Weltgeschic. Vom

westfälischen Frieden bis zum ...

Franz Joseph

Hr»l7\A/arth

IR K E l E Y

RARY

I

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Dr. f. $♦ idporty*

Stifter Öonb.

£vei!e, vtrbtfftztt ^ufUge.

1886.

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SÄcdjt ber Ueberfefctmg in frcmbe (Spraken wirb Dprbefjalten.

Xrud bon Sofj. ^alf III. in SNatnj.

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H IL

fratt|ofird)en Uenoluttoit.

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*»Ij»tttt|, ®eltgefefji($tt. vi.

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( i n l e i t n n 9.

3>ie Signatur be3 SeitraumeS äroifdjen bcm tocftfäHfc^cn ^rieben unb bcr großen franjöfifchen SReüolution ift eine ftetä machfenbe, faß alle Seichten unb klaffen bcr (BefeUfchaft burchbringenbe föe* ItgionSgleichgilttgf eit , bie fich mebr unb mehr jum üoCU ftänbigen Unglauben unb $ur auSfchließlichen Pflege ber materiellen Jntereffen entnncfelte. 8u biefem troftlofen ,8uftanbe hatte bie 9te* formation ben ®runb gelegt, tnbem fie, baä unfehlbare fiefyramt ber ^ircr)c oerroerfenb , an bie Stelle be3 ÖHauben$lichte3 bie fajmanfenben 2lu3fprüche ber tnbirnbuellen Vernunft fteflte; benn bie SBertoerfung ber Autorität ging Dom religtöfen (Gebiete auf baS ber Sitte, ber ^olitif, ber 2Biffenfct)aft über unb umfaßte alle Greife beä $afeinä. 5>te ©Reibung be$ religiöfen unb beä ^>olitifc^en Sie* ben&, bie juerft in bem meftfälifchen grieben ju Xage getreten, griff immer roeiter um fich ; bie Slflianjen unb Xraftate , bie (SntfdjeU bung über Mrieg unb ^rieben, bie ©efefcgebung unb SBerroaltung nahmen feine SRücfficht mehr auf ®irdje unb ÖJlauben: irbtfe^e 3n- tcreffen leiteten allein bie Sßolitif ber Kabinette.

2icic unheilvolle ^atüriunung , bie (ich auch über bie faüjo-- lifchen ßänber öerbreitete, brachte eine anticr)riftticr)c Söerfchroörung Sur 9ieife, bie, öon Staatsmännern unb ^luloiopljeu begünftigt unb burch bie oerblenbete ^olitif ber £>öfe geförbert , in ber Literatur tote im Seben ihre Triumphe feierte, ber $irdje ein SBollroerf nad) bcm anbem entriß, ben einflußreichen Qefuitenorben vernichtete unb ben apoftolifchen Stuhl in jeber SBeife emiebrigte unb oergeroal* ttgte, um bann auch bic oon ihr als £anblanger benufcten Surften herabjuujürbigen unb $u ftürjen. Jpatte ber oorhergehenbe 3cit= räum im proteftantifchen ©nglanb mit ©mpörung unb $önigSmorb geenbet, fo fdjließt ber neue mit ber Xrohung ber (Empörung unb beä #önig$morb$ im fatholifchen 3ranfreich.

SBahrenb bie roeltlichen gürften fid) in ihren abfolutiftifchen Scftrebungen nicht nur öon ber hemmenben ® ontrole ber Stänbe, ionbern auch öon l&tx ©inmirfung ber Kirche freizumachen mußten unb mit ber ©e|"e&gebung unb SBerttmltung auch °^ @r$iehung unb ben Unterricht, bie Söohlthätigfeiteanftalten unb bie tirchengüter ju

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Einleitung.

t>ermettüdjen , ja fclbft bic innerftcn 2htge(cgenf)eiten bcr ftirdje in ben Söereid^ ifjrer Üttac^tfpfyäre ju jiefjen fudjten, gerieten fie in immer größere Slbfjängigfeit t>on ben Saunen ber Spenge, bie, be= tfjört öon einer burdj unb burd) reöofationären Siteratur unb burd) SBolfäaufroiegler irre geleitet, gorberungen $u fteflen begann, rocla}e roeit hinaufgingen über bie SBieber^erftettung ber alten $o(färea)tc unb gegen meiere ilmen bie bura) fie gefned)tete unb bem öffent= ticken Sieben entfrembete ®ird?e feinen ©c^ufe me^r gemäljren fonntc. w©o erntete bie mcltüdje 9ftaa)t\ fagt $>ergenrötfjer, „ba§, maä fie gefät: bie föeöolution gegen ben ©taat mar bie grudjt ber 9*eoo= lution gegen bie ®ird)e; bie „eöangelifche greifjeit" in i^rem Wifc bxand) führte jutn 3#if$braud) ber poütiiajen greifet. Die Zeiget ber gürften mürben if)re Golfer; bie sJtäd)erin ber mit gü&en ge- tretenen ®ird)e marb, if)r fetbft unbemufet, bie SReüotution. £ie gürften Ratten ben ^ßapft alt ben ©djmädjeren miftyanbclt : bie nodj ftf)roäd)eren gürften vertrat ber $öbel."

Die ®ird)e fclbft aber, beren Aufgabe burd) bie öeränberte ®e* ftalt bcr $inge nid)t minber alä burd) bie tfjcilä gleidjgiltige, tfyeila offenbar feinbfelige Spaltung ber meltlidjen äJtäd)te unenblid) erfdjmert mar, beroafnrte, mie in allen 2)rangfatcn, fo aud) im Kampfe gegen bie ungläubige ^f)i(ofopf)ie, bie falfcfye unb feierte 2lufflärung*fud)t unb bie fyeudjlerifd) ba£ ädjte ^ira^ent^um öorfd)üfcenbe 3rrlef)re, bie einanber bie £)errfd)aft über bie ©eifter ftreitig matten , bie öofle ®raft be$ ©laubenä unb bei* Siebe, unb giän^enb bcroäfjrtc fid) an ü)r bie göttUdje S3er^ei§ung, baß bie Pforten ber JpöHe fie nid)t überwältigen roerben. SBät)renb ©ott bie 9Äärf)tigen entthronte unb itjre fronen jerbrad), führte er feine ®ird)e einer neuen SBer* t)cvrltd)uitg ju.

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I.

<$aife* £eopotb I.

(1658-1705.)

Seopolbä 2Baf>l unb erfte WegienmgSjeit.

3ferbinanb III. überlebte ben Slbfchlujj beS roeftfälifchen griebenS nur um neun 3a^r^» roährenb welcher er, ben toeränberten SScrr)ält= raffen beS Bleiches ^Rechnung tragenb, mit ben beutfdjen ©tänben ein möglichft gutes Verhältnis aufregt ju galten fuctjte, in feinen Ghrblänbern bagegen ben SRegierungSgrunbfäfeen feines SSaterS treu blieb. @r ftarb am am 2. Hpril 1657, nach mehrjährigem Stänfeln, in feinem neununbm'erjigften SebenSjahre unb hinterließ ben SRuf eines reichgebübeten, gerechten, menfehenfreunblichen unb frieblieben- ben Surften. 5)a fein ältefter ©ohn, ber fapn $u feinen ßebjeiten bie fronen üon ^Böhmen unb Ungarn empfangen hatte unb im 3af)re 1653 als gerbinanb IV. jum römifchen ftönig gemäht unb ge* frönt roorben war, am 9. 3uni 1654 an ben SBlattem, bie ju jener 3cit furchtbare Verheerungen anrichteten, ftarb, ging baS 9iec^t ber Thronfolge in ben öfterreidjifdjen ©rblanben an feinen jroeiten ©ot)n ßeopolb über, ber, nachbem er am 24. Januar 1655 bie §uU bigung ber öfterreidufdjen ©täube empfangen r>atte, am 27. 3uni beS gleichen 3ahreS als flönig üon Ungarn unb am 14. ©eptember als ftönig öon ©öhmen gefrönt rourbe.

©eboren am 9. 3uni 1640, mar ßeopolb noch ö0^c ftebjehn 3al)re als, als ber Xob feines SBaterS ihn jur Regierung über bie öfterreidufchen ©rblänber berief unb mit ber Uebernahme berfelben ber öolle (Srnft beS fiebenS an ihn h«antrat, baS fid) für ihn in einer nahezu fünfzigjährigen Regierung ju einem äufjerft ftürmifa^en geftalten foHte. Obgleich er anfangs jum geiftlichen ©tanbe befrimmt unb feine ©rjiehung eine biefem Berufe ent* fprechenbe gett-efen, waren ihm bie leitenben ©runbfäfce ber öfter* reichifchen Sßolitif nicht jremb geblieben, unb ba er ftch überbieS in ber öerhältai&mä&ig furzen Seit feit bem Xobe feines älteren *8rn*

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flatfcr fieopolb I

berS eine große unb öielfeitige ®enntniß ber ®efdjofte angeeignet hatte, fonnte er fein fürftlidjeS 2lmt mit einer, menn auch nicht glänjen* ben, fo bodt) überaus rüstigen unb grünbltchen SBorbeveitung an* treten.

ßeopolbS rotffcnfc^aftlic^c SBilbung, bie er bem trefflichen Untere richte jmeier SBäter ber ©efettfehaft Qefu oerbanfte, mar eine fo öielfeitige unb grünbliche, baß ilm fein gürft feines 3ahrt)unbertS an ©elehrfamfeit übertraf. ?(ußer feiner flJcutterfprache hotte er fdjon frühe Satcinifcr) unb Qtatienifdt) forreft unb fließenb fprechen unb fdjreiben gelernt; eine grünbliche ®enntniß ber fpanifchen unb franjöfifchen Sprache ermarb er fich fpäter, bodj fonnte er fich mit ber lejjteren bei feiner entfdjieben beutfehen (JJefinnung nie recht be- freunben. Sieben biefen oerfa^tebenen Spraken Ratten ©efdjidjtc unb ^P^tlofop^ie bie ^auptgegenftänbe feiner ©tubien gebilbet. Slud) bie fdjönen fünfte maren nicht oernachläffigt geblieben ; inSbe- fonbere mar fein fjeröorragenbeä Xalcnt für bie SDhtfif, für meiere er eine große Vorliebe ^atte, auf baS ©länjenbfte ausgebübet mor* ben. SBott tiefer SReligiofität nnb treuer s2lnhänglichfeit an feine $ird)e, mar er jugleich, nach bem übereinftimmenben Urtheile ber geitgenoffen, ein 3üngliug °on ber muftert)afteften Stttenrcinheit, ber Arbeit mit unermüblichem gleiße Eingegeben unb babei bon großer £erjenSgüte unb iöefcheibenheit, aber befangen unb unfia^er in feinem öffentlichen Auftreten.

28är)renb ber Regierungsantritt SeopolbS in feinen (Srblftn-- bem trog feiner 3ugenb auf feine ©djmicrigfeiten geftoßen mar, traten ü)m bei feiner ©emerbung um bie ^aiferfrone große ^tnber= niffe in ben Söeg. 55er Urheber berfelben mar Sftajarin, ber bie ftaiferfronc feinem ®ömg, ßubmig XIV. ju oerfchaffen münfa)te unb §it biefem 3mecfe bei ben beutfehen ®urfürften fein Sftittel ber Ueberrebung unb SBeftedjung unöerfudjt ließ. 9tadjbem er erfannt hatte, baß er fich ein unerreichbares Qk\ gefteeft, machte er alle nur erbenflidjen 2lnftrengungen , um menigftenS burd) bie ?(uffteöung eines unter franjöfifchem ©influffe fte^enben beutfehen $anbibaten baS habSburgtfche $muS öon bem beutfehen ftaiferttjrone auSju^ fernliegen. (Sr burfte babei auf bie TOtmirfung ber brei geiftüchen Shirfürften unb beS fhirfürften öon ber <ßfal$ säf)len, bie theilS burch ihre fRätt)e in bie Wefce ber franjöfifchen ^olitif oerftrieft ober burch bebeutenbe (Mbfummen für baS Sntereffe SubroigS XIV. ge= monnen morben maren, theilS aus gurcf)t oor bem mächtigen 9iaehs bar fich ir)m mittfahrig jeigten.

3uerft mürbe ber turfürft gerbinanb Maria öon SBaiern, 9tta£imtlianS @ofm unb Nachfolger, in SBorfcfjlag gebracht; ba biefer jeboch, theilS feiner eigenen beutfehen ©cfinnung folgenb, theilS bem Einfluß feiner 9ttutter, einer Softer gerbinanbs II., nachgebend

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Secpolb* 2Baf>l unb erfte 9flcgienmg*jeit.

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bie ifjm angetragene ßaiferfrone au*fdjlug, obgleich granfreich fich erboten fjatte, ihm für bie Unterhaltung be* ftaiferftaate* ein be* beutenbe* Qafjrgelb §u jaulen, fud>te man ben ©rjfjeraog ßeopotb SBilhelm, gerbinanb* III. ©ruber unb $oa> unb $)eutfchmeifter, ber nicht nur al* SKitglieb be* geiftlichen Stanbe*, fonbern auch roegen feiner fehttmehen ®efunbheit unb perfönlichen 2Had)tlofigfeit bent ßarbinal SKajarin al* ein bie Sntereffen granfreich nicht ge= fäf)rbenbe* 9Reid)*oberhaupt erfduen, jur Uebemahme ber 9ieich** frone gu betoegen. Slflein audj biefer ttrie* ben (SJebanfen eine* feinbttdjen Auftreten* gegen feinen Neffen Seopolb mit @ntfc^ieben= fjeit jurücf.

$en hänfen granfreich* gegenüber oertrat ber gürft £obfo- ro i $ , ben ßeopolb an bie Spifce ber ju bem SBahltag nach granf= furt abgeorbneten SBafylbotfäaft gefteflt, ba* Qntcreffe feine* sperren mit ebenfoöiel ©cfdt)icf al* Ergebenheit, unb nachbem e* ihm ge= hingen, ju ben Stimmen oon Sachfen unb ©ranbenburg, auf toeldje Defterreich ftcr)er jählen bürfte, auch °ie oon ©aiern unb Xrier ju gewinnen, ergaben fich auch bie $urfürften Oon SJtoinj unb ®öln, unb fo föurbe ßeopolb I. am 13. Quli 1658, nach einem 3nter= regnum öon fünfjehn Sftonaten, jum ftaifer gewählt unb am 1. Auguft ju granffurt feierlich gefrönt.

©an$ erfolglos waren jeboct) bie 9tänfe üftajarin* nicht geblie* ben ; benn ßeopolb mujgte fich $ur Unterzeichnung einer 2Bat)lfapitu- fation oerftehen, in welcher er fich oerpflichtete, Spanien in beffen Ärieg gegen granfreid) feinen ©eiftanb $u leiften, in bie italie- nifchen Angelegenheiten fich nid)* einjumifchen unb bem mit granf= reich oerbünbeten Jperjog üon Saüoöen ba* 9tetch*tufariat in Ita- lien ju übertragen. 9tur mit 2ttüf)e gelang e* ihm, bie 4>inju= fügung ber gleichfall* oon ben Äurfürften auf ben ©errieb granf= reich* in ©orfdjlag gebrachten ©ebingung ju öerhinbern, baß bic Uebertretung eine* ober be* anbem fünfte* biefer 2Bar)IfapituIation ober ber Stipulationen be* weftfältfchen grieben* feine Abfe&ung jur golge haoen folle.

2öie weit bie innere Auflöfung be* beutfehen deiche* bereit* fortgefchritten unb rote fehr in ben beutfehen gürften jebe* 5latto- nalgefühl erftorben mar, beweift ber ©unb, ben bie brei geiftlichen turfürften, ber ©ifchof oon fünfter, ber ^faljgraf oon 9ceuburg, bie ^er^öge oon ©raunfehweig unb ber ßanbgraf oon $effen=$affel, gleich nach Abreife be* ftaifer* (24. Auguft 1658) auf ben ©etrieb Schweben*, angeblich sur Aufrechthaltung be* weftfätifchen grieben*, thatfächlich aber jur Schwächung unb 3folirung Defterreich* unb fomit jur görberung ber ;gntereffen granfreich* unb Schweben* fchloffen unb bem biefe beiben dächte beitraten. $er Stifter biefe* „rheinifchen ©unbe*", eine* toürbigen ©orläufer* be* fchmachoollen

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äaifer ßeopolb L

Dt^cinbunbeS au3 bcr Utapoleonifchen Qtit, mar bcr ®urfürft öon 9flainj, ber talentüofle Qohann s^^ilipp öon ©chönborn, ber fich burd) feine ganje |>attung bereite als ben äftann einer neuen Qtit anfünbigte. SBelchc ©orthetfe inäbefonbere granfretch öon biefem iöunbe erhoffen burfte, erfeunen mir au£ bem Urtheil, ba3 ber franftöfifdje (MefanMc beim beutfdjen 9teich$tag über benfelben fallt. „$iefe 2tflian$\ f abrieb berfelbe einige 3a^re fpäter an feinen $onig, „gibt bem ®önig Gelegenheit, feine greunbe unb feinen großen ®rebit im ^Reiche ju erhalten; fie macht i(m jum 9#ttgliebe beä föathe* ber beutfdjen Surften, olme il)n öon bemfelben abhängig $u macben."

©chon ju öebjeiten gerbtnanbfc HL mar ein Ärteg amifcfjen $art X. (Guftaö) öon ©chmeben, bem Nachfolger (£fjriftinen3f unb bem ®önig 3otmnn Äaftmir öon <ßolen, bem ©ruber unb $lafyoU gcr SBIabiSlamä IV. (feit 1648), ausgebrochen, ben hauütfächlich $arl Guftaöä letbenfchaftliche SRu^mbegierbe unb (SroberungSfudjt heraufbcfchmoren. 3n biefcn $rieg, in meinem bie ©chmeben tfn= fangä glanjenbe Erfolge errangen, fyattt fich auch ber gürft Georg föagocjü II. öon (Siebenbürgen aU ©unbeägenoffe ®ari GuftaöS eingemifcht, maS ßaifer gerbinanb III. ©eranlaffung gegeben, in einem auf feinem Sterbebette unterzeichneten ©ertrag, ben ^olen £>üfe jujufagen. $er ^olitif feine« ©aterS treu bleibenb, lieg ßeo* polb im ©ommer 1657 ein Jpeer öon fed)$el)ntaufenb Sflann in ^ßolen einrüefen, unb ju bcr gleiten Seit ergriffen auch ocr ®önig öon $)änemarf unb ber fturfürft öon ©ranbenburg, ber fein ^erjogthum ^reufjen burch bie ©rfolge ber fdjnjcbifcfjcn SSaffen bebroht fah, für Sßolen Partei. S)en öereinten Söaffen ber ©erbünbeten mar bie Stacht ftarl Guftaö« nicht gemachten: feine Xruöpen mürben auf allen fünften gefchlagen. Schon öorher mar föagocjö $um sJtücfjug nach Siebenbürgen gejmungen morben, mo er balb barauf im ftamöfe gegen bie Xürfen ben Xob fanb.

®arl ©uftaö ftarb, nad)bem er oergebenS ben ®aifer ßeopolb öon feinen ©unbefcgenoffen ju trennen gefucht, am 20. gebruar 1660 öoQ Unmuth über fein finfenbeä ÖHücf, unb fein Xob beschleunigte bie grtebenäöerhaublungen, bie fdjon im SDejember 1659 im SHofter D I i t? a bei 2)anjig eröffnet morben maren. SDa fomohl ber $aifer, als auch oer ^urfürft öon ©ranbenburg au$ gurdjt öor einer ©inmifchung granfreichä ju (fünften Sd)mebenä eine möglichft rafche Jöcenbigung beä Kriege* münfehten, erlangte Schmeben in bem am 3. Üftai 1660 abgesoffenen grieben öon Dliöa, bem am 27. 2ttai auch $änemarf beitrat, öortheühaftere ©ebingungen, als hfltte ermarten bürfen. (£d blieb nicht nur im ungefchmälerten SBefi^ ieiner Ü^achtfteHung an ber Dftfee, fonbern ber $önig oon ^ßolen entfagte auch aUen sÜnfpruchen auf bie f chmebifche Ätone unb auf ^iölanb.

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Seupolbä Xüvfcnfrtcfle.

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£eo)io(b§ 2firfentriefie.

(1663—1699.)

Seopolbä I. ganje föegierung^eit war burd> Kriege ausgefüllt, t>ie er tfjeite im SBeften unb Süben gegen Sranfreidj, tljeiU im Dften gegen bie Xürfen ju führen t»atte. Söaren bie elfteren faft nur eine lange fteuje oon Ütfi&erfolgen, fo Imben bie teueren ba* gegen bie faiferltc^e Sfrone mit einem unöertoelflidjen ^u^meöfranje umrooben.

s2ln biefen Kriegen nafjm aÜerbingS ßeopolb perfonlidj feinen 2lntf)eil, hrie er überhaupt, im ©egenfafce jii feinem Sater, ber fid) in feiner 3ugenb als tapferer unb tüchtiger Selbfjerr bemäfjrt Ijatte, toeber friegerifdjeS Xalent nod) friegerifdjen ©um beja&; aber ibm gebührt ba£ boppelte 93erbienft, mit unerfäütterlidjer $u$bauer baä panier be3 ^reu^eS fjodjgefjalten unb bie rechten Selbfyerren für bie rechten ^läfce auägemäfjlt $u fyaben, unb bie Sorfefjung fjarte tfym, sunt Soljne für bie Ijoljen Xugenben, bie er auf bem Xfjrone nrie in feinem ^rioatleben entfaltete, eine große Qafyl ber au$ge$eidjnetften £>eerfüf)rer jur Seite gefteflt.

s2ll$ Seopolb I. bie Regierung antrat, mar ganj SRieberungarn in ben £>änben ber Surfen, Cfen ber ^>crrfct)erfi^ eines rürfijdjen 5Be$iera, Siebenbürgen ber Pforte tributpflichtig unb bie SBafjl ber fiebenbürgifdjen dürften oon ber SBeftätigung beä Sultans abhängig. <3)aS iöeftreben, fid) foroofjl ber türfifcfjen als ber öfterreidnfd)en säb~ fjängigfeit 51t entjie^en unb jtoifdjen ben Karpathen unb ben $onau= gegenben ein felbftftänbigeS SReidj ju grünben, fjatte ben Surften üttagoqn üeranlafjt, fid} gegen ben Söhlen beS Sultans 3ftol)am= meb IV. bem Sdimebenfönig ®arl ($uftao in beffen $rieg gegen "ißolen an$ufd)lie&en, in ber Hoffnung, mit Jpilfe biefeS 93unbeSge= noffen feine Sßläne üernnrflidjen 511 tonnen; allein ber Öerfudj mar fefclgefdjlageu, unb föagoqö faf) fid) buref) benfelben in einen blu* tigen ®rieg mit ben Xürfen oermirfelt, in meinem er, nadjbem ber (Sultan feine s2(bfe$ung auSgefprodjen, am 22. 2ftai 1660 in ber ©c^laa^t bei ®tyalu töbtlidj oertounbet mürbe.

$a bie Xürfen -IRiene matten, gan$ Siebenbürgen mit ityrem Sftetdje ju oereinigen, beeilten fid} bie fiebenbür giften Stänbe, ben erlebigten gürftenftuljl neu ju befefcen, unb ir)rc SBab,l fiel auf SRagocäU'3 gelbljerrn, Sodann ®remenü. Um fid) gegen bie Xürfen behaupten ju fönnen, roarf fid) berfelbe ben Defterreidjern in bie Hrme, unb ßeopolb, ber bie 9totf>toenbigfeit erfanute, bem metteren Umfidjgreifen ber £ürfenmad)t entgegenzutreten, fanbte ben General SRontecuculi nac$ Ungarn unb Siebenbürgen, um ^ernenn gegen ben oon bem Sultan $um Surften oon Siebenbürgen beftimmten

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fatfer ßeopoib L

3ftichael s2lpafi ju unterftüfcen. Xrofc feiner ungenügenben ©trete fräfte brang 9ttontecuculi erfolgreich oor; allein Dementi fanb fcfjon ju Anfang beä Qafireä 1662 im $ ampfe gegen bie Anhänger 2lpafi'S ben Xob.

Seopolb jögerte, ben ®ampf gegen bie Xürfen fortjufefcen, nicht nur meil er ju einem ernfteren Kriege nicht genügenb öorbe= reitet mar, fonbern auch unb ^attptfäc^Uc^ wegen ber bebenf üct)en Gattung ber Ungarn, bie nur ©inn fjatten für ihre partifulariftifchen tl)eil$ begrünbeten, tfyeite unbegrünbeten SBefchtoerben, ober feinerlei SBerftänbnifj für ba8 ^ö^ere allgemeine gntereffe be3 iRcic^cS roie für bie bringenbe (Gefahr ber djriftlidjen SBilbung Europa' ä, unb oon ben fanatifchen, £>a6 unb Verfolgung gegen Deftcrrcicr) pre= bigenben proteftantifchen ^ßräbifanten ju offenem Aufruhr gebrängt mürben, ©o fcr)r jeboct) auch ber $aifer ben Sieben aufrecht ju erhalten toünfchte, far) er fidj bocfj burch bie maßlofen Sforberungen unb fortgelegten Uebergriffe ber Xürfen gejttningen, im Qa^re 1663 bie SSaffen gegen fie ju ergreifen.

$er Anfang be3 Krieges mar für Defterreich ein unglücflidjer. $>ie oon bem türfifchen ©ro|oe^ier Mehmet (Stjrili feit bem 17. Sluguft 1663 mit einem |>eere oon ^unbertjroanjigtaufenb 3flann belagerte unb oon bem (trafen Sorgacj mit Umficht unb Xapf erfeit oert^et^ bigte Scftung 9ieul)äufel, ba3 ^auptbolltoerf beä meftlichen Un* garo3 fiel am 24. September, in Solge einer 9fteuterei ber un= garifct)en SBefa^ungStruppen, oon welchen ein Xtyil fogleidj nach ber ilebergabe ber ©tabt in türftfehe Dienfte trat. Unter gräueloollen Sermüftungen fcfjtoeiften oSmannifc^e föeiterfchaaren, gegen meiere toeber SRontecuculi mit feinem nur fedjätaufenb Wlann ftarfen ®orp3, noc^ oer tapfere unb friegSerfatjrene s8a\\ oon Kroatien, ©raf Piflas 3 * i n u , ber (Snfel beä berühmten s-8ert()eibiger3 oon ©aigeth, mit bem ungarifdj-froatifd)en Heerbann (Etroad au3$u= richten üermochten, bi3 gegen ^rünn unb Dlmüfc unb festen SBten in ©Breden.

©anj anberä oerlief bagegen ber 3elbjug beä gafyreä 1664. SRachbem e3 bem ®aifer burch perfonfic^c* ©rfchetnen auf bem föeichstag in 9legcn£burg gelungen, bie ©tänbe ju rafcherer <pilfe-- leiftung §ti bemegen, unb bemgemä& bie jugefagten 9teich3truppen unter bem 2flarfgrafen Öeopolb oon SBaben unb bem (trafen oon SBalbecf im grühfommer 1664 in Ungarn erf Lienen maren, auch ber ftönig ßubtuig XIV. oon granfreich bem ßaifer ein .frilfafjeer oon fechataufenb 9flann unter bem (trafen Qohann oon (Soligno, einem Ururenfel be3 in ber ^Bartholomäusnacht ermorbeten 9lbmiral$, ju £ilfe gefanbt, nahm ber faiferliche Oberbefehlshaber äflontecueuli mit ftebenunbbrei&igtaufenb 9ttann feine ©teHung hinter ber föaab, um bie ©renjen DberungarnS ju beefen. $ier fam eS am 1 . ^luguft

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ßeopolt»«* Türfcnfricflc.

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1664 bei berr Ijart an ber ©renje ton ©teiermarf gelegenen Siftercieuferabtet ©t. ©ottfjarbt $ur blutigen (£ntfd)eibung«- fcf)fadu\

9?adjbem ein X^eil be$ türfifd&en $eere*, ba3 in ber ©tärfc öon fmnbertbreißigtaufenb 9Rann unter ber jjüfjrung bei ©roß; t>e$ier3 bi§ an bie ftaab oorgerütft mar, ben Uebergang äber ben Stuß errungen r)atter griffen bie juerft übergefefoten ganttfdjaren unb Soatnä bie ba$ (Jentrum beä faifertidjen $eere3 bilbeten SReidjä* truppen mit fotdjer Uebermadjt an, baß fie öoüftänbig jerfprengt tourben. ©djon gelten bie Xürfen il)ren ©ieg für gefiebert, ate Sftontecuculi unb ©otigntj, jener mit bem regten, biefer mit bem ttnfen Stügel be$ djriftlidjen £eere8, fict) ilmen in bie Sfanfen roarfen, roäljrenb ber $rin$ oon SBalbecf audj bie jerfprengten Xrup= pen be$ (Zentrums mit bem $egen in ber £>anb gegen ben 5einb jurütf trieb. Qtefct gerieten bie dürfen ib,rerfeit$ in SBerroirrung, unt> ganje ©paaren fprengten in oermorrener fjlucbt babon. 9lodj ein- mal roanbte ftcr) ba3 ©lud ber ©djladjt, al8 neue Abteilungen tür* fifdjer Reiterei, bie, oon bem ©roßöejier entfanbt, oberhalb unb unterhalb be3 ©djladjtfelbeä über ben 3tuß gegangen, ba$ cririftli^e #eer auf beiben ©eiten unb im SRürfen angriffen. 3n biefem ent- fefteibenben Wugenblid, roo OTe3 auf bem ©piete ftanb unb ber Jeinb ftd) bereits beä ©epätfS ber 9letd)äOölfer unb Sranjofen bemädjtigt fjatte, lieg SKontecucuft mit rafa^er @ntfcr)toffcn^cit ben Äern be* $>eere3 in ber ganjen gronte oorgeljen, roäfjrenb er (Solignn linte gegen bie anftürmenben türftfcr)en Leiter entfanbte unb fict) felbft mit feinem eigenen Regiment unb bem be3 ®enera(3 ©porf rea)t3 bem geinbe entgegemoarf. *Bor bem Angriff fiel ©porf auf bie ®niee nieber unb betete entblößten Raupte* mit lauter ©timme: „sMmäd)tigfter <£eneralijftmuä bort oben, mittft bu un$, beinen cr)riftgCäubigeu $in^ bern, Ijeute nidjt Reifen, fo f)Uf bodj audj roenigftenä ben Xürfenljunben nia}t, unb bu fottft beine Suft Gaben!" $iefe SBorte riffen feine ©paaren jur begetftcrtftcn ftampftuft fun, bie fidj rafd) über ba£ ganje ct)riftUcr)e #cer oerbreitete, unb balb mieten bie Xürfen auf allen fünften jurüd. 3mmer größer mürbe bie Verwirrung in ityren SReüjen, bis enbttdj Reiterei unb gußootf in oermorrener glutf)t fidj in bie föaab ftürjten, in beren Stützen über ^ntaufcnb SKann ben Xob fanben. Aua? bie breißigtaujenb 3Rann ftarfe föeferbe ber Di* manen, bie nodj gar ntd&t ins (Sefeajt gefommen, fitste, oon einem panijdjen ©ajreden ergriffen, ba$ SBeite.

$)ie ^ieberlage ber Xürfen mar eine ooßftänbige, unb ber ©ieg beä faiferliajen Speeres ber größte unb glänjenbfte, ben bie d)riftlid)en ©äffen feit brei Qatjrfjunberten über bie Domänen erfochten Ratten ber SSenbepunft bc? türüfe^en ^rieg^gtürfe^. 3nbeffen magte 9flontecuculi nia)t, ben errungenen ©ieg weiter ju

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Äatfcr Seopolb I.

üerfolgen, ba fein |>eer burd) bic erlittenen Söerlufte aH$u fc^r ge* fd)roäd(>t unb ber d&roßücjier nodj immer im SBefifte n?ett überlegener «Streitkräfte mar, unb ba ftd) audj ber Sultan jum grieben geneigt geigte, entfdjloß ftdj Seopolb, ber überbie« uidt)t ftdjer auf bie fernere £>ilfe be« SReidje« unb nodj meniger auf bie be« Königs üon granf* reicfj redjnen fonnte, auf bie üon bem ®ro&t>ejier üorgefd)lagenen grieben«unterfmnblungen einzugehen, ©o fam frf)on am 10. 2luguft 1664 ju 23a«üar unter ber gorm eine« jttjanjigia^rigen 2Baffen* ftillftanbe« ein griebe ju ©taube, melier bie Xürfen im SBefifce ber beiben mistigen <piäfce ^etermarbein unb fteuf)äufel liefe unb bem tnjmifchen tum ben Xürfen jum Surften üon Siebenbürgen einge* fefcten ÜKi^aet SIpaft bie SInerfennung Defterreidj« üerf djaffte, toogegen ber ©ultan üerfpredjen mußte, feine Xruppen au« ©ieben* bürgen jurürfjujie^en unb ben ©tänben biefe« Sanbe« bie freie 28al)l ihrer gürften ju bclaffen.

Obgleich man hätte crmarten foöen, baß bie Ungarn ben 9(6= fd)luß be« grieben« üon $a«üar, melier ber Verheerung ihre« Öanbe« ein Siel fefcte, mit greuben begrüßen mürben, erhöhte ber= felbe nur ihre (Erbitterung gegen ben $aifer, meil er, ben ©efefcen ihre« £anbe« unb bem früheren brauche entgegen, ofme ihren Vei* rath gefdjloffen roorben. sKuä) märe ben ungarifdjen (Großen bie alle yjlafy im Sanbe in ftänben Ratten unb bie 5)eutfchen mit glühcn= bem £>affe üerfolgten, bie gortfefcung be« Krieges ermünfcht geroefcn, um in bemjelben größere Vortheile gegen Defterreid) erringen $u tonnen, ©ie flagten über Verlegung ihrer Verfaffung unb über <&eroalttljätigfeiten ber im ßanbe flurüdgebliebenen öfterreidufchen ©olbaten unb verlangten bie ßurücfführung ber ungarifc^en Jerone, bie mährenb be« Kriege« nach Söien gebracht morben mar, fomie bie (£nt* fernung aller beutfchen Xruppen au« Ungarn. 5)ie erftere gorberung mürbe ilmen ohne ßögerung bemiHigt, bie jmeite jeboch, meil unüer- €inbar mit ber Sicherheit be« üanbe«, ba« fich nidjt felbft ju fchüfcen üermochte, entfdnebcn jurürfgcmiefen.

3nbeffen fanb ber uugartfcfje Slbel balb in ben fortbauernben klagen über bie äuchtlofigfeit ber beutfchen ©olbaten, fomie in einer angeblichen Verfolgung ber sßroteftanten üon ©eiten ber üftcrreidjifdjen Regierung einen ermünfdjten Vormanb ju ^oc^ücrrät^ertfc^cn Um* trieben, unb entftanb eine geheime Verbinbung, bie mit $ilfe granfreid)« unb ber Pforte bie 2o«reißung Ungarn« üon Defterreid) in« 2öert ju fefcen gebaute. $od) nod) ehe bie Verfdjroorenen ifjre *ßläne jur $lu«führung bringen fonnten, erhielt ber Äaifer Äunbe üon ber beabfidjtigten (Empörung, unb bie (trafen <ßeter 3rinn, ber Vruber unb Nachfolger be« oben ermähnten Van'« üon Kroatien, sJcifla« $iint), ber im 3a^re 1664 burd) einen Unfall auf ber Qagb ben Xob gefunben granj sJ^aba«bi, granj grangipani, 3nnü'«

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lüeopolbS $ürfenfriege.

©cr)u>ager, unb Era«mu« üon Gettenbach büßten im 3af)re 1671 bic t)erüorragenbe dtoUt , bie ftc bei ber Jöerfäwörung gefpielt, mit bem Xobe auf bem ©lutgerüfte , toährenb ber bei berfelben gleia> faEte beteiligte Sranj SRagocso, ber Sof)u be« Surften ©eorg II. öon Siebenbürgen, ber bereit« Xruppen 511m offenen Kampfe ge= fammelt , aber oon bem öfterreidnfehen ©eneral (Sporf gefdjlagen tüorbcn, burd) Unterwerfung unb bie Uebergabe aller nod) oon il)tn befefcten <ßläjje Seben unb 5reif)eit erfanfte.

Um ber Söieberfe^r ähnlicher ©cfatjrcn üorjubeugen unb bie fömaUdje ßteroalt in Ungarn bauernb ju fidjem, hob Seopolb, naa> bem eine oon ihm eingefefote Äommiffion oon Xtjeologen oon beu beiben ihr vorgelegten Sragen : ob ber ftaifer noch an bie ungarifd)c söerfaffung gebunben fei , ober ob bie Ungarn a I « Nation fid) empört unb baburdj ihre 9ted)te unb greifjeiten üerroirft t)ättenr bie (entere nach genauer Prüfung ber (Bachlage cinftimmig bejaht unb eine politifdje $ommiffion fid) aud) 00m juriftijdjen ©tanbpuufte au« in bem gleiten ©inne au«ge}prod)en hatte, im Qatjre 1673 bie mefent- licf)ften SBeftimmungen ber ungari)d)en SBerfaffung auf unb fegte ben $ocf)- unb $eutfdnneifter $>°hann üon s#mpringen, einen efyr= haften, thatfräftigen , in politifdjcn fingen erfahrenen Sttann unb tapferen gelbherrn, jum ©eneral:©ouoerueur oon Ungarn ein. Qu- gleich mürbe gegen biejenigen proteftantijtfjen ^räbifanten , bie be- fonber« bie Un^ufrieben^eit $u fdjüren gefugt unb ba« iöolf §ur Empö^ rung aufgcftaa^elt Ratten, eine gerichtliche Verfolgung eingeleitet, nicht, tuie ber Unterfudmng«fommiifion auf ba« Nachbrudlichfte eingefcr)ärft rourbe, megen ihre« ÖJ lau ben«, fonbern nur megen &anbe«oer= rath«. Mehrere berfelben mürben jum Xobe üerurtl)eilt, jebod) unter ber *Bebingung ber Dlieberlegung ihre« v2lmte« unb ber Ent- haltung oon allem Unterrichte oon bem ftaifer begnabigt.

Qnbeffen gelang bem oon 23ien au« nicht nur mangelhaft unterftüfcten , fonbern felbft burch jmeefmibrige SJcagregeln in feiner SBirfiamfctt oielfach gehemmten 4>oct)= unb Seutfchmeifter nicht, in Ungarn bie Drbnung aufrecht ju halten , unb noch weniger , bie Seoülferung mit ben Neuerungen be« $aifer« auäjuföhnen. 'Sie Unjufriebenen fnüpften hochoerrätherifche ißerbinbungen mit granf* reich an, unb im 3ahre 1678 brach ein offener Mufftanb aus, ber oon 3ranfreich, $olen unb ber Xürfei unterftüfct mürbe.

$er Urheber unb Seiter ber Empörung mar ber ©raf Em- merichiXöfö In, ein 2ftann, ber mit reidjer geiftiger Begabung #elbenfinn, X^atfraft unb Kühnheit, aber auch *ww ör°6e Reiben* fchaftlichfeit unb einen ma&lofen Ehrgcij oerbanb. 9catf)bem ber= felbe an ber ©pifce eine« Speere« oon jtoanjigtaufenb si)cann mehrere gegen ihn au«gefanbte faiferliche $>eerhaufeu $urüdgeja)lagen unb hierauf ba« ganje £arpatf)eugebiet erobert hatte, fat) fich Seopolb,

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tfaifer Üeopolb I.

bem roegen feine* gleichzeitigen Kriege* mit granfreich nur geringe ©treitfräfte $ur Befämpfung ber ungartfehen SRebellen ju (Gebote ftanben, jum 2lbfchlufj eine* förmlichen SBaffenftiüftanbe* mit %o* föln genött)igt , mäfjrenb beffen er nicht nur bie alte Berfaffung Ungarn* öoüftänbig r)crftcllter fonbern auch burd) bie meitgehenbften ^ugeftänbniffe ber herrfchenben Unjufriebenheit ein (£nbe ju machen fuc^te. SRachbem Mmöringen im 3at)re 1679 fein 2(mt nieberge* legt, mürbe ber ©raf $aul ©fterha$ü jum ^alatin gemäht unb feine 28af)l öon bem tfaifer beftätigt.

Cbgleic^ ßeopolb allen gerechten unb oernünfrigen Befchrocrben Ungarn* Rechnung getragen unb inäbefonbere ben s.ßroteftanten bie meiften ihrer gorberungen gemährt, auch a^en Gebellen eine öoll* ftänbtge SImnefrte bemiüigt hatte, legte Xöfölb bie SBaffen nicht nieber; benn ben Bemühungen ßubroig* XIV., bem ftatfer, bem feit ber Beenbigung be* Kriege* mit granfreich burch ben 9h)m* meger grieben mieber bebeuteubere ©treitfräfte $u Gebote ftanben, burch Mufrcijung ber Xürfen im Often neue Verlegenheiten ju bc* reiten , ftellten einen abermaligen Xürfenfrieg in Sluäficht , au* welchem ber ®raf Bortheile fliehen ju fonnen hoffte, 9lachbem er eine 3<ntlang ^en $aifcr jU täufchen gettm&t, liefe er fich öon bem ©ultan 9ftohammeb IV., bei meinem bie ränfeöollen ©inflüfterungen ber franflbfijchen (iJefanbten nicht erfolglos geblieben, am 10. Muguft 1682 jum ^ünig öon 9ttittelungarn unter ber Oberhoheit ber Pforte ernennen, mogegen er feinem Dberlehen*hcrrn einen jähr» liehen Xribut öon öierjigtaufenb sßiaftern, fomie bie nachbrücflichfte Betheiligung an allen Kriegen ber Pforte jufagte.

$)ie umfaffenben Lüftungen, bie in $onftantinopel jur Unter» ftüftung be* neuen Bajaflen angeftellt mürben, oerfünbigten bem $aiferf)ofe bie brohenbe ©efahr ; boch trug man fich n0(h immer mit ber Jpoffnung, bajj e* bem trafen Saprara, ben ßeopolb fchon im grühjahr 1682 al* aujjerorbentlichen Botfehafter nach Stonftanti- nopel gefanbt, um öon ber Pforte eine Verlängerung be* SBaffen* ftiüftanbe* öon BaSöar $u ermirfen , gelingen merbe , ben ^ttan- fliehenben Sturm , $u beffen erfolgreicher 2lbtoehr e* bem $aifer ebenfomohl an einem mohlgerüfteten £>eere, al* an ben nöttjigen (Selbmitteln fehlte, burch Borftellungen unb ©efdjenfe 511 befchtooren. silHein je mehr (£aprara fich um bie Mufredjthaltung be* grieben* bemühte, befto leichter mürbe e* bem fran^öfifchen ©efanbten, bem ©ultan bie Ueber^eugung beizubringen , bafj ber &aifer fich öor ber türfifchen Uebermacht fürchte unb berfelben bei feiner öoUftän- bigen Söehrloftgfeit in einem neuen Kriege unjmcifelhaft erliegen müffe.

s2ll* man am faiferlichen Jpofe bie (SJemiBfnut erlangt §atter bajj ber ®rieg unöermeiblich fei, orbnete öeopolb fchleunigft bic

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fieopolbS Xürfenfriege.

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nötfngen Lüftungen an , bic nur aHju lange öcrjögert worben waren. $)a£ in Ungarn ftehenbe $eer würbe auf breifjigtaufenb Sttann erhöht unb ber Oberbefehl über baäfelbe bem Herzog ®arl V. oon Lothringen, bem Neffen ®axU IV. unb ®d>wager Seooolbd, übertragen. 2lu3 bem Steide, baä ber ßatfer um fdjleuuige §tlfe* leiftung angegangen, jagten, au&er bem fdjtoäbifdjen unb fränfifchen Greife , bic fturfürften ©eorg III. üon ©achfen unb 9)ca$tmilian Immanuel oon ©aiern , welcher ßefctere im Qafjre 1679 feinem Vater gerbinanb 2)kria in ber Regierung gefolgt war, bem &aifer Unterftüfcung ju.

2)cn wichtigften $ienft leiftete bem ferner bebrängten faifer $apft 3nnocen$ XI., inbem ihm berfelbe in bem Äönig 3 o h a n n © o b t e S f i üon *ßolen, bem Nachfolger 3oc)ann ßafimirä (f. ©. 8), einen ebenfo ^oc^^erjigen als tapferen SBunbeSgenoffen üerfdmffte. $n bem ©cfjufc* unb Srufcbfinbnife, ba3 am 30. 9ttärz 1683 unter ber Garantie ber ftirdje zwifdjen ©efterreidj unb $o!en zu gemein* famer 2lbwcl)r ber Xürfen gesoffen würbe , fagte ©pbieäfi bem ßaifer ein jpUför)ccr oon Dierjigtaufenb Sttann zu.

2ln bem gleiten Sage, an welchem ßeopolb ben Vertrag mit ©obieäft unterzeichnete, brach baä türftfehe £>eer in ber ©tärfe oon breimalhunberttaufenb SEann unter ber gührung beä ®rofjoezier3 ^ara 2Jcuftaoha> etneS ebenfo talentlofen als ehrgeizigen unb habfüchtigen ©moorföminlingS, ber Oesterreich alä ein ^afcfjalif für fidt) ju erobern gebachte, oon Hbrianooel auf, um fich nach ber ungaäfchen (Frenze in Bewegung zu fejjen. Sßachbem biefelbe über* fdjritten Worben , erliefe Zötöit) , ber in @ffef ju bem türftjehen Speere geftofeen, ein 9#anifeft, in welchem Sitten, bie fich für ihn erflären mürben, ber ©chufc beä ©ultanä unb oolk Sicherheit it)re^ Sebent unb (Sigenthumä ^ugefichert mürbe. ®ara 9Jcuftaoha über* gab ihm einen ^eerfmufen zur Berennung oon ^ßrefjburg, mährenb ein anberer zur Belagerung oon 9taa6 zurücfgelaffen mürbe, unb fefcte bann mit bem #auptc)eere , ba3 noch immer über zweimal* hunberttaufenb ättann zahlte, unter gräuetootten Vermüftungen feinen jjug gegen SBien fort. $)a ber Herzog oon Lothringen gegen eine folche llebermacht fein treffen wagen burfte , z°9 er fi<$ in märfchen auf bie £auptftabt zurücf.

Unbefchreiblich war ba3 (£ntfe|jen unb bie Verwirrung, welche bie Äunbe oon bem £>eranrücfen beä gefürchteten 3etnbeä unter ber Beoölferung oon SBien hcrüorrief. 2(n fechzigtaufenb äWenfdfjen Oer* ließen bie Btabt, atö gasreiche Slüchtlinge unb bie am öftüchen £immet aufftetgenben geuerfäulen unb Nauchmolfen bie Nähe beä Xürfenheereä oerfünbeten. siluch ber ®aifer, ber felbft in biefen fcfjrecfenüollen s2lugenblicfen feine oolle sJtuhe unb ©Ottergebenheit bewahrte, erfannte bie Nothwenbigfeit, bie #auptftabt zu oerlaffen.

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ßaifer Seopolb I

Jochbein er bic 93ertheibtgung berielben bcm tapferen unb friegS* funbigen Grafen (äxnft Milbiger t>on ©tarhemberg übertragen unb bie 93firgerfchaft ju mannhaftem Söiberftanb angefeuert, öer* lieg er am 7. Quli 2Bien, unter ber 3"faöe balbigen ©ntfafceS, unb jog fid) mit bem $ofe nach Sinj jurücf.

3nbeffen bot Starnberg, ber ftch feiner ferneren Aufgabe öollfommen gemachten jeigte, 2fIIcö auf, um bie SöiberftanbSfräfte ber £auptftabt $u erhöhen. Qn fur^er Qdt maren bie jum Xr)cit fcr)r fdmbhaften geftungämerfe auägebeffert unb $n>eifmnbert 8a* nonen auf ben SöäHen aufgepflanzt. 3u* Söerftärfung ber fcfjr fehroachen befafcung hatte ber ^er^og öon Springen öierje^ntau- fenb 9ttann Sinientruppen in bie ©tabt geworfen, mäfjrenb er fid) mit bcm SRefte feineä $ecreS in ber Dichtung auf Wlafyrm jurücf* gebogen, um fict) mit ben fjeranjiefjenben $ilfSöölfern jum ©ntfafce ber .£>auptftabt ju vereinigen.

2lm 13. 3uli erfa)ienen bie erften türfifdjen föeitcrfdjaaren vor ben dauern von 2Sien , unb fdjon am folgenben Sage mar bie ©tabt tioflftänbig ton bem geinbe eingeidjloffen. So meit ba£ Singe reifte, fa)toeifte e3 über einen SSBalb öon gelten man Zählte bereu fünfunb^manjigtaufenb —, bie ftch im $albf reife öon bem Ufer ber Sonau biä lieber $u bemfelben ring$ um bie ©tabt 3ogen. 9tachbem bie Surfen ihre Batterien aufgepflanzt , begann fofort bie ©efa^ießung ber ©tabt, unb £mnberte fernerer Gefchüfce entjanbten ifjr verbcrbcnfprühenbe$ geuer gegen bie dauern ber= fetben. 2lber ber entfcfjloffenc ©tarhemberg manftc nicht: alle 2luf^ forberungen zur llebergabe jurürfmeifenb , öerttjeibigte er, von ben rühmlichften 2(nftrengungen ber Bürger unb ©tubenten unterftüfct, bic feiner Dblmt anvertraute ©tabt mit bem bemunberungätoürbigften £>elbenmutl) gegen alle ©türme ber Sürfen. 28aS bie feinblichen Gejchü&e bei Sage jufammengemorfen, mürbe bei üZacr)t roieber auf* gerietet. 3>a man ben SUtinen ber Xürfen burcr) Gegenminen ju begegnen fuc^te , fam oft förmlichen ©djladjten unter ber (£rbe. Much in aal)(reirf)en 2lu3fällen bemä^rte fich ber unerschütter- lich SobeSmuth ber belagerten, Vichts vermochte ihre WuSbauer ju ermüben; felbft als aufgebrochene $ranfl)eiten noch furchtbarer uuter ihnen aufzuräumeu begannen, als baS feiublicfje geucr, blieb ihr ftanbhafter SWuth fich gleich ; fie waren entjchloffen, auszuharren bis 511m legten Blutstropfen unb, wenn Rettung unmöglich fe*» ftdj unter ben Srümmern ber ©tabt begraben 311 laffen.

^nbeffen mürbe bie Gefahr mit jebem Sage bringenber; benn mährenb bie geftungStucrfc bereite burch baS geuer ber Surfen vielfach befchäbigt morben unb baS Anbringen beS geinbeS immer heftiger uuo brohenber mürbe , gingen in ber ©tabt bie Borräthe an ^ulver unb Lebensmitteln immer mehr jur Steige, unb bic 30h1

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Seopolbd Türfenfriegc.

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bcr Skrtfjeibiger mar faft auf bic £>älfte jufammenge|*chmol$en. 9hir mit 9Jftihe gelang e3 ©tarljemberg am 4. ©eptember , einen öon bem ©ro&öejter felbft geleiteten ©türm jurücfyufchlagen , bei roeldjem bie Xürfen bereite öier SRofjfchweife auf ben dauern auf- gepflanzt, ©djon forberte er bie SBürgerfdjaft auf, fid) jum ©tra* ienfampfe ju ruften, als enblich bie hei&erfehnte ©tunbe ber dltU tung fchlug. 2lm Slbenb beS 11. ©eptember lieg ©tarfjemberg öon bem ©tephanatfmrme au«, alä Seichen ber fjöcfrften ftoth, föafeten* fd>märme abbrennen, unb alsbalb öerfünbigten bie gleiten geuer^ Setchen, bon ber #öf)e be* Barenberges auffteigenb, bafj ba* (£ntfafc heer nahe fei.

(Srft im 21uguft war e3 bem $önig bon <ßo!en möglich gefoefen, mit einem #eere bon fünfunbjmanjigtaufeub ättann öon ftrafau jur Bereinigung mit bem #er$og öon ßothringen aufzubrechen. 9laty bem biefelbe ftattgefunben , toaren auch bie ßurfürften öon ©achfen unb ©aiern.unb ber <$raf öon SBalbecf, ber bie öon bem fd&mä» bifdjen unb fränfifd&en Greife aufgebraßten Xruppen befehligte, ju bem öereinten öfterreißifß^olnifßen #eere geftofjen, meines baburd) eine ©tärfe öon öierunba^tjigtaufenb SDtonn erreicht Ijatte; ber Bormarfch beSfelben mar jebod) burdj mannigfache ©ßmierigfeiten gehemmt morben.

Obgleich ba« türfifche #eer trofc aller mährenb ber ©elage= rung erlittenen SBerlufte bem c^riftlic^en noch immer um minbeftenS baä Stoppelte überlegen mar , befchloffen bie güffrer be3 lederen, o^ne ^erjug jum Angriff gegen baSfelbe öorjugeljen, für melden bem ftönig öon $oIen ber Oberbefehl überlaffen mürbe.

$er Xag ber blutigen (Sntfdjeibung, ber 12. ©eptember 1683, mar ein ©onntag. ©obalb bie erften ©onnenftrahlen am öftlichen Gimmel aufftiegen, la$ ber ^oc^betagte r im £Rufe ber £eiligfeit ftehenbe ®apu$iner Sftarco b'Slöiano, ben $apft ^nnocenj XI. eigene ju bem £>eere entfanbt fmtte, um burdj feine begeiftembe ©erebt* famfeit ben SJcuth ber chriftlichen ©treiter anzufeuern, auf ber £>öl)e beä jmifchen bem Barenberge unb bem rechten $)onauufer gelegenen SeopoIbäbergeS bie heilige äfteffe, unb ber Bönig öon ißolen biente ihm als SWiniftrant. hierauf reichte er bem Könige unb ben an- bern fatf)oltfct)cn Führern ba3 2lbenbmahl unb ertheilte ber 21rmee ben ©egen, bem er bie SBerheijjung beifügte, baß ber ©ieg ihr ge- hören roerbe, menn fie ihr Vertrauen auf ©ort fefce. ©obieäfi lieg ieinen ©ohn , ben Sßrinjen %atob , nieberfnieen unb ertheilte ihm im $lngefichte be$ $eere3 ben SRitterfchlag , zum Slnbenfen an ben größten Xag, ben er je erleben fönne. ©eine $olen erinnerte er baran, baf e$ fidj in ber beöorftehenben ©flacht nicht allein um bie Befreiung SBienä, fonbem zugleich um bie @rha^unÖ ^rc^ eigenen SBaterlanbefc unb bie Rettung ber ganzen (£hnftenf)eit hanble.

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Äaifer Seopolb I.

9lad)bem ba$ £>eer unter flingenbem Spiel öon ber £üf)e be* Barenberges in bie (Sbene geftiegen, orbnete Sobieäfi bie Xruppen jum Angriff, morauf fünf $anonenfd)üffe ba* 3eidjen jur Sdjladjt gaben, $ie $olen auf bem regten, bie Baiferlidjen auf bem linfen Aiüael unb bie 9ietd)3truppen im Zentrum f rücfte bad djriftlidjc jpeer gegen bie türfifajen ßinten öor. 2)ie Äaiferlidjen famen bei Dhifeborf unb £eiligenftabt juerft in* ÖJefea)t unb blieben nacö einem furzen , aber fjei&en Kampfe fiegreid). Größere Sd)roierig= feiten fanben bie <ßo!en, bie ben geinb bei flfceuftift unb Xornbadj angriffen , roo ber ©rogüejir felbft mit ben 3anitfd)aren ftanb. $on feiner ftampfbegier ju meit f ortgeriffen , fafj fidj Sobie*fi plöfclidj ödu einem Xürfenfdjmarm umringt, unb fein Seben fdjmebte in ber fjödjften ©efafjr; aber bie SReiterei, bie ber Jperjog üon iJotfyringen jur Unterftüfcung beä regten SlügelS abgefanbt, rettete ben fcfjmerbebrofjten Bönig. 33alb mufete aud? ber ©ro§öe$ir bem ftürmifdjen Anbringen Sobieäfi'S meinen , unb $u gleicher Qtit brang baä Zentrum ficgreict) oor. Um fedjs Uljr SlbenbS mar ber Sieg ber djriftlidjen Staffen cntfdueben: bie bis ju il)ren 3elten jurüdgcbrängten Xürfen manbten ftd>, ßager unb SBorrätlje im Stiche taffeub, jur gluckt, bie ununterbrochen bis Ütaab fortgefefct mürbe. Unerme&lid) mar bie öeute an ®efd)ü$en, 3elten, SSagen, Shrieg3= üorrätfjen, Boftbarfeiten unb baarem ÖJelbe , bie ben Siegern in bem oerlaffenen türfi)a?en Sager in bie $änbe fielen. 25a* öon ©olb unb Silber ftrofcenbe gelt beä ©ro&öeaier* mürbe allein ju öiermallmnberttaufeub Xfmlern angefangen unb bie ganje Seute auf $efm äMionen gefaxt. Sie mürbe auf ber Stelle unter bie Sieger oertt)eilt. Xer Sintbert beä Bönig* üon $olen belief fi<6 allein auf Dier 9)Mionen ©ulben.

§lm folgenben läge gelten bie Sieger unter bem ©eläutc aller ©foden unb bem frofylodenben Sauden ocr freubctrunfenen löeoölferung iljren (SHn$ug in bie gerettete Jpauptftabt. Tay $olf erfdjöpfte fidj in ben rüfjrenbften Bunbgebungen ber 3)anfbarfeit, bie ganj befonber* bem Bönig öon $olen galten. 2ltte* umbrängte benfelben, um üjm bie jpänbe, bie 5üße unb ben Kautel \n füffen, unb feine* £obe* fonnte fein Gmbe gefunben merben. Ter Ded)ant ber Steplmn*ttrd)e mahlte jum Xejrte feiner Siegeäprebigt bie SSorte: „(§* mar ein 2ftann öon ©ort gefanbt, ber fuejj ^o^nne*." $cr fromme Bönig felbft aber fdjrieb an feine» ©ema^lin : „©ott fei für immer gejegnet, ber un* ben Sieg gegeben. Me Xruppen Ijaben eifrig i^re $flid)t getrau; aber &Ue fa)reiben ©Ott unb mir ben Sieg $u. (5* ift roatjrlmfrig eine gro§e öJnabe ®otte3; @^rc unb 9lu^m Q^m jefct unb in atte ©migfeit!"

5lm 14. September fe^rte ^aifer Seopolb nac^ SBien jurücf, oon mo er fic^ am 5Raa)mittagef öon bem frurfürften oon ©aieru

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SeopolbS Xürfenfriege.

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unb einem ja^rei^en ©efolge begleitet, in ba* fiager bei (Sber*= borf $u einer perfönlidjen 3ufammenfunft mit bem fönig Don tyo-- len begab. Xie gegenfeitige SBegrüfeung mar eine äufeerft freunb= liehe, ©obieafi richtete an ben ® aifer eine furje Slnrebe in lateu itifcher ©pradje, toorauf Seopolb if)m in ber gleiten ©pradje in gemähten SBorten feinen $anf für bie geleiftete £üfe au*brü(fte. hierauf befahl ©obieSfi feinem ©ofme, öom *ßferbe ju ftcigen unb bem faifer bie $>anb $u füffen. Xafe Seopolb bie« gefdjehen lieg, ofme an ben £mt ju greifen nnb bem ^rinjen etwa* Serbinblidje* 5U fagen, üerbroß ben fönig. (£r empfahl fia) mit ber Söemerfung, bafe , fall* ©eine faiferlidje TOajeftät bie Xruppen 511 belügen nmnfche, er feinen ©eneralen Befehl geben toerbe, fie ihm $u aeigen. Sftadjbem ber fönig in fein ßager jurürfgefehrt , burdjritt ßeopolb in Begleitung be* fronfelbherrn Sablotoäfi bie 9leit)en ber polnifdjen Xruppen. S^ei Sage fpäter fdjicfte ßeopolb bem ^rinjen $atob einen foftbaren Xegen mit einem ©djreiben, in meinem er feinen £>anf für feine unb feine« Bater* X^eitna^me an ben SBaffcn* traten be* 12. ©eptember auäfprad).

2ttan t>at ben 0 aifer beä Unbanf* gegen ben ^olenfönig be= fdjulbigt, roeil er beffen ©ofm nict)t mit größerer ©öflidjfeit be^an= belt fyabt ; fein Benehmen bei biefer Gelegenheit rührte jebodj einjig unb allein oon feinem allju ängftlichen Beftreben her, ber ifjm oon Gbott anvertrauten faiferüdjen Söürbe niemals ba* ©eringfte $u oer- geben: öon Unbanf fonnte babei fieser in feiner SBeife bie SRebe fem. 2luch bemerft SKenjel mit SRedjt: „£)afe ©obieSfi baoon ritt unb , anftatt felbft bem f aifer bie Xruppen ju geigen , bie* ®e= fd)äft bem (SJroßfronfelbherm überliefe , fear ein ärgerer SÖerftofe gegen bie $öflid)feit , al* bafe ber f aifer üor bem ^ßrinjen %atob unb üor ben polnijdjen Grofeen ben £>ut nidjt abnahm, toa* er aua} üor ben $ urfürften nidjt tf)at."

Unterbeffen r)otte f ara äJhiftapha feine jerfprengten Xruppen ^mifa^en $refeburg unb Gran nrieber gefammelt. Um fie unfdjäb- Ud) ju machen, brauen ber ^erjog üon Lothringen unb ©obieSfi am 18. ©eptember borten auf. SJttt fed)*taufenb polnifdjcn Ülei= tern bem Speere üoran ^iehenb, liefe fid) ber aH$ufühne ©obie*ft in einen Hinterhalt lotfen, in meinem über jtoeitaufenb feiner f rieger bem Angriff be* breifadj überlegenen geinbe* erlagen unb ber fönig felbft in ber änfeerften ©efafjr fd)tr>ebte , bi* e* feiner Be^ gleitung gelang, ir)n au* ben bieten jetnbe^höufen hc^u*juhauen. ®rei Sage fpäter, am 10. Dftober, erfochten bie beiben cfiriftliajen Heerführer bei Marfan tt über ben ©rofeoejier einen glän^enben ©ieg , in Öolge beffen fia) ba* tütc^tige ©ran ergeben mufete , ba* hunbertunbfünfjig Qahre lang mit nur fur$er Unterbrea)ung im ©efi^e ber Xürfen gemefen. 5)er gefa^lagene ©rofeoejier 50g fidj

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20 ffatfer Utopoib I.

mit feinem Speere naa) Söelgtab aurücf, um bort bie SBinter quartiere ju u Climen.

$er über bie jroeimalige SRteberlage feiner Xruppen unb ben Berluft öon ©ran aufä £ödjfte erbitterte Sultan Hftofyammeb fanbte bem Qanitfd^arenaga ben Befehl, ifjm ben Hopf be3 ©roßöejierä 311 überfenben, roorauf berfelbe fidj fofort naa) Beigrab begab unb am 25. $e$ember 1683 bie Einrichtung ®ara attufta^a'S öoH= jie^en lieg.

9lad) ber ßHnnafjme öon ©ran war ber ®önig öon Sßolen in fein 9teidj jurücfgefeljrt , nmfjrenb ber £erjog öon Sot^ringcn jur gortfefcung be& Kriege* in Ungarn jurücfblieb. Qm folgenben Sa^re fdjritt berfelbe , nacfjbem er in jtüei treffen ftegreia) ge- blieben, ju ber Belagerung öon Ofen; bod) mußte er biefelbe nad) breimonatlicf)en üergeblidjen STnftrengungen mit großem Berlufte lieber aufgeben (1. $oö. 1684). dagegen erfocht er am 16. Muguft 1685 bei ©ran einen glän$enben Steg unb erftürmte brei Sage fpäter bie geftung <Reut)äufel.

gm folgenben 3a^re fonnte ber ®rieg gegen bie Xürfen mit noef) größerem SKaajbrucf fortgebt roerben, ba ber ßaifer außer ben Benetianern, bie fid> iljm fdjon im Qaljre 1684 angefdjloffeu, in ber ©roßfürftin Sopljia öon föußtanb, bie für tf)ren Stiefbruber <ßeter bie Regierung führte, unb bem fturfürften griebrid) 2Bill)elm öon Branbcnburg nodj jmei anbere Bunbeägenoffen gefunben unb überbiea bebeutenbe Unterftüfcungen au3 bem föeidje erhalten fjarte. 2lm 18. 3uni eröffnete ber $erjog öon Kötteringen jum anberen 3Me bie Belagerung öon D f e n , unb nadj jefjnroödjentlidjer fyel- beumütf)iger Berti) eibigung erlag bie geftung, bie feit fjunbertfünf* unbüier$ig Sauren bie $errfdjaft beä £>albmonbe3 über jroei $rit* tfjeile oon Ungarn gefiebert ^atte , ber in einer langen Steide blu* tiger kämpfe beroiefenen tobeämutfjigen Xapferfeit ber $aiferlidjen. 2lm 2. September 1686 erftürmten btefelben bie Söätle faft unter ben Slugen eines rürfifcr)en (SntfafcljeereS öon ad)t$igtaufenb 3ttann.

3>ie (£innal)me oon Dfen, auf meiere nod) in bem gleiten «ga^re bie Eroberung öon Sifloä, günffirdjen unb Sjegebin folgte, fjatte baä Selbftgefüf)l ber djriftlidjen «Streiter mächtig gehoben, unb if)rem gefteigerten $ampfe3eifer entfpradjen bie (Erfolge beä gelbsugS üom ^afjre 1687. 2lm 12. Sluguft erfocht ber £erjog öon ßotfjringen an bem Berge jparfant), in berfelben (Sbene öon 2Ko^acj, auf melier einft ®önig ßubnrig II. öon Ungarn nadj fdjrecfenöoller 9fieberlage ben Xob gefunben, einen glorreichen Sieg, ber bie Eroberung Slaöonienä unb bamit bie Befreiung be£ ganzen auf bem regten Xonauufer liegenben Xfjeileä öon Ungarn jur golge fjatte.

£iefe glänjenben Erfolge ber faifertidjen SBaffen ooüenbeten

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Seopolbä Jürfenfrtege.

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bie Untermerfung Ungarns, ©djon im Qahre 1684 hatte Seopolb, trofc aller burd) $öfölö erlittenen Säufchungen fetner milben unb ttachftchtigen ^ßolittf getreu bletbenb , eine allgemeine Slmneftie für bie ungarifchen Gebellen erlaffen, unb in Sfolge beffen roaren, unge* achtet ber brohenben Slbmalmungen Xöföty'S , zahlreiche Slbeligc, (£omitate unb ©tabte unter ben ©ehorfam beS ÄaiferS jurücfge^ fe^rt. Seiber gab ju Anfang beS 3af)reä 1687 ein SBeridjt beS Söcfc^ld^aberö ber faiferlichen Xruppen in Dberungarn, beS ©rafen <£araffa, nach meinem eine neue SBerfdjroörung jur ©rmorbung beS $aifer£ unb einer allgemeinen Sßerroüftung ber Räuber ber öftere reichtfehen Sflonardn'e eutbeeft morben fein foHte, bem faiferlichen £ofe Skranlaffung ju einem bebauerlichen HKi&griff. (Earaffa tüurbe $ur Slbmefn* ber brohenben ©efaljr mit faft biftatorifct)cr QJe* tualt befleibet unb baburch in ben ©tanb gefegt, burch ein in fei= nem Hauptquartiere $u (SperieS niebergefefcteä Ölutgeria^t gegen Me, meiere §oc§öerrätfyerifd)er Slbfichten öerbächtig erfchienen, eine grauenvolle Verfolgung ausüben ju laffen. $ie bringenben $or* fteüungen mehrerer treu gebliebenen ungarifchen Magnaten, bie fidj persönlich nach SBien begeben Ratten , um für i^r ßanb gürbitte einzulegen, belogen ben ®aifer, bie fofortige Sluflöfung bc3 *8lut= gericf)t$ ju ©perieS §tt berfügen unb Saraffa öon feinem Soften ju entfernen. 2)ie klagen über ba8 ©efchehene öerftummten unter bem (iinbrurf ber großen $rieg3ercignifje , burdj toelche bie $crr* fdmft ber Xürfen in Ungarn gebrochen morben, unb auf bem öon £eopolb nach <ßrcßburg berufenen Reichstag erfannten bie unga= rifchen ©rofjcn am 31. Dftober 1687, ber gorberung beS taiferS entfprechenb , unter SBerjichtleiftung auf baS bis ba^in öon ihnen geübte Siecht ber $önig§mahl, bie ©rblichfett ber ungarifchen (trotte in bem fjabäburgifdjen $aufe an , worauf am 9. ^ejember ber neunjährige ^r^erjog 3ofeph, £eopolb3 ältefter Solm, 511m ®önig öon Ungarn gefrönt mürbe. (Sine neue 2lmneftie, öon meldjer nur Söfölö auSgejchloffen blieb, befiegelte bie SBieberöerföhnung jmifchen bem ftaifer unb ber ungarifchen Nation.

sJcacfj ber Sheberlage bei bem 53erge &arfanü lmtte baS tür- fifdje £>eer ben ®ro§öe$ier, bem eS bie ©chulb berfelben beimaß, öerjagt unb mar bann gegen ®onftantinopel aufgebrochen, mo eS ben Sultan Sftofjammeb öom Ztyxont geftoßen unb beffen ©ruber als ©0 In man III. auf benfelben erhoben hotte. $>ie Entfernung ber oSmanifchen ©paaren öon bem ©oben Ungarns benufcenb, brangen bie güfjrer beS faiferlichen £eere3 nach Siebenbürgen öor, befehlen ®laufenburg , ^ermannftabt unb anbere ^auptorte beS 1'anbeS unb jmangett bie ©iebenbürger , bem ftaifer ßeopolb ben ^reueib als ^önig öon Ungarn ju leiften unb beffen 9tedt)t jur Söeftätigung ihrer gürften anjuerfennen. $\i ber gleichen 3^it er-

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22 flaifer ßeopolb I.

öffnete ber ©raf (Earaffa bura) bie Eroberung oon ©tuhltüet&en* bürg unb bie SBefefcung Don ^etertnarbein ben öfterreidjifchen Srup* pen ben 2Seg nach bem wichtigen, bie ^eerftra&e nach ®onftanti= nopet beherrfchenben unb fperrenben SB e (grab. Km 11. Sluguft 1688 würbe bie Üöerennung biefer ©tabt burd) ben #urfürften Sflarjmüian Immanuel oon SBaiern begonnen, unb am 6. ©epteim ber erlag biefelbe nadj einem mörbertfehen Äampfe , in »eifern mehrere ber fjeröorragenbften faiferlichen gelbljerren im £>anbge- menge ben ^elbentob ftarben unb ber Oberbefehlshaber felbft Oer- munbet würbe, einem allgemeinen ©türme beS cfjriftlichen £>eereS.

bie Eroberung oon SBelgrab reifte fich, als lefcte 9GÖaffen= tljat beS gelbjugS oon 1688, bie ©innahme beS tafteKä oon 9ft u n f a c j , baS brei 3aljre lang oon % öfölo'S ©emaf)Iin Helene, ber Tochter beS im Qa^re 1671 als #ochöerräther enthaupteten ©rafen $eter 3rinQ, auf #elbeumüthigfte oertfjeibigt morben. Helene Söfölty würbe nach Söien gebracht unb bort bis jum grie= benSfchluffe im 3ahre 1699 als (befangene jurücfbehalten.

©o mar am ©chluffe beS 3ahreS 1688 ganj Ungarn bis an feine alten ©renken üon ben #eerfchaaren beS ©ultanS unb feines SBerbünbeten Xöf öln gef äubert , unb ©ofymann III. , ber bie Jpoff- nuug auf bie Söieberherfteflung feiner Jperrfdjaft über bie Oer- lorenen ungarifchen Sßromnjen aufgab, jeigte fich geneigt, auf ber ©runblage beS augenblicflichen iöefifcftanbeS mit bem 0 aifer grie= ben ju fernliegen ; ba jeboch bie oerbünbeten ÜRächte Defterreid), $olen, fflu&Ianb unb SBenebig bie günftige SSenbung, bie ber $rieg für fie genommen, ju Erwerbungen auf türfifdjem (Miete auS- nufcen §it fönnen glaubten, jerfchlugen fidj bie angeknüpften Unter- hanbtungen.

3m 3ahre 1689 überfchritt ein faiferlicheS Jpeer unter bem Stfarfgrafen ßubmig oon ©aben bie türfifche ©renje unb erfocht am 30. Sluguft bei 53 a t u b f ch i n a über bie Surfen unter föebfcheb. <ßafcha einen erften ©ieg, an melden fich am 24. September ein jtoetter bei 9Hffa reihte, ber neben bem gaü biefer wichtigen geftung auch *>cn öon Söibbin jur golge hatte.

3nbeffen hob fict) im nöchften 3ahre baS $riegSglücf ber Xürfen wieber unter ihrem neuen (Sko&Oejier SR u ft a p h a & ö p r i l i, einem ebenfo einfichtSüollen als thatfräftigen gekernt. Sticht nur Sfiffa mürbe jurueferobert , fonbent auch Beigrab , nach *aum cr; öffneter Belagerung ber ©tabt , in golge beS (SinfchlagenS einer feinblichen Bombe in baS ^ßuloermagajin, am 9. Dftober 1690 oon ben ftürmenben Surfen genommen. 2)ftt Ausnahme oon jcchS- hunbert föriegSleuten , benen eS gelang, fich auf einige Xonaufdnffe ju retten, mürbe bie ganje, jehntaufenb 9J?ann ftarfe faiferliche Be^ fatjmtg ntcbergemejjelt.

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öcopolbä Xürfcnfriege.

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,8u ber gleiten 3eit &™ns Xöföfy, ben ber ©ultan $um SKatf)- folget beS in$nrifdjen üerftorbenen fiebenbürgifdjen Surften SRidjael 2Cpafl ernannt fjatte, toäfjrenb ber Äoifer bem unmünbigen ©ol)ne beS Sedieren bie 9tad)foIge ^ugefogt, in Siebenbürgen ein unb blieb gegen bie ftaif erlitten fiegreia). @rft im 3*f>rc 1691 trat mit bem gtängenben ©tege, ben Subtoig oon Söaben am 19. Sluguft bei ©alantemen mit einem £>eere oon oierjigtaufenb üKann über baS etnfmnberttaufenb äJtonn ftarfe £eer SKupap^a ^öorili'S baüontrug, für bie #aiferlidjen toieber eine SBenbung jum ©effern ein. S)er empftnblid)fte Serluft, ben bie dürfen in biefec blutigen 2c§Iad)t erlitten, mar ber iljreS tapferen ^rog&e^ier^, ber mit fed)S* unbjtoanjigtaufenb Domänen im Kampfe ben Xob gefunben. ßroei Monate fpäter tourbe audj Xöföln burdj ben fiegreidjen 9Jfarfgrafen oon ©aben toieber aus Siebenbürgen oertrieben.

©ei ber ganjlic^en (£rfd£>ööfung ber Xürfen fdjien eS nur noef) eines furjen Kampfes ju bebürfen, um ben ©ultan ju einem ben SBünfdfjen ber berbünbeten Stfädjte entforedjenben grieben $u jrotngen; aber ein neu entbrannter Srteg mit granfreid) nötigte ben $aifer, feine £>auptfraft am Styeine ju öertoenben, unb ba überbieg ber 9tatf)folger beS nadj bem toeftlidjen #riegSfdmup(afc abberufenen SWarfgrafen oon ©aben, ber Äurfürft griebridj Sluguft oon ©adjfen, 3ofjann ®eorg'S III. jtoeiter ©oljn, trofc grofeer per* jönlic^er Xapferfeit, toegen SRangelS an gelbfjerrentatent unb Kriegs* erfaljrung feinem Soften in feiner SBeife getoadtfen toar, fanben bie Xürfen Seit, neue ©treitfräfte ju fammeln, unb fo oerfloffen bie fünf fotgenben ÄriegSjaf)« ofjne irgenb welken nennenswerten Erfolg für bie faiferütfjen Staffen. StnberS tourbe eS, als im Safjre 1697 mit bem aum (Seneralfelbjeugmeifter unb DberbefeftfS* fjaber in Ungarn ernannten ^rinjen Ghigen oon ©aüooen ein sJ^ann an ber ©pi&e beS faiferlia)en Speeres trat, ber allein befähigt mar, ben langen unb blutigen ftampf ju einem efjrenooßen Slbfdjlufj ju 6ringen.

$rin$ (Sugen oon ©aoooen, geboren ju *ßaris am 18. Cftober 1663, toar ber jüngfte ©of)n beS <ßrinjen (£ugen s3Jiori| oon ©aoot)en*(£arignan, (trafen oon ©oiffonS, unb ber Olömoia 9ttancini, einer 9ttd)te beS ÄarbinalS SUtejarin. s2llS ben jüngften oon fünf ©rübern fjatten ifjn feine (Sltern junt geiftlidjen ©tanbe beftimmt, unb fd)on in feinem jefjnten %af)Tt toaren if)tn mit bem Xitel 2lbb^ be ©aboie brei Abteien oerliefyen toorben; er jeigte jebodj fa)on als Änabe eine untoiberftefjlidje Neigung für ben Stiegerftanb. $ie ättatfjematif mar fein ßieblingSftubium , baS Seben SlleranberS beS ©rofjen feine SieblingSleftüre unb ein |>elb ju toerben nrie biefer fein ^öa^fter SBunfa^. £a feine SKutter ftaj naa) bem Xobe feines ©aterS mit feiner Steigung auSgefö^nt, be^

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24

Äaifer Seopolb L

toarb er fich toieberholt um eine paffenbe Slnftellung in ber Slrmee. Mein ber ®önig, ber if)n toegen feiner Keinen, fchmächlichen ®eftalt für ben 9ttiütärftanb nicht geeignet hielt unb Um f^er^nittfe nur le petit abbö nannte, wottte nichts baoon työxtn unb toieä julefct fein Slnfuchen mit fo oerlefcenber ©chonungälofigfeit jurücf, baß ber GJrofl, ben ber ^rinj fdjon lange toegen mehrfacher feiner gamilie zugefügter ^ränfungen gegen ben Äönig im #er$en trug, ju ooller $luth emporloberte. Er befdjtoß, 3ranfreich für immer ju Oer* laffen unb in einem anberen Sanbe &rieg$bienfte $u nehmen. 3u biefem ©übe begab er "fta? im Qaljre 1683 nach SBien, um bem $aifer, ber eben jum Kampfe gegen bie Xürfen rüftete, feine dienfte anzubieten, ©ein ganzes Auftreten, befonberä fein mürbeooHer, mit ber anfpruchlofeften Befcheibenheit gepaarter ©ruft, ertoeefte ilmt gleich oon Anfang an Seopolb'3 Zuneigung; er gemährte ihm bereirnriüig bie erbetene Aufnahme in ba3 faiferliche £>eer unb mied tf)n bem ©tobe be$ Sftarfgrafen ßubroig oon Baben $u, beffen SJJutter eine ©djroefter oon Eugen'S Bater mar.

©d)on bei ber Belagerung öon SBien tfjat fich Eugen burd) große perfönliche Xapferfeit fo rühmlich ^eroor, baß ber $aifer ihm $ur Belohnung ein $ragonerregiment oerlieh, ba§ ben Flamen be$ gelben bis auf bie ©egenmart fortgeführt ^at. $n ber ©pijje biefeS ^Regiments fömpfte er mit in ber ©djlad)t bei s#arfant) unb Zeichnete ftch babei in fo ^eroorragenber SBeife aus, baß ber 9ttarf= graf oon Baben Um bei feiner 9iücffet)r nach SBien bem $aifer mit ben propfjetifdjen Söorten üorführte: „tiefer junge ©aüonarbe mirb mit ber Seit äße diejenigen erreichen, welche bie 2Belt jeftt alä große gclbljerren betrautet."

Eugen rechtfertigte biefen SluSfprucf) im ganzen Verlaufe beä XürfenfriegeS, in meinem er biä nach ber Erftürmung oon Beigrab an allen bebeutenben Belagerungen unb ©djladjten Stnthcil nahm, in ber glänjenbften Söeife unb ftieg raftf) oon einer militärifchen SRangftufe $ur anberen empor. Slud) am SRfjein unb Statten erroarb er fid^ in bem Kriege ßeopotb'ä gegen ßubmig XIV. oon 1689— 1697 nicht aüein burd) £elbcnmuth, X^atfraft unb Eutfchloffenheit, fon= bem auc^ bura? bie unbegrenzte Eingebung an bie ©aa$e feineä faiferlichen $errn unb greunbeä bie größten Berbienftc. ©eine eigentliche föuhmeSlaufbahn begann inbeffen erft mit ber Uebernahme be3 felbftftänbigen $ommanbo$ in Ungarn, baä ihm ber $aifer haupt= fächlich auf bie bringenbe Empfehlung beS SHarfgrafen oon Baben übertragen hotte. Sticht mehr eingeengt burch bie hemmenben Ber* hältniffe einer untergeorbneten ©tellung, bemährte fich öon ba an fein ungemöhnlicheä militärifcheS ©enie in einer ununterbrochenen sJteihc ber glänjcnbften ©iege.

Stach feiner Ernennung jutn Oberbefehlshaber in Ungarn

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ßcopoibö Xürfenfricge.

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richtete (Sugen feine ©orge oor Ottern auf bie §ebung ber 9 ampf= tüchtigfeit beä £eere3 burch eine beffere Verpflegung unb bie $er* ftellung ber üielfach gelocferten $i$ctylin. Wadjbem er hierfür bie trefflichften SInorbnungen getroffen, brach er am 25. Quli 1697 öon (Sffef, too fief) bie faiferliä)en Ifciegäbölfer in ber ©tärfe öon fünf* unbmerjigtaufenb 9ftann gefammelt, jum ©chufce üon ^eterroarbein auf, gegen meines bie Xürfen im Slnjuge roaren, unb nahm bort eine fo günfrige ©tellung, ba§ ihn ber perfönlia) bei feinem Speere anroefenbe Sultan SDcuftapha II., ©olümaua III. ^weiter Nachfolger, nicht anjugreifen wagte, fonbern feinen Vormarfd) ber ^tjeig entlang fortfefcte.

3)a bem Sßrin$en burch einen Ueberläufer öerrat^en roorben, bafe ber <Sultan einen Angriff auf baS nur fajmad) befefcte ©jege^ bin beabfichtige, mo bie Vorräte unb bie Munition ber ®aiferliä)en aufberoahrt mürben, brach er fogleich mit bem ganzen $>eere $ur Verfolgung be$ geinbeä auf, um beffen Vorhaben 511 öcreiteln. s2luf bem SSege erfuhr er, bafc ber ©ultan ba$ Unternehmen auf ©jegebin aufgegeben unb bie §lbfid)t fyabt, juerft gegen ©ieben* bürgen oorjugeljen, &u meldjem @nbe er bei 3 c n t a eine Vrücfe über bie X^eig ^abe fd}lagen laffen. Ungefäumt eilte ber $rinj ib,m bort ^in naef) unb erreichte 3^nta am 11. ©eptember um jmei Uhr Nachmittags.

Unöerjüglich [teilte GSugen im ^Ingefidjte be$ geinbeS, ber jum größten %$i\it nod), burd) ftarfe Verfchanäungen gebeeft, mit bem gefammten ©efcfntfc auf bem rechten Ufer ber Xr)eig ftanb, roährenb ber ©ultan felbft mit einem Xfyeile feiner Reiterei ben Uebergang über biefelbe bemerfftelligt hatte, fein £eer in ©chladjtorbnung auf unb fdjritt fa^on nach 5&)ei ©tunben jum Singriff, für melden er trofc ber $ür$e ber Seit, einen fo meifterfmften $lan entworfen, ba&, naa) ber fchroülftigcn s2luäbrucf£meife, eines Slugenjeugeu unb 2Jfttfämpfer3, „ber ®lücf3gütttn fein ©pielraum mehr blieb, ben 2luä; gang be3 Xageä ju be£ ^rinjen Nachteil $u entfeheiben." $>en Knien glügel führte ©uibo Don ©tarhemberg, ein Vetter be3 ruhmgefrbn- ten Vertheibigerä Don 28ien, ben regten ber bemährte gelb^cug= meifter ©iegbert $>eifter unb ba3 Zentrum ber s^rinj öon (£onu merco, GSugenS greunb unb SBaffcnbruber. CSugen felbft hatte gleichfalls im Zentrum ©tellung genommen, fief) aber babei oorbe- halten, überall hinzueilen, mo bie (Gefahr feine ©egenmatt erheifche. SBährenb ein Xtyxl beS <35efc^u^e« gegen bie UebergangSbrücfc ge= richtet mürbe unb ber linfe glüget bis an bie £heijj oorrüefte, um üon ben langgeftreeften ©anbbänfen aus bie feinblichen ©chanjen ju umgehen, ftürmte baS Zentrum mit bem rechten glügel in ber gronte mit fürchterlichem Ungeftüm gegen baS türfifche itoger an. Obgleich öon jmei ©eiten angegriffen, leifteten bie Xürfen mehrere

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$aij"er ßeopolb I.

Stunben lang öcrjroeifelten SBiberftanb, bis eS enblich bcm (Sem trum unb bcm rechten glügel gelang, bie feinbtichen ©d^anjen §u crftürmen. 3n biefem entfcheibenben Slugenblicfe ftelltc fich Otogen felbft an btc @pifce beS Regiments ©törum unb führte baffelbe mit fühner XobeSüerachtung mitten in bic bichteften SReihen ber geinbe. 3n einem grä&lichen ©emefcel würben bie 3anitfdjaren, bie, 9Jcann gegen 9Kann fämpfeub, ihren helbenmüthigen Söiberftanb nicht auf- geben mollten, gegen bie Ufer ber Xfjeifj gebrängt. 35a eS injnrifchen auch Starfyemberg gelungen mar, fleh einen 2Beg in baS Qnnere beS f einbüßen ßagerS ju bahnen unb bic Zhei&brücfe ju bejefcen, blieb ihnen fein anberer 2luSroeg übrig, als ihre Rettung in ben SSogen beS ©tromeS gu fuchen; bod) nur SBenigen gelang cd, baS jenjeitige Ufer ju erreichen : über jefmtaufenb f anben in ben glutfjen if)r ©rab.

@rft bie einbrechenbe $)unfelheit machte bem furchtbaren Kampfe ein (Snbe. günfunbaroanjigtaufenb Xürfen, unter ihnen ber ®rofi= oejier mit öier anbern Skleren, breije^n ^ßafchaS unb breiunbfünfjig s2lgaS unb 23eus, tagen tobt auf bem Sdjladjtfelbe ; Diele ber teren maren oon ben erbitterten Qanitjcharen felbft im ^ampfge^ nutzte erfragen morben. SJcuftapha II., ber üom jenfeitigen Ufer aus ber 9cieberlage feines Speeres Doli ©chmerj unb gngrimm $u= geflaut, entfloh im $unfel ber 9cacf)t nach XemeSöar, öon roo er alSbalb, nur öon menigen 9tcitcrge)a)roabern gefolgt, nach iöelgrab lueitereilte.

2lm fotgenben SJcorgen bem trierjehnten Jahrestage ber *Be; freiung SöienS rücften bie Äaiferlichen in baS ocrlaffcne türftfehe Lager ein, in melchem ihnen eine unerme&liche s-8cutc fiebenunb^ achtzig Kanonen, adjttaufenb SBagen mit 9Jcunition, Söaffen unb Lebensmitteln, fedjStaufenb ferner bepaefte $amcele, fiebentauienb ^ferbe, fünfsefjntaufenb Ockfen unb bic ftriegStaffe mit brei Millionen ^iafter in bie £änbe fiel.

2>er glorreiche ©ieg bei £enta, unftreitig eine ber glänjenbften 28affentf)aten beS fiebje^nten QahrhunbertS, oerfa)affte bem gelben- müßigen gührer beS faijerüdjen £eereS bie Öennmberung öon gan$ Europa, roährenb er in ben öfterretdnfdjen ©rblanben alt ber freier öon bcm Qoche ber Söarbarenherrfchaft gepriefen mürbe. 3u ber Zfyat burfte nach furchtbaren ftieberlage ber Xürfen auf bie (Erlangung eines für Cefterreich ehrenöoilen griebenS mit Sicherheit gegählt merben. $er gelb$ug beS fotgenben 3ahreS, für welchen (5ugen fid) bic Eroberung öon SBelgrab unb XemeSöar als Qiti gefteeft, blieb jmar für bie faiferlichen SBaffen ohne bebeutenbe (Srfolge, rocil ber ^rinj toegen gänzlicher ßrfchöpfung ber ©elb= mittel beS ÄaiferS bie genügenben Streitfräftc nicht erlangen fonntc unb überbieS (eine Gruppen an allem 9cothtoenbigen Langel litten ;

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SJeopolbS $ürfenfriege.

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aber baä türfifdje #eer war üoflftänbig entmutigt unb ber (Sultan um fo metyr jum grieben geneigt, alä nid)t nur feine eigenen $>ilf$; quellen üerfiegt waren, fonbem audj ber v#bjcf)lufj beä griebenä üon 9iu3witf, burd) welken ber $rieg gegen granfreidj beenbigt würbe, bem Äaifer freie $anb gegen it)n üerfdjafft ^atte.

9lacf)bem fdjon wä^renb be& Sommers 1698 burd) bie s.8er* mittlung ber beiben Seemäd)te ©nglanb unb £>ollanb grtebenä; unterrjanblungen eingeleitet worben, würbe im SRoüember ju $ar= lowifc «n griebenSfongrefj eröffnet, beffen iBertjanblungen am 26. Januar 1699 jum Äbfölujj famen. Qn bem grieben üon ftarlowifc üerblicb bem #aifer gan$ Ungarn, mit Ausnahme be* BanatS üon Xemeäüar, fowie Siebenbürgen, auf welches ber üon fieopolb I. eingelegte gürft Wic^aeX Slpafi II. gegen ben Xitel eine* 3Reid)3fürften unb bie 8\i\a$t üerfcr)iebener ®üter in Cefterreid) ju ©unften be« ßaiferS Söerjicrjt geleiftet. $8on ben SBunbeägenoffen Cefterreid)$, bie gleidjfaCte $u $arlowifc mit bem Sultan grieDen fdjloffen, erhielt ©enebig, au|er ber Snfel Santa 9JJaura, mit wel= d)er eS ben 93efife ber joniferjen 3nfeln üerüollftänbigte, bie Jpalb= infel Sttorea, wäfjrenb *ßolen, beffen $f)ron feit bem Xobe 3o|aitn Sobie3fi'3 (1696) ber fetjon üorrjer jur fatyolifdjen #ird)e überge* tretene Äurfürft griebridj Sluguft üon Saufen als u g u ft II. inne f)atte, burd) bie warme Unterftüfcung Defterreid)3 baS ttym früher entriffene Sßobolien nebft $aminec jurüefbefam unb föu&lanb im 8e« fifce üon Äfow blieb, ba* ber (£$ar ^eter ber ®roße im Qarjre 1697 erobert tmtte.

$er ®raf Xöfölü, auf beffen üon ben Surfen ber)arrlid) Oer* weigerter Auflieferung ber $aifer nid)t weiter beftanb, begab fict) mit feiner gegen einen gefangenen öfterreict)i]cr)en ÖJeneral au$ge= wedelten ©emaf)lin nadj $leinafien, wo tfjm ber Sultan öJüter ju jeinem Unterhalte angewiefen. (£r ftarb im Qarjre 1704 ju $on* ftantinopel.

So r)atte ber im 3at)re 1683 üon ben Ungläubigen fo freoel^ fjaft begonnene unb üon üubmig XIV. fo eifrig gefd)ürte ftrieg nacr) jea^etjnjäljriger, wedjfelüofler 5)auer in einem üoüftänbigen Sieg ber geregten Sadje feinen 2lbfd)IuB gefunben. $ie £>errjcr)aft €efter= reitf^ über bie wiberfpenfttgen ungarifdjen Magnaten war befeftigt, bie 9ftad)t be$ ©rbfeinbeä ber Sfyriftenfjeit an ber Möttau gebrochen unb baä Uebergewidjt ber Oämanen im Cften ©uropaS für immer oernia)tet.

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taifer Seopolb I.

2>a3 beutfdie Weidj unter Seopolb L

„(£« fönnte a(3 ein 3ng be« befonberen SBerfjängniffe« ber t>eutfdf)en Station bekämet werben, fagt 21. SERenjer r „baß Seopotb, ber nadj ber Anlage feine« Reifte« nnb fetner färnerfälligen Haltung mtt)x 31t einem Xräger ber bamaligen ©dmlgelal)rtf)eit be* rufen mar, fiebenunböicrjig 3a^re ben ®aifertt)ron §u berfelben 3eit einnahm, roo Submig XIV. burd) eine großartige, mit Slnmutf) ge- paarte föniglicf)e Sßerfönlidjfeit bie ©emütfjer ber fr ans opferen 9ca= tton tnnigft mit bem $f)rone berbanb unb bem lefcteren bie @nt- müflung ber nationalen Kultur unb Literatur bergeftalt anzueignen mußte, baß ba« politifdje Uebergcmia^t be« oon einem tfyatfräftigen SBillen geleiteten granfreid) über $eutfd)lanb« 3erfpfttteruug, ©pa* nien« Ermattung unb Gnglanb« inneres ßermürfniß unter ben ©tuart« jugleicf) burd) eine 2lrt geiftiger £>errfd>aft über ba« gebil= bete ©uropa öerftärft mavb."

5lHerbing3 Dürfte es einem Spanne oon burdjgreifenberer ZfyaU fraft unb befeelt oon einem ähnlichen S^rgeij mie Submig XIV. gelungen fein, fid) trofc ber engen ©renjen, meldje ber meftfä'lifdje triebe ber ®aifergemalt gebogen, unb ber neuen ©cfyranfen, meiere bie bem Äaifer aufgejttmngene SBa^lfamtuIation jmifdjen iljm unb bem 9teid)Sförper aufgerichtet, einen größeren (Einfluß auf ben ©ang ber beutfdjen SReidjSangelegenfyciten ju öerfdjaffen; allein mie &co- polbs ganje ©inneSart mein; ju einem paffiöen Verhalten gegenüber ber felbftftänbigen ^ßolitif ber beutfdjen SReidjSftänbe neigte, fo tarnt man es u)m audj gerechter SBeife nidtjt jum Söormurf madjen, menn «r, ganj in ber gleiten SBeife, mie bieS ade großen unb Weinen Potentaten (SuropaS ju jener Seit traten, feine ^auptt^ätigfeit feinem eigenen, in feinem SBeftanbe fo ferner bebro^ten ©taate jumanbte, t»en er in ber $lmt burd) feine unerfd)ütterlicbe ®ebulb unb s2luS* bauer unb burd) bie richtige 28af)l ber leitenben *ßcrfönlid)feiten im Kriegs* unb ©taatSroefen 511 einer 9)cad)t erfyob, burd) meldje baS (SJeroidjt beS unauffjaltfam in jeiner Muflöfintg fortfdjreitenben beut* fetten fRcict)e^ erfefct mürbe.

Sine ber folgenfdjmerften Weiterungen au« ber 9tegierung«jeit £eopolb'S I. mar bie SBerroanblung beS ÜleidjStageS in einen immer; mäfjrenben Kongreß oon Slbgeorbneten ber oerfduebenen ©tänbe. ©dmn ben im Qabre 1663 megen ber Xürfengefafjr nad) ÜtegenS* bürg berufenen ÜfeidjStag t)atte topolb ntd)t in ^erfon eröffnet, fonbern mar auf bemfelben nur oorübergetyenb al« (Saft erjdjienen, unb als na^ feiner Slbretfe bie 9iei$Sftänbe bei ben Verätzungen über bie SBafjlfapitularion fünftiger ßaifer in Swift gerieten, ftanb er oon bem (Srlaß eine« 2tetd)StagSabfd)icbeS ab, fo baß bie ©eüollmäcbtigten ber ©täube ungefu'nbert beiiammen bleiben

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beutfdje SReid) unter fieopolb I.

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fonntcn. föachbem bie3 mehrere 3af)re ^inburc^ gefc^cfjen, genefc migte ßeopolb, bafe jeber SReidjäftanb bic Soften ber 9teichätag$= gejanbtfchaft üon feinen Untertanen ergebe, unb brüefte baburet) ber »eiteren SBerlängerung beS fHeic^dtagc^ baä Siegel ber ÖJefefc möBtgfeit auf. 25er föeichätag würbe auf biefe SSeife ein per* manenter, üerlor jeboa) baburef) ooUftänbig feinen früheren i^arafter. Söaren bis bat)in bie ^Reichstage befonberS auSgefdjric* ben unb in ber föegel üon bem ftaifer felbft in Gegenwart ber meift perfönlich anwefenben $ur* unb 9tetct)§fürften feierlich eröffnet uni> naa) längerer ober ruberer $auer burd) einen 9leich3tag$abfchteb gejd)loffen worben, fo fanb fortan Weber eine Eröffnung noch ein Schluß ber Verarmungen Statt, unb ba ber ®atfer unb bie gürften nicht met)r persönlich auf bem föetdjätage erfdnenen, fafjen fie ein* anber gar nic^t met)r in feierlicher Sßerfammlung oon 5lngefic^t $u Singest.

£a pet) baä Sntereffe ber 9teict)«ftänbe oon 3ar)r ju 3at)r immer met)r ton ben allgemeinen 9teidjäangelegenljeiten abwanbte, um ftet) faffc audfc^lieglic^ auf bie eigenen Territorien $u befchrän* !en, würbe bie Xf)ätigfeit be£ ^Reichstages, beren Jpauptgegenftanb bie ftets oon Beuern auftaucf)enben SReligionSbefcf) werben bitbeten, eine immer unfruchtbarere unb bebeutungSlofere. 3n ocm gleichen ®rabe jeboer), in welchem biefelbe an innerem (Sehalte abnahm, roanbten bie SfteichStagSgefanbten ihre Slufmerffamfeit bem S e r e- m o n i e t unb ben gormalien ju , unb bie Söichtigf eit , welche biefen Sleußertichfeiten beigelegt würbe , fährte ju einer fetjarfeu, bis inö $ieinlichfte fich t>erlierenben Vegrenjung beS Sftangunter* jdjiebs jwifchen ben (urfürfttichen unb ben fürftlicr)en Gefanbten. Sie (Srfteren wollten bor ben fieberen ben SRang förmlicher S8oU idjafter ober ©efanbten erften 9tangeS mit bem (Sr.cetlenjtitel unb allen unter 93otfcf)aftern unabhängiger SJiächte üblichen (5hteube= jeigungen öorauS haben. Sie Oerlangten, bei Gaftmählern auf rottjauSgefchlagenen Stühlen ju fi&en unb oon (Sbelfnaben mit gol* benen Seffern unb Gabeln bebient ju werben, währenb bie fürft= liajen auf grünen Stühlen fifcen, oon ßafaien bebient werben unb nur filoeme Keffer unb (Säbeln erhalten fottten, unb als bie jürftlictjen Gefanbten eS enblicr) bahin gebracht, bafj überall nur grüne Stühle gefefct würben, erjagen ein furfürftlidjer Gefanbter mit einem rothen 2ftantel, ben er fo über ben Stuhl fallen liefe, ba§ berfelbe rott) ausgeschlagen $u fein fchien. 2llS eine anbere $fa$$eichming oerlangten bie furfürftlichen Gefanbten, baß ihre Stuhle auf ben Teppich, oer unter oem Valbachin beS faijerlichcn s{rinjipal^ommiffariud ausgebreitet war, bie Stühle ber fürftltcfjen $e(anbten bagegen auf ben bloßen s43oben beS Limmers gefegt werben foUten. £ie iftangorbnung ber Gefanbten unb ihrer Gemahlinnen

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tfatfer Seopolb I.

bei ©aftmäfjlern unb anbcrn geierüchfeiten mar auf ba$ ©enauefte feftgefefct, unb bie ©erlefcung bcr hierüber getroffenen ©eftimmungen gab nicht feiten ©eranlaffung ju weitläufigen biplomatifchen ©e= fdjmerben unb Erörterungen.

„SHefeS fünftliche ©emicht ber leeren gorm", fagt 9Jcen$eI, „fenfte fid) naturgemäß öon oben nach unten unb lagerte centner* ferner über allen (Gebieten beS beutfdjen Sebent, £itel unb gor= malten mürben &u einer fiänge auSgebefmt, meldte einen beträft* liefen beS $)afein3 in SBorten öerjehrte. Umftänblidjfeit unb 2öeitfcr)roeifigfeit , Ueberlabung unb Erhebung be£ Unmefentlichcn über baS Söefentüche mürben bie fyeröorftedjenben SRcrfmale ber Politiken mie ber gefelligen $enfung$art unb #anblung$meife ber SJeutfchen biefeS gahrfninbertS , ihre föebe unb ©djrift bie getreuen Spiegel biefer ©efinnung."

3lu§er ber (Sinfefcuug eines immermähreuben 9tcicr)^tag^ finb aus ber Seit ßeopolbs I. jmei anberc bebeutfame Neuerungen ju öerjeidmen: bie Errichtung einer neunten $ur für baS haunööe= rifdje £>auS unb bie Erhebung ^reu&enS $u einem Königreich-

3(uf bem ®urfürftentag , ben Seopolb im hinter 1689-90 $u SfugSburg abhielt, um feinen elfjährigen ©ohn Qofeph jum rö= mifdjen König mahlen ju taffen, als melier berfelbe am 26. ganuar 1690 unter Beobachtung aller herfömmlidjen Gebräuche gefrönt mürbe , machten ihm bie beiben .^erjoge öon ©raunfchmeig;ßüne= bürg , ©eorg SBilhelm ju ©eile unb @rnft Sluguft ju $annoöer, bie i^m bereits im Sürfenfriege öffentliche $ilfe geleiftet, baS An- erbieten , gegen bie Verleihung ber Kurmürbe eine ffemige Union" mit Oefterreich einzugehen , in melier fie fieh verpflichten nMten, <iuf ben Reichstagen ftetS mit Dcfterreich ju ftimmen, bei jeber fünftigen Katfermahl bem älteften grinsen beS öfterreid)ifchen Kaufes ihre ©timme $u geben unb bem Kaifer für feine Kriege am ffl)t\\\ unb in Ungarn eine bestimmte Beihilfe an ©elb unb Gruppen su leiften. Seopolb fagte ihnen bie QJemährung ihres 2Bunfd)eS $u unb belehnte am 19. Eejember 1692, ba ber ältere ©ruber ©eorg 2Bill)elm öon (Seile finberloS mar, beffen jüngeren ©ruber (£rnft % u g u ft öon Ijannoocr mit ber Kurmürbc.

2Säl)teub nicht nur ©adjfcn unb ©ranbenburg bie ©rünbung einer neuen Kur, burch meldje eine proteftantifche ©timme mehr in ben Kurfürftenratfj famf befürmortet hatten, fonbem auch bie Kur- fürften oon sDcain$ unb ©aiern fid) mit berfelben einöerftanben er- f lärt, erhoben bie Kurfürften öon Köln , Xrier unb ber $fal$ , im (Sinoeroehmen mit ben meiften ©liebem beS gürftenratheS , (£in= iprache gegen bie bem rjannöDerifcr)en $>aufe bemiöigte Ranger- höhung, hauptfächlich mit 9iücfficht auf bie ©ortheile, melche auS berfelben für bie 9ttachtftellung beS KaiferS ermuchfen, unb machten

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$a« beutfcfje SReich unter fieopolb I.

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iogar 9ttiene , fich bcr oon ßeopolb eingeführten Neuerung mit SBaffengetoalt $u toiberfefcen. £er Kaifer überliefe ber Qtit bie s-8efchttrid)tigung ber opponirenben gürften, unb in ber X^ot er= langte bcr ©of)n unb Nachfolger (Srnft AuguftS, ber Kurfürft Öteorg Subroig , ber im 3af)re 1696 $ur Regierung tarn, bie allgemeine Inerfeitnung ber feinem Später beftrittenen SBürbe unb aller mit berfelben oerbunbenen fRec^tc.

pattt ßeopolb fchon bura) bie ©rünbung einer neuen prote^ ftantifdjen Kur $ur ©enüge gezeigt, baß er feineSioegS, nrie oiel= fach oon proteftantifcher ©eite behauptet toorben , ein „SBerfyeug ber 3efuiten" mar, fo lieferte er bafür einen neuen SöemeiS in ber ungleich folgenfehtoereren Rangerhöhung, bie er bem branbenburgifchen Jpaufe bettuüigte.

$er im Qa^re 1688 jur Regierung gelangte Kurfürft grieb* rieh III. oon 93ranbenburg , ber Sohn unb Nachfolger griebrich SBilhetmS, beS „großen Kurfürften", toünfchte, feine preußifch=bram benburgifdhen iöefifcungen ju einem Königreich ju oereinigen , thetlS »eil ber KönigStitel feiner ©itelfeit fcfnneichelte unb feiner $runf= ju$t erhöbe Söefriebigung in AuSfic^ fteüte, thetlS unb hauptfäa> lieh aber, ioeü fein nicht jum beulten 9%eid» gehöriges fouoeräneS ^erjogthum Greußen ü)m bie 301ögtid)fcit barbot, ohne iöer$ia)tleiftung auf feine Kurfürftentoürbe als außerbeutfdjer König bie Sebeutung eines felbfrftänbigen £errfdjerS $u erlangen. 25a er als beutjeher gürft bie erftrebte Rangerhöhung nicht ohne bie äuftimmung beS $aiferS oottjiehen tonnte, fnüpfte er mit ßeopolb Unterhaltungen an, unb biefer geigte fich, in Anbetracht ber reid)Streuen ©efinnung, bie ber fturfürft üon jeher unb inSbefonbere burch feine thätige Sethetligung an bem franjöfifchen roie an bem türfifchen Kriege an ben Xag gelegt, nicht abgeneigt, auf beffen Anfügen einzugehen. §ie genrichtigen Öebenfen , bie am faiferltchen Jpofe , inSbefonbere oon Seiten beS ^rin^en (£ugen , gegen bie (Erhebung Greußen* ju einem Königreich erhoben mürben, machten ihn jtoar eine Zeitlang fdjroanfenb; ba jebocc) ber Ausbruch eines großen europäifchen JhiegeS nach bem Xobe beS feiner Auflöjung nahen , finberlojen Königs Karl II. oon Spanien ju erwarten ftanb unb es bem ßaijer, befonberS mit Rücfficht auf bie entjefneben reichSfeinblichen Öejinnungen bcr Kurfürften oon ^öaiern unb Köln, oon ber höcfjs ften SBidjtigfeit erfchien, fich far broheitben Krieg bie nachbrücflkhfte Unterftüfcung SBranbenburgS ju fichem, gab er bem drängen grieb- rict)S III. nach uno f<W°ß m^ bemfelben am 16. Nooember 1700 ben sogenannten Krontraftat, in welchem er ben preußtfehen Kö- mgstitel anjuerfennen oerfprach, griebrich bagegen fich oerpflichtete, jeljntaufenb SJcann für ben Kaifer ins gelb ju ftellen, eine Horn- pagnie Solbaten in ber ReictjSfeftung $t;Uipp^burg $u erhalten, auf

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$aifer Seopolb I.

bie rücfftänbigen ^ilfSgelber, bie er nodj öon bem ßaifer forbcm hatte , ju öerjichten , im SReicfje nur bcn bisherigen 9tang in 2ln* fpritcr) $u nehmen unb Dom $aifer felbft ben Xitel „Sttajeftät" nicht ju »erlangen, fonbern fidj, roie auch ber Stontg öon SJänemarf, mit ber Slnrebe „(Suer ßiebben" ju begnügen. Unter großer $rad)tent* faltung fefcte fich griebrich III. am 18. Qanuar 1701 §u Königs* berg als $ ö n i g fjriebrict) I. öon $ r e u 6 e n felbft bie #rone auf.

(Stegen bie neue ÄönigSmürbe proteftirte nicht nur ber beutfchc Drben, als ber rechtmäßige (Sigenthümer beS ^erjogtfmmS ^Jkeu* §cn , fonbern auch s£apft Siemens XI. , ber bie ©adje um fo roeniger mit ©tiüfchmeigen übergeben fonnte, als bie Verroanblung beS DrbenSlanbeS Greußen in ein meltl\cheS £>er$ogtf)um öon ber Kirche nicht anerfannt morben mar. Veibe ^rotefte blieben jcbocr) ttrirfungSloS.

©anj anberS, als im deiche, geftalteten fich unter ßeopolb I. bie Verhältniffe in ber öfterrekhifchen SJconardHe , bie erft unter ihm unb burd) it)n, £anf feinem reblidjen Söillen unb feiner uner= fchütterlichen ©tanbfjaftigfeit, eine europäifche SJcacht geworben. 2öie biefelbe nach ben Sftathfchlägen beS ^ßrinjen (Sugen ein ü)rer ©röße angemeffencS ftetjenbeS unb geübtes ®riegSheer mit ben baju gehörigen <£inrid)tungen erhielt, fo mürben aud? für bie 3ufti$* unb fianbeS* öerttmltung öon Seoöolb Verfügungen getroffen, bie öon unpar* teiifcher ©erechtigfeitsliebe , gefunbem Urtfjeil unb regem (Eifer für bie 2Bof)lfaf)rt beS Softes fiatgitifj ablegen.

Sßenn beffenungeac^tet bie innere Verroaltung ber öfterreidufchen 3Jconarcf)ie unter ßeopolbS Regierung immer noch StfancheS ju roünfchen übrig lieg, fo lag ber ®runb baöon ebenfomotjl in ber allgemeinen ßerrüttung, Verttrilberung unb Vermüftung, bie ber breifjigjäfjrige Shrieg für Defterreidj nicht minber als für baS beutfdje 9ieich herbeigeführt, als in ber unöermittelten unb unöerfchmolaenen 3ufammenfefung ber öfterreidjifdjen Üftonardne aus ben öerfdueben* artigften Veftanbtheilen, fomie in ber Ungunft ber Qdt, bie gerabe biejem ©taate feine sJhihe gönnte, fonbern ihn aus einem Kriegs* fturm in ben anbern trieb, unb enblid) aud> in ßeopolbS ^ßerfön- lichfeit. Von ©emüthSart ein treuer ©arte, ein zärtlicher Vater, ein milber, gütiger $err unb öor SlQem gefchmücft mit ben djnftlidjen Xugenben ber Varmherjigfeit unb SBo^tt^ätigfeit, mar ßeopolb nur aC^u geneigt, nicht nur Weib mit öoHen $änben ausstreuen unb baburcf) bie Verlegenheiten beS ohnehin fchtoer zerrütteten ©taatS- hauSl)alteS $u erleben , fonbem auch burch eine all 511 weit getrie- bene 9cachficht unb 9tachgiebigfeit bie nothmenbige Jolgerichtigfeit unb ilnbeugfamfeit aufzuheben, bie jebeS tttegierungSfnftem feft|al= ten muß.

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2)aS bcutfdje fleid) unter üeopoib l

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$ie !$errjältniffe ber Sßroteftanten lieg Seopolb in ben öfter* reidjifdjen (£rblanben ganj in betn bnrer) ben tücftfälifct)en grieben getoäljrleifteten ©tanb, in toeldjem er fie bei feinem SRegierungScnu tritt getroffen, unb ber proteftantifcfje ©cfc^icr)tfcr)reibcr 8. Äftenjel gibt trjm baS ^eugniß , baß er bei ber #ufreä)ti)altung ber öon feinem SBater Be^ügtic^ beä proteftantifdjen SHrdjenmefettä eingefüf^ ten ©införänfungen mit ©äjonung unb innerhalb gefeilterer gönnen ofjne £>ärte unb ofjne jebmebe Verfolgung ber s$erfonen oorge^ gangen unb feine anberägläubigen Untertanen , roenn Söefäroerben oon ifjrer Seite §u il)m gelangten, gegen jebe gefefctotbrige $Be brüefung in ©dmfc genommen.

Xrofc feiner tiefen unb magren grömmigfett unb feiner mt< zweifelhaft fatr)oItfct)^fircr)Iicr)en ©efinnung blieb Seopolb nidjt gän^ Udj unberührt oon ben ju feiner oem gejammten (Suropa

jur ^errfdjaft gelangten <&runb|*ä$en einer abfluten ©taatögetoalt ; bafjer finben mir aud) fct)on unter feiner Regierung ©puren ber unter feinen Sfcadjfolgera mein; unb mefjr in ben SBorbergrunb tre* tenben lenbenj, bie 9tecr)te ber fatfyotiftfjen ®irdje unb it)rer Liener buref) Stegierungäoerorbnungen ju befdjränfen.

fieopolbä Hofhaltung jeigt un§, im fct)ärfften ÖJegenfa^e $u bem glän$enben ,£>ofe SubnrigS XIV. ju 93erfaitte$ , an welchem ftct> unter ber trügerifdjen ^>üHe äußeren s$runfe$ unb ber feinften gefeüfct)aftlid)en gormen bie tieffte fittlicfje gaulntß barg , baö ferjöne 5©ilb eineä einfachen, regelmäßigen, oon roatjrer grömmigfeit burcf)tuef)ten cfjriftlidjen gamilienlebenS. 3)ie fd)önfte Sierbe beä ftaiferfjofeä mar fieopolba britte ®emaf)lin, Sleonore öon s4$falj- Sfceuburg , baä erhabene Üftufterbilb einer äcr)t d)riftlid)en gürftin, bie mit ber tiefften grömmigfeit eine umfaffenbe roiffenfdjaftlidje 33tlbung oerbanb unb mit it)rer ausgesprochenen Neigung $ur 5lit^- Übung ct)riftlicr)er ßiebeStoerfe unb ju fl öfter liefen *8uß~ unb 2ln» bachtäübungen bie treuefte unb gen>iffenr)aftefte Erfüllung ber ^ßfliäV ten ihrer §or)en Stellung ju oereinigen mußte.

$lu* feiner erften @he mit ber fpaniferjen gnfantin Sfcarga^ retlja Xherefta ^atte #aifet , außer einem im s2üter oon brei Monaten geftorbenen ©ofme, nur eine Xodjter, bie im Qahre 1685 mit bem ähirfürften 9Jcarimilian Immanuel oon ©atern oermählt mürbe unb fdjon im 3af)re 1692 ftarb. ©eine jtoeite ©emaljlin Glaubia gelicitaS, bie $od)ter be3 Qx^ex^o^ gerbinanb $arl oon Xmrol , fyaüt ifym sroei Xöchter geboren , bie Söeibe furj nach ber ©eburt geftorben maren. £)ie beiben fünfttgen $aifer 3ofeph I. unb äarl VI. entftammten feiner britten ©h*-

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34 $eutfd)lanbä Äulturjuftanb im fieb^ntcn 3af>rfmnbert.

II.

VeuUQtanbs &uttutiuftaub int Meuten $a$T$uu*ext.

Unter ben öertjeerenben ©türmen be*, breiöigjährigen Kriege* tonnten in Deutfchlanb meber SSiffenfchaften noch fünfte eine na** haltige Pflege finben ; bennoch mürbe $u jener 3eit burch Martin Opifc geboren 1597 ju Sun^Iau, üon Äaifer gerbinanb II. ate Dichter gefrönt unb unter bem Warnen Dpifc oon $oberfelb in ben $lbel*ftanb erhoben, geftorben 1639 ju Dan$ig an ber $eft eine neue (Epoche für bie beutfäe ^oefie angebahnt. Da* £auptöerbienft biefe* nicht* meniger als genialen Dichter* liegt in feinen erfolgreichen ©emühungen für bie SBereblung ber äußeren gorm ber Sßoejie burch bie SBieberherfteüung ber Feinheit ber ©prache unb bie SBegrünbung eine* regelrechten 58er*baue*. Durd) fein „Söuch oon ber beutfehen $oeteret)Mf in melchem er ben ©runbfafc au*fprach, bafe bie beutfehen 93crfe nach bem Slccent, nict)t nach ber Qafyi ber ©il« ben gu meffen feien, mürbe er ber ©rüuber ber neuen beutfehen ^rofobie. ©eine Dichtungen, in beuen er, obgleich mit Vorliebe ber bibaftifchen s$oefie fich jumenbenb, SDcufter für alle poetifdjen (Gattungen auf« fteHen moHte, finb Nachahmungen franjöfifcher unb h°flönbijcher iöorbtlber unb zeichnen fid) burch eine forrefte unb flie&enbe ©prache au*, entbehren jeboch jebe* r)ö^eren ©ebanfenflug* unb eine* tieferen poetischen ©ehalt*. 9ttd)t*beftomeniger mar fein &nfehen al* Dich3 ter fo grofe, baß man ihn al* ben „SBater unb SBieberherftetler ber beutfehen Dichtfunft" gepriefen unb ein gan$e* Qahrfjunbert h"1* burch nur ben „fdjlefifchen ©chman" genannt fyat. Unter feinen äehrgebtehten bem ©eften loa* er gefchrieben ift fein „Droft= gebicht in SBibermartigfeiten be* Kriege*" ba* gelungenfte.

Dpifc fanb zahlreiche Nachahmer, bie in ber Siteraturgef deichte unter bem Warnen ber erften f dj 1 e f i f ch e n Dichterfchute $u? fammengefafet merben, obgleich fie nur $um fleinften Dheite Schleper maren. Der bebeutenbfte unter benfelben mar $aut 5 1 e m m i n g geboren 1609 ju ^artenftein im SBoigtlänbifdjen, geftorben 1640 ju Hamburg beffen meift ber Igrifchen ©attung angehörige Dich* hingen eine ungleich reichere ^Begabung befunben, al* bie feine* SBorbilbe* Dpifc. §11* bramatifcher Dichter ber erften jchlefifchen Dichterfchule geno§ Slnbrea* ©rtophiu* geboren 1616 ju ©rofjglogau, geftorben ebenbafelbft 1664 ein 9ftann oon ungemöhn- lich büfterer iieben*anfchauung, eine* fo höh«« Slnjehen*, ba& er ben Beinamen be* „Unfterblichen" erhielt; feine Dragobien, oon benen eine ba* tragifche ©efdncf #arl ©tuart* behanbelt, finb jeboch nicht* Slnbere* al* gefchmacflofe Nachahmungen ber Dragobien ©e^ neca'* ohne tieferen poetifchen ©ehalt unb ermübenb burch SBcit-

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Deutfd)lanb3 föiltur^uftanb im ficb^chittcii ^afjrfutnbert.

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idjroeiftgfeit unb eine gestaubte ©prad)e. Ungleich beffer fmb feine £>ufrfptele, bie als bie bebeutenbften bramatifchen ©rjeugniffe biefer 3eü 511 bezeichnen finb.

3u ben ^ertjorragenbfien Dichtern ber erften f^Ieftfc^cn ©chule $äfjlt auch ber ©pigrammatift 5 rieb rieh oon ßogau geboren 1604r geftorben 1655 511 ßiegnifc als ©efretär beS £>erjogS oon Siegnifc unb ©lieg ein äRann üon tiefem ®emüth, ^ofjem s2lbel ber ©e- frmtung unb warmer söaterlanbsliebe. ©eine Stnngebidjte, bie üon ben 3rit9en°ffen nicr)t nach ©ebütjr gewürbigt würben, burch £e(fing jebodj ber SBergeffenfjeit wieber entriffen unb feitbem in wot)loer- bientem Slnbenfen geblieben, finb jum Dhctl tiefgefühlte klagen über bie beutfehe (Entartung, jum Xfieil auch rein bibaftifche ^ic^tungen, wie beifpielsweife bie folgenben:

£>offnung ift ein fefter ©tab Unb ©ebulb ein Steifefleib, $a man mit burd) SBelt unb ©rab SBanbert in bie droigfeit.

©otteS Wüllen mafjlcn langfam, mahlen aber trefflid) fletn;

Ob au« fiüngmuü) er ftä) [äumet, bringt mit ©djftrf er SltteS ein.

Sin eigener DichterfreiS, ber {ich gleichfalls an Dpifc anleimte, hatte ffcfj in Königsberg gebilbet. 3u bemfelben gehörte als baS beroorragenbfte 9Jhtglieb Simon Dach (geb. 1605 ju Üftemel, geft. 1659 als ^ßrofeffor ber Dichtfnnft gu Königsberg), beffen ur* iprünglich in nteberbeutfcfjer Sftunbart gebtchteteS Sieb „Slennchen oon Xharau" noch je$t gefungen wirb. Dach'S fämmtliche lieber jeugen oon Dtefe unb Qnnigfeit ber (Jmpfinbung, wäf)renb in feinen (BelegenheitSgebichten, in benen er als $ofpoet bie 3ftitglieber beS furbranbeuburgijchen gürftenfmufeS befingt, wie auch in feinen ©djau* jpielen nur bie ©prache Slnerfennnng oerbient.

Unter bem Hinflug ber Dpifcifchen ©chule ftanben auch biele proteftantifchen ®ira)enlieberbichter jener $tit, unter benen ber be* gabte $aul ©erhör bt (geft. 1674 als $aftor ju Sübben) bie erfte ©teile einnimmt, ©eine jum Ztyil fehr befannten ^ßoefien athmen ein freubigeS ©ottüertrauen.

Södhrenb bie Dieter ber Dpifcifchen ©chule meift bem pro; teftanrifchen Horben angehörten, weil ihre trocfen*gelef)rte Lanier im fatholifdjen ©üben wenig Slnflang fanb, hatte biefer in bem Jefuiten griebrtdj oon ©pee auS bem abeligen, jefct grä> lieben ©efchlecht ber oon ©pee ju £angenfe(b geboren 1591 $u ÄaiferSmertt), geftorbeu 1635 51t Drier im Dienfte ber bortigen Sa$a= rethe einen reichbegabten, burchauS jelbftftänbigen Dichter oon tiefem (Gefühl unb regem Waturfinnc aufeuweifen, beffen oon ber tnnigften grömmigfeit burchwehte unb in reiner, wohlflingenber Sprache gefchriebene Dichtungen 3U ben lieblichften ölüthen ber

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$eutfcf)lanb3 Äulturjuftanb im ftebacljnten Safjrtmnbert.

beutfäen $oefte gehören. $te meiften bcrfelben finb nadj ©pee'ä £obe in einem 93üd)letn jufammengetragen tnorben, baä ben Xitel „ZxufryiafyiQaü" füfjrt, loeil eS „trofc aßen SRadjttgaHcn füg nnb lieblid) finget. "

@in jüngerer ©eifteSDerrcanbter ©pee'3 war ber (Sonoertit Sodann ©d}effler, befannter unter bem 2)td)ternamen Singe; lu3 ©ilefiuS, geboren 1624 ju SöreSlau als ber ©olm eine£ bortljin auSgetoanberten polnifdjen (IbelmanneS, geftorben 1677 eben* bafelbft als ^riefter unb bifd)öflid)er 9^at^. ©eine geiftlidjcn Sie* ber, t>on benen bie meiften eine mtjftifd)e ©runblage t)aben, atf)= mcn eine feltcne Xiefe unb Qnnigfeit beä ©efüfjlS unb gehören bejüglid) ber ©pradje unb gornt ju bem ©eften, roa$ jene Seit gefcbaffen. SSiele berfelben erinnern in garbenglutt) unb Söilbcr- reidjtfuim an ba3 Jpofje Sieb, toäfjrenb anbere in ifyrem Xon finb- lieber Sreubigfeit an bie Dietlingen ©pee'3 anfangen, ©ein t)err= lidjeä Sieb: „Siebe, bie bu mid) jum Söilbe beiner ©otttjeit l)aft gemacht," ift roof)l ba3 ©cfyönfte, toaS in biefer ©attung in beut= fcfyer ©pradje gebietet ioorben. @tn fat^olifc^er SDidjter Don ungern öfynlidjem Xalentc toar audj ber 3efuit Qafob Söalbc, geboren 1500 ju (£nfi3f)eim im (Slfafj, geftorben 1668 ju SReuburg in ber Dberpfalj ber jeboct) faft auäfdjliefjlid) in Iateintfcr)er ©pradje bietete.

(£ine oon ben Dpifcifdjcn Dielfad) Derfd)iebene SRtdjtung berfolg^ ten bie gelehrten ©efcUfdjaften, bie fid) bamalS nad) bem SDcufter ber italicnifdjen unb franjöfifdjen s2lfabemien aud) in 2)eutfd)lanb fyauptfäd)licfy ju bem ßtoeefe bilbeten, ber immer mefjr um fid) gret* fenben SBermengung ber bentfe^en ©pradje mit Srembtoörtern ent= gegenjutoirfen unb mit ber ©pradjreinigung jugleid) bie ffudbilbung ber Daterlänbifd)en $)idjtfunft ju förbern. $>ie berüfnntefte biefer „©prac^reinigung^ÖJefeÜfa^aften" mar bie im3aljrel644 ju^ürn* berg gegrünbete „®efellfcf)aft ber ^egmfcfdjäfer" ober „ber gefrönte §irten= unb Sölumenorben", beffen SERttgliebcr ©d)äfernamen erhielten. Sllle biefe Vereine brauten jtoar in furjer Seit eine gan^ außer* orbentlid} grofje tflnjal)! Don ©ebid)ten aller Slrt $u Söege, erreichten jebod) ifyren Qxocd nidjt, roeil fie fid) in £ (einlief eiten unb lieber treibungen Derloren unb bie ^oefie in bie SBafm einer tänbelnben unb matt()er5igen Sentimentalität leiteten.

$ie ©djule ber ^egnitjfct)äfer bilbete ben llebergang ju ber jtoeiten fdjlefifdjen 2)id)t erf djule , bie an bie ©teile ber Xrotfenfjeit ber Dpifcijd)en Lanier ein f)of)te3 <Patf)oS, ©djnntlft, ©ombaft unb llebertrcibuug fefcte, jugleic^ aber audj, ben alleinigen Sioed ber Sßoefie in ber rein finnlidjen ©rgöfcung fud)enb, fid) oor* jugÄipeife im Süfternen unb Cbfcönen gefiel. 5)ie Häupter biefer ©djule, in beren ©djöpfungen bie s$oefie jur Unnatur Deqerrt er=

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Seuti'djlanbS Äulturjuftanb im fieb^e^nten 3al)rfmn&ert.

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idjetnt, roarendfjriftian £offmann öon #off mannStualbau, geboren 1618 $u Breslau, geftorben 1679 ebenbafebft als faiferltdjer 9tatl), unb Caspar Daniel öon Soljeuftein, geboren 1635 ju Bimptfä, geftorben 1683 ju Breslau, ebenfalls als faiferlidjer föatf). Öeibe galten als burdjauS efjrenmertlje Männer ; in ifjren tungen, bei melden fie fid) baS leere SBortgepränge nnb bie bor* berrfdjenb finnlidje Stiftung ber bamaligen italienifdjen 3)td)ter jum SJlufrer nahmen, ergaben fie fid) jebod) ber fdjlüpfrtgften unb fd)mufcig* ften ^antafte. 3n ben Xragöbien SofjenfteinS, ju melden ber Stoff meift ber gräuelreidjen römifd)en $ aifergefd)id>te unb bem blutigen Xurfentfjum entlehnt ift, wirb baS ®rä&tid)fte unb SBibrigfte auf bie 33üljne gebracht, Xabei ift bie Spradje lädjerlia) fjod)tras benb, aufs &eu&erfte gefdjraubt unb mit ber gefdjmatflofeften ©e= lefjrfamfeit überlaben. 2lud) im Vornan f)at Sofjenftein fid) öer- 1" ii cht unb fein im ©an&en gut gefdjriebener, aber unfäglid) roeit* fdjroeifiger SlrminiuS, in toeldjem, nad) bem 2luSfprudje ©idjen* borff'S „ber t)oä)trabenbe ^ßegafuS ben ganjen Sttüftroagen bamaliger ®elef)rfamfeit nad)fd)leppen mujtj", galt lange 3eit als ein dufter- bilb biefer (Gattung.

S)aS Uebermafc ber Unnatur in ber jtueiten fdjlefifdjen Sdjule führte einzelne $id)ter, bie baSfelbe ju befämpfen fudjten, ju bem entgegengefefcten öftrem: fie gingen Dorn Sdjttriilftigen $um SBäffe* rigen über unb festen baS SBefen ber $oefie in bie nüdjternfte Reimerei. (Sine entfdjieben beffere 9itd)tung mürbe angebahnt burdj ben (xpigrammatiften ©Ijriftian SBernicfe (geboren um 1666, ge* florben jmi)d^en 1710 unb 1720 als bämfdjer Staatsrat*)) unb griebr. 9tub. oon (£anifc (geboren 1654 $u Berlin, geftorben cbenbafelbft 1699 als (Reimer Staatsrat!)), bie SBeibe in ib,ren faiiriföen $5id)tungen bem Sdjroulft ber $offmannSroalbau*Sof)en* jteintfd)en $oejie entgegentraten unb ben (Glauben an beren SBortreff* lidjfeit bauernb erjdjütterten.

SBäfjrenb bie beutfdje ^ßoefie im fiebjefmten 3af)rf)unbert fidj roeuigftenS jeitmeife einer nid)t unroefentlidjen Slufbefferung erfreute, falj eS mit ber beutfdjen $rofa l)öd)ft traurig aus, inbem bie ©e* lehrten fid) in tfjren 2Berfen faft auSfdjliejjlid) ber tateinifdjen Spraye bebienten. Qn itjrer oollftänbigen löernadjläffigung jetgte fte baS JBüb einer jammerootlen Spradjmengerei , gegen roeldje einzelne Satirifer oergebenS anfämpften. SSie bie meltlidje 9lebe fteif, cere* moniöS unb getftloS mar, fo trug bie firdjlidje, bie fid) bei ben ^roteftanten i)auptfäd)lid) in tfjeologifdjen Streitfragen beroegte, baS ©epräge ber äufeerften Xrotfenfjeit. (Srft burdj $l)ilipp Qafob Spener geb. 1635 $u Üiappolsmeiler, geft. 1705 als ©onfifto* rialrat^ in Berlin , ber mit gro&em (Sifer für bie 2Sieber^er= fteüung beS unter feinen ©laubenSgenoffen tief gefunfenen religiöfen

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2)eutfdjlcmb3 5hiltur$uftanb im fteb^ntcn ^aljrfjunbert.

ßeben« wirfte unb baburd) bcr ©rünber bcr Sßietiftengcmeinben würbe, erhielt bic ^roteftantifc^e Sßrebigt wieber eine größere 3nmgfeitf bie ober bielfach in einer fallen ©efühl«fchwärmeret beftanb.

SRadfbem bie SBiffenfchaft unter ben ®rieg«wirren ber erften £älfte be« fiebjefmten 3ah*h"nbert« in ^eutfdjlanb faft ooUftanbtg barnieber gelegen, nahm fic in ber jweiten $älfte be«felben wieber einen bebeutenben Sluffchwung. 211« 6tern erfter ©röße glänjte auf biefem (Gebiete ber berühmte $futofopl) (Gottfrieb SBilhelm ßeibnifc, geb. ju Seidig am 23. ganuar 1646, geft. 511 #am nober am 14. SRobember 1716. 211« ein Untoerfalgenie bon unge^ möhnlich früher fReifc hatte Seibnife bereit« ben größten Ztyil ber umfangreichen wiffenfehaftlichen 93ibliott)ef feine« Katers burdh* ftubirt, al« er in feinem fünfzehnten 3ahre bie Uniberfität bejog. 9cad)bem er in ßetyjig unb Qena mit großem (Stfer bem ©tubium ber 2Katf)emattf , 9^cc§törDtffcnfcr)aft unb ^fulofopl^ obgelegen unb fchon im adjtaefmten 3ahre in öeipjig TOagifter ber ^Uofoplne, im jwanjigften in 2lltborf $)oftor ber Siechte geworben , tarn er im 3af)re 1667 an ben #of be« fturffirften oon SRainj , be« bereit« früher erwähnten Sohann tyfylipp oon (Schönborn , ber ihn jum #analeireöifion«rath ernannte unb fid) feiner bei wichtigen biplo= matifchen ©efchöften bebiente , bie bem jungen (Mehrten (Gelegen* heit beschafften , feinem patriotifchen (Sifer für bie ©etbftftänbigfcit unb @hre be« beutfehen SBaterlanbe« in mehreren $enfichriften 2lu«brucf ju berleifjen. daneben toar er unau«gefcfct auch auf ben berfduebenften Wiffenfc^aftfichen (Gebteten fchriftfteüerifch tf)ättg , in= bem er balb eine mathematifche, balb eine p^ilofop^ifd^e, balb eine naturmiffenfehaftliche , balb eine geschichtliche s2lbhanblung beröffent* lichte, bon benen eine jebe neue (Sntbecfungen enthielt.

3m 3&hre 1672 machte Scibnifc eine Steife nach ^ßari« , bon wo er fich im folgenben 3ahr^ nach ßonbon begab. 2ln beibeu Drten fanb er bie ehrenbotlfte Aufnahme; bie gelehrteften Männer bemühten ftch, ihn in i§ren pfeifen jurütf §uf)atten , unb bie 2lfa^ bemien beiber ©täbte nahmen ihn unter bie 3a¥ ih^r äRitglieber auf. 3m 3°hre 1676 na(§ $eutfchlanb jurüefgefehrt , trat er, ba ber ®urfürft 3ohann Philipp ^on ÜJcainj injwifchen geftorben war, al« SBibliothefar in bie $ienfte be« £>erjog« 3°hat*n Sriebrtch bon $annober, welche ©teile er auch bei beffen Nachfolger (Srnft s2luguft, bem erften $urfürften bon £>annober, beibehielt, ber ihn fpäter ju feinem geheimen Qfuftijratr) unb ^iftoriographen mit einem ©ehalt bon breijehnhunbert XfyaUxn ernannte. 2fcacf)bem er in ben 3ahren 1688 unb 1689 auf Soften feine« $errn eine Steife burd) SJeutfch* lanb unb 3*ö^c" gemacht, um 5Irct)ioc unb Älofterbibliothefen jum 83ehufe ber (Gefliehte be« braunjehroeigifchen ,$aufe« 511 burchfucheti, bei welcher (Gelegenheit er fich längere Seit in Söien aufhielt, begab

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^eutfdjlanbS Jhilturjuftanb im ftebjehnten ^a^r^unbctt. 39

er fict) im 3ahre 1700 nach SBerlin, um bort auf betrieb ber geiftreichen ©emahlin beS Ihirfürften griebrich III. oon ©rauben* bürg, ber fjamtööeriföen ^rinjeffiu Sophie <£harlotte, bie „©Deich- tet! ber SBtffenfdjaften" einzurichten , bie unter bem oeränbeiten tarnen ber „Slfabemie ber SBiffenfchaften" noch ^eute in sölütye fte^t. Seitbem unterhielt er mit ber nochmaligen Königin ötm $rtu§en einen lebhaften 6riefmechfel, in meinem bie tiefften philo ; foptjifchen Probleme eingehenb befprochen mürben.

2Bie in ber ©elehrtenmelt , fo ftanb ßribnifc auch bei ben her= öorragenbften Surften feiner Qdt in fyotym Wnfeljen; fie fugten eine <£h« ^avin, ihm 2(uS$eichnungen ju ermeifen. $er Sjar <ßeter ber ©rofje, ber ihn im 3af)re 1711 in Xorgau (ennen (ernte, öer= lieh tym ben Xitct eines ruffifchen 3ufti$rathS , mit einem behalt öoti taufenb X^alem ; ®aifer $arl VI. erhob ihn in bem gleichen 3at)re in ben SReichSfreiherrenftanb unb fefcte ihm ein Qahrgelb oon jmeitaufenb SteichSgulben aus.

Setbnifc mar nicht nur ber größte unb üielfeitigfte belehrte feine* ^Ww^iS > fonbern auch einer Der tiefften Genfer aller 3eiten unb babei ein mahrhaft chriftlicher $hrt°f°P§ t welcher ber fatholifchen 2Bahrt)eit oft fehr nahe fam , aber leiber nicht ju bem entfcheibenben Schritt beS UebertrittS gelangte. „3n allen (Gebieten beS SSiffenS ben 2ltr)eiSmuS $u befämpfen", fagt $affnerf „aus aüen ^^atfac^en ber SKatur unb beS ÖJeifteS baS $)afein ÖJotte» feftjufteflen, gegen alle fdjeinbaren Söiberfprüche ber (Erfahrung bie gbee ber göttlichen SBorfeljung §u rechtfertigen, mar baS eble ©tre^ ben, bem ßeibmfc ein ^albed Qahrhunbert feine ®raft lieh unb baS 1710 in feinem reichften 33uche, in ber gegen iöaüle, ben Patriarchen ber fran^öfifchen greibenfer , gerichteten Xhco°icee feinen ®ern fanb." ©eine ^3r)iIofop^ie , bie meit mehr in fatholifchen als in proteftantifdjen Greifen beachtet mürbe , ^atte jebodj ju fehr ein inbimbuelleS ©epräge, als ba& fie eine allgemeine SSerbrettung hätte fmben fönnen.

SeibnifcenS ^hätigfeit mar eine raftlofe. ©emöhnltcr) arbeitete er bis um $mei Uhr naa) ättitternacht , unb menn ihn eine Arbeit befonberS lebhaft beschäftigte , legte er ftch gar nicht ju iöette, fon- bern fchlief mehrere Stunben in feinem ßehnftuhl , um gleich bei jeinem @rttmchen an berfclben fortzufahren. 9(n baS (Effert badjte er erft, menn er ton junger erfcfjöpft mar. SBaS ihn neben ber Xtefe feines OJeifteS befonberS auszeichnete, mar bie ungemöfmliche ©dmel* tigfeit ber 5luffaffung. $ie termorrenften fragen burchfchaute er faft auf ben erften iölicf unb fefcte fie mit ber bemunberungSmür- bigften St larhett auSeinanber. 2Benn er bie meiften feiner Söerfe in latetntfcher ober fran$öfifcr)er Sprache gefcfjrieben , fo hotte bieS, abgefehen oon bem Umftanbe , ba& bie beutfche Sprache noch W

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S)eutftyanb3 Äulturjuftanb im fieb$efmten gatjr^unbert.

bcr nötigen AuSbilbung für nnffenfdjaftlidje 35arftetlungen ent* beerte, feinen ©runb barinr bafj baS Sateinifdje bamalS nod^ bte allgemein übliche ©pradje ber (Selet)rten f baS gran$öfifd)e ober bie beS europäifdjen 58erfet)rS mar unb Seibnifc feine Söerfe nid>t allein für $eut[d)lanb beftimmt jjatte. Sine SBernadjlaffigung feiner sJttutterfyrad)e fann it)m in feiner SBeife jum Sommrf gemalt toerben; er ttm§te üjre $orjüge in I)oi)em ®rabe ju toürbigeit, intereffirte fidj lebhaft für it)re Öerbefferung unb bebiente fidj if/rer in allen Sailen, too er auSfölie&licf) für feine Sanbsleute , unb namentlich wenn er an ben ®aifer fäxitb.

$er (Srfte, ber bie *ßfnlofopt)ie in beutfdjer Sprache befmnbelte unb UniüerfitätSöorlefungen in beurfdjcr Sprache fuelt , war e^riftian £t)oma iuS (geb. 1655, geft. 1728), erft ^rofeffor 3U fieip^ig, bann an ber neuerridjteten Uniöerfität §aflc. (£r war audj ber ©rünber ber erftcn in beutfdjer ©pradje erföienenen ge= lehrten Seitfdjrift , bie er unter bem Xitel „ÜJconatSgefprädje" Verausgab.

3)afj bie beiben erften Saljrtjunberte ber Deformation trofc beS Kampfe«, ben bie „SStffenJdjaft" im tarnen ber „®eifteSfreit)eit" gegen ben Autoritätsglauben eröffnet fjatte , feine Seit nrirflidjer Aufflärung mar, $etgt nidjt nur ber überall fyerrfajenbe Aberglaube, ber, in allen Sonnen üppig ttmdjernb, ganj befonberS in ben bis in bie Ijödjften Greife oerbreiteten unb felbft oon jaljlreidjen @e* lehrten begünftigten aftrologifdjen Sßljantaftereien ju Sage trat, Jon* bem bor Adern aud) bie furchtbare itferoielfältigung ber gräuelüoüen £ejenpro$effe, $u beren löefeitigung bie Deformation um f o Weniger irgenb (£troaS beitragen fonnte, als biefelbe mit bem bura) Sutfjer unb $aloin eifrig geförberten (Glauben an bie leibliche 9Jcad)t beS XeufelS über bie 9Jcenidjen ben &e£enn)at)n bei Ujren Anhängern nur me^r befeftigt fjatte. SBaren bod) $u ®enf im JJa^re 1545, in bem furjen Zeiträume oon brei Monaten öierunbbrei|ig ^erfonen auf $aloinS ^eranftaltung als $>ejen unb Sauberer unter flauer* liefen Startern Eingerichtet njoiben.

Xcr tief in ber menjd)licf)en Datur mur^elnbe Glaube an 2Be)"en, bie mit ben ä)cad)ten ber ginfterotfj in SBerbinbung ftet)en, finbet fia) bei allen SBölfern. 3Bie fct)on bie älteften 93üd)er ber ^eiligen ©djrift öon Qaübtxtxn, ©eifterbefcfytüörem unb S33at)rfagem reben, fo feigen ftd) bte gleiten Anfd)auungen audj bei ben fyeib- nifdjen ©tämmen beS grauen Altertums unb ebenfo bei ben ttnlben Horben AfienS, Amerifa'S unb Afrifa'S. ©elbft bie fjodjgebilbete (kriechen* unb Dömerroelt berfenfte fidj , als ber ©laube an tyre (Sötter ju fdjttrinben begann, mit magrer ßuft in bie 9Jtyfterien einer finfteren Üftagie.

@S fann uns nid)t SBunber nehmen, bag in ben erften Reiten

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XcutfcglcmbS #ulturjuftanb im ficbic^ntcn 3at)rf)imbert. 41

beS (HjriftenthumS manche l)eibnifd)e $lnfct)auung in ben ©emuthern ber 9*eubefehrten juruefblicb unb in fortgefefeten abergläubifdjen ©ebräudhen ju Sage trat. $ie ßtrehe fchritt gegen bieten Unfug mit um fo größerer ©ntfduebenheit ein, als bie gnoftifdjen unb manichäiferjen ©eften fid) in jene fjeibniföen 9ttr)fterien warfen , um burd) fold)e ©aufeleien bie ©laubigen 511 betören unb irre gu leiten, unb fic überbieS ben ©runbfafc uner)cr)ütterlid) feft hielt, baß ict)on allein ber Sfcrfuct), bei ben 9#äd)ten ber ginfterniß $rilfe unb SSeiftanb ju erlangen, ben Abfall tton ©ort in fid) fct)ließe. ©d)on bie rjeüigen SBäter traten jenen ^eibnifajen Sßorftellungen unb ben bamit öerbunbenen abergläubischen ©ebräucr)en mit bem größten 9tacr)brucf entgegen , unb mit ihnen miefen bie Goncilien auf bie ^td)tigfeit magifcr)er fünfte, ber gauberei, Söafyrfagerei unb Seid)en= beuterci, ber Amulette unb felbft ber Drbalien hin- gen fdjmerften ®ampf hatte baS d^riftentl)um mit bem 2lber* glauben ber germanifcr)en SBölfer $u beftefjen, bereu Dtaturfult unb tieferem Sftitlcben mit all ben taufenbfältigen @rid)einungen , bie Sommer unb grüljHng, &erbft unb SSinter in ftetem SBedjfel h*ts öorrufen, baS ©efüt)l einer träumertjd)en , abgöttifchen Verehrung nährte. 2lud) nad)bem baS l£(n"tfteiitl)iim bei ben (Germanen Ein- gang gefunben, fuhren fie fort, ihre abergläubischen ©ebräuct)e ju üben , inbem fie baS , maS naa) it)ren früheren s2lnfct)auungen oon ben ©öttem bettrirft morben, bem (Sinfluß ber ©eifterroelt jufchrie* ben. 5Iud) gegen biefen Unfug fchritt bie ®ird)e burd) aohlretctjc ©rmobalöerorbnungen mit ber größten (Sntfduebenfyeit ein.

$3iS in* bret$ehnte 3ahrfmnbert mar inbeften oon § e j e n mir gelten bie Siebe. ©d)ärfer unb beftimmter trat ber jpefenroafm $u Anfang beS bierjehnten 3ahrhunbertS auf unb 3eigte fid) oon ba an in immer beutlicheren ©puren. 55ie §auptanflage gegen bie 3ungfrau Oon Orleans mar, baß fie eine ,8auberin unb ein 2Berf~ $eug ber Jpöfle fei. 2luct) ben Tempelherren ^atte man oorgeroor* fen , baß fie ben Xeufel anbeteteu , ber ihnen in ©eftalt einer ja}marjen $a$e erfd)eine. 211S ber finftere SBafm fict) immer metter $u oerbreiten anfing, erließ Sßapft 3nnocen$ VIII. im 3ar)re 1484 eine ÖuEe, burd) meld)e er, um bem bamit öerbunbenen Unfug eine ®ren$e gu stehen, bie anaufteßenben Unterjud)ungen geiftlid)en 3hd)tern übertrug. $er $5ominifaner ©prenger , ber mit jmei anbem ©liebem feines DrbenS mit ber s2luSfüt)rung biefer äöulle in £eutfdjlanb betraut morben, üerfaßte, um ein einheitliches unb regelmäßiges Vorgehen ju begrünben, ben fogenannten „^ejrenham* nter." 3n biefem Öud)e, baS, toie ©örreS fagt, „jmar rein unb untabellmft in feiner Intention , aber nid)t mit gef d)ärf tcr Urteils* traft Durchgeführt, ohne hinlänglichen ©runb thatfäct)licher Erfah- rung unoorfichtig auf bie fcharfe ©eite hinüber mog," fanben in

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42 2>eutfälanb« ßulrurjuftanb im fiebjehnten ^ahrhunbert.

ber Solge alle |>erenrichter bie (SntfdmlbigungSgrünbe für ihr $öer= fahren unb bic SBefchwichtigung für btc auftaudjenben S^eifel ih**S ®ewiffen3.

3nbeffen famen bis $um Anfang beä fechjehnten 3a^r^unbcrtö nur öereinjelte ^rojeffe wegen 3auberei öor, unb mit Ausnahme berjenigen Sötte, in welchen bie Angefcbulbtgten nebenbei wirfliche Verbrechen begangen Ratten, wie ©tftmifcherei , ftinbeSmorb , S&t trug u. bgl., fanben ©erurtheilungen nur feiten ftatt. 3m fechaehn* ten unb ftebaehnten Qa^r^unbert bagegen fernen $eutfdjlanb einer wahren fterenepibemie anheimgefallen ju fein: bie #efpenpro$effe mürben in ber 3ufri$pflege jur ftehenben SRubrif, unb in faft allen Säubern $eurfchlanb3 mürben ©chaaren oon 3ttännern unb grauen, 3ünglingen unb Qungfrauen aU Sauberer unb $ejen oerbrannt, ja fogar unmünbige ftinber als SJcitfehulbige ihrer Altern bem 5euer= tobe überantwortet, ©o würben im Safere 1582 in ber baierijerjen ©raffdjaft SBerbenfelS in einem einigen ^erenprojeffe acbtunboicraiG «ßerfonen, in ber SReichSftabt 9cörbüngen awifchen ben Sauren 1590 unb 93 5Weiunbbrei§ig $erfonen aU 3ouberer unb §eren oer- brannt. 3m ©raunfebweigifchen waren ju bcr gleiten 3eit bie ©rrtutionen fo jahlreieh, ba& oft an einem Sage jebn ^ejen Oer- brannt würben.

9ioct) größer war in ber erften ^älfte beä fiebjehnten 3afc5 hunbertS bie gab,! bcr Unglücflicben, bic bem fdjauerlicfjen £eren= wabn jum Opfer fielen. 3n ocr ©tabt Offenburg im ÜBreiSgau würben jmifeben 1627 unb 1630 fedjjig ^erfonen unb in bem iöiätfjum SBürjburg in bem gleichen ä^itraum mehr als jweiftun^ bert ^erfonen jeben Alters unb ©tanbeä, baruntcr fogar brei $om= Herren unb oierjebn SBifarien ber .frauptfirdjen, fowic #inber oon acht bis jwölf 3a^r^n, wegen .pererei unb 3a«öcrei Eingerichtet. (£in jperenrichter in gulba rühmte fid): er allein ()abe über fieben- bunbert <ßerfonen beiberlei (ScfcblecbtS oerbrennen laffen unb Ijoffe, e$ über taufenb hinaus $u bringen.

Sßaren in ben üorfjergcfjenbcn 3o6r^nbertcn bie (Gerichte meift nur auf eine beftimmte Auflage wegen Qauberei gegen bie betreffen- ben Sßerfonen oorgegangen, fo würbe im iedj$ef)nten unb fiebje^nten 3ahrhunbert förmlich nact) £eren gefugt. SBcnn an einem Orte ober in einer ©cgenb ungewöhnliche (Srcigniffc: anbaltenber SRegen, heftige Gewitter, $5ürre, 9Jci§wacb3, ©iebfeueben, plöfclicbe XobeS- fälle, geuerdbrünfte u. bgl. eingetreten waren, fo fdjrieb bcr Aber- glaube biefelbcn bcr SBirffamfeit oon ,£>ejen unb auf ba£ drängen ber aufgeregten ©ebölferung folgte in ber 3tegel ein lan beSfürftlicber SBefehl an bie 53er)örben jur Einleitung eine* geriet* liehen Verfahrens. (Gewöhnlich fam biefen ein folcr)er Befehl er wünfeht, weil ihre ©ehalte auf bie fofren angewiefen waren unb

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3>eut|djlanb« Äulturjuftanb hn fiefyefmten ga^unbert. 4&

ihnen überbte* au* bem eingebogenen Vermögen her ©erurtheilten ein bebeutenber Hntheil jupcl.

3ur (Sinleitung eine* $erenpro$effe* genügten bie nichtigen iBerbacfjtägrünbe. Söcnn eine $erfon ben SBlicfen einer anbem au*- auweidjen fuchte, ober $ur TOtternacht*ftunbe außer bem $aufe ge^ mtfen, fo geriet*) fie in ben ©eruch ber £>ejerei. $luch wenn 3emanb in furjer 3tit reich geworben ober e* $u bebeutenber ®e* lehrfantfeit gebraut ^atte, fo würbe bie* einem SBunbc mit bem Xeufel jugefchrieben. gebe Srauen*perfon, bie burefj irgenb eine jufdüige SSeranlaffung bie ftufmerffamfeit oft nur ber Xorfjugenb ß«f Ö^ogen ober über bie eine Nachbarin eine bo*hafte $e= merfung gemalt, mürbe öon ben au*gefanbten $äfchern oerhaftet. Stanb bie Verhaftete überhaupt in einem üblem Stufe, fo galt ba* al3 fict)cre^ 3ttcf)en ihrer ©djulb; ^atte fie fid) eine* frommen Cebenämanbel* befleißigt, fo hieß e*, fie ^abe bahtnter ihren 33er; fefjr mit bem Xeufel oerfteefen motten. 3eigte fie Surdjt, fo er* tatrnte man barin ihr böfe* ©ewiffen ; mar fie gefaßt , fo würbe bie* al* bie SBirfung ber ermutfjigenben sprach e be* Xeufel* an- gelegen.

3>tc Verurteilung ber Slngeflagten erfolgte atterbing* meift nur auf ihr eigene* ©eftänbniß, baß fie einen ©unb mit bem Xeufel geföloffen, fich ir)m ganj Eingegeben, (Sott getäftert unb ihm abgefagt, bei nächtlichen äufammenfünften mit bem Xeufel unb an- bem .peren unb Zauberern auf benachbarten bergen ober in alten Schlöffern, ober auf $aiben ober im kat^au* unb im SRatfjafeüer ge^mauft, getan$t unb allerlei Unfug getrieben gärten, ju biefen geften auf Dfengabeln ober ©eienftielen ober auf einem fchwarjen %od burch bie Öuft geritteu feien, auch oon bem Xeufel bie $unft erlernt Ratten, Söinb unb ©ewitter $u machen, 9flenfchen unb Vieh burd) Berührungen &rantyeiteu anzuhängen u. bgl. mehr, ftber biefe unfinnigen ©eftänbniffe, in welcher bie 9tid)ter nicht ben gering* jten Stoeifel festen, würben ihnen burch bie jehauerlichften Holter* quälen abgezwungen.

$ie #ererei galt nämlich a^ ein ^lu *na hm eoer brechen, bei welchem bezüglich ber golter feine ber im übrigen peinlichen ©ericht*oerfahren gefefclich oorgefchriebenen Vefchränfungen (SJiltig- feit ha***; baher würben in ben jpejenprojeffen bie golterqualen unter fteter Steigerung fo lange fortgefefct, bi* fich bie Unglücf* lichen, benen ber Xob al* eine wiHfommene ©rlöfung erfchien, 51t jebem Öeftänbniß bereit erflarten unb bie albernften $inge au*; jagten, nur um ben Rauben ihrer unmenfehlichen Reiniger ju ent= rinnen.

Xa* ®eftänbniß ber eigenen @d)ulb genügte jeboch bem fana- tischen ober eigennüfcigen Sifer ber dichter nicht. 21u* einem

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3)eutfd»IanbS Äulturjuftanb im ftebjcfmten 3af)rf>unbert

Jpejenprojeffe foflten womöglid) anbere hergeleitet »erben; batyer verlangten fic öon ben ©eftänbigen bie Angabe onberer $erjonen, bie mit i^nen bei ben ^cjentanjen geWefen, unb wenn biefelben, um nidjt anbere Unfdjulbigen in ©erbadjt $u bringen, 2lu3flüd)te fugten, würben bie Solterqualen wicberljolt, bi* bie ©emarterten enblidj in ber ©erjweifluug bie erften ©eften ober aud> diejenigen nannten, nad& welchen bie ffiidjter fte birect fragten. die alfo #n* gefäulbigten würben bann ebenfalls üor ©eridjt gebogen, gefoltert unb gleich ifjren Hnflägern jum geuertobe oerurtf)eüt. die ©er* urtljeilung unb £inrid)tung gefdjaf} in folgen gäüen, wie nadjmalS in ber franaöfifd)en ©djredeuSaeit, maffenweife: anftatt für jeben <£in$elnen ein (£rfenntm& abjufaffen, würben öon bem töidjter nur bie ©eraeidjniffe ber ju üerbrennenben Sßerfonen untertrieben unb ben $enfem jur ©ollftretfung jugefertigt. Qeber einzelne ©er* urteilte würbe an einen $fa!jl gebunben unb, wenn er fid> un* äufcferrig jeigte, langfam öon unten herauf öerbrannt. 3ur ^er* fdjärfung ber dobeaftrafe biente ba3 ©djleifen auf ben 8hd)tplafc nnb baä Kneipen mit glüljenben QanQtn. ®ola)en, bei weisen man ÜttilberungSgrünbc annehmen $u müffen glaubte, Würbe ein idjnellerer Xob burd) ©ntljaupien ober (Sxbroffeln bewilligt unb bann erft ber Körper oerbrannt.

da e$ gleichfalls als ein 3nbicium ber £>ejerei galt, wenn 5femanb fid) ber Slngeflagten freiwillig annahm, wagte lange «Seit 9liemanb, gegen ben grauenhaften Unfug feine Stimme ergeben; bafjer fielen bemfelben in bem 3rirraum öon anbeit^alb Qa^rlmn* berten fowotyl in proteftanttfe^ett als in fatljoltjd&en ßänbera öiele Xaufenbe unfa^ulbiger ÜRenfdjen jum Opfer, unb ed würben (Brauel oerübt, bie ein neuerer ©a^rtftfteüer „ein drama oon unerme&Udjer ^luSbehnung" nennt, „mit weldjem an 3ammer, ©er$meiflungajcenen unb @lenb ofjne tarnen, SWajj unb Qitl auf ber einen unb an Mber* glauben, Unfinn unb Barbarei auf ber anbern «Seite faum (£twa$ in unferer ®efa*)ia)te oerglidjen werben fönne/'

die (Srften, weldje fia^ ber unglütflid)en Opfer beä fa)auer* lidjeu £>ejenwaljne$ annahmen, waren fatljolifdje Öteiftlidje, fo (£or* neltuä £oo3 (geb. 1546 $u (Souba in ^poUanb, geft. 1593 $u ÜlRainj), ber Sefuit Slbam danner, ftanjler ber Unioerfität Sßrag (geft. 1632), bie ©eibe bafür fernere ©erfolgungen ju erbulben Ratten, oor Widern aber ber eble griebridj oon 6p ee (f. ©. 35).

Uli im 3af)re 1626 ber ©tfd)of oon 2öür$burg, bem drangen fcer 3uriften wie be$ Röbels naa^gebenb, nad) bem ©oraang beä jper$ogä Ulridjä oon SBürttemberg, ber im 3a|re 1616 em gro&eä ,£>ejenöerbrennen in feinem ßanbe angeorbnet, in eine ©erfolgung ber £>e$en gewilligt, hatte er fidj oon ben Qefuiten einen ©eia)t* öater für bie unglürflichen Opfer erbeten, unb fo war ©pee im

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£eutfcf)lcnib3 Äulturjuftanb im ftebjefmten Sa^unbert

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gafjre 1627 nach 2Bür$burg gefommen. $a3 furchtbare Vilb be£ 3ammer3, ba3 {ich ^icr üor feinen ©liefen eröffnete, erfüllte ihn mit entern fo tiefen Kummer, baß in furjer Seit ba3 #aar be& $toeiunbbrrijHgjäh"{p ^riefterS ergraut war. Er mußte an jwei= hunbert ^erfonen jeben föangeS unb ©taubes, bie afle als un* fdmlbig erfannt, jur Einrichtung torbereiten unb $um ©djeiter= Raufen begleiten, unb fein £>er$ blutete unb wallte über oor ©djtnera unb Gram über bie offenbare Ungerechtigfeit unb Sd)änb= lichfeü beS ^ßroje&öerfahrena. Sag unb 5cacht fann er nach über ein 3Ätrtel jur Abhilfe unb flehte unter Ifyxänzn $u Gott um Er= barmen für bie Unglücfltd)en. Deffentlich alä ihr Vertheibiger auf- treten founte er um fo weniger, aU bie £erenrichter ihn ohnehin wegen feiner Eingebung an bie armen befangenen mit Mißtrauen betrachteten unb jftichtö fehnlicher wünfctjten, alä feine Entfernung. 9tid>t3beft oweniger machte er ihnen wieberholt bie einbringlichfteu Vorstellungen ; er öermehrte jebodj baburch nur ihren $a& unb ihren Slrgwofm.

9cad) langem unb innigem lebete fanb ©pee enblich ba£ %JliU tel, welches bie Slbfcfjaffung ber £>erenpro$effe befchleunigen foflte. ücachbem er burd) eingehenbeä ©tubtren ber ^ßrojefiaften bie eige* nen Wahrnehmungen oerooüftänbigt unb fo bie gange 9cid)t&wür^ bigfeit beä Verfahrens flar erfannt fyattt, fchrieb er unter bem Sdjutje ber Slnonnmität fein berühmte*, ben Dbrigfeiten $5eutjch; lanbd geWibmeteS SBerf: »Cautio criminalis, seu de processibua contra sagas Uber,« $u $)eutfcf) : Gerichtliche Unterfudmng, ein iöueh über £erenprojeffe." Siefe im 3al)re 1631 oeröff entlichte ©chrift, in welcher bie raffinirten Gräuel ber £>erenprojeffe, bie empörenben Ungefefclichfeiten unb $lbfurbüäten be$ (Seric^t^oerf ar) - rena jener Qtit mit einer ©ct)ärfe aufgebeeft würben, bie ade $u- riften be£ 3ahrhunbert$ befchämen mußte, würbe Anfang*, obgleich fie fo fdjneü oergriffen war, bafj fchon im folgenben 3&hre eine jweite Auflage nöthig würbe, fühl aufgenommen; bod) trug fie ipäter ihre guten grüd)te. Philipp 00,1 ©chönborn, ber alä ®a- nonifuä in Söürjburg ©pee'3 Vetchtfinb unb ber Vertraute feine* ÄummerS gewefen unb bem biefer ficf> atö Verf affer ber Cautio entbeeft hatte, ftellte, nachbem er im $ahre 1647 Er^bifchof oon ÜÄainj geworben, in feinem Gebiete bie £>erenpro$effe ab, unb fci= nem Veijpiele folgten balb anbere fatholifebe gürften. 3n ben ganj fatholifchen ßänbera, wie Italien, ©panien unb granfreich, hatten überhaupt bie £>erenpro$ejjfe bei weitem nicht bie ^uSbelmung unb gurchtbarfeit erlangt, wie in 2)eutfchlanb ; in 9tom felbft fanb feine einzige $erenüerbrennung ftatt. „3)ie Erfahrung, bie große Sehr* meifterin in ben Singen", heißt es im Eingänge einer ©chrift, bie im Söhre 1657 in ber Srucferei ber apoftoltfchen Cammer in.

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2>eutfcf)lanb3 tfulturjuftanb im ftcb^nten galjrfjunbert.

Sachen bcr ^Cfcnprojcffc erfchien, „hat offenbar gemalt, mie im Ißroaegoerfahren gegen ba& £erenroefen bie fdjmerften Qrrtöümer $um ftachthetle ber ©eredjtigfeit unb ber angeflagten grauen be^ gangen werben, fo ba§ man in ber ©eneratcongregation ber heiligen römifchen unb allgemeinen 3nquifttion feit lange )a)on bemerft, wie faum je einmal ein $ro$e& berart regelmäßig unb in ber töedjtö* form geführt korben. "

Sänger als in ben fatholifchen ßänbern bauerten bie £>efen^ projeffe in ben proteftantifdjen fort, ba bie proteftantifdje ©eiftlich5 feit nach bem Seugniß proteftantifcher ©chriftfteüer entfdjieben für triefelben eintrat, ©o rourbe noch im Qahre 1669 $u SRora in ©darneben ein großartiger $ejenprojeß eingeleitet, bei meinem üon ber aud Beamten unb Öteiftltchen $ufammenge)'e$ten Sominifftou jroeiunbfiebjig SBeiber unb fünfzehn ältere SHnber, al$ ber 3<wberei überführt, jum Seuertobe oerurtheilt unb fea^dunbjmanjig jüngere $inber mit anbern fdjroeren ©trafen belegt mürben. Qu Saufen fanben bie ^pefenprojeffe mit ihrem ganzen grauelooUen 2lu*na^me- verfahren einen eifrigen SBerthetbiger in ©enebift a r p 5 0 to (geft. 1666), ber als 3urift bei ben 3«tgenoffen in fo hohcm 2ln- fefjen ftanb, baß er ber „ÖJefefcgeber ©ad^eua" genannt mürbe. (Srft l>em *ßrofeffor (S^riftian X^omafiud gelang e8, bie öffentliche 3ftei= nung, trojj ber ©egenbemühungen jahlreicher fünften unb Oeift^ liefen, gegen biefen Unfug $u gewinnen unb baburdj bie "Jlbfteüung ber ^efenprojeffe im proteftantifchen Horben anzubahnen. 3m ac*>^ Reimten Qahrlmnbert fommen nur noch oerein^elte ^ejenprojeffe öor. Der lefcte berfelben fanb im 3ahre 1782 in ©laruS ©tatt, roo eine Stenftmagb roegen angeblicher 3auberei nach ritterlichem ©prudj enthauptet mürbe1).

1) ©ehr lehrretä) ift ba« 93ud) „ber §eremoaf)n oor unb nach ber ©lau* benSfpaltintg in 3)eutfa)lanb" oon 30h. $)iefenbac$. TOatnj 1886.

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Subung XIV. o. frranteid). ftranfretd) unter Sttajarm« StaatÄDcrroalt. 4 7

in.

cltt&wig XIV. von grtattftrei^.

(1643-1715.)

gfronfrci^ unter »lajarinä Staatsverwaltung.

(1643—1661.)

Subnrig XIII. hatte auf feinem Sterbebette für bie $>auer ber "ättinberjährigfeit be§ fünfjährigen Xfjronerben Öubtuig XIV. einen Slegentjchaftarath eingefefct, in roelchem bie Königin Anna als SRegen- tin ben Vorfifc führen unb über ade nridjtigcn Angelegenheiten nach Stimmenmehrheit cntfcf)icben merben foüte ; baä Parlament, ba3 ben Augenblicf für gefommen erachtete, feinen früheren (£influ& auf bic 3tad)3angelegenheiten hrcjuftellen , hob jcboch , bem SBunfcbe ber Königin entfprechenb, am 18. SWai 1643 in einer feierlichen Sifcung, roelcrjer auch Dcr junge Äönig beiwohnte, bie öon ßubroig XIII. bezüglich ber SRegentfchaft getroffenen üöeftimmungeu auf unb er- fannte ber Königin bie unumfehränfte SBormunbfdjaft mit ber 93e- fugnift ju, ^rc SHäthe nach eigenem Söelieben $u mahlen. Schon jubelten bie ©rojien in ber fixeren (hroartung , baß SRicheüeu'ä töegterungSfrjftem unb bamit bie Seit ihrer 3urücfie$ung ihr (fnbc erreicht h^e ; aber balb geigte bie Königin, bajj fie entfchloffen mar, ebenfo unabhängig oon bem Abel unb ben bringen be$ ,paufe3 $u regieren, roie ihr (Gemahl, bie ßeitung ber ©efchäfte aber, gleich biefem , nicht felbft $u übernehmen , fonbern fie in ben |>anben 2Rajarin§ ju belaffen, bem fie jeboeb nicht bie nämliche überlegene Stellung ihr gegenüber einzuräumen gebachte, bie Richelieu 2üb* loig XIII. gegenüber eingenommen.

Von ber Stegentin jum ^räfibenten beä Staatärathä ernannt, hielt SRajarin mit ber guftimmung ber Königin, bie, ihre ÖJefühle al$ Spanierin unterbrücfenb , nur noch bie fünftige Jperrfchergröfje ihre* Sohne« im 2luge behielt, bie ^olitif SRtdjelieu'3 nach allen Dichtungen hin aufrecht; bod) fchlug er in ber Verfolgung jeiner 3iele anbere SBecje ein, als fein Vorgänger, ^patte biefer mit un- beugfamer, rücffichtälofer (Sntfchloffenheit unb eiferner £aub feine Gegner niebergefchmettert , fo fudjte SKajarin , in welchem jroar jRichelieu'ä (S^rgeia unb Staatäflugheit , aber nicht bejfen geftigfeit unb %t)athaft fortlebten, feine äiele mehr burd) ©efdjmeibigfeit, 2ift unb Sntriguen ju erreichen unb ben miberftrebenben Abel weniger burch ®eroaltma&regeln ju bemüthigen unb $u fehreefen, ai* burch S^eigebigfeit unb oielfache Vegünfttgungen im £>oflcben auf feine Seite ju ziehen.

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öubroig XIV. oon granfretd).

$ie mad)fenben Ausgaben, rocldjc ber mit üerftärften Gräften fortgelegte ftrieg gegen Cefterreid) unb 'Spanien nötljig machte, fteigerten ben Steuerbrucf, ber fdjon lange fdjroer auf bem ßanbe laftete , ju einem fötalen ©rabe , ba& baS Parlament bie (£in= regiftrirung neuer Steuerebifte oerroeigerte. Vergebend fuc^te bie Königin , gegen bie Anfidjt ÜRajarinS , beffen unentfdjiebeneS Auf- treten einen fdjarfen (SJegeufafc $u bem energifdjen SBorgeljen fflidjelieu'S bei äfjnlidjen 2Biberfefclid)feiten bilbete , burd) bie fangennef)mung ober Verbannung einzelner 9tät^e ben SBiberftanb beS Parlaments 31t brechen: bie «Suftimmung, roeldje baSfelbe bei feiner Dppofitton oon Seiten ber Söürgerjdmft in aßen Stäbten granfreicfyS fanb, unb bie brofyenbc Spaltung biefer lederen nötig- ten bie föegentin, auf 3Äajjregeln ber Strenge $u Oermten unb bie gefangenen ParlamcntSrätfje freizugeben.

3m ÖJefütjIe fetner miebergetoonnenen Sftadjt ging baS Paria* ment meiter unb fteHte Sorberungen, bie auf eine burdjgreifenbe Aenberung beS ganzen fltegierungSfuftemS jielten. Um baSfelbe aufregt ju galten , fud)te ÜJtojarin fid) in ben Prinzen beS Jpau^ jeS eine Stüfce $u öerfdmffen , ju meldjem @nbe er bem $erjog oon Orleans baS ®ouoernement oon ttangueboc unb bem Sot^ne beS grinsen (Sonbe , bem &er$og oon @ngfuen , baS ber Glmm* pagne überliefe. $afür unternahm eS ©afton oon Orleans , mit bem Parlamente §u unterfyanbeln, baS fid) ifym bei feinen früheren kämpfen gegen 9tid)elieu günftig ermiefen; aber feine iöemityungen, baSfelbe ben 28ünjd>en ber Regierung miUfäfyrig $u madjen, blieben ebenfo erfolglos, als bie einlenfenben Sdjritte sJWa$arinS.

(SJeftüfct auf bie günftige Stimmung, meldje bie sJlad)ridjt oon einem großen, am 20. Auguft 1648 bei ßenS burd) ben $erjog oon Anginen über bie Spanier erfod)tcnen Siege unter ber Öe- öölferung ber ^pauptftabt ijerüorgcrufen , be[d}lo& bie Königin, aufs sJkue mit Strenge gegen baS Parlament oorsugefyen. Am 26. Auguft ließ fie, narfjbem in ber #ird)e oon ^otre^ame in ©egenroart bc* £ofeS baS Te üeum für ben errungenen Sieg ge jungen morben, bie fünften Spieker oertmften. 3)iefe Maßregel brachte fofort ganj pariS unter bie ^Baffen. 3)er pröoot beS mardmnbS unb bie Stoffen ber Stabt ließen u)re Kompagnien oor bem töatfyfyauje oerfammeln unb bie Strafen burd) Stetten fperren. 2)ie $ur £>cr- fteüung ber Drbnung fyeranrürfenben Xruppen mürben bis gegen bie Xuilerien jurütfgebrängt.

hinter biejem Aufftanbe oerbargen fid) felbftfüdjtige Abfluten etnfluBreidjer perjonttdifeiten , bie ben ftarbinal $u ftürjen fudjten, um felbft an feine Stelle ju treten. 2)cr fjeroorragenbfte unb tfyätigftc unter biefen Agitatoren mar ber Wcffe unb ftoabjutor bes (£r$bijd}ofS oon pariS, paul oon $onbi, ber nadmialigc ttarbinal

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granfreicf} unter 2Ka$cmn3 StaatSüertüaitung.

oon SRefc, au« einer mit Katharina oon ÜHebici nach granf reich gefommenen florentinifchen gamilte , ein 2#ann oon bnrd)bringen; bem 93litf, fülmer <£ntfc*Koffent)eit unb großer Ötetoanbtfjeit in ber Anzettelung oon ^ntriguen, ber ofme SBeruf unb Neigung in ben geistlichen Stanb getreten mar unb oor ©egierbe brannte, fich eine einflußreiche Stellung am #ofe $u t»erfcr)affen. SRachbem er bie Popularität, bie er fid) burch bebeutenbe (SJetbfpenben unb ein zur Schau getragene« Qntereffe für ba« öffentliche SBor)l erworben, in«* geöeim zur Aufreizung be« S3olfe^ benufct, bot er ber Königin feine $ienfte jur «efchroichtigung be« Aufruhr« an, in ber Hoffnung, fufj ihr nachher al« töattjgeber unentbehrlich machen zu tonnen. Allein bie föegentin, bie burch ^ajarin üon Ötonbi'« Machinationen in ÄenntniB gefegt toorben , wie* feine Anerbietungen junid unb machte ihn baburch jum erbittertften geinbe be« &ofe«. Um fid) ju rächen, fchürte er ben Aufruhr au« allen Gräften, unb biefer ge- wann hierauf eine fo brohenbe ©eftalt , ba& bie Königin fich Ztoungen fah, bie gefangenen Parlamentäre freizugeben. $a« $olf begleitete biefelben toie im Triumphe Zu ihren SBohnungen unb fehrte bann, mit feinem Siege aufrieben, ju feinen genanten fchäftigungen jurüd, entfdjfoffen, auch iw °er golge ba« Parlament gegen ettoaige fernere geinbfeligfeiten be« £>ofe« mit allen Gräften §u oertheibigen.

©efchredt burch bie bei biefer Gelegenheit zu 2age getretene (Entichloffen^eit ber Parlament«partei , bie man am *pofe fpotttoeife bie gronbe1) nannte, zog fich bie fftegentin mit ihren beiben Söh- nen, bem $önig unb bem um jroei %al)xe jüngeren prinzen pfyiltpp, nach ©ermain jurud, oon tt)o fie Unter fjanbtungeu mit bem Parlamente anfnüpfte. $)iefe« oerfehlte nicht, bie errungenen *Bor= theile zur (Erlangung ber geforberten 3u9eftänbniffe auszubeuten, ^achbem bie SRegentin angefid)t« ber unter ber 33ürgerfct)aft oon pari« fjerrfdjenben bcbenflidjen Stimmung in bie oon ben Abge- orbneten be« Parlament« hauptfäd)lich auf ©onbi'« betrieb gefor- berte Au«id)lieftung SDcazarin« oon ben Unterljanblungen gcnnüigt, fanftionirte fie am 24. Dftober ein ©efe§, burch welche« alle oon bem Parlamente im (£inüemef)men mit ben hochften Staatöbehöf- ben, bem Steuerhof unb ber Dberred)nitng«fammer , bezüglich neu einjuführenber Aemter unb Steuern gefügten iöefchlüffe beftätigt tourben.

£er gorberung be« Parlament« entfprechenb, fet)rte bie Stiegen; tin am 30. Dftober mit bem #önig nach pari« zurüd, entfdjloffen, bei ber erften günftigen (Gelegenheit bie ifjr abgerungenen Sw-

lj gronbeur« ©Ruberer nannte man bamatä bie ©trafeenjungen, bie im Stabtgraben oon Pari« mit Scqleubeni gegen einanber ftrieg führten.

fcolatoartt), SSeltaefdMte. VI. 4

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Subwig XIV. üon granfreidj.

ftänbniffe wieber jurücf^un c^mcn. ©ie gewann eine ©tüfce für if)re $3eftrebungen an bem burdj feine Siege in $)eutfdjlanb unb ben Sftieberlanben rühmlich betannt geworbenen unb feit ®ur$em au3 bem gelbe jurüdgefef)rten $>erjog öon (Snghien, ber feit bem Xobe feine« ©aterä (1646) ben Eitel prinj öon (Eonbd führte. $a berfelbe nicht nur bei bem £>eere in hohem Slnfeljen ftanb, fonbem auch burch fein ritterliche^ SBefen ber Siebling ber abeligen 3uQcnb Sranfrcichä geworben, bot ÖJonbi 2lHe$ auf, um ir)n für bie Srronbe $u geroinnen; (Sonb£ war jeboch ju ftol$ auf feine ©ebnrt unb ju feubal geftnnt, um fich mit bem „2lmt3abel" beä Parlament« ju öerbinben, beffen Auflehnung gegen ben £)of ihm alä Rebellion er- festen unb auf beffen SKitglieber er mit um fo größerer (Oering* fchäfcung ^erabblicfte , als fie nie ben $)egen gebogen. SBährenb fein jüngerer ©ruber, ber Prinj öon (Jonti, unb feine ©chwefter, bie ebenfo leichtfertige unb et)rf üchtige als fchöne unb geiftreidje £erjogin öon ßongueöifle, burch ben ©tol$ beä alteren ©ruberS öerlefct, fidr) mit ben $cr$bgen öon ©eaufort unb ©outllon an bie gronbe anfa^loffen, fagte Gonbö bem &ofe feine Unterftüfcung ju unb traf Slnftalten , bemfelben burd) SSaffengewalt ben ©ieg über feine ©egner ju öerfdjaffen.

(Sonbö'S Plan War, fid) ber ©tabtthore öon Paris, ber ©aftifle unb be$ äeugfjaufeS ju bemächtigen unb im Salle eineä SSiberftan* beS öon ©eiten ber Bürger bie ©tragen ber ©tabt in ein ©chladjt* elb $u öerwanbeln. ®a ber §of fict) bie mit biefem Plane für ihn elbft öerbunbenen ©efahren nicht öerhehlen fonnte, $og er öor, ich öorher in Sicherheit ju bringen , unb begab fich in ber 9kd)t öom 6. ganuar 1649 heimlich nach ®ermain , öon wo bie SRegentin am folgenben Sage bem Parlamente ©efc(jl ertheilte, gleichfall* Paris ju öerlaffen unb fich m$ äßontargis $u begeben, ©tatt biefem befehle golge ju leiften, fanbte basfelbe Wbgeorbnete nach ®t- ©ermaiu, um bem |>ofe ©egenoorftellungen $u machen unb ihn aur SRürffehr nach Pari* eingaben. $a bie Slbgeorbneten gar nicht öorgelaffen unb mit äujjerfter ©eringfehäfcung behanbelt wur^ ben, erflärte baä Parlament ben ftarbinal ÜDcajarin für einen Jeinb beä ©taateS unb üereinigte fich mit bem ©orfteher ber ®auf* leute, ben ©chöffen, ©iertelmeiftern unb Oberftcn ber ©ürgerabtheb lungen öon pari* jur gemeinfamen ©ertheibigung ber ©tabt.

