fok in den Festungsrayon ein. General Smirnow verfügte die Einteilung in Verteidigungsabschnitte, gab indes dem General Fok das Kommando über die Haupt- reserve, da er begründeterweise befürchten mußte, daß dieser General einen von ihm zu leitenden Abschnitt frühzeitig dem Gegner überlassen würde.

Von diesem Zeitpunkte an war Fok der unzertrennliche Freund Stössel's, mit welchem er gemeinsam die Anordnungen Smirnow's zu durchkreuzen trachtete.

Schon nach dem Verluste von Tsintsehou verfügte General Stössel, daß er das Festungskommando selbst übernehme und am 19. Mai gab er Smirnow persönlich bekannt, daß er die

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Auflösung des Festungsstabes befehle und den General Smirnow zu seiner Disposition bestimme. Hierauf erklärte indes Smirnow kategorisch, er sei von Sr. Majestät zum Festungskommandanten ernannt und er werde sich keinesfalls seiner Rechte und Pflichten begeben.

Mit dem Beginne der Belagerung, als die ersten Geschosse schwirrten, verstummte S tos sei. Er ließ sich an gesichertem Orte einen bombensicheren Holilbau herstellen, wo er fast die ganze Zeit zubrachte kein einziges Mal während der Be- lagerung war er in den Verteidigungslinien zu sehen. Während der Angriffe der Japaner saß er in seinem Verstecke, sobald aber die Gefahr vorüber war, sandte er schwulstige Berichte an den Zaren und General Kuropatkin.

Der Antagonismus zwischen Stössel und Smirnow nahm abermals schärfere Formen an, als einmal HerrNoschin einige Artikel über die Verdienste Smirnow's um die Leitung der Verteidigung veröffentlichte. Hiezu gesellte sich bald noch ein Umstand. General Fok erwies sich auch zur Führung der Haupt- reserve ungeeignet. Er kritisierte beständig (sogar öffentlich) die Anordnungen Smirnow's und erbat des öfteren von Stössel Abänderungen derselben. Dazu kam es indes nur selten, da stets General Kondratenko rechtzeitig eingriff und meistens den General Stössel von der Zweckmäßigkeit der getroffenen Anordnungen zu überzeugen vermochte. Da ereignete es sich einmal während des Kampfes, daß Fok einen Befehl Smirnow's betreffend die Verschiebung der Hauptreserve direkt nicht be- folgte; Smirnow enthob hierauf Fok des innehabenden Kom- mandos und übernahm selbst die Führung der Hauptreserve.

Von diesem Augenblicke an war Fok der erklärte Feind Smirnow's. Mehr noch! es liegen Momente vor, wonach angenommen werden kann, daß nach diesem Zwischenfalle bei Stössel und Fok der Gedanke gereift ist, die Festung zu übergeben. Hie und da ließ Stössel eine diesbezügliche Be- merkung verlauten, stieß jedoch überall auf hartnäckigen Wider- stand. General Kondratenko soll erklärt haben, daß er sich niemals ergeben werde, falls jedoch die Festung aufgegeben werde, wolle er mit seiner Division es zum Kampfe bis auf den latzteu Mann ankommen lassen.

So wurde es Dezember. Noch war kein Fort in Feindeshand, die Besatzung zählte über 20.000 Mann, die Verpflegs- und Munitionsausrüstung war genügend; auch der Geist der Truppen

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ließ nichts zu wünschen übrig. General Smirnow begann eifrig mit der Anlage einer zweiten Verteidigungslinie.

Da trat ein schicksalschweres Ereignis ein : in der Nacht zum 3. Dezember wurde im Fort Nr. 2 General Kondratenko getödtet. Aus dem Werke Kustenko's ist zu ersehen, daß dies der „Anfang vom Ende" war. Für die Besatzung war die Nach- richt vom Tode ihres vergötterten Generals von niederschmettern- der Wirkung.