$em ©eifpiele beä Parlament* öon pariS folgenb, erflärten fich auch °ie Parlamente ber Bretagne, ber Ulormanbie, ber Pro- oence unb öon ßangueboc gegen ÜRajarin, unb bie abeligen Jpöup- ter ber gronbe fammclten Xruppen jur Unterftüfcung ber aufrühre- rischen £>auptftabt. 3luch Xurenne, ber ©ruber beS £er$ogS öon ©ouidon , gebachte bie beutfdje Slrmee , welche er fo ruhmwürbig befeljligt hatte, gegen ben #of $u führen, unb ber Statthalter ber

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granfretcr) unter Sflozarin* StaatSüertüalhmg.

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9fteberlanbe , Erjfjerjog Seopolb öon Defterreid) , erbot fid) , mit Tünfjerjntaufenb 9Kann in granfreid) einzufallen, menn bie gronbe mit iljm in SBerbinbung treten motte.

Obgleich ber Prinz öon (£onb<5 nur ungefähr zmölftaufenb ÜKann unter feinem Äommanbo t)attc öereinigen fönnen unb bafjcr üon einer emftlidjen (Sinfdtfie&ung ber £auptftabt tjattc abftel)en muffen, fnett er feinen ©egnern Stanb, ba beren Uebermadjt burd) bie Uneinigfeit ber einzelnen .<päupter paratyfirt mürbe. Qnbeffen er» artete e* bie Königin für geraten, mit bem Parlamente Unter* fjanblungen anjufnüpfen , unb ba biefe* eine gro&e Mäßigung an ben lag legte, fam am 11. ÜRärz 1649 ju föuel ein griebe ju Stanbe , in meinem bie föegentin bie bem Parlamente burd) ba* ®efe$ Dom 24. Cftober gemalten ßugeftänbniffe betätigte unb eine allgemeine toneftie jufagte, wogegen ba» Parlament in ba* 53er» bleiben 9)tozarin* mittigte unb alle öon ifjm feit bem 6. Januar erlafienen SBefdjlüffe für null unb nidjtig ju erflören öerfprad).

Xa biefer Vertrag meber ba* $olf, nod) bie abeligen £äupter ber gronbe befriebigte, fam e* in Pari« 51t neuen föuljeftörungen, unb bie Prüfen unb Ebetteute trafen Slnftalten jur gortfefcung be* Kampfe«. Sd)on jog Xurenne mit feinem #eer ^eran, um bie Entfernung SflajarinS ju erjmingen, al* er fic| plöfclidj üon fei= nen Xruppen öerlaffen faf). SWazarin ^atte biefelben ijetmlid) burd) bebeutenbe ©elbfpenben jum Slbfatt öon if)rem gütyrer bemogen. 35a e* ju ber gleiten Seit bem SJttnifter gelang, mehrere Häupter ber gronbe burd) gro&e 23crfprcd)ungett jufrieben ju ftetten, üer= ftanb fic^ einer na<| bem anbern jur Slnerfennung be* gefdjloffenen grieben*. 2lm 18. Slugnft f)ielt bie 9tegentin mit bem $arbinal unb bem Prinzen öon £onb<S i^ren Einzug in Pari« , unb ba 2)£ajarin bie SBorfidjt gebraust c)atte , bebeutenbe Summen unter bie ^nfte unb ben Pöbel au*tf)eilen ju laffen , mürbe nid)t nur ber Äönig, fonbern er felbft öon bem *8olfe mit freubigem Qwvtf begrübt. „$a* ift", bemerft ber Prinz öon -äftarfittac al* Bdjriftftetter befannter unter bem tarnen ßarodjefoucault , ben er ein 3afjr nad) biefen Gegebenheiten burd) ben Xob feine* SÖater* erhielt in feinen Memoiren über bie Sftegentfdjaft Slnna'* öon Cefterreid), „bie SBetfe unfere* Söolfe*; mit bemfelben ßeidjtfinn, mit tüeldjem e* au* feiner Sdjulbigfett £jerau*tritt, fer)rt e* ju ber* felben jurüd, unb gef)t in einem Wugenblirf öon 2lufruf)r jum ©e- fyorfam über." 2)ie jpäupter ber gronbe, unb öor Sitten ber ®oabju* tor, beeilten ftd), ber Königin ifjre Untermerfung 31t bezeigen, mäf)= renb fie felbft bem Prinzen öon Eonbd öffcntlict) al* if)rem Erretter

iljren 55anf au*jpraaj.

^>atte fict) SÄajarin mit ^)i(fe (Jonb^'S gegen bie gleichzeitigen

Angriffe be* Parlament* unb be* 5lbel* 511 galten gemuBt, fo

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Subioig XIV. oon granfreid).

ftanb if)m jeftt ein ®ampf gegen ben ^ßrinjen fefbft beüor. 9Jid)t um ben OJlinifter, ben er nidjt liebte, auf feinem Soften $u erljal* ten , fonbern um baS Slnfefjen beä Xljroned , ber föniglidjcn ga- milie unb be$ fürftlidjen ©luteS gegen bie (5mpörung3gelüfte ber Bürger unb ©eamten ju fdjüfjen, fjatte ßonbd feine äftadjt in bie Sdjanje gefdjlagen. SRac^bem bie Autorität ber Regierung f)ergc= fteüt mar , trat er offen mit ©eftrebungen fjeroor , bie auf ben ©turft beS fjerrfd&enben SftegierungäfUftemS jum ©eljufe ber SBie= berljerfteHung ber alten greifet unb itnab^ängigfeit beä Slbetö unb bie ©egrünbung feiner eigenen £>errfd)aft im fRat^e ber nigin gerietet maren. Xa fid) ber Äarbinal bei feiner Unbeliebt r)eit nid)t ftarf genug füfjlte, aflein ©trnaä gegen ben ^rin^en ju unternehmen , ber nidjt nur gegen if>n jebe sJtüdfid)t au&er s21d>t lieg, fonbern aud) ber Königin uncfjrcrbietig begegnete, fudjte er fief) gegen benfelben be3 ©eiftanbeS ber gronbeurd ju oerfidjern , bie oon bem *ßrinjen mit üerlefcenbem ©tolje bef)anbelt mürben. $ied gelang ifjm aud), nadjbem ber ftoabjutor burd) oertrauenoofled (£nt* gegenfommen ber Königin für ben gegen ben ^ßrinjen geplanten ®emaltfd)ritt gewonnen morben. Hm 8. Januar 1650 mürbe (£onb£ mit feinem ©ruber Gonti unb feinem ©djmager, bem ^perjog oon Songueüifle, mit beneu er ficr) ooüftänbig audgeföfmt t)atte , in bem Calais roöal, mof)in man fie unter bem ©ormanbe mistiger ©e^ ratfjungen gelocft , gefangen genommen unb auf 9)tojarinä ©efefyl nad) bem ©djloffe ©incennca gebraut.

$aä ganj unter bem @influ& ber gronbe ftefjenbe ©olf oon ^avis empfing bie 9*ad)rid)t oon ber ©erfjaftung bed ©iegerd oon stRocroü unb Send, ben einft vergöttert f mit lautem 3nbel, unb bie £>äupter ber gronbe jaljen fid) bereits im (Reifte im gefiederten ©c)i§ ber erftrebten £errfd)aft. Allein in ben ^ßrooinjen fammcl= ten iurenne unb fein ©ruber, ber ^er^og oon ©ouillon, im ©er= eine mit ber ßerjogin oon fiougueoitle, bie nadj ber ®efangen= nefjmung ifyrer ©rüber unb ifjreä oicmahlö aud $ari3 entflogen, Gruppen jur ^Befreiung ber (befangenen, unb mit ilmen oereinigten fitf) jafjlretdje ©bedeute, bie in ©onbö ben ©efdjufcer ifjrcä ©tan- beä unb ben ©erf echter ifjrer greif)eiten fal)en. %u$ bie ©panier fagten ben greunben beä sßrin5en ben erbeteneu ©etftanb $u. sDtajarin, ber bieämal größere (Sntfdjloffenfyeit geigte, 50g gegen bie Gebellen ju gelbe unb blieb in ©urgunb unb in ber 9cormanbie fiegreid), loäljrenb er ben SBiberftanb ber ©eoölferung oon ®unenne nur burd) ^»Q^nbniffe ju bemältigen öermodjte.

3n$mtfd)en mar Xurenne im ©ereine mit bem @r$f)er$og ßeo= polb gegen s$ariä oorgebrungen , um bie gefangenen s$rinjen ju befreien; biefe toaren jebod) bereite auf SDJasarinä ©efetyt oon ©ins cenneä nadj Jpaore gebraut morben. Üfla§arin, ber fc^leunigft aud

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granfreid) unter 9tta$arin* Staatsverwaltung. 53

Ctfurjenne nach ber $auptftabt jurüdgefehrt mar, jog mit bcm 9Rat* khatl bu ^leffi* bcm feinblichen fteerc entgegen, unb am 15. £c* jember 1650 erlitt Surenne bei Bethel in golge eine* unertuar* teten lleberfall* eine fo tjoüftänbige 9ticberlage, baß er nach oergeb* liehen ^Bemühungen, feine jerfprengten Gruppen roieber ju fammcin, nach Stenan entfliegen mußte.

$urcf) ben errungenen Sieg auf* 9leue in feiner Stellung be* feftigt , jeigte fich Bojarin nid)t nur allen gürbttten te* 9$arla* ment* für bie gefangenen ^rinjen unzugänglich , fonbern trat auch gegen bie unruhigen gronbeur* mit größerer dntfd)icbenf)eit auf, beferjroor jebücf) baburdj einen neuen Sturm gegen ftcf) felbft unb ben £of fjerauf. @r fuchte bemfelben burd) bie glucht nach Jpaöre $u entgegen , roo er Xruppen ju fammelu ober , fall* bie* nicht ge* linge , ben ^rinjen unter geeigneten SBebingungen bie greifet $u= rücfjugeben gebaute, um fich burdj (£onb<5'* Arm toieber an feinen (Gegnern ju rächen, Sobalb feine Entfernung au* ber £>auptftabt befannt geroorben (7. gebruar 1651), erließ ba* Parlament einen ^Öefcfjlufj , melier it)n au* allen Säubern be* Königreich* Oer* bannte , unb nötigte ber Königin , bie bereit* Anftalten getroffen, beut $arbinal ju folgen , einen greibeit*brtef für bie ^rinjen ab. Um fid) felbft ba* SBerbienft ihrer Befreiung $u erroerben , tun* bigte ihnen SJcajarin am 13. gebruar perfönlich ir>rc (Sntlaffung an , inbem er bie Sd)ulb ihrer SBerfjaftung auf ®onbi unb ben £>er$og üon Drlcan* $u Rieben fud)te, ber fich mit bcrfelben ein* t»erftanben erflärt r)atte ; er fanb jeboa) bei ßonbe, ber feinen 2Bor= ten feinen ©lauben fchenfte, flart be* ertoarteten £anfe* nur eine geringjchäfcige 33ebanblung.

An ber HJcöglichfeit oersmeifelnb , fich für ben Augenblttf in feiner Stellung §u behaupten, öerliefi ber flarbinal grantreich unb $og fich nach Süttich unb üon bort nach ®öln jurütf, beffen ®urfürft ihm ba* Schloß Örühl 5um Aufenthalte anmie*.

llnterbeffen befanb fid) bie Königin $u <ßari* in ber fdjnrie* rigften Sage; benn bie gronbeur* gingen, im sBunbe mit (£onb£, ber jefct roieber ba* «Parlament , ben Abel unb ba* #olf für fich harte, barauf au*, bie alte, öon Richelieu umgeftaltete ißerfaffung be* Königreich* unb mit berfelben alle früheren 9tect>te unb greU Reiten be* Abel« fjerjuftellcn, $u meinem @nbe fich an adjthunbert ^rin^en, Jpeqöge unb ©bedeute eigenmächtig in Sßari* üerfammclt hatten, $ie >8efrrebungcn ber Skrbünbeten feheiterten jebodj an bem SBiberfpruch be* Parlament*, ba* bie Söcrfammlung be* Abel* für ungefefclicr) unb bem föniglichen Anfehen nachtheilig erflärte unb bemfelben bie Söcfugnig abfpradj , ohne bie übrigen Stänbe irgenb reellen ©efa^luB ju faffen. 2)a fich ber #of, beffen s43eU ftanb beibe Parteien fugten , für ba* Parlament erf lörte , liefe fich

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Subnrig XIV. von grcutfretch.

ber leibenfdjaftlidje (Sonbd, bcr fid) inahnfcfjen auch mit ®onbi unb mehreren onbem $äuptern bcr gronbe überrcorfen tjarte , ju fo feieren 23elcibigungen gegen bie Königin fjinrei&en, bajj btefe fict) entfloß, ir)n im Parlamente anjuflagen. TO fidj ber «ßrinj in ber ©ifcung oom 19. Sluguft 1651 unter ben beleibigenbften $(u3= fällen gegen ®onbi ju rechtfertigen fudjte, ber auf ben betrieb ber Königin jum ®arbinal erhoben toorben , fam ju ben ^eftigften Scenen , unb nur bem ebenfo entfdjiebenen al£ rofirbeöoflen 2luf= treten beä Präfibenten Sftote tjatte man e$ $u oerbanfen, baß bic ersten Parteien ihren ©treit nicht mit bem $egen in ber $anb au3fod)ten. 9SoH 2ferger unb Erbitterung berließ (£onbe bte £>aupt= ftabt unb begab fid) nach 93errü.

$(m 5. September 1651 erfcfjien ber ®önig, ber an biefent Xage fein bierjehntea Qahr unb bamit jugleich baä Hilter ber Üftünbigfeit erreichte, im Parlamente unb erflärte, baß er nunmehr, ben ÖJefefcen beä ©taateä gemäß, bie Regierung felbft übernehmen ttjolle. hierauf legte bie Königin bie SRegentfchaft nieber unb beugte ba3 ®nie bor ihrem (Sohne. $5er $önig reichte U)r bie |>anb, um fie auf juf)eben , umarmte fie , banfte U)r für u)re bisherigen 33e= mühungen um feine (Srjiehung unb ben ©taat unb bat fie , auch ferner an ber @pifce be3 ©taatSrathä ju bleiben, um ifm mit ü)rer (Sinfidjt $u unterftüfcen. $>a3 ©anje mar nichts s2lnbere$, als eine leere görmlidtfeit , burch meldte in ber güfjrung ber ©taat$angc= legenheiten 9ttcht3 geänbert nmrbe , ba ber öierjefmjäljrige ®önig, beffen ©rjichung übcrbieS Don ber Königin gänzlich oernachläffigt korben, begreiflichertoeife nicht im ©tanbe n>ar, felbft bte Sügel ber Regierung in bie |>anb ju nehmen.

Unterbeffen ^atte fidf) (£onb£, feft entfdjloffen, an bem Jpofe unb beffen ganjem Anhang blutige SRache ju nehmen, mit bem ®abinet oon Sftabrib in SBerbinbung gefefct unb, ba biefem bei bem noch immer fortbauernben Kriege mit granfreich bie inneren Sernmrfnifie in biefem ßanbe nur ertoünf cht fein fonnten , mar it)m oon beim felbcn bewaffnete Unterftüfcung für feine beabfidjtigte ©dnlberhebung in «uSficht geftellt tuorben; bann hatte er fidj nach (Bunenne bei- geben, tuo er, oon bem Sßolfe mit offenen Firmen aufgenommen, Werbungen anfteüte unb $ur SBeftreitung ber Soften berfelben bie fömglichen ©infünfte ber Prooinj mit öefchlag belegte, Machbem ihn bie Königin öergebenä burd) bie auSgebehntefren Söenriüigungcn aufrieben ju fteHen gefugt, 50g fie felbft mit acfjttaufenb 9tfann gegen ihn gu gelbe , unb obgleich ber *ßrinj ihr ungefähr mit ben gleiten (Streitkräften entgegentreten tonnte , blieb er bei ben erften Unternehmungen im Sftadjtheil.

Söährenb bieier Vorgänge hatte 9^ajarin in fteutfchlanb einige taufenb Mann gemorben , um an ber ©pifce eines ,peere£ nach

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ftranfreicf) unter 9Äa$ann3 StaatSoerttmihmg.

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Jranfreidj $urücf$ufef)ren. 2faf bie ftadjriajt, ba& er bic ©renje aberfdjritten , erflärte ifm ba2 Parlament für einen #ocf)üerrätf)er mtb fefcte einen $rei& auf feinen ®opf. Xeffenungcadjtet 50g er raibebetligt mitten burd) baä föetd) unb traf am 28. Qanuar 1652 in $ottter$ ein, oon Wo üjm ber ®ömg unb fein ©ruber eine balbe 3ttette toeit an ber ©pi$e ber ßeibwadje entgegen geritten waren. SRodj an bemfelben 3(benb naf)m er feinen alten ^ßta^ im Kabinette tmeber ein.

$a ber ©ürgerfrieg einen fcfjteppenben ®ang annahm , be* idjfofc SonW, ber injmifdjen oon bem |>ofe für einen 2Rajeftät3* oerbredjer erflärt worben , füfyn nad) ^ßariS §u gelten , wo er ba& Parlament, baä fowoftf if)m atö bem ßarbinat feinblidj entgegen* jlanb , unb mit bemfelben audj bie SBürgerfdjaft auf feine ©eite jiefjen $u fönnen l)offte. Obwohl ber $öbel ftd) für if)n erflärte unb ba* Parlament burd) $rof)ungcn ein$ufd)üd)tern fud)te , Oer* ^arrte btefeä, im Vereine mit bem befferen Steile ber ©ürgerfdmft, bei feiner SSeigerung, für ben ^ringen Partei ju ergreifen , unb ba unterbeffen Xurenne , ber bie föniglidjen Xruppen befestigte , bei Stampeä baä $eer Sonbe'S mit bebeutenbem SBcrluftc au3 bem gelbe gefdjlagen, faf) fidj ber $rin$ genötigt, $u bemfelben jurücf= Sufefjren, um beffen gättjüc^e Sluflöfung ju üerf)inbern. «Halbem er ben SRcft feiner Xruppen natt) (Sfmreuton jurücfgefüljrt , wo er bie au$ ben SRieberlanben ju feiner Unterftüfeung abgefanbten fpa* mfajcn Xruppen erwarten wollte, mürbe er tum Xurenne ereilt unb bi* oor bic 2flauern oon $ari3 jurüefgebrängt. 21m 2. Quli 1652 fam in ber Sßorftabt 'St. «ntoine ju einem blutigen ©efed)te, m weitem bie ©tötfce beä fransöfifc^en 5Tbcfö auf beiben Seiten mit einer an bie föitterfämpfe beS 2Kittelalter3 erinnemben Xapfer* feit fodjt. SRadj einem fiebenftünbigen feigen fingen, bem 9flajarin mit bem <pofe auf ber Wnfyoty oon Sljaronne unb bie ^arifer oon ben dauern, $äd)ern unb Xfjfirmen ir)rer ©tabt aufbauten, far) nc^ Xurenne junt fflfidgug auä ben leidjenbebecften ©tragen ge* nötigt; aber für ben $rin$en mar bamit wenig gewonnen, ba in- jtmfdjen bie Artillerie iurenne'S eingetroffen mar unb biefer fo* glciai oor allen ©trajseneingängen ftarfe Batterien auffahren ließ.

(£onbe, ber Oon Ergebung 9ii$t3 f)ören moßte, wäre Oerloren getoefen, wenn nidjt ber für feine ©ad>e begeifterten £>erjogin ton SRontpcnfter, ber iodjter ®afton$ oon Orleans, gelungen wäre, bic auf bem ©tabtfmufe oerfammeften Obrigfeiten oon $ari$, welche bie X^ore ber inneren ©tabt fjatten fc^liefeen (äffen, ju ©unften bed ^ßrinjen umjuftimmen unb fie 51t bewegen, benfelben mit bem Ueberreft feinet jufammengeic^moljenen $eere* in bie ©tabt einjuloffen.

Um ba^ Parlament unb bie ©ürgerfajaft oon ^ariä jur ^ßar^

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Subiuig XIV. bon gnmtreid).

teindjme für (£onb£ ju fingen, regten beffen Anhänger bcn Sßö* Bei ju Sufammenrottungen unb blutigen ÖJemaltthätigfeiten auf. $)a* SRathhauS mürbe oon einem bewaffneten Pöbelhaufen erftürmt, unb bie in bemfelben oerfammelten ÜJcagiftrat*perfonen unb Bürger fahen fieh $u einem Kampfe gejmungen, in meinem mehrere Don ihnen getöbtet mürben. Unter bem @influ& be* fjerrföenben ©chreden* gelang e* ben Anhängern (£onW*, bem Parlamente, Don beffen sJJfttgliebern öiele in ben ©jungen nicht mehr ju erfreuten wagten, einen SBefdjlufe abjunöthigen, bura) melden „in Anbetracht be* im* freien 3uftanbe*, morin SRajarin ben ßönig f)altt", (£onb<5 sunt ©eneraliffimu* be* Speere« unb ber $erjog oon Orleans, ber fief) fdjon öor bem $lu*bruch be* ©ürgerfrieg* ben Gegnern be* £ofe* angetroffen, jum ©eneraflieutenant be* Königreich* ernannt mürbe.

Auf bie Nachricht oon biefen Vorgängen jog fiel) ber §of nacc) Pontoife jurüd, mofnn SRajarin im tarnen be* ßönig* auet) ba* Parlament berief. $ie 9Jcehrjahl ber SJcitglieber be*felben leiftete jmar golge, beftanb aber auch in Pontoife auf ber @nt= laffung be* ÜKinifter*. Slngefitfu* ber im ganjen ßanbe ^errfajen^ ben (Stimmung hielt e* 9Wajarin für geraden, fretmtüig jurud^u^ treten, mo$u er fidj umfo leichter entfchlofi, al* ber ßönig unb feine Butter ba* fefte SBerfprechen gaben, if>n auf ba* (J^renöotlfte jurüd* auberufen, fobalb U)r eigene* $lnfehen unb bie öffentliche SRuhe h**r geftellt fein mürben.

2Bäfjrenb fiel) Sttajarin nad) ©eban jurüd$og (19. §lug. 1652) unb £urenne mit bem |>eere bei (Sompiegne eine oortheilfjafte (Stellung nahm, begab fid) CSonb6, melcher fid) in Pari* bei bem burd) bie (Entfernung be* ftarbinal* in ber ißolf*ftiminung bewirf* ten Umformung nicht mehr fidjer glaubte, mit bem SRcflc feiner Xruppen in bie S^ampagne, um fid) ben (Spaniern in bie 9lrme ju werfen. $en bitten ber Parifer folgenb, fehrte ßubmig XIV. am 21. October mit bem $>ofe in bie £>auptftabt jurüd, wo er mit Qubel empfangen mürbe. SJcit 2lu*nahme be* £)erjog* oon Drlean* unb feiner Xodjter, bie Pari* fofort öerlaffen mußten, unb be* ®ar- binal* oon 9teJ, ber im ßouore gefangen genommen unb juerft nad) SBincenne*, bann nad) 9cante* gebracht mürbe, erhielten alle Anhänger (£onbeJ* SBerjeifjung. Stfcaflarin, ber injmifc^en mit einer uon ihm gemorbenen Xruppenfdjaar oon oiertaujenb üttann mehrere oon ben (Spaniern befehle franjöftfche piäfce jurüderobert unb baburch bie öffentliche Meinung mieber etma* mit fid) au*geföf)nt hatte, ferjrte am 8. Sebruar 1653 gleichfall* nach Pari* 8uriid, oor beffen Ikoven ihn ber junge ®ömg felbft, oon oielen Prinzen unb (SbeQeuten umgeben, auf ba* 3wt)orfommenbfte empfing.

$on biefer 3^it an mar 9Jcajarin* Stellung unb bamit ju= gleich bie SRulje im 3nnern gratfreie*)* gefichert. ©unenne, bad

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ftranfreicf) unter 3Ra$arin8 Staatäöemmltung. 57

'.Mim

noch immer $u <£onb£ hielt, würbe burch SBaffengewalt jur Unter* roerfung gezwungen unb ber $rteg mit Spanien, in meinem fortan Qont>4 gegen fein eigene« ©aterlanb fämpfte, ohne gegen ben oor* ftdjtigen Xurenne (£twa3 ausrichten ju tonnen, mit allem ftachbruef fortgeführt. ftachbem (£onb<$'a ©ruber, ber ^ßrinj öon ßonti, fich mit bem #ofe ooüftänbig auSgeföfmt unb feine Schmefter , bie ^perjogin oon Songueüifle, fich in ein Softer jurüefgejogen hatte, würbe Gonbe felbft am 24. HJcarj 1654 oon bem Parlamente als £oa> oerrätfjer beä XobeS fdmlbig unb aller feiner SSürbcn unb ÖJüter oerluftig erflärt.

5£er Sieg, ben SJcajarin burch jähe AuSbauer, ruhige lieber* legung, rechtzeitiges Nachgeben unb Kare Auffaffung ber ©erhält* niffe über alle feine SB iberf acher baüongetragen, befiegelte zugleich bie abfohlte $>errfchergcwalt in Sranf reich- $>er Abel toagte feit* bem feine weitere Auflehnung mehr, fonbern ftrebte nur noch bar* nach, am -Jpofe burch feine, gefchmeibige Sitten unb gemanbte Um* gangSformen ju glänzen; auch bad Parlament gab feine unter Sliajarin auf« 9ceue mit fooicl s3cachbnuf unb ©cfonnenheit aufrecht gehaltenen Anfprüche auf bie SBetfjciligung an ben ÜteichSangelegem heilen auf unb bot nur ju balb bie |>anb zur Ausführung beäpo* tifchcr SJcaßregeln. $em jungen, flogen unb herrfchfüchtigen Äönig aber harten bie in ben Unruhen ber Sronbe empfangenen (Sinbrücfe einen fo entfehiebenen SBibermiHen gegen jebe freiheitliche unb felbft* ftänbige Regung in feinem deiche eingepflanzt, baß er frühe fchon entfchloffen mar, ftch burch ba$ entfehiebenfte unb burchgreifenbfte ©erfahren unbebingten ©ehorfam ju üerfchaffen. 3*1 biefem ©or* fafce mürbe er burch 3Jcajarin beftärft, ber feinem gelehrigen 3ÜÖ5 ling jeigte, wie üiel ein £>errfcher fich erlauben bürfe, wenn er burch fein Auftreten bie Untertanen an ben (Glauben gewöhne, baß fein 28ifle baS hö<hfte ®efefc fei. Obgleich er feinem erften Üttinifter bie ooüe Leitung ber ©ejehäfte überließ, oerfäumte er nicht, bei öor* fommenber Gelegenheit ju geigen, in welchem ©eift er felbft ju herrfchen gebenfe. 9codj nicht fed)$ehn Qahre alt, erfdjien er eines XageS, auf bie bei ber SRücffehr oon ber Qagb ihm zugekommene 9cachricht, baß baä Parlament ftch eigenmächtig oerfammelt höbe, um gegen eine üom Jpofe erlaffene ©crorbnung eine ©orfteHung abju* fafien, in gagbfleibern, ©tiefein unb «Spören mit ber föeitpeitfche in ber £>anb in ber *ßarlamentSüerfammlung, um berfelben in ben härteften Auäbrücfen ihre Anmaßung öorzumerfen.

2Jcajarin felbft entfehäbigte fich für bie früher ihm geworbenen $emüthigungen unb Seinbfeligfeiten burch baä ftoljefte benehmen, gr behanbelte bie oornehmften sperren wie feine Liener unb er* laubte Shemanben mehr, felbft bem Äanjler beS Meiches nicht, in feiner ©egenwart nieberzufifcen. $en jungen $ümg wußte er nicht

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fiubwig XIV. üon granfreid).

nur burdj bie überlegene (£inficht, bie er in allen ©taat$angelegen= Reiten an ben Xag legte, unb ben glücflichen ©rfolg feiner Unter* nehmungen, fonbern auch burch bie roeitgehenbfte Sßachgiebigfeit gegen beffen für alle Setbenfehaften unb ©enüffe empfängliches @e= mütl) mein* unb mehr an fid* ju feffeln. $)em (Sntfdjlug SubnugS, (ich mit HRaaarin'a ^idjte SJcaria SRancini ju Dermalen, mit wel- cher er ein SiebeSoerhältnifj angefnüpft, trat jebodt) ber ßarbinal mit aller (Sntfchiebenheit entgegen, inbem er bem ®önig erflärte, toenn berfclbe bei bicfem (Sntfdjluffe Bleibe, fo müffe er, ber $ar= btnal, granfretch berlaffen unb alle feine SBerroanbten aufgeben. „3d) liebe meine Richte," fagte er, „aber ich liebe ben ®önig öon granfreich noch mehr unb intereffire mich für 3^ren Sftufjm unb bie (Spaltung 3hre3 ©taateä mehr, als für alle anberen $inge in ber SBelt."

Sur ®emaf)tin ßubmigä XIV. ^atte aKa$arin bie fpanifcf-e ^nfantin SKaria X^erefia, bie ältefte Xocf)ter fß(iliM>* IV., auSerfefjen, um burd* biefe Serbinbung bie Bereinigung Spanien* mit granfretch anzubahnen, ba $^ili^ IV. einiger Sohn ®arl öon fo fchmächlicher (Sefunbljett mar, ba& mit ihm ba$ ©rlöfdjen beS fpanifchen ®önigäf)aufe3 ju ertoarten ftanb. $)iefe£ mistige #et- rathSprojeft, mit beffen SBermirffidjung SDJajarin feiner ftaatSmäm nifchen Saufbahn einen großartigen 2lbfd)luf3 }n geben gebaute, be= toog ben ®arbinal, bem ®önig öon Spanien SBorfchläge jur 53c= enbigung be$ langen Krieges ju machen, ber in ben legten Qaljren in ben SRieberlanben burd) bie Serbien fte Xurenne'3 einen für granfreich äufeerft günftigen Verlauf genommen r)attc, unb ba ba3 er* fd)öpfte (Spanien ben grieben nur roünfchen fonnte, jeigte ba3 $a= btnet öon 2ftabrtb baS bereitmiHigfte ©ntgegenfommen. Sftachbem am 7. Wlai 1659 ein jtoeimonatUdjer SBaffenftiQftanb gefchloffeu roorben, fonnten fd)on am 4. 3uni bie Präliminarien unterzeichnet roerben, bei beren geftfteöung nur bie öon bem fpanifchen £ofe als @^renfao)e betrachtete Srage ber SBiebcreinfefcung be3 ^rinjen öon (£onb£ in feine ®üter unb sJted)te Schtoterigfeiten bargeboten Ratten. $er eigentliche griebe mürbe am 7. !$loüember 1659 in ben ^ßorenäen unb zroar auf ber in bem ökenzfluffe ©ibaffoa gelegenen gafanen* infel unterzeichnet, roofnn fid) SJtojarin unb Philipps rv\ crfter sJJcuüfter 35on Suis be £>aro mit einem zahlreichen glänjenben be- folge begeben hatten, um in perfönlid)er Konferenz bie noch fötoe* benben Jöerhanblungen ju @nbe ju führen. Sei ber 2Bat)I biefer 3nfel toaren bie gleichen fleinlichen ©tifettenrücffichten maßgebenb gemefen, bie mir bei bem meftfälifdjen grieben fennen gelernt; benn ba fie in ber üflittc ber SBibaffoa liegt, befanb fich ba3 auf berfelben für bie SBeratfmngen ber beiben 2Kinifter errichtete $*lt halb auf fpantfchem unb Ijalb auf franjofifchem «oben, fo ba§ fie

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granfreid) unter SKasarina StaatSDerroaltung.

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mit emanber confcrircn tonnten, oljne ben ©oben if)rer fRcic^c ju üerlaffen.

3n bcm „porenäifdjen Rieben u trat ©panien an granfreiaV außer bebeutenben £anbfrrid)en unb geftungen in 2lrtoi3, glanbem, ^ennegau, ßuremburg unb jnrifdjen ber ©ambre unb 9ftaaa, ba& bis bafun auf ber Sßorbfeite ber ^ßrjrenäen in feinem Söefifce oerblie* benc ©ebtet, bie ©raffdjaften SRouffitlon Gonflanä unb breiuub= breiig Dörfer ber ©raffdmft (Serbagne ab unb nafym ben ÖJrunb-- iafc an, baß bie £>öfje ber ^ßtjrenäen bie ©renjfdjeibe ber beiben SReidje bilbe; bagegen fagte granfreict) bie bebingungälofe SBieber- einfefcung be3 ^rinjen Don (£onb<$ in alle feine ©üter, Sftecf)te unb SSürben im ©taat unb am #of, fonrie bie gleidrfafla oon ©panien geforberte 3u*fitffteflung fiotfjringenä an ben nadj bem meftfäüfdjen grieben in fpanifdje $ienfte getretenen ^erjog ®arl IV. ju, unter ber Söebingung, baß berjelbe auger mehreren feften $Iafcen eine mitten burdj fein £anb gefjenbe, eine fjalbe SEReilc breite ©trage öon Sftefc natf) bem G£lfa& an granfreid) abtrete unb bie geftungäroerfe öon 9cancn gefdjleift mürben. Sugleid) öerfpradj 9Jcajarin, ber oon Spanien beabfid^tigten SBiebereroberung Portugal« in fetnerlei Söeife fynberlitf) fein ju motten.

©leitt^jeitig mit ber griebenäurfunbe mürbe aud) ber jmifdjen fiubnrig XIV. unb ber Sodjter SßfHlipp'S IV. oereinbarte @f)et>er= trag unterjeidmet. 3n berfelben fagte ©panien als iörautfdjafc für bie 3nfantin üftaria Xfjerefia eine baare, in brei griften $u jaf)= lenbe ©umme öon fünft) unberttaufenb ÖJoIbfronen ju; bagegen mußten ßubmtg unb bie Qnfantin jum SBorauS auf jebe 2(rt oon (Erbfolge in ben Säubern unb 9ieic|en ber fpanifdjen ®rone SSer= jiajt leiften. Dbgleidj biefe ®Iaufel bie großartigen 2(u8fid)ten ju öernicr)ten fd)ien, bie ÜJcajarin an bie Sßermäljlung ßubmig'ä mit ber fpanifdfjen Qnfantin für granfreidjS Sufonft gefnüpft l)atte, unterfdjrieb er biefelbe of)ne SBebenfen, in ber fixeren 2$orau3fe(jung, baß fidj trofc berfelben fpäter 2Jcittef unb SBege finben (äffen mürben, größere ober geringere 2lnfprüd)e $u ergeben unb burdjjufefcen.

2fm 12. ftoöember 1659 trennten fid) bie beiben 9Jcinifterr unb am 27. Qanuar 1660 führte SJcajarin feinen berühmten ©eg= ner donU an ben ju Stfr. metfenben fransöfiftfjen £of jurütf. 2tte ber $rinj, ba£ ®nie öor bem ftönig beugenb, ifm megen beä $or= gefattenen um $er$eif)ung bat, reifte ifjm Stibmig bie #anb mit ben SBorten: „9Jcein Detter, nad) ben großen fcienften, bie ©ie meiner #rone ermiefen ^aben, erinnere ict) midj eine« Uebete nict)t me^r, ba* nur gfjnen felbft gefct)abet ^at." Söenige Xage barauf, am 2. gebruar 1660, ftarb ©afton oon Orleans im Hilter oon jtoeiunbfünfaig Qa^ren. $a er feinen männlia)en 9caa^fommen

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Subtotg XIV. bon ftrantreicf>.

hinterließ, berlieh fiubwig XIV. ba* #eraogtf>um Drlean* feinem «ruber W^PP-

$>ie SBermählung Subwig* XIV. mit ber Qnfantin äftaria X^erefto fanb am 9. 3uni 1660 ju St. 3ean be Öuj Statt, unb am 26. Sluguft hielt ba* tonigliche $aar unter groger brachten!* faltung feinen ©injug in *ßari*, begrüßt bon ben ent^ufiaftifc^ett JJubelrufen ber ©ebölferung.

Snbeffen neigte ftch 9Haaarin* ßaufbafm ihrem (£nbe $u. 3n einem äußerft gefchwächten ©efunbheit*$uftanb au* ben ^nrenäen juruefgef ehrt , ging er feitbem langfam bem Xobe entgegen. (£3 würbe ilmt ferner , bon ben £errüdjfeiten $u Reiben , mit benen er ftch umgeben fjatte, wohl um fo fernerer, als er nicht ohne ®e* wiffen*unruhe an bie unrechtmäßige SBeife benfen tonnte , auf melaje erf unter fdjwerer ^Benachteiligung be« Staate* , fein unge- heure*, auf mehr al* fünfgig SKiUionen £ibre* gefaxte* 93ermö^ gen erworben hatte, ©eine ftoftbarfeiten, barunter diamanten unb anbere Gbelfteine Dorn r)öc^ften SBertfje, üermaajte er jum größten XfjeUe ber ®rone, ber #ünigin=2ttutter unb bem «ruber be* $önig*. 21uch an «ermäc^tniffen für (Mehrte unb ®ünftler, fowie für groß- artige «auuntemefymungen ließ er e* nicht fehlen. Sein £>aupt* erbe war fein Neffe Philipp SJcancini , bem er neben anbem be= beutenben ©ütem ba* bon ihm angefaufte Jperjogt^um Neber* bermachte.

SJtojarin ftarbr aa)tunbfünfjig Sah** alt r am 9. ÜKärj 1661, nachbem er ftd> furj borfjer noch einmal forgfältig r)atte f(eiben unb burch feinen ^alaft unb feinen ©arten tragen laffen, um ton ben ^errlidjfeiten SIbfchteb jii nehmen, beren Slnblicf it)n fo lange er* freut hatte.

Obgleich oer $önig bei ber Nachricht bon bem Zobe be* $arbinal* Xfyxantn bergoß unb feinen ganjen $of Xrauer anlegen ließ, bebauerte er e* wohl nid)t, eine* güt)rer* entlebigt ju fein, ben er nicht mefjr gu bebürfen glaubte. $>atte boch 9tta$arin felbft in feinen legten Xagen, al* man ihn besicherte, baß 3ebermann für feine ©enefung bete, bie §leußerung gethan: „ÖHner wünfdjt meinen Xob; ich mil6 fterben, lieber heute al* morgen." $cm mit feinen eigenen Steigungen übereinftimmenben 9iatt)c aflajarin* fol- genb , gab ßubmig bem ßarbinal feinen Nachfolger , unb al* bie sJcätt)e bie grage an ihn richteten, an wen ftatt be* Äarbinal* fie fich in Sufunft $u tt>enben hotten, antwortete er ihnen: „$ln mich fetbft. J8i*her höbe ich mc™e Angelegenheiten burch ben ber* ftorbenen £errn ßarbinal berwalten laffen; e* ift Qtit, baß ich tfe felbft berwalte. Sie werben mich mit ffixtm Nathe unterftüfcen, wenn ich *hn begehre. $er #err ^anjler wirb Nicht* , al* auf meinen iöefehl, unterfiegeln ; bie Staat*fefretäre werben Nicht*, nicht

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ihibtüigS XIV. crfte ©roberungStriege.

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einmal einen s$ag, olme meinen 23efef)t unterzeichnen. Sie rocrben täglich mir felbft 9ted)enfd)aft geben, Sie Hüffen nun meinen ©iilen, unb es ift an 3t)nen, benfelben auszuführen."

gubmigS XIV. erfte eroberungäfricflc.

(1667-1697.)

„granfreuV, fagt Submig XIV. in bem öon ifjm abgefaßten ,linterrid)t für ben Saupfun', „ift ein monarcfjifdjer Staat in ber meiteften 2tuSbef)nung beS SBorteS. Alle üfladjt unb Staatsgewalt rufjt in ben Rauben beS Königs ; eS fann im Steide feine Autori* tat geben , bie nidjt öom $önig eingelegt ift. $)iefe 9kgierungS= form ift bem ßfmrafter ber Nation unb if)rer ßage am angemef^ teuften. Alles , roaS fidj im Umfange Unferer Staaten befinbet, roeldjer SRatur eS auc$ fein mag, gehört Uns aus gleichem SRedjtS* titel an: baS (Mb in Unferer ^rioatfaffe, roie bie (Oelber in ben jpänben Unferer Sdmfcmeifter ober bie, meiere 9Bir im £>anbel ber Söttet Iaffen." Qn biefer Umfcfjreibung beS befannten AuSfprütfjS £ubnrigS: L'^tat c'est moi ber Staat, baS bin id) finb bie ©runb$üge beS StyftemS gezeichnet, auf meinem bie SRegie* rung beS Königs Don bem Xage an beruhte, an meinem er felbft baS ben £änben beS fterbenben SJca^arin entfinfenbe Sauber beS Staates ergriff.

5)ie abfolute ÖJemalt , bie Subroig in feinem eigenen ßanbe auszuüben entfdjloffen mar , genügte jebodj roeber feiner #errfdj= fuetjt nod) feinem (S^rgei^. 28ie Sranfreid) itjn als unumjdjränf ten ©ebieter anerfennen unb in allen Stücfen fidj nriberfprudjSloS fei- nem SSiüen fügen füllte, fo moüte er auch ber (Srfte in ganz (Su- ropa fein unb ben Supremat JranfreichS in einer SSeife begrün^ ben, ber in allen europäischen Angelegenheiten bie f)öd)fte (Sntfdjeu bung oon ihm allein abhängig mache.

(bleich beim beginne feiner Selbftregierung befunbete Submig feinen Anfprudj , überall als ber (Srfte anerfannt 51t roerben , in einem Ülangftreit mit Spanien. AIS nämlich im 3af)re 1661 bei einer Auffahrt in ßonbon ber fpamfdje ©efanbte ben fortritt cor bem franjofifc^en in Anfprud) nahm, ber feit äarlS V. 3eit ben flbgeorbneten Spaniens nie beftritten morben mar, fam eS, ba ber fran$öfijd)e ©efanbte ihm burchauS öorfat)ren wollte , jmifc^en ber beiberjeitigen $>ienerfchaft ju X^ätlic^feiten, in welche fid) ber 2on~ boner $dbel ju ©unften ber Spanier einmiete. Aufs $üchfte tTjürnt, liefe ßubwig XIV. fofort bem ipanijd)en ÖJefanbten an ieinem £>ofe ben ©efehl jufommen , $ariS $u öerlaffen , rief ben

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Subhjig XIV. tooit ftranfreidj.

feinigen au3 Slcabrib jurüd unb brofjte feinem ©djttnegerüater brieflich mit bem unüerjüglidjen SSieberbeginn be3 faum beenbigten Krieges, toenn ber Vorrang beä franjöfifdjen SBotfdjafterS üor bem fpantfdjen nic^t üon ©eiten be3 $>ofeä üon ■äflabrib anerfannt toerbe. Wlipp IV. , ber e3 um einer einfachen (Stifettenfrage tniflen nid)t auf einen neuen ®rieg cmfommen (äffen iootltcr lieg feinem Sa^roieger* foljne burdj einen eigenen SBotfdjafter bie (Srftärung überbringen, bafj er feinen SJciniftern befohlen §abe, fünftig bei öffentlichen Seier* üdtfeiten nidjt metir mit ben franjöfifa^en ®efanbten um ben Vor- rang §u ftreiten, tuorauf öubttrig, ber biefe ©rflärung in ©egemuart beä £ofe3 unb aller fremben SBotfdjafter entgegengenommen, fid) an bie Sedieren mit ben Korten tüanbte: „3$ Sitte Sie, 3§ren Herren biefe Gfrftärung mitgut^ei(en, bamit fie nnffen, bag ber fatfjo* lifdje ®ömg feinen ÖJefanbten befohlen f)at, ben meinigen bei jeber (Megenfjeit ben SBorrang ju (äffen. "

9codj ungteidj anma&enber benahm fid) Subtoig XIV. gegen ben $apft SUeranber VII. bei (Megenfjeit eine* am 20. Sluguft 1662 Sttrifdjen ben Seuten be3 franjofifccjen ©efanbten in 9iom, be3 ftoljen unb übermütigen $er$og3 üon <£r£qui , unb ben ©olbaten ber forfifdjen Seibtoadje be$ ^apfteS in golge be$ freien unb anmaßen* ben STuftretenS ber (Srfteren aufgebrochenen Streitet, bei toeldjem bie erbitterten Dorfen nad) ben genftem be3 ©efanbten gefdjoffen, mehrere Liener be£ ÖJefanbten üernmnbet, unb einen ^agen beä* felben getöbtet Ratten. Sluf bie ftunbe üon biefen Vorgängen berief Öubmig fofort feinen ®efanbten üon sJtom jurüd, lieg ben päpftfidjen 9cuntiu3 bura) franjofifa^e Leiter über bie ÖJrenje bringen unb traf 2(norbnungen jur (Sntfenbung franjöfifdjer Gruppen in ba$ päpftüd)c (Gebiet. Um bie Sadje gütttdj beizulegen , erflärte fid) ber s#apft ju einer Ötenugtljuung bereit; Öubnüg ftellte jebodj bie auäfdjroeifenbften gorberungen unb Ue& , alä ber päpftttdje £of zögerte , auf biefetben einzugehen , s2(ütgnon unb bie 0raff$aft Öenaiffin befefcen unb ein #eer üon ciuunbjmanjtgtaufenb SOcann nach Italien abgeben. $er auf« s#eu§erfte bebrängte $apft , ber üergebenä ben Qorn be3 Königs burch ftrenge öeftrafung ber Ur- heber ber bei bem Xumulte begangenen 2Iu3fchreitungen ju befchunch* tigen gefugt hatte, faf) fich in feiner Jpilflofigfeit gelungen, fid) aücm 51t fügen , roaS ber übermütige $önig üon ihm üerlangte. ©0 lourbe am 12. gebruar 1663 ju $ifa ein förmlicher griebe untere Zeichnet, in metajem ber s#apft fid) unter s2(nberm üerpflia;ten mußte, bura^ feinen atz Öegaten naa) granfreid) ju entfenbenben vJleffen 3abio ©fjigi megen be§ iöorgefattenen öffentlich Abbitte tt)un ju laffen unb bie forfifdje Dcation für immer üon bem päpftftdjen Dienfte au§pfa)lte6e:i. s2(uBerbem foüte ber iöruber be« ^ßapfteä, ifflaxco (J^igi, aU Oberbefeid()aber ber papftlidjen Xruppen fiaj

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Subrotgä XIV. erfte groberuitgäfriefle.

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t"cf>riftlui) bei bem ÄÖnig oon granfreich toegen ber bem franjöfifchen ©efanbten zugefügten SBeleibtgungen entfchulbigen , ber (SJouöeraeur oon 9iom, ber ®arbinal Qmperiali, ftch perfonlich ju bem gleichen 3toecfe nach ^3ari« begeben unb enblid) Sluguftin £J)tgi, ein anberer 9teffe be« Zapfte«, mit feiner ©emahlin, einer farnefifchen $rin* jeffin, bem fterjog oon (ixtqui unb beffen ©emahlin bei beren 8tücf* fe^r nach 9tom jehn 9#eilen lucit entgegenkommen , um benfelben ba3 ©ebauern be« <ßapfte« über ben Vorfall Dom 20. #uguft au«* jubrüefen. @rft nadjbem alle biefe ©ebingungen erfüllt roaren, er« hielt ber $apft Moignon unb Venaiffin jurüd.

3ur bouernben öegrünbung ber franjöfifchen Hegemonie fudjte fiubroig bie ©renken feine« deiche« bura) (£roberung«friege ju er= lueitern, beren Erfolg ebenforoohl burch bie treffliche Drganifation be« franjöfifchen §eertoefen«, at« burd) bie große ßahl Ijeröorragen* beT gelbherren gefiebert feinen , bie ßubmig feinen Zruppen $u gührern geben fonnte in ben erften Reiten l)auptfäa)lta) Sonbä unb Xurenne, fpater bie frieg«luftigen DJtarfchälle, bie fid) in ber Schule biefer beiben gelbherren au«gebilbet Rotten.

$ie erfte Gelegenheit ju ber erftrebten (Srroeitcrung feine« fteidjeS bot fid) ßubmig XIV. im Qaljre 1665 bei bem Xobe fei* ne« (Schttnegeroater« Philipp IV. bar. Obgleich er unb feine ®e* ma^Itn in bem purenäifchen grieben auf alle ßänber ber fpanifdjen ^onarc^ie Verzicht geleiftet Ratten, erl)ob er Slnfpruch auf bie fpanifdjen s#ieberlanbe, unter bem Vortoanbe, ba§ feine unb feiner Gemahlin SSerjic^tleiftung auf biefe fiänber wegen be« in benjclben geltenben befonberen (Erbrechte« feine Slnroenbung finben fönne unb überbte« ber ganje Vertrag hinfällig fei, meil bie feiner Gemahlin al« 2lequi= oalent jugefagte ÜÄitgift nicht in ben feftgefefcten griften befahlt morben fei. ^fyilipp« IV. SBittme Wlaxia s2lnna, bie Xocfjter ®aifer gerbinanb« III., bie für ihren minberjät)rigen Sohn $arl II. bie Äegentfa)aft führte, nrie«, unter Berufung auf ihre Verpflichtung, ihrem Sohne bie Gefammtheit ber Üflonardne ungejc^mälert $u et« galten, ßubnrig« gorberung jurücf, unb bem Sinflitg s#nna'« oon Cefterreich gelang e«, bie @roberun«gelüfte ihre« Sohne« für ben ^ugenblicf in Schränken ju haten; nachbem jebod) auch fie am 20. gebruar 1666 im Hilter oon oierunbfech^ig fahren in« Grab gefunfen toar, befchlofj Submig, ber fich erft jefct oollftänbig frei fühlte, feine s2lnfprüche auf bie ftieberlanbe bura) Söaffengemalt $ur Gel* tung ju bringen.

3m äftai 1667 rücfte Xurenne mit einem Speere oon fünfunb- breißigtaufenb 3Jiann, bem noch cinc ^teferöearmee oon jroanjigtaufenb ^Jcann folgte, in glaubern ein, unb ba bie $um Kampfe nicht gerüfteten Spanier nur geringen SBiberftanb leiften fonnten, mar in furjer ßeit ein großer Xheil be« ßanbe« oon ben granjofen befe^t. ©leid) erfolg*

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Subroig XIV. uon granfretd).

reid) mar bcr im Qo^re 1668 unternommene Gränfaß ßonbä'S in bie gramf>e*(£omtc, bie innerhalb ftebjelm Sagen faft ofme Sdjmert; ftreic^ befefct mürbe. Sdjon f>iett fia) Submig in bem erftrebten ©eftfce ber SKieberlanbe für gefidjcrt, als ifjm ganj unermartet in feinem 'Siegesläufe ein gebieterifdjeS |>alt jugerufen mürbe. 3>te burd) bte reißenben gortfajritte ber granjofen mit ©eforgniffen für ü)ren eigenen iöefifcftaub erfällten £oÜänber Ratten auf bie *8eran* taffung iljreS ftaatsflugen föatljSpenfionärS 3o^ann be SBitt mit Scfymeben unb ©nglanb, in melay lefcterem fianbe feit bem igafjre 1660 baS ßönigtlmm unter Äarf* I. Sofme ®arl II. IjergefteHt mar, ein iBünbuifj, bte fogenannte Xriple^Hianj, gefd&loffen, in meinem bie brei 9)Ma)te fic^ öerpflidjteten, als griebenSöermittler jmijd)en granfreia} unb Spanien aufzutreten unb, falls ü)re gütliche Xajmifajenfunft fruchtlos bleiben foHte, granfreidj ju fianbe unb jur See anzugreifen. $>a Submig auf einen allgemeinen ®rieg nidjt vorbereitet mar, fjielt er es für geraden, fia) ju einem grieben ju bequemen, ber tfjm immerhin SBortfjjeile in SluSfidji ftellte, meldje bie geringen €pfer feiner bisherigen ÄtiegSfüfjrung bebeutenb übermogen. 3n bem am 2. Sftai 1668 ju Slawen abgesoffenen griebenS* vertrag gab er bie grand)e=(£omte an Spanien jurücf unb blieb ba= gegen im Jöcfi&e ber in ben SRieberlanben gemalten Eroberungen, fo bafe baS (Gebiet öon ber ätteereSfüfte bis *ur Sambre mit Dielen mickrigen Stäbten an granfreidj fam.

Xer griebe öon Maasen mar inbeffen nur ein furjer 2Baffem ftillftanb. Saum mar berfelbe unter jetdmet, als im Statte Sub- mtgS XIV. neue (SroberungSpläne entmorfen mürben. $>cr ®egen= ftanb berfelbcn mar bie SRepublif ^pollanb, bereu öefifc, mie ber ttriegSminfter ßouöois bem ®önig eiugefyenb auSeinanber fefcte, giaufreia) nidjt nur unberechenbare £>anbelSüortl)eile, fonbcrn auä) bte ütöglidjfeit beS fpäteren (SrmerbS ber fpanifdjen vJcieberlanbe unb ber MuSbcfynung ber fran$öfifd)en ©renje bis an ben 9if)ettt in s2luS= fidjt ftellte. $em $önig felbft fagten ßouooiS' $läne um fo meljr ju, als er üor iöegierbe brannte, bie ^ollänber für bie ®ülmf)eit, mit meldjer fie in feinen Siegeslauf einzugreifen gemagt, feine Staate füllen zu laffen, unb fo mürben alsbalb bie umfaffenbften SDkß^ regeln zur £$ermä)tung ber Ijollänbi [djen Üiepublif getroffen.

(S^e mir ben Verlauf beS öon äubmig XIV. geplanten jmei* ten (SroberungSfriegeS fdulbern, müffen mir einen iölitf auf bie dnU micflung ber Ütepubtif ber oereinigten 9iteberlanbe feit ber ^Inerfen- nuug i^rer Selbftftänbigfeit öon Seiten Spaniens im grieben öon fünfter merfen. Sa)on ein $at)x oor bem s2lbfdjluf3 biefeS griebenS, im ajiärz 1647, mar ber ^rinj griebriä) jpetnria) öon Dramen, ber im 3a*)re 1625 feinem finberlojeu öruber 3ttorifc in ber Statt; l)alterfd)aft gefolgt mar (f. $b. V. S. 315) mit Xob abgegangen,

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ßubroigö XIV. erfie groberimgStriegc. 65

iein mit bcr englifchen ^ßrinjeffin HJcaria, ber Xodjter ®axl'$ I., Dermalster @ofm SB il he Im II. jcboc^ erft im 3af)re 1648 jum Statthalter ernannt toorben. $a er nach bem ^(bfc^lufe beS tt>cft- fälifehen griebenS ba3 IfriegdOolf in ftärferer Slnjahl beibehalten roiffcn wollte, als bie ©tänbe oon §o£tanb, unb ba biefe eigenmächtig neununbjroansig öon ihnen bejahte gähnen entlaffen Ratten, mar ber fdjon bei bcn remonftrantifcben Unruhen ^erüorgetretene ©treit über bie gragc, ob bie ©ouoeränität bei ben ©eneralftaaten, welche auf ber Seite be§ ©tatthalterS ftanben, ober bei ben ^roöinjial- jtänben fei, mit erneuter £eftigfeit ausgebrochen. 9cach einem Oer» unglüeften SBerfuche be3 ^rinjen, biefe grage burch einen Ökmalt- ftreich in feinem ©inne ju entfcheiben, mar e* ben ©eneralftaaten gelungen, bie ImBänbifchen ©tänbe jur Wachgiebigfeit ju beroegen, unb fo war bie Streitfrage bahin erlebigt toorben, ba& ba£ IRec^t ber Haltung unb Slbbanfung ber Gruppen für alle Seiten ben ©eneralftaaten oerbleiben folle.

9loct) in bemfelben 3ahrc (1650) ftarb SBiüjelm II. im nod) nid)t ooflenbeten oierunbjtoanjigften Sebenäjahre. SSährenb ber 3Einberjäf)rigfett feinet erft nach feinem Xobe geborenen ©ofmeä SSil^elm Heinrich, erlangte bie ariftofratifc^e Partei", an beren Spifce ber im 3af)re 1653 im 2llter oon achtunbjtoanjig fahren jum SKathäpenftonär ernannte Qohann be SBitt ftanb, über bie oranijdje fo entfdueben ba$ llebergemicr)t, ba§ fie ben oon ben ^ßro~ öinjialftanben im Qanuar 1651 auf einer SBerfammlung im £>aag gefaxten Sefctjlug, für bie gufunft feinen ©tatthaltcr mehr $u er- roä^lcn, aufrecht halten tonnte. (3Kn im Qafjre 1651 jtoifchen ben ^Icieberlanben unb (£nglanb aufgebrochener unb mit ungewöhnlicher partnäefigfett geführter ©eefrieg, ber burch bie SSeigerung ber ®eneralftaaten, fich ber englifeben SRepublit an^ufchliefeen, h^rbeige= fü^rt toorben mar, oerlief infolge ber entfduebenen Uebermacht ber @ng= länber jum 9^acr)tr)eile ber Ücieberlänber unb mürbe im 3ahre 1654 nad) $etm blutigen ©eefchlachten burch einen grieben beenbigt, in sichern bie föieberlänber oerfprachen, fich niemals ber geflüchteten ftönigSfamilte oon ©nglanb anzunehmen unb ihre gahrjeuge in ben bringen ®emäffern ftetd oor englifchen $rieg3fchiffen bie glaggen Streichen ju laffen.

9caa) Dcr $erfteßung be3 griebenä mit (Jnglanb mifchten fich bte Scieberlänber in ben #rieg #arl (SJuftao'ä oon ©daneben mit $ofen unb $änemarf, um burch °*c Unterftüfcung biefer beibeu dächte ihre burch bte (5roberung3gelüfte beä ©chrocbenfbnigä ge* Erbeten .imnbeläintereffen auf ber Oftfee ju fchüfcen. Wachbem bie ®eneralftaaten bereit im 3af)re 1656 eine ©ef ajung nach $an3ig flftnbi, um biefe ©tabt gegen ben Singriff ftarl ©uftao'ö &u Oer* Wigen, erfchien im Sahre 1658 eine hollänbifche glotte im ©mibe

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66 Subroig XIV. t?on grmtfrei^.

unb brachte, nacf) einem fiegreidjen QJefedjte mit ber fc^tt»ebifc^en (Seemacht, Verhärtungen naa) Kopenhagen. $)a ®arl Öuftaö trofc= bem ber bon ©nglanb, granfreid) unb ben Sftieberlanben an Um ge- sellten gorberung, aläbalb grieben ju fdjlie&en nidjt nadjfam, führte ber l)oUaiibtid)c Slbmiral be SRuöter fiebrig $rieg3fd)iffe burdi ben ©unb unb blocfirte bie fdjmebifdjc glotte in ®arl£frona (1659). Xiefen kämpfen, auf meiere nrir in ber norbifdjen ÖJefdudjte jurücf* fommen werben, madjte ju Anfang beä folgenben Qa^reaber Xob $arl ©uftaö'3 ein (Snbe.

Qm Qaljre 1665 mürben bie SRieberlänber in einen neuen ©ee* frieg mit ©nglanb öernricfelt, ju meinem ein Singriff ber (Sngläuber auf bie t)oÜänbifd)en gortä in ©uinea, fonrie auf bie Jöeftfcungen ber 9iepublif in SRorbamerifa bie erfte SBeranlaffung gab. 2113 ber sJtatf)£penfionär be SSitt in golge biefer Singriffe ein ftrengeS Sßer* bot gegen bie (Sinfutyr englifdjer gabrifate erlieg, erflärte föarl II. am 14. Sttärj 1665 ben ©eneralftaaten ben Ärieg, burd) welchen er jugleid) einen günftigen Umfcfjnmng für feinen Neffen, ben jungen ^rin^en üon Dranien, J>erbeijufü^ren hoffte. 9iad) einem jtt>ei= jährigen n>ed)felootlen Kampfe, in meldjem bie nieberlänbifdje 9tepu* blif unter ber gefdudten $riegäfüf)rung ber berühmten 6eef)clben be Gunter unb Gomeliuä £romp au&ergemöf)nlidje Gräfte ent= faltete, inbem bie ariftofrattjdje Partei bem Seemejen bie größte gürjorge gennbmet ^atte, mürbe im 3ahre lß67 ju Söreba ein griebc gefdjloffen, ber nid)t nur baS 2lnfef>en ber SRepubltf bebeu* tenb erf)öl)te, fonbern if>r aud) toefentlid)e $anbel3öortheile üerfdjaffte.

93ei ber gehobenen Stimmung, toeldje bie glücflidje SBeenbigung beä Krieges unter ber SBebölferung verbreitet ^atte, gelang es be SBitt, eine Maßregel burd)$ufefcen, meldje bie Parteien oerfö^nen, jugleia) aber aud) ben Draniern bie 9}föglid}feit benehmen füllte, it)re Wlafyt jum 9tadjtfjeile ber greit)eit be« ttanbeä $u gebrauten, ©in im Safere 1670 erlaffeneä (Ebift, bie fogenannte „s2lfte ber $ar-- monie", beftimmte, bajj jmar bie ©tattf)alterfd)aft in ben 9iieberlan= ben mieberum in3 Seben treten fönne, aber nur unter ber S8e* bingung ber Xrennung berfelben bon ber Dberbefeljtefjaberjdjaft über bie £anb* unb ©eemadjt.

<So lagen bie 2>inge in £olIanb, alä ßubmig feine SBorberei* tungen $ur Vernietung ber föepublif traf. Um ben ©rfolg beä ge^ planten Unternehmens ju fiebern, fud)te er bie Jpoüänber ju ijolireu, fid) felbft aber burdj SBünbniffe ju ftärfen. ßunädjft galt eä, bie Xriple-Miana $u fprengen unb £>ottanbä bisherige VunbeSgenoffen auf bie ©eite granfreidjä ju jie^en. S)ie§ gelang bem $önig un* ferner bei $arl II. Don (Suglanb, ber gleich nadj bem s2lbfc^lu6 be^ Slac^ener griebenä geheime Unter^anblungcn mit i^m angefnüpft. $arl II. trachtete nämlia), ungemamt bura^ bad traurige Sa^trfi'al

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fiubwig« XIV. erfte GroberungStricge.

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feines SBater«, nadj ber $>erftellutig einer unumftfjränften ®önig«ge* walt unb glaubte biefe« Siel am fitfjerften buref) ben 2lnfd)luß an granfreief) erreirfjen $u fönnen ; audj fjatte er bie 2lbfid)t, jur fatljo* Uferen ßirdje überzutreten, unb wünfdjte, üon Subwig bie nötigen (^elbmittei pr Unterbrürfung etwaiger aufrüljrertfdjer Bewegungen $u erhalten, bie burd) biefen Schritt oerurfadjt werben fönnten. $a Öubnrig bereitwillig auf fein ©erlangen einging, fam jwifdjen ifmt unb finrl ein geheimer ©ertrag $u 8tanbe, in welchem ber fiefctere üjm gegen ba« ©erforedjen einer ©ubfxbie oon $Wei ÜftiHionen 8iü* rc4 unb ber Ueberlaffung ber *ßrooin$ ©eelanb bei ber bemnädrftigen Xljeüung ber üereinigten SRieberlanbe ben SBeiftanb ber frieg«bewäf)r* ten Seemadu" feine« SReidje« jufagte.

SSie ©nglanb, fo erflärte fidj audj Schweben bereit, für eine jafn*licr)e Safjlung oon fed)«l)unberttaufenb X^alern ein &eer öon fedjStaufenb 3Rann in ^ommern unb ©remen aufjuftclleu, ba« gegen jeben beutfajen 9teid)«ftanb oorgefjen follte, ber etwa jur Unterftüfcung ber $oHänber rüften toerbe. SSeitere ©nnbe«genoffen fanb Subwig XIV. in bem ©rjbifcfjof äßajimilian £einrid) oon &öln unb bem gurftbijd>of oon fünfter, bem frieg«luftigen ©ern- Ijarb oon ©alen, oon benen ber ©rftere längft im ©djlepptau granfreidj«, ber ßefctere mit ben Sßieberlänbern oerfeinbet unb ba= ^cr gern bereit war, bem $önig oon granfreidj ju ifjrer Unter* werfung jebtueben ©eiftanb §u leiften. Slud) bie Jperjöge 3of)ann griebrid) oon £>annoüer unb ©fjriftian oon 9fterflenburg*©a^werin fagten Subwig XIV. £ilf«truüpen ju ; ©raunfd)Weig, ©aiern, 2Bürt= temberg unb bie $fal$ oerfprad)cn, neutral $u bleiben, ©elbft ber ftaifer Seopolb ließ fidj burd) feinen erften 2JUnifter, ben (trafen £obfowi$, ber, olmef)in ein eifriger ©ewunbercr £ubwig«, ben grie* ben mit granfreid) um jeben $rei« aufregt ju galten fünfte, im ftooember 1671 jum \>ibfd)luß eine« ©ertrag« mit Subwig bewegen, in welchem er bemfelben oerforadj, fidj in feinen ®rieg etn$ulaffen, ber außerhalb be« beutfdjen fReic^ed unb ber fpanifdjen 3#onardjie geführt werbe, unb ben oon granfreidj angegriffenen 9)täd)ten feinen anbern ©eiftanb ju leiften, al« ben einer freunbfd)aftlid)en Vermittlung. 2ludj ©panien, beffen 3n*creffcn ourc§ öon 8U0* iftg beabfiduHgte Eroberung ^ollanb« auf« Sleußerfte gefäfjrbet waren, wußten bie franjöfifdjen QJefanbten burd) it)re biploma- tija^en fünfte ju bewegen, fid) jeber (Sinmifdjung §u ©unften jpoüanb« $u enthalten. Unb wo bie fünfte ber $olitif unb bie Sftadjt be« (Selbe« nidjt au«reidjten, ba mußte Gewalt jum Qitlt füfjren. 211« ßubwig XIV. erfuhr, baß ber $erjog $arl IV. oon Sotfningen, ber längft feiner 2lbf)ängtgfeit Oon granfreid) mübe war, ben ©eneralftaaten ba« Anerbieten gemalt, auf i^re Soften ein |>eer für fte in« gelb ju fteUcn, ließ er beffen §er$ogtimm burc^ feine

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Subnüg XIV. oon ftranfreid).

bereit fteljenben Gruppen fo rafdj befefcen, bafj ber £>er$og faunt 3eit fanb, per) burdj bie 3f(ucr)t öor ber @)efangenfd)aft ju retten.

©ä^renb 3*ortfreid) für ben beöorfteljenben ©roberungSfrieg, nict)t nur jafylreidje SBunbeSgenoffen, fonbern aud) in ben reichen £>ilf£^ . quellen, bie £ubung§ tfjätige unb fraftöoüe ^erroaltung im Innern be£ fHctdtje^ erfd)loffen, bie auägiebigften Littel jur ^erfteßung einer jaf)lreicf)cu , mit allem SRötrjtgcn im ileberflufj üerfe^enen #riegämaa}t gefunben , fallen fid) bie Sftieberfänber jur Slbmeljr ber i^nen brofjenben ©efafjr faft au^fcrjliegüct) auf it)re eigene $raft angenüefen. 3^r einjiger SbunbeSgenoffe mar ber mit ber ©djmefter 2ötlt)e(m« II. öon Oranien öermäfjlte $urfürft griebrid) 2Stlf)elm öon Söranbcnburg. SBergebenä fmtte Submiö, XIV. bemfelben einen $f)eü ber ju madjenben Eroberungen als *ßrei3 feiner SöunbeSge* noffenfdjaft angeboten, auf meiere er ein ganj befonbereS ®emicf)t legte: in richtiger SBürbigung ber ©efal)ren, mit meldjen ein s2In* griff auf ^oHanb ba3 bcutfct)e föeicf) unb inäbefonbere feine eigenen nieberrfjeinifdjen Söefi&ungen bebrol)te, t)atte ber fturfürft nietjt nur ba$ öon ßubnrig iljm angetragene SBünbnifj entfäieben abgelehnt, fonbem aud) bie ifjm angefonnene Neutralität jurüefgemiefen, inbem er entfdjloffen mar, ben gefafjrbrofjenbcn Eroberungägelüften beä $önig$ öon Sranfreid) mit allen feinen Gräften entgegen ju treten. #11 biefent (5nbe t)attc er am 26. Slprtl 1672 mit ben ®eneral= ftaaten ein Söünbnig gefdjloffen , in meinem er ifmen ^mansigtau- fenb 9J(ann §ilfätruppen jufagte, öon benen bie 4>älfte burd) tjoHäns bifdjeS ©elb unterhalten merben foüte.

3n$roifd)en mar bereit« am 7. SIpril 1672 bie &rieg*erflärung granfreidjS an bie 9tieberlanbe unb balb barauf audj bie öou Eng- lanb erfolgt. 9todj in bemfelben Üftonat erfdjien ßubmig felbft, um= geben öon ber SBlütfje beä fran$öfi)cr)en 3lbelä , an ber ©pi£e öon einmall)unbertjmö(ftaufenb äJcann, bie, in jmei £>eere geseilt, öon (Sonbö unb Xurenne geführt mürben, an ber r)oHänbifcr)en (5)ren$e. ^tujger bem fötieg^minifter £ouöoi3 unb bem berühmten SBauban, ber al3 ber erfte Qngenieur feiner 3eü bie söelagerungSanftalten lei- ten folltc, befanb fict) im (befolge be3 Königs aud) ber ÖJcfct)icr)t^ fdjreiber sßeliffon , bem bie Aufgabe juget^eilt mar , beS ftönigä ©rofetfjaten als Slugenjeuge ber sJcacr)melt ju überliefern, ©letcf^ei* tig mit ber franjofifa^en £>auptmad)t tjatte fiel) aud) ein beutfd)c$ £eer öon jmanjigtaufenb SJtonn öon ®öln unb fünfter auä unter bem fran$üfifd)en äftarfdjall öon ßujemburg nadj bem ®rieg3fd)au= plafce in Söemegung gefegt.

£a bie ariftofratija^e Partei feit bem $obe 28ilf)elm3 II. ifnre gan$e Slufmerffamfeit ber Slotte jugemanbt unb barüber bie Sanb= madjt gänjltd) öernaa^läffigt ^atte, fonntc bie 9iepubUf ben geroal- tigen Xrnppenmaffen, bie fic^ gegen it)re ©renken Ijeranmäljten, nur

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SubnngS XIV. erfte eroberungSfricgc.

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ein £eer üon jroansigtaufenb äRann entgegenftetlen. SOcit fo unge* nügenben Streitfragen war ber jroeiunbämanjigjährige 2S U h e l m oon Oranten, ber jum Oberbefehlshaber ernannt morben aber nic^t , rote feine Anhänger »erlangt , anf Seben^eit , fonbern nur für bie $5auer be£ beüorftehenben Krieges um fo weniger im ©tanbe, gegen ben übermächtigen Seinb irgenb (StmaS auSju^ rieten, ate e$ ihm bei alT feinem SRuthe unb feiner herüorragen* ben Klugheit an ber nötigen StiegSerfahrung fehlte. Unaufhalt* )'am brang baS fran^öfifche fteer , nachbem e$ am 12. $uni bei SolIfmuS untueit imüffen olme ©chmierigfeit benSRhein Übertritten unb mit leidster 9Jiür)c eine große &a$l oon geftungen jur (Er- gebung gelungen r)attef bis $u ber $roüinj $ottanb üor.

Xie 9Ueberlänber begannen an ihrer Rettung 5u üerjmeifeln, unb ber Umoille be3 großen $>aufen3 manbte fich gegen be SSitt, bem man nicr)t mit Unrecht bie üollftänbige Söehrlofigfeit beS San* be* jur Saft legte. 814 berfelbe in ber höchften «Rott) Unterhand- lungen mit granfreich anknüpfen fudjtc, gelang eS feinen GJegnern, unter bem SBolfe ben ©erbaut ju ermeden, er fpinnc ©errath gegen feirt ©aterlanb unb motte bie SRepublif bem geinbe üerfaufen , um bie oranifdje Partei nicht gum ©iege gelangen ju (äffen. <Radj einem üerfctjlten SRorbanfchlage auf ben SRathSpenftonär erjmang baä meift oranifch gefinnte ©olf bie Aufhebung beS (£bift3 , burdj welches bie Trennung ber ©tatthattermürbe unb ber Oberbefehls^ baberfetjaft oerfügt morben mar, fomie bie Ernennung SBithehnS III. mm Dramen $um lebenslänglichen Statthalter oon ^oflanb unb Seelanb, ben beiben einzigen üon bem 3einbe noch nicht befefeten ^rooinaen (2. 3uli 1672).

Obgleich be SSitt hierauf feine ©teile niebertegte, mar ber £aß feiner Gegner nicht befriebigt; fie hörten nicht auf, bie Erbitterung, bie fie unter bem ©olfe gegen ihn $u meefen gemußt , in immer f)öb,erem (3fcabe anzufachen. Sluf bie SfaSfage eines notorifchen ©öfenrichteS, beS ©arbierS Xidjetaar, ber ben ©ruber beS SRathS- penfionärS, ben SIbmiral SorneliuS be SBitt, befchulbigte, er habe ihn burch ©elbüerfprechungen jur Grrmorbung beS bringen oon Oranien $u üerleiten geflieht, mürbe berfelbe gefänglich eingebogen unb ben auSgefud)teften golterqualen untermorfen, um ein (Skftänbniß oon ihm JU erjmingen. $aum ha^e er biefelben mit bem ihm eigenen |>elbenmuth* unter fteten ©etheuerungen feiner Unfdmlb überftanben, als ein müthenber ^öbelhaufe ihn mit feinem ©ruber , ben man unter bem ©orgeben, baß ber (befangene ihn ju fprecheu münfehe, in feine 3efle gelocft, aus bem ©eföngniß riß unb ©eibe unter barbarifchen hartem töbtete. $ie üon ben ©tänben üon ^ottanb üerlangtc ilntcrfudjung unb ©eftrafung mürbe burch ben Statthat tcr üerlunbert, ber fogar bem Auflager beS Kornelius be Söitt ein

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fiubroig XIV. oon 3rranfreid>.

3<u)rgcl)a(t au*fe|jte. ®raft einer bem ^rinjen *>on Otanien öon ben ©eneratftaaten erteilten SBoümadjt würben alle 2(nf)änger be SBitt'* aus ber gaf)I ber ^Beamten unb ftäbtifdjen 9#agijrrate öon iljren ©teilen entfernt.

3fnbeffen trat balb für bie fo fdjrcer bebrofjten lieber länber, öon benen bie SReidjeren bereite ben ©ebanfen in* 2luge gefaxt, mit tyren ©djäfcen nad) Oftinbien ju entfliegen, um bort eine neue SRepublif ju grünben , gu roeldjem ftc «ne 2lnjaf)l . öon

©Riffen jur $lbfa§rt bereit gelten , eine SBenbung §um Söefferen ein. SBäljrenb ber ^ßrinj öon Dramen bie gortfdjritte ber gran^ jofen baburd) fjemmte, ba§ er bie 55ämme, meiere bie gluu)en ber ?)ffel, be* SRfiein*, be* £ecf* unb ber äfteröe jufammenfjalten, burd)= ftccr)en unb fo ba* ganje ßanb unter SSaffer fefoen Heß , gelang e* bem ©eefjelben be SRutjter, bie beabfidjtigte fianbung ber frangöfifer)* englifcf)en Sflottc auf ©eelanb $u oereiteln; audj näherte fidj ber ®urfürft öon ©ranbenburg mit feinem £ilf*fjecre ber f>oflänbifcf)en ©renje. $er fiefctere fdjlog $roar am 6. 3uni be* folgenben 3<tljre*, tfjeil* roeil ber Faiferlidje Selbfyerr HHontecuculi , ben ßeo- polb iljm, feinem drängen nadjgebenb , mit fe^e^ntaufenb Sttann 3um ©cfjufce ber beutfdjen ©renken beigegeben , in Solge geheimer befehle be* ©rafen ßobforoijj ir)n in feinen Söetoegungen me^r fjemmte al* unterftüfcte, tfjeil* aud), meil ü)m ba* 2lu*bleiben ber öon $oHanb jugefagten ©elber bie größten Sßerlegenfjeiten bereitete, mit fiubnrig $u SBoffem bei £üttid) einen grieben, in roeldjem er gegen bie föütfgabe feiner öon ben granjofen befefcteh Glcöifdjen ©tabte fein ©ünbnif? mit ben ©eneralftaaten aufgab; bafür traten jeboet) öerfdncbene anbere Sflädjte al* ©egner ßubttig* auf ben #rieg*fd)auplafc.

3unäd)ft bemog bie ofme jebe ^rieg*erflärung erfolgte 2Beg= nalmte Belgien* burd) ßubmig* ©ruber , ben $erjog ^rjilipp öon Drlean*, ba* #abinet öon SRabrib, au* feiner bi*i)erigen fteutralU tät f>erau*5utreten. Shtd) in SBien fjatte fidj aHmäfjlid) eine ria> tigere Slnfrfjauung öon ben ©efafjren, meldje bie ^Bereinigung ber MepubM £>oHanb mit Sranfreid) für ba* beutfaje föeid) in fia) barg, Söalm gebrochen, unb bie (Sntrüftung über ba* ru<fficf>t*lofe Auftreten Subnng*, ber ba* (£rjbi*tf)um Xrier befefct , jefnt 9ieic§*s ftäbte im ©Ifafc an fidj geriffen unb bie üBefcftigungen öon Colmar unb ©djlettftabt ljarte fprengen laffen, befd)leunigte bie fRücffet)r be* ftaiferfjofe* $u ben alten unb ädjten ©runbjajen öfterreia^ifa)er ^ßolitif. %m 30. «uguft 1673 fdjloß ber ^aifer, beffen an 8mV rcig gejteßte gorberungen : Räumung be* beutfa^en ©ebiete*, 3urürf= gäbe ber befefcten feften ^ßtö^e, ©ntfdjäbigung ber beeinträchtigten, ^perfteflung be* £>er$ogü)um* Sotfiringen, ©ta^erung ber beutfe^en ©eredjtfame im @l{a6 unb in ben rfjcinifdjen ©i*t()ümern unb

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SubnrigS XIV. erfte (groberungSfriege.

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grieben«fdjlu§ mit (Spanien unb #olIanb, öon Submig XIV., mie oorauäjufehen mar, unberütffidjtigt blieben, mit bem König öon Spanien unb ben <$eneralftaaten ein Bünbniß jur gemeinfamen Befämpfung Subroig«. tiefem Bünbnifj, ba« neben ber Slbmehr ber bem beut* idjen Steide brobenben ©efa^r bie Sicherung be« fpanifdjen Beft(j* ftanbe« in ben Sßieberlanben unb bie STufredjtfjattung ber Integrität ber Ijollänbifdjen SRepublif bejroetfte , trat aud) ber #erjog Karl oon Lothringen jur SBiebereroberung feinet Öanbe« bei.

SBafprenb bie fpamfdjen Gruppen, bie ber ®raf öon Sftonterety in ben itieberlänbifdjen ^roöinjen jufammengebracht, ftd) mit benen be$ ^rinjen öon Dranien jum gemeinfamen Kampfe gegen (£onb£ öereinigten, ber am 1. 3ult Sftaeftridjt erobert ^atte, führte Xurenne ba« ibm unterftehenbe $eer nad) bem füblidjen $)eutftf)lanb, um ben mit einem $eere öon breifjigtaufenb SRann fieran^ie^enben faifer* liefen gelbherrn SRontecuculi öon bem ^ollänbifd&en Krieg«f3>au= plafce abzuhalten, unb obgleidj ber franjöftfche Oberbefehlshaber perfönlidj milb unb menfäUdj mar , ergojfen fidj balb über bie 9üjein*, SRain* unb flteefargegenben bie ©Breden ber öanbalem artigen Kriegführung , bie ßouöoi« al« ba« ftdjerfte TOttel jur geglichen ©ntfräftung ber ©egner granfreich« in Slnroenbung ge* bradit roiffen mottte.

3ttontecuculi , ber feinem berühmten ©egner öollftänbig ge= madjfen mar, nötigte bura) getiefte Beilegungen ba« bi« nadh granfen oorgebrungene #eer $u ftetem 3urürfmetchen bis über ben >Jihein unb manbte fict) bann natf) bem ftieberrhein, mo er ftdj bei «nbernadj mit bem ^ßrinjen öon Dranien öereinigte , ber ihm mit bem größten Xheile feine« $eere3 entgegen gebogen mar. Beibe unter* nahmen herauf, um ben granjofen ben ^Rücfjug burdj bie ßanbe be« Kurfürften öon Köln abjufdjneiben, mit einer Sruppenmadjt öon funfjigtaufenb 9)?ann bie Belagerung ber furfölnifchen <Stabt Bonn. Sergeben« fudjte donU, ber jum ©ntfafce ber ©labt herbeigeeilt, bie Aufhebung ber Belagerung berfelben $u erzwingen : er mußte fid> , naajbem Bonn im Eejembcr öon ben Berbünbeten erobert roorben , $um SRüdsug entfthlie&en unb fah fidj , um feine Ber* emigung mit Xurenne p bemerfftelligen , jur Räumung öon ganj §oflanb genöthigt. 9hir in 2Raeftrid)t blieb eine franjöftfdje Be* fajjung jurüd.

28ie ju Sanbe, fo nahm ber 5elb$ug be« Qahre« 1673 audj $ur See einen für bie SRepublif günftigen Berlauf. dreimal mürbe bie öon ber fran$öfifa)=englifd)en glotte öerfudjte Sanbung an ber hoflänbifdjen Küfte bura^ be 3tut)ter unb (Eomeliuä Xromp öereitelt.

Sftodj ungünftiger geftalteten fid) bie Berhältntffe für granf- reidj im Qahre 1674. Karl II. öon (£nglanb fah fief) bura^ bie »adjfenbe Unjufriebenheit feine« Bolfe« über ba« franjöfifdhe Bünb-

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Subtuig XIV. öon grcmfrei«.

ni& unb bie brohenbe Haltung beS Parlaments genötöigt, mit ben ftieberlänbern grieben ju f«lie&en (19. gebr.); au« ber Äurfürft öon ®öln unb ber gürftbif«of öon 9ttünfter föfmten fi«, öon Dra= nien unb ÜHontecucuti in ihrem eigenen (Gebiete bebrangt, mit $ol* lanb aus, unb baS beutle föei« entf«lofj fi« enbli«, na« langen, f«merfäHigen SBerhanblungen , im 3unt 1674 jum (£rla& einer ®rieg§erflärung gegen granfrei«. S)ieS gab au« bem ®urfürften üon Sranbenburg , ber fi« für ben gaff beS SRei«SfriegeS bie SBiebereröffnung ber geinbfeligfetten gegen granfrei« öorbehalten, 33eranlaffung, mit fe«$elmtaufenb 9flann, beren Unterhaltung ©pa* nien unb #oHanb übernommen fetten, auf &*n ®riegSf«aupla$ aurütfjufef>ren.

Zxofy biefer fo bebeutenb oeränberten ©a«lage mar Submig entf«loffen, ben ßtieg fortjufe^en; benn er fühlte fi« bei ber ihm mohlbefannten inneren ©«roa«e ber meiften ber toiber «n öerbün- beten 9ftä«te unb ihrem fanget an @ü«eit feinen ©egnem no« immer bebeutenb überlegen, unb ber Verlauf beS gelbjugeS öom 3ahre 1674 rechtfertigte im Allgemeinen feine Gfrmartungen. $ie gran«e^(£omte, in roel«e Submig felbft eingebrungen, mürbe inner* halb fe«S 2Bo«en erobert, unb meber in ber $fal$, bie abermals bur« bie ©«aaren £urenne'S öon grauenvollen SBerroüftungen h«nt= gefu«t rourbe, no« in ben Sfteberlanben, mo au« bieSmal ©onb^ bie franaöfif«e ©treitfraft befehligte, gelang eS ben Sßerbünbeten, bebeutenbe Erfolge $u erringen. $ie blutige ©«la«t bei ©enef (17. Aug. 1674) $roif«en (Sonbd unb bem Sßrinjen öon Cranien, in roel«cr na« bem föinbru« ber 9ca«t no« jmet ©tunben lang beim ©«eine beS SDconbeS fortgefämpft mürbe, blieb unentj«ieben ; bo« glaubten beibe %$t\U ®runb $u h^oen, fi« ben ©ieg juju* f«reiben.

SBährenb bie granjofen im folgenben 3a^rc Dcn lieber* lanben, mo ber $önig, mie gemöhnli« felbft ben gelb$ug eröffnet hatte, um na« bem erften gelungenen ©«läge na« SßerfaifleS jurücfjuf ehren, einige ißortheile gemannen, traf fie auf bem fübbeut|"«en $rtegS* {«auölafc *™ f«n>erer ©«lag. 9ca«bem Xurenne unb Sföontecuculi einanber eine Seitlang bur« 9ttärf«e unb ©egenmörf«e ben Söor* theil abjugeminnen gefu«t, jog fi« Sflontecuculi na« bem Xorfe ©aSborf unmeit Dffenburg jurüd, um h*er *n öortheilhafter ©teßung bem getnbe eine ©«la«t anzubieten. Xurenne, ber «m raf« gefolgt mar, traf ju berfelben foglei« äße Anorbnungen unb ritt in Begleitung beS Marquis öon ©aint^ilaire auf einen £>ügel, um bie SBemegungen beS geinbeS $u erfragen. 3njmif«eu hatte bie Sanonabe bereits begonnen, unb faum mar ber gelbherr auf ber Anhöhe angelangt, als er, öon einer Äanonenfugel in ben Unter» leib getroffen, entfeelt öom $ferbe fanf (27. Quli 1675). ©ein

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Subioigä XIV. erfte (JroberungSfriegc. 73

Xob rief in bem franjöftfdjen £eere eine fotdje SBeftürjung fjeroor, ba& bie ©d)lad)t aufgegeben werben mußte, SBon SHontecucuti Oer* folgt, jog fidj ba$ |>eer in aller (SKle unb nieftt ofme bebeutenbe Skrlufte an SRenfdjen unb ©epäcf über ben 8tf)ein jurürf. (Uauj granrreieb, trauerte um ben gefallenen £efben, mit meinem fetbft ßubnrig im erften Sdjrecfen 9Wea für oerloren &telt. ©eine ßeidje tourbe mit großem ©epränge in ber fönigägruft ju St. Xeni* beigelegt.

|>enri be ia %oux b'STuüergne, SBicomte be lurenne nadj bem $(u3fprudje 9tanfe'3 unter aßen Seinben, bie faifer unb SReidj jemals gehabt, einer ber größten u galt mit 9terf)t als ber er^ fafjrenfte rriegäoerftänbtgfte £>eerfüljrer 3*anfreid)$, ber roie fein anberer oerftanb , feine auÄ ben oerfdjiebenften SanbeSarten unb SebenSfreifen aufammengebradjten a^annfefjaften im Saum ju M ten unb au* ihnen einen toofjt organifirten Körper $u bilben, mit bem er alle*, roa3 er toottte, aufführen fonnte. Dabei mar er frei ton jeber 8etbftfudjt. „9ftemanb", fagt 9lanfe, „mar entfernter baoon, SReidjtyümer für fidj felbft gu fammeln. (5r fpradj nie oon fid); befdjeibenere unb roafnrfyafttgere Sftemoiren gibt e* nidjt, ate bie, meldte er oon einigen feiner gelbjüge t)interlaffen t)at ; fie finb eben ba3 ©egentljeü oon bem, read in ben anberen baS biftorifdje ©efüljl üerlefct. @r mar einer oon ben Sftenfdjen, bie in ber 9)atte einer großen unb toettumfaffenben X^ötigfeit , in ber Sfnfdmuung großer $itk ftd) felbft oerföroinben." $ie oon feinen Xruppen in ber ^falg oerübten ©raufamfeiten r)ielt erf gleidj bem fönig, bura) bie militarifdje fRäcffic^t unb SRotljmenbigfctt entfdjulbigt. „fein 3roeifel, baß feine (Seele bon aller Hinneigung ju perfönlidjer roaltfamfeit fern mar; er fjat Seuten bie Söaffen aus ben |>änben geriffen, roeldje unnufce ©raufamfeiten ausübten." (SRanfe). SSie fein alterer ©ruber , ber ^erjog oon löouiüon , im proteftantifdjen ©tauben erjogen , mar Xurenne im 3a(>re 1668, im Hilter üon fündig 3a^ren , burdj ben berühmten öoffuet befet)rt , jur fatbo* ii)cnen Miran uoergetreten.

£en Oberbefehl über baä oerroaifte #eer übernahm ber auä ben ftteberlanben abberufene $rinj oon ®onb£ ; bod) legte er, of)ne nodj ettoaS oon SBebeutung unternommen $u Imben, fdjon im folgen« ben SBinter ben gelbfjerrnftab nieber, um fid& in baS ^rioatleben ^urürfjujie^en. Som ^ofe faft oergeffen, ftarb er 1686 im fünf* unbfedföigften fiebendja^re auf feinem ßu)t|d)(offe e^antiUo bei $ari#. Qu ber gletdjen Seit , mie (£onb£ , 50g fic^ auc^ üflonte* cueuü oon feinem fommanbo jurücf, naa^bem ber faijer bereite im September 1675 in bem ^erjog farl IV. oon ßotljringen einen anberen bewährten getb^errn bura} ben 2ob oerloren r)atte. Xa* £>eer be* Sejteren übernahm beffen Sfteffe unb Grbe

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74 ÖubtDtfl XIV. öon granfreid).

®arl V., bcn wir bereit« in ben Xürfenfriegen ßeopolb« rennen gelernt haben.

2Tud) ber Horben $eutfdjlanb« mürbe ju biefer Seit öon bem ®rieg«getümmel' fjeimgefudjt , inbem ßubmig XIV., um ben $ur^ fürften ton ©ranbenburg Dom 9tt)eine abjujte^en , ben ®ömg ®axt XI. öon ©djmeben, ®art« X. ©ofm unb 9tad>foIger , $ur (£ntfenbung eine« #eere« öon fect)äefmtaufenb SRann unter bem falb* marfdwff Sörangel einem ©ruber be« legten fdjmebifd)en Dber* befebtöfyaber« im breifjigjärjrigen Kriege in bie SJcarfen beroog, bie öon benfetben mit ferneren SBranbfdjafoungen r)eimgefuc^t mür- ben, yiadfitm ber föurfürft, ber eben 3)e$ember 1674 im (£lfa& gegen Xurenne fämpfte unb fidj nidjt ot)ne bie äufjerfte S^ott) öon bem roeftlidjen $rieg«fci)aupla&e jurucfjie^en moHte, fid) öer= geben« bemüht rjatte, ben $aifer unb ben ®önig (£t)riftian V. öon 5)änemarf , (£t)rifrtan« IV. (Snfel unb jmeiten Sfcadjfolger , $um Stiege gegen ©cfjmeben ju bemegen, unb aud) bei ben Dtieberlam bem feine |>ilfe gefunben, bract) er im 3uni 1675 naä) feinem ßonbe auf unb erfocht am 28. in ber benfmürbigen <&d)lad)t bei g e t) x b e 1 1 i n über eine fdjmebifdje #eere«abtrjeilung einen Sieg, ber ben SRüdjug 2BrangeI« nadj Bommern jur golge t)attc unb bem ^urfürften für ben fortgefefcten $rieg mit ben ©ebrängern feine« ßanbe« bie s«8unbe«gcnoffenfcr)aft be« $önig« öon $>änemarf unb be« gürftbifdjof« öon fünfter öerfäaffte, meldje fiel) in Bremen unb ©erben ju tfjeüen gebauten.

93är)renb ber Äurfürft in bem folgenben Qatjre bie ©djmeben au« bem größten Steile öon ^Sommern öertrieb unb im 3at)re 1678 mit Jpilfe $änemarf« audj bie 3nfel Stügen eroberte, bauerte ber ®rieg ber SBerbünbeten gegen grantretet) am $ftt)eine unb in ben flheberlanbcn fort, mobei in«befonbere bie ©aar* unb 2Kofelgegen* ben öon ben granjofen in fdjrecfenerregenber SBeife öermüftet mur= ben, ba Souöoi« für nötfjig t)ielt, bie beutfdjen ©renjtänber in Söüfteneien ju öermanbeln, um ben geinben einen (Sittfall in granf* reid) öon biefer «Seite au« unmöglich ju machen. Xrofc biefer ©er; müftungen brang ber Jperjog öon Öot^rtngen im grüfjjatjr 1677 mit öierjigtaufenb Wann über bie ©aar unb trieb ben Sttarfcfjaü' oon (£requi öor fict) t)er; ba jebodj bie im (£(fa& fte^enben föeict)« trappen , auf beren SÖWmirfung er geregnet , buret) gefdutfte ©e= megungen ber granjofen in ber 9lät)e öon ©trafjburg §urücfger)al; ten mürben, mußte er fia), im dürfen bebrot)t , mieber über ben föfjein jurürfaie^en. SBäfjrenb er fein >>eer in bie Sömterquartiere öertt)cilte, gelang bem in (Silmärfdjen tjerangejogenen attarfdjaH öon (Srequi, ba« midjtige greiburg bura) Ueberrafdmng ju erobern, mobei ben ©iegern eine reiche ©eute in bie £>änbe fiel, ba bie ©e mot)ner be« ganjen ©rei«gaue« ir)re ©d)äfe in biefe geftung ge=

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Subnrigä XIV. erfte erobcninöSfricge.

flüchtet hatten. Qm folgenben Qahre, ba« für bic ©egenben be« CberrtjeinS neue ^lünberungen unb Sttorbbrennereien braute, gingen auch ßanbau unb Kehl für bie SBerbünbeten öerloren. Qn ben ftieberlanben ^arte Submig unterbeffen im üttärj 1677 bie Seftungen SBalencienneS unb (£ambraö erobert, unb nach einem am 11. 9lpril t>on bem bringen oon Oranien bei SDcontcaffel gegen ben ^erjog oon Crlean« unb ben SJcarfchaH öon öujremburg erlittenen lieber* läge mar auch ©aint*Dmer in feine £>änbe gefallen, fo bafj ben Spaniern öon ben zahlreichen belgifchen Seftungen nur noch ®ent, ftamur, SttonS, Dftenbe unb 9lieumport öerblteben.

Um bie ©panier in ihrem eigenen ßanbe ju befchäftigen, fanbte ßubroig ben SJcarfchall öon SRoatlleS im Satjre 1676 nach Kata- lonien, ©djon im öorfjergefjenben 3°^re *)attc w oen auc*> nad) ber 3nfel ©teilten öerpflanjt , nachbem in SJceffuta ein $luf= ftanb gegen bie fpanifdje Regierung ausgebrochen unb bie s2üif^ rubrer ihre ©tabt unter ben ©djufc granfreich« gefteflt. @ine fron- jöfifaje glotte unter bem Slbmiral bu DueSne mar ben oon einer großen £aljl fpanifcher KriegSfchiffe ferner bebrüngten 2Rejftnefen ju §ilfe gefommen, unb ßubmig, ber fich bereit« als ben §errn t)on ©icilien betrachtete, fyattt ben Jperjog öon $iöonne sunt SBice* fönig über biefe Snfel ernannt. SBon bem $>ofe öon SJcabrib um §ilfe angegangen , fanbten bie ©cneralftaaten ein ®efcfm>aber öon jelm Sinienfchiffen unb öier$efm Keinen 5ahr$eugen unter be föuüter nach ben fkilifchen (SJemäffern ; aber bie #tlfe mar nicht au«= reichenb, unb ber ftebjtgjährige 2lbmiral fanb im Kampfe gegen bu OueSne ben £ob. $n einem hartnäefigen , aber unentfehiebenen treffen, ba« beibe glotten am 8. Januar 1676 in ber 9cäf)e be* ftetna einanber lieferten , mürben ihm burch eine fernbliebe Kugel beibe $eine jerfchmettert , unb einige Xage fpäter erlag er ju @örafu« feinen fieiben. (£ine neue ©eefchtacht bei Palermo , bie mit ber öoflftänbigen ÜJtteberlage ber SBerbünbeten enbete, öerfdjaffte ben gransofen ben Söefifc öon SJcejfina unb mehrerer anberer Scütfajer ©täbte.

Cbgleidj ßubmig unter allen SöedjfelfäUen be« Kriege« im ungemeinen ungleich größere Erfolge errungen f)atte als feine ©egner, far) er bodj bie Unmöglichfeit ein, baS Qicl $u erreichen, für toeldje« er baS ©chroert gejogen , unb er mußte um fo mehr toünfdfen , fich burch einen balbigen grteben ben bauernben *Beftfc ber gemonnenen 93ortheile ju fichern, als feine Hilfsquellen ju öer= Segen begannen unb ber SRuhm , ben feine 5elbf)erren auf bem fricgefchaupla^e ernteten, baS äfturren beS Golfes über bie mach2 icnbe Saft ber Abgaben nicht mehr ju befchmichtigen öermochte. $aju famen bie Unfälle ber ©chmeben in ihrem Kriege mit Q'änt «ort unb SBranbenburg , bie eine 9tücffet)r bc« Kurfürften an ben

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76 fiubmig XIV. öon gratfrei*.

tRbein unb bie Berftärfung ber niebcrlänbifdjen glotte burtf) bic bämfdje erwarten ließen, fomie bic Annäherung ©nglanbS an §oU lanb, bie im $c$xc 1677 bereite bis jur Bermäfjlung ber $oa> ter beS $rinjen öon gorf, beS ^weiten ©oljncS #arlS L# mit bem grinsen öon Dramen, öorgefdjrttten war.

$ie3 Alles trieb ben &önig an , bie griebenSunterljanblungen SU befdjleunigen , bie bereite im 3al)re 1676 in 9lömmegen er* öffnet worben waren. Bor Allem mar er bebaut, bie $otIänber öon ifjren 93unbeSgenoffen ju trennen , um ben Se&teren , bie bei ir)rer finanziellen ©rfdjöpfung nidjt in ber Sage waren, ben $rieg allein fortjufefcen, ben grieben öorfdjretben ju fönnen. $>a er, um ju biefem Siele ju gelangen , ben ®eneralftaaten bie günftigften Be= bingungen in AuSfid&t ftctltc r ließen ftdj bie $>odjmögenben , benen ofmet)in ÜftidjtS erwünfcf)ter fein fonnte , als eine mi)glid)ft rafdje Beenbtgung beS Krieges , baju bewegen , i^re BunbeSgenoffen, benen bie Sftepublif iljre Rettung öerbanfte, fdjmäfylidj im ©tidje $u laffen unb am 10. Auguft 1678 mit granfreia? einen ©eparat- trieben $u fdjließen, ber fte im Befifce ifjreS gefammten ©ebieteS ließ unb fogar bem sJkin$en öon Dranien bie £erfteHung beS gür^ ftentljumS Drange jufagte, baS £ubwig im gafjrc 1660 mit ge* wolmter 2Biöfür eingebogen unb bem Gebiet öon granfreid) ein* öerleibt t)atte.

9ßär>renb bie föepublif $olianb öoöftänbig ungefdjäbigt aus einem Kriege fjerüorging, ber ifyre SBermtf)tung jum Qioecfc gehabt, mußten tfjre ber SBtßfür ßubmigS preisgegebenen 53unbeSgenoffen ben grieben burd) me^r ober weniger große Dpfer erfaufen. Bon Spanien er j Wang ßubwig in bem am 17. ©eptember 1678 unter* $eidmeten griebenSöertrag bie Ueberlaffung ber grandje=ßomt£ unb bie Abtreiung öon feefoefm feften <ßläfcen in ben fpanifdjen 9he* berlanben. $er 9tütftritt ©pantenS öon bem ßtiegSfdjauplafce nö* t^tgte and) ben ®atfer $ur Annahme ber öon granfreidj geseilten Bebingttngen. Am 5. gebruar 1679 fdjloß er für fidj unb baS föeid), gleidjfaHS ju sJtymmegen, mit ßubwig einen grieben, in wel* d>em er bemfetben , gegen bie Berjid)tleiftung auf baS BefafcungS= redjt in «ßr)ilippsburg , öon feinen eigenen Bedungen bie öon ben granjofen eroberte geftung greiburg mit einer SDülttärftraße öon bort bis Bretfad) überließ unb im tarnen beS SReidjS in bie Ab- tretung ber grand>e*(£oint£ roiUigte. £aS ^erjogt^um ßotyringen folltc l^art V. jurüefgegeben merben, aber nur unter ber Söebingung ber Ueberlaffung öon sJiancö unb ßongtüö an granfreic^ unb ber Bewilligung öon brei weiteren $eerftraßen öon einer falben fLRcilc Breite nad) Burgunb unb bem @Ifaß. ^sa S'arl V. fic^ weigerte, auf biefe Bebingung cinjuge^en, blieb fein Sanb öon ben granjofen befe^t.

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SubroigS XIV. ©croaltt^tttiflfcitcn gegen 3>eutfd)lanb, Spanten jc- 77

Sa in bem grieben bon SRbmwegen ber beutfdje SBoflSwifr nannte ifjn ben grieben „SRimm weg" ben ©djweben aüed ju- gefprodjen worben, was fte im Kriege gegen 93ranbenburg , $äne* mar! unb ÜRünfter berloren Ratten, fa!) fiä) ber fturfürft bon ©ran* benburg , ber für fia) allein ben Ärieg nid>t fortfefcen fonnte , in golge ber Verheerung feiner weftfälifdjen ©efifcungen burd) ein franjöfifdjeS £eer gezwungen, in bem am 29. gnni $u 6t. ©er- "main en ßabe mit granfreiä) abgefdjloffenen grieben auf baS ben Sieben entriffene Vorpommern Ver^t gu leiften, unb ging fo- mit oljne ©ewinn aus bem Kriege fjerbor, in welkem er eine nid)ts weniger als uneigennüfcige 9Me gefpielt. 2lud) Sänemarf mürbe burd) einen (Sinfaö franjöfifdjer Gruppen in fein olbenburgifdjeS Öeoiet gelungen, allen Sßortfjeilen ju entfagen, bie eS gegen bie Schweben errungen §atte.

t'ubraigä XIV. öewalttl^ätigfciten gegen 2>eutfd)laitb, Spanien; unk tjerfä}icbene italientMe «Staaten.

(1679-1685.)

Üflit bem 9Ibftfjluß beS griebenS bon Stmnwegen mar ßubmig bem 3tele feiner auswärtigen ^ßolüif, ber ^crftcUung einer 2lrt CberletyenSfjerrfdjaft über alle Staaten (Suropa'S, um einen bebeu- tenben ©abritt näfjer geniert, unb mit berboppeltem @ifer unb ber- boppelter SRütffidjtSlofigfcit fdjritt er auf ber betretenen SBafm weU ter. 23äf)renb er auet) nad) bem griebenSfä)luffe fein £>eer auf bem SriegSfuße erhielt unb feine ©ecmacrjt unabläffig ju oerftärfen be= müljt war, fudjte er feine Qtotdt gugleia) buret) 33cfted)ung unb bi- plomatifdje Stanfe $u förbern. Söie er unabläffig barauf aus warr bem Äaifer burd) ^ufreijung ber Ungarn ober ber dürfen $er= legenfjeiten 511 bereiten, um bie 3Kad)t DefterreidjS 51t paralüfiren, fo wußte er burdj r)ofje Safjrgelber bie etnflußretdjften ÜUätglieber beS englifdjen SftinifteriumS unb Parlaments in fein JJntereffe $u jiefjcn. $aS gleite ©bftem befolgte er in noct) umfaffenberer Seife unb mit nod) größerem ©lüde in 3)eutfd)lanb, wo $al)lreidje Staatsmänner unb ©ele^rte in franjöfifdjem ©olbe ifjren Öanbs* leuten bie SMnung beizubringen fugten, baß nidjt nur 5)eutfa> lanbS §eil im engften 2lnfd)luffe an granfreia) liege, fonbern baß eS au<| bie t)öd]fte <£t)re fei, bem ©iegeSWagen beS franjöpf^en DiftatorS ju folgen. ©0 würben bie meiften beutfäen #öfe, fofern fte nic^t bereits im ©djlepptau granfreidjS waren, in baSfelbe hinein* gejogen. 3n Italien ftanb bie 9fteljr$al)l ber freien gürften oljne- lim aus SBeforgniß bor ber fpanifd&en aJiacf)t in biefem fianbe auf

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öubtoig XIV. üon granfreicf).

granfreich* ©eite. ?luch in bcn ©djweijer Kantonen, bereit frieg*= luftige Sugenb aablreicf) unter ßubwig'* gähnen biente , mar ber franjoftfehe (£influ| fo überwiegenb, ba& er gerabeju bie SBefchlüffe t>er Regierungen beftimmte. Qu ber gleiten SBeife gehorchte ©chweben, ba* bem SBeiftanbe granfreich* bie föüeferftattung feiner beutfehen ßänber oerbanfte, ben SBinfcn be* franjöfifchen 9)fachtbaber*.

28a* bie erftrebte Erweiterung ber ©renken feine* fRetc^e^ be* traf, fo mar Subwig weit entfernt, fid) mit bem $u begnügen, wa* ihm bie ftömweger Vertrage eingebracht. $er griebe fottte nur jur öeru^igung be* ßanbc* unb jur Slnfammlung neuer Stäfte für weitere friegerifche Unternehmungen bienen, emftweilen aber foßte auf bem SSege brutaler ®ewaft bie Schwäche ©eutfdjlanb* unb ©panien* ju neuen ®ebiet*erwerbungen ausgebeutet werben.

55a bei bem 9lbfcf)lu& be* Stieben* öon Scnmwegen bie faifer* liefen ÖJefanbten fich mit einer Betätigung be* weftfältfehen grie= ben* begnügt hatten, ohne auf ber SReftitution ber elfäffijchen 9*ekh*ftäbte unb reich*ritter liehen (Gebiete ju beftehen, bie oon granfreich wiberrechtlich befefct worben waren, \kit Subwig fich fü* be= rechtigt, bie* al* eine ftillfchweigenbe Slnerfennung feine* (Sigen* thum*recht* auf biefelben anjufehen, unb forberte bemgemäfc im 3ahre 1679 bie föeich*ftäbte unb bie 9leich*ritterfchaft im @lfa& jur förmlichen ^mlbigung auf. Swö^ich ftc^e cr an a^c unmittel* baren 9teich*ftänbe, bie früher ju ben brei lothringifchen 5öi*thümern $cefc, Xoul unb SBerbun in einem ßehen*üerf)ältniffe geftanben, bie gorberung, ihn al* ihren Oberherm anjuerfennen, weil bie SRedt)tc ber gebauten Bifchöfe auf ihn übergegangen feien. 3m folgenben Qahre würbe auf ben SBorfchlag Souooi*', ber im Qntereffe ber Nahrung feine* eigenen ©influffe* bie (Sitelfeit unb SRuhmbegierbe Subwig* planmäßig bearbeitete, um beffen Gtyrgcij ja nicht §ur 9hif)e fommen $u laffen, eine genaue Unterfuchung über alle Die- jenigen Territorien unb Stäbte angeorbnet , welche mit ben im fünfter' fchen unb 9h)mweger grieben abgetretenen ®ebiet*theilen be* beutfeheu deiche* ober Spanien* in früherer ober fpäterer Qcit in Sehen*oerbinbung ober anbern Beziehungen geftanben hätten, ba= mit biefelben, al* in ben gemachten Abtretungen einbegriffen, gleich1 fad* in Befifc genommen werben fönnten. Qu biefem Qwcde wur* ben ju 9Jcefc, Befancon, Breijach unb Xournaty befonbere Bericht** höfe unter bem Ücamen 9teunion*fammern errichtet, welche bie öon ihnen al* $epenbenjen ber abgetretenen Säuber unb Stäbte anerfannten ©ebiete mit granfreich wieber oereiuigen follten. 2)ie $Reunion*fammern ju TOe^, Befanson unb dreifach erflärten ba* ganje ^erjogthum Sweibrücfen, obgleich ba*felbe bem Bunbe** genoffen granfreich*, bem ftönig ®arl XI. oon Schweben, gehörte, Saarbrücfen, Belben$, Sponheim, 3#ömpelgarb, Sauterburg, ®ermer**

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fiubnngä XIV. ©ewaltttjcitigtetten gegen $>eutfd)lanb, Spanien 2c 79

heim, Hornburg, 53it)d), galfenburg unb Diele anberen Stäbte unb ^cjtrfc für alte Ssepenben jcn ber neuerworbenen ^roöinjen unb ipradjen bem ßönig oon granfreich bie Oberhoheit über biefetben p. Subtoig Ue& hierauf bie gürften unb (trafen, benen bicfe ©ebiete gehörten, jur Jpulbigung Dorlaben, unb ba ftiemanb erjdnen, mur* ben bie fraglichen „$epenben$en" als öermirfte fielen mit ©emalt in Söefife genommen.

3n ähnlicher SBeife würben burch bie föeumonäfammer oon Xoumati öerfduebene bem Könige Don Spanien gehörige nieber* länbifcfte ^Btcibtt unb £>err}d)aften, barunter bad gan$e #erjog* tljum ßujemburg, als $)epenbenjen ber im Mrenäifdjen, Aachener unb 9lrjmweger grieben abgetretenen ©ebiete bem ftöntg oon granf* reich jugeförochen. 2Kit bem gleiten fechte, ba* bei biejen 9teunionen geltenb gemalt mürbe, Jjätte Submig gan$ $)eutfchlanb „renniren" tonnen, ba an jebe £epenben$ fidj immer eine anbere anfchloö-

Vergebens fugten fomof)! ber ftaifer als ber föeichätag ju föegenaburg burd) iöorftettungen ben Anmaßungen ßubwig'ö entgegen ju treten, inbem fie bie örunblofigfeit {einer Anförüche auf bie reu^ nirten ©ebiete burdj bie unwiberleglichften 9iecht$grünbe nachmiejen. gubnrig ttriüigte ^war, um fich ben Anfleht ju geben, al£ fei er weit entfernt, (&emalt öor 9ted)t gehen laffen $u motten, in bie Söe* fchicfung be$ oon bem 9ieict)c jur Ausgleichung be$ entftanbenen 3nrifte£ in Sßorfchlag gebrauten ©ongreffeä, ber In granffurt abge= halten werben fottte ; aber noch ehe oer Reichstag in feiner gewöhn* ten SchioerfdUigfeit fich über bie bei ben ^ertjanblungen $u bcobaty tenben görmlidjlichfctteu imtte einigen fönnen, geigte ein neuer ©e= mattfehritt £ubwig'ä, mie wenig berfelbe gemittt mar, fich burdj ^techt^grünbe unb Skrhanblungen in ber Söefriebigung feiner 9iaub= gelüfte aufhalten 511 laffen.

Cbgleia) bie ©tabt Strasburg, beren Söichtigfeit als $auptfchlüffel jum Steine uno büm deiche fc^on $arl V. burch ben AuSfpruch bezeichnet ^atte : „2Benn SBien unb Strasburg $u= gleich in ©efat}r mären, jo mürbe er juerft Strasburg ju retten juchen", bei ber Abtretung beS (SlfaffeS in bemgrieben oon fünfter ausbrücflich aufgenommen morben, mar £ubmig entfchloffen, fich berfelben yi bemächtigen, wofür ihm ber llmftanb, ba& ihm bie 9teu= nionstammer $u dreifach ba* g a n 5 e ©Ifaft jugefprochen, einen erwünschten Sßormanb bot. jftadjbem mehrere franjöfifche 9tegi= menter ganj in ber 8titte in ba* (£lfaB eingerüeft maren unb §trafc bürg eingejchloffen hatten, erfchien am 29. September 1681 i*ou* ooiS felbft mit einem Speere öon jmanjigtaufenb SDiann unb $ahl* reichem itöelagerungSgefchüfc oor ber 3tabt unb forberte bie beftürj* ten ©inmohner auf, fich ergeben, wibrigenfall* er fie als >Jie*

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ßubtöig XIV. Don grtmfreid).

beflcn bezaubern werbe, $a Subrotg für biefen fct)on lange cor* bereiteten $anbftrcia} einen Xt)cil be* 9Jcagifrrat* bura? ©eftedjung gewonnen hatte unb bie angefeljenften Kaufleute eben auf ber granf* furter SCReffc waren, aua? bie Stabt au* gurd)t öor granfreia) bie Slufnafjme einer faiferlidjen Söefafcung üerweigert fjatte, gab bie *8ür* gerfefjaft jeben ©ebanfen an SBiberftanb auf unb fdjlo§ fdjon am folgenbcn Sage mit Souooi* eine Kapitulation, in welcher fie, gegen bie 3ttP4etttiig ber 2(ufrea)tlmltung it)rcr bürgerlichen SBerfaffung unb i!)re* coangelifa^en föeligtonSWefen* nad) bem 9<ormaljat)re 1624, ben König bon granfreidj al3 Dberf)errn anerfannte, beffen Xruppen aufzunehmen berfprad? unb ben Katf)olifen bie 3urütfgabe ber $omfircf)e jufagte. 9caa)bem £ouooi* noch an bem nämlichen Sage in bie Stabt eingebogen, lieg er bie Bürger, bie aHe ihre Staffen auf bem 9tat^aufe Ratten abliefern muffen, bem König bon grantreich (jnlbigen.

211* Submig XIV. am 23. Dftober mit feiner ganzen gamilie unb einem zahlreichen glänjenben ©efolge in Strasburg erfd)ien, würbe er unter bem portale be* fünfter* bon bem ihm ganj er* gebcnen SBifdjof granj (Sgon bon gürftenberg, ber nicht wenig 511 bem ©elingen be* Ueberfafl* betgetragen, mit ber söerficherung em= pfangen: „2ßie ber alte Simeon, fo fönne auch er fagen, ba§ er ba* (£nbe feiner Sage mit greuben erwarte, ba ber 9cachfomme be* ©rünber* be* 3)ome* wieber al* fein £err in benfelben ei«jicr)e. " 3ur Erinnerung an ba* mistige @reigui§, burch welche* ba* ftärffte rocftlidje Söollwerf be* 9teid)e* ohne einen Sdjroerrftmd) in feine Jpänbe gefommcn, lieft Öubwig eine 5)enfmünje prägen mit ber 3nfd)rift: »Germanis Gallia clausa ©aflien ift ben Seutfchen berfdjl offen", unb trug jugleich Sorge, bie m iberrechtlich in söefty genommene Stabt burch bie Anlage einer ungemein ftarfen Sita- belle \u einem £>auptwaffenpla$e granfreich* 311 machen, burd) meU chen tr)m ber (Einbruch in ba* fübüdje SJeutfchlanb ungemein er* leichtert mürbe.

Unterbeffen war ber Kongreß $u granffurt cnblich eröffnet worben; aber anftatt zugleich mit allem 9cad)brucf bie Rechte be* Reiche* gegen bie freien Eingriffe granfreich* ju magren, berloreu bie beutja^en $lbgeorbneten ihre 3«t in enblofen Strettigfetten über bie fleinltchften ©tif ettenfragen : über bie Reihenfolge ber gegenfei* tigen ©efua)e, über bie ^ßläfce an ben Sujung*tifchen unb berglei* a)en mehr. $lud) entfpann fict) ein Qtotft mit ben franjöfifdjen Mb* georbueten über bie Sprache, in welcher bie >8erhanblungen geführt werben follten. SBä^renb bie beutfehen ©efanbten bie ^-Beibehaltung Der in allen biplomattfchen ^er^ältniffen bi* bahin üblich gemefenen lateinischen Spraye oerlangten, obgleich bie beutja^en Staatsmänner felbft in ihrer Korrefponbenj fid) ber franjöfijchen Spraye bebien*

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Subroigä XIV. ©enmlttljätigfeiten gegen 2>eutfd)lanb, Spanten ic. 81

ten, beftanben bie franjöfifdjen mit um fo größerem ©tgenfinn barauf, baß in ifjrer Spraye öerljanbeit merbe, als fie in biefem 3ttnft ein emmnfdjteS 9Jcittel fanben, bie Unterfjanblungen in bie £änge $u Steden, um ifjrem ßönig Seit ju öerfdjaffen, burä) Unterftüfcung ber rebellifdjen Ungarn unb Aufreizung ber Surfen 5U einem neuen Kriege gegen ben Äaifer bie SBiberftanbSfraft Defterreid)3 ju lahmen.

Um ftd> für ba& gef)tfd)lagen ber Hoffnungen , bie er auf ben Sürfettfrieg gefefct, $u entfdjäbtgen, befd)loß £ubnrig, welker auf bie oon ganj ©uropa mit Qubel begrüßte 9tadjrid)t öon ber Befreiung SBienS fidj im Uebermaß be3 Unmuts, ein Unmofjlfein öorfdulfoenb, brei Xage lang in feine ©emädjer eingejdjloffen fyatte, ßujremburg unb Zrier in feinen BefuJ $u bringen. 3m jJloöember 1683 rütften bie 3Barfd)älle $mmi&re3 unb (£r£qui in bie fpanifctyen lieber lanbe ein, unb mäfjrenb ber (Jrftere Sourtrotj unb $)irmuiben roegnafjm, jroang (Srequi ßujemburg jur Ergebung. 5)a fia) ju ber gleichen 3eit ein franjöfifdjeS Jpeer gegen SftouffiHon in söetoegung )e$te, blieb bem Jpofe öon Sftabrib ÜRidjtö übrig, als an granfretdj ben Äxieg $u erflären. 3n$mifd}en toar Erdqui in ba$ ©rjbiätfmm Xrier eingefallen unb fjatte bie Belagerung ber $>auptftabt begonnen, bie ficf> am 15. 3uni ergeben mußte. 9kä)bem audj biefer Sdjlag gelungen mar, ließ Subttrig bem 9teid)3tag ju SRegenSburg einen Staffen* ftiöftanb anbieten, obgleich man fid) gar ntdjt im Srrieg^juftanbe befanb, unb ba bie Streitfrafte be£ ®aifer$ burdj ben fortbauern* ben ßrieg mit ben Xürfen in Anfprud) genommen roaren, brachte e$ ber fhirfürft öon Branbenburg, ber ftd) jefct ganj bem franjö* ftfrfien Qntereffe ergeben jeigte, bafjin, baß ber neue fdjreienbe ©in* griff ßubnngä in bie Siebte be3 9teia)3 ungeafmbet blieb unb bie angebotene 2Baffenruf)e angenommen mürbe. ©0 fam am 15. Auguft 1684 pu 9tegen3buTg jttrifcfjen bem ®aifer, bem SReid) unb Spanien einerfeitö unb ber Stone granfreid) anbererfettä ein Vertrag ju Stanbe, fraft beffen bie lefctere bis jum 2lbfd)luß eine« bemnädtft ju oereinbarenben befinitiöen griebenä im ungeftörten ©efifc aller feit bem 9tymmcger grieben gemalten Erwerbungen bkibtn joüte.

2Bie $eutfdjlanb unb Spanien, fo mußte aud) gtalien ben Uebermutb, SubmigS unb bie SBirfungen beä öon bemfelben erlange ten Uebergenud)t§ ferner empfinben. 9*ad)bem granfreia) bereite im ^rieben öon (Sljieraäco (f. ©b. V. 6. 666) in ben «efifc ber roia)tigen geftung «ßignerol gefommen mar unb baburdj feften guß in gtalien gefaßt ^atte, ftrebte ber #önig nad) bem (Srmerb ber in bem mantuanifdjen Anteil öon 2ttontferrat gelegenen geftung a f a l e, bie für einen Singriff auf bie fpanifc^en Öeftfcungen in Dberitalien ben bequemften ©tü^punft bilbete, unb mar t^m gelungen, ben hnberlofen ^erjog Ä'arl IV. oon 9Kantua , ben Urenfel #arlä öon Feuers, im ^ejember 1678 ju einem geheimen Vertrage ju be- ^olatoart^, 3B«Itflefa)ia)te. VI. 6

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82 fiubrotg XIV. Don grantreicb,.

wegen, in meinem i$m bcrfelbe gegen bie ga^ung öon fjunbert= taufenb ©cubi baä ©efafcungärecht öon (Safale einräumte. Qnbeffen erlangten Defterreicf) unb Spanien ®enntnifj öon biejem Vertrage, ef)e ßubwig möglich gewefen, Xruppen nach (£afale $u bringen, unb ba ber ®önig in ©rfafyrung gebracht, ba& ber ©taatäfefretär beä fterjogä öon SRattttta, ber ©raf SRattiolt, ber Vermittler be3 ermähnten Vertrag«, ba« ®eheimni& an ©aöoüen öerfauft fw&e, lieg er benfelben, nachbem man ihn auf franjöfifche« ÖJebiet gelotft, gegen alle« Völferrecht in einer einfamen SBalbgegenb öerhaften unb bei bunfler 9cad)t unter einem fremben tarnen auf bie geftung s$ignerol bringen. 211« ber ©ouöerneur berfelben, ©t. 2Kar«, balb barauf nach ber Snfel ©t. 9)cargucrite öerfefct würbe, mu&te ihn aJcattioti borten begleiten unb ihm fpäter al« ©t. 2Kar« jum ftommanbanten ber 93aftiüe ernannt morben, auch in biefe« ©taategefängnifc folgen, wo er unbefannt unb öergeffen ftarb l).

$ie Vefe&ung öon Safale burch eine #eere«macht öon $wölf= taufenb 9flann unter bem Vrigabegeneral (Xatinat erfolgte, nachbem ber #of öon Xurin bie (Srlaubntfi jum $urch$ug berfelben burd) ba« ^temontefifche erteilt hatte, an bemfelben Jage, an meinem Souöoi« in ©trafjburg einjog.

3)ie Vefifcergreifung öon (£afale burdj granfreich gab £ub* mig XIV. im %afyxt 1685 Veranlaffung, auch ber Üiepublif ®e= nua, bie fich fett ben Seiten be« Änbrea« $)oria, eingeben! ber früher öon granfreich erlittenen Unterbrücfung, auf ber ©eite ©pa^ nien« gehalten, ba« öolle (Gewicht feiner $)lad)t in ber übermütfug* ften SBeife fühlen ju laffen. S)a bie ©enuefen ben Xran«port öon £eben«mitteln für bie Vefafcung öon Safale burd) il)r (Gebiet nicht geftatten wollten, fanbte ßubmig im 9Jiai 1684 eine gewaltige glotte unter bem Mbmiral bu Que«ne unb bem äRarqui« öon ©eignelai, bem ©ohne be« ginanaminifter« Solbert, nach ©enua, um öon ber ©ignoria bie Auflieferung öon öier ©aleeren unb bie (Smtfenbung einer ©efanbtfchaft nach Verfaille« ju öerlangen, bie ben ®önig wegen ber ihm jugefügten Veleibigung um Verjeifjung bitten unb ifm ber öollftänbigen Unterwerfung ber ©tabt öerfid)ern foßte, unb ließ auf bie Steigerung ber (Senuejer, biefer empörenben gorberung nachkommen , gegen bie ©tabt ein Vombarbement er* öffnen, ba« in berfelben fo furchtbare Verheerungen anrichtete, baß

1) $ie[er ©raf SJcarh'olt ift aller 3Ba^rfd>cütlict)feit natf) jener geheimnifc oofle (Staatsgefangene, ber unter bem tarnen „ber SRamt mit ber eijernen sJDia«fe" befannt geworben, »eil er nie anber« als mit einer fdjtoarjen 3RaSfc gefeiten tourbe, bie übrigen« feine eiferne, fonbern oon Sammt mar. SDie ängftlict>c Sorge, mit roeldjer man öerf)üten fudjte, bafj ber ©efangene erfannt werbe, ermeefte ba§ Sntereffe für benfelben nur in um fo ijöberem ÖJrabe unb gab SSeranlaffung yu ben oerfa^iebenartifljten Vermutungen über

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SubtotgS XIV. britter groberungSfrieg.

83

bie ©ignoria, um bic gänzliche Söernidjtung ber Stabt abjumenben, ben *8efd)lut3 faßte, fid) in ba3 Unoermeiblia)e ju fügen, $n einem im gebruar 1685 gefa)loffenen SBergleiO) oerftanb fic| bie föepublif ba$u, allen gorberungen granfreid)* Genüge $u leiften, bie Soften be4 ^ombarbementä ju erfefcen unb ben $>ogen granceSco 2flaria beglt gmperiali mit oier Senatoren nad) iöerfaiHe* ju fenben, um öor bcm Äönig bemütfnge Abbitte bafür $u tfmn, bafj fte ge* roagt, feinem SBiflen entgegen ju fein. Sit« man bem $ogen, einem ttmrbigen unb geiftreidjen 2ftann, nad) erfolgter Abbitte bie Sehenärourbigfetten be3 pradjtooHen #önigafi|je3 jeigte unb ilm ba* bei fragte , toeldje oon ben üielen Seltenheiten am meiften fein Staunen errege, gab er jur ?lnnoort: „$ie, mid) t)icr ju fehen."

gubtoigä XIV. britter groberuuggfrieg.

(1638-1697.)

Xie 33ereittt)i0igfeit , mit weldjer fotuobl Spanten alä ba$ :Heid) auf ben oon granfreidj oorgefd)lagenen unb nur für bic* jeS Sanb bortheilhaften SBaffenftiüftanb eingegangen, t)atte ßub- toig XIV. auf* 91eue bie ganje Sd)ttmd}e feiner Gegner enthüllt unb ihm gezeigt, ma£ er fid) 2llle3 gegen biefelben erlauben fönne; er f abritt bafjer mit ber äufcerften Verhöhnung alle* SRedjtea auf ber 29afm ber SReunionen toeiter fort. So ließ er bie im (£lfa& belegenen Güter be$ beutfdjen Drbenä, fomie bie beS Strafjburger $)omfapitel$ unb ber greiburger Unioerfität einziehen unb bei Rüningen ein gort errichten unb eine SBrüde über ben 9%r)ein fdjla- gen, bie jum %fyt\l auf einer bem SDlarfgrafen oon $Baben=2)urlad) gehörigen 9ir)eininfel ruhte, beren Abtretung gebieteriftt) oerlangt würbe. $um offenen ©rud) be$ gefd)Ioffenen SBaffenftiflftanbe* burd) bie Erneuerung beS Kriege* in S)eutfä)lanb mürbe nur auf eine Gelegenheit gemartet, bie bem länberfüa}tigen ftömg einen neuen Gebiet3äutoad> in SluSfidjt ftelle.

$iefe Gelegenheit fduen ftcr) im gafjre 1685 barjubieten. fturfürft ßarl bon ber $falj , ber 9tad)folger £arl Subtoig* unb ber lefcte männlid)e Sprößling ber reformirten Simmernfajen ßinie be3 furpfäl$ifd>en §aufe3 ftarb in biefem 3ar)re unb bie fatho* Ufd)e £inie $fal^9leubiirg , beren £aupt ^faljgraf SBü* heim, ber Sa)ttnegeröater be$ ßaiferä mar, foüte nun in ben Sejtfc ber furpfäljifchen Sänber !ommen. 2>a aber ßubmigä XIV. «ruber, ber £>er$og Philipp oon Drleanä , mit ber pfäl* Alchen ^rinjeffin ©lifabeth Charlotte, ber Schtoefter beä Oer* Torbenen fturfürften, oermählt mar, erhob ber Stönig im tarnen

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fiubioig XIV. Don granfreicf).

fetner ©chtoägerin ttnfpruch nicht nur auf bie bewegliche hinter* laffenfdjaft be« fieberen, fonbern auch auf bie furpfäfaifchen Slllobien, obgleich bte ^erjogin oon Orleans bei ihrer Vermahlung in boll- ftänbig giltiger SBeife auf if>r (Erbrecht SScrsic^t geleiftet , ma&te fia) felbft bie UnterfuAung barüber an, meldte Pfeifchen XerrU torien OTobien ober fielen feien, unb berlangte bid jur (SntfcheU bung biefer Angelegenheit bie Ueberlaffung be$ gefammten fur= pfäl$ifdjen ©ebietefc.

$ie näa)fte golge biefer neuen Verlegung ber fechte unb 3ntereffen beS ^Reiches burct) ben franjöftfcfjen ®eroalthaber war ber Slbfchlufj eines 93ünbniffe3 ättufchen bem $urfürften uon $Bran= benburg, ber inattrifchen bezüglich granfreichS jn feinen früheren Slnfchauungen prüdgefehrt mar, unb bem ®aifer, mit roelchem grieb= rieh 2öilhelm feit einiger Seit megen ber oon ihm beanfpruchten fdjlefifchen |)erjogt^ämer ^ägernborf, ßtegntty, SBrieg unb SBohlau in gtuiefpalt gelebt r)atte. Qu bem am 8. 2Jcai 1686 $u ©erlin jnrifchen Setben abgefdjloffenen Vertrag berpflichtete fid) ber $urfürft, unter *8er$ichtletftung auf bie fraglichen .£>erjogthümer gegen bie Ueber- laffung be$ ju ©chlefien gcfjörenben ©chnriebufer ®reife§, jur naaV brücflict)ften 90?itnrirfung für bie $lufrechthaltung ber SRedjte aller 9teid)3ftänbe gegen Angriff unb ®etoalt, inSbefonbere ber be3 neuen $urfürften bon ber $fatj. gmei Sttonate fpäter, am 9. Quli 1680, fct)Ioß ber ftaifer ju WugSburg mit Spanien, ©djroeben, bem Shtr- fürften bon Katern unb ben am regten Ufer be3 DberrheinS au- fäfftgen Surften unb ©täuben ein öünbntfi jur (Erhaltung De^ grtebenS unb be§ SRegenSburger SSaffenfttflftanbeS.

$ie Nachricht üon bem Abfdjtuffe biefe$ ©ünbntffeS fam bem Äonig bon granfreich nicht unmiflfommen , ba (te ihm einen *Bor= toanb ju bem geplanten Kriege gegen $eutfchlanb bot. Vorher wollte er fid) jebodj beä (£rjbi3thum3 ®öln berfichern , beffen (£r= lebigung in ber ®ür$e ju erwarten ftanb. $n biefem (Shtbe muffte er bafjiu ju bringen, bafj ein $beil beS $omfapitelä ben auf fein Verroenben jum ®arbinal ernannten SBifcuof oon ©trafiburg, 2Bilf)elm ton gürftenberg, ben ©ruber unb Nachfolger be$ im Qabre 1682 beworbenen gran$ (Sgon , jum ®oabjntor beä feinem @nbe ent* gegcngehenben .^urfürften ^ajimilian Heinrich wählte. $apft 3nno* cenj XI. berwarf aber bie uncanonifchc SBacjl. Wach bem $obe beS ^urfürften tourbe Jürftenberg, obfdjon ber ^ßapft fich gegen ifm an^= fprach, benttoch t)on breijef)u Domherren jum ©rjbifchof gcmätjlt, roä> renb bie neun anberen it)re ©timmen bem baierifchen ^rinjen 3ofeph ©lernend , bem «ruber beä turfürften SWa^tmilian Immanuel , ga^ ben. 5)a aber nach bem canonifchen fechte ein Sifchof für ein anbereS ©idthum nur poftulirt roerben fanu unb h^rju, im Salle ein 2Baf)lbcrechtigter mit ihm coneurrirt , eine 9)cehrhett oon jtt)ci

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Subroig* XIV. brittcr GroberungSfrieg.

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^rittljetfen ber Stimmen crforbcrt tturb, erflärte $apft ^nnocenj XI. am 20. September 1688 bie SBa^l gurftenberg* für ungiltig unb bestätigte bie be* baicrifc^en ^rinjen.

Xa* gehlfdjlagen feiner Hoffnungen auf bie ©rfjebung feine« Schübling* auf ben Äölnifdjen Stuhl , toerbunben mit ber fta^ricftt neuer Siege ber ftaiferliehen in bem Xürfenfriege , bie ba* balbige £nbe beäfelben in SluSficht fteüten , bemog ben flönig , ben be* ichloffenen &rieg nict)t länger aufjufdneben , fonbem burdj ben un= erwarteten beginn be*felben bem bebrängten Sultan eine fräftige $>u>erfton $u mad)en. 2lm 25. September 1688 rücfte ber Dauphin mit einem Speere öon achtjigtaujenb Sttann in bie 9theinpfal$ ein, nadpbem am üor^erge^enben Xage bie ®rieg*erflärung Subttrig* nach ÄegenSburg abgegangen. 3n biefem ättanifefte erflärte ßubttrig: „<£r fei jum Kriege gelungen, roeU ber ffaifer bie &bfid}t ^ege, mit ben dürfen grieben ju fchliejjen , um feine SSaffen gegen granf* reidi $u teuren, weil femer ber ®urfürft bon ber $falj fidj tt>ei= gere , ben Slnfprüchen ber Herzogin öon Orleans auf bie (Srbfdwft ihred trüber« geredet ju werben, unb bei bem $aifer Unterftü^ung für feine ungerechte Steigerung fudje, unb roeil enblich ber Söiener 4)of ben mit bem Könige befreunbeten ®arbinal bon gürftenberg, ben ein be* Xomfapitel* ju #öln $um ^r^bifc^ofe erroählt,

üon biefem Stuhle berbrängt unb bie 2Baf)l be* baierifcr)en $rin$en .Csofcpt) lllcmen» burdjgefefct tjabe in ber s2lbjtcf)t, tjicburd) ba* baU bige ?lu*fterben be* baierifchen $aufed $u beförbern; boef? habe er bie SSaffen nur ergriffen, um feinerfeit* ade« $u thun, roa* jur Bidjerüellung eine« allgemeinen Sftuheftanbe* für bienlidj erachtet werben fönne. @* roerbe nur an bem $aijer liegen, biefem 9hihe~ ftanbe burd) bie Söerroanblung be* ju föegen*burg gesoffenen SSaffenfiillftanbe* in einen befinitiben grieben immermährenbe 3)auer $u berjajaffen. 5)en Anfang ^abe er mit ber Belagerung ber föeidjäfeftung ^t)ilippöburg machen laffen f nicht um ba* Ktiqj anzugreifen, fonbern um ben (Gegnern ber töulje ben Eingang in fein Königreich $u berfperren, unb er roerbe jur SBeförberung be* abjufajIieBenben 3)efinitibf rieben* gern bereit fein, biefe Stabt nach Schleifung ber geftung*roerfe unter ber Bebingung jurürfau* geben, baß bie Söerfe niemal* mieberhergeftetlt roerben unb bie $ur Sicherung ber franjjöfifcfjen ©renje angelegten gort* Rüningen unb &>ui* feine Beeinträchtigung erleiben bürften."

ßeopolb übertrug bie Slbfaffung ber Slnttoort auf biefe* fdjmaa> ootte TOanifeft , in meinem bem deiche in ber empörenbften Söeife ^olm gebrochen mürbe, bem berühmten, auch d& Staatsmann unb 9ie<htalehrer hochangefeljenen ^hüofophcn Seibni^ , ber eben in ©ten anmefenb mar , unb biefer entlebigte fidj be* Auftrag* feine* faiferlichen greunbe* unb OJönner* in einer feine* gro&en tarnen*

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öubwtg XIV. öon Orranfvcic^.

würbigen SBeife. 9cacf) eingehenber SSiberlegung aller einzelnen fünfte be3 franjöfifchen ©djriftftücfea mürbe oft eigentlicher 3wecf ber franjöfifchen s$olitif bie Äbficht bejeichnet, bie SieichSftcmbe burdj bog ©chretfbilb einer angeblichen öfterreid^ifdtjen ^nec^tfc^aft Don bem ftaifer ju trennen unb unter granfreich« ©otmä&igfeit ju bringen. Mein jeber Xeutfdje, ber noch nicht ba& eiferne 3och granfreichS trage, werbe an ben unter bemfelben feufjenben ©tam= meägenoffen , ja an ben Untertanen unb bem nieberen unb hohen Slbel granfreich« felbft leicht untertreiben fönnen, ob bie öfter* reichifche Regierung ober bie franjöfifche £errfchaft ber Xürannei oermanbter fei. Seine faiferliche 3Waieftät"f fo fdtjtog ba3 3Jcani* feft, „wäfdjt ihre #änbe in Unfchulb über bie folgen biefeä Kriege* unb erffärt bor ®ott unb aller SBelt , ba& nicht fte Urfache beä ftamofe« ift, fonbem granfreich benfelben au3 eigener SSiUfür be- gonnen t)at. SBelche Erfolge aber auch *>er $err ber .freerfdjaaren ben SSaffen ber geinbe üerleihen mag, fo wirb ber ®aifer ftetä bie Söege ber SSorfehung oerehren, welche fich $uweilen ber ®ei&el be& Sittila bebient, um in ihrer SBarmherjigfeit £>ie ju jüchtigen, welche fte lieb hat."

3njtt)ifchen hatte ber ®rieg am 9tr)ein bereit« begonnen unb nahm, ba ber ©rua) be3 2Baffenfti£lftanbe3 oon fftegenSburg burch ßubroig baS SReich gänzlich unoorbereitet getroffen, einen für granf* reich günftigen Verlauf. 5)ie feften Stäbte SJcainj , Xrier unb 23onn ergaben fich auf ba$ ÖJeheif? it)rer furchtfamen, mit ben gein= ben halb befreunbeten (Gebieter ohne ©ehwertftreich ; £>etf bronu, SDcannheim, granfenthal, Speier unb SBormS folgten biefem $8eU fpiele; ^ßtjilipp^burg unb $eibelberg fielen nach fc&wacher SBertheU bigung. Qn furjer Seit war ba3 gefammte ^ch^inlanb, mit 2luä= nähme oon ®öln unb Äoblenj, in ber (Gewalt ber granjofen. Schon brangen biefelben unter fürchterlichen SBranbfchafcungen btö naa> Schwaben unb tief in granfen oor, als ein unerwartete* ©reignifj aKe ^Släne fiubwigä ju burchrreujen brohte.

3n ©nglanb hatte 3afob II., ®arl3 II. ©ruber unb 9caa> folger, ber noch oor feiner Thronbesteigung (1685) jur fatholifchen Äirche übergetreten war, burdj bie iöegünfttgung ber $atfjolifen, fowie burch mehrfache (Singriffe in bie beftehenben Gtefefce unb feine un* begrenzte Eingebung an granfreich unter oielen feinen Unter* thanen eine (Erbitterung wach gerufen, welche ber mit 3afob$ ältefter Xochter Sflaria oermählte SBilhelm III. oon Dramen bemtfcte , um bie £>errfct}aft in (Englanb an fich bringen. $er ©inlabung mehrerer unjufriebenen Öko&en folgenb, mit benen er fetjon feit einiger 3eit gegen feinen Schwiegeroater confpirirt hatte, fegelte berfelbe mit einer hoüänbifchen glotte nach (Snglanb. 9cachbem 3afob II. nach granfreich entflohen, übertrug ba« Parlament bem ^rinjen Oon

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SugtoigS XIV. britlcr <£roberungSfrieg.

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Cremten unb feiner (Semafjltn, gegen bie Stnerfennung aller Steckte ber Nation, bie Ihone oon (Snglanb. $a ßubnrig XIV., ber offen für 3<tfo& II. Partei ergriffen, gleidr) nad> ber <£infd)iffung beS Statthalters an bie (Beneralftaaten ben ®rieg erflärt l)atte, fctjtog fid) Cfriglanb im Vereine mit ^ottanb an Oefterreid) an. s2(ud) ber Ädnig oon Spanien trat bem SBünbni& gegen granfreidj bei, unb fo erweiterte fid) ber SReia)Sfrieg ju einem europäifdjen Kriege.

Unterbeffen fjarte Submig feinen gelbfjerren am 8if)ein ben ©efe^l jugetyen laffen, „bie $falj nieber jubrennen." Qu biefem barbarifdjen SBerfafjren, burdj toefcrjeS man fdjon im öorfjergefyenben Kriege franjöfifdjerfeitS bie ©egner ju fd)mäd)en gefugt, fyatte £ou= ootS bem Äönig geraden, roeil er Bei ber eingetretenen 9cotf)tr»enbtg= fett, bie oorfjanbenen ©treitfräfte auf üerfd)iebenen fünften ju t>er- tfjeilen, bie Ünmögltdjfeit einfal), ben Ärieg am föfjein in ber glei- chen SEBeife wie bist)er fort$ufefcen. 510c <piäfce, bie man aus SKangel an Zruppen nidjt befefcen ober nidjt behaupten ju fonnen glaubte, foüten öernid)tet unb bie Umgebungen berfelben oerfjeert roerben, bamit bie ^eranjie^enben beurfdjen Speere längs ber franjbfifd)en ©renje nur öbe öranbftätten unb SSüfteneien fänben.

$)er fd)auerlid)e öefefjl beS Königs mürbe oon ben franj5fi)d)en (Generalen mit ber fdjommgSlofeften |>ärte ooüjogen. SBefonberS jeidjnete fid) bei ber HuSfüIjrung beSfelben ber gelbmarfdjall SGR^Iac, beffen 9came nod) jefct in bem ©ebäd)tniffe ber Sßfäljer als ber eines ^weiten #erofrrateS fortlebt, burd) bie empörenbfte #erjlofig; feit auS. 3m Januar 1689 lieg berfclbe eine fRcir^c oon größeren unb Heineren Ortfd)aften in ber Sßfalj unb im S3abi)d)en, bie ben gan§en SBinter ^inburd) bie geforberten garten ©ranbfdja&ungen pünftüd) ^erbeigefd)afft, nad) DorauSgegangener *ßlünberung in Söranb fteefen unb bie roe^rlofen ©inmoljner, bie fjänberingenb auf ben tnieen um ©nabe * flehten, tyetlS nieber^auen, tfjeilS, üon Ottern entblößt, in bie öben Selber fjinauStrctben, mo bie meiften bem (Slenb unb ber Söinterfälte erlagen, hierauf mürbe am 2. aJcär$ in Jpetbelberg baS furfürftlid)e Sd)log mit bem 3eugfmufe auSge* plünbert unb nebft ber Sßecfarbrfide unb einem Steile ber 6tabt* mauer in bie ßuft gefprengt; bann jünbeten bie Üttorbbremter bie Söolmungen ber ©urger an oerfd)iebenen ©teilen jugleid) an. 3n 3Jcannf)eim mu&ten bie ©inmofjner felbft, auf ©efef)l beS ©enerals SJcontclaS , bie geftungSmerfe abtragen unb öffentlid)e »ie <ßrtoatl)aufer burd) 3Jcinen in bie ßuft fürengen Reifen, mo= rauf am 5. äRära ber fReft ber fjalbberfd)ütteten ©tobt in Söranb gefteeft rourbe. $aS gleid)e ©djieffal traf bie ©täbte 3franfentf)ai, Eeuftabt an ber #aarbt, föaftabt, ©oben, Dffenburg, ßabenburg, Oppenheim, ©emS^eim unb unjäfjlige anbere größere unb Heinere Orte bis an bie ©renje beS ©IfaffeS. 3n oielen Orten mürben

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Subwig XIV. üon ftranfretcf).

bie Einwohner mitten im forglofen «Schlafe plöfclich burdj bie glarn* mcn erwecft unb fahen mit ©chrecfen bic für befreunbet gehaltene ©efafcung in Sttorbbrenner unb tobenbe ^ßlünberer öerwanbelt.

$a£ ^drteftc ©djicffal erfuhren bic beibcn alten SReichSftäbte SBormS unb ©peier, bie fid& im üorhergehenben $erbfte auf bte ©ebingung ergaben, baß föath unb ©urgerföaft in ihren ®e* fchäften unb Sftedjten unangetaftet bleiben unb nur einige £unbert 9Kann auf frauliche Soften in bie ©tabt eingelagert »erben fotl* ten. ftac&bem fie nicht nur bie öoUftänbigfte Slu&erachtlaffung bic- fer öon bem ^aupfun felbft auf baS fceiligfte befräftigten 3ufagen öon ©eiten ber nad) unb nadj auf baS ©edjSfaäje erhöhten fran* jöfifc^en ©efafcung fechä Monate lang gebulbig ertragen, fonbern fid) auch allem gefügt, was wäfjrenb biefer Seit wiberrechtlich öon ifmen geforbert worben - felbft an ber 3erftörung ihrer geftungä* werfe geholfen, ungeheuere ©ummen gejagt unb i^re fämmtlichen $ornöorräthe nach ^ß^üi^burg jur Unterhaltung ber bortigen franjöfifchen 93efafcung ausgeliefert würbe ihnen am 22. 3Äai 1689 angefünbigt: beS Königs Qntereffe erforbere eS, ba& bie ©täbte SBormS unb ©peier ganj öon ber @rbe öertilgt würben; bod) fotle e$ ben ^Bürgern geftattet fein, nach ben nächftgelegenen franjöfifchen ©täbten auSjuWanbern. gür bie £abe, bie fie nicht mitnehmen fonnten, würbe ihnen ©icherheit in ben Xomfirchen jugefagt, für welche ©c^onung berheifjen würbe; faum hatten fie jeboch einen Xheil ihred ©igenthumS in biefe angeblichen ©idferheitsftätten ge* bracht, als bie räuberifchen ©paaren in biefelben einbrangen unb fie auSplünbertcn. hierauf würben beibe ©täbte, SBormS am 31. Sttai unb ©peier am 5. Quid, in öranb geftetft unb waren in wenigen ©tunben in Slfchenhaufen öerwanbelt. Qn ©peier blieb Vichts, in SSormS nur bie $)omfirche öerfdjont. 3n ber erfteren ©tabt würben nicht nur bie Elften beS SReidjSfammergerichtS jammt ben Waffen hinweg gefdjleppt, fonbern auch 0*c ßaifergräber auSge- plünbert unb bie öermoberten (Gebeine unter ©pott unb Jpoljn auf bem ©oben umhergeftreut. 2llS einige menfchlicheren Offiziere ben jungen Jperjog öon (£r£qui, ber bie SBermüftungSgräuel in SBormS unb ©peier leitete, nach bem GJrunbe aller biefer fchauerlichen 3#a&* regeln fragten, erwieberte er falt: „£er ßönig will eS," unb wie* ein $er$eichni& öon jwölfhunbert ©täbten unb Dörfern oor, bie alle noch öerbrannt werben müßten.

$ie golge biefer ©räuelthaten, bie in allen (Sauen $eutfchs lanbS einen ©d)rei beS ©ntfefcenS unb ber SButfj h^öorriefen, War ein ungewöhnlich rafdjeS unb thatfräftigeä 3«fflwmenwirfen ber beutfehen gürften. $er neue ®urfürft öon öranbenburg, grieb= ridj III., griff, währenb ein Ztyil feiner Xruppen ju bem ffleid)3-~ heere ftieß unb ein anberer jur Unterftüfcung beS ÄaiferS gegen

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2ubnrig§ XIV. brittcr Groberangatrieg.

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bie dürfen nad) Ungarn abging, mit einem branbenburgifa>hottän= biföen §eere öon brei&igtaufenb HÄann bie granjofen im Qhcfiti* ttnim ßöln an nnb öertrieb fie aus bem größten beSfelben. 2lud> in granfen, wo ber Kurfürft Johann ®corg III. öon ©ach* fen bereit« im Oftober 1688 mit einem £eere öon öieraehntaujenb s3Jiaitn erfdjienen mar, fowie in ber $fal§ flogen bie granjofen ben Kürzeren, unb nachbem eS bem fterjog öon ßott)ringen, ber mit ben Xruppen beS KatferS ^ugleicr) baS fRetchäheer als Oberbefehls- haber anführte, am 8. September 1689 gelungen, SÄainj nach jmei* monatlicher ^Belagerung jur Kapitulation ju $wingen, mar 3)eutid^ lanb fo toeit öor bem föeichsfeinbe gefiebert, bafj ßeopolb im SGßtn= ter öon 1689 auf 1690 einen Kurfürftentag ju Augsburg galten tonnte, auf meinem, nach erfolgter Krönung ber Kaiserin, ber elf- jährige ©rj^erjog 3°fcP$ einftimmig §um römifäjen König gemäfjlt unb gefrönt mürbe.

3m 3af)re 1690 erlitten ber Kaifer unb baS SReid) einen ferneren V-Sertuft burch ben Xob beS tyetbenmüttyigen $er$ogS öon Lothringen, ber, erft ftebenunböterjig 3ahre alt, am 18. $pril ju SBelS in Cberöfterreich ftarb. 3hm folgte als Oberbefehlshaber ber SReichS= trappen ber Kurfürft SRajimilian (Immanuel öon SBaiern, ber es nicht öerhinbem tonnte, ba§ bie grangofen mieber ihre SBinter- quartiere im SreiSgau unb im JBabifchen nahmen.

Buch in ben 9tteberlanben fyattt injmtfchen baS ©lücf bie Waffen SubwigS begünftigt. SBätjrenb SBilhelm öon Dranien in Qrlanb befdjäftigt mar, wo ^afob II. am 1. JJutt 1689 mit einem franjöfifäjen #eere gelanbet unb faft allgemein als König anerfannt morben, gelang eS bem 3Raxfäaü öon Sujemburg, einem greunb unb Schüler (£onb<5'S, über bie öon bem gürften ®eorg Sötlhelm öon SBalbecf befehligten fwllänbifchen, beutfehen unb fpanifchen Xrup= pen am 1. $uli 1690 bei bem $orfe gleuruS in ber ©raffdjaft föamur einen @ieg ju erringen, ber für bie SBerbünbeten bie Oer* fjcmgm&öoüften Jolgen hätte ^äbta fönnen, märe eS nicht bem um- fichtigen gürften öon SSBalbecf gelungen, bem gefchlagenen §eere etnen georoneten ytua^ug ju |tcnern.

llnterbeffen mar auch in Italien ber Krieg entbrannt. $ier fjatte ßubmig ben Oberbefehl bem bisherigen Kommanbanten öon (Eafale, bem ebenfo umfichtigen als tapferen örigabegeneral ßatinat, übertragen, unb biefer erfocht am 18. Sluguft 1690 bei ber Slbtei @taffarba, unweit ©alujjo, über ben £er$og SBtftor SlmabeuS öon Saöoöen, ber öor Kurzem burch ben Kaifer für baS ©ünbnifc gegen granfreich gewonnen morben, einen ©ieg, welcher ihn jum #errn beS größten %f)dl& öon <5aöot>en machte. Sluä) hier öer- übten bie granjofen bie gleichen SBerwüftungSgräuel wie in ber $fal$, fo wenig auch bitft Wct ber Kriegsführung bem menfehlicher

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Subnng XIV. öon ftranfreid).

gefilmten (£atinat aufagte. SHefeS barbarifdje Söerfafjren empörte inSbefonbere ben $rinjen (£ugen, ben ber Äaifer mit fünftaufenb 9Jtonn jur Unterftüfcung beä ^er^ogS öon ©aöoüen nad) Stalten gefanbt ijatte ; er öermodjte jebodj bei ber ®eringfügigfeit feiner ©treit* fräftc um fo meniger, benfelben (ginljalt tlmn, als er burd) ben unfähigen ©efel^aber ber fpanifdjen #ilf3truppen me&r gehemmt als unterftüfct mürbe.

SEBie ju Sanbe, fo mar audj jur (See baS ®lütf ben Sranjofen günftig. 2lm 10. 3uli 1690 erlitt bie englifc^^oflänbif^e glotte bei ber 3nfel SBigfjt gegen ben franjöftfdjen Slbmiral Souröille eine empfinblid)e 9cieberlage.

3m 3a^re 1691 brauten bie beutfdjen Sürften eine bebeutenbe ©treitmadjt aufammen, über welche ber ®urfürft öon ©adjfen ben Obcrbcfc^C erfuelt; allein ber Langel an Gtntradjt jmifdien iljm unb bem faiferlidjen gelbljerrn, ÖJrafen ©aprara, ließ es feinen bebeutenben Erfolgen gegen granfreid) fommen.

Unterbeffen Ijattc SBityelm HL öon ©ngfanb bereits am 11. 3uli 1690 bei bem irtfdjen gluffe ©oljne über feinen ©djmie; gerüater einen entfdjeibenben ©ieg baöongetragen, melier ben Sefc* teren, ber fidj injmifdjen burd) fein eigenfinniges 5eftf>alten an un= faltbaren ifjronredjten bie $>er$en ber Qrlänber entfrembet Ijatte, jur abermaligen gludjt nadj Sranfreidj nötigte. $)ie ööllige Unterbrücfung beS irifdjen s2lufftanbeS bem öor Äußern jum (5Jra= fen öon äftarlborougl) erhobenen ßorb ©fmrdnu* überlaffenb, fe^rte SBilfjclm nad) ben Sßieberlanben jurücf, um ftdj bort felbft an bie ©pi^e ber öerbünbeten Gruppen $u ftetlen ; boaj gelang es aud) if)tn nid)t, ben ©iegeSlauf ber granjofen ju fjemmen. 3lm 3. Sluguft 1692 erlitt er bei ©teenferf en gegen ben üftarfdjau* oon ßuyem= bürg eine Sftieberlage, bei melier bie öerbünbeten aa^ttaufenb Xobte auf ber 2öaf)lftätte jurürfließen, mäljrenb bie gran5ofen ftebentaufenb Xobte unb SBermunbete jaulten, dagegen erlag bie franjöfifö^e glotte, bie, öierunböterjig Segel ftarf, unter Xouröifle auf SubmigS öefefyl aus bem |>afen öon SBreft ausgelaufen mar, um eine %xan%- portflotte öon breifyunbert Skiffen ju eSfortiren, auf melier 3°; fob II. mit elftaufenb auSgemanberten (Snglänbern unb Qrlänbeni unb öiertaufenb franjöfijdjen ©olbaten jur SBiebereroberung feines 9teid)eS nad) (Suglanb überfein motlte, nadj einem §elbenmütf)igen Kampfe mit ber öereinigten englifdjen unb fyollänbifdjen glotte öon neunjig Sinieufduffen, mit melier fie am 29. 9Wai 1692 bei bem ®ap la |>ogue jufammengetroffen, ber feinblidjen Uebermadjt unb ber Ungunft beS SBinbeS. ©ed^je^n franjöfif^e ©djiffe mür- ben in bie 23ucf)t öon la ^>ogue, in melier Xouröille bei feinem 9lü(fjug nad) ber franjöfifc^en ^üfte auf ben ©tranb gelaufen,

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gubmigS XIV. britter eroberunflSfrieg.

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oon bcn ifm öerfolgenben (Srnglänbern tfyeild geentert , tfyeilä in jorano geueert.

Sur ben erlittenen Verluft mürbe Submig burefj bie neuen ßorbeern entf ct)äbigt , bie ber ßanbfrieg im folgenben 3af)re feinen SBaffcn braute. 2lm 29. 3uli 1693 griff ber SJcarfdmll Don fiuyemburg ben ßönig SBilfjelm mit überlegener Xruppenraadjt in feinem befeftigten ßager bei bem $orfe fteerminben an unb er* fodjt über benfelben naa) einem fjeifcen Kampfe, ber adjt ©tunben lang tun unb fjer tobte, burd) einen roudjtigen (SJefammtangriff einen fo öoflftänbigen ©ieg, bafj ber föücfjug ber Verbünbeten , ben fie mit einem Verlufte bon jmölftaufenb üttann an Xobten unb ®c= fattgenen, fomie il>reä gefammten ©efdjüfeeS, antraten, ftd) $u einem fluchtartigen geftaltete. 9cur ber gänjlia^en ©rfdjöpfung beä geinbeö, bie bemfelben jebe Verfolgung unmöglich machte , fjatten fie e$ $u oerbanfen , bajs SBilfjelm baS gefcfjlagene £>eer mieber orbnen unb fo bie fdjlimmften Solgen ber erlittenen ftieberlage abmenben fonnte. £er ©ieg bei SReerminben mar ßufemburgä lefcte Söaffentfjat ; balb naef) bemfelben legte er ba$ ßommanbo nieber unb ftarb am 4. 3anuar 1695.

SSäfjrenb in ben folgenben Srieg3jal)ren ba£ 9teict)3f)eer , ob* gleich im 3°^rc 16^3 in bem au* bem Xürfenfriege jurürf= berufenen Sflarfgrafen Submig oon Vaben einen neuen trefflietjen Süfjrer erhalten, nur menig ausrichten fonnte, meil es bem SJcarf* grafen bei bem mefjr unb mefjr erfaltenben $rieg3eifer ber beut= fdjen gürften nid)t gelang, bie nötigen ©treitfräfte jufammen 51t bringen, nafmt aud) in Statten ber Stieg einen für Sranfreia) günftigen Verlauf. 9cad)bem ber $rin$ (Sugen im Pommer 1692 einen Einfall in ba3 füblidje granfreief) gemalt, ber alle ^luSficfjt auf einen günftigen (Erfolg fjatte, aber roegen ber plöfclicfjen @r- franfung beä «Jperjog* oon Saüonen uidjt fortgefefct werben fonnte, erlitten bie Verbündeten unter bem fterjog Viftor 2lmabeu$ am 4. Dftober 1693 bei 2Jcarfaglia gegen ©atinat eine jmeite lieber* läge, unb ber ^ßrinj (Eugen mar, trofc ber unermüblidjften unb um- fidjtigften $fjätigfeit, bei ber unter ben einzelnen güfjrern fjerrfdjen* ben Uneinigfeit um fo weniger im ©taube , ben 5ran$ofen bie er- rungenen Vorteile toieber $u entreißen, als er nidjt nur oon Söien au* of)ne bie nötigen ÖJelbmittel ju einer genügenben Verpflegung ber Xruppen gelaffen mürbe, fonbem aua) ber $er$og oon Sa* üoüen, ber feit bem Sage oon SJcarfaglia beä Kriege* mübe mar, geheime Unterljanbhmgen mit bem fran$öfifdjen £ofe angehtüpft fjatte, in 3olge beren er bie Operationen ber Verbünbeten gefliffent* lia) $u erfahrneren juckte.

55er #rieg in Stalten mürbe im Oftober 1696, ben gorbe* rangen beä £er$ogä oon Saöooen entfpredjenb , burd) einen Weit*

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fiubtüig XIV. uon grcmfreidj.

tralttät«üertrag bcenbigt , traft bcffen fotool)! bie franjöftfdjen , a(« bie faiferttdjen unb bie fpanifdjen Gruppen ba« ßanb räumen muß- ten. Stadlern bie« gefd)ef)en, fdjloß Sötftor 2(mabeu« mit granf* reidj einen grieben, in meinem ifjm ßubnrig, ber iljn bauemb auf feine «Seite ju jiefjen toünfdjte, nia^t nur ba« öon ben Söerbunbeten genommene (Safale gegen bie 3ufage, bie bortigen gefiung«n>erfe fdjleifen ju laffen, fonbern audj bie geftung ^ignerol überlieg.

Dbgleidj fiubnug in ben ftieberlanben , bem £auptfdjauplafce be« Kriege«, anfjaltenb im Sortiert blieb unb audj in ©panien, Iüo ber ^er^og öon 9toaiHe« feit bem %ofyct 1689 ben &rieg of)ne bebeutenben Erfolg geführt , Barcelona erobert Horben , jeigte er ficf> $u einem billigen grieben geneigt, toeil ber finberlofe ®önig $arl II. öon (Spanien feinem Xobe entgegen ging unb fiubnng fei* nem gänjlid) erfdjöpften Sanbe einige föufje gönnen mußte, um feine Slnfprfidje auf bie gefammte fpanifaje 9ttonard>ie mit entfpre* djenben ©treitfräften geltenb machen ju fönnen, unb ba aud) (£ng* lanb unb ^poüanb be« Krieges mübe toaren, fafjen ficr) ber $aifer unb Spanien genötigt, gleidtfaü« öon ber Sortierung be«felben flbjuftetjen.

©o trat am 9. 2Jcär$ 1697 auf einem Suftfdjloffc be« $rim ^en öon Dranien bei SR ü« und ein grieben«congreß jufammen, auf meinem ßubnrig abermals gelang , burdj bie Xrenuung fei- ner ©egner alle« $u erreid)en, tt>a« er fid) öorgefefct. ÜRarfjbem er ^uerft bie $oflänber burd) ba« 3uflcftönbni6 mistiger £anbel«öor* tfjeile unb bann ben $önig Sötlfjelm burdj bie bi«f)er öertoeigerte Wncifennung feiner $errfd}aft in (Smglanb jufrieben gefteHt, gab er an Spanien ben größten Xfjeil ber öon ifjm gemalten @robe= rungen jurüd, in ber fixeren (Srroartung, in ®urjem in ben 33efifc ber gefammten 2ttonardne $u gelangen, unb fo fafjen fid) ber ftaifer unb ba« 9ieid) , bie nunmehr allein ftanben , gelungen , auf bie "öon ßubiuig geftellten ©ebtngungen einjugefjen. ©ie mußten iljm ntc^t nur au«brürflid) ©traßburg nebft allem 3ubeljör auf bem Iinfen 9tf)etnufer abtreten, fonbern ifym aua) ben gortbefifc be« ge= fammten (Slfaffe« jugeftefyen, mogegen ßubroig auf greiburg, Sörei* fad), .NU1 hl unb $l)ilipp«burg ocr.uctjtetc, ade außerhalb be« (Slfaffe« gemachten Sfteunionen reftituirte, ba« (Shrbredjt be« $fal$grafen ^fu* lipp SStlfyelm öon 9teuburg auf bie furpfäljijdjen Vau ber aner- fannte unb in bie 3wrürffteüung be« £erjogtl)um« Sotfyringen an $arl« V. ©ofm ßeopolb willigte.

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Subimg XIV. als «Regent.

fiubwtg XIV. als Keßent.

Öubwig XIV. mar eine jum ^errfdjen geborene 9*atur; an feiner gebteterifchen ^crfönlic^feit war jeber Qoü ein ®önig. ffiar au* feine Srgie^img öon fetner SJcutter imb bem ®arbtnal SNaja* rin üoUftänbig öernachläfftgt worben, fo würbe biefer SNangel in melen ©ejiehungen ausgeglichen burä) feinen bebeutenben natür* lidjen 93erftaub, feinen Scharfblitf, feinen energifa)en SBillen unb- feine feltene SlrbeitSfraft. 2Sie ihn bie @iferfud)t auf fein «nfehen antrieb , fidj um MeS 51t betummern unb OTeS fclbft ju prüfen, um überall bie lefcte (Sntfcheibung fclbft $u treffen, fo öerrieth fia> jene feurige ©emüthSart, bie ilm jeben SRuhm fudjen unb jebem ®e* miß nachjagen lieg, aud) in bem (S^rgeij, als Regent ju glänjen.

9ttd)t3 erregte ßubwigS XIV. gorn in leerem ©rabe, al& bie 9Jcißaä)tung feiner abfoluten SBnigSgewalt. Um biefelbe gegen jebe Anfechtung öon Seiten ber (Großen fid)er 511 fteflen, befä)ränfte er bie ©ouoerneure ber ^ßroöinjen in ber bisher geübten ©eroalt, inbem er bie Stauer if}reS SlmteS auf brei Qafjre feftfefcte unb ihnen bie SBefugniß ber XruppenauShebung entjog, bie fie fia) im Saufe ber Seit angemaßt Ratten* 3ua.leich Würben, um bem SBie^ beraufleben beS (SHnfluffeS ber Parlamente öorjubeugen , bie ©e= fchäftsfreife ber Qntenbanten ber Quftij unb Polizei bebeutenb er* wettert unb bie in ben einzelnen ^rooinjen liegenben Xruppen $u ihrer Verfügung geftellt, um jeben SSiberftanb gegen ihre Hnorb* nungen nieberjufjalten. $)ie Sonnen ber $lbminiftration würben fchärfer auSgebilbet , mo$u fdjon ber Umftanb , baß ßubwig bie Stelle eines PremierminifterS eingeben ließ, Sßeranlaffung gab, ba fid) ^ierbura) bie ©int^eilung ber ®efd)äftSäWeige in mehrere De- partements mit befonberen iBorgefefcten öon felbft bilbete. 2lud) für bie ©efefcgebung gefdjah fct)r Diel. (SS würben nach unb nach ein neues Äriminalredjt, eine neue Orbnung für ben ^rrtmtnalprojeß unb ein neues Seerecht ausgearbeitet.

3n ber erften £>älfte feiner Regierung ^atte ÖubWig baS ©lüä\ treffliche ©elulfen ju befifcen, für welche er in ber jweiten feinen auSreid)enben (£rfajj fanb. S)er öon ihm jum ftanjler erhobene StaatSfefretär 2t Xellier, ben er befonberS wegen feiner über* großen Ergebenheit fyofyfäafytt , war ein ebenfo gewanbter als eif- riger ©efdjäftSmann , unb fein Solm, ber Söefifcer beS 3JcarquifatS 2 0 u ö 0 i S , ein äußerft tatentöoHer, aber ftoljer, hartherziger unb ehrgeiziger SJcann , leiftete bem ®önig als ^riegSminifter bie er= fprießlichften SHenfte burdj eine treffliche Drganifation beS Jpeer- roefenS unb bie SluSnu^ung aller Gräfte beS ^anbeS für fiubwigS droberungSjwetfe. Xer 9Jiinifter beS 9leußeren, önonne, ber fid) jdjon unter 9Jcasarin als einen höchft gewanbten unb fa)arffinnigen

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fiubroifl XIV. öon granfreidj.

Diplomaten erwiefen, jeigte fidt) unermüblidj in feinen Vemüfjungen für ben $ienft beS ftönigS. $)a ber Dberintenbant ber ginanjen, Nicola« 3 o u q u e t , Vicomte öon 9Mun unb Vauj, fein 21mt im «tgenen Sntereffe jum SRad^t^eil beS ßanbeS ausgebeutet unb fid) überbieS burd) feinen überljebenben ©tofy baS äRißfatten be$ m* nigS jugejogen fjatte, war ßubwig ju einem 2Bed)fel entfdjloffen. gou= quet Ijatte ftd) jebodj burdj ©efädigfeiten aller 5trtf bie er ben ange» fefjenften ^erfonen am $>ofc wie in ber <ßrotrin$ unb im $arla* mente auf Soften beS Staatshaushaltes erliefen , einen fo beben» tenben Einfluß ju berfdjaffen gewußt , baß ber flönig gegen ü)n mit großer SBorftc^t $u SBerfe gehen ju müffen glaubte. (£r naljm ihn im ©eptember 1661 bei einer Steife in bie Bretagne als Ve* gleiter mit unb ließ ihn gu Nantes unter ber Slnflage ^oa^oer* rätt)erifcher Umtriebe gefangen nehmen, wobei er fidj ber Hoffnung Eingab , ba& bie aus ben SRitgtiebem oerfchiebener Parlamente $u feiner Slburtheilung eingefe&te ©pejialfommiffton ilm beS Xobeä ftfjulbig erflären »erbe. $iefe Hoffnung erfüllte fid) jebod) nicht. £>a bem Slngeflagten nur eine öerfd&menbertfdje , oon Veruntreu* ungen nicht freie Verwaltung ber gtnait$en, aber fein nrirtfidjeä ©taatSDerbrechen nachgewiefen werben !onntef lautete ber ©prudt) ber 9ftd)ter, trofc ber Veeinfluffung, bie man auf fte $um 9fead)tl)eil gouquets auszuüben gefugt, nur auf Verbannung unb SonfiSfatton feiner ©üter. ßubwig, ber ben ättitwiffer aller (Seljeimniffe granf* reidjS nicht ins ÄuSlanb jiehen laffen wollte , oerfchärfte bie ihm guerfannte ©träfe auf lebenslängliche $>aft unb ließ it)n jur 33er* büßung berfelben auf bie geftung ^ignerol bringen , wo er am 23. aWärj 1680 ftarb. Viele fjaben in ihm ben SDlann mit ber eifernen SIftaSfe fefjen wollen unb behauptet, er fei nidt)t in $ignerol, fonbern in ber JöaftiHe geftorben; bie ©runblofigfeit biefer Sin* nähme ift jeboch nadjgemiefen werben.

Sunt Nachfolger gouquets würbe 3ean Vaptifte Volbert (geb. 1619), ber ©olm eines EiichfycmblerS in SftyeimS , ernannt. 211^ ©efretär ÜDtojarinS, ber ilm im Qa^re 1648 auf ße XeßierS (Empfehlung in feinen S)ienft genommen , war berfelbe wegen feiner Xreue , $ünftlidt)teit unb Ökjchäftägemanbtheit in ber @unft beS $arbinalS fo Ijodj geftiegen, baß biefer ilm $um ginanjintenbanten unb fpäter fogar jum ©taatSratfj ernannt tyattt. SRadjbem Sub* wig ii)m, unter Verleihung beS XitelS eines ÖJeneralcontroleurS ber gmanjen , bie Oberleitung beS ginanjwefenS übertragen , entfaltete Volbert t ber, einfaa) in feinem Auftreten wie in feiner SebenS- Weife, um Slnfeinbungen wenig beffimmert, aber bura) unb burc^ redjtfajaffen , in Slllem baS entfa)iebenfte ©egentfjeil feines Vor* gängerS war, eine X^ätigfeit, bie balb für granrreidj jur reiften SegenSquelle werben fottte. (Sr fanb ben ©taatS^auS^alt in ber

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fiubroig XIV. ton granfreicf)

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unljeilöollften Stermirrung : bic Staat*faffen waren leer , bie @tn= na*)tnequeHen in ben Jpänben mucherifcher ÖJeneralpächter , unb ba* ^Bolt feufete, in golge ber ungerechten JBertbeilung ber Steuern, unter einem unerträglichen Slbgabenbrud. %\x\ bie öefeihgung bte= ier Uebel burch eine geregelte SBermaltung, ftrengere Uebermadmng ber ^Beamten unb eine gerechtere Steueroertheilung mar Volbert* erfte Sorge gerietet. 9tachbem bie* 3iel erreicht unb ber Staate fdjafc burch iBerminberung ber übergro&en 3at)l oon Beamten unb ^enfionär* erleichtert morben , fuchte er bie Sinnahmequellen be* Staate* ju oerüielfältigen. ßur $ebung be* #anbel* mürben neue Sanbfirajjeu angelegt unb bie alten öerbeffert , Kanäle gebaut barunter mit einem Äoftenaufmanb öon brei^elm Millionen 2it>re* ber fönigliche ®anal t>on ßangueboc, ber ba* SJcittelmeer mit bem Ccean oerbinbet unb üon bem neuangelegten £>afen üon (£ette in bie ©aronne unterhalb Xouloufe führt $aubel*geiefce erlaffen unb naa) oem Vorgänge ber Jpoflänber unb Englänber $anbel*ge= feüfd)aften für SBeft* unb Oftinbien gegrünbet, in beren Sörberung bie ganje Nation mit bem #önig metteiferte. $ünfirchen, ba* unter CSrommeH an (Snglanb gefommeu , mürbe üon ftarl TL für tnermalhunberttaufenb $funb Sterling jurüefgefauft unb ber £>afen biefer Stobt, gleich ocm 1,011 SÖtorfeUIe, 511 einem Freihafen gemacht, rooburd) ber norbifche $anbel nach jenem, roie ber leüantifche nach biefem geleitet mürbe. Much ba* Äolonialmefen »urbe burch (£ol- bert mächtig geförbert. 3 n bem bisher müften da nenne in Süfr amerifa unb auf 9ftabaga*car entftanben fron ^öui die Kolonien, unb an ber 9lorbfüfte be* mejtfanit'chen Stteerbufcn*, an ber rechten Seite be* SJftjfiftppi , mürbe eine Stoeberlaffung üerfudjt , bie nach ßubroig XTV. ben tarnen £ 0 u i f t a n a erhielt. X)ie bereit* früher in &anaba, auf Martinique unb .panti angelegten Kolonien mürben burch eine neue Einrichtung 311 liotiercr iölüttic emporgehoben.

(Sine nicht minber große Sorgfalt, al* auf bie Hebung be* jpanbel*, üermenbete Volbert, ben ßubmig jum 2ftarqui* üon Seignelat erhoben, auf bie görberung ber gnbuftrie. Unabläffig würben neue Üttanufafturen auf Staat*foften angelegt, barunter bie berühmte Sßorjellanfabrif öon S&üre* unb bie großartige (Stobelin** manufaftur ju $ari*. X)anf ber meifen gürforge Volbert* lebte ber bura) °*e unaufhörlichen SBürgerfriege ertöbtete Sfrmftfleifj auf* SReue auf unb entfaltete fich unter bem Sdm|e unb ber ftrengften Kontrolle be* Staate* $ur fchönften ölüthe, Ter :Kitf, ben bie in Sranfreich gefertigten Seibenftoffe , Xeppidje, Xapeten, Spiegel, Spü)en, ©olb= unb Silbermaaren im 2lu*lanbe erlangten, führte eine üon Qafjr ju Qahr gefteigerte $u*fuhr biefer &rtifel herbei, unb roährenb auf bie je SBeife ba* übrige Europa granfreich tribut* pflichtig rourbe, mar bie fran$öfifa>e ^nbuftrie im eigenen JJanbe

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Subroig XIV. oon &mnfretc$.

gegen bie ®onfurren& be* 2lu*lanbe* burd) bie hohen @ingang*$ölle gefd)üfct, bie für bie au*länbifd)en Sabrifate erhoben tourben.

Xrofc be* h°§cn s2luf)chtoung*, ben (Solbert* raftlofe fc^öpfc^ rifcf)e ^^ätigfeit bem £anbel unb ber Qnbuftrie Sfranfreid)* Der« lieh, gelang e* bem oerbienftoollen 9)canne nicht, ben Steuerbrucf $u oerminbem, ber auf bem ßanbe laftete, roeil bie burch ben (S^r* gei$ unb bie ßänberfucht ßubroig* herbeigeführten Kriege, fonrie bie üerfdnoenberifche Hofhaltung unb bie großartigen bauten be* ®önig* : bie Schlöffer oon iöerfaitle*, 2Jcartn, Xrianon u. a., bie gagabc be* ßouore, ba* £>6tel rotjal, ber $lu*bau ber Xuilerien unb oiete& N2lnbere, bie ©elbbebürfniffe oon 3ahr jit 3af>r fteigerten. Um ben* felben ju genügen, fah er fidj julc^t genötfngt, S8erbrauch*fteuern auf QJetränfe unb ®rämerroaaren ausschreiben, unb bie* jog ihm ben £>af$ ber geringeren (Sintoohnerflaffen oon ^ßari* in fo h&hem ®rabe ju, ba& nach 1™*«" ^obe (6. Sept. 1683) ber $öbel ficf> jufammenrottete, um feine Söeerbigung ju ftören, unb feine Seiche nur burch eine bewaffnete iöebecfung oor öffentlichen Üfli&hanblungen gefaxt merben tonnte.

$)te ungeheueren Hilfsquellen, bie Volbert bem ßanbe erfchlof- fen, festen auch bie übrigen 9JHnifter in ben Stanb, in ihren Der* fchiebenen Sßertualtung^toeigen bie umfaffenbften Skrbefferungen einzuführen unb Schöpfungen in* fiebeu treten ju laffen, bie nicht roeuig baju beitrugen , bie ÜJtecht ßubmig* unb ben SRuhm granf* reich* ft« erhöhen, ßouooi* ließ eine gro&e Slnjahl oon ,8eughäu= fern, Äafernen unb 3Jcaga$inen erbauen, forgte für eine gtetchför= mige ©efleibung unb eine jmeefmägigere ©etoaffnung ber Xruooen unb erhöhte bie 3af)i ber ®efchüfce auf mehr al* ba* Vierfache. Sür untaugliche unb au*gebiente Krieger mürbe in v#ari* ein 3n* oalibenhau* üon ungewöhnlicher ®rö&e unb bracht errietet unb an allen ©renken Sranfreia)* burch ben genialen iBauban eine große Öaljl neuer gefrungen angelegt, bie al* 3Jtofterfchööfungen ber $rieg*= baufunft bemunbert mürben. Die franjöfifche Seemacht erhob fid> unter ber SBertoaltung be* jungen 9)torqui* oon Seignelai, be* Sohne* (Solbert* , ju einer fo glänjenben Höhe , baß fie ber eng= lifchen unb hoüanbifchen an 9tuhm nicht mehr nachftanb. Statt breißig $Tieg*fdnffen, bie (Solbert bei ber Uebernahme ber ginanj'- uermaltung oorgefunben, jählte granfreich beren bei feinem Xobe jtoeifmnbert mit fechjigtaufenb Seeleuten.

Sluch für bie Hebung Der Äünfte unb SBiffenfdjaften mürben unter (Solbert* SSermaltung große Summen oerau*gabt. 2ln bie oon ^tichelien im Qahre 1638 gegrünbete erfte franjöfifche s#fabemie reihten fich ihm 3ahrc *664 bie Slfabemie ber SJcaler unb i8üb= ljauer, bie Slfabemie ber Sftufif unb bie ber ^nförtften ; jmei Qahre joätcr folgte bie ®rünbuug ber flfabemie ber SBiffenfchaften unb

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Subnrig XIV. alä SRegent.

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im 3af)re 1671 bic ber ©aufunft. gür alle biefe Schöpfungen be* Raffte Volbert nicht nur bic nötigen (Selbmittel, fonbern er gab ju benfelben aud) bic erfte unb unmittelbare Anregung. $a* GHeidje mar bcr gall bei ben jahlreichen Prachtbauten, in beren ©rridjtung ßubmig eine befonbere ©efriebigung fetner (Sitelfeit unb 3hihmfucht fanb.