General Smirnow erkannte alsbald, daß er keinen Ersatz für den gefallenen Helden habe und beschloß endlich selbst die Leitung der Verteidigungsmaßnahmen auf der Landseite zu über- nehmen. Am 3. Dezember begab er sich deswegen zu General Stössel, welch« r ihm indes eröffnete, daß er bereits den Ge- neral Fok hiefür bestimmt habe. Alle Vorstellungen Smirnow's waren fruchtlos. General Stössel entließ ihn mit deu Worten: rIch ändere meine Befehle nicht ab". An diesem Tage sagte Smirnow zum Verfasser: „Sie werden bald Zeuge einer früh- zeitigen Übergabe der Forts sein44. Und so kam es auch. General Fok überließ schon nach den ersten Angriffen dies oder jenes Fort dem Gegner. Übrigens ist gegründete Annahme vorhanden, daß diese Räumung einzelner Forts nach einem bestimmten Plane, im Einverständnisse mit Stössel, vor sich ging. Gravierend ist der Umstand, daß bereits am 3. Dezember in der Stadt bekannt wurde, Stössel lasse die für den Abtransport seiner Sachen erforderlichen Packgefäße anfertigen.

Schon am 5. Dezember räumte Fok das wichtige Fort Nr. 2, ohne hierüber auch nur den Rat des Festungskommandanten einzuholen. Am gleichen Tage beschied Stössel den General Smirnow zu sich und befahl ihm kategorisch, die im Zuge befindlichen Arbeiten an der zweiten Verteidigungslinie einzu- stellen. Der Verfasser schließt hieraus, daß Stössel bereits am 3 Dezember die Übergabe der Festung beschlossen hatte.

Am 15. Dezember räumte Fok das Fort Nr. 3. Es entstand hiedurch eine Lücke in der Verteidigungsfront, die Lage der Festung wurde schwieriger. Am 16. Dezember berief Stössel einen Kriegsrat zur Beschlußfassung bezüglich Übergabe der Festung. Dieser Beratung ging sogar eine Art Agitation für die Übergabe voran, der Kriegsrat sprach sich jedoch dagegen aus Für die Übergabe waren nur die Stabschefs der Generale Stössel und Fok, dann zwei Regimentskommandanten, welche über

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Antrag Stösscls wiederholt Auszeichnungen erhalten hatten. .Stössel und Fok enthielten sieh der Abstimmung.

Ersterer sah bald, daß er alle Hoffnungen auf General Fok setzen müsse und letzterer täuschte ihn auch nicht. Am 18. Dezember ging abermals ein Fort verloren, am 19. wurde das sogenannte „Adlernest", welches die ganze Ostfront be- herrschte, dem Gegner überlassen. Bekanntlich hat die Unter- suchungskommission unter General Roop konstatiert, daß die erwähnte Verteidigungsanlage seitens des Generals Fok, im Einverständnis mit Stössel, obne Kampf dem Gegner zufiel.

Am 19. Dezember mittags entsendete Stössel heimlich Parlamentäre zu den Japanern, um bezüglich der Übergabe zu verhandeln. Hierauf schickte er den famosen Bericht ab, wonach angeblich nur mehr 8.000 Mann Besatzung verblieben waren. Tatsächlich standen, die Marine inbegriffen, noch 20.000 Mann zur Verfügung. In diesem Berichte nannte Stössel den General Fok einen „wirklichen Helden und treuen Mitarbeiter" . . .

Die Übergabe der Festung erfolgte so rasch und über- stürzt, daß es an Zeit mangelte, selbst die wichtigsten Kriegs- geräte etc. aus dem Wege zu schaffen bezw. unbrauchbar zu machen ; so kamen beispielsweise an 600 unbeschädigte Geschütze in die Hände der Japaner.

Der Flotte blieb nur eine Nacht für die Unbrauchbar- machung der Kriegsschiffe. Man versenkte wohl die meisten derselben, indes gelang es den Japanern sie alle wieder flott zu machen.

Verfasser schließt seine Ausführungen, indem er das Schicksal beklagt, welches Kußland in den entscheidensten Momenten der tüchtigsten Männer beraubte, wodurch der Unfähigkeit Tür und Tor geöffnet wurde ; auch dadurch waren Dinge möglich, wie die ruhmlose, ja schmachvolle Übergabe von Port Arthur in diesem unglückseligen Feldzuge.

Ich wiederhole: das Werk des General Kostenko ist sehr interessant

Hauptmann Z.

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