$ieieibe ftuhmfucht unb ©itelfeit mar auch, bic ßub* roig XIV. trofc feiner geringen ttriffenf ältlichen ©Übung antrieb, nicht nur in feinem eigenen «anbe bic Vertreter ber SBiffcnfchaft mit föniglicher greigebigfeit ju unterftüfcen, fonbern feine ßtbera= lität auch auf frembe ®elehrte auskeimen, um aua) über1 bie ©renken granfreich* fynavß al* ber befonbere greunb uub *Be= fchüfter ber SBiffenfchaften gepriefen $u toerben. vJcachbem Süonne $u biejem Qvotdt bic nötigen <£rfunbtgungen eingebogen, mürben mehr als fettig auSttmrtige (Mehrte burch höfliche «riefe Golbert* überrajeht, bie mit reichen ©elbgefchenfen ober ber äufage eines 3ahrgehalteS bie »itte enthielten: „fte möchten geftatten, baß ber ftönig öon granfreich ihr* 2Bohltt)äter merbe, ba er nicht baä ®lücf habe ihr Dberherr ju fein." ®ie golge biefer Liberalität mar, baß balb ein großer Xheil ber europäifchen ©elehrtentuelt boüftänbig im SHenfte be* ftönig* üon granfreich frwb unb feine* £obe* fein Snbe finben fomtte.

Lubtoig* Seftreben , in feinem ftreife ein felbftftänbtgeä, ber föniglichen Autorität fich entjiehenbeä Leben ju bulben, machte fia) auch auf firchlichcm (Gebiete geltenb unb verleitete ihn ju Singriffen in bie fechte unb greit)eiten ber ftirche. ©dmn feit langer Seit hatte granfreich, in golge ber burch °ie „gattifanifchen greitjeiten" (f. 58b. IV. ©. 278 u. 445) gefdmffenen Vefchränfungen ber päpft* liehen ©emalt, bem Oberhaupte ber ftirche gegenüber eine gemiffe ©onberftellung eingenommen. $iefe fogenannten greiheiten, mie Appellation ber oon ihren Söifdjöfen üerurtheilten ©eiftlichen an bie meltliche bemalt, Berufung unb 38eftätigung ber fran^öfifchen 3i)ito ben burch ben ftönig, Öefchränfung ber fechte ber päpftltdjen Nuntien in granfreich u. f. m., fanben lebhafte Verthetbiger an ben fran§öfifchen tftechtägelehrten unb namentlich in ben firdjenfeinb- liehen Parlamenten, aber auch bei einem ZtytiU be* ftleru* felbft.

Lubmig XIV. unterbrüefte Anfang* bie fdt)t^matifc^en Jöeftre* bungen, melche fich in ben Parlamenten unb auch bei einigen l)oa> gefteüten ^eiftlithen funb gaben. Qn golge eine* ßermürfniffe* mit bem heiligen Stuhle megen beä fogenannten dt e g a 1 i e n r e d) t e 3 , oermöge beffen ber ftönig mährenb ber (Shrlebtgung ber biidjöjlidjen Stühle beren (Sinfünfte bejog, bie (Mter burch feine Beamten ber- »alten ließ unb bie ber bischöflichen Verleihung unterftehenben Vene= jicien mit ^udnahme ber Pfarreien bejefcte, änberte er jeboa) fein

fcolan>ari$, SBeltflefäi^te. VI. 7

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98 fiubiuig XIV. öon graufrei$.

93enef)men unb berief im Qafyre 1681 jum Söelmfe ber Äufredjt; fjaltung ber gallifanifdjen greifjeiten eine SBerfammlung öon fünf^ unbbrei&ig Söifdjöfen unb eben fo öielen Üflitglieber beä übrigen ®leru3 nadj $artö, meiere eine Defloration über ben Umfang ber päpftlidjen ©ewalt in granfreid) erlaffen follte. 9tad)bem bie öon bem SBifdjof öon Xournaö entworfene , gerabeju auf ein ©dnSma loäfteuernbe ©rflärung öon ber Jßerfammlung öerworfen worben mar, nafym biefelbe bie berühmten öier gallif anif d)en Slrtifel öon ber ftrd)ltdjen Gewalt an, bie ber ©ifdjof ton SJceauj, ber buraj GJeleljrfamfett, Söerebtfamfeit, firdjlidjen Sinn unb ftrenge ©e- finnung auSgejeidmete, aber bem §ofe gegenüber aüju nachgiebige o f f u c t , rebigirt hatte, ßubwig erhob biefe Ärtifel, au£ weldjen fid) Folgerungen ableiten liegen, bie ber Staatsgewalt Gelegenheit $u einem bie freie SBirffamfeit ber $trd)e beeinträchtigenben *Bor= gehen gaben, fofort $u 9teia)§gefeten, an>ang alle ßefjrer beä Vechta ' unb ber Geologie, biefelbe $u befchmören, unb öerfügte, ba& bie theologischen unb juriftifchen gafuUäten beS Sanbeä ftiemanben pro* moöiren bürften, ber fidj weigere, biefelben in einer feiner Xbefen $u üertheibigen.

$atft Snnocenj XI. behielt fta? ftifle, öerweigerte aber ben öon ßubwig ju ©ifchöfen ernannten 9Kttgliebern ber s$arifer «er= fammlung bie SBeftättgung. .gnbeffen fuhr ©offuet fort, bie Är* tifel gegen bie Anhänger ber entgegengefefoten ftreng fira^liajen ftn= fa)auung, bie man, um ben ©egenfafc ala einen nationalen erfreuten ju (äffen, bie Ultramontanen nannte, mit aller ©ntfduebenheit $u öertheibigen. Unter biefen Ultramontanen ragte befonberS ber ©rjbifc^of öon Sambra^, ber milbe, flare unb eble g<5n<5lon, heröor, unb biefem gelang eä, fielen bie Äugen über bie Gefahren 5U öffnen, tvelc^e bie gaUifanifdjen greiheiten ber greiheit ber $ircfje bereiteten, inbem fie aJcandjeä, worüber bem geiftlichen Ober* fjirten allein bie (Jntfajeibung juftanb, in bie £)änbe be* weltlichen Regenten legten, ©elbft öon ben SBortfü^rern ber gattifanifchen greiheiten famen Stiele $u ber ©rfenntnifi, bafj bie öermeintüdjcn gattifanifchen greiheiten bie £ird)e unter baä 3och ber Ihtedjtfdjaft bringen würben.

$)ie ©pannung jwifdjen Subwig unb bem päpftlict)en Stuhle würbe cvl)bl)t burd) einen neuen ©treit, ben be3 $önigä übermü* tfjige .^crvid)jud)t ^eraufbefa^wor. Söeranlaffung §u bemfelben gab ba3 Äfölrecht ber <£)efanbtf$aft3quartiere in SRom, bie in golge eineä alten SJcifjbrauchS öon ber ©eridjtä barfeit ber römifdjen Söe- hörben frei waren. Ta bie franjöfifchen öotfehafter biefeä Äfut- redjt mit ^errifa^er Änma&ung and) über bie IJcauern ihreä $a= lafteä (unauä auf bie nädjü gelegenen ©tragen auägebelmt hatten, fonnten Verbrecher aller Ärt auf eine Sufluchtäftätte rennen, in

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fiubtoig XIV. a!3 Regent.

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toeldjer jte gegen alle ftadrforfdjungen ber römtfäen *ßottjei ge* föü$t waren. Um biefem baS ©anbitenunwefen in fjotjem ®rabe begünfrigenben Unfug ein (£nbe machen, oerlangte ber ^ßapft oon ben fremben 9ttä$ten bie SBerjidjtletftung auf bae 2lftilred)t iljrer (Sefanbten. Xiefer billigen gorberung famen fotvo^I ber &atfer, at& bie Könige oon Spanien, ©nglanb unb Sßolen bereit* nrifltg nadj; Subwig bagegen erf)ob SBiberfprud), weil e4 ifjm toi* berftrebte, jtdj naa) bem ©etfpiele 2(nberer $u richten. Qnno= ccn$ XI. erhörte hierauf ald ©ouöerön ba$ &ft)lredjt für aufge« fjoben unb bebroljte JJeben, ber fortfahre, baäfelbe auszuüben, mit ber (Srfontmunifation. 2ludj jefct gab ßubwig nidjt nad), fonbem lieB, um bem ^apfte offen Xrofe ju bieten, feinen neu ernannten 53orfcr)aftcr, ben 9ttarqui$ öon ßaoarbin, am 16. SRooember 1687 feinen ©injug in fRom mit einem (befolge Don adjtfyunbert ©emaff= neten galten, welche außer bem fran$öft|d}cn ©efanbtfd&aftspalaft aud) bie angrenjenben Strogen befefcten. „Sie fommen, ftol$ auf i^rc SSagen unb Stoffe", fagte 3nnocen$; „idj aber oertraue auf ben $errn, ber ba bleibt in (Ewigfeit." <£r oerweigerte bem ©e= fanbten bie oerlangte 2lubien£, belegte iljn mit firdjlidjen ©trafen unb fpradj, al$ ber SJtorquiS nicfytöbcftoweniger ftdj in bie £ubtuig$s firdje begab, um bem £>odjamte betjuwofmen, ba$ Qfntcrbift über biefe fördje au§. $er ©efanbte war fred) genug, mit einem jaf)l* reichen (befolge in bie ^ßeteräfirdje einzubringen; ber (Sotteäbienft nmrbe jebodj bei feinem (Srfdjeinen fofort unterbrochen, unb fämmt* lic^e ©eiftüa)en oerließen bie Irirdje.

Vergebend fudjte Subwig burä) bie ©efefcung bon Sloignou unb Venaiffin unb bie $rol)ung ber (Sntfenbung eines £>eere$ nadj bem #ird)enftaate ben $apft einjtiftfjüdjtern: 3nnoccn5 XL blieb unerfctyütterlid). Slleranber VIII., ber im 3afjre 1689 3nno* cenj XI. auf bem papftlidjen Stuhle folgte, oerwarf bie öier 2lrttfel unb oerweigerte bie öeftätigung ber neuernannten S8U fdjöfe. Qttbcffctt wud>8 in granfreia) bie Verwirrung in ben ftrdj* lid^en Verfjdltniffen fo fefjrf ba§ jidj ßubwig enbtidj jum üRadj* geben gezwungen faf). 9fadjbem er im 3^rc auf ba$ 2lft)l* rcdjt bis franjöftfajen ©efanbtfdjaftäquartterS in 9tom )öer$idjt ge* teißet unb bem Sßapft Slöignon unb SBenaiffin jurüefgeftettt, Wied er im 3<*§re 1692 bie fedjäunbbret&ig Söifäöfe, bie er feit bem 3a$re 1682 ernannt Ijatte, an, ftdj bem päpftltdjen Stuhle $u unterwerfen, unb erflärte bem $apft JJnnocenj xil., bem S'lac^folger Sllefanber^ VIII. r ba& er bie öef^lüffe ber SSerfammlung t?on 1681 für nic&t oerbinbliä) erachte unb feine auf ©runb berfetben erlaffenen ©efeje jurfitfneljme.

Um ben ^abel ju enthaften, ben er ftd) bura^ feine (Eingriffe in bie ^ca^te ber flirre üon Seiten ber fatf>olifd)en SBelt juge*

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100 Subwig XIV. tum granfreitf).

Sogen, fud^tc fiubmig fctitcit (£ifcr für ben fat^olifc^cn ©laubcn burcf) bie gemaltfame ,8urücfführung bcr Hugenotten jur fatholifdjcn Kirche ju befunben , obgleich ber $apft felbft im ©elfte ber Kirche erflärte: man muffe bie irrenben SBrüber burefj Siebe gewinnen unb nicht mit ©emalt in bie Sirenen föteifen. 3uerft erlieg ßub= »ig eine $Reit)e öon Verfügungen §ur ©efdjranfung ber 9tedjt«* fp^äre ber Hugenotten. $ie au« Hugenotten unb ®atholifen ge= mtfehten $Recht«!ammern mürben aufgehoben, bie Hu9enottcn öuä ben hohen Remtern entfernt unb gemifa)te (Sfjen auf« ©trengfte unter jagt; ebenfo mürbe ber Uebertritt üom ®atholtci«mu« jum <Proteftanti«mu« bei fernerer ©träfe verboten. $a alle biefe Witt* tel nicht rafdj genug jum Siele führten , fuchte man burd> bie ßaft ber (Einquartierung ba« $Befehrung«mert ju befchleunigen , inbem man in bie Käufer ber SLUberfpenftigen Dragoner einlagerte, bie grofje (Sjceffe öerübten. 3)iefe fogenannten „$ragonaben" Ratten in ber %\)at ben Uebertritt oieler ^roteftanten $ur golge; bod) tourbe eine ungleich größere Qafyi burch ba« milbe ©ntgegenfommen unb bie überjeugenben ^ßrebigten einzelner 9Jctfftonäre , benen in«= befonbere ber eble g^nölon a(g Sttufter öoranleudjtete , $ur Kirche jurütfgefüfjrt.

$>en ©chlufj be« ganjen Verfahren« bitbete im Saljre lß85 bie Aufhebung be« (Ebift« Don 9iante«. CSin föniglidjcr (Erlag entjog ben Hugen°tten ad' ihre früheren ^riüilegien , unterfagte ihnen ben öffentlichen mie ben $ßrioatgotte«bienft , orbnete bie 3)e* molirung ber neuen Kirchen an unb bemrie« aüe proteftantifdjen Sßrebiger au« bem ßanbe. Obgleich ben Hu9cn°tten feinerer ©träfe bie 2lu«manberung verboten unb ju biefem ©nbe bie ftrengfte Ueberroacfmng ber ©renken angeorbnet mürbe, gelang boch ote- len Saufenben bie Angaben fchroanfen $ttnfd)en fechjigtaufenb unb einer Viertel 2#iHion mit ihren gamilien au« granfreid) $u entfommen unb ihre Wrbeit«fraft, it)re ftenntniffe unb ihren ftunft* fleifj anbern ßänbern $ujufüt)ren, fo bafj Submig« angeblicher !Rc- ligion«eifer granfreid) fehlere Sßunben fchlug , bem s2lu«lanbe ba* gegen Vorteil brachte. SEBilhelm üon Oranien, ber fidj im eigenen Qntereffe jum befonberen Vejchüfcer ber au«gemanberten v$roteftan= ten aufmarf , lieg ifmen bebeutenbe Unterftüfcungen jufommen, ba- mit burd) fie bie franjöfifctje (Semerbttjätigf eit nach H°^anb unb (Englanb öerpflan$t merbe. s2luch ber $urfürft grtebrich 2Bilt)elm Don Vranbenburg na bm an jmanjigtaufenb au«gemanberte fran- $öfifd)e Sßroteftanten in bie Sparten auf unb füt)rte baburdj in bie- fen ©egenben einen raffen #uffchnmng ber fünfte unb ©eroerbe herbei.

£rofc aller ©emaltma&regeln mar jebod) ber $roteftanri«mu« in granfreich nicht ooUftänbig unterbrüeft. Verfleibete reformirte

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*!ubnrig« XIV. $of.

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^räbifanten burcfjftreiftcn ba3 ßanb unb üerfammelten it)re in granfreich zurüdgebliebenen ©laubenSgenoffen , bie, boH 3ngrimm im £eraen , nur bie (Gelegenheit abwarteten , gegen ben ®önig bie Waffen ju ergreifen, in SBälbem unb (Einöben zur Abhaltung ifjreä (^otteSbtenfte*. 2Bo bie Regierung biefen SBerfammlungen auf bie Spur famf fdjritt ftc gegen biefelben mit grofjer Strenge ein. Xa fie bennoch nic^t aufhörten, mürben üerfdjärfte SJca&regeln ergriffen. 3>teä führte im $ahre 1702 in ben <Seöennen, in beren I^älem befonberä öiele «ßroteftanten, meift SRachfommen ber alten SBalbenfer, lebten, beren ©laubenSeifer burd) angebliche ©ifionen einzelner ©e* meinbeglieber zum religiöfen Sanattemuä gefteigert morben , ben blutigen Slufftanb ber „(Eamifarben fyttbti , ben bie Regierung vergebens burcf) SBaffengemalt ju unterbrücfen fachte. Nach einem äteetjäljrigen erbitterten Kampfe , in meinem t>on beiben ©eiten bie empörenbflen ©raufamfeiten berübt mürben unb über §n>anaigtaufenb ücenfchen ben Xob fanben, fam e3 ju einem Vergleich, in meinem ben Slufftänbifäen Religionsfreiheit bemilligt mürbe.

Submigö XIV. $of.

55a Submig XIV. eS für nötfufl erachtete, zur möglichften <Er= bebung feiner eigenen Sßerfon jttJifchen fich unb ber Brenge eine Slrt @<heibemanb aufzurichten, umgab er fich mit einem jahlrei^ rfjen, mannigfach gcglieberten unb abgeftuften |>ofe, in beffen bracht fich ocr ®lönj ber $rone in beftänbigem SBiberfchein abfpiegetn tollte. Qn ber (Einrichtung btefeS prunfoollen $>ofeS fah er zugleich baS ficherfte SRittel, ben 5lbel feinen einfamen ©cf)löffern ju ent* reiften, in beneu berfelbe fo oft auf (Empörung gefonnen unb ben ^errfchem SfranfreichS Xro j geboten , ihn bauemb in feine 9lähe ^u ziehen unb ihm baburdj SBeranlaffung zu geben, feine (Einnahmen in ber Nachahmung bcS föniglichen &uru$ zn berfchmenben , feinen Ehrgeiz auf Rang unb SBürben am |>ofe zu richten unb fich fctöft baburch unbemu&t feiner Stacht unb Unabfjängigfeit zu entäußern.

Qn bem gtänzenben Greife, mit welchem Submig XIV. {ich umgab, mar er ftets bemüht, in allem, maS er that unb fprach, bie SKajeftät unb ben mürbeoollen Slnftanb beS §errfcherS zu oe* mahren, mobei baS ^mponirenbe feiner ganzen (Srfchetnung , feine fchöne, männliche ©eftalt unb bie eble SBilbung feines ©eftchtS, tf)n auf* Öefte unterfrüfcte, unb feine (Eitelfeit gefiel fich *>m ®e*

1) liefen 9?amen erhielten bie $lufftftnbifchen, »eil fte bei ihren nficht- lid)en Ausfällen übet ihren Äleibern fcemben (camiso = chemise) trugen, um nidjt erfannt zu werben.

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Subraig XIV. üon ftranfreidj.

mußtfein, baß Aller Augen öott 93emunberung auf ihn gerietet waren.

$a* ßeben am #ofe ßubmig* öerfloß in unau*gefefcten 3feft= lidjfeiten unb ßuftbarfeiten. Earouffelpartien , allegorifche <ßanto* mimen, ©allette unb 8ingfpiele, oon ben sperren unb tarnen be* $ofe* aufgeführt, mechfelten ab mit ©chaufpielen , ÜJ?a*fen$ügen unb geuermerfen ; anbere SBeluftigungen mannigfaltigfter Art bräng* ten fid) in bunter Reihenfolge bajmifchen. $>er ®önig felbft nahm an ben jur Aufführung gebrauten geftfptelen, bie öon ben h«öor= ragenbften ftidjtern granfreich* eigen* für ben £of öerfaßt mur- ben , balb in ber Rolle eine* gelben , balb in ber eine* ©orte* Ztyil, unb Alle* in biefen (Spielen mar barauf abgelesen, ilm al* ben größten unb meifeften ^Monarchen ju öerherrlichen.

gür biefe* glänjenbe £ofleben genügten bie Räume be* Souöre nicht mehr; auch ber Aufenthalt in biefem alten *ßalaftc bem ßönig burch bie Erinnerung an bie äReutereien ber Sßarifer in ben 3eiten ber gronbe öerleibet. Ebenfomenig fagte ihm für bie Dauer ba* ©chloß öon @t. ©ermain ju, mohin er anfang* fein $oflager »erlegt hatte ; er ließ bafjer ba* fleine (Schloß 8 et f a t U t * # ba* feinem SBater bei beffen Sagben jum Ruhepunfte gebient, mit einem ßoftenaufmanb öon neunjig aJciütonen ßiöre* ju einem prachtvollen ßönig*ftfce umbauen, um melden balb eine anfehnliche Stabt ent= ftanb. SBie ba* <Sd)loß felbft, obgleich gan$ im ©efehmaefe ber gefunfenen italienifchen SBaufunft errichtet, öon ben Seitgenoffen al* ein unübertreffliche* SJcuftermerf angeftaunt mürbe, fo galt auch ber ©arten öon SBerfaiHe* mit feinen ©rotten, Söafferfünften , Statuen unb 23aumgängen lange Seit al* ein SBunbermerf ber neuen Söelt, unb 2 e R 6 t r e , ein SDcann öon außerorbentlichem Xalent, mürbe burch bie Anlage be*felben ber <Sd)öpfer eine* neuen ©efehmaef* in ber ©arten! unft , melcher fich , trofc ber Sßerirrung , bie in ber übertriebenen (Symmetrie , in ben nach ber Schnur befdmittenen £ccfen unb Söaumgängen liegt, balb über ganj Europa öerbreitete.

3n ben (Sälen unb ©arten öon Söerfaide* bilbeten fid) jener freiere gefellige Xon, jene* belebte unb geiftreiche ©efpräch, jene leichten unb angenehmen Umgang*formen au*, burch meiere £ub~ mig* §of ba* Söorbilb für alle übrigen £>öfe Europa'* mürbe, unb ber Einfluß, ben granfreich burch biefe fociale söilbung auf ba* Au*lanb au*übte, trug nicht menig baju bei, fein Uebergemicht in Europa fidjer ju fteHen.

Aber bie öerfeinerten gormen, in melchen fich ba* ßeben am Jpofe öon SSerfaiHe* bemegte, maren nur bie trügerifche £>üüe einer tiefen fittlichen Sßerberbniß, unb menn auch ßubmig XIV. ftrenge barauf hielt, baß ber äußere Anflanb gemährt blieb, fo jeigten fich bodj fchon unter ihm bie folgen ber am §ofe gepflegten griöolität

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fiubwig* XIV. $of«

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in ber ooOftänbigen Untergrabung ber ©runblagen be* gamilien* lebend. 9Ran mar bereits fo toeit gefommen, baß e* nur Söenige ber 3Jcüt)e merit) erachteten, eheliche Untreue ju oerbergen, unb häusliche Xugenben unb Sittenremfjeit ber (Segenftanb be* ®efpörte* tüurben. Um geiftreiche Sudlerinnen, mie 9cinon be r@nclo*, bic mit einer unoermüftlichen Schönheit eine feltene Anmutt), gern* heit unb ßebhaftigfeit be« (Seifte* oerbanb, fammelten fich bie am gefehenften SKanner be* $>ofe*.

2Bie meit ba* firtliche SBerberben unter ber öfteren franjö- fifdjen ©efeflfehaft bereit* um fict) gegriffen unb welche Verbrechen mitunter im Verborgenen oerübt mürben, jeigt in*befonbere ber s3roje6 ber jungen unb föchten SJcarquife oon IBrinoillier*, bic im 3a§rc 1676 a^ ®iftmtfct)erin $u $ari* enthauptet mürbe. Sie t)atIC nicht nur au* £abfucr)t ihren SBater unb ihre fämmt= liehen ©efchmifter, fonbern auch eine große Sah! anberer ^erfonen oergiftet, um bie SBirfung ber üon ihr bereiteten ©ifte ju erproben. Ueberhaupt ^atte bie ©ifrmifcherei eine fo fehreefenerregenbe $lit** behnung gemonnen, baß ßubmig jur Verfolgung unb SBeftrafung berfelben einen eigenen @eric^t8t)off bie Chambre ardente, einfette.

fiubmig* ©emahlin SJcaria itjerefia mar eine fetjöne unb firten= reine grau oon großer $>eraen*güte ; fie befaß jeboct} ju menig glänjenbe @igenfct)aften, um ba* £erj be* ®önig* feffeln ju fönnen. ßubroig fytlt jmar ftrenge barauf, baß ihr bi* an ihr fieben*enbe (30. Quli 1683) bie ihr gebührenbe Sichtung ermiefen merbe; er felbft aber rummerte ftd) menig um fie , ba er fchon frühe ange* fangen , feine ©unft anbem grauen jujumenben. Xie (£rfte , um berentmißen er feiner ©emahlin bie Ireue brach , mar bie fpäter oon ihm $ur ^erjogin erhobene fiouife granc;oife be la SB a liiere, bie al* £ofbame ber ^rinjeffin Henriette Oon (Snglanb, ber erften ©emahlin be* ^erjog* oon Drlean*, an ben franjöfifchen $>of ge= fommen mar unb felbft eine glüt)enbe Neigung für ben ®önig ge* faßt hatte. ßubmig* Seibenfehaft für fie oerrauchte , al* er im 3at)re 1674 in ber SWarquife oon 9ftonte*pan eine glänjenbere Schönheit rennen lernte. Xie ßa Valliere, bie ihren Sturj al* eine gerechte ©träfe be* Gimmel* anfah , jog fich in ba* Softer ber ftarmeliterinnen ju $ari* jurücf, mo fie bi* an ihr ßeben*enbe (6. 3uni 1710) unter bem tarnen soeur Louise de la miseVicorde burch horte Arbeiten unb ftrenge 93ußübungen bie gef>ltritte ihrer 3ugenb ju fühnen fudjte.

SBährenb bie fia SMiere feinerlei Einfluß auf bie Staat*ans gelegenheiten ju erlangen gefugt , mar ba* Streben ber h^rfet^ füctjtigen SHarquife oon 9ftonte*pan, bie im Qatjre 1676 oon ihrem ®emahle gefchieben mürbe, nachbem berfelbe feine Auflehnung gegen ba* jmifchen ihr unb bem ftönig fich entfpinnenbe »erhältniß erft

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Subroig XIV. bon 8rtanfrct<$.

burch eine längere .fjaft in ber Vaftiüe, bann burch bie Verbannung nach (Staoenne gebüßt hatte, auf bie oollftänbtge Veherrfchung be* ge* famntten $ofe* gerichtet, unb jte erreichte biefe* Qitl auch für eine Steide bon fahren. 2Bie ber fonft auf feine Sttadjt fo eiferfüc^- tige Äönig fich in fdjtoachen ©tunben gänzlich bon il)r leiten lieg, fo beugte jtdj auch ber £>of, beffen gtanjenber äRittetyunft fie ge* toorben , oor ihrem eigentümlich feinen Xon , ihrem fprühenben ©eift unb ihrem bei&enben SBifc, unb 9Jttnifter unb Generale git- terten bor ihren Saunen. Nacfjbem ü)r bereit« im Safjre 1678 in bem fieO^e^njä^rigen gräulein oon gontange*, bie gleichfalls oon bem in leibenföaftlidjer Siebe $u ü)r entbrannten Äönig jur ^jerjogin ernannt tourbe, eine gefährliche Nebenbuhlerin erftanben, bie jeboch fdjon nach brei Qaljren ftarb, tourbe fie ganj au« ßub* ttrig* £)er$eu oerbrängt bura) bie im reformirten ©tauben erlogene, fpäter aber jur fatljoUfdjen Kirche übergetretene SBttttoe be* fo» mifchen dichter* ©carron, gran$oife b'#ubign<5, bie nachmalige Srau bon Sftaintenon, meiner ber Äönig bie Pflege unb (5r* 5tcfmng fetner beiben natürlichen ©ohne übertragen hatte. Um ba£ gegebene Slergernife toieber gut $u machen unb für ihre Vergebungen Öu&e ju thun, oerttjeilte bie 3Jtonte3j)an ben größten Xljeil ihre* Ver= mögen* unter bie Firmen unb jog fid) reumütig in bie ©tnfamfeit eine* Ülofter* jurücf, »o fie ihre Seit aroifchen Vuüübungen unb SBerfen ber SBofjItyätigreit feilte, ©ie ftarb im 3a$re 1707.

$a* Verhältni& be* ®önig* ju ber grau oon 9Jcaintenon biefen Namen führte bie SBitttoe ©carron oon ber ^errfdjaft 9ttaintenon , beren Wnfauf iljr burch Subnrig* reiche ©efdjenfe er= möglia)t toorben war ein anbere* , al* ba* , toelche* junfchen ihm unb feinen früheren ©eliebten beftanben fjatte. Subnrig füllte feine jener teiben)d)aftüd)en Regungen mehr, bie ihn ju fo ferneren Vertrrungen b,ingeriffen ; bagegen empfanb er mit ben $unefjmenben fahren eine immer grö&ere Seere, bie loeber bie raufchenben Ver- gnügungen feine* £ofe* noch ber 9tul)m unb ba* ©lud feiner ©äffen au^ufüHen üermochten. @r beburfte ber Serftreuung burct) eine anregenbe Unterhaltung, unb biefe fanb er bei 3rau oon 3ttaintenon in» fo reiä)em ^afte , baß iljre (SJefeCCfc^aft ihm balb unentbehrlich festen. $en Hinflug , ben fie ^ieburc^ auf Sub* toig XIV. getoann, tou&te fie burch ein äu&erft taftüotte* unb flu* ge* benehmen ju fidjem : fte beobachtete bie ftrengfte 3MriicfhcdtunÖ' toiberfprach bem Äönig nie unb fchien fein anbere* ©treben $u fennen, al* feine Saunen ju jerftreuen unb ihn burch Die SBieber* belebung feine* religiöfen ©efühl* auf ben SBeg ber Pflicht jurücf* juführen. Nachbem e* ihr gelungen, be* ^önig* jper^ oon ber 2ftonte*pan lo*auret6en, beren toachfenbe ßaunenhaftigfeit ihm längft

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SubwigS XIV. £of.

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lafrtg geworben, fuchte fie ein beffereS 93erhältniß stützen it)m unb feiner Gemahlin ^erjufteaen, unb auch bieS gelang ifu\

#mei Söhre nach bem Xobe ber Königin bot fiubroig ber grau öon EJcaintenon fetbft feine $>anb an. Vergeben« bat ihn ßouüois fußfällig, öon bem Gebanfen abstehen, bie SBitttoe ©car* ron jur Äönigin öon granfreidj ju machen ; alles, toaS er erlangen fonnte, mar, baß Subroig auf bie anfänglich öon ihm beabfichtigte 93efauntmachung feiner SBieberöermählung SSerjid&t leiftete. $ie Xrauung mürbe gan$ in ber ©tiöe in ber ^riöatfapelle beS ©djloffeS öon Verfaule« öon bem (Srjbifchof öon <ßariS üoHjogen.

Äber (Shtfluß, ben bie SJcaintenon buref) ihre geiftige lieber- legenheit auf ben Äönig ausübte, fteigerte fid) öon 3at)r ju 3ahr unb machte fidj auch öm $>ofc geltenb. Obgleich ßubroig ben öotten Glans beSfelben aufrecht t)iclt unb auch noch prunföolle Sefte gab , f uchte er an bemfelben eine größere ©ittenftrenge r)erjuftcden. $>ie SJcaintenon felbft nahm an ben £offeften nur feiten Xheil, toeil fte bei benfelben nicht als Königin auftreten fonnte. ©ie fanb ihre Jreube in SBerfen ber SJctlbthätigfeit, ju benen fie auch ben $önig anjuregen fuchte. ©ei allem (Schein jurüergejogener SBefcheibenheit übte fie boch auf ben Gang ber Staatsangelegenheiten einen bebeu= tenben ©influß aus. $er ^öitig arbeitete häufig mit feinen TOniftem in ihrem Simmer, roährenb fie mit ßefen ober roeiblichen Arbeiten befchäftigt mar. fragte er fie bei folgen Gelegenheiten um ihre Meinung, fo antwortete fie in ber flieget ausroeidjenb unb oerbarg forgfältig baS ^ntereffe, baS fie an bem Gegenftanbe ber 33erathungen nahm. 2lber in ber Kegel mar bereits sMeS jroifchen ihr unb ben SJcmiftern bef prochen unb abgemacht , fo baß fie eS mar, bie thatfächüch alle Gefchäfte leitete, roährenb fie ben $önig in bem Glauben erhielt, baß alle @nt[cheibungen öon ihm allein ausgingen.

Qn biefer einflußreichen ©teüung , in melcher fie jroar nicht allgemein geliebt , aber allgemein geachtet rourbe , mußte fict) bie SRaintenon burch ihre Klugheit bis gum Xobe SubroigS ju behaup* ten. Xabci mürbe jebodj ihre Aufgabe bem Könige gegenüber öon Qahr ju Qahr fehmieriger, ba berfetbe fortmährenb unterhalten unb §erfrreut fein roollte unb Doch immer mehr bie (Smpfänglichfeit für geiftige Unterhaltung öerlor. Gleich nach bem Xobe beS Königs öerließ fie ben jpof unb jog fich nach ©t. (Eür jurücf, mo fie eine reich auSgeftattete G£r$iehungSanftalt für breihunbert iöchter unbe= mittelter ©belleute gefttftet hatte. $ort ftarb fie 1719, im Sllter öon öierunbacht^ig fahren , bis an ihr <£nbe roie eine oermittroete Königin geehrt.

3)aS gefammte £>of!eben $u ©erfailleS beruhte auf ber im )'echjehnten Qahrhunbert am fpanifchen §ofe herrfchenb gemorbenen

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Cubwiß XIV. von granfreicfc.

(Stilette, bic burd) flnna öon Defterreiet) nad) granfreid) öerpffonjt morben mar unb luer burd) ßubmig XIV. ü)re h°#fte 2lu«bilbung erhielt. Me« bi« in« SHeinfte mar bur* bic ftrengften ©efefce ge* regelt. <£« gab genaue Sorfdjriften barüber , in meldte ©emädjer bie einzelnen Herren unb tarnen be« §ofe« ungerufen fommen Durften, »er beim Slufftefjen ober (Schlafengehen be« ftönig« zu- gegen fein mu&te, bi« ju meldtet föangftufe f)erab bie pttxtn bei ben ^ofgefeHfctjaften fid) fefcen unb auf ben Spaziergängen ba« £aupt bebeefen burften.

Submig tyüt aufs ©trengfte barauf, ba& jeber @ro§e öon SRang regelmä&ig bei 4>ofe erfct)eine. 2Ber bie« öerfäumte, burfte auf feine SBergünftigung öon Seiten be« ®önig« rennen. SBurbe um eine foldje für ihn gebeten, fo pflegte Submig ju antmorten: „3ch fenne ben Sttenfdjen nicht; ich fehe iim nie." ©onft geigte fid) Submig gemöfmlich im SSerfefjr mit feiner Umgebung fehr h^f5 lieh , öerbinblich unb lieben«mürbig unb mußte ftdj ftet« mit fo mürbeöoller 9lrtigfeit au«jubrücfen, ba& feiten 3emanb bem 3a"ber feiner Söorte miberftanb.

55ie Xage«orbnung be« $ömg« mar auf ba« ©enauefte be= frimmt. SRaehbem ilm um adjt Uhr ber erfte ftammerbiener ge= medt unb ein anberer ifjm ein frifche« £emb gebraut, erfduenen $mei tammerherren , öon benen ihm ber eine SBeihmaffer unb ber anbere ein (Gebetbuch reichte, morauf ©eibe fich jurüdjogen. So- balb ber ®önig aufgeftanben mar unb fich ba« 2florgenfleib t)atte reiben laffen, traten bie ^ßrinjen, bie Generale unb bie Herren öom fogenannten „jmeiten «Surritt" ein, in beren ©egenmart er fid) an= f leiben, ben öart abnehmen unb bie ^erliefe auffegen lieg. 9cad) beenbigter Xoilette mürbe ein gemeinfame« sIRorgengebet üerrichtet; bann begleiteten alle s#nmefenben ben ®önig in fein tabinet, mo er feine Söefefjle über gefte , geierlidjfeiten unb anbere bergleichen $inge erteilte, hierauf begab et fich jur Ütteffe, mobei ber ganje Jpof in ber GJaHerie jmifajen feinem tabtnet unb ber ScapeHe in feierlicher Haltung fielen mufete. 9tad) beenbigter äfteffe arbeitete ber ftönig bi« ein Uhr mit ben Sftimftera in feinem Äabinete unb ging bann jur 9Jttttag«tafeI. ©emöfjnlid) fpeifte er allein , unb roährenb ihn bie Äammer^erren bebienten, fa^en fein ©ruber, ber ben Xitel SDconfieur führte, fomie feine (Söhne unb ©nfel ftef>enb ju. sJlad) ber Xafel fütterte ber ftönig feine §unbe unb fpielte mit ihnen ; bann fleibete er fich um unb fufjr au«. Stach ber SRüd* fefjr mec^felte er abermal« bie ßleibung, morauf er ben ©efua^ feiner (^ünftlinge, ßammerleute unb Beamten empfing ober Söeridjte ent= gegen na^m. Um je^n U^r begann bie glänjenbe Slbenbtafel , §u melier eine Slnja^l öon Röfleuten eingelaben mürbe. SRadj aufge^ tjobener Xafel unterhielt ftc^ ber tönig noch eine 3eitlang fte^enb,

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2>ie fransöftfcfc Sitcratur unter Subroig XIV. 107

mit bem ftüden an einen Pfeiler gelernt, über gleidjgiltige $)inge mit ben üm umringenben SInroefenben unb jog fia^ bann, ben $a= men eine Verbeugung madjenb, in fein ^abtuet jurüd, oon wo i^n fpäter bie &erren öom erften unb aweiten gutritt in fein Sd>laf= gemac$ begleiteten. «Racfcbem er in ifjrem SBeifein fein SCbenbgebet oerridjtet unb fid) t)atte entfletben laffen, ftieg er $u ©ette, worauf fid) bie anmefenben #ofleute jurürfjogen.

(5ine mafjrljaft impofante <ßraa)t entfaltete ber föniglidje £>of an ben gro&en ©alatagen, an Welmen ber $önig bie ^ulbigung, beS gefantmten £ofeS unb SRetdjeS entgegennahm ober in ber pra$U Dollen ©aHerie $u VerfaißeS ben ©efanbten frember TOidjte feier^ lidje tfubienj erteilte.

2>ic frangdftf^e Literatur unter Shtbmig XIV.

Unter ber Regierung ßubwigS XIV. entfaltete fid) bie fran- jöftfdje SRationafliteratur ju fo fyofjer SBIütfje, bafj man feine Qtit Ujr g o 1 b e n e 3 Seitalter genannt fjat. TOerbingS fdjmiegte ftd? bie $oefte , bie gleid) ben übrigen fünften r)auf>tfacr)(icr) jur Verherrlichung beS &ofeS bienen follte, öollftänbig ber an bemfel* ben fjerrierjenben ©efdjmadsridjtung an; baljer bewegten fid) irjre Sdjöpfungen faft auSfdjlie&lid) in ben engen ©renjen ber ^onüenienj unb trugen , ftatt baS ßeben in feiner Döllen SBafjrljeit mieberju- föiegeln, baS ©epräge beS ©entarten. 9licr)t minber als burdj bie Seffeln beS £ofgefdnnatfS mar ber freie Slufflug beS bidjterifdjen ©eniuä burd) bie beengenben Sdjranfen einer mi&öerftanbenen Siegel* redjtigfeit geftemmt, meldte bie $id)ter felbft fidj buvd) bie fflaoifdje 9cacf)at)iming ber xHlten gebogen Ratten, ©anj befonberS gilt bie* oon ber bramatifdjen $id)tung, bie, wie in ©nglanb unter @ltfa* betfj unb ben Stuarts, fo audj in granfreid) unter ßubwig XIV. im Vorbergrunbe ftanb, weil fie am meiften jur Verfeinerung ber glän$enben £>offefte beitrug.

Sdjou SRidjelieu ftatte , oon ber &nfid)t auSget)cnb , baß ba& Zfytattx eine Sdwle ber VolfSbübung fei, ber bramatifa)en 3)id)t; fünft feine befonbere Slufmerffamfeit jugeroanbt. (£r entwarf fogar jelbft in feinen Sftufceftunben Richte ju X^eaterftüden , bie er oon mehreren in feinem Solbe ftefjenben $>id)tem ausführen lieft. 2lber wie ber grofje (Staatsmann baS politifdje Uebergewidjt Spaniens öernidjtet hatte , fo mar er auch bemüht , ben (SHnfluf} ju brechen, ben baS in freieren formen fidj bewegenbe fpanifche $>rama auf baS fran§öftfd>e X^eater ausübte , unb legte ju biefem @nbe ben oon ihm befolbeten Richtern bie ^flidjt auf, fieft ftreng an bie brei Sin^eiten beS SlriftoteleS ju ijalten, bie iöoüeau fpäter als @runb= regel ber bramatifdjen ^ßoefie in bie $8erfe braute:

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ßubmtg XIV. t>on ftranfreicf).

„Qu'en on lieu, qu'en un jour, un seul fait accompli Tienne jusqu'ä la fin le theätre rempli."

SDicfc Siegel, bie nidjt nur in ber $arftellung ber bramatifdjen ^anblung jeben 2Secf>fel be« Drte« üerpönte , f o bog alle« , ma« außerhalb biefe« Drte« fid) jutrug, einfach erjagt merben mußte, fonbern audj bie gefammte ©ntmitflung berfelben auf ben Seitraum tion öierunb$man$ig ©tunben beidjränfte, eben baburdj aber and) ben bramatifajen £id)tern bejüglid) be« ju roäfjlenben Stoffe« bie engften ©renjen jog, galt feitbem al« ©runbgefefc ber „flaffifdjen ISragöbie", bie im fiebaefmten galjrfjunbert unb ganj befonber« unter fiubmig XIV. burd) (Sometfle unb Racine ju i^rer työdjften iBoüenbung geführt würbe.

^ierre Corneille, öon feinen £anb«leuten „ber $ater ber franjöfifc^en Xragöbie", unb „ber ®roße" genannt, geboren im 3af>re 1606 ju föouen, mar ber ©of)n eine« Ocneralabüofaten am bortigen Parlamente unb fyatte fidj, nadjbem er in einem Qefuiten* Kollegium eine gebiegene 93ilbung erlangt, bem ©tubium ber Sftedjt«- tuiffenfdjaft gemtbmet, balb aber au«fdjließlidj ber $idjtfunft juge* manbt. 5öon bem ßuftfpiele, in metd&em er fidj juerft oerfudjt, ging er balb jur Xragöbie über, ©eine im 3a§rc 1^35 erföie* nene, ganj bem ©enecca nadjgebilbete „Sttebea", bie großen SBeifaü fanb, oeranlaßte 9ttd)elieu, ifjn unter bie ßafjl °cr fym befol- beten 3>id)ter aufzunehmen. 3)a jeboä} ber fjodtftrebenbe (£ornetüc fid) ben Slnfidjten be« $arbinal« nid)t in allen fünften fügen wollte, löfte fidj biefe« SBerfyältniß balb mieber , jum großen iBort^eil be« 3)id)ter« , ber nun ganj feine eigenen SBege ging, 9lad)bem er ficö mit ben bramatifdjen üfleiftermerfen ber ©panier öertraut gemalt, fcfjuf er fd)on im Qafjre 1636 nad) einem fpanifdjen ©tüde öon Luiden be ßaftro, feinen „Sib" , ber feine £anb«leute jur söegeiftc* rung fyinriß, bem 3)id)ter aber ooüftänbig bie GJunft be« ®arbinal« entjog. „$)er Seif all, ben ber £>of unb ba« ÜBolf biefem ©tüde fpenbeten", fagt ber ®efd)idjtfd}reiber $£liffon , „ift unbejdjreiblid). Wlan mürbe nidjt mübe, ju fefjen; man fprad) oon nidjt« Kit» berem in ben ®efellfdjaften. 3eber mußte menigften« einige ©teilen au« bemfelben ^erjufagen; bie ®inber mußten bie fdjünften au«= menbig lernen. ,©d)öu mie ber (£ib', mürbe jum ©prüdjmort."

3n ber 2 bat befunbete ber (£ib burcfj ba« ebte ^atfjo«, bie tolltönenben SBerfe unb bie meifterfjafte SDarftellung be« Kampfe« ämifdjen Siebe unb (Sfjre einen bebeutenben gortfdjritt in ber (Snt* micflung ber reiben bramatifdjen iöegabung be« 5)ic^ter«. Unftrei* tig mürbe er ©rößere« gefa^affen ^aben , märe er auf ber betre* tenen öa^n meiter gegangen; allein aud) er ließ fic^ burd) bie ^errfa^enbe ©efc^macf«ric^tung baju oerleiten, ju bem (lajftfa^en 2lltert^um jurücf ju fe^ren unb ficft fjauptfadjltd) ber ftarren Stö*

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2>ie ftoit$ö[if(f)e Literatur unter Subroig XIV.

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inerttelt jujuwenben. $>a ihm feine (Uegner ben Vorwurf mad> teil , bafi feine Stüde nur Nachahmungen feien , mät)lte er junächft einen Stoff, ben bor ihm noch Niemanb bramatifch bearbeitet hatte, unb fo entftanben im Safjre 1639 feine „£>oratier\ eine feiner ooüenbetften Xragöbien, in welker er bie aufopfernbe Eingebung, an ba3 «aterlanb barfteflt , bie im Kampfe für ba* £>eil beäfelben 3lüc3, auch bie eigne Samüie, preisgibt. ?ln bie §orarier reifte ftch noch in betnfelben 3°hrc fein mit bem gleichen ©eifaß aufge* nommener „<£inna", ben Napoleon I. „bie Schule ber Könige" nannte.

55>a3 ©öchfte leiftete (JomeiHe in feinem „^ßotyeuft", in wel- kem er bie 2Baf)rf)eit unb bie ftegreid)e ßraft ber chriftlicrjen 3been jur $lnfd)auung bringt. 3n feinen folgenben Stücfen jeigt fich mitunter eine geftnfje Neigung ju Uebertreibungen in ber Schübe? rung ber ßeibenfehaften unb eine fehlerhafte ftnlage; aber in allen feinen Xragöbien er fjat beren über breifjig gefchrieben fef* feit er burd) ben 2lbel unb bie (Sr^aben^eit ber ©efinnung, burd} bie traftoofle, ^nre^enbe Sprache unb burch bic Kühnheit, Seelen* ftärfe unb geiftige ®raft, womit er feine Reiben audftattete.

<£orneüte ftorb im 3°hrc 1684 als Senior ber franjöfifcheu 2Ifabemie, beren SRitglieb er im Söhre geworben. 3ft feiner £eben$weife wie in feiner (Srfcheinung war er äufjerft einfach , im Umgang wenig gefprädjig unb ohne jebwebe UnterhaltungSgabe ; bennoct) begegnete man ihm überall mit ber größten 33eret)rung. So oft er im Schaufpielhaufe erfaßten , wo er feinen beftimmteit s£la$ hatte , erhob fid) baS ^ßublifum unb baS parterre applau= birte. Schmeichelei unb rnechenbeS SBefen waren ihm oerhafjt ; ba^ her war er auch Srcunb beS £>ofe$, obgleich auch w *°at auf bie (Dröge granfreichS unb unter bem $anne lag, mit welchem Üubwig XIV. burch feine Anfänge bie granjofen bezauberte. Sfteb* lichfett, Äufrichtigfeit unb grömmigfeit bilbeten bie ©runbjüge fei- net &fyaxattzx%.

$u ben Nachahmern SomeiÜVS gehörte fein jüngerer ©ruber ZfyomaS Corneille (geb. 1625, geft. 1709), oon beffen jaf)l* reichen Xragöbien jebodj (eine einzige mit benen beS großen (£or* neiue* auch n«r im (Entfernteren oerglichen werben !ann.

2Bte baS Erhabene ben ©runbjug ber Xragöbien (SorneiuYä bilbet , fo tragen bie Schöpfungen feinet jüngeren ßeitgenoffen Racine mehr ben (tyaxattet beS sJtührenben. JJean Racine war hn 3<*hr* 1639 #a 3ert&2Jcüon im Departement tttöne geboren* Schon im Sllter oon brei fahren üermaift, erhielt er (eine erfte (£r§iet)ttng im #aufe feines mütterlichen ©ro&baterS, bte er in feinem fechse^nten 3ahre in bie Schule oon $ort*9toöal (fiehe unten S. 122) aufgenommen würbe, wo er fich mit Vorliebe

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üiubujig XIV. üon frranfretcf).

bcn 9fleifterroerfen bcr alten ^cücncn jumanbte unb SöicleS auS $omer, ©opfyofleS, MefdjöluS, (JurimbeS unb $ütbar auStoenbig lernte. (Sine Obe , bie er im 3af>re 1649 auf bie SBermäljlung SubnrigS XIV. bietete, braute bem reidjbegabten 3üngling burdj Volberts Vermittlung ein ©eföenf Don fünflmnbert ßouisbor unb eine jäl>rlid)e «ßenfion öon fed>Sf)unbert ßibres ein, bie ber fönig fpäter, als SRacine if)n im Saljre 1663 burd) eine neue Cbe Der* l)errlicf)t fmtte, auf jmeitaufenb fiiDreS erf)öfjte.

Racine'« erfte Sragöbie , „bie 2f)ebaibe ober bie feinblidjen ©ruber", bie im 3al)re 1664 in $ariS jur Sluffufjrung gelangte, fanb reiben ©eifaü. ftod) tnefjr erhoben ilm in ber ©unft beS <ßubltfumS fein „SHeranber" (1666) unb feine „Sfabromadje" (1668), in meld) teuerem Stüde er fid) juerft als felbftftänbiger SDidjter geigte, mä^renb er in ben früheren ©omeille jum Sßorbilb genom* men. ©eitbem mudjS ber 9tu^m beS $id>terS mit jebem neuen ©tüd. 2luf Slnbromadje folgten jnrifdjen ben Sauren 1668 unb 1677 nod) fedjS meitere Xragöbien, unter benen „öritannicuS", „g^igenie" unb „Wbra" bie bebeutenbften ftnb.

Qnbeffen oerleibete ber «Reib , ber bem Serbienfte folgt , mie ber ©chatten ber ©onne, bem rufymgefrönten ^idjter bie bramarifdje fiaufba^n fo feljr, baß er fidj im 3a§re 1677 ganj Dorn Sweater ^urüd^og. Qu biefem ©dritte ttürften jebodj aud) anbere, in Ujm jelbft liegenbe ©runbe mit. $er eitle ©dummer eines Dergäng* liefen Sturmes Dermodjte nidjt, fein $er$ loszureißen Don bem tief in bemfelben nmrjelnben ©efmen naef) bem ©roigen unb Unoergöng- liefen, unb fo fjatte er ben (Sntfdjluß gefaßt, in ben $artfjäufer= orben ju treten, um in ber ftiflen ^lofterjelle im auSfdjließlidjen $ienfte Rottes ben grieben ju fudjen , ben bie SBelt ifjm nidjt geben ju fönnen fdjien. Qnbeffen gelang es feinen greunben, Don feinem eigenen üBeidjtöater unterftüfct, ber SRacine'S bemeglidjeS #erj nidjt für baS Softer geeignet fanb, ilm öon biefem (£ntfd)luß ju* rücfjubringen.

S8on Submig XIV. im 3a§re 1677 ju feinem £>iftoriograj>l)en «mannt, befdjäftigte fid) Racine fortan faft auSfdjließlidj mit bem ©tubium ber ®efd)id)te; bod) färieb er auf ben SBunfdj ber grau von Sttaintenon für baS gräuleinftift Don ©t. Sur nod) jroei biblifdje Xragöbien, „(Sftfjer" (1689) unb „Sltfjalie" (1691), in roeldjen er audj ben gried)ijdjen (X ijor $ur s2lnmenbung brachte. SBon bem jpauaje einer maljrfmft religiöfen SBeilje burdjmef)t, gehören beibe ©rüde $u ben fd)önften ©lütfjen feines 3)id)tergeniuS. ^ndbefonbere Dereinigt VUlmiie, unftreitig fein äfteiftertoerf unb ^ugleid) baS (größte, toaS auf bem Gebiete ber flafftfa)*franjöftfa^en Xragöbie gefdjaffen mor* ben, alle iöorjüge SRacine'S. @in ungleich tieferer Kenner beS menfa)lia)en ^perjenS, als C£orneiHe, beffen ®l>araftere me^r tlb-

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SMe frcmaöfifcfje fiitcratur unter Submig XIV,

111

frraftioiten als Realitäten fhtb, Gilbert Racine ben SJcenfchen in öollftänbig wahrheitsgetreuen Süßen, nach Sa Bruto&re'S SluSfpruch, „ntdjt, wie er fein füllte, fonbern, wie er ift." Qn fetner treffen^ ben, burchficf)tigen Sprache fpiegeln fich alle Regungen beS SHenfchen* her^enS wieber. ©an$ befonberS finb feine grauengeftalten EWcifter= werfe ber Sharafteriftif. $abei finb alle feine (Schöpfungen t>on bem Räuber ber Einmuth untwoben unb tragen baS Gepräge ber hödrften gormoollenbung. 3n ber Harmonie unb bem SBo^aut beS SBerfeS ift Racine öon feinem anbera franjöftfchen dichter je übertroffen worben. Racine ftarb int 3af)re 1699 auS Kummer über bie Ungnabe beS ÄönigS, bie er ficf) burdj eine Eenffchrift ju= gebogen , in welker er bie herrfdjenbe Roth als bie golge ber (£r= oberungSfriege ßubwigS barfteüte unb SJcittel gu ihrer 2lbf)ilfe oorfc^lug.

Oünftiger als für bie Xragöbie , bie trofc beS hohen 2luf- fchtoungS, welken fie unter (£omeifle'3 unb Racine'S Bearbeitung genommen, innerhalb ber ihr burd) ben hemmenben Regel^mang ge- sogenen ©djranfen fich nur ju einer relatiöen SBoIIenbung entfalten fottnte, lagen bie SBerfjältniffe für bie #omöbie, für welche nicht bie gleiche ftrenge Beobachtung einengenber Regeln oerlangt würbe. Bis ju SometuYS Auftreten t)atte granfreich gar feine eigentliche ftomöbie gehabt. SGÖaS mit biefem Ramen bejetdmet würbe, waren theilS Rad)ac)mungen aus bem Stalicnift^cit , theilS Slnfammlungen lofe aneinanber gereifter alter berber ©paffe. ($rft burdj (EorneiUe'S „Sügner" würbe ber (Urunb ju ©harafterftücfen in eblerer Sprache unb mit gernhaltung aller gemeinen ©paffe gelegt. $er eigentliche Begrünber ber franjöfifchen ftomöbie war jeboch 9JI o l i h r e , ber bie franjöfifche ©efellfchaft , öon ihrer lächerlichen Seite aufgefaßt, in wahrheitsgetreuen f lebenSöoflen Sittengemälben auf bie Bühne brachte.

3ean Baptifte ^oquelin bieS war ber eigentliche Rame beS XidjterS War im 3af)re 1620 als ber Solm eines XapejiererS unb ÄammerbienerS beS Königs ju $ariS geboren. $er häufige Befudj ber theatralifchen BorfteHungen im £otel bc Bourgogne, Wohin ihn fein ©rofjöater öon mütterlicher Seite mit* junehmen pflegte, fyattt in ihm eine fo unwiberftehliche Reigung für baS Xheater geweeft, ba§ er ftch nach feinem SluStritt aus bem Qefuitencollegium öon ©lermont ju *ßariS, wo er ftch fünf Qafjre lang fleißig mit ben alten Sprachen, ber ^litloiopinc unb ber Rechts* wiffenfehaft befchäftigt fmtte, im ftahre 1642, trofc ber #bmah= nungen feines erzürnten BaterS, unter bem angenommeneu Ramen SJcolifcre einer bamals bejonberS beliebten ©chaufpielergefeüjchaft anfchlofe, bie im gaubourg 6t. ©ermain Borftellungen gab. Xrci 3ahre fpäter oerlieg er bie #auptftabt, um als $ireftor einer man*

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112 ßubroig XIV. öon Sranfreid).

bcrnbcn Xruppe SBorftellungen in ben <ßroöinzialftäbten ju geben, wobei er, ba c* ihm an ßuftfpielen fehlte, fctbft zur JJeber griff, um sunadtft öerfchtebene italiemfche unb ipaniföe ©tücfe für bie franzöfifdje ©filme umzuarbeiten, ©alb jeboct) fdt>ritt er zu eigenen Schöpfungen, bie wegen i^red fernhaften SBifecd unb ber Statur- roat)rt)eit ir)rer ß^araftcre großen löeifad fanben.

3m 3at)re 1657 nad) <ßari* jurüefgefe^rt, erhielt 9Miere, auf bie «erwenbung be* Prinzen öon Sonti, feine* bejonberen ©imner*, bie ©rlaubntjj, oor bem $önig ju fpielen, ber ftd) fo fet)r an feinen Stäcfen ergöfcte, ba& er ÜMiere'* Xruppe in feinen eigenen Xienft nahm. 3efct erft befanb ftd) SMiere in ber Sphäre, in welcher fid) fein ungewöhnliche* Xalent öoUftänbig entfalten fonnte, unb in rafdjer Slufeinanberfolgc erfduenen bie bebeutenbften feiner ßuftfpiele, öon benen öiele al* wahre 9tteifterwerfe ftdj nodj jefct auf ber ©üfjne be* gleiten ©eifall* erfreuen, wie jur Seit ihrer erften Aufführung.

9GBa* bic Üomobie ÜMiere'* au*zeidmet, ift bie barau* ^er- oorleuc^tenbe tiefe ^enntnifj be* menfdjlichen Gerzen* unb ber 33er- t)ältniffe be* ßeben*, mit welcher ber mit einer feltenen Söeobad^ tung*gabe au*geftattete Xidjtcr thetl* ourdi fein zwölfjährige* 2Ban= bcrleben, tt)eil* burd) feine fpäteren Beziehungen zu bem Jpofe unb ben üerfduebenften Greifen ber Sßarifer Ötefeflfc&aft oertraut gewor* ben, fowie bie unübertreffliche 3eid)nung ber (iijaraftcrc, bie zwang* lofe Anlage feiner Stüde unb bie SRaturwahrfjeit ber Situationen, bie frifdje ßebenbigfeit unb Slnfchaulidjfeit ber Spraye unb bie iHaftt^öeit unb ßeidjtigfeit be* $)ialog*. ©eine Stüde finb zwar junächft unb §auptfäd)lid) ©über ber Sitten unb ißerf)älrniffe fei- ner Qtit unb feine* SBolfe*; aber oiele feiner (£f)araftere, wie fein ®ü$al$, fein SRenföenfeinb unb anbere, ^aben ihr llrbilb fo fet)r in ber menfd) liefen Statur, baß fie für ade Stationen wie für alle Reiten gleich treffenb unb gleid] wahr finb. $on ben fedj*-- unbbreijjig ftomöbien, bie ÜJioliere getrieben, finb bie bebeutenb- ften: bie „Femmes savautes" , ber Bourgeois gentilhomme", in welchem er bie I itelwuth be* bürgerlichen ©mporfömmling* auf bie ergöfclid)fte SBeife fdjilbert, ber „Qbti$aU", ber „SÄenfdjen- feinb" unb ber „Xartufe", ein Stüd, worin ber dichter zwar nur ba* 3urjchautragen einer erheuchelten, al* 2)ecfmantel ber Selbft* fucejt bienenben grömmigfeit geigein wollte, bem aber öon ^Bielen nic^t mit Unrecht ber Vorwurf gemacht würbe, bajj e* and) bie wahre grömmigfeit ber @efal)r au*fefce, al* Heuchelei oerbächttgt Zu werben.

Obgleich Sttoliere in glänzenben $ermögen*t>erhältniffen lebte, ba ihm auger bem Gkfyaite öon fiebentaufenb Siöre*, ben er Don bem Äönig erhielt, feine Stüde fo öiel eintrugen, bog fein jährliche*

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$ie fransöftfäe Literatur unter Lubroig XIV. 113

Uli«

41'

C^infommen auf breißigtaufenb Lioreä beregnet mürbe, führte er ein einfach^ unb mäßiget Leben unb fu'elt fia) felbft oon ber Sittcn- Derberbniß frei, bie er fo trefflief) ju fdnlbern oerftanb. Xrofc be£ 3ruf)me£, ben er fid) burd) feine $id)tungen ermorben, maren üjm Sitelfeit unb ©elbftüberfjebung fremb. SBergeblidj brangen feine jaljlreidjen (Gönner unb greunbe in ifm, fid) öon bem Xfjeater $u= rürfju^ie^en, um in bie ^fabemie einzutreten: er blieb Sdjaufpicler bi§ an feinen Xob. 2113 er am 17. gebruar 1673 bei ber britten 33orftellitng feines legten Stüdes, „Le malade imaginaire", bie Titelrolle fpielte, überfiel ifm ein ©lutfturj, unb in menigen 8tun* ben mar er eine Leiefje.

9ceben ber Xragöbie unb ber ®omöbie blühte unter Lubmig XIV. audj bie franjöfifdje Dper. 25er eigentliche Söegrünber berfelben mar ber glorentiner ©iooanni SBattifta Sullrj (geb. 1633, geft. 1681), ber al3 ®üd)enjunge ber SJcabemoifeHe be SDcontpenfier nad) s$ari$ gefommen mar, unb buref) fein ungemöfmlidjeä mufifalifdjeS Xalent bie ^lufmerffamfeit Lubmigä XIV. fo fcr)r erregt rmtte, baß berfetbc für feine meitere SluSbifbung ©orge trug. Anfangs oon bem ®önig an bie Spifce feiner „Bande des petits violonstt gefteflt, bie unter feiner Leitung ben Stuf ber gefdjicfteften Capelle ©uropaS erlangte, mürbe er im Qafyre 1671 jum $)ireftor ber großen Oper ernannt. Qu feinen Opern, bie über ein &albe3 Qafjrfmnbert gan$ granf= reidj entjürften, lieferte ümt 5ßf)ilipp Ouinault (geb. 1635, geft. 1688), ber fict) audj im Luftfpiel nidjt oljne ÖKüd t»erfua)te, treffliche Xerte.

$em Seitalter Lubmig« XIV. gehört aud) Qean be La fon= taine (geb. 1621 ju af)ateau^ierrü, geft. 1695 ju $ari3), ber größte fran$öfifcr)e gabelbid)ter, an. Lafontaines gabeln, tf)etl£ eigene ©rfinbung, tfjeilö Uebertragung au3 ben ©idjtern beä s2llter= ttmmä ober be§ 2Jcittelalter$, finb mafjre Sfleiftermerfe, au3ge$eia> net burd> Seia)tigfeit unb ©efäfligfeit be$ ©töl3, finbliaje ftaiöität, Lebenbigfeit, «Ratürlictjfcit unb SBatjrrjcit ber SDarfteHung. $aS $er3; maß med)felt je naa) ber Sftatur beä ©rüde« unb fdjließt fidj unge= $mungenr< mie ein leiste« ®emanb, bem Qnfmlt an. $ic Lefjre fließt ganj oon felbft in anmutfug fiterer SBeife au« ber (Ermutig tjcr= oor. SBeit meniger Lob oerbienen Lafontaines ben alten franjöfi* jdjen „gabliauj" nad&gebilbete poetifdje @r$äf)lungen, in benen er oielfaa) bie ©renjen ber Sittlia)feit überfdjreitet.

Lafontaine mar ber einjige unter ben großen franaöfiferjeu $id>tem be« fieberen ^aijrfjunbert« , melier fict) ber ®unft Lubmig« XIV. nidjt ju erfreuen ^atte. 5)er ^önig f ber in ber ^oefie, mie in ber ßunft überhaupt, nur ba3 ©roßartige unb ^omp^afte liebte, Imtte feinen Sinn für ben einfachen Qbeenfreiö unb bie ungefünftelte ©pradje ber gabelbta^tung, unb ebenfomenig

^oljttart^ 38eltge|^te. VI. 8

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Lubtuig XIV. üon granfreid).

Jagte iljm ber träumerifdje, $erftreute, forgfo« in bcn Xag funein= lebenbe $)id)ter ju, bcr ftd) feine ÜJcüfje gab, iljm jn gefallen unb burd) ben GIan$ be« #ofe« ftd) nidjt geblenbet jeigte; aud) öer= brofj i^n bie tafyängltdtfeit, bie Lafontaine feinem Gönner gouquet beroafjrte.

5)er einflufjreidjfte ©djriftfteller au« ber Qzit Lubttrig XIV. mar Nicola« ©oüeau'$)e«pr<$aur. (geb. 1636, geft. 1711), ber Anfangs bie 9ted)te, bann Xljeologte ftubiert, fidj aber balD au«* fdjliefjlid) ber SJtdjtfunft genribmet Ijatte. SU« ein talentöoller $)id)5 ter unb äufjerft getuanbter SBerfififator, bem jebod) jebe Genialität abging, roanbte ftd) SBotleau sunädtft ber «Satire ju unb erntete in biefer Gattung reiben 93eifaÜ. ©eine ©atiren, in benen er mefjr bie I^or^eiten unb ftttlidjen Sßerirrungen feiner 3cit, al« bte eigent* lidjen Safter geigelt, öerratfjen ^enfdjenfenntnif}, ©djarfftnn, SBifc unb eine feine 93eobad)tung«gabe unb finb auagejeidmet burdj eine reine, flare ©pradje unb einen äufjerft regelmäßigen 5Öer«bau; bie Gebanfen entbehren jeboct) ber 9leur)eit unb Originalität; aud) oer» mifjt man an bem SBerfaffer Xiefe be« Gefühl* unb bid)terifd)e 83e* getfterung. $)ie fml)e SBebeutung ©otleau'« für bte franjöfifa^e Literatur liegt jebod) weniger in feinen ©atiren, al« in feinem be* rühmten Letyrgebidjt, bie „Art poetique", in meinem er in roor)I= flingenben Herfen ein öoüftänbige« Letyrgebäube ber $)idjtfunft auf* ftellt. $iefe« bielgepriefene SBerf, morin er nidjt nur ba« SBefen ber einzelnen poetijdjen Gattungen befinirt, fonbern aud) bem 2)idj* ter Siegeln unb Anleitung über alle« gibt, ma« er in ©ejug auf gorm unb Qnfjalt feiner ©djöüfungcn ju beobadijten ober ju meiben fjabe, lfjat lange Qtit als poetifdje« Gefefcbud) gegolten unb auf bie ©ntmirflung ber franjöftfdjen Literatur einen bebeutenben, roenn auaj nid)t burdnoeg erfpriefjlidjen Hinflug ausgeübt. $a« $auptt»erbienft öoileau'« beftefjt barin, ba& er ju einer geläuterten Gefdjmad«* ridjtung ben Grunb gelegt unb ba« «ßublifum in ben ©tanb gefefct imt, bie l)erüorragenben (Jrfdjeinungen auf bem Gebiet ber jeitge- nöffifdjen Literatur nad) Gebühr ju toürbigen. S3on bem ©eifall, ben öoüeau'« SBerfe in granfreid) gefunben, legt ber Umftanb 3*U9S nifj ab, bafj fd^on mäljrenb feine« Leben« baoon fedjjig tlu«gaben erfdjienen unb im Safjre 1830 beren bereit« jmet^unbertfünfjig ge* 5äljlt rourben. 2Bie Racine, fo mürbe audj öoileau, ber mit allen fjeroorragenben $id)tern feiner Seit ben freunbfdjaftlidtften Serfcfjr unterhielt unb am £ofe f)od)geef)rt mar, oon Lubmig XIV. ju feinem #iftoriograüljen ernannt; aud> mar er 9Äitglieb ber franaöfifdfen »fabemie unb ber Wabemte ber 3nfd)riften.

2luf bem Gebtete be« Vornan« ^errfa^te bi« ju Eoileau'« Qtit noc^ oer Gefc^mad für bie föomantif be« ^ittert^um«, bem befon* ber« iöcabelaine be ©eub^rö (geb. 1607, geft. 1701) in üjren

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3)ie franjöftfdje Siteratur unter Subroig XIV.

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langatmigen ^iftori{a)en Romanen fjulbtgte. ftachbem ©oileau'* Satiren biefer ©efdjmacterichtung ein @nbe gemalt, oerlangte man ftatt ber pomphaften ©prachc, ber nnmberbaren Abenteuer, ber über« fdjroänglichen ©efinnungen unb (Befühle, bie man lächerlich ju fin= ben begonnen, Einfachheit unb ^atürlia)feit in SBejug auf ©prache, Gegebenheiten, ©mpfinbungen unb ßharaftere, unb biefen 5Inforbe= rungen entfprechen bie Romane ber geiftreidjen (Gräfin oon 8 a* fa^ette (geb. 1632, geft. 1693), beren £>auä ber ©ammelplafc ber au^gejeiajnetften ©eifter mar.

Qm fomifchen Romane glätte ber bereits oben (©. 104) als ®emahl ber granc^ife b'&ubigne' genannte geiftreidje $aul ©car* ron (geb. 1610, geft. 1660) ein 3flann, ben eine fernere Heroen* franfheit febon in feinem fiebenunbsmanjigften Lebensjahre jum ooll* ftänbigen Krüppel gemalt, ber aber nichtsbeftomeniger bis an feinen Xob bie unoernutftlichfte £eiterfeit beroahrte. $aS Söefte leiftete jebodj im fonüföen Vornan Sllain föene* ßefage (geb. 1668, geft. 1747), ber bie Umriffe ju feinen ©djöpfungen ben Spaniern entlehnte unb beffen „Gil-Blas de Santillanau als baS Oottenbetfte Söerf in biefer (Wartung gilt.

(Jinen ^öc^ft intereffanten Xf)eil ber franjöfifdjen ßiteratur unter ßubmig XIV. btlben bie 93rieffammlungen oerfd)iebener geift- reifer grauen, unter benen bie 9Jcarquife oon ©äöigne* (geb. 1626, geft. 1696) ben erften Sftang einnimmt. $)ie ©riefe biefer liebenSroürbigen, burä) 2lbel ber Öteftnnung nicht minber als burd) bie öielfeitigfte SBilbung heroorragenben S^au an ihre $od)ter, bie in 2Ü£ lebenbe SDcarquife öon ©rignan, feffeln nicht nur, als un> übertroff ene SDcufter beS franiöfifd^en $3riefftn(S, burd) Einmuth, griffe, ©eroanbtheit unb ®orreftheit ber Spraye unb ben rüfjrenb* ften N2luSbrucf einer an ©chmarmerei grenjenben 9Jhitterliebe, fon* bem gemäßen auch burd) bie barin enthaltenen Details über baS ßeben unb Xreiben am £>ofe unb in ber ^arifer ÖJefettfchaft, fomie burd) öielfadje Slnfpielungen auf bie nndjtigften 3eitereigniffe einen fjöchft intereffanten ©nblicf in bie ©cf duckte ßubmig XIV. unb ber heroorragenbften ^ßerfcmlichfeiten aus feiner Umgebung.

$)ie franjoftfehe $rofa entfaltete fidj in ber jroeiten $ölfte beS fiebjehnten 3a^r^unbertS ju ber ^errlic^ften iölütlje in ber geift= liehen SBerebtfamfeit, in meldjer befonberS öoffuet, g^nelon, gl^dner, 33ourbaloue unb SJcajfillon eine SBerüIjmheit erlangten, in welcher pe oon feinem ber nadjfolgenben ®an$elrebner erreicht toorbeu finb.

SacqueS benigne SBoffuet, geboren am 27. ©eptember 1627 §u 3)ijon, jeigte fdjon frühe eine ungewöhnlich reiche geiftige Begabung, bie fidj unter ber Leitung ber 3efuiten auf* Olänjenbfte auSbilbete. ©eine gamilie hatte ihn für bie juriftifche Saufbahn beftimmt; aber ber ©rnft unb bie Xiefe feines GJeifteS jogen ihn

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ßubroig XIV. üon ftranfreid).

unnüberftehüch jum geiftlichen Staube hin. ftachbem er in <ßariS Xheologie unb ^fufofophie ftubiert, bann in 9Kcfc $mei %af)tt lang bem Stubium ber $irchenöäter, namentlich beS tjcütgen Augufrin, obgelegen unb im Safjre 1650 bie 2)oftormürbe erlangt Ijatte, er* hielt er im 3ahre 1652 bie ^rieftermeihe unb tourbe ®anontfuä in äflefc, too er fe$* Sah« in tiefgehenben Stubten unb eifriger priefier* lieber Xtjätigfcit »erbrachte unb iuSbefonbere erfolgreich für bie Ve- rehrung ber ^roteftanten mirfte, öon melden Diele burd) feine SJcilbe für bie fatr)olifcr>c ftirdje gewonnen mürben.

3m Söhre 1659 öon bem $omfapitel öon ättefc jur Orbnung uerfchiebener Angelegenheiten nach *ßariS gefanbt, rig 93offuet jehn 3ai)re lang beu $>of unb alle Greife ber Jpauptftabt burd) feine er* greifenben ^rebigten hin, in benen fic^ mit ber fjödtften Äraft unb Stürbe ber Spraye unb bem erhabenften ©ebanfenflug bie tieffte ftenntniß beS 2flcnfchenher$enS öerbanb. Unerreicht geblieben ift er in feinen Xrauerreben Oraisons funebres „9ioch nie", fagt SBeifj, „hat Qemanb fdjöner, ergreifenber mcnfct;Iict)e Ököfce in il)rer ^idtjtigfeit ber Roheit ©otteS entgegen $u ftetten oerftanben unb an ben Eingang eines Sterblichen erhabenere @Jcbanfenreihen $u fnüpfen oermocht. $)te Seele beS SRebnerS ift nrie lobernbeS Seuer, welches, alle* 3rbifcf>e oer$chrenb, mit feiner Spifcc ben Gimmel berührt. An ber ©rofjartigfeit Der ©Uber, an ber ©ebrängt= tyeit ber SÖorte ftef)t man, nrie feine Seele ftdj nährte an bem ©eift ber ^eiligen Schrift."

Qm 3a^rc 1670 tourbe Soffuet oou ßubmig XIV. $um (£r= aieher beS $aupl)in ernannt. @Janj oon ber fyotyen ©ebeutung ber ihm übertragenen Aufgabe erfüllt, fdjrieb er für benfelben feinen berühmten, mit stecht als baS SJceiftertnerf ber fran^öftfe^cn s$rofa gefeierten Discours sur l'histoire universelle * , eine großartige üeberjidjt ber ©eiduchte ber 2D^cnfc^t)eit bis auf ®arl ben ®ro&en, in toelcher er $ucrft unter allen ©efchichtf Treibern bie 2Bel taddjidite ald ein ®aujeS auffaßte unb bie £anb QJotteS in ber Leitung ber menschlichen (^eiduefe nachnues. 9tachbem *8offuet feine Aufgabe als Gr^ieher beS Dauphin beenbet hatte (1680), ernannte ihn £ubnng 3itm erften Almojenicr ber Xauphine unb jum Söifchof non itfeauf, in roelay legerer Stellung er fich burch einen ungewöhnlichen jpirteneifer auszeichnete. 3n biefer Seit cntftanb feine berühmte „©ejdnchte ber Steränberungen beS proteftantifchen Ehrbegriffs Histoire des variationstt, bie fein proteftanti jeher ©chriftfteucr jener Seit ju miberlegcn oermod)te.

AIS ber erftc sJiebner 3ranfreichS eröffnete 93offuet baS fleatio- nalconcil öom $ai)xc 1681 mit einem mcifterlmften, gebanfenreichen Vortrag über bie (Einheit ber ttirche, liefe fich jeboch nichtSbefto- weniger, wie nur oben i^S. 98) gejetjen, burch feine alljugrofje 4>tn=

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3)ic frcmjöfifcfce fiiteratur unter ßubiüig XIV.

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gebung an ben Lintig jur 93crt^etbigung ber f. g. ga[Ufantfdjen grei*

* .«i g.i ?g

netten umreißen.

SBoffuet frarb am 12. STuguft 1704 Stteauj, im Mter ton

fiebcnunbpcbjtg Sauren. SBon bem tjofjen &nfel)en, in roelcfam er

bei ben 3eitgenojfen ftanb, jeugen bie Söorte SRafftllon« : „$n ben

erften 3af)rljunberten be« Gbriftentfjum« geboren, märe er ba« Drafet"

ber Äirdje gewefen unb fjätte $u 9Hcäa unb (£pt)efu« ben SBorfifc

t)abeu muffen."

Sine ton ©offuet tuefentlid^ öerfduebene Natur, aber gleia> falls eine fieud)te ber ftirdjc, ein üflufter geiftlidjer ©erebtfamfeit unb ein SSorbilb priefterlidjer SBfirbe unb ^oljeit mar ber liebend* rrmrbtge, eble unb milbe S r a n $ o i « be ©alignac bc la Sttotije S^n^Ion. Geboren auf bem ©djloffe S^Ion in $erU gorb am 6. 9luguft 1651, bejog ber retdj begabte gönelon fdjon früfj bie Unirjerfität (£af)or«, ftubierte bann ju "sßariö ^ßb,ilofopfue unb Geologie unb erhielt im Qa^re 1673 in bem ©eminar ©t. ©utpice bie 98rieftern)eif)e, vorauf er brei 3a§« in biefer Pfarrei a(« ^rebiger unb Sattlet tfjatig war. Sßäfjrenb biefer Qtit Oer« fafjte er feine „Slbfyanblung über bie (Sfiftena ©orte«", beren erfter Xt)eil au« einer glänjenben ©djilberung ber ©a)önr)eit unb Drbnung ber SRatur befielt, toäfjrenb er in bem jtoeiten, ben fiefer öon bem ©idjtbaren jum Unfidjtbaren fortfü^renb, in bie Xiefe ber ÜWctapfjrjfif bringt unb babei nia^t nur $u überzeugen, fonbem aua) ba« |>erj $u erwärmen lüeiß.

Sin fegen«retdjer 9Sirfung«frei« eröffnete fid) für ben feelen* eifrigen gen^Ion, at« er nad) ber 5luft)ebung be« Sbift« ton 9ßan* te« Don feinen Oberen nadj Sßottou gefanbt mürbe, um an ber SBe* fefjrung ber bortigen ^roteftanten XljeU ju nehmen. Hebte fdjon feine ganje ^erfönlidjfeit, in«befonbere feine ÜJttlbe unb Öeutjeltg* feit, einen Sauber au«, ber üjm jum Söorau« bie vierten ber ju S3efer)renben gewann, fo oermoa^te faum einer berfelben {einer einbringüdjen, überjeugenben ©erebtfamfeit ju wiberfteben, unb feiner ber übrigen 9)ciffionäre burfte fid) berglctdjen (Erfolge rüf)* men, wie er.

3m 3af>re 1689 würbe g^ndlon ton ßubwig XIV. auf bie ©mpfer)(ung ber grau ton SJtomtenon $um Srjtefjer be« £>erjog« ton ©ourgogne , be« älteften ©ofyne« be« $aupf)in«, ernannt, unb er unterzog fict) ber üjm geworbenen Aufgabe mit ber aufopfernd ften Eingebung unb ^ßflid^ttreue unb mit enrfpreajenbem ©rfotge. 9cad)bem Um ber ßönig im Qa^re 1695 jum (Srjbifdjof Don (£am* brat) ernannt fjatte, fc^rteb er für feinen föniglidjen Högling a(« ße^rbuaj ber 9Regierung«f unft feinen berühmten bibaftifa^en Vornan : WVU Abenteuer be« letemad)", ber ben fünftigen X^ronerben bie Sugenb lieben unb ba« Safter meiben lehren foüte. 5)iefe« ©uet),

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Subroig XIV. öon ftranfreid)

in bem fid) g<*n#on« reine« unb tugcnbfjafte« (Semütfj in ber ebelften ©pradje abfpiegelt unb ba« unter allen feinen SBerfen am

J

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beftomeniger bie Ungnabe be« ®önig« $u, ber in bem ganjen 9to= man nur eine Satire auf feinen £>of unb feine Regierung erblicfen mollte. S^n^ton erhielt bie SBeifung, feinen ©prengel nid)t $u terlaffen, unb feinem Sögling mürbe jeber per f online SBerfefjr mit il)m unterfagt.

SBeldje ©teflung gdn^Ion ju ben öier gatlifanifc^en SIrtifeln einnahm, |mben mir bereit« oben (8. 98) gefe^en. 353ar er f)ier, al« Skrtljeibiger ber SRedjte ber $ird)e gegen bie Ucbergriffe ber ©taat«gemalt, ©offuet gegenüber im föedjte gemefen, fo mar bie« bei einer fpäter jmifdjen ben beiben berbienftüoUen Prälaten enfc ftanbenen heftigen ^olemif nidjt ber gafl. (£« mar nämlidj ju jener 3eit burd) ben ©panier Üflidwel 2Jcolino« (geb. 1627 ju ©a* ragoffa, geft. 1698 in föom) eine falfdje 9tid)tung ber Sttöftif, ber fogenannte „£Luieti«mu«", in« fieben gerufen morben, nadj meinem bie Ijödtfte ©tufe ber S3oHfommenf)eit in bem gänjlidjen ©idjücr- lieren in (Sott, b. f>. barin befielen foflte, ba6 fidj bie ©eele jeber ©elbfttfjätigfeit enthalte, meber nadj bem Rummel verlange nod) bie £ölle fürdjte, meber Slfte be« Glauben« ermecfe nod) befonbere (Se* bete oerridjte, fid) jeber Hoffnung unb 3urd)t gänjlid) entfdjlage, ben Verfügungen feinen Söiberftanb leifte, fonbern, in iljr iftidjt« öerfunfen, (Sott allein in fid) mirfen laffe. tiefer £luieti«mu«, ben Sftolino« felbft nadj jeiner Verurteilung burd? Qnnocenj XII. abgefdjmoren, taufte in gemilberter 3form aud) in Sranfreid) auf, mo eine burdj Jrommigfeit unb Verebtfamfeit f)eröorragenbe 3rau, bie oermittmete 3otwnna be la 9flotf)e (S u ö o n (geb. 1648 ju üttontargi«, geft. 1717 in SBloi«) benfelben burdj SSort unb Schrift ju öerbreiten fudjte. 3^re (Srunbanftdjt mar, bafj einen 3«s ftanb ber reinen unb uneigennützigen ßiebe (Sorte« oljne SRüdftdjt auf ßot>n unb ©träfe gebe, in meinem ber Sftenfd? felbft gegen fein ©eelenljeil gteid^giltig fei unb (Sott al« ba« ooüfommenfte unb lieben«mürbigfte SBefen nur um feiner felbft mitten liebe, barin bie Uoße ©eltgfeit finbe unb bafjer audj bereit fei, bie Verbammni& ju tragen , menn ©ort fie iljr beftimmt fmbe. ßubmig XIV. öeran^ ftaltete bie Äonferenj ju 3ffü (1694), meiere unter ber ßeitung Voffuet« bie (Srunbfäjje ber ächten HJcnftif im (Scgenfafce ju ben 2lnfia)ten ber SBittme (Suüon in merunbbreijjig s2lrtifeln feftftellte, unb fiefctere unterjeia^nete berettmiUig bie gegen it)rc ©Triften er- laffenen ©enfuren unb erflärte feierlich, ba§ fie nie beabfidjtigt Ijabe, (Stma« gegen bie ßefjre ber $irdje $u Jagen ober ju fa^reiben. $er ©treit ljörte bamit aber niajt auf; benn öoffuet« ©a^rift: „Von ben ©rufen be« ©ebete«" öeranla&te S^n^lon in feiner ©a^rift :

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®ie franjöfif^c Siteratur unter «ubroig XIV.

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„3)ie ©runbfäfce bcr ^eiligen über baS innere fieben" bie fie^re öon ber uneigennützigen Siebe ju ücrtfjeibigen. 2IIS jebodt) $apft ^nnocenj XII. , bem bie ©acfje jur (£ntfcf}eibung öorgelegt worben, breiunbjwanjig aus g£n£IonS ©d)rift gezogene ©äfce üerurtf)eüte, unterwarf er fidj nicr)t nur öoflftänbig biefem ©prucfj, fonbern öer= bot felbft in einem Hirtenbrief feinen $>iö$efanen baS ßefen feines 93ud)eS. g^n^lon ftarb 311 (SEambrat) am 7. Qanuar 1715, im Hilter öon breiunbfedjaig Sauren.

©Sprit girier (geb. am 10. 3uni 1632, geft. 1710), ber Sofjn armer Altern, begann feine ©tubien unter ber Leitung feinet C^eimS, welcher ©upertor ber Kongregation ber chriftlidjen ficfjre in Slöignon war. %lad) bem Xobe beffelben fam er nach $ariS, wo er burch bie ©unft mehrerer öornehmen trogen in ben ©tanb gefegt mürbe, feine tljeologifchen ©tubien ju beenbigen. Anfangs mürbe er öon Subwig XIV. jum 93ifd)of öon Saüaur. in ßangueboc, fpäter jum SBifchof öon 9limeS ernannt, in welch' lefcterer ©teile er burch feine Söerebtfamfeit feie burch feine Xugenben ja^Ireic^e ^ßroteftanten feiner ^iö^efe für ben fatf)otifd)en ©lauben gewann. 2HS einer ber gefeiertften ^anjelrebner feiner 3cit erwarb er fid) befonberS ^o^en 3ftuf)m burch feine Xrauerreben, öon benen öiete, inSbefonbere bie auf ©offuet unb Xurenne, noch jefot als unübertreffliche SDfeifterwerfe beS ©tnts bewunbert werben.

SouiS SBourbaloue (geb. am 20. Huguft 1632 $u SBourgeS, geft. 1704) trat, nadjbem er nur mit Sftüfye öon feinem SBater bie ©rlaubnifj erhalten, fid) bem geiftlichen ©tanbe $u mibmen, in ben 3efuitenorben unb mürbe balb burch feine ©eleljrfamfeit unb föe= rebtfamfeit ttrie burch feine Xugenben eine fjeröorragenbe 3^*°* beSfelben. SRachbem er längere Seit in ber <ßroöinj mit grofcar* tigern G£rfo(g geprebigt, fam er im 3at)re 1669 naef^ ?ariS, wo er burch bie gewattige ftraft feiner Siebe OTeS jur ^egetftcrung hinrifj. „SJlic hat ein ^rebiger", fdjrieb grau öon ©«Söignö, „fo ergaben unb fo ebel bie cfnriftlidjen SBaljrhetten öerfünbet." 3Kan öergftdj ir)n mit $emoftheneS unb mit bem ^eiligen Huguftin. 9ftehr bemüht , ju überzeugen als ju rühren , ftrebte er öor sMem nach Klarheit, fct)arfer Segrenjung ber Segriffe unb Iogifd)er Ibnfequenj. Xabei mar er ein ©ittenprebiger öon unnachfichtiger ©trenge, ber in feinen je^n 3at)re nac^einanber öor bem Jpofe gehaltenen gafienprebigten bie ftttttche «erberbnig feiner 3eit mit bem grei- mutf) eines 2lpoftelS unb mit einem geuer befämpfte, öor meinem, nach bem SluSfpruche ber grau öon ©^ötgnö, „bie $>öfünge erbitterten."

3ean öaptifte Sflaffilton (geb. am 24. 3uni 1663 ju $ökeS, geft. 1742 ju ©lermont) trat nach Seenbigung feiner Raififchen unb pfjüofophifäen ©tubien in bie ©enoffenfc|aft ber Cratorianer unb fam im 3af)re 1696 nach ^ßariS, wo er ©elegen*

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Cubtptg XIV. tum granfreid).

fjeit fanb, bie &eroorragenbften $anselrebner feiner Seit $u ^ören, bie if)m in ber 2lu*bilbung feine« eigenen glän$enben föebnertalente* tötofter unb SSorbilb mürben. 3n ben gaftenprebigten, bie er in ben Sauren 1701 unb 1704 in SSerfaiOe* hielt, entjücfte er feine 3^ fjörer bura) bie (Sleganj unb s2lnmutf) feiner Sprache, mäljrenb er jugleicf), mel)r an ba* #er$ al* an ben SBerftanb fid) menbenb, bie (iJemüu)er burdj bie eble SBürbe unb (Sinfad)heit feine* Vortrag* mächtig ergriff. 2U* ein tiefer Kenner be* 9Jcenfd)enl)eraen* r>er> ftanb er e* meiftcr^aft, in bie geheimen galten be*felben einju- bringen unb bie verborgenen ßeibenfa^aften an* ßidjt ju jieljen, um fie mit ber ganjen ©ajärfe ber uberjeugenbften $ialeftif ju be= tämpfen, unb ber (Erfolg feiner ^rebigten mar ein umfo größerer, als 3ebcr füllte, baß fie ber 2lu*brucf ber uncrfc§ütterlia)ftcn lieber* jeugung maren unb müfyelo* au* be* föebner* tiefftem $>er§en ^er^ oorquoflen. *Rad) bem Xobe Submig* XIV. mürbe SJcafftHon üon bem Regenten $f)iltpp oon Drlean* jum Biföof oon Glermont er* nannt, mo er feitbem mit bem größten (Sifer feine* ^pirtenamte* mattete unb im 3ahrc 1742 ftarb.

3u ben an*gejeic^netften ^rofaifern au* ber $ät Submig* XIV. gehört audj Qean be la SBrutierc (geb. 1644, geft. 1699), ber in feinen geiftretdjen, mit ÜTceiftertyanb gezeichneten unb mit unge= ^euerem SBeifaH aufgenommenen w(£l)arafteren'' eine üttenge origi* neHer ©fijjen menfctylidjen Xrmn* unb Xreiben* in buntem Söedjfel unb fdjiflernbem garbenglanj an bem Sefer ooritbcrfüfjrt. 3n ^Cs fen geiftoollen ©ittengemälben, bie burd) fur^ gefaßte pf)tlofopf)ifd)e Setradjtuugen mit einanber öerbunben finb, ift $llle* in ebler, flarer Sprache unb glänjenber $5arftellung fo ferjarf gezeichnet unb fo treu unb maf>r, baß nod) jefct jebe Nation bie Originale baju barbietet.

Xie ^fnlofopfne mar fdjon öor ßubmig XIV. in eine neue SBafjn gelenft morben burdj £e*carte* latinifirt Sartefiu* ben man ben „Söatcr ber mobemen ^hilofopfjie" genannt §at.

sJten£ $>e*carte*, geboren 1596 ju ßa £>atie in Xouraine al* ber ©otjn einer altabeligen gamilie, hatte in bem 3cfu^ens Kollegium ju ßafl&he, mo er feine (Srjiefjung erhalten, mit uner* {örtlicher SBißbegierbe ben oerfajiebenartigften Stubien obgelegen, bi* er fict) in feinem fedjjerjnten 3a*)rer nnbefriebigt burdj ben ba- maligen ©tanb ber SBiffenfdmft, in ben Strubel be* Seben* marf unb, um SBelt unb ättenfehen fennen $u lernen, £tieg*bienfte nahm, erft in granfreich felbft, bann in £oflanb unb jule&t in Xeutfdjlanb, too er unter XiHn in ber ©djlacht auf bem meißen Söerge mitfocht. 9cadj granfreich $urütfgefcf)rt , manbte er fidj mit feinem ganjen 28iffen*burft bem ©tubium ber SJcathematif unb ber s$f)ilo)opf)ie ju, fiebelte jebodj im 3<M)*e 1624> oa icine pOilofo*

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$ie frttitjÖftid)c Siteratur unter Subwtg XIV.

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pEjifdjen ^Inficfyten in granfreidj angefeinbet tourben, nad) ^ollanb über, tum too er ftd) im 3a^re 1649, einer (Stnlabung ber Königin CEfyriftine öon ©äjroeben folgenb, nad) ©tocfyolm begab. Xort ftarb er, nur wenige Monate nadf) feiner Slnfunft, am 11. gebruar 1650.

©leia? ben älteren #umaniften bie $l)iIofopI)ie beS SlrtftoteleS üertDcrfenb, ftefltc 5)eScarteS ein neue« p^i(ofopt)tfc^e^ ©tiftem auf, beffen HuSgangSpunft ber ßtoeifel mar. 2HIe ^orauSfefcungen , fo meinte er, müßten aufgegeben unb nur baS bürfe beibehalten tt>er= ben, loa« feinem £tt>etfä nteljr unterliege. 211S baS allein un^me^ fefljaft gfeftfteljenbe erfdjien il)m ber ©afc: „3dj benfe, barum bin idj" ; wbenn, es ift nriberfpredjenb", fagte er, „ju meinen, bafc baS, toaS benfe, niajt erjfrire." 91uS bem ©elbftbettmfjtfein leitet er junäc§ft bie ©ennffteit toon ber (£rjften$ ©orte* l)er , inbem er bie ber benfenben ©eele innetoofmenbe SBorftellung eine* öottfom= menen 2BefenS als ben unttnberleglidjften SetoeiS für beffen SJafein betrautet, $iefeS $afein ©orte« aber ift (nnnrieberum für iljn bie söürgfct>aft für bie objeftiüe SBar)rr)eit unferer ©rfenntniffe. Ob* gleich 5)eScarteS ber Äirdje feineStoegS feinbltd) gegenüberftanb, oer* fannte man in granfreia) bie ®efal)ren nict)t , bie ber SartefiamS* muS ber gefunben ßeljre bereitete unb bie fpäter bei ber (Sutnri<f= lung feiner $onfequen$en noa) flarer an ben Xag traten; ba^er erging, nadfbem bereits im SRotoember 1663 in Sftom baS (Saite* liaaifct>e ©öftem »erboten morben, bis eS öerbeffert fein werbe, am 30. 3anuar 1675 an bie Uniberfttät Singer«, an toeldjer baSfelbe öorgetragen mürbe, ein föniglidjeS Verbot gegen bie Seljre beS (JarteftuS , mit ber Slufforberung , ber ißerbreitung berfelben cnt= gegen^utoirfen ; audj erhärten ftct> oeriajiebene tfjeologifdje gaful= täten, fonrie bie $arifer Unioerfität gegen baS (£artefianifd)e ©öftem. $aS ©leidje gcfdjafj proteftantifdjer ©eits burdj bie $orbred)ter ©mtobe.

Unter ben Slnfyäugem beS S)eScarteS ragte befonberS ber fromme unb eble Nicolas Sftalebrandje, ^ßriefter beS Dra* toriumS $u $ariS (geb. 1638, geft. 1715) tyerüor, ber baS (£ar= teftanijdje ©nftem ^aitptfäct)licr) nad) ber religtöfen ©eite f)in auS~ jubilben unb mit ber djriftlidjen ßeljre in oottftänbigen (Sinflang ju bringen fudjte.

3m ©egenfafce ju SRalebrandje fagte ftdj ber (Sarteftaner $ierre $aöle (geb. 1647 $u (Jarlat in ber GJraffdjaft goij als ber ©oljn eines reformirten ^rebigerS , geft. 1706), anfangs ^rofeffor ber Sßljilofopljte ju ©eban, bann $u föotterbam, meldet bie menfdjlidje 93eraunft nur für fäf)tg erflärte, Srrt^ümer ju ent- beefen, niä^t aber bie SBafyrfjeit $u erfennen, als boüenbeter ©fep= tifer ooöftänbig bon bem djriftlid&en Glauben loS. (5r erflärte bie Religion für unnüfc unb ben oottenbeten Unglauben für beffer als

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Subnrig XIV. üon ftranfrettf.

bcn Aberglauben. %a, er oerftieg fidj fogar ju ber ©eljauptung, bafj e3 ganj gut Staaten geben tonne, in benen Stoemanb an ©ort unb Unfterblidjfeit glaube. $a3 Auftreten 93at)Ic'Ä mirfte um fo Derberbüdjer , al$ er fid) nidjt nur in feinen SBerfen, im ®egenfafc ju ben übrigen (Selefjrten feiner Seit, ftatt ber lateinifdjen Spraye ber franjöfifd)en bebtente, fonbem aud) jur teidjteren Verbreitung feiner Sefyren ein Journal grünbete unb babei bie ©abe großer SBerebtfamfeit unb ©emanbtljeit in ber Darfteüung befa§.

$)er (£arteftani3mu$ mar in öielen fünften mit bem 3 a n f e * ni $mu3 oertoanbt, ju meinem ein Söuct) be3 im Qatyre 1638 oer- ftorbenen SBifa^ofä 3 a n f e n i u 3 bon ?)pern über baä 93err)ättni6 ber ©nabe ju ber menfd)lidjen grei^eit ben ©runb gelegt. $)iefe3 jtoei Safpre nadj bem Xobe be3 3anfemu3 oeröffentlidjte SBerf für)rt ben Xitel „Auguftinuä" , enthält jebodj niajt , mie ber Ver^ faffer angibt, bie Sefyren be3 ©ifdjofd oon feippo, fonbem bie 3rr; tfjümer ®aloin§. ©egen baä SBerf beS 3anfeniuS traten junädjft bie ßöroener 3efuiten auf, inbem fie mehrere au* bemfelben au$= gejogenen falfdjen ©äfce bem apoftolifdjen Stuhle jur Prüfung oortegten, totö ein unterm 6. 9ftär$ 1642 edaffeneS Verbot be£ „AuguftinuS" burd) ben $apft Urban VIII. jur golge fyatte.

3nbeffen fyatte fid) ber ©treit nad) Sranfreicf) öerpflanjt, mo er, ba ber „AuguftinuS" bort fel)r oerbreitet mar unb ebenfo eifrige Vertljeibiger alä (SJegner gefunben , mit grofjcr #eftigfeit geführt mürbe. $iefe ©treitigfetten öeranlafjten im 3af)re 1650 adjtunb* aa^tjig franjofifa^e $8ifcf)öfe, bem apoftolifdjen ©tuijle fünf aus bem Auguftinu§" aufgewogene ©äfce üorjulegen unb beffen (Sntfdjeibung 5U erbitten, roorauf 3nnocenj X. unterm 31. 9Jlai 1653 biefe fünf ©äfce al$ falfdj unb Ijäretifd) bermarf. Qnbcffcn fugten bie 3<*nfc= niften ber päpftlidjen (£enfur baburdj ju entgegen, ba& fie bie 33c^ fjauptung aufftetlten: bie fünf bermorfenen ©äfce feien atterbing* fjäretifd); aber S^nfeniuS fjabe biefelben gar nia)t ober menigftend nidjt in bem ©inne gelehrt, in meldjem fie berbammt roorben feien. $iefe Vefjauptung mürbe jeboct) am 28. 2flär$ 1654 öon ad)tunb= breißig franjofiidjen ©ifdjöfen mibertegt unb biefe Söiberlegung am 29. ©eptember 1654 burefj ben $apft beftätigt.

$)anüt fjörte jebod) ber ©treit nid)t auf , beffen #auptijerb bie Abtei *ßort = 9lottaI gemorben. $iefeä berühmte, im 3a^re 1216 oon ber ©räfin 2Äat^ilbe öon ©arlanbe in ber 9la^e oon $ari3 unter bem tarnen w$ort>9lo^al beä (Stampf gegrünbete ©iftercienfer=^onnenf(ofter ^atte in ben jmei erften Sa^rje^nten beä fiebje^nten 3ö^r^unbertd unter ber frommen unb feeleneifrigen, aber äufeerft ef altirten Aebtiffin Angelifa A r n a u I b einen folgen 3utoaa^g erhalten , ba& bie öorf)anbenen ^äume nia^t me^r au3= reiften, unb mar ba^er im 3^« 1626 naa) ^ari« in bie Vor=

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Sit franjöftfäe Siteratur unter fiubroig XIV. 123

jtobt ©t. 3acqueS öertegt morben , mährenb in ber 9cähe beS alten älofterS $ort=9tolMl beS (JhampS öon einer Slnjaht gelehrter 9Jcännerr bie fich bort angefiebelt garten unb fich ftrengen ©u&übungen unter- marfen, bie berühmte ©djule öon ^ort^o^at gegrünbet morben mar. Somo^I biefe „©nftebler" öon ^ort^o^at beS (JhampS, als bie tr)eologi= firenben Tonnen öon <ßort--föoüal öon <ßariS Ratten fich ben 3anfa; niften angefchloffen. 9caeh betn ©rfcheinen ber päpftlichen ©ufle Dom 3afjre 1654 fteflten fie bie Behauptung auf , bie f?ird)e fei aüerbtngS unfehlbar, toenn fte eine Meinung als ^äretifc^ öer* merfe; aber fie fönne nicht mit unfehlbarer ®emi&heit entfdjeiben, ba& bie öon ihr als irrig üertoorfenen ©äfee in bem SBudje irgenb eine« Tutors ftünben. SJcan fei baljer ihrem 9luSfpruche über XfyaU fa^en nur ein ehrerbietiges ©tiHfajtoeigen fdmlbig. *ßapft hieran* ber VII. öermarf am 16. Oftober 1656 bic falfche $iftinftiou unb lief* am 18. gebruar 1665 bem fran^öfifdjen $leruS eine @r* ßarung jur Untcrfct)rift öorlegen, beS Qn^altS, bafe bie fünf im „SluguftinuS" enthaltenen unb öon bem apoftolifc&en ©tuf)le öer^ bammten ©ä$e 5U öertoerfen feien. $>er ©treit ruhte herauf bis §um 3a§rc 1702, mo er burch bie 3anfeniften aufs 9ceue herauf- beschworen mürbe. $a bie Tonnen öon s$ort'9lot)al , ermuthigt burdh baS SBeifpiel ber ©infiebler öon ^ßort^Rotjal beS (S^ampS, eine aufrichtige Unterwerfung üermeigerten , mürbe im 3ahrc 1710 auf ©efehl ßubmigS XIV. bie SIbtei aufgehoben unb jerftört. $ie meiften 3a^1eniften toanberten ^iexauf nach ben SRieberlanben au*, loo fie fieh als befonbere , öon 0tom getrennte fatr)oltfcr)e Kirchen* partei erhalten ha&en, beren Oberhaupt ber (Srjbifchof öon Ut* recht ift.

3u ben eifrigften unb gemanbteften SBertheibigern beS 3anfe= niSmuS gehörte ber in ber Schule bcS (SartefiuS gebübete 93 l a i f e Vascal (geb. 1628 $u (Jlermont, geft. 1662 ju SßariS), einer ber Gftnfiebler öon $ort*$Rot)al , ber einen erbitterten ®ampf gegen bie 3efuiten eröffnete, inbem er in feinem öielgelefenen , als flaf= fifch gepriefenen gliche: »Lettres provincialesc eine ^[njahl an* ftöfeiger ©ä$e, bie öon ben Jcinben beS OrbenS aus ben Büchern einzelner jefuitifcher SJcoralijten ausgesogen morben , mit menig Xreue unb ©enauigfett, aber mit großer ©efehieflichfeit ju einem höchft nachtheiligen ©übe ihrer (Sittenlehre öerarbeitete. dinen eb= leren oerfolgte $aScal in feinen >Pens£e8t, in melden er

bie ^othtoenbigfeit beS ©laubenS nachjumetfen fachte.

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124 gnglanb in bet jweiten $«lfte beS fiebjcf>nten 3ab^unbert«

IV.

<S ngfanb In ber \miten &ätfte be$ (leB}e8ntm Oafjrfiunöt'rto. 2>te erften Seiten ber eitöliföen XetytMil.

(1649-1653.)

!Rac^ ber ^inriditung ftarlS I. fefetc ba$ Unterhaus, baS unter bem tarnen Parlament öon ©nglanb" alle 9iegierung3ge= malt in fid) öereinigte , jur Seitung ber inneren unb äußeren (Staatsangelegenheiten einen ©taatöratf) Don einunbüierjig SRitglte* bem ein , beren SSoflmadjt auf bie $auer öon jroölf Monaten be* fdjränft mürbe. Xiefe 5öeljörbe, in welker neben ©rommett beffen vertraute (SefinnungSgenoffen , 3retonf #arrö 9Kartin, ©rabföam unb SR. Qofjn, bie Hauptrolle föielten, hatte jebodj zahlreiche ©egner, nicht allein in ber föniglidjen gamilie unb ben englifchen SRoöa* Itften, fonbern auch in ben Sßreabbterianem unb ben £eöeC(er3, öon meld) ßefcteren (Srommell offen beS ©trebenS nad) SWeinherrfchaft befdjulbigt ttrnrbe , ganj befonberä aber in ben Srlänbern unb ben (Spotten. Sluch bie Unjufriebenheit beS burdj bie £aft ber Abgaben niebergebrüeften SolfeS bereitete ben SRachthabern große ©erlegen* Reiten.

£ie öermitttocte Königin lebte mit ihren ftinbern fett ber §in* rtchtung tyreS GJcmahtä in $ari3 , roo fie mährenb ber Unruhen ber gronbe oon bem #ofe fo feljr üernadjläffigt mürbe , baß fie oft an bem OTernothmenbigften Langel litt. 3h* ältefter ©ohn ® a r l hielt fid> , unauägefefct mit planen jur SSicbergeminnung feines öäterlichen $f)rone3 beschäftigt , meift in ben Wieberlanben bei feinem ©chmager 28ilf)elm IL öon Dramen auf. ©eine #off* nung beruhte ^auptföd^Uc^ auf ©ajottlanb unb Srtanb. 3n bem erfteren ßanbe ^atte bie Einrichtung $arls L einen fo tiefen (Sin* bruef gemalt, baß ber größte %f)til ber JÖeöölferung fid) mit 21b* fdjeu öon ben 9ttad)tf)abern in ßonbon abmanbte unb eine bebingte SReftauration beä £önig3l}<wfe3 verlangte. 5)er ©raf öon Slrgöle, ber eifrigfte (Gegner ber ©tuartä , ber in ©ajottlanb bie gleite sJiolIe 5U föielen gebadete, roie fein Jreunb (Srommeß in Qrnglanb, filmte ^mar biefem ©erlangen entgegen gu treten; er fonnte jebodj ntcrjt öer^inbern , baß mit bem $rin$en öon SBaleS Unterlmnb* lungen angefnüpft mürben, bei melden bie ©Rotten ihm ihre ®rone unter ber Söebingung anboten, baß er ben ©oüenant beftätige.

SBäfyrenb ®arl jögerte, auf biefe gorberung einzugehen, fam im Horben ©djottlanbs eine roualtftifche ©emegung jum Ausbruch,

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$ic erfttn Seiten ber englifdjen SRepublif.

12.-

bie feine bebingungSlofe Surütfführung auf ben £h*on fetner SBä* ter jutn gweefe ^atte. 2ln ber ©pifce berfelben ftanb 3fafob ® r o h a m , SJtorqmS bon 9R o n t r o f e , ber treuefte unb ritter* Itchfte Slnhänger 8axU I., ber mit einer ©djaar bon fünfhunbert $eutfdjen auf ben Drfnet)a*3nfeln gelanbet unb öon bort nach ©chott* lanb übergefefrt war , in ber Hoffnung , baß nicht nur bie Großen, bie früher unter ihm für #arl I. gefämpft , ftch ihm anließen mürben, fonbern auch bie üttehrjahl beä SBolfeS ftch um Um fchaaren werbe. Slber nur SBenige leifteten feinem Aufrufe Solge; benn bie puritaniföen (&eiftti$en Ratten if>m in fanatifchen ^rebigten erfolg» reich entgegengearbeitet. JDfme große SRüfje mürbe er mit feiner fleinen ©chaar burdj bie Xruppen, bie baS Parlament ihm unter $at>ib Se§Iie entgegenfanbte , am 17. ftpril 1650 bei (£orbtc3bale in ber ©raffdjaft flfitoß aurücfgefdjlagctt. @$ gelang u)m jwar, ju entfommen; er mürbe jeboch, nachbem er merjehn läge lang ber- fleibet im (Gebirge umhergeirrt , burd) einen falfchen Sreunb oer* ratfjen unb barhaupt unb gebunben auf einem Marren burd) ben genfer nach (Ebinburg gebraut, wo ifjn ba$ Parlament, bem drängen ber preSbtjterianifchen ©etftlichfeit nachgebenb , bie noch immer in ber ©erwaltung be$ SanbeS bie einflußreichfte Stimme f>atte, $u einem fd)maa)öolIen Xobe öerurtheüte. ®r foüte, $um abfdjrecfen- ben 33etfpiel für aße Anhänger be$ ÄönigS, brei ©tunben lang an einem bretßig 3u6 h°0cn (Balgen fangen unb bann in fedjS ©tücfe gerhauen werben , bie in ©binburg unb ben fünf anbern größten Stäbten be3 Sanbeä auf ^ßfäfjle genagelt unb an ben £>aupttfjoren aufgefteOt werben foHten. $113 ihm biefer furchtbare ©pruch oer= fünbet würbe, erflärte er: er rühme ftd) feinet ©efchicfS unb be- flage nur, nicht & lieber genug ju haben, um ade ©täbte ber Otyn» ften^eit mit ©eweifen feiner Xreue oerfehen ju fönnen. Um ba$ Üftaaß beä bitteren #ofme8 ju füllen , mußte ihm ber genfer öor feinem ©ange jur 9ttcf)tftcttte (21. 3M 1650), feine lefcte $roffo- mation fammt ber $uf$atjlung feiner SBaffenthaten um ben $>al& fangen. (Er lächelte über bie öoShrit feiner geinbe unb fagte, e& fei bie* für Um eine glänjenbere 8ierbe, at« ber £ofenbanborben, womit ihn fein Küttig beehrt habe. $)ie SBürbe unb unerfchütter* liehe ©tanbhaftigf eit , womit er ben £ob erlitt, gewann ber ©ache beä ftönigä mehr Sßrofelöten , als alle feine früheren $elbentl)aten.

$er unglüefliche Ausgang ber burch ÜKontrofe öeranftalteten 3(hüberhebung bewog ben s$rinjen öon SBaleä , ftdt) auf jebe 93e^ bingung ben ©Rotten in bie 2(rme ju werfen, ftachbem er ihnen am bewilligt , wa3 fie »erlangt , fduffte er fta) nach ©^hottlanb ein unb erreichte, ungeachtet ber 9fcad)jMungen ber englifchen Slotte, am 23. guni 1650 bie fc^ottifc^c ftüfte. (5r Würbe au ©binburg mit allen feiner SBfirbe gebührenben (Ehrenbezeigungen empfangen.

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126 (gnglanö in ber jroeiten £älfte be« fteb$efmten 3ahr^unbert$.

unb baä Parlament bewilligte ihm ohne ©ajwierigfeit bic ju feiner Hofhaltung nötigen (Selbmittel. 2lber bie unauägefefcten üttah* nungen ber puritanifd)en ^rebiger, feine Sünben ju bereuen, fowie bie 6d)mähungen, bie er fortwährenb über bie „GJottlofigfeit" feiner Altern frören, unb bie enblofen ^rebigten, benen er Xag für Xag mehrmals beiwohnen mußte, matten bie Sage be3 jungen, nad) J2ebenägenu& ftrebenben #errfd)er3 ju einer äu&erft unangenehmen. Rid)t3beftoweniger fügte er fia) mit ÖJebulb ben ilm umringenben ©iberwärtigfeiten , weil er einfah , ba& er bie ftarren ^erjen ber Rotten um jeben $rete $u gewinnen filmen müffe, um fid) ihrer $ilfe gegen (Snglanb ju öerftchern.

Sn^wifchen Ratten aud) bie 3rlänber ben ^rinjen toon SBaleS $um König ausgerufen unb ben #er$og oon Ormonb, weld)em Karl I. brei Monate bor feinem Xobe *BoHmad)t ert^eiü , ihnen alle ihre gorberungen ju bewilligen, als «Statthalter Karlä II. anerfannt. Um ben SBcrluft SrlanbS ju öer^üten, ging (Sromweil, nad)bem ihn ba* Parlament jum ßorb=©eneral ernannt hatte , mit ad)t burd) baä üooä beftimmten Regimentern im 3uli 1650 borten ab, unb fd)on im Sftai beS folgenben SahreS hatte er burd) eine ebenfo graufame als umfidjtige Kriegführung, fowie burd) geheime Unter- hanblungen mit einjelnen Häuptern ber 3rlänber bie Kraft beä SlufftanbeS fo weit gebrod)en , ba& er bie üoüftänbige Bewältigung beSjelben feinem ©djwiegeifohn Qreton überlaffen unb nad) (£ng= lanb jurürffehren fonnte , um ben Oberbefehl über ba$ $>eer ju übernehmen, baä jum Kampfe gegen bie Sdjotten befrimmt war.

3n ®d)ottlanb hatte ©romweö anfangt einen fd)weren ©tanb, ba baä üon bem (Venera! ßeälie geführte fd)ottifd)e £>eer ihm faft um bad doppelte überlegen war unb e$ ihm balb an ben nötfngen ßebenämitteln fehlte ; bie puritanifd)en ^rebiger , bie als Kird)en> au$jd)ufj baä fd)ottifd)e Jpeer begleiteten, famen ihm jebod) felbft ju #ilf e , inbem fie , in ber Beforgnijj , ba& baä englifd)e §eer ent* fommen fönne, ben ©eneral £eälie zwangen, öon ben Anhöhen bei $unbar, auf weld)en er fid) in einer trefflidjen Stellung Oer* |d)an$t hatte, in Die (Sbene ^inab^ufteigen f um ben fteinb anju* greifen. „@te fommen h^tab; ber £err hat fie in unfere Jpänbe gegeben; laffet 3hn M erheben unb ©eine geinbe jerftreuen!" rief ber freubig überrafd)te (£rommell au3, unb in furjer Qtit hatte er ben üollftänbigen ©ieg errungen (3. Sept. 1650). $)reitaujenb ©d)otten lagen tobt auf ber SBahlftätte, unb jefmiaufenb (befangene würben fammt ®efd)üfc, Munition unb ®epäd bie Beute ber ©ieger. 2)ie äftitgüeber beä puritanifd)en Kird)enau8fd)uffe$ oer* fehlten nid)t, bie erlittene Rieberlage, bie ihre BorauSfagungen ju ©d)anben gemad)t, in einer „furjen (Jrflärung unb SBarnung" ber ©ünbhaftigfeit ber $>auptleute, jowie ben offenbaren Slergerniffen,

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SMe crftcn 3eitcn bcr englifäen SRepublif.

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bie bcr flönig burd) feinen letdjtftnnigen 8eben$manbe( gegeben, unb anbem äljnliajen Urfadjen jujufdjreiben , „roeldie ben $errn gereift, Jehl Sfntlife t)on ben ©öljnen 3<rfofa ab$umenben unb fein hott mit einer fdjrecftidjen, aber mol)lt»erbienten S^^igung ffeimju* fudjen." dagegen meinten anbere Sßräbif anten : „@3 fei fefjr un* flug Don ©ort, roenn er feinen Qotn §u weit treibe, ba ti bod) am Snbe fein eigener ©djaben fein roerbe, roenn bie Äuaerroäfjlten auf bcr (£rbe unterbrürft mürben unb nur feine abgefagteften Seinbe übrig blieben."

Cbglctd) (£romroett nad) bem Siege bei $)unbat ofyne Söiber* ftanb in ßeitf) unb (Sbinburg eingerürft mar, in meld) letzterer ©tabt er mit ben in bie ©ttabeüe entflogenen puritanifdjen ©eiftlidjen einen tr)eoIogifcr)en ©djriftroedjfel eröffnete, um fie $u ben ©runb= fä$en bei Snbcpenbenten bu &efef)ren , trug bie 9tieberfage ber Schotten meljr $ur (Sxfyöfmng al$ jur ©djmädmng ftarlÄ II. bei. (£r empfing am 1. Januar 1651 in ber $ird)e $u ©cone, nad)bem er feicrlidj gelobt, ben (Sobenant $u galten, au$ ben Rauben $lrgülc$ bie Ärone feiner SBorfa§ren, unb bie burd) ba3 erlittene 93Jißgeja)tdf geroamten ©eiftlid>en überliegen ifym bie güfjrung be8 neu gefam* melten §eere3. Qu feinem Unglücf befd)lo& er, roäfjrenb (Sromroett gegen Sßertfj borbrang, mit etftaufenb SRann einen Einfall in ($ng* lanb $u madjen, in ber Hoffnung, baß ftet) bie bortigen Stotoaliften fogleia) um if)n fdjaaren mürben. Quid) ben unerwarteten (Sin- bradj fiberrafa^t unb ofjnefjin bura? bad TOßlingen ifyrer früheren ^ufftänbe entmutigt , fanben fid) biefelben nur in geringer Qafyi bei bem föniglid)en £>eere ein, tuäfyrenb ftdj bie Xruppen be£ $arla* mentä uon allen ©eiten in ber ® egenb üon Söorcefter f ammeU ten unb burdj ben rafdj herbeigeeilten (£rommell bis auf breijjig* taufenb 9Rann oerftarft mürben.

9fcadjbem Crommeß bei SBorcefter an jroei fünften ben lieber* gang über bie ©eoem erzwungen, mürbe am 3. September, bem 3aljre3tag ber ©djladjt bei $unbar, ba& £eer ber föotjaliften nad) einem feigen Kampfe, in meinem ber Äönig fetbft große dgntfajlof« jenljeit unb Xapferfeit gezeigt, ooüftänbig $erfprengt. SRur mit äftüfje entrann #arl, beffen Hoffnungen mit einem ©djlage öer* nidjtet roaren, bem ßoofe ber ©efangenfdjaft. 2Rit fedfoig feiner fdjottifdjen Leiter legte er im Tuntel ber 9ßad>t, ofme anhalten, mel)r als fünf beutfaje teilen $urüd unb trennte fia) bann, auf ben SRatf) beä ©rafen $>erbö, mit biefem oon feinen übrigen *8e* gleitern, um an ber ©ren$e bon ©tafforbföire bei einem bem @ra* fen mofjlbefamtten fatr)otifcr)ett *ßäd)ter, tarnen« $enberel, ©dmfc ju fuajen. £ier lebte er, Don bem ^äajter unb feiner gamilie mit ber rüfjrenbften Eingebung aufgenommen, als ©auer öerüeibet mehrere Xage, mäfjrenb (Jrommea'f^e ©treifmaajen bie ©egenb

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128 fcnglanb in bcr jtoeiten #älfte beS fteb$ehnten 3a^unbcrt*.

burchjogen imb Qcbcm mit bcm Xobe brofjten, bcr bcn Aufenthalt beS Königs verheimliche, demjenigen aber, ber ihn ausliefern werbe, eine große Jöelofmung verfprachen. Als bie ®efahr immer bringen* ber würbe, verbarg fia> ®arl mit bem Dberften CSareleß, einem eifrigen föotyaltften, ber gleichfalls bei ben ^ßenberel eine 3ufluchtS^ ftätte gefunben, in ben bidjt belaubten heften einer alten Eiche feitbem bie „ftönigSeiche" genannt unb blieb bort volle vier* unbjroanjig ©tunbeu, n>äf>renb bie 3rau beS Pächters, anfeheinenb Reifer fuchenb, in ber Mähe teilte, um bie umherftreifenben ©ol* batenfjaufen ju beobachten unb bem ftönig, wenn nöt^ig, SBarnungS* ^eichen ju geben.

SSon $enberel unb feinen vier Söhnen begleitet, begab ftdj #arl weiter nach Dem ©täbtehen ©entleh, wo ilmt Sorb SBilmot, einer fetner giuchtgenoffen, bei bem ber föniglidjen ©aaje treu er* gebenen Dberften fiane eine äufluchtSftätte gefiebert r)attc. $e* langen ©ehenS in ben plumpen ©auernfttefeln nicht gewöhnt, fam er mit wunben gußfofjlen in öentleü an, wo er feine treuen ©e* gleiter mit warmem danfgefühl entließ. Um feinem ©afte bie Einfcfuffung nach Shranfreich ju ermöglichen, brachte ihn Sane $u einer feiner Serwanbten in ber ©egenb von öriftol, ber Sttiftreß Horton, bei welcher er als ©ebtenter ber Xoajter ßane'S eingeführt würbe. Unter bem SBorwanbe, baß er fteberfranf fei, wie« ihm iUHjrreß Horton ein eigenes Limmer an; bennoch würbe er von einem Aufmärter erfannt, ber ftch ihm ju Süßen warf unb bie Söitte beS erfchroefenen Königs, ihn nicht ju oerrathen, mit ber )öerftcherung unverbrüchlicher Ergebenheit beantwortete.

die SReife nach ©riftol war inbeffen eine vergebliche gewefen, ba fein einjigeS ©duff $ur Abfahrt bereit lag, unb fo mußte ®arl feine gefahrvolle SBanberung nach e^ncr <mbern Dichtung foitfejjen. Er begab fich mit £orb SBilmot nach Xrent bei ©herburn in dor= fetfhire, ju bem Dberften SBinbljam, gleichfalls einem befanuten An* hänger ber ÄönigSpartet. Aud} h^r beeiferten ftch ^tö^ Dcm Dc*s folgten ©aft ihre £iebe unb Anhänglichkeit ju bejeigen. die hoch5 betagte SWutter beS Dberften jerfloß in greubenthränen beim Anbluf beS verfleibeten Königs unb betheuerte, baß fte jefot gern ben SBer* luft ihrer brei im Kampfe für feinen Sater umgefommenen ©öhne oerfchmerjen wolle, ba ihrer gamilie baS ®lüd geworben, ein 2Serf= $eug ju feiner Erhaltung $u werben.

9cact) mehrtägigen vergeblichen Ucachforfdnmgen nach einem 3rahr$eug, würbe ju ityme ein ©chiffseigenthümer gefunben, ber fid) bereit erflärtc, für h°hcn $tciS ben ßorb SBilmot unb beffen diener, für welchen fich ®er ^önig ausgab, nach granfreich ju bringen, worauf Söeibe fich na(^ ßtyme begaben. s2Iber in ber $ur Abfahrt feftgefejjten ^ac^t blieb ber ©Ziffer aus, weil feine bt-

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$ie erften 3cttcn bet cnglifc^cn SRepublif.

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forgte grau ihn angftlich gemalt, unb fo mußte ®arl nadj Xrcut }urü<ffel)ren. §luf bem SBege bahin fanb er ju Söribport eine #eereS= abtheilung öon fünfoehntaufenb 9J<ann, bie ju einer ©jrpebition nad) ber 3nfel 3erfeü eingefdufft werben füllte, ©eine SBcftür^ung oer* bergenb ftieg er öom $ferbe unb führte ba^felbc mit füfmer <5nt* fc^Ioffen^eit mitten burch bie murrenben ©olbaten nach bem Wixtfa häufe. $ier ftarrte jebod) feiner eine neue ©efa^r: ber $auS= fnecf>t begrüßte it)n, nur feiner Süge, nicht aber feiner *Jkrfon fid) erinnernb, als einen alten SBefannten au« ber Seit, too er ju (rjeter bei einem §errn Dotter in $ienft geftanben. ®arl, ber in ber %t)at mährenb beS SBürgerfriegS eine Zeitlang bei biefem ge* tpofjnt, ^atte ®eifteSgegenmart genug, auch bieSmal feinen ©djrerfen $u oerbergen unb mit bem ©Cheine ber größten SRufje berrt £anS* fnecht $u antworten: „3a, ich war einmal bei £>errn Wörter in Xienft ; je|t aber Imbe ich feine Seit unb behalte mir öor, bei einem GHafe SBier unfere Söefanntfa^aft $u erneuern, wenn ich Don ßonbon jurücffomme."

©lütflich mürbe Xrent wieber erreicht; aber bei ben bebend liefen GJerüdjten, bie fid) in ber Umgegenb verbreitet Ratten, erfdjien ein längerer Aufenthalt beS Königs im £aufe beS Dberften SBinbham nicht rathfam. Abermals mußte er feine gefährliche SSanbcrung fortlegen, bis eS enblia) gelang, in bem $>afen öon ©horefjam in ©uff er. ein galjrjeug aufjufmben, baS im begriffe ftanb, nach granf* reich unter ©egel ju gehen unb beffen (Sigentfyümer fid) bereit finben ließ, bie beiben glüchtlinge, ben ®önig unb ßorb SBilmot, mitzu- nehmen. 9cachbem baS gafjrjeug ausgelaufen, beugte ber ©duffäfyerr üor bem ftönig, ben er wohl erfannt r;attef baS $me unb gelobte ihm, i^n fidjer an bie franjöfifdje $üfte ju bringen. @r erfüllte Die« S3erjpred)en, unb am 17. £)f tober ftieg ber gerettete $önig bei ber normannifdjen ©tabt gecamp anS Sanb.

$)ie %f)zitnafymt, bie ®arlS I. tragifchcS ©efehief in gan$ (5u= ropa gefunben, fyatte auch für baS Unternehmen feines ©ofjneS aüermärtS ein reges Qntercffc erweeft, unb wie man ficr) nach fei- ner iRiebcrlage bei SBorcefter ben lebhafteften SBeforgniffen für ihn hingegeben, fo mürbe bie ®unbe oon feiner Rettung überall mit greube begrüßt. $er 9#uth, ben er im gelbe an ben $ag gelegt, fowie bie Umficht unb ÖJeifteSgegenwart, womit er ben mauigfaa)en (Gefahren auf feiner gludjt entgegen getreten, fyatten bit ©umpatfuen für ihn erhöht unb allgemein bie Ueberjeugung mach gerufen, baß er ber ßtone feiner SBäter mürbig fei. ©ein fpätereS Auftreten rechtfertigte jeboer) biefe Ueberjeugung nicht. „$arl", fagt ßingarb, hatte oieloerfprechenbe Slüthen entfaltet ; aber fie »elften balb unter bem jerftörenben ©influß ber ßerftreuung unb beS SSohllebenS."

9loch ehe eS ®arl gelungen mar , nach granfreich ju entfom=

^ol4ttart^f SBeltßef($i<$te. VI. 9

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130 (Snglanb in ber jrociten §älfte beS ft^jc^ntcn gahr&unbertS.

men, f)atte ber ©eneral SJconf, ber feit (SrommeHS fRücffc^r nach ©nglanb ben Oberbefehl über baS englifche |>eer führte, bie meiften feften Pläfce SdmttlanbS eingenommen, unb in furjer 3eit mar bie Untermerfung ber ©Rotten öoflenbet. $aS englifche Parlament er= flärte bie ßtonlänbereien für Gemeingut nnb öerfügte bie (£onft3= fation beS SBermögenS afler derjenigen, bie bem Äönig gefolgt maren. Sitte StaatSgemalt, bie nicht bem englifchen Parlamente entf prang, mürbe burefj eine Proklamation für aufgehoben erflärt ; alle Sheriff* unb anberen Beamten öon jmeifelhafter Xreue mürben burch folche erfefct, bie ber SRepublif ergeben maren ; englifche dichter, benen bret ober oier ©ingeborene beigegeben mürben, foflten baS ßanb bereifen, bie Rechtspflege übernehmen unb an bie Stelle ber bisherigen Xri= bunale treten. Statt ber freien Einquartierung mürbe bem öanbe eine jährliche Xaje oon einhunbertbreijngtaufenb Pfunb jum Unter« halt ber Gruppen auferlegt.

2)er Kummer ber Schotten über biefe Steuerungen mürbe er= höht burch bie 3luSftcht auf bie Bereinigung beiber Reiche ju einer einjigen SRepublif, moburch Schottlanb $u einer englifchen Protmig herabgemürbigt merben follte. 5)iefe „Union", über melche längere 3ett jmifchen Slbgeorbneten beS englifchen Parlaments unb ben iBertretern ber fchottifchen ®raffcfmften, Stäbte unb ©urgflecfen un- terhanbelt mürbe, fam im 3ahre 1654 bn Stanbe unb ^atte bie Aufnahme oon breifctg fchottifchen deputirten in baS Sionbouer Par- lament $ur golge.

Ungleich trauriger noch, als für Schottlanb, geftaltcten fich bie SBerhaltniffe für Srlanb. ^uf ocm ®e9c ErommellS fortfehrcitenb, hatte Qreton unter grauelooflem ©lutoergiefcen bie Untermerfung beS Raubes meiter geführt, als er im ^perbfte 1651, furj nach ber Eroberung öon Simeiicf, einer peftartigen ®ranfheit erlag. Sein Nachfolger Jleetmoob, ber baS Dberfommanbo feiner Berheirathung mit QretonS SSittme oerbanfte, fe&te bie ©räuel beS furchtbaren BernichtungSfriegeS , ben ber religiöfe unb politische ganatiSmuS ber englifchen £tRact)tt)aber ben unglüeflichen Qrlänbem erflärt ^atter mit unoerminberter ©raufamfeit fort, unb im Sommer 1653 mar Qrlanb ooüftänbig untermorfen. s2UIeS, maS (SnglanbS frühere ^errfcher an ber triften Nation burch $>ärte, ©eroattthätigfett unb ©raufamfeit oerbrochen, trat in ben ^pintergrunb cor ben 9)ca6= regeln, melche öon ben Häuptern ber englifchen SRepublif, bie ben $önig im Namen ber greifet ermorbet hatten, $ur Knechtung ber Qrlänber getroffen mürben.

Schon mä^rc nb beS Steges maren mit bcifpiellofer ©raufaim feit alle irifehen (befangenen nach SBeftinbien gejehieft ober oerfauft morben; jejt mürben, nachbem ein oon ben englifchen aJcadjthabern cingefefcter ^ot)er (Gerichtshof über jmeihunbert ber erften ÜRänner

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3)ic crftcn Seiten ber englif^en SRepubtif

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be* SanbeS als Veranftalter unb #auptforberer beS AufftanbcS bem 93lutgerüfte überantwortet hatte unb breifjig bis oierjigtaufenb ftreitbare Männer, öon ber allen $auptleuten unb ehemaligen Sriegern erteilten (Srlaubnife jur AuSmanberung (Gebrauch machenb, ba3 £anb üerlaffen hatten, um in Sranfreicf), Spanten, Oefterretd) unb SSenebig SriegSbienfte ju nehmen, jur öoüftänbigen Vernich* tung ber triften ftationalfraft über jman$igtaufcnb Qünglinge, SSetber unb ftinber millfurlich aufgegriffen unb nach bem $u jener 3eit eroberten Samaica ober anbem Sufeln AmerifaS funüberge* füljrt. hierauf rourbe baS bereits früher befolgte gemaltfame SolonifationSfuftem in ber umfaffenbften SBcife fortgefefct. Alle, roeldje bei bem Aufftanbe als güfjrer ober föathgeber beteiligt ge= mefen, rourben ihres gefammten ©runbbefifceS öerlufttg erflärt ; 55)ic* jenigen, bie gegen baS Parlament gekämpft, oerloren atoci Dritt* theile unb bie, toeldje nicht f ü r baSjelbe bie SBaffen geführt, ein $rttttf>eü ihrer Sänbereien. Huf biefe SBeife follen bamalS an acht ^äüiarben borgen £anbeS eingebogen morben fein, üon benen bie Stegiemng einen Xtyü für ftd) behielt, mährenb fie baS Uebrige unter it)rc Solbaten ober an englifdje unb fcr)otrifc^c $oloniften öert^eilte. Um bie Vernichtung beS politischen Däferns ber Nation $u öollenben, mürben alle ©ingeborenen über ben Shannon nach Sonnaught üertrieben unb bie ®oloniften ermächtigt, 3eben, ber fid) über ben 5lu& hcri*&crtt)age, ofjue 2BeitereS nieber$uftofjen. Auch mürbe auf baS Xragen unb Aufbewahren üon SBaffen bie DobeS^ ftrafe gefegt.

)U?it ber politifchen (Srjftenj ber Qrlänber foüte auch ü)rc ^Cs ligion üemichtet merben. 3U biefem (Sttbe erliefen bie ©ioilforn* miffäre, bie baS Parlament mit ber Drbnung ber irifct)en Angele- genheiten betraut hatte, ein allgemeines Verbot ber Ausübung beS fatholifchen ©otteSbienfteS unb miefen in einer ^ßroflamation äße !attjoüfct>en ^riefter an, bei ©träfe beS ^pochoerrathS innerhalb §roan$ig Xagen Qrlanb $u oerlaffen, unter Androhung ber XobeS* ftrafe für ^tbtn, ber einen berfelben bei fid) aufnehme. Auch mür- ben bie DrtSbehörben ermächtigt, ben Matljolifen ihre ®tnbcr roeg- junehmen, um biefelben jur drjiehung nach ©nglanb ju fanden, unb öon allen ^ßerfonen, bie baS einunbjmanjigfte 3ahr erreicht hatten, ben AbfcrjmörungSeib ju f orbern, beffen Vermeigerung mit $erferhaft unb theilmetfer VermögenSconfiScation beftraft mürbe.

3ur Durchführung aller biejer SDca&regeln mürbe baS ®negS* heer in Meinen Abteilungen über bie Sßroüinjen oertheilt , unb ^eligionShajs unb (^eminnfucht fct)ärften baS Auge ber Auf paffer, bereu 9tacr)fpürungen burch ben Umftanb erleichtert mürben, bajj 9ttemanb ohue befonbern (SrlaubntBfchein ber JÖe^örbe reifen burfte. ftidjtsbeftomeniger blieben zahlreiche ^riefter im ßanbe jurücf.

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132 (gnglanb in ber aweiten §älfte beS fiebje^nten 3af>rf)unbert3.

^8tc£c berfelben büßten bafür am ©algen, roäljrenb eS Slnbern ge= lang , ftd) in 33ergf)öf)len ober einfomen , in moraftigen ©egenbcn gelegenen Kütten $u oerbergen, oonmo auS fie jur 9tadjtjeit bie ärmlichen 2Bof)nungen ifjrer gebrücften ©laubenSgen offen auffudjten, um biefen ben $roft ber Religion ju fpenben.

Sßäfjrenb burd) bie ©raufamfeit beS englifdjen Parlaments bie politijaje ©fiftenj ber Qrlänber unb iljre religiöfen greifjeiten oer* nietet unb bie ©Rotten burd) bie Ausbeutung ifjrer ^ilflofigfeit jur Anerfennung ber Union mit (Snglanb gelungen mürben, fdjritt SrommeU in biefcm lefetereu fianbe fclbft mit eiferner ®onfequen$ auf ber 53afm weiter fort, bie Um $um afleinigen Jperrjdjer über baSjelbe führen foHte. ÜRadjbem burd) bie frrengften Ettafcregetn jebe Dppofition gegen bie beftefyenbe Regierung unterbrütft roorben, benufcte er ein Semmrfnifj attrifdjen bem Speere unb bcm Parla= mente, um fid) beS lederen unb beS aus bemfelben hervorgegangenen Staatsrate mit $ttfe beS erfteren ju entlebigen. Am 20. flprü 1653 erfcfuen er in bem Rumpfparlament überhäufte bie SKit* glieber beSfelben mit Vorwürfen unb Sdjmäbungen unb forbertc fie auf, auSeinanber ju gef)en, um befferen beuten piafc ju machen. „Ter £>err t)at fid) oon eud& losgelegt", rief er auS; „er f>at anbere ©erzeuge crforen, fein SBerf ju betreiben. * SllS it)m oon oerid)tebenen Seiten mibcrfproa^en mürbe, traten auf feinen SBinf amanaig SÖhiSfetiere in ben Saal unb fprengten bie SBerfammlung auSeinanber. hierauf begab fidj (SrommeH in ben Staatsrat!) unb crflärte beffcn iöefugniffe in ^olge ber Aufhebung beS Parlamente für crlofcr)en. £er Präfibent Sörabftam fjielt i^m $mar bie (Jr- flärung entgegen , ba§ bie Sluflöfung beS Parlamente null unb nidjrig fei, ba beffcn 9#irgüeber allein baS 9kd)t gärten, biefelbe ju Der fügen; feine Söortc blieben jeboa) mirf ungSloS , unb bie fflätye mürben auSeinanber getrieben.

Grommell mar je&t in ber Zfyai s21üeinl)errfd}er ; er fuelt es jeboct) jur bauernben söegrünbung feiner Eftadjt für ratljfam , bie gormen ber ^erfaffung fo meit ju fronen , als eS mit feinen ^werfen oereinbar mar. 3)afjcr füllte ber Staatsrat!}, ben er au» oier 9ied)tegelef)rten unb ad)t Offizieren unter feinem eigenen $or* fi& gebilbet, ein neues Parlament jufammen berufen. 3>amit baS= felbe aus lauter „^egeifterten" unb „^eiligen" befte^e, bie er oer= mo^e beS ifjm in biejen Greifen ju ©ebote fte^enben dinfluffeS gan$ nadj feinem Söillen leiten ju fonnen fmffte , lieg er an fämmtttdje öeiftlidjen ber preSbnteriauijdjen ftird)C, fomie an bie ÖJcmeinben bcr ^nbepenbenten unb iicoellerS bie Wufforberung ergeben, öiften ifjrer „gottcsfürdjhgftcn, gläubigften unb entlMltfarnftcn" ©lieber unb 5In= gehörigen auf jnfteücn , unb aus biejen mahlte ber Staatsrat^, un^ befümmert um bie (Üeied)t*:2me beS Golfes , tyunbertfünfaig ^bge-

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$ie erften äeiten ber englifcben SRepublif.

133

orbncte , beuen in itjren (Sinberufungäfcf)reiben mitgeteilt würbe, nxldje ©raffdjaft ober melden Drt ein 3eber ju öertreten fjabe. gür 3r(anb würben nur fec^d unb für Sdjottlanb nur öier 3Hit- g lieb er ernannt.

Slm 4. Quli 1653 eröffnete (£rommett biefe* neue Parlament in beut 9tatf)äjimmer ju SStyitefjafl mit einer ausführlichen , fal= bungäooUen SRebe, in melier er ber Skrfammlung bie &anb ®otteä in ben jüngften ©reigniffen ju jeigen fudjte unb fie aufforberte, ber ^o^en Aufgabe getreu, ju weiter fic „burd) bie 2Baf)l beä £>errn" berufen worben , „baä ®erid)t ber ©nabe unb 2öat>rr)eit gewiffem h<rft ju üben unb mit ben ^eiligen im ©lauben ju üer|arren." „SSir ftnb berufen," fo fdjlofe er, „ju bem ftrieg beä Sammeä mit feinen geinben; wir ftnb angelangt an ber Schwelle beä ©ingangS bei bem äufjerften ©aume ber Prophezeiungen unb SBerheijjungen ; ®ott fyat fid) erhoben, fein Sßolf auä ben Xiefen ju retten unb 3uba heimzuführen in feine Sifce. ®ott erfdjüttert bie S3erge, unb fie taumeln, ©ort bat auch einen liol]cn |>ügel; fein $ügel ift wie ber £ügel oon SBafan, unb ber Söagen Qehoüah'S ftnb jwanjig* taufenb (Shtgel, unb ®ott wirb Wonnen auf biefem £>ügel immerbar.'' .pierauf lieg er eine Don tfjiu felbft unterzeichnete unb beftegelte 3ct)rift tieriefen , woburd) er ber SBerfammlung bie oberfte ÖJewalt auf fünfzehn äRonate mit ber SBeifung übertrug, nach Ablauf biefer 3eit bie 2Jätglieber ber neuen SBerfammlung felbft ju wählen.

SDen folgenben $ag wibmeten bie neuen Vertreter ber Nation auäfchliefjlich anbächtigen Uebungen, ju welchen fie fid) frül) ÜDcorgenä um acht llt)r in bem ©ifcungäfaale öerfammelten. Um „ben £>errn ju fu^en", würbe bid Mbenbä fec^d Uhr ununterbrochen gebetet unb geprebigt. Ta* gleiche Gepräge pietiftifdjer M onüontif cl tru- gen aüe folgenben ©ijjungen , bie mit enblofen Anrufungen 3er)o= t»ah'3 eröffnet unb gefdjloffen würben. Sftan t)örte ÜRichtö als An* fpielungen auf baä alte Xeftament unb ©prücfje au$ bemfelben; alle polirifa^en SBerljältniffe würben au« bem biblifdjen ©efid)t3* punfte betrautet1).

3nbeffen zeigte ba3 neue Parlament, ba3 nach bem £eberl)änb=

1) ©efonberS djarafteriftifd) für ben 3eitgetft ift bie unter ben „^eiligen" berrfdjenb geworbene Sitte, nicht nur ihre gewöhnlichen Xaufnamen gegen a\U teftamentltdje . wie $efefiel, £>abafuf, $ofua u. ju oertaujefcen , fonbern fogar als „SSiebergeborne in bem §errn" ganze SBibelfprüche al« S3ornamen anzunehmen. So nannte fid) einer Xöbte bie @ünbe pimple, ein ?ln= berer ©et treu im (Stauben %o\ntx, ein dritter kämpfe ben guten #ampf SBftte u. f. w. 3)er ©ruber beS Varianten t$mitgliebc8 greife« ©ott Jöarebone füqrte beu Tanten: Söäre S^riftu« nidjt für und ge* ftorben, fo loftren roir ewig oerbammt (daran'd). Siele, benen ber ^ame ju lang war, nannten tfm einfach Daran'd Barebone »erbammter joareoone.

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134 (Snglanb in bcr jrocitcn £älfte beS fkbse^nten 3ctf)rhunbert«.

Icr ^rctfc^Dtt ©arebone, einem ber etfrigften ©eter unb ©predjerr audj baS © a r e b o n a r 1 a m e n t genannt ttmrbe , tro$ bcr geiftigen 93efd)ränftf)ett ber meiften feiner TOtglieber met)r prafttfdjen ©inn unb größere ©elbftftänbigfett , als ßrommell ermartet hatte, unb ba er nidjt genullt mar , fid) burd) baSfelbe irgenb meiere 2TCa4tbefdn:anfung auferlegen ju laffen, befd)lo& er, ftdj feiner eben= falls ju entlebigen. Radjbem er mit feinen oerttauten Anhängern, bie gleidjfaüS in bic SBerfammlung gemäht morben , bie nötfuge Rütffpradje genommen, begaben fid) biefe am 12. $ej. 1653 ju früher ©tunbe in bie ©tfcung unb brauten einen 53efdjlu§ in 5ßor= fdjlag, traft beffen baS Parlament, „baS fo Diele üerfefjrten 2Ra&= regeln ergriffen," fxd) auflöfen unb bie §errfdmft in bie §änbe desjenigen jurürfgeben foöte, oon meinem eS biefelbe empfangen f)abe. $)a fid) SBiberfprud) erhob, öerliegen bie ^nbepenbenten mit bem Sprecher ben Saal, morauf ber Oberft 2ör)itc mit einer ®om= pagnie ©olbaten erfdjien unb bie 3urücfgebliebenen ou$ ^em <paujc trieb. 2113 biefelben auf bie Srage SBhite'S , maS fie Iner nod) madjten, jur 9lnnoort gaben: „SBir fud)en ben £errn," foll ihnen ber Dberft höhnifö angerufen haben: „Xann mü&t ihr anberSmo hingehen; benn id> tnei§ genrifc, baß er fdjon feit mehreren Qa^ren ntdjt mehr ^ier getuefen."

93ier Xage nad) ber Sluflöfung beS SBarebone- Parlaments er fdu'cn ber ©eneral Sambert , einer ber eifrigften Anhänger (£rom roellS, mit ben Uätgliebern beS ßvriegSratt)S t>or bem Sorb-ÖJeneral, um bemfclben ben Üntnmrf einer neuen, oon ilmen ausgearbeiteten SBerfaffung oorjulegen, nach meldjer er mit bem Xitel „proteftor ber Rcpublif" bie öolle SBürbe unb ©emalt eines Königs erhalten foütc. ©rommell erheuchelte Ueberrafchung unb erflärte, eine fo fernere Saft nicht übernehmen ju fönnen; er lieg ftdj jeboch burd) bie *8orftcllungen unb bitten Lamberts unb ber Offiziere un)d}tt)er bemegen, feinen SSiberftanb aufzugeben.

Rod) an bemfelbcn Xage 16. Tej. 1653 fuhr (£rom med, 5tuifcf)en ad)t in <ßarabe aufgcfteClten Regimentern hinburch, in feierlichem Slufjuge oon 2B^itet)aH nach Söeftminfter. $or ihm ^er gingen ber 2orbs2flajor unb bie Sllbermänner oon Sonbon, hinter U)m bcr ©taatSrath unb ber Rat!) ber Offiziere. 211S (Srommell, ber in fchroarjen ©ammt gefleibet mar, in bem ©aale beS ®anjlei- geridjtS auf einem Prunffeffel piafc genommen, trat Lambert bor unb bat, nad)bem er ben Slnroefenben auSeinanbergefef t , mie bie bebenflid&en geiturnftönbe eine ftarfe unb fefte Regierung erf)eifa> ten, ben ßorb-®eneral im Ramen ber STrmee unb ber brei Ratio* nen, bie SBürbe eines proteftorS oon (Snglanb, ©a^ottlanb unb Qrlanb anzunehmen. Rad) einigem ©träuben, in meinem bie U)m jur ©emoljncjeit geworbene ©erftellung nic^t 511 öerfennen mar, gab

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Tie erften 3eitcn ber englifcljen föepubltt 135

Sromroeß feine 3uftimmung, hjorouf einer ber ©efretäre be$ ©taata- ratfä bie neue SSerfaffung oerlaS. Tie |>auptbeftimmungen berfet-- ben roaren bie folgenben: Tie gefefcgebenbe (bemalt ift bei bem 2orb*Proreftor unb bem Parlamente, baä alle brei Qaljren berufen werben mu§ unb öor Ablauf beä fünften Süconatö feiner ©ifcung3= jeit nicht aufgelöft roerben barf. Qu bemfelben roerben für (Sng= ianb oierhunbert unb für ©djottlanb unb Qrlanb je brei&ig Witt- glieber gewägt. 2Ber ein Vermögen öon jroeihunbert Pfunb hz if* hnx if)etfnaf)me an ben SBa^len berechtigt; gewählt roerben (ann 3eber , ber über breiunbjroanjig Qa^re $ählt unb unbefchol- ten, gotteSfürchrig unb reinen SBanbelS ift. Tie auäübenbe ®eroalt ift bei bem Öorb^roteftor, ber befugt ift, unter 3urat^ejiet)ung beS StaatärathS mit fremben dächten $u unterl)anbetn unb mit beffen 3uftimmung ®rieg ju erflären unb ^rieben $u fchlie&en. Ter 2orb^roteftor fjat bie Verfügung über bie Sanb- unb ©eemacht unb befefct bie ©taatäämter. Dirne «Bufttmmung beä Parlaments tonnen roeber (Uefefoe gegeben, noch Abgaben erhoben roerben. Tie Sioiflifte be3 Proteftorä ift auf jroanjigtaufenb Pfunb feftgefe&t. 3ur 2(ufrechthaltung ber Drbnung unb $um ©chufce ber S3erfaffung wirb ein ftehenbeä |>eer öon jroanjigtaufenb gu&folbaten unb jelju- taujenb Weitem unterhatten; bie ©tärfe ber Slotte bleibt bem Snneffen be3 Proteftorä anheimgefteflt. 2lße, meiere burch Qefum ^riftum an ©ort glauben, foüen in it)ren 9teIigion3übungen gefaxt roerben , aufgenommen bie „Papiften" unb diejenigen, bie unter bem Tecfmantel ber Religion ein jügellofeä Seben pre= bigen. 3um erften Sorb^roteftor roirb ber Sorb^eneral (Srom* roeü auf Seben^eit ernannt ; feinen Nachfolger ernennt ber ©taat3= rata.

9cachbem bie SSerfaffungäurfunbe oerlefen roar, erhob (£rom* roeü feine rechte £anb unb fdjrour, bie klugen mit feierlichem 2lu3* bruef gegen |>immel gerichtet, bie neue SBerfaffung geroiffenhaft ju Wten unb für beren Befolgung ©orge ju tragen. Tann über* reichte ihm Lambert fnieenb ein üBürgerfchroert , roorauf GEromroefl ieinen Tegen ablegte, jum Blichen, bafj er fortan nicht burch üttiü; targeroalt, fonbern ben ©efefcen gemäß regieren roolle. 2ln bem- l'ctben Tage rourbe bie Einführung ber neuen föegierungaform unter Beobachtung aller bei ber Thronbefteigung eine£ Monarchen üblichen Zeremonien burch Proklamation öffentlich oerfünbet.

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136 gnglanb in ber jroeiten $ftlfte bc3 ficb^ntcn 3ahrl)imbertS.

i

dttßlanb unter bera ^roteftorote GrommeBS.

(1653-1658.)

Obgleich (£romroelI$ ©r^cbung nur baä 28erf feiner SBaffeit* brüber mar unb bie neue SBerfaffung beu (Snglänbern faum mehr Stechte unb gretljeiten gemährte, als fic unter $arl I. befeffen, ließ fidj bie Nation, ber häufigen Umroäl jungen unb ber brüefenben 93?itttart)crrfc^aft mübe, gern einen SBechfel gefallen, ber bie 9tücf* fef)r ruhigerer Stittn in 3lu3fui)t fteöte. $er ^roteftor felbft mar entfdjloffen, bie ifjm übertragene ©eroalt mit ber ganzen $raft feU ne3 $errfchergciftc3 nach Qunen roie nach s2lußen aufregt ju ^aU ten. $abei fuchte er feine Gegner nach wie öor buraj ben Schein ber $emuth unb Uneigennüfcigfeit ju täufdjen, inbem er bei jeber Gelegenheit besicherte, ba§ er bei ber 2lnnahme be£ $roteftoratö nur bem SBiCten ber SBorfehung unb bem Gebote ber Pflicht ge^ horcht unb baä eigene Glücf bafun gegeben, um fein SBaterlanb oor Anarchie unb Untergang ju beroafjren, unb ba§ er mit'greuben bie fernere SBürbe nieberlegen roerbe, fobalb e& mit Sicherheit für bie Nation gefc^e^en fönne. Seine Betreuerungen fanben jeboct) nur noch bei feinen üerblenbetften Anhängern ©tauben. SBiele fei ner früheren $ameraben nannten ihn offen „einen lifrigen, mein= eibigen $öferoicht" unb brohten ihm mit einem noch flimmeren SluSgang, „als ber beä legten Xorannen geroejen." (Sromroell magte nicht, gegen btefelben mit äu&erfter Strenge oorjugehen. (Sr begnügte ftch bamit, einige üon ihnen au* ihren Stetten $u entfer* neu ; nur biejenigen, bie ihm befonberä gefährlich fdjienen, mürben in ben Xorocr jur £>aft gebracht. Unter biefen befanb ftcfj ber Dberft ^arrifon, früher fein eifrigfter Anhänger, jefet als ftarrer SRepublifaner fein unocriöhnltchfter geinb. mt ben SRoualiften, bie er nicht in bem gleichen Grabe fürchtete, machte SrommeÜ weniger Umftänbe ; mehrere berfelben, bie befdjulbigt roorben, eine $Berfchmö= rung ju feiner (Jrmorbung unb jur Erhebung #arlä II. angebettelt ju haben, mürben hingerichtet.

Obgleich ber Staatärath nidjt oerfehlt hatte, burch offene Sin* griffe in bie ^Baufreiheit bie 28af)len ju bem neuen Parlament möglichft su Gunften trommelte ju lenfen, jeigte baäfelbe, nachbem eS am 3. September 1654 üon bem ^roteftor mit foniglichem Ge= prange eröffnet morben, eine für benfclben nicht* meniger al* be= ruhigenbe Spaltung. Glicht nur bie Sluflöfung beä langen <ßarla; mcntS mürbe al3 eine gefe^mibrige bezeichnet, fonbern auch bie Gilrigfeit bcr neuen SJerfaffung in 3n>eifel gejogen unb mit ber= felbeu trommelte gan^e Stellung angegriffen. Um bie Opponent ten 5ur 9iul)e ju jmingen, erflärte (Srommell in bcr Sifcuug oom

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(Snglanb unter bem ^roteftorate (Sromwcfl«. ' 137

12. September, bie Serfammlung fei nidjt befugt, feine SSürbe, bie ü)m üon ©ott unb bem Softe ofjne fein Q\itf)\m öerlieljen roorben, irgenb meiner ätitif ju unterbieten, unb ftelje felbft rect)tIod ba, wenn fte fid) metgere, bie StaatSgemalt an^uerfennen , buref) roeIcf>c ße berufen toorben. @r Ijabe eine bie 9Inerfennung feiner Stellung unb ber neuen Serfaffung entfjaltenbe ©rflärung abfaffen laffen, bie öon ben 9Jcitgliebern ber Serfammlung ju unterjeidmen fei. SBer biefe ©rflärung ntc^t unter$eicfme, fdjließe fid) felbft oon bem Parlamente au$. 3n ber Xfmt mürben über ljunbert attitglieber, bie ifyre Unterfdjrift öerioeigerten , am folgenben Xage öon ben Sadjen nidjt in ben Sifcung3faal eingeladen. $a trofc biefer ®e= toaltmaßregel bad berftümmelte Parlament fortfuhr, über 2lbänbe= mngen ber Serfaffung ju berauben unb bie Serorbnungen be3 Proteftorä einer Unter fudjung ju unterbieten , löfte CErommefl aud) biefe* Parlament, nadjbem bie gefefclid) oorgefd>rtebene Srift oon fünf SWonaten afferbingö nur 9ftonbmonate ju adjtunb$manjig lagen oerftridjen mar, am 22. Qanuar 1654 mieber auf.

tiefer Sdjritt fonnte nur baju beitragen , ben allgemeinen Unmiflen gegen ben ^roteftor ju fteigern. Sucf) mirften anbere llrfadjen baju mit, bie 3afjl feiner Änfjänger ju verringern. $>ie georbnete £off)altung , mit melier fidj (EromroeH , feiner fjofjen Stellung entfpredjenb , umgeben , fyatte üjn mefjr unb meljr ber re= ligiöfen ©emeinfdjaft mit ben „^eiligen" entrüeft , mit benen er nidjt mefjr fo eifrig rote fonft „ben $errn fachte." Wud) gegen bie Offiziere, in bereu (Sefellfdjaft er früher bei fröfjlidjen Sftafjlen an ben auSgelaffenften Solbatenftreicfjen Xr)cü genommen , toie fid) überhaupt in feinem (£l)arafter mit bem religiöfen (Sntfmfiaamua ein entfdjtebener £>ang ju berber Spaßmadjerei oerbanb, benrieä er eine größere Surüdfmltung , bie i^m bie £>erjen Sieler unter ifynen entfrembete. Um ba3 Sotf gegen iljn aufjutoiegeln , oerbreiteten feine (SJegner Stugf^riften aller 3lrt, in benen feine £>eudjelei unb fein ©ibbruef) bloßgelegt toaren, unb balb roedjfelten republifanifcfje unb roualiftifdje Sßerfdjtoörungen mit einanber ab , bie jebod) alle burdj Sromtoetla fc^laue unb roobjbefolbete Spione leicht entbeeft unb in Strömen 53lute$ gebämpft mürben.

$lod) größer mürbe bie Unjufricbenljeii , alä ber ^ßroteftor im $pril 1656 $ur letzteren Unterbrürfung ber immer saf)lreidjer toerbenben Slufftänbe, fomie jur rareren Beitreibung ber auf eine bis balnn unerhörte Jpörjc geftiegenen Steuern ba3 ganje föeid) in fünf 2KUitärgout>ernement3 einteilte unb ben Sorfte^ern berfelben, bie ben 9iang oon Generalmajoren erhielten, bie ©efugniß einräumte, nidjt nur Gruppen in iljren SBejirfen auöju^eben, nad) SMfür Verhaftungen üorjunefjmen unb Güter einjujie^en, fonbern aud) bie «uffia)t über fttnften unb Spulen ju führen. ^a& militärifc^er

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138 (Sngtanb in bct jmetten $«lfte be« fiebjefaten 3a$rf>unbertS.

Despotismus baS <£nbe fo langer unb blutiger kämpfe fein follte, erfüllte Seben mit Erbitterung.

(£in IjöfjereS Wnfel)en, als in ben brei üon üjm beljerrfdjten föeidjen, genoß Gxomtoell im WuStanbe. Seine Erhebung fyatte bei feinem befonnten (5b,rgeij bie fremben Wächte nic^t überrafdit, unb feine berfetben öertoeigerte ifjm bie Slnerfennung ; bie meiften be- eilten ftdj fogar, tfjeilS um feine greunbfdjaft ju gemimten, tljeilS um feiner geinbfdmft oorjubeugen , tym iftre ÖKüdnwnfdje borju- bringen, unb jaljlreic&e Votfdmfter unb ®efanbte brangten ftet) an feinen £of. (£rommett empfing fie ju SBfn'tefafl, mo er mit feiner gamilie bie früheren föntglidjen ©emädjer belogen , in bem großen «anfetfaal, auf einem *ßrad)tftuf)te fifeenb , mit bem *ßrunfe eine* fouüerönen £errfd)erS.

Der glütflid&e Ausgang beS SeefriegeS mit #oflanb bemog ben <ßroteftor gu neuen friegerifdjen Unternehmungen, buraj meldte er bie Slufmerffamfeit feiner Untertanen oon ben inneren Singelegen-- Reiten afyulenfen hoffte. Da ein ®rieg gegen Spanien bei beffen in rafdjem Sinfen begriffener üttadjt einen leisten Sieg unb eine reiche Veute in SluSftdjt ftettte, befcf)(o& er, feine SSaffen junaefpt gegen biefen Staat ju ridjten. Um einen Sorroanb jum SriebenS* brua) ju finben, ftettte er an baS ftabinet oon Sttabrib gorberungen, bie baSfelbe nidjt bewilligen fonntc , unb ließ auf beffen ablefmenbe Antwort jtoei Stötten unter Segel gelten , oon benen bie eine unter bem berühmten Seefjelben 33 1 a f e nadj bem 9Jftttelmeere, bie anbere unter bem Slbmiral ?5 e n n nadj 3Beftinbien ging. Da ber ftrieg gegen Spanien nod) nid)t erftärt mar , griff ©lafe , ber ben geheimen Auftrag fjatte, bie mit ben Sdjäfcen JfnbienS betabenc fpanifdje Silber flotte fyimoeg ju nehmen, juerft bie brei 9taubftaa= ten Algier, DuniS unb DripoliS an unb jroang beren $8ef)errfd)cr $ur fjveigebung aller in ber Sflaoerei jurüdgefmltenen (Snglänber, foroie ju ber Sufagc, fünftig feine englifdjen Schiffe meljr $u bt- rauben. Da in$toifdjen bie Silberflotte glüeflid) in ben #afen oon (£artyagena eingelaufen mar, fefyrte er oofl TOßmutl) nad) (Snglanb jurüdf.

gnjmifa^en l)atte $enn , nad) einem bergeblidjen Angriff auf San Domingo, im Üftat 1655 Qamaica erobert, unb im 9Ipril 1657 gelang eS Vlafe , in bem £afcn Oon Santa (£ruj auf ber Qnfel Deneriffa bie fpanifdje Silberflotte Ijimoeg ju nehmen, bie jebod) bei ber Verbrennung ber biefelbe eSfortirenben Sdjiffe ju Qkunbe ging. Sluf ber 9türffe(jr oon biefem Quge ftarb er , als eben fein Schiff in ben £afen öon ^ßltymoutfj einlief.

3ur nadjfjaltigeren Vefämpfung Spaniens fjatte fid) ©romroeü bereits im Qaljre 1655 mit granfreid) üerbünbet, baS ifym als *ßreis feiner längft erftrebten ©unbeSgenoffenfrfjaft bie Verbannung

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(gngianb unter bettt «ßroteftorate ©rommellS. 139

ber Stuarts oon bem fran^öftferjen ©oben jugefagt. $aS englifc^c ftilfsheer öon fedjStaufenb 2Rann , raeldjeS bic granjofen in ben SRieberlanben unterftüfcen follte , würbe bem Oberbefehle Xurenne'S unterftellt unb nafym an ber (Eroberung oon $ ü n f i r d) e n (14. 3uli 1658) Xf>etl, meiere« ben <£nglänbern übcrlaffen blieb.

Xrofc beS erböten 2lnfef)enS, baS ßromraells friegerifdje Unter; nefymungen unb inSbefonbere ber buref) ifjn berotrfte bebeutenbe Äutfdjroung ber englifdjen Seemadjt bem englifdjen tarnen oer= fdjafft Ratten, bauerte bie Unjufriebenljeit in ©nglanb fort. 911S ber proteftor, tfjeilS wegen ©elbnotf), tbeilS.um ben 93eftimmungen ber SBerfaffung ju genügen, auf ben 17. September 1656 ein neues Parlament berief, fielen faft an allen Orten bie oon if)tn aufgefteö^ ten föanbibaten burdj, unb wo bie 2Baf)l berfclben burcfygefetjt Wor> ben , war bieS burd) offene ©ewalt oon Seiten ber Beamten unb Generalmajore gefa^e^en. $5ennod) mar (SrommetI entfd)loffen , fei- nen feiner erflärten (Gegner §u bem Parlamente jujulaffen; er ftria) batjer olwe SöettercS bie Flamen aller ber jenigen ©ewal)lten auS ber fiifte aus, für weldje fid> in angeblidj nidjt entfpredjenber religiöfer ober fittlidjer ©efinnung ein ©runb ber 9luSfd)lie6ung finben liefe. Obgleid) er auf biefe 3Beife ein Parlament jufammen gebracht , oon meinem er 9Hd)tS befürdjtcn $u müffen glaubte, jetgte fief) audj in btefer SÖerfammlung ber alte SBiberftanbSgeift, ber befonberS burd) eine heftige, oon ben auSgefdjloffenen $arla mentSmitgliebern oeröffentlia^te söefdjmerbefdjrift geweeft morben mar.

3)ie nngünftige Stimmung ber neuen Stellüertreter ber Nation berührte ben $roteftor um fo unangenehmer, als er ftd) bem Siele nafje geglaubt, auf weldjes längft fein ganjeS Streben gerietet ge^ raejen. 55er proteftor-Xitel , fo gro& unb furdjtbar er benfelben auef) ju machen gemußt, genügte feinem (Sfyrgeij nidjt: im SBefifce einer unumfdjränfteren ©eraalt, als fie je oon einem ber red)t- mäßigen Jperrfa^er (SnglanbS ausgeübt morben, glaubte er eS raagen ju burfen , feine £anb nadj ber KönigSfrone auSjuftrecfen , naa> bereu Erlangung er burdj bie £>erfteHung einer erblia^cn 2Ho= narajie feiner gamilie ben gortbefifc ber .fterrfdjaft fidjeru ju fönneu hoffte, ftadjbem er fidj mit feinen oertrauteften greunben über bie Saaje eingefjenb beratfjen unb eine oereitelte $erfd)raörung gegen fein öeben, bie oon ben 9tid)tern für Jpodjoerratf) erflärt wor= ben, weil ^roteftor in gefefclidjer ©ejieljung gleidjbebeutenb fei mit Äönig, eine unmittelbare Steranlaffung geboten, bie ^Sieben einfü^rung beS Königtums im Parlament $ur Spradje $u bringen, übernahm eS einer feiner eifrigften Anhänger, in ber SBerfammlung ben SBunftfj auSjufpredjen : eS möge bem proteftor gefallen , bie föegierungSgemalt gan§ nad) ber alten SSerfaffung $u übernehmen, ba bteS bas fic^erfte Littel fei, aüen Komplotten ein (Snbe ju

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140 gnglanb in ber jmeitcn $aifte be« fiebaeimtett 3af)rfmnbert«.

machen unb bic greiljeiten be« Sanbe« auf bcm alten fixeren ®runbe 311 befestigen, $a« |>au« to« überrafdjt; aber mäljrenb bie ©inen bie 3krmegenf>ett be« SRebner« tabelten , liegen ftdj Ru- bere äuftitnmenb öernetmten, unb al« in ber nädjften ©ifcung in aller gorm ber Antrag geftettt mürbe , bem Proteftor bte Stone anzubieten, gelang ben Sreunben trommelte , für benfelben bie $Ref)rf)ett ber ©timmen ju gewinnen.

(Srommefl ftanb am %\tli feine« Streben«; aber er gefiel ftcf) barin, ben Söfiernben ju fptelen, um ftd) ben #nfd)ein ju geben, al« erblitfe er in ber SBürbe, meiere ber ®egenftanb feiner fjei&eften SBünfdje mar, mir eine fernere ©ürbe. 211« tym ber Sprecher be« £aufe« ben in ber gorm eine« „gefjorfamen ©cfudj« unb ®ut= achten«1' abgefaßten SBcfcftfuß überreizte unb beffen SJcotioe in längerer SRebe au«einanber fe&te, erflärte er : fein Gtemütlj erfdjrccfe t)or bem ©ebanfen, eine fold&e Saft auf fid) ju nehmen; er bebürfe 3cit, ben §errn unb fein innere« ju Statte §n jie^en. $abei er« mangelte er jebod) nict)t , feine Slnljänger im ©rillen ju ermuntern, auf ifjrem Verlangen ju beftefjen, bamit feine (Sinmilligung al« eine i^m abgerungene gelten !önne.

3nbeffen zeigte ftet) unter ben eifrigen SRepublifanern mie un= ter bem £>eere eine fo bebenflidje ©timmung , bafi CSrommell §u feinem (Sntfölufs fommen fonnte. (Sine Don einer ?(nja^I fana= tifct)er Qnbepenbenten angebettelte S8erfd)mörung , meiere bie lieber* tragung ber SRegierung«gcmalt an einen „IRatfy ber ^eiligen" be* ^metfte, fct)eiterte zmar an ber SBadjfamfett ber ©ptone ßrommell«, unb bie an berfelben Beteiligten mürben in ben Xomcr geftetft; aber bie Beforgniffe be« Proteftor« waren bamit nidjt befeitigt; beim bte angefeljenften Offiziere , bte drommell ©ergeben« in Pri- oatfonferenjen für fein ®ümgtfmm ju gemimten gefugt , übergaben fcem Parlamente eine Petition, in melcf/er bie bringenbe Bitte au«* gefprodjen mar , bte „gute alte ©ad)e" , ju beren Berttyeibigung fte it)r ßeben Einzugeben bereit feien, aufregt ju galten unb ju fdjüfcen.

$>iefer ©abritt bemog enbücf) ben Proteftor , feinen lang ge= nährten füfynen Hoffnungen ju entfagen. Um einer Debatte über bie Petition ber Offiziere oorjubeugen , lieg er am 8. üftat 1657 bie 2)cttglieber be« Parlament« nad) ^luteiiatl fommen unb er* flärte tfjnen, bafj er bie ifmt angebotene ®rone nidjt annehmen fönne, „ba bie ©ad>e nidjt au« bem ©lauben fomme unb baffer eine ©ünbe fei." $)a« Parlament erteilte tf)tn hierauf eine feier* lidje Betätigung feine« Proteftorat« unb erfannte if)m ba« $Red)t Zu, feinen 9cad)folger felbft ju ernennen. 9cad)bem hierauf nod) bte Siebereinfüljrung einer erften Cammer, für meiere man jebod) ftatt be« Scamen« Obernau« bie Bezeichnung „anbere« $>au«" mahlte,

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©nglcmb unter bem ^rotcftoratc (JromroetlS. 141

oerfügt tuorben, mit bcr SBeftimmung, ba& baSfelbe nicht unter üierjig unb nict)t über fteb^ig oon bem fSroteftor ju mählenben unb öon bem £aufe ber Gemeinen ju beftätigenbe SJcitglieber jaulen foHe, mürbe baä Parlament auf fecfjä 9ttonate vertagt.

©eitbem Srommella Hoffnung auf bie $rone gefchmunbcn tuar, öerfolgte er eine anbere ^otittf. S8on ber SBoltepartei mit tiefem ©rolle ficf) abmenbenb, fud)te er ben Ebel für fich ju gewinnen. (Sr öermählte öon feinen beiben noch unoerheiratcjeten Xöchtern bic ältere mit £orb Salconberg unb bie jüngere mit bem Grafen SBarmicf, ernannte au&er feinen beiben Schmiegerföhnen noch acht $eer* üom alten Slbel $u 2)citgliebern bed Dberhauje* unb erteilte ben jmei= unbfunfoig anbern öon i^m ermatten ÜÄitgliebern beäfelben, bic theilä bem $eere, t^eild bem Öeamtenftanbe angehörten, bie JBorrechte ber ^eerfehaft für fich unb ihre gamilkn. 81* er jeboe^ am 20. 3a= nuar 1658 bie beiben Käufer jufammen berief, fanb fid), au&er galconberg, öon ben alten £orbä nur ein einziger ein, unb baä Unter* tjauä geigte fo grofce SBiberfefclichfeit, ba& er jdjon am 4. gebruar baä Parlament roieber auflöfte.

tiefer neue ©emaltfchrttt erhöhte bie allgemeine Erbitterung. Drohungen mürben laut unb (Schriften öerbreitet, in benen bie (£r= morbung beä Sßroteftorä als etne geredete unb öerbienftooHe £>anb* lung öargeftcllt mar. xHudi bie s2lrmee murrte, meil bie Slujlöjung beä Parlamente öor ber Demütigung ber Subfibien erfolgt mar unb itjr bafjer ü)r rücfftänbiger Solb nic^t gejault merben tonnte, unb öiele Offiziere fpraä)en offen öon ber Herstellung ber Sftepublit „ofme einen Sftann an ber Spifce." Zugleich Rattert bie SRoaaliften zahlreiche $ßre$böterianer für ben in ben 9cieberlanben meilenben Äarl II. $u gewinnen gemußt, mit meinem eifrige Unterhaltungen gepflogen mürben.

Um feine Gegner ju fct)recfen unb üjre Jöerfuc^e $u feinem Sturje raja)er unb nachbrücflicher 511 öereiteln, errichtete ©rommell einen neuen „lwl)en Gerichtshof," ben er mit feinen ergebenften Anhängern befefcte. ®ie erften Dpfer biejeä Tribunals maren jroei •Konaiifteu, Sir $>enro Slingäbt}, ein fatholijcher Ebelmann, unb Xoctor kernet, ein Geiftlicher ber (Spiäfopalfirche. Jöeibe mürben enthauptet, obgleich ber Skfctere in (£romroell$ ^ieblingätochter @li- fabelt) (ilat)poie eine manne gürfprecherin gefunben. 2)er balb barauf erfolgte Xob (Sli)abethS, bie auf ihrem «Sterbebette gegen ihren $ater äföeifel an ber Gerecfjtigfeit feiner Sache auägebrücft unb ihn er- mahnt haben foü, bie oberfte (bemalt bem rechtmäßigen Eigenthümer äurücfyuftellen, trug nur baju bei, bie herbe unb geregte Stimmung, Ded ^roteftorS $u erhöhen.

3u ben Sorgen für bie Behauptung jcincr Stellung gefeilte fia> bei Erommeü eine immer größer merbenbe gurcfjt öor ^Jcorb^

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1 42 ©nglanb m ber ^weiten $älfte be* ficbjc^ntcn 3ahrhunbert*.

anklagen, gegen melche er {ich buret) alle nur erben fliehen ©or* jichtimafjregeln fieser $u fteflen fitdjte. (Jr trug einen ganger unter t>em bleibe, hatte ftet* gelabene Sßiftolen bei fid) unb beobachtete, wenn er Wubienjen $u geben gezwungen mar, mit ber ängftlictjften Sorgfalt bie ©liefe unb ©emegungen ber ^erfonen, bie ihm näher famen. SBoUte er ausfahren, fo mar er barauf bebaut, bafi vJ!ie* manb öorb,er baoon unterrichtet fei; überall Inn mußten ifm ftarfe tfbtheilungen feiner ßeibmaehe begleiten, unb nie feljrte er auf bem- felben SBege jurüd, ben er juerft eingefchlagen. 3n allen feinen Zimmern ^atte er verborgene Ausgange anbringen laffen, um bei einem etmaigen Ueberfall leichter entfommen ju tonnen. $)ie Zt)ü* ren feine* Schlafzimmer*, ba* er häufig mechfelte, maren mit fö« niglia) bezahlten 2Baa)en befefct, unb oft ftanb er in ber 9caa)t, menn bie gurdjt ihn nicht fajlafen lieg, oon feinem ßager auf, um fid) ju öerfiajern, ob fie auf ihrem Soften feien. (£r, bcr fo oft im gelbe bem Xobe feften ©liefe* in* 2luge geflaut, gitterte jefct beftänbig bor unbefannten, unftchtbaren geinben, bie fein £eben be* breiten.

2) ieie fortbauembe geiftige Aufregung untergrub bie fonft fo ftarfe tförperfraft (£rommell*. Hm 17. «uguft 1658 befiel ihn ein gieber, ba* bie Sierße al* bebenfltch erfannten, metyrenb er felbft fieh überzeugt hielt, baß (Sott, feine unb Slnberer Gebete er« hörenb, if)m ein längere* ßeben befdjieben fyabt, unb balb ließen feine june^menbe Schmäche unb feine häufige ©emu&tloftgteit feinen 3meifel mehr über feine nahe Huflöfung. 3n ber Stacht oom 2.-3. (September fragte er feinen Kaplan Sterrn, ob e* möglich fei, au* ber Gnabe ju fallen, unb al* btefer feine grage verneinte, rief er, mie oon einer ferneren Saft befreit: „9hm, bann bin ich fidjer! benn ich mei& g,emi&, baß ich einmal in ber Gnabe mar." 3)er folgenbe Xag, ber 3af)re*tag feiner Siege bei 2>unbar unb iJBorcefter, mar fein Sterbetag. s2ll* feine Liener unter Xhränen unb klagen an ba* Sager be* 5)at)ingefc^iebenen traten, rief ber fanatifdje Sterrtj ihnen $u: „£>ört auf $u meinen! 3h* fabt nie^r Urfache, euch $u freuen. (£r mar auf (Srben euer Sßroteftor, mirb euet) aber nun, mo er mit (Shrifto $ur regten |>anb be* ©ater* fifcet, mit meit größerer 2Jcaa)t befdjüfcen."

3) ie deiche be* $roteftor* mürbe mit ungemöt)nlic§em Ge- pränge, bei meldjem man ba* (Zeremoniell jum DJcufter nat)m, ba* bei ber SBeerbigung $^ilipp* II. oon Spanien beobachtet morben, in ber SEBeftminfterabtet neben ben Gräbern ber Könige (Snglanb* betgefefct.

,,©i* $um Anfang be* neunzehnten 3ahrhunbert*," fagt Siugarb, „mo ber munberoode SRann aufftanb, ber bura) feiner Siege Glanj unb feine* deiche* $lu*befmung alle früheren 2Bag=

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Snglanb unter bent ^roteftorate (XromroctM

143

Itnge oerbunfelte, mar ber Warne ©rommell ofme (bleichen in ber <Skfd)id)te beä ciüiltfirten (SuropaS. SHan fat) mit einem ©efühle oon Scheu anf ben ©tödlichen, ber, olme burch ©eburt, Sfcetcfjtljum ober Sßerbinbungen unterftüfct ju fein, bod) im Stanbe mar, bie Regierung breier mäßiger Königreiche an ftd) ju reiften unb baS 3od> ber ßtiechtfchaft auf bie Warfen $)erer ju legen, bie jugleid? mit ihm in ben Kampf getreten waren, um bie meniger miüfür; liehe #errfchaft it)reS erblichen Sföonarchen abschütteln. 2)aß, wer ioldjeä üollbracht, fein gemöfmlicher OTcnfcr) mar, muß allgemein jugeftanben merben, unb boch finben mir, bei genauer gorfdjung, in feinem (S^arafter menig (Erhabenes ober auch nur SölenbenbeS. drommeQ glich ntcr)t bem SHeteor, baS burch ©lanj unb ©Quelle feines fiaufeS überrafdjt unb in Staunen fcfct. 3n tätet Stefon* nent)eit unb beregneter Ilmficht fchlid) er langfamen, mot)l abge> meffenen Sa^ntteS ooran, mitten im ©enuß ber ^eimlic^en Jreube über fein Slnffteigen jur £>öhe ftetS bebaut, bie Sufchauer äber= reben, eine äußere, unmiberfte^lia^e ©emalt, ber @ang ber (5reig= niffe, bie 91 ücf ficht auf baS gemeine Öefte, ber SEBiÜe beS Speeres, ja bie ©ejchlüffe beS Slßmächtigen brängten Um fort. 3hm galt Verkeilung als bie SBoflenbung menfchlidjer SBeiSheit; fie mußte it)m $um Schlußftein beS ©emölbeS bienen, auf meldjem er ben iöau feine* ©lürfeS aufführte, ©ein aufftrebenber (Shrgeiä oerbarg fid) hinter bem Vormanbe ber 2lnf)änglichfeit an bie ,gute alte Sache,' unb fein geheimes Xreiben jur (Erlangung unbejehränfter bemalt für fich unb feine 9ladjfommen mußte er auszulegen, als münfehe er nur, feinen oormaligen SBaffenbrübern bie Segnungen bürgerlicher unb religiöser Sreiheit, als ber beiben großen ©üter, für meldte fie juerft in ben Streit gegangen, unoerlierbar ju fiebern. So ging fein ganzes X^un unb Söefen auf ßift unb 93c* trug hinaus."

künftiger als über (£romme(lS politifcheu (£fyaraftet urt^eilt Singarb über feinen teligiöfen Stanbpunft. (£r ^ält il)n nid)t, mie oerjdn'ebene anbere £iftorifer, für einen religiöfen ^eudjler, ber nur aus ©igennufc ben ^eiligen gefpielt, fonbern für einen religiös Jen Schmärmer, ber jeboch feine Religion mit feinem S^rgeij in (Sinflang ju bringen gemußt. „@r glaubte," fagt biefer treffliche ®efd)icf)tfd)reiber (fnglanbs, „bie Sad>e, für meldje er ftd) erflart hatte, fei bie Sache ©otteS; aber er glaubte ebenfo feft, (Sott fyabz it)n jum glütfltchen Verfechter biefer Sache erforen. So mar in feiner 3bec ©otteS (S^re oon feinem eigenen SöachSthum nicht ju untere jeheiben, unb bie Schleichmege feiner ^ßolitif mürben in jeinen klugen geabelt burch ben legten 3merf, ju melchem fie führen foHten."

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144 gnglanb in ber jwciten §älfte be« fiebjehnten 3af|rhunbert«.

Sie SBteberljerftellung be3 Ädnigtl>ura8.

(1660.)

$a (Sromroell (eine 93eftimmung über feinen Nachfolger ge* troffen, ernannten bie Sttitglieber be« Staat«ratf>e« feinen älteften Sohn ?Richarb jum $roteftor, obgleich berfelbe Weber ba« religiöfe noch ba« militärische Änfe^en feine« Söater« befa§ unb wenig sJteu gung unb QJefdjicf ju ben Staat«gefchäften zeigte, wä()renb fein jüngerer trüber $ einriß, ber bei be« $ater« Xob ©tatt^alter bon Qrlanb war, fid) im gelbe wie in ber Sßerwaltung trielfache (shfahrungen er* worben unb in feinem ganzen Auftreten ftet« einen entf ^offenen Sinn unb einen gewanbten ®eift befunbet ^atte.

föicharb« (Erhebung ftie§ auf feinertei Söiberftanb ; ja liefen oon aßen Seiten fo jatjlreiaje Söeileib* unb ÖUücfwunfchabreffen unb fo überfdjwengliche £>ulbigungen ein, bag e«, wie ßingarb fagt, jtf)ien, al« Ratten fich bie freigeborenen ©ritten in ein SBolf öon Sflaben oerwanbelt. „$ie Sonne fei untergegangen", fo f)ie& e«, „aber ohne ba& eine Sftacht gefolgt. 2)en vJ*äf)röater Ratten fie uerloren, ber ba« 3od) ber #ned)tfdjaft oon bem Warfen unb wiffen ber ©otte«fürchtigen genommen unb zerbrochen ^abe ; aber bagegen fei ihnen ber ebelfte $weig be« glorreichen Stamme« ju Ztyil geworben, ein gürft, ausgezeichnet burch feine liebliche ©e^ ftalt, aber noch toeit mehr burch be« ©emüth« öortreffliche Sigen* fchaften. $)er oerftorbene sJ$roteftor fei ein ättofe« gemefen, ber ©ot* te« Sßolf au« s<Heggpten geführt; in feinem Sohne aber erblühe ein 3ofue, ber jum ooöen ©efifc be« gelobten Öanbe«, ber SBahrheit unb be« frommen SSanbel« leite. @lia« fei gen Jpimmel aufgehoben worben ; Slifäu« aber oerroeüe auf (Srben, ber @rbe feine« Hantel« unb feine« Reifte«." 5lud) bie fremben dächte, bie für ftaat«- flug erachtet Ratten, be« SBater« greunbfehaft ju iuetjen, beeilten fia), bem Sohne ihre GHücfmünfche barzubringen. *

Slber nicht lange foflte fich ber neue ^roteftor be« ungeftörten Öefijje« ber ihm übertragenen 9Äad)t erfreuen. 5)a« $eer wollte Nicht« Don einem jperrfcher wiffen, ber nie ba« Sa)wert für bie „gute Sache" gebogen, unb bie Offiziere berathf plagten in gehei- men 3ufammenfünften über bie SBieberherftetlung ber Sttilitärherr* fchaft, ber burch bie „Ufurpation (Srommell«" ein (£nbe gemacht wor* ben. dagegen jeigte ba« Parlament, ba« ber neue Sßroteftor wegen gänzlicher ©rfchöpfung oder (Mbrnittel fchon im Qanuar 1659 zujammenberufen mujjte, auch feinerfeit« ba« unoerfennbare Streben, fich fdbft mieber bie fjöchfte Gewalt im Staate anzu- eignen. 2)te (Gemeinen ertonnten zwar bie Nachfolge Nicharb« an, aber nur unter bem Vorbehalt einer bie greifet be« $olfe« fiebern-

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$te 23ieber^erfteflung be* £5mgtf>um*.

145

ben ©efdjränfung feiner SRedjte unb Privilegien burd) eine foäter gu erlaffenbe S8iU. 2lua) ba* neue Obernau*, ba* im ©efüf)le fei= iter unseren ©tellung forgfältig bemüht mar, jeben (Sonflift mit ben Gemeinen $u vergüten, mürbe al* öarlamentarifdje SBerfamm* hing nur für bie $auer ber gegenmörtigen ©ifcungen anerfannt, ba ba* bem verdorbenen Proteftor vcrfönlid> jugepanbene SRed)t, ein foldje* $u berufen, nicr)t auf beffen 9lad)folger übergebe. $>a ba* Parlament nidjt nur eine von fed>*fmnbert Offizieren unter* jei^nete „bemütf>ige SBorfteHung unb 99itte", ir)rc ©olbforberungen $u befriebigen, neben bem Proteftor, ber fein #rieg*mann fei, einen Cberbefef)l*lja6er ju ernennen unb an ber „guten alten ©ad)e" feftjufjalten, jurürfmie*, fonbem aud) jebe gufammenfunft, Söeratf)* idjlagung ober SBefdjlufjfaffung ber Offiziere ofjne Suftimmung Proteftor* unb be* Parlament* al* gefefcnribrig unterfagte, bewogen bie fnfcigften £>auvtleute ben jungen Proteftor burd) $)rolmngen, ba* Parlament aufjulöfen. 211* bie SHitgtieber be*felben am 22. Slvril 1659 nad) fur^er Vertagung itjre ©jungen miebereröffnen motlten, fanben fie Öie Xf)üren verfd)loffen.

$a fia) bie jur £errfdmft gelangten Offiziere, bie fidj nad) errungenem ©iege um ben Proteftor ntcr)t meiter fümmerten, über bie Slnorbnung be* jufünftigen ^Regiment* nidjt einigen tonnten, ge- rieten fie auf ben ©ebanfen, ba* „lange Parlament" in ber (&e- ftalt, bie e* narf) ber 2lu*fd)lief?ung ber Puritaner gefmbt, mieber fjerjufteflen. ÜKad)bem von ben jerftreuten ©liebem be*felben ftebjig in ßonbon jufammengefommen, conftituirten ftdj biefelben al* bie r>öct)fte ©taat*gemalt in ben brei föeidjen unb eröffneten am 7. Sftai ifjre ©jungen mit einem Programm, ba* bie SBieberfyerfteflung ber religiöfen unb volitifdjen greifjeit unb bie 2lbfd)affung be* Protef* torat* jufagte. gür bie 2lu*füfjrung biefe* Programm* mürben bem Parlamente von ben Offizieren in gebieterifdjem Xone bie leitenbeit @tefid)t*j)unfte vorgejeidjnet, benen gemäß ba* |>au* einen „©tdjer* fjeit*au*fdm6" unb einen ©taat*ratf) einfette. $)iefe Vorgänge be= mögen SRidmrb ©romroell, ber bie ®raft nid^t in fidj füllte, ben broöenben ©türm ju befdjmören, unb ber of)nef)in burdj bie 93efd)lüfje be* Parlament* tijatfädjlidj abgefegt mar, am 25. 2Kai feine SSürbe nieber $u legen. Söalb barauf mürbe aua) fein ©ruber #einridj von bem $eere jur 2lbbanfung gejmungen. $a* Parlament fagte Reiben einen Qaljrgefwlt juf ber iljnen jebod) nid)t au*gejaf)lt nwrbe. Sie karten in ba* Privatleben jurüd, in meinem fie Ujre £age rufjig unb ungefränft verlebten.

Obgleich ba* Parlament ftd> 2lnfang* ben gorberungen ber Cffijiere millfä^rig gezeigt, na^m e* balb eine anbere Spaltung an unb beratyfälagte über Maßregeln, burd^ meiere ben 2ln= maßungen be* 4)eere* eine ©renje gejogen merben foate. ©o ent=

^oU»ait^ SBeltflef^tc. VI. 10

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146 gnglanb in ber jtucttcn §älfte be3 fiebjc^ntcn ^a^r^unbcrt*.

brannte jnrifchen beiben Parteien ein $ampf, ber mit bem ©iege beS $>eere£ enbete. $)a$ Parlament mit&te fkh am 13. Dftober 1659 jnr CHnfteüung fetner ©ifcungen bequemen unb bem £>eere ba3 fRec^t juerfenncn, eine neue SBerfaffung ju entwerfen , bie ber !öeftätigung eine$ neuen ^arlamentä unterbreitet merben foüte. $ie ^Befehlshaber legten hierauf, „traft ber ber Wrmee innewohnen; ben f)ödjften ©ewalt", bie ©taatööertoaltung üorläufig in bie £>änbe cineä ©idjerheitSauSfdjuffeS öon breiunbjmanjig ^erfonen nieber.

2lüe biefe rafd) aufeinanber folgenben $eränberungen Ratten in Grnglanb eine Verwirrung hervorgerufen , bie an üoüftänbtge Vlnardue grenzte. SBährenb bie oerfchiebcnen ^arteihäupter biefen troftlofen 3nf*anb im eigenen Qntereffe ausbeuten fugten , eut= warf ber Statthalter oon ©d)ottIanb , ber (General SRottl , ben s$lan, burch bie $erfteHung beä ^Parlaments bem attilitärbeSpottö: muS ein (5nbe ju machen unb bie föüdfehr georbneter 3nftänbe an* 5ubat)nen.

3m gatjre 1608 in $eöonfhire als ber ©olm einer ange* fernen gamilie geboren, mar ©eorg 9ttonf, nad)bem er an ben (Jjrpebitionen gegen ftabir. unb Sa föochelle theilgenommen ^atter in nieberlänbtfche $ienfte getreten unb erft bei bem beginne beS fc^ot- tifchen Kriege« nach ©nglanb jurüefgefehrt, wo er anfangt für ben ®önig gefämpft hotte, nach längerer ÖJefangenfchaft aber in ba3 s^arlament«hcer eingetreten mar. ©eitbem (Sromwell burch ben @in* fall $arls II. in (Snglanb jur 9tücffehr borten bewogen morben mar, führte Sttonf ben Oberbefehl über alle in ©dwttlanb ftehenben Gruppen. ÖJeftüfct auf bie 5lnhanglia)feit feiner ©olbaten unb auf bie allgemeine ©efjnfucht beS engten SBolfeS nach ber öeenbigung ber inneren SBitren, brach er am 1. 3anuar 1660 mit fedjStaufenb URann gegen Öonbon auf. 3n ber 5lät>e oon £)orf fticB gairfaj, ber fich feit SrommeÜS Erhebung in baS *ßriüatleben jurüdgejogen, mit einem gasreichen, meift aus 9toüaliften ber umliegenben ®raf* fchaften beftehenben ^eereSfjaufen ju ihm, unb am 2. gebruar ftan* ben Söeibe oor ben Xtyxtxi ber ^auptftabt.

$ier h^ten unterbeffen bie Bürger burch SSaffengewalt bie 3urücfberufung beS Rumpfparlamente erzwungen, baS fogleicr) alle feine (Gegner aus ben S3efehlshaberftellen beS §cercS entfernt hatte. Ohne ©chwierigfeiten geftattete baSfelbe ben (Sinjug 9ttonfS in bie A>auptftabt unb banfte bem ©eneral, als er in ber iöerfammlung erfdnen , burch ben slftunb feinet ©predferS für feine bem 2kter= lanb ermiefenen ©ienfte. SftonfS Weigerung, ben SlbfdjwörungSeib gegen bie ©tuartS ju leiften, ermeefte jeboch baS äßifjtrauen beS .§aufeS, unb um feine Xreue ju prüfen, ertheilte man ihm iöefehl, bie söürger ber Situ oon Sonbon, bie ftd) weigerten, irgenb weldje ©tcuern ju jahlen, beoor ein öolIftänbigeS unb freie« Parlament

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3>ie SBieberherftettung beS SBnigtfjumS.

147

nach ben alten ©runbgefefcen beS SanbeS an bic ©teile beS Rumpf- parlamente getreten, burch SSaffengewalt jum ÖJehorfam ju bringen. 2Konf üofljog biefen ihm unangenehmen Auftrag, ot)ne großen SBiberftanb ju finben; als jebodj herauf baS Parlament üon it)m auch bie Slupfung beS ©tabtrathS ber Eitu »erlangte, entwarf er, im Einüernehmen mit feinen Cf frieren, ein an ben ©predjer beS £>aufeS gerichtetes ©abreiben, worin baS Sttilitär fich barüber beflagte, baß eS $um SSerfjeug perfönlicher Raa)e gegen bie üöür* ger gebraust worben fei, unb bie unoerjügliche VerOollftänbigung beS £>aufeS burch bie Einberufung ber auSgefchloffenen preSböteria* nifc^en SDcitglieber oerlangte, bamit bie nötigen Vorbereitungen jur Einberufung eines neuen Parlaments getroffen werben tonnten.

tiefer «Stritt rief in ber $muptftabt einen ungeheuren ^ubel heröor unb oerwanbelte bie Unjufriebenheit über 9#onfS Vorgehen gegen bie Situ in eine allgemeine SBegeifterung für ben entfdjloffenen Öeneral. Sluf feine Einlabung erfdjienen am. 21. gebruar bie oon Eromwefl auS bem langen Parlament auSgefchloffenen Üttitglieber ber pre3bt)teriamfd)en Partei in bem Rumpfparlament. $a fie in bemfelben bie 2ttefjrjaf)l bilbeten, oerließen bie meiften Republikaner ba& §auS. S)tefeS ernannte fofort 9ftonf jum Oberbefehlshaber in allen brei Reihen unb löfte fidj, nadjbem eS bie Berufung eines neuen Parlamentes angeorbnet, am 16. ÜÄärj auf. $8iS jur Er« Öffnung ber neuen SBerfammlung follte ein oon Sftonf errichteter Staatsrate) bie RegierungSgefchäfte leiten.

Unterbeffen mar in 2JJon! ber Entfchluß jur |>erfteHung beS ^önigthumS jur oollftänbigen Reife gelangt, unb er jögerte nicht, pch bieferhab mit ®arl II., ber eben in sörüffel »eilte, in einen brieflichen SBerfehr $u fefcen , burch welchen bie Reftauration ber Stuarts eingeleitet mürbe. Qnjroifchen ^atte ber SluSfaö ber 2Saf)s ten §u bem neuen Parlament ihm auch °ie ^ctoi6t)eit gegeben, baß fein plan bie ©ompattnen beS Golfes für {ich haDer unb ba in bem am 25. Wpril eröffneten neuen Parlamente gleich oon oornherein bie Rothmenbigteit einer neuen SBerfaffung betont, ErommeHS miß- fürliche Regierung oerbammt unb bie Einrichtung beS ®önigS als ein bie britifche Rarion fchänbenber glecfen bezeichnet Würbe , er* fanute Sftonf, baß baS Eis gebrochen unb bie Staub e gefommen fei, mit feinen wahren Slbfidjteu ans Sicht $u treten.

3n ber ©ifcung oom 1. 2Jcai theilte er ber SSerfammlung mit, baß ßorb ©reenoifle ihr ©riefe ©einer SJcajeftät beS ÄönigS $arl II. $u überreichen münfehe. $>aS £>auS bewilligte bemfelben fofort Einlaß unb nahm bie föniglichen Schreiben entgegen. $te= fen war eine Urfunbe, bie fogenannte Defloration üon SBreba, beigefügt, in Welcher $arl bitten, bie binnen oier^ig Xagen $u Xreue unb ©ehorfam aurüeffehren würben, mit Ausnahme $er*

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148 (Jnglonb in ber jroeiten ftfilftc be« ftebjehntcn ^a^unbcrt«.

jenigen, bie ba* $au* felbft bezeichnen werbe, tolle $lmneftie be* willigte , allgemeine ®emiffen*freiheit oerlneß unb bcm #eere bic ©ejahlung aller ©olbrücfftönbc , fowie jebem (Einjelnen ba* ©er* bleiben im $ienfte be* ßönig* mit Beibehaltung be* bisherigen ®rabe* jufagte. SBcibc Käufer auch bie pre*böterianifchen Peer* waren im Dberfjaufe $ufammen getreten faßten ben ©efdjluß, baß, ba nach ben alten (SJrunbgefefcen be* fianbe* alle 9tegierung*gewalt bei bem #önig unb ben beiben Käufern be* Parlamentes fei, eS auch in Sufunft fo gehalten werben fofle, unb (üben Äarl ein, nach Gritglanb ju fommen unb bie ftrone in (Smpfang §u nehmen, bie it)m nac^ feiner Geburt juftehe. Um feinen bringenbften ©ebürf* niffen $u begegnen, überfanbten fie ihm ein ©efdjenf oon fünf$ig= taufenb Pf unb, benen jehntaufenb für Äarl* älteren ©ruber, ben ^er^og öon ?)orf , unb fünftaufenb für ben jüngeren , ben #erjog ton ©locefter, beigefügt waren, ©in weiterer ©efcfjluß Oer fügte bie Vernichtung aller SBappen unb Smnbole ber SRepublif unb bie Sluf* nähme be* Samens be* ßünig* in ba* SHrchengebet unb beftimmte, baß bie Seit ber Nachfolge ßarl* II. in ber Regierung oon bcm Xobe*tage feine« ©ater* an gerechnet werben folle.

©ergeben* fteflten mehrere Sttitglieber be* Parlaments ben Antrag , einen 2lu*fchuß jur ftbfaffung eine* ©ertrage* nieberju-- fefcen, burch welchen bie fechte unb bie greiheit be* ©orte* gewahrt unb alle jwifchen bem Parlament unb ber firone ftreitig gewesenen Punfte auf ®runb einer gegenfeitigen unb bauerhaften ©erftänbigung georbnet mürben. SRonf wiberfefcte fich biefem Antrag mit fo großer (intjehiebenheit unb mürbe babei bura) bie im Parlamente fifcenben Äaoaliere fo nachbrüeflich unterftüfct , baß berfelbe fallen gelaffen mürbe. Ob ben (General babei ber SBunfd), feinen $ienften in ben 2lugen $arl* II. einen h öftren SBertt) $u oerleihen , ober bie ©e* forgniß geleitet, baß neue ©erhanblungen ben faum unterbrüeften #aß unb bie alte ©tferfudjt ber Parteien wieber ertoeefen unb fein gan^e* SBerf 311m Scheitern bringen fönnten , muß bahin geftedt bleiben; jebenfaHS mar e* feine Sdmlb, baß &arl II. ben Xhron beftieg, ohne burch irgenb eine Sufage gebunben ju fein, unb ba« rau* ben Schluß 50g , er fei $u ber ganzen SWachtfüfle berechtigt, bie fein ©ater beim ©eginne feine* Kampfe* mit bem Parlamente beanfprucht Imtte ein Schluß, ber bie SBiebcrfehr be* äwiefpal* te* jwijchen bem ^errfdjer unb bem ©olfe unb für ba* £au* Stuart ben bauernben ©erluft ber englijehen ft^one $ur golge haben joUte.

&arl leiftete ber fchnfüchtig erwarteten ©inlabung jur 9tücf- hf)t nach ©nglanb, mo er bereit* am 8. ättai feierlich ium ^önig aufgerufen morben, fofort golge unb lanbete, nachbem er fich 5U Scheoeningen auf ber borthin gefommenen englifchen glotte einge*

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ftarl II.

149

fdnfft, am 23. 9Kai 1660 ju $otoer. §ier empfing ilm üftonf an ber ©pifce be£ §lbel3 bcr benachbarten ®raf|chaften im SBetfein einer jahUoS ^erbeigeftrömten SBolfSmenge. Sari umarmte ifm unter Xhränen , nannte ihn feinen Später unb SBohlthäter unb ließ ihn neben fiel) in bem föniglichen SSagen $lafc neunten. $)er 3ug bon $oüer nadj ßonbon mar ein unauSgefefcter Xriumph ; überall brängte fiel) ba$ S8olf in großen Sdjaaren herbei , um ben Sönig mit Qubelrafen ju begrüßen. 51uch oon ber Armee, bie ju *81aa% heath in Schfachtorbnung aufgefteöt mar , mürbe Start mit freu* bigen «Surufen empfangen. Seinen Grutjug in bie £>auptftabt , an beren $horcn ihn ber £orb*2Jcauor mit ben Wlbermännern erroar* tete, hielt Sari am 29. 2Hai, feinem breißigften ÖJeburtötag. SCIlc €>traßen , burd) melche ber 3ug bis SB^ite^aÜ führte , maren mit Blumen beftreut, bie Käufer mit Xeppichen behängt, unb enblofeS Subelgefchrei erfüllte bie ßuft. 3u SShitehaÜ empfmg Sari bic 2tt itglieber ber beiben Käufer , beren Sprecher ilm mit hieben ttott bcr feurigften Verftcherungen treuer ÖJefinnungen begrüßten. ,,©e= miß", äußerte Sari gegen einen feiner Vertrauten , „e$ muß meine 3d)ulb geroefen fein, baß ich nic^t früher gefommen bin; benn heute menigftenS ha&e i$ deinen getroffen, ber nicht betheuert hätte, baß meine SSiebereinfefcung ftetä fein SBunfcf) gemeien."

ft a r I II.

(1660-1685.)

Sie frohen Hoffnungen, mit melden man in ©nglanb bie ^BieberherfteUung ber Monarchie begrüßt hatte, in beren Abschaffung man bie Duelle atleä erlittenen Unglütfä erblicfte, mürben erhöht burch Sartä II. geminnenbe ^erfonlichfeit. äRit einem frönen, männlichen Aeußeren oerbanb er ein anfprechenbeä , leutfeligeS $8e* nehmen, einen heiteren «Sinn unb eine gefunbe Urtheitefraft. $)iefe Vorjüge mürben jeboch öerbunfelt burch ©igenfdmften , bie ihm felbft unb feinem £anbe jum fchmeren Verhängniß roerben follten. (Sr mar inbolent bid jur Schmähe, liebte bie ^Bequemlichkeit mehr, a!3 e* fich mit feinen föegentenpflichten bereinigen ließ , unb mar in {einer fchranfenlofen (SJenußfucht ftetä bereit , bie Staatägefchäfte hintan $u fefcen, menn e3 fich um 3ctftreuungen unb Vergnügungen hanbelte. 93eim beginne feiner Regierung faßte er jroar , in ber richtigen Grrfenntniß , baß trofc be3 allgemeinen greubentaumelä unb beä ihm gemorbenen glänjenben (SmpfangS fein Zfyxon noch auf fehr unftcherem ©oben ftehe , ben feften äntfdjluß , fich 9an8 ben SRegierungägefchäften ju mibmen, um bie «Schmierigteiten feiner

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150 (frtglonb in ber atoetten ftälfte beS ftcfycfjnten SafnljunbertS.

Soge 511 bewältigen, unb feine SJcinifter meift Httänner, bie toährenb feiner Verbannung fein Vertrauen geroonnen nmnfdj; ten fich Ötfücf ju feiner beränberten SebenSweife. $(ber feine guten Vorfäfce gelten nicht lange <3tanb. Valb marf er ben beengenbeu Strang, ben er fich felbft auferlegt, hrieber ab unb machte fid) oon ber ßaft ber ©efd)äfte Io3, um in ßtebfchaften ober im Greife frö> lieber SöeUIeute, ttrifciger föpfe unb müfter <Sct)tt>etger ^erftreuung ju fuc^en.

S5a3 Parlament $eigte gegen ben ®ömg bie äufjerfte 9Sittfä^rig= feit unb festen bereit, ihm bie Freiheiten ber Nation ju Süßen ju legen. 2)ie ®aüattcre fafjen in ber ©rtjö^ung beä $f)rone3 nur ihren eigenen Xriumph, unb bie ^ßrc§bt)terianer legten, reuigen ©ünbern gleich, ba« ängftlichfte Vemühen an ben Sag, bie Erinnerung au ifjre früheren Vergebungen $u tilgen; bie SBenigen aber, in benen noch bie ÖJrunbfäfce ber SRepublif fortlebten, toagten nicht, mit ihren 2Bünfcf)en unb s2lnficf)ten an« ßidjt ju treten.

Qnbeffen fonnte ba& Parlament nicht al3 eine ooflfommen ge= fc|jliche Verfammlung gelten, roeil feine SJtttglteber nicht in Solge föniglicher SluSfchreiben erfdjienen toaren; bie 3ufammenberufung eine« neuen Parlament« fcfjien bafjer geboten. $)a jebod) bie Stätte beä ®önig3 für bebenflict) erachteten, ein ihren SBünfdjen fo bereitmiüig entgegenfommenbeä Unterhaus ju entlaffen, jogen fie oor, eine SIfte in Vorfdjlag $u bringen, burdj meiere baä parta- ment fich felbft legalifire. $)icfe oon bem Parlamente angenommene SIfte enthielt bie ©rflärung, baß ba« im fedföetynten 9ftegierung&= jat)re ®arl3l. (1640) einberufene Parlament feine ©nbfehaft erreicht habe unb bie in SBcftminfter gegentoärtig oerfammelten 9iepräfen= tonten ber Nation bie beiben Sßartamentähäufer conftttuirten. Obgleich bie Srage nahe log, roofjer eine in ihrem Urfprung ungefefcliche Ver* fammlung bie Vefugntg ableiten fönne, fid) felbft ein legale« $afeiu 51t geben, mürbe ba« fogenannte ,,(£onüention«=s$arlament" oon feinet ©ette ernftlitt} angefochten.

55a eine ongefteflte Untetfuchung ju bem Ergebnife geführt, bog bie 2Ui«gaben ®arl« I. toett bebeutenber getoefen, al« feine ©infünfte, unb man in biefem Üftif3öerhältmf3 bie Urfache aller über bie Station hemncje&rocjjenen Unglücksfälle erfannt ju fyabtn glaubte, befdjfofj ba« Parlament, ber SBiebcrfe^r eine« ähnlichen ^äfjoerhältniffe« burch bie (£rf)öhun9 Der iätjrlid^en Einfünfte bcr ®rone auf bie bt« bahnt unerhörte ©umme oon ein Million jmeimal* fmnberttaufenb $funb üorjubeugen. ©inen toeiteren Vemei« feiner Ergebenheit gab ba« Parlament bem ftönig baburdj, bog ihm burch bie Vemiöigung ber jur 21bjahlung aller ©olbrücfftänbe ber Gruppen nötigen ©elbmtttel bie Sluflöfung be« Speere« ermöglichte, beffen rafch öeränberte Stimmung bie 9Ktnifter mit Veforgniffeu er-

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tfarl II.

151

füllt f)atte. 9cur fünftaufenb 9Jcann, bic in bcn öerfcfnebenen Stäb* ten beS föeidjeä als ©arntfonen üertheilt merben fotlten, blieben unter ben SSaffen.

SHinber einig, als in biefen finanziellen fragen, jeigten fidj bie beiben Käufer in 53ejug auf bie öon ®arl in ber Defloration oon Söreba jugefagte Slmneftie, inbem bie fiorbs öon berfelben nicht nur fämmtliche 9tic^tcr ®arl3 L, fonbern auch alle Diejenigen au$^ gefdjloffen miffen moflten, bie jemals in einem f)of)en ^ufti^tribunal über irgenb einen gefangenen SRotjaliften ju (Bericht gefeffen, bie Gemeinen bagegen eine tuet weiter gefjenbe SBegnabigung oerlangten. (£nblieh einigte man fich, nachbem Äarl felbft ben ßorbS Mäßigung empfohlen, in einer öon bem ®önig genehmigten Mmneftieafte bat)in, baj$ $roar eine große Slnjafjl üon ^erfonen oon ber ©traflofigfeit auägejchloffen bleiben, aber nur bie in £aft befinblichen ^Richter &arl£ I. bie meiften berfelben maren thctU geftorben, theilS entflogen fotoie Diejenigen, bie in anberer Söeife bei feinem Xobc eine ^croorragenbe Sttofle gefptelt, als $onigSmorber oor (Bericht gejogen merben füllten. ®arl, bem man bie ftrenge s-8eftrafung ber= felben als eine heilige Pflicht hwgefteHt, lie& bem gegen fie einge- leiteten Verfahren freien fiauf, unb fo ftarben jefjn ber (befangenen, unter ihnen ber ÖJeneralabüofat (£ofe, fomie bie Cberften £>arrifon unb^aefer, toeldjer £efctere ben föniglichen befangenen bemadjt hatte, auf bem Ölutgerüfte. Sludj mürben in ÖJemä§heit eines üon beiben *ßarlamentshäufern erlaffenen unb oon bem ftönig genehmigten ©c= fefjlS bie £eidmame (JrommellS , SBrabjhamS unb QretonS au$ ihren ©räbern geriffen , nach iüburn gefdjleift , am DobeStagc #arls I. an ben brei @cfen beS ©algenS aufgehängt unb am s2lbenb unter bemfelben eingefcharrt.

GHeich feinem SBater unb feinem ©rofjüater oon ber lieber jeugung burdjbrungen, bajj ber (SöiScooat bie ficherftc ©tüfcc beS fcönigthumS fei, fefcte $arl nicht nur in ©nglanb bie (jpisfopalfirche in alle ihre fechte mieber ein, jonbern fteöte auch in Schottlanb, beffen Union mit ßrnglanb aufgegeben mürbe, nach Scfeittgung beS SoöenantS bie bischöfliche iBerfaffung mieber her. ©o fchmerjlich auch D*c Schotten tytrbuxd) getroffen mürben, mar bod) ihre (Sxfchöpfung ju gro§, als baß für ben Slugenblicf irgenb melier ÖJebanfe an 2öiber= ftanb hörte auffommen fönnen; erft fpäter lebte in biefem Üanbe ber alte puritanifche ©ifer in feiner ganzen (Stärfe mieber auf unb trat in ernften SRuheftörungen $u Xage. ®egen bie ^reäboteriancr, bie Anfangs einige 3«8cftä"D"iffe erlangt hatten, mürben, nachbem ftar! baS GonöentionS^arlament aufgelöft hotte unb am 8. Wai 1661 ein neues, meift aus föooaliften beftehenbeS Parlament $u* fammengetreten mar, eine 9ieit)e oon 2Jca(jregeln erlaffen, in golge bereu über jmeitaujenb preSbntertanifche ®eiftliche, bie fich ben neuen

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152 (Snglcmb in ber feiten £(Ufte beS ftef^nten Saf^unbertS.

Verorbnungen nidjt fügen mollten, U)re Stellen üerloren. Obgleich in biefen Sttaßregeln eine offene Verlegung ber öon Äarl beftimmt jugefagten Ö5ctt»iffenSfrei^eit lag, mürbe bura) biefetben bie Stufte ni<|t geftört.

(Sbenfomenig als ben SßreSbüterianern gelang eS ben ®att)o-~ lifen, bie Lüftung $u erlangen, meldte bie Eeflaration oon Vreba audj i^nen in $luSfid)t geftellt. 2)er ßönig Inelt fidj $mar im £in* blitf auf bie Dielen Vemeife oon Xreue unb Ergebenheit, bie fie ifjm mäfjrenb feiner Verbannung gegeben, fomie burd) frühere äufagen üerpflid)tet, iljnen Erleichterung $u üerfdjaffen; er fonnte jebodj bie Hufhebung beS XreueibeS nicht burchfefcen, obgteidj bie $atholifen ftdj in einer an baS Parlament geria^teten Petition bereit erflärt hatten, ju befdjmörcn, ba6 fie bem Zapfte fetnerlei roeltlid^c Ober« Roheit jugeftanben, unb ftd) eiblich ju öerpflidjten, fetbft bem $apfte mit Seben unb Vermögen entgegen ju treten, menn er jemals eine foldje in Snglanb auszuüben oerfudjen foHte, bem Könige aber gegen jebe frembe unb einheimische SEßacht ohne irgenb welche Vefchränfung ©ehorfam ju Ieiften. 2lud) ®arls Hbficht, bie früher gegen fie er= laffenen garten Strafgefefce $u mtlbern, fdjeiterten an bem SBiber- ftanb ber angüfanifdjen Vifdjöfe, bie ihren ©ife im Parlamente mie= ber eingenommen fjatten.

Qm Sa^re 1662 uermählte fid) ®arl II. mit ber Portugiesen s$rin§e(fin Katharina, einec Sdjmefter beS Königs Alfons VI., bie ifjm außer ben geftungen Xanger in Wfrifa unb Vombaö in Oft* inbien, eine baare Sftitgift oon breihunberttaufenb sßfunb Sterling äubradjte. Tieie Vermählung mar ^auptfäa^üa) baS SSerf 8ub= migS XIV., ber burdj biefelbe Englanb mit Spanien oerfeinben unb ber lefcteren 2Jcad)t Verlegenheiten bereiten rooöte. 3U* 93*= grünbung einer bauernben Verbinbung jmifdjen Englanb unb granf* reich fmtte er bereits im öorhergehenben 3afjre eine Vermählung feines VruberS, beS 4>erjogS öon Orleans, mit $arls II. Sa^mefter Henriette 5U Stanbe $u bringen gemußt.

3m 3afjre 1662 lieg fid) $arl, ber burd) feine t>erjchmenbe= rifche SebenSmeife bie reiche MnSfteuer feiner ©emafyUn rafd) oer= geubet hatte, burtf) feine ®elboerlegenheit ju bem Verfaufe uon ®ün- firmen an granfreidj h«irei6cn uno üerlefcte baburdj aufs Xieffte ben 9>cationalftol$ ber Englänber, bie ben Ermerb biefer mistigen Stabt als einen öotlftänbigen @rfa|j für ben Verluft öon ©alaiS mit ber leb^afteften greube begrüßt Ratten. 5)eS Königs Sage mürbe erfdjmert burd^ ben ungünftigen Vertauf bes Krieges gegen $)oHanb (f. S. 66), fomie burd) eine furdjtbare ?eft, bie im 3a^re 1665 juerft Sonbon , bann Oon bort aus baS ganje Äönigrcid) t)eim^ iua^te unb in ber £>auptftabt allein über fmnberttauienb Opfer fyn: megraffte.

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ftarl II.

153

STuf biefe fernere #eimfuchung, burch roeldje alle Vanbe ber Orbnung gclöft mürben, folgte im 3^re 1666 eine neue in einem fehreefenerregenben Vranbe, ber öier £age lang, öom 2.-4. ©ep* tember, in ßonbon ttmtfjete unbr aller jum $heü öon bem tfonig unb feinem Vruber, bem $er$og öon gorf, mit ber bemunberungS* nmrbigften ©elbftoerläugnung perfönlich geleiteten ööfchöerfuche fpottenb, jroci fcrittyeile ber ©tabt in einen Mfdjenhaufen öerman* belte. $>er reügiöfe ganatiSmuS fct)ricb benjelben, trofc ber öott* giltigften ®egenberoeife, ben „papiften" $n unb öeremigte nicht nur biefc freöelhafte öerläumbung burd) ein Monument, beffen öon bem nachmaligen $>ea)anten öon ?)orf öerfa&te 3nfa^rift bie „papiftifche gafrion" als bie Urheberin beS VranbeS bezeichnete, fonbern beu* tete biefelbe auch ju einer neuen Äatholifenöerfotgung aus, bie ber $önig, ber gorberung beS Parlaments entfprechenb, burch eine ^roflamation anorbnete.

$ie mijjmuthige, gereifte Stimmung, bie fteh in golge aller biefer Unglüdföfäfle ber Nation bemächtigt hotte, roanbte ftet) weniger gegen ben $önig felbft, als gegen beffen oberfteu 9iatf)geber, ben $um ^er^og öon (Harenbon ernannten 2orb $t)be, ber ftet) bei allen Parteien mißliebig gemalt hatte : bei ben greunben ber greiheit burch fein beharrliche* Verfechten aller Mnfprüdje, bie mit ben Vor* rechten ber ®rone in Verbinbung ju ftehen fchienen, bei ben ftatho^ lifen, ^reSbrjterianern unb anbern XiffenterS burch ha^tnacfigen unb erfolgreichen Söiberftanb gegen bie Wufrechthaltung ber in ber ^ettaration öon SBreba jugeftanbenen $>ulbung unb bei ben |>öf= lingen burch feine Bemühungen, ihren (Stnflufi auf ben föonig 511 be* fdjränfen. Von allen ©eiten mürbe an feinem ©turje gearbeitet, unb ber $önig, ber ben ©pötteleien feiner Höflinge über ben ein* flufcreichen SWinifter unb beren klagen über ©larenbonS MnmaBung, ihn gänzlich beljerrfchen 311 motten, ein miliige« Df>r lieh, roanbte fich enblich mit 2B ibermitten öon ihm ab unb entliefe unwahre 1667 ben Wann, ber ihm feit feiner frühften 3ugenb nahe geftanben unb bisher alle feine ©abritte geleitet. $er Vefchluß beS Parlaments, ben 3Äiniftcr in Stnflageftanb ju öerfe&en, um feine SRücffehr an baS ©taatSruber ju oer^inbem, bemog ben ®onig, ihn auf ben kontinent ju öerbannen. ßlarenbon begab fich nach föouen, mo er im 3ahre 1674 ftarb.

Stach ocr Verbannung ßlarenbonS lüfte fich Da^ De* &cr föeftau^ ration gebilbete 9Jcinifterium auf, unb an feine ©teile trat baS Sabal* SJcinifterium", fogenannt nach ben ÄnfangSbuchftaben ber fünf sMtglieber beSfelben: (Slifforb, Slihletj, Vucfingham, Slrltngton unb ßauberbale. S)er erfte %tt beS neuen 3JcimfteriumS mar ber flbfa)lu& ber Xriple=s2lttian$, burch melche bem ©iegeSlauf 2ub*

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154 (gnglcmb in ber jroeiten #älfte beS fiebaehnten 3af)rhunbcrt$.

WigS XIV. in feinem erften (ähroberungSfriege eine ©renje gejogen würbe (f. ®. 64).

Von ben 2Äitgliebern beS ©abalmhttfteriumS, an beffen ©pifce ber ebenfo tefötfhtnige unb ftttenlofe als ehrgeizige Vucftngham, ber ®ot)n beS ©ünftlhtgS 3afobS I. unb ®arls I., ftanb, war nur ber heimlich jur fatholiföen Kirche übergetretene ßorb (jlifforb ein redt)tföaffener unb ebelbenfenber SRann , nach ßingarb „ein 2Rt* nifter mit reinen Rauben an einem beftechlföen unb beftodjenen ^>ofc" ; alle übrigen waren 9ftänner öon ^öa^ft zweifelhaftem ©ha= raher , welche , bie eigenen Ueberjeugungen in politifdjen wie in religiöfen fingen htntanfefcenb, mehr ober weniger nur ben perfön- Iföen SBortr)cü im &uge Ratten unb üor 2Wem bemüht waren, fid) bauernb in ber ®unft beS $önigS feft$ufefcen.

55ie größte ©chwierigfeit bereitete bem neuen äßinifterium ®arls beftänbige ©elboerlegenheit , für Welche öon bem Parlamente feine Abhilfe mehr ju erwarten ftanb. $)ieje ®elböerlegenheit be- wog ben &önig, fid) oon Beuern Subwig XIV. ju nähern, ber ihm nach feiner SReftaurarion (Sclbuntcrftüfcung jugefagt. $ie jwiföen beiben ^Monarchen angefnüpften Unterhanblungcn würben bcfct)Icu= nigt burch ben gu jener Qtxt erfolgten Uebertritt beS £>er$ogS 3afob oon $orf $ur fatholiföen $trd)e , inbem baburdj in bem iönig ber GJebanfe geweeft würbe, ben gleiten ©abritt $11 thun. <Sa>n früher r)arte ®arl Hinneigung junt ®atl)oliciSmuS gejeigt ; aber in bem (Strubel feinet leichtfertigen ßebenS war er ju feiner emften Prüfung ber ©laubenSwahrheitcn unb noch weniger ju einem (£nt^ fötufj gefommen, ber feine trotte hätte geföhrben unb ihn nötigen fönneu , fein bequemes ßeben aufzuopfern. Sluf ben Statt) feiner ÜJUnifter liefe er bem ftönig oon granfrefö feine Slbfföt eröffnen unb erbot ffö, ihn bei bem projeftirten (Sinfaü in ftollanb $u unter- ftüfcen, wenn ihn Subwig burch eine jährliche Subftbte in ben ©tanb fefce, jebe aufrühreriföe Bewegung in feinem deiche ju unter» brüefen , bie in golge feinet Uebertritt« entftehen fönne. ßubwig riett) gwar , bie Sache oorher reiflich ju überlegen , ba eine über= eilte ©rflarung nicht nur feine fhrone, fonbern fogar fein ßeben in GJefahr bringen fönne, inbem bei ber ausgesprochenen gfeinbföaft oon neun gehntljcüen feiner Untertanen gegen ben fatholiföen ©lauben ein allgemeiner Slufftanb ju befürchten ftehe; er ging je= boch im Uebrigen bereitwillig auf ®arlS ihm fjiföft wülfommene Vorföläge ein, unb fo fam im 3at)re 1670 bei einem Tjüche ber Jperjogin oon Orleans in (Snglanb burch ihre Vermittlung ju 2)ooer ber geheime Vertrag ju ©tanbe, beffen wir oben (©. 67) gebaut h^ben. $luS ber in bemjelbtn enthaltenen $ufage $arlS: „ju einer 3*hr bie ihm als bie angemeffenfte föchten werbe, öffent* lieh $u erflären, ba§ er fatholifö geworben," föeint hctöorjugehen,

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ffnrl II.

155

bag $arl entmeber Bereite jur fatf olifcf en # treffe übergetreten ober $u biefem Sdjritt feft entfcfloffen tt)ar.

3n ber Hoffnung auf eine neue (Mbbemitligung berief #arl baS Parlament für ben $>erbft 1670 wieber ein unb ließ bemfelben buref ben ßorb~©iegelbemafrer eröffnen, baß er WngcficftS ber um* faffenben SriegSrüftungen SranfreicfS entfcfloffen fei, eine Slotte öon fünfzig ©egeln §um Auslaufen in 93ereitfcfaft fefcen $u laffen, inn bie britifefen lüften bor feinblicfen Einfällen ju fefüfcen. Da bic SRinifter fief eine SJcajorität im Unterlaufe ju fiefern gemußt, nwrben, trofc ber öon oerfcf iebenen ©eiten über bie SBerfcf roenbungen im ©taatSfauSfalte erhobenen klagen, bie geforberten (Delbmittet 6emüligt. dagegen mürben in beiben Käufern Üöefcfmerben „über baS Umftdjgretfen beS ^ßaptSmuS" an ben ®önig gerichtet unb neue Maßregeln ju beffen Unterbrücfung geforbert, unb ®arl mar fdjroacf genug, trofc feinet aller SB al)rf cr)einlict)f eit naef bereits er= folgten UebertrittS, in einer ^roflamation 511 erflären: „fo mie er (tetS, allen Serfudmngen jum Drofc , ber magren Religion , mie fie in ber englifefen föirrfje geprebigt merbe , angefangen f abe , [0 tootle er auef fernerhin bie äußerfte. ©orge unb ben größten (Stfer anmenben, um pe aufrecht 511 falten unb 511 toertf eibigen." C£r er= ließ jroar balb barauf, jur ©efefroieftigung feines ©emiffenS be- jüglicf ber in ber Defloration oon ©reba gegebenen 8ufage , eine „Snbufgen^fte" , melcf e ben DiffcnterS einige (Srleicfterung ge- währte; bie ®atfoüfen jogen jeboef aus berfelben faum irgenb melcf en Sortfeil, ba tfnen jeber öffentliche (SJotteSbienft unterfagt blieb.

Cbgleicf bie SBetfeiltgung (SnglanbS an bem Kriege 5ranf= retcf S gegen ,§offanb nief t in ben SSünfcf en ber Nation lag , roeil bie maeffenbe 2flacft ßubmigS XIV. in (Snglanb große SBeforgniffe ermeeft fatte, bemitligte baS am 5. gebruar 1673 eröffnete $arla= ment abermals bie baju geforberten ÖJelbmittel ; ber ®önig mußte biefelben jeboef buret) bie Sluffebung ber Qnbulgenj ^ftc erfaufen, nadjbem in bem Unterlaufe ber SSefcfluß gefaßt morben, baß ©traf* Oerfügungen in fircfltcfen Dingen nur buref *ßarlamentSaften fuS- penbirt merben fönnten. 33atb barauf, am 28. Jebruar 1673, ging im Unterlaufe ein Antrag buref, fraft beffen Qeber, ber fief roeigern merbe, ben Dreu= unb ©uprematSeib ju leiften, bie DranS- fubftantiation ab$ufcfmörcn unb baS 9lbenbmafl naef bem sJlitnS ber angltfantfefen ®ircfe ju nefmen, unfäfig fein folle, irgenb ein öffentliches s2lmt ju befleiben. Diefer audt) üott bem DberfauS an- genommene, unter bem tarnen Deftafte befannte ©efcfluß mürbe öon bem #ontg beftätigt, nadjbem man ifm öorgefteüt, baß t>on ber (Benef migung beSfelben bie ferneren (Mbbemitttgungen beS Untere faufes abfangen mürben.

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156 (Snglanb in ber jroeiten §älftc be* fiebäehnten ^ahrhunbert*.

$er (Shclafj ber Xcftaftc bemog ben ^er^og oon ?)orf, fein }lmt al* ÖJrofcabmiral ber glotten, ba* er mit SRufjm unb $lu*= jetefmung befleibet f)attef nebft allen anbem ihm born ®önig über- tragenen ©teilen nteber ju legen itnb fich offen als ®att)olif ju be- fennen. 3u ber gleiten 3eit unb au* bem gleichen ®runbe trat auch ©lifforb au* feinem SImte au*, obgleich ber Äönig STlle* auf* geboten, tt)n jum ©leiben in bemfelben ju beroegen.

$atte fdjon ber Uebertritt be* f>er$og* öon ?)orf, ber bei be* Königs finberlo* gebliebener (äfye X^ronfolger mar , bie religtöfe Antipathie be* Sßolfe* aufgereiht, fo brach biefelbe in öoflen Slam* men au*, al* man erfuhr, ba§ fich berfelbe am 30. ©eptember 1673, nachbem feine erfte ©emafjftn STnna, eine Xochter be* Jper* $og* oon ©farenbon, bereit* im 3at)re 1671 geftorben war, burdt) einen ©eöollmächtigten mit einer fatljoüfrfjen ^rinjeffin , ber fünf* zehnjährigen 2J?aria öon @fte, ber ©chroefter be* regierenben §er$og* von Üflobena, öermäf)lt fyabt. $>a* am 20. Dftober nneber $u* fammen getretene Parlament bat ben ®ömg in einer Slbreffe, bie $8olIjiet)ung biefer ©ermählung nidjt §u geftatten unb zugleich einen allgemeinen Safttag an$ufetjen,. „um oon ÖJott bie 2lbmenbung ber (Gefahren §u erflehen, mit melden ber <ßapi*mu* ba* ßanb be* brohe"; e* erreichte jebodj toeber ba* GHne noch ba* 2lnbere: ®arl erflärte bie gorberungen be* Parlament* für ungebührlich unb fprach am 4. 9toöember beffen Vertagung au*.

Dbgletd) ber ®önig , um bie allgemeine Aufregung ju be* fdjnridjtigen t nicht nur ber ®emaf>lin feine* ©ruber* bie U)r au** brüeflitt} jugeftanbene (Einrichtung einer öffentlichen Capelle öertuei= gerte , joubern auch eine ftrenge Slnmenbung ber ©trafgefe^c gegen bie ^atholtfen anorbnete , mieberholte ba* Parlament nach feiner lieberer Öffnung im Januar 1674 feine ©itte um bie s2lu*fcfjrei* bung eine* öffentlichen gaften* jur (Srflefumg be* ©chufce* be* Allmächtigen für $ird)e unb ©taat „gegen bie untergrabenben ^raftifen papifttfdjer töecufantcn" unb verlangte zugleich bie (Sut< laffmtg ber üttinifter Arlington, ©uefingham unb ßauberbale.

Ücachbem ber ®önig bejüglid) ber beiben (Srfteren öollftänbig unb hinfichtlidj ßauberbale'* infofern nachgegeben, baß er ihn nur al* ©camten ber fchottijchen &rone beibehielt, unb fomit , ba flfhleü, ben er jum (trafen oon ©hafte*burö ernannt hatte, fdt)on im Qahre 1673 abgefegt morben , in bie gänzliche Auflöf ung be* dabalminifterium* gemiütgt, auch im 3uni 1674 einen oortheilljaf* ten grieben mit ben ©eneralftaaten gefchloffeu , roanbte fich bie ßppofition h^uptfächlich gegen ben $er$og oon $orf , um beffen s2lu*fchlu6 oon ber Thronfolge burchjufejen. 2)er 4>auötagitator für biefen ßtoeef mar ©l)afte*burn, ber feit feiner (Jntlaffung au* bem ajftmfterium al* 2Jiitglieb ber Dppofition ju ben entfehiebenften

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»OXl II.

157

Seinben be« £ofe« gäblte. 21n QafobS ©teile bauten feine ©egner ben (trafen Don 3ttonmoutt), einen natürlichen ©ol)n Äarl« IL iinb beffen befonberen Siebling, gum X^ronfolger üorgufchlagen. $)er §ergog t>on ?)orf fudjte ihren Plänen burch bie Vermittlung eine« neuen Vünbniffe« gmifdjen #arl n. unb ßubwig XIV. entgegen gu arbeiten, burch welche« er feinem ©ruber auSreidjenbe ©elb* mittel gu berfdmffen hoffte, um benfelben in ben ©tanb gu fefcen, bie SBiebereröffnung be« Parlament« , beffen Vertagung ftarl be* fdjloffen hatte, auf längere Seit fjinau« gu fefneben. $tefe« Vünb* niö fam in ber Xlmt am 23. Sluguft 1674 gu ©taube, ©egen bie Sufage eine« Salzgehalt« öon hunberttaufenb Sßfunb öerfpraa) Äarl bem Äönig öon granfreid}, in beffen fortgefe&tem Kriege neutral gu bleiben.

$a biefe Neutralität fich für ©nglanb al« ein Vortue« er* wie«, inbem fte bem #anbel einen neuen Sluffchwung berlieh, trat nach unb nach unter bem SBolfc eine ruhigere ©timmung ein , ob* gleich bie ©egner ber Regierung Glicht* oerfäumten, bie frühere Ungufriebenheit mach gu h^ten; als jeboer) ber Äönig fich burd> neue ©elboerlegenheiten genöthigt far>, im gebruar 1677 ba« *ßar* lantent wieber einguberufen , mürben al«balb auch bie alten klagen über gefahrbrohenbe Umtriebe ber Sßapiften auf« Neue laut. $a bie Dppofition gugleia) ernfte Vebenfen gegen bie wachfenbe Httacht 3ranfrrich« erhob unb ®arl« Verhältnis gu ßubwig XIV. gur Sprache brachte, fchritt ber Äönig am 26. äftai gu einer aberma* ligen Vertagung be« Parlament«.

3m 3ahrc 1678 mürbe ba« gange Sanb burd) eine augebliche papiftifche Verfchwörung in eine ungewöhnliche Aufregung berfefct. @tn gemiffer X i t u « D a t e « , ber wegen 9tteineib« unb ©itten- loftgteit feine ©teile al« anglifanifcher ©eiftlicher verloren fyattt, mar auf ben Natf) eine« Öonboner Ißfarrer«, be« Dr. Xonge, ber überall Verschwörungen ber $atholifen gegen bie anglifanifche Äirche witterte, nach Vallabolib gegangen, um in einem bortigen Älofter englifcher ^efuiten , wo er al« angeblicher ®atholit $luf* nähme fuchte unb fanb, r)oct)tierratr)erifc^en planen nachgufpüren ein ©piel, ba« er, nachbem er in Vallabolib burchfehaut unb au£ bem $lofter oertrieben morben, in bem Kollegium englifcher 3efui= ten in ©t. £)mer fortfefcte, wo ihn ba« gleiche ©chiclfal traf, wie in Vallabolib. Nach (£nglanb gurüefgefehrt, gab er oor, einer gro- ßen, üon bem Sßapfte gebilligten ^efuitenoerfchwörung auf bie ©pur gekommen gu fein, welche bie (Srmorbung be« $önig« unb bie gewalt» fame Vernichtung be« $roteftanti«mu« in (Snglanb gum 3mecfe habe. 3ur Vegrünbung biefer s2lnflage benufcte er gefäljehte Vriefe, fowie eine im 2lpril 1678 oon ben Qefuiten in Bonbon abgehaltene geheime 3ufaramenfunft , bei welcher fich jeboct) nur um bie (Ernennung

158 (Snglanb in ber jmcitcn ©älfte be« fiebjehnten 3af)rl)unbertS.

eines ProfuratorS unb bic SRegulirung ber inneren Angelegenheiten bcö DrbenS gehanbelt. $>aS gan^e (chmachoolle ßügengemebe, bem ber $önig felbft feinen (Stauben fdjenfte, mürbe, befonberS auf ©ImfteSburn'S betrieb, ju einer allgemeinen ftatholifenoerfolgung ausgebeutet. <5ed)S Qefuiten unb jelm Öaien ftarben auf bem Vlut- gerüfte, unb alle Werfer waren mit #atf)olifen angefüllt, bie ber TOtmiffenfchaft um bie angebliche Verfdjmörung öerbödjtig fdjienen. dagegen mürbe DateS als ber Detter beS VaterlanbeS gepriefen unb mit Gtefchenfen unb (Ehrenbezeugungen überhäuft.

Unterbeffen mar in bem am 21. Dftober jufammengetretenen Parlamente, baS fogleid) bie ganje ©adje in bie $anb genommen, eine VitI in Vorfchlag gebraut morben, nach melier bie $ attjo* lifen fortan mcber <Bifc unb ©timme im Parlamente haben, noch in ber Umgebung beS Königs unb in feinem Palafte gebutbet mer* ben füllten. Um bie unter bem fanatifirten Volfe fjerrfdjenbe 2luf* regung 311 befchmichtigen, genehmigte ber $önig nicht nur jofort biefe «ill, fonbem miüigtc fogar in bie öon beiben Käufern gefor- berte Entfernung feinet VruberS 3afob aus ßonbon, inbem er ben- felben bemog, auf einige 3eit nach ©chottlanb 5U gehen, jeboch baS Unterbau« hierauf, burdj beS Königs SRachgiebigfeit ju meiteren feinblichen Stritten gegen ben £>of ermutigt, ben #orb*Scha&metfter 2)anbö, ÄarlS einflu&rcichften föathgeber, in 2lnftagefianb öerfefctc unb £orb Muffel im Dberhaufe ben förmlichen Antrag fteUte, ben jperjog öon $)orf für unfähig $ur X^ronfolge $u erflären, löfte $arl am 24. Januar 1679 baS Parlament auf.

Obgleich ber ®önig, um bie Dppofition $u entfräften, Muffel unb ©fjafteäburt) felbft in baS ÜRinifterium aufgenommen, jeigte fich baS britte Parlament, baS am 6. 9ttar$ 1679 eröffnet mürbe, tmn bemjelben (Reifte befeelt, mie baS üorhergehenbe. Um bie ge* forberten ÖJelbbemilligungcn ju erlangen, mufjte ber ®önig nicht nur $anbü fallen laffen unb in eine Untersuchung gegen benfelben mitligen, bie ben ÜJftnifter in ben Horner führte, (onbern auch eine bereits früher in Vorfdjlag gebrachte ©iE, bie £> a b e a S* (£orpuS*$lfte fo genannt nach ^rcn Eingangsworten genehmigen, burch mclche feftgefefct mürbe, bafj fein Eng* länber oerhaftet merben bürfe ohne einen fchriftlichen, bie ÖJrünbe ber Verhaftung angebenben Vefefjl ber öorgefefcten Vchörbe unb jeber Verhaftete innerhalb tnerunbamangig Stunben ju einem cor* läufigen Verhör jugelaffen merben muffe. SDer erneute Antrag beS Unterhauses auf AuSfchlujj beS £>er$ogS öon $orf oon ber Xh*on* folge bemog ben #önig , auch &a$ dritte Parlament im Qanuar 1686 aufjulöfen.

3n feiner 8tathlofigfeit nahm ber ftctS gelbbeburftige Äönig aufs 9*eue feine 3«flucht $u ßubroig XIV., ber ihm $mar aber-

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Äorl II

159

rnalä ©ubfibicn ^ufagte, aber babei nicht ermangelte, ben SRath feines (Sefanbten Barillon ju befolgen, ber ihm gcf abrieben Rätter „ÄarlS v2lnfehen ift fo gefunfen, baß ein Bünbniß mit if>m WichtS merth fcf)etnt. Keffer ben $arteit)äuptern ben £>of machen, bamit bie Uebelftänbe fortbauern." Um eine (Sinigtmg jnnfchcn bem Äönig unb bem Parlamente ju erfchtoeren, bewilligte er mehreren republifani* nifdjen &auptern Qa^rgelber unb ermahnte fie, unter feiuem mäch- tigen ©chufce in ber Bertheibigung ber greihetten beS SBolfeS fort* zufahren, währenb er anbrerfeits ben £>erjog oon ?)orf in ber 3M* nung beftarfte, bie föniglicfje ©etoalt tonne nur burdj bie §erbei* führung eines BürgerfriegeS ^ergeftellt toerben.

2)iefe SRadnnationen oerfehlten ihres ftmda nicht. Qmmer größer tourbe bie ®luft jttrifdjen bem ftönig unb feinem Bolfe, immer erbitterter ber ©treit ber Parteien, ber ftd) in ftarlS legten SebenSjahren, toähreub melier er nach rafch aufeinanber gefolgter Sluflöfung jmeier neuer Parlamente ofme ßugie^ung ber ©täube regierte, ^auptfäc^lic^ um bie 3:f)ronfolge breite. Obgleich baS Obernau« eine Don bem Unterlaufe erlaffene Bill, bie ben £>er$og oon $orf für unfähig $ur Thronfolge erflärte, oermorfen fyatlt, beirrten bie ©egner beS #er$og§ auf beffen SluSfchlie&ung unb fugten bie ftrone bem ©tatthalter ber Wieberlanbe, SBilhelm III. oon Dranien, als bem ©ema^l ber älteften, im proteftantifchen Glauben erlogenen Xodjter 3afobS, 9Jtoria Oon ?)orf, jujumenben.

Bon ben beiben Parteien, bie einanber fo färoff gegenüber ftanben, ba& ber SBteberauSbruch beS BürgerfriegS au befürchten tuar, mürben bie Anhänger ber Regierung XorieS unb it)re (Steg* ner SB hiß* genannt. Obgleich beibe Benennungen ©pott unb Ber- achtung auSbrücfen füllten, inbem urfprünglkh mit bem Warnen XorieS bie burch bie Xörannei ber englifchen Regierung ihres Be* (ifceS beraubten unb baburd) $um Wäuberleben getriebenen JJrlänber unb mit bem Warnen 2Bf)igä bie fchottifchen ßanbleute bezeichnet mürben, bie als Anhänger beS (EooenantS bie fechte ber trotte in fachlichen Angelegenheiten beftritten, mürben biefelben oon ben $ar« teien felbft als (Styrennamen angenommen unb finb feitbem in (£ng= lanb als Bezeichnung ber conferoatioen unb ber liberalen Partei in Gebrauch geblieben.

2)ie (Entbecfung einer angeblich bon ben Häuptern ber SBt;igö geleiteten Skrjchtoörung gegen baS ßeben beS Königs oeranlafjte Sie (Einleitung einer Unter fudwng gegen bie fedjS hcröorragenbften berfelben, ben #er§og oon aWonmoutt), ben (trafen (Efjej, bie SorbS Jpomarb, @rerj unb WuffeE, Algernon ©ibnetj unb $ampben. $)er ^erjog oon Sftonmoutt) unb öorb (Steeg enttarnen nach 4>oöanb; ©raf (Sffej gab fich felbft im ©efängnifj ben Xob; £ott>arb, Wuf* fett unb Algernon ©ibneu ftarben auf bem Blutgerüfte, mährenb

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160 Gnglanb in ber jwritcn §älfte beS fiebjc^ntcn 3at)rf)unbert3.

^antoben $u einer (Sklbftrafe öon öierjtgtaufenb $funb öerur* tfyeilt mürbe.

2öie in G£nglanb, fo fam es aud) in ©cfyottlanb, als baS SBolf ficf) aus feiner drfd)laffung empor gertffen, ju aufrüfjrertfdjen *8e= megungen, bie jebod) meljr religiöfer als politifdjer Statur maren. 9taa)bem ein emfter Slufftanb ber (SoöenanterS im Qafjre 1667 burd) Sßaffengemalt niebergemorfen unb auf baS ©trengfte beftraft morben, brad) jmölf 3af)re fpäter ein jmeiter auS, bei meinem ber (Srgbifa^of öon ©t. 9lnbremS, ber als ber ^aupturfyeber aller gegen bie (SooenanterS angemanbten (Semaltmafjregcln galt r öon einer Scbaar fanatifirter Puritaner ermorbet mürbe. Wud) biefer Stuf- ftanb mürbe burd) ein öon bem £>erjog öon Hftonmoutfj geführtes englifdjeS $eer im 3uni 1679 unterbrürft, morauf bie meiften ber ©mpöreT fid) untermarfen unb ftcö jum Söefudje beS öon ben SBi- fdjöfen eingerichteten ÖJotteSbienfteS bequemten. 9tur bie mübeften Sdjmärmer, in Mem nur fedjjig äßann, fcfjaarten ftd) um ifjren ^rebiger (Sameron, nad) meinem fie fidj (£ameronianer nannten, unb erließen eine ©rflärung, in meldjer fie „als bie Streiter Qefu Gfjrijtt, beS gelbfjerrn ifyrer Seligfeit, " bem $önig als Xürannen unb Ufurpator ben $rieg öerfünbeten, maljrenb ein <$enoffe (£ame= ronS benfelben förmlich mit bem *8ann belegte. Sftadjbem fie mit leichter Sftüfje übermältigt morben unb (Sameron im Kampfe ben $ob gefunben, mürben fernere Strafen über fie öerpngt. $enen, bie jum Xobe öerurtfjeilt morben, bot ber bamals in Sdjottlanb meilenbe £>erjog öon gorf, bem ber #önig bie Regierung über biefeS Sanb übertragen, ©nabe an unter ber Söebingung, baß fie nur bie SBorte: ,,©ott fegne ben Äönig!" auSfprädjen ; fie jogen jebod) fämmtlidj ben Xob öor. 3nbeffen fudjte Qafob burd) Sftilbe unb eine größere 5)ulbung gegen bie Puritaner eine bauernbe S3e- rubjgung beS ßanbeS fjerbei$ufüljren, unb in ber Xljat begannen bie ^erjen fid) if)m mit Vertrauen jujumenben; nad) feiner 9lü(f- fef)r nad) (Snglanb (1682) mürben jebod) bie früheren Strafgefefce gegen bie miberfpenfttgen Seften mieber mit aller Strenge in 2ln* menbung gebraut.

%m 1. gebruar 1685 mürbe ®arl II. öon einem Sdjlaganfall betroffen, unb bie Sfranfyett nafmt einen töbtlidjen Verlauf. $ie anglifanijdjen *Bi}d)öfe brängten fid) an baS itoger beS Äranfen, um i^m baS 2lbenbmaf)l nad) anglifanifdjem SRituS ju reiben ; Äarl mieS jebodj ifjren «eiftanb jurücf. s2llS fid) fein Quftanb immer mefjr oerfcblimmerte, fragte i^n ber £>er§og öon ?)or!, ob er nadj einem fat^olifd>cn ^riefter fajtcfen foße. „Um ©otteS mitten t^ue baS fogleia)", ermieberte Äarl. „2lberw, fügte er fun$ur „mirft bu bia) baburd) auai fetner ©efa^r auafefeen?" Qafob erflärte, er merbe einen sJkiefter ^erbeibringen, unb menn eS i^n baS ßeben

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3afob II.

161

fofte. Qx holte ben Kaplan ber Königin, bcn *8enebif*rinermönch £ubblefron, ber nact) ber Schlacht bei Söorcefter ba* ©erzeug ber Rettung be$ Königs gemefen, unb führte it)n feinem iöruber oor mit ben ©orten: „Sir, biefer mürbige $*ann rettete einft 3^r Seben; jcßt fommt er, Qqre Seele $u retten." $arl erfiärte bem $rtefter auf beffen grage, ba& er in ber Gemeinichaft ber römifaV fatholtfct)en Äirche ju fterben toünfche, unb empfing nach reumütiger Beichte bie fu\ Kommunion unb bie lefcte Delung. Sein £ob er^ folgte am 6. gebruar 1685.

3 a f 0 b II.

(1685-1688.)

$rofc ber oon bem Unterfjaufe gegen tlm erlaffencn ftuftfdjluf}» biU fticB $atob II. bei feiner Xfjronbefteigung auf feinerlei SBiber^ ftanb, unb ba er in einer an ben geheimen SRath gerichteten unb burcf) ben Drucf oeröffentlichten Wnfprache bie beftimmte (Srflärung abgegeben, baß er entfchlofjen fei, bie rechtlich begrünbete iÖerfaf- fung oon Ürdje unb Staat aufregt gu erhalten, fat) man aüge^ mein feiner Regierung mit Vertrauen entgegen. $)aä ganj unter bem (£influfe ber Xorieä gewählte Parlament, baS am 25. 3J?ai 1685 eröffnet mürbe, benrieS ihm bie größte Söidf ä^rigfeit ; auch oon bem fdjottifa^en Parlamente, baä er noct) oor bem englijchen jufammen berufen, mürbe ihm alles bereinigt, toaS er »erlangte. $>aä offene Befenntnife feinet fatholifchen (Glaubens, ba£ er burd) ben ©efud) ber SReffe in ber Capelle feiner ©emahltn unb burdj ben Empfang ber fyi. Kommunion in berfelben ablegte, rief jtoar bei ben SpiSfopalen bie Befürchtung mach, baß er ber fatl)oliidien SHrdje greiheiten $u bemiöigen beabftchtige, bie ba$ Qntereffe ber anglifanifchen £>ochfirche gefährben fönnten, unb biefe Befürchtung fteigerte fid), als Qafob mehrere Xaufenb gefangene ftatholifen unb jafjlreidje anbere $)iffenterS aus ihrer £aft entliefe. 3)er llm= ftanb, baß er fiel) burd) ben @r$bifd)of oon ßanterburt) mit allen Gebräuchen ber anglifanifdjen Kirche frönen liefe, beruhigte jebod) einigermafeen bie ängftlichen ®emüther, benen bie oon Qafob in ber X^at erftrebte allgemeine Religionsfreiheit als ba* gröfete aller Uebel erfd)ien.

Unterbeffen fyattt ber fterjog oon SJconmoutf) oon Jpoüanb aus, 100 er fid) noct) immer aufhielt, eine Sct)ilberhebung oorberei= tet unb mar mit ungefähr hunbertfünfjig 9Jcann an ber n>eftlict)eu früfte (Jnglanb* gelanbet, in ber ftd)eren ©rioartung, bafe SafobS ent= fdnebenes Auftreten ju ©unften ber $atholifen eine allgemeine @r=

^oljtoart^ SkltflefWte. VI. 11

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162 ©nglanb in ber feiten §älfte be§ fiebjeljnten Safahunbert«.

Witterung gegen benfelben erzeugt Imbe unb ihm unter 2ttitwirfung ber äSf)ig$f mit beren Häupter er in fortbauernber Serbinbung geblie= ben, leicht fein werbe, ben febwanfenben %bxoxi Sfafob« um$uftür= jen unb fein eigene« §aupt mit ber ihm früher jugebac^ten Sfrone gu febmütfen. Qn biefer ©rmartung fah er fich jeboch getäufcht. da« Parlament fefcte fofort einen $rei« auf feinen $opf, unb bie öon Qafob gegen ilm entfanbten druppen überwältigten mit leichter 9Kübe feine &u breitaufenb SDcann angewachsene ©chaar. (£r felbft mürbe auf ber ftlucht ergriffen unb gefangen uadj Sonbon gebraut, tfuf ©egnabigung burfte er um fo weniger l)offen, al« er nach feiner Öanbung in Gmglanb eigenmächtig ben $onig«titel angenommen unb in einem pomphaften, an bie englifche Nation geästeten 9Jtomfeft nicht nur Safob II. mit ben ^eftigften ©chmäbungen überhäuft, ihn einen Mürber, Söerräther, duranuen unb Seinb alle« ©uteu unb (£blen genannt , „ber ben ©raub üon Bonbon mit öerfdmlbet, bie papiftifche $erfchwörung angebettelt , bura) falfche 3*ugen Un* fchulbige auf« SBlutgerüft gebraut , feinem trüber nach oem £e= ben getrachtet unb ihn öergiftet tyabtt" fonbern auch t>a$ $arla* ment für eine aufrührerifche unb öerrätherifche Sßerfammluug er- flärt unb alle diejenigen mit ben fchwerften ©trafen bebroht ijattc, bie, ftatt reumüthig ju ihm überzutreten, bei bem Ujurpator au«= harren mürben. @r würbe jum dobe oerurtheilt unb am 25. Quli 1685 ju ßonbon enthauptet. die ©trenge, mit welcher gegen feine Anhänger üorgegangen mürbe, oon benen über jmeihunbert auf bem $lutgerüfte ftarben, fällt weniger bem $önig felbft, al« bem oon ihm beftellten Dbcrrichter 3effreö« 5ur Saft, bem Qafob aU$u freie §anb ließ.

Ter rafche unb entfeheibenbe ©ieg, ben ber $ünig über 9#on~ moutl) baoon getragen, unb bie Unterftü Jung , bie er babei in bem Parlamente gefunben, leitete ihn auf bie oerhängni&oolle *8af)n, bie ihn bem ©turje entgegenführen foüte. die bi« bahin beobachtete 3urücfhaltung abmerfenb, fchritt er mit unerwarteter Kühnheit fei- nem $iele, ber jperftellung einer unumfehränften &önig«gemalt, ju. da« (Sxfte, wobura) er ber bt« bahin in fct)r engen ©djranfen ge» bliebenen Dppofition eine größere ©tärfe oerjehaffte, war bie Sei* behaltung be« ftehenben Speere« oon fünfjehntaufenb äftann, ba« er währenb ÜJconmoutl)« Snoafion unter bie SBaffen gebracht, unb bie gegen bie deftafte oerftojjenbe Aufteilung zahlreicher fatholijeher Dfftjiere in bemfelben, fowie bie SSieberanfnüpfung be« al« £>ochs Oerrath geltenben Söerfehr« mit bem ^eiligen ©tuhle burch ben (Smpfang eine« päpftlichen ©efanbten unb bie ©ntfenbung eine« folchen nach 9fa)m. daran reihte fich ba« Verbot ber ftontrooer«* prebigten unb bie SBiebereinführung eine« h°^cn #ommijfion«hofe« 3ur s-8eftrafung ber «Suwtberhanbelnben.

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Safob II.

163

$>en SBiberfprud) beS Parlaments gegen alle biefe Eingriffe in bic beftehenben ÖJefefce fudjte 3o(ob burdj mieberholte Vertagung beSfe!6en $u entfräften, währenb er bie ifjm miberftrebenben angli* fantf^en Vifööfe theilS abfegte, theilS oerhaften lieft. $ie erftere Strafe traf am 6. September 1686 ben Vifdjof ©ompton öon Bonbon, ben Sütjrer ber Dppofition im Dberhaufe, ber fich bem Verbot ber ÄontroberSprebigten nid)t fügen wollte. SlnbrerfeitS mürben anglifanifche ©eiftlid)i\ bie jur fatholifchen ®irdje übertra- ten , in bem gortgenuß ihrer firchlichen föeoenüen belaffen unb überhaupt bie ßatfjoliten, ber Xeftafte jum Xrofc in allen Zweigen ber Sßerwaltung beoor^ugt.

Söährenb ber Äönig burch biefeS unfluge Vorgehen ju fünften ber ftatholifen eine große Aufregung unter ben Anhängern ber ^ocrjfirc&e unb ben Puritanern ^eröorrief , erregte er sugletd) burd; fein auSfchwetfenbeS Seben großen &nfioß. $)aju fam als neue OueHe ber Veforgniß bie Aufhebung beS (SbiftS öon Nantes burd) ßubwig XIV.; benn wenn auch Qafob bie in großer Qafyl naef) (Snglanb auSgewanberten franjöftjchen Sßroteftanten wofjlwoüenb aufnahm , fo gaben boch feine intimen SBejiefmngen ju bem $önig oon grantreich ju ber Vefürchtung s2(nlaß, baß er gegen feine pro- teftantifajen Untertanen ähnliche Sflaßregeln, wie biefer, ergreifen f önne.

9tad)bem 3afob traft beS oon ihm als ein alte* Pribilegium ber Ärone in Slnfprud) genommenen ff$tSpenfattonSrechteS" in $af)l* reiben gällen neben ben SBirfungen ber ieftafte auch bie ber be= ftehenben Strafgejefce $u ©unften ber fatholifen aufgehoben Ijatte, proflamirte er im 2lpril 1687 allgemeine Religionsfreiheit für bie brei ^Reiche. 3)te ©rbttterung ber ftvengen (SpiSfopalen über biefe bie ^ßorrec^te beS anglifanifchen föleruS gefährbenbe Maßregel würbe erhöht burch bie oon %atob angeorbuete gericr)t(ict)e Verfolgung aller (SJeiftltdjen, welche fich weigerten, baS Xoleranjebift oon ben fanjeln herab $u beriefen. 2ÜS btefclben burd) ben ju ihrer Slburtfjeilung eingelegten (Gerichtshof öon aller Sdjulb freigefprocheu Würben, cr= füllte baS in ben Straßen oerfammelte Volf, bem $önig junt £ofm, bie £uft mit enblofem 3ubelgefa)rei. Vergebens toamten nicht nur ber fpanifaje unb ber faiferlufje ©ejanbte , fonbern auch ^ßapft ^nnocenj XI. ben fönig oor Ueberftürjung : $afob fuhr fort, ben ^lan ber SBieberherfteHung beS ßatholiciSmuS ohne jebmebe Ve- rücfftchtigung ber beftehenben ®efefce wie ber Stimmung beS Voltes $u oerfolgen, unb jog fich baburch in immer höhet«" ©rabc ben £aß jeiner proteftantijchen Unterthanen $u, bie fich in üielfachen Vejtehungen beleibtgt unb $urücfgefefct fühlten, Slud) bas National* gefühl ber (Snglänber mürbe arg oerlefct burch bie ftrt unb SBeife, rote ber ftönig fich um bic greunbfehaft ÜubtoigS XIV. bewarb, beffen politif für ihn in allen Stücfen maßgebenb geworben ju fein fchien.

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164 (Snglanb in bcr feiten $älfte beä ficbjclwtcn 3af)rf)unbcrt*.

Sßäfjrcnb fid) über bem Raupte be* Derblenbetcu £ünigä ber politifcfye Gimmel immer mef)r Derbüftertc, mürbe am 10. 3uli 1688 burd) bic ©eburt eine* X^ronerben fein feljnlidjfter Söunfö erfüllt. 5(bcr biefe* für ifjn felbft jo freubige ©reignife , ba* bem £>aufe Stuart ben bauernben iöefifc be* engltfdjcn Sfjronc* 31t fiajern fcr)icn , biente nur ba$u , ben Sturj beäfelben 31t bejdjlcunigen. Qafob* ©egner, bie ftd) bi* bat)tn mit ber Hoffnung getrüftet tjatten, bafj bei bem $ obe be* alternbcn ftönig* bie ftrone an feineu Sdjroieger^ jolm Söilljelm III. Don Dramen , al* ben (#cmal)l feiner ältefteir Xod)ter INaria, übergeben unb biefer alle iÖorredjte ber angltfanifdjen ftirdje fyerftellen roerbc, erflärten ba* $inb für untergefd)obeu unb rcijten 2SiU)elm Don Dranien auf , feine angcblidjen 9ied)tc burd) bie fof ortige (Entthronung feine* Sdjmiegerüater* ju fidjern. Qato'o nutrbe burd) iiubtüig XIV. r»on bcr ttjm brofjenbcn Öcfaljr in ftenntnif) gefegt; er ucrfct;loi3 jebod), im bltnben Vertrauen auf bie Ergebenheit feiner Xodjter unb iljrc* (Jtematjl* , allen BBatnungS» ftimmen befjarrlid) fein Ctjr. (£rft at* er am 20. September 1688 burd) feinen Ötejanbten im £mag bie unjmeifelljafte (&eroijjl)eit er= fuelt, ba& Silfyelm, Don mehreren etnflufjreidjen ©rojjen $ur Sm« pfaugnafyme ber ftronc ciugelabcn, &orf errungen ju einer ^anbung in (Suglanb treffe, für roeld)e iijm bie ©eneralftaaten bie nicbcrlän= bifdje glotte jur Verfügung gefteüt , gingen ttjm bie klugen auf. £ie Dolle (^röße bcr (&cfal)r erfennenb , judjte er auf jebe Söetje ben £>aB fetner ©egner ju entfräften. Um bic augltfauijdjcn sötfdjöfe 311 Derfüfjnen , machte er ifynen bie mcitgeljcnbften ^ugeftänbniffe, tDäfjrenb er ba* $olf burd) bie 3urö^,lrt^mc oer am nteiften auge= feiubeten ißcrorbnungcu unb burd) bie .Sujage eine* frei 3U mät)len= ben N4>arlantent* 311 beliebigen fudjte unb ben nad) Üonbon be- rufenen (Ürojseu uMüibcrleglidje iöcwcife Don bcr Wcdjtljeit ber ®e* burt bc* ^rin^cn Dorlegte. Me biejc Stritte blieben jebod) rcirfungalo*, unb l^afob tyatte jogar ben Sd)mcr3, aud) feine Xod)- ter Vlnna mit itjrcnt $cmal)le $corg Don Xäuemarf Don ftd) ab= fallen ju feljen; al* ^Uc* ftd) Don bem unglütflid)cn Münig jurürf^ 30g, Dcrlicßcn aud) fie in aller Stiüc 3U näd)tlid)er Stunbe otjne fein ißornnffen ben £of Don 2£l)itet)all.

Uuterbeffen tjatte SBiüjelm Don Cranien am 5. sJloDember 1688 bei Xorban feine üanbung bemerfftelligt. Sluf feinem 3"9e ^egen ©feter fanb er ben erroarteten ©mpfang nid)t, ba biejc (iJcgcnb ber Sa^aupla^ be* bura^ sJJionmout^ erregten Slufftanbe* gciücfen unb bic Sdjrcrfeu jener 3ett noa) ju fet)r in bem ÖJcbäa^t^ nig ber iöeDölfcrung fortlebten, üöalb jebod) mürbe e* anberS: eine Stabt naa) ber anbern fiel i^m 311, unb immer grö§er mürbe bic ^a^l ber (SbcUeute , bie fia) mit beroaffuetem (befolge unter feine &al)\\c fajaarten. @rft je^t licfj Qafob, ber burd) eine unglürf^

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3afob II. 165

feiige gauberpolttif ben planen feinet ©d^wiegerfofmeS nur att^u großen $orfd)ub geletftet, ben größten Xfjeil feiner Xruopen gegen Silfjelm oorrüefen; aber in ben 9teif)en ber Öfterer r)atte ber 58er* Tatf) bereite fomeit um fid) gegriffen, baß einer nad) bem anbern *u bem *ßrin$cn überging, ©elbft Qafobä perfönlidjeä ©rfdjcinen bei bem £eere bermod)te nict>t mcfjr ber allgemeinen $>cfertion (5in= halt ju tfnm. s2lld aud) ber oon iftm mit ©unftbejeigungen aller ?lrt überhäufte ÖJeneraHieutenant ßfmrdjitl , in melden er fein gan$eä Vertrauen gefegt, öon iljm abfiel, oerlor er ben ÜJhitl) unb orbnete ©efanbte mit $Bergletd)3oorfd)lägen an feinen ©d)wieger= iofjn ab.

$ie 3«ni^eifung berfclben burd) ben unauftaltfam gegen bie ^auptftabt oorrütfenben ^rin^cn bewog ben burdj bie beunruljigenbften öerüdjte geängftigten Äönig $ur gludjt. Dtadjbem er bie Königin mit bem ^rinjen öon SSalcä nad) (SJraoeäenb uorauägefdjitft , öon too biefelben burd) eine ifjrer Ijarrcnbcn $ad)t glütflid) nad) (£alai& übergefefct mürbe , oerltcß er felbft 28f)itef)afl in ber 9tad)t jum 12. ^ejember unb entfam in einer 9Jiictl)futfd)e unangefjalten au3 Bonbon, ©djon r)atte er in SeberSljam ein für iljn gemietetes gafjrjeug beftiegen unb glaubte beS Belingens feinet gludjtplanS fidjer fein ju Dürfen, als er burd) brei freujenbe SBoote entbedft unb nad) geüerSljam jurürfgebradjt mürbe.

£>ier rietr) man ifjm bringenb, nad) ßonbon jurütfjufefyren, ba fid) bort bie ©timmung leicht $u feinen (fünften änbern fönne. Chitjdjloffeu , biefem 9tatf)e ju folgen , fanbte 3afob an ben Sorb* 9J2atu)r unb bie 2llbermänncr oon ßonbon, weldje nadj feiner 3lud)t im Vereine mit ben 2©ifct)üfcn unb ^ßcerS bie burd) ben $Öbet gc- ftörtc Drbnung in ber £auptftabt Ijergeftellt unb mit £>ilfe ber Stabtmilij bas $>olf im 3flunte fjielten, ein ©abreiben, worin er ftd) bereit erflarte, falte bie ftäbtifdjen i8ef)örben tl)m bie ©tdjerljeit feiner ^erfon Oerbürgen wollten, fid) ifjren £>änben anvertrauen, bis bie Slngelegen^eiten beS SanbeS burd) ein freiem Parlament georbnet morben. Dbgleid) biefe ^ufdjrift ablefjnenb beantwortet rourbe, ba man fid) bereits mit bem bis in bie jftäfje ber £>aupt- ftabt oorgerüeften ^rinjen oon Dranien in i&erbinbung gefegt, fefyrte 3öfob nad) 2Br)iter)aü jurürf. £aum mar er jebod) r)icr angefom= men, als oier Bataillone f)o£länbifd)er Xruppcn, oon bem Sßrinjen entfanbt , baS <5d)loß befcjjteu unb SBitljelm burd) mehrere 2lbge* orbnete feinen ©djwiegerüater aufforbern ließ , SB^iteI)aII ju Oer-* laffen, ba er felbft am folgenben Sage in Sonbon eintreffen werbe. Seinem Verlangen gemäß würbe Qafob nad) SRodjefter gebraut, wo man i^n , ba ber %x\\\i feine freiwillige Entfernung auä (5ug= lanb wünfa^te, nur oberflädjlid) bewaa^te. 9laa^ oiertägigem 5(ufent- l)alt in ^oa^efter entfajloß fid) Qafob abermals 3ur Slua^t unb er*

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166 gnßlanb in ber groeiten §fUfte beS pcb^ntcn 3ahrf)unbertS.

reichte bieSmal unangefochten bie franjöftfche ftüfte (2. Januar 1689). ßubnrig XIV., ber ihn mit ber äußerften 3uoorfommenhett empfing, ttrieS u)m unb feiner gomilie baS Sctjlog St. ©ermain jum SBofm* fifce an unb fe&te ihm einen bebeutenben Salzgehalt aus, ber ilmt bis ju feinem Xobe (1701) auSgejahlt nmrbe.

3öil$elm III.

(1689-1702.)

fln bem gleiten Xage, an melchem 3afob jum anbem Sttale baS Sctjrog SB^ite^aa öerlaffen (28. $e$. 1688), jog SBilhelm öon Dramen in baSfetbe ein. die ihm bon allen Seiten juftrömenben #ulbigungen ließen feinen Smetfel barüber, bog feine £>errfd>aft geftdjert war; aber noch fehlte berfelben jebe gefefclicfje ©runblage, unb baS Siecht ber Eroberung fonnte er umfotoeniger geltenb machen, als er bei feiner fianbung auSbrücfltch erflärt r^attc , baß er nur gefommen fei , um (SrcglanbS SSerfaffung unb töeligton fieser 511 ftetten , unb alles SBeitere ber ©ntfdjeibung eines frei gewählten Parlaments überlaffen roerbe. da fein ®önig ba mar , ber baS Parlament einberufen fonnte , mürben bie in Sonbon anmefenben peerS , fomie alle diejenigen , bie unter ber ^Regierung ÄarlS II. im £>aufe ber ©emeinen gefeffen, nebft bem ßorb*9Wa^or unb mer= unbjmanjig ©emeinberäthen oon Sonbon eingelaben , mit bem Prinjen über bie Sage beS ßanbeS unb bie ^Berufung eines freien Parlamentes ju beraten, die SBerfammlung bat ben Prinzen, bie borläufige SRegentfchaft ju übernehmen unb baS Parlament einju* berufen, rooju fidj berfelbe bereit erflärte. 23äf)renb ber 3Baf)len, bie ganj ju fünften ber beabfidjtigten X^ronOerönberung ausfielen, fcfjlofjen fich auch Schotten ben Vorgängen in öonbon an , in- bem auch oen Prinzen um bie einftroeilige Uebemahme ber Regierung in ihrem Sanbe baten.

Sßachbem baS am 22. Qanuar 1689 eröffnete Parlament gleich in feiner erften Sifcung ben englifchen Xhron in Solge ber Stuckt 3fafobS 11. für erlebigt erflärt hatte, mürbe am 16. gebruar nach längeren heftigen debatten , bei melden bie £orbS bem englifchen SBolfe baS SKecfit abfprachen , feinen $ömg abjufefeeu , bie englijehe ®rone, ohne $Rficffid)t auf bie fechte beS Prinjen uon SBaleS, ber Prinjefftn Söcaria, als ber älteften Xocfjter QafobS, unb ihrem ©e-- mahle SBilhelm Don Dranien juerfannt, mit ber fcBeftimmung , baß biefelbe , roenn SJcaria finberloS oerfterbe , nach ihrem UItD i&rc$ ©emafjlS dobe an ihre Schmefter 2lnna übergehen folle. Um jeber SöiUfür öon ihrer Seite in ber Regierung oorjubeugen , mußten

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SBilfcim III.

167

fie eine Urfunbe, bie fogenannte Bill of rights, betätigen, in wel* eher bie föedjte be3 SSolfc* ber fönigttdjen ©ewatt gegenüber ge- nauer als früher präctftrt waren. $iefe ^arlamentSafte fprad) bem Äönig baS föedjt ab, bie ^oUftretfung bet ®efefce ju hemmen ober öon benfelben $u bispenfiren unb ohne Genehmigung beS <ßar* laments Auflagen ausschreiben ober in griebenSjeiten ein £eer jii unterhalten. «Rachbem SBilfjelm unb feine Gemahlin biefe 53ifl an* genommen, würben fie am 21. 9lpril $u SBeftminfter gefrönt.

3n ©djottlanb würbe SBilbelm am 21. 9tfat 1689 jnm ftönig ausgerufen, nadjbem er bie SöieberherfteHung ber *ßreSböterialoer= faffung jugefagt hatte, dagegen verfochten bie 3rlänber, obgleich fie auch unter Safob II. im eigenen Sanbe recht* unb heimatlos ge-- blieben waren, bie Stechte beS legitimen fönig« gegen feinen oerrä* therifchen Schwiegerfohn. W% 3afob II. im 9ttärj 1689 mit fünf- taufenb granftofen in Srtanb lanbete, fah er fich alSbalb öon üier* jigtaufenb Kriegern umgeben, bie bereit waren, für ihn ju fterben; eT lähmte jeboch felbft gleich öon Anfang an ben Sortgang feiner Sache burch eine unheilvolle Halbheit unb ein unzeitgemäßes &eft* halten an ben beftehenben SBerbältniffen beS ßanbeS ber ®ronc gegenüber, woburch öiele Srlänber öeranta&t würben, fich lieber oon ihm ab^uwenben. $em Verlangen beS öon ihm jufammen^ berufenen Parlamentes, Qrlanb für unabhängig oon ber engltfdjcu Ärone ju erflären unb bie 3nfe( ju einem befonberen ^Reiche ju ge^ hatten, trat er entf Rieben entgegen, unb ebenf owenig fonnte er fich $u ber öon bem ÄleruS geforberten iBer^ichtleiftung auf ben fett Heinrich VIII. oon ben s<Bef)errfchern GmglanbS beanspruchten Su^ premat über bie Kirche entstiegen r obgleich berfetbe mit beren ßehre unb SSerfaffung im fchärfften SSibcrfpruche ftanb. s2Im 1. %vlü 1690 oon SBilhelm oon Oranien in ber «Schlacht an ber $3otyne (f. S. 90) öoüftänbig befiegt, muffte er nach Sranfreich jurüeff ehren. £ie Qrlänber unterwarfen fich bem Sieger unter ber 93cbtngung ber freien Ausübung ihrer Religion, bie ihnen in bem Vertrag oon Simerid (Oft. 1 690) in ber Söeife jugeftanben wutbe, wie fie unter $arl II. beftanben.

©ilhelm, ber 511 biefem 3u9ef^&nbntg nur burch oen SBunfch bewogen worben, feine Xruppen fobalb als möglich aus Qrlaub jurüefrufen ju fönnen, um fie in ben ftieberlanben ju oerwenben, hielt ben 3rlänbern fein SSort nicht; ihre Sage geftaltete fich viel- mehr, in Jolge neuer ÖJütereinjiehungen unb anberer Ötewaltmafc regeln $ur öollftänbigen Unterbrücfung ihrer religiösen unb polittjehen Jrciheit, immer troftlofer, weßhalb auch bie 2IuSwanberung oon 3ahr $u Qahr grö&erc $)imenfionen annahm.

2ttit ber Xh^onbefteigung SSilhelmS III. würbe bie auswäre rige ^olitif ©nglanbö, bie unter ®arl II. unb Safob II. üollftän--

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168 ßnglcmb in ber jtocitcn $>älftc beS Pedanten Sabrlnm&ert«

big im 8d)Iepptau granfrcidjS gemefen, mieber eine felbftftänbige, unb bic burcf) t^rc 3Wi™ng faft bi§ jur gättjlidjetl poIttifa)en Öe^ beurungälofigfeit berabgefunfene üttonardiie erlangte balb mieber einen großen Einfluß auf bie ®eftaltung ber ftaatltdjen 58erf>ält= niffe beä übrigen (Suropa'S. SBcldjen Slntfunl ünglanb unter mu beim III. an ber 23efämpfung SubmigS XIV. in bcffem britten (froberungSfrieg gebabt unb nrie ber ®önig üon granfreidj in bem trieben üon 9tü3mitf bie förbcbung SBifyelmä anerfannt, fjaben mir bereits oben (3. 86—92) gefeljen.

^nbeffen fehlte e§, trofc ber glänjenben (Srfolge ber äußeren «ßolitif 2Bilr)eIm^ III. unb be3 bebeutenben fluffd&mungS, bcn unter ifjm $anbel unb ®emcrbe im inneren be3 Sanbeä nabmen, audj unter feiner Regierung nidjt an inneren 3ermürfniffcn. $ie 2SI)ig§, meldje bic .fmuptmerrVugc feiner ©rfyebung gemefen, über- malten nidjt nur mit ber größten (Strenge alle Sdjritte be3 ®önig3, um jcbe 9tüdfef)r ju abfolurifrifdjen Skfrrebungen unmöglich $u machen, fonbern maren aud) cntfdiieben gegen jebe Maßregel, bte eine bauembe $erföf)nung bcr ^arteten bätte Ijcrbeifübren fönnen. Sltleä, ma£ SBilbelm in biefer SBejiebwtg burd)fefcen tonnte, mar eine ^oleranjbitt, meiere bie proteftantifdjen heften öon ben gegen Tie erlaffenen (Strafgefejen befreite; ben ^atyolifen bagegen murbc ba§ alte 3od) in feiner ganzen (Sdjmere mieber aufgebürbet. £rin= ria^tungen famen jmar feiten mefjr öor, befto rjäufigcr aber mebr ober meniger fernere (Mb* unb föerferftrafen ; aud} blieb bie Seftafte in Dotier ßtaft.

Tie 2öiberfcfcltd)feit ber 28Ing3 bemog bcn $önig, ba3 $arla= ment, baä ibm bie ßrone gefdjenft, fdjon im $af)re 1690 aufju- löfen unb fid) ben Xorieä 51t nähern, bie in bem jmeiten ^arla* mente bie Majorität Ratten ; allein auef) bei ifynen fanb er bic ge= boffle Untcrftüfcung ntcr)t, ba bie meiften berfelben nodj immer in gebeimer s^erbinbung mit bem enttbronten .<perrfdjer ftanben. Scbon im Qabre 1692 fjatte btefer, mie mir oben (8. 90) gefeben, eine Sanbtmg in Grnglanb öorbereitet, ju melier Submig XIV. bic nm= faffcnbften SBorfefyrungen getroffen; baä llnternefnnen mürbe jebod) burd) bcn großen ©ieg ber bereinigten englifd) nieberlänbifdjen jjlorte bei Sa .^ogue Oereitelt. (Srmutfyigt burd) bie madjfenbcn ©djmie= vigfeiten ber Sage SBifyelmä, bereitete ^atob mit .£)ilfe Subroigd im Jtafnre 1696 jur SBieberermerbung feiner ftrone eine jmeitc ©£pebi= tion öor, für meldje gman^igtaufenb 9ftann fran$öfifdjer Xruppen $mifd)en (Calais unb $)ünftrdjen §ufammen gebogen mürben, mabrenb geheime Agenten nadj (Snglanb gingen, um bie früheren Mnfjängcr 3afob3 für einen 3(ufftanb ju geminnen. $>ie Sadje mürbe jebod) entberft, unb bic (Sinmütbigfeit, mit melier bad englifa^c $arta= ment, alle Dppofition für ben ^lugenblid5 üergeffenb, bem Äönig

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©ilftclm III.

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fBilbelm $ur ©ctte ftanb, bemog fiubmig XIV., bic beabfidjtigte Sanbung auf einen günftigeren 3e^Pim^ iu t>erfd)ieben, unb ba er fdjon im folgenben Qafjre in bem grieben üon SRtiänricf bie £>err= fc^aft Söilfyelm« in Gnglanb anerfannte, mußte ba« Unternehmen gänjlidj aufgegeben merben.

9cad) bem Hbfdjluß be« Srieben« öon 9h)«nricf geriet^ SSBtl* beim in einen Streit mit bem Parlamente roegen be« in ben 9iie~ berlanben ftefyenben .£>eere«, ba« er in ber fixeren $orau«fid)t be« balbigen 2Bieberau«brud)« be« Krieges mit granfreid) unter ben Waffen $u behalten tt>ünfd)te, mäfjrenb ba« Parlament au« ^3eforg> niß öor etttmigeu Angriffen auf bie englifd)e SÖerfaffnug bie £erab> minberung be«felben auf fiebentaufenb Üftann unb bie (Sntlaffung aller au«länbifd)en Solbaten öerlangte. 9tadjbem ba« Parlament in biefem fünfte feinen Söillen burcr)gefefct, fam ^uifefien it)m unb bem ftöuig ju einem neuen greift über bie in Qrlanb nad) ber 33e= mältigung be« bortigen Slufftanbe« confi«cirten ®üter. SBityelm t>atte biefelben jum größten X^eite feinen Generalen unb jonftigen Anhängern gefdjenft ; ba« Unterhaus na^m fie jebod) für ben Staat in^lnfprud) unb erflärte nicfyt nur, ofjne sJiürffid)t auf bie Zinnien; bungen SBilfyelm«, jene Sdjenfungen für null unb nichtig, foubern orbnete aud) ben SBerfauf ber betreffenben Sänbereien 31t (fünften be« (Staate« an. $iefe $üf>nf)eit bemog ben $önig, ba« Parlament am 26. 9cooember 1699 aufaulöfen.

Größere Söillfäljrigfeit fanb SBilljclm bei bem neuen, im 3a^re 1701 jufammengetretenen Parlamente, ba« nicf)t nur auf feinen SBunfa} ben bei feiner Grfjebung bejüglid) ber Xfjroufolge gefaßten Sefdjluß bafjin ergänze, baß bic englifdje ftrone nad) bem lobe feiner Sdunägerin siluna, faü« tiefe feine ftinbet fjinterlaffe, mit beftänbiger 2lu«fa}ließung aller fattjolifc^en (^lieber bc« £mufe« Stuart, auf bie 9iad)fommen be« Äurfürften griebrid) V. 0011 ber $falj, al« be« ©emaf)l« ber Xod)ter 3afob« I., übergeben fotte, fom bem ifnu aud) für bie ^Beteiligung an bem furj üorfjcr au«gcbrod)cucn füanifdjen ©rbfolgefrieg al« Öunbe«geuoffe föaifer ßeopolb« I. gegen ^ubroig XIV. bie nötigen $elbmtttel mit ungcroofjnter freigebig* feit bewilligte. Sdjon ftanb SSiüjeim im begriff, fid) mit feinen Gruppen nad? ben 9iieberlanben ein$ufduffen, al« ein unglütflidjer Sturj mit bem $ferbe auf ber Qagb i^n auf« ftranfenlager marf, ba« er nidjt mcfyr öerlaffen foHte. (£r ftarb am 19. attärj 1702 im Hilter öon neununbfünfjig Sauren. $a feine ©ema^lin Waxia föon fiebeu 3al)re ö|>r tym ™% ®rab gefuufen mar, beftieg feine Sajtüägerin 2(nna ben cnglifdjen Sljron.

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170 (Snglanb in bcr jtoeitcn §filfte be« [\€b^nttn 3a$rf)imbertä.

V.

$ie entflfäe ^tferafur im te$\e$nUn unb fct}e(httett

3afir0uubert.

©eitbem in (£nglanb bie mittelalterltdje $oefie ber 9tteneftrel3 erftorben mar, Ijatte fidj bie englifdje $id)tung, fomofjl im (SpoS al§ in bcr ßtjrif, l)auptfäd)Iid) auf bic Sftacfynfimung italicnifcfjer 93orbilber befdjränft; crft unter ber Königin GElifabetl) naljm fte, inbem fle fid^ mit Vorliebe bem $rama jumanbte , einen neuen ^htffcfjmung unb erreichte in biefer (Sattung ifjre työdjfte Söottenbung.

3Bie bei allen anbem djtiftftdjeu Sßbtfcm , fo beftanben audj bei ben (Sfnglänbern bie älteften tfjeatralifdjen $arfteflungen au$ bialogtfirten biblifdjen (Sefdjidjten , ben fogenannten „SJtyfterien", bie meiftenä öon ©eiftlid&en öerfaßt unb in $(öftem unb (Spulen $ur 9htffüfjrung gebraut mürben. 2Tu3 biefen ÜJlnfterien entmicfek ten fid) nad) unb nadj bie „3floralitäten" , attegorifdj*moralifcf)e Sd^aufpiele, in meldjen einjelne Xugenben ober ßafter perfonificirt auftraten unb beren SBerfaffer ben 3roetf fjatten , eine Sefyre jur ^efferung beä ßebenamanbelä aufjufteffen. 3" bieten Sttoralitäten famen in ber erften Hälfte be& fed^jcrjnten 3al)rljunbert3 togenannte „3mifd)enfpie(e'' öotf berben £mmor$. 9tadj unb nac§ manbte man ftd) mefjr profanen Stoffen ju unb madjte ba3 mirflidje Öeben jum ©egen= ftanb be3 $rama'3, juerft in ber ®omöbie, bann audj in ber Xragöbie.

Unter (Sttfabetf) , bie eine große Vorliebe für tfjeatralifdje $arfteflungen fmtte, öerbreitete ftct) ber ©inn für biefelben öon bem £>ofe au& balb über ba3 ganje ßanb, unb fo groß mürbe nadj unb nadj bie 3°^ ber manbernben ©d)aufpietergefellfd)aften , baß bie meitere $ermef>rung berfelben bereit* im Qafjre 1572 gcfefcltd) befdjränft roerben mußte. $ie $Büf>ne beftanb urfprünglidj auö einem ©erüfte, ba3 gemöfmlidj in bem $ofe eine* großen SBirtl^ fjaufeä errietet mar. SBeldjen Ort unb meld>e Sofalitäten fie öor- ftetten follte, mar entmeber auf ein ©rett gefdjrieben, ober einer ber ©djaufpieler jagte e3 ben 3ufd)auern. $>ie Sonltffen mürben burd) aufgehängte Seppirfje ober Tapeten erfefet. Snbeffen entftanben fdjon unter ©üfabetf) in öonbon ftefjenbe Xfjeater, beren Qafy fid) unter 3afob I. auf fiebje^n erfjöljte. $ie SBorftellungen begannen um brei Uljr WadjmittagS unb bauerten feiten länger alä jmei ©tunben. 3n ben 3roifd)enaften aßen unb tranfen bie 3ufdjauer ober raupten unb fpietten harten.

©o mar ber 3uftanb ber Öüfme , für meldje Söilltam ©J^afcSpeare, ber größte aller bramatifdjen $id)ter ber neueren 3eit, feine ©tütfe ftfjrieb. lieber bie Qugenbgefdjidjte btefeS öon ber ^aa^melt me^r nod) al* öon ben 3citQenoffen in feinem ooflen ©ert^e erfannten $idjterfürften miffeu mir nur mentg üBeftimmteS.

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$ie engüfdje Sitcratur hn fedjjeljnten unb ftebjc^nttn Sahrlmnbert. 171

Mieles, roa« boöon ergäbt wirb, gehört ofme 3^«f^ ber ©age an. 3n ©tratforb am Stoffe «öon in SBarttricffttre am 23. Slpril 1564 geboren, erhielt er oon feinem SBater, einem .franbfajuhmacher ober SSolIhänbler , ber in ber Solge meiere ftäbtifche Remter be^ gleitete , eine gute (Jr^ie^ung , befugte bie tateirtifc^e ©djule feiner ißaterftabt unb foH nadj feinem Austritt au« berfelben eine Qt\t> lang Schreiber bei einem Slbbofoten in ©tratforb geroefen fein, ©djou in feinem neunzehnten 3a^re berheiratt)ete er fidj mit ber fteben 3afjre älteren Xodjter eine* mo^abenben ßanbmann«, bie ihm mehrere tfinber fdjenfte. 3m 3at)re 1586 ftebelte er nad) ßonbon über, mo er ftdj bem Ztyattx zuroanbte, anfangt al« ©djaufpieler, bann aber hauptfächlich als ©chaufpielbidjter , in meld)' lefcterer ©genfe^oft er balb ber entfehiebenfte ßiebling be* Sßublifumä mürbe unb inSbefonbere auch ben Seifafl ber Königin ©lifabetr) fanb, ob= mohl er , toeit entfernt , it)r , gleich feinen $unftgenoffen , in feinen Dichtungen SBethraudj ju ftreuen unb burch Schmeicheleien nach ihrer ©unft $u t)afd)en , fidj nicht freute , in feinen ©ramen ber herrfcheuben 3ritrid)tuiig entfehteben entgegen zu treten unb fia), mie diio fagt, jur Aufgabe fteßte, „fo Diel, al3 für it)n möglich mar, bie nrilben unb fdjmufcigen SBaffer abzureiten, meiere feit bem Regierungsantritte ber Königin ©Itfabctt) ben ©trom ber öffentlichen Meinung trübten." Sind) feine SBermögen&oerhältniffe geftalteten ficf> balb fo günftig, bag er fdjon im 3at)re 1596 baä fchönfte #au* in ©tratforb unb 1602 eben bafelbft bebeutenbe ©ruubftütfe faufen unb im $a$xt 1605 feiner JBaterftabt ein beträchtliche« Darlehen machen fonnte. hierhin (ehrte er im 3<*h*e 1611 jurücf, um feine legten ßebenäjahre in friller 8u^ücfgejogenhcit Einzubringen. <£r ffcarb am 23. Slpril 1616 mit .ipinterlaffung zmeter Xödjter unb rourbe in ber ^auptfirdje feiner Sßaterftabt beigefefct.

©f^eäpeare'ä Dramen fteden ba$ Seben in feinen maunig- faltigften (ährfdjeinungen mit folcher Xreue unb Sebenbigfeit bar, ba§ man, toie ÖJotfye fagt, „üor ben aufgefchlagenen Ungeheuern Suchern be$ ©chidfal« zu ftefjen glaubt, in benen ber ©turmminb be$ bemegteften ßeben« fauft unb fie mit ®eroalt rafet) hin; unb mieber blättert," unb enthüllen babei mit unübertroffener SDeeifter* fchaft bie innerften Xiefen be3 SRenfchenherjen«. 2lüe ©haraftere, mögen fte ber ©efduchte entlehnt ober ganz *>er $hanta^e btö ^ify terS eutfprungen fein, tragen ba8 ©epräge ber öoöenbetften inneren Wahrheit unb treten unä babei in einer Üttaunigfaltigfeit ber Qnbi^ mbualifierung entgegen , roie fte bei (einem anbern bramatifchen Dichter, roeber oor noch nach ©hft(e$peare , zu fwben ift. 5lde Regungen beä ÜJcenfd>enherzen8, oon ber z<*rteften ©mpfiubung unb tänbelnbem ©cherz, fprubelnbem 2öi^ unb nerfenber ßaune bid zur erhabenften moralifdjen Äraftentfaltung unb ben furchtbarften Schreiten

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172 Gnglanb in ber jtuciten &filfte bc§ fieberten 3af)rf)unbert3.

fccr £eibenfdmft , finb mit ber gleichen 9fteifterfchaft gezeichnet, uttb nicht minber glütflich ift bcr Dichter in ber ©dulberung be$ Säuer- lichen, ber fläglkhcn ©d)n)äche unb ber moralischen Scrfommen* hctt, fonrie in ber (£f)arafterifirung ber einzelnen 6tänbe unb bcr nationalen fögenthüinfidjfeiten. 2113 nrirflidje £eben$bilbcr geigen felbft @^afc#peare^ Xragübien ein ®emifch üon ßruft unb ©djerj, Don Seib unb grcub, unb mit ben erfchütternbften Scenen ber Sci- benfchaft unb beS herbften Seelenfchmerjea roechfeln ^eitere ©über, bic jcbocr) mit jenen *fo fimftootl bcrflochten finb, bafj burd) bie (SJctoalt be3 ©egenfa^eä ba3 Dragifche nur noch übermältigenber roirft. ©fjafcäpeare'ä 8prad)c belctbigt ^mar in einzelnen ©tel= len, too fid) um bte <Scf)ilberung nieberer (Efjaraftere t)anbett, ben Öcfchmatf unfercr Sät; aber nach bem Urtfjeil s2luguft 2SMl= beim ©d)legel£ ift fie in ihrer ©efammtheit „unmittelbar au3 bem Seben gegriffen unb meifterhaft mit bem hochftcn poetifd)en Sd)tnucfe rjeridjmoljen, ein nod) unübertroffene^ ©orbtlb im Staden unb ©r= fyabcnen, im öJefäHigen unb garten."

9ftan t)at in ©hafeäpeare'ä Sßkltanfdjauung ba3 „einfache, pofittoe, biblifchc (Ehriftcuthum bcr s$roteftauten" finben moHen; aber s3cid)t3 mibcrfpricht mehr ber SSahrfjcit al» biefeä auf ben miÜfür= lidjften ,£r)pothefcn unb bcr oollftänbigftcn ^ißfennung beS (X(ia- raftcrä feiner Dichtungen beruljenbc Urtheil. StjafeSpcare gehörte nicht nur, als ber ©ol)n eine« glauben£trcucn 9iecufanten, burd) feine (Geburt bcr fatbolijehen ftirche an, fonbern ift auch, wie §at)l= reiche uu^meibentige ©teilen in feinen bramatifdjen Dichtungen 6e* inciicn , fein ganzes Sebeu lang , tro^ aller an it)n l)erantretcnbcn Verfügungen jum ®lanben£abfa(l, feinen fatholifcbcn 2lnfd)auungen unb Ueberjeugitngen treu geblieben unb, nad) bem jebeufallö ferner nnegenben Beugiüß ^meicr anglifanifcher Ökiftlichen f als „s$apift" geftorben l).

Shafeäpearc'* burdnueg fattjolifche SBcltanfchauung bilbet ben (SJrunbtou aüer feiner Dichtungen. „Da$ Sdjidfal ber Gilten, mU dje* al* unabänberliche Wothroenbigfeit ber Freiheit bcr £>aublung gegenüber auftritt," jagt 23ei&, „fiubet fid) bei ©hafeäpeare nicht, fonbern Sdjirffal unb $cmüth finb bei ihm ein«; in ber ©ruft be3 SHenföen leuchten bie ©terne feinet Sdjitffate. Der üüfeufch ift ,V)err feinet 6d)itffal$ , roenn er auf bie göttlichen Scbenägebanfen eingebt; er berfällt ben eitrigen ©efejen , auch tuenn er noch fo groß ift, fofern er ber fittlidjen ^otljmenbigfeit junriber \)avbtilu ixben barnm enthalten auch 3hafe*peare'ä Dichtungen, toie SBeiB weiter bemerft , eine güQc ber tiefften ßebendmei^heit in fünfter gorm. 3n aüen feinen tragifchen Öeftalten maltet eine heitere föuhe,

1) Sie^c JHaid), (Sf)«k3peare'£ Stellung jur fatfjolifdjcn fird)c. aKainj. gr. Äird)t)etnu

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Die engli)'cf)c öitcratur im iedjje^ntcn unb fteb*et)ntcn ^a^v^unbert. 173

unb neben ber ®raft ber Sluffaffung reißen un$ bie liefe be3 ©e^ banfenS , bte burct)jtct)ttgc Stühe unb bte freubtge Stärfe $ur s8t- tounberung hin.

Die berühmteren unter ben bramatifchen Dichtungen Sl)afe3= peare im ©anjen fiebenunbbreißig Stücf finb feine fünf großartigen Dragöbien: „Siomeo unb Qulie" (1592), nad) £efftttg$ 2lu3fpruch „baä einzige Stürf, ba3 bie Siebe biftirt |at;* »$am< let" (1598), „ein ©ebanfen=Draucr)pieI, burd) anf)altenbe$ unb nie befriebigteä Scadjfinnen über bte menfd)H$en Sdjicffale , über bte büftere iöertoorrenfjeit ber SBeltbegebenheiten eingegeben, unb beftimmt, eben biefeä sJcachfinnen toieber in ben ^ufd)oucrn heröorjurufen," (Schlegel); „Äönig Sear" (1605); „Macbeth" (1609), ein SBcrf, baä in fetner großartigen 3rurct)tbarfcit an bie Surien bc£ Slcfchölo» erinnert, unb „Cttjcflo" (1612). S3on feinen luftorijd)en Schauipielcu fteüen brei: „3uliu£ CSäfar" (1606), „Wntoniuä unb Cleopatra" (1607) unb „(Soriolan" (1608), baä öffentliche fieben beä alten SRomä in ber großarttgften unb freieften bramatifchen Sonn bar; bie übrigen jef^n, bie ihren Stoff au$ ber englifdjen $efchichte ent~ lehnen : $önig Qofjann , ?Rict)arb II. , Heinrich IV. , Heinrich V., jRtcharb III., Heinrich VI. (in brei 2lbtheilungen, toahrfcheiulich baä äliefte) unb Jpeinrich VIII., büben nach Schlegel eigentlich nur ein ©erf , ein h^orM^c^ £>elbcngebicht in bramatifcher 5orm. „Die £aupt$üge ber Gegebenheiten," fagt Schlegel über biefelben, „finb fo treu aufgefaßt; ihre Urfadjen , fogar ihre Driebfebern finb fo lichrootl burchfehaut, baß man barauS bie Qtefdjichte nach ber 2Sahr= heit erlernen fann , toährenb bie lebenbige Darftellung fie ber ©in* bilbungäfraft unau3löfd)lich einprägt." $on Shafeäpeare'3 üuftfpielen gehören brei : ber Sturm , baä SBintermörchen unb ber Sommer = nachtötraum, ganj ber SBelt ber s45t)antaftc an; unter ben übrigen finb bie bebeutenbften „ber Kaufmann oon Sßenebig" unb „bie luftigen 53eiber oon SSinbfor", in welch lefcterem Stücfe Qohn Clbcaftle, ba3 .paupt ber Sollharben (f. 33. IV. S. 478), unter ber fomifchen ftigur beä galftaff farrifirt erfcheint.

Drofc be£ großen unb wohlöerbienten SBeifallä, ben ShafeS* peare'3 Dramen bei ihrem @rfd)einen auf ber englijehen iöüfjne ge- funben, fat) ber Dichter in feinen legten £ebenäjat>ren feinen hohen 9tuhm burch eine unberechtigte ®ritif gefchmälert. (Sine ÖJegen* partei , an bereu Sptfce jwet anbere bramatifche Dichter , iöen 3ohnfon (geb. 1573, geft. 1637) unb Sohn gleicher (geb. 1516, geft. 1625) ftanben , warfen ihm Langel an ©elehrfamfeit unb Mißachtung ber Slriftotelifchen Siegeln oon ben brei Einheiten oor unb brachten, an bie Stelle ber poetijdjen ®raft unb beä hohen ®ebanfenflug3 bie nüchternfte süuffaffung be3 Sebent fefcenb , eine ©efchmacterid)tung jur (Geltung, bie im Vereine mit bem immer

174 gnglanb in ber jtocitcn §älfte bcS ftebäehnten SahrfwnbertS.

weiteren Umfidjgretfen be$ bem X^eater fctnbüc^en puritanifchen Reifte« bie bramatifche ftunft in (Snglanb ihrem Verfalle entgegen führte.

©leid} nach bem Ausbruch be£ *8ürgerfrieg3 liefe ba* $arla= ment in feinem puritanifchen @ifer alle Schaufptelhäufer fdjliefeen, unb erft nach ber föücffchr ®arl3 II. mürbe baä Verbot ber s-8üh* nenfptelc ttueber aufgehoben. Xa£ engltfdje 2)rama fonnte fid) je* boch nicht mehr jn fetner früheren Jpötyc emporfdjroingen ; benn e3 lag oollftänbig in ben Öanben bc$ öon $arl II. nad) (Smglanb herübergebrachten franjöfifchen (SJefdjmacfö, gefiel fid) nur in Weu* $erlid)teiten , prunföollen (£oftüm$ unb Dekorationen, glänjenben Aufzügen unb bergleic^en, unb neigte fid) burd) bie Söerbtnbung be$ ©efangä mit ber Deflamation mehr unb mehr ber Oper ju. Der ^pauptrepräfentant biefer (5Jefchmacferid)tung mar 3of)n Grüben (geb. 1631, geft. 1701), ber öon ben ^itflenoffen als ber befon= bere ©ünftling ber 2Jcufen gepriefen unb im 3af)re 1668 al£ Did)= ter gefrönt rourbc. ©r ^at an breifeig Opern, Suft- unb Xrauer* fpiele gefchrieben, bie längft bem öerbienten Öoofe ber Söergeffenheit anheimgefallen finb.

Der bid)terifd)e 9lepräfentant beS reltgiöfen Sdjroimgeä ber ^re^bnterianerjett ift 3of)n 9R ü t o n. GJeboren 511 ßonbon im jjahre 1608 al$ ber Solm eines Notars, ber ihm eine treffliche (5r$iehung gab, bejog er fdjon in feinem fechäefmten 3°^rc °ic Unioerfität Offorb, roo er anfangt, bcm SBunfdje feinet söaterS cntfprcchenb, Xr>eologie ftubierte, fid) aber balb faft auSfchliefelid) ber Xict)tfunft jutuanbte, für meiere er fdjon frühe ein bebeutcnbeS Dalent an ben Dag gelegt. 9cad)bem er in ben Qahren 1638 unb 1639 granfreid) unb Qtalien burctjreift hatte, nahm er bei feiner SRücf* fehr in bie ^eimatf) feine früheren literarifd)en Stubien mit öer= boppeltem (Sifer mieber auf, lad Dante, Petrarca, Horner unb baS alte Dcftament in ber ürfprachc unb mufete balb bie beiben lefcteren faft gan$ auSmenbig. gür feine Dichtungen, öon benen bie älteften in lateinifcher Sprache getrieben finb, mahlte er meift. religiöfe unb moralifche Stoffe, in beren iöehanblung er nach flaffijdjer $ol* lenbung ftrebte. ißon feiner greifjeitäliebe jum Wnfd)lufe an bie Partei ber 9tepublifaner getrieben, entfagte er für eine Zeitlang ber sßoefie, um feine fchriftftetlerifche Dh^ta* auSfchliefeltd) ben üffent- liehen Angelegenheiten jujumenben. (Sine Schrift jur SBertf)cibigung ber Einrichtung $arlS I. öerfd)affte ihm bie befonbere ®unft (£rout= metlS, ber ihn jum StaatSfefretär ernannte. Obgleich fett bem 3al)re 1652 üoöftänbig erbliubet, blieb er raftloä literarifd) thätig, inbem er feinen Död}teru bifttrte unb fich öon ihnen öorlcfeu liefe. sJtad) ber SSieberherftcliung beS JBnigthumS mürben einige feiner Schriften burd) iumfer^hanb öerbrannt; er felbft aber blieb unbe*

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2)te englifäe Literatur im fedjaefmten unb ftebjeljnten Saljrlwnbert. 175

^efligt. „3dj fjöre," fagte $arl II., „bog SÄilton arm, franf unb blütb ift; ba ift er genugfam beftraft."

Seit biefer 3cit bilbetc bic <ßoefie nrieber Sflilton* £>auptbe* idjaftigung, unb im 3a^rc 1665 ooUcnbetc er feine grojjartigfte $>idjtung, „$a* Verlorene $arabie*\ in meiner ba* religiüfe (£po* ber ©nglänber feine fjödrfte iBollenbung erreichte. 9ttit nmnber* barer Äraft unb Wnmutlj jdulbert ber $id)ter bie erhabene 8d)ön* l>eit be* ^arabiefe*, ba* GUücf unb ben grieben be* erften sJtten* fdjenpaare* oor feinem gaHe, mit ergreifenben gügen einerfeit* in bem Satan unb ben gefallenen ©ngeln bie 2Kad)t ber Selbftfuajt, gepaart mit bem fc^merjlia^en äBetou&tfein be* iikrlufte* ber ur* fprüngliajen £>errlidjfeit, unb anbererfeit* in ben au* bem ^ara- biefe oerfto&enen ©tammeitern be* 9ttenfa)engefd)led)t* bie furcht* baren golgen be* Sünbenfall*. 9tur mit 9ttüf>e gelang e* ÜWil* ton, für biefe fyerrlidje $idjtung einen Verleger ju finben, ber itym für biefelbe je^n ^ßfunb jaulte ; aud) mürbe ba* SBerf öon ben QtiU genoffen Anfang* wenig beamtet. 3m 3al)re 1671 jdjrieb aWilton al* ©egenftücf ju biefer erften 5)ia>tung eine jtoeite: „£>a* nrieber* gewonnene $arabie*", in meinem er in ber ^erfudmug be* ^>eUan* be*, ber für iljn mefjr 9)*enfa) öl* ÖJott ift, bie Of)nmaa)t be* sööjen bem ©örtlichen gegenüber barftellt. Dbgleia) er jelbft biefer leiteten S)id)tung einen f)öfjeren SBertl) beilegte, al* ber erften, ftetjt fie ber- felben bod) bei Söeitem natf). ^lujser biefen beiben pauptbidjtungen fjat SKilton audj trefflidje fleinere Inrifa^e Öebidjte »erfaßt ; feine Obe auf bie ©eburt ©fyrifti gilt für bie befte, bie in englija>r Sprache gebietet roorben.

SBäfyrenb SDtilton in feinen 3Md)tungen bie $)oljeit unb £>err= lidjfeit ber djriftlidjen Religion feiert, ftetlte fia) fein 3e^Öenoffc Samuel Rüttler (geb. 1612, geft. 1673) bie Aufgabe, bie Ifjor* Reiten unb Uebertreibungen ber puritantfdjen ganatifer mit ber (beißet ber Satire flu jüdjtigen. Qu biefem @nbe {abrieb er, nad) bem SBorbilbe be* $>on Duijote, ein fotnifa^e* (£po*, ba* er nad) bem gelben, einem fdjeinfyetligen puritanijajen bitter, ber mit fei* nem Staflmeifter Stolpe äffnlidje Abenteuer beftef)t, tuie 3)on Quijote unb Sandjo Sßanfa, £>ubibra* nannte. Obgleich e* biefem (&e* bidjte niajt an ©eift unb 2Bt& fefjlt, f>at ber ^erfafjer bod) fein gro&e* SBorbilb Qeroante* nid)t erreidjt.

(£benfon>enig förberlidj al* für bie fünfte, Die jur (Erweiterung unb SBerfd)Önerung be* ßeben* bienen, fonnten bie fetten be* löürger* friege* unb ber Jperrfdjaft ber Puritaner für bie 2Öifjenjd)aften fein, ba ben Üßadjtfjabern bei ifjrer einfeitig religiöfen 9tia)tung bie pro- fanen Stubien gleidjgiltig, wenn nid)t gar anftö&ig unb oerberblid) erfahrnen mußten, unb in ber Xfyat mar ba* Strebeu be* Söarebone- Parlamente* auf nidjt* (Geringere* gerietet, al* auf bie gäujliaje

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176 Gnglanb in ber ^weiten ^»ftlftc be« fiebgelmten 3Ahrfninbert$.

Vernichtung ber Untoerfttäten. Togegen jeigte fleh ©rommell al* v$rotcftor ben (belehrten nicht ungünftig.

?luf bem ©ebiete ber ^^ilofoptjtc mar fchon ju (Slijabeth* Seit burch Sranj öoeo, Sir öon $erulam, einem ber fcharfftn* nigften Genfer (£nglanb* geboren 1561 , öon (Elifabett) jn ihrem außerorbentlichen ^Ratr) ernannt, unter 3afob I. ®roj}fiegel= bemahrer unb Sorb ^anjler, im Qa^re 1621 megen ©rthetlung öon Remtern unb s£ribifegien für ®elb oon bem Oberläufe angeflagt unb ju einer Strafe Oon öter$igtaufenb *ßfunb unb ©inferferung im Softer üemrtfjeüt, oon $arl I. jeboa) begnabigt, geftorben 1626 ber ©runb ju einem neuen pt)ilofopt>ifct)cn Sufteme gelegt wor= ben, ba* auf ber Anficht bafirte, baß bie Beobachtung ber äufeeren . SRatur ber einige SBeg pr CSrfemitniß ber Wahrheit fei. Tiefet Stiftern, welche* ba* 9teich ber äußeren SSelt unb ber Erfahrung jutn TOttelpunfte alle* menfdjlidjcn Söiffen* unb jum #crn ber $^ttofopt)ie machte, würbe weiter au*gebilbet burch Baco'* greunb Sfjoma* £>obbe* (geb. 1588, geft. 1679). 3eber religiöfen <5te ftnnung bar, fat) .ftobbe* in ber Religion nur eine UWenfchenerfinbung, ein ben £errfchern nüfcliche* Söerfjeug jnr Bänbigung ber Üßaffen, in ber Vernunft nur bie anerlernte Stimme ber Klugheit im 3)ienfte bc* (Sigcnnufcc* unb in bem Staate ben Xräger einer abfoluten ©e^ walt, oon ber alle* SRccht au*gef)e unb ber auch bie Kirche fidj öoCU ftänbig unterorbnen müffe. 3m ®egenfafc ju biefen neuen ftaat*= rechtlichen Wnfidjten, bie bei ötelen (£pi*fopalen Wnflang fanben, oer= trat «Igernon Stbneö (f. S. 159) bie fechte be* «olfe*, 511 beften Heftern bie Regierung beftetye unb ba* barum bie Cbrigfeit t)cfct)ränfen unb gänjltch änbem fonne.

(£ine weitere, cigeuthümliche Wu*bilbung erhielten Baco'* $In* fiepten burch 3°hn 0 cf c, ber, im 3ahre I6«*2 8U Sörington in ber ©raffchaft Somerfet geboren, auf ber Unibcrfität Offorb juerft neifunbe, bann $f)tlo)opf)ie ftubierte, feinen ©önner, ben (trafen Shafte*burn, nach beffen Stur^ nach ben Dlteberlanben begleitete, im 3<*f)re 1688 mit SÖU^elm oon Dranien nach ©nglanb jurüeffehrte unb im 3rthrc I704 \taxb. ®eftüfct auf ben Sa$: „Nihil est in intellectu, quod non fuerat in sensu sticht* ift im ©eifte, ma* nidjt bor her in ben Sinnen mar," leitete er alle* menfaV liehe SSifjcn au* ber Erfahrung, b. h- au* ber Beobachtung ber äußeren 9Jatur unb ber eigenen Ö)eifte*thättgfeit her unb mürbe ba* burch ber Skter bc* Senfuali*mu* unb (5mpiri*mu* *), ber bei feinen Schülern mehr unb mehr in Üttaterali*mu* überging.

1) SenfualtSmu* nennt man ba* jenige pljilofopljif che Stiftern, baSbie @mncmoaf)rncl)mung für bie aflemige Cucllc alle* ©iffen* erflärt, unb Umpu ri*mu* baSjenige, »eiche* aUe ©rfenntnife au* ber Erfahrung herleitet.

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2>ie engliidje fiitcratut im fccfeelmten unb ftebsefmten ^a^unbcrt. 177

3nbcm Sode bic 93ef)auptung aufteilte, baß ber Vernunft bie (£nt* Reibung über bie oon ben oerfduebenen sJleligiondparteien ald £)ffen= barungäletjren oertretenen Meinungen juftefje, brad) er ben foge= nannten gretbenfern ober Reiften bie $8afm, bie in ber ge* offenbarten Religion nur baa gelten laffen rooflten, maä mit ber fogenannten „natürlichen Religion4' übereinftimme.

Salb bübeten fid> in (Snglanb ©nippen oon Männern, bie Religion unb ©irtlidtfeit, fira)lia)e unb ftaatlidje Drbnung g(eia> mäßig untergruben. (Siner ber einflu&rcidjften berfelben mar ber ©raf Oon © f) a f t e * b u r ü, ber in feinen Unterljaltungäfdjriften bie Sibel unb bie SBunber, bie Religion unb bie 9Koral, bie Regierung unb baä ^iftorijaje SRedjt mit £>ofm unb Spott übergoß unb ber "änfidjt fmlbigte, baß man tugenbfjaft fein fönne ofme (&ott unb ba& bie Sorberungen ber ©innltdtfcit unb ber ©elbftfuajt ben 58er- nunftgejefcen nidjt jumiberliefen. Slnton So (lind (geb. 1676, geft. 1729), ein Sreunb unb Högling 8oaY3, fdjrieb gegen bie £>od}fira)e mie gegen baS Sfjriftentjjum überhaupt unb richtete feine Angriffe befonberä gegen bie ÜJceffianifdjen SBeiffagungen beä alten 33unbe3; er mar e3, ber ben tarnen „greibenfer" in Slufnaljme braute. *8on bem gleiten ©eiftc burdjmeljt ftnb bie ©Triften beä 3rlänber3 3ofm Xolanb (geb. 1670, geft. 1721), ber naa) fei- nem Abfall oon ber (at^oüfa)en fördje bie ÖJeiftlia^feit in Dielen $ampf)leten öerfpottete, bie Vernunft für bie työdtfte fötdjterin, aud) ber Vibel, erflärte, alle SJtyfterien leugnete unb feinen ßefjren aud) an ben £>öfen oon $annoüer unb Berlin ©ingang ju Oer- jdjaffen fudjte, an meld)' lefcterem bie Königin Charlotte ©opf)ie (f. ©. 39), fid) große 9i)culje gab, üjn $u nnberlegcn. Qvl ben eif- rigften Vefämpfern be£ (£f)riftentf)um3 gehörten audj ber 9tedjt3- gelehrte 5]Jfattt)äu3 Xinbal (geb. 1656, geft. 1733), ber bie natür* lidje Religion für genügenb erflärte unb mit ber Sftottjroenbigfeit ber Offenbarung biefe felbft beftritt, unb ber frühere anglifanifdje Ideologe %t)oma$ SBoolfton (geb. 1669, geft. 1731), beffen bie gefd}id)tlid)e ©laubnmrbigfeit ber $8ibel befampfenbe 2lbfjanblungen reigenben ^bfafc f anben , f onrie fpäter ber 58i3count $8 o Ii n g= brofe (geb. 1672, geft. 1751), ber in feinen ©riefen über ba$ Stubium ber ®efd)id)te baä ©hriftentfwm auf bie ja)onungälofefte s23ei)'e angriff.

SBätjrenb baS Veftreben ber englifd)en ^^Uofop^en jener &\t, aüe^ menfdjlidje SSiffen auf bie ©innemoaljmet)mung unb Gftfaf^ rung jurüdjufüfjren, auf bem (Gebiete ber Religion unb SJcoral bie b ef l a ge n ö ro c r 1 1) ef t cn Verheerungen anrichtete, führte ber 2Beg ber *Beobad)tung, auf meldten fie fnngenriefen, auf bem (Gebiete ber turmiffenfajaften ju ben überrafd^enbften (Sntbecfungen. 2)iefe maren ^aiiptfädjlid? baä SBerf be3 berühmten 9Jcathematifer$ 3 j a a f $olatoart$, SBeltßei^te. VI. 12

178 (Snglanb in bcr jrocttcn .fciilfte beä ftebjehnten Sahrfmnbert«.

91 e m t o n , geb. am 25. $ej. 1642 §u 2Boo(ftt)orpe in Sincolnfhire. ftachbem er im Qahre 1669 ^rofeffor ju ©ambribge unb brei 3af)re füäter SDlitgtieb ber üon £arl II. gefrtfteten föniglichen „Soctetät ber SBiffcnfcftaftcn" ju fionbon geworben, öeröffentltdfjte er feine eüochemachenbe „Xheorie be* Staate* unb ber garben" unb führte burch bie üon ihm entmtcfelten ©runbjä&e ber ^Raturp^ilo» fophie eine üöllige Umgeftaltung ber Waturmiffenfchaften gerbet, ©eine SBerbienfte mürben burch zahlreiche 2lu*aeichnungett unb (Styrenbe$eigungen anerfannt: bie ^artfer Slfabemte ernannte itm im Qahre 1699 jum au*märtigen ÜKitgliebe; bte Königin Slnna erf>ob ihn im 3af)re 1703 jum <ßräfibenten ber Societät ber Ziffern faxten unb im Satjre 1705 in ben ftitterftanb. ©r ftarb im 3a^re 1725, nach furjem Stanfenlager , im Hilter öon fünfunbachtjig 3af)ren, nachbem er fidj in ben jelm legten Sauren feine* ßebenä aller miffenfchaftlichen SBefchäftigungen hatte enthalten muffen, meil ba* Ueberma& ber Mnftrengung feine geiftige ^raft erfc^öpft hatte. (SJeorg I., ber Nachfolger $lnna% lieg ihn mit föniglichem Gepränge in ber SBeftminftcrabtei beifefcen. Xrofc feine* retchen SBiffen* mar er ftet* befchetben unb anfpruch*lo* unb bemahrte bi* an fein @nbe bte offene Unbefangenheit eine* Äinbe*.

Unter ben jahlreichen Sehen , bte ber religiöfen (Währung unter $arl I. unb in ben Reiten ber 9iepublif ihren iirfprung üer= bannen , mar bie etgentfjümltdjfte bie ber D u ä f e r. 2)er Stifter berfelben mar S^h" So? (geb. 1624, geft. 1691), ein au* ber &ecjre entlaufener Schufterburfche , ber fieb, , nachbem er ftch fd)on frür)e einem träumerifdjen Sinnen über religidfe fragen Eingegeben, üon © ott berufen glaubte , al* 33ujjprebiger au*jujte^en , um bem ißerberben feiner 3*1* entgegen ju treten, ba* feiner SReiming nach nur üon ber Ueberjchctfcung ber äußeren Seite ber Religion unb bem ^Berfennen be* inneren SBefen* berfelben ^errür)re. SDiefe* beftefje, fo lehrte er, in bem innerlichen Stufe be* göttlichen 2öor= te*, unb nur diejenigen , bie bemfelben folgten , feien roatjre ÜtyxU ften unb mürben oiirdj bte Wtafy be* göttlichen Reifte* üom Sööfen gereinigt. 55a er fich burch feinen fdjmarmertfdjeu (gifer jur Stö- rung be* öffentlichen ®otte*b teufte* unb ju heftigen 5)eflamattonen gegen bte GJeiftlidjfett hinreißen liefe, mürbe er mehrmal* gerichtlich üerfolgt , erlangte jeboch immer feine Sreihett mieber , ba ihm fein gefefcltch ftrafbare* Vergehen nachgemiefen merben tonnte unb ©rom- mell i^n mit Schonung behanbelt mtffen mollte. 3>ie allgemeine religiöfe (Währung führte ihm zahlreiche Anhänger ju, bte fich bie „(SefeÜfchaft ber greunbe" ober bie „©efenner be* Sichte*" nann- ten, üon ihren ÖJegnern aber ben sJcamen Ctuäfer (3itterer) erhielt ten, meil fie bei ihren gotte*bienftlichen SBerfammlttngen üor innerer Erregung häufig in conüulfiüifche* gittern geriethen.

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3>ic cnflUfdje Sttctatur tat fcthjefjnten unb ftebjc^ntcn Sahrhunbert. 179

Su ben Ctuäfern traten felbft mehrere gelehrten SHänner über, bie allmählich bie Anflehten bed ©tifter* ber ©ehe in ein georbnete* Sehrföftem brachten. <£incr berfelben , SS i 1 1 i a m $ e n n (geb. I674r geft. 1718), ber ©ofm be3 früher (©. 138) ermähnten ^bmiralfc, grünbete für feine in ©nglanb üielfach bebrängten (Blau* benSbrüber in fleorbamerifa, wo flarl II. ihm am Delaware gegen eine öon $enn3 Später ^errü^renbe ©dmlbforberung bon fechjehn* taufenb Sßfunb einen bebeutenben ßanbftrid) abgetreten, eine Kolonie, bie nach ihm ben tarnen $ennfnlDanien erhielt unb fleh balb $u ^o^er ©lüthe emporfchmang. 3n ©nglanb erlangten bie Quäfer erft unter Safob IL $ulbung unb unter SBilhelm III. ooCU jfönbtge Religionsfreiheit.

Stach ber ßet)re ber Duäfer ftnbet fleh in ber Seele eined jeben SReufdjen ein ber göttlichen Vernunft, ein gunfe ber ©einfielt, ber aber burch ben materiellen ßeib Derb unfett unb unter« brüeft ift unb entjünbet werben mufj, wenn man glüeflich fein will. <£urc$ biefed innere ßkt)t, baS bie Urfache aller religiöfen Srfennt* niB unb bie Duelle be$ frommen bebend ift , erhält bie tyiÜQt Bdjrift erft Söerftänbnif} unb Autorität. $a nach °er Anficht ber Dudfer ber äujjere (Sottefcbienft, bie firdjlic^en Zeremonien unb bie heiligen ©atramente unnüfc unb überflüffig finb , höben fie Weber einen befonberen ^ßrebtgerftanb als Vermalter bed göttlichen Sehr* amte$ noch eine beftimmte Öiturgie , auch feine Safttage unb feine Kirche, ©ie oerfammeln fleh in fchmucflofen ©ölen, wo fie fcf)Wei= genb, mit bebeeftem Raupte unb ben ©lief $ur (5rbc gefenft , fltyen unb harrcnf &i* ©inen, 3Rann ober grau, „ber ©eift ergreift/ ba§ er ju ihnen rebe. ©efdjieht bie* nicht , fo gehen fie fchroei- genb roieber auäeinanber. 3m gewöhnlichen ßeben jeidmen fie fleh burch (Einfachheit unb Strenge ber ©Uten au* , oerfchmähen jeben $tenft ber Sttobe unb jebeä weltliche Vergnügen , untertaffen jebe #öflichfeUab€$eigung , nennen Qebermann b u , bebienen fleh feiner anberen Anrebe als „mein greunb" unb oerweigem ben @ib, ben ftriegSbienft unb bie Uebernahme obrigfeitlicher Remter.

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2>er fpanifdjc erbfolgefrieg.

VI.

Der fvanifQe grBf of fleßr t eg.

(1701-1714.)

$ie bret crftcn ftrieggjal>re.

(1701-1703.)

spotte baS fiebje^nte 3af)rf)unbert feit bcm beginne beS brei&ig= jäfjrtgcn Kriege« bcr europäifcf)en SBelt nur furjc «Sttrifdjenräumc frieblicfjer Ütufje gegönnt, fo füllte baS ad)tjel)nte Ujm an öerfjeeren* ben friegSftürmen nidjt nad)ftel)en. ©leid) bei feinem beginn er= tönte auf« 9leue baä SBaffengetöfe , baä burd) bie 5rieben^fcr)Iüffe öon ÜiöSttncf unb ®arloroifc nur für furgc 3^* 5"™ Sdjmeigen ge^ bracht morben, in jtnei großen kämpfen, bie im 9torboften unb im Sübmeften 311 gleicher Seit entbrannten unb alle Staaten Europa' S in ifyren Strubel riffen. SBir tuerben un§ 3unäcf)ft mit bemjenigen befdjäftigen, ber um bie Erbfolge in Spanien geführt mürbe.

Sdjon feit einer längeren Steide öon 3a^rc« fato °ic Sroöc» mem nad? bem $obe bc£ finberlofen Königs ®arl II. öon Spanten, beffen beftänbigeS Sied)tf)um ein früfycS (Snbe erwarten ließ , bie fpanifa^e Sftonardue aufaßen fofle, bie, roenn audj augenblitflid) Don ifyrer früheren £>ölje fyerabgefunfen, bod) nodj immer burcf) iljr weit auägebefmteä , reidjeS unb fjerrlidjeS (Gebiet als ein beneibenS- roertfjeä @rbe erfdjien, bie Kabinette befdjäftigt unb ju ben lcbljaf= teften SBerfjanblungen 93eranlaffung gegeben.

$)ie beiben |>auptbemerber um ba§ fpanifdje (Srbe maren ßubroig XIV. unb $aijer Üeopolb I., bie iöeibe öon Södjtem $f)i= lipps III. abftammten unb mit Xödjtern ^IjilippS IV. Dermalst gemefcn maren. 9113 Sofyn ber älteren Sdjtoefter unb ®emaf)I ber älteren Xodjter ^fyilipps IV., mürbe ^ubmig unzweifelhaft ein nähere« (Srbredjt gehabt fyaben , als Seopolb , ber öon ber jüngeren Sduoefter ^SfjilippS IV. abftammte unb mit beffen jüngerer Softer öermäljlt gemefen , hätten nitf)t feine Üttutter Slnna öon Defterreicf) unb feine ©emafjlin Sftaria X^erefia bei tf)rer SSer^eirat^ung auSbrücflidj auf ba£ fpanifdje (5rbe SBerjidjt geleiftet, roäfjrcnb bie ÖJema^lin gerbinanbS III., SJiaria $lnna, unb bie Ö)emaf)lin SeopolbS I., sJJtargaretfja Xfyerefia, firf) bei Ujrer $Bermäl)lung auSbrüdlidj if>r ©rbredjt üorbefjalten Ratten. Slufjerbem fonnte ßeopolb jur S5egrünbung feiner Slnfprüa^e nid)t nur ba$ alte gamilienrea^t ber Habsburger, fonbern aud) baS öon bcu fpanifdjen (JorteS betätigte Xeftament s$f)ilippä IV. geltenb machen, traft beffen

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$ie bret erftcn ÄTiegSja^re.

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in Ermangelung eine« männlidfjen Erben #ar(8 II. bie gefammte fpanifcf>e 9flonardjic ber @emaf)lin ßeopotb« unb tljren ftadjfommen anfallen follte. $>urd) biefeS Xeftament wäre allerbingS baS Erb* xtd&t auf ben jungen Sftirprinjen Sofep^ gerbinanb öon SBaiern, als ben ©ofm ber einzigen Softer beS ftaiferS ßeopolb unb ber Sttarga* retfja Xfjerefta, übergegangen, roenn erftere bei ifjrer Bermäfjlung mit bem ßurfürften 9tta$imilian Emmanuel Don ©aiern auf Ber* langen ifjre$ BaterS, ber bie 21nfprüd&e be$ f)ab$burgifd)en |>aufe$ nidjt auf baS £>au3 SöittelSbadj übergeben feljen mottle , auf il)r Erbred&t Berjidjt geleiftet Ijatte. $a jebodj biefe Berjidjtleiftung ton ben fpanifdjen EorteS triebt anerfannt morben, l)ielt ber ®ur* fürft oon SBaiern bie Slnfprüdje feinet ©ofmeS aufrecht , mäljrenb Subnug XIY. bie feinigen auf bie öon feinen SRea^tSgelefn'ten ab* gegebene Erflärung ftüfcte , baß feine Berjidjtlriftung ungiltig fei, tuet! fein Surft bie 8tedjte feiner SRadjfommen öeräufcern fönne. Um jebodj ber SBcforgnifj ber übrigen 9J?äd)te öor einer Bereinigung ber fpamfd&en Sttonardfne mit ber fran$öfifct)en unter einem ©cep> ter entgegenzutreten, öerlangte er biefelbe toeber für ftd) felbft, nod> für ben $)aupf)tn, nod) für beffen älteften ©ofm, fonbern für feinen jüngeren Enfel, ben ©erjog $l)ilippöon2lnjou, nrie audj fieopolb auS bem gleiten ©runbe fein Erbredjt auf feinen jmeiten So^n # a r 1 übertragen tyatte.

Xro$ biefer öon ben beiben §auptbemerbern flur Beruhigung beä übrigen Europa'S getroffenen SJtafjregeln mar bie Söeforgnifj öor ber Störung be$ europäif djen (SJleidjgenridjtS burd) ben Jpeim- fad ber gefammten fpaniftf)en Monarchie an eines ber beiben £>äu* fer nidjt gejdmnmben, unb ebenfo lebhaft mar ber äBunfcr) ber &abU nette, bem $lu$brudj eines Krieges jnrifdjen Sranfreirf) unb Defter* reidj öorjubeugen. SlngefidjtS biefer ©adjlage braute Submig felbft, bem fjauptfäd)üdj barum ju tfyun mar , bie beiben ©eemäcfjte Englanb unb £ol!anb in trügerifdje ©iäjerfjeit einjumiegen , nod) öor bem Xobe SfarlS II. ton Spanien bei biefen beiben SÄädjten eine Teilung ber fpanifdjen 9Bonardue in Borfdjlag, unb in ber 2f>at fam nadj einigen Untertjanblungen am 11. Dt tober 1698 ättrifdjen granfreiä), Englanb unb |>oHanb ein geheimer XfjeUungS* öertrag $u ©tanbe , nad) meinem ber franjöfifaje ^ßrinj Neapel unb 6icüien nebft ©uipujcoa , ber öfterreidjifdje bie flanbrifdjen ^roöinjen mit 9ftaÜanb unb ber ®urprinj öon Baiern bie gan^c übrige fpanifdje 9flonard)ie erhalten follte. $5er fturfürft öon Baiem, mit meldjem fiubmig längft insgeheim llnterljanblungen angefnüpft, erKarte fid) mit biefer Xfjeilung einöerftanben ; bagegen legte ber Sftnfer gegen jebe SSerfürjung feines Erbreä)tS entfd}ieben Berma^ rung ein.

Snbeffen mar baS jttrifdjen ben brei TOäct)ten getroffene 2lb*

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$>er fpomfdje (Srbfolgcfrieg

fommen, öon welkem nur ber Kaifer unb ber Kurfürft öon ©aiern in Kenntniß gefegt werben follten, auch am §ofe oon TOabrib bc^ rannt geworben, unb Karl IL, ber non einer X^eidmg feines fdjö^ nen Meiches Nichts wiffen wollte unb überbieS heftig Darüber er= jürnt mar, ba& frembe 9)?ächte fieh unterfingen, noch bei feinen ßeb$eiten über baSfelbe $u oerfügen , ernannte am 14. Noöember 1698 ben Kurprinjen oon 93aiern ju feinem alleinigen (£rben. ßubwig ließ fofort burdj feinen ©efanbten in SRabrib gegen biefc GEmennung ^ßroteft einlegen, tüäfjrenb ber Kurfürft oon SBaiem, ber bamalS als Statthalter ber fpanifchen Nieberlanbe in ©rüffet Weilte , fchleunigft «orfehrungen traf , um feinen Sohn nach Spa= nien bringen ju laffen. $te ganje Sachlage mürbe jebod) buret) ben unerwarteten $ob beS ftebenjäfjrigen Kurprinzen üeränbert. $a hterburdj bie grage ber Erbfolge wieber in ihr urfprüngltcheS Sta* bium jurürfgetreten war, fam im SWarj 1700 jwifchen granfreieh, ©nglanb unb $oöanb ein jweiter X^cilung«öertrag ju Stanbe , in Welkem ßubwig fogar gegen eine bebeutenbe SBergröfcerung feines eigenen SlntheilS in bie ©r^ebung beS (Sr^eraogS Karl auf ben fpanifchen Sfjron Willigte, unter ber öebingung, ba& berfelbe binnen brei Monaten bem «ertrage beitrete unb ftd) verpflichte , bei £eb* jeiten Karls II. Weber nach Spanien noct) nad) Sttailanb ju gehen, aua^ töne öfterreidjifaje Kriegsmacht in fpanifct)e ßänber einrüefen 5U laffen; bod) auch bicSmal erhob Seopolb feierlich ^roteft gegen jebe $heifang t*r fpanifchen SÄonarchic.

$lm £ofe ju SKabrib fefcte unterbeffen ber franjöftfche ©efanbte, ber SßarquiS oon $>arcourt, alle £ebel in Bewegung, um oon bem mit rafchen Schritten feinem @nbe entgegengehenben König eine teftamentarifche SBefttmmung ju ÖJunften beS £>erjogS oon $lnjou ju erlangen, unb ba ihm ber Vertreter DefterretchS, ber alte ©raf ^arrach , an Schlauheit nicht gemachfen war , gelang eS bemfelben nicht, ihm erfolgreich entgegen ju arbeiten. 2lm 1. Ol tober 1700 unterzeichnete Karl II. ein Xeftament, worin er ^Sh^W öon Slnjou ju feinem Nachfolger ernannte. SBier SBochen fpäter , am 1. 9lo* öember 1700, erlag er feinem langen, öerjehrenben Siechthum.

WlS biefeS Xeftament , oon welchem au&er denjenigen , bie ju bemfelben mitgewirrt, Niemanb eine 2lhnunQ Schobt, befannt würbe, erheuchelte ßubmig Ueberrafct)ung. Obgleich er fich am ßiele fei* ner 2Bünfct)e fah , war er Slngefichts beS faum gefchloffenen jmet* ten XheifangSoerrragS , ben unter allen Umftänben treu unb feft ju halten er auf baS Öeftimmtefte jugefagt , einen s2lugenblicf fchwanfenb , ob er baSfelbc annehmen folle; boch balb fiegten fein @h*geij unb feine (SroberungSfucht über alle iöebenfcn. Nact)bem am 16. Nooember ber fpamfehe ©efanbte in 93erfaiHeä fnieenb ben ^erjog üon 9lnjou als König üon Spanien begrüfjt hattc r l«6

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$ie brei erften #rieg$iat)re.

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2ubti>ig bie glügeltfjuren öffnen unb erf forte ben oerfammelten Großen: „9tteine Herren, ©ie fef)en ^ter ben ®önig oon Spanien! $ie Natur fwt ifyn baju gemalt ; ber oerftorbene ßönig ijat ifm baju ernannt; ba* fpanifdje SBolf fefmt ftdj naa) ifjm, unb idj gebe meine 3uftimmung!" $ann fid) ju feinem (Snfel menbenb, fügte er dinju: „3ftre erfte <ßflid)t ift nunmehr, ein guter ©panier ju fein; aber oergeffen ©ie nidjt, baß ©ie oon ®eburt granjofe finb unb ba§ oon ber ©inigfeit beiber fronen baS ©lud ber SSölfer unb bie (Spaltung be* grieben* abfängt.'' 2ldjt Xage fpäter, am 24. Wo? oember 1700, mürbe ber ^erjog oon Slnjou ju SRabrib als $f)i= lipp V. jum tfönig aufgerufen. er am 14. Eeaember SSer* jaule* oerließ, um oon feinem neuen ®önigrcid) SBefifc $u nehmen, oerrietljen ßubmig* Mbfdjiebamorte : „2Rcin ©ofm, jefct gibt e$ feine ^renaen mef>r!" in unsmeibeutiger SBeife bie ftoljen £errfd)aftä* plane, mit benen fid) ber eljrgeijige ftönig trug.

2lm 18. gebraar 1701 Ehielt W^PP V. feinen (Sin$ug in SRabrib, unb balb lief auf allen fpaniföen Webenlänbern bie Waa> riajt ein, baß er in benfelben gleidrfafl* al* ßönig anerfannt n>or= ben. SBon ben auämärtigen Surften mar ber fturfürft oon Saiern, ben fiubmig burdj bie SluSfidjt auf bie feinem $>aufe ju oerleiljenbe erbliche ©tattfjalterfdmft in ben ftiebertanben ganj in fein Sntereffe au $ie§en gemußt, ber (£rfte, ber feinem Setter ?fulipp ®lürf towifdjte unb ifjm in allen erforberlidjen gäUen feine Dienfte an* bot. ©einem ©eifpiele folgte balb audf) fein 33ruber, ber fturfürft Sojepf) ©lernen« oon ftöln, ben Submig gleidtfatt* burd) glän$enbe 8«fagen $u föbern gemußt. Qn Statten fanb Subnrig *8unbe*ge= noffen in bem $>erjog SBictor 2Imabeu* oon ©aoouen, ber al* ber Sdjnuegeroater be* neuen Königs oon ©panien fogleid) auf beffen Seite getreten, unb bem £>erjog ßart IV. oon sJJtontua. $a meber bie ®eneralftaaten nod) dnglanb jum Kriege gerüftet maren unb ©üljelm III. fid) überbie* gerabe bamal* burdj eine ungünftige Stimmung be* Parlament« am freien |>anbeln gefyinbert fafj, muß* ten audj fie fid) jur ?Inerfennung ^ßf)ilipp* bequemen; bod) trafen beibe Üftädjte im ©tiöen if)re SBorfefjrungen, um, fall* ber ftaifer &u ben SBaffen greife, im geeigneten Momente in bie Slftion etm treten $u tonnen.

©o fd)ien SubmigS ^Ranfefpiet ooüfommen gelungen unb baä fpanifc^e @rbe für Defterreid) Oerloren ju fein. $5em mar ieboc^ nia^t fo. fieopolb, ber baS Xeftament Äarl* II. für erfd)lid)en er= Körte, mar feft entfdjloffen, für ba« unbeftreitbare 9led)te feine* $auje* sÄüe* einjufefcen unb troj ber (Sria^öpfung feiner ©taaten ben Stieg mit granfreic§ aufzunehmen. 3n biejem S3orfa^e be* ftattte i^n befonber* ber Sßrina Sugen , beffen ftaatömännifc^er Sa>rfblid mo^l erfannte, baß mit bem 93efife ber fpanifa^cn

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3)cr fpanifdK Grbfotgcfrieg.

Monarchie ba3 Uebergewicht be$ £>aufe£ ©ourbonin Ghiropa ent= Rieben fein werbe, unb ber ben #aifer umfomehr ju rafchem ftanbetn brängte, als er überzeugt mar, bafj fich nach bem erften ©ieg ber öfterreidjifdjen Stoffen SöunbeSgenoffen für benfelben ftn= ben mürben.

Gana allein ftanb inbeffen ßeopolb auch beim ^Beginne beS Krieges nicht. Aufjer bem neuen Äönig oon Greußen, ber ihm ein &itf$h*er oon achttaufenb 9Rann augejagt, tydt fich auch ber ßur= ürft oon ^onnoüer burch ben $anf, ben er bem #aifer für bie einem &aufe bewilligte Rangerhöhung fchulbete, ju beffen Untere tüfcung verpflichtet, dagegen hatte ßeopolb Don Seiten beS Rei* djeS, baS bie ganje Angelegenheit als eine ben ftaifer perfönlich betreffenbe betrachtete, für ben Augenblicf feine #itfe $u erwarten. $er fturfürft öon ©achfen, ber in ben öorhergehenben Kriegen fein iöunbcSgenoffe gewefen, fah ftd) burch ben im Horben entbrannten £rieg, an welchem er als ftünig öon *ßolen betheiligt mar, in bie Unmöglichfeit oerfefot, für DefterreichS auteS Stecht irgenbwie ein$u= treten; SBaiern unb Äöln ftanben ohnehin auf granfreichS Seite, unb bie übrigen ©tänbe begnügten fich bamit, unter einanber ein Söünb* nijj $u gemeinfamer Abwehr eine« etwaigen Angriffs auf ihre Ge= biete ju fdjtieSen.

Rachbem ßeopolb feine ©treitfräfte auf achtjigtaufenb 9Rann erhöht hatte, &™ch ®Wn m Wax^ 1701 mit einem $>eere öon breifjiataufenb Sflann nach %talkn auf, um ben granflofen bie bor- tigen fpanifdjen Rebenläuber $u entreißen. 55a Sßenebtg fich für neutral erflärt unb ©atinat, bem ßubwig auch bieSmal ben Ober- befehl in Italien übertragen, bie Xnroler ^äfje gefperrt hotte, De* ld)lo6 ber ^rinj, fich über baS Gebirg im Rücfen beS getnbeS einen 2S*eg $u bahnen. Xurdj unwegfame %fyäkx unb auf fteiten 5öerg- pfaben, bie nur ben Birten unb Jägern befannt waren, ließ er burch einige feiner Regimenter, benen bie umwofmenben Gebirgsbewohner bereitwillig Söeiftanb leifteten, SBege ^crftcUcn für bie Reiterei unb baS Gefchüfc, unb wo ben ^ßferben baS Sitfytn ju fchwer warb, legten ©olbaten unb dauern mit Jpanb au. Räch unfägtichen SRühen, Öefchwcrben unb Gefahren, benen Sftenfchen unb i(ucrc *n Ör°6cr 3ahl erlagen, ftieg 511m ©rftaunen (EatinatS, ben (Sugen burch bor- genommene RecognoSctrungen in bem Glauben ju erhatten gewußt, baß er an ber (£tfch burd)$ubrechen beabfichtige, baS faiferliche £>eer $u Anfang guni in bie (Jbene üon Verona hinab. (Sugen fuhr fort, feinen Gegner burch gefchiefte £>in= unb ftermärfche ju täufchen unb fchlug ihn, nachbem es ihm gelungen, bie (Stich 5U überjehrei^ ten, am 7. ^uli bei (Sarpi, trofc ber numerifchen Uebermacht ber gran$ofen, burch eincn unerwarteten Angriff fo ooüftänbig , baf* ßatiuat fich "ber ben Üttincio unb ben Oglio jurücfjiehen unb ben

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$ie bret crftcn #rieg3ja*n*.

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flaiferlic&en ba3 ganje Gebiet ätt)ifcr)en biefen gfüffen unb bcr ©tfct) überraffen mußte.

Xie 9cact)ricr)t öon biefer SKieberlage öerfefcte ben ®önig üon granfreict) in ben fjeftigften Sora. (Sx entzog fofort bem tüct)tigen Gatinat ben Oberbefehl unb übertrug benfelben bem aJcarfdmtl üon Silleroi, feinem befonberen ©ünftling, ben er mit einer SBerftärfung ton ^manjigtoufenb SJcann nact) Italien fanbte. SBitleroi, ber bie Vertreibung ber ®aiferlict)en au* Italien für ein &inberfpiet fuelt, ging gleich nact) feiner Anhtnft im franjöfifdjen ßager über ben Dglio, um ben ^ringen, ber bei f) i a r i in trefflict) gemähter ©tetlung ein ücrfdjanäteä ßager belogen, mit einem bem faifertidp um baS Stoppelte überlegenen $eere anzugreifen. $er Angriff erfolgte, troj ber Abmahnungen (Satinatä, am 1. ©eptember unb enbete mit einem streiten glänjenben ©iege ber $aiferlict)en, bie mär)renb beä ganzen ®efecr)te3, gegen bie franjöfifdjen kugeln gebeert, hinter f)of)en SBerfdjanjungen geftanben t)atten unb bat)er nur fecr)$unb* breifjig Xobte unb einunbadjtjig SBertounbete jäteten, roätjrenb ber Seinb über ^toeitaufenb £obte unb unter benfelben $meir)unbert Offiziere auf bem ©ct)lacr)tfelbe jurücfliefe. 9cact)bem beibe gelb* Herren einanber noct) jroei Sflonate lang beobachtet, belogen fie bie Winterquartiere, melcr)e bie granjofen im 9)ki(änbif(t)en unb bie €efterreict)er in ®u aftafla nat)men.

bitten im SBinter überfiel Gragen 511 näctitlicrjcr ©tunbe bie Seftung (5 r e m 0 n a. günft)unbert faiferlidje ©renabiere brangen buret) einen troefen liegenben ffrinal in baä 3nnerc ocr ©tobt, über« rumpelten bie $r)ornmcr)e unb öffneten bem £>auptforp3 ben (Sin- Sang. 9tafct) ergoffen fict) bie faiferlict)en Gruppen buret) bie ©trafen Sremona'ä unb jmangen SBiHeroi, ber in feinem SBette überfallen tonrbe, fidt) gefangen ju geben. (£t)c jeboct) ein jmeitcä ®orpä, ba£ unter bem ^rinjen öon ißaubemont öon bem Sörücfenfopfe auä in bie ©tabt einbringen fottte, angefommen mar, t)atten fict) bie gran* jofen öon bem erften ©ct)recfen ber Ueberrafdmng ert)olt, unb nact) einem jet)nftünbigen t)ei§en ©tra&engefecr)t, ba$ ben granjofen jmölf- fyunbert, ben ®aiferlict)en fcct)3t)unbert SJcann foftete, mußte fict) Sugen, ba injmifct)en bie SBrücfe jerftört roorben mar, über roeldje ^Baubemont einbringen foflte, $ur SRaumung ber ©tabt entfct)liefjen. $en gefangenen SBiüeroi fanbte @ugen nad) 3nn3brucf ; bie ^arifer aber forberten in einem ©pottlieb bie Armee auf, bem $rieg8gotte für ü)r beifpieöofeä ©lücf 5U banfen, baß fie „GSremona behalten unb ifnren ©eneral üerloren t)abe." Shibmig erfefcte it)n buret) ben tapferen unb friegSrunbigen $erjog öon SBenbome, ber mit bebeuten* ben Verftörfungen in 3ralien anlangte.

3njroifcr)en t)atten bie ©eemäct)te Cragtanb unb £>oflanb, nact> bem fie üergebenä öon Submig XIV. eine billige (Sntfcrjäbigung für

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3)er fpanifdic Grbfolgcfrieg

bat Kaifer unb beftimmte S«flcftänbniffc jur Sicherung ihrer burch bcn Uebergang bcr fpanifd)en SRonarchie an ba3 §au$ Vourbon gefährbeten £>anbel3intereffen ju erlangen gefuct)t, ermutigt burct) bie 3ortfct)rirte (SugenS in Statten, im September 1701 im §aag mit bem Kaifer jur gemeinfamen SBefämpfung ßubmigä ein JBünb* ni&, bie „große 5lflianj", gefd)loffen. i)ie Verbünbeten öerpflich- teten ftd), ben Krieg gegen Srranfreict} fo lange fortzuführen, bis bem Kaifer ®enugtf)uung für feine Slnfprüdje geworben, bie See* mächte bie gemünzten Sicherheiten für ihre jpanbeläintereffen er* halten haben mürben unb lunreichenbe ©ürgfdjaft bafür erwirft fein werbe, ba& Sranfreid) unb Spanien nie unter bem nämlict)en Scepter oereinigt werben mürben. $a3 englifche Parlament t)atte jmar Anfangs bem Äönig Sct)wterigfeiten bezüglich ber nötigen ©elbmittel gemalt, ba in bemfelben bie griebenäpartci bie Dber= hanb hatte, unb bie englijche «Ration felbft mit 5Bilbelma friegerifdjer ^olitif wenig einöerftanben mar; allein üubmig führte burch eine neue Vertrag&öerlefcung einen rafchen Umfchmung in ber Stirn* mung ber (Snglänber ^erbei. Uneingeben! ber im ^rieben üon fööäwicf gegen SSilhelm III. eingegangenen Verpflichtungen, er= fannte er nach bem £obe 3afob3 II, (16. Sept. 1701) beffen Sohn Safob CSbuarb, ber ben Warnen 3afob III. annahm, als ben rechtmäßigen König oon (Snglanb an, in ber ©offnung, baburch in ©nglanb einen neuen Kampf ber Parteien heroor ju rufen. $a$ englifche Volf, ba« f)izxm eine unbefugte Grmnüfdmng in feine inneren Angelegenheiten erblicfte, jeigte fich über ßubmigä 5ln= maßung aufä $>öchfte erbittert, unb ba* neue, unter bem ©influö ber gänzlich öeränberten Stimmung gewählte Parlament bewilligte bem König ohne Schmierigfeit bie nötigen ©elbmittel für bie s2ln= Werbung oon Dierjigtaufenb Sttann ßanbtruppen unb ebenfo Bielen SOcatrofen (f. S. 169).

SBilhelm übertrug ben Oberbefehl über bad Sanbheer, ben er wegen feiner (Sxfranfung nicht felbft übernehmen tonnte, bem $um trafen toon 9)carlborough ernannten ©eneraflieutenant ShurdnH, ber fich im 3Jcärj 1702 nach 9tieberlanben einfchiffte. Kaum waren jeboch 0*c englifchen iruppen in ^poüanb gelanbet, al£ bie Nachricht öon bem Xobe SSilhelmö eintraf. $er Xr)ronroecfjfetr ber in ben Wieberlanben wie in Oefterreich bie SBeforgniß einer minber thatfräftigen Kriegführung oon Seiten (£nglanb$ hetöorrief, änberte jeboch Seichte an ben getroffenen ÜJcaßregeln, inbem fich burd); auä unfelbftftänbige Königin Anna burdj bie jur Oberfthofmeifterin ernannte Jperjogin oon 9Jcarlborough, it)re 3ugenbfreunbin, unfehwer bewegen lieg, baS Programm if>rc3 Vorgänger* in allen fünften aufrecht ju halten.

$a injwifchen auger Greußen unb #annober auch öier 9teid^

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3>ie brei etftcn ihiegäja^re.

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freife, her fränfifdje, ber fd)tr»äbifdje unb bic beiben rf)einifd>en, ber großen Slfliana beigetreten maren, fd^tog fid> ba3 töeid) in feiner ®efammt^eit, bem Verlangen beS ßaifer* entfpredjenb, gleidtfaU* an biefelbe an unb erftärte am 6. Dftober 1702 an 3ranfreid> ben Ärieg, morauf ber fran^öfifc^c (Sefanbte ju föegenäburg bie SBeifung erhielt, binnen brei Sagen bie ©tabt ju öerlaffen.

$en Oberbefehl über alle ÄriegSöölfer am Obergern, fotoo^I bie faiferlidjen al3 bie öon bem Steide ju ftellenben, übertrug ßeopolb bem betoäfjrten SRarfgrafen ßubmig öon ©oben, bei roel* #cm fidj aud) ber römifdje $önig 3ofept) einfanb, um fidj perfön= üd) an bem Kampfe $u beteiligen. $er Sttarfgraf eröffnete bie geinbfeligfeiten mit ber Belagerung öon ßanbau, ba3 öon bem be* rüa^tigten SMac öertfjeibigt mürbe, 9iad)bem ein öon (Satinat ge* führte* (gntfafcljeer jurüdgefdjlagen trorben, mußte fia) 2Mac am 11. September 1702 $ur Kapitulation öerftefjen. ©djon ftanb ber SCNarfgraf im ©egriff, in ba& offenftetyenbe (Slfaß einzubringen, aU bie 9fcad)ria)t eintraf, baß ber Shirfürft öon Söaiern, ber bifytt nur infcgefjeim mit Sranfretdj im *8unbe geftanben, fid) am 8. ©ep= tember burdi einen uädjtlidjen UeberfaH ber SReicfyäftabt Ulm be- mächtigt unb biefelbe nebft mehreren onbern ©täbten be$ fdjmä= btjdjen Greifes befefct t)abe. *Diefed öerrätfjerifdje Vorgehen nötigte ben SDtarfgrafen, am Dberrfjein $u bleiben, um bie Bereinigung beS fturfürften mit bem 9flarfdmll SöiüarS ju öerljmbern, ber furj nad) ber Uebergabe öon ßanbau mit großer ©efdurflidifeit ein ftarfeä franaöfifdjeS £>eer bei Rüningen über ben SRfjein geführt hatte. 5?lm 14. Dftober fam e& bei grieblingen jmifa^en ben beiben Selb^erren gu einer ©d)lad)t, bie jmar unentfdjieben blieb, aber baä franjoftfa^e £eer fo fel)r gefdjroädjt l)atte, baß Billard fid) roie* ber über ben #tt)ein jurürfjie^en mußte. $n ben 9lieberlanben mar unterbeffen aftarlborougf) gegen ben erfahrenen SJtorfdjaü 93ouff= lerä im 93ortt>cil geblieben unb t>attc bie 3eftungen SBenloo unb fiüttidj erobert.

3n 3*a^tti fam e8 im Qatjre 1702 $u feiner entfdjeibcnben SBaffcnttjat. 3)a (£ugen bem unter Söenbome auf adjtjigtaufenb SÖ?ann angeroadjfenen franjöfifdjen ^eere nur öierjigtaufenb üflann gegcnüberfteüen fonnte unb feine Xruppen überbieä bei ber ®elbnott) be3 Söiener #ofe$ an bem 9totl)n)enbigften SRangel litten, mußte er fic| auf bie $)efenftöe befdjränfen unb falj fid) fogar außer ©tanb, ben (Smtfafc ber Seftung SKantua burdj bie granjojen ju öerfnn* bem. 211* jebod) SBenbome, um ifjn auS feiner unangreifbaren Stellung bei CEurtatone ^erau^ubringen, ben $o über f djrttt unt> ©uaftalla unb ©re^cello bebrofjte, mo faiferlia^c 33efa^ungen lagen, rüdte ber $rinj i^m fü^n entgegen unb griff il)n am 15. Muguft in feinem 2ager bei ßujgara an. 9Zaa^ einem Reißen Kampfe,

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$er fpamfäe (Srbfolgefrieg.

in meinem ba« ®rieg«glütf fidj balb auf bic eine , halb auf bie anbere Seite neigte, fafj fidj SBenbome, trofc feiner bebeutenben numerifdjen Ueberlegenheit, jum föütfjug hinter feine S3erfd)anäungen genötigt.

9tt« #err be« ©chladjtfetbe« burfte Eugen fidj bie @^re be« Siegel auftreiben ; allein an ein Verfolgen be«felben fonnte er bei 0 bem troftlofen ^uftanbe feine« $eere« nicht benfen. 211« SBenbome, auf jeben weiteren Singriff öerjic^tenb , $u Anfang Wooember bie Winterquartiere belogen hatte, trat ber $rtnj ben Oberbefehl an ben (Urafen ©uibo öon ©tarhemberg ab unb eilte nach SSien , ent* fcfiloffen, fein ®ommanbo nieberjulegen, fall« er nicht rafaje Sfbhilfe ber unhaltbar geworbenen Sage be« £eere« erlangen fonne.

Eugen fanb in SBien nicht nur bie ginanjnoth größer, al« er fieft gebaut , fonbem auch bie Verwaltung be« ®rieg«wefen« in einem 3uftanbe, ber ihm bie ernfteften Veforgniffe für ben Skr* lauf be« Kriege« einflößte. Wit bem ihm eigenen greimuth ent- hüllte er bem ßaifer bie jahlretchen Mängel in bem #eermcfen wie in ber ginansöerwaltung , unb biefer lieh ™fy nur feinen Reform* öorfchlägen ein willige« Di)v, fonbern ernannte ihn felbft $um *ßräfi* benten be« £>offrieg«rath«.

Dbgletd) bem ^rinjen trofc ber einftcht«bolIften unb raft* lofeften Xhätigteit unmöglich toax, alle Mängel eine« ©uftem«, ba« Jgahrhunberte hindurch unangefochten beftanben, mit einem ©djlage p beseitigen, matten fidj balb bie h^ilfamen folgen ber öon ihm eingeführten Reformen im reidjften 9Jcaße geltenb; boch war bem ^rinjen junächft nid)t oergönnt, biefelben auf bem italienijchen $rieg«fchauplafce ju öerwerthen , ba feiner eine anbere Aufgabe harrte.

$)te ^Bemühungen ber faiferlichen Regierung , in Ungarn nicht nur burch bic £>ebung be« Sieferbaue« unb ©ewerbe«, fonbem auch burch ftrenge £>anbf)abung ber ©ercajtigfeit unb wachfame« Biebers halten aller Drbnnng«ftörungen bie SEÖunben $u fytiltn, bie ber lange , öerfjeercnbe Sfrieg bem ßanbe gefcfjlagen , ha^e unter ben (Droßen, bie aud) jefct nodh bie Ungebunbenheit nicht aufgeben wölk ten , an welche fie fid) währenb ber langjährigen ®rieg«wirren ge- wöhnt, bie frühere Unjufriebenheit wieber erweeft, unb ber Surft 3ran$ ßeopolb 9t a g 0 c 5 9 , ber ©tieffohn be« in ber Verbannung lebenben Emmerich Xöfölö , fjattt biefelbe jur Slnjettlung einer neuen Empörung gegen ben Äaifer benu&t , bie , öon geheimen Agenten ßubwig« XIV. eifrig gefchürt, bei ber nahezu öollftänbigen Entblößung be« fianbe« öon faiferlidjen Xruppen immer beben!* liefere $)tmenfionen gewann.

Xa Sftiemanb geeigneter fdjien , biefe neue ©efafjr für ba« $aiferl)au« ju beschwören , al« Eugen , übertrug ihm Seopolb ben

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2)ic brei crften #rteg3jat)re.

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Oberbefehl über fämmtlidhe jur ^Bewältigung beS AufftanbeS oer- fügbaren Truppen unb fanbte ihn nach $re&burg mit bem Auf- trage, bie Qnfurgenten entweber auf bem SBege frieblidjer Untere fmnblungen ober burd) Waffengewalt jum ©ehorfam $urüd$ufüf)ren. (Sugen erfannte balb, bafc nur baS lefctere 2Kittel jum #tele führen tonne, unb jögerte niajt, baSfelbe mit aller Energie $ur Anmenbung §u bringen; aber bei ber ©eringfügigfeit ber ihm $u (Gebote ftehen- ben 6treitfräfte unb bem gänzlichen Langel an ©elbmitteln blie- ben feine Bemühungen jur Unterwerfung ber Aufftänbifchen erfolg^ loS, unb als er im Januar 1704 währenb ber winterlichen Waffen- ruhe naa) Wien jurücf fehrte , um burd) feine ©egenwart bie iöor- fe^rungen für ben Setbjug beS nädjften 3al)reS ju befajleunigen, rief i^n ber Verlauf beS großen Kampfes um baS fpanifche (£rbe auf ben weftlichen UfriegSfchauplafc jurüd, wo glän$enbere Lorbeeren feiner harten.

TaS 3a^r 1703 mar nidjt allein burch ben ungarifchen Auf- ftanb eines ber gefahrbrohenbften in ber wcd))cloollen Regierung ßeopolbS I. geworben: auch im Kampfe gegen granfreid) fyattt ben ^aifer üielfadjeS Stti&geidutf betroffen. sJ*ach jwei oergeblichen Sßerfuchen, fich mit bem fturfürften oon söaiern $u oereinigen, mar ber 2Warfchail JöiüarS, ber ben Oberbefehl im (Sljafj führte, $u An- fang 3Jtoi $um britten 9Wale über ben dtytin gegangen unb, nad) einem oergebliajen Angriff auf bie beutjehen Linien bei ©tollhofen, oernüttelft eines gefchidten SftarfdjeS burch ben ©chwarjwalb unb baS windiger Thal über Stonauefdungen bis nach Tuttlingen in Schwaben oorgerüdt, wo ber föurfürft ihn erwartete, tiefer mar hierauf, währenb Ottlars iöaiern bedte, in Ttyrol eingefallen unb hatte bie wichtige Seftung &ufftein befefct; felbft bie $auptftabt QnnSbrud fyattt ü)m om 25- 3u"i ergeben. ,8U *>er gleiten 3eit mar Söenbome, gegen welchen ©tarhemberg fich bti ^cm fr°fI= lofen guftanbe feiner burd) junger unb ftranff)ett faft auf bie ^pälfte rebucirten Truppen nur burch feine fcltenc ÄriegSgewanbt- heit unb ruhmwürbige AuSbauer hatte halten tonnen, oon Italien aus in bie Gebirge beS füblichen TörolS eingebrungen, um fid) mit bem Murfürften ju gemeinfamem Vorgehen gegen Wien \n oer- einigen. 5)iefe Bereinigung war jwar nidjt ju Stanbe gefommen ; benn bie treuen Ttyroler hatten fich injwifchen unter bem tapferen Sanb- ricfjter Martin ©ter$inger $um Äampfe für ihren Sfaifer $u- fammengefchaart unb aus allen ©a)hichten unb üon allen 5*13= fpifcen h^rab mit ihren fixeren Äugeln unb herabgeftürjten Öaum- ftämmen unb SelSblöden bie oorbringenben >8aiern fo erfolgreich angegriffen, bafj ber föurfürft, ber felbft nur baburdj bem ihm oon einem Turoler <3d)arfjchü$en jugebachten Tobe entgangen, bajj bie- fer ben neben ihm reitenben, reifer gefleibeten (trafen Arco für

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$>er fpanifäe Grbfolßefrieg.

ifm gehalten, fd)leunigft ©efefjl jum Stückig fjatte geben muffen unb nur mit ber #alfte feine* §cere* nad) Katern aurücfgefefjrt roar: aber bafür Ratten bie $aiferlid)en in Saiern felbft unb am Üitjeine empfinblidje Schläge erlitten. 3>er General Stnrum mar am 20. September bei £>ödjftäbt bura> bie oereinigten 5ran= ^ofen unb ©aiern auf* $aupt geflogen morben; bie mistigen Seftungen ©reifadj unb ßanbau fmtten fid) ben granjofen ergeben muffen; SRegen*burg t)attc ber Shirfürft öon Söaiern, Wug*burg ber fran^öpfctje Cberbefel)l*f)aber Sflarfin , ber 9ka)folger «illar* , be= fcftt ; ja felbft ba* mistige ^ßaffau, ber Sdjlüffel $u Dberöfterreid), mar in bie #änbe ber iöaiern gefallen.

®lücflic|er mar ber Selbjug öon 1703 für SDcarlborougf) oer* laufen, bem feit bem Anfang be* Qaljre* ber nad& neunmonatiger ßtieg*lmft Don bem #aifer ofjne ßöfegelb freigegebene söilleroi gegenüberftanb. $a biefer forgfältig jebem ernften 3wfömmenfto6e mit bem getnbe an^umeia^en futf)te, fonnte Sttarlborougt) ungern* bert feinen geftung*frieg in ben fpanifdjen 9cieberlanben unb im $ölnifd)en fortjefcen unb 53onn, £>uü, Himburg unb ©elbern in feine ÖJemalt bringen, mofür ifjm bie Königin $nna ben $erjog*titel uerliet).

Unterbeffen fwtte bie große 2lflian$ jmei neue ÖJenoffen erhal- ten. 9cadjbem bereit* im Sommer 1702 ber $önig ^ebro 11. öon Portugal , burtf) bie 3ufa9* ber Abtretung mehrerer ipanifdjen Seftungen für ben (Sr^erjog $arl gemonnen, ficf) ben JÖerbünbeten angefdjloffen , entfagte and) ber £>er$og üßictor Mmabeu* oon Sa* um) eu , ber bura) ba* immer beutlidjer fjeroortretenbe Söeftrcbcn Jranfreidj* , bie allein leitenbe ÜWadjt in Qtalien $u merben , feine Selbftftänbigfeit gefä^rbet far) unb fidj überbie* burd) ßubnrig* An- maßungen öielfad) oerlefct füllte , bem frangöftfdjen iBünbniß unb fd)loß am 8. Wooember mit bem ftaifer einen Kilian ^ertrag , in meinem er ficr) gegen bie Ueberlafjung be* mantuauijcqen Xfjeile* oon Sttontferrat , fomie bie Stäbte &alen$a unb Wleffanbria jur Stellung eine* §ilf*l)eere* oon fünfjefjntaujenb 2ttann oerpflidjtcte. 5)a ber $önig oon Portugal barauf brang, baß ber (Srjtjerjog ttarl perfonlicr) nad) Spanien fomme, roo in^mifc^en ber ©influß, ben ber fa)mad)e Philipp V. ber Dberlmfmeiftertn ber Königin , ber flugen unb getftooÜen , aber t)errfa)füd}tigen ^rin$ejfin U r f i n i , auf alle SRegterung*augelegenf}eiten einräumte , eine große Unju-- friebenfjeit tyeröorgerufen t)atte, entfdjloß fid) ber Äaifer, menn aud) mit fernerem Jperjen, feinen Sofm nad) Spanien ju fenben. #m 19. September 1703 oerließ $arl SBicn , um fia> ftunädtft über jpoüanb nac^ ^nglanb ju begeben, oon mo er am 7. 3Jcarj 1704 auf ipamjctyem iöoben eintraf.

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2>te Sc$lad)t bei $dctftftbt. 191

Sie mad}t bei öidiftobt.

(13. Huguft 1704.)

Ta (Sugen f(ar erfannte , baß bte öfterreidnfcbe 9ftonard)te unb mit tfyr baS beutjdje föeicf) nur burdj bte rafd)e Befeitigung ber ifjr öon Batern ber brotyenben ®efaf)r gerettet merben fönne, aber für bicfe jdjroere Aufgabe, beren glücflicbe ßöfung ujm jugleicb einen günfrigen Verlauf beS ganzen .friegeS ju verbürgen feinen, bie fatferlid)en ©trettfräfte ntdjt für auSreicbenb erachtete, befcr)fo6 er mit guftimmung ßeopolbS, ben £)erjog öon 9)carlborougb ju er* fudjen , mit bem grüßten X^etle feines Speeres nacfy bem oberen Xeutfct)lanb ju jie^en , um im Vereine mit ifjm unb bem $JlavU grafen t)on Baben bie 3ran$ojen unb Baiem ju fd)lagen unb ben geinb über ben SRfjetn jurütf jubrängen. 3" biefem *ßlane, auf welchen SJcartborougf) mit Begeifterung eingegangen , roeil er einen glänjenben ©ieg, ber bem englifc^en sJcationalgefüf)l ftfuneicble, pr Befeftigung feiner burd) baS (Smporfommen ber XorieS ins Sebtoanfen geratenen Stellung für nötfug erachtete, gab bie Königin Mnna itjre «jjuftimmung; audj bie (SJeneralftaaten ließen nad) einigem öögern ben Cierjog $ief)en, roeil er fie in bem (Rauben ju erhalten gemußt, baß eS per) nur um einen gug naa) ber s3)co)elgegenb ijanble. 9cadt> betn er im grüf)jabr feine Xruppen bei SJtoeftricbt ^ufanimengejogen, rücfte er rbeiuaufroärtS bis ®ob!enj unb oon ba , um ebeu)oroot)l bie £ol!änber als bie granjojen ju tauften , mofelaufroärts bis gegen Xrier; bann roanbte er fiä) plö^lia) nrieber nad) bem Stfyein, übertritt benfelben am 26. 9ftai bei $oblenj unb ftanb bereits am 3. 3uni bei ßabenberg am 9cecfar.

sXn\ 10. 3u°i trafen (£ugcn unb s3JcarIborougb in 9Jftnbelf)eün jum erften SQialc Rammen , unb roenige Mugenblidfe genügten, 5tmfdjen ben beiben größten gdbfjerren ityrer &e\t ein bauernbeS greunbfd)aftsbanb ^ergufteQen. $5rei Sage fpäter gelten fie in Großheppach mit bem 2ttarfgrafen Subrotg öon Baben eine Be* ratfjung über baS gemeinfame Borgeben gegen bie Baiern unb granjofen. @ugen unb 9ttarlborougb , bie fieb bereits ins üollftän* bigfte einüeme^men gefegt, fugten ben äflarfgrafen $u beftimmen, mit feiner Slrmee jur Beobachtung beS im (Slfaß fte^enben 9^ar- l'cfjafiS Xallarb, ber bem Jhirfürftcn üon Beiern ein jroeiteS fran= jöpfc^eS florpS jufü^ren foflte, am dltyin ju bleiben, roäfjrenb fie felbft gegen SJcarfin unb ben Shtrfürften aufbrechen roollten, bie jruifc^en tfautngen unb Millingen ein fefteS ßager bejogen bitten; ba jeboeb ber Sflarfgraf burdwuS mit Sftarlborougb gegen Beiern öorgefjen mollte, entfcblog fieb @ugen mit ebler ©elbftoerleugnung ju ber Uebernabme ber geringeren Aufgabe , an ber ©pifce eines Dbfer^ oationSforpS ben ^b^in 5U beefen. aftarlborougb unb ber SJcarf*

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Der fpcmifäe (Sibfolgefrieg.

graf wanbten fid) hierauf gegen bie Donau, erftürmten am 2. Quli bie $8erfd)anjungen, bie ein baierifdjeä ®orp$ unter bem (trafen Wrco auf bem Sdjelle 11 berge bei Donauwörth errietet fyatte, um ben SBerbünbeten ben ilebergang über bie Donau ju erfdjweren, unb befe$ten Donauwörth. Da ber Äurfürft unb SRarfin fich jefct in ihrem ßager bei ßauingen nicht mehr fia^er hielten, jogen fie fich auf Slugfburg jurütf. s-8on t>icr fnüpfte ber ^urfürft mit WlaxU borougf) llnterhanblungen an, um 3eit ft* bie Bereinigung mit SaHarb ju gewinnen, beffen Uebergang über ben dttytin (Sugen mit feiner geringen Druppcnmacht nid)t Ijatte öerhinbern fönnen. Daliarb am 3. Muguft ju ihm gefto&en, wief er bie üon WlaU borough geftellten griebenabebingungen mit .Jwhn jurücf.

Unterbeffen mar auch (Sugen, ber mit adjtjefjntaufenb 3#ann bem Daüarb'fchen ftorpf in (Silmärfchen nachgerürft, in Donauwörth angefommeu, unb nachbem if)m unb 3)carlborough gelungen, ben liDcarfgrafen , burd) beffen afljugro&e Bebächtigfeit fie fich beengt füllten, jur Belagerung oon Qngolftabt $u beftimmen, brauen Jöeibc auf, um ben geinb anzugreifen, ber bereite bie Donau über= jehritteu unb bei bem gleden ^öchftcibt, wo im öorhergehenbeu . 3af)re bie Defterreicher unter bem (Senerat «Störum eine sJlieberlage erlitten Ratten, Stellung genommen, &ier fam e* am 13. Muguft 1704 ju einer ber blutigften unb jugleich folgenreichen Schlachten be£ gaujen ßriegeä.

©chon in ber frühen Sflorgenftunbe rürften bie Serbünbeten in ber Stärfe öon jmeiunbfünfjigtaufenb Mann gegen ben fechäig= taujenb 'Mann jählenben geinb öor, bem ein bitter Siebet ihr #eran* nahen öerbarg. 3#arlborough führte ben linfen glügel, Sugen ben regten; bie Reiterei bilbete baä Zentrum. 2U* um fieben Uhr bie Sonne ben Jeebel burdjbtad), erfannten (Sugen unb SDcarlborough, ba& ber geinb feine (Stellung trefflich gewählt hatte unb ber Sieg für fie fein leidster fein werbe. Der rechte glügel be3 feinblichen £eere3 unter Dallarb hatte in bem Dorfe Blinb^eim, baä Zentrum unter iDlarfin in Ottenheim fefte Decfung; bie Stellung be* linfen Jlügelä unter bem tfurfürften ftü&te fich auf i3ufcingen unb war überbieä bura) 2öalb unb Üttoräfte gebedt.

Schon um neun Uhr begann bie $anonabe, bie eigentliche Schlacht jebod) erft gegen ein Ufjr sJiachmittagä, weil (Sugen mit bem rechten glügel einen befchwerlichen si)carjd) aufführen hatte, ehe er in bie Schujjlinie beä geinbeä gelangte. Den .stampf er- öffnete 2)carlborough mit einem Angriff auf bad Dorf Jölinbheim, wo Daliarb bie ^pauptftärfe be£ franjöfifchen Speere* concentrirt hatte. lUadibem brei mit ungeftümer Xapferfeit aufgeführte Stürme blutig 5urücfgejd)lagen worben, warf fic^ ber £>er$og mit ber Jpaupt^ mafje (einer Regimenter gegen bad franjofifc^e Zentrum, auf wel-

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$ie etyfafy bei $öd}ftfibt.

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djem Xaüarb eine 33erftärfung oon gmötftaufenb 9Kann ju bem rech; ten glügel herübergezogen, unb lieg ben Vingriff auf iBlinbheim nur noch zum Steine fortfefcen. s2lber trofc ber erlittenen Schmähung leiftete bie franjöfifc^c Äaoatterie be* (Sentrum* fo erfolgreichen SBtberftanb, bog bie Schlachtlinie be* ^perjog« in bie äu&erfte ©e* fa^r gerieth; fic mürbe jeboch burch mehrere Srüraifierregimenter gerettet, bie (Sugen bem Sefctercn zu £>ilfe fanbte.

3njtt)i(chen ^attc auch (Sugen ben Singriff auf ben linfen feinblichen glügel begonnen. Seine Stellung toar noch fchmieriger, al* bie be* £erzog*; benn ihm gegenüber ftanbeu 2)carftn unb ber fturfürft, unb ber Sefctere, ber bei feiner genauen ^enntniß be* Sdjlachtfelbe* jeben HJcoraft, jeben #ügel, jebe* ®ebüfch in 33e* rechnung jiehen fonnte, entfaltete an biefem Xage, an welchem, mic er mohl fühlte, Me* für ihn auf bem Spiele ftanb, feine ganje &rieg*funft uub Xapferfeit. @ine feinbliche Batterie, beren oer= heerenbe* geuer bie Leihen Sugen* lichtete, mürbe oon ben $reufccn im erften Anlauf genommen unb zugleich bie franjöfifche Reiterei buref) bie faiferliche in bie glucht geflogen; allein ber rafch mit ber Steferoc herbeigeeilte ®urfürft entriß ben Xapferen bie er= rungenen SBortheile. &\xm jroeiten 9Me liefe (Sugen feine zurücf^ gebremgte Reiterei anförengen; allein auch bie*mal mürbe fie oon bem $urfürften mit bebeutenben Sßerluften jurüefgemorfen. Sluch bei einem britten Angriff brachen fich ihre Slnftrengungen an bem fräftigen Söiberftanbe ber furfürftlichen (Sarbefaüallerte ; in Dotier Unorbmmg midien bie #aif erliefen jurücf unb manbten fich bnx glucht. (Sugen, ber bie gliehenben oergeben* zum Stehen ^u bringen gefucht, fteflte fich, bem ^perjog oon SBürttemberg unb bem Prinzen oon jpannooer bie Sorge für bie SBieberherfteüung ber Drbnung unter ber aufgelösten Reiterei überlaffenb, an bie Spifce feine* gufc oolf* unb ftürmte mit bemfelben auf* 9ceue gegen bie feinbliche Schlachtlinie üor. Seine füfme Xobe*oerachtung entflammte bie Seinigen jur äujjerften Xapferfeit, unb in furzer $eit maren ÜDtorfin unb ber feurfürft bi* auf ttufchigen jurüefgebrängt. (Sin erneuter ftürmifcher Angriff oertrieb fie au* ihren legten Stellungen unb nöthigte fie, ben S^ücfjug anzutreten.

3u ber gleichen Qtit ^atte fich auc§ auf öcm linfen glügel ber Sieg üoUftänbig auf bie Seite ber SBerbünbeten geneigt. X)a (£ugen* (Erfolge 9Rarfin Oerhinberten, an Xallarb, ber bon 9Karl= borough immer mehr in bie @nge getrieben roorben, S3erftärfungen abjujenben, erla^ bie gänzlich crfcf)öpfte franjöftfc^c Reiterei einem legten entfeheibenbe.: Angriff be* Herzog*. ®ie !öerbinbung*linie zmifdjen ben Dörfern mürbe oon ben (Snglänbern befefct unb Xallarb felbft, al* er fich gegen iöliubheim burchz Umlagen fuchte, gefangen genommen. X)ie zerfprengten üeberrefte feine* Äoro*

$olÄ»art$, SBeltgeföi^te. VI. 13

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2>er fpantfdje ©rbfolgefrteg

toanbten fid) jur gluckt. 9cur jehntaufenb in SBIinbheim oerfdjanjte Sranjoicn festen, 3Jcarlborough* flufforberung jur Kapitulation äurücftücifenb, nod) eine 3eitlang ben Kampf fort, bi* bie ein* brecheube ftadjt unb ihre üollftänbige Erfchöpfung fic fangen, fid) gefangen ju geben.

$er blutige Xag ^atte auf beiben Seiten fdjtoere Opfer ge= foftet. $er Sßertuft ber Skrbünbeten an lobten unb Serrounbeten betrug nahezu ätoblftaufenb 9)tonn ; Don ben ©aiern unb granjojen waren jtt)anjigtaufenb SKann gefaflen unb fünfjchntaufenb in ©e* fangenjdmft geraten. Sn bem feinblichen Üager fanben bie (Sieger, au&er ber reichgefüllten Kriegafaffe, einhunbertftebjehn Kanonen, ein= Imnbertfiebenunbjtoanjig 2)corjer, einhunbertneununbätoanjig Sahnen, eiiü)unberteinunbfiebäig Stanbarten, breitaufenbfec^S^unbert 3elte unb fünftauienbbreitjunbert Söagen mit Öcbenämitteln unb ftriegäbebarf.

$er Sieg bei $öchftäbt rettete bie bfterreidnfche 9Jconardne, inbem er nid)t nur bie ©efa^r befeitigte, bie berjelben bon Söeften her gebrofjt, fonbern auch bem Cfufftottb ber Ungarn mit ber ent* fchnmubenen sJlu£fidjt auf Unterftüfcungen oon Seiten granfreich* bie Spi$e abbrach- $>er fyodjerfreute Kaifer brütfte bem ^rinjen Eugen in einem äußerft fmlbüollen Schreiben feinen tiefgefühlten $ant au* unb erhob beffen ^ßalaft ju SBien jum priöilegirten abeligen grei- häufe, ba* für enrige Qtittn oon jeber Jöeftcuerung, Einquartierung ober jonjtigen iöelaftung befreit fein foUe ; ben £>er$og oon sMavU borough ernannte er jum dürften be* ^eiligen römijd^cn deiche*.

9cad) ber Schlacht bei £>öchftäbt machte Eugen bem Kurfürften oon Baiern bie oorttjeiltjafteften s2lnerbietungen, um ilm auf bie Seite be* Kaifer* ju jieljen; benn er achtete bie Xapf erfeit feines alten SBaffengefäfyrten unb oerfannte bie ^ortfyeile nicht, bie ber VlnfdjiuB Baiern* an bie N2lllian$ für Cefterreid) Ijaben tonnte ; allein ber Kurfürft 50g bie 3ujagen £ubtoig* ber Hoffnung auf Ücopolb* (#nabe oor unb folgte, nadjbem er feiner (Gemahlin bie 33ertoaltung s43aiern* übertragen, bem gänzlich entmutigten Sftarfin mit ben Xrümmern be* franjöfifchen Speere* über ben Ütfjcin, um fich oon bort al* fpanifc^^franjöfifc^er Statthalter nach Trüffel ju begeben. Sein Sanb mürbe in Solge eine* am 22. 9cooember 1704 $u 3lber*- l)eim jtoifchen ber Kurfürftin unb bem römifchen König Qofeph ge* troffenen Slbfommen*, fraft beffen ber Erfteren nur bie Stabt unb ba* Rentamt München oerbleiben follte, oon ben Kaiferlidjen befeft unb erhielt einen öfterreichiiehen Statthalter, 3$on ben baierifd)en Xruppen trat ber größte Ifyzil in faiferliche Xicnftc.

Qnjmifchen maren Eugen unb SHarlborough mit bem $JlaxV grafen oon Öaben, ber auf Eugen* SBunfch bie Belagerung oon 3ngolftabt in eine einfache $3lorfabe oerroanbelt hatte, an ben föhetn gebogen, roo £anbau am 24. Stoüember jurüeferobert mürbe.

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$ie beiben crftcn 9tegierung«jaf)re ^ofepljS L

SBäfjrenb 9flarlborougf) ^ierauf bic gransofen au3 bcn 2Kofel* gegenben oertrieb unb Xrtcr unb Drarbad) * befefcte, feierte Sugen nad) Skiern jurütf, um bcn Vertrag üon ^Ibersheim jur sllu& fü^rung ju bringen, ftadjbem bie* gefdjehen unb er ben fönig* liefen Veamten auf baä Dringenbftc Sdjonung beä erfdjbpften unb erbitterten Volfeä anempfohlen, begab er fid) im Dezember 1704 nad) SSien, um mit bem ftaifer für ben näd)ftjäl)rigen gelbjug bie nötigen Vereinbarungen ju treffen, gür £ubnüg XIV.r bem feit bem Xage oon pdtftäbt baö ®lütf cntfdncben ben dürfen getoanbi, begann je&t eine faft ununterbroajene fRet^e oon UuglürfafäUeu unb Demütigungen.

Die beiben erften Wegicrungeja^re 3ofcpf)ä L

(1705 unb 1706.)

Der Sieg bei ^>öc^ftöbt mar ber lefcte fiidjtblid in bem med)* jclooUen, melbetoegten Leben fieopolba I. ©djon feit längerer $tit Ratten fid) bei ihm bie Vorboten ber Vrufttoafferfudjt eingeteilt, unb im Srühjahr 1705 oerfünbete eine rafdje Slbnahme ber ftbrper- fräfte bie bem Leben be$ ®aifer£ brohenbe (Gefahr. 2lm 28. v2lpril übergab Leopolb bie güfjrung ber 9tegierung3gefd)äfte feinem Sohn 3ofepf), um fid) au^fc^liegltc^ ber Vorbereitung auf ben Xob l)inju= geben. SIm 5. Sflai empfing er jum lefcten Sftale mit tiefer s2ln* baa^t unb Demutf) bie ^eilige Kommunion, nadjbem ba3 heilige yfteöopfer in feinem Limmer gefeiert morben. Dann nahm er s2lb* fdneb oon feiner (Gemahlin Eleonore, empfahl feinem Sohne 3o- jeph in mannen SBorten treuem gehalten an ber geredeten Sadje feinet in Spanien tömpfenben Vruber» Marl unb erteilte ihm, fomie fämmtlidjen Üttitgliebern ber faiferlidjen gamilie, aud) feinem Neffen, bem jungen Jperjog Qofeph oon Lothringen, feinen üäter- Itajen Segen. 9lad)bem ihm bie lefcte Delung gefpenbet morben, ließ er fid) baä ®ru$iftr, reiben, Oon meldjem fein ©rofjoater gerbi* nanb einft bie 3ula9e oernommen $u ^ben geglaubt: „gerbinanb, idj nntt biet) nicht oerläffen," unb umfaßte e3 mit bem 2lu*rufe: „Von Dir fyabt idj Sceptcr unb Äroue empfangen ; ju Deinen güfjen lege fte ^eute miflig nieber!" ©leid) barauf öerfdneb er mit ben ^Sorten beä fterbenben (£rlö)er$ : „(5& ift oollbradjt; in Deine £>änbe empfehle idj meinen GJeift."

LeopolbS fiebenunboterjigjäl)rige Regierung, bic in bem Jpaufe Defterreidj an Länge nur oon ber griebrid)S III. übertroffen roor* ben, mar an grofjen Xfyattn unb (Sxeigniffen eine ber reichten. „Obwohl er hierbei", fagt&. 51. Üttenael, „feine glän$enben £errjcher*

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3>er fpanifche drbfolgerricg.

gaben jur 2lnfchauung gebracht unb bic ^cadjroelt ben (Sbreunamcn be3 (großen , welcher Oon ©chriftfteflern fetner unb ber nächften Qcit ihm beigelegt mürbe, mit ihrem höheren 9Jcaßftabe für gürften* große nicht übereinftimmenb gefunben bat, jo ift bodj bie oon ihm gemähte unb beharrlich feftgehaltene ^olitif al£ ber redete SBeg Defterreichä auch im meiteren gortfehritte erprobt morben , unb feiner (rmfiebt unb geftigfeit in beren Bcftimmung , feiner ftanb- haften l}lu£bauer in gefaßten Grntfdjtüffen unb feiner Unoerjagtheit in jeglichem ÜJcißgefcbicf fann ohne Ungerecbtigfeit it>r 2Bertb unb ihr großer s2lntbeil an bem, ma3 Oeftcrreid) beute in Europa be- beutet, nicht abgesprochen merben."

Lcopolbä Nachfolger , ber ftebenunbämanjigjä'hrige Qofepb I-( mar ein jugenblich frifeber, ftattlicher gürft oon regem, ^oa^ftreben= bem (Reifte, eine rjeitere r moblmoflcnbc , prunflicbcube Natur, ein greunb ritterlicher Uebungen unb ber 3agb mit Leibenfchaft er= geben. SWit einer Soften Borftellung oon feinem Ncgentenberufc oerbaub er ein nicht minber flare* Bemußtfein ber if}m fclbft barauS ermachfenben ^ßfli*ct>tcn , sugleicb aber auch einen ungleich ftärferen .pang $u ftaatlicbem ÄbfolutiSmu« , al$ Leopolb L , meß- I^alb auch fein Berhältniß jitr Siraje häufig ein getrübte« mar. Much ohne bie bringenbe Mahnung feine« fterbenben Bater« mürbe er ben Srieg gegen granfreich im Qntereffe ieine« ©rubere mit aller ©ntfehiebenheit fortgelegt haben ; benn er empfanb gegen Lubmig XIV. eine noch ungleich tiefere Abneigung, al« Leopolb.

Snbeffen öcrlief Qofepb« erfte« 9iegicrung«jabr ohne bebeu* tenbe friegerifche (Sreigniffe. 3n 3talien , wohin (Sugen fchon im Mpril jurüdgefehrt mar, ftanb noch immer Benbome mit überlegener sJJtod)t; bennoch gelang bem s4kiu$en burch lleberliftung be« geinbe«, ben Dglio 31t überjehreiten. Um einen Uebergaug über bie 2lbba (@tjch) §u erjmingen, griff er am 18. s21ugitft ein franjüfifcbe« tforp« bei (E a f f a tt 0 an ; er mußte jeboef), ba Benbome felbft jur Unter- ftüftung be«felben herbeigeeilt mar, nach einem mehrftüubigen Kampfe, in melchem ber neunzehnjährige hclbenmüthige .per^og 3°)eob Lothringen töbtlich üermunbet mürbe , ben tftücfsug antreten , ben ber geinb nicht ju ftören magte.

gaft ju berfclben Qcit , wie (£ugen in Italien , mar iUcarl^ borough am 9thetn eingetroffen, um nach ber Bereinigung mit bem 9teich«f)eere 8c8cn ocu aw Der sJ^ofcl ftehenben 2Jcarfchaü Biliar« vorzugeben unb ben Stieg nach granfreich felbft hinüber ju tra= gen; allein ber SDcarfgraf Oon Baben zögerte mit bem Aufbruch fo lange , baß SOcarlborough fich jur Nücffebr nach ocn 9cieberlan= ben entfchließen mußte, mo unterbeffen Billeroi unb ber töurfürft von Baiern bie Belagerung oon Lüttich begonnen hatten. Söäbrenb er hier bie granjofen über bie Xule $urücfmarf , nahm Biliar«,

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SHc bctbcn crfteu SRegterungfjahre 3ofepf)3 I. 197

ber gegen baf Keine SReic&äfyeer ein leichtcf Spiel fyatte , Saar^ brücfen unb $rier nnb üertricb , nadjbem er fich mit Üftarfin öer- einigt, am 4. 3uli baf föetd^fjeer auch auf feinen ßinicn bei SBeiBenburg.

Unterbeffen berrfcbte in SBaiern, mo troft ber ernften 9#a()= nungen (Tugend bte öftenreichifchen Beamten mit äußerfter SBillfür unb £mrte auftraten, eine bumpfe (Währung, unb im Cftober 1705 machte fich bie allgemeine (Erbitterung gegen bie Rrembfjerrfdjaft in einem offenen 9Iufftanbe fiuft. 3n großen ©paaren rotteten ficf} bie Säuern $u)ammen, griffen einzelne öfterreidjifche ^ecrfjaufcn an , um ihnen bie aufgehobene junge 9ftannfd)aft roieber ju ent* reißen , fangen mehrere feften 93läjje jur Ergebung unb brangen in ber Starte üon breißigtaufenb Sftann unter ber Sührung ^meier Stubenten auf ^ngolftabt, e i n b l unb 1 1 n g a n f e r , gegen SJcünehen üor. $cr faiferlidje Statthalter fah fic§ ju Unterhanb* lungen mit Urnen genötigt unb erlangte ben ?lbfd)Iu& einef SSaffen= ftiflftaubef , mäbrcnb beffen ben Defteweidjem gelang, üon üer= idjiebcnen Seiten föeidjftruppen ^rbei^ujie^en, mit beren $>ilfe ber v}{ufftanb, ber ohnehin buref) Uneinigfeit unb Herrath an innerer äraft üerloren , im Januar 1706 bemäftigt mürbe. SJceinbl unb <ßlinganfer retteten fich burch bie 3lud)t; üon beu übrigen Häup- tern bef Slufftanbef mürben mehrere Eingerichtet.

Obgleich ber lurfürft erflärte, ba& er an bem Mufftanb feiner= lei Sintbert gehabt unb benfelben üon Anfang an mißbilligt fyabt, fprad) ber ®aifer über ifm unb feinen ©ruber, ben föurfürften 3ofeph (Siemens üon Äöln , am 29. Slprtl 1706 mit 3uftimmung bef $urfürften=$otlegiumf bie föeicfjäadjt auf, burch meiere SBeibe aller ihrer 9teef)te, (Ehren, Remter, Sanbe unb Seute oerluftig er* Hart mürben. $ie Söhne bef lurfürften üon Saiem ließ Qo= fe^h I. nach Itagenfurt bringen, mo fie unter bem tarnen Orafcn üon SBittelfbach erlogen mürben, ©atern felbft mürbe serftücfelt. $ie Cberpfalj mit bem (Srjtruchieffenamt erhielt ber ®urfürft Qo^ bann Söilhelm bon ber $falj jurücf, mogegen baf für baf für* pfäl$i)che §auf gefdjaffene (Er$}cha&meifteramt an <pannooer über* ging. Xonaumörth mürbe mieber freie SReufjf ftabt ; einige ®ebietf* ftriche öon SBaiern erhielten bie 9ieicf)fftäbte Ulm unb Slugfburg alf (Entfchäbigung für bie burch beu fturfürften erlittenen Sßerlufte; ein aufgebehnter Sejirf $mifchen ^affau unb Salzburg mürbe ju bem öfterreiefufchen Eanbe ob ber (Snf gcfchlagen. $ie in ein fteichffurftenthum üermanbelte £jerrftf)aft 9#inbelhetm fcheufte ber Äaifer bem £er$og üon sJtfarlborough.

3n$mifchen hatten fich auch in Spanien, mo ber ®rieg feit 1702 mit abmechieinbem Öilücfe geführt morben , bie SBcrhältniffe für bte ©erbünbeten günftig geftaltet. ^achbem ber (Srjherjog

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198 $cr fpanifäe ©rbfolßcfricg.

£arl im 3ar)re 1704 öon Portugal auä , mo er feine Sanbung beroerffteffigt, an ber ©pifce eine« englifcHoHänbifäcn Jpecrc« unb öon einem portugteftfehen £ilf3f)eere begleitet, in (Spanien einge* rücft mar nnb bie bereinigte engtifa>f)oflänbifd)e giotte am 4. Stuguft 1704 ©tbraltar ^inmeggenommen nnb im folgenben 3ah™ auch Barcelona jur Ergebung gelungen, Ratten fich Katalonien, Valencia unb Slragonien für ihn erflärt unb ilm als 8axl III. jum $önig aufgerufen. 3m Quni 1706 rücften ein portugiefifcheS unb ein englifdjeS #eer fogar in 9Jcabrib ein, nachbem Wüpp V., ber bei ber vergeblichen Belagerung öon Barcelona faft fein ganjeS £>eer eingebüßt, mit bem £ofe nach BurgoS entflohen mar; ba je= boer) bie (Eilboten, mclcrje bie Heerführer ber Berbünbeten an ben bei ©aragoffa ftehenben ®arl III. entfanbt, um tl)n einjulaben, fchleumgft mit feinem £eere naef) ber $muptftabt ju fommen , öon ben Spaniern aufgefangen mürben unb e$ ben granjofen gelang, ben enblict) ^eranrüefenben Ätinig unb ben ihm entgegengejogenen portugiefifc^en £>eerfüf)rer«öon ber £>auptftabt ab^ufdmeiben , tonnte $f)tfipp V. im ©eptember mieber nach SDcabrib jurüeff ehren.

3n ben Sftteberlanben ^atte unterbefjen Sttarlborough am 23. 9Jlai 1706 bei bem $orfe SRamillieS, fübltcr) öon Sömen, über Biüeroi einen ©ieg erfochten, ber für bie Sranjofen ben Ber* luft be£ größten ZfyciUZ ber 9tieberlanbe jur Jolge hatte. 28äl)* renb ber gefchlagene Btlleroi fiel) mit bem ®urfürften öon Batern bis hinter bie ©chelbe jurücf jog , jmang 2Jcarlborough fammtlicrje ©täbte öon Brabant unb Jlanbern, ftarl III. als ifjrem itonbeS* herrn ju f^ulbigcn , unb fefcte tu beffen Hainen ju Brüffel einen ©taatSrath ein.

Die Sdjladjt bei 2urin.

(7. ©eptember 1706.)

9cict)t minber cjlücfttct) als in ben 9cieberlanben öerlief für bie Berbünbctcn ber Selbjug beS 3af>reS 1706 in Statten. (Sugen, ber ben SBinter in SSien jugebraa^t , r)attc , nachbem er im s2lpril auf ben italienifdjen ftriegSfchauplafc jurüefgefehrt , nach Ucbemrin* bung jat)Hofer ©chtmerigfetten feine Xruppen in ber ÖJegenb öon Bcrona jufammengcjogen , mo er bie im ?lnjuge begriffenen Ber= ftärfungen aus bem SReich ju ermarten gebachte. 9llS er jeboch bie Nachricht erhielt, baß ber ^er^og be la Jeuillabc, melchen fiubmig mit einem fetten £eere nach ^iemont gefanbt , am 26. Üflai bie Belagerung öon Xurin begonnen , baS bem £>erjog öon ©aooöcn öon allen feinen ©täbtett allein noch geblieben mar , brach er fo*

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$te Sd)[ad)t bei Turin.

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gleid) oon Verona auf , um feinem fdjtoerbebrängten Setter ju £>ilfe ju eilen , ber fid) , bie SBertljeibigung feiner ."pauptftabt bem faiferlitffen gelbmarfdjaH $5aun überlaffenb, mit feinem £>eere nad) Äfri jurücfgejogen. £a e3 für (Sugen feinem 3^cifet unterlag, bog ber ifym mit einer ungteid) größeren ^ruppenjaf)! gegenüber* ftefjenbe SBenbome 2llle3 aufbieten toerbe, um ben $urd)brud) ber Saiferliajen ju üerfjinbern , fudjte er ifjn über ben $untt ju tauften , an meinem er feinen Uebergang über bie (Stfd) 511 be= roerfftelligen gebaute, unb bie« gelang ü)m aud) fo gut, baß er nidjt nur bei SBabia ungefjinbcrt bie (Stfct) überfdjreiten, fonbern aud) feinen Uebergang über ben $0 ooffjie^en fonnte, efje bie Snmsofen, bie ifjn an ber oberen (Stfa) ertoartet, geit fanben, ifjm i^re Streik fräfte entgegen $u toerfen. 3m ©egriffc, mit bem Aufgebote feiner ganzen 2Jkd)t bem unauföaltfam üorbringenben (Sugen entgegen ju treten, mürbe SBenbome au« Italien abberufen, um in ben 9itcber= ianben, mo ben Qntereffen 3ranfreid)3 bie größere ®efaf)r ju brofjen freien , an 93ifleroi'§ ©teile ben Dberbefefjl $u übernehmen. (einem 9tad)folger r)attc fiubtoig feinen wuber, ben .£>erjog ^l)iüpp Don Orleans, ernannt, bem ber StfarfdmH 9flarfin als föatijgeber beigegeben toorben.

Unterbeffen r)atte (£ugen mit füljner ©ntfdjloffenljeit feinen 3ug fortgefefct, obgleich bie ©efafyren unb $öefd)toerben bcäfelbeu fid) täglia) mehrten. $ie glüfyenbe .«pi^e berurfadjte heftige ®ranf; Reiten unter ben raftloä ba^ineilenben Xruppen. Brunnen unb Duellen maren oerfiegt; oiele ©olbaten blieben öerfajmadjtet auf ber Straße liegen; anbete ftürjten mäfjrenb beä sJ#arfd)e£ tobt nieber. £a baä £eer fidj auf feine toofjl öerfeljenen 3eftungen frühen fonnte , fehlte bemfelben bei feinem raffen SSorbringen balb audj an ben nötigen Sebenämitteln ; bennodj ^iett ber ^ßrinj bie frrengfte 9J?ann3$ud)t aufregt unb bulbete keinerlei ^lünbc- rung , um feinen an üflüfyen unb ökfafjren ofynefjin überreifen SJiarfd? nidjt burdj eine feinblid)e ÖJefinnung ber SBeoötferung nod) mein* erfdjtoert 5U fcr)cn. SBon einem jafylreidjen feinblidjen Speere balb im SRüden , balb in ber glanfe bebrofjt , rüdfte er burdj baä ©ebict oon $arma gegen ^iacenja oor unb gelangte , ba ber $erjog oon Crlean3 üerfäumt t)atte , ben (Sngpafj oon ©trabella ju befefcen , am 31. s2(uguft in bie Sftäfje oon Mfti. 3lm folgen^ ben Xage ftie&en feine Xruppen ju benen beä ^er^og» oon ©a- ootjen.

$a ba« oereinigte faoooifaj-faiferlife £>eer nur breißigtaufenb Üttann jäljlte, toünfdjte ber £erjog oon DrteanS, bemfelben in offenem Selbe eine ©d)lad)t ju liefern , bereu ?lu3gahg ifmt bei feiner be- beutenb ftärferen Xruppeujaljl nid)t jmeifel^aft fdjien ; allein 3^arfin , beffen Energie feit feinem 2lufbrua)e nad) Italien burf

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$er fpanifdje Grbfolgcfrieg.

eine büftcre Xobeäahnung gelahmt mar, erflärte fich bagegen, unb ba ba3 Uebergemicht feines $lntehena bie übrigen (Generale mit fort* riß, mürbe ber Bcfchluß gefaßt, ben geinb in ben SBcrfchanjungen öon Xurin §n ermarten.

SBährenb bie granjofen bie SBelagerungSarbeiten fortfefcten unb immer neue ©efeftigung^roerfe in ihrem £ager Ijerridjteten, gingen bie $erbünbetcu über ben $o unb nahmen jmifchen ber Stura unb ber $ora Stellung, ba ^ier bie feinblichen SBerfdjanjungen am fchmächften fchienen. §n ber grühe beä 7. September öerließen fie ihr £ager, um jum Angriff gegen biefelben öor$ugehen, unb trofc be$ mörberifchen geuer3, mit meldjem fie öon ben granjofen em* pfangen mürben, Ratten fie in furjer Qcxt auch ihre <&efchüfce in Batterien aufgepflanzt. @3 entfpann fich hierauf eine jmetftünbige große ^Irtillcriefc^tac^t, in melier bie ® aiferlichen, ba fie bem burdj feine 93er f chanjungen gebceften geinb ohne Schufcmehr gegenüber ftanben, empfinbtiche SBerlufte erlitten.

Unterbcffen mar bie Scftladjtlinic ber Skrbünbeten formirt morben, unb nachbem baS Seichen jutn Angriff erfolgt mar, rütfte suerft ber linfe glügel, beftefjcnb auä ben ®renabierbrigaben ber öerfdncbenen föeid^ccntingente unb ben Greußen unter bem tapferen gürften £copolb öou $effau, bem nadnnalä fo berühmt gemor= benen „alten £5effauer" öon (Sugen nur ber Bullenbeißer * genannt , junt ©türme öor. Unbeirrt bureb, ba3 furchtbare geuer be£ geinbeä brangen bie tapferen Scfmaren, ohne felbft einen Schuß 511 thun, bte in bie 9cähe ber franzöfifchen $er* fchanzungen öor; fner mürbe jebodj ber feinbliche Kugelregen fo bid)t, bafi fie ^urücfmia^en. Um ihnen üuft gu machen, lieft (Jugen, ber fich unb bem $>er$og öon Saüotyen ben allgemeinen Cberbe-- fel)l öorbehalten, auch ba* auä bem faiferlichen gußöolf gebtlbete Zentrum unb ben regten glügel, ber f)auptfäd)lidj au3 ^faljern unb Sachfen beftanb, fofort jum Angriff öorgeljen. Nachbem längere Seit öon beiben Seiten mit gleich großer Xapf erfeit unb WuSbauer gefämpft morben, fprengte (£ugcu, um eine rafdjere (Snt= fdjeibung herbeizuführen, nach bem linfen glügel, ftellte fich an bie Spifce ber Greußen unb führte fie $um Sturme gegen bie 3kr= fchanjungen. $3egeiftert burdj bie ihnen gemorbene s2lu»jeichnung, warfen fie fich, wlt fühner Stobeäöerachtung bem geliebten gührer folgenb, in ben bichteften Kugelhagel, frürmten über bie SSaÜgräben meg ben SBerfchanjungen ju unb erftiegen biefelben. 3m blutigen .V>anbgemenge mürbe bem ^rinjen baS ^ßferb unter bem £eibe er* jehoffen ; boch augenblicflich fich crljebenb, rief er feinen erjehroefenen Kriegern aufteile fein „Bormärtä!" 51t unb trieb fie an $u neuem blutigen fingen.

5öährenb bie Greußen auf (SugenS Ü8efcl)l bie erftürmten

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3>ie @#Iacf)t bei Turin.

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fernblieben SBerfc bemolirten, brang audj ber ^rinj oon SBürttem* berg mit feinen ©renabteren in bie SBerfdjanjungen ein, unb ju ber gleiten Qeit entfdjieb fidj im (Sentrum, too $f)ÜiPP bon Orleans unb Üttarfin bem §erjog Don Saöoöen gegenüberftanben, ber #ampf ebenfalls jum SBortfjeil ber Serbünbeten. 9cad)bem SJcarftn $u Dobe getroffen unb aud) ber £>er$og oon Orleans lahmer x>ertr»unbet roorben, gelang es ben $aiferli$en, bie feinblict)cu #er* iefianjungen ju erfteigen unb in benfelben fefte Stellung ju nehmen. 9cur auf bem regten glügcl fdjroanfte nodj bie ©ntjdjetbung. 9kd) einem jmetftünbigen feigen Kampfe mar es jtuar bem 9$rin$en t)on Sadjfen*©otfm gelungen, ficr) ber franjöfifdjen $Berfa)an$ungen $u bemad)tigen; aber ber rafd) gefammelte geinb ftanb auf bem fünfte, Ujn mieber auS benfelben äurüdjubrängen. 55a fprengte Chigen an ber Spifce ber gnfanterie auf bie ftürmijd) t)eranbringen= ben granjofen ein unb ttmrf fte nad) turpem Kampfe surutf. Die Sfteberlage ber granjofen mar eine oollftänbige ; nadj aßen tility hingen f)in ftoben ir)re aufgelösten Regimenter auSeinanbcr, iljr ganjeS SBelagerungSgefdjüfc ameüjunbertbretje^n Stürf mit allen SDfanitionSöorrätljen, baruuter über aa)täigtaujcnb gäffer ^ufoer, fott»ie breitaufenb ^ferbe unb ir)re reidj gefüllte SriegSfaffe ben Siegern jurürflaffenb.

Da ber £>er$og öon Orleans in Sßtgnerol, tuofjin er fict) mit ben Xrümmern feines geflogenen £cereS ^urücfgejogen r)attef feiner* lei SBorrätfje fanb unb feine Druppen ooüftänbig entmutigt maren, trat er ben SRütfjüg nadj granfreid) an. So tonnte ber ^erjog oon Saoouen fein ßanb ofme Scfyroertftreidj nüeber in 93efifc nc^ men, tuäfjrenb @ugen, unter 3uru^^affun9 ObferoationSforpS öon jmölftaufenb äRann an ber fran$öfifd)en (Brenge, jur iBertreu bung ber gran^ofen aus 9Railanb unb ben übrigen nodj oon ifmen nefe|ten Heineren geftungen aufbrad). 2öie im Driumpljc burdj* 50g er ben Horben QtalienS, beffen Stäbte ifjm meift freiwillig ir)rc Dfjore öffneten, unb fuelt am 26. September feinen (Sinzig in üftatlanb, wo er mit begeifterten 3urufen a^ &er „93cf reter 3talienS uom franjüfifdjen 3od)" begrübt mürbe, ®aifer Qofepf) uberfanbte ifnu als 3«^cn feiner Daufbarfeit einen präd)tigen, reidj mit Diamanten befefcten Degen unb ernannte il)it jum Statt* t)alter oon SDcailanb. s2lud) aus (Smglanb, $>ollanb unb bem beut- fdjen SReidje erfjielt ber Sßrinj jafylreidje Söemeifc ber f)ödjften "än- erfennung unb SBerefjrung. So üermadjte tf>m eine unoerfjeiratfjete englifdje Dame auf iljrem Sterbebette jroeitaufenb ^ßfunb Sterling mit bem SluSbrud beS ©ebauernS, „bem Sieger oon Durin nirfjt baS ^unbertfaa^e fjinterlaffen ju fönnen", unb ein ©ärtner in ßonbon bebaute it)n in feinem Deftamente mit Rimbert $funb, ber ^älfte feines Vermögens.

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3>er fpanifdje (grbfolgefrieg.

21m 13. SWarj 1707 f^tog (£ugen ju üttailanb im dornen ® arls III. öon ©panieu mit bem *öeöoümäd)tigten Sranfreic^^ einen ©ertrag, bie fogenannte „®eneralfapitulation", morin 2ub* ttrig XIV. gegen bie ®eftattung beS freien 2lb$ugS ber franjöfifchen 93cfa0ungStruppen bie unöerjüglidje Räumung QtalienS jnfagte unb ^ugleic^ öerfprach, mährenb ber $auer beS IftiegeS fein #eer mehr borten ju Riefen.

$er franaöfifdje (ginflufj in Stalten ttmrbe öoüftänbig befeitigt bnrdj bie Eroberung öon Neapel, mit melier (Sugen ben tylbtn* müßigen ©ertheibiger öon Xurin, ben (trafen $aun, beauftragt hatte. 2öie in ber ßombarbei, fo mürben auch ^ier bie faiferlichen iruppen ton bem SBotfc mit 3ubel empfangen. (Sin Stufftanb in Neapel nötigte am 7. 3nni 1707 ben ©icefönig jur glucht, unb balb mar baS ganje ßanb für ®arl III. gewonnen.

©inen anbem SluSgang, als baS Unternehmen gegen Neapel, hatte ber auf baS ©erlangen ber ©eemächte im 3uti 1707 öon (£ugen unb bem $>er$og öon ©aöoüen $um Qmdt ber Eroberung öon % o u l o n ausgeführte ßug in baS fübtiche Sranfretch. Obgleich bie ©tabt öon ber ©eefeite burd) bie englifch-hollänbifche Siotte unb öon ber ßanbfeite burd) bie faiferlichen unb faöoöifchen Xrup= pen öoUftänbig cingefchloffen mürbe, fcheiterte baS Unternehmen, öon meinem <£ugen in richtiger SBürbigung ber bamit öerbunbenen ©chmicrigfeiten gleich öon Anfang an abgeraten, an ber Ueberlegem fjeit beS öon ßubmig jum (Sntfafce öon Xoulon entfanbten Speeres unb an bem SJtonget an 3ufuhren für bie ©elagerungStruppen. 3n ber Wacht $um 12. Sluguft trat (Sugen in aller ©tifle ben 9tücf= gug an, auf meinem er burch meifterhaft ausgeführte SMrfche bie tfjn öerfolgenben granjofen fo ju tauften mußte, baß er ofme nennenSmerthe ©inbufje am 30. Sluguft mieber an bem ÖJrenjfluffe Söar anlangte. Sn^ffen blieb baS fehlgefdjlagene Unternehmen nicht ganj of)nc Söortheil für bie SBerbünbeten, inbem eS bem $rin$en auf bem SRücfjuge gelang, bie öon ben granjofen noch befefcte mich1 tige Seftung ©ufa, ben ©djlüffel ju Sßiemont öon granfretd» aus, $ur (Ergebung ju gmingen.

gür baS beutfdje fReid) hotte baS ®riegSjahr 1707 unter menig günftigen s#uSfichten begonnen. Sin bie ©teile beS am 4. Qanuar 1707 im Hilter öon jmeiuubfünfjig 3ahren öerftorbenen Sflarfgrafen ßubmig öon SBaben mar ber Sttarfgraf ©hnftian ®rnft öon iüatreuth, ein bereits betagter, fränflicher unb unentjchloffener ättann, getreten, ber eS in feiner SBeife mit bem im @lfa& fielen* ben üJtorfdjaU SSiöarS aufnehmen fonnte. ©o mar eS biefem ohne DJiühe gelungen, im SWai über ben Othein ju gehen unb fich ber ©totlhofener fiinien ju bemächtigen, morauf er unter furchtbaren ©ranbfchafcungen bis granfen unb ©a)maben öorgebrungen. 93om

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$ie Scf)lnd)ten bei Oubenarbe unb bei Sftalplaquet.

203

ganjen SReidje mit SBormürfen überhäuft, legte ber Üftarfgraf beu Cberbefefjl nieber, unb unter feinem 9lad)folger, bem ungleich tüfy tigeren unb tätigeren ®urfürften ©eorg öubmig üon $annooer, nahmen bie $)inge eine anbere Söenbung. 9iad)bem berfelbe bem gan^lict) öermaljrloften Suftanbe ber 9leta)äarmee ein (Snbe gemacht, traf er fo euergifdje Sßorfefyrungen jur Vertreibung ber gronjofen auä ben bon itmen befefcten ©ebieten, bajj SBiHara, in beffen £eer ftet) ein empfinblitfjer 9Wangel eingeteilt, oorjog, of)ne ©djmert- frreia) über ben SR^ein jurücfjnfe^ren.

Sic ®d)lad)ten bei Oubenarbe (11. 3uti 1708) unb bei äRaWaquet (11. ®e*t. 1709).

Sei ber ungünftigen Beübung, mefdje bte Xinge für granf* reief) genommen, unb ber gänjlid&en ©rfdjöpfung feine* fianbe* fjatte ihtbnrig bie Unmöglidjfett erfannt, bte gefammte fpanifdje 9ttonard)ie ju behaupten, unb geigte fid) bafjer geneigt, ben grie» ben burd) große gugeftönbuiffe ju erfaufen ; ba jeboe^ feine Gegner fidj auf feinertet griebenSunterfanblungen einlaffen wollten, fo lange er fidj nic§t jur 23eräid)tleiftung auf ba3 gefammte fpanifdje ©rbc bereit erfläre, befdjloi er, ben $rteg fortjufe^en. Snbeffen Ratten bie fteben üorauägegangenen ßttegäjaljre aud) bie Gräfte be3 ®ai= ferljaufeä na^cju crfct)öpft, unb Sugen faf) ein, bog ein balbiger 8rrieben3fd)fuB für Defterretd) faum mtnber notfjmenbig mar, atö für graurreid). (£r mar bafyer eifrig bemüht, burdj einen |>aupt* fdjlag eine rajdje Söeenbigung beä ®riege3 fjerbeijufütjren, unb ba aud) 2flariborougf> eine» entfdjeibenben ©iegeS beburfte, um feine Partei in ©nglanb am Silber pt erhalten, mürben für ben gelb= jug beä 3af>rc3 1708 bte umfaffenbften SBorfeljruugen getroffen. 3ur gönjlic^en Befreiung ber *ftteberlanbe foflte 9#artborougf}3 $>eer auf fedjjigtaufenb Sftann erfjöfjt, ein jmeiteä §eer öon oierjigtaufenb Sftann unter @ugen in ben !IRofefgcgenben aufgeftettt merben, um firf) ben Operationen 9ftarlborougf)3 an$ufd)Uef3en, unb ein brütet r>on fünfjigtaufenb SDtann unter bem ®urfürften öon .!pannooer ben WlitttU unb Dberrfjein beefen.

Ilm bie $(äne feiner (Gegner ju burdjfreuäen, fteüte Submig XIV. fcfyon im grüfyjaljr 1708 ein $eer öon neunjigtaufenb Sftann an ber ®renje bon glanbem auf. 35ie güfjrung beäfelben übertrug er bem fünfunb^manjigjä^rigen $>er$og öon Söourgogne, bem älteften ©cljne be£ $aupfjin§, feinem befonberen Siebling, bem er ben er- fafyrenen s-8enbome afä SRatfygeber jur ©cite fteüte. $a sMaxU boroug^ §eer bie üorgefefjene Starte nod) nicr)t erreicht fjattc

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$er fpamfdje grbfolgefrieg.

mtb aud) ©ugen nodj nic^t nadj bcr 2flofel fjatte aufbrechen fönnen, aeftaltete fid) ber beginn be* gelbjug* für bie granjofen günftig. äftarfborougf) mußte ftdj nadj ßömcn jurücf^ie^en unb fonnte bie Eröffnung ber Belagerung oon Oubenarbe nidjt öerlunberu. Qnbeffen traf @ugen, bem e* unfäglidje 9Kübe gcfoftet, bie Sang- famfett ber föeid)*fürften in ber SCufftcflung if)rer Kontingente ju überminben, frü^e genug ein, um ftdj mit 9ttarIborougb jum @nt* fafce oon Oubenarbe ju oereinigen. Bor ben dauern biefer Stabt fam e* am 11. 3uli 1708 gu einer blutigen Sd)lad)t , in melier ba* franjöfifaje £eer, trofc feiner bebeutenben numeriiajen lieber* legenfyeit , bauptfäd)lid) in fjolge ber stoifdjen bem £crjog oon Bourgogne unb Benbome berrfdjenben Uneinigfett fo üottftänbig gc= fd)lagen mürbe, bog ber föürfjug be*felben fid) ju einem fludjtar* tigen geftaltete.

SBä^renb ba* gan^lid) jerrüttete franjöftfa?e #ccr Ritter ben dauern oon ®ent ©ebufc fuebte , mürbe in bem fetiegaratfjc ber Berbünbeten ber Be[d)lu& gefaßt , ba* in ben sJhebcrlanbcn er- rungene Uebcrgerotcbt burd) bie (Eroberung eine* ftarfen SBaffcn* planes an ber frauflöftfeben ®renje ju fiebern unb §u biefem Sxvcdt äur fofortigen Belagerung ber midjtigen geftung Sille $u fdjrei^ ten. 9cad)bem bie fjoHönbifcben geftungen ba* fetylenbe Belage* rung*material geliefert, brachen (Smgen unb SRarlborough gegen ßiüe auf, unb mäbrenb ber (Sxftere jur Sedung bc* Belagerung** forp* in ber 9lät)e ber Stabt eine mof)lgcroablte Stellung nafym, eröffnete (Sugen am 11. Sluguft bie Belagerung bcr geftung, bie al* Bauband 3fteiftermerf galt unb oon ben granjofen für uncin= nebmbar gehalten mürbe. Obgleich biefclbe oon bem 3ttarjd)all Bouffier* mit ber ^eljntaufcnb 2ftann ftarfen Befatyung auf* Xapferfte ocr%ibigt mürbe unb ber 2ttangel an tüchtigen ©cnieoffijieren, foroie bie Sdnoierigfeit , bei ber Unterbrechung ber Berbinbung mit Brüffel bie nötigen ßeben*mittel für ba* Belagerung*l)ccr ju be- fdwffen, bie Operationen (Sugen* fef)r erfebroerten, trug bic Umficht unb 3(u*bauer be* $rin^en ben Sieg baoon. 9cad)bem Bouffier* fid) bereit* am 22. Oftober burdj bie Bitten ber ausgehungerten Beoölferung $ur llebergabe ber Stabt ^atte bemegen laffen r jab er fid) am 9. $e$ember gelungen , auch bie Gitabclle unter ehren= ooHen Bebingungcn ju räumen, $cr Uebcrgabe berfelbcn folgte am 2. Qanuar 1709 auch bie oon ÖJent. $a hierauf aud) Brügge oon ben granjofen geräumt murbc unb bie übrigen minber bebeutenben ^Mäfce, bie roäfjrenb be* gelbjug* oon ben granjofen noch befefct gemefen , fid} ben Berbünbeten ergaben , mar bie Aufgabe f toeldje bie beiben gelbljerren fiel) geftcllt, auf ba* ©länjenbfte gclöft: ganj glanbern mar oon ben gran^ofen befreit.

sMt ben fd,mcren Berluften, bie granfreid) in bem gelbjug

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$ie ©d)f achten bei Oubenarbe unb bei Sttalplaquet. 20 &

oon 1708 ju erleiben gehabt, mar für Submig baS Ücaß ber |>etnu fudjungen nicht erfchöpft. ©leid) nach ber Veenbiguug beSfelbcn trat eine fo ungemölntliche $älte ein , ba& baS gan^e 3ahr()unbert feinen gleich ftrengen SBinter aufaumeifen ^atte. s2ln ben Stuften gefror baS 3J?ecr nne im ^o^cn Horben. 9cid)t nur bie SSeinftötfe unb Celbäume, auch bie Saat unter ber (£rbe erfror. Sclbft in ihren SBohnungcn erlogen gan$e gamilien ber furchtbaren #älte. SBie bie ftatur, fo fdjien auch baS gefammte öffentliche Seben er* ftorrt. Xheater unb Berichte, felbft bie meiften .Slauflöben blieben gefchloffen. Unb als enblich ber ^iöerjeljnte grühling erfchicu, fam neuer Jammer: Ueberfchtoemmungen, £ungerSnoth unb ftranf- Reiten rafften Xaufenbe Ijumeg. $5aS allgemeine (Slenb fteigerte bie iln$ufriebenljeit beS VolfeS über bic längft unerträglich getoor* benen haften beS Kriege* jur äufjerften Erbitterung: Sc^mä^fc^rif^ ten auf ben $änig mürben öerbreitet, Drohungen gegen fein üv- ben an ben StraBeneefen angefdjlagen. $er gebeugte £ubroig bot auf* 9ceue bie £>anb jum grieben, inbem er fic| jur Ver$ichtleiftung auf bie ganje jpanijche Monarchie mit alleiniger MuSnalnne oon Neapel unb Sicilten bereit erflärte. Allein bie Verbünbeten, toeit entfernt , fich mit btefem griebenSangebot $u begnügen, ftellten u)m im Vollgefühle ihrer Ueberlegenheit noch härtere Vebtngungen , als oorher. 2lu§er ber Ver^ichtleiftung auf bie gefammte fpanifche Monarchie oerlangten fie bie ijurürfgabe ber Stäbte Stra&burg, dreifach unb Sanbau an baS beutfd)e Dleich-

X)ie franjöfifchen ©efanbten erklärten jmar biefe Vebingungen für unannehmbar , festen aber bennoch bie Unterhanblungen fort, in ber Hoffnung, bafj es ihnen gelingen merbe, burch bie Trennung ber Verbünbeten ju bem oon ^ubmig erftrebten 3idt ju gelangen. $iefe nriejen jeboch bie Slnerbietungen , bie Subtoig ihnen einzeln machen lieg , mit Sntfchiebenheit jurücf unb fügten fogar ihren frühereu Vebingungen bie weitere tyintu, ba& ^ubmig felbft fia) an ber Vertreibung feines (Snfels betheilige, falls berfelbe fich weigere, Spanien ju räumen. 2)iefe gorberung beroog ^ubmig, bie Untere hanblungen abzubrechen unb bie legten Gräfte feines erfchöpften SanbeS $u einem neuen öerjmeifelten Kampfe jufammen ju raffen. Xer ©ehalt ber SJcunjen rourbe burch Umfchmeljeit um ben oier- ten Xheil öerringert; bie königlichen gorften mürben gelichtet unb bie gefaßten (Richen um einen Spottpreis oerfauft, bie Steuern ber nächften brei Qahre jum Voraus erhoben unb s2lnlehen §11 bem höchften 3inSfu6e aufgenommen. 25er #önig felbft fehtefte fein ($olb= gefchirr in bie 2Jcünje. So gelang es noch einmal , ein §eer oon neunjigtaufenb SDtoun unter bie Waffen ju bringen ; bod) fonntc Submig fich nw$t verhehlen, ba& es baS lefcte fei, baS er einjufefcen im Staube fein merbe. X)en Oberbefehl über baejelbe übertrug er

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3)er fpanifdje (Srbfolgetrieg.

bem 90£arfdjall SBillarS, bem einzigen unter feinen 3felbl)erren , ber bU bafjin unbeftegt geblieben, tiefer brad) fofort nad) ben 9tie* berlanben auf unb nafmi bei Douai eine fefte Stellung, bie er burdj 33erfdjan$ungen bedte ; als jebodj (Sugen unb 2ttarlborougf) , bie audj in biefem 3af)re gemeinfam in ben SRieberlanben operirteu, nad) ber (Eroberung oon Xournai jur Belagerung öon 3fton3 jdjrit* ten, brad) er $um ©ntfafce biefer mistigen Seftung auf. (Sugcn unb üftarlborougl) jogen i^m entgegen unb fanben ifjn bei bem Dorfe 9tt a l p l a q u e t , jmifdjen ValeucienneS unb 9ttaubeuge, wo er auf bie Shmbe öon bem £eran$ief)en ber Verbünbeten &alt ge* mad)t unb ©erbaue unb $erfdjan$ungen fmtte anlegen laffen.

Drofc ber Sdjwterigfeiten , bie SBtUarS günftige Stellung für einen Angriff barbot, fdjredten (Eugen unb SJtorlborougfy nict)t öor bemfelben jurüd. Sobatb am borgen be3 11. September bie Sonne ben bidjten 9*ebetfd)leier jerriffen, ber bei DageSanbrud) bie gan^e QJegenb bebedt hatte, rüdte ba3 £eer ber S3erbunbetcn gegen bie fernblieben Sterfdja Udingen oor. (Eugen , ber mit bem regten glägel ben $ampf eröffnete , mürbe gleich anfangt burdj einen StreiffdmB am «ftinterfopfe öermunbet; er nahm fidj jeboch nicht bie Seit, fich einen Serbanb anlegen $u laffen, fonbem ftedte ein* fad) fein Dafchentudj unter ben £>ut unb ftürmte weiter, ben Sei= nigen ooran, bem JJeinbe entgegen, um wo möglich ben öon biliar* felbft geführten linfen Slügel be3 Scinbe^ ju umzingeln. Um bied $u oerhüten , 50g 33itlar$ feine Schlachtlinie weiter jurüd , unb mehrere Stunben lang rangen bie beiben gelbherren in blutigem Kampfe um ben Sieg , bis Billard , öon einem Sdjuffe burd) ba£ $nie getroffen, ohnmächtig üom Sßferbe ftürmte unb oon bem Kampf- plätze weggetragen werben mugte. (Eugen bcnujjte bie l)iebura^ unter bem geinbe entftanbene Verwirrung $ur rafdjen (Erneuerung feinet 9Ingriffä , unb e3 gelang ihm , ben linfen Jlügel ber 3ran= ^ofen öollftänbig aus feiner Stellung ju oertreiben unb jum 9tüd> $ug ju nötigen. Sofort fanbte er bie gefammte faiferliche Rei- terei bem £er$og oon 3ftarlborough 311 £)ilfe, ber bis bahin oer- geblict) ben SBiberftanb be3 oon bem 2ttarfd)all Bouffiers befehlig* ten rechten fernblieben ^lügeU ju bewältigen gefugt r)atte, unb entfdueb babura) auf biefer Seite gleichfalls ben Sieg ber Berbuubeten. Dem gewaltigen 9fta ifenangriffe meichenb, trat auch Bouffiers ben jftüd^ug an , ben er in ber Richtung auf BalencienneS einfdjlug unb mit gewohnter ÜÄetfterfchaft ausführte.

Die Schlacht bei Sttalplaquet , bie lefcte bebeutenbe beS lang- jährigen Striegel unb jugleich bie mörberifchfte beS ganzen 3afjrhun- berts, tyattt ben Berbünbeten jwanjigtaufenb Sftann gefoftet, wäfyrenb bie granjofen fieb^e^ntaufeub $obte unb Verwunbete auf ber blu- tigen 28af)l)tättc jurüdlteBeit. Die nächfte golge beS oon (Eugen

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$er 8turj SRarlborougl?« unb ber Zob Sofepfj« I. 207

unb 9ftarlborougf) errungenen Siege« mar ber Sali öon ^on«, ba« fidj am 20. Dftober ben Berbünbeten ergeben mußte.

$)a fiubmig feine SJfoglidtfeit fal) f ben Kampf mit irgenb melier 2lu«fid)t auf einen befferen (Srfolg fortjufefeen, mußte er fitf) entfdjließen , feinen ©egnern neue 3rieben«öorföläge §n machen. Unter ber Bebingung, baß man iljm bie Beteiligung an ber Ber* treibung feine« (Snfel« erlaffe , erflärte er fid& nidjt nur jur Ber* $ta)tleiftung auf bie gefammte fpanifaje 3)conard)ie mit alleiniger 2Iu«na!?me öon Sicilien , fomie jur .£>erau«gabe Straßburg« unb be« ganjen ©Ifaffe« bereit, fonbern erbot fid) fogar, ben Berbünbeten £ilf«gelber jur Befämpfung feine« (Snfelä ju jaf)len, fall« bcrfelbe SBiberftanb leiften merbe.

£er Katfer mar $ur 9cad)giebigfeit geneigt unb jmar umfo-- meljr , al« ©ugen ftfjon früher öor bem aüju ftrammen Slnfpaunen be« Bogen« gemarnt t)atte ; allein bie Seemädjte , bie hinter ben 3ugeftänbniffen ßubroig« eine trügerijdje ©Glinge öermutfjeten , be* darrten bei i^ren gorberungen , unb am 13. Quli erflärten bie Öeneralftaaten im tarnen bcr Berbünbeten ben franaöfifdjen ®e* fanbten: erft bann fönne ein befinitioer Jriebe gefcrjloffeu »erben, wenn ßubmig im Vereine mit ben alliirten sJ!)iäd)ten feinen (Snfel au« Spanien oertrieben unb $ur Berjidjtleiftung auf bie gejammte ipanifdje 3ftonard)ie gejmungen fabelt merbe. Obgleich aller $u«= fid)t auf eine günftigere ©eftaltung ber 5>inge beraubt, roie« Üub* roig bieje gorberung al« eine mit feiner (Styre unoereinbare juriief, unb fo naljm ber Krieg feinen Sortgang.

£er Sturj 9Karlborougf)3 (1711) unb ber Job 3ofepf)3 I.

(17. flpril 1711).

$)a« 3a^r 1710 braute ben Berbünbeten neue iÖortr)eiIe. 55a« oon (Jugen unb sJlttarlborougf} belagerte 3)ouai faf) jid), nad)= bem biliar« oergeben« sMe« aufgeboten , um ba«fclbe $u entfeften, am 10. Quü jur Kapitulation gejmungen , unb menn and) bie projeftirte Belagerung öon s21rra« unterbleiben mußte , fo ent(d)ä* bigten fid) bie Berbünbeten bafür burd) bie (Eroberung oon Betfyune (31. 2luguft) unb bemädjttgtcn ftdj hierauf aua) nodj ber geftungen 3t. Genant unb Wire. 2)a hiermit aud) bie britte iRei^e jener «öofltoerfe burd)brodjen mar , burd) roeldje Mubmig bie (iJrenjen ieine« *Reid)e« im Horben gefia^ert $u Imben glaubte , burften bie Berbünbeten fid) ber Hoffnung Eingeben , im nädjften 3af)re ifjrem ©egner in feinem eignen Öanbe ben Jrieben öorjdjreiben $u tonnen.

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$er fpamfdje (Srbfolgefrieg.

Diefe Hoffnung mürbe erhöht burdj ben Verlauf, bcn bic .^ricg^cr cigniff c injnrifchen in Spanien genommen. *Rachbem bie Berbünbeten im Slpril 1707 auf ber (Sbene oon fflmanga eine be* beutenbe 9tteberlage erlitten, in Solge beren Valencia unb Wxa- gonien ton ben granjofen erobert toorben , mar im 3ahre 17 10 ein bcbeutenber Umjchmung sum ^iacftt^ctlc Philipps V. eingetreten, ©eine ©enerale roaren oon bem ©rafen Starke mberg am 27. Quti bei Sllmenara unb am 20. Wuguft bei Saragoffa entfeheibenb ge* ichlagen morben , unb ®arl III. Ijatte am 28. September feinen feierlichen @injug in 2Jtabrib fjalten fönnen. gür Subtotg fdjieu s2llle3 oerloren unb 9lichtä ihm übrig ju bleiben, af3, mie Senelou fia) auäbrücfte, „burch Da« caubinifche ^^h ju gehen." 2lber toä> renb bie Berbünbeten ihres oodftänbigen DriumpheS fieser ju fein glaubten , traten jtoei unermartete (Sreigniffe ein , meldte bie ßage ber Dinge gänzlich beränberten unb ben tiefgebeugten ftönig mit neuen Hoffnungen erfüllten.

Den erften Sidjtftrafjl brachte bem Schmerbebrängten ber Sturj be3 SBhigmimfterium«, meines feit bem 3a$re 1705 an ber Spifcc ber engltjajen Regierung geftanben unb im (Sinoemehmen mit sJ#arlborough , ber baäfelbe oollftänbig beherrschte , eine entfdjieben friegerifche ^olitif oerfolgt fjatte. Schon feit längerer Seit hatte bie ungeheure Vermehrung ber Staatäfchulb unb ber roadjfenbe Steuerbrucf , ben ber langjährige ®rieg bem ßanbe aufgebürbet, unter bem englifchen Bolfe eine große Unjufriebenfjeit h^^oorge^ rufen, bie oon ben DorieS ju Angriffen gegen ba3 SBhigminifterium benufct würbe. Da bie Königin felbft mehr toriftifd) ala mhigiftifch gefinnt mar , blieben bie Bemühungen ber % orieä , bie SSln^ bei ihr 511 oerbächtigen , nia)t erfolglos; ihr 3^1 erreichten fie \t- boch erft, nachbem baä £er$ Slnna'S fia) oollftänbig oon ber $er= jogin oon :Ucarlborougf) loägeriffen, bon melcher fie fia) bis ba= l)in roillenloä %oX\t *citen laffen. Schon längft mar bie Königin ber '2lnmaBungen ber ^errfc^füc^tigen Dberhofmcifterin mübe ge= toorben, ohne jeboch ben 3Rutt) ju h^ben, fid) ihrer Dnraunei ju entreißen; al£ biefelbe jeboch bie Entfernung ihrer Berroanbten tfbigail , ber nachmaligen £abu sD£a3ham , bie fie felbft ald $ammerbame an ben £of gebracht , au3 ©tferfucht über bie ueigung , toelche bie Königin berfelben gejehenf t , im Vertrauen auf ihre eigene Unentbehrlichfeit mit ©etoalt ergingen wollte, fam jmifchen ihr unb ber Königin jum förmlichen Bruch- Sie mürbe im &pril 1710 aller ihrer ^pofämter entfefet unb erhielt ben Befehl, ben £of ju meiben.

Der Sturj ber Herzogin oon 3)carlborough ha^e bit (£nt= laffung ber rolugiftijchen iHäthe ber Königin , bie alle theite Ber* manDte, theil* (ijejchöpfe &)torlboroughS maren, unb bie Bilbung

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$er ©tuiä 3Ratlborough« unb ber £ob 3ofepfj« L

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eineä torifiifchen 9ftinifterium3 jur golge. $a3 einflußreichfte WliU glieb beäfel6en mar bcr fpätcr 511m Siäcount t>on SBolingbrofe erhobene frühere Staatäfefretär $arrb 3 t. 3ofjn, ein 3Jtonn, bcr mit einer ungemöfmlichen Äörperfdjönheit eine überfprubelnbe fie* benSfraft, geroanbte Sanieren, fjeroorragenbe ©etfteSgaben, glühenben @^rgeij unb eine Ijinrei&enbe ©erebtfamfeit , sugleich aber aud) bie größte ©enriffenlofigfeit unb bie öerberblidtften religiöfen unb fttt= liehen ÖJrunbfäfce öcrbanb (f. 6. 177).

£a3 ,f)ouptftreben be3 neuen 9ftinifterium3 war barauf ge- rietet, burdj einen moglichft rafcfjen griebenSfchfaß ben ^erjog öon Stfarlborongh überflüffig ju machen unb feiner glorreichen Siegel laufbatjn ein Siel gu fefcen. Um ba3 9Jcinifterium in feinen «e= ftrebungen $u unterftüfcen unb ben XorieS bie #errfd)aft bauernb &u fiebern , löfte bie Königin baä «Parlament auf , unb ba ba* Solf in feiner ©efammtheit mit ben griebenSbeftrebungen be& SKinifteriumä cinöerftanben mar, fielen bie 9teumahlen ganj in torifrifchem Sinne au«.

£>ie neuen Hoffnungen, ju melden bie in (Snglanb eingetre* tenen SSeränbenmgen fcubttrig XIV. berechtigten , mürben noch bor Ablauf beä Qahreä burch bie unerwartete SBenbung erhöbt, meiere bie $inge in Spanten genommen. $er £>erjog öon Senbome, ber m ^ilipp^ V. 3)ienfte getreten mar, t)atte im Vereine mit bem 9ftar= jehaü öou 9toailIeä, ben Submig mit frifchen #ilf3truppen nach Spanien gefanbt hatte, am 9. $eaember 1710 bei SBrilmela über ben englischen ©eneral Stanhope einen glänjenben Sieg erfochten unb am folgenben Xage bei Söillaöiciofa ben ©rafen t>on Starhemberg jum 9tücf3uge gelungen , fo baß W^PP v- nac§ Cabrio fyattt $urücffef)ren tonnen.

3n biefer jmeiten 2tettung3au3ftcht follte ftd) für äubmig, beffen alter Stolj mächtig aufzuleben begann, eine britte bon un= gleich größerer Xragmeite gefcüen. $aifer Sofeph I. ftarb am 17. #prü 1711 im Hilter oon $meiunbbreißig fahren an ben$inber= blättern, unb ba er feine männlichen Üftachfommen hinterließ, gingen bie öfterreichifchen (Srblanbe an feinen ©ruber föaxl über. $>aburch fear bie ganje Sachlage mit einem Schlage beränbert; benn e$ unterlag (einem Zweifel , baß bie ©unbeägenojjen Dcfterreich« , bie ba3 ©chmert ergriffen fyatttn > um bie Uniüerfalmonarchie ßub= »ig* XIV. nicht anffommen ju laffen, auch t>tc Sereinigung ber gefammten fpanifchen Monarchie mit ber öfterreichifchen nicht $u* geben mürben, unb fo mar an eine gortfefcung bed Krieges ju ben bisherigen Steeden nicht mehr ju beuten.

©obalb @ugen bic Nachricht oon bem unermarteten Xobe be£ ftaijerä erhalten hatte, nahm er bie gefammte Slrmee für ben ®ö* "ig £arl in ($ib unb Pflicht unb eilte bann nach $eutfchlanb , um

$ol4ttari$,.*Bdtfleföi($te. VI. 14

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210

$er fpcmifcfje Grbfolgefrieg.

ben Äurfürflen öon SDlainj, al« ben ©rjfanjler be« 9tetct)e«, jur fofortigen &u«fcf)rcibung bcr ftaifertoafyl ju üeranlaffen unb jugleicf) nact) beften Gräften für bie 2Bal)l $arl« ju mirfen. SBä&renb er fjicrouf bic toeftlidje SReid)«grenje befe&te, um einerfeit« einem Einfall öon «Seiten granfreid)« üorjubeugen unb anbererfcit« ben $urfürften öon Vaiern öon jeber bte ®aifermaf)l ftörenben Slftion abgalten, würbe am 12. Cftober 1711 öon ben ju granffurt öerfammettcn ®urfürften £arl III. öon Spanien al« @arl VI. jum beutfdjen ®aifer gemälzt.

tiefer fjarte fid) bereit«, nad)bem er bie Regierung in Spa= nien, ba« er nur ungern öerliefe, feiner ©emafylin, ber jugenblidjen (Slifabetf) öon Vraunfdjmcig-SBolfenbüttcl , einer ber fd)öuften unb ebclften grauen iljrer Seit r übertragen, am 27. September in Barcelona jur föütffefjr nad) $)eutfd)lanb eingefcfyfft. 3n 2Jtailanb überreizte if)m ber ^faljgraf ®arl Sßf)ilipp öon 9ceuburg ba« Söatylbcfret , unb am 22. Xejember empfing er ju granffurt , naa> bem er am öorfjergetyenben Sage feine 35kl)lfapitulation befct)moren, au« ben Rauben be« turfnrften öon a^ainj unter ben üblichen Seierlict)feitcn bie ftaiferfrone.

Unterbeffen hatte SRarlborougf) , ber anfangt auf bie 9taa> ridjt öon ben Vorgängen in (Snglanb ben ©ebanfen gehabt , burdj freitoiHige Säeberlegung feiner Stelle ben feinblidjen #bfidf)ten fei- ner (Gegner äuüorjufommen , öon (Sugcn jeboct) jum ©leiben be* mögen morben , ben ftrieg in ben flcieberlanben gegen Viüar« er* folgrcid? fortgefe^t, oljne ba& jebod) 511 bebeutenben kämpfen gefommen. 9cadjbem er am 13. September 1711 öoudmin jur Kapitulation ge$tuungen , feljrte er nad) ßoubon jurürf, um bie sßlänc feiner geinbe ju oereiteln. 2)a« Parlament flagte if)n je* boct) ber Veruntreuung öffentlicher ©elber au, unb am 1. Januar 1712 entfette ir)n bie Königin aller feiner Remter. Vergeben« bot (Sugen, ber fidt) im Januar 1712 im Auftrag $arl« VI. nadj £onbon begeben, um einen einfeittgen grieben«fd)lu6 öon Seiten ©nglanb« ab5umenben, 9llle« $ur Vertljeibigung feine« SBaffenge- fährten auf : er fonnte ntd)t« s2lnbere« erreichen , al« bie Unter* brüefung ber bereit« gegen üiftarlborougf) eingeleiteten gericr)tücr)en Verfolgung. S^act) bem Xobe ber Königin sJlnna (1714) mürbe äftarlborougfj , ber in$roifd)en mit feiner Öemafylin in £otlanb unb 3>eutfd)lanb gelebt , mo er überall mit ber größten 2lu«5eid)nung aufgenommen roorben , öon ©eorg I. in alle feine SBürben mieber eingefefct; boct) bract> fdjon im 3af)re 1716 ein Sdjlaganfatl feine £taft; ein ^weiter machte im Safjre 1722 feinem #eben ein (Snbe. (Sbenfo au«gc$eidmet al« Diplomat , roie al« gelbljerr , unb babei einer ber fct)önften unb ftattlidjfteu Scanner feiner 3^it, mar ÜDcarl* borougl) äugleid) ein burd) feine, geminnenbe Umgangsformen fyer*

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$ie gfriebeitSfalüffe oon Utrecht, töafiabt unb ©aben.

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oorragenber ^ofmamt unb ein SBirtuofe in bcr ®unft bcr 9)kn* fdjenbefyanblung ; aber biefe btenbenben @igcnfd)aften toaren Oer* bunfelt burd) einen falt bered)nenben (EgoiämuS unb eine fdjranfen* Jofc $abfud)t.

Sic gfriebenöWüffe *on Utrecht, Staftabt unb öaben.

©djon ju Anfang bc$ 3at)re$ 1711 ^atte (Englanb geheime grieben£imterf)anblungen mit granfreidj angefnüpft unb nad) ber (Entfernung Ü)carlborougl)3 oon feinem $ommanbo burdj beffen 9cad)= folger , bcn ^perjog oon Drmonb , ben ®rieg in ben lieber lanben nur nod) jum ©efteine fortfefeen (äffen. Sftadjbem beibe SWäc^te fid) über bie griebenäpraliminarien geeinigt unb ba£ englifdje Parla- ment benf elben im Quni 1712 feine Suftimmung gegeben , liegen fidj audj bie Oeneralftaaten , trofo ber ÖJegenbemüfyungen @ugen3, ber $lfle3 aufbot, um burd) eine erfolgreiche gortfüfyrung beä Krieges oon Subtoig einen bie Qnteteffen be3 ^aiferljaufeS fidjernben grie= ben $u ertoirfen , burdj ba3 englifdjc ^abtuet jur Xfyeilnafjme an ben griebenäunterfyanblungen bemegen, toorauf am 29. Januar 1712 $u U t r e dj t eine griebenaconferenj eröffnet mürbe , an melier außer granfreid), ©nglanb unb $oöanb, aud) Portugal, Greußen unb ©aoonen ifjeil nahmen.

£er Slbfdjluß beä griebenä erfolgte am 11. Slprtl 1713. 3n bemfelben rourbeu Spanien unb beffen außereuropäifdje 33e* fifcungen Philipp V. juerfannt , bod) mit ber auäbrürflidjen S8e- ftimmung, baß granfreta} unb ©paniert nie unter einem ©cepter oereinigt merben bürften. (Snglanb erlangte üon granfreidj bie 2(nerfennung bcr ©ueceffionaafte öom Qaljre 1701 , toeldje bie fatftotifaje fiinie beä £>aufe8 ©tuart oon ber (Erbfolge au3fd)toß, fomie bie Abtretung öon 9ceufd)otttanb, sJceufunbtanb unb ber £ub= fonäbai unb bie %\\\a§t ber 3nrftörung 0C£ $afen3 unb ber geftung&oerte oon $ünfirdjcn; oon ©panien, Gibraltar unb norfa, fomie ben fogenannten „s2l)*fientotraftat" , burd) melden ber englifdjen „©übjee^ompagnie" auf breißig 3a§re baä auäfdjließlidje sJkd)t $um sJcegerf)anbcl in ben fpanifdjen Kolonien jugeftanben mürbe. Xagegen mußte fidj £>oflanb mit einigen ^anbeUoort^eilen unb bem SBefafcungäredjt üon act)t nieberlänbifdjen geftungen begnügen. Xer 4>erjog oon ©aüonen erhielt eine sJieif)e oon geftungen an ber franjöfifdjen ÖJrenje unb für feine Mnfprüdje an bie fpantfa^e sJJconardne, außer ben SBejirfen, bie if)tn ®aifer ßeopolb bereite im 3aftre 1703 abgetreten, bie Qnfel ©tcilien als ein ftonigreid? mit ooller ©ouüeränität, foroie bie Mnroartfdwft auf bie fpanijdje $rone nad) bem 2lu3fterben be3 bourbonijd)en £>aufeä. Greußen erlangte

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$er foaniföe Grbfolgefricg.

bie Slnerfennung feiner $ünigämürbe , foroie bie Abtretung öon Dber^elbern unb bie «eftätigung ber Souöeränität über WeufchMel unb SBalengin; bagegen übet lieg an Sranfreich baS gürftentftum Crange, auf roeldjeä König grtebrich L als ber Solm einer oranifdjen ^rinjeffin 5lnfprüche hatte.

Mai) ber Unterzeichnung be3 griebenS öon Utrecht übcrreic^= ten bie franjöftfchen unb englifdjen Unterhänbler bem Vertreter be3 ®aifer£ ein griebenäangebot , nach welchem Starl VI. , gegen bie SBersidjtleiftung auf Spanien unb Qnbien unb bie (Genehmigung flur 3Biebereinje$ung ber föurfürften öon iBaiern unb Köln , bie 9cHeberlanbe unb alle ehemaligen ipanifchen Vefifcungen in Qtalien, mit Ausnahme ber bem .frerjog öon Saoot)en jugefagten 3nfcl Sicilien juerfannt werben füllten. Karl VI. fonnte fi<h jeboch nicht ba$u entfchliejjen, auf baä ihm lieb geroorbene Spanien 5U oerjich ten , unb jog bafjer öor , in Verbtnbung mit bem deiche ben Krieg gegen granf reich fort^ufe^en.

Qnbeffen mu§te (£ugen balb erfennen, ba§ auf bie £>tlfe bc£ SReicheS wenig ju jählen fei. $er Reichstag fyattt jroar Gier Millionen Xtjaler für ben Krieg bewilligt ; aber al$ ber ^ßrinj am 13. 3Kai 1713 in jeinem Hauptquartier ju Sftühlberg anfam, fanb er bie Kriegäfaffe öollftänbig leer unb fonnte nur burch bie $$cx pfänbung feines fiirftlichen @h*enmorteä öon einem granffurter SÖechöler für bie nothmenbigften Vebürfniffe beä Speere* einen Vor- fdm§ oon h^^bertfünfunb^manjigtaufenb ©ulben erhalten. 9lud) trafen bie Kontingente ber öerjehiebenen Stänbe nur äußerft lang* fam unb in ungenügenber 3af)l ein unb befanben fich überbieä in bem troftlofeften Suftanbe , ba ihnen in bem müßigen , nur burch unbebeutenbe Vorpofteu gefegte unb Meine Streifereien unterbrochenen üagcrleben , in welchem ihnen bie legten 3ahre öerftrichen waren, alle Quty unb aller friegerijehe ©eift abhanben gefommen.

Unter biefen Umftänben fonnte es @ugen trofc ber unermüb= lichften ^h^tigfeit unb s2luäbauer nicht öcrl)inbern, baß VillarS, ber ihm mit einem bebeuteno überlegenen Speere gegenüberftanb , ba£ nichtige Saubau eroberte (20. 2lug. 1713), alle offenen Stäbte in biefer ®egenb: Kaiferälautern, Speier, Söormä u. a., mit jehmeren SBranbfcha&ungen belegte , bann fogar über ben dttytin ging , um auch am rechten Ufer sMe£ ju öerwüften unb bie nächft gelegenen 9ieichäfreife au^ufaugen, unb enblich, am 16. Üftooember 1713 baä nur fchroach bcfefcte greiburg nach fech3n)öcf)entlicher tapferer Ver= theibigung $ur Kapitulation $wang.

9lach biefem traurigen Ausgange be$ gelb$uge3 öom 3af)re 1713 hielt es ber Kaifcr für geraden, bie grieben3öorfcf)läge , bie ©iflarS ihm im Auftrage ßubmiga burd) bie Vermittlung beS Kur* fürften oon ber ^falj jufommcn liefe , nid)t jurütf$umeifen. 2lm

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$ie grieben*fcf)lüffe öon Utred)t, föaftabt imb ©oben. 213

26. SRotoember 1713 famen (Sugen unb ^idard jur geftftettung ber grieben*bebingungen in föaftabt jufammen, unb ba für granf* reid) ba* grieben*bebürfnif$ nid)t minber groß mar, al* für Defter* reid), gelang e* (Sugen, bic übertriebenen Sorberungen Subtuig* fterobjuftimnten, bic eine Seitlang ba* grieben*merf ju ftören ge= bro^t. 21m 6. 2Rärj 1714 fam ber grieben*öertrag ju ©taube, unb am folgenben SWorgen jttrifdjtn brei unb mer ll|r mürbe ber* felbe, nadjbem bie Anfertigung ber ST6fct)riftcn bie ganje 9*ad)t in Slnfprudj genommen, öon ben betben gelbfyerren unter$eid)net, morauf biefelben, fytngeriffen tion ber fybfjen SBebeutung be* Mugenbtid*, einanber öoü tiefer SRüfjrung in bie 2Irme fielen.

3n bem grieben oon Sftaftabt geftanb granfreidj bem föaifer bie fpanifdjeu üßieberlanbe , fottne Neapel, Sftailanb, ©arbinien, Sftantua, beffen tefeter, megen feinet Anfdjhiffe* an granfreid) in bie SReidjSad&J erflärter £>er$og ®art IV. im 3af)re 1708 ge* ftorben mar, unb bie to*fani}djen ©eefjäfen an ber roeftlidjen ttüfte ju, gab feine (Eroberungen am föbeine, mit Auslug bon Sanbau, bem Steide jurücf unb anerfannte bie ^annööerifa^e ®ur. dagegen fagte ber #aifer bie ßo*fpredjung ber $urffirften bon Saiern unb #Mn öon ber 8teidj*ad)t unb bie Söiebcreinfefcung ber- felben in ifjre ßänber unb SBürben ju. gür ba* föeidj mürbe bie 2Bieberf)erftelIung be* ßuftanbe* bor bem Kriege auf ©runb ber grieben*fc$)lüffe öon SRömmegen, SDtönfter unb $Rt)*mio? vereinbart. „$a* große Xagemerf $u föaftabt ift boflenbet," fdjrieb (Srugen an iWarlborougf). „3d) mußte leiber auf bie ©ünbe ber ©eemädjte im tarnen meine* ©ouöerän* ba* ©iegel brürfen."

ßarl VI. fefcte in einem betrete bom 24. ÜRärj 1714 ben 9teid>*tag ju 9tegen*burg bon bem ju töaftabt atuifdjen if)m unb granfreidj getroffenen Slbfommen in ftenntniß, inbem er e* ben ©tänben anf)eim gab, ob fie felbft iffren grieben mit fiubmig ab= fließen ober ifjn ba$u beöoflmädjtigen moflten. Sftadjbem fie fid) ür ba* Severe entfcfjieben, traten im Jgum 1714 faiferlidje unb ranjöfiföe ©eootlmädjtigte ju Söaben in ber ©djmeis ju neuen Üterf)anWungeu jufammen, bie mit bem beitritt be* föeidje* 51t ben grieben*bebingungen üon Sftaftabt enbeten. $ie grieben*urhmbe mürbe am 8. ©eptember üon (Sugen unb SBillar* unter$etd)net, bie ju biefem 3mede ju SBaben auf* fteue jufammen getroffen waren.

SBier Xage naa) bem 2lbfa^(ug be* ^rieben* oon öaben, ber ba* @nbe be* fpanifc^en ©rbfotgefriege* befiegette, erlofa) bie ^riege*fade( aua^ in Spanien. Wit unermübttdjer ©tanb^aftigfeit Ratten bie ^elbenmütf|igen ©atalonier, benen s?^ilipp V. nur gegen bie SBerjidjtleiftung auf i^re SRedjte unb grei^eiten Sßerjei^ung be= mißigen mottte, ben ^ampf fortgefe^t; nadjbem jeboa) Barcelona,

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$er fpanifcfje (Srbfolgefrieg.

ba3 Xruppen feit ber Slbreife ber ®aiferin im Qafjre

1713 öerfdjiebene 2ttale öergeblidj belagert, mit .ftilfe eines neu angefommenen franjöfifdjen $>eere§ t)on brei&igtaufenb Wflann tx- ftürmt morben, gaben fie ifjren SSiberftanb auf. Xrofc ber gürfpradje, bie ®arl VI. bei ben Unterfmnblungen oon SRaftabt unb iöabcn für bie treuen ©atalonier eingefegt, mürbe bie SBerfaffung ber s$ro= öinj aufgehoben unb bamit ber lejte fReftc ftänbifdjer SRedjte unb greiljetten in Spanien aerftört.

VII.

c£tt6wifl5 XIV. Ausgang.

Dbgleidj ber tnetjelmjäfjrige ®rieg um baS ^panifdje Ghrbe für granfreitf) ungleid) günftiger geenbet, als e3 feit bem Xage öon £>öd)ftäbt ju ermarten geftanben, fonnte Cubmig fid) nid)t oer= §ef)len, baß berfelbe feinem Sanbe jum ferneren $8erf>ängni& ge* morben. $er 9lationaImol)lftanb mar bernid)tet, ba3 ßanb öer= öbet; ^anbel, Gtemerbe unb 21rferbau tagen öoüftänbig barnieber, unb baä SBolf, tum ber £aft unerfdjminglidjer Steuern erbrüdt, fd)mad)tete im tiefften (Slenb. $ie Sdmlbenlaft mar ju ber #ölje oon neunlmnbert SJftflioncn Xfjalern angemadjfen, unb man fonnte nidjt einmal bie Qmfcn berfelben jaulen, nod) meniger bie lau* fenben Slu3gaben beftreiten. $er Äönig felbft, ju meinem baä 23olf einft mit Stola unb «emunberung aufgebaut, mar ber ®egenftanb beä &affe3 gemorben, unb nur bie ®etuof)nf)eit be3 miflenlofen <5Jefmrfam3 f)ielt baS $8olf Don offener ©mpörung ju* rütf. $en legten 9teft beS Sßertrauenä unb ber Mcbtung fjatre Submig bei feinen Untertanen baburd> aerftört, baß er fid), tf)eite au« fteugierbe, tr)etl^ au« 2ßi|trauen, nidjt nur burd) geheime Ihmbfdjafter, bie fogar feine (SJefanbten an ben fremben $öfen be- lauften mußten, aüe Stabtgefpräc$e, felbft äße«, roa$ in ben 3a= milienfreifen borging, autragen, fonbern fogar aüe mit ber *ßoft etnlaufenben «riefe eröffnen unb fid) über ben Snfjalt bcrfelben ©eridjt erftatten lieg.

Sticht minber traurig, als in feinem einft fo blüljenben föeidjc, fal) in beä greifen Königs eignem .<paufe au3; benn innerhalb meniger Qafjre Ijatte ber Xob in feiner gamtfie eine furchtbare (Srnte gehalten. SBon ben fedjS $inbern, bie feine ©emaf)lin iljm geboren, roaren bie fünf jüngften früf) geftorben; nur ber $aupf)in mar am Sieben geblieben, unb vJZid)t3 mar oerfäumt morben, um Hm ju einem tüdjtigcn, mit ben reichten ^enntniffen auSgcftatteten Regenten fjeranjubilben. 2Bie öoffuet fjauütfädjlidj für ityn feinen

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SubtuigS XIV. Ausgang.

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berühmten 3Ibri6 ber 2Beltge| dachte gefdjrieben, fo mar auäfchliefc lieh für feilten Unterricht eine ganje SReir)c üon Ausgaben römifcher Klafftfer auf fönigliche Soften man beregnete biefelbe auf jmei* hunberttaufenb ßiüreS üeranftaltet toorben, bie auf bem Xitel bie SBorte in usum Delphini führen. 9(ber ade«, roaä für feine @r= $iehung gethan morben, follte für granfreiapS Sufunft fruchtlos bleiben; benn es mar if>m nicht belieben, ben X^ron $u befteigen, für merken er in fo glänjenber Sßeife auSgebilbet toorben. @r ftarb am 14. 9Ipril 1711, mitten unter bem Jammer, ben ber fpanifche ©rbfolgefrieg für granfreich ^eraufbefa^moren, im Sllter üon naheju fünfzig Sohren an ben Kinberblattern. üftach feinem lobe beruhten bie Hoffnungen ber Nation auf feinem ©ofme, bem geiftüollen, allgemein beliebten £>erjog üon SBourgogne, unb beffen liebenSnmrbiger ©emahlin ; allein im folgenben Qa^re erlagen SBeibe einem ^i^igen gieber, bie 2)auphine am 12. unb it)r ©emahl am 18. gebruar. $)a ber Xob ihren älteften ©of)n fd)on im Qahre 1705 ^inmeggerafft, mar ber jtoeite, ber noch im Knabenalter ftefjenbe £>er$og Karl üon Bretagne, Xf)ronerbe; boch auch er folgte fdjon nach toenigen 2öod)en (6. äftärj 1712) feinen Altern ins ©rab. @in britter (Snfel fiubnrigS, ber £erjog üon Serrü, beS 4>eTjogS üon Söourgogne jüngfter trüber, fanb am 4. Sflai 1714 ben $ob burch einen ©turj üom ^Sferbe, unb fo blieb bem am föanbe beS ©rabeS ftehenben König üon allen feinen üftadjfommen, außer bem König üon Spanien, nur noch ein Urenfel, ber jüngfte, im 3<if)re geborne ©ofjn be£ £>erjog3 üon ©ourgogne, ber

nachmalige Subroig XV.

Qnbeffen bemegte fich baS ßeben bes üereinfamten Königs, ber trofc ber Verarmung beS Sauber feine prunfüotle Hofhaltung aufrecht fyittt, in bem gelohnten (Meife beS Hergebrachten, toobei bie Sftaintenon 5lfleS aufbot, feinen roachfenben Xrübfinn burch Serftreuungen aller 31 rt $u befämpfen, roas ihr umfo fehlerer tourbe, als feine ©mpfänglichfett für geiftige Unterhaltung immer mct)r abnahm.

3m ©ommer 1715 üerfiel bie ©efunbheit beS Könige ficht= lief), unb balb üerfünbete bie rafche Abnahme feiner Kräfte baS herannahen feines XobeS. TOt großer gaffung üernahm er bie 3J?ittt)ciIung feinet SlrjteS, baß er nur noch wenige Xage ju leben (jooe. 9iacr)bem er am 25. Sluguft bie lefcte Dclung empfangen, Iie§ er am folgenben Sage bie 3Äinifter unb ben Dauphin üor W fommen, empfahl ben (Srfteren Xreue gegen feinen Nachfolger unb ermahnte feinen Urenfel jur Gottesfurcht, jur ©parfamfeit, jum grieben unb ju ädern ©uten, baS er felbft nicht habe thun lemnen. 2Jftt ©chmerjen nahm er roaljr, ba§ feine Hofleute bei feinem herannahenben Xobe fich üon ihm jurüefgesogen, um fich

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9tufelanb unter 5ßctcr bem ©ro&en.

feinem Neffen, bem $>er$og $f)iftpp II. öon Orleans, jujumenben, bem als bem nädjften Slnöermanbten beS jungen Königs bie Siegend fdjaft jufafien mußte. 3n feinen beiben legten SebenStagen fmtte Submig nur menige lichte Slugenblicfe, in meldjem man u)n roieber= holt beten hörte: „2ftetn ©ort, fn^f mir! ©ile, mid) ju erlöfen!" 9tuf)ig unb gefaßt entfdjlief er am 1. «September 1715, früh um acht Uhr, mährenb er mit feinem 33eidjtöater bie ©terbegebete öer- richtete. 3)aS SBolf, baS ü)n einft vergöttert hatte, brach bei ber ftadjridjt oon feinem Xobe in lauten 3ubel aus, unb ber Sßöbel »erfolgte ben fieichenäug mit SBerttmnfdjungen unb Söefchimpfungen aller s2lrt, fo ba& man ben ©arg mit ber Seiche beS Königs auf Scebcnroegen nach ©t. $cnis bringen mußte.

VIII.

$ttt|f<m& uniet ^eter bem $ro§en.

(1682—1725.)

3n Sftuglanb mar, mie mir 53b. V, ©. 323 gefehen, im 3al)re 1584 mit bem finberlofen (Sparen geobor ber ©tamm iRurifS in männlicher ßinie erlofdjen unb imgafjre 1613, nach längeren I^ron= ftreitigfeiten, ber mütterlicher feitS bem £aufe 9turifS entftammenbe Michael geoboromitfeh jum ßjaren ermaßt morben. SRidjacI III. geoboronutfdj (1613—1645), ber bie SReihe ber Regenten auS bem .£>aufe föomanom eröffnete, befeftigte feinen Xfjron burch Klugheit unb 9flilbe unb fteCtte in bem jerrütteten SReic^e 9luhe unb Drbnung her. ©ein ©of)n 2llejci TOchaelomitfch (1645—1676), ber fefion im Hilter bon fünfzehn Sauren bie Regierung antrat, nahm bie $o* fafen, bie fich gegen bie sJtepublif *ßolen empört hatten, unter feinen ©dmfc unb bemilligte ihnen, als <ßreiS ihres SlnfdjluffcS an föu&= lanb, (Steuerfreiheit, eigene ©eridjtSbarfeit unb baS töecht, fich felbft i^ren £ e t m a n biefen Xitel führte ihr Oberhaupt $u mählen, mogegen fechäigtaufenb föofafen, benen ein befttmmtcS ^ahrgelb ju= gefagt mürbe, für ben $>ienft beS (Sparen unter ben SBaffen bleiben fottten. 3n bem 2BaffenftiHftanb, ben er im Sahre 1667 ju Sin* bruffom mit bem ®önig Qohann ®afimir öon s$olen fd)lo&, mürbe baS Sanb ber fafen jmtid&en ber föepublif unb SRu&lanb fo ge= theilt, baf} ber Knieper bie ©renje bilben fottte; auch erhielt er in bemfelben bie ^roöinjen ©ebenen unb ©molenSf jurürf. gür bie §ebung ber SBilbung beS ruffifdjen SßolfeS, baS noch W einer an nollftänbiger ^Barbarei grenjenben 0tot)t)eit oerfunfen mar, traf $tfe(ei eine Üieifje trefflicher Einrichtungen.

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ftufclanb unter $ettr bem (Drofecn.

217

SHejei'« ©ofa unb 9<acf)fotger geobor MerdnritfcE) führte bic Regierung ht bem ©eifte feine« ©ater« fort unb machte fia) be* fonber« baburd) um ba« föetd) oerbient, baß er bura) bie ©ernid>* hing ber fogenannten „9to«riabbfid)er,' , in metdjen alle $rtbitegien be$ Soften «bei« oerjeicfinet tuaren, beffen STnfprüdje auf ben erb* lidjen ©efifc aller leeren ©eamtenftellen beseitigte. Unter if)tn mürben bie Muffen jum erften WlaU in einen #rieg mit ben Xürfen toermicfelt, ber jum Wafytyit ber ßefcteren oerlief .

Seobor ftarb fdjon im 3atjre 1682, nadj nur fed>« jähriger Regierung, im Sllter öon füufunbjmanaig Saferen, unb ba er feine tfinber hinterließ, gebührte bie #rone feinem älteren ©ruber 3 tu an, Slerei'« Reitern ©ofme. tiefer mar jeboef) nid)t nur förperlidj fcr)tt>a^f fonbem aud) geiftig fo gering begabt, bog er jur Regierung unfäfng fdjien; bafjer erfannten bie Großen, bie fid) gleid> nadj Seobor« Xobe $u 3Jco«fau oerfammelt Ratten, bie ftrone feinem ^efjnjäfjrigen ©tiefbruber $eter, einem jüngeren ©oime 2llejei'« au« beffen <£l)e mit Natalie ftarifdjfin, ju.

Um <ßeter« Xljronbeftetgung ju vereiteln, reijte feine ©tief* tömefter, bie ebenfo fluge unb ehrgeizige al« entfd)loffene $rin= jeffin (Sophia, bie für ihren ©ruber 3man bie Regierung führen $u fönnen gehofft, bie ©treiben (©triel$i*©d)üfcen, ein bon 3man IV. errichtete« ftef)ettbe« $eer) burdj ba« Vorgeben, baß Sßeter fie auf* löfen motte unb feinen ©ruber 3toan ermorbet fyabt, $ur Empörung auf. Unter bem Stufe: „lieber mit bem SRörber 3man«!" um* Ringelten fie ben ®reml unb fneben $cter« Df)etm Qtuan 9carifchfin nebft mehreren anbern ©liebem ber 3<Hmfa feiner HJhitter nieber (15. 9Hai 1682). ©elbft al« 3man fidj an <ßeter« ©eite geigte, legte fid) ber Aufruhr nicht. (Snblich riefen bie ©treli&en Qttian jum (Sparen au« ; al« biefer jeboch felbft fid), jum großen ©er* bruffe feiner ©djmefter, feinen ©ruber $eter $um SRitregenten er* bat, gaben fie feinem 2Bun[dje nach, unb fo mürben beibe ©rüber am 23. 3uni 1682 ju 2Jco«fau gemein fchaftttdj gefrönt. SSä^renb ihrer SJftnberjährigfett fottte bie ©roßfürftin ©opfu'a bie SRegentfchaft führen, bie fie mit ihrem ©ünftling, bem Surften ©alifctn, theilte.

3nbcffen fat) fid) bie (£$aremna felbft batb in ihrer ©tellung bon ben ©treiben bebrofjt, bie fidj bon ihr jurücfgefetjt glaubten unb bon einigen ihrer Jü^rer, befonber« oon ben beiben Surften (&f)on)an«fi , in ihren meuterifchen ©efinnungen beftärft tuurben. ©optjia entflog mit bem £>ofe nach bem $lofter be« heiligen ©ergei ju Xroijfoi, einem neun teilen üon ber ^auptftabt entfernten $?aflfafjrt«orte, unb mußte auc^ bie (5^oman«fi bort^in ju locfen. &aum Maren biefelben jebod) erfa^ienen, al« fie mit fiebenunbbreißig ©trelüjen if)rer ©egleitung ermorbet mürben, ©ofort erfrürmten bie übrigen ©treli^en ba« Softer, um 9taa)e ju nehmen an bem

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218

JRufelanb unter $eter bem ©rofeen.

(sparen ^ßeter, auf meieren ©opfjia äße ©cfmlb gemäljt, unb fdjon mar einer ber Wufrührer im begriffe, benfelben am tlltar ber Kirche, mo er mit feiner SDlutter ©chufc gefud)t, nieberjuftofeen, alä ein anberer, oon ©cfceu r>or bem heiligen Orte ergriffen, irm baoon mit ben SBorten ^uräcf r)ielt : „Glicht rjier am Elitäre, ©ruber! Crr mirb un£ nidjt entmifchen !" Unterbeffen mar ber 2lbel ber llmgegenb jum ©crmfce feiner ^errfdjer herbeigeeilt, unb fo mürbe $eter gerettet. Sßon ben Hufrüfjrern mürben breifeig al§ bie $aupt- räbelsfürjrer enthauptet, bie übrigen auf if)r flehentliches Sitten be* gnabigt.

©opbia benufcte ben mifeglücften ©trelifcenaufftanb jur @nt^ fernung *ßeter$ Dom #ofe, inbem fie ihm mit feiner 3Kutter einen oon feinem ©ater erbauten ßanbftfc in bem $orfe $reobrafcrjena= foi unmeit Sttoäfau jum Aufenthalte anmieS. ©ie felbft trat feit ber $)emütfü'gung ber ©treiben mit Dotier ©elbftftänbigfeit auf. Unter ben faiferlichen SBerorbnungen erfchien ir/r 9tame neben ben tarnen ihrer beiben ©ruber; bie SJcunjen trugen auf ber SRücffeite ihr ©ilb mit Jfrone unb ©cepter, unb bie Umfdjrift be5eicfjnete fie als „©eherrf a^erin öon ®rofe- unb ff lein^ußtanb." UebrigenS führte fie bie SRegentfchaft nicht ohne ©efefnef unb mußte föufelanbä 5(nfehcn auch nach duften aufregt $u halten. $on bem ®önig öon $olen, Johann ©obteäfi, erlangte fte bie ©ermanblung be£ SSaffen* ftillftanbeS öon Slnbruffom in einen beftnitiöen grieben. Qbrer ©ethetltgung an bem legten Sürfenfrtege Öeopolb« I. ^ahtn mir bereite oben (©. 20) gebaut.

Unterbeffen mar <ßeter p $erobrafchenSfoi jum Jüngling herangemachfen. ©on einer ©chaar junger Muffen auä ben erften Samiltcn be3 Sanbeä umgeben, überliefe er fidj einer ööHig unge^ bunbenen ScbenSmeife. ?Benn jebodj feine ©chmefter bie Hoffnung nährte, bafe er fich burch AuSfchmeifungen förperlich nnb geiftig ju ®runbe richten merbe, fo faf) fie fid) barin öollftänbig getäufcht; benn hinter <ßeterä jügeflofem ^ugcnbtreiben öerbarg fich ein riefer ©ruft. 3n feiner Umgebung befanben fich mehrere MuSlänber, unter benen befonberS 53 e f o r t , ein taufmannäfohn au* ®euf, hcroorragte, ber nach einem abenteuerlichen, in franjöfifchen unb hoüänbifchen Ärieg^bienftcn hingebrachten Qugenbleben als ©efretär ber bänifchen <55efanbtfct)aft nach Oiufelanb gefommen. ©ein einneh- menbeS SBefen, fein entfernebener CHwrafter unb bie öielfacfjen Äenntniffe, bie er fich &*i feinem SBanberleben angeeignet, geman- nen ihm balb bie befonbere 3nneigung be3 jungen, lebhaften unb mtfebegierigen (£jaren, ber nicht mübe mürbe, ihm jujuhören, menn er bie Lebensart gebilbeter ©ölfer, ihre bürgerlichen unb hän3= liehen Einrichtungen in anfcfjaultdjen ©chUberungcn an ihm üor= überführte unb ihm öon ihrem ,$anbel unb ihren fünften, ihrem

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Shißlmtb unter $eter bem ©rofecn.

21D

&eer* unb ©eebienft erjagte. SBalb fanntc $eter feinen ^ö^eren SEBmtfch, al* bie Silbung be* 2lu*lanbe* nach föußlanb $u üer> pflanjen. 9ftit großem Grifer erlernte er üon Sefort bie bcutfcfje, fjoflänbifdje unb franjöfifche ©pradje unb ließ fidj üon ihm unb bem ©chotten ÖJorbon im (Gebrauche ber Staffen auf abenblän- bif(t)e 2(rt unterrichten. ,3ugleich bilbete er au* feinen abeligen meraben, bie er feine „^ßotefdjnie" (©ptelgefährten) nannte, eine Sompagnie, in roeldje er felbft al* (Semeiner eintrat, um ben $)ienft buref) afle ©tufen fjinburd) ju erlernen, Balb rouch* bie 3at)l ber öon Sefort unb ©orbon einerercirten ^otefdmie fo fef)r, ba§ fie in *ßerobrafcf)cn3foi nicht mef>r alle ^lafc finben fonnten, unb fo rourbe in bem nahen $orfe ©emenomäloi eine jroeite ßom* paaiue errietet. $luS biefen beiben ßompagnien gingen fpäter §mei ©arberegimenter ^eroor, bie noch ^eute ben tarnen ber beiben Xörfer führen.

©oplna fal) biefe* ©olbatenfpiel nicht ungern; benn fie fjoffte, baß baSfelbe ihren Bruber öon ben ©taataangelegenheiten ablenfen merbe. Qn biefer Hoffnung fah fie fich jebodj getauscht; benn je mef)r ber junge (£$ar unter folgen Beschäftigungen feine ßraft fühlen lernte, befto brütfenber erfdjien ihm bie Unfreiheit, in mel* d)er feine (Schroetter irm fortmährenb $u galten juckte. §11* er im 3at)re 1688 jutn erften SKale feinen ©ifc im ©taatSrathe ein* nahm, geigte ihr feine ganje Haltung, baß ihre §errfdmft in ber emfteften ©efafn* fcfmjebe. SRodj f)öl)er ftieg ihre Beforgniß, al* $eter fid) im 3af)re 1689 auf Betrieb feiner flugen Butter, bie feinen SügcHofigfeiten ein 3iel ju fcfcen unb ihn jugleich bem Bolfe näher ju fuhren hmnfchte, mit (Subofia üapuchin, ber Xodj* ter eine* Sojaren, öermäfjlte. ©ie erfannte, baß *ßeter* $ob allein ihr ben gortbefig ber fterrfcfjaft fiesem tonne, unb begünftigte ba= ^er eine Berfchmörung ber über feine Steigung ju bem auäroär* tigen $eerme}en aufgebraßten ©treiben gegen fein ßeben. 3n* beffen erhielt *ßeter ßunbe öon ber ihm brohenben (Gefahr unb fud)te ©djufc in bem Softer Xroijfoi, mo fich alabalb außer ben $otefcf)nie bie üon ihm aufgerufenen Bojaren in fo großer 3^ um i^n öerfammelten, baß bie ©treiben feinen Singriff magten. 3Rit ben Großen erflärten fich auch ber Patriarch oon 9Ko*fau unb ba* Bolf für ilm. $ie ©treiben mußten fid) unterwerfen, unb bie $auptfcrmlbigen erfuhren bie ganje ©trenge be* fiegreidjen Sparen. $ie meiften berfelben mürben Eingerichtet, anbere nach Sibirien gefeiert, beffen unter Qroan IV. begonnene Eroberung unter geobor I. öollenbet tuorben unb ba* feitbem al* Berban= nung*ort für ©taat*öerbrecher biente. 5luch ber gürft ©ali^in mürbe, nachbem er aller feiner (SJüter üerluftig erflärt roorben, mit einem täglichen ftoftgelbe öon brei Äopefcn (neun Pfennigen) ' nach

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*J20

9iunIonb unter ^ßeter bem ®rof$en.

dnem fleinen Slecfen am Eismeere tjermiefen, Sophia felbft in ein ®loftcr ju SRoSfau gebracht, wo fie ben Schleier nehmen mußte.

50 war ^ßcter im Hilter öon fiebjehn 3ahren jur Hüeinherrfchaft gelangt, bic ihm Qman willig überließ, obgleich auch er btö an fei- nen Xob (1696) ben Ehrentitel führte.

Unverzüglich fdjritt $eter §ur Ausführung be$ langft entwor* fenen ^ßlane*, fein SReich burdj bie Einführung europäifcher Kultur imb Einrichtungen ben ctöilifirten Staaten Europa'3 einzureihen unb ihm unter benfelben eine geachtete (Stellung ju berfdjaffen. $aju erfaßten ihm bor 2lHem ein nach europäisier SBeife einge« ric^teted unb gefchulte* $>eer nothwenbig, mit meinem er nicht nur im inneren feine* SReicheS jeben SBtberftanb gegen bie bon ihm beabsichtigten Reformen nieberwerfen, fonbern auch beffen ©renken burch Eroberungen erweitern fönne; benn er erfannte, baß e3 ihm ohne ben Bcftfc bon $üftenlänbern, bie eine teilte Berbinbung mit bem ?lu$lanbe gewahrten, unmöglich fein Werbe, SBilbung, ;panbel unb ÖJewerbfleiß in sJtußlanb einzuführen. 3Bährcnb Sefort unb dtorbon ihm ein trefflich gefchulteS £eer Don jwölftaufenb 5ttann fchufen, beffen ®ern bie beiben Eompagnien bon ^ßerobrafchenafoi unb Semenomäfoi bilbeten, fdjritt er zugleich jur (Srünbung einer Slottc, burch meiere föußlanbä Söobenrcidjtfjum oermerthet unb ber SBerfehr mit bem SluSlanbe gehoben werben foflte.

Meters Erober ungäpläne waren einerfeit* auf bie fdjwebifdjen Dftfeclänbcr unb anbererfeitS auf bie ^iorbfüftc beä fdjroarjen 9)}eere$ gerichtet. Um junächft an ber lefcteren feften 3u& ju faffenf begann er im 3<*hrc 1695 bie Belagerung beä ftarf befefttgten

51 j o w am ftuäflufjb beS $on ; feine Bemühungen, fich in ben ©cfift ber Stabt ju fefccn, blieben jeboch fruchtlos. Erft nachbem ihm ber &aifcr ^copolb unb ber fturfürft bon Branbenburg auf fein Verlangen eine Anzahl Ingenieure gefanbt, Würbe Afow am 8. 3uli 1696 erobert. Um fich im Befifce biefeä wichtigen SchlüffelS jum fchwar* jen Speere behaupten zu fönnen, liefe $eter fünfunbfünfjig neue tfriegäfchiffe bauen unb zugleich einen ftanal anlegen, ber ben $on mit ber Söolga berbanb. Auch fanbte er eine Anzahl junger 9tuffen nach Italien, #ottanb unb $eutfchlanb zur befferen Erlernung beS Schiffbau* unb beä ftriegSbienftea.

Unterbeffen hatten Cetera Neuerungen unb tnäbefonbere bie Berwenbuug fo bieler Auälänber im gefammten ftriegäwefen nicht nur ben Unwillen ber Streiken erhöht, fonbern auch unter einem großen ZfyäU beä ruffijchen Abel* eine fo erbitterte Stimmung hervorgerufen, baß 511 Anfang be* %a1)xc% 1697 eine Berfdjwö* rung gegen baS Scben beS Ejaren zu Stanbe fam. 3" ^ad)t jurn 2. Jebruar jollte gener angelegt unb ber E^ar, ber bei fol* (heu (Gelegenheiten herbeijucilen pflegte, um fclbft am ßöfchen Xheil

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jRufclanb unter $eter bem ©rogen.

221

$u nehmen, im ©ebränge ermorbet roerben; bann wollte man bie (Ejaretrma Sophia au$ bem Softer f>olen unb auf ben Xljron er= f)eben. ©d)on mar ber berfjängnigoolle Xag gefommen , als jroei reuige Dffijiere ber (Streiken bem (Sparen ben ganzen Slnfdjtag, entbeeften. tiefer lieg fic üerfjaften unb gab bem dtorbefjauptmann Xrubefctoi SBcfc^I, um elf Uf|r in ber üftadjt ba8 JpauS be3 ©taatä* ratfjä ©ofotontn , in meinem fid) bie ©erfdjroorenen oerfammeln follten, in aller ©title ju umzingeln. Crr fclbft begab fid), in ber sI»ieinung, bag er ben ©arbefyauptmann fdjon für jetjn Uljr befteflt Ijabe, ju biefer ©tunbe bortfjin unb trat, bie SSadje fdjon im £aufe glaubenb, mitten unter bie ©erfd&toorenen. Dbgleid) er bie ©efafjr nicfjt Derfannte , in roeldje er ftdjj burdj feine Uebereilung geftürjt, fagte er fid) fernen , grüßte bie ©erfammelten freunblid) unb er* Karte Urnen . er fei am £aufe öorübergefafyren unb l>abe aus bem gellen ©djein ber Siebter auf eine luftige ©efellfdiaft gefa^loffen; bafjer fei er eingetreten , um nod) ein ®la$ mit itynen $u leeren. $ie ©erfdjmorenen , bie anfangs über fein ©rfdjeinen beftürjt ge- ioefen, trauten auf feine ®efunbf)eit , unb er felbft tt)at ifmen nad) feiner SBeife roarfer Söefd&eib. 211$ er jebodj fyörte , nrie einer ber ©erfdjtoorenen Ijalblaut ju ©oforonin fagte: „3^^, ©ruber, ift e& 3eit!" unb biefer U)tn teife erttnberte: „9todj nidjt!", fprang er im f)ü djften Qoxnt auf unb öerfefetc mit ben Sßorten : „$a, wenn e& bei bir nodj nid>t 8tit iftr fo ift e8 bei mir Seit!" bem ©ofonmiu einen fo heftigen gauftfdjlag in3 ©efidjt, baß berfelbe $u ©oben ftürjte. (^lüdlic^ertüeife trat in bem nämlidjen Slugenbtitfe, mit bem Schlage elf Ul)r, ber ©arbe^auptmann mit feinen Seuten in ba& 3immer. Xic ©erfrorenen, bie 2llleä oerloren fafjen, baten fug* fallig um @nabe; fic würben jebodj gebunben fortgeführt unb ftar* ben auf bem ©lutgerüfte.

©djon tängft Ijatte *ßeter bie Slbfidjt gehabt , bic widjtigften Staaten GSuropa'a ju bereifen, um ifjren Shilturjuftanb au3 eigener Slnfdjauung rennen $u lernen, liefen Sßlan braute er jefct jur SluSfüfjrung. 9lad)bem er für bie $auer feiner silbtt>efenf)eit ben oberften 9Reid)3beamten bie Regierung unb (Dorbon ben Oberbefehl über bie Gruppen übertragen , trat er im Hpril 1697 feine Sfteife an. $a er alles Sluffefjen fjagte unb unbefannt ju bleiben roünfdjte, gab er feinem jaljlreia^en befolge baS Slnfe^en einer ©efanbtfdjaft, an bereu ©ptfce er Sefort ftettte, toäfjrenb er felbft ben Xitel eine* DberfommanbeurS annahm 3)ie Steife ging über föiga unb TOtau nad) Königsberg, tuo ber pracfjtliebenbe Shirfürft griebrid) III. oon ©ranbenburg, in einem fa^artac^nen, mit diamanten befe^ten ÖJe^ roanbe unter einem carmoifinrotljen , reia) mit ©olb burc^ftieften I^ron^immel fi^enb unb oon feinem jaljlreidjen ^pofftaate umringt, bie ©efanbtjdjaft aufä geierlta^fte empfing unb feinem ^oljen ©afte

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222

ffiu&lanb unter $eter bem ©rofccn.

ju (Sfjrcn, bcr gleich anfangs crfannt werben, glänjenbe geftlia> feiten öeranftaltete. ftachbem $eter fich Don ben branbenburgtfehen Söerhältniffen unb melen anbem fingen, bie feine SBtfcbegierbe er= «9t, forgfältig unterrichtet hatte, reifte er am 9. Quni mit feiner ®efanbtfchaft weiter nach Berlin, wo er fich in ber ftriegSfunfi prüfen unb ein ßeugniß barüber auSfteöen lieg. SBon r)icr ging er über Üftagbeburg unb Jpannouer nach SImfterbam , nachbem er ftd), um feinen WugenbUcf mit leeren Sürmlichfeiten unb Zeremonien t>erfd)wenben ju müffen , ferjon in (Smmerich t>on ber (SJefanbtfchaft getrennt ^atte.

3n Mmfterbam feffetten baS ©ewüb,! ber ®aufleute , ©Ziffer unb ©olbaten , bie SBerfftätten ber $ünft(er unb £>anbwerfer , bie TOüt)Icn f $>ämme, 2Rafa)inen unb ©chleufen unb oor Gittern bie sJ)icnge ber ©duffe bie Mufmcrffamfett beS ©jaren fo fehr , baS er fid) üom frühen SKorgcn bis in bie fpäte 9cad)t feine SRufje gönnte, um SIÜcS auf« ©cnauefte in Wugenfchcin 511 nehmen. Um felbft bie ©djiffSbaufunft grüubltch $u erlernen, begab er fich naef) bem burdj feine bebeutenben SBerften berühmten T>orfe ©aarbam, wo er fich unter bem tarnen Njkter sittichaclow bei einem ©ct)iffSjim- mermeifter als ÖJefefle eintreiben lieg unb, um nidjt erfannt ju werben , mit ben übrigen ^immerleuten ^uf uüüig gleichem 5u§e lebte. Sein (Eifer unb feine Üernbcgierbe fannten feine ®ren$en. 2US gemeiner TOatrofc gefleibet, erfaßten er mit ber 5lft auf ber ©djul- ter fd)on in früfyefter 2ftorgenftunbe auf ber SBerft unb war beS 2lbenbS bcr #e$te bei ber Arbeit, ©elbft nachbem er tt- fannt worben, bulbete er nicht, bajj man ifjm irgenb welche 2(uS* aetchuung erwies, unb wollte nicht anberS genannt fein, als „3fteifter NJ$etcr." 3)en Söinter braute er $um großen X^eile in SImfterbam $u, wo er tfyeils in ben Werften ber oftinbifdjen Kompagnie arbei- tete , tf)cils fich in ber 9ftatljematif unb Waturfunbe unterrichten ließ , bie SBorlefungen bes berühmten Anatomen Sftuufch befugte unb fidj felbft in dnrurgifchen Operationen , fogar im 3af)nauS= reißen, übte. sfllS bie ©tabt Hmfterbam ihm ein ©duff fehenfte, woran er felbft mit gearbeitet, fanbte er baSfelbe mit Dielen in .^ottanb angeworbenen ©eeleuten , Dffijicrcn unb Äünftfcrn aller tfrt nac^ s2lra)angel.

(Einer (Etnlabung SBilhelmS III. oon (Englanb folgenb, begab fich ^Seter im Qanuar 1698 nach fionbon , wo er feine SSofjnung $u 3)eptforb bei ben Söerften ber SIbmiralität nahm unb fich fleißig mit ben Arbeitern unterhielt. ?luch in Bonbon wollte er 'MeS feljen unb WUeS fennen lernen. 3n engüfeher 3J?atrofcntracr)t feft weifte er iage lang in ben ©tränen ber ©tabt, in (Störten unb ftaffeehäu» fern , $ird)en unb ©djaufptclen umher , bejuchte bie bebeutenbften 3abrifen, fowie jahlrciche Söerfftätten oon ftünftlern unb #anb*

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SRufolonb unter $ctcr bcm ©rofecn.

223

Werfern unb tieft fic^ in ber Sternfunbe unterrichten. ©in See* treffen, baS ber ßönig ihm $u @l)ren burch bie encjüfdje glotte in Spttheab oorfteHen lieft, entjücfte ihn fo feljr, baft er in bie Söorte ausbrach: „§a fürwahr, wäre ich nicht (£$ar oon sJtuftlanb, fo möchte ich ein englifcher Abmiral fein." ftadjbem er eine grofte Anjat)! ^arineoffijiere unb Öootfen, fomie sweihunbertfünfetg ®a* noniere unb über fünfhunbert £>anbwerfer unb $ünftler in feinen ^ienft genommen , fetjrte er nach £>ollanb jurucf , oon ujo er fldt) über Bresben nach 2Sicn De8aD > um auc& über baS öfter» reichifche ®riegSmefen auf* benauefte $u unterrichten. Schon rüftete er fich , nach einem mehrmonatlichen Aufenthalte am Jpofe £eo= polbS I., $ur SSeiterreije nach 3ta(ien# als bie Nachricht oon einem neuen Strelifcenaufftanb ihn jur fdjleunigen Üiücffehr nach SRuftlanb bewog.

AIS ^ßeter am 4. September 1698 nach SWoSfau jurücffam, fanb er ben Aufftanb bereite burch ben beneral borbon bewältigt, ber bie gegen bie jpauptftabt heranjieheuben Gebellen am 28. Quni bei bem ftlofter SBoScrefenSf jurücfgefchlagen unb über oiertaufenb berfelben ju befangenen gemacht. sJUcr)t aufrieben bamit, ba& bor* bon bie fchulbigften unter ben gefangeneu Aufrühreru fogleich \)&ttt erfdneften laffen, lieft $eter über ade an bem Aufftanb söetheiligten ein furchtbares Strafgericht ergehen. 9iad)bem er oergebend burch bie fdjauerlichften Folterqualen ben befangenen beftänbniffe über bie Öetheiligung feiner Sa)wefter an bem Aufftanbe ju entreiften gefugt , mürben über jweitaufenb Strehlen , jum Xheil unter fchauerlichen Dualen, Eingerichtet, mobei ber Barbar nicht nur felbft £>enterSbienfte oerrichtete, inbem er an hunbert Streiken mit eigener ^>anb enthauptete , fonbern aua) oiele ber oornehmften Bojaren jroang, feinem Öeifpiele ju folgeu. Obgleich es ihm nicht ge= lungen, ©eweife für bie üttitichulb feiner Schwefter $u erlangen, blieb auch fie oon feiner Stäche nicht öerjdjout. $or bem Softer, in welches fie oerbannt toorben, lieft er achtunbjtoanjig balgen er- richten, an welchen nach unb nach hunDcr^funfä^9 Streiken aufge- hängt würben. 3)rei berfelben fingen unmittelbar oor bem 3enfter ü)rer $lofterjeüe , unb bis $u bem Xobe ber unglücflichcn gürfttn (1704) burften bie oermoberten bebeine nicht hingenommen wer- ben. Auch feine bemahlin (Suboria berwies ber (£jar , inbem er fie, wahrfcheintich nur aus perfönt icher Abneigung gegen fie, gleich ; falls ber Sflitwtffenfchaft an ber sBerjchwörung befchulbtgte , in ein #tofter unb jwang fie, ben Soleier $u nehmen. Das ®orpS ber Streli^en würbe ooüftäubig aufgehoben.

3m folgenben 3ahre (1699) hatte $eter ben Schmer^, feine beiben bemährteften greunbe unb thätigften Mitarbeiter, £efort unb borbon, rajch Ijintereinanber ins brab finfen 511 fehen. Sein be=

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224 Stufetonb unter <ßcter bem ©rofeen.

borzugter föathgeber hmrbe jefct SRencjif om, ein üKann bon ittcbcrcT §erfunft, mahrfcijeinlich ber ©ofjn eine* dauern au* ber ©egenb bon SRoSfau. Sefort hatte benfelben als $aftetenbäcfer= jungen auf ben ©tragen bon 9)to*fau getroffen unb itm megen feine* flugen , lebhaften 28efen* unter feine $ienerfcr)aft aufge* nommen. $aburrf) r)atte ir)n and) $eter rennen gelernt, unb bo er gro&e* Gefallen an ir)m gefunben, r)atte er Um für feinen eigenen Tienft auSbtlben laffen unb it)n fpäter 5U feinem Slbjutanten er= nanut. $a er in biefer ©teöung unauSgefefct um ben Sparen mar, gelang e* bem ehrgeizigen jungen Sftanne, ftet) in ber ©unft be*= felben fo feft ju fefcen, baß nach üefort* Xobe beffen ganzer <5in» flufe ir)m jufiel. ©o ftieg er bon ©tufe zu ©rufe bis jum ©taat** minifter unb gelbmarfdjall empor unb würbe bon *ßeter, ber Seicht* ofme feinen Statt) unternahm unb i^n in allen fingen zu feinem Vertrauten gemacht , in ben gürftenftanb erhoben , roa* jeboct) ben . Sjaren nict)t berrjinberte , it)n bt*n>eilen bur(t)juprügeln. Veram taffung baju gaben it)m befonber* bie häufigen Veruntreuungen, ju benen 3Kencjifom fiel) buret) feine fdjmähliche ^>abfuct)t berleiten lieg, bie jebodj ben (Jjareu nict)t beftimmen fonnten , fict) gänjlidj bon feinem (Mnftüng lo*zufagen. Xro$ biefer Veruntreuungen , bie einen fdjrueren ©Ratten auf ÜKenczifow* (£t)ararter unb Sieben werfen, famt nict)t in &brebe gefteHt roerben, bog er ein tüchtiger ©taat*mann unb Sdbtjerr unb ein äufcerft tfjätiger SJfttarbetter ^ßeter* mar unb bafe Shifclanb bie Vegrünbung feine* $lnfer)en* im 2lu*lanbe jum großen Xfjeile ic)m berbanft.

$ic ©inbrüefe, bie $eter bon feiner Steife jurüdgebraetjt, hatten feinen (Sifer für bie Umgeftaltung Stujjlanb* berboppelt, unb er be* trieb biefelbe mit ebenjo bieler 9iücfficht*lofigfeit als Xt)atfraft.' SJcefjr jeboef) noch, al* feine Reformen, befa)äftigte ir)n 31t jener 3ett fein Siebling*plan , an ber Oftfee feften gufc 511 faffen unb an ber SHfinbung ber Sceroa eine jpafen* unb £anbelSftabt ju grünben; benu zum ©rmerb ber im Vefifce ©chroeben* befinblicr)en öftlidjen $üftenlänber ber Oftfee fduenen it)m gerabe bamal* bie Vertjälrniffe befonber* günftig, ba ber im 3at)re 1697 eingetretene Xob #arl* XI. bon ©djroeben einen fünfzehnjährigen ßönig auf ben fct)tt>ebif4en Il)ron geführt hotte unb SDänemarf unb sßolen fict) geneigt zeigten, fid) mit ihm zu einem gemeinsamen Kriege gegen ©chroeben zu ber« binben. Vebor mir zur ^arftellung biefe* Kriege* übergehen, müffen mir einen ©lief auf bie brei übrigen bei bemjelben betheilig* ten ©taaten merfen.

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I

$olen in ber arocitcn fcälfte be$ ftcfyefmten 3a$rfjunber». 225

IX.

^öfeit in 6er weiten «Aäffte be* fie^nten gaWnnbett*.

TO SBlabiSlam IV. , ber im Kriege gegen ben ruffifc^en ©jaren 3J?tcr)acI III. geoborottritfd) bie 3ntegrität be$ polnifäen SReia)e3 aufregt gehalten (f. 83b. Vr ©. 323), im 3a(jre 1648 ftarb , . war bie SRejmbüf fdjroer bebrof)t bura) einen Slufftanb ber Äofofen , bie feit bem fünfzehnten Safjrhunbert ben Königen öon *ßo(en , toenn audj meljr bem tarnen als ber Ifyat nad) , unter* luorfen unb burd) einen SBefc^htg beS polnifdjen SReidjätagS im go^re 1638 be3 bid bafu'n öon ifmen geübten föedjteä , ifjren £>etman felbft ju roäf)Ien, beraubt roorben roaren. Obgleich unter biefen Umftänben bie fofortige SBieberbefefcung be3 Xfjroneä bringenb geboten erfaßten, fonnte fidj ber jur 2Saf)t eines neuen Äönigä zu* fammengetretene Slbcl erft nadj fünfmödjentlidjen ©treitigfeiten über bie (Srrfjebung go^ann ® a f i m i r 8 , be8 jüngeren SöruberS SSMabiälams , auf ben polnifdjen %f)xon einigen (20. jttoö. 1648). £a e3 bem neuen $önig an ben nötigen 9Jcitte(n jur erfolgreichen Jöefämpfung ber aufrüljrerifdjen ®ofafen fehlte, fnityfte er mit bem gü^rer berfelben , bem tapferen o g b a n , Unterljanblungen an, unb fdjon roaren biefelben i^rem Stbfa^luffe naf>e, aU ein öerrät^e* rtfdjer Ueberfall beä Äofafenlagerä bura) eine Slnjatyl potnifdjer (Sbetleute ben ®ampf aufa 9ßeue entjünbete. 55er tum bem ®fmn ber Xataren unterftüfcte Söogban fd)Iug bie $oten in mehreren ®e* fechten unb $roang ben $omg Qo^ann $afimir ju einem grieben, in meiern ben ®ofafen ifjre frühere SBerfaffung unb ben Xataren ein järjrüc^cr Xribut jugefagt mürbe. 9M)rfad)e Verlegungen biefeä Vertrags oon ©eiten ber $ofen roaren es, roaS bie ®ofaten beroog, fid) im 3a^re 1654 unter ben ©d)itfc beä (Sparen Sttefei aftidjaelo* roitfd) ju fteHen, unb biefem Verantaffung $u einem Kriege mit *ßolen gab (f. S. 216).

Qvl ber gleiten Seit tourbe *ßo(en burdj ben bereits o6en (©. 8) ermahnten #rieg mit $arl ÖJuftaö öon ©djroeben an ben Stanb beS SöerberbenS geführt. Qm Qa^re 1655 rücfte ber ©djroe* benfönig, ber fid), öon $Ruf)mbegterbe unb (SxoberungSluft Derart, bie Aufgabe gefteßt Ijatte f ÖJuftaö SlbolfS $läne ber Unterwerfung ber Cftfecfüften jur ttoüftänbigen 2lu3fütjrung ju bringen unb ba* burd) ©a^mebenS Hegemonie im Horben für immer ju befefttgen, mit einem ja^reia^en ^)eere öon Bommern auö in ©ro^^olen ein unb fafj fia), bura) bie Unjnfriebenfjeit öieler polnifa^en ©ro&en mit bem ®önig 3o^ann Äafimir in feinen (£roberung*ülänen untere ftüftt, batb im ©efifce oon SBarfa^au. 2(ua) trafau, mo^in 3o^ann ^afimir t)attc fliegen müffen , ergab fict) , nad)bem ber gleichzeitig ^oIa»art^ SBeligcföicfcte. VI. 15

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226 $olen in ber jwetten fcftlfte beS fiebaeljnten gahrhunbertS.

öon bcn ©djwebcn unb bcn Muffen bebrohte ftönig, bcr Uebermacht weic&enb, bcn 93oben feinet föeicheä oerlajfen fyittc r um in ©chle* fien ©<hufc ju fuchen. Unaufhaltfam rücftcn bic Schweben öor, unb in wenigen Monaten war Äarl ©uftaö $err öon ganj <ßolen. $a& cd ihm nicht gelang, ba& (Stöberte im Kampfe gegen $olen* 83unbe3genoffen, ben ftaijer Seopolb, ben Äurfürften griebrich 2Bil* heim öon Vranbenburg unb ben Äönig griebrich III. öon Xäne* marf, ju behaupten, fyabtn wir bereits oben (©. 8) gefehen.

91ach bem Slbfcf)luf$ befc griebenä öon Oliöa , burch welken holend ©elbftftanbtgfeit gerettet mürbe, bouerte ber ftrieg mit föufc lanb noch fieben Sa^re fort, bi* er im 3ahre 1667 burch ben brriaeJmjäljrigen SBaffenftiüftanb öon Slnbruffow $um ißort^cil 9tufc lanb$ beenbigt würbe (f. ©. 216).

Rotten bie ©ertrage öon DUöa unb Slnbruffow bem polnifchen 9ietdt)e bie SRutje nach 2lu&en wieber gegeben , fo würbe bagegen bie innere Serriffcnr>cit öon Qahr $u J3ahr größer. ©d)on im $ahre 1652 hatte ber ^Reichstag, bcr nach unb nach nicht nur ade gefefcgebenbc ©cmalt, fonbern auch ba$ Stecht an fid) geriffen, $uf* lagen ju ergeben, ftrieg an^urunbigen unb grieben unb ©ünbniffe ju fchltefjen, ba$ fogenannte »Liberum Veto« eingeführt, nach wel» djem jebem einzelnen Sanbbotcn ba$ Stecht juftanb burch bic Söortc : „3$ will nicf>t," alle ©efchlüffe ber Verfammlung aufzuheben. Db* gleich biefeä Liberum Veto alle Ötefefogebung unb jebe geregelte ©taatööerwaltung unmöglich machte, würbe ed öon ber 3)^er)r^at)I ber (Großen für baä Sßallabtum ber greüjeit erflört unb, trofc ber burch baSjelbe unaufhörlich hrcöorgerufenen Verwirrungen, öon ben öerblenbeten Slriftofraten £um Verberben beä ßanbeS mit bcr fyavt* näcfigftcn (£ntfct)iebenr)eit aufrecht gehalten.

Johann Äafimir far) fia) burch biefen neuen ©taatSgrunbfafc, beffen öerhängni&öotte golgen er oergebenS bcn ^ßolen in prophe* tifchen äöorten öor klugen geführt, fowie burch bit immer weiter gehenben Slmnajsungen beö 5lbel£ fo fehr an jebem erfolgreichen ÄUrfen gehemmt, baß er am 19. Sluguft 1668 bie Ätone nieber- legte. ©r 50g fich nach granfreich $urücf, wo er im Qahrc 1672 ald 3lbt be3 ÄlofterS beä ^eiligen Martin $u 9leüer3 ftarb.

3)ie SSaht eines neuen ftöntgS führte fo heftige ©treitigfeiten herbei , bafc mehr als einmal baS 2Baf)lfelb in ein förmliches ©djlachtfelb auszuarten brohte, unb nur bem energifchen Auftreten beS $honf elbhcrrn 3ohann©obieSfi, ber eben öon einem fieg* reichen gelbjug gegen bic rebetti)chen Äofafen jurüefgefchrt , fyattt man cd $u öerbanfen, baß öerjehiebene blutige Auftritte fich ™fy in allgemeine kämpfe öerwanbeltcn. (Srft am 19. %üni 1669, fedjä SBochcn naa) ber Eröffnung bed SBahltagS , würbe ein pol- nifchcr ©belmann, Michael SBidnowieafi, als Sßachfomme jened

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$oIen in ber jroeitcn §älfte be3 ficb^cfjntcn 3a^r^unbcrt*. 227

littf)auifdjen gürfteu ßorübut , ber wäfjrenb ber $ufitenfriege eine ,3eitfang über Siemen gefjerrfcfjt (f. Öb. IV, 6. 433), $um £önig gewählt. $)a er fclbft füllte, bag er ber feiner fjarrenben Aufgabe in feiner Söeife gemadt)fen war, weigerte er fidj, bie Jerone angu* nehmen; man brang jebod) fo lange in ifm, bid er nachgab.

Unter 2Hid)ael3 fd)Wad)er Regierung , bie $u feinem eigenen tuie $u dolens ÖJIücf nur oier Qatyre bauerte , ba er fdjon am 10. Ücoüember 1673 ftarb, f)errfd)te nidjt nur imSnnern bie jügel* Iofefte Anordne , fonbern ba$ Üieicf) mar audj t>on 2lu§en burd) ben ©ultan 9ttol)amineb IV., beffen (Efcfmfc ber empörte ®ofafen* Häuptling SJorojenfo angerufen, auf ba3 ©djmerfte bebrängt. ©0)on hatten bie Staaten bed ©ultanS ben $olen ^ßobolten mit ber widrigen, für unüberwinbltd) gehaltenen S^ftung ®aminiec$ ent- riffen unb ftanben im begriffe, in ba8 3nnere be3 Sanbeä einju* bringen, als ©obieSfi ilmen bei ©fjoejim eine blutige Sfticbcrlage bereitete, burd) welche fie 511m 9*ücf$ug genötigt mürben. 2)er dlufym btejeS $age3 mar ^auptiäa)lia) , was bie SBafjl ber Magnaten auf ben l)elbenmütf)igen ©obieöfi leitete; am 21. Sttai 1674 mürbe berfelbe als 3o^ann III. jum &önig öon *ßolen aufgerufen.

5ßon bem SSafjlfelbe eilte ©obieöfi fogleidj auf ben ®rieg$= fdmuplafc jurücf unb cr^ötjte ben ©laitj feines Ramend burdj eine SHeilje neuer glorreicher Siege. Slber Langel au SebenSmitteln, fomie baS Ausbleiben ber erwarteten Skrftärfungen unb bie geraak tigen £>eereSmaffen , bie ber ©ultan Ujm ftetS aufs SReue entgegen warf, nötigten ifm im 3ahrc 1676, mit ber Pforte einen Vertrag ab$ufdjlie&en , traft beffen ^obolten mit ber Seftung ftaminiecj in ben £änben ber iürfen blieb.

9tad)bem fcd)S galjre lang bie SSaffen geruht Ratten, rief bie $3e= brangniö SSienS burd) bie Xürfen ben ^oa^^erjigen ©obieSfi ju neuen %fyattn. Dbmofjl er fidj nad) ber Einnahme öon ®ran (f. <S. 19) öon ben $aif erliefen getrennt, fefcte er ben Stampf gegen bie dürfen fort; bod) ^tnberten ilm bie Sftänfe einer oon Üubwig XIV. gewonnenen Partei , fowie ber vJleib öieler (SJrojjen an bebeutenben Unternehmungen. Um bie Unterftü&ung sJiuf$lanbS gegen bie Xürfen $u gewinnen , ging er im 3at)rc 1686 auf &erwanblung beS SBaffenftiflftanbeS öon 5Tnbruffow in einen befind tioen grieben ein (f. ©. 218). $ie ifrat oon Sftujjlanb juge jagte £tlfe blieb jeboet) aus, unb fo gelang es if)m bei ber ÖJeringfügig= feit ber mm bem 9teid)Stag bewilligten Öclbmittel nicht , fidj , wie er gehofft , burd} Eroberungen an ber türftfehen (iJrenje für ben 23erluft ber bauernb an SKu&lanb übergegangenen polnifa^en (Ge- biete ju entfajäbigen. ®o gering jebod) aua) bie ©rgebniffe feiner testen &elb3üge gegen bie Ungläubigen im Vergleiche ju ben früheren

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228 $olen in ber jmcitcn $«ftc beS ftcbjc^ntcn 3af)rljunbert3.

glänjenben (Srfotgen feiner SBoffen waren, fo gemährten fte bod> bem $aifer ben ©ortfjeil, ba§ burd) biefetben ein %\)t\l ber türfifdjen ©treitfräfte befdjaftigt mar unb inSbefonbere bie Xataren fid) ba* burdj an einem @infaß in Ungarn ge^inbert fafjen.

Qm 3nnern beä 9leid)e§ fjatte ©obieäft mit ben gleiten ©djwierigfeiten ju fämpfen, tüte fein Vorgänger. Xrofc ber uner- mübtichften 2(u3bauer in feinem (Streben, bie entfdjwunbene ©runb* läge eine« georbneten ©taatöwefenS ^aufteilen, gelang il)m rndjt, mit ben öon ifmt beabfidjtigten Reformen burcfoubringen ; benn Wenn auch einmal ein ^Reichstag nach enblofen SBerhanblungen in feine SBorfchläge einwilligte, fo t)atte ber folgenbe nichts (Eifrigere« ju thun, als bie gemachten SuQcftanbniffe jurücfjune^men. ©benfo erfolglos wie feine SJieformbeftrebungen blieben ©obteäfi'a ©e^ mühungen, bem älteften feiner brei ©öfme nod) bei feinen Sebaei* tcn bie Thronfolge fidjern ju Iaffen , theilö weil ber Slbel barin eine Beeinträchtigung feine« freien SBahlredjtS erblitfte, tf)eite weil ßubwig XIV. ihm insgeheim entgegen arbeitete.

(£3 war bem ebien ©obieäfi nicht belieben, ben 2lbfd)lu& be& grtebenä öon ®arlowifc $u erleben , ber *ßolen baä oerlorene *ßo* bolien mit ^aminiecj juriidgab: er erlag am 27. Quni 1696 im Hilter oon gWeiunbftebjig Söhren einem ©d)laganfall.

9cad) bem $obe ©obieSfi'S erneuerten fid) bie SSahlunruhen, unb fo fefjr wichen bie Meinungen unb 3ntereffen ber polnifchen ©rofjen öon einanber ab, baß ber SBahltag erft am 15. Sftai 1697 eröffnet werben fonnte. SSon ben oerfdnebenen Bewerbern behielt bcr Äurfürft Sriebrich Wuguft II. oon ©achfen, wegen feiner uttge* wöfmlichen ®örperfraft „ber ©tarfe" genannt , ber ^weite ©ofjn be« Äurfürften ®eorg III. unb ber ©ruber be« im 3a^re 1694 oerftorbenen Shtrfürften ©eorg IV., bie Dber^anb, weit er fid) am greigebigften in ©elbuerfprechuitgen gejeigt. $5a§ bie ©öhne ©o= bie$fi'3 umgangen würben , hatte feinen (Drunb ^auptfä^Uc^ in ber Abneigung ber Sßolen gegen bie oerwittwete Königin, bie efyr- geijige ättaria ®afimira b'3trquien, eine granjoftn, bie mit SDcarta oon 9koerä unb ÜRantua, ber (Bematjlin 2Slabt3law$ IV., nad) ^o- len gefommen unb burd) ihre föänfefudjt unb £errfchbegierbe nicht wenig baju betgetragen, ©obieSft'3 ©tetlung ju erfd^weren, wie fie fid) auch burd) ihren ©tolj unb it)re Slnma&ungen bie &erjen ber ebelften $olen entfrembet hatte.

9iad)bem bcr Jhirfürft Sluguft II. burd) feinen Uebcrtritt jur fatholifdjen Sirdje baä lefcte $)inbcrnig hinweggeräumt, ba« feiner (£rt)ebuttg auf ben polnifa^cn i^ron nodj im Segc geftanben, würbe er am 28. 3m" 1697 Jum Äönig oon s$oIen gewählt unb am 15. ©eptember ^u Pratau gefrönt. Qu feinem eigenen wie $u ^otcnS llttglücf hatte er bei feiner 38a(j( bie Verpflichtung über^

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2){inemarf unter griebndj III. unb (Eljriftfan V.

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nommen, bic an ©djmeben abgetretenen polmfchen *ßroöinjen jurücf ^u erobern eine Verpflichtung , bie ihm felbft baä üeben öer* bittern unb ^olen mehr unb mef)r feinem Untergang entgegen* führen fottte.

X.

<P<mematft unter $thM$ III. (1648-1670) ttttb $)xift\au V.

(1670-1699).

Mi (Xfjriftian IV. , ber fdjon im Hilter öon elf Sauren ben Ifyxon beftiegen, im 3at)re 1648 nach fedföigjähriger , öielbemegter Regierung ins ÖJrab gefunfen mar, Ijieft fid^ ber SIbel, in golge ber öon ihm ausgegangenen (Erhebung grtebrichä I. gegen (£hri* ftian IL, jur 2Baf)l unb ©eftätigung be3 neuen Königs berechtigt; bat)er mußte griebrich III. , ber 6ofnt ©hriftianS IV. , ehe er ben Ifyton befteigen burfte, eine SSahttapttulatton unterzeichnen , in welker bem 2lbel fo bebeutenbe Vorrechte $ugeftanben mürben , ba§ bie fonigttche ©emalt jum Mögen ©Ratten herabgebrüeft mar.

Xrofc ber ©rfdjöpfung , bie (£hriftian3 IV. Kriege für $äne* ntarf jur golge gehabt, glaubte griebrich III. ben Slugenblicf, mo fein länberfüchtiger Watybat $arl ©uftaö öon ©chmeben s$olen mit ftrieg überwogen, ju einem $erfud>e ber SBiebereroberung ber an ©chmeben öerlorenen Gebiete benufcen ju müffen; er fanbte t>egr)alb ber öon $arl ©uftaö blocfirten ©tabt S)anjig feine glotte gu £üfe unb lieg jugleidj ein £>eer in ba3 ben ©chmeben ge- hörige ^perjogthum ©remen einrüefen. 9luf bie ®unbe öon biefem feinblidjen Vorgehen be$ Königs öon $)änemarf brach ®arl ®uftaö, ber eben in ßitthauen ftanb, fogleidj mit bem größten Xhcile feines Speeres ju einem 9iachejuge gegen griebrich auf (3uni 1657). Söährenb fein gelbfjerr ßarl ©uftaö Sörangel bie $)änen aus ben fchmebifchen SBefergegenben öertrieb , brang er felbft fiegreidj in bie bänifche ^palbinfel ein unb $mang ben geinb $um Sftücfyug nach ben Qnfeln. S)ie SRatur felbft fdnen feine (SroberungSpläne begunftigen $u motten; benn ber SBinter brachte eine fo unge* tuöhnlicfje £ alte , bafj bie beiben 93cltc jufroren , fo baß man ju gufce auf bem (£ife öon Qütlanb nach günen unb öon bort nach ©eelanb hinüber gehen fonnte. 2ftit einem Speere öon jmölftaufenb SJtonn unternahm ber üermegene $riegShelb im Januar 1658 ben 3wg über baä GiKS, mobei jmei öottftänbige Kompagnien einbrachen unb ertranfen, bemächtigte fid) ber 3nfeln günen, £angelanb unb

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$änemarf unter griebridj III. unb (Sfjriftian V.

fialanb unb erreichte ©eelanb, nadjbem er ben deinen auf bem (£ife ein treffen geliefert.

$a griebrier; III. bei ber ©eringfügigfeit ber ©treitfrafte, bie ifjm jur SBertljeibigung ber §auptftabt ju (Gebote ftanben, an Söiber- ftanb nict)t benfen fonnte, mußte er fid) jum grieben entfließen, ber naa) furzen Unterljanblungen am 26. gebruar 1658 gu 9toe3* filbe gefefjloffen rourbe. $änemarf trat in bemfelben an ©djroeben bie sßrotnnjen ©dwonen unb Fleringen mit ben umliegenben Snfeln, bie normegifdje Sanbfdjaft ©a()u3 unb ba3 ©tift $rontf)eim, fonne bie Qnfel Söornfjolm ab unb leiftete für immer auf £aflanb SBerjidjt. Sugleidj mürbe für ben $>erjog griebrid) III. üon £oflftein*$ottorp, ben ©djttriegcrbater ®arl ©uftaoä, bie Aufhebung be3 ßef)en3ber* f)äftniffe3 $u SJänemarf auSbebungen.

$er griebe oon 9toe$filbe mar jebodj nur ein furjer Soffen* ftiOftanb; benn faum mar berfelbe gefdjlojfen, als #arl ©uftat« bei bem ©cbanfen, baß er aus ber oollftänbigen ftilflofigfeit £äne« marfS ungleich größere Sßortfjeite t^ättc jieljen fönnen, SReue über feine Uebereilung empfanb. föafd) entfdjloffen, baS Skrfäumte naa> juljolen, ließ er feine Gruppen auf ben bämfcfjen 3nfeln ftct)en unb erfeffien unermartet am 8. STuguft 1658 mit einem ja^reia^en £eere jum anberen Wlak auf ©eelanb. 2tlö griebridj III. üjn fragen ließ, ttrnä iljn gu biefer SBerlefcung be3 SSötfcrrccfjtä berea> tige, ließ if>m ber lönbergierige ©djmebentönig bie Hntmort §u* fommen: roenn er Eänemarf erobert tjabe, roerbe e3 if)m nia)t ferner merben, feine iRccr)te barauf ju beroeifen.

3nbeffen Ijatte bie (Jntrüftung über ben SBortbrucf; #arl ©uftaöä unter ber Söeöölferung oon ßopentyagen ben einmütigen ©ntfc^luß roadjgerufen, bem ®önig, ber meber öon gluckt noefj oon Ergebung reben tjören nMte, mannhaft jur ©eite ju ftef)en unb für bie SBertfjeibigung ber $auptftabt ©ut unb 33lut ein$ufefcen. ©o fonnte griebrid), als $arl ©uftaü gegen ftopenlmgen fyeranrürfte, bie Wufforberung beSfelben $ur Ucbergabe ber ©tabt mit ber Grr* flärung jurüefmeifen : er roerbe ifjm an ber ©pifce feiner Unter- tanen entgegen gefjen unb fein Seben treuer öerfaufen.

Wie cinft ^artfyago unb ßonftantinopel, fo rüftete ftcfj bie bänifdje ^auptftabt jum SBerjmeiflungafampf für ifjr eigenes unb be3 ßanbeä SJafein. Sittel griff ju ben SBaffen, unb ?Rcicr)§rätf)cr £of!eute, ©eiftlidje, ^aufteilte, ^anbroerfer unb ©tubenten mett* eiferten mit einanber in ben angeftrengteften Arbeiten auf ben 2S allen ; felbft SBeiber unb &inber beteiligten fid) an benfelben. 3)er $önig bot feinerfeitä 2llle$ auf, um bie Dpfermifligfeit feiner Untert^ancn jit erljö^en. (£r ermeiterte bie ^Srioilegien ber ©tabt, erteilte ben löürgem ba« 9ied)t, abelige ©üter ju ermerben, geftattete ifynen ben Zutritt ju allen öffentlichen Slcmtern, Wenfte ben ©runbftütfcn ber

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$«nemarf unter gricbrtrf) III. unb (Sfjrifticm V.

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Bürger abelige greiheiten unb öerfpracf) ben Sapferften öon ihnen bic Srfjebung in ben 2Ibet3ftanb.

3n$mifdjen fyattt föaxl ©uftaö bic roidjtige gefrung Urenberg erobert unb mar baburd) in ben Bcfi$ bebeutenber $rieg3üorräthc gefommen. er entlia) am 6. (September bie Belagerung Don

Kopenhagen eröffnete, fanb er ben Ijartnätfigften SBtberftanb; bie belagerten matten überbieä häufige Sluäfälle unb jerftörten babei roieberhott bie öon ben ©djmeben angelegten Batterien. $er 9J?utfj ber Belagerten ftieg, als es im 9*oöember 1658 einer hoflänbtfdjen §tff3fIotte nad) einem ^artnarfigen ©efed^t mit ber fdm)cbifd)en ©ee* macfjt gelang, bie $urdjfafjrt burd) ben ©unb ju erfämpfen unb äflannfebaft unb fiebenämittel in bie ©tobt ju bringen. SBäfjrenb beS ©intern entftanb jmar in berfelben neuer Langel unb Slotr) mandjerlei &rt; bie Bürger blieben jebodj unöerjagt unb fähigen am 9. unb 11. gebruar 1659 bie ^eftigften ©türme ber ©djroebeu mit ber rufjmmürbigften Xapferfeit jurütf.

Unterbeffen Ratten audj bie Ütorroeger, benen ber König gfeidj* faH3 gro§e Belohnungen für ihre Beteiligung an bem Kampfe in 9lu3fid)t geftellt, bie SBaffen gegen bie ©djtoeben ergriffen. Xie (Sinroohner öon $rontheim unb ber 3«fet Bornhotm toarfen ba3 öerha&te fdjmebifd)e 3°$ öb unb öertrieben bie fremben Beamten unb Kriegäleute. 2(ud) I)atte ber ^elbenmütbige SBtberftanb ber $>auptftabt ben ©egnern ©djroebenS, bem Kaifer, bem Kurfürftcn öon Branbenburg unb bem König 3°^ann Kafimir öon $o!en, Seit üerfdwfft, bem König öon 5>änemarf, ber fidj in feiner Be* brängnifj an fie getoanbt, ju £>iffe gu fommen. (SHn auS Bran~ benburgern, £5efterreid>ern unb ^oten befteljenbeS £eer öon jtoeU unbbretjjigtaujenb Sftann, Da$ unter ber gührung beä Kurfürften öon Branbenbnrg in £>olftein erfaßten, öertrieb bie ©djmeben au» bem bänifchen geftfanbe unb mürbe ohne 3mcifel öoflftänbige Befreiung $änemarf3 bemerfftefligt ^aben, ptte nid)t bic etnge- tretene ftrenge Kälte bie Ueberfa^rt ber Xruppen nadj ben Snfeln, ju melier grtebrich III. ihnen feine glotte gefanbt, unmöglid) ge* madjt. Qm folgenben 3°^rc Wng *w branbenburgifcb'-polnifd)eö Korps, baS auf h°öänbifdjen ©Riffen nad) günen übergefefct, im Bereine mit fedjätaufenb £änen bei Ukeborg eine fdjroebifrf)c £>eere$abtheUung fo ooflftänbig, ba& nur SBenige entfamen. $a jebodj bc !Rut)tcr , ber Befehlshaber ber hoflänbifdjen glotte, fict) weigerte, bie ©ieger nadj ©eelanb überzufahren, inbem bic ^ottänber nur SJänemarfS üoüftänbige Bemidjtung fnnbem, ü)m °btt §u einem öortheilhaften grieben verhelfen toollten, fonnte ^ar( ©uftao, tro^ beS ungünftigen Berlauf«, ben injnrifdjen ber ^rieg in s$oIen für ihn genommen, bie Belagerung öon Kopenhagen fort= fegen. @rft nachbem er am 23. gebruar 1660 ju Rothenburg im

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232 $nnemavf unter ftriebrich III. imb dljrtftian V.

Hilter öon fcd&^unbbrcigtg fahren einem bösartigen gieber erlegen, r)attc bie 93ebrängni& ber bänifdjen £>auptfiabt ihr ßhtbe erreicht. 2Cuf feinem ©terbebette hatte er fetner ©emahlin, melier bie r»or* munbfchaftliche Regierung für ben merjährigcn X^ronerben Karl XI. jufiel, bringenb anempfohlen, nach feinem Xobe einen rafdjen grie* ben mit 5)änemarf ju fdjlie&en. $)erfelbe fam am 27. 9ttai 1660 nt Kopenhagen ju ©tanbe unb mar im ungemeinen nur bie Söeftätigung beS griebenS öon föoeSfilbe; bie einzige für $>änemarf gunftigere ©ebingung war bie 2kr$tdjtleiftung ©chwebenS auf ben Söefife öon 3>rontheim unb Söornholm.

3)er $elbenmuth unb bie ©ntfchloffenbeit, bie griebrich III. Wäljrenb beS fchwebifchen Krieges an ben Xag gelegt, falten i^m in fahem ©rabe bie Siebe unb baS Vertrauen feiner Unterthancn erworben. 3nSbefonbere §eigte ftdj bie ©ürgerfchaft , bie in ben ferneren $rangfaten biefeS KtiegeS ben in fchläffer Unthätigfeit öerharrenben 2Tbet burch bie aufopfernbfte Eingebung an König unb Söaterlanb befdjämt hatte, öon biefen ßtefühlen bura^brungen. da- gegen mar ber Slbcl unöorfichtiq genug, nicht nur feinen Unwillen über bie SBergünftigungen, welche ber König ber 53ürgerfchaft mäh' renb ber Belagerung öon Kopenhagen bewilligt, offen ju jetgen, fon* bem fogar Sßcrfuche ju machen, ihr biefelbeu $u öerfürsen unb ju öerfümmern. $aburch war jmifchen beiben ©täuben eine ©pan* nung entftanben, bie ju einer gänzlichen Umgeftaltung ber bänifcf>en SJerfaffung Skranlaffung gab.

2luf bem Reichstag, ben ber König $ur Beratung über bie Befeitigung ber burch ben Krieg erzeugten ginanjnoth auf ben 10. (September 1660 nach Kopenhagen jufammenberufen, fefcte ber Söürgerftanb unter Sflitwirfung ber (JJetftlichfeit, trofc beS anfäng* liehen 2ßiberfpruchS ber ©belleute, nicht nur bie Aufhebung ber SBahl* fapttulation burch, o"f welcher bie #errfchaft beS SlbclS beruhte, fonbern jwang auch *>en lefcteren burch feine entfehiebene Haltung, ju ber Söertoanblung $änemarfS in eine (Srbmonarchic feine 3u- ftimmung ju geben. 91m 13. Dftobcr 1660 erflärten fämmtliche ©tänbe, ben föeichSrath an ber ©pifce, in einer öom König ge* gebeneu Wubienj baS Sahireich für aufgehoben. Sei ber $e* rathung über bie grage, was an bie ©teile ber bisherigen SBaht* fapitulation §u fefcen fei, führte bie Beforgniji öor einem heftigen Kampf jmifchen bem $lriftofratiSmuS unb bem S)emofratiSmuS ju bem bie urfprüngliche 21bftcht ber Bürgerfdjaft weit übetfehreitenben Söcfchug, WUeS öoH ©ertrauen in bie #anb beS Königs ju legen. 9iachbem bie KapitulationSurfunbe feierlich öentichtet worben, nahm griebrich III. am 18. Dftober öon ben ©tänben bie neue $ul* bigung als erblicher ^errfcher entgegen. Um jeben Bwctfel über bie SRechtmäßtgfeit beS ®ejchehenen ju befeitigen, erliefen bie ©tänbe

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$änemctrf unter griebridj III. unb Gfjrifticm V.

233

eine Srflärung, in melier fie bie öottc unb unumicfjränfte Gemalt ber ftrone auäbrücflid) anerfannten.

©o mar griebridt) III. burd) bic fogenannte „bänifdje föebo* lution" abfoluter #errfd)er geworben; aber er jeigte fid) be$ $er* trauend feinet SBolfe* nidjt unmürbig. Um ber Söieberfeljr älwUdjer Gefahren boraubeugen, mie ber Icfcte $rieg gegen ©djmeben fie für $änemarf fjeraufbefdjmoren, errichtete er ein fteljenbe* $eer oon trierunbjmanaigtaufenb Mann. $te bem ßanbe nadjtf)eiligen Mbelä* öorredjte Imb er auf; bod> ging er babei mit großer ©ajonung §n Söerfe, hrie er aud) in feinen übrigen Reformen s)hd)t$ überftürjte. $et föeic&äratl), ofme beffen guftimmung er früher meber ftrieg be* ginnen nod) grieben fließen, nodj ©ünbniffe eingeben, ja felbft nidjt einmal außerhalb be3 SReidjeä reifen fonnte unb beffen S3e= fdjlüffe aud) olme föniglidje Genehmigung Giltigfeit gehabt, mürbe in eine beratt)enbe S3c^orbe oermanbelt, ber feinerfei ©ntfdjeibung ^uftanb. 2)a nunmehr alle 9tegierung3getoalt auSfdjließlid) in ben Rauben beä $öntg& lag, fo baß er Gefefce geben unb aufgeben, $rieg erflären unb grieben fließen, Steuern auflegen unb über* fjaupt Med im fianbe nad) feinem alleinigen SBiöen regeln fonnte, mar bon einer 3ufammenbcrufung ber ©täube feine 9tebe mefjr.

2)ie bon griebridj III. im Qafjre 1665 erlaffene neue Ster* faffungäurfunbe, ba§ fogenannte „®önig£gefefc1', ba3 jebod) erft bei ber Krönung feineä ©ofme3 ßfjriftian V. publicirt mürbe, ber* tnüdjtete bie Könige, bei ber 2(ug§burgifdjen CSonfeffion, als bem Glauben be3 Sanbeä, ju beharren unb ifjre Untertanen ju berfel* ben anzuhalten.

griebridjS III. ©ofyn unb Üftadtfolger , fj r i ft i a n V., (1670 1699), ein länberfüa^tiger gürft, geriet^ megen ber feit bem 3a^re 166? erlebigten Graffdjaften Dlbenburg unb Deimern fjorft, bie fein SBater in Söeftfc genommen, in einen ©treit mit bem £er$og (Sfjriftian $Hbred)t oon $olftein=Gottorp , ben ber lefcte Graf oon Clbenburg $um Sttiterbcn emgefefct. S)a ber $>er$og ein Söünbniß mit ©djtoeben gefdjloffen, nafjm tt)n (Efjri* ftian V. bei einer gufammenfunft Leiber gefangen unb gtoang ifm, i^m in bem fRenbäburger Vertrag (10. 3uli 1675) feine geftungen abzutreten unb auf bie buref) ben grieben oon 9ioe$filbe erlangte ©oubetänttät ju Oermten. Srft im 3al)re 1689 erhielt Gfjriftian Sllbredjt buret) ba3 $a$mifd)entreten (SnglanbS, $oflanb$, ©dnrebenä, SranbenburgS unb ber braunfd)meigifdjen £>er$oge in bem Slltonaer SBergleidj feine 93efifcungen nebft ber ©ouoeränität jurücf. S3on bem olbenburgifdjen @rbe oerblieb bie &älfte bem Äönig oon $änemarf.

2Bät)renb beä jmeiten Sroberungäfriegeä Submig« XIV. fd)loß fic^ e^riftian V., wie mir oben (©. 74) gefeljen, an ben ^ur=

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234

Stfnemarf unter frriebricf) III. unb Sfjrifticm V.

fürften Sriebrid) SBilhelm öon Söranbenburg ju gemeinfamet SBe- fämpfung bcr ©djmeben an, in bcr Hoffnung f fich für bic in ben griebenSfcfjlüffen öon SRoeSfilbe unb Kopenhagen erlittenen SBerlufte fdjabloS galten }tt tonnen, unb errang in ber Xfyat nicht unbebeu* tenbe (Erfolge ; boch würbe er nach beut $lbfchlu& beS griebenS öon SRnmmegen burdj einen Einfall fran^öfifchcr Xruppen in fein olben* burgifdjeS (Gebiet ju bem Vertrag öon ß u n b gejmungen , in mel^ djem er ben ©djmeben olle feine Eroberungen jurücfgcben mußte. (Sbenfo erfolglos , tt>ie feine Unternehmungen gegen ©chmeben, blie* ben feine Bemühungen , bie ©tabt Hamburg , in beren 9ßäf)e fein SSater jur 93efcf)ränfung beS Hamburger $anbelS bie <5tobt 211 = t o n a angelegt , burdj SBaffengemalt $ur 5(nerfennung ber bänifdjen ^errfdjaft ju jmingen.

3n feinen erften föegierungSiahren ftanb (£f)riftian V. in bem öon ihm jum trafen öon ®reifenfelb erhobenen $eter ©chuh* madjer, bem ©ohne eines SBeinhänblerS in Kopenhagen, ein treffe lia)er Sftinifter jur ©eite. tiefer h^üorragenbe Wann , ber fidj burdj feine feltcnen ®eifteSgaben unb reiben Kenntniffe fchon bie ®unft gricbricfj« III. ermorben f)attt unb unter Ghnftian V. öon einer ©hrenftefle jur anbern emporgeftiegen War, mürbe öon feineu zahlreichen Leibern beS SflifjbrauchS ber ihm übertragenen ®emalt befdjulbigt unb bem^ufotge unter ber Slnflage beS £>ochöerrathS öerhaftet. Obgleich feine ©chulb nicht crttriefen merben fonnte, lau- tete ber (Spruch ber dichter auf ben $ob , unb ber König beftä* tigtc baS Urtheil. ©dion ftanb ber ®raf auf bem SBIutgerüfte, unb baS ©chmert beS £>enferS mar über ihm gefchnnmgen, als ihm Oer* fünbet tourbe, ber König h<*&e aus (SJnabe bie XobeSftrafe in le= benSlängücheS ©efängnig öermanbelt (1676). Smciunbsmanaig 3ahre lang fchmachtete er, jebeS Littels ber SBefchäftigung unb 3er* ftreuung beraubt, in enger #aft auf bem Stoffe äJtuittyofat, bis ihm im 3af)re 1698 bie greifet jurücf gegeben mürbe, ©djon im folgenben Qahre ftarb er, fur$ öor bem König, ber ben Solgen einer auf ber Qagb erhaltenen Söunbe erlag.

Qn feinen legten 9tegierungSjahren mar Shnftian V. mit bem $erjog Sriebrich IV. öon £>olftein=(5Jottorp , bem ©ohne (£hriftian Wibrechts unb ©chnriegerfofme Karls XI. öon ©cfjmeben, in einen 3mift gerathen, in melchem bcr $>er$og bei feinem ©chmiegeröater unb nach beffen Xobe bei feinem ©chmager Karl XII. ©eiftanb gefunben. $)tefe Unterftüfcung, fomie ber SBunfch, bie an ©chmeben oerloren gegangenen ^roöin^en mieber ju erobern , bemogen &)xi'> ftianS V. ©ofm, griebrich IV., ber am 25. Muguft 1699 ben bänifchen Xhron beftiegen, im Sftooember beS gleichen QahreS mit bem (Sjaren $eter unb Muguft II. öon ©achfen unb ^ßolen ein SBünbntB $u fliegen, in melchem bie brei ättächte fia) ju einem gleichseitigen

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cdjmeben unter arl XI. u. in b. brei erfien ffiegierungSjahren tfarlS XII. 235

Angriff auf Schweben unb ju gegenteiliger Unterftüfcung in ber Durchführung ihrer ©roberungSpläne üerpflidjteten.

XI.

SQwbm unter &axt XI. (1660-1697) unb in ben bxei erfien '♦ttegterungojafiren /tarfs XII.

yiaä) bem $obe Karls X. ÖJuftao, beffen ganje SRegicrungS* $eit in (SroberungSfriegen berftrichen war, gab feine SSittwe, £>eb* wig Eleonore tum £>olftein, bie im Vereine mit ben fünf f)öd)ften Kronbeamten für ihren vierjährigen Sohn Karl XI. bie oormunb* fcrjaftliche Regierung führte, burd) bie Vertrage bon Dlioa (f. S. 8) unb öon Sopcnfyagen (f. S. 232) bem Sanbe ben langentbehrten grieben wieber. Seitbcm blieb bie auswärtige ^olitif Scr)webenS, wie bieS bereite feit bem beginne bcS ftebjcrjnten 3ahrhunbertS ber %aü gewefen , fowoljl unter ber töegentfchaft als unter ber felbftftänbigen Regierung Karls XI. au baS Qntereffe granfreichS gefnüpft. Sftur im 3a*)rc 1668 Ö^ang eS ber anti=franjöfifcr)eri Partei, eine Störung bcS jwifchen ben beiben dächten beftel)enben freunbfcr)aftlichen SBerhältniffeS f)txbc\^n^xtn unb ben Slnfdjluß Sd)WebenS an bie Xripte^ütana $u bewirfen. ßubwig XIV. mußte jeboch balb burdj S8eftccr)ungcn unb crt)öl)te Qahrgelber bie frühere SBerbinbung h^ufteßen unb Schweben trofc aller au« feiner 53e* Heiligung an ben franjöfifchen Kriegen if)m erwacfjfenben Wafy theile im Schlepptau granfreichS ju erhalten, Wogegen er aller* bingS auch Sorge trug, feinen bemährten SBunbeSgenoffen bei bem griebenSfchluß mit feinen öerfchtebenen Gegnern oor jeber Gebiets* einbüße ju bemahren.

Snbeffen hotte ber junge König aus ben Erfahrungen, bie er im Saufe biefeS Krieges 51t macheu Gelegenheit gehabt, bie lieber* jeugung gewonnen , baß Schweben nur burch eine frieblichc föegte* rung auS feiner Erfcfjöpfung geriffen unb auf ber $5$e erhalten werben tonne, auf welche eS unter ©uftaü Slbolf unb Karl X. emporgeftiegen ; batjer befdjloß er, baS nicht unbebeutenbe friege* rifche latent, baS er im Kampfe für bie Steffen granfreidjs an ben Sag gelegt, ruhen gu laffen unb, im ÖJegenfafoe ju feinem eroberungSlufrigen Sßatcr, feine gan$e Sorge ben inneren Slngclegen* heiten feines fianbeS jujuwenben.

|>ier galt eS oor 2Wem, ben Slbel, ber wahrenb ber Üttinber* jährigfeit beS Königs nicht nur nahezu aHeS, waS ber Krone Don Romanen noch scblie&eu , an ficrj ju bringen , fonbem auch feine

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236 ©djroebeit unter Ratl TL u. in b. bret erften 9?egierung3jaf)reii ßarlS XII.

ohnebin fdjon fo bebeutenben Siechte nodj tucitcr au^ubehnen ge* wufjt hatte, in [eine ©renjen jurücfjutücifen, wa£ um fo nothwenbiger erfdjien, als bte Sftitgricber ber ^öc^ften ^bel^ftaffen bic errungene 9J?ad)t öielfad) jum SRa^t^eU be£ SanbeS mißbrauchten. Um biefen TOiöftänbert ein (Snbe ju machen unb ben überWiegenben ©infuifj be£ Mbete ju brechen, berief ber ßönig im 3uli 1681 bie Staube be3 fReic^cö unb fanb bei ber ©eiftltchfeit tote bei ben ©urgent unb Sauern für feine 9teformpIäne bie gemünfehte Unterftüfcung. Uladjbem eine jur Unterfuc^ung ber Amtsführung ber bei ber 9te- geutfefjaft beteiligt gemefenen ®ronbeamten eingefefcte ®ommiffion biefe ber ©rpreffung unb Sßcrfchwenbung für fdjulbig erflärt unb äum Scbabenerfafc öerurtfjeilt hatte, erfannte ber ^Reichstag bem $önig bie gefefcgebenbe ©ewalt in it)rem ganzen Umfange ohne Sftttmirfung ber Stänbe ju. ®arl XL, ber fidj auf bieje Söeife mit einer ähnlichen Sttachtfülle betreibet fat) , wie fie bte bäutfehen Könige feit ber 9teöolution öon 1660 befa&en, öerfügte hierauf bie ein^te^ung aller berjenigen Domänen, bte fett ben legten (junbert 3a^ren öon bem Slbel Wtberrechtlich in SBefifc genommen ober bem= felben öon ber fhone öerpfänbet worben, inbem er erflärte, ba& feine Vorgänger fein Stecht gehabt, ßrongüter anberä als auf ße* ben^eit ju öerleiljen. ftur biejenigen oon bem 2Ibe( angefauften öüter , für welche ber öolle SSertl) gejagt worben , foUten ben Käufern öerMeiben. 2luf biefe SSeife famen äetjn ©raffdjaften unb fiebjig Saronien an bie ®rone jurücf , maä in Skrbinbung mit ben öon bem Äöntg eingeführten finanziellen Reformen eine fo be* beutenbe ©rfjöfmng ber königlichen (Sinfüufte jur golge fyattt, ba& $arl fiel) in ber £age fat) , nicht nur bie aufgehäuften Schulben abzahlen, fonbern auch Sftanufafturen unb $>anbel ju unterftüfcen, bte im legten Kriege öemichtete glotte neu heraufteilen unb neben ben ftehenben Xruppen, bie in bie beutfehen SBeftfcungen Schweben« unb beffen übrige Dftfeeproöinjen öerlegt mürben, jur löertr)ei- bigung beä £auptlanbe£ eine fianbwehr ju fchaffen.

$>a bie ©tänbe au3 eigener Qnitiatiöe jebem Slnfpruch auf 93etf)eiligung an ber ©efefcgebung entfagt hotten, war nicht mehr bie SRebe öon „be§ fdjwebifchen 9tcid)e3 Statt) unb Stänben", fonbern öon „be3 Königs SteicbSrau) unb Stäuben", unb wenn $arl XI. auch femer noch Stcidjatage berief, fo gefchafj bie£ nur aus $lug* heit unb weit er fie in feiner Söeife meljr fürchtete ober ju fürchten Urfache I)atte.

$a $arfö XI. ©rjiehung öoüftänbig öernachläffigt Würben, inbem feine Sftutter auf wiffenfdjaftliche SBilbung feinen 28ert() legte unb bie StegentfcbafUräthe ber Slnficht gewefen, ba& ein un* unterrichteter ®önig Weber für bie ÜBergangenheit Siechenfchaft forbern, noch in ber 3ufunft ihren (Sinflufj bejehränfen werbe , fyattt er

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©chroeben unter ßarl XI. u. in b. bret erftcn 9?egterung3jcu)ren ßarlS XII. 237

wenig ©inn für fünfte unb SSiffenfchaften , meßfjalb ftcfj biefelben auch feiner befonberen Unterftüfcung öon fetner ©eite ju erfreuen Ratten. 5)en ©uchhanbel lieg er burch einen Senfor ftreng über- wachen, ber jährlich ein Sßcrjcic^ntg aller gebrueften unb eingeführ- ten 93ficher einreiben mußte, unb bie '^rofefforen würben angemte* fen, ben SReichStagSbefchlüffen gemäß ju lehren: bie ®önig£gemalt ftamme unmittelbar öon ©ort unb fei unbefchränft.

SBie unter feinen Vorgängern, fo blieb auch unter ®arl XI. baS Sutt)ert^um bei garten ©trafen auSfchließliche Religion, unb mer öon bemjelben abmict), mußte auSmanbern. $(13 nact) ber 2Tuf* t)ebung beS (£bift£ öon Nantes fran$öfifcr)e Üieformtrte in ©cr)me* ben einmanberten, mürben fte unter forgfältige Slufficbt geftellt unb angehalten , nierjt nur ben lutherifchen ©otteäbienft ju befugen, fonbem auch tyxt ßinber im lutr)erifcf)cn (Glauben erziehen $u laffen. $f)e°f°9iW)e ©treitigfeiten mürben auf 9teicr)3tagen unb ®ircr)enüers fammlungen mit ber größten Setbenfehaft öerhanbelt unb jur ©r* t)öt)ung ber bem Söolfc öoflftänbtg abt)anben gefommenen „grömmig= feit" allerlei $ircr)enbußen eingeführt. 9Bie es jeboct) babei mit ber „^ufttärung" befteöt mar, jeigt ber großartige ^efenprojeß $u 9Jcora, beffen mir oben (©. 46) gebaut fyaben.

#arl XI. ftarb am 15. Slpril 1697, erft einunboierjtg 3at)re alt. Obgleich e$ feiner SRegierung nicht an mancherlei Ungerech* tigfeiten unb SBißfürhanblungen gefehlt, bleibt ihm ba£ große ißer* bienft , ©crjmeben aus ber S3ahn milber ©robcrungSluft auf bie einer frieblichen ©ntmieflung htngejmungen unb einen mohlgeorbneten Staatshaushalt begrünbet ju haben.

®arlS XI. ©or)n unb Nachfolger ®arl XII. säfjlte bei bem £obe feineä SBaterS erft fünfzehn 3at)re. SBiS ju feinem* ftebenten 3at)re mar ber begabte ®nabe ber auSfchließlidjen Leitung fetner frommen Butter Ulrife ©leonore, ber Tochter griebrtchS III. öon ©änemarf, überlaffen geblieben, bie ihn burch SBort unb Jöctfptel an ©anftmuth, ©erechtigfeit unb SBohltljätigfeit &u gemöhnen unb inSbefonbere in feinem empfänglichen |>er$en eine innige grömmig* feit unb ein tiefet ©efütjl für bie hohen Pflichten feinet fünftigen £errfct)erberufeS $u meefen geflieht unb bis ju feinem elften Safjre, roo fie ihm burch ben Xob entrtffett murbe, auch feinen Unterricht Übermacht tyattt, ber il;m öon trefflichen fiehrem ertfjeilt murbe. Sie beutfehe Sprache , bamalS bie $offprache in ©tocfholm , hatte er neben ber fdjmebijchen erlernt; baS Öateinifcfje betrieb er mit (Sifer; bagegen mar ihm bie franjöfifche ©pracr)e öerljaßt, unb als man ihm bemerfte , baß er biefelbe öerftehen müffe , um fich mit ben franjöfifchen ©efanbten ju unterhalten, antwortete er: „Ißknn ein franjöfifcher ©efanbter hierherfommt , fo ift es fehief lieber , baß er um meinetmillen fchmebifch lernt, als baß ich um fcinetmiden

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238 Sdjroeben unter Äarl XI. u. in b. brei erften SRegierungSjaljren ßarl* XII.

franjöfifd) lernen foffte." Unter ben SSiffcnfdjaften jog if)n Ijaupt* fädjlid) bie 9Watf)ematif an, in welcher er ftdj ntdjt unbebeutenbe #enntniffe erwarb. 9iidjt* fagte if)m meljr ju, al* ritterliche Uebungen. <£in füfmer 9titt, eine verwegene 3agb mar feine l)öd&fte £uft. ©efonber* jog it)n bie SBärenjagb an, weil e& babei wirf* lidje ©efafjren $u beftefjen gab. ©d)on im Süter üon brei$efm Sauren f>atte er mehrere ©ären erlegt, toic er in bem gleiten Stlter aud) alle Hebungen ber ©olbaten mitmadux unb babei, gleidj einem ergrauten Ärieger, junger unb $urft unb alle ©trapajen ofjne SJcurren ertrug. Ueberfyaupt geigte er öon feiner frästen SHnbljeit an eine ungewöfjnlidje Seftigfeit be* SBtllen*, babei jeboa) einen großen ©tarrfinn, ben nur bie Siebe $ur 9ttutter unb bie 3urcf)t öor bem SBater mitunter $u beugen oermodjten, unb einen fo entföiebeuen #ang jum SBiberfprud), bog man iljm oft ba* (Negern tljeil oon bem rietfj, wa* man öon if)m erlangen wollte.

9*ad> ben SBefrimmungen feine* SaterS foflte ftarl XII. erft nad) feinem noüenbeten ad^eljnten ßcbenSjafjre bie Regierung an* treten unb biefelbe bi* balnn oon feiner (Sro&mutter, ber Königin £ebmig (Eleonore, im Vereine mit fünf 9teidj*rätl)en geführt wer- ben; auf ben ^Betrieb be* ©taatäratt)* trafen $iper, bem ftart bei einer Xruppenfdjau feinen 9Jftßmutlj barüber auSgebrütft tyaben foü, baß man ifm unter bie Söormunbfdjaft einer grau geftetlt, er« Harten Ujn jebodt) bie 9fteidj*ftänbe fdjon am 15. 9loüember 1697 für münbig unb festen, trofo be* SBiberfprudjS ber SRegenrin, feine Krönung auf ben 24. Xe^ember beäfelben Qafyre* fcft« ©ebeu* tungäöoll erfdjien e* Stelen, baß ber junge Äönig bei biefer Seiers lidjfcit bem (Srjbifdjof oon Upfala bie Jerone au* ber £anb nafym unb fie ftd) felbft auf* £>aupt fefcte. Snbeffen ging bie burd) bie- fen 3^9 oon ©tolj unb ©elbftbemußtfein gewedte Erwartung, baß er fofort als felbftftänbiger ^errfa^er auftreten werbe, nid)t in (£r* füllung: ®arl überlieg öielmet)r bem ÖJrafen $iper alle SRegic* rung*gefd)äfte unb fdjien für nidjt* Slnbere* ©tnn ju t)aben, al* für söärenjagben, ©djlittenfafjrten, SRaSferabcn unb anbere berartigen Serftreuungen. $er £>of oon ©torfljolm erhielt ein ooßfommen Oer* änberte* Slnfe^en, unb fa^on im Qafyre 1700 war ber oon bem fparfamen &ar( XI. gefammelte ©cfyafc ganjlia^ erfcfjöpft; ja mau ijatte fogar bereit* wieber $u Slnlefjen feine Sufluc^t nehmen müffen. $lHe* bie* tonnte natürlich an ben auswärtigen $>öfen oon bem jungen ©djwebenfömg feine befonber* günftige Meinung erweefen; bafyer gelten and) bie brei Sftadjbarmädjte, SRußlanb, sßolen unb 2>änemarf, ben 3c^pwuft für gefommen, wo c* il)ncn leicht fein werbe, ©tfjweben biejenigen ^rooinjen ju entreißen, nad) welken fie Öuft trugen. 9cur ju balb foüten fie erfahren, wie jetjr fie fid) in bem jungen ßönig gctäufdjt Ratten.

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3>er bäniföe Jfrieg unb bic Schladt bei Stoma.

239

XII.

(1700-1721.)

2er bomfdje ffrteg (flug. 1700) unb bie Schlacht bei Karton

(30. »ob. 1700).

2113 bie SRadjricfjt üon ben Lüftungen ber brei 9cad)6arftaaten unb bem bereite erfolgten (Sinfatt ber ©achfen in fiiotanb nach Stod^olm tarn, ctitftanb im fc^n>ebifcr)eu 9tetch3rathe große föt* ftür^ung. Jöiele waren ber Anficht, man müjfe fofort Unter fjanb* lungen anfnüpfen unb ben grieben um jeben $reid aufregt ju galten fudfc)en; aber ber junge König erflärte mit einer geftigfeit, bie Slfle in ©taunen oerfefete : er werbe nie einen ungerechten Krieg anfangen, einen geregten jebodj nur mit bem Untergang feiner geinbe beenben. ©ofort mürben bie nötigen Slnorbnungen ge* troffen, um £>eer unb glotte in friegStuchtigen ©tanb $u fefcen, wobei ber König ben lebhafteren ©eift jeigte unb eine fieberhafte 2t)atigteit entfaltete.

3uerft fodte ber König oon $)änemarf, ber im SJcarj 1700 Xruppen in ba3 bebtet beä £>erjog$ griebridj IV. oon $ottftein* ©ottorp, be$ demahlä ber ^ieblingäfchwefter Karlä XII., fjatte einrüefen laffen, für biefen grtebenabruch gejüchtigt werben. ÜKach* bem Karl bie nötigen SInorbnungen bezüglich ber Regierung fei* neä £anbe$ getroffen, begab er fich oon ©tocffjofai, ba3 er gleich wie einft ®uftaü Slbolf unb Karl X., als fie $u ihren (5r= oberungäfriegen auäge$ogen nicht wteberfehen foüte, nach Karte* frona, wo er fich am 3. Stuguft mit fünfjehntaufcnb Ütfamt auf bretfjig Sinienfchiffen unb üielen anbern Heineren gahrjeugen nad) ber 3nfel ©eelanb einjehtffte. Üftachbem er am folgenben 2age ein fruchtlofeä ©ombarbement gegen bie bänifdje £auptftabt eröffnet, befchtog er, noch am nämlichen Xage in ber 9cafje oon Kopenhagen feine fianbung ju bemer(fteüigen. (£$ gejehah gegen fedjä Uhr 2lbenb3 unter bem ^efttgften geuer ber $änen. $a bie Kähne nicht rafch genug anä Ufer fommen tonnten, fprang Karl felbft mit bem S)egen in ber $>anb iu3 SBaffer unb brang, oon feinen jubeln* ben ©olbaten gefolgt, mutlng gegen bie fetnblichen Batterien oor. SKafch waren biefelben erftürmt unb bie bänifchen ©olbaten hinter bie Stauern oon Kopenhagen jurücf gebrängt.

£>em König oon 3)änemarf blieb bei ber Ueberlegenheit ber jehwebifchen Stacht unb ber Unmöglichfeit, oon feineu entfernten

240

$cr norbtfcfje Äricg.

BunbeSgenoffen $ilfe ju erholten, 9citf)t3 übrig, al§ mit &arl Unterhanblungen ansufnüpfen, bic am 18. Muguft $u bcm grieben öon Xraöenbaf)l führten. bemfelben trat griebrid) IV. öon bcm Bünbnifc mit bem Goaren unb 5fuguft II. jurücf, entfagte allen Slnfprüchen auf bie ßänber be8 £>erjogä öon j£>oIfteitt=(5Jottorpf erfannte beffen ©ouöeränität an unb üerpflichtete fich $ur 3^^ung einer $rieg£entfd)äbigung an ©chroeben. $arl XII. fjätte ohne 3roeifel feinem gebemüthigten ©egner Martere Bebingungen fteüen fönnen; aber bie ©efafjr, bie feinen öftlichen ^roötnjen brofjte, unb ber SSunfd), balbmöglichft ju beren 2d)\\{\ aufbrechen ju fönnen, bemogen ir)nr öon ädern ab$uftehen, roaä baä griebenämerf ptte ftören fönnen.

©o ^atte ber achtzehnjährige ®önig innerhalb öier$et)n Xagen feinen erften $rteg ruhmüoll beenbigt. Unöerroeilt fet)rtc er nach Schweben jurücf, um bie nötigen ^Inorbnungen jur Sinfchiffung feiner Gruppen nach Siölanb }it treffen, roo bereits im ^ejember

1699 ein fächfifcfjcä £>ecr jur Belagerung öon 9ttga erfchienen mar, nachbem ein öon ®arl XI. ferner gefränfter liölänbifcher @bel= mann, 9teinf)olb SßatfuI, &uguft II. ba3 Besprechen gegeben, ben gefammten liölänbifchen 5Xbcl auf feine ©eite ju bringen. S)ie Hoffnungen, bie Sluguft auf biefed Besprechen gefe|t, ermiefen fich jeboch aU trügerifch: ber Uülänbifche s2lbel erhob fich nicht für ihn, unb ber fchmebifche Befehl$ha&cr 0011 ^Ö0» Dcr fünfunbjiebjigjährige (Venera! Vahlberg, Iciftctc bem fächfifchen Belagerung^hcere fo tapferen Söiberftanb, bajj fich baäfelbe $urücf$iehen mußte. Vergeben« er* neuerte Sluguft perfönlich nach ber ©innahme öon 3)ünamunbe (26. 9Jcärj 1700) bie Belagerung öon 9üga: auch er mußte fich, nach mehrmaliger erfolglofer Befdne&ung ber ©tabt, im ©eptember

1700 jum diücf^ug entf abließen.

©chon ftanb $arl im Begriff, fich #arlähantn mit feinen Gruppen einjuf Riffen, als er, gleichzeitig mit ber ®unbe öon ber Aufhebung ber Belagerung öon 9tiga, bie Nachricht erhielt, ba& ber (£$ar $eter mit einem Speere öon achtjtgtaufenb Sttann in @fth= lanb eingerüeft fei unb sJcartua belagere, ©ofort befchlofc er, fich junächft gegen biejen geinb jii menben. Nachbem er am 17. Dl tober mit einem £>cere öon achtjehntaufenb SDfynn im £>afen öon Bernau gelanbet, eilte er mit breitaufenb Weitem unb fünftaujenb SDcann gu&öolf bem ^auptheere öorauS unb ftanb am 29. SKoöember öor vJcarma. 2)a ^eter eben baä Belagerung^hecr öerlaffen hatte, um neue Xruppen herbei 51t siehen, bejchlofc Start, bie Wnfunft feiner übrigen sJ)cann|chaft nicht abzuwarten, fonbern gleich am folgenben Xagc in „®otteä Hainen" ben ihm minbeften« fünffach überlegenen geiub anzugreifen. 2113 er gegen bie feinblichen ißerjehanjungen oorrüefte, mar bie Suft burd) ein fo bidjteä ©chneegeftöber Oer*

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3)cr bttmfdje Äricg unb bie Sdjtodjt bei Warroa.

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bimfelt, baß bie Muffen ben Seinb erft bemerften, att er nur nodj gc^n ©dritte meit bon tt)nen entfernt mar. „©ort, ber baS fRec^t Beföüfct unb baä Unrcdjt (traft mirb und beiden!", rief Äarl ben ©einigen ju. „3$ merbe eud) ein SBeifpiel geben, bem ifjr nachfolgen fönnt; mer aber nidjt fämpfen null, mag jurürf bleiben. ©inftimmig riefen Höe: fie trollten mit U)m leben unb fterben. w@leid) im Anfang be3 ©efed)teä mürbe bem $önig fein *ßferb er- icfjoffen. „$ie Muffen motten mid) reiten lehren," fagte er falt- blütig unb beftieg ein anbereS. ©leid) barauf berlor er in einem SIKorafte, burd) ben fein 2Beg if)n führte, fein jmeiteä *ßferb, unb einer feiner ©tiefet blieb im ©umpfe fterfen; aber biel ju unge= bulbig, um ftdj mit bem SBieberanäie^en beSfelben aufjulmlten, jagte er auf rafdt) gemedifeltem $ferbe im ©trumpfe meiter. 3u meniger als brei ©tunben mar ba$ ruffifrfje $>eer jerfprengt unb ba3 feinblidje fiager erobert, in meinem bie ©ieger außer ber föriegäfaffc einfjuubertfünfunbfünfaig ©efd)üfce unb ungeheuere $or- rätfje erbeuteten. Sldjtäeimtaufenb SRuffen Ratten tt)eilä im Kampfe, tfjeilä in ben Stützen ber Sftaroma ben £ob gefunben. Su ben jafjlreidjen (befangenen, bie mä^renb ber ©d)lad)t ben ©djmeben in bie #änbe gefallen, fam am folgenben Sage nod) ein ganjeä ßorpä tum adn^efjntaufenb sD?ann, bie fid) bem $onig freimittig er- gaben, ba fie gehört, baß berfelbe bie (befangenen mit großer 2)älbe be^auble.

Unter bem Bonner ber Kanonen 50g ®axt in ba8 befreite Starma ein, beffen Söcüölferung U)n mit ftürmifdjem Qubel empfing, ©ein erfter ©ang mar in bie ßirdje, mo er fnieenb @Jott für ben errungenen ©ieg banfte. ©0 midjtig biefer ©ieg inbeffen auc$ für ben 2(ugenblid für ir)n mar, gereifte er ifjm bod) infofern 511m 9ßad;tf)cile, al£ er ir)n öeranlaßte, bie SRuffeu al£ feige ju Der* achten unb it)re 9ftad)t für üemicfytet 511 galten, bie feinige bagegen ju übcrfd)äfcen. gür ben ©jaren aber Ijatte bie erlittene SWe» berlagc, }o empfinblid) ü)n aud) ber ©ebaufe berührte, oon einem ad)tjef)njäf)rigen $önig mit fo geringen ©treitfräften befiegt morben ju fein, ben großen iBortbeil, baß er bie 9iotf)menbigfeit erfannte, in ber Sortfefcung be$ Äriegeä alle feine Gräfte aufzubieten unb burd) SBorfid)t $u erfefcen, ma$ ben Muffen an $rieg$erfafjrung abging. „$ie ©djmeben merben uns nodj oft fd;lagen", fagte er; „aber sulefct merben fie und aud) fiegen lehren."

£>olstoatt$, Sßkltgeföidjte. VI.

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3)cr norbifdje Äricg.

2er p o l ii i f d) c ßrieg.

(1700—1706.)

Üladjbem Äart XII. im grül)jaf>r 1701 anfefjnlidje SBer* ftärfungen au$ @d)roeben an fia) gebogen, bind) er am 17. Quni non 3)orpat und) SRiga $um Kampfe gegen 2luguft II. auf. Unter» Imlb biefer ©tabt fefcte er am 8. Quni im 3lngefid)te eineä fädtfifö« ruffi{ct)en £>eereä über bie 2)üna unb griff ben Jeinb an, nod) efje baä fd)n)ebijd)e ökjdjub üollftänbig au£ ben .Kalmen fjerauägefyoben tuar. Xic Sadjfen leifteten anfangs tapferen SSibcrftanb; ba je* bodj bie Muffen, öon einem panifdjen ©Breden ergriffen, alabalb bad SBeite fugten, gerieten aud) fic in Unorbnung unb mu&ten unter Surütflaffung iljreS ganzen ÖJepädeä unb aller iljrer Kanonen baä Sdjladjtfelb räumen. SBäfjrenb fie fid) in« ^rcu&ijdje jurütt- jogen, befehle Sari $urlanb, baS auf 2luguft3 II. «Seite getreten toar, unb brang bann in ßittfyauen ein. 2Ud hierauf bie $o!en tfm burd) einen ökfanbten um ©djonung ifjreä ©ebieteä bitten liegen, ba bie CRepubltf feinen 2lntfjeil an bem Kriege Ijäbe, ben iljr Gültig als ®urfürft öon Saufen gegen ©djroebcn füfjre, gab er bem ©efanbten bie s21ntroort: er fyegc feinerlei feinblidje Stbfidj* ten gegen bte Siepublif, fonbern rooüe im QJegentfjeil bie üerle(jte 2Bar)lfreit)eit berfelben fycrfteHen, ben $önig Sluguft, beffen roißfür* lict>e Regierung jeben freien Sßolen erbittern muffe, jur Slbbanfung jrotngeu unb eine beffere Verfaffung begrünben; bcg^alb fyege er audj bie fixere (Erwartung, bafj er überall günftige Slufnafyme, willigen SBeiftanb unb eine freie Verpflegung finben werbe. Dljne eine weitere (Erflärung be3 polnijdjen $Rei$atageä abzuwarten, lieg er nidjt nur Lieferungen aller Vitt, fonbern auaj t)ol)t Sfriegäfteuem beitreiben, unb ba er babei feine (Generale $ur Strenge ermunterte, ^atte ba* Lanb unter 2Btüfurlid)feiten unb ©rprefjungen ferner $u leiben.

Um bem Sdnoebenfönig ben Veweiä $u liefern, ba& bie *ßolcn mit bem Kriege s2luguft$ SfadjtS au fdjaffen fjaben wollten, unb itjn baburd) jur Schonung be3 (5)ebiete3 ber töepublif ju belegen, üer= weigerte ber polnifa^e föeidjätag bem ftönig s2luguft II. jebe Unter* ftüfcuug unb geftattete Weber bie Vereinigung beS fä^fiföen £>eere* mit bem polnifa^en Stron^eere, nodj bie Verwenbung be$ lederen gegen bie ©Sweben. $er auf« s2leufeerfte bebrängte Sluguft fua^te grieben 511 fliegen um jeben tßrei^ unb fanbte ju biefem ©nbe feine beliebte, bie ebenfo fdjlaue ati fdjöne ©räfin Aurora öon #önig3marf bie SJcutter bcS nadjmalä io berühmt geworbenen ÜJcarfdjallä üHorifc öon Saufen eine geborene ©dnoebin, in ffortt Säger ; ber junge St önig lieg fie jebodj nidjt einmal öor ficr). 2lud)

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$er polnifdje ftricg.

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bcr ©efanbte, ben Sluguft nach biefem mtßglücften SBerfuche mit griebenSoorfchlägen au ihn abfdncfte, mürbe abgeroiefen. Vichts öermodjte bcn haläftarrigcn ®önig bon feinem (Sntfchluß abjubringen, nic^t eher grieben ju fließen, bis er feinem öcrhaßten ©egner bie polnifdje ftrone entriffen Ijabcn werbe.

©anj öon biefem ©ebanfen erfüllt, orbnete $arl für ben gelb* $ug beä folgenben Jahres bie umfaffenbften Söorfefjrungen an. (Sr felbft mar babei raftloS tt>ätig unb freute meber 2lnftrengungen nod) 23efchmerben. Rift ein abgejagter geinb jeber Söeichtichfeit, bejog er ben ganzen SSinter lnnburd) fein £>au3, fonbern blieb in feinem öon ©troh umflochtenen $elte, in meinem er fich, roenn bie #älte gu heftig mürbe, burdj glühenbe Stöhlen ermärmte. ©eine Sebenämeife mar bie cinf ac^ftc : er tran! meber SBetn noch 33rannt* mein unb begnügte fich mit ber allergemöhnlichften ®oft. ©eine Reibung beftanb au3 einem für unfern ©efehmaef höchft unjier^ lidjen ©olbatenroef mit großen meffingenen knöpfen, unb auä gel* ben Unterfleibern ; baju trug er große föeiterfiiefel unb leberne #anbfchuhe, beren mächtige ©tulpen bis an bie ©ttenbogen hinauf* reichten. 9cur an bem furchtermeefenben ©rnft im ©lief, roelcher ©tol^, ©igenfinn unb Kühnheit zugleich auSbrücfte, erfannte man ben Äönig. $)iefe ©igenfehaften jeigte er jeboct) nur bem geinbe; gegen feine Offijiere unb ©olbaten mar er ein milber unb leut* feiiger §err, melier iStfykv, menn fein böfer SBiße $u ©runbe lag, gern entfdmlbigte, nie bulbete, baß üon Äbmefenben SBöfeS gefpro- chen merbe, unb treue $5ienfte föniglid) belohnte, ©elten braufte er auf; nur ein finftereä Sufammen^tehen ber $lugenbraunen oerfünbete feinen Qoxn ober fein SJcifjfaflen.

SBäfjrenb Sluguft SlHeS auf6ot, feine ©treitfräfte ju erhöhen, 30g ®arl am 24. 9Jcai 1702 in SSarfdwu ein, ba3 fich auf feine erfte Slufforberung ergeben ^atte. 9cad) einem toiermöchent* liehen Aufenthalte in ber polnifchen |>auptftabt, mährenb beffen ihn bie polnifchen Magnaten »ergebend megen ber Abfe^ung ÄuguftS auf anbere ÖJebanfen ju bringen fuchten, brach er nach ©üben auf, um feinem öon ßrafau tjerait^ie^enben ÖJcgner eine ©chladjt anzubieten, ©ie fanb ©tatt am 19. 3uli 1702 bei fHifforo unb enbete mit einer öollftänbigen 9cieberfage ber ©achfen, bie mit einem Serlufte fcon mehreren taufenb Xobten unb $errounbetcn ba3 3d)iacf)tfelb räumen unb außerbem ihr ganjeä Öepäd, fomie bie $rieg3faffe unb ben größten beS ©ejchüjjeä in bcn Rau- ben ber ©icger jurücflaffen mußten. Unter ben ©efangenen befan* bcn fich auch einige Ijitnöcrt Dffijierabamen, bie ®arl foglcich burdj einige SReitcrfchmabronen an bie fchlefifche ©renje bringen unb bort in Freiheit fefcen ließ. Sluguft biefe .'pöfltchfcit burch bie Sfreilaffung eines gefangenen jehmebifchen ^ittmeifter* ermiberte,

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2)cr norbifche ßrtcc].

fanbte ihm ®art, ben biefcr SBetteifcr oerbroß, fünfunbawanaüj fächfifdje Cffijiere jurücf.

Stach bcr Schlacht bei $UffoW jog f?arl in Eilmärfchen gegen Pratau. 2IIS ber polnifche 93cfc^I»f)abcr fid) weigerte, bie Schweben cinjuloffen, oerfefete ihm $arl, ber felbft an baS ^alb geöffnete äußere £f)°r getreten, mit feiner Oieitöcitfche einen fo heftigen $kb ins ©eftcht, baß er betäubt jurücf taumelte, worauf ber ftönig rafd> mit feinem ©efolge in bie Stabt einbrang unb fich beS SchloffeS bemächtigte. S)ie beftürjtc Söefafcung ergab fid) ofjne Söiberftanb unb würbe burch eine fchwebifdje erfefct.

$a Sluguft, bcr bisher ben $ricg au^fd&Iicßlicr) auf Soften feines fturfürftenthumS geführt, feine SDcittcl mehr unb mehr Der* fiegen fat), fuctjte er eine Bereinigung ber polnifdum ©roßen 51t feiner Unterftüfcung 511 Staube ju bringen; allein bie gu biefem 3wecfc 5U Senbomir Deranftaltete SBerfammlung beS polntfchen SlbclS geigte aufs 9ccue baS traurige SBilb beS ^artcifjaffcS, beS Leibes unb beS $(rgmolmeS. McS, Worüber man fid) einigen fonnte, mar bie nochmalige Slborbnung einer griebenSgefanbtfchaft an $arl. Aber auch biefer Stritt hatte feineu Erfolg. „Unb wenn ich fünfzig gafjrc in <J>olen bleiben müßte, " erflärte ber ftarr= finnige ®arl, „fo werbe ich nic^t eher Derlaffen, bis ich t>icfen ßönig Dom Zfjvont geftoßen fyabc." Vergebens fegte ihm fein TOnifter <ßiüer, bcr fein ganjcS SSertraucn befaß, in einer eigenen £enffchrift auSeinanber, wie er burch bie Entthronung beS StönigS Don $olen nicht nur fich felbft unfägliche 9flühen unb SBerbricßlic^ feiten bereiten unb ohne jeglichen Söortr)cU für baS eigene Sanb bie 5ölütt)e ber fdjwebifcheu Nation aufopfern, fonbem auch ben aflge-- meinen £>aß auf fid) laben werbe, wäljrcnb er burch bie Sinnahme ber SriebcnSoorfchläge SluguftS biefen an fein 3ntercffe fnüpfen unb an ihm einen nüflichen SBuubcSgenoffcn gegen ben Ejaren gewinnen würbe itarl blieb taub gegen alle $orftellungen unb bef)arrte felbft bann noch auf ber Jortfcfcung beS Krieges, als bie ättchrl)eit bcr polnifchen ©roßen auf einer &crfammluug 5U fiublin bie Don ihm oorgefdjlagcnc Entthronung SluguftS DerWorfen unb Öefchlüffe jur itnterftüfcuug bcSfclbcn gefaßt hatte.

SSährenb bie herrfchenbe Uneinigfeit ber Ausführung btefcr S3efchlüfje hiubernb in ben SScg trat, blieb baS ÖHücf bem Schweben^ fönig treu. 21m 1. üDcai 1703 trug er bei ^ultuSf über bie Saasen einen abermaligen Steg baoon, brachte balb barauf $au$ig unb Elbing in feine ©ewalt unb jwang am 15. Oftober 1703 Zfyoxn burch ein heftiges S3ombarbcment $ur Ergebung.

llnterbcffcn war Sluguft $ur iöefchaffuug neuer ÄriegSmittel und) Sadjfen gegangen, unb ber ®arbinal^rimaS Don $olen, baS 4>aupt unb bie Seele ber Don 5TarI gewonnenen Partei, benufctc

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$cr polmföe tfrieg.

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feine 5J6tuefenf)eit jur Berufung eines SReidjStagS nach SSarfchau, ber am 30. 3anuar 1704 jufammentrat unb am 6. gebruar ben polnifchen X^ron für erlebigt erflärte, roeil Muguft frembe ©olbaten ins Üteich geführt , ben Krieg ohne 5Öcfc^tuß ber Sftepublif untere nommen , ein nachteiliges Bünbnijj mit SRufjlanb gefdjloffen unb bie Qutereffen SßolenS auf jebe Söeife gefchäbigt ^abe. Qax SBaf)l eines neuen Königs füllten ftcfj faic polnifchen (trogen am 12. Quli tüieber ju SBarfajau jufammenfinben.

Karl , ber felbft feine Stift trug , bie polnifdje Krone anju* nehmen, inbem er, roie er bem ÖJrafen $iper bemerfte, „lieber Königreiche geben als nehmen tüoflte", ^atte anfangs bie 91bfid)t, einen ber @öf)ne ©obieSfi'S auf ben polnifchen Xfjron ergeben $u laffen; allein 5lugnft, ber üon biefer 91bfidjt Kenntniß erhalten, lieg bie beiben Ölteften ©obieSft, bie fich in ber ©egenb üon BreS* lau aufhielten f burd) fächfifche Leiter aufheben unb als ©efangene uadj ber $(ei§enburg bringen, unb ber jüugfte lehnte $u Karls 58erbru§ bie Krone ab. Karl fcf)lug hierauf oeu polnifchen Großen ben fiebenuubjmanjigjährigeu (trafen ©taniSlauS Öeöcin^ft, 2Bojett>oben üon $ojen, ber burd) feine fdjöne, männliche ©eftalt, fein lebhaftes unb bodj befd)eibcned SSefen unb feine genrinnenbe Berebtfamfett fein befonbereS 2S ohlgefallen erregt hatte, jutn Kö* nig üor unb erjroang beffen SBaf)! gegen ben SötHeit beS Karbinal* ^JkimaS, inbem er an bem Söarjltage mit feinem ganzen Speere üor SBarfdjau (Stellung nahm unb ben 2öal)Iplajj mit fa^mebifa^en Gruppen befefcen liefe- 2ll£ ber neue König am anberen Xage in bem fdjnjebifdjen Sager erfdjien, um feinem Befchüfcer ju banfen, empfing ihn Karl aufs £>erjlichfte unb fagte ihm feinen nadjbrücfs lichften Bciftanb jur Behauptung feiner Krone ju.

Qnjmifchen war Sluguft nad) $olen juriiefgefe^rt unb ha*te $u <Senbomir nicht nur üon bem Sparen burch einen (SJefanbten, fonbern auch üon einem großen Xf)eile ber polnifchen Magnaten bie 3u\aqt Fräftiger llnterftüfcung erhalten. Qn ber Xhat gelang cS ihm, roährenb Karl jur Eroberung üon Semberg ausgesogen luar, fich ber #auptftabt SBarfdjau ju bemächtigen unb (Stanislaus 3itr Slucfjt ju ^mingen. Mein Karl, ber unterbeffen Semberg er* fturmt hatte, eilte herbei, um feinen ©djüfcling nadt) SBarfchau $u* ruef^uführen , unb Sluguft fat) fich t nachbem er fich Vergebens be* muht hotte, ihm ben Uebergang über bie SBeidjfel ftreitig ju machen, ^um föütfang nach ©achfen genötlngt. $er feierlichen Krönung beS neuen Königs fteüten fich ieboch fo üiele $inberniffe entgegen , bog Karl biefelbe erft im Dftober beS folgenben Jahres burchfefcen fonnte.

55a unterbeffen ein ftarfeS ruffifcheS £eer in Sitthauen einge* rücft unb ein fejehfifches jur Bereinigung mit bemfelben im 2ln$uge

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35er norbifdje #rieg.

mar, brach ®arl mitten im SSinter (11. Januar 1706) borten auf, um bcn geinb $u überfallen. Obgleich #unberte bcr ©einen ber furchtbaren falte erlagen, brang er, unbefummert um ©crjnee unb (Si«, raftlo« meiter bi« öor ÖJrobno. SBöfjrenb er $roifchcn biefer ©tobt unb SBilna ©tellung nahm, griff fein Jelbherr 9?h™ffiölb am 13. gebruar ba« vereinte ruffifcö^fäc^fifc^c £ecr unter ©dmlenburg bei 3 r a u ft a b t mit folgern (Srfolge an , baft Don bemfclben nur menige Xrümmer übrig blieben. SRadjbem herauf ber größte Xfjeit be« Ittthauifchen «bei« ©taniälau« at« fönig anerfannt, brang fori unter unfäglidjen 53efchmerben unb ©efafjren bi« tief in SBolhönien ein , toolnn bie SRuffen ftd) jurücf= gebogen , unb erjmang auch bor* bie 3(nerfennung feine« ©chüfc* ling«. $ann manbte er fidt) nach ©chleften , um t»on bort nach ©achfen öorjubringen unb bem Shtrfürften in feinen (Srblanben ben Stieben ju biftiren. $5en ©chreefen , ben ba« ©rfcheinen ber fchn)ebifchcn ©chaaren in ©achfen hervorrief, fchlug er ^mar burch frrenge 9ttann«jucht nieber, bebrüefte aber ba« Sanb burch b*e ®rs preffung Don ©elbjahlungen unb Lieferungen aller 2lrt. Sßachbem er bis in bie Stahe üon Seip jig borgebrungen, bejog er bei $( 1 1 r a n* ft ä b t ein fefte« Säger , mährenb er einen Xfyeil feine« $eere« gegen Bresben oorrüefen lief}. $u fcfjmacr) &um SBiberftanb , far) fich Sluguft genöthigt, 5rteben«unterhanblungen mit ihm anju* fnüpfen, bie am 24. ©eptember 1706 jum Slbfchlufj famen. 3n bem an biefem Xage in ®arl« Hauptquartier unterzeichneten 21 lt* ran ft äbter trieben leiftete Sluguft auf bie polnifdje frone Sßerjicht, erfannte ©tani«lau« £e«cin«fi als fönig öon ^olen an, entfagte allen ißerbinbungen gegen ©ergeben unb öcrfprach , bie 33rüber ©obie«fi frei$ugeben, feine Gruppen au« bcn noch t>on ihm be- festen polnifchen ©täbten jurücfjujiehen unb bie SReichSfleinobicn, ba« f riegSgeräth, bie (befangenen unb bie fchroebifchen Ueberläufer, fottrie ben in rufpfchen $tenften ftehenben unb öon 2luguft öölfer= rccr)töroibrig gefangen gehaltenen Siölänber ^ßatful anzuliefern. Qn ber SBeftrafung be« Sefcteren ließ f arl feinem unüerföhnlichen £>affe in einer SSeife Sauf , bie feinem tarnen einen unau«löfchlichen gierten angeheftet. $)er Unglücf liehe , ber fchon im Sager bei s2llt-- ranftäbt brei Monate lang in Letten an einen $fafjl gcfchloffen hatte ftct)en müffen, mürbe am 10. Dftober 1707, nachbem ihn ein Kriegsgericht al« SanbeSöerräthcr $um Xobe öerurtheilt , bei bem Softer f afimierj, acht Steilen oon $ofen, öon unten auf geräbert, roobei feine Dualen bura) bie Ungefcf)icflichfett be« genfer« in fo grauenerregenber SSeife cr^ör)t unb öcrlängert mürben , ba§ man ihm julefct auf fein flehentliche« bitten ba« $aupt abfdjlug.

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$ie ©rünbung Don ©t «Petersburg. 247

Sie ©rünbung tum St. ^eterSburß.

(1703.)

SBäfjrenb ®arl XII. in feinem öerblenbeten ©tarrftnn feine ganje Seit nnb #raft an bie Entthronung 9Tuguftä II. gefefot, nur um feinen perfönlichen $aß ju beliebigen, chatte ber E$ar bie Er; oberung§smecfe , für meiere er baä ©chmert gegen ©darneben in bie £anb genommen, nahezu erreicht unb babei bie Sehren, bie er au3 ber 9lieberfage bei ftarroa gebogen, auf 3 Söefte öermerthet. SBic er feitbem in feiner Kriegführung mit ungleich größerer 93orfid)t ju SBerfe gegangen, fo Ijatte er auch bie ®rieg3tüchtigfeit feiner Xruppcn bebeutenb erhöbt unb inSbefonbere ba3 ©elbftgefühl feiner Srieger baburch gehoben, baß er aflen in ba8 $>eer eintretenben ßeibeigenen bie Sreiheit öerlicr).

2)a ®arl, einzig mit feinen planen auf $olen befdjäftigt, jum «Schule feiner £>ftfeeproöin$en r)öcr)ften^ jehntaufenb Sftann , ein* fdjließlich ber SDftlij, jurürfgelaffen, mar e$ bem Ejaren nicht fcfjmcr geworben, ben ©chroeben ganj Qngermantanb hinroegjunehmen unb fich in einem %ty\U öon Siötanb unb ©ftrjlanb feftjufcfcen. 9taa> bem er am 22. Dftober 1702 ba3 am Enbe beä ßabogafec'3 ge= legene SRöteburg erobert , bem er nach einer bebeutenben Ermeite* rung ber geftungätoerfe ben paffenben tarnen ©djlüffelburg gab , jtoang er im 3aljre 1703 ba$ eine 9Jceile öom finnifa^cn 9tteerbufen liegenbe fcr)tt>ebifc^c gort 9tienfd)anj jur Ergebung unb fah fict) baburch im Söcfifce eines freien unb bequemen £>anbel§= plafceS am Auspuffe ber SKema. 3n ber fixeren 3l^erftd(|t, baß ihm bie ©chtoeben ba$ eroberte Qngermanlanb nicht mehr mürben entreißen fönnen, fo furchtbar fia) auch ihr rriegerifchcr $önig biä bahin ju machen gemußt, traf er fogleich 5(nftalten, an biefer ©teile eine fefte ©tabt ju erbauen, meldje bie erftrebte engere Sßer* binbung jmifchen SRußlanb unb bem übrigen Europa h^ftetten unb jugleidj als fünftige $auptftabt ein ©tüfcpunft ber ruffifdjen £>err* fcfjaft auf bem baltifdjen 2tteere merben foHte. $en ©runbftein ju biefer neuen ©tabt , bem jefcigen ©t. Petersburg , legte er am 27. 2tfai 1703, unb jmar juerft 311 ber #ütte, bie er felbft be= mohnen mollte. Es mar ein ungeheueres SBerf, auf biefem moraftigen Söoben, ber erft burch aufgetragene Erbe befeftigt unb erhöht merben mußte, eine ©tabt ju erbauen; aber $eter fdjrecfte öor feiner ©chmierigfeit jurfief. 2lud) öerfdjaffte ihm bie ritffifdje ßeibeigen* fchaft SSerfleute in Spenge: £unberttaufcube öon ßeibeigenen, auf jmeihunbert Steilen meit sufammengeholt , arbeiteten unter $eterS eigener Slufftcht Xag unb 9lacr)t. £ie meiften famen in 33ettler= lumpen gehüllt, in welchen fie auch, Ermangelung öon ©d)itb=

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$er norbticf)c tfricg.

farren, bic $ur (Erhöhung beS 93obenS nötige (£rbe ^crbcitrugcn. SBiele ftarben in golge bcr übermäßigen SInftrengung , bcr elenben Nahrung unb ber ungefunben fiuft; aber bie Abgegangenen mürben immer neu erfefct unb ju biefem Qrotdt felbft ftalmücfen unb Xu* taren herbeigetrieben.

Sei folgern (Srifer waren bie SeftungSroerfe in unglaublich fur$er 3tit öoüenbet unb auch ber SBau ber SBofmhäufer, bie an* fangS nur aus ftolj errichtet rourben , rücftc fo rafd) öoran, ba& bie ©tabt fdjon im jmeiten 3at;re betoohnt roerben fonnte. $a jebod) ber Aufenthalt in jenen SJcoräften roeber angenehm noch fieser mar, glaubte ber (£$ar, um bie neue ©tabt $u beüölfern, $u «SmangSmafjregeln feine 3uflua^t nehmen ju muffen. ©ine grojk Qal)l öon ©bedeuten, Äauffeuten unb $anbroerfern auS 9ttoSfau unb anbern ©täbten erhielten ben ftrengften 5öefe^l , untrüglich mit ihren gamilten nach Petersburg überjufiebcln, unb au« Surdjt cor PeterS Qoxn magte 9ciemanb , ftd) biefem befehle ju nnber* fcfcen. Salb r)attc auch ber Gjar bie Jreube , ein f)oßänbifa>e3 Schiff in bie 9ceroa einfahren ju fer)en r um ben 93emof)nern ber neuen ©tabt feine ßabnng anzubieten. $)a allmählich öielc ruffifd)en ©rofjen, um fid) bei ihrem öeherrfcher beliebt ju machen, fid) in Petersburg niebcrließen unb neue ©tabttheile anlegten, ttmchS PeterS ©chüpfung fchon gu feinen fiebjeiten $u einer bebeutenben ©tabt heran; 3U bem pradjtöollen (^arenfifc, als meiere fie jefct baftetjt, haben fie jebod) erft bie folgenben ruffifchen Jperrjcher gemacht.

$a bem Goaren bie geftung ©djlüffelburg juin ©dmfce ber neuen ©tabt nicht genügenb erfchien, lieg er im 3af)re 1704 unter 9Jcenc$ifoms ßeitung auf ber nahen Qnfel föetufaii eine gtoeite geftung, baS nnchtige ftronftabt, erbauen. 3n bemfelben 3ahre gelang eS ihm auch, $orpat unb 9carma nach längerer Belagerung jur Ergebung $u jmingen.

2er rufftfdic Ärieg.

(1708-1709.)

Obgleich in bem Altranftäbter ^rieben für bie fehroebtfehen Gruppen nur bis jum grühjahrc Quartiere in ©achfen ^ugeftanben roorben , bet)nte $arl unter mancherlei SBortuänben feinen Äufent* halt in biefem ßanbe über ben größten Xheil beS ©ommerS aus. Grft 311 (£nbe Auguft 1707 brach er mit einem £>eere öon öierunb= t)ier$igtaufenb äJcann, baS jum Xfjeile aus angeworbenen X)eutfd»en beftanb, aus feinem Säger öon Altranftäbt auf, um auch feinen leg- ten unb mächtigften ÖJegner, ben Goaren Peter, ju ©oben $u merfen.

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$er mffifäe tfrieg.

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Statt jeboch aunächft nach bett OftfeeproDtttjen ju stehen, um burch bereu ,3urücferoberung bie unentbehrliche SBerbiubung mit Schweben herjufteüett , wanbte er fich , ba er burchauS feinem Gegner beu Srieben in ber alten (Sjarcnftabt StfoSfau öorfc^reiben wollte, im blinbeit Vertrauen auf feine Uttbeftegbarfeit oftwärtS, um burch <ßo= tett in baS innere föußlanbS oorjubringen , ofme fich jeboch babei einen beftimmten gelbjugSptau entworfen ju haben. 9tad)bem er ju Slnfang beS SahreS 1708 bie SBeichfel Übertritten, nahm er am 28. Öebruar ©robno unb fefcte bann, ba bie 9tuffen überall öor i^m jurücfwtchen , feinen 3"9 btä nach SBilna fort , mo er fein &eer fo lange raften lieg, als bie bort üorhanbenen Vorräte aus* reichten. Qm Quni brach er gegen bie Söereftna auf, bie am 18. bei Soriffott) überfchritten mürbe, befiegte am 13. ^uli bei |> 0 1 0 w c $ i m am gluffe Söibitfdt) ben bort oerfchanjten rujfifchen General Scheremetew, überfchritt balb barauf ben QDniepr unb brang bis in bie 9lar)c öon SmolenSf oor.

$er SBcg nach SfloSfau ftanb bem ®ömg offen; aber unge- ahnte Schmierigfeitett traten feinem weiteren Vorbringen in ben 28eg. $a bie Muffen bei ihrem Surücfweichen in baS Snnere beS SanbeS , um ben nachjiehenben Stfinb aushungern , 2WeS auf ihrem Sßege oerwüftet, bie SDcagajitte jerftört unb bie Dörfer nie* bergebrannt hatten, fehlte es ben Schweben balb an ben nötigen Lebensmitteln, unb ber immer fühlbarer werbenbe Langel erzeugte, t)erbunben mit ben übermäßigen SKnftrengungen , bie $arl feinen Eruppen jumuthete, #ranfheiten, Unjufriebettheit unb SDcutfjlofig* feit, $iper unb Slnbere aus ßartS Umgebung, tueldje bie (gefahren ber Sage mof)I erfaitnten, boten Med auf, um ben ®önig öon weU terem Sorbringen abzuhalten unb ihn §u beftimmen, fich burch eine rücfgängige Bewegung mit bem ©eneral &öwenl)aupt $u bereinigen, ber mit einem £>eere üon jwölftaufenb SJcann aus Siolanb hcrons 50g unb bebeutenbe Vorräte oon £ebenSmitteltt unb ®riegSbebarf mit fich führte. Statt jeboch biefen Sftath ju befolgen, ließ fich &arl ju feinem Unglücf burch bat ftofafeuhetman 9Jcajeppa be- wegen , fich fübmärtS nach ber Utraine §u toenben unb fich auf biefe SBeife immer weiter öon feinen Hilfsquellen ju entfernen.

3wan aKajeppa (geb. um baS 3ahr 1645), ber Sofm eines mitteüofen polnifchett ©belmannS, ^atte an bem £>ofe 3ohanu ÄafimirS , Wohin er als *ßage gefommen , mit ber ©attiti eines polnifdjett ®ro&en ein fiiebeSöerhältttifj angefnüpft , wofür berfclbe fich baburdj an ihm rächte, ba& er ihn naeft auf ben Üiücfen eines ^ßferbeS binben lieg unb biefem bie Freiheit gab. 35aS <ßferb eilte mit ihm in bie r)eimatr)Iic^en Steppen ber Ufraine , Wo ber bem £obe nahe Wlapppa , ber mit bem erfchöpften ^ferbe 511 ©oben geftürjt, bon dauern aufgefunben unb (oSgebunben Würbe.

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$cr ncrbifd)c $ricfl.

(5r fdtfofc ftd) ben bortigen Äofafen an unb erttmrb fidt) Bei ben- f ctbcti balb burdj ©etuanbtfjett unb Xapfcrfeit, foluie burdj feinen Sßerftanb unb feine Äenntniffe ein fo h°^3 ^Infe^en, bafs fie if>n im Saljre 1687 nach bem lobe ihre« #etman3 ju beffen 9lad^- folget toasten. *ßeter ber CBroßc, beut er in feinem Xürfenfriege, befonberfc bei ber ^Belagerung t>on $foro , wichtige Xtenftc geteiftet, ernannte ihn jum gürften ber Ufraine ; aber bteS genügte bem ehr* geizigen 2Rajeppa niebt: fein ©treben ging auf tjottftänbige Unab* Fjängigfeit toon bem Sparen. $a er biefeä Stet am ftdjttften bnref) tfarlS xn. 3Rititnrfung gu erreichen Ijoffte, bot er ihm ein #ilf«* beer bon breigigtaufenb ftofafen, fonrie Sebenämittel in Ueberfluß für feine Xruppen an, roenn er, anftatt geraben SBegS nach 2Ro3= fau ju geben, ben Umroeg burch bie Ufraine machen unb ftd) bort mit ihm bereinigen rooHe. ®egen ben 9latr) aller ©ad)t>erftänbtgen im febroebifchen §eere, beren ®intoänbe nur umfomehr be3 Äönig* ©tarrftnn reijtcn , ging Äarl auf biefen SBorfdjtag ein unb trat, nadjbem er bem General Sön>en!jaupt ©efe^t gefanbt, ihm nadj^u* folgen, ben Su9 DC* Ufraine an.

Sttit ebenfo großer SBefriebigung als SBerttmnberung fab ber ß^ar ben ©djroebenfönig fübroärtö gießen; benn er burfte fieb ber Hoffnung Eingeben , baß berfelbe feinem SBerberbcn entgegengehe. §n ber X^at erlagen Eaufenbe ber fdjroebifcben Srieger in ben enbfofen SBälbem unb roüften ©teppen, in welchen man Weber be* wofmte Orte noch ßeben&mittel fanb, bem £mnger, ben 2fnftrcngungen unb ben burch bie anfjaltenbe 9läffe unb bie mangelhafte 93eflei- bung erjeugten Ätanfheiten, unb eine äflenge Kanonen blieben in ben SKoräften fteefen. ®tc einzige Hoffnung ber fcbwebtfdjen ©ene* rate ftanb auf ßöwenbaupt unb SJcajeppa; aber feiner bon ©eiben ließ fid> bliefen. (Snbltcr) r am 23. Dftober, erfa^ien ber @rfterer bod) nur mit fedj3taufenb Sftann unb ofme jebwebe 3ufu^r : wieber* holte Kampfe mit überlegenen ruffifcfjen £>eere8abtheilungen hatten ihm bie 4>älfte feinet £eere3 unb fein ganjeS ©epäcf gefoftet. $lud) SÄajeppa, ber balb nachher eintraf, führte bem ®ömg, ftatt ber Der* fproebenen breißigtaufenb Äofafen, nur einen ^eerhaufen bon fünf- taufenb Sflann ju unb braute Weber fiebenämittel noch ©etb mit. 2>ie 9cad)rid)t , bog ber (£jar mit einem furchtbaren £>eere tyxan* rüde, \)aitt alle feine ^Bemühungen, bie ®ofafen jum Mbfatt bon bcmfelben ju bringen, fruebttoä gemacht.

SBährenb ®ar(3 Dffijiere ihrem Unmutb über Üttajeppa freien fiauf liegen, gefiel fidj ber ftönig barin, feinen SBerbruß ju öer= bergen unb bem feetman fein unfreunblichcS SBort ju fagen. Unter unaufhörlichen ^Beunruhigungen burch bie Muffen, beren #eerhaufen ben ©chroeben immer gur ©eite ftreiften, nmrbe am 22. SRoüember SBaturin, aj^jcppa^ Wohnort, erreicht, wo man SRaft ju hatten gc-

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$er raffte ^rieg.

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backte; aber SKcncjtf ow , ber fürs öorljer bort gewefen, hatte bie ©labt in einen Slfdjenhaufen öerwanbelt , äRajeppa'3 Bilbm& an ben ©argen gelängt unb einen anberen #etman ernannt. 5luf bem weiteren SKarfche ging ba3 ©cpätf meift öerforen; ein groger ber ^ferbe erlag bem junger, unb bie SJcenfdjen Ratten jur SRaf)* mng nur trodeneS, meift üerfchimmelteä Brob unb Sftirjeln; benn bie Hüffen , bie unter 9Jcenc$ifow bie ©egenb burchftreift , fyatttn 21üc^ niebergebrannt. 5)aju fam bie ungeheure ®alte, bie ben SBinter öon 1708 1709 ju einem ber benfmfirbigften beS Qahrs fjunbertä gemacht. $)ie Reiterei mußte abfifcen, um nicht gu er= frieren, unb baä gu&öolf ftetö in öoüem Saufe fortjtehen. $ennoa> erlagen an öiertaufenb 2Jccnfdjen, tfjeitö ber &älte felbft, theilS bem burd) biefelbe erzeugten (Slenb.

9co<h immer märe e$ für ben ßöntg Qtxt gewefen, nach $olen jurüdjufe^ren, unb Sßiper befdjwor ihn, im Vereine mit SRaaeppa, öon einem wetteren Vorbringen abftitftehen unb ben SRüdweg einju- fragen; aber ber ftarrftnmge ftönig founte Weber burdj biefe 333arnung3ftimmen noch burdj ben ^Inblicf beä gren$enlofen (£lenbe& feiner ©olbaten ju einem ©abritte bewogen werben , ber ihm al3 3urd)t tjätte gebeutet werben tonnen ober einer Sludjt ähnlich gc= fefjen ^aben mürbe, (ährft müffe man , meinte er , bte SRuffen au£ ber Ufraine oertreiben unb ftd) in ber ^auptftabt ^ultama feft- fefcen; bann fönne man noch immer tljun, waä man wolle.

(Snblich würbe, nachbem ba$ eingetretene Xfwuwetter in ben faft ungangbar geworbenen SSegen unb ben ju ©trömen angefa^wefl* ten Bächen neue ©djwierigfeiten gefdjaffen, ju SInfang 2lprtl 1709 Sßultawa erreicht. $arl traf fogleid) Slnftalten jur Belagerung ber fefteu, mit Lebensmitteln rctcr)licr) üerfehenen unb öon einer adjttaufenb SDcann ftarfen ruffifdjen Befafcung öertheibigten ©tabt; aber bei feinen ungenügenben ©treitfräften fein £>eer jaulte faum mehr noch jwan$igtaufenb ÜRann unb ber geringen Qai)l ber ihm gebliebenen ©efd)ü&e ^atte bte Belagerung umfomemger 2lu3* ficht auf (Srfolg, al3 baä jum (Sntfafc ber ©tabt Ijerangerüdte £eer öon funfunbfe^igtaufenb SJcann, bei welkem ^ßeter fid) perfönüa) eingefunben, bereite gan$ in ber sJcäfje ftanb.

Stach mehreren f leinen Borpoftengef echten fam am 8. Quli öor ben dauern öon $ultama $ur (Sntfcheibungäjchlacht. $)a $arl in einem ber legten ©charmüjjcl an bem Knöchel be£ linfen gufje£ eine gefährliche ©djufjwunbe erhalten l)atte unb baher nidjt ju $ferbe fteigen fonnte, füfjrte ber ©eneral Sfi^enffiölb ben Dberbe* fc^l über baS fd)Webifdje £>eer ; boa) lieg fia) äarl, um bte Xapfer^ feit ber ©einigen $u entflammen, in einer ©änfte auf bem ©c^lacht^ felbe ^rumtragen. £er SluSgang beS ungleichen Sampfed fonnte nicht jweifelhaft fein, unb in ber 2;hat genügten jwei ©tunben,

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252 $er liorbifdje Jhteg.

um baS fdjmebifdje #eer faft gan^lia? $u Dernidjten unb ben bis* fjer nie belegten @d)mebenfönig jum ärmften glüdjtling ju madjen. sIRel)r als neuntaufenb ©djmeben unb $ofafen fanben im Kampfe ben £ob, unb mehrere fdjmebifdjen (Generale, unter ifjnen Styenffiölb felbft, tyiptx unb ber ^ßrinj SJcajimilian Immanuel Don SBürttem* berg, mürben gefangen genommen. 5)aS gan$e ©epärf mit ber reiben, fteben Sttillionen Xfjaler entfjaltenben ihriegSfaffe fiel ben ©iegern in bie £>änbe. $)em Könige l)alf man auf ein ^ßferb unb braute ifm bann glütflidj in eine fealefdje , in melier er eiligfr, Don einer ©djaar fdjmebifdjer Leiter unb einigen Rimbert ftofafen begleitet, gegen ben $niepr ^in cntflot) (8. Quli 1709).

$>er (General ßömenf)aupt, bem es gelungen, bie SRefte beS äerförengten &eere3 $u fammeln, ergab ftd), bie Unmöglidjfeit ein* feljenb, eS mit bem übermächtigen geinbe aufzunehmen, an ÜÄencjU fom unter ber SBebingung, ba§ baS gan$e $eer roäfjrenb ber 6)e= fangenfdmft anftänbig befwnbelt unb nadj bem griebenSfdjluffe frei ausgeliefert merbe. $iefe öebingung mürbe jebod) nidjt erfüllt. SBon ben gefangenen ©djmeben fa!)en nur einige menigen bie &eU matfj roieber; bie übrigen mürben burd) baS ganje ruffifdje 9teid> äerftreut, unb Diele ftarben in ben fibirifdjen öergmerfen.

$er (S^ar, ber, obgleich felbft fein ^eroorragenber gelbljerr, in ber ©djladjt bei ^ßultama gro&en perfönlia-jen Hßlutf) unb bie faltblütigfte @ntfd)loffenl)eit gejeigt, feierte bei feiner föücffefjr nadj 9ttoSfau ben errungenen ©ieg, burdj melden baS ©cfurffal beS 9cor* ben* entfdueben unb SRufclanbS ^errfdjaft Dom (SiSmeer bis jur faSpifdjen @ee unb Don ginnlanb bis jum fajmaqen Ütteere aus* gebebt mürbe, burd) einen Xriumpljjug, bei toeldjem ber ©raf ^ßiper finnbilblicf) Don Marren umgeben mar unb immer ein SRuffe mit Derbunbenen klugen je $ef)u jufammengefoppelte ©djmeben ein- ^erfü^rte.

ffarl XII. in ber Surfet.

(1709-1714.)

9lad)bem $arl XII. mit feiner berittenen ^Begleitung unter 9ftajeppa'S gfifjrung glücfüct) ben $niepr erreidjt fjatte, fefcte bie flüdjtige ©d)aar ityren SRitt unter ber brennenbften ©onnentjifoe burd) unberooljnte SBüfteneien, fortroäijrenb mit junger unb 3)urft fämpfenb , nad) ber bamalS burd) ben 93ug gebilbeten türfifefieu ÖJrenje fort, bie am 15. 3uli erreicht mürbe. 3)ie Xürfcn mad)* ten anfangs ©djnrierigfeiten , ber bewaffneten ©djaar bie lieber* far)rt über ben SBug ju geftatten; ber $afd>a Don SBenber gab je* boc§ SBefefjl, bem Äönig unb feiner Begleitung, benen ein nadj*

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Sari XII. in ber Sürfci.

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fefccnber ^almürfcnfchtoarm fmrt auf ben gerfen mar, $u ber= felben bc^ifflic^ ju fein, unb fanbte if)m jugleich einen 9Iga mit einer türfifdjen 9reiterfct)aar entgegen, um lfm nach ©enber 511 geleiten, roo er it)n mit großer (Jfjrerbietung empfing unb it)m ein ftattlidjeS .f>au3 aur SBolmung antoieä. $a jebod) ®arl fict) nur im Shißcrgctoöhnlichen gefiel, fdtfug er bor ber ©tobt ein Sager auf, baä balb burd) ben Umbau bcr Seite in SBaracfen ba3 $ln* fehen einer förmlichen ©tabt getoann, toie auch ÄarlS Begleitung burct) neu huigugtfommene Schieben unb <ßolen ju einem Meinen §eere ^erantouch«, mit meinem er täglich militärifche Uebungen ^elt. $er (Sultan Sldjmct III. öerfaf) it)n rcidjlirf) mit Sebent mittein unb lieg tfjm baneben täglich fünfhunbcrt Zfyakv auszahlen. Slußerbem nat)m ßarl große «Summen gu l;of)en 3infen auf, nur um Öklb unter feine fieute nue unter bie Sanitfdmren auSfrreuen unb feine greunbe in ben ©tanb fefcen ju fünnen, mit fürftlicher bracht ju leben, toährenb er felbft feine geroohnte einfache Sebent meife fortfefcte.

Unterbeffen l)atte ®arlä attißgcfchirf ade feine früheren 3einbe mieber unter bie SGBaffen gerufen. ©cr)on öor ber ©d)lad)t bei ^ßultatoa fjatte Sn^rich IV. oon $)änemarf bei einem Bcfuche, ben er auf ber 9Jüdfet)r öon einer italienischen 9icife am $ofe öon 2)rc3* ben gemacht, fein frühere^ Bünbniß mit 2luguft II. erneuert. Qejjt erflärte biefer ben 5lltranftäbter grieben al3 einen errungenen für null unb nichtig unb rüdfte mit einem £cere öon breijehntaufenb SUtann in s$olcn ein. £ier erlangte er balb ein fo bebeutenbeS Uebcrgemicht, baß Stanislaus nach Bommern entfliehen mußte, oon tt?o er fich fpäter ju #arl XII. nach Benber begab, ber ihm ju feinem Unterhalte bie Ginfunfte be3 £>er$ogthum£ ßrocibrüdeu an* tüieä. 2lm 7. Df tober erneuerte auch Der §5ar fe*n Bünbniß mit Süiguft II., mit roclchem er ju biefem ßiuccfe in Zfyoxn jufammen^ gcfommcn, unb balb barauf erfolgte bcr 2lbfd)luß eines neuen $er= tragS jmifchen bem Goaren unb Jricbrich IV. $er Sefctere erflärte am 28. ßftober an (Schieben ben ®rieg, unb am 12. Sftoöcmber lanbete ein bänifcheS £ecr öon öierunbjioan^igtaufenb SERamt unter ben (Generalen SReöenllotu unb 9tanjau in ©dponen. s2(ber nod) toar ©crjtoebeng ftraft nicht gebrochen, groar ftanbeu nur achttau fcnb SERann regulärer Xruppen im Sanbc ; aber mit bcnfclben oercinigten fich ä&er ätoölftaufenb Bauern, unb obgleich btefe ungeübt unb nur fdjlecht bewaffnet maren, gelang eS boch bem erfahrenen (General ©tenboef, mit ihnen unb feinen eigenen Gruppen am 10. 9)car$ 1710 bem geinbc in beffen Säger bei £elfingborg eine fo öollftänbige Sfticberlage fttt bereiten, baß fich °ie bäuifchen gelbherren auf ihre ©d)iffe äurürf^ichen mußten, (^lürflichcr toareu bic tief in (Sfthlanb unb Siolanb eingebnutgenen Muffen, gegen bereu llcbermacht fich Die

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25er norbtfdie $rtcg.

fleinen fdjwebifdjen öefafcungen nidjt lange galten tonnten: fdjon $u ©nbe bcS QaftreS 1710 fafj fidj ^ßeter im Sefifo beiber £änber, fowie Kardien* imb eines 2 r)eileä öon ginnlanb.

93ei biejer bebenflidjen Sachlage wäre für ßarl XII. bie fdjleu* uigfte SRücffefjr in feine Staaten nidjt nnr baS erfte ©ebot ber $lugf)eit, fonbern audj eine unabweisbare SRegentenpflidjt gewefen, unb ber 2Beg baf)in ftanb itym burd) Ungarn unb 2)eutfdjlaub offen ; aber fein Stolj fträubte ficr) gegen ben ÖJebanfen, fid), nacfjbem er bie SBelt burd) feine SBaffentljaten mit bem Sftuljme feinet Samens erfüllt, feinen Untertanen als ein gelbfjerr ol)ne #eer wiebcrju* geigen unb als ein [Jlüdjtlmg burdj t)alb Suropa ju reifen. 9cur auf einem einzigen Stege glaubte er mit @t)ren jurücf fchucu $u fönnen, uämlid) burdj eben biefeS iftußlanb, in meinem er jum erften Sftale befiegt worben, unb jwar an ber Spifce eines türfifdjen #eereS, baS öon iljm ftegen gelernt. ®anj oon biefem abenteuer* liefen sßlane erfüllt, bot er s2lllcS auf, bem Sultan Sldjmet begreife lid) ju machen, baß bie Sicherheit beS türfifdjen Steides ein £>erab= brüefen ber rujfijajen sMad)t ert)eifd)c, unb ifm baburd) ju einer fofortigen $riegSerilänmg gegen 9tu&lanb $u bewegen, wobei er fid) * it)m als SBunbeSgenoffe anbot. Qn feinen Bemühungen arbeitete i^m jebod) vJteter, bem reifere ®elbmittel jur ©efteetyung ber Um* gebungen beS Sultans ju (Gebote ftanben, fo erfolgreich entgegen, ba& ber oon i^nt nadj Üonftantinopel entfanbte, ebenfo fajlaue als gemanbte ®raf ^oniatowsfi, oer SBater beS nachmaligen Königs oon $ofcti, erft nad) brei$el)nmonatlid)en ocrgebltcften Bemühungen jum ijicle gelangte. flcadjbem er burd) bie feinften biplomatifdjen föänfe unb ftunftgriffe bie Slbfefcung $meier oon SRußlanb gewonnenen ©ro&oeaierc bewirft hatte, jeigte ftdj enblidj ber britte ben SBünfcfjen ftarlft günftig.

ttm 17. ftoüember 1710 erflärte bie Pforte an ftu&lanb ben &rieg, unb im 3rüf)jahr 1711 rücfte ein türfifcheS #eer oon ameimal* hunberttaufenb 2Jtann unter ber 5ür)rung beS ®ro&be$ierS gegen bie ruffifche örenjc üor. <ßeter, ber bemfelben mit einem anfetjnlidjen, oon bem (General Sdjeremetem geführten Speere eutgegen^og, lieg fid} burdj bie $oSpobaren ber ÜDcolbau unb SBalladjei, bie ihm heim* lid) oerfprochen hatten, oon ber tibüffien £errfchaft abzufallen, fo* balb bie Muffen auf ihrem (Miete erschienen fein würben, in bie Dölbau locfen, wo eS ihm balb, ba bie SRolbauer fein £>cer nur unaureic^eub mit ÜSkfj üerforgten unb bie auä ber SSaüacbei erwärm teten ßufu^ren gänjlia) ausblieben, an ben nötigen Lebensmitteln fehlte. Unter großen iöefajwerben, bie burd) junger, Xurft unb eine brennenbe Jpifc cr^ö^t würben, jogen bie Muffen ben s^rutt) hinunter bis jum ^Dorfe Salcji, wo fie fic^ plöjjlich burc^ ben injWifdjen über ben ^rut^ gezogenen ©roöoejier fo üollftänbig einge*

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#ari XII. in ber Xürfet.

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fchtoffen fa^en, ba& feine 3ßöglidjfeit be* (Sntfommen* Dorfjanben war. $a bei ihrer gänzlichen (Erfchöpfung an einen erfolgreichen #ampf mit bem weit überlegenen feinblichen £eere faum gebaut »erben fonnte, festen ben Muffen nicht $lnbere* übrig ju bleiben, al* bie SBaffen 511 ftreefen. Schon chatte ber Sjar ein ©abreiben an ben Senat nach'SJcoöfau entlaubt, mit ber SJcelbung, ba§ er ot)ne befonbere göttliche jpilfe nichts Slnbere* öor Hugen fefje, al* eine gänzliche 9cieberlage, unb mit 58erhaltung*maBregeln für ben gall feiner ®efangenfchaft ober feine* £obe*, al* e* feiner ®e* mahlin Katharina1), bie ilm in ben Ärieg begleitet fyattt, unter SJcitmirfung mehrerer höheren Offiziere gelang, buret) s}ket*gebuug ihrer Quwelen ben fjabfücfjtigen unb überbie* be* Kriege* oollfom» men un!unbigen ©rogoejier junt Slbfchlug eine* grieben* $u be* wegen, ber am 2. $uli 1711 nach furjen Unterhanblungen $u ©tanbe fam. Qn bemfelben würbe bem ruffifa^en Jpeere freier s2Xb* jug bewilligt, wogegen s£eter öerfpraa), tffom f)erau*$ugeben, feine geftungen an ber türfifchen ©renje ju fdjleifen unb ber SRücffehr be* fönig* üon Schweben in feine Staaten fein ^inbernifj in ben SSeg jn legen.

Vergeben* fyattt $oniatow*fi 2lHe* aufgeboten, um ben s#b= fdjlufi be* grieben* ju hintertreiben; auet) fein ^roteft gegen ben-- felben würbe nicht beamtet. (Sbeufowenig öermochte £arl felbft, ber herbeigeeilt war, um ben Triumph $u geuiejjen, feinen gefährlich* ften (Gegner al* befangenen $u feheu, ben grieben rücfgängtg ju machen. 511* er ben ©ro&üeaier mit Vorwürfen überhäufte, aut* wortete ihm biefer: „©Ott befiehlt un*, bem geinbe ju oerjeihen, ber fich üor un* Demütigt unb um ©nabe bittet. 2Ber follte sJtufc lanb regieren, wenn ich tf)m feinen £>errfcher nähme?" SBei bem SIb$ug ber Muffen erbot fich ßarl, mit einer türfifchen £eere**

1) $eter* jioette ©emaf)lin Katharina mar nach ©inigen bieXoduer eine* fatholifchen ©auern au* iUttbauen, tarnen* (5faroon*fi; nadj Slnbern war itjr eigentlicher Sßame SJcartfja 9tabe unb ihr $ater fd)roebijcher Cuartiermeifter. litt bie fehr junge grau eine* fdjroebifdjen Dragoner* mar fie im %a\)xc 1702 nach &cr Eroberung bc* Iiulftnbtjcfjcn 6tttbtd)cn* Hiarienbura ben sJtuffcn in bie Mdnbc gefallen unb bem ruffifct)cn QJcnerat SBauer al* Üoeuteantheil ^uer* fannt roorben. 3)iefer trat fic an 3Rencjitoro ab, beffen 9lufmcrf)amfeit fic burd) ihre Schönheit unb ihren SSerftanb erreat t)atte. 911* $eter fie in ^encjiforo* $au* fat), entbrannte er in heftiger Öeibenfdjaft ju ihr unb jroang ben tfürften, fte ihm $u überlaffen. Wad) ihrem Uebertritt jur gricchifdjen Äircbe, bei welchem fte bie tarnen $atlmrina ^tlcrejerona annahm, uermnljltc nd) ber (isar im ^ahvc 1707 heimlich mit ihr, unb am Xage feine* Slud^ug* flegen bie 'iürfen (,17. ^Äd« 1711) erflärte er fie öffentlich für feine ©cmaljlin. 3)urd) bie ©ebulb, mit welcher fte alle feine Jaunen, foioie feine jeitroeiligen 3KiBhanblungen ertrug, fomie burd) ihr Fluge* Gingehen auf ade feine ^becn, roufete fte fich ihm unentbehrlich ju madjen unb jid) bi* an feinen $ob im «cfi^e feiner 3uneigung ju erhalten.

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35er norbifdjc Äricg.

abtt)eilung anzugreifen unb zu befiegen; ber Großoezier üerfagte jebod) ^icrju feine (Einwilligung, unb fo Blieb bie lefcte, oon ihm auf fo fdjmadjöofle SBeife ocrfaufte Gelegenheit, ba3 türfifdje SRcief) gegen ben gewaltig machfenben Machbar ju befeftigen, unwieber* Dringlich oerforen.

2113 £arl öott Sttißmuth nach SBenber zurucffam, fanb er fein ßager burd) eine ftarfe SluStretung be3 2)niepr fo ooflftänbig unter SSaffer gefefct, baß er fict) entfließen mußte, ba&felbe einige 9Mlen weiter hinauf nach SBarnifea zu üerlegen, wo er für fitf) unb bie ©einigen feftcre #äufer bauen lieg. $a e3 *ßoniatoW3ft gelungen mar, bie s2lbfefcung be3 GroßoezierS burchzufefeen, gab er fid) ber Hoffnung hin, baß ber triebe öon galcji nicht oon langer $auer fein werbe, unb in ber Zijat machte e3 $eter felbft burd) bie Nichterfüllung ber eingegangenen ©ebingungen *ßoniatomafi möglich, öon bem ©ultan eine neue StiegSerfTärung gegen 9tuß- lanb $u erlangen. $urcf) baS ©a^wifchentreten (SnglanbS unb #oflanbS Würbe jebod), noch cl)c bie geinbfeligfeiten begonnen hatten, ber 511 galc$i abgefdjloffene triebe auf fünfunbzwanzig gahre verlängert.

Xrofc bicfeS abermaligen gehlfdjlagen feiner Hoffnungen gab ®arl biefelben nicht auf, unb in ber Xfyat brachte eS ^ouiatowäfi nach bem abermaligen ©turje eines GroßoczierS bahin, baß am 12. 9£ooember 1712 eine brttte $riegSerflärung gegen SRußlanb erlaffen würbe; aber auch bicämal ^atte biefelbe feine Solgen, ba bie rufftfdjen Unterhanbier burch Gelb unb SBorfpiegctungen SflleS wieber auszugleichen mußten. 3hrcm ©influffe gelang es auch, ben ©ultan bahin 51t bringen, baß er an $arl bie ^lufforberung ergehen ließ, bie Xürfei ju oerlaffen. tiefer erflärtc jebod), er bebürfe, um mit (Shren abreifen 31t fönnen, einer halben SDhöion Xfjaler jur ^Bezahlung feiner ©chulben, unb als ber ©ultan ihm hierauf jmölftaujenb SBeutcl fechSmalhunberttaufenb ZfyaUx auS= jahlen ließ, ocrlangte er, um einen neuen Söormanb zu längerem bleiben 3U finben, noch heitere taufenb Söeutel. Qe^t cnbtict) war bie Gcbulb beS ©ultan» erfd)ityft. @r oerfammelte ben $ioan, um bemfelbcn bie Sragc ju unterbreiten, ob er nun wohl, ohne bie Pflichten beS Gaftred)teS 31t Derlefccn, ben grembling aus feinen ©taaten jagen bürfc, unb nacf)bem fämmtliche Ütäthe biefe grage bejaht, ließ er an ben Sßafcha oon SBenber unb beu ®han ber Xataren ben fehriftlichen Söefehl ergehen, ben dortig mit Gemalt 3U oertreiben.

2US ber ^Safdja oon 93enber $arl XII. biefen Söefehl oerfün* bete unb \{)n fragte, ob er nicht lieber als grennb abreifen motte, antwortete ihm ber $önig mit zornfunfelnbem ©lief: „Gehorche deinem £>errn, wenn $>u baS $erz bazu ^aft ; aber geh mir aus

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ftarl XII. in ber Xürfei.

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ben klugen." ©ogleid) mürben alle bcm ®önig bcttiifligten Siefen mngen eingeteilt unb bie $olen unb $o)afen, bie btäfier nodj um benfelben gemefen, bura) ben *ßafdja bemogen, fid) nad) SBenber $urütf,5U3tef)en, fo bafc farl mit feinen Offizieren «nb etwa merzet^ lunbert ©djmeben allein blieb. Obgleid) fid) allmäljlid) breizeljn» toufenb Xürfen unb Xataren um SBarnifca aufammenaogen , mar Äarl tollfüfjn genug, an ©egenme^r zu benfen, unb gab 53efel)f, baä Sager mof)t zu berfdjanzeu. Vergeben* boten feine Beamten unb Offiziere im Vereine mit ben im Sager anmefenben ©eiftlidjen 5lüe3 auf, um tyn zum 9cad)geben ju bemegen: er blieb taub gegen i^re SBorftellungen mie gegen iljre bitten unb gebot if)nen, fortzugeben, toenn fie nid>t mit iljm fämpfen mollten.

9cad)bem ber *ßafd)a am 12. gebruar 1713 normal* einen öergeblidjen SBerfud) gemalt, ben ®önig zur Vernunft ju bringen, gab er am folgenben Xage Söefeljl jur ©rftürmung beä fdjtuebifdjen ßagerS. £)ie um baäfelbe aufgepflanzten Kanonen mürben abge* feuert, unb in menigen Slugenblicfen maren bie SBerfäanzungen er* ftiegen unb bie meiften Käufer in ©raub gefteeft. $ie ©djmeben, bie nur ©abritt für Schritt zurürfgemidjen, ergaben fict) ber lieber^ madjt; nur ftarl jog fidj mit etma fünfzig ber ©einigen in fein nod) unberfefyrteä £au3 zurfief, oerrammelte bie Xfyüren unb lieft au* bcn genftern feuern. 2U3 enblidj baä bon ben Xürfen in Sranb gefteefte $ad) über ben ßämpfenben zufammen ju frühen brofyte, befdjlofi ®arl auf ben 9tat^ eines Xrabanten, fid) nad> einem anberen fefteren £aufe burd)zufd)lagen ; er jebodj mit feinem bidjt gebrängten Häuflein unter einer guten ^ßiftolenfalbe auf bie Xürfen au* ber Xfnlre f)inau£ftürmte, bermidelte er fid) in feine Sporen unb ftürjte zu SBoben, morauf er bon ben Qanitfdjaren nid)t ofme grofje SÄülje entmaffnet mürbe. 2Jton braute ifjn in baä gelt be* ^ajdja'*, ber üjn mit (Jfjrerbietung empfing unb ifm zum ©ifcen einlub, „meil er motyl mübc fein roerbe."

SRadjbem Marl nod) einige rfeit in 93enber zugebracht, moljin ber s$afd)a ifm l)atte führen laffen, mürbe Ujm 2)emotifa bei Slbria* nopel zunt 2lufentf)alt3orte angemiefen, roo man Ujm, mie früher, 9taturallieferungen, jebod) fein ÖJelb bemißigte. 9tod) immer nährte er bie Hoffnung, e3 bei bem ©ultan zu einer neuen $rteg$erflärung gegen Äufjlanb zu bringen, unb fdjränfte fid), um nur bleiben zu fonnen, auf ba* Sleu&erfte ein. Um in feiner ärmlichen 2Bof)nung feinen Söefud) annehmen zu müffen, ftetlte er fid) franf, blieb oft ganze SBodjen in feinem Seite liegen unb fam z^)« Sttonate lang gar nidjt au* bem Limmer.

Snztoifdjen befanb ftd^ ©d)tueben in ber traurigften Sage. (£3 fefjlte zur gortfefcung be$ Stiege* an ©elb, mie an ©olbaten unb Sriegäbebarf; ber $>anbel ftodte, ba* fianb feufzte unter ber fiaft

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SDcc norbtjdje $rieg

unerfchnringücher s2I6gaben, unb bic unter aßen ßlaffen ber 53c* üölferung ^crrfc^cnbe Unjufriebenheit trat immer mehr in lautem 2Jhirren ju £ag. $abei Ratten bie oerbünbeten ©egner ÄarlS nach unb nach alle fct)tt)ebtfcrjen ^efifcungen in $eutjchlanb btö auf Stralfunb , SBiSmar unb bie Qnfel tilgen in 53efi(j genommen. £er ©eneral Stenbocf erfocht jroar am 20. 5)e$ember 1712 bei ® a b e b u f dj über bie SDänen einen oollftänbigen Sieg , mu&te fid) aber, naa^bem er am 9. Qanuar 1713, um bie tljeilroeife Qtt- ftörung oon Stabe burd) bie Oerbünbeten ju rächen , baä ööllig toehrlofe Altona niebergebrannt , oor einem ^eranrüdenben ruffifd)* fäc^fifc^en £>eere in baä fefte Höningen prucf^ie^en , in roelchem er oon ben SBerbünbeten fo ootlftänbig ausgehungert tourbe , ba§ er fich am 16. 9Jcai gc$nmngen faf), fidj mit feinem ganzen Speere 511 ergeben. $)ie Üftadjt ber Schweben mar bamit in biefen ©egenben gänzlich bernichtet ; Schleimig aber würbe bem jungen $er$og ®arl griebrich üon |>olfteuu©ottorü, ftactö Neffen, beffen Steter griebrich IV. in ber Schlacht bei Älifforo ben Xob gefunben , abgefunden unb mit Sänemarf Dereinigt.

Xrofc biefer oerhängnifjöollen Söenbung bcr 2)inge wollte $arl üon (einem grieben hören unb erflärte 3^^n, ber ba$u ratlje, für einen Skrrätljer. S)abei beftanb er mit feinem gewohnten Starr* finn barauf , OTeä üon ber Xürfei aus regieren ju wollen , unb al3 im 35ejember 1713 bie föeidjäftänbe jufammen getreten waren, um über bie troftlofe Sage beS Sanbeä unb über bie Herbeiführung be£ griebenS 511 beratfjen, erflärte er bie£ für einen freüentlid>en (Singriff in feine töedjte unb fanbte ben sJteia)Sftänben ben Befehl, fofort auäeinanber 511 gehen. Sie gehörnten, fanbten aber $u gleicher Seit ben ©eneral Siemen au ben $öntg ab, um iijn bringenb $ur unoerjüglichen föütffefjr aufauforbern. $ie Schübe* rung , bie Siewen bem ftönig öon ber Sage beä Sanbeä unb ber allgemein hcrrfa^enben Unaufrtebenheit machte, unb beffen unum= munbene ©rfläruug, ba§, falte $arl noch langer mit feiner sJtücf* fe^r jögere , bie sJteich3ftänbe ohne it)n grieben fajüegen unb ben $l;ron aubermettig befefeen mürben, riffen enbltch ben ftöuig auä feiner ©tftarrung. (Sr orbnete eine gläujenbe <&efanbtfd)aft , ju bereu Sluäftattung er fich nur unter ben ejorbitanteften iöebingungen baä nötljige ®elb hatte üerjdjaffen (öunen, nach Äonftantinopel ab, um bem Sultan bie Ütttttheilung machen §tt laffen, bajj er ent* fchloffen fei, nach Schweben jurücfaufehren. sJiachbem ihm Vldjmet III. noch ein prächtige^ , mit ®olb gefttcfte« Seit, einen Säbel mit btamantenem ÜJriffe, acht fchöne arabifche s^ferbe mit filbernem ÖJefchirr unb Steigbügeln unb fedjjig äöagen mit Sebendmitteln 3um ©ejchenf überjanbt, brach er am 1. Dftober 1714 oon £emo* tifa auf, unb ein jahlreidjeä türfifct)ed ©hrengefolge gab ihm ba*

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$arl3 XII. «uSgcmg. ©nbc beS norbtfdjcn tfriegeä. 259

(Geleite biä jur ÖJrcnjc. 3n bcr SBafladjei trennte er fich oon feinen fchwebifchen Begleitern unb behielt nur bie beiben Dberften SRofen unb Düring bei fid), mit benen er unter bem tarnen eineä fchwebifchen Hauptmanns grifch bie föeife burdj Ungarn unb S)eutiaj= Ianb fortfe&te. ©o unaufhaltfam ftürmte er üormärtS, baß ber erfdjöpfte SKofen fdwn nach ben brei erften Xagen §urücfbleiben mußte, ßfnu SRaft unb 8tuf)e ging bie Steife fort, am $age $u ^ferbe unb bei 5Racr)t $u SBagen , bi« enblid) am 22. SRoöember Nachts um ein ill)r ©tralfunb erreicht mürbe. Snnerhalb üier* ^ehn Sagen Ratten ßarl unb Düring äWetfmnbertachtaig beutle «Weilen jurücfgelegt.

3n ©tralfunb rief bie Nachricht öon ber Nücftehr be3 ®onig3 eine allgemeine unb aufrichtige greube herüor. 2llä er am folgen* bat Sage bie Straßen ber ©tabt burchritt, brängte fid) Sllleä um ihn, unb üon allen (Seiten begrüßte if)n fetter Subelruf. Um ber Bürgerjchaft feine Sanfbarfeit ju bemeifen, erließ er ber ©tabt auf $efm 3af)re alle Abgaben uub erhob bie öornefjmften !Ratr)S* Herren in ben s2lbelftanb.

StaxU XII. »uätjana,. gnbe be$ norbtfdjcn ftrießeS.

(1718-1721.)

2113 ßarl XII. ftc^ jur ftürffehr nach ©djtoeben entfloß, glaubte er nur gegen feine brei früheren Berbünbeten ben $arnpf trrieber aufnehmen müffen; bie Safyi feiner (Gegner oermehrte fia) jeboch balb um jmei neue. ßuerft trat griebrich SBilhelm L oon Greußen, griebrich^ I. ©ot)n unb Nachfolger (feit 1713), ber einem mit ©achfen unb Nußfanb gefchloffenen Vertrage gemäß einen großen Zfyzii oon ©chwebifdj5$ommem befefet fyattt > ocm Bünbniß gegen ©chweben bei, weil ®arl fich weigerte, bie oon ihm als ^ßreiä ber Räumung ©tettinä geforberte Ünifchäbigung oon öiermalhunberttaufenb Xijaltxn ju §al)len. hierauf fdjloß ÖJeorg I., $Önig oon (ämglanb unb ®urfürft oon ^pannooer , am 26. Quni 1715 $u Kopenhagen mit griebrich IV. einen Vertrag, in welchem ber Öefctere für bie ©umme oon achtmalhunbertjiebenunbfiebjigtau= fenb X^aletn bie ben ©chroeben entriffenen £>er$ogtf) unter Bremen unb Serben an £annoüer abtrat unb ©eorg I. ftd) bagegeu ^ur Betheiligung an bem allgemeinen Kriege gegen ©chweben Oer* pflichtete.

Obgleich ©ehwebenä Sfräfte ooUftänbig erfchöpft waren , nahm $arl ben $ampf mit feinen übermächtigen Gegnern auf unb er- öffnete bie geinbfeligfeiten bura) bie Befefcuug ber 3ufel Ufebom;

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$er norbifc^c Jhieg.

er mürbe jeboch burd) ein preußifd)eS £>eer, baS, burdj bänifchc, fädjfifche unb hcmnöüerifdje Xruppen berftärft, gegen ©tralfunb unb SSiSmar heranrüdte, roieber aus berfclben bertrieben. 2lm 15. 9to= üember festen fünfjehntaufenb Greußen, £änen unb ©achfen unter ber güfyrung beS dürften Leopolb bon $)effau r\ad) ber Qufcl 9tügen über, unb ein bitter Diebel erleichterte ihnen bie Befcftung berfel- 6en. Söet bem bergeblichen SÖerfuche , bie Qnfel gu bertheibigen, gerietfj ®arl nid)t nur felbft in Lebensgefahr , fonbern berlor auch feinen SReifegefährten Düring, ber im Kampfe ben Xob fanb. v2luch ©tralfunb, baS bon einem aus Greußen, $)änen unb ©achfen bt- ftehenbeu Speere belagert mürbe f bermochtc $arl, trofc ber r)elben= müthigften SBertheibigung nicht ju galten. S2US bie s2lußenmerfe genommen maren , fchiffte er fid) , bie ömcdlofigfeit eines längeren SBiberftanbcS cinjehenb , am 21. £e$ember 1715 fyeimltdj nach ©choonen ein, worauf bie ©tabt am 23. ben Belagerern übergeben unb bon ben £änen befefct mürbe. ÜJiit SBiSmar , baS fich im folgenben Qahre, burdj junger bezwungen, gleichfalls bem preußifch= bänijdjen BelagerungShecre ergeben mußte, büßte ©ehweben ben legten SReft feiner beutfehen Befijjnngen ein.

%xo% aUebem berlor ®arl ben Sftuth nidjt. Er befaß in bem in feine Xienfte getretenen Ijolfteinifdjen Baron ® ö r $ einen treff= liefen ginanjminifter , ber bem gänjlid) zerrütteten ©taatshöi^h0*1 burch bie Einführung bon ^apiergelb unb fupfernen ^t)alern mc* nigftenS für ben Slugenblid aufhalf unb baburch ben föönig in ben ©tanb fefctc, für bie unabmeisbarften Bcbürfniffe beS £>eereS, baS fich im elenbeften äuftanbe befanb unb nicht einmal gehörig be- treibet mar , ©orge ju tragen. Um bem geinbc feine 3eit $ur Erholung §u gönnen, unternahm $arl 51t Anfang beS 3al)rcS 1716 einen SSinterfelbjug nach Norwegen , bei meinem er jmar aufs sJteuc glänjenbe groben beS SftuthcS unb einer burch Vichts 51t er* mübenben 2ütSbauer gab unb im SRärj 1716 baS bon feinen Be^ mohnern berlaffene (£f)rifriama befefcte , aber bennoch bem geiubc feinen erheblichen ©chaben jufügte , inbem feine glotte , bie bem .peere frifche Lebensmittel unb ftriegSbebürfniffe jufüljren füllte, im jpofeu bon gricbrichShall oon bem Wbmiral iorbenfdu'lb überfallen unb berbrannt mürbe, fo baß er fich Qenötfngt faf), fein bon s2lllem entblößtes £>eer fchleunigft nach ©chtoeben jurürfjuführen , worauf er ben SBinter ju Lunb in ©choonen jubrachte.

Unterbeffen ^atte GJorj, um ©djmebenS gefunfene 2Kad)t aufs sJceue $u heben, $läne bon ungewöhnlich füfmer, bod) mohlberechneter Sragmeitc entworfen, bie $arlS bollfte guftimmuttg erhielten. $)urch bie Ueberlaffung bon Qngermanlanb unb Efthlanb follte ber Ejar, ^arlS gefährlicher ÖJcguer , auf ©chroebenS ©eite gebogen unb für bie Unterftüfcuug ftarlö im Kampfe gegen beffen übrige geinbc,

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tfarld XII. Ausgang. (£nbe beS norbifrfjen Kriege*. 261

fotoie für bic Betfjeiligung an ber 28iebereinfe|}ung ©taniälauS £c3cin3ri'ä getuonnen roerben; bagegen foüte fid) $arl für bie au ftußfanb abgetretenen Sänbcr gunädjft burdj bie (Eroberung öon 9cortoegen entfdjäbigen , bann öon bort nad) <3djott(anb überfein, um ©eorg I. ju (fünften be£ *ßräteubcnten 3afob III. Dom Xfjrone ju frühen, unb fid) baburrf) uidjt nur beu SBieberermerb ber öon £>annooer angefauften Herzogtümer ©reinen unb Serben , fonbern audj bie Bereinigung öon |>annooer mit ©cfjmeben fiebern. $)er ^ar , mit meinem fid) &öx% bereite ine ©inöcrnefjmen gefegt, geigte fid) umfo geneigter jum ?(b[d)Iuß eineä <5eparatfricben3 mit ©djroeben , foroie jur Unterftüjmng ber öon bem fdjmebifc^en üflU nifter entworfenen Richte, als er nicfyt nur erreicht Imrte, maä er gettjoßt, fonbern aud) auf $>änemarf3 £jerrfd)aft im ©unbe unb fenglanba Befitjnafjme öon Bremen unb Berben eifcrfüd)tig mar, unb fdjon fjatte man fidj bei einem im 9M 1718 auf ßofoc, einer ber $llanb3infcln, eröffneten Kongreß über fämmtfidje £>auptpunfte ge- einigt, aU ein uneriuarteter Xob ber ftürmifdjcn ßaufbafyn be3 fed)3unbbreifiigjäfjrigen <5d)mebenfönig§ ein Siel fefctc.

Um bie Eroberung öon Sftorroegen §11 bemerfftcHigen , f>atte $art im 5Iuguft 1718 ben Baron Slrmfelb mit einer £>eere$ab* tfjeihmg öon jefjntaufenb ÜRann über bie Violen nad) S)rontl)eim entfanbt unb mar bemfelben im ftoöember mit bem £>aupt()eerc auf füblidjem SBege über bie normegifdje ©renje gefolgt, morauf er am 4. £ejember bie Belagerung ber geftung gricbric^Ä^all er* öffnet Imtte. 9ßad)bem er felbft am 9. mit bem Xegen in ber 4>anb eine £>auptfd)anje erobert Ijatte, begab er fidj am 11. einem (Sonntage föät 2lbenb3, trofc ber fdjneibenben ^aa^thtft, mit bem Dberingenieur 9flegret unb bem ©encralabjutanten ©iquier, ^meien gran^en, tyinauä, um $u feiert , mie meit man mit ben Arbeiten in ben ©räben gefommen. 2BäI)renb er, über eine ©ruft* wefjr ^ingelet)nt f ben $opf auf beibe Slrmc geftüfct, beim Sidjt ber Sterne ben Arbeiten jufab, entfernten fidj feine beiben Begleiter, fo baß er allein jurücfbUcb. 2113 fie nad) Berlauf einer ©tunbc mit einigen anbern Offizieren jurürffamen , fanben fie ben ®ömg tobt, föütfmärtä gegen bie Brufttoefjr gelcfmt, Ijieft er bie rechte £anb am $5egen; $opf unb $mnbfd)uf)e maren mit Blut bebeeft. Äße maren beftür$t unb tief erjdjüttert; nur bie beiben gran$ofcn geigten feine Ueberrafcfmng , unb Sftegrct fagte faltbtüttg: „$a3 <Bpid ift au«; mir moüen nad) £>aufe gefjen." Um ba3 Unglücf geheim $u galten , füllten bie Offiziere üaxtä £etdje in einen SRantel unb trugen fie inä Hauptquartier. $)er bei bem $>eere dnroefenbe s-ßrina griebridj öon Heffen^affel , ber ®cmal)l ber fdjmcbifdjen ^ßrinjeffin Ulrife (Eleonore, ftarlä jüngerer ©djroefter, i)ob fofort bie Belagerung öon griebrid)$lmll auf unb führte baä

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$er norbifdje Äricg.

fteer nacf) ©chmeben zurficf. SBon tlrmfelbS §eer f baS jtuar $rontheim nach unfäglichen SBefdjmerben erreicht f ober bie ftarfc- unb roohl öertfjetbigte geftung nicht ju erobern öermodjt , far)cit faum fünffmnbert HJcann bie £>eimath roieber; alle Uebrigen maren bei bem mitten im SSinter angetretenen 3tficfzuge auf ben ©Sfel= bern ber #iölcn ber $älte, bem junger unb ben Slnftrengungen erlegen.

Unftreitig r)attc ®arlS XII. (£harafter eine cble ©runblage. (Seine grömmigfeit mar eine aufrichtige, unb feine ©ittenreinhett, feine (Einfachheit unb SJcafiigfeit bilben einen mcujltfmenbcn ©egen* fajj ju ber ©ittenöcrberbnifc , ber $runtfud)t unb Ueppigfeit , bie an ben meiften gürftenl)öfen jener Seit hnx unbefchränften £>err* fdjaft gelaugt maren. $abei mar er ein abgefagter geinb oon fiug unb Xrug unb Schmeichelei unb fein ©inn öon Anfang an auf baS ©ro§e gerichtet. Slbcr mit feinen guten ©igenfehaften öerban- ben fich fchmermiegenbe gehler. $er ©tarrfinn, in welchen bic geftigfeit feinet SBillenS ausgeartet mar , machte ihn nicht nur unzugänglich gegen jeben guten SRatfj, felbft menn fich bcrfelbe auf bie triftigften unb einleuchtenbften ©rünbe ftfifete, fonbern auch wn= empfinbltch gegen bie ßeiben feines SBolfeS. ©eine gurchtlofigfeit unb helbenmuthige Xapferfeit mürbe nicht feiten zur Xoflfühnheit, unb baS ©eroufjtfcin, für fein gutes Stecht baS ©chroert gebogen 51t haben , rijg ilju zu blinber 9tacf)fucht hin. E)a§ er burdjauS fein herborragenber gelbt)err mar, geht fchon aus ber ööfligen $lan* lofigfeit feiner gclbjüge, fomie aus ber gänzlichen $ernachläffigun$ auch gemöhnlichften unb nothroenbigften SBorfichtSmaöregeln bei benfelben tyrtiox. SBährenb baS llnglücf ihn nicht ju beugen ber= mochte , berleitete ihn baS ©lücf jur Ueberfchäfcung ber eigenen ®raft unb }u unöerzeihlichen Xhorheiten. ©0 üergeubete er burch ben SKi^brauch feiner reichen ©aben nufeloS bie Gräfte feine* ßanbeS unb fturjte ©chtneben tum ber £>öfje unb politifchen 93ebeut* famfeit tyxab , zu melier cS burch ©uftaü Slbolf unb ftarl X. emporgehoben morben.

Obgleich cS im haften ÖJrabe unmahrfcheinlich erfchien , ba§ eine feinbliche ßugel ben $Önig gelobtet habe , unb baS allgemeine ©erücht bie beiben granzofen fo ungefcheut als feine 9ftörber bc* Zeichnete , baß ber Ucame ©iquier in „©icaire" oermanbelt mürbe, gefefmh nicht baS äftinbefte jur SHarftcUung ber näheren Umftänbc beS traurigen ©reigniffeS. 9J?an ließ es als ausgemacht gelten, baß ber ®önig öon einer auS ber geftung he™&ergefommenen bä= nifchen ®ugel getroffen morben. (Erft achtunb^manzig 3at)re fpäter, am 11. Quli 1746, mürbe bie Seiche ärztlich unterfucht, mobei fidr> herauSgeftcllt haben foß , bog ber $ob beS Königs nur burch eine Sßiftolenfugcl herbeigeführt morben fein fönne, bie ihn an ber rech*

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ßctrlS XII. KuSgcmg. - Gnbc bcS norbifcben Stiege«. 263

tcn ©d)läfe getroffen Ijabe unb an ber linfen «Seite be« ©djäbclS ttrieber Ijerauägebrungen fei. SBenn inbeffen ftarl, wie faum ju beameifeln, burd) SO^euc^etmorb gefallen, fo ift er ftcfjer nidjt ba3 Dpfer einer ^riüatradje geworben, fonbern bem $mffe be3 mit feiner unumfdjränften Regierung Iongft unjufriebenen 2lbel3 erlegen, unter meldjem ertoiefener 9Haßen eine Skrfdjmörung gegen fein Seben be= ftanben r)atte.

$er fdjmebifdfje Slbel berfäumte aud| nidjt, ben $ob beS ®ö= nigS in ber auSgiebtgften SSetfe au$aumtfcen. 2Rit Umgebung beä jungen ^erjogS ®arl Sriebridj üon $otftein*®ortorp, ber als ber ©ofm ber älteren, im 3a^re 1708 ju ©totfljolm öerftorbenen ©djmefter $arl3 bie nädrften föedjte auf ben erlebigten Xf)ron ju ^aben fdjien, obgleict) nad) ben oon ben oorljergefyenben Königen bejügltcr) ber (Erbfolge getroffenen 53efttmmungen S^eifel barüber obmalten fonnten, entfdjieb fidj ber SReidjaratf) für #arl$ jüngere ©djmefter lllrtfe Eleonore, bie ®emaf)lin SriebridjS oon Reffen, nadjbem biefelbe ju ©unften beS $Ibetd auf bie unumfa^ränfte $önig3* gemalt ücrjicrjtct unb bie SBiebereinfüfjrung ber alten ^egierungä- roeife jugefagt. SDttt .ßuftimmung ber 9tei($8ftänbe übertrug fie im 3a§re 1720 bie ^Regierung iljrem ©emaljle.

Sflit ber Xfyronbefteigung ber Königin Ulrife Eleonore mar aud) ba3 ©djtdfal beä 93aron3 ®ör$ befiegelt, ber als Sluälänber unb al£ ber oertrautefte 9tatf)geber ®arlä für ben fjerrfdjfüdjtigcn $lbel längft ein ÖJegenftanb be3 bitterften &affe$ geroorben. Mea Unheil, ba$ feit Qaljren burd) ®arl3 SBiflfür ober burd) ben $)rang ber Um- ftänbe über ©d)meben gefommen, mürbe ifjm $ur ßaft gelegt unb eine fReir)e oon Slnflagen gegen iljn erhoben, ju bereu SBtberlegung man ifjm meber einen SRedjtSbeiftanb nodj eine ftf)riftttdje S8ertr)ci* bigung bemittigte. Dbgleid) iljm fein ein$ige3 ©taatäoerbredjen nadj* gemiefen merben fonnte, mürbe er, mit ber gröblid)ften SBerlefcung oder 9led)t3formen, uad) einem einzigen $8erl)öre jum Xobe oerur= tfjeilt unb am 2. Stfärj 1719 Ijingeridjtei.

3)er norbifdje ®rieg mürbe jmifdjen ben Qafjren 1719 unb 1721 burd) eine SReilje oon grieben3fd)lüffen beenbet, bie ©djmeben burd) mefjr ober meniger große Dpfer erfaufen mußte, ©tatt ftd), bem Gebote ber Älugfyeit gemäß, juerft mit bem (£$arcn, alä bem mädjtigften unb gefäfjrlidjften ©egner, abjufinben, bradj ba3 fdjme^ bifdje $abinet, ben £a| gegen ÖJorj aud) auf beffen politifc^eS ©uftem übertragenb, bie Unter^anblungcn mit 9iußlanb ab, in ber Hoffnung, naa^ ber £erfteHung be§ SriebenS mit ben übrigen 2Räd)ten gegen ben ©jaren leid)tere3 ©piel 51t ^aben. Suerft erfolgte am 20. SRooember 1719 ber Slbfdjluß be^ griebend mit ©eorg I. oon ©nglanb unb £annoöer, ber Bremen unb Serben behielt unb bafür an ©a^meben eine Million X^aler jaulte; bann

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264

^cterä beS ©rofjen ^Reformen unb lefcte Sebenäjahre.

tourbe am 5. Qanuar 1720 ein 9(bfonimen mit $Tuguft II. getroffen, traft beffen Schieben ihn als $önig üon Sßolen anerfannte gegen bie oon ihm übernommene Verpflichtung, an (Stanislaus SeScinSfi, bem ber föniglidje Xitel oerbleiben fottte, eine Million Xtyaler ju jaulen. Sftit 5ricbricr) SBilfyelm I. oon ^ßreu&en einigte man fich unterm 1. gebruar 1770 bafjin, baf? bemfelben baS üon ihm befehle Stettin, fohrie Vorpommern bis an bie $cene nebft ben Qufcln Ufebom unb SßoHin gegen bie an Sdjroeben ju leiftenbe 3^^u^g öon jmei Millionen X^alent oerblieben. $)änemarf behielt in bem am 14. 3uni 1720 abgefdjloffenen ^rieben ben ©ottorp'fchen 2lntf)ctl öon Schleswig unb erhielt aufjerbem oon Schtoeben eine Summe oon fcchSmalhunberttaufenb %^aitxn, wogegen eS bie bemfelben ent» riffenen Eroberungen Verausgab unb auf bie bisher genoffene 3oH= freir)eit im Sunbe Verjidjt leiftete.

Xiefe oerfdu" ebenen griebenSf rfjlüffe brauten ben (Sjaren gegen bie ihm ohnehin toerha&te fchtoebifche Regierung fo fehr auf, bag er fid) ju rächen unb Schweben jum grieben $u jmingen befdjloß. Sftuffifche Gruppen rücften in Upfanb ein, plünberten unb Oer brann- ten bort zahlreiche Stäbte, Dörfer, abelige (Süter unb 2ttühlen, leg» ten ganje Strecfen fdjöner Salbungen in Slfdjc, jerftörten ©ifen* werfe unb Äupfergruben unb jdjleppten SDcenfchen unb Viel) mit ftd| fort. 3)iefe ^Barbareien ^Wangen enblich bie Schweben, fid) ben Sorberungen beS (Sparen ju fügen, unb fo fam am 10. September 1721 ber griebe oon Ucoftäbt ju Stanbe, in welchem Schweben an SRußlanb, gegen bie Zahlung oon jroei 2Jciflionen XfyaUvn unb bie SHüdgabe Oon ginulanb, bie s$roüinjen Qngermantanb, ©fthlanb, ittolanb unb ben größten Xf>eil oon Kardien abtrat. SRach bem §lbfa)Iu6 biefeS griebeuS, ber SchwebenS Üftacht für immer Oeraich5 tete, nahm ^ßeter am 22. Df tober 1721 ben $aifertitel au, unb ber Senat erfaunte ihm bie Ehrennamen „ber ©ro&e" unb „ber Vater beS VaterlanbeS" $u.

XIII.

"gtttts bc$ §ro£en Reformen unb fe|fe ^eflensjafke.

(1721-1725).

So fehr auc^ Meters beS ©roj$en Xt)äti9feit burdj feine ©r* oberungSpläne, bie nicht auf ben Erwerb ber fchtoebifchen Dftfee* prooinjen bejehränft blieben, fonbent auch bie Vereinigung SßolenS mit föufjlanb jum ©egenftanbe Rattert, in Slnfprud) genommen mar, üerlor er boch ju feiner 3eit bie Sorge für bie innere UmgeftaU

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$eter« beS ©ro&cn Reformen unb icfcte 2eknSjal)rc.

265

tung feine* Meiches aus ben klugen. 3)er #auötgegenftanb feiner Slufmerffamfeit blieb baS £eermefen, baS mehr unb mehr nach euroöäifchein dufter eingerichtet mürbe. Slufcer bem ftcr)enbcn $>eere, in melchem er bie ftrengfte SJcannSjucht aufrecht !jiett, fachte er auch eine 2lrt ßanbroehr ju btlben, unb ein im 3afn*e 1713 erlaffeneS ®efefc verpflichtete ben gefammten Slbel jutn ShriegSbienfte. gür bie £>ebung ber ©eemacht gefdjah fo tuet, bafj bei ^Seterö Xob bie ruffifdje glotte a^tunböierjig Sinienfchiffe unb acfjtfjuubert fleinere ihriegSfahrjeuge mit einer Bemannung tjon ac^tunb^manjigtaufenb ©eelcuten jählte.

Dteben bem $>eermefen lag bem (Sparen befonberS bie Hebung beS £>anbelS unb beS ©eroerbflctSeS am £erjen. Qux Erleichterung beS inneren SSerfehrS nnirben Sanbftraßen unb Kanäle angelegt unb burdj bie $8erbinbung ber inneren <Sdt)ifffa^rt mit bem 9)ceere neue £anbelSroege eröffnet. Qvix SBcreblung ber ©chafjucht mürben ©djäfer unb ©djafe aus $olen unb ©djlefien ocrfdirieben unb jur Anlegung oon Seinroanbmanufafturen, Scberfabrifen, Papiermühlen, (Glashütten u. bergl. 5ar)lreicr)e SluSlänber inS Sanb gebogen. ©ef)r nüfclich ermiefen fief) für bie Hebung ber ©croerbethätigfeit in SRufjlanb bie burd) baS gan^e SReidf) jerftreuten fdjroebifdjen Kriegsgefangenen Dom 3af)re 1709, benen nach bem Slbfdjluß beS griebenS üon 9cü= ftäbt üiele ihrer fiaubsleute freimillig nachfolgten. Eine ganj be= fonbere (Sorgfalt üermanbte $eter auch auf ben 93ergbau. Er lieg in Sibirien unb im Ural jal)lreicr)e Sßergmerfe anlegen unb errich- tete im Safjre 1718 eine eigene Söergfdmle.

Um bem $lbel jeben (Stnfluß auf bie Regierung ju entjiefjen, hob ^eter ben „93ojarenf)of auf unb errichtete im 3al)re 1711 als oberften Gerichtshof beS SRcicheS einen ©enat, beffen Sftttglieber üon ihm ernannt mürben. 28er bie ©ifcungen beSfelben oerfäumte ober au benfelben ju fpät fam, oerfiel in ©träfe. $em ©enate, in welchem ber E$ar gemöhnlich fclbft ben 33orfifc führte, ftanb, aufjer ber Entfdjeibung über Sragcn ber Gefe^gebung unb ber oberften 9(ufficf)t über ben iöoüjug ber Gcfeje, baS föcd)t ju, Stangftufen ju ertheilen unb in ben 9lbelftanb ju erheben. Sitte tum bemfelben auSgchenben Erlaffe Ufafe hancn GefefceSfraft, menn ber Ejor fie nicht auSbrücflich aufhob, gür bie einzelnen 3meige ber ©taatSüermaltung maren Kollegien, jelm an ber Qafyl, eingefefct, beren 9töthe unb 93eififcer Dom ©enate ernannt mürben, mäbienb bie Ernennung ber Präfibenten unb SBiceoräfibenten üon bem Ejarcn ausging. Eine europäifer) organifirte ^olijei machte, im Vereine mit ber geheimen ^nquifitionSfanjlei, über bie öffentliche ©icherheil unb über baS Xretben uujufriebener Muffen. 5)ie ©e- rect)rigfeit mürbe ftreng unb ohne Hnfehen ber Perfon gehanbhabt; bie r>öc^ftert ©taatsbeamten mufjten begangene Ungerechtigkeiten burch

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26G

^clcrö bcä ©rofecn «Reformen imb lefrte SebenSjafnc

Verbannung nach «Sibirien büßen. VefonberS fudjte Peter mit großem (Trufte ba3 Volf öor Vebrücfungen unb Wxülüx öon ©ei* ten ber Beamten unb ©bcHente ju fchüfcen ; e3 gelang üjm bieä je= bodj nur in fehr befchränftem Sflaße, ba ba& Uebel attju rief einge* murjelt mar.

$en alten Srbel teilte Peter in brci klaffen Surften, trafen, Varone , ben mit gemiffen Remtern unb SBürben öer* bunbenen fftangabel in öierjehn, öon benen acht mit bem erblichen, fedjS mit bem perfönlichen 9lbel, alle aber mit Priüilegien öerbun* ben maren, ben Vürgerftanb in fcchä klaffen mit entfprechenben Priöitegien. $ie ©ifchöfe mürben ben ^o^cn militärifd)en Sftang- flaffen jugetheilt.

Um fich ber fchiämatifch-griechifchen $ir<he gegenüber, meldje in föußlanb bie allein Ijerrf^enbe mar, eine unbefchränfte ÜKacht SU fidjern, lieg Peter nach bem Xobe beS Patriarchen Mbrian II. öon SHoäfau (1700) beffen Stelle unbefefct unb ernannte mährenb ätuanaig 3af)ren nur Vermefer be3 Patriarchats, bie über «Richte felbftftänbig beftimmen tonnten, fonbem über 2llle3 mit ben ©i* fdjöfen Dörfer beraten unb bann ben CSjaren um Genehmigung ihrer Verfügungen bitten mußten. 2(18 im 3a()re 1721 bie ©eift* lichfeit um bie (Stnfe&ung eines neuen Patriarchen bat, fdjlug fict> ber G^ar auf bie «ruft mit ben Korten: „£ier ift euer Pa= triarch!" Sin bie ©teile beS abgerafften Patriarchats trat, als höchfte firc^liape Vehörbe, bie am 25. gebruar 1721 errichtete „heilige, birigircnbe ©önobe", beren SJcitgUeber bem (Sjaren „als ihrem natürlichen unb mahrhaften Dberherrn" Xreue unb ®ehor* fam fdfjfoören unb babci befennen mußten, baß ber $aifer aller Reußen ber fjödrfte [Richter in geiftlichen Angelegenheiten fei. $5ie ©tmobc, beren bie föeinerhaltung ber ßehrc, beS ttuItuS unb ber XiScipltn umfaffenber ©efchäftSfreiS auf baS ©enauefte öorge$eich5 net mar unb bie ifjre 3nftruftionen öon bem Sjaren felbft empfing, erließ alsbalb aufPeters Vcranlaffung eine SReifje öon 93orfc^riftcri für ben SBcIt* unb DrbenSflcruS , meiere einen (Sinblicf in ben traurigen guftanb ber rnffifchen ftirche ju jener Seit eröffnen unb inSbefonbere ben ungeheueren Hbftanb jrotfehen bem öcrfommcncn ruffifchen unb bem in fyofytx Vlüthe ftehenben abenblänbifchen 2Jconcf)thum erfennen laffen. 8ln bie Aufhebung beS Patriarchats reihte fid) bie ©instehuug aller ©rjbisthümer, mit alleiniger 5luS~ nähme öon ®iem unb 9comgorob. Xic erlebigten ©tühle mürben mit ©ifchöfen befe&t; boct) behielt fich ber (£$ar öor, öerbienftöoHe SRänncr burch bie Verleihung beS Xitel« eines GrräbtfchofS ober Metropoliten auszeichnen, peter hatte fich jroar eine Zeitlang öon bem Siefen ber fatfjolifchen Kirche fo fehr angezogen gefühlt, baß er bem Zapfte ©lernen* XI. bie Verficherung fyattt geben

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s3?eter$ be§ QJrofjcn ^Reformen unb Ietyte 2cben8jaf)re.

267

laffen: er roerbe im ganzen Umfange feinet SRcidjeS bic freie unb öffentliche Ausübung be$ fatfjolifchcn #ultu3 geftatten; feine fat^o- lifenfreunbliche (Stimmung mar jeboch fpäter in baS ©egentr)eil um* gefchlagen, unb nach ber Aufhebung be$ Patriarchats trat er nicht nur entfehieben feinblich gegen bie fathotifche Kirche auf, fonbern fd)ien e8 fidj fogar jur befonberen Aufgabe gemacht ju fyabtn, bie päpfttiche SBürbe auf jebe SBeife ju öerhöhnen. $ie bamal« ge* grünbete 6t. Petersburger Scitung erhielt als möehentlidje ©eilagc öerfchiebene in« SRuffifche überfcfcte Vrochüren, in melden bie fatho- Hfdje SHrdje öerläumbet unb öcrfpottet mürbe.

5ür bie £>ebung ber VolfSbilbung forgte Peter burd) bie 3ln= (egung üon ©deuten, für roelche er Sefebücher unb ®ateduSmen aus* arbeiten ließ, ©oroohl bic ©bctleute mic bie Veamten maren ge* halten, ir)rc ©öfme t?om je^nten bis jum fünfzehnten 3ahre in biefe ©dmlen ju fehtefen. 3ür bie roeitere gottbilbung ber ©öfme beS SlbelS mürben befonbere SriegSfchulen errichtet. «8"* allgemeineren Verbreitung ber Vtlbung ließ Peter $rucfereien anlegen unb frembe ©chriftmerfe in« Sluffifche überfein, gu meinem Qmdt er latent- üofle junge Muffen ins SluSlanb fanbte. 5ür höh*** Vilbung, für fünfte unb SBiffenfchaften fehlte bem ftaifer ebenfomohl ber ©tnn als baS Verftänbniß, mic überhaupt nur baS für ihn SBertt) hatte, ttjaä für baS praftifche Seben ©eminn bringen fonnte. @i* legte jmar ein anatomifchcS Üftufeum, SRaturalienfammlungen, Vibliothe* fen unb ©emälbefammlungen an, für roelaV lefctere er befonberS ©eeftücfe unb ÖJemälbe hoUänbifdt)er ®üuftler anfaufte, unb errid)5 tete fogar im 3af)re 1725 nach einem Don ßeibnifc entmorfenen Plane eine $lfabcmie ber SBiffenfdjaften ; aber bieS $WeS gefdjal) meift nur beS äußeren PrunfeS megen.

Sludj baS gefcHfdwftliche ßeben ber Muffen fudjte Peter ju reformiren. Um fie an bie £öflichfeitSformen unb bie gefelligen Vergnügungen beS eimlifirten (furopa'S ju gemöfmen, ^ielt er bic 2Bol)lf)abenberen baju an, ju gemiffen Reiten $lbenbgefcüfcf)aften ju geben, mobei fie gelabene mie ungelabenc ®äfte freunblich empfangen unb menigftenS mit Xfjee bemirtl)en mußten. 55er (£jar felbft cr= fcfjien btemetlen gau$ unermartet in biefen ©efeflfehaften. Sluch gab er mitunter einen #ofbafl, ber buref) Xrommelfchtag in ben ©traßen angefünbigt mürbe, unb mufterte, am ©ingang beS PalafteS ftefcenb, bie SInfommenben. £erren unb tarnen jogen aus Urnen bie 9tum* mer, melche ihnen angab, mit mem fie fich mährenb beS ©alle« ju unterhalten hätten. $ic ÖJroßfürftinnen reiften ©rfrifchungen : %tyt, 3Jceth, Vier unb Vranntmein.

$amit bie Muffen auch in ber äußeren ©rfcheinung ben übrigen Europäern ähnlich mürben, öerbot Peter bei fernerer ©träfe baS fragen langer Värte unb SRöcfe. S)ie lederen burften nur fo lang

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268 $cter« be8 ©roßen Reformen unb lefcte SebcnS jähre.

fein, baß fie beim ßnicen eben ben 93oben berührten. 5tn fämmt= ticken Stabtthoren oon SJcoSfau maren beutfdjc unb ^ofldnbtfc^c Nöde ausgehängt, bie in biefer SBejieljimg sunt 9ttufter bienen fott* ten , unb mer fich mit -einem längeren Nocfc geigte , bem mürbe er ohne SBeitereS auf ber Straße unten abgcfcr)nittcn. $icfe Neuerung bedeute inbeffen baS Narionalgefühl ber Muffen fo fer)r , baß fie überall auf offenen SBiberftanb ftteß. 9llS ber Statthalter bon Wftratfjan biefelbe mit ©emalt burchführen mottte, fam eS ju einem förmlichen Slufftanbe , bei meinem er felbft mit einer großen Qaf)l bort anfäffiger gremben erfragen würbe. SlngefichtS biefcS ent* fcr)iebcncn ©iberftanbes 50g es *ßeter oor, baS erlaffcne Verbot mieber anzuheben , belegte aber bafür baS Xragen langer ©arte unb Nöcfe mit einer fjoljen Steuer, welche bie Reiften willig $ahl* ten, um nur bie £rad)t iljrer SSätcr beibehalten ju fönnen.

23?ie folgenreich aber auch Meters Neuerungen für Nußlanb geworben finb unb in hüe Oorttjeiltjafter 2Seife inSbefonbere bie Um* geftattung feine« deiche« in eine Militärmacht bie ganje Stellung beSfelben ju bem übrigen Ghiropa öeränbcrt r)at , fo war boch ber Ghrfolg feiner cioilifatorifchen SBirffamfeit faum mein; als ein äußerer, weil er ben SRuffcn eine fertige, ihrem SBefen frembartige SBilbnng mit gewaltfamer Untcrbrücfung ihrer nationalen ©igen* thümlichfeiten burd) 3wang 1 Xrucf unb Mißhanblung aufbrang, ftntt fie burch wahre innere ©tlbung unb burch ©rweefung ihres ©hrgefüfjlS für feine Neuerungen ju gewinnen. (Sben baburet) er* hielt auch feine ganje Schöpfung baS Gepräge eines inneren SBiber* fprudjS , ber bis auf ben heutigen Xag in ben .Huftänbcn beS ruffifchen NeidjeS unb SBolfeS fortlebt.

$eter felbft mar in feiner ßcbenSWeife wie in feiner Äletbung höchft einfach, unb fein ganzer .£>ofhalt foftete jährlich faum fcchjig* taufenb Silberrubcl. (£r befaß fein Silbergefdjirr ; Keffer unb ©abeln hatten hölzerne Stiele. 3m (Sffcn war er mäßig, bagegen aber bem Xrunfe, bem Nationallafter ber Muffen, bem SBeiber unb Männer in gleichem Maße fröhnten, in ber auSfchweifenbften SBcife ergeben. Sein ßiebltngSgetränf mar ber ^Branntwein , ben er fich mit großer Sorgfalt felbft bereitete. Huer) über bie Notzeit feines SBolfeS öermodjte fich $cter nicht 511 erheben. Sßie er nicht feiten feine ÜHtnifter unb ©ünftlinge, felbft ben gürften Mencjifow, burch» prügelte unb fogar feine (Gemahlin Katharina mitunter thätlid} mißhanbelte , fo fdjeute er fich etuet) nicht , in anberer SSeife Sitte unb Slnftanb in ber gröbften Seife $u »erleben. So riß er ein* mal in Xanjig währenb ber ^Srebigt bem neben ihm fifcenben Bürger meifter bie $erücfc öom $opfe unb fcfcte fie fich felbft auf, meil ihm ber ®opf falt geworben, ©in anbermal ftopfte er bem ©encral QJolowfin , ber feinen Salat effen fonntc , bei einem öon

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«ßeterS beä ©ro&en Reformen «nb le&te SebenSjafjre. 269

bem öftcrrctc^ifcfjcn QJcfanbten gegebenen geftmahl mit ÖJeroalt Salat in ben 9Hunb unb go& ihm ben @ffig in äftunb unb sJcafe, 6i« ber Ijeftigfte Ruften unb SRafenbluten eintrat, ©inem oornehmen Beamten, bem ber Ungarroein jurotber mar, jroang er, fo lange baoon ju trinfen, bi« er betüußtlo^ ju Boben fanf; bann ließ er ihn üon leinen Bebienten au*$ie$en unb in ben tiefften Schnee roeryen.

3n ungleich fyötyxm ®rabe noch unb in ir»afjrf)aft efelerregen* ber SBeife trat $eter« Slo^eit in ben feftlichen Slufougen ju Xage, bie er nach ber Aufhebung be« Matriarchat« jur Berbücjnung ber ^apftroal)! abgalten lieg. Söci benfelbcn fpielte fein Hofnarr So* toro, auf einem gaffe reitenb unb gefolgt öon zahlreichen Be* trunfenen, bie at« $omimfaner, granjiöfaner unb berglcitfjen öer- mummt waren, ben neu gemalten s}$apft, roährenb ben berüd)tig* ften Branntroeintrinfern bie Sollen öon $arbinälen jugemiefen waren. $a« öJanje enbete mit einem jfcrinfgelage, ba« fid) fchliefj* lieh unter ber Beteiligung be« al« ÜDcatrofen öcrfleibeten (Sjaren $ur roibrigften Orgie fteigerte. s2lud) bei ber SBaffcrroeihe im Januar unb in ber fogeuannten „Butterrooche" öor ben großen gaften fanben gefte Statt, bie ein Slugenjeuge als roaf)re Bacdja* nalien ber fcfjlimmften 2lrt bejeichnet.

$aum minber ftreng nal)m ber (£§ar mit ber Beobachtung be« Slnftanbe« unb ber guten Sitte* bei ben geftlichfeiten, $u benen bie fremben ©efanbten gelaben mürben. 2113 er im Quni 1715 fein neu erbaute« £uftfd)lo& ^ßetcrr)of etnroeil)te , famen bie Bot* fdwfter jmei Sage lang au« bem SKaufdje nidjt fjerau« ; baaroifchen mußten fie in GJemeinjchaft mit itjm einen etroa ^unbert Stritt langen Baumgang ausbauen, bann auf elenben Bauernpferben ofme Sattel unb 3«9^ «inen fteilen Berg Ijinanreiten unb enbltd) ben e^aren im furdjtbarften Sturm unb <ßla&regen 511 SBaffer nach tronftabt begleiten, fo ba& bie gefttichfeit für Sitte mit einem heftigen gieber enbigte. Mitunter trat bei folgen Gelegenheiten auch oie rohe ©cfü^l^roeife bc« Goaren in ber empörcnbftcn SBeife äu Sage. Bei bem erften ©aftmafjle, ju meinem er ben ©e* janbten griebrich« I. öon ^reufjen einlub , lieg er , rote griebrid) ber ®ro§e in feinen SBerfen erzählt, ju feinem Bergungen äroanjig gefangene Streiken t;er&cifcr)leppen unb l)\tb bei jebem ©lafe Branntroein, ba« er teerte, einem berfelben ben ®opf herunter; ja er lub fogar ben ©efanbten ein, an biefem Bergnägen Zf)t\i 5U nehmen , uub mar fet)r ungehalten , als berfclbe bie« mit ber ©rflärung ablehnte, ba§ bergleichen in feinem £anbe nicht Sitte fei. $iefelbe SKoljheit, bi« $ur entfc&lichften Stttenlofigfeit ge* fteigert, geigte $eter in feinem Umgang mit bem rocibltchen ÖJe*

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"270 $eter8 bcS ©rofeen ^Reformen uni> lefcte SebenSjafjre.

fdjledjt; bod) gab aud) feine ©emaljlm .Katharina if>m in ©e$ug auf bie SSerlefcung ber eljelidjen Xreue 9cid)t3 nadj.

9^oa) toäljreub be$ norbifdjen Krieges unternahm $eter eine ^roeite große SReife burd) einen ifjeil oon (Suropa, auf toeldjer ifjn feine ©emaljlin ftatljarina begleitete. 3" Anfang beä 3°^rc* 1716 begab er fidj über Dan^ig nadj Stettin ju einer Söefpredjung mit bem ^önig oon Greußen unb oon bort nati) Jpamburg, mo er eine Sufammenfunft mit griebridj IV. oon Dänemarf Imtte. SSon fjier reifte er weiter nad) ^Ormont, oon mo er jum 58efudje feiner mit bem £erjog oon Üftedlenburg oermäfylten sJtid)te $atljarina , ber Xodjter SroanS, nad) Sdnoerin jurütffefjrte. Da er in Hamburg bem Äönig Oon Dänemarf feine Unterftüfcuug ju einer ßanoung in Sdjoonen jugefagt, r)attc er in$roifd)en eine bebeutenbe Druppcn* madjt oon SRoftocf au* nadj Seelanb überfein lafjen , unb am 17. Quli begab er fid) felbft mit feiner GJcmaiJlin nad) Kopenhagen, mo er mit großen fö^renbejeigungen empfangen mürbe. Die Öanbung in Sdjoonen unterblieb jebod) in golge eine* jroifd)en il)m unb Sriebridj IV. eingetretenen 9Ktßüerf)ältmffe3.

Wati) feiner 9iüdfef)r oon Kopenhagen fefete $eter feine 9teife nad) JpoHanb fort unb fam am 16. Dezember in Slmfterbam anf mo Wlle3 aufgeboten ttmrbe, ü)n angenehm ju unterhalten. SBalb naefi feiner ^nfunft befudjte er aud) Saarbam mieber , um feiner Gemahlin baS £>auS ju geigen , in meinem er als Sd)iff3$immer* mann gewohnt. (Srft im $lpril*1717 oerlieg er ftoflanb, um fid), ttäfjrcnb feine ©ema^Iin in Wmfterbam jurüdblicb , über &nt* merpen, Trüffel, GJent, ©rügge unb Dünfird)en nad) s$ariS 511 be= geben. Sein Jpauptjmed mar , ben ^er^og oon Orleans , ber ba= mala für ßubmig XV. bie 9iegentfcf)aft führte , ju einem «ünbnijj gegen (Snglanb 31t beroegen. Dies gelang ihm jmar nid)t; bod) lieg man es an 3uoorfommeuf)eiten unb tfufmerffamfeiten nid)t fehlen. söon ber Wabemie mürbe ihm eine öobrebe gehalten, unb in ber 2flünse , mo er baS ©elbprägen mit ansehen gemünfa^t, fdjlug man ihm $u @^ren in feiner ©egemuart eine Denfmünje mit feinem mofjlgetroffenen SBilbnijj. 5lttc SehenSmürbigfeiten nahm er mit bem lebhafteren Sntereffe in Slugenfchein. iöei bem 2lnblirf *eä marmorenen DenfmalS Dtidjelieu'ä rief er auS : „©rojjer Üttann, bie plfte metner Staaten mürbe id) begeben, fimuteft bu mid) bie anbere regieren lehren!" Den fiebenja^rigen Submig XV. na^m fr auf ben Htm unb füßte ifjn mit ben Söorten: „3a^ münfcfje, baß ©uere sJDiajeftät moljl aufmadjfen unb löblia^ regiereu mögen; oielleidjt merben mir einauber mit ber 3eit brausen fönnen." sJlud) bie grau oon Üftaintenon befugte er unb brang , um fie 511 fcl)cn , faft mit ÖJemalt in i^r 3"nmcr , mie er es überhaupt audj i)ier mit ber ^öeobaa^tuug beS ^InftanbeS unb ber feinen Sitte fo

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Meters be« ©ro&en Reformen unb lefrte SebenSjaljre.

271

tt>enig genau nat)m, ba§ er fict), abgefeiert bon mancfjem anberen Anftö&igen in feinem $Benel)men, bei einer (Sinlabung in gontaU nebleau bi« jur öoüftänbigen 8eWu&tlofigfeit betranf.

Wad) einem zweimonatlichen Aufenthalte in ^ßarU fet)rte ber <5$ar p feiner ®emat)lin nact) Amfterbam jurücf , oon wo SBcibc Zu Anfang ©eptember über Berlin unb S)anjig nact) Wujjlaub $u* rürfreiften.

©ei feiner £eimfet)r t)arrte feiner bie fei)were unb bebenftidje Aufgabe, über feinen eigenen <Sot)n Alejei, ba« einzige ®inb au* feiner (Sl)e mit (Suboijia öapudjin, ju ©erict)t ju ftfcen. s}kter t)atte bie Abneigung , bie er gegen Alefei'« Butter empfanb , auä) auf biefen übertragen ; bat)er toar fdjon früt)e zwifct)en iöater unb Sofm ein 9Wf}üert)ältmjj entftanben , ba« öon ber altruffifd)en Partei bazu benufct worben , ben geifttg wenig begabten Qüngling , für beffen @rjiet)ung $eter taum irgenb meldje ©orge getragen , mit SRigtrauen gegen feinen S3ater 311 erfüllen unb it)m einen entfdjie* benen SBibermiflen gegen beffen Neuerungen einzuflö&en. ^ßetcr, ber buret) bie offen jur ©dwu getragenen ©efinuungen feine« ©ot)ne« feine ganze ©djöpfung gefät)rbet fat), glaubte it)n burd) bie S3ermät)lung mit einer beutfa^en 3ürftentocr)ter für europäifci)e Anfdmuungen gewinnen ju fönnen , unb feine 953at)l fiel auf bie ©djmefter ber @Jemat)lin $atfer ®arl« VI., bie ^rinjeffin Gt)ar* lottc (£t)riftine oon $raunfdjmetg*2Bolfenbüttel , mit melier Alejei im 3at)re 1711 bei einer Weife be« ^aren nact) <Saa)fen ju $or= gau getraut mürbe. Allein bie Hoffnungen , bie ^ßeter auf biefe SBermäfilung gefefct, fdjlugen fet)l. Ale? ei , ber fxd) fd)on früfje bem Xrunfe ergeben , überlieft fict) ben größten Au«fct)meifungeH unb mi6r)anbelte feine eble unb lieben«mürbige ÖJematjltn in fo rot)er SSeife, baß ber ©ram barüber fdjon im 3at)re 1715, fur$ nact) ber (Geburt it)re« zweiten ®iube«, be« nadjmaligen s$eter IL, tt)ren Xob t)erbeifüt)rte.

$er auf« ^>öc^fte erzürnte Sjar ermahnte feinen 6ot)n, ber fict) franf [teilte, um feinem Sßater au«zumeia)en , in einem Sct)rei= ben, feinen ßcben«wanbel zu änbern unb fia) ber Xt)ronfolge wür= big ju jeigen, iubem er il)n fonft oon berfelben au«fct)lie&en werbe. SRtt erc)euct)elter 5>emittt) antwortete it)m A(e;ei, er füt)le feine Unfäi)igfeit jur Regierung unb wünfci)e in ein fölofter einzutreten. AI« l)ierauf ber ßjar , ber eben im begriffe ftanb , feine zweite Weife anzutreten, it)m noa) einmal perfoulict) bie Öefferung feine« £eben«manbel« an« |)erj legen unb zugleidj öon it)m Abfa^ieb nehmen wollte, fci)ü|jte er abermal«, um it)n nia^t fet)en ju muffen, eine $ranft)eit öor, wohnte aber glekt) nact) be« ilaifer« Abreife einem wüften Xrinfgelage bei. 2öal)renb sßeter« Abwefenl)ett ent* flot) er nact) SBien 511 feinem ©a)wager ®arl VI. unb üon bort

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272

^etcrä bcä ©rofjen Reformen unb lefcte ScbcnSja^re.

nach Neapel, in her 2(6fidjt, im 2(u$lanbe ben Xob feinet &ater$ abzuwarten , nach welchem er mit §ilfe feiner Anhänger ofme Schmierigfeiten ben Thron befteigen 311 tonnen fjoffte. 2(13 $eter üon feiner Slucf)t $unbe erhielt, fd)icfte er ÖeöoHmädfjrigte an Um ab, bie it)n unter ber 3"fage ber Sßerjeifmng beä (Sparen jur SRücffehr aufforbern füllten. Sllejei leiftete Solge unb liefe fidj, nachbem er im gebruar 1717 mieber in 9J?o*fau eingetroffen , $ur feierlichen $erätd)tleiftung auf bie 2^ronfoIge bewegen, worauf fein im oor= hergehenben Qafjre geborener Sticfbruber s,ßeter, Katharinens ältefter Solm, jum Thronfolger ernannt mürbe.

Qnbeffen ergaben fich balb gewichtige ÖJrünbe für bie 2In* nähme, baß e3 Mlejei Weber mit feiner Thronentfagung aufrichtig gemeint, noch bei ben ©cftänbniffen , bie fein SBater als unerläj^ liehe Öebingung feiner Skr^eihung üon ihm öerlangt hatte , aUe ÜRitwiffer unb öegünftiger feiner glucht unb fonftigen Xh^nehmer feiner gegen ^eterä Neuerungen gerichteten kleine genannt höbe, unb ba zugleich ©eweife einer meit bezeigten SBerfchwörung oor= lagen , an melier auch bie gefchiebene $aiferin ©ubor. ia , 8Uc{ ei'3 Butter, beteiligt mar, überwog bei bem Sparen bie Sorge um feine Schöpfung alle übrigen 9tücf fiepten : er übermied feinen Sof»t einem auä hwnoertoierunbjman^ig getftlichen unb weltlichen 2Bür* benträgern aufammengefefcten Berichte, mit bem auSbrücf liehen 53e= fehl, über benfelben ohne jebmebc 9tU ficht auf feine *ßerfon baS Urtl)eil au fpredjcn, ba3 feine Vergehen öerbienten. $er Sprua) ber dichter lautete auf ben Tob. ^11^ berfelbe bem (SJrofjfürftcn oerfünbet mürbe, öerfiel er auä Schrecfen in Krämpfe, unb balb erfchicu fein guftanb ^offnung^tod. Site ber h«^«8«ufene (£$ar mit ben S8omef)mften feine* $>ofe3 ju ihm fam , befannte er ihm unter r)eigen Xhränen feine ganje Sdjulb unb bat ihn flehentlich, ben gluch aurücf^nnehmen, ben er über ihn ausgesprochen, unb ihm feinen Segen $u erteilen. Tief ergriffen willfahrte sJ$eter feinem ÜBunfche unb nahm bann Slbfdneb oon ihm (18. 3uli 1718). GJegen Slbenb lieg ihn s2Ilejei nochmals 511 fich bitten, boch fanb ihn sßeter nicht mehr am £eben.

Gegenüber biefer auf ben officieUen Berichten beruhenben T)ar- fteöung beS «erlaufe« ber Sache haben Biele ben natürlichen Tob s2llerä'S in Slbrebe geftellt unb behauptet, er fei im ©efängniffe getöbtet morben , unb jmar nach ben Einen burch Enthauptung, nach oen Mnbern burch <W; biefc Behauptungen, für melche aller* bingä gewichtige ©rünbe $u fpredjen fcheinen, ftnb jebod) niemals ermiefen morben. Bon Mtejei'S aflitfdwlbigen mürben oiele, jum Tljeil unter graufamen Üflartern, Eingerichtet.

3m Sahre 1722 unternahm ^eter $ur Sicherftellung beä ruffifchen §anbel3 auf bem faSpifchen äReere einen 3ug gegen

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<ßcter§ beS ©rofjen Reformen unb lefrte £ebcn§jaf)re. 273

Werften, ber im (September 1723 burd) einen ©ertrag beenbet mürbe, burd) meldten Nußlanb, außer ben Stäbten Verbeut unb 33afu , bie brei perfiden ^rooinjen 9ftafanberan , 2lfterabab unb ba3 feibenreidje ®hilan erhielt. $iefe brei ^roöinjen mußten je* botf) fdjon unter <ßeter II. mieber an <ßcrfien jurüefgegeben merben.

$etet3 le&tc ßebcnäjahrc mürben theils burd) fdpere forper* Kche fieiben , bie folgen feiner Huäfdjmeifungen , tfjeilä burd) bie Sorge um ben gortbeftanb feiner Schöpfung getrübt. 5)aju fam ber ©c^mers über ben Xob ber beiben Söhne, bie fatfjarina if)m geboren. Schon im 3af)re 1719 ftarb ber oon ihm jum Xtjxon* folger eingefe&te vierjährige *ßeter unb brei 3af>re fpäter auch beffen jüngerer ©ruber ^aul. ©on feinen Sinbern blieben bem Sparen jefct nur nod) bie beiben Töchter s#nna unb Süfabett) , öon benen bie ©rftere im 3aljre 1725 mit bem #erjog $arl griebrtdj öon |>olftein=®ottorp , bem Steffen ®arlä XII. oon Schmeben , öcr= mahlt mürbe. Nach bem beftehenben (£rbredjt mürbe bie Xf>ron= folge *ßcter$ gleichnamigem (Snfel, bem Sohne Sllejei'S, jugefatten fein; ba berfclbe jeboch oon fielen alä ber fünftige Vertreter alt* ruffifcher Anflehten betrachtet mürbe , erließ ber (Sjar im gebruar 1722 eine neue (£rbfolgeorbnung , nach mclcher ihm felbft , fomie nach bem jebeSmaltgen SBeherrfcher Nußlanbä baä 9iec^t %u* fte^en foHte , ofme Nütfficht auf ben ®rab ber SBermanbtfchaft ben Söürbigften jum Nachfolger $u ernennen. 3(m 18. 9)?ai 1774 fefcte er felbft feiner Gemahlin Katharina bie Mjerfrone auf unb fchien baburch ausbeuten , baß er fie 31t feiner Nachfolgerin be= ftimmt fyabt ; boct) brach balb barauf jmifchen ben beiben Gegarten ein Üftißoerhältniß aus, baä ben $aifer befrimmte, ihre (Ernennung 3u oerjögem.

Qnbeffen oerfiel Cetera ©efunbljeit mehr unb mehr , unb mit feinem junehmenben fieiben mud# fein Srübfinn. „(5:3 ift er* ftaunenb", ^eigt e3 in einem *8erid)t bcS fächfifchen ÖJefanbten £e* fort, „mie jener (ber (^ar) oeränbert ift, ma3 er auch tyne, um e3 ■ju oerbergen. %ix Schmerj ift fo auf feinem ©efichte auSgebrürft, baß ein 3cber ihn beflagt." @ine heftige ©rföltung, bie er fich burch einen Sprung ins 2Baffer juge^ogen , inbem er ein geftran= beteS Schiff retten Reifen moüte, befchleunigtc fein Crnbe. (Sr ftarb am 8. gebruar 1725 unter furchtbaren Schmerjen, nach einem fechsefmftünbtgen XobeSfampfe , ohne über bie $hrt™folge irgenb meldte ©eftimmung getroffen ju höoen.

fcolatoartlj, SeltQefdjttfjt*. VI. 18

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274 SRujjlcmb unter ben oiec erften Nachfolgern Meters beS ©roßen.

XIV.

3tn|£fanb unter ben viex etßeu ?Ia 4 f of gern 3Me*s bes 6 r o fteu.

(1725-1762.)

Katharina L (1725-1727), $cter U. (1727-1730) im* Buna

(1730-1740).

Sla^ bcm Xobe $eterS gebaute bic altruffifdje Partei bcn ©ot)n Sttejei'S auf bcn %f)xon 5U ergeben unb bic SBormunbfchaft ber Äaiferin unb bcm ©enate ju übertrogen; oUcin 2tencjifon>, ber Katharina bic unumfdjränfte #errfchaft 511 ocrfcf)affen ttmnfchte, fam ihr juöor. Sftachbem er bic Seibgarbe auf bic Seite ber $ai= ferin gebogen r)attc unb mit bcn oornehmften Offizieren zugleich eine große 3ahl anberer einflußreicher Scanner burdj $atharina'S SBer* fidjerung, baß fie ben Ztyxon bem ®roßfürften <ßeter erhalten merbe, für ihre ©r^ebung gcroonnen morben maren, liefe er fic als Äatha* rtna L sur „©elbftherrfcherin aller Steußen" aufrufen, ot)nc baß bic überrafdjten ©roßen oon ber altruffifchen Partei bagegen (£in= fpruch §u ergeben tuagten. Qnbeffen ließ bic ßaiferin, theilS frei* ttuüig, tt)eilS geamungen, alle StegierungSgeroalt in ben £>änben 2tencjifon>S, mährenb fie felbft fict> ihrer Neigung jum Xrunfe in fo aügeflofer SSeije Inngab, baß ihre ©efunbheit öoUftanbig unter* graben mürbe unb fic mit rafdjen ©abritten ihrem @nbc entgegen ging. 3ie ftarb am 17. SJcai 1727 nach faum ameijähriger Regierung.

Um fia? and) nach bem Xobe ftathartna'S bic gortbauer fei* ncr ^errferjaft $u fiebern, ^atte SKencjifom bic faiferin bewogen, in baS Xeftament , burch roclcheS fie bcn ®roßfürften <ßeter $u ihrem Nachfolger ernannte, bie SBeftimmung aufjune^men , baß ber* felbc mit atencjifoms ältefter Xochter ÜJiaria oermätjlt roerben fotte. 2luf biefeS Xeftament geftü&t , ließ 2tencaiioro gleich nach bcm Ableben ber ftaiferin bic Verlobung beS jungen (^aren mit feiner Xodjter oodjiet)en unb leitete augleich , um bic Skrbinbung feiner Samilie mit bem $aiferhaufe unauflöslich ju machen , bie Verlobung feine« SolmeS mit Meters II. ©chroefter Natalie ein. $er- ^erjog oon £>olftein*©ottorp, ber unter ber Regierung feine« Steffen eine einflußreiche 9toüe fmelen ju rönnen gehofft hatte, obgleich i^m ju berfelbcn jebe Befähigung fehlte, fat) fich fo fehr bei ©eite gefegt, baß er fdjon im Qahre 1727 mit feiner Gemahlin oon Petersburg abreifte.

Qnbeffcn ertrug ber junge (£jar ben Despotismus, ben Stencji* foto auch gegen ihn ausübte, nur mit Söiberftreben , unb bic $at)l5 reichen geinbc beS aügetoaltigen ÜttinifterS crmangelten nicht, feinen Unmiüen über bcnfelbctt auf jebe SBeife ju fchüren. 3n*befonbere

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Äatyarina I., $eter IL unb %xma.

275

geigte fid) bie angefef)ene gamilie $olgorucfi eifrig bemüht, ben ©turj 9^cnqifotü^ ^erbetjufü^ren, unb biefer beföleunigte felbft bie ®ataftropf)e burdj feine $reiftigleit. Slld ber Äoifer ein ®efd)enf üon neuntaufenb Rubeln , ba3 if)m öon Slbgeorbneten einer ßanb* fdmft überreizt morben, feiner ©dmjefter überfdjitfte, naljm SJcencji* fort ba3 (Mb bem Voten ab unb behielt für fidj. $cr aufä Sleufjerfte erzürnte Äaifer lieg if)n t>erf)aften unb einen ^rojeS gegen ifm einleiten, in golge beffen er toegen saf)lreid)er Veruntreuungen unb onberer ifjm jur Saft gelegten Vergeben feine* ganjen Ver* mögend oerluftig erflärt unb mit feiner gamilie nad) bem fibirifdp ©täbtdjen Verejoro öerbannt mürbe. 3m ©eptember 1727 reifte er mit feiner ®emaf)lin, feinem ©of)ne unb feinen beiben Södjtero borten ab. ©einen jetyen ©turj öon fdjttrinbelnber $öl)e in bie Xiefe be3 (Slenbeä ertrug er mit ©lanbljaftigfeit unb SBürbe unb fanb feinen Xroft in bem Vau einer flehten fernen ®irrf)e, ju meinem er firf) bie Littel ton bem Saggelb üon jelm föubeln er* fparte, ba3 ifjm ju feinem unb feiner gamilie Unterhalt angemiefen morben. 2llä jebodj ber ÖJram juerft feine ®cmaf)lin, bann aud) feine ältere, einft jur ®aiferin beftimmte Xodjter töbtete, uerfanf er in tiefe ©djtuermutf) , fprad) fein SBort mein: unb nafym nidjtä Slnbered ju fid), al$ Söaffer unb Vrob, bi£ er am 2. 9couember 1729 feinem Kummer erlag, ©einem ©of)ne unb feiner jüngeren <£ocr)ter mürbe fpäter bie Sftücffeljr nadj SRuftfanb geftattet, mo man ifmen einen Keinen %fyt\l ifjrcd öäterlidjen Vermögend flurüefgab.

Sßadj bem ©tur^e SRencjifomd führten bie Xolgorutfi ben jungen (£jaren nad) 9fto3fau unb trafen Slnftalten jur Vejeitigung ber Reformen ^ßeterd bed ©rofjen unb jur ^erfteöung ber altruf* fifdjen Verfaffung. Vor Slüem aber waren fie beftrebt, beu stuölf* jährigen ®aifer ganj ton ber Regierung fern ju galten, um felbft bie Stolle SKenc^tforna fortjufpielen , unb bicä gelang ifynen aud) öoflftänbig. $er letbenfdjaftlidje junge .^errfcfjer gab fid) ber lau- nenlmfteften SBißfür t)tn unb überließ fid) suglcid) , in ÖefcHjdjaft feines ßieblingd Qroan 5)olgorucfi, bem auäfdjmeifenbftcu ^eben. Um fict) im Vcfijje il)rc$ ©influffed ju fid)ern, bemogen bie $olgo= ruefi $eter II. , ficr) mit Qtuanä ©djroefter ^at^arina $u oerloben, unb fcfmn mar ber Xag ber Vermahlung feftgefeftt , al£ ber ßjar üon ben Vlattern befallen mürbe, bie ilm am 30. Qanuar 1730 im Hilter öon fünfje^n Qa^ren ^inmegrafften. Wit ifym crlofa) ber 3J?anndftamm bed £>aufeä Romanow.

Obgleia^ bie Äaiferin ®atfwrina in i^rem Jeftamentc bie 23e* ftimmung getroffen, ba§ im Salle beä finberlofen s2lbfterbend ^ße^ ter§ II. bie ©rbfolge an iljre Xörfjter unb bereu Ücac^fommen über* gefjen foüc, bemogen bie 5)olgorucfi, im Vereine mit ben übrigen SHttgliebcrn bed ©taatdrat^d , ben ©cnat unb bie ©rofeeu , bie

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276 föufclanb unter ben üicr erften ftadjfofgcrn ^eter3 be§ ©rofeen.

jüngere Xocfjtcr beä blöbfinnigen 3roan, bie fiebenunbbrcifjigjäfjrtge üerttuttwete £>erjogin 51 n n a öon Kurlanb , jur Sljronerbin $u er= Hären, tneit fie fjofften, ba§ biefe Sürftin, bie öon allen GHiebern ber 9?omanonyfdjen gamilic alä bie Söenigftberedjtigtc erfducn, au£ £anfbarfeit für ben ifjr gegebenen Vorzug fid) baju bcrftefjen Werbe , in bie üon iljnen für notfjmenbig erhärten ©efdjränfungen ber faifcrlidjen Ütfacfjt 511 willigen. Qn ber Xf)at unterzeichnete Slnna olme öebenfeu bie Kapitulation, bie U)r burd) brei tfbgeorb* uete beä <3taat3ratf)3 , be3 Senate unb be$ 2lbcl3 überfanbt wor* ben, vorauf fie am 15. gebruar 1730 in 3Jco3fau atö Kaifcrin ge* frönt würbe.

Snbeffen harrte $erer, bie im Sntereffe ifjrcr eigenen 9tfacf)t= ftellung bie 2Baf)l Sfmta'S betrieben Ratten, eine bittere (Snttau= fdjuug. $ie lange Sauer ber 5iaetnrjcrr)cr)aft unb bie fraftooüe 21rt, in weldjer biefeibc gefjanbhabt worben war, hatte bie Nation bergeftalt an biefe Staatäform gewöhnt, ba& ber bloße 9tame be$ ©ebicter* ba* G5cfüf)l unb ben Xricb blinber Unterwerfung ermetfte. Unter biefen SScrhältniffcn fonnte ber neuen Katfcrin, ber mehrere ent= fdjloffenen sJtatf)gcber 5ur Seite ftauben, nid)t ferner faflen, {ich eine Partei 51t btlbcn, bie bereit War, fie in ber Behauptung ber unbe* fdjränftcn £err (Obergewalt §u unter ftüfcen. Sdjon am 25. gebruar erfchtenen über fed)tfhunbcrt ©bellcute mit einer tHnjal)! öon Söiidjö* fen, (Generalen unb Senatoren im Kreml , um ber Kaiferin eine Jüittfcbrift 311 überreifen , in weldjer fie erfucfjt würbe , „bie feit unbenfltdjen Briten beftchenbe unb bem ruffijdjen 9ietchc allein an- gemeffene imbefdjräntte Regierung fjer^uftcllcn." Sie erflärtc, fie Ijabc, in ber ^Dichtung , bamit bem 2Bitlcn ber Nation 31t entfpre- eben , eine Schrift unterlief) net , bie if)r entgegengefefete Verpflich- tungen auferlege , unb befaßt bicfelbe 511 holen unb ber ißerjamm^ lung uorjulcjen. 9cadjbcm auf ifjre bei jebem einzelnen fünfte tutcbcrfjolte grage, ob bie£ ber Sötllc ber Nation gewefeu, ftetö mit einem lauten 9cein geantwortet worben, ocrrifj fie bie oon ü)r un= terjetchnete Kapitulation unb üerwicä bie Solgorudi nebft ben übri- gen fjcrüorragenbftcn Urhebern ber bie Kaifcrgcwalt befebränfenben Urfunbe auf ihre (Hilter, hierauf verlegte fie ben Sifc ber Regie- rung wieber uad) s^eter3burg unb richtete fid) einen neuen, au3 ein* uubjtoanjig ^erfonen befteljenben „birigirenben Senat," foroie einen geheimen Kabineteratfj ein. 3n bem lefcteren erhielt D ft c r m a n n , ein s$rebigcr»fot)tt auä SBcftfalcn, ber fdjon unter Sßeter bem ®ro* fccu nad) sJtufslanb gefommen unb unter Katharina unb ^Setcr II. eine f)e*öorragcnbc sJioHc gcfpiclt , al^ Kanzler ben Vorfife. ^ie obere Leitung be^ Krieg^wefenö, ba^ feit bem Xobe ^eter^ beö Öro- Ben feljr oernafläjfigt iporbcu, würbe bem talentvollen, jum 5e(b- marfchall ernannten olbenburgijd)eu (trafen fßlünnid) übertragen,

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$atf)arma Lt $eter II. unb Slnna.

277

ber im fpanifdjen Crrbfolgefrieg in Qtalien unb ben 9lieberlanbcn unter bem ^rin^en ©ugcn nnb SJcarlborough bie $rieg3fuuft erlernt hatte unb gleichfalls fd)on unter ^cter bem ©roßen in ruffifdjc $5icnftc getreten mar.

$en bebeutenbften (ärinfluß aber übte auf alle ©taatSangele* genheiten Slnna'S ©ünftling Söiron er fjiefj eigentlicr) $8üf)rcn, hatte aber tarnen unb SBappen ber alten franjofifchen |)erjoge r-on Söiron angenommen , ein SÜcann üon geringer £>erfunft, ber fid) burch fein einnehmcnbcS SIeußere bie ©unft ber .^erjogin Don $urlanb in fo tjo^em ©rabe ermorben , baß er fie öoflftänbig be- herrschte. SSaS ihm an gebiegener SBilbung abging, crfejjte er burch Schlauheit , ©emanbtheit unb ®ütmt)eit. (Uegen bie auSbrürfliche ©ebingung be$ ©enateS , baß er in ®urlanb jurürfbleibe , mar er ber Äaiferin jur Krönung nach SttoSfau gefolgt, unb balb fyerrfdjte er, ba Slnna, felbft ofync Neigung jum Regieren, ihm bie oberfte ßeitung ber ©taatSgefchäfte ubertrug , über ba£ ganje fianb mit l>e^potifcr)er (bemalt. SIfle, bie ihm entgegenzutreten magten, muß* ten feine 3^acr)c im üoüften DJcaße fühlen. 5ll£ bie Solgorucfi einen SSerfuch matten, bie ©unft ber ®aiferin mieber ju erlangen, verhängte er über bie gange Samilie ein furchtbarem (Strafgericht. 3man $oIgorucfi, ber befonbere Siebling Meters II., rourbe gerä* bert, unb fünf anbere ©lieber feiner Samilie fanben gleichfalls nad) unb nach ben Xob burd) ^pcnferShanb; bie übrigen mürben nach Sibirien oerbannt unb ihre ©üter confiSctrt. ©elbft ber ehema* ligen SBraut beä ®aifer£ ließ man faum bie nothtoenbigfte $lei* bung. 2lud) auf bie Anhänger ber $>olgorudi erftrcdfte fich bie flache SBironS: Saufenbe berfelben mußten in bie Söerbannung nach @i3 birien manbern. ©elbft bie bitten ber ®aiferin, bie fich fogar ihrem übermächtigen ©ünftling unter %fyxäntn 5U Süßen gemorfen haben foö, öermochten nicht, bie Unglütflichen oor feinem Qoxnt ju fdjüfcen.

SBie bie ®aiferin felbft , fo überhäuften auch frembe gürften ben ftoljen (Smporfömmling mit (5f)ren unb ÖJefchenfen. ®aifer Äarl VI. ernannte il)n jum Üteid)ögrafen unb überfanbte ihm fein mit brillanten befefcteS bilbniß , baä einen Söerth öon breißigtau^ fenb Xhalern hatte , unb STuguft III. öon ©adjfen unb ^olen be* lehnte ihn im 3ar)re 1737 , nach ocm SfaSfterben beS in ®urlanb regierenden ®etteler'fchen £aufe$, auf ben SSunfdj ber ®aiferin, bie ihm jur Erlangung ber polnifchen $rone behilflich gemefen, mit bie* fem ^erjogthum.

S)a bie ruffifchen Machthaber ihre roichtigfte Aufgabe in ber ^Behauptung ihrer £>errfct)aft gegenüber ber altruffifchen Partei er* blichen, gefcr)ar) unter 2lnna'S Regierung menig öebeutenbeS meber nach Qnnen noch na(h 2lußen. 9cur ba£ $riegSmefen nahm unter 9Jcünnich3 Leitung einen neuen Sluffchtrung. 3m 3ahre 1731 mürbe

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278 SRufelcmb unter ben bier erften Nachfolgern $etcrä beS ©ro&en.

ju Petersburg eine fianbfabettcnfchule errichtet unb im folgenben Qo^re ber 93au eines ®riegSf)ofenS bei Sxonftabt begonnen. 2tudj unternahm ber fü^ne Qütlänber 93 erring, ber bereits im Qaljre 1728 bie 9>lorbrufte Sibiriens befahren unb bie nach ihm benannte Straße entbeeft Jjatte, im Stuftrag ber ruffifchen Regierung weitere, auch naef) bem Xobc Slnna'S fortgefefcte (SntbecfungSreifen, bei roet* djen er im 3a^re 1741 öon Dchojjf aus an ber Sftorbweftruftc tton Slmerifa lanbete.

$aS wichtigfte auswärtige Unternehmen unter SInna'S SRegie* rung war ein im 3at)re 1736 begonnener ßtieg gegen bie Xürfei, ju Welchem berfchiebene berfjeerenbe Streifereien ber unter türfifdjer ^por)eit ftefjenben Notaren in baS (Gebiet ber ruffifchen $ofafen ben $orWanb boten. 55er ßrieg nahm unter SJcunmdjS umftdjtiger ßei- tung einen für SRufjlanb günftigen Verlauf. SBäfjrenb ßaSct), ein feit 1697 in ruffifchen Eienften ftefjenber irifcher ©raf, 9lfow ero- berte, brang Sftünnich, nach ber (Einnahme ber Scftung *ßerefop, in bie ®rim ein, bemächtigte fich ber Stabt $oSlow, beS bebeutenbften £>anbelSplafceS ber £>albinfel, fowie 93agbfd)eferai'S, ber 9lepbenj bc£ $lf)anS ; bod) jroangen ir)n ®ranfl)eiten in feinem $eere jur 9tücf* fehr nac§ ber Ufraine. Qm folgenben 3at)re (1737) erftürmte er baS wichtige Ccjafow, baS jebod) wegen SttangelS an SebenSmitteln unb einer im ruffifchen ,§ecre auSgcbrodjenen peftarttgen $ranfheit nic^t behauptet werben fonute, wcf^alb Tännich fich jur Schleifung ber SeftungSwerfe entfc^Iog. 9J?inber glüeflich toar für bie SRuffen ber Selbjug bon 1738. dagegen erfocht 9)Jünnich am 28. Wuguft 1739 bei bem £orfe Stawutfchane in ber SRähe ber ©egenb, wo einft ^ßeter ber ©rofje am ^ßruth eingefchloffen worben war, über ein ungleich ftärfereS türfifdjeS .f>eer einen entfeheibenben Sieg, welcher bie Uebergabe ber Seftung (Shocjtom jur Solge hatte. $ie glänjen= ben Hoffnungen, $u benen biefer Sieg ben ruffifchen gelbherrn be= rechtigte, würben jebodj burch ben ^rieben vereitelt, welchen Ocfter- rcich, baS feit bem $ahre 1737 an bem Kriege iiieil genommen, nach einer am 7. $uli 1739 bei ®ru$fo erlittenen ferneren lieber* läge gefdjloffen ^atte. Qn bem ^rieben, ju welchem fich nun auch bie fatferin Slnua genöthigt f at) , erhielt föu&lanb nicht einmal bie freie Schifffahrt auf bem fchwarjen unb ftfow'fchen ÜHeere unb Slfow nur mit gereiften geftungSWerten.

(£in Qahr nach 93eenbtgung beS SürfenfriegeS, am 28. DU tober 1740, ftarb bie ftttiferi« s2(nna, naa)bcm fie, felbft finbcrloS, ben einjährigen 3wan, ben Sohn ihrer mit bem $>er$og Slnton Ul* rieh *">n öraunfchwetg Gebern bermählten Richte Huna bon Httecflen- bürg, ber Softer ihrer älteren Schwefter Katharina, au ihrem $aa> folger ernannt hotte.

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<E!ifa*et$. 279

1 1 i f t » e U.

(1741-1762.)

Sftach ber oon ber ®aiferin 5lnna auf ihrem Sterbebette ge- troffenen 23eftimmung foKte mäfjrenb ber SJftnber jährigfeit ^Wanä Viron alä Regent be8 SReicheS bie öormunbfchaftliche Regierung fühs ren. Staburch fügten fich jeboct) bie (Sltern beä jungen (Sparen in ihren $Recfjten öerle(jt , unb bo fich and) äRünnich oon bem ^erjog* Regenten, ber fich oon bem ©enate ben Xitel „$aiferliche |>oheit" hatte oerleihen lajfen, juräefgefc^t fah, oerbanb ftdj berfelbe mit bem ^erjog unb bcr #erjogtn oon SBraunfchweig jum Sturje ©i- ron£. 9(n ber ©pifce ber oon if)m gewonnenen ^ßreobrafchenäfoi- fdjen ©arbe überfiel er ihn in feinem ^ßalaft unb ließ ihn gefangen nach ©chlüffelburg bringen, wo eine Unterfudjung gegen Ujn einge* leitet würbe, bie feine Verbannung nach (Sibirien jur Solge r)artc. hierauf erließ bie ^erjogin 2lnna ein üttanifeft, in Welchem fie er* Harte, baß fie ate ©roßfürftin oon SFlußtanb bie Regierung für ihren unmünbigen ©of)n übernommen Jjabe. 3h* Gemahl würbe jum Dberfelbherrn unb ajtttregenten unb SRünnich jum erften 2Rinifter ernannt. $ie ßeitung ber auswärtigen Angelegenheiten behielt Dftermann.

Snbeffen fam e3 balb jmifchen ber SRegentin unb ÜRünnich 51t 3erwürfniffen , inbem ber fiebere ben £>erjog oon SBraunfcfjroeig, bem er bie Dberfelbherrnwürbe nietet gönnte, in wegwerfenber SBeife behanbelte, unb ba bie SRegentin ftcfj burdj Dftermann, ber feiner* feitä auf SRünnich etferfüdjtig mar, bewegen lieg, in ihrer Stellung junt Muälanbe eine ben Wnfidjten 9#ünnich8 entgegengefefcte *ßolitif ju befolgen, forberte biefer feine (Sntlaffung , in ber SRcinung, baß er unentbehrlich fei unb man ihm gugeftänbniffe machen werbe, um ihn jum Verbleiben in feinem tote ju bewegen. $n biefer (Srwar* hing jah er fich jeboch getauft: bie SRegentin, bie fiofj war, fich oon einem läftigen Xheilnefmier an ber Regierung befreit ju fct)cnr entliefe ihn ohne Sägern.

$ie Entfernung be3 thatfräftigen ©rafen SJcunnich ermuthigte bie ^rinjeffm ©lifabeth, ^eterS be§ ®ro&en Softer, jur 8hi8* führung be3 längft genährten planes , fich fclbft auf ben %t)xon ju fchtotngen. ©ie hotte bi$h?r, fcheinbar unbefümmert um bie fRegie* rungäangelegenheiten , aber nichtäbeftoroeniger oon bem oorfichtigen HJcünnich Wohlbeobachtet, feinerlei ehrgeijige SBeftrebungen an ben Xag gelegt, babei jeboch nicht öerjäumt, fich ourch große ßeutfetig* feit bei bem Volfe, ba3 ohnehin mit SBiberWiHen Xeutfdje über fich herrfchen fat) , beliebt ju machen , gan$ befonberö aber burch fluge §erablafiung fich We ®unft ber ©olbaten 51t erwerben. 3h* trauter unb bie eigentliche ©eele ihrer ^läne war ihr fieibarjt S e -

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280 föujjfonb unter bcn tricr crftcn Nachfolgern $eter3 be8 ©rofjen.

ftocq. Much ber franjüfifcfje ©efanbte Sa ßfyetarbie muffte um bie= felben, unb ba er Defterreid), auf beffen «Bette bic 9iegentin getreten mar, eine* trächtigen 93unbe3gcnoffett $u berauben münfd)te, oer= fdjaffte er ber ^rtnaeffin bic nötigen ©elbmittel. $ie ©efanbten OefterrcichS unb SnglanbS, bie aus feinem 58erfet>r mit ber $rin* jeffin SSerbact)t geköpft, marnten bte SRegentin; btefe lieg fidj je* bod) burdj bie Jöerficherungen, bte ihr (SUfabctt) unter frönen öon ihrer 2In^ängttd)fctt unb Xreue gab, boflftänbig beruhigen.

$a (Slifabethä Vertraute ber Slnficfjt waren, bag e3 Slngeftd&tä beä ermatten Slrgmolmä gefärjrlicr) fei , mit ber Ausführung be£ bcfchloffenett Unternehmend länger ju jögem , begab ftch bie ©roß* fürftin in ber 9cacr)t jum 6. $ejember 1741, bon fieftoeq unb ihrem ®ammerjunfer Söoronjom begleitet , in bie ßafeme ber <Preobra= fchenSfoifchen ©arbe unb trat , ein ©eroehr in ber £anb f)altenbf bor bie ©renabiere mit ben SBorten : „3h* hri&t, mer id) bin, $e* tcrS be£ ©rofjen Sodjtcr unb eure rechtmäßige ßaiferin; mollt it)r mir folgen ?** 2113 fidj sMe ba$u bereit erflärt, erhob fte ein $reuj unb forberte bie ©renabiere auf, ju fchmörett, bafj fte cntfd)loffen feien, nötigenfalls mit ifjr unb für fte ju fterben. Uiachbem alle Slnmefenben biefen ©djttmr geleiftet, brach fie mit brcir)unbert 9#ann ganj in ber ©tille nach bem Sßintcrpalaft auf , mo fid) ir)r bte Söache gleichfalls anfchlog. Ohne irgenb melden SBiberftanb ju fin* ben, brang fte in bie ©emächer ber großfürftlichen Samilie ein unb ließ biefelbe gefangen nehmen. Qu ber gleichen Seit mürben auch bie ©rafen SDcunnich nnb Dftermann in ihren SBofmungcn über* fallen unb t>err)aftct.

2US am anberen borgen bie Vorgänge ber Stacht befannt mürben , brach baS SSolf in lauten Qubel aus ; bie Vornehmen brängten fich glücfmünfchenb $u ber neuen ftaifertn , unb Üftilitär unb Siml leifteten ihr ben @ib ber Xreue. Sitte , bie bei bem ©taatsftreiche mitgenrirft , erhielten reiche Belohnungen. Seftocq mürbe in ben ©rafenftanb erhoben unb jum roirfltchen ©eheimen^ rath mit einem ©ehalt bon fiebentaufenb Rubeln ernannt; auch fchenfte ihm (Sltfabetf) ih* «ich tn diamanten gefaßtes 83tlbniß im SSerthe bon jmausigtaufenb Rubeln. 5Die breihunbert ©renabiere, melche ben SSinterpalaft befefct hatten, erflärte bie neue ®atferin für ihre Seibgarbe; bie ©erneuten erhielten ben 9tang ton SieutenantS, bie Korporale bcn bon ^auptleuten unb üttajorS, unb bie Offiziere rourben $u ©cneralmajorS unb ©enerattieutenants beförbert. $)age= gen berfufjr Glifabett) gegen Sitte , bie bei bem vorausgegangenen ^hronmechfcl betheiligt geroefen, mit empörenber ©raufamfeit. $>er unglncfliche Qman, ber faum ins jmeite ßebenSjahr getreten, mürbe in bic Scftung ©chlüffelburg etngefchloffcn, mo er in troftlofer @in* famfeit ohne jebmeben Unterricht aufmuchS unb in ftetcr £obeägefat)r

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Gliiabctl).

fcfjroebte , ba bcr madjtljabenbe Offizier Söcfc^I fjatte , if)n fogfeidj nteberauftedjen , faß« ein SBerfud) $u feiner Befreiung gemacht mcr- ben fottte. Seine ©Item lieft (£Iifabetfy nadj Äolmogori, einer Snfel in ber 2)roina am weiften Speere , bringen , roo §(nna im 3?af)re 1746 nadj harter SöefjanMung ftarb. 3l)r ©emaljl erhielt bon Äat^artna II. bie ©rfaubnift $ur 9Hücffel)r in fein SBaterlanb; bodj machte er bon berfelben feinen ©ebraudj nnb ftarb im Qofyct 1776 an bem Orte feiner Verbannung ; ifjre bier jüngeren ^inber mur^ ben im Safjre 1780 nad) $änemarf gebracht, roo fie fämmtlidj ofyne SRadjfommen ftarben. SDcunnidj unb Dftermann mürben mit mehreren anberen (befangenen jum Xobe berurtfjeitt, aber auf bem 93(utgerüfte begnabigt unb nadj Sibirien bertotefen. 2U« Sflünnid} auf ber Steife bortljin burtt) bie Vorftabt bon ®afan fufjr, begegnete er bem £er* 50g 93iron, ber mit Kielen anbern unter ber borigen Regierung md) Sibirien SBernriefenen bon (Slifabetl) begnabigt morben. Sie blieften fic§ ftarr an unb fuhren , ofjne ein SBort ju medjfeht , aneinanber borfiber. Qm Raffte 1762 mürbe Sflünnidj bon $eter III. au« ber Verbannung flurüdföerufen unb in feine früheren SBürben toieber eingefefct. dagegen mar Dftermann nidjt befdjieben, au« ber SBer* bannung gurürfjufe^ren : er ftarb im 3af>re 1747 in bem fibirifdjen Stäbtdjen SBereforo.

Unter ben au« Sibirien Surücfgef ehrten befanb fidj auäj 93 e * ftudjero, einer ber SJftnifter ber ftaiferin Slnna, ber als ein befon* ber« eifriger 2(nf)änger SBiron« in beffen Stur$ berroicfelt morben. 2Cuf Seftocq« Vermenben ernannte if)n (SUfabetf) jum SSicefaitiler unb ertyob Um in ben ÖJrafenftanb. 9ftd)t«beftoroeniger mürbe er in ber golge fieftoeq« gefä^rltdjfter geinb unb bie Urfad)e feine« Stur* je«. $>a nämlid) Seftocq für ^reuften Partei genommen, mäljrenb er felbft ju Defterreidj f)ieft, bemog er bie ®aiferin, it)rc £>anb bon bem Spanne abjujietyen, ber ba« erfte unb t^ätigfte SBerfyeug iljrer ßrrfjebung auf ben Xtyron gemefen, unb tf>n bem £>affe feine« (Gegner« preiszugeben. Unter ber 2tnf(age auf §odjberratl) mürbe Seftocq beruftet unb , nadjbem il)m burd) ®nutenljiebe ba« ®e* ftänbnift feiner angeblichen Sdjufl) entriffen morben , jum Ver* lüfte feiner ®üter unb $ur Verbannung nad) Sibirien berurt^eUt (1748).

Von ba an mar 83eftuä)eto bie Seele ber ruffifdjen <ßotttif unb ber borjügltdjfte ßeiter afler Staat«gefdjäfte, bi« ifjn im Qafjre 1758 ba« gleite Sdjicffal traf, ba« er Seftocq bereitet Ijatte. diu fabetl) felbft Ijatte ben X^ron nur gefudjt, um if>rem Vergnügen (eben $u fönnen. SBäfjrenb fie bie Regierung ifjren ÖJünftlingen fiberlieft , gab fie fia) ben jügettofeften §lu«fa)meifungen ^in unb fanb i^rc Jöefriebigung in bem niebrigfteu Sinnengenuft unb $u* gleia) in einer fo beifpieöofen $u6fua)t, baft man nad) i^rem Xobe

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Schweben unter griebridj

in ihrer Gtorberobe nicht meniger al3 breigigtaufenb Kleiber gefun* ben haben fo0. $abei trieb fie jebodj eine abergläubische gurcht $ur ftrengften Beobachtung aller fira)Iic^en (Gebräuche. SBährenb ihr £>of ber ©chauplafc ber fchmacrpollften ©ittenlofigfeit unb ber nieo* rigften Nänfe mar, herrschten im ganzen ßanbe Unorbnung unb SBillfür, unb eine geheime 3nquifttion oermanbelte oft bie Pflege beä Necf)t& in bie Ausübung ber fcrjreienbften Ungerechtigfeit. w@3 ift rtidt)t ber geringste ©Ratten mehr übrig oon $reue, (Ihre, Vertrauen, ©cham ober ©iöigfeit", fo Reifet ed in einem Berichte be3 ^ottönbifc^en (Sefanbten öom 3a^re 1777 ; „man ficht Nichte, ate unbefc^reiblic^e ©itelfeit unb Berfchtoenbung, rodele jum Unter* gange führen. £ie alten gamilien unb ba£ gemeine iöolf finb aufä ©raufamfte unterbrüeft burch alle biefe auä bem Nichts empor- gehobenen Seute."

3n melier SBeife Nuglanb unter (SUfabet^ in ben ÖJang ber übrigen europäischen Angelegenheiten eingriff, merben mir fpäter hören. AIS bie ßaiferin am 5. Januar 1762 nach längerer ßranffjeit einem 93lutftur$ erlag, beftieg ihr Neffe #arl $eter Ulrich üon ^olftein^ottorp, ber ©ofm ihrer üerftorbenen älteren ©chroefter Anna, ben fie fdmn im 3af)re 1742 jum Nachfolger ernannt unb nach Petersburg hatte fommen laffen, als $eter III. ben ruffijchcn tyxon.

XV.

Sdimeben unter ^riebrid) I.

(1720-1751.)

Noch ehe ©ergeben fich burch ben Abflug beä Nnftäbter griebenä üoUftänbige Nufje üon Augen üerfdfmfft hatte, mar bie üon ber Königin Ulrtfe Eleonore als ^reiS ihrer Erhebung auf ben Zfyxon jugeftanbene Umgeftaltung ber inneren Berfaffung in* Sßerf gefegt morben. Nach berfelben mar bie gefefcgebenbe ©e* malt bei ben NetchSftänben, benen auch bic (Sntfcheibung über ®rieg unb grteben, fomie baS Necbt ber Steuerung unb beS SSorfchlagS ju ben erlebigten NeichSrathSftellen üorbehalten blieb. $ie Negie* rung füllte üon ber Königin unb bem NeichSratlje gemeinfam ge* führt roerben, unb in bem lefcteren, ber aüe Angelegenheiten nach Stimmenmehrheit entfehieb, mürben ber Königin jmei ©timmen ju* erfannt. AIS Ulrife Eleonore im Qahre 1720 bie Negierung ihrem ©emahl griebridj I. überlieg, erhielten bie Nechte ber $rone neue 58cfcf)ränfungen, burch melche bie ©ouüeränität üoflftänbig an bie

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©cfjwcbcn unter griebrid) I.

283

SRctchäftänbe tarn. Alle ©ehörben würben ihnen oerpflichtet, alle Stetten int föetdjäratfje tote im #eere, öom Oberften aufwärtl, burd) fic befefet ; jeber Singriff auf bie Unabhangtgfeit ber föeichlftänbe würbe für ein iWajeftätloerbrechen erüort.

3nt ©choo&e ber Ijerrfdjenben Ariftofratie enrftanben balb jtoei Parteien, bie ®tjllenborg'fche unb bie £orn'fd)e, bie, nach bem Aulforuch #önig ®uftaoi III., au« ber Nation jtDct oerfdnebene SSötfer matten, meiere gemeinfam nach bem SBerberben bei &aterlanbel ftrebten. $ie ®t)ßenborg'fcf>e gartet ftanb im ©otbe granfreid)!; bie ©orn'fche ^atte ftch an SRu&lanb »erlauft, unb je nad^bem bie eine ober bie anbere im SReidjltage bie £)ber= fjanb behielt, trat ©djweben für bie 3ntereffen granfreichl ober 9tuf,lanbl in bie ©chranfen. Statt fich mit ben Angelegenheiten bei $anbel ju befdjäfttgen, toaren beibe Parteien nur barauf aul, fia) auf ben SReichltagen möglidjft öiete ©ttmmen $u üerfdjaffen, wobei fie mitunter in fo heftigen Streit gerieten, bajj SBlut Oer« goffen würbe. Stuf bem 9teid)ltage beä Qahrel 1738 brachte bie ÖJtjlleuborg'fche Partei, ben öon granfreid) erhaltenen ^nftruftionen gemäß, einen ®rteg gegen fRu&Ianb in JBorfdjlag, unb ba bie £om'fd)e bie Aufredjthaltung bei griebenl befürwortete, würben ihre Anhänger öon ben (Gegnern ©djlafmüfcen genannt, ©eitbem erhielten bie beiben Parteien bie tarnen ber fi (j e n unb ber 4> ü t e. $a bie £>üte burdj (Srfaufen ber ©timmen bie Dberhanb behielten unb el ihnen gelungen war, burd) ben £>inweil auf bie im 9tyftäbter grieben erlittenen SSerlufte unb auf ben Umftanb, baß föu&lanb eben in einen ®rteg mit ben dürfen oerwicfclt unb bafjer ber Augenblicf für bie SBiebereroberung ber oerlorenen $ro= trinken günftig fei, bie ßampfluft ber Nation aufjureijen, mürbe am 4. Auguft 1741 ber ftrieg an 9hif$lanb erftärt, obgleict) bal- felbe in ber Swifdjenjeit mit ber Pforte grieben gefd)lofjen.

£er unftug unternommene $rieg nahm einen für ©djweben öußerft ungünftigen Verlauf. $ie ruffifct)cn Generale ®eith unb Öalcty brangen in ginnlanb ein unb f djtugen bie ©dj weben am 3. ©eptem? ber 1741 bei SBiHmanlftranb. jJUdjtlbeftoWeniger fteHte bie fdjwe* bifdje Regierung, nachbem if>r bie Äaiferin (Süifabett) einen 3Baffen> ftiflftanb angetragen, in ber SJceinung, SRußtanb müffe um jeben ^ßreil grieben fc^liegen, unannehmbare gorberungen unb oerfäumte babei zugleich, für bie gortfefcung bei ßxiegel bie nötigen Lüftungen anzufallen. 35ie Muffen rücften hierauf aufl 9teue in ginntanb ein unb trieben bal fd)webifche £eer oon einem Soften jum anbern bil nach £>elfingfor3, wo balfelbe eingefchloffen unb am 20. Auguft 1742 jur drgebung gezwungen würbe.

Sum ®lüd für ©chweben, bal fich in ©efafjr fah, ben gric* ben burch bie Abtretung oon gan$ ginnlanb erlaufen ju müffen,

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284 granfrcid) unter ber Dtegcntldjaft bcS $er3ogS üon CrlcanS.

fanb ftd) ein minbcr foftfpieligeS bittet $ur SluSgleidmng. $a ®önig griebria) I. finberloS mar, lag bic gragc öor, wer ifmt auf bem fd)tt)ebifd)en $bron folgen folle. 211S ber nädtftberedjtigtc (£rbe erfduen ber $erjog *ßetcr Ulrich öon $olftein=©ottorp , ber ©nfel beS bei ßltffom gefallenen £>erjogS griebridj IV. unb ber älteren ©djmcfter ßarlS XII. 2>a berfelbe jebod) bereits als ber @nfe( Meters beS GJrofjen jum 9tad;folger ber ®aiferin (Slifabetf) auf bem ruffiferjen STIjrone befrtmmt mar, braute biefe, um föujjlanb einen bauernben (Sinflufj auf 6d)meben 511 fiebern, beffen mütterlidjerfeitS gleichfalls mit bem £aufe 28afa öcrtoanbten Setter 21bolf grieb* rief) in $orfd)lag, inbem fie fiefj im galle ber Slnna^mc bcSt'etben als Sljronerben ju einem billigen grieben bereit erflärte. $er 2lbcl ging auf biefen 5ßorfd)Iag ein, unb fo fam im Qa^re 1743 ber griebe üon 21 b 0 5U Stanbe, in meinem fid) bie ftaiferin mit ber Abtretung einiger finnlönbifa^en (BebietSftrcden $ur ©id)erung it)rcr ©renken begnügte. Obgleid) bie erlittene Sinbuge in feinem S8erf)ältnii3 ju bem Sßerlufte ftanb, öon meinem fid> ©djroebcn be* brofyt gefefjen, mußten bie fd)tuebifdjen Generale öubenbrod unb Sömenhaupt für ben nachteiligen Ausgang beS Krieges, ben ber 9teidjSrath ilmen allein beimaß, mit ihren köpfen büßen. 2ldjt Qafjre fpäter (1751) ftarb $önig griebrid), unb ber ju feinem Nachfolger ertoählte $>erjog Slbolf griebrich öon £>olftein = ®ottorp be= ftieg ben fd)tr>ebifdjen i^ron.

XVI.

$tan&tei$ unter bet fUflenffdJaft be* cfictjofl$ von

(1715-1723.)

Obgleich Subroig XIV. ein Xeftament lunterlaffen, in meinem er feinem natürlichen ©ofme, bem £er$og öon 9flaine, nid)t allein ben Oberbefehl über baS £eer, fonbern auch bie ©r^ie^ung beS jungen Königs, unb feinem Neffen Philipp II. öon Orleans bie fltegentfdjaft, öon melier er ifjn nicht gänjlich ausfließen fonnter nur bem Flamen nach übertragen l)atter inbem berfelbe an einen SRath öon öier$efm SERännern gebunben fein unb nur bei ©timmen* gleid)f)eit baS SRecht ber ©ntfdjeibung fmben follte, tourbe ber $>erjog öon Orleans öon bem Parlamente, baS er burd) feine (Schmeicheleien gu geminnen gemußt, ohne SRücfficht auf SubmigS teftamentarifc^e Söeftimmungen in alle Siechte eines Regenten eingefefct unb ifjm $u= gleich ber Oberbefehl über baS $eer juerfannt, roäfjrenb fich ber

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5ranrreicfj unter ber 9icgcntfcfiaft bc* $er$og* oon Otiten*. 285

.5>eraog oon 9Mne mit einer untergeorbneten ©tettung im Regent« fcr)aft*rathe begnügen mufete.

s.ß^ilipp II. oon Orleans, ber bamal* im einunboierjig* ften £eben3jaf)re ftanb, mar ein 9)cann oon angenehmem 3(eu6eren unb in jeber Begehung öon ber 9iatur mit reiben ÖJaben auäge- ftattet. mt einem fcharfen SBerftanb unb einer leisten Auffaffung öcrbanb er ein glütfliche* (SJebächtnijj unb ein richte* Urtfjeil; auch hatte er fid) in ber 9)cathematif, ber (Shemie, ber ©rbfunbe unb ber 03efd)ichte nicht unbebeutenbe tfennrniffe erworben unb oerftanb fid) auf SMerct unb 9ftufif. $abei mar er liebeu*Würbig int Umgang, Reiter unb milb, ooll 3Jiutr) unb Sapferfeit unb bod) jugteich ein Sreunb be* grieben*. Aber alle biefe guten @igcnfdmften mürben oerbunfelt nid)t nur burch bic äußerfte 3nbolen$ unb ben oollftän* bigften Sttangcl an religiösen unb fittlichen ©runbiä&en, fonbern auch burch bie tieffte moralijehe Benommenheit, bie golge einer fehlest geleiteten Crrjiehung unb eine* in ben jügelloicften &u*fd)Weifungen hingebrachten £eben*, unb in allen ©tüden bemährtc fid) bie SSahr* heit be* fchmer^lichften ÖJeftänbntffe* feiner Butter, ber pfälsifchen s$rin$effin ©lifabeth Ghötlotte: „2>ie geen fyabtn meinem ©ohne alle Talente gegeben, nur nicht ba*, einen guten Gebrauch baoon ju machen." Seine (Sharafterfdjwäche mar fo grofj, bafj er, ob- gleich $um £>errfd)en berufen, fid) öoQftänbig oon Knbern unb felbft oon ©otogen bcf)errfcf)en ließ, benen er fich weit überlegen fühlte unb bie er mit Stecht verachtete. Um fich ungeftört feinen nieberen £eibenjd)aften Eingeben ju fönnen, ha*te er fich gänjlich oon bem (Stauben an ©Ott unb an bie Sugcnb loSgcfagt; aber mährenb er bie Wahrheiten be* ©hnftenthum* al* leeren 253al)n ocrjpottetc, mar er bem graffeften Aberglauben oerfallen: er fuchte sJtatf) bei Söahrfagerinnen unb bact)te allen ©rnfte* barau, mit bem Xeufcl einen Bunb ju fd)lief$en.

Xro(j feiner tiefen fittlid)cn Söerfunfenhcit fchien e* ber $>er$og Anfang* mit ber (Erfüllung feiner ^egentenpflichten ernft nehmen mollen, unb feine erften 9tegierung*hanblungcn waren geeignet, ba* Vertrauen ber Nation ju ermeden. (Sr entlieft einen be* Speere* unb gab bem Parlamente ba* 9ied)t jurüd, Bor* ftellungeu 51t machen. Auch mürben bie Oerhaßteften 2Jcinifter au* ihren ©teilen entfernt unb in bie ©taat*oerwaltung oerfchiebene ^wertmäßige Reformen eingeführt. Aber balb übertrug ber jeber Anftrengung abgeneigte Regent bie gejammte ©taat*oerwaltung fei- nem ©rjieher, bem unwürbigen, aber tatcntooüen Abbd 2) u b 0 i *, einem Wanne, ber trofc feiner Glaubend» unb ©ittcnlofigfcit nach bem sßurpur ftrebte. 2)er apoftolifchc ©tuht wie* lange #eit biefe* Anfinneu jurürf, bi* e* enblich ben oereinten Bemühungen be* Regenten, be* $aifer* unb ber Könige oon ©nglanb unb ©oanien gc*

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286 gfranftetdj unter ber töegentfdjaft be$ &erjog$ üon Crlean«.

lang, $apft 3nnocenj XIII. ju bewegen, bcm Verlangen ^uboia' willfahren. SSährenb bicfcr über granfreich ^crrjc^tc , überließ fich bcr ^crjog^cgcnt ben jügellofeften SluSfchweifungen. Ällabcnbs lieh üerfammelte er im $alaiS=9ioüal einen ®rei$ ber lafterhafteften Sttänner unb grauen, mit benen er ben größten Xljeil ber Stacht in Ueppigteit unb ©chwelgcreien ücrbrachte. $)abei ließ er jeboch ben (Senoffen feiner nächtlichen Söacdjanalien feine üolle Verachtung fühs len; benn er nannte fic nicht anberS, als feine Rouäs (©eroberte), weil fie nach it)ren nächtlichen (Belagen wie geräbert emfyerfcfjlicfjen, ober roeil fie, ttrie er fagte, üerbienten, auf bem SRabe ju fterben. ©o bot unter ber 9tegentfchaft beS £>er$ogS üon Orleans ber fran^ö* fifdje ,§of ein 93ilb üon Safterrmftigfeit unb Verworfenheit bar, baS an bie fcf)limmften Qtittn ber römijcfjen ^aifcrtjcrrfc^aft erinnerte.

$ie (£r§iehung bcS jungen Königs hatte ber $erjog * Regent bem ebenfo anmaßenben als geiftlofen 3Äarfcf)att Villeroi übertra* gen , bem als ßefjrer beS föniglichen Knaben ber ehrmürbige § I e u r o , ©ifchof öon grejuS, jur ©eite ftanb. SSährenb ber ßefcs tere burch 5Ktlbe unb ©anftmuth auf baS ©emüth feinet SöglingS ein$umirfen fudjte unb in ber Xf)at beffen üollfte Zuneigung ge* wann, flößte ber 2JtorfchalI bemfclben fcfjon friitjc eine höh* sD*eU nung üon ber föniglichen 9JtodjtüoHfommenl)eit ein. Söenn er mit ihm ausfuhr unb baS Volf ben &uf erfchatten tieg : „@S Übt ber ftönig!" pflegte er ihm ju fagen: „Sehen ©ie, gnäbigfter §err, alle biefe ßeute gehören 3hncn , ftnb 3t)r ©igenth.um ; ©ie finb ber #err öon Mem!" $a ber £nabe wegen feiner fchwächlichen ÖJe* funbheit möglichft gefchont werben follte , mürben feine geifttgen Anlagen wenig entwickelt, unb er Wuchs heran ohne föuhmbegicrbe, aber auch ohne Suft jur Arbeit unb s2lnftrengung unb ohne bie rief)* tige Vorftctlung üon ber hohen Aufgabe, bie feiner als §errfcher harrte.

$ie größte ©chmierigfeit ücrurfadjte bem Regenten ber troft^ lofe Snftanb ber ginanjen. ©tatt jeboch burch eine weife ©par* famfeit baS ungeheuere SJcißüerhältniß $wifchen ben @infünften unb ben Ausgaben beS ©taateS auszugleichen, fcheuten fich bie 2Jcimfter nicht, ^u ben ungerechteren SUtoßrcgeln $u greifen. Söiclc gorberun= gen an bcn ©taat mürben mit ber größten SBiüfür für ungiltig er* flärt, bie 2ftün$en ücrfct)tccf)tcrt unb zahlreiche Einnehmer unb ginanj* Pächter wegen angeblicher Unterfd)leifc üor ein befonbereS peinliches (Bericht gejogen, baS fie ju großen ©traffummen üerurtheilte. 2)aS burch biefe Gewaltmittel gewonnene ÖJelb würbe jeboch nicht gum Vorteil beS ©taateS üerwenbet, fonbern floß in bie Xafdjen bcS Regenten unb feiner ÖJünftlingc. ©o ftieg bie 9coth üon Xag ju ^lag, unb fchon war, wenn auch unter bem hcftigften S93iberfpruct), bcr ÖJcbanfe in Anregung gebracht worben, bie beiben fteuerfreien

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ftranfretdj unter ber föegentfdjaft bc8 ^erjogS r»on Orleans. 287

Stänbe, ben 21M unb bie ®eiftlicr)f eit , ju ben Abgaben §eran$u= 3iehen, ate jtdj bem Regenten ganj unerwartet* bie 2lu3}icht auf eine rafdje unb üollftänbige Abhilfe aller ginanjnoth $u eröffnen f^icit.

©in (Schotte, Johann San), ber ©ohn eine« (SolbfchmiebS ju (Sbinburg, ber ftdt) feit längerer Seit öielfadj mit bem 9tedmung3= unb ginangmefen befdfjäftigt hatte , überreizte nämlich im Slpril 1716 bem Regenten einen $lan, burdj roetchen nicht nur, roie er toerfprach , bie ganje ungeheuere ©taatäfchulb in roenigen Sauren getilgt, fonbern auch ber Nation eine unöerfiegbare Duelle ber S8e* reicherung erfchtoffen roerben foHte. tiefem $lane gemäfi erteilte i^m ber Regent bie Ermächtigung jur Errichtung einer 3ettelbanf Banque d'escompte , bie am 3. 2Jcai 1716 mit einem 2lftienfapital öon fechS 2JciHionen £iüre3 eröffnet rourbe. $ie 9toten biefer 93anf fanben balb gro§e3 Vertrauen unb mürben überaß um fo lieber ftatt baaren ©elbeS angenommen, als baS ®olb $u jener Seit umgeprägt unb im SRennroerthe erhöht mürbe, roät)renb bie Söant ü)re Noten nadt) ber alten Söäfyrung einjulöfen öerfpracr).

Um baS in bie öanf fliegenbe baare ®elb ju oerroerthen unb 5ugletcr) für baS *ßublifum eine neue Socffpeife ju fd-affen , rourbe eine mit ber Söanf oerbunbene £anbelSgefetlfchaf t , bie „abenblän* bifche ©efeüfdjaft" ober „bie 9Jciffifippi*®ompagnie" genannt , er* rietet, melier ber ßönig baS ©ebiet oon ßouifiana mit bem $riüi* Iegium abtrat, Sänbereien ju laufen unb ju oerfaufen, ©täbte ju bauen , geftungen anzulegen , ©teilen $u befefcen , $rieg ju führen, grieben ju fchlie&en u. bergl. S)a man bort bebeutenbe ÖJotb- unb ©ilbergruben ju entberfen hoffte , erfdjien baS Unternehmen als ein äu&erft geroinnöerfprechenbeS ; ba^er beeilte fidj sMe3 , ftet) bei bemfelben buret) ben Slnfauf öon $ftien ber ©efedfa^aft ju betei- ligen , für roelche auger ben feftgefe^ten oier ^rojent 3infen eine bebeutenbe ©ioibenbe in 2lu3fid)t geftedt rourbe. 3)ie ganje Nation roar roie ton einem ©chtoinbel ergriffen. §eöer fürchtete, ju fpät ^u fommen, unb jo roar SaroS Eomptoir oom frühen SJcorgen bis in bie fpäte 9cacr)t bon einer SJcenge öon SDcenfcfjen umlagert , bie ficr) mit Lebensgefahr hc^ubrängten , um ihr ©elb gegen 'ilftien umjutaufchen. 2)iefe ftiegen benn auet) balb jo fct)r im greife, ba& fie tchliefjüch um ba$ Qtfytfafyt ihres NennroertheS oerfauft rourben.

3)er ginanjminifter NoailleS unb ber $an$ler b'^gueffeau, bie ihre Stimmen gegen Saro» Neuerungen erhoben , rourben ent* laffen, unb als auch baS Parlament gegen biefelben Sin(prache er* hob, öerbot ber Regent bemfelben im #uguft 1718 in einer fönig* liehen Sifcung jebe ©iumifchung in ginanj' unb ©taatSangelegeu* heiten. hierauf rourbe im S)ejcmber 1718 bie £aro'icr)e iöanf in eine foniglicr) öerroanbclt unb $ugleict) bie Errichtung üon öanf=

288 ftranfreid) unter ber JKegentfchaft bcS ^cr^ogS uon Orleans.

comptoirS in berfcf)iebencn ^roüinjialftäbten oerfügt. 9Hcht jufrie* ben, burch alle Littel ber SBcrlocfuug Xaufenbe oeranlaßt ju höben, nidtjt allein it)r baareS (Selb gegen iöanffcheine ^injugeben, fonbem auch ihr Söefifcthum ju üerfaufen , um für ben (SrlöS beweiben Slfticn ber SBanf ju ermerben, fucr)te nunmehr bie Regierung bem Umlauf beS *ßapiergelbes burd) 3roangSmaßregcln noch eine toei= tere SluSbchnung ju geben, ©o burftc nach einem @bift oom 2)c~ jember 1719 feine 3flh*un3 üo^r jefyn SiorcS mel)r in Silbergelb unb feine über breifjunbert £ioreS in ÖJolb gemalt merben, unb im gebruar 1720 mürbe ein (£bift erlaffen, nach meinem Üiicmanb mcf)r als fünfljunbert Stores in gemünztem ©olbe in feinem £>aufe behalten unb feine ÄuSjahümg über fjunbert Stores anberS als in Söanfnoten gemalt merben burftc. %a, eS mürben fogar alle bei ben (Berichten hinterlegten (Oelber, eingezahlte löürgfdjaften , baS ißermögen unmünbiger Söaijen u. bergl. , mit Ötemalt eingezogen unb in Söanfnoten uermanbelt.

$iefe 3)caßrcgeln crioecften inbeffen nicht nur Unzufricbenheit, fonbem auch Mißtrauen. 9ftan fing an, bie Srage 511 ermägen, ob es ber 93anf bei ber ungeheueren 2Jcenge ber ausgegebenen ftoten möglich fein merbc , biefclben jemals toieber cinjulöfen , unb bie barüber auftauchenben 3meifel mürben erhöht burch bie geringen (£rgcbniffc ber in üouifiana begonnenen vJ(nficblungen. nun gar ber Regent , ber felbft bie Unmöglichfeit einfah , bie auSgege= benen SBanfnotcn in ihrem ooflen SBerthe jurücf^ugahlen , am 21. äftai 1720 ben Söerth berfelben, trofc ber töcgenoorftetlungcn £an>S , auf bie ipälfte hcrabfcfcte , in ber Hoffnung , baburch ein rechtem 8et$ältniß herzuftcllen , mar mit einem Silage aller (Srcbit beS s#apiergelbeS oernichtet. SBie üorbem jum Slnfauf ber Slftten, fo bräugte fich jefet 2lücS zur ©inlöfung ber Acoren an bic $anf heran, unb ba ihr bic Littel fehlten, ben maffenhaften ?ln= forberungen §u genügen; mußte fie ihre 3ah*un9cn einftetlcn. 3>ie Nation ermatte bei bem plötzlichen 3ufammenfturj beS Suftgcbäu* beS roic aus einem Traume. $cr ganze SBermögcnSzuftanb hatte fich öcränbert. SSährenb einzelne burch ben geroinnreichen 2öiebcr= oerfauf ihrer Mfticn ungeheuere 9leict)thümer ermorben hatten, fahen fich an jtoanjigtaufenb gamilien an ben öettelftab gebracht unb über fmnbcrttaujenb bes größten Zweite ihres Vermögens beraubt. «§anbel unb ©emerbe lagen ooüftänbig bamieber. Üftur bie aüge= meine ßhrfcrjlaffung , bie auf ben finnlofen ©djroinbel gefolgt mar, oerl)inberte ben Ausbruch eines offenen WufftanbeS. $er Regent befahl jtoar, ben sßerfäufem ber Slftien jum heften ber 51t QJrunbe gerichteten gamilien ihren ÖJeminn mieber abzunehmen; aber biefe Maßregel ließ fich um weniger burchführen, als bie meiften ber^ fclbcn baS gemonnene (Mb bereits über bie GJrenjc ju Raffen

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frrcmtreid) unter ber ategentfehaft beS ^erjogS Don Orleans. 289

getrugt. Satt? felbft mar gleich nach bem Sufammenftur^ ber Jöanf, um ber 9Rad)e beS SBolfeS $u entgegen, aus granfreich geflüchtet unb ftarb 1729 ju Stenebig in Eürftigfeit. $on ben brei&igtaufenb 9tti£lionen ^apiergelb , bie ausgegeben morben , mürbe ein drittel öeraichtet, baS Uebrige in einprocentige (Staatsrenten öermanbelt.

$>er SRegierung überbrüffig, beeilte fich ber Regent, ben ftönig, fobalb berfelbe fein breijefjnteä SebenSjahr öoflenbet r)attc, für mün- big erflären ju laffen , vorauf Shibmig XV. bem tarnen nach bie Regierung felbft antrat (16. gebruar 1723). 2)ieS änberte jeboch Vichts in ber ©taatSöerroaltung, ba ber $arbinal $uboiS in feiner ©teile als erfter 2Rinifter öerblieb. Qum ®lücf für granfreia) ftarb berfelbe im Sluguft beS gleichen 3af)reS. $lucr) ber £>erjog öon Orleans, ber fich nach $uboiS' $ob auf bie «itte beS ßönigS ba$u t»erftanben t)atte, bie ßaft ber ©efcf)äfte ttrieber p übernehmen, er* lag am 2. ^ejember 1723 ben folgen feiner SluSfchmeifungen.

SRach bem Xobe beS $>er$ogS öon Orleans übertrug ber nig auf ben föath gleurr/S bie Seitung ber (StaatSgefchäfte bem merunbbreifjigjährigen ^erjog öon 33ourbon*(£onb<$ , als bem näa> ften «ßrinjen öon ©eblüte. tiefer ftanb jeboch fo fefjr unter bem (Sinflufc feiner 93uhlerin, ber Sftarquife öon <ßrie, ba& biefelbe bie eigentliche 93et)crrfcherin granfreid)S mar. 9Iuf ihre SSeranftaltung mürbe bie jur Gemahlin fiubnrigS XV. beftimmte achtjährige fpa= nifcf)e 3nfantin SKaria Slnna, bie ju ihrer ©rgiehung nach granf* reich gebracht morben , nach SJcabrib jurüefgefchieft unb ber $önig am 16. öuguft 1725 mit 2Karia fiouife ßeScinSfa, ber Xodjter beS bamalS in granfreid) lebenben entthronten ^olenfömgS Stanislaus, öermählt.

$aS (Streben ber attarquife üon $rie , ben Söifdjof be gleurrj aus ber 9^ät)e beS Königs ju entfernen, bemog ledern, bem £erjog öon 23ourbon im Safjre 1726 bie Seitung ber (StaatSgefchäfte $u entziehen unb biefelbe bem breiunbfiebjigjährigen gleurtj felbft ju übertragen, bem ^ßaöft SBenebift XIII. im folgenben Safere ben $urpur öerliet). $ie fteb5et)nj[är)rigc bis ju feinem $obe (1743) fortgefefcte (StaatSöermaltung gleurr/S mar eine 2öot)ttc)at für baS erfchööfte granfreich, inbem er öor 2Wem barauf bebadjt mar, bem Sanbe ben grieben ju erhalten, burch toetfe ©parfamfeit bem jerrütteten (Staatshaushalte aufzuhelfen, burch görberung beS £>anbels, beS ^cferbauS unb ber SÖcanufafturen , fomie ber fünfte unb Sßiffen-- fchaften ben SBohlftanb unb baS Slnfehen ber Nation ju erhöhen unb jugleict) bureb bie £>ebung ber Sanb- unb Seemacht bem deiche bem SluSlanbe gegenüber bie gortbaucr einer achrunggebietenben Stellung $u fiebern.

^oIjtDttrt^ ©eltßef^te. VI. 19

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290

Spanien unter W^PP V.

XVII.

Spanien unter TfQMpp V.

(1700—1746.)

^Ijtfipp V. befaß bei Dieler natürlichen ©urmütt)igfeit burdjauS nicht bie G£igenfchaften eines #errfcherS. 9cur im Stolje feinem (SJroßöater Submig XIV. ähnlich, mar er trägen ©eifteS, unentfdjloffen, unfähig $u jeber Anftrengung unb aller Arbeit abgeneigt. j$n ocr erften Qtü fetner ^Regierung ftanb er gan§ unter ber $errfdjaft feiner Gemahlin äRaria fiouife üon Saootyen; boct) mar nicfjt fte eS, meldtje bie Angelegenheiten beS fianbeS leitete, fonbern it)re Dber* hofmeifterin, bie $rinjeffin Urfini1), bie buret) bie Ueberlegenheit it)reS ÖJeifteS einen fo bebeutenben (Sinfluß auf baS ÄöntgSpaar er* langt hatte, baß bie £errfd)aft über Spanien thatfächtich in ihrer £mnb lag. Sßad) bem Xobe ber Königin nährte fic, trojj ihres bor= gerüeften Altert fie ^atte bamals fcf)on baS fiebjigfte SebenSjahr überfchritten bie Hoffnung, bie SJcaintenon öon Spanien ju mer* ben ; ba $hUtpp V. jeboch, obgleich jur SBieberöermähtung entfdjloffen, feine fiuft trug, bem ©eifpict feinet ßkoßoaterS *u folgen, fud)te fte ihm eine Ökmaljlin 31t oerfdjaffen, oon roelcher fte feine Sdjmälerung ihres (SinfluffeS ju befürchten fyabt, unb benahm fkh barüber mit bem (SJefchäftSträger beS $er§ogS öon *ßarma am fpanifchen #ofe, 3uüuS 9L l b e r 0 n i, ber fid) ihr öotfeS Vertrauen ju ermerben gemußt.

tiefer reichbegabte 2ftamt, ber Sohn eine* ©ärtnerS in ber 9cähe öon ^Siacenja, ^atte fich, nachbem ihm burdj ben ©tfchof öon ^iacenja ber (Eintritt in ben geiftlichen Stanb ermöglicht morben, burch ©eift unb GJemanbtheit bie ®unft beS £>erjogS öon SBenbome ertoorben, ber ihn als Kaplan unb Sefretär in feine 3)ienfte nahm. Stach bem Xobe Venbome'S, ben er nach Spanien begleitet ^atte, mar er üon bem $er$og öon $arma $u beffen ÖJefanbten am £>ofe $u üUcabrib ernannt unb in ben ©rafenftanb erhoben morben. Aber fein @hr9eU ftrebte nach einer einflußreichen Stellung in Spanien felbft ; bat)er fdjlug er ber $ßrin$e|fm Urfini jur ©emahKn SßhiUppS bie Richte beS ^er^ogS üon Sßarma, ©lifabett) Sarnefe, üor, unb ba er ihr biefelbe als eine geiftig befchränfte, anfpruchslofe unb lenffame Sürftin fdjilberte, bie feinen ©hrgeij renne unb nur Sinn habe für $ufc unb Xänbeleicn, fnüpfte fte fogleich mit bem $>ofe öon Marina Unterhanblungen an, in golge beren bie Vermahlung

1) 3)iefe merfmürbiae ^xau &>ar eine ftran^Öftn aus bem $aufe %xt- mouiue unb bie SBittroc grlat>iu Orfini'S, ^erjogS tum Araccano, mit meinem fte fid) nach bem im Saljre 1675 ju Korn erfolgten £obe ihre« erften ®e* maljleS, eine» grinsen üon £()alai3, üenuüfjlt tjatte.

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Spanien unter Wtipp V.

291

Klipps v mit ^(tfabet^ garnefe am 17. September 1714 burdj Ißrofuration tjottjogen mürbe.

2)ie neue Königin mar inbeffen in allen Stödten ganj baS <$egentf)eil t»on bem, maS bie Sßrinjefftn Urfmi nadj Sllberoni'S Sdnlberung ermartet r)attc. <ftad) bem SluSfprudje 3ricbricr)d beS (Srofjen „ftolj mie eine Spartanerin, fmrtnädig mie ein (Englänber, fein mie ein Qtaliener unb lebhaft mie ein granaofe", öerbanb fie mit einer ungemeffenen ^errfäfudjt ben unbeugfamften ©igenftnn unb eine ungemöfjnlidje m ühntieit. %U bie Sßrinjeffin Urfini, beten (Entfernung oom fpanifdjen £ofe bei ifjr bereits befd)loffene Sadjc mar, fte in ©uabalajara, moljm fie it)r entgegengereift, in ber fixeren (Srmartung begrüßte, in Ün* eine bantbare unb fügfame ÖJe« bieterin gu finben, fing (jlifabetfj obne aßen <&runb Streit mit ifjr an unb befahl fcr)lte^ücr) bem 2lnfüf)rer ber ßeibmadje, fie Don ber „alten Xrjörin" ju befreien. Qfyrem S3efef)le gemäjj mürbe bie ^ßrinjeffin, trojj ber minterlidjen $älte unb iljrer leisten $leibung, fofort in einen SBagen gepadt unb über bie fpanifdje ©renjc ge- bracht, ©anj (Europa ftaunte über biefe 93ef)anblung einer 3rau, meiere Spanien fo lange nid)t ofme (Einfidjt regiert r)atte. Sub* mig XIV., ben man, unb üielleidjt nid)t o^ne ÖJrunb, befdjutbigte, bei ber gangen Sadje bie #anb im Spiele gehabt ju Ijaben, meil bie ^ßrinjeffin fidj nidjt in allen Stücfen feinem Sßiflen gefügt, em- pfing fie ju $ari3, gmar falt, aber ad)tungSt»oII, unb mieS il)r einen jgatyrgeijalt öon bierjigtaufenb ßiöreS an. Sie felbft ertrug ifjren Sturj mit mürbeooller Saffung unb mar nod) im SBoHbeftJe ifjrer geiftigen JJrifdje unb fiebEjaftigfeit, als fie am 5. $ejember 1722 3u föom im Hilter öon aerjt^ig Qaijren ftarb.

3nbeffen fjatte bie Königin (Slifabetlj alsbalb über iljren fdjmadfen ®emaf)l, bie gleite ©emalt erlangt, mie feine erfte ©e* maf)linr unb rjetrfcr)tc bafjer audj über Spanien, mie öorbem bie Urfini. ®a iljr jebod) für bie fieitung ber StaatSgefdjäfte bie nö* ifjigen Äenntniffe festen, überlieg fie biefetbe gang bem Hftanne, ber ben erften ©runb ju if)rer (Srfjöljung gelegt. 2(n bie Spifce ber Sermaltung geftellt unb jum fpanifa^en QJranben ernannt, bot Sflberoni, meinem $apft Siemens XI. bie ®arbinalsmürbe öer- licr) , SllleS auf , um baS 2lnfef>en Spaniens mieber ju ber frü* Ijeren $>öl)e emporjufjeben, unb feiner Xfjatfraft unb Umfielt ge* lang eS, Drbnung unb Sparfamfeit in baS gemittete Staatsmefen gu bringen, 9lcferbau, ÖJemerbe unb §anbel neu ju beleben unb eine anfe^nliaje Seemaa^t gu f Raffen. 2)abei nal)m er jeboer) nicr)t bie geringfte SRürffidjt auf bie 9ftedf)te unb Sreifjeiten beS 23olfeS; t»on einer ^Berufung ber Portes mar feine Siebe mef>r, unb bie Sßro* oinjen, bie im Grrbfolgefrieg ju Äarl III. gehalten, mürben mie eroberte fiänber be^anbelt. Wudj blieb Sllberoni'S S^rgeij bei ben

ic

292

Spanien unter ^tyilipp V.

in ber Skrmaltung eingeführten SScrbefferungen nidjt fielen. Spa^ nien füllte nierjt nur innerlich neu erftarfen, fonbern aud) bie SluS* beljnung unb bie pofttifdje ©ebeutfamfeit mieber erlangen, bie eS unter ®arl V. unb ^iüpp II. befeffen. Xrofc ber entgegenftefjen* ben SBeftimmungen beS lltredjter griebenS narrte er, im $tnblicf auf bie fdjmadje (55efunbt)eit SubmigS XV., bie für benfelben fein langet fieben ermarten lieft, in $r)Uipp V. bie Hoffnung, ben %^xon feines ©rofcöaterS $u befteigen; ber Königin (Sli)abet^ aber, bie ü)re Söfme mit fremben gürftentljümern auSgeftattet ju fe£)en münfdjte, meil jmei ^rinjen aus Sßfjüippa erfter (Slje ifmen bie SluS- ficr)t benahmen , auf ben $fjron Spaniens felbft ju gelangen , öer* fpradj et, ju btefem Stüecfe bie an Cefterreid} übergegangenen ita* licnifc^en $ebenlänber Spaniens jurücfjuerobern , auf meldje $fji= lipp bis balnn noefj ebenfomenig förmlid) SBerjidjt geleiftet, nrie Sari VI. auf Spanien felbft.

Um bie $crmirflid)ung btefer ehrgeizigen $länc anjubafjnen, näherte Sllberoni fid) ben Secmädjten unb fudjte junäc^ft ben ftö* nig ®eorg I. öon ©nglanb, ben Sftadjfolger SInna'S, buref) bas $Kn* erbieten , bie ©efdn*änfungen beS cnglifdjen #anbeIS mit Spanien ju ermäßigen, bie nod) ftreitigen fünfte beS «ffiento (f. S. 211) auszugleiten unb mit Snglanb einen bortfjeüljaftcn $anbelSöertrag ju fdjiicfjen, für ein ©ünbntfj mit Spanien ju gewinnen. $ie eng* iifdje Regierung hielt es jebod) für mistiger , bura? ben SInfdjhig an granfreidj bem ^rätenbenten Safob III. bie Unterftüfcung bc& Regenten ju entgehen ,. unb ba biefer felbft bura) bie $läne Silbe- ront'S fein ©rbredjt auf bie franjöfifdjc #rone gefä^rbet faf) , fam es , ftatt JU einem fpanifaVenglifa)cn Söünbnig , ju einem folgen Smifc^en Snmfreid) , (Snglanb unb £>ottanb , baS am 4. Januar 1717 gefdjlofien mürbe. $er Regent öcrfprad) in bemfetben, ben $rätenbenten über bie 3(Ipen ju Raffen; bagegen Ieiftete ©nglanb ©ernähr für bie ©eftimmung beS Utrerfjter griebenS , nadj melier für ben gatl *>er ©rlebigung beS franjofifdjen %f)xon& bura) ben Xob SubmigS XV. bem £>aufe Orleans bie 9*ad)fofge $ugefidjert mar. $effcnungead)tet öer$id)tete SUbcrom ntd)t auf feine $(äne; er befdjlofe öielmet)r, aflein ju ben SBaffen ju greifen, unb fanbte im 3uli 1717 eine glotte öon amölf ftriegSj Riffen mit einem Sanb- heere öon nenntaufenb 9)fann öon Barcelona naa? ber Qnfel Sar= binien ab, bie nad) furjer ©egenmefjr erobert mürbe. $en gleiten (Srfolg hatte ein im nädtftcn 3af)re unternommener Angriff auf bie 3njel Sicilien.

$>ie golge biefeS griebcnSbrudiS mar ber 2lbfdm§ eines gegen Spanien geridjteten SöünbniffeS jtüifctjen bem Scaifer , (Snglanb unb granfreid), ba« am 2. ^uguft 1718 jn Staube fam unb mit 9tücf^ fidjt auf ben fidjer ermarteten beitritt £oüanbS, bie Ouabrupek

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(Spanien unter WtipP V.

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Sniiana genannt mürbe. Sßadj ben äWifcf)en ben SBerbünbeten üer= rinbarten SBefttmmungen foUtc ber Äaifcr in aller gorm auf bie fpa= nifdfje 9Jconarcfne SBerjicfjt leiften unb Philipp V. aufgeforbert werben, baS ßtfeidje bejüglicrj ber an ben $aifer übergegangenen fpanifd)en Scebenlänber ju tlmn, Saöorjen baS if)tn im Utrea)ter grieben p er!annte Sicilien an Defierrcid) abtreten unb bagegen Sarbinien erhalten , bem älteften 6o£)ne ^fu'ftypS unb ©lifabetl)* aber bte Tuartfdjaft auf SoScana, Sßarma unb $iacen$a juerfannt werben, ba in biegen fiänbern bie männlichen fiinten ber Käufer SERebict unb garnefe bem SluSfterben nahe waren.

SBäljrenb ber fterjog öon Saöoüen auf ben öon ihm öerlang> ten unüortheilhaften Xaufdj ofme SBiberfpruch einging, üerweigerte Spanien bie 2lnnaf)me ber tlmt gemalten SSorfdjläge, weil bie bem fpanifdjen ^rinjen in SluSficht gefteüten fiänber Weber SÜberoni noc§ ber Königin (Slifabeth genügten.

Um ben gorberungen ber Duabrupel^Hianj Sftachbrucf ju ge= ben, fanbte ©nglanb eine glotte unter bem Slbmiral Song nach bem SJcittelmcere, unb am 11. Jluguft 1818 tarn eS beim Gap $ äff aro einem Xreffen , in meinem bie fpanifdje glotte eine üoüftänbtge 9cteberlagc erlitt. Sllberoni, ber baS Vorgehen ©nglanbS für einen SBrud) beS S8öIferrcct)tS erflärte, obgleich er felbft burch bie Eroberung ton ©arbinten unb Sicilien ben grieben gebrochen, öerlor trofcbem ben 9Jcutfj nicht; benn er fefcte große Hoffnungen auf ben öon bem fchwebifchen SKinifter ©örj entworfenen unb öon ihm unterftüfcten ^ßfan eines Singriffs ßarls XII. auf Schottlanb , jum ©e^ufe beS Sturzes beS r)annööerifdjen %fyxontä unb ber Söieberetnfefcung ber Stuarts (f. S. 261 f.). $(ucr) foHte Defterreid) burd) einen neuen Slufftanb ber Ungarn in SBerlegenhett gebracht, ber ^erjog=9tegent öon granfreich aber burdj eine öon Sllberoni gewonnene Partei am fran= ^öftfehen £ofe feftgenommen unb an Spanien ausgeliefert werben. 35te ©ntbetfung biefer öon bem fpanifchen ÖJefanbten Seßamara in IßariS geleiteten Söerfdjwörung, fowie ber unerwartete Xob ÄarlS XII. burchfreu$ten bie s$läne Sllberoni'S, unb als granfreich unb (£nglanb am 9. 3anuar 1719 eine förmliche HriegSerflärung an Spanien ab- ge^cn ließen, mußte er erfennen, baß fein (Sfjrgeij fich §öi)tx öerftie* gen, als bie Gräfte Spaniens reichten. SBon einem franjöftfchen $UfSforpS unter bem (SJeneraflieutenant (trafen Söonneüal unterftüfct, eroberte ber faiferliche (General ÖJraf 9Jcercü im Qa^re 1719 Stci= lien jurüef, unb ju ber gleiten 3eit überfct)ritt ein franjöfijcheS $>eer öon bretßigtaufenb 2ttann unter SBerwicf bie fpanifdje ©renje, befefcte ©uipujcoa unb brang ftegreidj in Katalonien ein.

SBäfjrenb bie Sage ^Iberoni'S fich unter biefen SSerfjältniffen immer Schwieriger geftaltete, würbe jugleicr) an bem £ofe üon Sttabrib ber ©oben untergraben , auf welkem baS ©ebäube feiner

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Spanien unter W^PP V.

2ftadjt errietet mar. Um bie Königin ©ttfabetl) für bie ©eftimmungett ber DuabrupekSWianj ju genrinnen, fteflte ifyr ber $>eraog=$Regent als $ret3 ber 2lnnal)me berfelben bic SBermäljlung tf)rer Xod&ier mit Subtüig XV. in «u*fu$t, unb biefeS SRittet führte $um 3ielc. $em Verlangen ber SBerbünbeten entfpredjenb , 30g ©lifabetf) ifjre £>anb öon bem 9Kanne ab , meldjer ber |>erftellung beS grieben« im Sßege ftanb, unb am 5. ftejember 1719 erhielt Sltberoni ein föniglia^eä ©abreiben, baS iljn aller feiner ©teilen entfette unb iljm aufgab , binnen öierunbjmanjig ©tunben Sttabrib unb innerhalb acfjt Xagen ba3 ®önigreid) ju öerlaffen. (£r feljrte nadj Stalten jurücf, mo er, naa^bem er längere Seit in 9lom gelebt, öon ^apfir Siemen^ XII. jum ßegaten öon föaöenna ernannt mürbe, ©eine 9teidjtf)ümer öertoenbete er meiftenS jur ©rünbung verriebener 2öof)ltf)ätigfeit3anftalten unb jog fid> autelt nadj ^iacenja jurürf. £ier ftarb er 1752 im 2llter öon gmeiunbneunjig Qabren.

Wad) ber Entfernung TOeroni'3 fam am 26. Januar 1720 im §aag ein triebe ju ©taube , in mettfjem , ben urfprünglidjen Söefttmmungen ber Quabntpet^llliana gemäfe, ber flatfer auf bie fpanifefte 9tfonard)ie unb ?f)ilipp V. auf bie italiemfäen «Rebenlänber berfelben Serjidjt leiftete , bem fpanifajen Infanten (£arlo3 , bem ätteften ©ofmc ber Königin ©lifabetf), bie Slnmartfdjaft auf fana, *ßarma unb ^iacenja bei bem Wu&fterben beä 9tfanne3ftamme3 ber SRebici unb garnefe juerfannt unb bem &erjog öon ©aöonen für ba3 an Defterrcid) abgetretene ©icilien bie 3nfel ©arbinien mit ber ®önig3toürbe äugefprodjen nwrbe.

2ln 2Ubcroni'3 ©teile trat ber fpanifdje ®raf föipperba, ber nadj bem Aufgeben beä $rojeft3 bejüglid) ber $8ermäf)lung £ub* mig« XV. mit ber fpanifdjen Snfantin Don ©eiten granfreidja (f. ©. 289) einen 2lnfcf>lu& ©panien« an Defterreidj benrirfte. 9laa)bem er im Saljre 1726 in golge feiner Unfctyigfeit entlaffen morben, mürbe ber genuefifäe ©raf ®rimalbi ber 9iatf)geber ber Königin <Sltfabetf>. W^PP V. felbft, ber im 3af)re 1724 in einem Unfall öon ©c^mermut^ unb ©enriffenäangft bie trotte ju (fünften feine« ätteften fiebjefinjäljrigen ©ofyneä fiuburig nteberge- legt, nac§ beffen ba(b barauf erfolgtem Xobe aber ben Xfjron auf* 9*eue beftiegen, 50g fidj in golge feine« madjfcnben SrübfimtS, ber fid) jeitmeife ju öoflftänbtger ®eifte3jcrrüttung fteigerte, mef)r unb mefjr öon aßen ÜlegterungSgefdjäften , nrie überhaupt öon ädern S3erfefjr mit ber 2Bclt jurücf. Dft fonnte er Monate lang nia^t ba^u bemogen merben, ju SBcttc ju ge!)en; bann ftanb er mieber SKonate lang gar nia^t auf, liefe ©art unb S^ägcl maa^fen unb fonnte nur mit großer 9ttulje baju gebraut merben, bie Söäfa^e ju mea^feln. famen mofjl auc^ mieber 3«iten, mo er fia) etma* reger jeigte; bod) maren fie immer nur öon fur$cr X)aucr. Qnk^t

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(gnglanb unter ®eorg I. unb ©eorg II.

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tonnte man nur nod) burdj fiift für bie micfjtigften ©rfaffe feine Unterfcfjrift erlangen. 2(uä feinem langen geiftigen ©ied)tf)um er* löfte ifm ber Sob am 9. Quli 1746.

xvra.

gttflfanb ititfer $eotfl I. (1715—1727) unb $eotg II.

(1727-1760).

$ie Königin Slnna überlebte bie ©eenbigung be£ foanifdjen ©rbforgefriegeS , ber ben #auptmoment iljrer föegierungägefdjidjte bilbet, nur um menige Monate: fie ftarb am 1. Shtguft 1714. gür bie inneren SBerfjäftniffe beS brttifdjen SReidjeä mar itjre Regierung befonbera mistig burdj bie am 1. 2Rai 1707 oottjogene SBer* einigung (£nglanb& unb ©djottlanbS gu bem ®önigreidj <3Jro&* britannien. $a bie 9flet)rf)eit ber ©Rotten mot)I erfannte, bafc buref; biefe Union baä felbftftänbige ßeben it)re3 fianbeS oernicfjtet unb ba3 ®önigreid) ber S)uncan3 unb äftalcolmS 511 einer <ßroöina beS mäajtigen 9tad)barftaate3 Ijerabgebrücft merben mürbe , mar ben englifcfjen Sftiniftern nur mit Üttü^e gelungen , bie lättgft be* fc^Ioffene 9Jcagregel burdfoufefcen. £>ie Parlamente beiber föeidje mürben oerbunben unb bie befonberen Siechte ber ©djotten aufge* Ijoben. 9tur bie fdmttifdje ftirdje behielt itjrc eigentümliche 23er* faffung unb mit berfetben ber bifd)öflid)en ®trcf)e (Snglanbä gegenüber i$re öotle ©elbftftänbigfeit.

W\t mir oben (©. 169) gefetyen, mar burdj bie auf SBeran* laffung SSilfjelmä III. im 3a^re 1701 oon bem Parlament er* laffene ©ucceffionSafte bie Xfyronfolge in berart feftgefefct roorben, bajj nur biejenigen SIbfömmlinge be3 £>aufe3 ©tuart , bie fid) $ur proteftantifcfjen Üirctye befannten ober befennen mürben, in ben S8e* fifc ber $rone Gmgfanbä gelangen foflten. 5)aburd) mar , ba oon Slnna'S breijefm Sftnbern feines am Seben geblieben , bie t)ocrjbe* tagte oermittmete ®urfürftin Sophie oon $annooer, als bie (Snfelin Jtafoba I. üon beffen £ocf)ter, ber ^pfaljgräfin ©lifabett), bie näd)ft* berechtigte Xt)ronerbin gemorben. ^nbeffen münfdjte bie Königin 2Inna, ba fie bie Sluäfdjliefiung it)re$ 93ruber$ 3afob oon bem eng- lifcfjen Xtjrone für eine unredjtmäBige hielt, eine $lenberung ber feftgefefcten £t)ronfoIgeorbnung ju ÖJunften it)reä Neffen, be$ $tö> tenbenten Qafob III., t)erbeijufüljren , unb fettbem bie bem $>aufe ©tuartd geneigten Xorieä mieber anä SRuber gefommen, fcr)icn biefeS ©treben größere $lu3fid)t auf (£rfolg ju t)abeu. Xod) noch et)e etma$ ©ntfcr)eibcnbcö in biefer SBejiefmng t)attc gefdjcfjen fönnen.

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Gngtcmb unter ©eorg L imb ©corg II.

machte bcr £ob ber Königin bcit Veforgniffen ber 2Sf)ig3 bezüglich bcr föücffehr ber Stuarts ein (Snbe.

$a bie Shtrfürftin ©ophie am 8. 3uni 1714 geftorben mar, ging baS Erbrecht auf ihren ©olm, ben bereits im fünfunbfünfsig= ften fiebenSjahre ftehenben Äurfürften ®eorg Submig über, unb als berfelbe am 18. ©eptember 1714 in ©reenmidj lanbete, mürbe er freubig empfangen unb beftieg ofme SBiberiprud) als ® e o r g I. ben 2f)ron, morauf er bie bisherigen SJänifter entliefe unb ein neues SJcmtfterium auS entfduebenen SSljigS bilbete.

Cftne ^ö^ere geiftige SBilbung unb djeroanbthett unb ber eng* lifdjen ©prache nicht mächtig, überliefe ®eorg I. bie Regierung öott* ftänbig feinen SJciniftern , unter benen Robert SB a l p o l e , ein frtebliebenber , einfidjtSüolIer , aufeerft u)ätiger Staatsmann unb ge* manbter parlamentarifcher Kämpfer, als ®anjler ber ©chafcfammer ben meiften (Sinflufe erlangte. $er nad) (Snglanb jurüdgefehrte Sttarlborough erhielt aufs 9ceue ben Oberbefehl über baS £eer; bagegen mürben bie brei £>äupter beS aufgelöften EorüminifteriumS, ©olingbrofe , Ormonb unb Dfforb , megen beS Utrechter griebenS unb roegen SBegünftigung beS Sßrätenbenten in SInttagcftanb öer= fefct. ©olingbrofe unb Drmonb entjogen fid) ber ifmen broljenben 58er^aftung burch bie gludjt nach bem geftlanbe, mährenb Dyforb in ben Xomer gefefct mürbe, mo er öerblieb bis im 3at)re 1717 feine gretfprea^ung erfolgte, Volingbrofe erhielt im 3=ahre 1723 bie (Srlaubnife jur 9tudfehr nach ©nglanb unb befajäfttgte fid) feit» bem, ba man i$m feinen ©i& im Oberläufe nicht jurüefgab, haupt* fächlich mit Wriftfteflerifchen Arbeiten (f. ©. 177).

Unterbeffen hatte ber <ßrätenbent 3afob III. , ber fidj feiger in Lothringen aufgehalten, ermutigt burch bie Unjufriebenheit ber ©Rotten über bie Union mit ©nglanb, ben (Sntfchlufe gefaßt , nach ©djottlanb überaufefcen, um ben Verfud) §u machen, menigftenS bie fdjotnfche ®rone §u erlangen. 3n ber %fyat erhoben fidj, nachbem ber ®raf 9Jcar bie gähnt ber Stuarts aufgepflanzt unb ben *ßra= tenbenten ju (Saftletomn als Qafob III. jum $önig ausgerufen, gasreiche SJafeöergnügte für ihn; bie englifchen SJanifter trafen jeboch , öon bem Parlamente auf baS ftachbrücfuchfte unterftü^t, fofort energifche ©egenmafercgeln. Nachbem auf ben ®opf beS $rätenbenten ein SßreiS öon einmalhunbcrttaufenb $funb gefegt roorben, mürbe bie §abeaS*(£orpuS*$lfte fuSpenbirt unb ber ^erjog öon 5lrgöle mit einer ftarfen Xruppenabtheilung nach ©djottlanb gefdudt. 2Bäf)renb biefer einen Xheil ber Safobiten unter bem ©rafen 9tfar bei S)umblain jurücffchlug unb baburd) ihre Vereinigung mit benen im ©üben öerhinberte, mürbe ihre übrige Sftacht burch ben ©eneral Sarpenter bei ^refton jerfprengt. ©o fanb ber $rä= tenbent bei feiner fianbung in ©chottlanb feinen ganjen Slnfmng §er*

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©nglanb unter ©eorg L unb ©eovg DL 297

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ftreut unb falj fich nach einem furjen Aufenthalt ju Pertf) genötigt, nach granfreich jurüefpfehren. £>rei fiorbS unb eine große Slnjahl geringerer Anhänger ber ©tuartS büßten it)re $8etf)eiligung an bem tmßglücften Slufftonb mit bem ßeben.

(Sine mistige Neuerung aus ber Regierung (UeorgS I. mar ber (Srlaß ber fogenannten „©eptennial3$8ill," burdj roeIcr)c bie bis* herige breijährige $)auer beS Parlaments in eine ftebenjährige ber- toanbelt mürbe , fo baß fortan nur alle fieben 3a^re 9kuroa!jlen vorgenommen mürben. Unter bem (Sinfluffe biefer in beiben #äu* fem mit großer Majorität burchgegangenen 2krfaffungSänberung entmicfelte ftdt> in bem gleiten (Srabe , in meinem burdj biefetbe bie 3Kaa)t ber SBolfSüertretung gehoben mürbe, für baS neue §err= fcfjcrhauS eine größere Abhängigfeit üon ber ©emalt nationaler Anfcrjauungen unb Sntereffen, fo baß im Saufe ber Seit für bie Könige öon (Snglanb immer fernerer mürbe, in ber Regierung if>re eigene Perfönlicftfeit geltenb ju machen , unb fie immer mehr als bloße SSürbenträger eines öon innem Gräften bemegten unb im ®ange erhaltenen ÖJemeinmefcnS erfdjienen.

Unter ÖJeorg L taufte in (Snglanb ein ähnlicher ©djhrinbel auf, nrie ilm baS Sam'fche gman$füftem unb bie ©rünbung ber 9fttffifippi*$ompagnte in granfreich erzeugt Ratten, ©in gemiffer Slount '^atte ber Regierung einen Plan öorgelcgt, nach welchem bie gefammte ©taatsfchulb auf bie neugegrünbete „©übfee*$om* pagnie" übertragen unb biefe baburdj jum alleinigen ©taatSgläu* biger gemacht merben foHte. ©o gemicfjtige ©timmen fief) auch gegen biefen Plan erhoben hatten , faub berfelbe boer) bie ®cnehs migung beS Parlaments, unb ba bie ÖJefeÜfchaft ungeheuere $or* theile in Ausfielt fteUte , beeilte fid) 3<*>ermann , feine ©dmlbf orbe* rangen an ben ©taat auf bie Kompagnie ju übertragen. $8alb barauf entftanb baS ©erficht , bie Regierung beabftdjttge , üon ©pa* iuen mehrere piäfce in Peru gegen Gibraltar unb Port äKahon einjutaufchen , unb ba man fich barauS für bie ©üb)ee=® ompagnie einen unberechenbaren ©eminn öerfprach , ftrömte Alles , ©taatS* männer unb ©ciftlic^e , 2Bf)igS unb XorieS, Geräte, 8aufleutc unb ®emerbtreibenbe, felbft ©paaren öon grauen, $u bem ßomptoir ber Kompagnie, um Aftien einjufaufen. Alle anberen Söeftrebungen unb ©cfcfjäfte mürben öernachläf figt : man fannte nur ben einen ©ebanfen , als Af tionär ber ©übfee5©efellfchaft in furjer Seit reich ju merben. ©o ftiegen innerhalb meniger Monate bie Aftiett ber Öefeüfchaft meit über ihren toahren SBerth- Sluct) entftanben , ba

üuuij

te, über hundert anbere ähnliche Unternehmungen, bie meift auf ben ftnnlofeften $orauSje$ungen beruhten, nichtsbefto* weniger aber miliige Xh«tnehmer fanben. Sie ©ummen, meldje

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298 gnglanb unter ©eorg t unb Gtorg II.

für alle biefe ©cfjroinbeleien erhoben ttmrben, Beliefen ftdj nad) einer ungefähren Slofdjäfcung auf brethunbert Millionen $funb Sterling.

Qnbeffen trat balb ber unausbleibliche SRücffchlag ein. S)ie Slftien ber ©übfee=Kompagnie, bie auf achthunbertneunjtg ^Srojent geftiegen roaren, fanfen auf einfjunbertfünfoig Sßrojent herab ; bie ber übrigen Unternehmungen mürben jum Xfjeil öoflftänbig ttjcrt^lo*. $5ie Solgen beS 9Ifricnfcr)toinbcIä traten jeboefj in ©nglanb in minber fehredfenerregenber SSeife ju Sage, als in granfreich, ba SSalpole, ber öon Anfang an bem ganjen Xreiben mit GHnfidjt unb 9kchbrucf ttriberfprochen ^attc, fofort jtoecfmäßtge Maßregeln ergriff, um ben angerichteten ©chaben auf baS geringfte 9flaß ju befcöränfen.

2luf SBalpole'S Borfdjlag mürbe jur ©rünbung eines XilgungS* fonbS für bie auf fünfzig Millionen (Sterling angeroachfene (Staate fdjulb ber SinSfuß öon fünf auf bier ^rojent herabgefefet. tiefer SonbS mürbe jmar fpäterhin nicht auSfchließlich ju feinem urfprüng= liehen ßroeefe oerroenbet; bennoch trug er roefentüch jur Hebung beS KrebitS unb baburch zugleich $ur weiteren (£ntroicflung beS ge= fammten SlnleihemefenS bei, baS für fönglanb eine um fo größere SBichtigfett hotte, als bie im 3ntereffe beS in immer großartigerer SSeife fidj entfaltenben englifchen $anbels= unb ©eroer bfleißeS für nothroenbig erachtete Behauptung ber ©eeherrfdjaft ftets neue Kämpfe erforberte, tt)clcf)c große Summen oerfchlangen.

35a ©eorg I. bie SSerhältniffe feiner beutfehen (Srblänber mehr am §erjen lagen, als fein Königreich, fo mürben biefelben oor* jugsroeife maßgebenb für feine auswärtige Sßolitif. ©o mar feine Betheiligung an bem norbifchen Kriege lebiglich eine Solge beS SlnfaufS ber ben ©chroeben burch Xänemarf entriffenen $>er$og* thümer Bremen unb Serben für fein Kurfürftentlmm £>annooer. 3n roelche Berbinbungen ©nglanb unter ihm mit ben übrigen europäifchen dächten trat, haben mir in ben oorhergehenben SIb* fchnitten gefehlt.

QJeorg I. ftarb am 22. Quni 1727 ju DSnabrücf, auf einer Steife, bie er in feine beutfehen (Srbftaaten gemacht, unb hinterließ ben englifchen Xhron nebft bem Kurfürftenthum £annoöer feinem ©ohne ©eorg II. 35a biefer SBalpole als erften 9Kinifter beibe* hielt unb bemfelbcn öoflftänbig freie $anb ließ, führte ber %^xon- roechfel in ber innern mie in ber äußern Sßolitif (SnglanbS feiner* lei 9lenberung tyxbti. 3n ben erften jroölf 3ahrcn ber neuen ^Regierung genoß ©uglanb bie ©egnungen eines ungeftörten 3rie= benS; bagegen mürbe im 3ahre 1739 ein Krieg mit ©panien begonnen, angeblich megen Beeinträchtigungen beS englifchen $an* bels in ben amerifanifchen Speeren oon ©eiten ber ©panier, tfyaU fächlich aber, roeil biefe ben öon ben ©nglänbcrn nad) ben fpanifdjen Kolonien getriebenen großartigen ©djleichhanbel nicht bulben roott*

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eitglcmb unter Gfeorg I. unb ©corg II

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ten unb baher bic $urd)fuchung ber englifchen Schmuggelfchiffe an- georbnet Ratten. Vergebens Ijatte ber friebliebenbe Sßalpole bic* fen #rieg burd) einen mit Spanien gefdjloffenen Vertrag ju Oer* hinbern gefugt; feine ^Bemühungen waren an bem (Sntgegenmirfen feiner geinbe, bie eine Gelegenheit ju feinem Sturje ^erbeijufü^reu toünfchten, fowie an bem ftürmifdjen Verlangen ber Nation ge* feheitert, burch SBaffengewalt bie ßöfung aller Seffeln herbeiju* führen, burch welche Spanien noch ben britifdjen Raubet in feinen amerifanifchen Kolonien einengte. 2)er Serlauf beS Krieges ent* fpradj jeboch ben oon ben ©nglänbern gehegten Erwartungen nicht, unb bie allgemeine Unjufrieben^eit wanbte fich gegen SBalpole, ben man befdjulbigte, bie $anbeläintereffen (£nglanb3 nicht genügenb gefchüfct ju höben. $a auch ber *)3rin$ oon SBaleä fich ber Oppo* fition analog, erhielt biefelbe ein foldjeS Uebergewidjt , ba& ®eorg II. feinen Efliuifter nur burch fofortige ©ntlaffung öor einer öffentlichen Anflöge fchüfcen fonnte (gebr. 1742); boa) be= funbete er ihm feine perfönlicfje Bufriebenheit burch feine (£r* nennung jum ©rafen öon Dsforb. SBalpole ftarb am 10. 3Jcär$ 1745 unb nahm ben 9tuhm mit inä ®rab, feine langjährige Verwaltung in feiner SBeife jur eignen Vereiterung ausgebeutet ju ^ben.

fturj nach bem Ausbruch ber geinbfeligfeiten mit Spanien fat) fia) ©eorg II. auch in ben nach bem Xobe ßaifer $arlä VI. aufgebrochenen öfterreichifchen @rbf olgef rieg ücrwicfelt, in welchem er auf ber Seite Defterreich* ftanb, währenb granfreich ein Vünbnig mit beffen (Gegnern, Spanien, Vaiem unb Sachfen, gcfchloffen hatte, unb bie großen Dpfer, Welche bie Vetheiligung an biefem Stiege ©nglanb auferlegte, fteigerten bie Unjufriebenhett ber Nation unb mit berfelben bie SDcacht ber Dppofirion im englifchen Parlamente.

£ie Verlegenheiten ber englifchen Regierung mürben erhöht burch einen neuen Verfudj ber Stuarts, ba3 ^annööerifcr)e $>auä öon bem englifchen Xhron $u ftoßen. Von granfreich unterftüfct, lanbete ber Stuart'fche ^rinj Äarl ©buarb, ber Sohn beä $rä* tenbenten Qafob III., nachbem ein erfter Verfud), mit einer bebeu* tenben Sanbmadjt oon fcünfirchen auf nach Schottlanb überju* fefcen, burch Stürme unb baä ©rfcheinen einer englifchen glotte oercitelt morben, am 27. Quni 1745, währenb ©eorg II. in $eutfd)lanb mar unb ber größte Zfytil feine* Speeres unter bem £>er$og oon (Sumberlanb, feinem brüten Sofjue, in ben 9fteberlan* ben ftanb, mit einem einzigen Schiffe unb nur wenigen Begleitern bei 9tfoübart an ber meftlidjen ®üfte oon Schottlanb. $er Anfang be£ Unternehmen* fchien glücfoerfprechenb ; benn bie Häuptlinge ber fchottifchen £ochlänber fchloffen fief) fogleidj bem ritterlichen Sprö&=

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(Snglanb unter ©eorg I. unb ©eorg II.

linge ihres alten KönigShaufeS an, unb mit ihrer #tlfe gelang e3 bem Sßrinjen, einen oon ©binburg gegen tlm entfanbten £>eer* Raufen jurücfjuf^lagen unb Sßerth jur ©rgebung $u swin^en, worauf ihm am 19. September and) (Sbinburg bie Zfyott öffnete. 9lad)bem er ^ier feinen SBater als König unb fleh felbft als Stegen* ten ber brei Königreiche ^atte ausrufen laffen, fdjlug er am 21. September bei $refton*$anS ein englifdjeS Korps oon oiertaufenb URann unb führte bann, als $o<hlänber gefleibet, feine betreuen, beren &a§l ftd) burd) ben Anfchtufj oieler alten greunbe feines #aufeS bebeutenb üergrößert l)attep über bie englifdje ©renje. Sdjon war er bis $)erbtj oorgebrungen, als baS Ausbleiben beS erwarteten 3ulaufS, fomie ber Langel an ©elb unb ©efchüfc it)n nötigten, oor ben mittlerweile aus ben Sfeieberlanben ^erübergerufenen unb Oon bem fterjog oon GSumberlanb geführten englifchen Xruppen nach Schottlanb jurücfyuWeichen, wohin ihm ber ^erjog nachfolgte. £ier erfocht er jwar am 23. Januar 1746 nod) einmal bei galfirf mit feiner Keinen Schaar einen Sieg; allein bie unter ben fa)ottifdjen Häuptlingen ^errfajenbe Uneinigfeit, ber er nicht #err ju werben oermochte, fowie bie gänzliche (Srfdjöpfung feiner ©elbmittel be* reiteten if)m fo groge Schwierigfeiten, baß er fid) nach ben $och* lanben jnrütfjie^en mu&te. Am 27. April 1746 wagte er bei u 11 o b e n eine entfajetbenbe Schlacht ; aber bie tobeSmutljige Xapferfeit ber £ochlänber oermochte 9UchtS gegen bie ©ajonette unb baS ©efcfjüfc beS übermächtigen geinbeS. (Sbuarb, beffen 9fte* berlage oollftänbig mar, oerlieg als glüchtling baS Schlachtfelb unb irrte mehrere üftonate in ben SBilbniffen beS $ochlanb*S umher. Obgleich ©eorg II. einen SßreiS Don breifeigtaufenb *ßfunb Sterling auf feinen Kopf gefefct ^atte unb englifdje Später jeben SBinfel beS ©ebirgeS burd)fud)ten, erreichte er, burd) bie Xreue unb Anfang« lid)feit ber £od>länber gefchüfct, glücfüc^ bie Küfte; boef? gelang eS i^m erft nach fünfmonatlichem gefahrvollen Umherirren auf ben weftlichen ©ilanben, ein franjöftfcheS Schiff $u finben, baS ihn nach Sranfreich jurüefbrachte. *Rad)bem er üon bort in golge beS ben öfterreidjifchen (Srbfolgefrieg beenbenben griebenS oon Aachen (1748) auSgewiefen worben, begab er fta) nach Italien, wo er fta) nach bem Xobe feines SBaterS (1766) mit einer ©räfin Stolberg Der* mahlte. ®r ftarb im3ahre 1788 $u 9tom, ohne Kinber $u hinter* laffen. 2Rit feinem trüber, bem Karbinal oon ?)orf, erlofch im 3ahre 1807 bie männliche Sinie ber Stuarts.

Ueber ©buarbS Anhänger lieg bie englifdje Regierung ein fchwereS (Bericht ergehen. Sttachbem bereits nach ber Schlacht oon ßuöoben baS fiegreiche £>eer gegen bie SBermunbeten unb ©e* fangenen in fdt)aucrlicr)er SBeife gewütet unb bie 93eft(jungen unb ÖJüter ber ju (SbuarbS Anhang jählenben fchottifchen ©rofeen Oer*

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Gnglcmb unter QJeorg I. unb ©eorg II.

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ljeert fiatte, würben olle gefangenen ^äuptfinge, fottrie m'ele anberen ^eröorragenben Än^anger ber Stuarts, unter ifjnen ber ©raf #il= ntamof unb ber fiorb Söatmerino, jum Xobe öerurtfjeilt unb fjmge* rietet, mafjrenb jafjlreiaV anbere im Werfer ftarben.

$en ®att)oIifen brachte ber Uebergang ber englifdjen ®rone an baS fjannööerifdje £auS feinertei ©rleidjterung, roeber in ©ng= lanb nod) in 3rlanb. ©in im 3afjre 1737 im engufa)en Sßaria* mente gefteHter Antrag, bie Xeftafte aufgeben, nutrbe mit bebeu* tenber Majorität abgelehnt, „meit jeber ©taat einer ©taatsfirdje bebürfe unb bie befte^enben ©efefce pr #eru)eibigung unb Huf= redjtfjaltung berfetben noujmenbig feien; es aud> red)t unb gefe(jlia) erfdjeine, §eben, ber biefe 2lnfid)t nidjt tfjeile, öon allen Remtern auSjuf abliefen." 3n Srlanb mottte man nia^t einmal baS 2>afein ber #atf)ottfeu gefeilter) anerfennen, unb gegen bie Söebrütfungen unb 2Jftf#anblungen ifjrer proteftantifdjen ®utsl>erren gemährte fein ©eridjt ifjnen ©dmfc. Xrofc i^rer Slrmut§ mußten fie niajt nur if)re ^riefter fctbft unterhalten, fonbern aud) bem Ijeerbenlofen angli* fanifdjen IHeruS, bem über jmei TOHionen ÜKorgen SanbeS über* nriefen morben, ben Befjnten entria^ten unb ftdj unbarm^erjige 2lu3* faugungen gefallen laffen.

@eorg II. ftarb am 25. Dftober 1760, im Sllter öon fieben* unbpeb5ig Qa^ren, mitten unter ben SBirren beS fieben jährigen Krieges, an meinem er als SöunbeSgcnoffe feines Neffen griebridjS beS (SJrofjen Xrjcil naf)m, unb eines gleid^eitigen ©eefriegeS @ng= lanbS gegen granfreidj. $a fein ältefter @o!m griebria) Submig bereits im 3af>re 1751 geftorben mar, folgte ifjm auf bem Sfjrone fein ©nfel als ©eorg III. (1760—1820).

$ie englifd)e Siteratur, auf bereu gortentttrirflung ber £of, im (Segenfafce ju bem franjöfifdjen, oljne (Sinflug blieb, weil folooffl ©eorg I. als ©eorg II. faum mit ber 6pradje beS SanbeS Oer* traut maren, trieb im adjt$efmten Safjrfyunbert auf bem (Gebiete ber ^oefie fmuptfädjlitf) nur in ben untergeorbneten (Gattungen: ber (Satire, bem Vornan, ber befdjreibenben, bibaftifdjen unb reflef* tirenben SHdjtung, reifere ölfitfjen ; $rama unb @poS maren, gletcr) ber lörifdjen ^oefie, nur bura) öereinjelte, im Allgemeinen menig bebeutenbe (Srfdjeinungen oertreten.

25er geiftreieftfte unb barum audj ber gefürajtetfte 6atirifer mar 3onau)an ©roift, geboren 1667 in Dublin als ber ©olm eines bort anfäffigen (SnglänberS. 3)urdj bie Sßott) ju bem ©tubium ber Geologie getrieben, für roeldje er als falte, fjod>müu)ige unb negatioe 9tatur burdjauS nidjt geeignet toar, geriet^ er auf oiel- fad^e Slbmege, mifajte fic^, unter häufigem SBedjfel ber ^arteiftel*

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(Englanb unter ©eorg I. unb ©eorg II.

lung, in bie ^olitif unb ftarb, nadjbem er ftcfj nadj allen Seiten fnn Dermalst gemalt, im Qafjre 1745 im SBaljnfum. Unter feinen fatirifct)cn Söerfen fyabtn, neben feinem „2ftärdjen Don ber Xonne," in »eifern er bie berfdjiebeuen (Sonfeffionen al3 feinblidje ©cgen* fäfoe ju bem magren (£fjriftentlmm barjufteßcn fudjt, „(Mlliberä Reifen/ eine Satire auf ba3 politifdje unb nriffenfdjaftlidje Seben <£ng(anb3 t>od §a6 gegen bie 9Renfd$eit unb falter 2Renfd)ent»er* ac^tung, am meiften iöerüljmtfjeit erlangt.

Unglei^ ebler gehalten ftnb bie Satiren 3°fetf) SlbbifonS (geb. 1672, geft. 1719), ber mit einem unüermüftlidjen £umor unb einer unerfcfjöpflidjen (Erfinbungägabe einen ungemein gemanbten unb anjieljenben Styl oerbinbet. 3m Vereine mit feinem 5*eunbe 3*ict)arb Steele (geb. 1671, geft. 1729) grünbete 2Tbbifon ben „Spectator / eine fpäter unter bem Xitel „Xfje ®uarbian" bon Steele allein fortgefefcte SBodjenfdjrift , meiere fu$ bie Aufgabe ge* ftellt, bie Ijerrfcfcenben Xljorfjeiten unb SBerfeljrtljeiten balb mit tuürbeboHem <£mft, balb mit Spott unb fdjarfer JJronie an« SHdjt $u jieljen unb in treffenben GHwrafterbitbern ein Sittengemalbe jener 3eit ju liefern. ®ro&en 93eifaU fanb audj Slbbifonä Xrauerfpiel (Xato, baä nadj feinem (£rf djeinen im Qaljre 1717 einen ganzen Sftonat lang Xag für Xag unter ungeheuerem Sudans beä *ßubli-- fumä jur STup^rung gebraut unb bon Voltaire für „bie erfte ge* niefjbare Xragöbie, bie ein (Snglänber gebietet/ erflärt mürbe, nidjtäbeftomemger aber ben Seroeiä liefert, baf$ bem SScrf affer bei allem fonftigen fajriftfteDerifä^en latent an matjrljaft poetifd&er Begabung burdjauS fehlte.

Stuf bem (Miete be8 föomanS ift junädjft Daniel $efoe (geb. 1661, geft. 1731), ber SBerfaffer beS bielgelefenen, auf einer magren Gegebenheit beruf)enben S3olf3budje& „SRobinfon (Srufoc," $u ermähnen. Samuel 9Ud)arbfon (geb. 1689, geft. 1761) fdjrieb gamilienromane in Briefform, bie bon großem fittlidjem (Srnft, fo* mie bon untrennbarem Xalent für tä)axattn> unb Sittenfdjilbe* rung jeugen, jebod) $u fet>r in bie ©reite gebogen finb unb bie Slbftdjt be« SRoraliftrenS attju beutlid) h«öortreten (äffen. (Sine meifterf>afte Scbilberung beS fcf^licr)ten gamilienlebenS gibt Dliber Oolbf mitt) (geb. 1728, geft. 1774) in feinem „SBicar of SBafe* fielb," einem Fontane, ber trofc mand)er Mängel im *ßlane unb ein* feiner Unma!jrfd)einiid)feitcn ein Sieblingdbuct) nia)t nur ber (£ng* länber, fonbem aller Nationen gemorben ift.

211« SBerfaffer fomifajer unb ljumorifnfdjer Romane berbienen (Srmäfmung: £enri Siel bing (geb. 1707, geft. 1754) unb Xobia« Smolett (geb. 1721, geft. 1771), bie SBeibe , im ©egenfafce ju SRidjarbfon , ganj nad) ber 9latur malen , babei jebod) in il)ren Säuberungen btemeilen jur gemeinen 9Catägticl>feit tytabfinUn, bor

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©nfllaitb unter ©eorg I. unb ©eorg II.

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OTen aber fiaurence ©terne (geb. 1713, geft. 1768), ber in ber SRegettofigfett, in ber Unerfdjöpflidtfett ber ßaune, in ber griffe be* ©efityl*, im Stadium be* Söifce* tnelfad) an Sean «ßaut erinnert, bemfelben jeboa) an 9icinr)cit nadjftef)t.

2öie ber töoman, fo ttmrbe auc§ ba* $rauerfpie( bürgerfid), tuefftalb aud) an bie ©teile ber metrtfajen Sonn bie ungebunbene 9lcbc trat; badfelbe fanb jebod> feinen einzigen fjeröorragenben SQt* arbeiter. dagegen braute ber berühmte ©djaufpieler $amb ® a r r i tf (geb. 1716, geft. 1769), ber ftaj audj al* ßuftfptelbicfjter einen tarnen emmrb, bie Xramen ©fjafefpeare'* bei feiner Nation nneber Hnfe^en. Unter ben ja^rei^en ßuftfpielbidjtern nimmt SRidjarb ©$eriban (geb. 1751, geft. 1816), beffen „ßäfterfd)u(e the chool for scandal ju ben beften fiuftfmeten ber neueren geit gehört, bie erfte ©teile ein.

2tuf bem GJebiete ber bibaftifdjen ^3oefie genoß befonber* 211er. anber $ o p e (geb. 1688, geft. 1744), ber „Surft be* Steinte*" unb „ber große SBerftanbe*bid)ter," roie iljn bie ©nglänber nodj tyeute nennen, eine* f)oI>en 2(nfel)en*. 2Iud> feine ©djäfergebidjte, foroie fein befdjreibenbe* ®ebid)t: „ber 2Ba(b üon Söinbfor" unb fein fatirifdj-'fomifdje* @po* „ber fiodenraub" trugen bem eljrgeU $tgen SDidjter reiben Söeifall ein.

£>of)en 9tul)m erwarb ftdj al* Sefyrbidjter aud) (Sbtoarb ?) o u n g (geb. 1721, geft. 1770) burd) feine „ftaajtgebanfen," bie megen ber 2iefe unb SBafyrljeit ber barin au*gebrüdten ©efü^Ie nidjt nur in (Snglanb, fonbern aud) in grranfreid), $eutfd)Ianb unb Qtalten gro* gen Entlang fanben.

3m befdjretbenben ©ebidjte glänjt befonber* 3ame* Xfjomf on (geb. 1700, geft. 1748), beffen faft in alle ©prägen (Suropa'* über* fe&te „3a^re*jeiten" al* ein SRuftcrbilb in biefer Gattung gelten. 2lud) in ber bramatifdjen Eidjtung öerfudjte fict) Xfjomfon mit ®lüd, unb ber ©djlu&gefang feine* 2Ka*fen)>iel* „2tlfreb" ift wegen be* ftol$en Refrain* : „Rule Britannia, rule the waves Britons never shall be slaves" ein Siebling*lieb ber ©nglänber getoorben.

2tt* elegifajer $idjter ragt befonber* Sfjoma* ®rag (geb. 1716, geft. 1771) §erüor, beffen ©legte auf einem ^Dorffird^rjofc" ju ben fdjönften perlen ber englifdjen SHdjtung jäljft. ®a* £>öd)fte leiftete jeboef) auf bem (Gebiete ber lorifd)en 5>idjtung ber Sdjottc Stöbert SBurne, ein unbemittelter ®ärtner*fo!m, ber im %af)vt 1796 nad) einem rocd)felöoflen, aufreibenben ßeben im Hilter oon 37 3af)ren einem gieber erlag, aber trofc feine* frühen Xobe* auf bie SBer- jfingung ber Xidjtuug feiner .frcimatl) einen tiefgreifenben ©influfj au*geübt t>at , weil er in feinen ben Döllen «Sauber ber ^ßoefie atfjmenben Biebern nur ©elbftgefuf)lte* au*fpraa}. GJötfje jäfjlt ifjn

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Äaifer ffarl VI

ben crftcn 35ichtergeiftern , welche baS adjtjefjnte 3ahrfmnbert herüorgebra<f)t.

Söon großem ©influfe auf bie Hebung ber englifdjen Sßocftc mar bic genauere Söcfanntfd&aft mit ben alten ©aöaben unb SBolfSliebern, üon benen ber Söifdjof %fyomtö ^ßercü im 3ahre 1765 unter bem Xitel „The reliquies of anciens english poetry44 eine reichhaltige, mit großem öeifall aufgenommene (Sammlung Verausgab, burch meldje jahlreidje Nachahmungen öeranla&t mürben. Ungeheuerem Sluffehen erregten bie im 3a^re 1762 oon bem ©Rotten 3ameS äftac&herfon als ©efänge beS bermeintlichen altfa^ottifajen 93ar~ ben Dffian herausgegebenen Sichtungen, beren Unäd)theit auf baS (Soibentefte nachgemiefen ift.

Unter ben profaifchen ©djriftftellern QtnglanbS aus ber 3eü ©eorgS I. unb ®eorgS II. finb bie namhafteften bie Ö5efc^ic^tfc^rci= ber £aöib Jpume, ein (Sporte auS einem roenig begüterten 3meig ber gamilie ber trafen oon^ome (geb. 1 7 1 1 r geft. 1776), ber eine ©efchicfjte (SnglanbS gef abrieben; SSifltam 9iobertfon (geb. 1721, geft. 1793), ber SSerfaffer öerfchtebener ©efdjichtsmerfe, unter anbera einer ©efdjichte ÄarlS V., unb (Sbroarb ©ibbon (geb. 1737, geft. 1794), beffen „QJe)'and)te beS SBerfaßS unb Untergangs beS römi* fchen Meiches" oon äflandjen für baS befte SBerf über biefen ©egen* ftanb gehalten mirb. 2(üe brei roaren Reiften Ülobertfon unb (Gibbon Schüler SBoltaire'S. Qnbeffen mar feit bem^ahre 1740 baS Slnfehen ber Sreibenfer in Gmglanb gefchmunben , unb bie offenen Angriffe auf ben Offenbarungsglauben mürben feltener, ba man bie cngltfche Sretfjeit für gefiajert tytit unb jum Kampfe gegen ben $etyotiSmuS nicht mehr beS HnftürmenS gegen ben als fein ü8ofl= merf betrachteten Elitär ju bebürfen glaubte. $te englifchen grei* benfer jogen fidt) nach unb nach in bie geheimen ÖJefefljchaften, ins* befonbere in bie Sogen ber greimaurer jurücf, beren erfte im 3a(;re 1717 in Sonbon eröffnet mürbe.

XIX.

£aifex &axt VI.

(1711-1740.)

ftarlä VI. erfter 2ürfen!rieg.

(1716-1718.)

2ludj nach DC* öcenbigung beS fpanifchen <£rbfolgefriegeS mar ber erfchöpften öfterreichifchen Monarchie feine Seit ber föufje be* fchieben. $aum mar ber griebe üon SRaftabt gefa)loffen, als neue

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Äarl« VI. elfter 2ürfenfrieg.

305

SBetterrooIfcn oon Dften herauf fliegen. $)ie Domänen , bie burd) ben Srieben öon ®arloroifc aus bem größten Xfjeile öon Ungarn öerbrängt unb auf SemeSroar unb Jöelgrab juruefgeroorfen roorben, formten bie erlittenen Sterlufte nidjt öerfdnneraen , unb ba bic SBenetianer per) auf ber in irjren SBefifc übergegangenen £albinfel Üftorea buret) t>iclfacr)c SBebrücfungen ber ©rieetjen öerfja&t gemacht, glaubte bie Pforte biefelbe mit leidster 9ttüf)e jurüeferobern $u fönnen. ©ie erflärte barjer im Qafjre 1715 ber föepublif ben ßrieg , inbem fie gleichzeitig eine ©efanbtfdjaft an ben ftaifer ab* orbnete, um benfelben burdj bie SBerficrjerung ber freunbfcfjaftlidjften ©efinnungen gegen Defterreitf) öon einer (Sinmiföung ju (fünften ber SBenetianer ab^ubalten. SBäfjrenb $arl VI. ben Auäbrua) be3 öon ber Pforte geplanten Krieges burdj baä Anerbieten feiner ©er* mittlung jur Herbeiführung eine« gütlichen Abfommenä mit ben SBenetianern ju öerrnnbern fua)te , mar bereits ein jafjlretajea tür- fifdjea £>eer über bie ßanbenge öon Forint!) nad) SDcorea öorge= brungen , unb balb mar ber of)nef)in nur fdjroad)e SBiberftanb ber oenetianifdjen Xruppen auf ber ganjen £>albinfel niebergeroorfen. 3Me Senetianer roanbten fief) hierauf an ben $atfer mit ber Sitte um feinen ©eiftanb jur Aufredjtrmltung ber Stipulationen beä ®ar* toroifcer griebenS, unb ba ber öon ber Pforte begangene Vertrags* brud) nicfjt nur ba3 Qntereffe beS d)riftltd>en ©laubena ferner ge* fäfprbete, fonbern auefj für ben öfterreidnfdjen Staat neue ©efafjren t)eraufbefd)roor , inbem jeber öon ber Pforte errungene Sflad^u* ttmdjä für ben ©rofcfjerrn ein ©porn roerben fonnte , bie SBieber* eroberung ber im grieben öon ®arloroifc an Defterreia) jurütfge* fommenen ©ebiete ju öerfudjen , fd)lo& ber ftaifer, auf ben föatf) be$ ^ringen (Sugen, am 13. April 1716 mit ben «enetianern ein ©djufc unb Xru&bünbmfj unb lieg jugleid) an bie Pforte bie Auf* forberung ergeben, bie SBeftimmungen beä ftarlotoifcer griebenä ju refpeftiren unb ber Sftepublif SSenebig ben ir)r jugefügten ©ajaben $u öergüten, nubrigenfallä er fofort feinen ©cfanbten Don ßonftan* tinopel abberufen roerbe. ©tatt biefer Aufforberung nadföufommen, erflärte bie Pforte, beraufd>t bura) bie auf üJcorea errungenen (Sr* folge unb im Vertrauen auf öefterreidj* (Srfdjöpfung, an ben ßaif er ben ftrieg, für melden fofort bie umfaffenbften Lüftungen angefteUt rourben.

Snbeffen roar auefj ^rinj (Sugen, bem als bem ^räfibenten beS §of* fricgäratrjä ba3 gefammte öftcrrcict)ifcf)c £eerroefen unterftanb , nidrt mü&ig geblieben, unb alä ber (Uro^oejir ju Anfang Auguft 1 7 1 6 mit einem §eere öon jroeimal^unberttaufenb 9Jcann oor $ e t e r ro a r b e i n, bem ©ammelplaje ber öfterreicfjifcfjett Gruppen, erjagen, fanb er ba* felbft ein $eer üon fünfunbfea)aigtaufenb 9J^ann, baä, oon unbebing* lern Vertrauen auf feinen bemäfjrten gü^rer erfüüt unb mit allem

fcolatoartf), ©cltgcf^te. VI. 20

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äatfer Jtarl VI.

9^ütf)tQcn auäreichenb öerfeljen, öor Söegierbe brannte , bem treu» brüchigen geinbe ber (Shriftenheit ein ^roeited $enta $u bereiten. $>ie Slufforbcrung beä (Skofcoejirä, bie Seftung gegen freien 21b$ug ber Söefafcung $u übergeben , mürbe feiner Antwort getoürbigt, unb als hierauf bie dürfen SJftene matten , $ur Belagerung berfelben ju fchreiten, befch!o& (Sugen, ofme Berjug $um Angriff gegen baä un- gleich ftärfere fernbliebe £>eer öorjugehen, unb fteüte ju biefem (5nbe am 5. s2Iuguft feine Xruppen in Sdjlachtorbnung auf.

9tad) einem fünfftünbigen feigen Kampfe, in fteldjem bie faU ferliche ffieiterei öon Anfang an bebeutenbe Bortheile errungen, mäh* renb ba& gu&öolf mehrmals öon ben Qanitfdjaren jurüefgemorfen tuorben, lüften fich bie türfifchen Siethen. Vergebend fudjte ber ©rojj* öe$ir, ber bie Saline be& Propheten entfaltet ^attef an ber Sptfcc feiner ßeibgarbe bem ftürmifchen Vorbringen ber Kaiferlicfjen (Sin* fjalt $u tljun unb ilmen ben faum mehr jmeifelhaften Sieg ju ent* reißen: öon einer Sauget burd) bie Stirn getroffen, ftürjte er öom ^Pferbe. ©ein Xob machte bie Bertoirrung in bem gefdjlagenen tür* fijchen £>eere öoHftänbig : in regellofer Slucfyt eilten bie $erfprengten Schaaren , in ihrem öcrlaffenen £ager ben Siegern eine unermeß* liehe Beute an©efchüfcen, Sahnen, Sterben, Kameelen unb Koftbar= feiten aller 2(rt juriicflaffenb, ber Satte ju.

(Sugen orbnete für ben glorreichen Sieg, ber ben Kaiferlicheu an Xobten unb Bernmnbeten breitaufenb Üttann gefoftet, mahrenb ber Berluft ber Xürfen fich auf ba$ doppelte belief , einen feier* liefen $)anfgotteäbienft an, unb ber ftürmifdje 3"bel, mit melchem bie SiegeSbotfchaft in SSien begrüßt mürbe, fanb in ganj (Suropa begeifterten Söiberljall. $)em fiegreichen Sßrinjen (Sugen fanbte $apft (Siemens XL, ber öon Anfang an baä lebt)aftefte Qntereffe für ben Krieg gezeigt unb bem Kaifer jur leichteren Beftreitung ber Soften berfelben ben Reimten a^er gciftlichen (Sinfünfte in beffen ©rblän- bern bemiQigt ^atte , einen gemeinten $ut unb 2)egen , ba3 übliche Reichen ber Slnerfennung heröorragenber friegerifcher Berbienfte um bie gefammte (£f)riftenheit unb bie fatholifche Kirche.

Um ben errungenen Sieg mögüchft ausbeuten, fchritt (Sugen ohne Berjug 5ur Belagerung öon Xemeamar, bie am 1. Septem* ber eröffnet mürbe. 2)a ber Kommanbant ber geftung, ber tapfere SKehemeb 2lga, ficher auf balbigen (Srfafc rechnen burfte, totes er bie Slufforberuug ©ugenä jur Uebergabe be$ Sßlafceä mit ©utfehiebenheit jurücf; naa)bem jeboch baä am 23. September erfchienene (Sntfafc* heer burch einen energifchen Angriff öon Seiten ©ugenä jum 9tucf* $ug über bie XemeS gelungen unb am 1. Df tober bie ftarf befe* ftigte Borftabt öon Xeme&mar öon ben Kaiserlichen erftürmt mor* ben, entfehlog fich ÜJcehemb Slga am 12. Dftober $ur Kapitulation, unter ber Bebingung freien 2lbjug3 für bie öon achtaelmtaujenb

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ÄarlS VL ctfict «Efirfcnfrieg.

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<mf gtoölftaufenb Sftann gufammengefajmolgene ©efafeimg, fottrie für bie türfifdje ©eöölferung ber ©tobt.

$urd) bie (Eroberung Don XemeStoar, ba3 ljunbertbierunbfedfgig 3afjre lang ununterbrochen in ben $>änben ber dürfen geroefen, gelangte ba8 fiegreidje fatferüdje £>eer in ben SBefifc be3 ganzen Öanatö. SRadjbem (Sugen ben (General ber Kaöaflerie, trafen HKercö, gum Oberbefehlshaber biefeS £anbe$ befteQt unb ©treifgüge nad) ©oSnien, Serbien unb ber 2Ballad)ei angeorbnet, beren ©e- t>ölferung burdj bie Befreiung be$ SBanatS öon ber Xürfenfjerrföaft mit neuen Hoffnungen auf bie enbltdje (Srlöfung öon bem Sodje ber Ungläubigen erfüllt toorben , feljrte er gur £eitung ber nötigen SJorfefjrungen für ben gelbgug be3 fommenben 3at)re3 nadj SBien gurüd, tt)o ihm ein glängenber Empfang gu ttmrbe.

Unterbeffen ^atte bie Pforte , burd) bie bebeutenben Erfolge fcer faiferliajen SBaffen au3 bem ©iegeätaumel geriffen, in melden fie burdj bie rafdje Eroberung öon 9Horea öerfefet toorben, an ben Kaifer gricben&üorfdjläge gelangen (offen; ba btefelben jebod) in feinem SBerhälhuß gu ben Slnfprüdjen ftanben, gu lueldjen bie be* reitS errungenen Sortierte ben faiferlidjen £of berea^tigten , wur- den fie gurfitfgenriefen unb bie nadjbrüdftdjfte gortfefcung beä Krieges befölojfen.

SRachbem fich (£ugen am 14. Sftai 1717 öon feinem faifer- litt^en Kriegsherrn öerabfdjiebet hatte, um auf ben Kriegäfdjauplafc aurütfjufefjren, gog er bie einzelnen Xruppentheile bei ^etertoarbein ^ufammen unb brach öon bort am 9. 3uni mit bem gangen #eere, baä auch bieSmal wieber fünfunbfechgigtaufenb Üftann gäf)lte, gur Ueberfdjreitung ber $onau auf, an beren rechtem Ufer er am 16. Quni im Singefichte öon Seigrab (Stellung nahm. 9Son bem SBunjche getrieben, unter bem größten gelbherrn ihrer Seit im ru^müoüen Kampfe gegen ben (Erbfeinb ber ßhriftenheit bie erften ßorbeeren gu erringen, Ratten fich gasreiche beutfdje gürftenföhne, unter ihnen bie beiben ©ohne be$ fturfürften SRarhniltan Immanuel öon SBaiern mit fed)3taufenb 2Rann baierifcher Xruppen, fottrie ber *ßring Immanuel öon Portugal unb groei lothringische ^ringen nebft einer großen ©djaar frangöfifajer (Sbetteute bei bem faiferlia)en #eere eingefunben.

Cbgleid) fia) ber Belagerung öon 93elgrab bei beffen Sage buf)t am (Sinfluß ber ©aöe in bie $)onau unb ber ttmten 2lu3beh* nung ber trefflich angelegten Söefefttgungätoerfe , inSbefonbere bei ber Ungugängltchfeit ber fteil abfaüenben (JitabeHe, bie größten <Sd)ttrierigfeiten entgegenftettten unb überbieä ein $cer öon groeimal* fjunbertfunfgefmtaufenb üßann gum (£ntfa&e ber geftung tyiantüdtt, war Sugen feft entfajtoffen, ben Kampf um ben Öefty berfelben gu toagen. sJcachbem gur ?Iufrea)t^altung ber SSerbtnbung mit ben faiferlidjen Sänbern fotüo^t über bie $onau, aU oua) über bie 8aoe

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tfcujer Äarl VI.

93rücfcn gefdjlagen unb jum Sdju(je be$ faiferlichen SagerS gegen einen Singriff be3 türfifchen @ntfafchcere$ bebeutenbe SBerfchanjungen angelegt morben, begonnen bie eigentlichen ©elagerungSarbeiten, bie fo rafcf) an (5nbe geführt mürben, baß fchon am 22. Quli, fünf Xage nach einem fiegreidj jurücfgefchlagenen SluäfaH ber breißtg* taufenb 9J?ann ftarfen türfifchen SBefajjung , $ur SBefdueßung ber Stabt gefchritten werben fonnte. Schon nach menigen Sagen mar ber größte Xtjcil ber eigentlichen Stabt in einen Trümmerhaufen oermanbelt. Auch bie geftungSmerfc hatten fo fct)r gelitten, bog bie Söelagerer ihrem Siele nahe ju fein fchienen, als am 31. Quli ba& oon ber 93efafcung fehnlichft ermartete Crntfafcheer anlangte unb im Singefichte bc£ faiferlichen Sager 3 eine befefrigte Stellung nahm.

Set ber gemaltigen Uebermacht be3 SeinbeS unb ber Gx= fdjöpfung ber faiferlichen Xruppen, unter bcncn überbieS bie unge= heueren Slnftrcugungen ber lejten Seit, fomie bie SöelagcrungSfämpfe unb aufgebrochenen föranfheiten bebeutenbe Sücfen gefchaffen, mar bie Sage bcä faiferlichen .§eere3 eine äußerft bebenfliche; bennoch öer- lor (£ugen ben 9Jhith nicht. $a ein SRücfgang über bie SBrücfen im 31ngefichtc beS JJeinbeS nicht möglich mar unb ein längeres SUs marten bie Sage be£ faiferlichen $eere$ nur oerfchlimmern fonnte, befdjloß er, ohne Sögern $um Angriff auf baS türfifche §eer 511 fehreiten, für melden er ben 16. Sluguft feftfcfcte.

Schon um SJZitternacht oerließcn bie faiferlichen Söölfer in lautlofer Stille ihr Sager, um fich außerhalb ber Verfchanaungen in Schlachtorbnung aufstellen. 9113 ber iag anbrach, breitete fiety über bie gan$e ©egenb ein bitter Sftebel auf, ber jmar bem Jeinbe bie Annäherung ber faiferlichen eine Seitlang öerbarg , juglcich aber auch ben 83emegungen be3 faiferlichen £>eere£ bie nöthige Sicherheit raubte. £a§ plöfclidje Grrfchcinen ber öflerrcichifchen Reiterei be£ rechten glügelS üor einer frifch aufgemorfenen türfifchen SReboute brachte SBemegung unter bie Xürfcn, unb in menigen Tlu nuten mar baS gan$e feinbltche Säger in Schlachtbercttfchaft.

$a bei bem rafch auf ber ganjen Sinie entbrannten Kampfe ber fortbauembe Jeebel jebeS georbnetc Sufantmengehen öerbinberte, gefchal) eS , baß ein XtyH beS faiferlichen gußöolfeS im Slnfchluß an bie öemegungen ber beiben glügel ju meit nach rechte ober nach linfS abfcfjmenfte, unb als gegen acht Uhr enblich ein frifcher 9flor= genminb ben bid)tcn 9iebelfd)Ieicr jerriß , gemährte (Fugen mit Sd)rccfcn, baß, mährenb feine beiben glügel fiegreich üorgebrungen maren unb ben geinb aus feinen Verfchanäungcn jurüefgemorfen hatten, bie faiferliche Schlachtlinie auSeinanber geriffelt morben unb baä türfifche giißoolf in ooücm Vorbringen in ben entftaubenen Stoifchcnraum begriffen mar, fo baß für bie faiferlichen bie (Gefahr üorlag, im föücfcn unb in ber Slanfe überfallen $u merben. Üiafch

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Aar» VI. crfter Xürfenfrieg.

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<ntfd)loffen , ftellte er fleh felbft an bie ©pifce beS jroeitew treffen« unb fiürmte mit füt)ner Xobeäöeradjtung ben oorbringenben Qanit* fdjaren entgegen. SSa^renb feine ©Goaren mit begeiftertem Unge* früm mit ben 3anitfcharen rangen, bie fla? ben errungenen Bortheil nicht entreißen laffen wollten , entfehieb Gsugen burch einen an ber ©öifce einiger Äüraffierfdjroabronen aufgeführten glanfenangriff ben tlutigen Äampf ju (fünften ber #aiferlicf)en. $)ie ton jroei ©etten angegriffenen 3anitfa)aren miauen jurücf, unb nachbem bie laifer* lidje ©djlachtlinie Ijergefteflt roorben, fat)en fidfj bie dürfen al&balb au£ ihrer ganzen ©tellung öerbrängt. üßur eine einzige türfifche Batterie bon achtzehn ferneren @efdjü$en teiftete im Zentrum be3 t$einbe8 , ton ben ©pahte gebetft , noch Oer jweifelten SSiberftanb ; l>ocr) auch fle mürbe burch eine ©turmfolonne oon jefjn ©renabier* fompagnien unb oier Bataillonen Infanterie , bie , einer ÜKauer gleich , bis ju ber feinblichen Batterie oorbrangen , ofme ba8 ber* |eerenbe Seuer betfelben mit einem einzigen ©dmffe ju erroibem, unb fidj bann mit gefaßtem Bajonett auf bie Scinbe fttirjten, nad) einem fjeißen fingen erobert. 3n nnlber £>aft oerließ ba3 ge* fdhlagene türfifche $>eer fein Säger unb fuchte, bon ben faiferlia^en £ufaren berfolgt , fein ©eil in einer regeflofen Sludjt , mehr aU ämanjigtaufenb lobte unb Berrounbete auf ber Mutgetränften SBahl* ftatte jurücflaffenb. $en flegreichen Äaiferlidjen, bie nur fünfeefmhun* i>ert Xobte unb breitaufenbfünfhunbert Berrounbete jählten, fiel aud) "bie^ mal in bem oerlaffenen türfifdjen fiager eine unermeßliche Beute in bie £>anbe.

groei Xage nad) ber ©djlacht fapitulirte Beigrab, unter ber Bebingung beä freien STbjugS ber Bejahung unb ber türfifcfjen Be* Dölferung ber ©tabt, unb am 22. 5luguft nahm (Sugen bon ber tJeftung Befu). 9Jtft berfelben fielen ü)m fe^^unbert ©cfdnifce unb ungeheuere SRunitionSborräthe ju; auch Öanäc $onauflotifle würbe eine Beute ber ©ieger.

3n SBien rief bie Sßadjricht oon bem glorreichen ©iege bei Beigrab , ber legten großartigen 2Baffentt)at be3 ^rin^en (lugen, einen unbefchreiblichen Jfubel h^röor. $aum bermochte ber lieber* bringer berfelben, ber (SJeneralfelbtuachtmeifter Hamilton , fein $ferb burch bie jaudjjenbe Spenge nach oct faiferlidjen Burg ju bringen, unb bis in bie fpate Stacht erfdjoll in ben ©tragen ba& Bibatrufen t)er begeifterten Söiener. 3för fanb auch bieSmal in allen

Säubern (Suropa'S ben freubigften SBiberhatt , unb bon bielen ge* frönten ©öuptern erhielt @ugen bie ehrenöollften Beglüchoünfchung^ fchreiben. 2)lit unauSlöfcfjlichen Bügen aber tyatte ber ruhmgefrönte ^ürfenbejtoinger burch ben glorreichen ©ieg bei Beigrab feinen Flamen in ba$ ©erj beS beutfehen Botted eingefchrieben , unb ba^ Sieb bon $rtnj ©ugeniu«, bem „eblen bitter/ bad (Sugenä

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tfatfer ßarl VI

tapfere Krieger in bem naffen gelblager bor 93elgrab mährcnb ber griebenäunterhanbtungen gebidjtet Rotten, würbe ein Eotfälieb in beä SBorte« mettefter SBebeutung.

Mach bem Salle oon 93elgrab machte ber (Sultan bem ßaifer neue 5rieben«üorfchtäge , unb ba £arl VI. fchon toegen ber burd> SUbenmi'ä enttoürfe herbeigeführten politifchen Sertoicflungen toün* fd^ert mugte, batbmögtichft freie §anb ju gewinnen, ging er bereit* tüiöig auf biefelben ein. ©o fam am 21. Quli 1718 in bem ferbifchen ©täbtdjen $a ff ar o m i ba« auf ben öorfälag (Sugen& 3um ßongre&orte beftimmt morben, ein für Defterretct) äufjerft oor= tf)cilr)aftcr Sriebe ju ©tanbe. $>er ®aifer erhielt burd) benfelben Sklgrab mit bem nörblichen Xbcile oon ©erbien, fotoie £eme«toar mit bem 93anate, bie SBaCfad^ei bi« an bie Sltuta unb einen Xfjeil oon Kroatien, ©laoonien unb ©o«nien unb au&erbem ba« ©dm&* recht für feine auf türfifdjem 53oben lebenben Untertanen , fotoie bie Ermächtigung, jur ©idjerung be« öfterrcic^ifct)cn #anbel« mit ber Seöante ®onfu!n unb Agenten an^tifteHen.

Sie *ragtnatifd)e Sanctton.

©chon im^a^re 1713 hatte ber bamal« noch finberfofe #aifer #arl VI., um bie öfterreidufdje 3)bnara)ie für ben 3au\ ba& er ohne männliche 9tacf)fommen fterbe , gegen ähnliche Gefahren ju fchüfcen, toie fie ber Xob ®arl« II. für ©panien tyeraufbefdjmoren, ein neue« @rbf otgegefefc , bie fogenannte pragmatifche ©anc* tion1), errietet, nad) meinem bie gefammten öfterreidufchen ©taaten in Ermangelung eines männlichen (Srben ungeteilt an feine %öfy ter unb beren 3>e«cenbenten nach bem 9lecr)tc ber ©rftgeburt über* gehen, für ben gaH feine« fmberlofen Slblebenä jcboct) ben Xödjtem Sofeph« I. unb beren ftacfjfommen, gleichfalls nach bem fechte ber (Srftgeburt, ^fallen foaten. $a fein einziger, am 13. Slpril 1716 geborener ©of)n Seopolb fdjon am 4. SJcooember be« gleiten 3ahre& geftorben mar, lag ihm Vichts mehr am $erjen , aU ber älteften feiner brei Xödjter, flftaria % heref ia, ben ungefchmälerten unb unbeftrittenen SBefifc be« öfterreicfnfchen Staate« ju fidlem. 3" biefem (Snbe liefe er nicht nur bie beiben Xöchter 3ofeph« I. , oon benen bie ältere bie ©emahlin Sluguft« III. oon ©achfen, unb bie jüngere bie be3 ®urfürften ®arl Ulbert oon üöaiern mürbe, bei ihrer SBer*

1) $er Sftatne „praamatifrfje (Sanctton" tft eine fef)r alte, fdjon Oon ßaifer ^uftinian gebrauste ©e^eidjnung für ©efe&e oon umoiberrnflitf)er 9*as tUT, burd) welche rotdjtige 93erf)ältniffc bauernb georbnet toerben füllen. 6o nannte auch äatl VII. oon granfreiä) ba« ©efe^, tooburd) er im %af)vt 1438 bie gaflifanifche Kirche orönete, pragmatifche ©anetion.

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$ie pragmati^e Sanction.

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mäljfang eiblidj auf ifyr Grrbredjt SScrjtc^t leiften, fonbcrn ^olte audj, um jebweben Slnfpntdj, bcr öon trgenb einer anberen ©eite auf bie gefammte öfterreidjifdje Sftonardjie ober einzelne Sfjeile berfelben nadj feinem Xobe erhoben werben fönnte, 511m ©orauä unwirfjam $u madjen, für bie pragmatifdje ©anctton bie au$brücflid)e Slner* feitnung ber ©tänbe feiner fämmtlidjen Grrblänber ein, worauf baä neue §au3gefefe am 6. $)ecember 1724 feierlid) prottamirt würbe.

Um bie pragmattfdje ©anetion gegen jebe SInfedjtung fieser 511 fteüen, fud)te ber ®aifer für biefetbe bie SInerfennung unb (Bewähr* leiftung fowofyl beä beutfdjcn fReic^d aU aud) ber auswärtigen SKädjte ju erlangen. ©ergebend bemerfte ifjm ber ^rinj ©ugen, ber bie «rglift unb SBUIfür ber bamaligen ©taatäfunft beffer bura> fäaute, als ber ftaifer, ba& ein fampf bereite« #eer öon jwcimal* fmnberttaufenb 2ftann unb ein wofjtgefütlter Staat»fct)a^ eine fidjerere Söürgfäaft für bie Slufredjtljaltung feinet .§au3gefe6e3 fein würben, alt aCe nur benfbaren ©ertrage : ®arl VL, ber fclbft öon bem ftrengften 9*ect)tdgefü^I erfüllt war unb babei einen gro&en SScrtt) auf görmlidjfeiten legte, fonnte ftd) nidjt öon bcr Ueberjeugung lo& reiben , bafe unter bem ©djufce ber urfunblidjen Slnerfennung unb GJewäfprleiftung feines £>au3gefefce3 öon Seiten ber übrigen 2Käd)te ba$ erbrecht feiner Sodjter {einerlei Slnfecfjtung leiben werbe, unb glaubte bafjer fein Opfer freuen ju bürfen, um biefe ju erlangen.

$ie erfte Stfadjt, bie fid) jur Slnerfennung ber pragmatischen ©anetion bereit finben lieg, war ©panien. SBie wir oben (©. 294) gefef>cn, war ber ©treit jwifdjen ber £tuabrupel*2lHian$ unb bem §ofe öon SDcabrib im 3at)re 1720 burd) ben im $aag abgefd)loffenen grie* ben beigelegt worben. £abei War jur öollftänbigen 2lu3gleidning einselner bejüglidj ber burd) bie ©eftimmungen ber Quabrupel* Kilians geföaffenen ©erfjältniffe jWifäen Defterrei^ unb ©panien nod) ob* fdjwebenber ^ifferenaen ein Kongreß üereinbart worben, ber im 3ar)re 1722 $u ßambrat) eröffnet würbe. $te öermittelnben SMdjte, ©nglanb unb <po£(anb , führten jebodj auf bemfelben eine fo an* magenbe ©pradje, bog ber ®aifer unb ber $önig öon ©panien fid) baburd) in gleicher SBeife üerlefct fügten. £ifr luerbur$ gwifdjen beiben 9Jcad)ten bewirfte Slnnätjerung würbe geförbert bura? ba£ 3erwürfni(5 , baä in golge ber Surüdjenbung ber jur ®emal)lin Subwigä XV. beftimmt gewefenen fpanifdjcn Qnfantin nad) Sflabrib jwifdjen ©panien unb granfreid) entftanben war. $er öon ber Königin (Stifabetf) nad) SSien gefanbte ®raf 9ttpperba (f. ©. 294), ber Sftadtfolger 2llberoni'3 in ber Seitung ber fpanifdjen v2lugelegen= Reiten, braute, nadjbem ber Kongreß öon ßambraö refultatloä Oer* taufen, ot)ne jebwebe frembe (SHnmifc^ung eine öoßftänbige KuSfö^ nung jmifdjen Cefterreic^ unb ©panien ju ©tanbe , inbem er am 30. SfprU 1725 mit bem ftaifer einen ©ertrag fdtfofi, in welkem

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£aifer Äarl VI.

bie SBeftimmungen ber BuabrupekHUianj bcftätigt unb alle nodj obfehwebenben Differenzen ausgeglichen würben.

Sugleidj gelang e3 9itpperba, ben ftaifer nicht nur für ba& t>on ber Königin (jltfabeth entworfene *ßrojeft einer SÖermählung ihrer beiben ©ohne mit ben beiben älteften Xöchtern $arlS ju gewinnen, fonbern ihn auch trofc ber ©egcnöorfteHungen (£ugen£ ju einem Vertrage $u beftimmen, in welchem ®arl VI. (Spanien wieber jum Söefifce oon Gibraltar ju oerhelfen oerfpradj unb beibe SDMdjte für ben Sali eines Krieges mit Sranrreich unb (Snglanb einanber nach* brüeflichen bewaffneten SBeiftanb jufagten. Obgleich ber befinitioe 2lbfchlu§ ber projeftirten SSerlobungen einer fpäteren Seit öorbefmt* ten blieb, übernahm Spanien bie ©ewährleiftung ber pragmatifdjen ©anetion unb bewilligte überbicä bem ®aifer für bie öon bemfelben $u Oftenbe errichtete oftinbifdje $anbel3gefetlfchaft in einem am 1. Sftai 1725 gefchloffenen £anbeteberrrag bie gleichen SBorrechte unb Sreibeiten bezüglich beS SSerfehrS mit ©panien unb 3nbien, Welche früher bie oereinigten 9lieberlanbe genoffen Ratten.

Ungeachtet ber ®aifer bezüglich beä awifdjen ihm unb ©panien abgesoffenen SBünbniffeS bie ftrengfte Geheimhaltung auSbebungen, fam baSfelbe burdj bie Unoorficf)ttgfeit beS (trafen 9tipperba jur ß'enntnig C£nglanb$ unb Srantreidjä, unb ba fidj ju ber gleichen Seit baS Gerücht Verbreitete, ba& auch bie Äaiferin Katharina oon SRu&lanb bemfelben beigetreten, fdjloffen beibe dächte ihrerfeitS ein Söünbniß unb bewogen auch ben ®önig griebrich SBilfjelm I. Oon Greußen jum beitritt, inbem jte ihm oerfprachen, ihn bei bem Xobe beä finberlofen ®urfürften oon $fal^9teuburg in ber Geltenbmachung feiner Sfnfprüche auf Jülich unb Söerg ju unterftüfcen. Sludj #ol!anb, $)änemarf, ©chmeben unb ©arbinien fcfjloffen fid) ihnen an. 93ei ber erften feinblichen Bewegung Oefterreichä foHte ein gleichseitiger Eingriff auf Neapel, 9JcaiIanb unb ©chlefien erfolgen.

Qnbeffen gelang bem (Einfluß be3 $rinjen (Jugen, bie $olitif be3 ®aifer3 ohne übereilte Söjung beS mit ©panien ge* fchloffeuen SBünbniffeS oon ben Jöanben ber fpanifchen s2lbhangtgteit äu befreien unb wieber eine entf Rieben beutfdje Dichtung ju geben. $ie nächftc golge baüon war ber 9lücftritt beä Königs oon Greußen oon bem *8ünbni& mit (Snglanb unb granfreich- 2lm 12. Oftober 1726 fdjlofe berfelbe mit bem ju biefem Speere nach SBerlin entfanbten Grafen ©eefenborf, ber fchon bei einer früheren •äfliffton be3 Königs öoflfteä SBertrauen ju gewinnen gewußt, ben Vertrag oon SBufterhaufen, in Welchem ber $önig fich gegen bie Suficherung ber Unterftüfcung beS $aifer3 jur Geltenbmadmng feiner bergifchen (Jrbanfprüche bereit erflärte, bie pragmatifche ©anc== rion ju gewährleiften. Qxoü 3ahre fpäter, am 23. 2)c$ember 1728, würbe biefer Vertrag burdj ben „berliner Xraftat" in ein

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3)ic pragmatifäe ©anctum.

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förmliche* 6dmfc unb $rufcbünbni& öermanbelt, in metdjem bcr Kaifer unb bcr König einanber bcn 93cfife if>rer Sauber oerbürgten unb ber ßefctere nid)t nur bic pragmatifdje ©onction in oller gorm gemäf)rteiftete, fonbern aua? bem fünftigen (Sfcmaljle 3ttaria Xfjerefta'* feine (Stimme bei ber ftaifermafjl jufagte, jeboet) unter ber au** brücflidjen ©ebingung, „baf? berfelbe meber ein (Spanier, nodj ein tJranjofe, fonbern ein $)eutfdjer fei." 2lud) mit sJtu&lanb mar fd)on im 3aljre 1726 ein $Bunbe*öertrag ju ©tanbe gefommen, in mel* djem bie Kaiferin Katharina gleidjfafl* bie pragmatifdie ©anetion anerfannt f)atte.

2)ie ©efaljr eine« allgemeinen Kriege«, ben bie ausfertigen Lüftungen in fufjere 2lu*fidjt ju fteffen fdjienen, rourbe abgemanbt burd) ba* bermittelnbe SJajnufdjentreten be* päpftlidjen tfhintiu* ©rimalbi in SBien, bem e* gelang, amifdjen ben ftreitenben Wläfy ten einen 93ergleid> ju (Stanbe ju bringen, beffen #auptpunft in ber toon bem Kaifer bettrißigten <Su*penfion ber oftinbifdjen |>an* bet*gefeflfdmft beftanb. $ie übrigen Streitfragen foüten auf einem Kongreß unterfudjt unb entfd)ieben merben, ber in ber $(jat in <Soiffon* abgehalten mürbe, bie gehegten ©rroartungen jebod) nidjt erfüllte.

Snjroifdjen mar ba* Sßrojeft ber SBermäfjlung Üttaria Xfjerefia'* mit einem fpanifdjen $rinjen befinititi aufgegeben morben, inbem bie Kaiferin iljre Xodjter mit bem §erjog granj (Stephan öon Sotfjringen ju Dermalen münfdjte unb bieje SBerbinbung öon bem ^ßrinjen (Sugen auf ba* SBärmfte befürmortet mürbe. $>ie Ijier* burdj tief gefränfte Königin (Slifabctr) fdjlojj fjinter bem 9tüden be* Kaifer* am 9. Sßoöember ju (Seöiöa mit Crngfanb unb granf* retdj einen Slßianjöertrag, in meinem bie (Sntfenbung üon fedj** taufenb ÜERann fpanifdjer Xruppen nadj Italien $ur (Sidjerfteßung ber bem fpanifrfjen Infanten Karlo* jugefagten Erbfolge in £o*fana, tßarma unb Sßiacenja öereinbart mürbe.

$ie greunbfdjaft jroifcöen Spanien unb ben beiben SBeftmädj* ten mar jebod) üon nod) fürjerer $auer, al* ba* s«8ünbni& ber Königin (Slifabett) mit Karl VI. Sil* ber ^rinj ßugen Flamen* be* Kaifer* ben iöerbünbeten bie öon entfpredjenben Lüftungen begleitete ©rflärung juge^en ließ, bafj Defterreid) ba* (Srfdjeinen eine* einzigen fpanifdjen Solbaten in Stallen al* einen Kriegsfall anfefjen merbe, üerfagten ©nglanb unb grantreid) ber Königin dlifa* betf) iljre SDfttmirfung ju ber projeftirten Ueberfüfjrung fpanifd)er Gruppen nadj 3talien, morauf (Spanien audj feinerfeit* fidj meigerte, bie ifmen in bem Xraftat üon (Sem'Ha bemiHigten §anbel*öort^eile einzuräumen. $ie näc^fte golge ber 2luf^ebung btefe* Xraftat* mar bie 2lnnä^erung (Snglanbä an ben Kaifer, bie am 16. Sttärj 1731 jum Slbfc^lufe eine* Vertrag* führte, in meinem (Snglanb unb ^oüanb

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Äaifcr ftori VI.

bie pragmatrfdje Sanction geroäfjrleifteten unb fori VI. feinerfeits üerfpradj, bcn Untertanen beiber ©eemäd)te freien §anbel nad) ©icilien $u geftatten unb bie £anbel3gefellfa)aft ju Dftenbe bauernb aufeufyeben.

$ie s2lnerfennung unb ÖJemäfjrleiftung ber pragmatifdjen @anc* tion öon Seiten be$ beutfdjen Steide« erfolgte, trofc ber Sßroteftation ber furfürften öon ©adtfen, öaicrn unb ber *ßfal$, im 3af>re 1732.

Ser poliiif cfjc IHjronfolgcfricg.

(1733—1735.)

SRadjbem Sluguft II. burd) ben Ausgang be« ruffifdjen 3elb= jug« farls XII. bie polnifaje frone wieber erlangt tyatte, war fein (Streben öor Sltlem barauf gerietet, burdj bie SBemtdjtung ber unbef$ränften «perrfdjaft be$ 9lbel3, ber, obgleid) er nur ben äioanaigften Sfjeil ber SBeüölferung bilbcte, bod) fo fefjr aüe ftaat* liefen Siebte an fid) geriffen, bafj er allein bie Nation barfteßte, eine rpirflict)c f önigSgemalt fjersufteHen. $iefeä 3icl I)atte ifjm fdjon bei ber oerfua^ten Eroberung Siölanbä öor Hugen gefdnoebt; ba er e3 jebodj auf biefem 2öege nia^t batte erreichen tonnen, Oer* folgte er jefct eine entgegengefefcte ^olitif: er fnüpfte Unter^anb= hingen mit föu&lanb unb Greußen an, um beibe 3J?äd)te burd) bie Abtretung beträdjtlidjer polnifdjer ©ebiet&ftretfen $u bewegen, ifmt $ur Serwanblung beä Ucberrefteä in ein ouoeräneä ©rbfönigtfjum befulflid) ju fein. Slber inbem er jum ämetfe ber $urd)füf)rung feiner *ßläne bie fäd)fifd)e 5lrmee in <ßolen aurütfbefjielt, ofjne in ber Sage ju fein, berfelben ben nötigen Unterhalt ju oerfdmffen, braute er befonberS ben nieberen 9lbel, ber burdj bie üon ben fäd)fifd)en Gruppen oerübten ©rpreffungen ferner gefd)äbigt mürbe, fo fef>r gegen fid) auf, ba& berfelbe ju ben SBaffen griff, SBalb ent* ftanben jafjlreidje „(Sonföberationen" au&erorbentlidje Serbin* bungen, ju meinem ber Slbel feine ßuflua^t naf)m, um burd) ©e= malt $u erreichen, maä auf gefefclia)em SBcge nidjt §u bemirfen mar, unb ba aud) bie ÖJrofeen, auf meldje Sluguft gejagt, fidj ber allgemeinen ©emegung anfdjloffen, blieb bem fönig nidjts Slnbereä übrig, als bie Vermittlung beS Goaren in s2lnfprudj ju nebmen. liefern gelang es, am 3. ftooember 171G einen Vergleid) ju ©tanbe }il bringen, nad) meinem Sluguft feine Saasen entlaffen, gleid^cirig aber aud) bie ftationalarmce meit unter bie Hälfte if)re3 führen «eftanbeä f)erabgefefct werben füllte, wa3 ber f önig nadj bem juri* fcJ>en ujm unb ber Nation befteljenben miberfinnigen $Berf)ältni& als einen oon iljm errungenen Vorteil anfar).

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£a Sluguft aur bcr ileberjeugung gelangt war, baß ber 25eg bcr ©ewalt ifjn nia)t ju bcr erftrebten SBieberfjerfteflung bcr fönig- ticken 9Had)t führen werbe, filmte er ju$ ben polnifdjen s2lbcl burd) beffen ©ewölmung an eine er^ö^te <ßrunf* unb ©enußfudjt p eigen 3U madjen, ju welchem Enbe er an feinem £ofe ju SBarfdmu bie äußerfte $radjt unb Ueppigfeit entfaltete. &ber aud) biefe* SKittet führte üjn nu&t junt Siele, unb at* er am 1. gebruar 1733 mäfjrenb eine« SReid&atageS ju SBarfdjau ftarb, war eS il)tn, trofc ber eifrigften 93emüf)ungen, nodj nidjt einmal gelungen, feinem ©ofme bic Wadjfolge auf bem pofoifdjen Xfjrone ju fiebern.

$ie ©liefe ber ^olen wanbten fid) bei ber neuen MmgftDaty fjauptfädjtid) auf ©taniätauS SeäcinSfi, unb ber franjöfifdje £of betrachtete all eine Efjrenfadje, feinen ganzen Hinflug ein^u* fefcen, um bem ©djwiegeröater ßubwigä XV. wieber ju ber ber* torenen polnifd>en Ärone ju üerfjelfen. 3n biefem ©treben unter- ftüfcte ifm befonberä bcr $rima3 Sßotodi, ein eifriger Slnljänger fieScinSfi'a, unb nadjbem berfeibe auf bem gteidj nad) bem Sobe 2(uguft3 II. auägefdjriebenen „GonbocationSreidj&tage'' fo wur* ben in $o(en bie föeid)3tage genannt, auf Welmen geir unb Ort ber ßönigäwafjl feftgefefct Würbe ben ©efdjluß burdjgefefct, baß jeber auswärtige gürft öon ber 2Saf)l auägefdjloffen fein unb nur ein $iaft, b. f). ein Eingeborener, gewählt werben fotle, fduen bie 9lücffer)r SeäcinäfVä auf ben pofaifcf)en Sfpron um fo meljr gefiebert, aU ber franjöfifa^e ©efanbte Sttonti burd) (Selb unb 93erfpred)ungen faft bie ganje Nation für benfelben gewonnen fjatte.

$en SBemü^ungcn granfreidja waren jeboer) Reifer $arl VI. unb bie ®aiferin 9(una Don föußlanb entgegengetreten, wetdje ben neuen fturfürften öon ©adrfen, Shiguft III., Wuguftä II. ©ofm, auf ben pülnifcrjcn Xf)ron ju bringen fugten, weniger nod) um 9ßoIen bem Einfluß granfreid)& ju entstellen, al3 au£ perfönlid)en (Mxnn* ben. Sfuguft III. t)artc nämlid) bem ßaifer als tyxtii feines Sei- ftanbeä jur Erlangung bcr polnifdjen $rone bie 5Inerfennung ber pragmatifdjen ©anetion unb bamit jugletdj bie SSerjidjtlciftung auf bie Slnfprüdje jugefagt, welche er als ®emafyl bcr älteften Xodj- ter Qofcpf)^ I. auf bie öftcrreid)ifd)e Sftonardjie etwa geltenb maajen tonne, unb bie ßaiferin $Inna war oon bem $urfürften burd) ba£ SBerfpredjen gewonnen worben, faö^ er ®önig öon ^ßolen werbe, iJ)rem ©ünftüng Söiron bie Söelefjnung mit bem erlcbigten $erjog= tf)um Änrlanb gu erteilen. 33eibe 9)cad)te erttärten, baß fie, ba ©taniälauä burd) einen früheren SBefdjIuß ber Nation für immer »on bem polnifdjeu $f>rone auägefdjloffcn worben, beffen SBiebercr- t)ebung auf benfelben aU eine $8erle$ung ber polnifdjen JBcrfaffung betrauten müßten, bereu 2(ufred)tf)alhmg ju überwachen fic^ burd) ältere Verträge üerpfliajtet feien.

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316 ffmfer Statt VI.

Unterbeffen mar ©taniälau« Se«cin«fi fetbft fjeimftdj , al« Kaufmann öerfleibet, burtf) $eutfdjlanb nad) $o!en gereift unb er- festen am 12. ©eptember 1733 auf bem 2Baf)ltage ju SBarfdjau, mo er mit 3ubel empfangen unb äugleidj mit großer Majorität $um König gemäht mürbe, dagegen rief eine fa)toad)e Gegenpartei, an beren ©pifce bie 93ifdt)öfc öon Krafau unb $ofen ftauben, am 5. QU tober 1733, unter bem ©djufce eine« über bie Grenze gefommenen ruffifdjen |>eere«, auf einem bei bem $orfe Komief gehaltenen 2Baf)l* tag ben Kurfürften öon ©adjfen al« Sluguft III. jum König au«.

$a 2e«cin«fi fidj in Ermangelung eine« fampf6ereiten |>eere« gegen bie rufftfct)e Krieg«mad)t in SBarfdjau nidjt behaupten ju fönnen glaubte, flo!) er nad) $>anjig , mo er bie Slnfunft ber fran* äöfiföen £ilf«öölfer ju erwarten gebaute. $er Sttagiftrat erflärte fid& im ©ereine mit ber gefammten Bürgerfdjaft fofort für iljn ; bie ©tabt mürbe jebodj burdj ein rufflfdje« £>eer unter 2ttünnidj , ba« alsbalb ju ifjrer Belagerung erfduen, naa? einem ameimaligen oer* geblichen Berfud&e ber öon $ünfird&en nad) ber Oftfee entfanbten franaöfifa^cn glotte, ben Belagerten Verhärtungen unb Lebensmittel jujufüfjren, am 9. guli 1734 jur Ergebung gezwungen, ©tani«» lau«, ber felbft, öon ber Wufclofigfeit eine« längeren SBiberftanbe« überzeugt, bie ©tabtbefjörben $u Kapitulation«unterI)anbIungen öer* anlagt fjatte, entflog al« grud)tf)änbler öerfleibet, au« $anjig unb erreidjte, nadjbem er mehrere ÜMe in Gefahr gefdjtoebt, bem Seinbe in bie $>änbe ju fallen , bie preu&ifdje ©tobt 9flarienmerber , öon too er ftdj nad) Königsberg unter ben ©dm& Sriebrid) SBilljelm« I. von Greußen begab, ber anfang« auf ber ©eite Deftcrreidj« unb fltußlanb« geftanben r)atte , aber burd) bie Steigerung 5Iuguft«, if>m bie öerlangten gugeftänbniffe ju madjen, unb öerfdjiebene UM* fid)t«lofigfetten öon ©eiten föuglanb« ber ©adje ber Berbünbeten entfrembet worben mar. £)ie ©tabt £an$ig mürbe, nadjbem fie Stuguft III. gefjulbtgt , im Befifce it)rer grcir)citcn unb Berfaffung belaffen, mußte aber an föu&lanb eine ©elbbu&e öon jmei 2JUHio* nen Malern entrid)ten. $ie polniftfjen ©roßen , bie ifjren König nad) $an$tg begleitet Ratten, erfannten bie SBa^l Sluguft« III. al« eine rea)tmäßige an; auch ber $rtma«, ber mit bem fran$öfifdjen <5Jcfanbten gefangen in ba« ruffifdje Sager geführt morben , unter- warf fidj bemfelben.

Unterbeffen $atte Sranfreid) öon ber Söafjl Sluguft« III. jum König öon <ßolen Beranfaffung genommen, an ben Kaifer ben Krieg 31t erflären, obglcia) berfelbe fein |>eer nad) ^olen entjanbt, fonbem nur Xruppen in ©djlefien aufammengejogen fjattc, unb bem Bei* fpiele be« franjöfifdjen |>ofe« maren and) bie Königin öon ©panien unb ber König Karl Emmanuel öon ©arbinien gefolgt, jene meil fie ben Slugenblicf für günftig cradjtete, in 3taft*n weitere ©e*

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3>er pomifche Sljronfolgefrieg.

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bietäerroerbungen $u machen, unb biefer f meil audj er au3 ben neuen Skrmicflungen SBortheile für fein £au3 jtehen ju fönnen hoffte. 9cach bem jWifd^en ben brei dächten gefd)loffenen 93unbe3* vertrage follte ber ®aifer oller feiner italienifchen SBefifoungen be* raubt werben, ber fpanifdje Infant $on ®arIoä auf $o$fana, <ßarma unb ^iacenja ju fünften feines jüngeren ©rubere WftW Oermten unb bafür Neapel unb ©teilten, ber #önig oon ©arbi* nien aber bad SMlänbifche erhalten unb bafür ©arbinien an granf* reia) abtreten.

Unmittelbar nach erfolgter #rieg3erflärung lieg granfretd) brei $eere in3 Selb rücfen. $a3 eine unter bem 9Jcarfchaü 93ern?icf über^ Jchritt ben 9lr)ein bei ©trafjburg unb jtoang am 28. Oftober 1733 bie SReiä)3feftung $ e h 1 naa) mehrtägiger Belagerung jur Ergebung ; baä jmeite befefcte Lothringen , unb ba3 britte unter ißiöarg ging naa) Statten , mo e3 fid) mit bem oon ®art (Immanuel felbft ge* führten farbinifd^en |>eere üereinigte. SBährenb bie beiben lederen Speere mit leidster 2Jiüt)e ba£ nur mit einer fd)toad)en SBefafcung öerfeljene SDcailanb eroberten unb hierauf bie gange fiombarbei be= festen, 30g ein fpanifcc)e3 $eer, baä in $oöfana gelanbet, unter bem gnfanten Barlos, ben ber kaifer im Qahre 1731 bei bem $obe be& legten #erjog3 oon $arma auä bem £aufe garnefe mit biefem ^erjogtlmm belehnt t)attc , gegen baS oon faiferlichen $rup= pen faft gänjlich entblößte Neapel, unb in furjer Seit mar aud) biefeä Königreich ®arl VI. entriffen.

Am $ofe 5U SSien herrfajte bie größte Seftürjung , unb $u fpät erfannte ber $atfer, mie richtig ber <jkin$ <£ugen bie Sage ber $>inge beurteilt ^atte, als er oon jeber (Stnmifdmng in bie polni= fdjen Angelegenheiten abzuhalten gefud)t. Vergebens bemühte er fich, bie Seemächte , bie beibe feine ©etheiligung an ben polnifdhen SSahlhänbeln mißbilligt fetten, ju fid) ^txnbcx^k^tn : foroohl £>oI= lanb als (Snglanb oerfagten ihm ihren SBeiftanb. Selbft baä beutjehe Meid) zögerte, trofc bcö oon granfreid) burch bie Eroberung oon $et)l begangenen offenen gricbenäbrucheS , fid) ihm anschließen, unb nur mit üftühc gelang e3 ihm, bie beutfdjen 6tänbe ju einer fdjmachen Unterftüfcung ju bemegen.

Obgleich bie körperhaft be3 ^rinjen @ugen burch Saft ber 3at)re unb mehr noch burch bie 9Jcühen unb Anftrengungen feinet thatenreichen* ßebenä gebrochen mar, übernahm er noch einmal ben Oberbefehl am 9*hein ; boch mar e3 ihm bei ber ©cringfügigfeit ber Streitfrage, bie er gegen ben übermächtigen geinb inä gelb 511 füh* ren hatte ficbenuubbretßigtaufenb SJcann, t^eüd ftaiferliche, theilä 9teia)3truppen, gegen einmalhunbcrttau(enb granjofen nicht mög* lieh, ben gortfehritten beäfelben einhält 511 fytlt. 2)ie feften Sßläfec Girier unb Trarbach mürben gleich ju Anfang beä gelbjug^ oon

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ffaifer Äarl VI.

1734 burd) bie Sranjofen erobert, unb am 18. Quli mußte fid) if)nen aud) bie SReidjSfeftung SßlulippSburg ergeben, obmofjl ber Sftar* fdjall SBermuf bei ber Belagerung berfelben ben £ob gefunben fjatte.

3m folgenben 3ab,re fehlen baS #erannab,en eines ruffifdjen 4c>ilf^6ccrc5 unter bem Öteueral ÖaScu ben ^aifertidjen etmaS gün= ftigere 9luSfid)ten ju eröffnen ; altem bie 3lnfunft biefeS feljnlidj er= marteten #orpS mürbe burdj bie Sdjmicrigfeiten oerjögert, bie ber #urfürft oon SBaiern bem Xurdjmarfdj beSjelben burd) bie Dberpfalj in ben 28eg legte , unb als baSfelbe enblidj auf bem ftriegSfdjau* ptafce anlangte, roaren bereits auf ben Antrag beS ®arbinalS gleurü geheime SriebenSunterfjanblungen jnrifdjeu Defterreidj unb 3ran!reic^ angefnüpft morben. Xer Umftanb, ba§ feit ber Grinnafjme oon 5>an* $ig burdj bie töuffen bie polniidje Xtyronfolgefrage tfjatjädjlid) erle- bigt mar, inbem biefelbe bie Slnerfennung SluguftS III. als $önig t>on $olen aud) oon Seiten ber früheren Anhänger ScScinSfVS $ur Solge gehabt, ^atte granfreid) $u einer SSerftänbigung mit bem $ai)er geneigter gemalt, unb jmar umfome^r, als bemfetben eine entfpredjenbe (Sntfdjabigung für feinen @d)üfcling SeSctnSfi unb mit berfelben jugleid) ein groger eigener SBortfyeil in s2luSfia)t gefteöt morben. $iefe (£ntfd)äbigung follte in ben $>er$ogtf)ümern Sotfjrin* gen unb 33ar befteljen , auf meldje ber jum ®emaf)l Ovaria S^ere* fia'S, ber ätteften Softer ®arlS VI., bestimmte £>erjog granj Stephan gegen bie tf)m jujuerfcnnenbe 2lnmartfdjaft auf loSfana $u fünften beS entthronten s$olenfömgS SBerjidjt $u leiften bereit mar, unb meld)e nad) bem Xobe ßeScinStVS als Ürbtljeil ber Ötemafjlin ßub- migS XV. an Sranfreid) fallen foQten. $a jebod) XoSfana bereits bem fpanifdjen Infanten Barlos jugefagt morben, follte berfelbc im Jöcfifce oon Neapel unb ©icilieu oerbleiben, bagegen aber nidjt nur auf XoSfana, fonbern aud) auf ^arrna unb ^tacenja ju (fünften beS ÄaiferS Oermten. $er ftonig oon ©arbinien follte burdj bie oon bem §er$ogtl)um 9#ailanb $u trennenben (Gebiete oon Xortona unb 9tooara jufrieben geftellt merben , baS beutfd)e Üieid) bie oon ben granjofen eroberten geftungen jurütfer^alten unb granfreid) au&erbem bie pragmatifche ©anetion gemä^rteiften.

sJiadjbem biefe ©auptbebingungen smtfdjen bem ®aifer unb granfreidj oereinbart morben, mürben am 3. Dftober 1735 inSBien bie griebenSpräliminarien unter5eid)net. Spanien metgerte fid) an* fangS, bem trieben beizutreten, meil bie Königin (Slifabetf) außer Neapel unb Sicilien aud) XoSfana, ^arrna unb ^iaeenja behalten $u f önnen gehofft Imtte ; ba jebodj bem £>ofe oon 9)*abrib bie Littel fehlten, feine gorberungen burdjjufefcen , oerftanb er fid) baju, am 21. ftoüember 1736 feinen föchten auf $arma unb <ßiaccn$a ju fünften beS ffaiferS unb feinen 5lnfprüc^en auf XoSfana jum heften beS £aufeS Lothringen ju entfagen. dagegen übertrug ber

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$er polnifcf)e X^ronfolgcfneg.

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Äaifer am 11. $>ecember beS gleichen 3aljreS Neapel unb ©icUien an bcn Qnfantcn Barlos.

Stanislaus SeScinSfi , bcr als £ömg öon Sßolen anerfamtt morben unb hierauf am 28. Januar 1736 ju ßimigSberg feierlich feine SRedjte auf bie polnifdje ®rone an Sluguft III. übertragen hatte, nahm am 3. Wpxil 1737 öon feinem neuen Sanbe 33eftfc unb tuählte ßuneoille ju feiner SUcfibenj. Xa bie ihrem alten |>errfd)er* häufe treu ergebenen Sot^ringer ihren fterjog mit tiefem ©ebauern Ratten fcheiben fehen, hatte bcr neue Surft, ber ben tarnen eines Königs öon tßolen fortführte, anfangs einen ferneren ©tanb; bodj ermarb er fich balb bie öolle guneigung feiner Untert^anen burd) feine fieutfeügfeit unb greigebigf eit , fomie burd) bie SJcilbe unb SBetSljeit feiner Regierung , burd) meiere er bcr 2öot)Itt>äter beS £anbeS mürbe, ©o mar feine Stellung ungleich beneibenSmerther, als bie feines föiöalen Sluguft III., ber in $olen felbft ohne 2Kad)t unb 2lnfef)en unb nach 2lußen bcr ©flaöe föußlanbS mar.

9cad) einer neununbgmanjigja^rigen fegenSreidjen Regierung fanb ber öielgeörüfte SeScinSfi im $Ütcr öon aajtunbaa^t^ig fahren burd) einen Unfall ben Xob. 2lm Kamine fifcenb, fam er bem geuer $u nahe; bie Rammen ergriffen feine Leiber, unb er erhielt baburd) fo fdjmere Söranbmunben, baß er benfelbcn erlag. (23. gebr. 1766.)

$er $crjog granj (Stephan öon Sothringen , ber (£nfel jenes $arl V., bcr unter ßeopolb I. fo rufjmüotl gegen bie Xürfen ge* fämpft, üermählte fich am 11. Wpxii 1736 mit #arlS VI. 2od)ter 9ftaria X^erefia unb hielt, nad)bem baS ihm $uerfannte GJroßher* äogthum XoSfana am 9. 3uli 1737 burd) ben Xob beS ©roßher* *ogS Sodann ÖJafton feinen legten #errfd)er aus bem ^ebieeifdjen Jpaufc öertoreu, am 20. Qanuar 1737 mit feiner jugenblidjen ©e* mahün feinen feierlichen (Sinjug in glorenj. 23ic Sothringen unter (Stanislaus, fo erfreute fidj aua) XoSfana unter feinem neuen $errfd)er einer milben unb fegenSreidjen Regierung.

SRiemanb hatte ben s2lbfd)luß beS SBtener griebenS mit größerer 33efriebigung begrüßt , als bcr $rinj (Sugen , ber bei ber abfoluten finanziellen £ilflofigfeit bcS ftaiferS unb beffen nahezu öoßftänbiger 3folirung in einem raffen griebenSfchluß baS einzige föettungS* mittel für bie öfterreichifdje Monarchie erblicft unb für biefelbe nodj ©d)limmereS als ben Eerluft öon Neapel unb ©icilien be= fürchtet hatte. $ro| feines junehmenben SöruftleibenS fefcte er feine gefd)äftlid)e Xt)ätigfeit mit unermüblidjem <£tfer fort, unb bcr ®aifer faßte auch jejjt nod) feinen entfeheibenben (Sntfdjtuß, ohne beS ^rin^en ©utadjten eingeholt $u haben. $ie te^te Slngelegenheit, bei welcher (Eugen als 9lathgeber $arlS mitgemirft, mar bie i8ermäf)lung SJcaria Xherefia'S, $u bereu Söefchtcunigung er ben faifer bringenb auf= geforbert , „bamit allen übrigen 33emcrbungen ein für allemal ein

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Haifa ffari VI.

3ic( gefefot unb baS GJlücf feiner Xoc^ter , fomie bie 9tuc)e feiner (Srblanbe gefiebert werbe." (Sugen felbft überlebte biefe Berbinbung, burdj njeldje baS £auS ^pabsburg'ßothringen begrünbet tourbe, nur um furje Qtit. Sßachbem mit bem herannahen beS 5rüf)lingS fein 3uftonb fich merflich ju beffern gefduenen , fanb man ihn am borgen beS 21. 9lpril 1736 tobt in feinem Bette. Sine ßungen* lä^mung Ijatte feinem ßeben ein (Snbe gemacht, unb feine ruhige Sage, foroie ber milbe ^uSbrudf feines ®eftchteS befunbeten, baß fein Eingang ein fanfter unb fdjmerjlofer gemefen.

Sßrinj (ämgen oon ©aüoijen bon griebrich bem Großen, ber im polnifchen X^ronfotgerrieg als Bolontair in bem preußtfehen 9teichScontingente eine Qeit lang unter ihm gebient, mit Sftedjt „ber Schufcgcift DefterreidjS" genannt jäfylt unftreitig ju ben größten gelbfyerren ber SBeltgejchichte. ©eine ©chlachtpläne, bie er inmitten beS ^ampfgemühleS je nach ben Umftänben trefflier) ju mobificiren mußte, finb mar)re SJiciftcrftücfc ber föriegSfunft, unb ber Genialität beS SnthmrfS entfpradj bie tufme ©ntfchloffenheit ber Ausführung. $>abei befaß er in hohem Grabe baS auch Napoleon I. eigene Talent , bie ©tegeSauoerficht , bie ilm felbft erfüllte , auch feinen ©olbaten einzuflößen, }o baß fie, unter feiner güfyrung fict> für un* übernrinblicfj ^altenb, it)m öotl Begeiferung folgten, merfn er ftct> an ihrer ©pifce mit fühner 2obeSüerad)tung mitten in baS bidjtefte ©chlachtgetümmel ftürjte.

2Wit feinem ungcmöhnlichen gelbherrntalent oerbanb (Sugen auch eine feltcne ftaatSmännifche Begabung, burch welche er gleich- falls bem Äaiferfjaufe bie nridjtigften SMenfte leiftete. $)abei mar er, maS höhe* anjufchlagen ift als aHeS Rubere, ein burdwuS ebler unb hochherziger 2Jcenfch, ber bie Pflicht jur einigen 9lic^tfd^nur feines SebenS nahm , bie unbermeiblichen SJrangfale beS SfriegeS . nac^ Gräften ju milbern fud)te unb mit ebler ©elbftoerleugnung ben eigenen Bortheil gern bem 2Bof)Ie 2lHer jum Dpfer braute. 2Bie ferjr er fid) aua) in feiner ftaatSmännifcfjen Xhätigfeit öon allen SHänfen unb biplomatifc^en SBinfeljügen fern $ielt, obgleich er biefelben bei Slnbern flar burchichaute unb mit Gefcf)icf $u oereiteln mußte, bemeift ber SluSfpruch BillarS über bie Spaltung beS $rin$en bei ben 9taftabter Berhanblungen. „Vichts fyat mir", fo fagt er, „in meinem Seben fo oicle Üttühc gefoftet, als bie SKeblichfeit SugenS nicht JU bclctbigen ; fein ©harafter flößt 3ebem (S^rfurd^t ein."

(SugenS aufrichtige unb tiefe SReligiofität bemährte fich ebenfo* mohl in ber entjduebenen Slnhänglichfeit unb Xreue, bie er bei aller 3)ulbfamfeit gegen bie Ueberjcugungen AnberSgläubtger fein ganzes iieben hinburch feinem fatholifdjen (Glauben bewahrte , als in ber gemiffenhafteften Erfüllung feiner fird)lid)en Pflichten. „(Eugen lmßte", fagt ber Qejuit s#eifhart, „bie ilebertretung ber göttlichen

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$er polnifdje Shronfolgefrieg. 321

©ebote. galfdje fiehrgrünbe unb ©äfce bcr ©ottloftgfeit, oon melden fich bie ^cronrcifenbc 3«9^ in«gemein anhauchen lägt, f)at er oerachtet. Smeier geiftiidjcr 93ücf>er, meiere Oon bcr ©h*e ©orte« unb ben Pflichten be« (^riften hobeln, bebiente er ficf> foft täglich, uttb toer mit ihm in Angelegenheiten ber Religion fprechen rcoUte, fonb ftet« ein geneigtes ©ef)ör. £cn Gebrauch ber heiligen ©afra* mente ^at er $u gebotener Seit niemal« übergongen. ©etoöhnlich mar, noch beoor er in« gelb sog, bie 9(u8fö$nuttg mit ©ort fcfjon öorgenommen, obgleich biefelbe auch mitten im .Kriege nicht unter* blieb. Unb fo liefe er fich benn auch noch sroei Süochen üor feinem Xobe mit ben ^eiligen ©aframenten oerfefjen."

211« ein eifriger greunb ber ßünfte unb SBiffenfchaften Oer* roanbte ^rinj ©ugen einen großen Styeil feiner (Sinfünfte unb feines ©er* mögen« jur Slnfammlnng öon Jhmftroerfen unb jur Anlegung einer äußerft reichhaltigen ©ibliothef, beren SBerfe für ihn ber ©egen* ftanb be« emfteften ©tubium« maren. Sluch ftanb er mit ben |er= öorragenbften flünftlern unb ©elehrten feiner 3eit tt)eil« in perfön* liebem, tffeil« in brieflichem SBerfehr, unb fein $au« mar ben Srägern ber ©Übung jeberjeit gaftfreunblich geöffnet. 2Rit Seibnifc, ben er roährenb be« legten Aufenthalte« be«felben in SBien fennen unb fct)äfeen gelernt, öerbanb it)n bte innigfte greunbfehaft, bie ihren 9(u«brucf in einem immer reger fich geftaltenben ©rieftoechfel fonb. Qn be« ^rinaen öertrauteften greunben gehörten auch ber geiftreiche unb funftfinnige flarbinal Alberto Albani , ein «Reffe (Siemen« XI. unb in noch höhcr^ ©rabe ber $arbinal 25ominico ^affionet, ber ebenfo gelehrte al« eifrige ©orfämpfer für bie fechte ber Strafe, ber ol« üäpftlicher ©eöollmächtigter ouf ben ßongreffen öon Utrecht unb ©oben fich (Sugen« öoUfte Hochachtung erworben t>atte.

©ei aller feiner ©röße mar @ugen öon f eltener ©efdjeibenheit unb ftet« geneigt, ben SBerbienften Anberer öolle ©erect)tigfeit hriber* fahren ju laffen. „Sßiemal« fyabt ich", fdjreibt ber franjöfifche Styrifer Qean^aptifte föouffeau, ber, au« feinem ©aterlanbe Oer* bannt, öon (Sugen mit SBohlthaten überhäuft toorben mar, ihm aber nicht«beftotoeniger mit Unbanf lohnte, „in einem Spanne fooiel ©röße mit fooiel Einfachheit oereinigt gefet)en. ©ein Urtr>etl ift öon einer rounberbaren Sttichtigfett, unb in Allem ift er unterrichtet. @r ift ein friegerifcher ^ptjitofopr) , ber feine SBücbe unb feinen SRuhm mit ©leichgiltigfeit betrachtet unb bie gehler, bie er gemacht hat, mit berfelben Offenheit erjählt, al« ob oon einem Anberen bie föebe märe; falt bei ber erften Begegnung, äußerft oertraulich bei längerem Umgange, ein weit größerer ©emunberer ber Xugenben Ruberer, al« feiner eigenen."

$olatoart$, IWiflfHmf. Vi.

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ä alfer flarl VI.

Üaxtt VI. satter Sfirfenlricg.

(1737-1739.)

»

Üttit bem $>infcheiben be« ^rinjen (Sugen hotte ber öftcrrcidt)ifc^c ©taot fein eigentliche« leitenbe« £>aupt oerloren. gortan rourbe ber roohlmeinenbe , ober frembem (Hinflug aflju jngängüc^e $aifer meift öon üttiniftern nnb Generalen geleitet, bie theil« be« richtigen 93er* ftänbniffe« für bie Sage ber Xinge entbehrten , theil« ben eigenen $ortheil mehr als ben be« Staate« im Sluge hotten. Unglüdlicher* roeife brachten fie ihn auf ben Gebauten, fich burch bie SBethetligung an bem im Qahre 1736 öon SRufclanb gegen bie Pforte eröffneten Kriege (f. ©. 278) für bie im polmfdjen it)ronfotgcfricfl erlittenen SSerlufte entfehäbigen. 211« SSorroanb $um beginne ber geinb- feligfciten , ju welchen bie Pforte bie«mal feinerlei SBeranlaffung gegeben , rourbe bie feit bem polnischen Xhronfolgefrieg jroifchen Deftcrreich unb föufelanb befteljcnbe SlHianj gebraucht, traft beren man fid) für verpflichtet erflärte, an bem Kampfe ber 93unbc«ge= noffen Xfjcil iu nehmen.

Sftachbem am 9. Januar 1737 ba« öfterreichifch^ruffifche 33ünb* nif? burch ben Gefanbtcn be« ftaifer« in Petersburg mit bejonberer ^öe^ugnahme auf ben öon nun an gemeinfam ju führenben $rieg gegen bie Xürfen erneuert roorben, lieg $arl VI. ber Pforte grie* benSbcbingungen übermitteln, in welchen er für Defterreich foroohl nrie für Sftu&lanb Gebietsabtretungen verlangte , unb ba biefe öon ber Pforte öerroeigert würben, erfolgte im Quli 1737 bie ihieg«* erflärung Defterreich« au ben ©ultan. ber gleichen Qtit rüdte ein üftcrreidnfche« $>eer unter bem Grafen ©edenborf, einem fränfifchen (Sbelmanne, ber fich in fädjfijchen unb faiferlichen ftriegSbienften ' herüorgethan unb fpäter als Gefanbter ®arl« VI. am £>ofe ju Berlin mit großer biplomatifcher Geroanbtheit bie 3ntereffen Ocfter- reich« üertreten hotte, in bie Söallachei ein, um juuächft bie Seftung 9ttffa ju erobern.

$er Anfang bc« Unternehmen« fct)ien glüdöerfprechenb ; benn fdjon am 2. Sluguft mu&te fich ^iffa ergeben. 2lud) ein ©treifjug be« Dberften Sentuhi« in ba« fübroeftücr)e Serbien hotte guten Erfolg : SRoöUöaffaf rourbe genommen , unb bie (£f)riften ber Um= gegenb fchöpften neue Hoffnung auf bie enbliche Befreiung öon bem türfifchen Qochc. 9lber balb roanbte ba« Glüd ben faiferlichen ben föüden. 55ie Xürfen hotten bebeutenbere ©treitfräfte aufgebracht, al« man in SSicn erwartet, unb fo mißlang ber Angriff ©eden* borf« auf Söibbin; auch Sentulu« fonnte fich ^n öon ihm be= festen GebietSftrichen nicht behaupten. $a man in SBieu bie *8e* fürchtung ^egte , ba& bie Surfen burch Bosnien in ©teiermarf,

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ÄarlS VI. jmcttcr Xürfcnfrieg.

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Äärntfjen unb Üxain einbringen möchten, erhielt Secfenborf ©efel)l, fofort jur 3)ecfung ber Sinie an ber <Saöe aufzubrechen. 2)ie golge baöon mar ber gall öon Niffa, in meinem nur eine fcfjmache Söe* fafcung ^atte prücfgelaffen werben fönnen. 211S ber ^afd)a öon Numelien, Sldjineb Äöprili, mit einem £>eere öon einmal^unbert- $manfttgtaufenb äftaun jur SBiebereroberung biefer geftung ^eran* rücfte, üerlor ber Äommanbant berfelben, ber ©ehmeijer 3)ojatf fo fefjr ben Sfluth, ba& er ber Slufforberung jur (Ergebung gegen freien Slbjug ber Vefafcung fofort golge leiftete. (£r würbe bafür öon einem Kriegsgerichte 511m $obe öcrurtr)ei(t unb baS Urt^eit öom ßaifer beftätigt. 2(ud) gegen ©cefenborf , ber am SSiener £>ofe Zahlreiche (Gegner ^atte f mürbe unter ber Anflöge einer mangelhaft ten güfjrung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet, in golge beffen er als (befangener auf bie geftung ÖJrafo abgeführt mürbe.

Qnbeffen mar ©ecfenborfS Nachfolger im Oberbefehl, ber ®raf $önigSegg , im gelbjuge beS Sahred 1738 nicht glücflidjer. (5r mußte nicht nur bie öon ihm eroberte geftung ÜJcefjabia mieber räumen , fonbern tonnte auch bit ©innahme öon 9teu*Drfoma unb Semenbria burch bie Xürfen nicht üerf)inbern unb far) fich genötigt, fich bis nach Velgrab zurücf zuziehen. Äud) er mürbe abberufen unb baS Äommanbo bem (trafen SöalliS übertragen. Unter biefem neuen gelbherro nahmen bie $)inge eine noch fchlimmere SSenbung. (Sr erlitt am 22. Quli 1739 bei ®rofcf a gegen ben ©roSüejier eine fo öoüftänbige Nieberlage , baß er nichts VeffereS thun zu fönnen glaubte, als eitigft einen Unterhänbler mit griebenSanträgen in baS türfijche Sager ju fenben. tiefer bot bem Öko&öezier SBelgrab als s$reiS beS ju bemifligenben griebenS an, unb ber ®raf Neipperg, ben ber töaifer auf bie Nachricht öon bem bebenflichen ©tanbe ber $inge fofort mit Vollmachten p griebcnSunterhanblungen in baS Sager beS (JJroBöejierS entfanbt hatte, lieg fich burch ben 2)rang ber Umftänbe bemegen , nicht nur btefeS Anerbieten , öon meinem ber (ÄJroöoejier nicht mehr abgehen moUte, aufrecht ju halten, fonbern auch mit bemfelbcn unter ber Vermittlung beS im türfifchen Sager anmefenben fran^öfifchen ®ejaubten Villeneuoe, ber nicht menig baju beigetragen, bie Verlegenheiten NeippergS ju üermehren, einen $rä* Uminarfrieben abzufließen, burch mclchen bie geftungen Velgrab unb ©abaq nebft (Serbien, ber öfterreich ifchen äßallachei unb ber 3nfel unb geftung Orfoma ben dürfen juerfannt mürben. $a ber öon bem Äaiferl)ofe abgefanbte Äurier, ber ben Abjchluß eines über» eilten griebenS oerhinbern follte, nach feinem Eintreffen im öfter« reichijehen Sager öon SöattiS nach Siebenbürgen abgefertigt morben mar, famen bie 3)epefchen erft in NeippergS £änbe, nachbem berjelbe be* reitS am 18. (September 1739 ben befinitiöen gricbenSöertrag, ben jogenannten „grieben öon Velgrab," unterzeichnet hatte. $ie ÖJrafen

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Äaifer Statt VI.

fteipperg unb SBatliä nmrben jur Strafe tyreS Verhaltens ju längerer geftungShaf t berurtheilt ; aber bie fiänber, bie burdt) SugenS ©iege bem Äatfer gewonnen unb burdj ir)rc llngefdjicftidjfett in bie #änbe ber dürfen jurüefgebracht morben, blieben für Defterreidj oerloren.

Xer Ihimmer über ben unglücflidjen ©erlauf biefea Krieges nagte an $arl3 VI. geben. 9cacf) längerem Sränfeln ftarb er am 20. Oftober 1740 in feinem fedjSunbfünfjigften SebenSjahre. (5r mar ein milber, roofjltuoHenber Sürft oon feltener lierjenägüte, ba= bei melfeitig gebilbet unb toll be« beften SBiflenä, feinen SRegenten-- pflid)ten $u genügen; aber ifnn fehlte bie nötige £errfd)erfrafi, unb ber mit (Styre unb Xreue fmelenben ^olitif beS 3ahrl)unberte mar feine flüchte föedjtlicfjfeit nicht gemachten.

Sa8 beutle »et« unter Staxl VI.

Unter ßarl VI. fanf bie £ai ergematt ju noch größerer SBc* beutungäloflgfeit fyxab, als unter einen beiben Vorgängern. $a$ SKetcf) t)attc fitt) tfmtfächlich aufgelöft in einen ©taatenüerein bon mehr als breifjunbert ©liebern größeren unb Heineren, befcf)ränf= ten unb unbefchränften , geiftlidjen unb meltltchen dürften unb Herren unb einer großen 3a^l theilä ariftofratifet) , tyetl* bemofra* tifd) conftituirter ©tabtgemeinben , in melden ber nationale ©inn gänzlich erftorben mar unb bor ben Qntereffen be3 ©injelnen bie SRücffic^t auf baä ©efammtmol)! boüftänbig in ben ^intergrunb trat. Von ber früheren ßaiferherrlichfeit mar nicht« SlnbereS übrig ge* blieben , alä bie Sßrunfformen ber Krönung , bie gteiet) ben Jörnt* lidjfciten ber ftaiferroaljl genau nad) ben Safcungcn ber golbeneit VuHe beibehalten mürben.

SBäljrenb bie ®efammtfraft ber Nation unb mit berfclben bcS föcichcä ©l)re unb Slnfe^en ihrem boüftänbigen Verfalle entgegen gingen, metteiferten bie SReidjSfürften in bem Vcftreben, nicht nur an $)lad)t unb föegierungägemalt $u madjfen, fonbern auch in föang unb liteln fidj ben mädjttgjten Potentaten gleich $u ftellen unb an bracht unb ©fanj beä £offtaateä einanber ju überbieten. <$ür bic meiften berfelbcn mar ber prunfooHe $>ofhalt Submigä XIV. 9ttufter unb Vorbilb geworben, unb mit ben blenbenben formen unb ber oerfdjmenbcrifdjen Einrichtung beä £ofe3 oon VcrfaiUcä ^atte auch ba£ an bcmfelben hcrrftf)cnbe ©ittenöerberbniß an ben bcutfdjeu #öfen ©ingang gefitnben.

$er glanjoollfte unb juglcich ber übpigfte unter ben beutfehen 5ürfteuf)öfcn mar ber fächfifchc. Schon ber fturfürft Qohanu ©eorg II. (1656—1680) hatte bura) feine prachtltebe unb «er»

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2>a3 beutfäe m$ unter Äarl VI. 325

anügungSfudjt feinem ßanbe bie fd)merften Saften aufgebürbet, unb fein (ämfel unb jmeiter Sftadjfolger Qoljann ©eorg IV. (1691—1694) mar in biefer ©ejteljung ganj in feine Sufeftapfen getreten. SBeit fdjlimmer jebodj noa) mürbe eS unter bem ©ruber unb Stadjfolger beS fieberen, Sluguft II. bem Starfcn, ber niajt nur burd) feine alles 9fla§ überfdjreitenbe <ßrunffud)t unb $er= fdjmenbung ben ofmef)in burdj feine Kriege fdjmergefdjabigten 2Bol)l* ftanb ©adjfenS boUftänbig ju ®runbe richtete , fonbern audj ftdt) felbft unb baS ßanb burd) Sudlerinnen befjerrfdjen lieg, an meiere er 9KiHionen öerfdjenfte, mährenb baS SSolf im tiefften (Slenbe fcufjte.

$ie gleite Sßerfdjmenbung ^errfa^te an bem fädjfifdjen $>ofe unter 5luguftS II. ©ofm unb *Rad)folger 21 u g u ft III. , ber jinar feine anbere ßeibenfd)aft fannte, als bie Qagb, aber aus ©eroohn* rjeit feinem SBater in bem t»erfdjmenberifd)en <ßnmt ber Hofhaltung itadjahmte unb, mie biefer, ungeheuere (Summen für bie 2lnfamm= lung öon Ihmftfdjäfcen , mSbefonbere foftbarer (SJemälbe , berauS* gabte. D^ne jebmebe GJeifteSfraft unb gclangmeilt burcr) alles, maS bie Regierung feines ßanbeS betraf , überliefe er bie Seitung ber <StaatSgefd)äfte öoUftänbig feinem ©ünftling , bem trafen $einridj t)on © r ü h l , ber eS meifterhaft öerftanb, feinen £>errn in öoflftän* bigfter Slbhängigfeit oon feinem eigenen SBiHen unb babei $ugleid) in bem Sßalme $u erhalten, bafe er 2WeS felbft entfcr)eibe. 3n ber tßrunffudjt metteiferte ber allgemalrige SRiniftcr mit feinem £errn, unb fein $offtaat , ber ungeheure ©ummen öerfchtang , blieb an <3*lan$ faum hinter bem föniglidjen jurüd. Stufeer einer Liener* fdjaft öon jmeihunbert ^erfonen unterhielt er eine (£h*enmadje öon Slbeligen, bie höh« befolbet waren, als bie föniglia^en Cammer* jitnfer, unb ber SujuS fetner Xafel mie feiner fjäuSlidjen ^inrict)* tung unb feiner SHetbung äberftieg alles üftafe. „SBriÜjl", fagt Sricbrict) ber ©rofee, „mar ber 2tfann biefeS QahrhunbertS, ber bie meiften Kleiber, Uhren, ©ptfcen, ©tiefein, @^u^e unb Pantoffeln Ijatte. (£äfar mürbe ifm ju jenen fdjön frifirten unb parfümirten #öpfen gewählt fyabcn, bie er nidjt fürchtete." $a fein ©ehalt öon ^meiunbfünfjigtaufenb %$akxn jur ©eftreitung feines mafelofen Stuf* manbeS bei SBeitem nid)t ausreiste, liefe er fid) oon bem Könige bie reichten ©efifcungen fdjenfen unb flimmerte fid) menig barum, bafe baS fianb burdj feine SBerfdjmenbung ju ©runbe gerietet mürbe unb bie ©djulbenlaft beS ®urfürftenthumS unter feiner SBermaltung auf baS günffadje anmudjS.

Sieben bem fächfifetjen $ofe tr>at fid) aud) ber baierifd&e unter bem ganj an 3rantreidj hingegebenen föurfürften 9ttajtmtlian @m* manuel (1679—1726) burd) bie Entfaltung eines maglofen $run!eS l)croor. 2)er $of, ben fid) SKajimilian Immanuel als Statthalter

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ÄQifcr Äarl VI.

ber Nieberlanbe in SBrüffcI eingerichtet, mar ein treues STbbilb bes franjofifc^cn, unb um bie Soften beSfelbcn aufjubringen, mürbe Katern eine foft unerfchmingliche ©teuerlaft aufgebürbet. 9luch unter 2)car> milian Emmanuels ©ofm unb Nad)f olger $arl Ulbert bem nach* maligen ftrifer ®arl VII., jäfjtte ber baierifdje $of ju ben glänjenb* ften in $eutfd)lanb unb trug in feinen prunfoollen geftlidtfeitcn ein entfd)ieben fransöfifdjeS Gepräge.

93on ben fteineren beutfehen gürftent)öfen geigte befonberS ber toürttembergifchc unter bem $erjog Sber^arb fiubmtg (1693 bis 1733) unb beffen jmeitem Nachfolger #arl (1737—1793), bem ©of)ne beS jur fatt)oIifcfjen Kirche übergetretenen £>er$ogS ®arl SUeranber, ber feinem SBetter, bem finberloS oerftorbenen (£bert)arb Submig, in ber Regierung gefolgt, neben einem bie Gräfte beS San* beS oerjehrenben $runf baS traurige SBilb einer großen (£ntfitt= lidnmg; boer) flickte ber $>erjog ®arl in feinen legten NegierungS* jähren burdj größere ©parfamfeit unb eine unwichtigere ©taatSüer* maltung ben feinem Sanbe jugefügten ©c^aben möglidrft gut ju machen.

Einen roofjfthuenben ©egenfafc ju ben meiften übrigen üoüftän= big franjöfirten gürftenböfen SeutfchlnnbS bilbete ber $of ju 28ien, ber fich toie unter fieopolb I., fo auch unter ®art VI. burdj ©in» fachheit unb ©ittenreinheit auszeichnete, ®arl VI. hielt jtoar an bemfelben bie Etiquette aufregt, an toelche er fich ol$ ßönig oon ©panien gemöfmt hotte; bodj ließ er feinertei fran^öfifcfje Unfttte auffommen. ©eine SieblingSerhoIimgen toaren ©cheibenfehteßen, Sagb unb Eoncerte, bei meld)' lefcteren er, felbft ein großer Kenner ber 2Ruftf, oft perfönlid) mitmirfte. 93ei befonberS feftlichen ©e* legenheiten entfaltete jeboer) auch ber $>of §u Söien eine mahrhaft faiferliche bracht.

Neben bem faiferlichen $>ofe jeichnete fich auch °er branben= burgifche unter bem großen #urfürftcn burch eine mürbige Haltung aus. SlnberS mürbe es aüerbingS, jum großen Nadu^eü bes San* beS, unter griebrid) SöilhelmS ©ohn unb Nachfolger griebrid), bem erften ßönig Oon Greußen, unter melchem auch ber .frof oon Berlin einen OöHig franjöfiföcn Wnftrich erhielt, ot)ne baß jeboch an bemfelben mit ber bracht unb ©itte beS $ofeS oon SßerfaiöeS auch baS franjöfifdje ©ittenoerberben ©ingang fanb. 3u melcher Einfachheit bagegen ber preußifche $>of unter griebrichs I. ©otju, griebrid) SSilhelm I. jurüefgeführt mürbe, merben mir fpäter hören.

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Italien Dom roeftfälifdjen Rieben bt3 in bie SRittc bed 18. 3af)rf). 327

XX.

haften vom weftttttfQeu Stieben tos in bie ?8itte bes

adStjeßnfen ^aßrßuuoerts.

Sic $a>jle *on 1655-1758.

5)lac^ bem Sobe 3mtocena' X. (f. 93. V. @. 665) öerabgerte ftdj bie 2Bteberbefe&ung be£ ^apftlid^en ©tuhleä, in Solge beä öon bem Äaifer foroie öon bem ®önig öon ©pauien erhobenen Wn* fprua)3 auf baä nirgenba urfunblich jugeftanbene SRedjt ber „(£rriu* ftöe", b. f>. ber Sluäfchlicfcung einer ilmen mißliebigen ^erfönlichfcit öon ber ^apftmahl, bis $um 7. Slprit 1655, an mcldjcm Xage ber Äarbinal gabio CShigi öon ©iena aU 5llejanber VII. ben papft* liefen $f)ron beftieg. $a feine mohlbefannte 2Bei3f)eit, grimmig* feit unb (Einfachheit $u ben beften Hoffnungen für fein ^ontififat berechtigten, mürbe feine 3öaf)l öon ben Römern mit Subel begrü&t. 3n ber Sfjat rechtfertigte ber Anfang feiner Regierung öoüftänbig bie öon berfelben gehegten ©rmartungen : er lieg feinen feiner 9ccpo* ten noch 9tom fommen unb traf öieie treffliche Mnorbnungen. s2tf$ ihm jeboa) öon üerfchiebenen Seiten öorgeftellt mürbe, bafj er in atti&heüigfeiten mit bem toSfanifchen $ofe gerathen fönne, menn er feine SSermaabten aU einfache Surger in ©iena leben laffe, unb bafc überbieä bie fremben ©efanbten grö&ereä Vertrauen in einen SRinifter fefcen mürben, melier ber gamilie beä ^apfteS angehöre, berief er, nacf}bem baS (Sonfiftorium feine grage, ob er fich feiner SBermanbten jum 2)ienfte beä aöoftolifchen ©tufjleä bebienen bürfe, bejaht hatte, feinen ©ruber Sflario mit beffen Sohn glaöio nach Mom unb übertrug bem (Srfteren ben Oberbefehl über bie päpftUcfjen Xruppen, mährenb er ben Sefeteren junt ftarbinal erhob, ohne ihm jeboch einen afl$u großen Einfluß einzuräumen. (Sin anberer feiner Neffen, toguftin @^tgi, mürbe mit einer farnefifchen *ßrin5e|fin öermähtt, unb ©iena, bie SBaterftabt beä Sßapfteä, erhielt jahlreiche ©unftbejeigungen.

SBelche fchmeren Unbüben SUeranber VII. öon Öubroig XIV. $u erbulben hatte, t)a&cn ^ir oben (©. 62 u. f.) ge)et)en. ©inen Sichtblicf feines $ontififatft bilbete ber Uebertritt ber Königin ©hripine öon ©chmeben jur fatholifchen Kirche (f. 33. V. ©. 673).

$er Nachfolger Süeranberä VII. mar ber ©taatäfefretär 3uliuä ftofpigltoft, melier am 20. 3uni 1667 „ati ber befte, gütigfte SKann, ber fia) nur finben laffe," auf ben päpftlichen Xhron crf)o= beti mürbe unb ben tarnen Siemen« IX. annahm, ©leid) feinem Sßorgänger bichterifch begabt unb fenntnijjreich, mar er ntchtabefto*

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328 stalten Dom toeftfftlifc&cn grieben bi* in bie Witte be« 18. 3ahrh.

weniger äußerft beweiben, in allen fingen gemäßigt unb babei oon groger ©tttenftrenge. Söäljrenb er feinen eigenen SSerwanbten feine befonberen SBergünftigungen ju werben lieg, bemied er ben SBerwanbten feine* Vorgänger* große* SBohltoollen. Obgleich er nach allen ©eiten f)in SSofyUfyaten fpenbete unb bie Söenetianer in ihrem Kriege gegen bie Xürfen (f. 58. V. 6. 668) mit großen ©elb* fummen unterftüfcte, gelang e* ihm burdj weife ©parfamfett für ftd) felbft toie für ben ®taat*hau*halt, bem unter feinem Sorganger in Verfall geratenen Sinanjwefen be* $irchenftaate* wieber auf* $uljelfen. ßr Oermittelte im 3at)re 1668 ben ^rieben üon dachen jwifchen Spanien unb granfreich unb fudjte Subwig XIV. oon feinen <£roberung*plänen abzubringen, ©roße* SBcrbicnft erwarb er fid> um bie auswärtigen 2Jciffionen, in*oefonbere auch baburch, baß er ben TOfftonären alle £anbel*gefchäfte oerbot. 5)er ©chmerj über ben unglücklichen ©erlauf be* oenetianifcfctürftfchcn Krieges, burch welken $anbia ber djriftlidjen #errfchaft entriffen würbe, befehlen* nigte feinen Xob. ©r ftarb am 9. $e$ember 1669, im &lter oon ueununbfedjjig Sauren.

Nach fünfmonatiger (ährlebigung be* päpftlichen (Stuhle* be* ftieg benfelben ber achtzigjährige Gemittan zitiert al* Siemen* X. (1670—1676). ©ei feinem hohen «Iter mußte feine Xf)ätigfeit eine befchränfte bleiben; bodj trat er ben oielfadjen $lu*fchreitungen fiubwig* XIV. mit ©ntfehiebenhett entgegen, unterftüfcte bie $olen in it)ren dampfen gegen bie Xürfen unb erwarb ftch bie Siebe feiner Untertanen burch feine ÖJerechtigleit unb Sttilbe.

2(uf (Siemen* X. folgte am 21. September 1676 ber eble föarbinal Dbe*caldji au* (£omo al* 3«nocenj XI. ©od (Sfifer für bie Erfüllung feiner hohen SßfCic^ten, wachte er in*befonbere über bie ©tttenreinheit be* #leru*, ging bei ber Vefefcung ber geiftlicfjen ©teilen mit ber größten Vorficht ju SBerfe unb erließ üiele tyiU famen SBerorbnungen. ©eine* Äonjttfte* mit ßubwig XIV. wegen ber gaHifanifdjen Slrtifel unb be* bom $apfte abgerafften Slfülrecht* ber &efanbtfdjaft*quartiere in 9iom haben wir oben (©. 97 unb 99) ausführlich gebaut. $)a* benfwürbige (Shreigniß au* feinem Sßonti* fifat war ber glorreiche ©ieg ber chriftltchen SBaffen ü6er ba* türfifche 93elagerung*r)eer üor ben üttauem oon SBien, ju beffeu Herbeiführung er felbft burch bie Vermittlung be* ©ünbniffe* ßeo* polb* I. mit bem helbenmüthigen ©obte*fi fo wefentlich mitgewirft. Von bem römifchen Volfe wie ein ^eiliger oerehrt unb felbft oon ben öroteftantifchen #öfen hochgeachtet, ftarb Snnocenj XL, nach einem breijehnjahrigen reich gefegneten ^ontififate, am 10. 2Iu* guft 1689.

3nnocenj' XI. Nachfolger, ber hochbetagte $arbinal tßictro Dttoboni au* Venebig, ber ben Namen Sllejanber VIII. an*

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Sie ^äpftc öon 1655-1758.

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nahm, leitete bie Angelegenheiten ber Kirdje nur jwei 3at)re (1689—1691), wät)renb Welver er bie ©Bulben be3 ßirchenftaote« berminberte, bie ©ibtiothef ber öerftorbenen Königin (Ehriftine öon Schweben für ben SBatifan erwarb, feine Eaterftabt in bem Kriege gegen bie Surfen mit bebeutenben ©ubftbien unterftüfcte unb öon granfreid) eine theilweife ©enugthuung für bie bem apoftoftfdjen <Btu\)l zugefügten öeleibigungen erlangte.

Stach bem lobe Stteranber« VIII. (1691) würbe ber Karbinal STnton Sßignateffi au« ber 3amilie ber ^erjoge öon ÜKonte Öeone atö gnnocenj XII. auf ben päpftiiehen Stuhl erhoben, ©ütig, teutfelig, Wohltätig unb fparfam wie Snnocenj XI., ben er fleh $um SBorbilb genommen, mar er gleich biefem ein entfehiebener (Gegner be« 9lepoti«mu«, gegen welchen er eine eigene, mit ben Kar« binälen vereinbarte Suffe erlieg. Sfadj bem bamal« nod) in föom wie in "btelen anberen europäifchen Staaten beftehenben @ebraudt)e be« SSerfauf« ber Remter machte er ein (Snbe unb gab ben Käufern ben Kaufpreis jurücf. 3)urch feine öäterliche gürforge für SIrme unb SBaifen, fottrie burd) ben ©rtaß öieler trefflichen ®e)efce für bie $ered)tigfcit«pftege unb ba« 9krwattung«wefen würbe er ber befon= bere Sß3ol)Itf»ätcr be« Kirch enftaate«. 3)a§ unter ihm bie Surücfnafjme ber gciflifanifchen S3cfc^Iüffc burd) ßubwig XIV. unb bie Untermer- fung ber miberrec^tltc^ erwählten franko filmen ©ifdjöfe unter bie Autorität ber Kirche erfolgte, \)aben Wir bereit« oben (S. 98) ge= fehen. $a bie grieben«fchlüffe öon 8ty«wid unb Karlowifc ber euro- pätfehen SBett, wenn auch nur auf furje ben grieben jurüd* gegeben, tonnte Qfnnocenj XII. ba« grofje Jubiläum öon 1700 an* fünbigen, $u welchem unzählige Sßilger herbeiftrömten. Söäfyrenb ber ^auer be«felben ftarb ber fünfunbachtjigjährige $apft am 27. ©ep= tember, tief betrauert öon ber ganzen ©fjriftenheit.

5)er Nachfolger Snnocenj* XIL, granj Älbant, ein gelehrter $he°I°9e u^b eifriger $rebiger, ber ben tarnen Siemens XI. annahm, trat ganj in bie gufcfiapfen feine« Vorgänger«, beffen Ißertrauen er in h°§em ®*öbe genoffen l)atte. 2tf« £'ird)enfürft wanbte er feine gürforge ganj befonber« ber £>ebung ber SDftffionen, ber Steinerhaltung be« ©lauben« unb ber SBahrung ber fechte be« apoftolifchen ©ruhte« ju. 3ft ba« $ontififat (Siemen«' XI. fielen, auger ber (£rhc&lU!9 Greußen« ju einem Königreich, gegen welche er öergeben« proteftirte (f. @. 82), ber fpanifche (Erbfolgefrieg unb ber erfte Xürfenfrieg Karl« VI. $a& er in bem lefcteren, für welchen er ba« regfte Qntereffe an ben Xag legte, ben Katfer burch bie Ueberlaffung eine« Sheitc^ be« Kirchenjehnten in ben öfter- reichifchen Sanben unterftüjjte, würbe bereit« mügetheilt. SDa er in bem Kampfe ?ßhiKpl>3 V. unD Karl« III. um ba« fpanifche @rbe beiben Ihc^cn gerecht $u werben fuchte, würbe er öon granfretdj

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330 Italien Dom meftfältfäcn Uneben bis in bic Witte beS 18. 3a^.

tüte oon ßefterreidj als gctnb angefefjen unb ber $irdjenftaat burd* bnö oftcirrcidjifd&c £>eer , baS nad) ber Sdjladjt bei £urin unter $aun jur Eroberung Neapel* aussog, auf 53efcf)I ®aifer Sofcp^ I. mit ferneren 93ebriitfuna.cn f>eimgefua)t. 9ladjbem if)n fcerßaifer im 3afjre 1709 ju einem Vertrage gejmungen, in meinem er ftarl III. als ®ünig oon Spanien anerfannte , oerbot ^ß^itipp V. aücn $er* fefjr Spanien« mit 9fom, bertrieb ben päpftlidjen SfcuntiuS aus SNabrib unb fperrte beffen Xribunal.

2lud) in Stalten felbft ^atte ber otelgeprüfte *ßapft fernere kämpfe ju beftefjen. £er £er$og Victor SlmabeuS II. oon Sa= oouen, ber burdj ben Utredfter grieben $ömg öon Sictlien geworben, erlaubte fidj fo melfaaje Eingriffe in bie föeajte ber ttrdje unb naf)nt gegen ben $lernS eine fo fetnblidje Haltung an, ba& Sie* mens XI. über baS ®öntgreta) Sictlien, beffen ©eoölferuna ftdj nur gejtoungen ber faoomfajen £>errjd)aft gefügt, baS 3nteAi(t Oer* Ijängte. *TCad)bem Sicilien burd) ben griebenSbrudj Sllberoni'S unter bie £>errfd)aft Spaniens gefommen, mürbe, nadj borauSgegangenen Unterf>anblungen beS fpantfäen §ofeS mit bem päpftlid)en Stuhle, baS Qnterbift aufgehoben, bod) bauerte ber Streit mit Victor $lma= beuS fort. SBäfjrenb über bie ^Beilegung beSfetben unterljanbelt nmrbc, ftarb Siemens XI. am 19. gflärj 1721 im Hilter bon jmeU unbfiebjig 3af>ren , nadjbem er in feinem bielbemegten ^ontiftfate faft unauSgefefct ben Sdjmerj gehabt, bie Sftedjte beS apoftolifd)en Stüdes , für meldje er f>od)|erjtg gefämpft , bon allen Seiten Oer* fürst unb beinahe alle feine Stritte oon ben tocltltajen 3Häd)ten, bie, unbefümmert um bie föedjte ber ßirdje, nur ifjrcn eigenen &or* t^eil oerfolgten, mtbbeutet unb angefeinbet ju fe^en.

3um ftadtfolger Siemens' XI. mürbe ber ftarbinat Sttidjael 2lngelo Sonti aus einer oorneljmen römtfdjen Samilie ermäfjlt, ber unter bem tarnen 3 n n o c e n 5 XIII. ntdjt oolle brei 3af)re (1721-1724) ben päpftltdjen Stubl inne r)atte. SSäfjrenb feines furjen <ßonttftfatS mürben bie 3ted)te ber ßirc&e btelfad> beriefet, inSbefonbere buref) bie Uebertragung ber £erjogtf)ümer ^arrna unb $iacen$a an ben fpanifa)en Qnfanten Barlos, mobei oon ber ur* alten papftüdjen DberlefjcnStyerrlidjfeit (einerlei Sßotij genommen mürbe. 2>aS 2Bol)l ber fttrdje förberte Snnocenj XIII. burd) bicl* faaje f>eilfame SBerorbnungen. ©ro&en Kummer bereitete if)m bie gebieterifaje gorberung beS franjöfifdjen «fjofeS, bem unmürbigen 2lbb<5 $uboiS ben Purpur ju berleüjen, unb nur gelungen unb unter Xfjränen unterjeiajncte er beffen Ernennung 311m $arbinal.

2luf Snnocenj XIII. folgte am 29. 3ttai ber gelehrte , bem $omintfanerorben angcfjörige Äarbinal ötncenj 9ftaria Orfini als ©enebift XIII. Dbgleidj fein <£ifer oor 2Iüem ben hra^li^en 21^ gelegenl)eiten unb inSbefonbere ber Hebung beS geiftlta^en StanbeS

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S>ie Jfipftc öon 1655-1758.

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unb bcr wiffenfdjaftlid)en Seftrebungen beSfelben galt, berfäumte er nid)t, §anbel unb Qnbuftrie im #irdjenftaate förbern. Sludj war er bemüht, mit ben oerfduebenen £>öfen ein gutes ©inüernefjmen herstellen, wobei er jebod) ben 9fti6griff beging, bem oon if>m jum ftarbinal erhobenen unmürbigen flhfolauS (EoScta bei ben mit ben* felben geführten Unterfjanblungen aflju freie £anb ju laffen, wobura) ben welttidjen üftädjten meljr bewilligt ttmrbe, als mit ben ^ntereffeu ber ^irc^c berträgltdj war. *Ria)tSbeftoweniger erfuhr ber *ßapft oon ben meiften £>öfen nichts als ßtänfungen.

ftad) bem £obe öenebifts XIII. (21. gebruar 1730) wägten bie #arbinale ben fünfunbftebjigja^rigen ßoren$ (£orfini aus glo= renj, ber ben tarnen (Siemens XII. annahm wnb wäf>renb feinet $ef)njäljrigen <ßontififatS feines fjofjen SlmteS in würbiger SEBeife waltete. 3n richtiger (Srfenntnifj ber (Gefahren, welche ber ju $ln* fang beS adjtjefmten QaWunbertS in ©nglanb entftanbene gret* maurerorbeninft^ barg, oerbot er im Saljre 1738 bei Strafe beS Sannes ben eintritt in benfelben. SKitten unter ferneren ©or* gen, bie if>m buraj geinbfeligteiten oon ©eiten ©panienS unb ©ar* binienS bereitet tourben, ftarb (Siemens XII. im gebruar 1740, im Süter Oon adjtjig Sauren.

9laä) einem fedjSmonatlidjen ©onclaoe Würbe am 17. Sluguft 1740 ber fünfunbfet^jigjä^rige Äarbinat ^roäper fiorenj Samber* ttni als Senebift XIV. auf ben päpftlidjen ©tuf)l erhoben. 2IuS* gejeidjnet burd) eine ebenfo grünblidje als umfaffenbe ©elefjrfamfeit, förberte Senebift XIV. bie Söiffenfdjaften, tljeilS burd) eigene SSerfe, tljeilS burd) bie (Srriajtung mehrerer geteerten ÖJefeKf djaften, fowte burd) bie Anregung, bie er $u $af)lreidjen fdjriftfteüerifdjen Arbeiten gab. SefonberS groß war er als firdjlidjer (Sefefogeber. ©eine Süden waren oft gelehrte $lb(janblungen ; aber U)r ^nfjalt jeugte Oon f)oljer Umfidjt unb SSeiSljeit. S)en erfdjöpften ginanjen beS fiHrdjenftaateS fudjte er ljauptfädjlidj burd) große ©parfamfeit auf- jufjelfen ; aud) trug er ©orge für bie $ebung beS SlrferbaueS unb ber Qnbuftrie, fowie für bie Sefdjränfung beS ßuruS unb für eine geeignetere Drganifation ber $8ef)örben. Son ber Ueberjeugung aus* geljenb, bafj ber ©treit jwifdjen ber geiftltdjen unb weltüdjen ©ewalt nur ben geinben ber Religion (Gewinn bringe, glaubte ©enebift XIV. in feinen 93e$iefwngen ju ben weltlichen SQiöc^tcn bis an bie au&erfte ©ren^e ber Sugeftänbniffe getjen ju müffen ; aber wenn eS iljm aud) babura) gelang, mit ben in ifjren gorberungen immer weiter ge= f)enben £öfen einen jeitwciligen grieben tyerbeijufüfjren , fo würben boef) burd) bie bielfa<|en, nur für ben $lugenblicf beregneten XranS- aftionen bie obfd)webenben 3)ifferenjen nidjt bauernb befeitigt, unb bie oft ju weit getriebene 9>tad)giebigfeit beS päpftlidjen ©tuljleS biente nur baju, bie auf bie förmliche Unterjod)ung beS firdjlid)en

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332 Qtalicn Dom lueftfälifdjen ^rieben bis in bie Witte beS 18. 3ahrt).

Gebiete« auSgehenbe weltliche Wlafy $u immer fühnerem Auftreten $u ermutigen.

2(uf ben SBnnfch mehrerer fatholifchen ^Regierungen öermin» berte SBenebift XIV. bie Safjl ber firdjUchen Sfefttage. 35en 3ürft* abt öon gulba erhob er im 3a^rc 1752 5um Öifdjof. (5r mar ber erfte ^ßapft r ber baS preufjifdje ftömgtlntm anerfannte unb in fpä* tcren (Srlaffen ben preußifchen ©ouüerän als fönigliche SJcajeftat bezeichnete. 3)er tefcte (Srtafj öenebifts XIV. mar ein 93reöe öom 1. Slpril 1758, in welchem er, bem fich gegen bie Sefuiten öorbe* reitenben ©türme nacfjgcbenb , eine SBifitation ber Kollegien unb übrigen Käufer beS DrbenS in Portugal anorbnete. ©inen Sftonat föäter, am 3. 3Jcai 1758, ftarb ber gefeierte Sßaoft im Sllter öon bretmtbaa)tjig Sauren.

%ozlana, ©aöogcn, ajenebig unb ©cnua.

Söäfjrenb fich % o S f a n a unter ber Regierung SoSmo'S II. unb SerbinanbS II. (f. S3b. V. ©. 665) noch auf ber #öl)e beS fünft* lerifdjen unb roiffenfdjaftttdjen iRuhmcS erhalten hatte, $u meldjem eS fett ben erften gelten ber SJcebiceer emoorgeftiegen, fanf eS unter SerbinanbS ©ohn unb Nachfolger ßoSmo III. (1670—1723) gänzlich öon berfelben herab, unb ba (£oSmo fein anbereS ©treben fannte, als fich in ber @unft SubmigS XIV. ju erhalten unb an bem §ofe öon Sforenj bie bracht unb öerfa^menbung öon SBerfaifleS nachzuahmen, öerfdjmanb mit ber geiftigen SBebeutfamfeit feines ©rofc herjogthumS jugleich ber lefcte SReft feines ©influffeS auf bie 83er* hältniffc ber £albinfet. 9ÜS mit GoSmo'S III. ©ofm Sodann ©afton im Qafjre 1737 baS $auS ber üttebieeer auSftarb, befanb fich baS £anb in bem 3«Panbe äu&erfter @rfd)ööfung unb 3errüt* tung. @rft unter granj öon Sothringen unb beffen jmeitem ©ohne 2 e o p o I b, ber nad) bem Xobe feines SkterS baS ©ro&her jogthum SoSfana als eine öon Deftcrreidj getrennte „©ecunbogenitur" er= ^ielt, fe^rten für baSfelbe befferc Reiten jurütf.

SBie SoSfana unter GoSmo III. öon SDcebici, fo mar auch ©aüotjen feit bem ötyrenäifchen Srieben ganj an baS franjöfifche Sntereffe gefettet, bis ber ©erjog öictor toabeuS IL (1675 bis 1730) fidj, junächft im britten (SroberungSfriege SubmigS XIV. unb föäter im föanifchen (Srbfofgefriege, aufs Neue an bie (Gegner granf* reichS anfdjto&. Victor StmabeuS , ber , mie mir oben gefehen , im Utrea)ter ^rieben ©icilien mit ber ftönigSmürbe erhalten, im 3ahre 1718 jeboch genöthtgt roorben, biefeS fianb gegen ©arbinien an ben flaifer abzutreten, unb feitbem als Victor SlmabeuS I. ben Xitel eines Königs öon ©arbinien führte, gab feinem Sanbe eine ftreng

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XoSfona, ©aöo^cn, SSenebig unb ©enua. 333

müitarifdje (Einrichtung, mobei ihm bie be* üreufjifchcn Staate* jum SBorbilbe Diente, unb legte im ©eptember 1730 bie Regierung ju fünften feine* ©ohne* #arl (Emmanuel nieber. 211* er im folgen* ben 3afjre bie STbfidjt ju erfennen gab , ben %fjton nrieber ju be= fteigen , mürbe er auf ©efefjl feine* ©offne* üerfmftet imb auf ba* Schlo§ Hiüoli gebracht, too er bi* ju feinem £obe (1732) al* (Staatsgefangener lebte.

flarl (Emmanuel I. (1730-1773) ftellte bie TOlitärfraft feine* Sanbe* , ba* er im 3ntereffe feiner friegerifdjen Smecfe mit ben fdjmerften Abgaben brüefte, in ben $ienft frember SÜcächte, mo- bei er oft , ber <ßolitü feiner ^eit Qttxtn , mitten im Kampfe bie *Bunbe*genoffenfchaft mechfelte, menn ber s2lnfchlu& an ben ©egner größere SBort^eile in 2lu*fia}t fteflte.

58 e nebig, ba* burdj ben unglücf liefen Verlauf feine* üier* unbamanjigjä^rigen Eürfenfriege* bie 3nfel ftanbta üerloren (f. 93b. V. 8. 667), fanb al* öunbe*genoffe ftaifer ßeopolb* in beffen im 3a^re 1783 abgebrochenem Xürfenrriege für biefen fdjmer em= pfunbenen SBerlujt einen (Erfafc burd) bie (Eroberung ber £albinfel SJcorea, bie burd) ben früheren ^elbenmüt^igen Sertf/eibiger üon Äanbia, ben 2)ogen 3france*co SHorofino, im 3al)re 1687 nach f)ti* gen kämpfen ben Surfen entriffen unb im grieben üon ®arlonri& ben SSenetianern juerfannt mürbe. Xie Unjufricbenheit ber gried)i= fchen Seüölferung ber #albinfel über ben üon ben üenetiamfdjen Sanbpflegern geübten ferneren S)rucf erleichterte ben Xürfen bie SBiebereroberung SÄorea'* , unb im grieben üon ^affaronnfc mufjte fich ^Benebig $ur Serjichtleiftung auf ba*felbe gegen bie Abtretung ber gelfeninfel (Eerigo üerftehen. ©eitbem blieb ber Sefifcftanb 23e= nebig* feft normirt, unb bie fjin unb nrieber auf* 9leue beginnen* ben geinbfeligfeiten gegen bie Xürfen bienten nur baju, ber in immer größere (Erfdjlaffung üerfinfenben SRepublif $emüthigungen aller 2lrt ju bereiten.

Ö)enua, ba* feit ber ihm im 3<*hrc 1684 burdj Subttrig XIV. auferlegten ferneren ,£>eimfudmng mit granf reich in Sieben gelebt hatte unb üon ben SBirren be* fpanifchen (Erbfolgefriege* unberührt geblieben mar, fyatte. feit bem 3ahrc 1729 har*e kämpfe gegen bie 3nfel ®orftfa ju befielen r in beren Söefifc e* im 3ahre 128& gefommen. iftachbem bie Dorfen fich fchon in ben üorhergeljenben Sohren nueberholt in üereinjelten Slufftönben gegen bie brücfenbe genuefifche £>errf djaft aufgelehnt hatten, ohne bafj e* ihnen gelungen mar, ba* üerha&te 3o<h abschütteln , erhob fich im 3ahre 1729 *>k ÖJefammtbeüöKerung ber Qnfct jum gemeinfamen Kampfe gegen ihre Söebrücfer, unb erft im 3ahrc 1733 Solang e* ben (SJenuefen, unter ber Üftitnrirfung üon achttaufenb 9ttann öfterreichijeher Xruppen, bie ihnen ®aifer ftarl VI. ju #ilfe gefanbt, ihre £err jd)aft auf forfifa

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334 Stalten botn toeftfälifdjen ^rieben bis in bie SRittc be« 18. 3<rf>rfj.

Ijerjuftellen. $>er ®ampf brad) jebod) aufs 9teue aus, als im 9ttär$ 1736 ein beutfäer Gbelmann aus Söeftfalen, Xtyeobor fteuljof, ber fidj längere 3e^ als politifd)er Mbenteuerer an oerfd)iebenen £öfen untergetrieben , mit einem ©djiffe unter englifdjer Slagge, baS retrf)lid) mit #riegSbebarf üerfeljen war, an ber forfifdjen ftüfte erfd)ien unb ftdj ben Dorfen jum Befreier anbot, wenn fie ifm $u ifnrem dürften wählen wollten. 3n ocr ^fat nuirbe er im Slpril beS gleiten QafjreS als X f) e o b o r I. jum Äönig öon föorfifa aus* gerufen unb, in Ermangelung einer wirflidjen ftrone, mit einem ^orbeerfranje gefrönt, worauf er $al)lreid)e $ofämter erridjtete, ben Vornehmen beS fianbcS Xitel unb SBürben öerliel), ben Drben beS ©rtöfers ftiftete unb aWünjen fdjlagen ließ.

Qnbeffen bilbete fid) balb unter ben Dorfen eine Partei gegen ben neuen ®önig, unb ba fid) berfelbe überbieS in ©elboerlegenljeit befanb, inbem bic öon if)m auSgefdjriebenen Steuern nur mangel* r)aft eingingen, begab er fid) im üftooember 1736, nadjbem er für bie Xauer feiner 9lbwefenf)eit eine Sftcgcntfdjaft eingefefot, nadj $lm* fterbam, wo ifjn ein Xfjeil ber ®aufmannfd)aft gegen baS S3erfpre= djen gewiffer $anbel^oort^eile auf ftorfifa mit ©elb unb neuem $ricgSbebarf öerfaf).

Unterbeffcn Ratten fidj bie (SJcnuefen um £ilfe an granfreUf) gewanbt unb uon bem fransöfifdjen jpofc bie Qu)a$t bewaffneter tlnterftüfcung $ur ^Bewältigung beS forfifdjen WufftanbeS erhalten, unb als X^eobor im September 1737 mit brei fyollänbifdjen .Kriegs* fdnffen nadj ®orfifa jurüdfam, fwtte fid) ein Xtjcil ber 93eöütferung bereits burdj ben Sütjrcr ber injwifdjen auf ber Qnfel angelangten franjöfifdjen Xruppeu $u einem Sertrage mit <&enua beftimmen laffen, in weldjem biefcS ben Dorfen als <J*reiS i^rer 9lüa*fe^r unter feine :perrfcf>aft eine toollfommene Slmneftie unb eine eigene Regie- rung bewilligte, tföä^renb feine 2lnf)ängcr ben $ampf fortfefcten, öerliefe £l)cobor, auf beffen ®opf ein $retS gefegt worben, aufs SKeue bie $n\tl, fetjrte jebod) im Qa^re 1743 jum anbern 9)tole batyin jurütf, bieSmal mit englifdjen ^riegSfdjiffen , 511 wefdjen if)m ttonboner Äapitaliften öerfwtfen; aber baS fSoit war fo feljr ent* müßigt, baß er alsbalb, an feiner ©adje oeraweifelnb, fid) wieber nadj Bonbon etnfdjiffte, wo er am 11. $>ejember 1755 in ber äu&erften £)ürftigfeit ftarb.

$a bie ©enuefen bie ben Dorfen gemalten SitgcftanbntfTc niajt erfüllten, griffen biefe aufs 9ieuc ju ben SBaffen, unb ber oon i^nen jum Oberbefehlshaber ernannte eble unb l)elbenmüthige $ a S* cal $aolo, bem aiigleid) bie Verwaltung beS fianbeS übertragen worben, führte eine Seitlang ben ®rieg gegen bic ©enuefen mit fo cntfajiebenem öJlürf, ba6 biefe abermals bie ^ilfe SranfrcidjS in silnfpruch nehmen mußten. 2ln ber SDiögliajfeit oerjweifelnb , fia)

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3)a3 ftöntgr. $reufcen unter griebr. I. u. griebr. $Biu). I. griebr. I. 335

im SBeftfce ber 3nfef ermatten ju fönnen, traten fie im 9ttai 1768 i^rc föed)te auf bicfclbc gegen eine bebeutenbe ®eibfumme an granf* reid) ab, beffen Gruppen fid) inattufdjen auf einem X^eile oon ®or= pfa feftgefefct Ratten. $ao(o legte auf einer ^erfammlung ber Dorfen in ©orte öor ganj Europa gegen ba3 Unrecht, baä granf* reia} unb ©enua an ftorfifo begangen , fcicrlidt) SBcrtoahrung ein unb begeifterte feine Sanbaleute jum äufeerften Sötberftanb ; nadjbem jebod) jebe Hoffnung auf ben erwarteten SBeiftanb ©nglanbä ge* fctjtounben , gab er im folgenben 3a^re , naa) einer bei $ o n t e 9i u o b o erlittenen ftieberlage, ben auäfidjtölofen Äampf auf unb fduffte fid) am 11. Qult nadj v#ifa ein, t»on too er fid) fpäter nad) (Jnglanb begab. 9cad) bem Muäbrua) ber frausöfifa^en töeöofution würbe er jurn (Statthalter feiner ^eimat^Uc^en Qnfel ernannt, bie am 12. 3uni 1769 jwei Monate bor ber ©eburt Napoleon SBuonop arte'S, beä größten tfjrer ©öfmc, ber burd) bie 58er* ttid)tung ber genuefifdjen SRepubfif unb bie Unterjochung grantreid)* ber föädjer feinet Rottes werben foüte, befinittb in ben 93eft& granfreidjä übergegangen war; er hntrbe jebodj im %af)xe 1793 ate (Gegner ber SRepublif geästet, worauf er, ber Slufforberung ©eorgS III. uon (Snglanb folgenb, naa) fionbon jurürffe^rte. $ier ftarb er im 3at>re 1807.

XXI.

J>az ^ottigtetd) Igteufau untet gfriebrta) I. unb £frietotd>

(1688—1740.)

9f r i e b r i $ L

(1688-1713.)

9tact)bem ber ju Anfang bed fieb$ef)nten Qafjrljunberta burd) ben £eimfafl be§ £er$ogtf)um§ Greußen an ba£ branbenburgifd)e £auS eniftanbene preußifüVbranbenburgi)d)e Staat unter bem fdjroadjen tfurfürften ®eorg SBilfyelm (1619 1640) mö^renb ber <5türmc be& bretfjtgjährigen ®riege§ in bie tieffte 3errüttung unb Olmmadjt ber* funfen mar, Würbe berfelbe burd) bie fraftootte Regierung beä „großen ®urfürften" griebrid) SBilfjelm (1640 1688), be£ €>ohneS unb 9cad)folger3 ®eorg 2Bill)elmä, ju einer ungeahnten Sölütfje emporgehoben.

griebrid) SBilfjelm war ein ^errfajer bon t)od)ftrebenbem ©eifte, fettenem @d>arfbtitf unb raftlofer Xhätigfcit , babei eine burd) unb

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336 $aö Jtomgreid) Greußen unter ^nebridj I. unb griebrid) SBil^elm I.

bunt) majeftatifche (Erfcrjeinung. „Biegfam tote bie SBeibe unb hart wie ber ©tafjl, je nachbem e* galt, fein Siel $u erreichen," war er ebenfo gewanbt unb befonnen in Unterhanblungen , al* rafet) unb fühn jur Xfjat. ©einer Beteiligung an ben oerfchiebenen politifchen SBerwicMungen unb friegerifchen (Eretgniffen feiner 3rit haben wir bereits früher gebaut. Befonber* bebeutfam für bie Sufunft feine* £>aufe* war ber am 19. September 1657 watjrenb be* fchwebifch-polnifchen Kriege* jwifchen ihm unb bem $önig 3o* hann $afimir öon ^ofen abgesoffene Bertrag ©on Söclau, burefj Welchen bie ßefyenSabfjängigfeit be* £>erjogthum* Greußen oon $olen aufgehoben Würbe.

2Bie Sriebrich SBiIr)elm* erfte Sorge bei feinem Regierung*« antritt barauf gerietet mar, Orbnung in ben gänjlich zerrütteten 3inaitjöerf)ältniffen be* branbenburg*preußifchen ©taate* ju fcr)affen unb beffen (Einnahmequellen ju erweitern , fo blieb auch *n ocr 3olge bie ^ebung be* SBohlftanbe* feine* Sanbe* ein beoorjugter ©cgenftanb feiner SRegententhätigfeit. 3U biefem (Enbe nahm err wie wir oben (©. 100) gefehen, jwanjtgtaufenb audgemanberte Huge- notten in bie buret) bie berheerenben $hrieg*ftürme jum größten Xheile oeröbeten ©tobte ber 9Jcarfen auf unb führte baburdj in benfelben ein rafdje* Söieberaufblühen ber (bewerbe unb eine errjö^te $unft* tfjätigfeit herbei; auch S°Ö cr bux Sörberung be* 2lcferbaue* zahl- reiche £>oflanber in bie |>aöellänber unb nach bem SBarthebruch unb erleichterte ben inneren 33crfct)r burch bie Einlage be* bie Ober mit ber ©pree oerbinbenben 5riebrich*9ßilhetni**®anal* unb bie (Ein- führung regelmäßiger $oftfar)rten. ®anj befonber* lag ihm bie (Erweiterung unb 3$erfcr)önerung t»on Berlin am £>crjen. Sluch für bie Hebung ber ©Übung forgte er burch bie ©rünbung berfdnebener höherer Unlerricht*anftaltcn.

$a* ^pauptaugenmerf griebrich Söilhelm* mar jeboer), bem in ber Dichtung ber Seit Iiegenben ©treben naa) fiänberermerb unb 9ttacht$uwach* entfprecr)enb, auf bie Hebung ocr SRüitärfraft feine* £anbe* burch bie Söilbung eine* ftehenben Heere* gerichtet. Um baju bie nötigen üttittel ju gewinnen, führte er, unbefümmert um ben SBiberftanb ber ©taube, außer mehreren anbern neuen Abgaben eine allgemeine Sßerbrauch*fteuer , bie fogenannte 91 c c i f e , ein. (Ebenfo wenig wie bei biefer Beranlaffung ließ er ftcr) in anbern gäüen burch °*c (Einmenbungen ber ©tänbe in feinen (Entfct)ließungen hemmen ; benn er war ber Anficht , baß ber fürftliche SSifle burch bie ftänbifchen fechte nicht befchräntt werben bürfe, wenn ber ©taat nach Snnen unb Mußen erftarfen unb machtiger werben fotte.

$iefe* ßiel, auf welche* äße feine ©abritte gerichtet waren, erreichte er in ber X(;at; benn bei feinem Sobe (29. 2TpriI 1688) war fein Sanb um ein Eritthei! gewachfen unb bie ©eüölferung

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griebrich I.

337

beSfelben in bem gleichen Sftaße geftiegen, roährenb bie ©innafnnen beS <&taattö fidt) üerffinffacht Ratten. König Sriebridj II., für meldten er in üielen Stücfen 9Jhtfter unb SÖorbüb gemorben, fteflt feinem öon ihm f)oc^öere^rten Slfmherrn baS glänjenbe 3*ugniß auS: „2)urch feine SSeiSheit ber SBieberherfteller eines üerroüfteten SanbeS, burch feine Sßolitif unb Klugheit ber Grrroerber neuer Sßroüinjen, burch feine Xapfcrfeit eine ©tufce feiner SunbcSgenoffen , ein 93er* tr)etbigcr feiner Untertanen, ift er immer gleich groß in allem, maS er unternimmt."

grie brich III., ber ©ofm unb Nachfolger beS großen Kur* fürften, mar förderlich mie geiftig gan$ baS ©cgentfjeil feines SBaterS. SJon ©eftalt Kein, fchmädjlich unb üermachfen unb babei öon burchauS gemöfmlicher ©efichtäbilbung, mar er als Regent, nach bem HuSfpruche griebrichS beS ©roßen , „groß in allen Keinen fingen unb flein in ben großen." ©eine (£ttelfeit unb maßlofe *ßrunffucht öerleiteten it)n $u einem Slufmanb, ber bie Kräfte feines SanbcS meit überftieg unb Auflagen nötfjig machte, burd) meiere baö 93olf ferner gebrüeft unb ber (Staatshaushalt öollftänbig 5er* rfittet mürbe. 5>abei mar griebridj III. öon fo fdjroacfjem (Sharaf* ter, baß er, jebem (Einfluß nadjgebenb, ber ©pielbaH feiner ©ehmeief)* ler mürbe, bie, öon it)m mit einflußreichen Slcmtern unb fyotyn SSürben 6ebacht, im fianbe nach SMfür fchalteten unb burch ihre $abfud)t bie Unter thanen auSf äugten.

Qnbeffeu fehlte es bem neuen Kurfürften auch nicht an lobenS* werben ©tgenfehaften. @r mar im höchften ©rabe leutfelig, gut* herjig unb mohltooHenb, babei öon unüerbrficf)licher Xreue unb 00H Grifer für bie ©adje ©eutfchfanbS. SBie er im %a1)xt 1689 an bem ReichSfriege gegen ßubmig XIV. perfönlid) Xheil nahm (f. ©. 88), fo unterftüfcte er im Qahre 1691 ben Kaifer in beffen Sürfenfrieg, fomie fpäter im fpanifchen ©rbfolgefrieg aufs Racf)brücfltchfte , unb mir hoben gefetjen, meld) heröorragenben Slntheil feine Gruppen an ben ©iegen üon $öchftäbt unb Xurin gehabt.

SBenn auch griebrict) III. nicht gleich feinem Vorgänger auf (Eroberungen ausging, fo fehlte es ihm boch nicht an ©hrgei$. ©eit* bem fein Setter SBilhelm öon Dranien König öon dnglanb unb fein Machbar Sluguft öon ©adjfen König öon $olen gemorben, ließ ihm ber SSunfch , feinem Sanbe bie gleiche Rangerhöhung $u er* merben, feine Ruhe mehr, unb mir 1)abzn obtix (©. 31) angegeben, in melier SSeife er ju biefem 3iele gelangte, Kaum ^attc er bie Nachricht üon bem am 16. Roöember 1700 erfolgten 2lbfd)luß bcS „KontraftatS" erhalten, ber ihn ju ber Sinnahme beS föniglichen Titels ermächtigte, als er mitten im SBinter mit feiner gamilie unb feinem ganzen ©ofe nach Königsberg eilte , um feine unb feiner ©emahlin Krönung ins äßerf §u fefcen. fcclamarif), ffleltfleicfjidjte. VI. 22

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338 tfönigreid) ^reufeen unter ftrtebricf} L unb griebrich fBttyelm L

tftadjbem bie nötigen Vorbereitungen gu ben Krönungäfeier* lichteten getroffen toorben, riefen am 15. Qanuar 1701 reichgefleU bete , berittene £>erolbe in ben Strafen oon Königsberg unter (Stfodfengeläute unb Kanonenbonner bie Qrrfjebung be3 Jperjogtfmma Sßreujjen ju einem Königreiche aus, unb jtoei Xage fpäter grünbete grtebrich, $um ewigen ©ebächtnifj bie(eä Wichtigen (Sreigniffeä , ben f ch w a r j e n ^Iblerorben, mit meinem fogleich bie ljudjften Söürbenträger beS 8anbe3 gefchmucft mürben. 2lm folgenben Xage, bem 18. Qanuar, fefcte griebrich III., in bem 2lubiengfaale be3 ©chloffeä auf einem reich gefchmücften Ztycont fifcenb unb bebecft mit einem carmoifinrothen , mit golbgefticften Slblern unb Kronen überfäten 9ftantel, in (Gegenwart aller (trogen beä Steidjä unb ber fremben (SJefanbten guerft fich felbft, bann feiner öor iljm fnieenben ©ema^lin bie KönigSfrone auf, toorauf fein ©ohn unb feine Vrib ber i tnieenb ir)rc {mlbigung barbrachten. Xaruad) begab fidt) ber gange §of in bie Kirche, too ber König unb bie Königin fich auf $wei, ju beiben Seiten be3 Mltareä errichteten prachtoollen X^ronen nieberlie&en. Sftachbem Veibe oon gmei Dberhofprebigern, bie griebrich eigens $u biefem Qtotdt $u Vtfchöfen ernannt ^atte, in Kreugeöform auf bie ©tirne gefalbt toorben, würbe baä ©elbft* auffegen ber Krone noch einmal oor bem Oerfammelten Volfe oor* genommen. $en ©chlu& ber geierlichfeit bilbeten ©efänge, *ßrebigt unb ©penbung beä s2lbenbmahl3.

Um ben $runf be3 gefteä oollftänbig ju machen , fehlte auch an ben bei ben Kaijerfrönungen üblichen ©penben für ba3 Sßolf nicht: ein ©pringbrunnen fprubelte mei&en unb rothen SBein, unb ein ganger gebratener Ochfe tourbe ber Üttenge preisgegeben, ©in ÖJnabenaft, burch welchen allen (Befangenen, Xobtfchläger unb ©chulbenmacher aufgenommen , bie greifet gurürfgegeben würbe, befchlofi ben f eftlichen Xag; bod) bauerten bie £uftgelage faft un* unterbrochen fort bis gum 8. 9ßärg. Slm 6. 2M ^ielt ber neue König feinen feierlichen <£ingug in Berlin bura) bie ©trage, bie feitbem ben tarnen „Königäftra&e" trägt.

S^ach bem Vorgänge ber übrigen Kurfürften, bie ohne ©djwierig* feit ber bieäbegüglkhen Slufforberung beä Kaiferd golge leifteten, erfannten bie meiften ©taaten Suropa'ä bie preu&ifche Königäwürbe fofort an; oon Seiten Spanien* unb granfreidjä gefchah bie£ erft im Utrechter grieben. Xafj bie ©infpradje beä $apfted gleich oer be3 ©rojjmeifterS bed beutfehen 9litterorben3 wirfungäloä blieb, haben toir oben gefehen. gür $reuf}en£ ^ufunft mar bie erlangte Rangerhöhung oon eminenter Vebeutung. ©ie mar nach bem 2lud* fpruche König griebrich^ IL: „eine Üocffpeife, welche griebrich . allen feinen Nachfolgern hinwarf unb woburdj er ihnen gu fagen

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griebricS L 339

fdjien: „äfladjt eudj beS Xitel« mürbig, ben tdj eudj oerfdjafft; oo(* lenbet ben SBau, beffett ©runbftcin ia) gelegt §abe."

Slufjer ber ® önigSmürbe oerbanft ber prcußifc^c Staat grieb* rief) I. audj einen nid)t unbebeutenben Sänberjumad)3. SBie il)m als bem Solme ber oranifdjen ^rinjefftn Souife Henriette, ber älteften Softer beS ©rbftattfjalterä griebridj #einrt4 , burdj ben $ob 2Bifljelm& III. öon Dranien bie (Sraffdjaften fiingenä unb 2ttör3, fomie bie gürftentf)ümer Sfteuftfjatel unb Söalengin (J8a(enbi&) juge* fallen maren, fo crmarb er burd) ßauf bie ©raffdjaft Xecflenburg, bie (Srbfdnrmbogtei über baä «Stift Oueblinburg, bie 9teid)3bogtei $u *Rorbf)aufen unb bie 2lnroart)d)aft auf ©aireutf).

$er belebenbe SDUttetyunft beä glanjöoöen ^Berliner Äöntg«* f)ofe3 mar griebrid)3 I. ©ema^lin Sophie fj a r t o 1 1 e , eine Softer bcä £>erjog3 unb nadjmaligen ®urfürften (Srnft Sluguft bon §annober. Dbgleidj bie ebenfo liebenStoürbige als geiftreidje unb ^oa^gebitbete Königin $öfjere GJenüffe fannte , als bie prunfüoHen geftlidjfeiten, in melden griebricfc I. fein ©lüd fanb, entzog fie fidj benfelben au3 SRüdfidjt für iljren ©emaljl nidjt , fonbern bemühte fidj, beren föeij burdj ftnnreidje unb gefdjmadüolle tfnorbnungen ju crimen unb $u berebeln, unb mit föedjt fagt grtebrid) ber ®rofee bon if)x : fie fjabe ben ©eift feinerer ©efeHigf cit , bie mafjre föiU bung unb bie Siebe ju ben fünften unb ben SBtffenfrfjaften in Greußen fjeimifa) gemadjt. Sie felbft fanb tyr ©lüd in ber 93c= djäftigung mit ®unft unb SBtffenfdjaft unb berbradjte ifjre 9flufe* tunben am liebften in bem üon ifjr erbauten Sdjloffe $u ßüfeoro päter nadj i()r Sfjarlottenburg genannt mo fte einen $rciS geiftreia^er unb gelehrter Banner um fidj berfammelte. 3ljre3 58cr!er)rd mit Seibnifc unb ber burtfj fte beranlafjten ©rünbung ber berliner „Societät ber 2Biffenfdmften" ift fdjon oben (S. 39) ge* barfjt morben.

%ud) griebridj I. §atte Sinn für bie ftunft, mobon auger ber üon üjm gefrifteten 9Mer* unb öilb^auerafabemte ju Söerltn jaf)l* reidje fjerbarragenbe Söauroerfe 3e«9ni§ ablegen , burd) metdje er feine #auptftabt berfdjönerte. 2)aä bortige föniglidje Sdjlofj lieg er ju einem s$raa)tbau umgeftalten unb ben größten %f)til ber griebridjftabt , fonrie baä großartige $eug!)au& unb bie „lange SBrüaV erbauen , bie mit ber bronzenen sJteiterftatue beä großen Äurfürften, bem aReiftermerfe beS berühmten ©aumeifterä unb ©üb* ^auerS Schlüter, gefd&mütft mürbe.

gür bie SBiffenfc^aften ttmrbe bura) bie ©rünbung ber Uni* öerfität $ a 1 1 e eine neue ^jlegeftätte gefc^affen , toela^e , ba bie tf)eologif<|en ße^rftü^Ie auSi^Iießlia) mit greunben unb Sln^ängern SpenerS (f. S. 37) befefct mürben, jum toiffcnfajaftliajen WlitttU punfte ber metifti)a)en 9iia)tung bcS ^ßroteftantiSmuS ^eranmua)«.

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340 3)a* JBnigreia) «ßrcufjen unter griebvid) L unb griebria) 23iü)elm I.

Qu ben oon griebridj I. nad) $atte gesogenen Seffern ber Geologie gehörte aud) ber oon ben ortfyobojen Lutheranern au* Seiojig Oer- triebene Sluguft ^ermann granfe, ber ©rünber be* $>aflifc^cn SSaifenljaufe*.

$)er heröorragenbfte unter ben bamaligen ^ßrofefforen ber neuen Uniüerfität mar inbeffen ber $f)ilofopf) (£f>riftian SSolf. (£r mar ber ©ofm eine* ©erber* in 93re*lau unb ljatte früfje fdjon, neben ber 2J?atf)ematif, bie ©Triften öon $e*carte* unb ßcibnifc jum $muptgegenftanbe feiner ©tubien gemadjt. $on Seipjtg, too er juerft eine &nftettung al* ßeljrer ber s$l)ilofopfjie erholten, ttmrbe er im Saljre 1706 al* <ßrofeffor ber 9ttatf)ematif unb ftaturlefyre nadj $alle berufen unb erwarb fidj fner balb burdj bie ftlarfjeit feine* Vortrag* unb bie ©rünblidjfeit feiner Unterfucfmngen gro&e* S(nfe^en. ©eine ^ßlulofoplne, ioeldjer 2eibni|jeu* ©oftem ju ©runbe lag, baftrte jmar nod), glcidj biefer, auf c^riftlidjen Qbeen, ftellte aber nid)t*beftotoeniger bie pofitioen djriftlidjen Dogmen oor ber „natürlichen 9teligion" in ben ©Ratten unb öermodjte ba^er aud) nid)t, bem Umfidjgreifen ber in (Snglanb unb granfreid) laut üerfün* bigten neuen 9fleinungen ju fteuem. ©eine freieren ?lnfidjten öer- roitfclten ifjn in einen «Streit mit ben £afltfdjen ^ietiften, loa* bem 9tadjfolger griebrid}* I., griebridj 2Bilf)elm 1., Skranlaffung gab, if)n im3af)re 1723 al* Qrrle^rcr feiner ©teile ju entfefcen unb ifjit „bei ©träfe be* Strange*" au* ben preujjifdfen Öanben ju oerroeifen. (Sr begab fidj naa? Harburg, too ber Sanbgraf $arl oon Reffen- taffei iljm eine *ßrofeffur angetragen tjatte. 3m 3af)rc 1733 erfielt er Don grtebrid) SBilfjelm, ber injmifa^en ju feinen ©unften umgeftimmt morben, eine el)renoolIe ©inlabung jur 9tütff erjr nadj §atte ; er lehnte biefelbc jebod) ab unb fiebelte erft im 3a^re 1740 nadj feiner Qu- rütfberufung burdj griebric§ II. mieber bal)in über, $on ßaifer $arl VII. in ben 9kid)*freil)errenftanb erhoben, ftarb er im 3aljre 1754 al* ^icefansler ber Unioerfität £aUe.

griebrtd) I. erlag am 25. gebruar 1713 im Hilter oon fed)** unbfünfaig Sohren einem Söruftleiben, an meinem er feit längerer 3eit geträufelt hatte.

griebn« 28il()elttt I.

(1713-1740.)

griebridj SBilfjelm I., ber einzige ©ofm griebrid)* L, jaulte oierunbjtoansig %ai)xzf al* ityn ber Xob feine* SBater* jur Regierung berief. SSebcr üon bem freien SBcfen feiner r)ocr)gebil^ beten Butter unb ber Vorliebe berfelben für $unft unb SBiffen*

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frricbritf SSityclm I. 341

fchaft, noch öon bcr öerfchmenbcrifdjen $runffucht feine* Vater* mar ba* (SJcringfte auf ilm übergegangen: eine burdj unb burdj berbe Ratur öon unbeugfamer SSiUenöfraft unb mafjlofer |>eftigfeit, mar er ein abgejagter geinb aller £>offormen unb jebe* öerfchmenberifdjen $runfe* unb ein entfdriebener Verächter aller ©elchrfamfeit. Rur ba* $ra!tifc^e Ijatte SSertfj für ir)rtr unb ©parfamfeit, ©trenge unb Xr)ätigfeit galten ifjm, befonber* im §inblirf auf bie öollftänbig $er* rüttete gtnan^tage be* fianbe* unb bie mannigfachen Unorbnungen, bie burch feine* Vater* Sdjmädje in ber ©taat*öermaltung r)erbct= geführt morben, al* bie erften feiner Regentenpflichten.

Von ber fieidje feine* Vater ^inmeg eilte griebrich SMfyelm I. in fein $abinet, um ungefäumt burch bie meitgehenbfte Rebuftion feinet $>offtaate* allen meiteren unnüfcen 2lu*gaben ju fteuern. Von ben jjunbert Äammerherren feine* Vater* behielt er nur öicr, tjon ber zahlreichen fofttyieligen §ofbienerfchaft nur jmei $agen, ^mei ®ammerbiener, einige Reitfnechtc, einen &au*hofmeifter, jtoei Äellermeifter unb jtüei Äöct)e bei. 51uc^ feiner QJemafjIin, ber Königin ©opfne ©orothea, einer Tochter ©eorg* I. öon (Snglanb, gemattete er nur bie afferaotf)tt)enbigftc Vebtenung. Von ben öerabfd)iebcten #ofbeamten erhielten öiete gar feinen, bie übrigen nur einen fet)r geringen Ruhegehalt, unb bie im Xicnfte Verbleibenben mußten fich eine bebeutenbe Verringerung ihre* ©ehalte* gefallen laffen. Xte aufgehäuften ©chäfcc öon (Sbelfteinen unb perlen, bie foftbaren SBeine au* bem ©chloßfeßer unb bie 8u{ u*pferbe au* bem SKarftall würben öerfteigert, bie funftöotlen ®olb* unb ©ilbergeräthe in bie äRünje gefdntft unb eingeschmolzen. S)en ganzen ^of^alt richtete ber ®önig fo einfach ein , baß er einen burchau* bür* gerüchen Slnftrich erhielt. Sludj Übermächte er bie 5lu*gaben be** felben mit ber größten ©enauigfeit; fogar bie IHidjenrechnungen ließ er fich öorlegen unb rügte e* auf* ©trengfte, menn ihm nur ein Pfennig ju öiel öerau*gabt $u fein feinen, ©eine £eben*meife mar ganj bie eine* einfachen fianbebelmann*, unb feine 2ttahl$eiten beftanben au* §au*mann*foft : meber Sudermerf noch franjoftfehe unb fpanifche SBeine burften auf feinem Sifch erfcheinen. SSie er felbft feine anbere ßleibung trug, al* bie DberftemUniform be* <ßot*bamer ©renabierregiment* , fo bulbete er auch f^nen Umgebungen feinerlei ftlciberaufmanb. $ie ©chaufpiele, bie unter griebrich I. am ^Berliner £of eine fo heröorragenbe Rolle gefpielt, ftellte er fofort ab, üerabfdjiebete bie Capelle unb bie Dper unb ließ bie ©arberobe unter bie SIrmen öertheilen. $en Berlinern blieben im Allgemeinen jur Unterhaltung nur ©ciltänzerfünftc unb ^uppenfomöbien geftattet.

griebrich 2Bilf)elm felbft fanb fein Vergnügen unb feine (Sr* holung in ben rohen ^arforce^agben, bie in bem öon ihm ange*

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342 $aS Königreich ^reufcen unter Sriebricf) I. unb ftriebrid) SBil^elm I.

legten, mehrere teilen umfaffenben „$arforcegarten" bei SBufter* häufen abgehalten würben, in feinen Xruppeninfpeftionen unb bem ©piete feiner £autboiften, ganj befonber* aber in feinem meltbe* rühmten „SabafMolIegium." fiu bemfelben toerfammelte er aHabenb* Ii$ in einem gimmer beä berliner ©chloffeä feine „guten greunbe", ©enerale, SHinifter u. 9t., $u ungezwungener Unterhaltung. Sttan fa& auf hölzernen ©tüf)len, tranf 33ier unb raupte Zabal, Wobei man bie «Pfeife nach hoHänbifcher SBeife mit einer Xorffohte an* jünbete, bie ju biefem Swecfe in einem ©eefen bereit gehalten mar. SSer nicht raupte, mußte wenigftenS eine pfeife in ben SJhmb nehmen, £abei mürbe txfifyt, gelacht unb nicht feiten auf Soften einiger ©infaltigen ober ©utmüthtgen , bie jtch baju hergaben , um feiner ©djerj getrieben ; boef) blieben auch emfte ©efprädje über bie mia)tigften Staatsangelegenheiten nicht au&gefchloffen , unb ba bie* felben in ber gorm jmangtofer Unterhaltung gepflogen mürben, benufcten bie fremben ©efanbten , bie gleichfalls Zutritt ju bem XabafSfodegium hatten, gern biefe ©clegenheit , um ftd) über bie Stimmung be3 Königs unb beffen Sßläne ju orientiren.

$>te gleite ©parfamfeit, mie an feinem £ofe, führte ber fönig auch in ben Staatshaushalt «in. $ie ©ehalte ber meiften Beamten, befonberS ber höhten, bie unter feinem Jßater einen fürftlichen Slufmanb hatten treiben fönnen, mürben bebeutenb herabgefefct unb manche ©teilen ganj eingebogen. $ie Wfabemie für bilbenbe fünfte lieg ber fönig fofort eingehen , unb mit ber ©ocietät ber SBiffem fchaften gebaute er baS (bleiche ju thun ; boer) ließ er ftet) burdj bie $orftet(ung, bafj fte ihm gute SBunbörjte für fein $eer bilben fönne, bon biefem ©ebanfen jurürfbringen , entjog ihr aber nichts* beftomeniger bie meiften ihrer ©infünfte.

$eS fönigä Sürforge für bie Slufbefferung beS öollftänbig jerrütteten SmanamefenS befchränfte fidj inbeffen nicht auf bie SRebuftion ber SluSgaben: es füllten auch neue (Einnahmequellen ge* fdjaffen unb bie bereit* beftct)enben ergiebiger gemalt merben. Qu. biefem Grube mürben bie abeligen Sehengüter, bie bisher faft fteuer* frei gemefen unb nur im Kriege fogenannte „Sehenpferbegelber" ftatt beS pcrförtlicf) ju leiftenben ßticgSbienfteS ju entrichten hatten , in freie (Erbgüter oerroanbelt unb nach ißa&gabe ber Safjl oer W*- terpferbe, mit melden fie öeranfchlagt waren, fteuerpflichtig ge* macht. Sluch mürbe für alle gefchäftlicfjen unb gerichtlichen Urfun* ben, für Eingaben u. bgl. , ©tempelpapier eingeführt. $or 9lHem mar ber fönig barauf bebaut, burch bie görberung beS SlcferbaueS, ber ©emerbe unb beS £anbelS ben SBohlftanb feine* SanbeS ju heben unb bamit jugleich beffen ©teuerfraft ju erhöhen, unb fdjeute, mo es biefem 3wecfe galt, felbft bebeutenbe Ausgaben nicht, ©o lieg er oiele burch ©ranbfehäben herunter gefommene ©täbte wieber

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aufbauen, oollenbete bie oon feinem SSater begonnene griebridjSftabt in ^Berlin unb erweiterte baS ju jener Seit nodj wenig bebeutenbe sßotSbam &u einer ber anfefmlidjften ©täbte beS SanbeS. ©omofjt fjier als in ©panbau liefe er burd) ijollänbifdje ©djwertfeger unb 33üdjfenmad)er ÖJemeljrfabrifen anlegen, auS benen fetbft auswärtige $eere ifjre SBaffen belogen, unb in Berlin baS fogenannte »Sager* fmuS" erridjten, worin baS $ur ©eftetbung beS gefammten #eereS nötige Xud) in öor$üg(idjer Dualität oerfertigt würbe. 3n bie üeröbeten (Segeuben Greußens nafjm er $aljlreidje arme Samilien auS ber ©djweij unb oerfdnebenen ÖJegenben DeutfdjlanbS als 9Tn* fiebler auf unb oerfalj fie mit bem nötigen SReifegelb, fowie mit ©aumateriat unb $ltfergerätl)e. Dabei übermalte er fetbft aufs ÖJenaucfte bie 9IuSfüfjrung aller bon ifym getroffenen Wnorbnungen, liefe ftdj über SttleS bis in bie fTeinften Details töedjenfdjaft ablegen unb bestrafte aufs ©trengfte felbft bie geringfte ^flid&toerfäumnife ober SBeruntreuung bon ©etten ber ^Beamten.

2TIS eine burdj unb burdj beSpotifd)e Statur unb im tfyatfäaV lirfjen SBefifce jener unumfdjränften fierrf Obergewalt , ju welker fein ©rofeöater burdE) bie öollftänbige Ünterbrürfung aller ftänbiftfjen Siebte ben ©runb gelegt, ©erlangte griebridj 2Bitf)eftn bon feinen Untertanen blinben QJefjorfam unb berfuljr babei in bieten ©tütfen mit einer wa^r^aft ttyrannifdjen SftüdfidjtStofigfeit unb SBitffür. ©o wies er wot)If)abenben ßeuten ober Ijofjen Beamten in ben ©täbten, bie er empor bringeu wollte, namentlio) in Berlin unb *ßotsbam, ©auptäfce an unb jwang fie, auf benfelben anfe!mlid)e Käufer ju errieten, audj wenn if>r Vermögen barüber ju ÖJrunbe ging. Um bie inlänbiftfje Seinenweberei unb SSoöenfabrifation ju heben, erliefe er ein ftrengeS Verbot beS SerbraudjS bon ©aummoflftoffen unb orbnete ^auSfutfjungen an, um bie Suwiberfjanbelnben jur ©träfe ju jiefjen; ja er liefe fogar ben SBürgerSfrauen auf offener ©trafee ifjre Äattunfleiber bom Seibe reifeen. Sludj berbot er bie Äornein* fuf)r, felbft wenn Sttangel war, unb nötigte feine Untertanen, ifmt baS in feinen SKagajinen aufgehäufte betreibe ju einem bon ifjm felbft beftimmten greife abzulaufen.

^irgenbS trat ber rütffidjtSlofe Despotismus beS Königs in fdjrofferer unb empörenberer SEBeife ju Xage, als in ber ©ererf)ttg* feitspflege. (£r führte aöerbingS in baS 8fterf)tsmefen berfdjtebene fjeilfame Reformen ein, inSbcfonbere baburd), bafe er bie SRedjtS* formen oereinfaa^te unb für eine rafdjere (Srlebigung ber SRed^tS* fadjen ©orge trug, als eS bei bem bamaligen fdjleppenben GJeria)tS- gange ber SaH war; audj fcr)affte er bie £e£enJ>rojeffe ab: aber er griff bafür auf bie wiüfürlidifte SEBeife in bie ®riminaljufti$ wie in bie ©efefcgebung ein, oerorbnete, ofjne 9tütffia)t auf frühere ®efefce ober auf baS #erfommen, ja felbft auf bie gorberungen ber 2Kenfa>

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344 2)a3 Äömgreid) $reugen unter $riebricf> I. unb Sriebrid) BfQdm I.

lidjfeit, toaS er felbft im Slugenblicfe als baS 3n>ecfmägigfte erachtete, öerfc^ärfte bie üon ben Richtern ©erhängten ©trafen, roenn fie ihm ju milb erfdjfcnen , unb führte neue ©trafarten forote bie grau* famften Torturen ein. ftinbSmörberinnen tourben in ©äcf en , bie fie felbft nähen mußten, in* SBaffer geworfen; §auSbiebe ohne weiteren ^ßrojeg bor ber Xljüre beS $>aufeS, in Welchem fie ge* ftofjlen Ratten, aufgehängt; junge ßeute, bie ihr Vermögen oer* fct)tücnbctcn# nach ©panbau ober in ein anbereS Sud^auS gebraut. SBer in irgenb einer Söeife, fei eS burch X^aten ober burd) SBorte, baS Sfligfallen beS flönigS erregt hatte, mugte bei perfönlicher löe* gegnung feinen ©toef füfjlen ober mürbe ju ben fjarteften ©trafen tjerurtt)eiÜ. Auf ber ©trage fuä)te man ihm möglichft auszuweichen, weil er bie SBorübergehenben, wenn fie irgenbwie feine Aufmerffam* feit auf fiä) jogen , anzuhalten unb auszufragen unb bei nicht be* friebigenben Antworten auszuweiten ober gar burd&znprügeln pflegte, ©elbft auf bie ättobe erftreeften ftcfj feine polizeilichen #or fünften, bei benen eS ihm hanptfächluh barum ju tfmn fear , ber ^guf fucr)t eine ©djranfe ju ziehen unb inSbefonbere bie franzöfifchen Erachten $u oerbannen , benen er , wie allem franzöfifchen SBefen , einen un= öerföfmlichen $ag gefchworen.

XeS Königs ^i^ige ©emüthSart unb fein unermübltcher §aug Zur X^ätigfeit trieben i!)n an, überall felbft nad)jufef)en unb mög* tict)ft ötel felbft p t^un. Alle wichtigen Berichte las er felbft unb fdjrieb an ben föanb einen furzen, bestimmten, oft berben iöefcheib, bei Ablehnungen mitunter nur baS SBort „ftarrenpoffen." $en ©jungen ber Hammer wohnte er pufig perfönltch bei. ©einem An* fefjen burfte ftiemaub ju nahe treten; entfehiebener SBiberfprudj, oon tvefc^cr ©eite er auch kommen mochte, rig ihn nicht feiten 511 $f)ätltchfeiten hin, unb ein heftiges, in abfehreefenbem Xone heröor* geflogene« : „föaifonnir @r nicht!" fchuitt alle (Smwenbungen ab. $a U)m jebe freie Aeugerung über ©taatsfadjen als ©taatSüer* brechen galt, burfte anfangs in feinem Sanbe gar feine 8ettung er- feheinen; erft als feine Armee fich im Kampfe gegen bie ©ergeben hohen SRuhm erwarb , geftattete er baS 28iebererfcf)einen ber 93er* Iiner Leitungen, bamit bie ©rogtljaten feiner Xruppen allgemein befannt mürben. $abei blieben fie jeboch einer fo ftrengen (lenfur unterworfen, bag, toer wtffen wollte, was in *ßotSbam oorging, bie fietjbner ßeitung falten mugte.

Qn ber gleichen beSpotifchen SBeife, wie in weltlichen fingen, fchaltete griebrict) Söilljelm auch in ben firchlichen. 3n bem fal= oinifchen iöefenntitiffc geboren unb erlogen unb bemfelben mit grogem ßifer jugethan, jwang er ber lutherifcfjen ÖJeiftlichfeit bie reformirte Hirchenorbnung auf, oerbot bei ben Söegräbniffen ber Sutheraner bie 93ortragung beS HrujiftjreS, als eine auS bem ^apfttl)um übrig

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grtebrtd) SBilfjehn I.

345

gebliebene „ärgerliche ®etoohnf)eit," unb unterfagte auf* ©trengftc jebe anbere gorm be* @otte*bienfte* , al* bie in <ßot*bam uub in ber ®arnifon*firche $u SBerlin übliche; auch fdjrieb er ben Oetftttdjen t>or, bei einer an bie Äirdjenfaffe ju entridjtenben ©träfe öon jtuet Xfjalern , an allen ©onn* nnb geiertagen ge* nau eine ©tunbe lang ju prebigen unb in jeber ihrer ^rebigten it)rc Qnfydxtv mit gehörigem (Sifer ju öden Stiftungen ju ermahnen, welche bie Pflicht ber Xreue unb be* (Sefjorfam* ben Untertanen betn fönige gegenüber auferlegten. $a er bie beiben proteftantifct)en fonfeffionen au öerfchmeljen münfehte , wobei bie ßutfjeraner ju (fünften ber 3^eformirten alle Ueberrefte ber aftfirdjfidjen gormen unb (Gebräuche aufgeben follten, unterfagte er ben ®eiftfidjen beiber öefenntniffe bei ©träfe ber 2lmt*fu*penfton , bie unter Umftänben noc^ in willfürlicher Sßeife öerfc^ärft werben follte, alle Streitfragen über bie SScrfc^icbcn^cit ber beiben $ onfefftonen auf bie fanjel 3U bringen.

®egen bie fatfjolifen bauerte unter griebrich SBilljelm I. , ber allem fatholifchen Sßefen in fjofym ®rabe abgeneigt mar, bie Un* bulbfamfeit ber früheren branbenburgifchen ^errfcher fort, ©er fönig lieg jtnar au* fRücffic^t auf bie öielen fatljolifen , bie fid) in feinem £eere befanben, im 3afjre 1738 in $ot*bam eine fatijo* lifdje firche erbauen, in melier ein ©ominifaner au* #alberftabt, ber ben Xitel „apoftolifdjer 9fliffionar beim fatholifdjen SeibregU ment" führte, ben ®otte*bienft fyttt, unb geftattete in Serltn, ©tettin unb ©panbau bie Sfnroefenfjeit ähnlicher 9ttiffionäre für feine ©olbaten; auch bilbeten fich in ©tenbal unb granffurt a. b. £)ber roieber fatf)olifche ©emeinben: allein bie öffentliche Sieligion** Übung blieb ben ßatholifen unterfagt, unb ihre ®eiftlichen burften feine ^farrfjanblungen bornef)men. X)er Uebertritt jur fatholifchen Kirche mar nicht geftattet, unb noch Weniger mürbe „auswärtigen firchenobern" irgenb melcher (Sinflufc jugeftanben.

Xer beöor^ugte (SJegenftanb ber Sftegententhätigfeit griebrich SSilhelm* blieb ba* £>eermefen, für Welche* er fchon in frühfter 3ugenb eine entfdjiebene Vorliebe an ben Xag gelegt. Xa er in einem jahlreidjen unb gut gefchulten £>eere bie fidjerfte SBürgfdwft für $reu§en* ©elbftftänbigfeit unb Üftachtftettung erblicfte, erhöhte er feine ©treitfräfte öon breijjigtaufenb auf achtjigtaufenb 9)lamt, bie burch ben „alten Xeffauer" unter be* fönig* eigener Sttitluirfung in trefflicher SBeife, aber mit empörenber ©trenge eingeübt mürben unb baburch eine berounberungsmürbige ©chlagfertigfeit erlangten. Sludj auf ba* Sleugere far) ber fönig bei feinen Xruppen mit unerbittlicher ©trenge: Wie in ber Haltung, fo raufjte ber ©olbat in Lüftung unb ßleibung bt* auf 3opf unb fnopf im tabcllofeften

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346 <Dqs tfönigretch Reußen unter Sricbrich I. unb $riebrich Siedln I.

Suftcmbe fein, Wenn er nicht fernere ^rügetfrrafe gewärtigen haben wollte.

S3ei ber Gfrgänaung unb SBermehrung be« $>eere« mürbe mit ber rficfficht«tofeften SBillfür $u SBerfe gegangen: alle btenftfähigen jungen fieute würben mit ®ewalt in bie Regimenter eingereiht unb diejenigen, bie fidj burdj bie gtucht bem Krieg«bienfte ju entziehen fugten, al« S5eferteure nach ber ganjen Strenge ber Krieg«gefefce beftraft. Xa jeboch bie 3af)l ber 3at)nenflüchtigen immer größer mürbe, führte ber König, ber eine aagemeine (Sntoölferung feine« fianbe« $u fürchten Begann, im Saljre 1733 bie „Kantonoerfaffung" ein, burch Welche ba« ganje fianb in ©ejirfe eingeteilt mürbe, oon benen jeber au« ber jungen 9Jcannfdwft ber nieberen @tänbe ben if>m jugetheilten Regimentern ben nötigen ©ebarf an Refru* ten liefern mußte. Sluch würben 2Iu«länber in großer 3af)t für ba« $>eer gemorben.

3u ben größten SßiHfüraften unb ber öottftänbigften Äußer* adjtlaffung aller Pflichten ber ©erechtigfeit oerleitete ben König feine fieibenfehaft für $odjgetoacl)fene ©olbaten. Um ftd> in ber „*ßot«bamer ©arbe" ein fieibregiment oon lauter Riefen ju Bitben, ließ er nicht nur in feinem eigenen ßanbe OTe, bie ftdj burch Körpergröße auszeichneten, ohne jebwebe Rücffidjt auf £eben«öer* hältniffe, ©tanb unb ©efa)äftigung geWaltfam aufheben, fonbern auch im SluSlanbe burch feine ©erbeoffi^iere einen förmlichen 9flen> fdjenhanbel unb SRenfchenraub ausüben, ©olbaten, bie in frem* ben $ienften ftanben, mürben entführt, Reifenbe in ben 2Btrth«= Käufern, ©tubenten, Künftler, Kaufbiener, Jabrifarbeiter auf ben ©traßen aufgegriffen unb gefangen nach *ßot«bam gebraut. 2Ber aber einmal in bie <ßotabamer ©arbe eingereiht mar, ben fonnte feine SSermenbung üon Seiten be« ©efanbtcn feine« Sanbe« mehr au* berfelben loßreißen. Rieht feiten brohten bie ©ewalrthättgfeiten ber preußifajen SBerbeoffijiere emfte SBerwtcflungen mit ben fremben Regierungen herbeizuführen. 3n Saufen mürbe ein foldjer $um Xobe öerurtheilt unb nur auf bie Drohung Sriebria) SBilhelmS, baß er im Salle ber SBollftrecfung be« Urteil« ben fächfif<hen ©e* fanbten hängen laffen merbe, mieber frei gegeben, dagegen ließen bie §ollänber einen anberen preußischen SBerbeoffijier, ber mehrere ihrer ©olbaten $ur Fahnenflucht herleitet hatte, in SJcaftricht erfchießen, ma« ben König in fo heftigen 3^m berfefcte, baß ber Ausbruch eine« Kriege« nur burd) ba« öermittelnbe dajWifchentreten be« Kaifer« abgemenbet merben fonnte.

gnbeffen fuchten Diele fremben gürften ben König burch bie Ueberfenbung „großer Kerle" in ihr Qntereffe ju ziehen. 2Bie fie hierbei über ihre Untertanen mit empörenber SBillfür öerfügten, fo blieb hierin auch Snebrich SBilhelm nicht jurücf. $em (£jaren

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griebrich SBühelm L 347

$eter, ber ihm wieberholt IanggeWachfene Muffen $um ®efchenfe machte , fatibtc er bagegen ©tahlfchmiebe aus bcr ©rafföaft Wart in Söeftfalen, bie ofme SBeitereS aufgegriffen unb gleich Verbrechern öon 9Jttlitarpoften ju 9Kiütärpoften bis jur ruffifdjen ©renje tranS= portirt mürben, um bort ben Muffen jur Einrichtung it)rer gabrifen übergeben ju werben,

gär bie (Spielerei mit ber *ßotSbamer (Sterbe fcöeute ber fonft fo fparfame König feine Soften, ©injelne GJrenabiere erhielten eine tägliche Söhnung öon jWei Xhalern unb bie geringften eine folche Don einem Bulben; mancher ^atte ihn bei ber Anwerbung Xau* fenbe öon Xhalern gefoftet waren ihm bocf> einmal für bie An* Werbung eines SrlänberS 12661/8 $funb Sterling, alfo beinahe 8500 Xhaler, beregnet worben , unb im ©anjen f ollen wäljrenb ber Sa^re 1713—1735 an SBerbegelbern jwölf TOUionen Xhaler in baS AuSlanb gegangen fein, Sur Veftreitung biefeS Aufwan* beS hatte griebrich 2öiII)etm eine eigene Kaffe, bie fogeuannte „ftefrutenfaffe", eingerichtet, in welche, außer aßen ©trafgelberu unb fämmtlichen ©portein für bie Ausfertigung ber AnfteHungS* biplome, ber Ertrag beS VerfaufS ber ©teilen unb ber Xitel flog, ber bei ber allgemeinen SRang* unb Xitelfud>t jener 3eit ein fehr bebeutenber mar. $a ber König aus feiner Verachtung beS ge* fammten föang* unb XitetmefenS, fowie überhaupt alles Eeremo* nielS unb jeber Etiauette fein ^et)I machte, öielmet)r biefelbe bei jeber Gelegenheit gefliffentlich an ben Xag legte, fanh er in feiner SBeife als ber Urheber ober görberer beS Stti&brauchS, SRang unb Xitel ju faufen, angefehen Werben; er beutete einfach bie Xhorheit feiner Unterthanen im Sntereffe feiner eigenen thörich* ten Siebhaberei auS. SSeit fchärferen Xabel, als ber Verfauf ber Xitel öerbient ber im auSgebehnteften 2flaße betriebene 93er* fauf ber ©teilen, ber freilich bamals in ben meiften beutfehen Staaten gebrauchlich war. 2Bie weit biefeS Unwefen in Greußen ging, beweift ber Umftanb, bafj fogar ©aefträger für ihre ©teile, bie nicht mehr als $ef)n Xhaler monatlich eintrug, fechShunbert Xhaler gezahlt ijdbtn follen.

Xrofc feiner leibenfehaftlicheu Vorliebe für baS Sftilitärwefen, war griebrich SBilhelm fein friegerifcher gürft, unb bei ber bebeu* tenben (Erhöhung feiner Kriegsmacht hattc er ölS S^ecf weit mehr bie (Srhafomg °ic Erweiterung feiner Stacht im Auge. An bem norbifchen Kriege, ber ihm ben öon bem großen Kurfürften öer= gebenS erftrebten Veftfc öon Bommern öerf Raffte, nahm er faft wiber SBillen Xheil.

35ie gleiche beSpotifche ©trenge, burch welche fjriebrict) SBil* heim feine Unterthanen in gurdjt unb Sutern h^lt, beobachtete er auch 9e9cn fc™c gawilie,' öon ber er in allen ©tücfen bie abfo*

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348 5)a8 JBmgreia) ^reu&en unter griebriä) L unb griebrich 2öil^clm I.

tutefte Unterwerfung unter feinen SBttten oerlangte. #uf bic 9cei* gungen unb Siebhabereien feiner Kinber nahm er nicht bie geringfte 9ftücffid)t. ©eine ©öhne, bie in ihrem Eafchengelb äugerft fnapp gehalten würben, mu&ten fdjon als Knaben ben ©otbatenbtenft öon unten auf erlernen. $en Kronprinzen Sriebrict) trieb er burdj feine ma&lofe ©trenge fo fct)r jur Serjweijiung, ba& btefer ftdj burd) bie gluckt ber bäterttdjen Xtjrannei ju entziehen fud)te, Wa3 ihn in (Befahr brachte , fein fieben auf bem ©djaffot ju beenben. ©eine ättefte Softer SBilhelmine, bie nachmalige ®emahlin be3 Erbprinzen oon ©aireuth, war einmal nahe baran, bon it)m erftochen &u »er* ben , weil fte e8 gett>agt , it)m ju miberfprechen. $)er König war baher auch für feine Kurier weit mehr ein ©egenftanb ber gurcht, als ber Siebe.

Obgleich in ber ©rjiehung griebrich SBilhelmS , befonberä öon ©eitert feiner 2Jcutter, Lichta öerfäumt werben, um feinen ©inn für Kunft unb SBiffenfchaft ju werfen, Rotten bic ^Bemühungen feiner Sehrer nur geringen Erfolg gehabt , woju aflerbingS ihre feinem ganzen SBefen wiberftrebenbe pebantifa^e Unterrichtämethobe wefent* lidj beigetragen haben mochte, ©eine wiffenfdjaftlidje SBilbung war bafjer eine fet)r befdjränfte geblieben : öon Sßoefie unb ^^ilofop^ie ober bem, was bamit öerwanbt ift, r)atte er feinen begriff ; nur in benjenigen SBiffenfchaften , bie für ba3 praftifche fieben SSerth I)at* ten, r)atte er fidt) einige Kenntniffe erworben. 9ttd)t einmal feine SJcutterfpradje öerftanb er grünblich; benn er fchrieb biefelbe ebenfo ungrammatifd), alä unorthograpt)ifch. 3>a3 ßateinifa^e, ba§ bamalS bei ber Unterweifung ber fjöljeren ©tänbe in $eutfd)lanb jur ®runb* läge biente, war ihm fo oerhafjt, bafj er ben Erziehern be3 Kron= prinjen auf baä ©trengfte oerbot, feinen ©ofm in bemfetben unterrichten. $er franzöfifdjen ©prache bagegen war er öoUfommen mächtig unb bebiente fich berfelben auch, wenn ber Slnftanb bteä bei frembem S8efuct)e erforberte, wie er auch feine Kinber, bem ©ebote ber ftothwenbigfeit fich fügenb , barin unterrichten lieg ; bagegen fpradj er, ber f>errfd)enben Soffitte juwiber, mit feiner gamilie unb mit ben (Sfcfanbten beutfdjer 9Jiäcr)tc nur beutfd) unb bulbete auch in feinen ^benbjirfeln feine anbere ©prad)e.

SBie griebrich SBithefmä ganze ftatur, fo war audj feine poli* tifche ©efinnung eine burdj unb burd) beutfdje. Zxoi mehrfacher Serwurfniffe mit bem Kaiferf)ofe hing er mit unöerbrüchlicher Xreue an Kaifer unb Bleich unb an ber ganzen beftehenben 9lcchtÄorbnung, aaerbtng« Wohl mit au§ bem ©runbc, weil er in berfelben zugleich bie fiajerfte ©runblage feinet eigenen ©taateä erblicfte. „$egcn unb ^iftolen," fagte er einft ju bem öon ihm hochverehrten ^rinjen @ugen, „Witt ich meinen Kinbern in bie ©iege legen, bamit fie für ben Kaifer fämpfen lernen/

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griebridjö n. Sugcnbia^re,

349

Sieben ber äd^t beutfdjen ©efinnung griebrtch SBilhelmä Oerbient inSbefonbere feine ©ittenreinheit unb ©ittenftrenge rü|menbe 2lner* fennung, toenn es ftdjer auch nicht ju billigen ift, bog er unter bem preufcifchen SBolfe burd) ©totffd)läge eine beffere Sucht herbeizuführen fudjte. £atte er oon feinem #ofe mit jeber fürftlidjen bracht auch alle feineren ©enüffe beä Sebent öerbannt, fo fanb fich bagegen an bemfelben auch feine ©pur ber an ben meiften anbern #öfen herr= fchenben tiefen fittticfjen Entartung.

griebrich SBilhelmS oft in ©eij auSartenbe ©parfamfeit fefete üjn nicht nur in ben ©tanb, alle bon feinem SSater bem ßanbe auf= gebfirbeten ©Bulben abzutragen, fonbern auch für fünf Millionen neue Sfrongüter unb für jtuei 9ftilIionen Sanbgüter für feine jüngeren ©öfjne anjufaufen, anbertfjalb 9Mionen in ©ilbergerätt)e aller 2lrtf al3 einem ntdjt fo Icict)t anjugreifenben , im gaHe ber 9totf) jeboa) unfehtoer toieber in ®elb umjufefcenben Kapitale, anzulegen unb ba* bei feinem Nachfolger eine baare ©umme bon ad)t üfliHionen fieben* malhunberrtaufenb X^altxn ju hinterlaffen. tiefer bebeutenbe ©taata* fct)a^ fowie bie oon griebrich SBilhelm L in ba3 gefammte ©taat^ tt>efen eingeführte Drbnung unb baä trefflich gefällte $eer oon aajtäigtaufenb 2Hann, baä bei beä ftönig* $ob (30. äJcai 1740) unter ben SSaffen ftanb, matten feinem ©ohne griebrich II. möglich, bie günftige ®onjunftur $u benufcen, bie ihm fed)3 Monate nac§ feiner X^ronbefteigung ber £ob ®atfer ®arl3 VI. für bie 2lu3= fü^rung feiner längft genährten (Sroberungäpläne gcfct)affen.

gfriebri^S II. 3uöcnbiajre.

(1712-1740.)

griebrich IL— tn ber Xaufe ®arl griebrtd) genannt, ba neben feinem ®ro&üater griebrich I. ber ®aifer &arl VI. fein Sauf* patlje mar , geboren ju Berlin am 24. ganuar 1712, oerlebte feine erften ®inberjaf)re unter ben Slugen einer reformirten, burd) bie Aufhebung be3 (Sbiftä üon Nantes nach ©ranbenburg gefomme- neu franzöftfehen SDame, ber bernritttoeten Dbrifrin oon SRocouHeS, bie aua) föon feine$ *Bater3 ©rjieherin getoefen. $urd) fte erhielt er mit ber erften ®ennrnij3 ber franjöfifdjen ©pradje auch ieitc en*s fctjicbene Vorliebe für biefelbe, bie ihn $ur atti&adjtung unb gänj* liefen Semachlöf figung feiner ÜUhttter [prache oerleitete.

Sflit bem Eintritt in fein fiebenteS Sebenäjahr mürbe griebrich unter männliche Seitung gefteHt. Qvl feinem Dberhofmeifter ernannte ber ®önig ben fechsigjährtgen ©eneraßieutenant trafen oon ginfen- ftein, ber ftcr) im fpanifdjen ©rbfolgefrieg, befonberä bei 9Mplaquerf

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350 3)ciS tfönigreid) Greußen unter griebrich I. unb griebrich SBil^clm I.

ausgezeichnet hatte, zum Untergouoerneur bat OSerften oon ®alfftein unb übergab if>nen eine oon if)m feibft aufgearbeitete ausführliche 3n* ftrufiion, an roelche fic fidj in ber Erziehung beS Kronprinzen frreng ZU galten Rattert. Qn berfelben mar ilmen als Hauptaufgabe cor* geschrieben, in bem Sßrinjen eine roahre c^rifttic^e grömmtgfeit unb Gottesfurcht, infonberheit aber bie falDinifc^e „SRechtgläubtgfeit" $u tueefen unb ju nähren, bagegen ihm „t>or ber tatr)oIifcr)en Religion, fo oie( als immer möglich, cm Mjcheu ju machen unb bereit Un* grunb unb 5lbfurbität oor 2Iugen ju legen unb wohl $u imprimi= ren," ihm Ehrfurcht unb ©ehorfam gegen feine ©Item einzuprägen, auf baS ©trengfte über feine ©ittlichfeit ju machen, feinen ©tolj unb ^ochmuth in ihm auffommen ju laffen unb ihn jur ßeutfelig= feit unb 2)emuth, zur 9#äßigfeit, ©parfamfeit, Drbnung unb einem rooht geregelten gleiß anzuhalten, Bezüglich beS miffenfehaftlichen Unterrichte maren nur bie praftifch zu bertoerthenben ßenntniffe in« Sluge gefaßt. $aS ßateinifche mar auSbrücfüch auSgefchloffetv Qn ber beutfehen unb franzöftfehen ©pradje follte ber ^ßrinj hauptfäa> lieh W ourch Ucbungen einen fließenben ©tnl anzugemöhnen fudjen ; bagegen follte er in ber SRechenf unft , 9ftathematif , Slrtiacric unb Oefonomie grünblich unterrichtet merben. „$ie alte $iftorie", ^ieg es tueiter, „fann ihm nur obenhin, biejenige aber oon unfern Seiten unb öon hnnbertfünfzig Qahren her muß ihm aufs ÖJcnauefte bei* gebracht merben, roie auch 9totur* unb Sölferrecht, Geographie unb roaS in jebem Sanbe merfmürbig, bie ©efdjichte Greußens unb ber benachbarten ßänber." $abei foöte auch in geeigneter Seife für eine tüchtige förperlidje SluSbilbung unb Abhärtung beS Prinzen ©orge getragen merben. „Slbfonbcrlic^'4, fo fließt bie 3nftruftion, „haben ©ie iöeibe fich äußerft angelegen fein zn laffen, 9fteinem ©ofme bie mahre Siebe zum ©olbatenftanbe einzuprägen unb 3hut 3U impri* muten, baß, gleich Nie Vichts in ber SBelt einem Prinzen 9hthm unb @hre zu 9C0^n öermag, als ber 3)egen, dr in ber SBelt ein verachteter aftenfdj fein mürbe, menn @r folgen nicht gleichfalls liebte unb bie einzige ©loria in bemfclben fuchte."

5)en bebeutenbften Einfluß auf bie geiftige Sntmicftung beS Prinzen gemann fein ßehrer $uhan be 3anbun , ein auSgemanber* ter granzofe, ber ihn nach u"° na$ oie franjöfifc^c ßiteratur einmeihte unb ihm für biefelbe jene Begeiferung einflößte, bie ihn bis in fein fpätefteS SUter mit ©eringfehäfcung auf bie inzttnfchen gleichfalls zu Wer ^31ütt)e gelangte baterlänbifche Literatur herab- bliefen ließ.

£>a ber König, fo menig er auch im Allgemeinen oon ben fünften hielt, eine gemiffe greube an ber SKufif hatte, ließ er feinen ©ot)n , ber feibft einen regen «Sinn für bie elbe an ben Xag legte, burch einen $omorgamften im Älamerfpiel unterrichten, ©eit*

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gricbrid)« II. 3u0*nt>jGl)rc.

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bem jebodj ber $rinj im Qafjre 1728 bei einem mit feinem Sater am 3)re3bener £ofe gemachten SBefudje ben berühmten Xonfünfiler Buanfc auf ber glöte gehört, l)atte er fidj mit entfdnebener Vorliebe biefem Qnftrumente $ugeroanbt, unb auf ba$ Sßerroenben feiner Butter erhielt Duanfc oon Äuguft II. bie (Srlaubnig, jmeimal im ga^re auf eine Zeitlang nach ^Berlin $u reifen, um ben lernbegie* rigen üfronprinjen , natürlich olme SSormiffen be8 SBaterd, im 3lö* tenfpiele ju unterrichten , in meinem e3 griebrich befanntlidj ju einer grofjen Dtteifterfchaft braute.

$er Unterricht in ber Religion mürbe bem Kronprinzen burch jttiei §ofprebiger erteilt ; bod) l)atte berfelbe nict)t ben öon bem König ermarteten ©rfolg, roeil er bec- Sßrin$en §er$ falt lieg unb bie reformirten Dogmen ib,n meber anzogen noch befriebigten. ®a$u fam bie fiangemeile, bie i^m ba£ üorgefchriebene häufige 2lnf)ören langer, geiftlofer ^rebigten öerurfadjte. 2luch bie 2Ba|rne^mung, bag beS Königs grömmigfeit unb falöimfche föedjtgläubigfeit feinerlei Ginflug auf beffen rauhe ®emüth$art unb fein törannifche3 halten au^uüben öermochte, mar roenig geeignet, ben religio feit ©inn be8 $rin$en ju beleben. SSoflftanbig entfrembet mürbe er bem ©(jriften* tfmm buref) bie «Schriften ber franjöfifdt)en föeligionäfpötter, bie ilm fdmn frühe auf bie Sahn be£ Unglaubens führten.

55a ber Kronprinz bor allen fingen $u einem tüchtigen Sol* baten ^erangebilbet merben foUte, Ijatte ber König fetjon im 3ahre 1717 gu feiner Uebung im Keinen SBaffenbienfte eine fronprinjliche Kabettenfompagnie errietet , bie fpäter ju einem ganjen Bataillon erweitert mürbe; auch mugte ber $rin$ fd)on im jarteften Knaben* alter bie Kinberfleiber gegen eine militärifche Uuiform öertaufd)en. 3n feinem bierje^nten Safjre mürbe er 5um Hauptmann, im fünf* je^nten $um äftajor unb im fiebje^nten jum Dberftlieutenant er* nannt. Qn allen biefen ©teilen hotte er, mie jeber Slnbere, ben regelmäßigen S)ienft $u tljun. Sagte bieä fdjon an fidt) bem lebfmf* ten ©eifte be£ ^Srin^en roenig ju, fo mürbe ihm ber militärifche $)ienft öoUftänbig öerleibet, feitbem er nach feiner Ernennung jum Dberftlieutenant an bem unabläffigen ©inejerciren ber Gruppen tljeilneijmen unb baburdj 3tü$t ber unmenfa)lid>en #ärte fein mugte, mit melier bie beflagenSroerthen Solbaten babei öon feinem SSater unb bem gurften öon $)effau bef)anbelt mürben. 3e meniger er aber fein Sttigfaflen barüber $u öerbergen mugte, befto mehr Jan! er in ber SMnung feinet Skterfc, ber it)n für einen $u einem redeten Solbaten untauglichen 2öeia)ling tytlt. S3eibe maren grunbüerfchie* bene Naturen, bie einanber mehr abftiegen als anzogen; gleich maren fie nur in ber (Sntfdnebenheit beä SBiHena, unb je eigen* artiger fia) be3 Kronprinzen d^axattn unb ganzes Söefen entmicfelte, befto mehr rouchä beS SBaterS Abneigung gegen ihn.

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352 3?a8 tömgreid) ^reufjen unter griebrid) i. unj) ^nebricr} SStl^clm I.

2(n Serantaffungen gur Unjufriebenfjeit fehlte bem ftßnig nidjt. 3" Kummer, ben er über bie religiöfe (IJleidjgUtigfeit be« föronprinjen empfanb, gefeilte fidt) ber Unmutt) über beffen ent* fdnebene Sorltebe für tüiffenfc^aftlic^c Sefctjäftigungen, für fran- jöfifcfje fieftüre unb fran$öfifct)en ßuru«, foroic über feinen Langel an ©parfamfeit unb fjäu«lict)en Sinn. &uct) oerbroß ben Sater, baß ber s?rinj toeber an ben rot)en sßarforcejagben im ^ßarfe oon SBufterfjaufen, nodj an ben berben ©olbatenfpäffen im Xabaf«foIIe= gium (Gefallen fanb, in toeldje« er al« roirftirf)e« Sftttgtieb aufge= nommen roorben; baß er ernft blieb, mo ber Sater lachte, unb fid> bi«tt)eilen im ©efüt)Ic feiner geiftigen Ueberlegent)eit eine fpotteinbc Semerfung über 3)inge unb *ßerfonen erlaubte, bie bem Sater roertt) maren. dr befdjulbigte Um be« ©tol$e« unb ber £>offart unb r)ielt e3 für nött)ig, ifjn in um fo ftrengerer gucr)t $u galten, dr über= toactjte alle feine Schritte, oerbot, al« er in @rfat)rung gebraut, baß ber ^ßrinj ©Bulben madje, bei fernerer ©träfe einem 3Kinber~ jährigen, „unb menn ber $ronprinj märe," irgenb Stroa« ju borgen, unb jroang it)n, täglich oom frühen 9Jcorgen bi« jur Sttittag«* tafel auf bem ©jrercierplafc $u bleiben, fo baß ber $rinj feinen Sieb* Iing«befd)äftigungen nur bie 9tad)mittag«ftunben mibmen fonnte. 211« er ifm einft beim glötenfpiel in einem golbbrofabenen ©djlafrotf überragte, fnett er ifjm eine bonnernbe ©trafprebigt, ließ it)n fofort feine Uniform mieber anlegen, marf ben ©djlafrocf in« geuer unb fanbte bie fran5öftfct)en SBerfe, bie auf be« ^rinjen Xifdje lagen, ju bem Sucfjfjänbler jurücf.

9coct) größer mürbe be« IBnig« Erbitterung gegen ben ftnnu prinjen, al« er erfuhr, baß berfelbe, feitbem er bei bem oben er= mahnten Sefudje in Bresben bie große SBelt mit it)ren oerfüljrerifdjen föeijen rennen gelernt, fidj an $lu«fcr)roeifungen getüör)nt r)abe. 3u melden 2Butt)au«brüct)en fict) ber leibenfct)aftlict)e Sater bei biefer ©elegentjeit Innreißen ließ, erhellt au« einem ©riefe griebrict)« an feine Butter oom Qatyre 1729. „%<fy bin", fo fdjreibt er, „in ber größten Sersroeifiung ! 28a« icf) immer befürchtete, ift mir enblict) begegnet. $er Äönig t)at gänjlia^ üergeffen, baß ict) fein ©ot)n bin, unb mict) mie ben niebrigften 2ftenfct)en befwnbelt. Qct) trat biefen borgen roie gerüör)nlict) in fein 3intmer. ©obalb er mict) faf), ergriff er mict) unb fct)lug mict) mit feinem ©toefe auf bie grau* famftc §lrt ber Söclt. Sergeben« fudjte tet) mict) ju üertf>eibtgen ; er mar in einer fo furdjtbaren Aufregung, baß er fict) nietjt met)r rannte unb nur au« (£rmübung toieber aufhörte. Qd) bin auf« Sleußerfte gebraut, t)abe juütel (St)rgefüt)l, um foldje Sct)anblung 311 ertragen, unb bin entfdjloffen, auf eine ober bie anbere 2lrt ber ©acr)e ein ©nbe 511 machen. "

X)er buret) bie Xt)rannei be« Sater« getoeefte 2Biberftanb«geift

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griebrid)8 n. gugenbjafjre. 353

beS $rinjen ttmrbe erhöht burd) ben Hinterhalt, ben griebridj an feiner SJhitter fanb. ©tatt nadj ber einen Seite hin begütigenb, nad) ber onbern abmafmenb ein junrirf en , ließ fia) bie Königin burch baS eigene Unbehagen an bem glanjlofen preufcifdjen £>of, too fte SftidjtS als (Entbehrungen unb Un^uträglia^teiten gefunben, unb buref) bie untoürbige ©ehanblung, bie aurf) fie mitunter Don Üircm teibenfe^aftü^en unb argroöhnifdjen üknmblc $u erbulben ^atte, baju öerleiten, in beS $ronj>rin$en klagen über feinen Vater einjuftimmen unb feine Neigungen fynttt beffen SRütfen ju begün* ftigen, toobureb, fie nid)t menig jur görberung beS beftehenben Üftifc öerhältniffeS beitrug. 2lud) griebridjs ©d)h)efter SBU^cItntne, bie entfdjteben auf beS föronprinsen ©eite ftanb unb in beren, bie (£r~ lebniffe ihrer 3u9cn0 frfjtfberaben äftemoiren fid) eine bis jum $af3 gefteigerte, baS (Gefühl beS SeferS tief bertejjenbe Vitterfeit gegen i^ren Vater auSfprid)t, oerfäumte nid)t, baS geuer ju fajüren.

$ie ©pannung in ber föniglidjen gamilie erreichte ben hödjften @Jrab im ©ommer 1730, als bie fdjon feit längerer Seit biSfutirte grage ber Vermählung beS föronprinjen jur ©ntfdjeibung gebraut toerben foHte. (SS mar ein SieblingStounfch ber Königin, ihre %ofy tcr SSilhelmine mit ihrem Steffen, bem ^rinjen üon SBaleS, unb ben Äroityrinjen mit beffen ©djtoefter, ber frönen englifchen ^Prinjeffin Amalie, ju öermäb,Ien, unb bie Steigungen ihrer $tn* ber ftimmten mit biefem SSunfa^e überein. 2tua) ber ftönig mar anfangs biefem VermählungSprojeft , mit welchem nicht nur ber ®öntg ÖJeorg II., fonbern aus (SJrünben ber s$olirif auch baS englifche Parlament unb S8otf öollftänbtg einoerftanben roaren, nicht abgeneigt; als aber fpäter bie öon feinen Söerbera in |>annober oerübten unb oon ü)m in ©djujj genommenen Ungebühr* Itdjfeiten ein ernfteS Sermürfnig jnrifchen ihm unb feinem ©djum* ger herbeigeführt, moflte er üon ber geplanten $>oppelheirath 92ict)t^ mehr ttriffen, unb als er erfuhr, baß griebrich felbft bie ©ache eifrig betreibe unb bereits bieferfjalb heimlia) nach (Snglanb gefd^ric- ben f)abt, gerieth er in fo heftigen 3orn, ba& er ben Spritzen öffentlich mit ©torff ablägen aufs ($röblid)fte mi&hanbelte unb fidj babei an bie Slntoefenben mit ben SBorten roanbte: „SBäre id) oon meinem Vater fo behanbelt toorben, fo hätte id) und) tobtgefdjoffcn ; aber er lägt fid) SlHeS gefallen; benn er hat feine (Ehre im ßeibe unb ift ein geigling."

3)iefe fdjmachöolle Vef)anblung braute ben oon bem Sßrin$en Iangft genährten $lan, fidj bura) bie glud)t nach (Snglanb ber Xurannei feines VaterS ju entziehen, jur rajdjen Steife. $uv 2luS^ fuhrung biefeS planes, in melohen er nur feine ©chtoefter SSilrjet- mine unb bie beiben Sieutenants oon ®eith unb oon ^atte, feine Oer* trauteften greunbe, eingemeiht hatte, gebaute er bie Steife ju benufcen,

^olatoatt^, MWffl&t. VI. 23

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354 $a3 Äönigreid) «ßrcufcen unter griebridj I- mt& gnebnd) Wltylm I.

bie fein ©ater mit iljm im 3ufi 1730 burdj ©adjfen, grauten ©djmaben unb bie Sftfyeintanbe machen moflte. Obgleich bem föönig @erüd)te öon biefem glud)tplan, tua^rfc^etnlic^ burd) eine llnöorfid)- tigfeit &atte% ju Dljren gefommen, nafmt er beu ^ßrinjen mit, erteilte aber brei höheren Dffijievcn, bie mit bemjelben in bem nämlichen SBagen fuhren, ben geheimen Auftrag, if)n nid)t au* ben Äugen ju (äffen.

9tadjbem ber ^ßrinj mehrere 9ftale ben ©erfudj gemacht, ju entfliegen, aber immer baran berfjinbert morben, mürbe bem $önig in granffurt ein ©rief jugefteHt, ben ber ßtonprinj Don 31n*badi aud an ben Lieutenant Don föatte gefdjrieben, auf beffen Mbreffe er jebodj in ber ©ile ben ©eftimmung*ort anzugeben oergeffen. $)a biefer ©rief bem $cnig über feines ©ofme* äbfidjten ooäftanbige ®en)i8()eit gab, lieg er benfelben fofort üerljaften unb auf ein ©$iff bringen, ba* iljn nad) SBefel führen foQte. 211* er am folgenden Sage gleidjfall* ba* ©djiff beftieg, Ioberte fein 3orn bei bem 2ln* blid be* $rin$en fo heftig auf, bafj er if)n bei ben paaren ergriff unb if)tn mit feinem ©todfnopf ba* ©eftdjt blutig fdjlug. 3n SSefel liefe iljn ber $önig auf* Sfteue bor fia) bringen unb brang, al* ber $rin$ tfjm auf feine grage, roarum er t)abe befertiren motten? jur ftntroort gab: „er f)abe nur getfjan, ma* fein ©ater felbft an feiner ©teile getljan fjoben mürbe," mit gezogenem $)egen auf il)n ein, um if)it $u burdjboljren. Stur ba* $>ajnnfd>entreten be* ©eneral« 9^ofel, ber bem ftönig mit ben SBorten : „Xöbten ©ie midj; aber öerfdjonen ©ie 3#ren ©o^n!" in ben 2lrm fiel, rettete be* $rinjen Leben.

©ergeben* fud)te ber ®raf ©edenborf, ber ben #onig auf feiner Steife begleitete, benfclbeu milber gegen feinen ©ofm ju ftim* men, inbem er ifmt be* $rin$en gludjtoerfua) al* einen üerjeüj* lidjen Qugenbftreidj barftellte: griebriet) SBil^elm fa^ien jmar einen Slugenblid geneigt, ber gurfpradje be* (trafen golge ju geben; al* er jebodj erfuhr, ba& ber in SBeiel fte^enbe Lieutenant öon $eitl), ben ber $rinj rechtzeitig burd) einige 3c^en hatte warnen fönnen, fia) burd) bie gludjt ber ihm augebaajten ©träfe entjogen, feljrte feine öolle Erbitterung jurüd, unb er fpraa) ben feften @ntfd)luj} au*, fomoljl gegen ben ftconprinjen, al* gegen ben Lieutenant oon flatte, ber injunfdjen auf einen nadj ©erlin abgegangenen geheimen ©efefjl behaftet morben, nad) ber ganzen ©trenge ber ftriegagefefee borjugefjen. „3a) habe", fdjrieb er an feine GJemafjlin, „ben ©d)ur* fen, ben grijj, feftnef)mcn taffen unb roerbe üm belmnbeln, mie e* feine ©erbrechen unb feine Seig&eit öerbienen. Ein fola)er (Slenber öerbient niajt me^r ju leben."

Sur bie t öniglidje gamilie famen fernere Xage ; benn griebria) SBil^elm üermut^cte geheime (Sinoerftanbniffe ber Königin unb ber

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grtebrirfja n. Sugenbjahre.

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3ßrtn$effm Söilhelmine mit bcm ftronprinaen. $11« er nach jetner SRücffehr in bie #auptftabt ber fieberen anfichtig mürbe, rief er it)r mit jornglühenben ©liefen ju: „3nfame (Sanaide, hue, bu toagft es noch, bich üor mir ju seigen? ©eh' unb Iciftc beinern ©Surfen ton «ruber ®efellfchaft!" $abei gab er ihr fo heftige Sauftfchläge in« ®eficht, baß fie ohnmächtig sufammenfrürate. 3^re iörüber unb ©chmeftern marfen fidj ihm ju Süßen, umflammerten feine ftntee unb baten ihn fchluchsenb um ©dmnung für bie <ßrin* $effin, mährenb bie Königin öerjmeifelnb bie §änbe rang unb feine anberen SBorte finben fonnte al«: „HJ^cin ©ort, mein ©ofm!" Söeim s2lnblicf be« Sieutenant« üon Äatte, ber eben gefangen nact) bem ©ct)loffe geführt mürbe, rief er : „3efct roerbe i<f> ben ©Surfen grifc unb bie GanaiHe SSilhelmine überführen fönnen, unb ict) roerbe hinreichenbe ©rünbe finben, um it)m ben #opf oor bie Süße $u legen !" 211« ber unglüefliche ®atte in einem leinenen ©enbar* menfittel öor it)m erfaßten, riß er it)m ba« Drben«freua Dorn $alfe unb gab it)m fo heftige ©tocfljiebe unb Ohrfeigen, baß it)m ba« «Blut über ba« ©efict)t frvömte. 3" ben Süßen be« Königs meber* fallenb, beteuerte berfelbe, baß ber ^ßrinj feine anbere 21bficr)t ge* ^egt, al« nach (Snglanb §u entfliegen unb fic^ unter ben ©ct)u& biefer Krone $u freHen, nie aber ben geringften <ßlan meber gegen bie <ßer* fon be« König« noch gegen ben ©taat entworfen habe. $er König hegte nämlich ben Wrgroohn, baß bei be« $rinjen Sludjtplan §u= gleich auf fein Seben abgefehen gemefen. „ütttch gebachten fie Oer* muthlid) ju öergifren," äußerte er im Vertrauen 511 ©eefenborf. „$>ärte mir fjrife in SBcfel ehrlich OTe« gefranben, fo hätte ich in ber ©tiüe mit ihm abgemacht; aber nun muß bie ©act)e ihren Sauf nehmen, unb bie SSelt fott rieten jmifchen und."

S)e« Königs leiben fd)aftüdt)c^ SSüthen bet)nte fict) auf OTe au«, bie feinem ©ohne nahe gefommen. üftehrere Herren unb tarnen com £ofe mürben t>err)aftet ober fortgejagt. $>er s3ftinifter ^ntjpr)aufen, ber im Serbachte ftanb, bcm ^ßrinjen <35etb geliehen $u haben, erhielt feinen ^Ibfcfneb. griebrich« Sehrer Xurjan, beu ber König befchulbtgte , bem ^ßrinjen ba« ©ift be« franjöftfchen ©eiftc« unb be« Unglauben« beigebracht ju haben, mürbe nach Stemel öerbannt, ber erfte Kammerbtener be« Kronprinzen ju 3mang«arbeit öerurtheilt, bie fechjehnjährige Xodjter be« föeftor« in ^ot«bam, bie ein ©efcr)enf öon bem ^rin^en angenommen, öon bem genfer burdj bie ©trafen ber ©tabt gepeitfeht unb $u leben«* länglicher $aft in ba« 3uct)thau« noc^ ©panbau gebracht, mährenb ihre unglüeflichen (Altern bie ©träfe fct)impfltcher £anbe«oerroeifung traf. Xen Berlinern, unter benen eine fo große Aufregung herrfchte, baß ba« S3olf ba« ©chloß umbrängte unb bie 23acf)c au«rüdfcn mußte, um baäfelbc ju oertreiben, mürbe bei ©träfe be« 21u«*

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356 $ct3 Jtönigretdb ^reufeen unter ftriebria) I. unb ftriebrid) 29Ul>clm I

reigenS bcr ßungc Oerboten, über bic ganje Angelegenheit ju fpre* d)en, unb ber englifdje ©efanbte erhielt bie SSeifung, feinem $ofe ju melben , ba& an eine $>eiratl)Süerbinbung mit bemfelben nid^t mef)r ju benfen fei.

Unterbeffen t)attc ber König ben Kronprinzen nadj bem brei SDceilen ton öerlin entfernten 3)ftttenmalbe bringen loffen unb }n feiner Jöerneljmung eine äRilitärfommiffion niebergefefct. 5)er s$rinj legte ein äfmlidjeS ©eftänbnifj ab, tuie Karte; als jebod) ber baS SBerljör lettenbe gelbmarfc^atl unb 9Jcinifter bon ©rumbfom, ber ju feinen persönlichen ©egnem jäfjlte, fid) bamit nicfjt begnügen wollte unb itjm mit ber Anmenbung ber golter brof)te, verweigerte er in ben ftarfften AuSbrücfen jebe weitere Antwort, als mit feiner SBürbe unvereinbar. @r würbe hierauf nadj Küftrtn gebraut unb in bem borligen ©Stoffe, wo in ber SBofmung beS Kammerpräfi* benten oon äRündjow ein Limmer für il)n in eine ©efängnifeelle umgemanbelt worben, als Staatsgefangener in ftrengftem ©ewa^r* fam behalten, ©eine Uniform mufete er gegen bie gemöfmlidje ©träflingSfleibung auä grobem blauem Xud) öertaufdjen , unb ba£ @ffen , baS man iljm aus einer Gtorfüdje , 2JftttagS für fedjS unb AbenbS für m'er ©rofdjen, holte unb baS er auf einem hölzernen ©d)emel oer^ren mufjte, mürbe üjm aerfdjnitten gebracht, weil er, wie ein jum Xobe iöerurtt)eiltcr , toeber Keffer nod) ©abel tjaben foHte. Xinte unb geber, fowie bie glöte waren i^m verjagt unb $ur ßeftüre nur bie Jöibel unb einige AnbadjtSbücher geftattet. 9cie= manb burfte ju ifjm gelaffen werben, unb feinen SBäc^tern war aufs ©trengftc oerboten mit ifjm $u fpredjen. Alles fdnen barauf be= rennet, Um mit bem ©ebanfen an ben fdjlimmften Ausgang Oer* traut ju machen.

Qn ber Z$at r)attc ber König bem Kriegsgerichte, baS er im Oftober 1730 jur Aburteilung griebrid)S unb Katte'S nad) Köpc* nif berufen, Jöefeljl gegeben, über ben „Dberftlieutenant gri&" wegen ber oon il)m beabfia)tigten $efertion, of)ue irgenb weldje 9tücffid)t auf feine (Geburt, naa) ber ganzen Strenge ber KriegSgefefce 9tc$t }tt fpredjen , unb fdnen entfdjloffen , baS Urteil , baS naa) bem JBudjftaben beS ©efe&eS nur auf ben Xob lauten fonnte, ootlftrccfcn 3U laffen. $te gürjpradje , weldje bie cinflugreie^ftcn femer ©ene= rale für ben ^rinjen einlegten , wies er mit (Jntfdu'ebcnfjeit ju^ rüd; bagegen geigte er fictj ben oon bem faiferlidjcn ©efanbten ©rafen ©eefeuborf aufs ^aa)brücflia}fte unterftüfcten gürbitten oer= fcfyebcner £öfe gegenüber minber feft. (Sntfdjeibeub für feinen fönt-- fcfjlufc war baS bringeube JBerwenben beS KaiferS für fein ^at^eiu finb. „öitrcr Kaiferltajen ^ajeftöt lebiglia^", fc^rieb er an Karl VI., uaa^bem er i^m ben Kummer über baS betragen feines ©offnes gefa)ilbert, ,,^at er eS in gebüfjrenber @rfenntlia)feit 3U bauten, baft

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Sriebric^ II. gugenbja*«. 357

©ie $ero gürmort ihm ^aben angebenden laffen; bcnn nur ba* burch bin ich bewogen morben, ihm ju beleihen."

Snbeffen foßte bem ^ringen ber ©chmerj nid^t erfpart biet* ben, feinen unglücflichen Sreunb Karte um feinetroiHen ben Xob er* leiben ju fehen. £a* öon betn König eingefefcte Kriegsgericht twtte benfelben, ben Umftanb, baß er fich nüfjt oon feinem 9tegt* ment entfernt §atte unb feine öeTbredjerifd&e Slbficht nict)t jur Sfjat gemorben , al* 2JciIberung*grunb annehmenb , nur jur Kaffation unb mehrjähriger 5cftung*haft berurtheilt; biefe* Ur* theil mar jeboch bon bem König al* biel ju milb ^ödt>ft un* cjnäbig aufgenommen morben. (£r t)attc ba* Vergehen Katte'* für ein 9)<ajeftät*t)erbrcchen erffärt unb bie über ifm verhängte ©träfe au* eigener aflachtboHfornmenhett in bie ber Enthauptung toermanbelt, mit ber auSbrücflid&en Veftimmung, baß biefelbe üor ben Slugen be* Kronprinzen an bem Unglütflidjen ooHjogen mer* ben fotte. Vergebens flehten ber Vater be* Verurteilten , ber @eneraüteutenant oon Katte, unb fein ©roßoater, ber greife, Oer* biente gelbmarfdjatl üon 2Barten*Ieben , fugfättig mit ben rührenb* ften Söorten für ihren ©ofm unb (Snfel: ber König mar unerbitt* lieh unb erffärte, er ermeife fich gegen ben Verbrecher noch fehr gnöbig , ba berfelbe für fein Vergehen glfit)enbe Sanken unb ben ©algen oerbient habe.

2)em föniglichen Vefehle gemäß mürbe Katte, ber fein Urtheit mit großer Saffung öernommen unb nur bittere SReue über fein frühere* leichtfertige* Seben unb über feinen (S^rgeij, burch melden er ben ©einen fo fchmeren Kummer bereite, au*gebrücft hatte, am 5. 9co* öember nach Küftrin gebracht unb in ber ftxtyt be* folgenben 9Jcorgen* jur Einrichtung geführt, bie auf bem SBaöe hinter bem ©djloffe ftattfinben follte. $)er $rinj ftanb am genfter, at* ber Unglückliche, bon jmei ®eiftüdjen begleitet, borüberfchritt. „2Jcein lieber Karte", rief er ihm unter %i)xänen ju, „bergeben ©ie mir, baß ich ©ie in biefe* Unglücf geftürjt habe!" «Neffen bebarf e* nicht, Roheit" antmortete Karte ; „menn ich taufenb ßeben hätte, mürbe ich ftc m^ Sreuben für ©ie hingeben." Vom ©chmerj über* mältigt, fiel ber lißrinj in Ohnmacht, unb al* er mieber $ur Ve* finnung fam, mar 2IHe* borüber.

Xer getbprebiger 9Jcutler, ber ben Slbgefdjiebenen jum Xobe Vorbereitet , überbrachte bem ^ringen mit ber legten Vetheuerung feine* greunbei?, baß er ihm feinerlei ©djulb megen feine* Xobe* beimeffe , eine ©d)rift , in tuelctjcr Katte ben ^ßrinjen in ben ein* bringlichften SBorten bat, fein £er$ ben Söahrheitcn be* chrift* liehen ÖJIauben* jujumenben , ju melchen er fich fefbft in feiner Kerferfmft befchrt hatte, unb fich in a^er SJemuth a(* gehorfamer ©ohn feinem Vater ju untermerfen. $iefe Ermahnungen eine*

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358 $a§ ffönigrcid) Greußen unter griebrid) I. unb griebrtc^ SBityelm I-

greunbe«, ber um feinetnnHen ben Xob erlitten, motten ouf ben t»om ©cf)mer$ gebeugten ^rinjen einen fo tiefen ©inbrurf, bog er ben SSunfdj auSfprad), ben ^rebtger Sftüller nod) einige Qtxt bei fidj behalten ju fönnen, unb ben 53emüf)ungen beäfelben gelang eä, ba« ptx% be« ^rinjen für ben djriftlidjen ©tauben ju erwärmen unb i^n ju reuiger ilntertuerfung unter bie üäterlidje Autorität ge= neigt ju madjen.

$ie Vertäte, bie ber *ßrebiger über bie ©inneSänberung be£ $rin$en nadj Berlin fanbte, betrogen ben ljodjerfreuten ®önig, ber no<$ immer fortbauemben ©orge griebridj« um fein Seben ein (£nbe $u machen. @r rerföradj if)m ©egnabigung , toenn er eiblidj gelobe, fidj nie an irgenb gemanbem megen be« Vorgefallenen ju rächen unb ifjm fünftig in allen ©tücfen ein gefjorfamer ©olm ju fein. <ftarf)bem griebricr; bieten (£ib am 19. «Roöember in ber öon feinem Vater üorgefdjriebenen gorm öor einer ftommiffion t>on 9Jiiniftern unb Generalen abgelegt, erhielt er Drben unb $egen jurücf unb tuurbe au« feiner ftrengen $aft enttaffen.

Qnbeffen fyiett ber ftönig jur gehörigen Dämpfung be« IjoaV fatyrenben ©tnne« feine« ©oljne« notf) eine Verlängerung feiner ©trafen, trenn aud) in gemilberter gorm, für nöujig. @r rerorb* nete baf)er, baß ber *ßrinj nod) einige 3afjre in Süftrin bleiben, ein $>au« in ber <StaU bejiefjen, Gitritfleiber tragen, niajt au« ben ©tabttf)oren fommen , bei ber $rieg«* unb 3)omänenfammer Dom Sftorgen bi« jum §(benb arbeiten unb fidj tneber mit Sftufif nod) franjöftfdjer Seftüre befd)äftigen , aud? feine anbern ©riefe fcfjreiben fotle, al« oon Seit ju Seit an feine (fltcrn. SBenn per) ber $rin$ audj ber it)m auferlegten Arbeit nur au« ©efjorfam gegen feinen Vater unter jog , fo ^atte fie boer) für iljn ben großen Vortt)eil, baß er fid) burdj biefelbe eine grünblia^e ®enntniß ber tnidjtigften Vertr»altung«$tueige ertrarb.

9lm 15. Sluguft 1731 faf) ber ®önig bei feiner 2Intoefent)eit in ®üftrin jum erften äftale feinen ©ofjn tnieber. Anfang« über= Raufte er ifjn mit Vortnürfen; al« jebod) ber $rinj it)n fnieenb um Ver$eilmng bat unb Me« aufzubieten gelobte, um be« Vater« Sufricben^eit tnieber ju erlangen, geigte er fid) milber unb erflärte, er trolle, ba er feine SReue für aufrichtig fyalte, ifmt ettua« größere greiljeit getnäljren. Gr erlaubte il)m, bie geftung ju oerlaffen unb bie bcnadjbarten Wemtcr ju bereifen; aud) foßten if)m ^ßferbe unb Söagen jur Verfügung geftetlt tuerben. 3w9^i4 ert)ielt ber $rtnj ©ifc unb ©timme in ber $>omänentammer. dagegen blieb i^m nod) jebe 3erfrreuu"9 bura^ franjöfifa^e 33üa)er, Sflufif, ©piel unb Xanj unterfagt, roie aua^ bie ftrenge Vorfctjrift regelmäßiger SBctftunben am borgen unb Slbenb aufregt gehalten mürbe.

Unterbeffen t)atte ber ^önig, naa^bem bie englifdjen Vermä^

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griebridj« n. gugenbjafjre.

359

hmgSprojefte befinitiD aufgegeben worben, ben Söefchluß gefaßt, feine Zoster SBilhelmine mit bem (Erbprinzen Don ©aireuth ju öermäfjten, unb ben Söibcrftanb ber ^ßrinjeffin burdj bie 3ufage ge* brodjen , baß er, falls fie gutwillig fid) feiner Slbftcht füge, aücö (9efcfjehene Dergeffen unb bem Kronprinzen geftatten werbe, ben $ermäljlungsfeierltd}feüen beizuwohnen. 3n ber %f)at burfte ber ^rin$ am 23. SRoDcmber 1731, bem SBermählungStage ber s£rin= Zeffin, nach 93erlin jurürffe^ren. ÜRan fanb ihn nicht nur in feiner äußern (Jrfdjeinung , fonbem auch in feinem SBefcn bebeutenb Oer* änbert: bie garten Erfahrungen ber legten Seit Ratten ben neun* Zehnjährigen ^ßrinjen zum Sttanne gereift.

Einige Xage nach griebrichS Wnfunft begaben fich fämmtliche in ©erlin anwefenben Generale unb Dberften, an ihrer (Spi^e ber Surft fcon $effau, 51t bem König, um Don ihm bie 3Bieberaufnaf)me beS Prinzen in baS £>eer ju erbitten. $er König fagte biefelbe ju; boer) fanbte er ben ^rinjen nach Küftrin jururf, bamit er noch einige Qdt <w ber 3)omänenfammer fortarbeite.

Qm gebruar 1732 melbcte ber König bem Kronprinzen, er §abe i^m bie $rinjeffm ©lifabeth (Hjriftine ö^n ©raunfehweig* 93eDern , eine SRic^tc ber (Gemahlin Kaifer Karls VI. , jur grau gewählt , „ba er fie Wohl aufgewogen unb mobeft gefunben , wie grauen fein müßten." griebrid) antwortete ihm, baß er fid) ganz feinem SSiUen unterwerfe , unb Derfidjerte ihn zugleich , »baß ihm nichts SiebereS gefchehen fönne, als wenn er (Gelegenheit habe, fei* nem aHergnäbigften SBater feinen blinben ®ef)orfam ju bezeigen." 3u ber gleichen S^it fchrieb er jebodj an ben SKinifter Don ©rumbfow : man möge um ©otteSWitten ben König enttäuschen unb ihm ju bebenfen geben , baß er fich nicht für ihn , fonbem für fich felbft oerheirathe ; benn bie ^rinzeffin fönne er unmöglich lieben nnb motte fie nicht. Schließlich fügte er fich ohne SBiberrebe bem SBitten feines SBaterS, worauf ihn biefer zur geier ber Verlobung t>on Küftrin aurürfberief. Wachbem biefelbe am 16. 2flat 1732 ju ©erlin ftattgefunben, würbe am 12. Quni 1733 zu ©alzbahlum, einem Suftfchloffe beS Herzogs Don ©raunfehweig , bie Vermählung Dottzogen. $aS ßooS ber liebenSWürbigen unb reichbegabten Krön* prin$effin War nicht beneibenSWerth ; kenn wenn auch ber König ihr ftets bie zuDorfommenbfte greunblichfeit bewies unb felbft bie ihr urfprünglich fo wenig gewogene Königin ihr balb eine warme ^heilnahme bezeigte, fo ließ bodj griebrich, bei aller Slnerfennung, bie er ihrer #erzenSgüte, ihrer ©anftmuth unb ihrem eifrigen SBe* frreben, jebem feiner SBünfche zuDorzufommen , zu hoUtn genötigt war, in feinem ganzen benehmen beutlich merfen, baß er zur @hc mit ihr gezwungen Worben. (£r ließ ihr z^ar Dolle greifjeit, ihren Neigungen gemäß zu leben; aber er hatte fein #erz für fie unb

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360 3)a8 £3mgretdj Greußen unter griebrtcf) L unb griebrid) SBtfljefot I.

glaubte feiner ^ßflidjt ÖJenüge geleiftet ju fmbenf menn er ftd) mit ber SBeaeigung einer füllen Hortung gegen fie abfanb. Sftadj bem Xobe feine* SBater* festen fie überhaupt für ihn nicht mehr $u erjftiren.

Unterbeffen fyttte fid) ber $um Dberften beförberte Äronprinj, bem ber ®önig ba* ©täbtdjen föuopin jum fBohnorte angemiefen, burd) ben (Sifer, mit freierem er feinen niUitärnaVu Sttenftpflichten oblag, foroic burch bie unbebingtefte Untertoürfigfeit in ber ©unft feine* SBater* immer f efter $u fefcen gemußt. 3m 1734 fanbte Uju ber Mönig mit ben Xruppen, bie er in bem polmfdjen X^ronfolgefrieg ju bem faiferlidjen $>eere ftoßen lieg, an ben Schein, um unter bem ^ßrinjen (Sugen ba* #rieg*hanbmerf ju erlernen, roogu ber gelb$ug jene* 3af)re* Jhm jeboch roenig ©ctcgcnr)eit bar* bot. griebrid) benrie* bem ruhmgefrönten faifertidjen gelbberrn bie aufria^tigfte SSere^rung unb ertlärte fpäter oft, baß er ftolj barauf fei, fid) al* beffen ©d)üter anfeljen $u bürfen. 9cadj feiner 9tü<f* ferjr bejog er mit feiner ÖJema^ün ba* ©djloß $h*in*berg, ba* ber ®önig für if)n angefauft unb mit einem ®oftenauftt>anb öon fünf$igtaufenb Xfjalem t)attc umbauen unb ertueitern laffen.

$er ftrengen 33eauffia)tigung feine* SBater* entjogen, ber ihm überhaupt je&t nicht mehr bie gleiten SBefdjränfungen auferlegte, hrie früher, überließ fidj griebrich in 9l^ein*berg ganj feinen fiieb* ling*neigungen, ber Pflege ber SBiffenfdmften unb ber SRuftf unb ben ©enüffen eine* öerfeinerten gefeUfdjaftlidjen ßeben*, unb in einem aufgerollten Greife talentooller unb geiftreicher Scanner ge= ftaltetc {ich fein bortiger Aufenthalt $u feiner glütflichften Qtit „2öir haben", f abreibt er an ben fädjfifdjen (Sefanbten oon ©uljm, ber oft in 9^^ein*berg »eilte, „unfere 93efa)äftigungen in jloei Staffen, in nüfclidje unb angenehme, eingeteilt. Qu ben mißlichen rechne id) ba* ©tubium ber ^^ilofoö^ie, ber ©efdndjte unb ber ©prägen; bie angenehmen finb bie äRufif, bie £ufi* unb Srauer* fpiele, bie mir aufführen, bie !Dca*feraben unb ©aftmähler, bie mir geben, (Srnfthafte SBefchäftigungen behalten inbeffen ben SBorjug." 3n ben (Soncerten, bie ber ^ßrinj allabenblid) in feinem «Salon ber= anftaltete, trug er nicht feiten eigene ©ompofttionen auf ber glöte öor, auf melier er e* bereit« ju einer roirflidjen 2#eifterfchaft ge* bracht hatte.

lieber bie Pflege ber SSiffenfdwften unb ber SJcufif bergaß griebrich feine*roeg* bie ®rieg*funft. @r ftubierte mit großem (Sifer bie gelbjüge ber berühmteren gelbljerren unb fudjte feine $enntniffe in biefem gad>e burd) eingehenbe ©efprädje mit ben älteren unb erfahreneren ber in 9lhein3berg anroefenben Dffijiere ju ermeitern. Um biefer SBefdjäftigung einen poetifa)en 5Reij $u verleihen, ftiftete er eine 2Irt ftitterorben oon 5tt>ölf 9JWgliebem,

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griebritf)« II. Sugenbjatjre.

361

$u benen, auger Ujm felbft, feine beiben ©rüber, ber $erjog gerbi-- nanb üon ©raunfcfjroeig, ber ^erjog SBtHjelm öon ©eöern unb feine üertrouteften mUitärifdjen greunbe gehörten. $er ©dmfcpatron biefer ritterlichen ©erbinbung war ©aöarb unb baS ©innbilb beS DrbenS ein auf einem Sorbeerfranje Iiegcnber $egen mit ber Um* fdjrift: Sans peur et sans reproche. Qüm ©rogmeifter beS OrbenS fjatte griebridj ben toon if)m befonberS fjoajgefdjäfeten Üflajor öon gouque* ermaßt. ©on tf)m erhielten bie jtoölf bitter, an tf>rer ©pifce griebrid) felbft, ben 9tttterfd)lag, nadjbem flc in feine $änbe baS CrbenSgelübbe abgelegt, baS fic ju ritterlichen X^aten unb inSbefonbere jur ©eröollfommnung ber ShiegSfunft unb ber §ecr* füljrung verpflichtete. 2)te IRitter trugen als DrbenSjeia^en einen föing, ber bie gorm eines runbgebogenen ©djmetfeS hatte, mit ber Snfa^rift: „®S lebe, mer ftc^ nie ergibt. * (Viye le sans-quartier) unb führten altfranjöfifche ©unbeSnamen. grtebrich f>ie& Le Con- 8tant, gouque* le Chaste, ber &erjog gerbinanb le Sobre, ber jperjog mm ©eoern le Gaillard u. f. ». Sluch fdjrieben pe fia? ©riefe in altfranjöfifchem Sftitterftüt.

3m 3>af)re 1739 liefe fid) griebrich bei einem ©efudje in ©raunfehmeig in ben greimaurerorben aufnehmen, beffen aller pofi* ttoen ^Religion feinbliche Xenbenj feiner eigenen ©eifteSrichtung ju feljr entsprach, als bag er nicht bem öerlocfenben Üteije beS geheimen Tuntels bereitmittig hätte folgen fotlen, in roelcheS biefer Orben fidj füllte. $)a ber Äöuig ein entfduebener Gegner ber gretmaurer mar, fanb bie Slufnabme beS $rinjen insgeheim $u nächtlicher ©tunbe ftatt; nach bem iobe griebrich SBtlhelmS jebod) erflärte fid) grieb* rieh als ßanbeSherr offen jum ©rogmetfter ber $u ©erlin eröffneten Soge „Qu ben brei SGBeltf ugetn. "

SBäfjrenb feine* Aufenthalts in följeinSberg fnüüfte griebrich einen eifrigen ©riefroechfel mit ©oltaire an, ber für feine religiöfe ©nttüicflung entfdjeibenb mürbe. Diefer SJcann, bamals ber ge* lefenfte unb einflugreichfte ©chriftfteller granfretdjs, ber burdj eine feltene ©ielfeitigfeit unb (Sefchmeibigfeit beS Reifte* bie ihm fe^lenbe Xiefe unb ©rfinbltchfeit ju öerbeefen ttmgte, ^atte burdj bie befiedjenben (Sigenfdjaften feiner ©chrtftmerfe : bie fliegenbe ©pradje, ben leichten ©djer^, bie feine ©arire, ben treffenben SBifc, bie ©eftimmtheit beS 5luSbrucfS, bie gütle anmutiger ©ebanfen unb geiftreicher SBenbungen, inSbefonbere aud) burch bie in feinen Xragöbien jur ©djau getragenen erhabenen ©efinnungen grieb^ ric^S ©emunberung in fo ^o^ern ©rabe erregt, bag er i^m nia^t nur als ber öoflenbetfte ©c^riftfteller feine« 3a!jrl}unbert§, fonbern aud^ als einer ber grögten ÖJeifter aller Reiten erfaßten, beffen ©ei* fall, mie er i^n in feinen ©riefen öerfidjerte, ifym me^r galt, als ber beS falben menfajliajen ©efdjleajtS. „©e^en ©ie", f abreibt er

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362 $a* Äömgreidj ^reufcen unter $riebricf) I. unb ftriebrid) Sil^elm I.

ifnu, „meine ftanblungen fünftig al* bie Srüdjte 3*jrer fielen an. Tmrd) biefe ift mein jperj gerührt roorben, unb idj fjabe e* mir junt unöerbrüdjüdjen (Uefefc gemalt, fte mein ganje* ßeben Ijmburd) ju befolgen."

$>er SBerfefjr mit btefem fjeroorragenbften Vertreter ber mate= rialiftifdjen 9tict)timg be* bamoligen ©djriftfteHertfmm*, ber fid) bie Vernietung be* (Sl)riftentl)um* burcr) Verleumbung, ©pott unb £of)n jur £eben*aufgabe gefreHt,. öoöenbete in griebrief) II. ben bauern* ben Vrucfj mit aflen djriftlidjen Anfdjauungen , melden ber t»on feiner früt)ftcn ßinbljett an iljm auferlegte religiöfe Stoang unb ba* au« ben SBerfen ber franjöfifdjen 9Religion*fpötter gefogene ©ift längft in irmt vorbereitet. (Sine 3«tlang fdnen jroar, als foHe ba* Stubium ber „attetapfjrjfif'' Don SBolf, bie er fiefj bura) ben fädjfiföen ®efanbten öon ©ufjm in* granjöftfcfje fmtte überfein laffen, »eil er fid) in feiner Voreingenommenheit gegen feine 2fturter* fpradje nia^t baju entfließen fonnte, beutferje Sßerfe ju lefen, i^n mieber $u djriftliaVn gbeen aurütffüfjren ; benn er brürftc in einem Briefe öom 23. 2Rai 1740 bem gelehrten Verfaffer feine tooffe An* erfennung au«: aber balb fefjrte unter bem (Sinfluffe Voltaire'* feine Bmeifelfucfjt in if)rer ganzen ©tärfe jurücf, um fortan in Ver= binbung mit einem ftarren, bis jum gatafttmu* gefteigerten $rä* befttnation*glauben bie bauembe ©runblage feiner pf)ilofopf)ifd)en Aufhaltungen §u bilben.

2>er cbrgeijige $>rang naefj fdjriftftellerifaym ffiu^nte trieb ben $rinjcn mäfjrenb feine* Aufenthalte« ju Reinsberg ju literarifcfjen Verfudjen an. $>urdj bie ©cfnneicfjeleien Voltaire'« angeregt, ber if)tn fein ©umliefen über bie ©ntbeefung au*briicfte, „ba| e* in biefer Söclt einen ^rinjen gebe, ber al* 9ftcnf# benfe, einen pf)ilo* fopfufdjen Surften, ber bie Sttcnfdjen glüdflid) machen merbe unb bem bie ganje äHenfd)l)eit öerpflicfjtet fei für bie 9flüf)e, bie er fief; gebe, feine jum #errfd)en geborene ©eelc ju bilben," fcfjrieb er feine „Vetrac|tungen über ben gegenwärtigen guftanb Europa'*," in melden er fiefj, um fid) ber Sobfprü^e Voltaire'« mürbig ju jet* gen, offen ju ben ©taat*grunbfäfccn ber neueren englifdjen unb fran* ^öfifd)en ^Ijilofopfjen befannte, nad) benen ber gürft nur ber erfte Liener be* ©taate* ift. Auf biefe erfte grö&ere Arbeit folgte im Satjre 1739 fein „Anti;9Jtacdjiaöet,'' eine Art Politiken ©lauben*= befenntniffc*, in meinem er, ofme ba* SBerf be* berühmten Sloren* tiner* „Dom gürften" mit Unbefangenheit unb miffenfcrmftlirfjer ©c^ärfe ju roiberlegen, ber in bemfetben entnricfelten ©taatsfunft ba« gbeal eine* gürften im ©inne ber neueren Seit entgegenftettt. ^er ©nglanbcr 9«acaulat) nennt biefe* SBud), ba* im 3af)re 1740 bura) bie Vermittlung Voltaire'* oljne tarnen bc* eigenUia^en Autor* in ^oflanb im ^ruef erfaßten, „eine crbau(ia>e ^rebtgt gegen

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Oriebrtdja II. 3ugeubja&re.

363

föaubfucht, £reulofigfeit , SBißfürfjcrrfc^aft unb ungerechte Kriege, fu*Z gegen faft alles, megen beffen ber SBerfaffer im Anbenfen ber 2Jcenfd)en fortlebt."

Unterbeffcn mar baS Jfahr 1740 ^erangefommen , unb baS Seben griebrict) SBilbelmS ging jur Neige. Nachbem er bereits feit bem Noöember 1739 gefränfelt, begab er fid) am 27. April 1740, im Vorgefühle feine« nahen ^infcfjetbcnö, nach^otsbam, mo er ju fterben münfehte. £>ier bereitete er ftd) ernftlich auf ben Xob üor; boct) hatte ber $robft Noloff, ben er ju fid) berufen lieg, große Wltyt , it)n ju überzeugen , baß er burd) bie $ärte feiner Regierung, burdj ben errungenen £äuferbau in ©erlin, burch tTJt£ffärUct)e ©traffchärfungen unb öerfchiebene ungerechte £inrich= hingen mehr ©ünben begangen hübe, als er felbft mahnte, Sur fein ßeid)enbegängniß , baS äußerft einfach gehalten merben füllte, traf er felbft bie nötigen Anorbnungen bis in bie fleinften ©in* jelnbeiten ; auch ließ tt ficc) fchon bei feinen Scheiten einen eiche* nen ©arg anfertigen. $)er Kronprinz, ben bie Königin am 27. üttai öon 9tb*in8berg nach ^otSbam berufen, jeigte große Zfytilnafymt an ben fieiben feines SSaterS, mie fieh überhaupt baS SBert)äItm6 jmi* fchen SBeiben feit beS Prinzen Nütffehr öon Küftrin , menigftenS äußerlich, öon Qahr zu Qahr frcuublidjer geftaltct ^atte. $er ^önig befprach fich mit ihm nrieberholt längere Qzit unter öter Augen über bie Angelegenheiten beS <5taatt% , unb fein AuSruf : „SJcein ©ott, ich f*er&c aufrieben, meil ich einen fo mürbigen ©ohn Zum Nachfolger höbe!" bemeift, baß ihn griebrichS 2Xnftct)ten befrie» bigt hatten.

Hm borgen feines XobeStageS -- 31. 2Jcai 1740 ließ ber König bie hieven Offiziere unb 2ftinifter ju fich kommen, um Ab* jcfjieb öon ihnen ju nehmen. S)a er bem dürften öon $)effau unb mehreren Anbern s$ferbe zum Anbenfen beftimmt hotte, mußte man ihm feinen ©effel an baS genfter rüden, bamit er fie ihnen jeigen fönne. AIS er fat), baß bie ©taflfnechte, roeldie Söefer)! erhalten hatten, bie ^ferbe herauszuführen, benfelbcn falfche ©ättel aufge* legt, ermachte noch einmal feine zornige Natur. „Sich, menn ich nur gefunb märe ,u rief er , „ich wollte bie ©dmrfen berb abprügeln ! 6Jef)e boch einer hinunter unb haue fie tüchtig zufammen." |>ierauf übergab er feierlich baS Neid) unb Regiment bem Kronprinzen, empfahl bemfelben bie Königin unb ermunterte feine jüngeren Söhne, braöe ©olbaten zu werben unb ihrem älteren ©ruber treu unb ge* horfam zu fein. $)ieS Alles r)otte ihn jebodj fo fet)r angegriffen, baß er fich in fein Söett zurüdbringen laffen mußte. SRehrere ©tun* ben fpäter gab er mit bem Ausrufe : „$>err Qefu , bu bift mein ©enrinn im Seben unb im ©terben!" ben ÖJeift auf. (£r ^atte ein Alter öon zweiunbfünfzig Saferen erreicht.

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364 tönigreich ^reugen unter griebrich I. unD griebrich Silhetm I.

Srriebridjg II. Steöterunöäantritt.

(81. SRai 1740.)

$a8 eifrige Streben nach fchriftftetlerifchem Sftuhme, in roel» djem griebrichS ganjeS SBefen auf jugehen festen , unb feine auSge* fproebene Vorliebe für fetteren SebenSgenug Ratten, öerbunben mit ben Slnfichten , bie er in feinem 2Inti*9Hacd)tac.et über bie Pflichten ber gürften auSgefprodjen , ju ber allgemeinen ©rtoartung ©eran* (affung gegeben, bag er al« ®önig burch eine milbe, friebliche SRe* gierung fein ©olf ju beglüefen fudjen unb augerbem fein anbereS Streben rennen merbe, at3 ben §of oon ©erlin $u einer Pflege* ftätte ber #unft unb SBiffenfdjaft unb einer prunfboHen ©efeUigfeit $u geftalten, unb bie erften ©abritte beS Königs fduenen in ber %f)at biefe (Erwartungen ju rechtfertigen. $a in golge be3 borauS* gegangenen ftrengen SBinterS große Neuerung entftanben mar, lieg griebrich bie föniglid&en SSorrat^^äufer öffnen unb berfaufte ba3 barin aufgehäufte Stoxn ju billigen greifen. $ie gotter, foroie bie bon feinem Später eingeführten, baS nötige 9flag überfchreitenben Strafbeftimmungen fyob er auf unb forgte für eine unparteiifche ^Rechtspflege. $en Offizieren empfahl er eine menfchlic&ere 93c» fjanblung ber Solbaten. $a3 ans lauter liefen beftehenbe <ßot8* bamer ©renabierregiment f baS feinen Sßater fo groge Summen ge= foftet, mürbe aufgelöft unb aus bem ©ubget ber Hofhaltung bie SluSgabe für bie fönigtichen Hofnarren geftrichen. S)er bon feinem ©ater nur in berftümmelter gorm gebulbeten Slfabemie ber SStffen* fdjaften gab ber $önig ihre frühere ©ebeutfamfett jurücf unb über* trug bie Sfteugeftaltung berfelben bem bon ihm $u ihrem ^röftben^ ten ernannten franjöfifdjen Sftathematifer SJcaupertuiS, ber fich burch ein äugerft fct)meic^et^Qfted Schreiben griebrichS jur lieber^ ftebtung nach ©ertin hotte bewegen laffen. 3)en ^Sr)Uöfopt)cn SBolf berief er nach #atle jurücf unb ernannte ihn jum ©icefanjler ber Uniberfität mit einem ©ehalt öon breitaufenb Xtjalcrn. Um fich auch in religiöfer ©ejichung als ^ß^ilofo^»^ auf bem Xhrone ju bewähren, berfünbete er, bag in feinen Staaten 3eber nach fciner eigenen gac;on feiig werben fönne" ; auch überrafchte er bie SBelt burch bie greigebung ber treffe. 3)em #ofe gab er eine prunf^ tjotterc (Einrichtung unb entfehäbigte inäbefonbere feine SJcutter für fo manche frühere (Entbehrung burch einen glänjenben $>offtaat. 3n ©erlin mürbe ber ©au eines OpernhauJeS begonnen , unb ber ®a= peümeifter ©raun erhielt ben Auftrag, in SftaUen eine Capelle ju werben.

Qnbeffen jeigte fich balb, bag ber franjöftfche ©efanbte in ©erlin richtig geurtheilt, wenn er bereits bor bem Xobe griebrich

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griebricf)S II. Regierungsantritt. 365

SEBtHjelntf bezüglich beS fiebenS unb treiben« griebriehS in fR^cin«- berg an ben frans bfifdjen §of berietet hatte: „ber eigentliche ©e* genftanb feinet StrebenS fei ber föuhm unb zmar ber ftriegSrurjm ; er brenne bor Segierbe, in bie gußftapfen feines Slfmherrn, beS großen fhtrfürften, ju treten." Srofc ber bebeutenben Stärfe, roelctje bie preußtfehe Kriegsmacht fd)on unter griebrief) Söilhefm L erlangt hatte, erhöhte griebrief II. biefelbe balb nach feiner £r)ronbefteU gung um töeitere jmanzigtaufenb 9Bann. #atte man ftdj im Steide über feines SBaterS Kriegsmacht Iängft beruhigt, ba beffen friebfer* tiger Sinn fo allgemein befannt mar, baß man Don ihm ju fagen pflegte: „er fpanne jmar ftetS ben $>ahn, brüefe aber niemals loa," fo mußten bie öon griebrich II. angeorbneten Werbungen um fo größere ©ebenfen erregen, als berfelbe fd>on im erften SJconate feU ner Regierung beutltch ju erfennen gegeben, baß er in SRetcfjafadjen feine anbere Grntfcfjeibung anerfenne, als bie ©emalt. 2US bei ber (Jrlebtgung ber <5Jraffct>aft #anau ber Shirfürft öon 9Jcain$ fprücfte auf bie #errfdjaft Stumpenheim erhob, manbte fidj ber fianbgraf öon #effen4hiffel , bem bie (Uraffdwft zugefallen, an ben neuen ßönig öon Greußen unb erhielt öon bemfelben fofort bie 3ufage, bog er it)n mit ©emalt im Söefifee öon SRumpenheim fdjfifcen merbe.

3n ä^nli^er SBeife trat griebrich gegen ben ©ifdjof öon 2üU tief) auf. 21uS bem oranifdjeu ©rbe mar feinem Sater bie #err* fcfjaft £erftaf an ber äRaaS zugefallen, über meldje bem SBifchof öon fiüttich bie £ehenSf)errlichfeit juftanb. $iefeS SBerhältniß , fo* mie ber öon griebrief) SSil^elmS Söerbern auf bem (Miete beS 3öifcf)ofS getriebene Unfug Ratten ju Streitigfeiten geführt, bei roel= chen ber ftönig bem SBifdjof ben SBorfchlag gemalt, ihm bie £>err* fdjaft $erftal abzulaufen; bie Sache mar jeboct) zu griebrief) 2Bil* helmS ßebjeiten nict)t mehr zur (Srlebigung gefommen. 2llS nun nac^ griebricf)S 2hr°nbefteigung bie #erftaler ©c^toierigfeiten mach* ten, ihm ju fjulbigen , beoor er öon bem Söifdjof belehnt morben, befchulbigte ber Äönig ben Sefcteren ber Slufreijung ber SBeoolfe* rung unb liefe Gruppen in baS SBiSthum ßüttid) einrüefen. $er Sötfcfjof flagte über ßanbfriebensbrucf) unb brachte bie Sache öor ben $aifer. tiefer richtete am 4. Df tober ein ab mahncnbeS Schrei- ben an griebrich; er erhielt jeboch öon bemfelben eine Slntroort, bie beutüch erfennen ließ, baß ber Äönig feine Stellung als Geichs* fürft üoöftänbig üergeffen habe. Ohne irgenb melche 9tuefficf)t auf föaifer unb Steicf) , stoang er burch brücfenbe (Einquartierung ben Söifcfjof jum Slnfauf ber jperrfchaft £erftal ju bem öon ihm felbft beftimmten greife.

gu ber gleichen Seit ließ er, um bei bem ju erhmrtenben Xobc beS achtzigjährigen fturfürften öon *ßfalz*9leuburg feine Crrban^

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366

2>er oftcrrcidjtfdje (Srbfolgcfvieg.

fprüc^e auf %üüd) unb 33crg geltcnb $u machen, unbefümmert um bie ©afcungen be* föeichä, bei $überich, SBefel gegenüber, 3elboer* fdjanaungen anlegen. $odj noch ehe bie fraglichen Sänber jur (Sr= lebtgung gefommen, gab ber Xob #aifer $arl3 VI. feinen friege* rifcr)en belüften eine anbete Dichtung. $aj} er biefe bereit* längft im s2luge gehabt , erhellt au« einem Briefe , ben Suhrn , bamalS fäc^fifc^cr ©efanbter in «Petersburg, bei biefer Gelegenheit an ir)n richtete. „9flein lebhafte* Qntereffe an bem ©lanje uub ÖHücfe ber Regierung, roelche 6ie 3^ren treueren Untertanen öcrfjei§en", fo feftrieb ihm biefer Vertraute feiner geheimen (£roberung3pläne , „er* laxibt mir nicht, oon biefem (Sreigniß ju fpredjen, ohne im Boraus ©urer äRajeftät ®lücf $u roünfct)en wegen ber großen $onjunfturen, roelct)e 3^nen nun bie (Gelegenheit barbieten, 3h«n Hutyn ju Der* mehren, inbem ©ie arbeiten für bie 3ntereffen unb ba3 ®lucf 3^cr Staaten."

XXII.

Per Iftetfei#tf4< ^ tBf of j efttieg.

(1740-1748.)

»laria Sherefta'ä »egterunggantritt.

(26. Oftober 1740.)

9cact) bem Xobc Statt* VI. trat feine ältefte $od)ter, bie brei* unbsiuanatgjäfjrige 9^ariaXhcrefiaf traft be$ oon ifjxem SBater crlaffcnen unb oon fämmtudjen dächten ©uropa'3 gemahrleiftercn neuen fymftgef efet* , ber pragmatifct)en «Sanction, unter bem Xitel einer Königin oon Ungarn unb Söhnten bie Regierung über bie öftcrreia^ifd)en ©rblänber an. $ie neue £>errfcr)erin , oon welcher ber üenetianifa)e ©efanbte goScarini an feine Regierung berichtete : „2Jcan mürbe fie oft @rbin beä $aufe* Defterreict) berufen , roenn unter allen grauen ber SSelt bie 28af)l frei ftünbe", oeretnigte, nact) bem frönen SluSfpruct) oon 23ei& , „bie glänjeuben (5igen= fdjaften oteler Xräger be$ mit ihrem Sater erlogenen ha&*s burgifdjen tarnen«: bie Klugheit, Klarheit unb gefttgfeit be3 erften SRubolf; bie ©ct)cmheit feine« önfela griebrict}; bie öabe, bie $er* $en ju bezaubern, toelche ber erfte 3Jcarjmilian befeffen ; bie tiefe fteltgiofität, toelche $arl V. fo oiele fchtoeren ©ct)tcffale mit Stühe ertragen unb einer äBeltherrfctjaft entfagen ließ, um grieben in Ö)ott ju finben." 9cacr)bem fie, crfäöt oon tiefem @cr)mcrj über

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SR aria StjereficfS ^Regierungsantritt.

367

ben Eingang ifjreS SBaterS , beffen Siebling unb Xroft fte gemefen, unter fronen unb ©djluchien bie |mlbigung bcr SJcinifter unb ber ©pifcen bcr 33c^örbcn empfangen , ernannte fte ihren ©ernaf)! tjranj ©teptjan öon Lothringen , nunmehrigen Öro&herjog öon ^XoSfana, jnm TOttrcgentcn unb ihren ©chmager .tart ton Lothringen ^um getbrnarfchafl. Xicf burdjbrungen öon bem Söenm&tfein it)rer ,v>errfcherpflic{)ten unb burdjglüf)t öon (Sifer für beren gennffenhaf= tefte Erfüllung , traf fte fogleid) oerfc^tebene heilfame Vlnorb* •nungen jur Slbfteßung ber bringenbften SDci&ftänbe, bie fich mährenb ber Regierung ihres SkterS in bie 8taatSöermaltung eingefetteten. (So würbe jur kufbefferung ber gänjltch zerrütteten ginanjen ber ^pof^alt öereinfacht unb ben öielfachen Unterfchteifen im Staats- unb £>ofhauShaIt gefteuert, unb bie tnegen beS unglüeflichen iöer= laufS beS legten SürfenfriegeS in geftungShaft gehaltenen ®ene* rate ©eefenborf, 2Battiö unb SReipperg erhielten nicht nur tfjre gm* heit jurikf, fonbern mürben auch in if)rc ^mter unb Söürben tnieber eingefefct.

2)a bie meiften $öfe (Suropa'S SJcaria £t)erefia als bie recht* mä&ige (ärbin ber öfterreichifchen SWonarchie anerfannt unb beglücf* toünfcht hatten, fchien bem ruhebebürftigen Defterreidj unter bem milben ©cepter feiner ebenfo umfichtigen als thatfräftigen jungen ^errfdjerin eine Sutunft öott grieben unb ®lücf beöorjuftehen unb ber hochherzigen Königin feine anbere Aufgabe ju harren, als bie görberung beS SSohleS ber üerfduebenen ihr entgegen jubelnben SBälfer itjred grofjen Meiches. 216er eS fam anbcrS: nicht baS ®lücf einer frieblichen Regierung im unangefochtenen SBefifce ihrer ©rbftaaten mar ber Xodjter #ar!S VI. befdjteben, fonbern in fchme* ren ftriegeSftürmen foHte fich bie ©tat)lfraft ihrer ©eele mie bie $ähe Äraft unb bie unverbrüchliche Xreue ihrer SBölfer bemähren.

©leid) in ben erften Xagen nach bem Regierungsantritt Sflaria Xfjerefia'S gab ber baierifche GJefanbte am Sötener §ofe, ber ®raf ^ßerufa, bie (Srflärung ab, ba& fein §err, ber ®urfurft ftart 2(1= bert (ber ©ofm beS im 3af)re 1726 öerftorbenen sJftajimilian Immanuel) bie £>er$ogin öon Lothringen unb ®rof$her$ogin öon XoSfana nicht als (Srbin ber öfterreichifchen Monarchie anerkennen fönne, ba er felbft nähere fechte auf biefelbe habe, unb jroar nicht nur als 9cachfomme ber älteften Xoajter gerbinanbS I., fonbern auch unb hctuptfächUch in golge einer teftamentarifchen SBeftimmung biefeS $aiferS, fraft beren nach bem ShtSfterben ber männlichen Linie beS habsburgifdjen JpaujeS bie Erbfolge in fämmtlichen öfter- reichifchen Länbern an bie 9caa)fommen biefer Softer übergehen folle. Obgleich nach bem SBortlaut beS fraglichen XeftamenteS, beffen in SBien aufbewahrtes Original 2Karia Xherefia am 3. 9co* öember in ©egentoart aller frembeu Oefanbten oerlefen lieg r ben

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3G8

Der öfterretd)ifd)e ©rbfolgefrieg.

Sftachfommen bcr älteften Xocfjter gerbinanbä I. bic (Erbfolge nur für ben Sali be8 2lu«fterben3 bcr eh elidjen, nic^t aber ber männlichen 35e3cenbenten ber ©öt)ne biefeä Reifer« oorbermlten worben , öerliefj ber baierifche Oefanbte am 20. SRoüember SBien unter 3urücflaffung e*ncr 0011 DCm ^urfürften aufgeteilten (ürrflä= rung, in Welcher berfelbe feine angeblichen 9tcct)tc auf bie öfter« retcfufcfje 2Jconarchie im üoHften Umfange aufrecht hielt mit bem ©emerfen, bafc ber öon feiner (Gemahlin, al3 einer iodjter $aifer Qofeph« I. ty*« Vermählung ju (fünften ber pragmatifchen ©anetion geleiftete SBerjicht biefen befonberen , bei bemfelben gar nicht ermähnten fechten feinen Abbruch h°&c ^un rönnen.

Sei ber augenfälligen ©runblofigfett ber öon bem #urfürften erhobenen Slnfprüdje tytlt man in SBien für unbenfbar, bafi auch anbere dächte, welche bie pragmatische ©anetion nicht nur feierlich anerfannt, fonbern auch gewäijrleiftet hatten, bie @iltigfeit berfelben anfechten mürben, dennoch gefchah bie«, unb ftWar ju* nächft öon Seiten be3 fran^öftfehen ^>ofeö. $)ort mar e$ einem ebenfo- gemanbten als öerf erlogenen *ßolittfer , bem (trafen öon 93eIIeiöter ber fich burdt) bie Zertrümmerung ber öftcrreict)ifcr>cn Monarchie um granfreichä 9Jtaa)tfteHung befonberS öerbient ju machen unb fich felbft einen unsterblichen tarnen $u ermerben hoffte , trofc ber djegenbemühungen beä friebliebenben ®arbinal3 Sleurn gelungen, mit bem öon ihm entworfenen $lane ber Ungiltigfeitäerflärung ber pragmatischen ©anetion burchjubringen. SSenn auch granfreich felbft feine ©rbanfprüche erheben fonnte , fo füllten im Qntereffe ber ge* planten 3ertrümmerung ber öfterreidjifchen SJconarcrn'e bie angebe liehen Sftechte anberer Wächte unter Sttitwirfung granfreich« mit SSaffengemalt jur ©eltung gebracht werben. 3mwd)ft mürbe ber £of öon SJcabrib üeranlaßt, mit ber (Srflärung herüorjutreten, bafj bic öon ihm ausgegangene Slnerfennung unb ©emährleiftung ber pragmatifchen ©anetion ungiltig fei, weil biefelbe bie unüeräujjer* liehen fechte ber fpanifchen ßrone auf bie öfterreichifche Monarchie üerlefce , welche fechte man au« bem Umftanbe ableitete , ba& bie Könige öon ©panien au« bem öfterreidnfehen $aufe unb bie nach ©panien ücrmählten öfterrcicf)ifcr)cn ^rinjeffinnen fich Da^ 9^ect)t ber Erbfolge in ben SBefifcungcn ber beutfehen Sinie für ben gaH be£ ©rlöfchen« beS 2Rann3ftammä berfelben oorbehalten hätten.

9lachbem mit bem £ofe öon Sftabrib bie nötigen SBcreinba* rungen getroffen Würben, begab fich 93cllei3le, ber jum SJtorfchall öon granfreich unb jum 93otfct)aftcr biefer ®rone bei bem jur Söicbcrbefefcung beS erlebigten $aiferthrone3 auäjufchreibenben 28ahl* conöent ernannt Worben war, pr Befürwortung ber SBatjl beä ®ur= fürften ®arl Ulbert öon «aicrn jum beutfehen ®aifer an bie £>öfe ber fturfürften öon ftöln, Xrtcr, 3Jcaina unb ©achfen unb fudjte

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3)cr crfte jd)lefijd)e Äricg.

369

boitn bat neuen König oon Greußen, ber tnanrifdjen bereit« bie Waffen gegen aRaria X^erejta ergriffen, um ©Rieften ju erobern, in feinem ßager $u Vrieg auf, um mit ihm einen »ertrag über bie Teilung ber öfterrei^ifd^en SRonarchie ju öerabreben, ber je* bodj bamal* noch nicht jum befinirtoen «bfc^luffe fam. Von Vrieg reifte er nach SRünchen , mo if>n ber Kurfürft Karl Ulbert auf* (SHänjenbfte empfing unb ihm in bem ßuftfchloffe SRömphenburg eine SBofjnung annrie*. #ter mürbe am 22. üttai 1741 jnufchen Sranfreuf), Spanien unb Vaiern ein 93unbe*oertrag gefchloffen, in meinem Sranfreia) unb ©panien fia) verpflichteten, bie 2Baf>l be* Kurfürften Karl Ulbert $um ^aifer bunh ©elb unb Gruppen $u unterftüfceu, Karl Ulbert bagegen bie fajmaajoofle Verpflichtung übernahm , bem König oon Spanien jur Erwerbung ber öfter- reic^ifct)en Vejtfcungen in Italien in jeber SBeife behilflich ju fein, bie ßänber unb ©tobte aber, toelche bie Sranjofen am dltyin be> kfcen mürben , als Kaifer niemal* $urücfjuforbern. 9cadj ben in betreff ber geplanten $heifong ber öfterretchifchen Sttonarchie ge* troffenen Vereinbarungen foHten Söhnten, ßberöfterreich, Xörot unb Vrei*gau an ©aiem, Dberfchleften unb ÜJcahren an ©achfen, Biebers fd)lefien an Greußen, bie ßombarbei, ^arrna unb ^iacenga an ben ®Öntg ton ©panien , al* ben HbfÖmmling Karl* Y. in geraber, wenn auch weiblicher ßinie fallen, bie belgijdjen Sßrooinjen an Sranfreich fommen unb ber Königin SJcaria Xherejta nur lieber* unb Qnneröfterreich nebft bem Königreich Ungarn oerbleiben.

2)er erftc fthlejtfche ffrieg.

(1740-1742.)

«Kit bem Xobe Karl* VI. mar für griebrich n. ber Slugen* blicf gefommen, bie <£roberung*pläne in* SBerf ju fefcen, für toelche er, nach feinem eigenen ©eftänbniß, feine Kriegsmacht in fo anfefjn* licher SBeife erhöht hotte. (S* galt für ihn, feine angeblichen fechte auf © ch l e f i e n mit Söaffengemalt geltenb ju machen.

©4on ber große Kurfürft hotte, in golge eine* im 3afjre 1537 jnrifchen bem Kurfürften Qoadnm II. oon ©ranbenburg unb bem ^erjog griebrich H. öon Stegnifc , Vrieg unb 2Bof>lau abgefchloffe* nen, öon Kaifer gerbinanb I. jebodj für ungiltig erflärten (Srbber- trag 2lnfprüche auf biefe brei ^erjogthümer erhoben ; er hotte jeboct) auf biefelben, rote mir oben (©. 84) gefehen, in einem mit Katfer Seopolb oereinbarten Vertrage gegen bie Ueberlaffung be* ©chroie* bufer Greife* Verzicht geleiftet. 9ctcht*beftomeniger nahm griebrid) n. biefe Slnfprüche roieber auf, roeil ber ©chtoiebufer Krei* öon Srieb*

$oi$toart$, SßeltflefäWe. VI. 24

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370

$er ofterreid)ifd)e Grbfolgefrieg.

rieh L micber an Dcfterreich jurücf gegeben worben war. SBelche neuen 2Infprüdje jeboch auch Greußen immerhin au§ biefem tlmftanbe hätte tjerleiten fönnen, fo waren bieielbcn, abgefehen baoon, baß griebrich Söilhelm I. it)rer nie (Erwähnung gett)an, burdj ben ge* Reimen berliner Vertrag Dom Xesembcr 1728 förmlich unb feier- lich befeitigt. Vluch tonnte üon Seiten Defterreichä mit bollern 9tedjte jeber Slnfpruch Greußens für üerjäfjrt erflärt werben. „3ft e3 nidjt ööHig flar," fagt ber englifche Staatsmann unb (5)efdt)ic^tfc^rcibcr Sftacaulaü, „baß bie SSelt nie einen Xag lang griebcn ^aben wirb, wenn geftattet ift, toeraltete 21ufprüdje gegen neue Verträge unb langen Sßefife gelteub ju machen? £ie ötefefce aller Wülfer ^aben bie weife (Zurichtung einer SBerjährungäjeit getroffen, fo baß ©e* fifctitel, wie unrechtmäßig fie auch begonnen Ijaben mögen, nach einer gewiffen grift nicht mehr angetaftet werben bürfen. $ie Qbt- fammtheit ber Bürger barf forbern, baß für jeben Streit ein @nbe gebe."

griebrich II. bie 9tadjrid)t oon bem 2obe tfarlS VI. er* ^telt, lag er fieberfranf in 9if)einäberg barnieber. ®egen ben föatt) ber Werlte nahm er ftarfe 3)ofen Slunin, „ba er", wie er erflärte, Wichtigere $)inge ju tl)un fyabt, aU feinem Sieber abzuwarten." @ntidt)loffen, fofort Schlefien jurücfjuforbem unb, falls eS it)m Der* weigert werbe, ben Sortheil, ben bie eigene $rieg£bereitfchaft unb Oefterreichä jerrüttctea £)eer~ unb ginanjmefen ihm gewährten, $ur gewaltfamen Söefijjergreifung ber fchlefifchen ^crjogt^ümcr $u be» nufcen, berief er ben gelbinarfchall ÖJrafen Schwerin, einen bewähr« ten gclbherrn auä (Sugcnä unb SttarlboroughS Schule, unb ben 3Jcmifter ^ßobemilä, ben Schwiegerfolm beä im 3<*hrc 1739 öerftor* beuen ©rumbfom, ju fich, um fie in feine ^ßläne einzuweihen. Söeibe riethen ihm bringenb ab : bennoch blieb er bei feinem Sntfchluß unb ließ fofort an feine fämmtlichen ^Regimenter ben Befehl ergchen, fich marfchbereit ju galten ; boch blieb ba£ 3iel oe^ beabfichtigten gclbäugS noch ®ehcimmß.

3n ber grühe be3 13. 5)ejember reifte gricbrkh, nachbem er Währenb beä größten XfydUZ ber 9Zadt)t einem ^ofbaüe beigewohnt, öon ©erlin ab, um fich an bie Spifee feines Speeres ju ftellen, ba£ fich bereite in ber Stärfe öon breißigtaufenb ÜDtonn nach Schlefien ju in Bewegung gefegt hatte. Sei fehlem s2luS$uge aus ber $auptftabt rief er bem fraulichen ©efanbten $u: „3$ fte^cf glaube ich, *m SBeßriff, 3h* ®Pic* 5U fpiclcn. Söenu mir bie #ffen zufallen, fo wer* ben Wir feilen." 2lm 16. überfällt baS preußifche £>cer bie föteftföe ©renze, unb an bemjelbcn Sage öerfünbete ein öom 1. Dezember batirteä SJfanifeft ben ©chlcfiem, baß ber ftönig oon Greußen nur in baä fianb gerüeft fei, um bei ben gefährlichen Weiterungen, welche beim ©rlöföen be^ öfterreichifchen 3JZanndftamm^ fich aum

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$er erfte fc^Icfifc^e Ärieg. 371

fdjon geäufcert, jum in Dollen flammen ausbrechen im

begriff ftünben, ba* ^erzogtlmm ©Rieften, meines bcn SKeichSlan* ben beS Königs jur Vormauer biene, gegen diejenigen ftdjer ftellen, bie an bie (Srblanbe be3 JpaufeS Defterreich einige ^rätenfion Zu hoben oermeinen fönnten. „9ciemanb möge baher", f)ieg e$ in bemfelben meiter, „irgenb rocldje Sfcinbfcligfcit befürchten; öielmehr bürfe %t\>tx, mc6 StanbeS unb melajer Religion er fei, fid) feiner Stechte unb beä föniglichen Schuftes üerfic&ert galten."

(Gleichzeitig mit feinem Aufbruch öon SBerlin ^atte gricbrich ben trafen ÖJotter als befonbercn 93eüoflmäd)tigten nach SBien ge* fanbt, um ber Königin bie branbcnburgifche ®urftimmc für bie 2Sat)l it)reS GJemahlS jum Äaifer, fomie ben Öeiftonb feiner ganzen £üiac^t für bie Slufredjtfjaltung ber pragmatischen Sanction unb einen ©aar* »orfdmB öon amei Millionen X^alem anzubieten, falls fte geneigt fei, ihm Schlesien freiwillig abzutreten, der ®raf ^atte zugleich Vollmacht, für ben öorauSgcf efjenen gaH ber Ablehnung feinet Sin* tragS an Defterreich ben ftrtcg ju erflären.

griebrichS feinblicheS Auftreten traf ben SSiener £of boll* ftänbig unüorbereitet ; benn trofc ber Reibungen beS faiferlidjen ©efanbten in Berlin öon Slnjcid^cn eines ficf> aufammenjiet)enben ©eraitter* Ijarte man an bie Sftoglidjfeit eines fo unerhörten ÖruchcS beS 9teajteS unb ber dreue nicht glauben f önnen ; nichtSbeftomcniger lehnte Wlaxia Xfytxtfia ben Antrag griebrichS mit höflichen, aber feften SBorten ab. „Sie erfenne", fo lautete ü)re Slntmort, „ben öollen SBertfj ber greunbi'chaft Seiner aJcajefiät beS Königs öon Greußen unb höbe fidt) feinen Vorwurf zu machen, irgenb ßtroaS, rooöon beren Erhaltung abhängig fei, öerabfäumt ju haben; fie fei jeboch nicht SßitlcnS, ihre Regierung mit ber Berftücflung ihrer Staaten anzufangen, ba @hre unb ©eroiffen ihr bie Pflicht aufer- legten, bie pragmatische Sanction gegen alle mittelbaren unb un* mittelbaren Angriffe $u öertheibtgen, unb fönne baher zu feiner Veräußerung SchlefienS, meber beS Manzen noch eines %f)tiltä, ihre .ßufttmmung geben. 23aS ben öon bem ftönig angebotenen 53eU ftanb zur Slufrechthaltung ber pragmatischen Sanction betreffe, fo glaube fie bemerfen zu ntüffen, ba§ fchon baS *8anb, baS alle ©lieber beS beutfchen Meiches öereinige, foroie bie auSbrücfliche Ver* orbnung ber golbeuen Söutlc jcben 9teich$ftanb ücrpflichte, dem* jenigen beizuftehen, ber in einem X^eüe feiner zum deiche gehört* gen Staaten angegriffen merbe, unb ba& biefe allgemeine üBerpflidj* tung burch bie oom ÜicichSförper auSbrüdlich übernommene (Garantie ber Sanction üerboppelt merbe. SSegen ber angebotenen Stimme 3ur Äaifermabl fühle fte fich bem ftönig unenbltch üerpflichtet ; bie Jlaiferroahl müffe jeboch frei fein unb nach ben Vorschriften ber flolbenen VuHe geschehen, die angebotenen stpci 9Jcillionen Zfyakx

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372 $cr öftcrreicf^ife^e (grbfolgcfrieg.

i

mürben nicht fynxtifyn, bcn oon ben preußifdjen Xruppen in ©djleften angerichteten ©chaben $u erfefcen. 8ux (Erneuerung auf* richtiger greunbfdjaft mit bem Könige fei fie beffenungeadjtet noch immer bereit, menn bieS ohne Verlegung ber fRec^tc eine« dritten gefdjehen fönne unb ©chtefien ungefäumt oon ben preußifdjen Xruppen geräumt merbe."

dbenfo überrafcht, nrie in SBien, mar man im gefammten Teutfdjlanb über griebrichS unerhörtes Vorgehen, unb überaß fpradj ftd) gegen baffelbe bie entfehiebenfte Sftißbilligung au«, bie ber König auf ben Sfteib ber übrigen Surften über bie oon ihm erftrebte Ver- größerung feines SanbeS jurücfyuführen fucf)te. ©elbft oon ©eiten feiner Untertanen erfuhr griebrich fcharfen Xabel, maS bie fofor^ tige Unterbrüdung ber oon ihm jugeftanbenen greit)ett ber treffe jur golge hatte, ben eroberungsluftigen unb ruhmbegierigen König jeboct) in ber Verfolgung feiner $Iäne umf omeniger irre machte, als er mof)I mußte, baß ber Crrfolg, ber if)m nach ben bereits errungenen Vorteilen jroeifeüoS fdjien, nicht verfehlen merbe, bie allgemeine (Stimmung $u feinen fünften umjumanbeln.

$a in ©chlefien bei bem (Einbruch griebrichS nur fiebentaufenb Sftann öftemidufcher Gruppen ftanben unb bie meiften geftungen DerfaHen toaren, fonnte oon einer nachhaltigen Verttjeibigung beS SaubeS faum bie Nebe fein; ber öfterreichifche gelbmarfchafl ®raf Vromne, ber ben Cbcrbefc()l in ©chlefien führte, 50g fich bafjer, naa> bem er bie ©arnifonen in ben feften sßläfccn möglichst üerftärft hatte, mit ben ihm oerbleibenben Gruppen ^intcr bie Neiße jurücf. 60 tourbe noch üor Ablauf beS SafjreS ber größte Xr)cil beS offenen SanbeS üon ben Greußen befefct unb Siegnifc burdj Ueberrumpelung genommen. SSährenb griebrich bie geftung ®logau burch ben (5rb* prinjen Seopolb oon $cffau einfließen ließ, rücfte er felbft oor Breslau, baS ihm, oon Gruppen gänjlich entblößt, gegen bie 3ufag,e ber Neutralität unb unter Vorbehalt beS eigenen VefafcnngSrechteS am 4. Qauuar 1741 feine Zfyoxt öffnete. $ie öfterreichifchen Ve* hörben mußten bie ©tabt oerlaffen, unb bie oon Qefuiten geleitete Unioerfität tourbe gefchloffen; auch belegte ber König bie öfter* reichifchen Waffen mit Vefchlag. 91m 6. Januar ergab fich Chlau gegen freien 5X65119 ber fchtoaa)en ötornifon ; baS bleiche tr)at Ott* machau, nachbem bie flcine Veiafcung oon ameihunbertfechSunbfünfaig ©renabieren Oicr Xage lang ben muthigften SStberftanb gcleiftet. NamSlau erlag bem ferneren preußifchen Gtefchüfc. $ie geftung Neiße, toelche bie Slufforberung $ur Kapitulation jurüefgemiefen, mürbe nach oergeblichem brettägigem Vombarbemcnt blocfirt ; baS (bleiche gefchah mit Vrieg. ©logau mürbe am 8. SJtärj burch ben ©rbprinjen oon 2)cffau erftürmt.

Unterbeffcn mar eS ber Königin 9tfaria Üt)ercfia möglich

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2>er erfte ffileftfche ßrieg. 373

toefen, größere Streitfräfte jur Vertheibigung ©djlefien« ju fammeln, unb im 2Rär$ 1741 rücfte ber gelbmarf djaH 9ceipperg mit einem #eere öon fünfeehntaufcnb Sttann au« 9fläfjren in Cberfdjlefien ein, um flceiße ju entfefcen. Um bie« $u öerffinbem, jog ihm griebrich, Halbem er fidj burch bie £Belagerung«truppen öon ©rieg öerftärft unb mit bem SelbmarfdjaH Schwerin bereinigt hatte, in ©ilmärfdjen entgegen, unb bei bem Eorfe Sttollwifc, unweit SBrieg, fam am 10. VTpril ju einer blutigen ©d^acht, beren ßeitung griebricr) bem erfahrenen ©chwertn überließ. $ie öfterreichifche ®aöallerie er* öffnete ben k ampf mit einem fo ftürmifchen Angriff auf bie preußifche, baß biefe atibalb, öoflfiänbig jeriprcngt, ba« SBeite fuchte unb öon ben fedjaig Äanonen, roelcrjc bie Greußen gegen fedjjeljn öfterreichifche in« treffen geführt, öiete bem getnbe in bie #änbe fielen. $a ©djwerin an bem günftigen Ausgang ber ©d)Ia<|t p öcr^wetfeln begann, rieth er bem ßönig bringenb, ficfj ju bem bei ©treten ftehen* ben fbrp« be« &er$og« öon #olftein-93ccf $u begeben, um mit bem* felben für ben fdjlimmften Satt ben 9tücfaug be« preußifdjen #eere« $u unterftüfcen unb jugleich Dfjlau ju becfcn. SBährenb ber ®ömg, biefem Statte fotgenb, mit geringer Begleitung nach Oppeln eilte, ent* riß bie preußifche Qnfanterie, bie ber feinblichen an3a^ weit über* legen mar, ben Defterreicfjern ben bereit« f)alb errungenen ©icg. 211« ©chwerin am 2lbenb feine £tnie $u einem legten Angriff ju* fammenjog, trat Sßeipperg ben SRücfjug an.

Sit nächfte golge be« ©iege« ber Greußen bei 2flolIwifc war bie Uebergabe ber geftung SBrieg. SBichtiger jeboc^ mar für griebrich ber flbfehfaß be« Sftmnphenburger SBünbniffe«, gu beffen .ßuftanbe* lommen bie ©rfolge ber preußifchen SBaffen, nrie ohne .Steifet aud) bie jwifchen ihm unb 23e(Iei«te getroffenen geheimen Vereinbarungen, wefentlid) mitgewirft.

«Reipperg r)atte fidj nach ber ©flacht bei 2RoHwifc hinter Steige äurütfgejogen. 9cad)bem er tjicr eine S^itlang eine beobachtenbe (Stellung eingenommen, brach er plö&Iid) auf, um ba« preußifche £eer $u umgeben unb fid) in ben SBeftfc öon SreSfau $u fe£en. griebrich fam ihm jeboch $uöor, inbem er, naajbem ber Sflagiftrat ben geforberten $)urd>marfch eine« preußifchen ®orp« jugeftanben, bemfelben anbere Gruppen folgen unb fo bie ©tabt befefcen lieg, worauf er ben gefdjloffenen *fteutralität«bertrag für aufgehoben er* flärte. 25a SRetpperg ftc^ in eine ©teuung jurüdgejogen, in welcher i^m niajt beijufommen war, mußte ber ©ebanfe, ihn nochmal« an* zugreifen unb wo möglich ganj au« ©djlefien hinau«jufchlagen, auf* gegeben Werben.

Unterbeffen war in golge ber ju ülömphenburg getroffenen Vereinbarungen ber ^ampf um ba« öfterreia)ifche @rbe burch einen erfolgreichen (SinfaH be« ^urfürften öon ©aiern in ba« &c$txw

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2>er öfterreidjiföc Grbfolgcfrieg.

tljum Cefterreid) eröffnet morben, unb bie fdjmerbcbrftngte Wlavia X^erefia erfannte bie Unmöglicf)feit, bei tfiren geringen ©treitfräften ben äxieg nad) ^roei (Seiten f)in mit &u§fid)t auf (Erfolg $u führen ; fie entfloß fief) bafyer, bem 9^atl>c Ghtglanbä, fidj junorf)ft grieb- rict)^ al£ ifjre« gefäbrlidtften ©egnerfc burdj eine öon ben Umftän- ben gebotene SRadjgiebigfett ju entlebigen, golge ju leiften, unb ba griebricfi, ber in^roifc^en bem 9tympf)enburger ©ünbnife beigetreten, pdj bem Slbfdjlufj eine« geheimen grieben« niefit abgeneigt geigte, mürbe am 9. Dftober 1741 bei einer Sufammcnfunft beä fieberen mit ben öfterreicfjifcfjen Generalen Weipperg unb SentuIuS auf bem ©tarf)embergifcf)en ©d)loffe ®letnfcf) nellenborf unter 2ttitmirfung beä engltfcfjen (SJefanbten am preußifäen ,$ofe , Sorb £>t)nbfort, ein Sßertrag vereinbart, traft beffen jnrifcfKHt ben Defterreicfjem unb Greußen ein geheimer SBaffenftiflftanb eintreten, bie geftung SReifee naa) einer jum ©djeine geführten Belagerung ben fieberen über= geben merben unb 9teipperg fief) nadj 9ttäf)ren $urücf$iet)en, im fünf- tigen trieben aber ganj SRieberfcfjlefien nebft einem Xt)eile öon Dber* fc^teften an Greußen überlaffen merben fottte.

Unmittelbar naef) bem 2tbfcf)lu6 be« SHeinfdmeHenborfcr SBer* trag« jog fief) Weipperg nad) SWäfjren jurücf, unb am 21. Dftober übergab ber SFommanbant öon Steige nad) einem furzen ©djeinmiber* ftanb bie geftung ben Greußen, dagegen mürbe ber gefd)loffene Vertrag üon Srtebrict) ttic^t gehalten, ©d)on am 4. Woöember fdjloß berfelbe mit bem ®urfürften üon SBaiern ein ©d)it&; unb %xn^ bünbnig, in mcldjem er btefem gürften ©öfynen, Defterreid) unb $nrol unb $arl Ulbert tt)m bagegen außer ©cftlcficn auch bie ju Böhmen gehörige Gkaffdjaft ®lafc gemährleiftcte. liefen «ertragt brach fucrjte ber ®önig jmar burd) ben $rang ber Umftänbe unb inäbefonbere baburdj ju entfdjulbigen , bag ba3 bei ber getroffenen Uebercinfunft audbebungene ®eheimniß öon Seiten Defterreichä nicht gemaf)rt morben; boef) ift SIrneth ohne 3meifel im üoflen föedjte, menn er fagt : „griebrich fdjloß ba« Ucbereinfommcn nur ab, um Weiße ohne ©futöergiegen in feine (Semalt ju befommen, um Weip- pergä $eer nict)t mefjr gegenüber ju hebert, ftcti in aller SRuIje a\i& breiten ju fönnen unb feinen burd) einen elfmonatlichen gelb^ug erfct)öpftcnf fdjon miggeftimmten Xmppen ©r^olung 51t gönnen. (£r fdjloß e3 ab in ber Slbficht , bie Königin öon Ungarn $u hinter ^ gehen." tiefem Urteil fdjeint auch ber <ßreuße ©teujel öoüftänbig beizupflichten, menn er fagt: „(53 fei baä beim ©fliegen unb S3rc djen be3 ßleinfchnetlcnborfer SBertragS beobachtete Verfahren nicht ju rechtfertigen ober auc^ nur einigermaßen ju entfc^ulbigen : baä müffe man ben baju beftimmten eigentlichen unb unetgentlichen Staat«', $>of= unb ^au8hiftoriograpt)en überlaffen. u

Xrei 2age nad) bem «bfchluß beä 33ünbniffe§ mit bem ^ur-

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$ct erfte fc^Ieftfcf^c 5hicg.

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fürftcn öon ©atern, am 7. SRoöember 1741, lieg ftcfj griebrich ju Breslau öon ben nieberfchlefifdjen ©tänben als fianbeäherr hui» bigen. $er SDliitiftcr ^obewttS fejjte benfefben in einer längeren $ebe auSetnanber , baß ber Schaben , ben baS §auä Branbenburg burdj bie lange (£nt$iehung ber toter fdjlefifdjen gürftenthümer er* litten fyabt, ben SBertf) beS ganjen SanbeS ©djlefien überfteige, wobureh bem Könige baS 9lecht öinbicirt werben foflte, aus bem* felben ©ummen in beliebiger £öf)e ju jiehen. griebrich felbft, ber bei ber geiertichfeit in einer abgenufcten Uniform erfducn, Derzeit fich öoflftänbig fchweigfam. SRachbem er bie £ulbtgung ber fatho* lifchen ©eiftlidjfeit fifcenb unb bebeeften £aupteä entgegengenommen, ftanb er beim herantritt ber föitterfdjaft auf unb nahm ben £mt ab, in welcher (Stellung er auch bei ber (SibcSleiftung ber ©täbte öerblieb. SBic burdj fein prunflofeS Sluftreten im einfachen ®rteg^ roef , fo gab griebrich auch burd) fein berebteS Schweigen feinen neuen Untertanen ju erfennen, baß er ihr unumfehränfter $>err unb baß, wie bie gftHe ber 3Jcajeftät allein in feiner $erfon, fo bie ßtaft berfelben allem in feinem Degen enthalten fei. SKit bem ftönbifchen SBefen hatte es in ber Sljat feitbem in ©chlefien ein <£nbe.

Sur gortfefcung bcS Kriege« gegen SJcaria Xtyrtfia lieg grteb* rieh ben gelbmarfchall Severin in Fähren einrüden, unb wä'hrenb berfelbe am 27. $ejember Dlmüfc eroberte unb in ber Umgebung biefer Stabt bie SBiuterquartiere nahm , bemächtigte fich ber (£rb* prtnj Seopolb öon Xeffau im Januar 1742 ber ©tabt unb G*raf* fdjaft ®lafc unb führte hierauf feine Xruppen jur winterlichen SRuhe nach Böhmen.

Unterbeffen mar griebrich nach Bresben gereift, um Stuguft III., ber ftd) in$mifchen gleichfalls bem Bünbnijj gegen Oefterreich ange* fc^toffen ^atte unb beffen Eruöpen burd) einen glücfltc^ auSgcführ* ten Ueberfatt in ben Befi& öon $rag gelangt waren, jur nach* brücfltchften Unterftüfcung feiner friegerifchen Operationen aufju* forbern, bie auch öon bem ©rafen ^rü^( jugefagt würbe. Bon Bresben eilte er nach $rag, um auch mit ben bort ftefjenben baie- rifdjen unb franjöfifchen gelbherren bie nötigen Vereinbarungen in betreff beS beöorftet)enben gelb$ugS ju treffen, «Rachbem er am 25. 3anuar 1742 wieber ju feinem #eere jurüdgefehrt war, fdjritt er, öon fächfifchen Xruppen unterftüfct, jur Belagerung öon Brünn, baS öon bem öfterrcid^ifc^en General 9loth aufs Saöferfte öer* tfjeibigt Würbe.

3n$mifchen fyattt 3Raria Ifyerefia ben ungarifdjen Heerbann aufgeboten, unb mit ben in SWaffe ju ihren gähnen geftrömten Ungarn waren auch m% ^rcn übrigen ^ßroöinjen zahlreiche SDcann* fchaften herbeigeeilt , um für ba8 gute Stecht ihrer geliebten $>err-

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Ter öfterretd)ifcf)e Grbfolgefrieg.

fc^erin in ben Äampf ju Riehen. So war eS ber Königin möglich gewefen, jwei neue $eere ins Selb $u fenben, unb Wäfjrenb baS eine unter bem Qkafen ß^cöcn^tßer , bem bie (Generale Bärenflau, Xrencf unb Sftenjel unterteilt waren, bie Baiern unb granjofen auS Defterretcr) üertrieb unb fiegreicf) in baS baierifche (Gebiet ein- brangr rütfte baS anbere unter ®arl öon ßothringen in Böhmen ein, um $rag jurütfjuerobern unb bie Aufhebung ber Belagerung öon Brünn ju ergingen, griebrich $og bemfelben entgegen, unb bei ber öon ben Defterreidjem befefcten Stobt $ a S l a u fam eS am 17. 9Hat 1742 ju einem blutigen Xreffen. SBeibe |>eere waren ungefähr gleich ftarf; boch gab eine ungleich größere 3ah* fdjwerer (Sefchüjje ben Greußen über bie Defterreidjer ein Uebergewidjt, baS burd) feine Sapferfeit ber* Vetteren ausgeglichen werben fonnte. *ftach einem üierftünbigen Reißen Kampfe öon 7 bis 11 U!)r SttorgenS entfdjieb griebrich burdj eine unerwartete, geflutt ausgeführte Scbwenfung bie <Scr)lacl)t ju feinem Bortheil ; boch jogen fich bie Oefterreicher in fo guter Drbnung jurüd, ba& öon einer erlittenen SRieberlage faum bie 9tebe fein fonnte. $ie Qafyl i^rer lobten unb Berwunbeten betrug breilaufenb, bie ber Greußen öiertaufenb.

2)er STuSgang ber Schlacht bei ©jaSlau öon bem Steden ©fjotufifc, bem HKittelpunft ber preu&tfchen Stellung, auch bie Schlacht bei ßfwtufifc genannt befchleunigte ben SIbfct)fu6 bcS griebenS , für beffen 3uf*anbefommen auch bicSmal (Snglanb mit aller Sttacht thätig mar; benn wie ERaria %§txtf\a bie 9cotbmen= bigfeit erfannte, fich mit einem öom ©lüde fo entfdncben begünftig* ten (Gegner ju oertragen, um ihre ganje Streitmacht gegen ihre übrigen getnbe öerwenben ju fönnen, fo mar aud) griebridj ju ber Ueber^cugung gelangt , baß Defterreich nicht fo leidet ju Boben ju werfen fei, als er geglaubt.

9tachbem Sorb |>rmbfort, als Beöollmädjtigter SDtoria Xfjcrefia'S, unb ber preu&ifdje 2Jctnifter ^SobewilS ju Breslau bie jwifdjen ihnen öereinbarten griebenSpräliminarien unterzeichnet hatten, fam am 28. 3uli ju Berlin, Wohin ber #önig am 12. jurüefgefehrt, ber befinitiüe griebe $u Stanbe. 3n bemfelben trat Sftaria Xherefia Ober* unb üftieberfchfefien, mit Ausnahme bes gürftenthumS Xefdjen unb eines %ty\k% ber gürftenthümer Xroppau, Qägernborf unb 9cei&e, , beSgleidjen auch bie ©raffefjaft ®lafc , an ben $ömg öon Greußen unb beffen (Srben unb 9cad)fommen beiberlei ©efchlechtS ab, Wogegen griebrich fidj jur 3ah^un9 ciner Summe öon einer SJftllton fiebenmalhunberttaufenb XfyaUxn, welche bie ©uglänber unb £>oHänber pfanbmeife an Oefterreich auf Schlefien geliehen hatten, fowie jur fofortigen 3u^5iehung aller feiner Xruppeu auS ben Sänbem ber Königin unb §um föücftritt öon bem 9cumphenburgcr Bünbniffe Oer*

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S5er dfteneUtyMe (Stbfolgerrieg bis jimt Xobc Itaifer ßarlS VII. 377

pflichtete unb fein toeitereS ©ünbnife mit ben geinben CefterreidjS einzugehen oerfprad). gür bie fattjolifc^c Religion in ©djlejien mürbe fcofle greifjeit unb Slufredjtfjaltung iI)reS SBefifcftanbeS , jebodj ohne ^Beeinträchtigung bcr Religionsfreiheit ber s$roteftanten unb ber bem ©ouöerän beS SanbeS juftehenben ©erechtfame jugefagt.

SSaljrenb griebria) über baS Belingen feines ©roberungSplaneS triumphirte , burd) melden ber preu&ifche ©taat um fiebenhunbert Cluabratmeilen mit einer 2Jciflion üiermalhunberttaufenb ©intoohnern, atfo um ein üotleS Erittheil , öergröfjert unb beffen jährliches @in* fommen , nach griebricf)S Berechnung , um brei SRiütonen fechSmal* hunberttaufenb X^aler erhöht mürbe, empfanb Flavia Xljerefia über ben SSerluft ©chlefienS, beS „fünften ©belfteinS ihrer ßtone," ben herbften ©chmer^. „ßorb £>ijnbfort," fdjrieb bcr englifdje ©efanbte in SBien an feine Regierung, „fann in ber gerne leicht baöon reben, bog eine Imputation nöthig mar ; menn man aber einer focfjen £)pe= ration beiroofmt, fo leibet man mit bem Traufen unb burdj ben ßranfen. $er ©djmerä ber Königin ift fel>r grog. 2We Uebel feinen ihr gering gegen bie Abtretung ©djlcfienS; fie öergifct bie Königin unb bricht mie ein SBeib in Xfjränen auS , menn fie einen ©chlefier fleht."

2>er öfterreid)tfd)e erbfolgefrieg bt§ $um 2obe ftaifer

Staxtt VII.

(1741-1745).

SBäfjrenb baS einzige $eer, baS SKaria Sfjerefia jur 2(ufrecht= Haltung ihres SBefifcftanbeS ins gelb ftetten tonnte, in ©chlefien gegen griebrich II. fämpfte, festen fich toon aüen ©eiten Gruppen gegen Defterreich in ©emegung. ©en ftrteg eröffnete ber ßurfürft Don SBaiern burdj bie Ueberrumpelung üon Sßaffau unb ber in ber SRähe liegenben mistigen geftung Obernaus. 25urch ein franjöfis fdjeS #eer öon gmanjigtaufenb 9#ann unter bem 9ttarfdjall SBetleiSle öerftärft, baS am 15. Stuguft bei gort SouiS über ben R^ein ge= gangen unb burd) ©chmaben nach SBaiern öorgebrungen , rücfte er im ©eptember 1741 in Dberöfterreich ein, nahm am 16. ßinj ofme ©djmertftreich unb lieg ftd) am 19. öon ben bort öerfammelten ©tänben als (5r$herjog öon Defterreich fmlbigen. 2ln bem gleiten Sage trat auch Sluguft III. oon ©adjfen unb ^olen bem ftmnphen* burger 93ünbni& bei unb lieg ein £eer Oon amanjigtaufenb 27cann aur SBefifcergreifung ber ihm juerfannten S^arfgraffajaft SRähren in Böhmen

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$er Öfterreicfjtfdje örbfolgefrieg.

SSon Seiten be$ föeidjä Ijatte Sttaria Üfjerefta feine £>itfe ju erwarten; benn ber ®urfan$Ier erflärte, bie ganje Sacfje gefje nur bie £öfe öon Sttündjen unb SSien an, unb bie ^urfürften öon $ötn nnb ber <ßfalj ftanbcn , a(3 nalje SBermanbte ®arl Ulberts öon SBaiern, auf bcffen Seite. 9tur $eorg II. öon ©nglanb r)attcf al£ $urfürft öon £annoöer , ein £>cer öon breißigtaufcnb SGRann jur llnterftüfcung Sftaria Xfyerefia'ä in feinem Stammlanbe jufammen^ gebogen unb ftanb im ©egriffe, mit bcmfelben in bie preufjifdjen Staaten einzubringen ; er mürbe jebod) burd) ein fran$öfifd>e$ £eer, baö unter bem Üftarfdjaö 9ftaifleboi3 bei Xüffelborf über ben SRfjein gegangen, öon ber einen unb burd) ein an ber @lbc ftefyen* be3 preufjifdjeS £>eer öon ber anberen Seite eingefdjloffcn unb fafj ftet) baburdj genötigt, auf einen Vertrag einjugcfycn, in meldjem er fid) burd) ba$ 23erfpred)en, ber Königin öon Ungarn feinen mei- teren Söeiftanb 511 leiften unb bei ber faifermafjl bem Äurfürften öon SBaiern feine Stimme ju geben, Neutralität erfaufte. £er Königin Sparta Xljerefta blieb fomit fein anberer ©unbeägenoffe aU 9hi&lanb; aber bie £ilfe, bie fic Don bort erwarten burfte, mürbe if)r burd) ben $rieg entzogen, ben Sdjmeben im 2Iuguft 1741 auf granfrcidjä betrieb an bie föegentin Wnna erflärt tyatte (f. S. 279 u. 283).

So ftanb üflaria Xijerefia if)rcn aaljlretaien ÖJegnern üoflftän-- big ifolirt gegenüber, unb bei ifjren ungenügenben Streitfräften unb bem traurigen ßuftanbe ber öfterreidjifdjen ginan$en festen iljr faum irgenb meldje Hoffnung auf Rettung übrig ju bleiben. 2Ibcr bennod) öer^agte fie ma)t : fic fefcte it>r Vertrauen auf ®ott unb ifjr gutc£ 9ted)t, unb biefe* Vertrauen foüte nidjt ju Sdjanbeu roeroen.

3unädjft mürbe ir)re ©ebrängnifj burd) bie genfer ifjrer ©eg= ner oerminbert. SSäre $arl Ulbert öon &n$ aus geraben 2Beg£ gegen SBtcn öorgerüdt, an beffen SBertfjeibigung bei bem clenben Ijuftanbe ber borrigen geftungStoerfe unb ber fdrtoadjcn ©efafcung öon fiebentaufenb sJCRann faum fjätte gcbad)t merben fönnen, fo bürfte bie öfterreid)ifd)e Sftonardjie üerloren gemefen fein. Slber bie ©eforgnifc, ba& Sluguft III. mit bem ©ebanfen umgeben fönne, burd) feine in Sööljmen eingerüeften Gruppen biefeä £anb für fidj erobern ju laffen, ba aud) er mit Slnfprüdjen auf bie gefammte öfterreidnfdje 9ttonardue tjeröorgetreten , bemog Um, fidj gegen ben Statf) griebriajS II. gleid)fafl3 nad) SBöljmen ju menben. Mm 26. 9looember 1741 bemäd)tigten fid) bie Saufen burd) einen nad)U liefen Ueberfall ber £auptftabt $rag, unb am 19. ^ejember empfing ®arl Ulbert, ber inattnfdjen ben Xitel eines ftönigS öon ©öfjmen angenommen, nad) erfolgter Krönung, auf bem <ßrager Sdjtoffe bie

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Ter SftencictyMe ©rbfolgefrieg bis aum 2°*>« toif« Äarl« VII. 379

#ulbigung bon meljr at« merfjunbert $erfonen au« bcn bier ©tön* ben be« tfönigreid)«, bic fid) auf ein oon Ujm erlaffene« Wu«fd)rei* bcn au biefem Sitte eingefunben.

SSofyrenb ®arl $Tf6ert ftd) in bcm Sßrunfe feiner #önig«roürbe gefiel unb an feine 9ftöglid)feit eine« Umfdjrounge« backte # fyatte Ataxia Xfjerefia Seit unb Littel gefunben, ba« @rbe iljrer SBäter ju retten. 3 m Suni 1741 tjatte fie fid) jum (Smpfang ber unga* rifdjen Ärone nadj Sßvefjburg begeben unb fd)on bei biefer Gelegen- fjeit forooljl burdj bie Slnmutfj ifjrer (Sirfdjeinung , al« burdj ifjr roürbeoofle« unb $ugleidj fluge« Auftreten bie $)erjen ber Ungarn gewonnen. 9ßad)bem fie fid) am 7. September mit ben bomeftmften Magnaten über ben 9totf)ftanb ber Sflonardjie beraten , berief fie auf ben 11. bie ungarifrfjen ©täube nad) ^refeburg, um ifpre $>ilfe jur Rettung berfetben in Stnfprudj ju nehmen.

3n ungarifdjer Xrauerfleibung , bie ®rone be« fjeiligen Ste- fan auf bem Raupte unb fein Sd)tt>ert an ber (Seite , trat fie in bie SSerfammlung ein unb f abritt langfam unb majeftätifd) burdj bie Steigen ber Großen jum Sfjrone. 9ßad)bem ber ®au$ler $öattf}t)ani bie Sage ber $)inge gefd)ilbert unb bie Gefahr betont, bie nid)t nur gegen bie öftemidjifdje ftauptftabt, fonbern aud) gegen Ungarn tyeranjiefye , erfyob ftdj bie Königin unb richtete an bie SÖerfamms lung eine Stnfpradje, in meiner fie in ebenfo rü^renben al« mürbe- Döllen SBorten ben Hoffnungen Äu«brurf gab, bie fte, Don Slllen berlaffen, für fid> unb ifjre fönber mie für bie Sufunft ber Ütto* nardne auf bie Xreue unb Dpferroilligfeit ber Ungarn unb ben alten §elbeugeift ber Nation fefce. Sit« fie ityrer SHnber gebaute, brad> fie in frönen au« unb mar eine Solang unfähig, meiter ju reben. $er SInblirf ber fdjönen, unglürflidjen $>errfd)erin riß alle Slmoefen* ben $u begeifterter X^eüna^me f)in. 3m Sluflobern be« ritterlidjen •Sinne« unb be« ^elbensorne« entblößten bie ungarifdjen ©bedeute ifjre Säbel unb fdjmangen fie empor mit bem 2lu«rufe : „Seben unb 23lut für <£ure 9tfajeftät ! 2Bir rooüen fterben für unfern ftönig SWaria $f>erefia!"

Sluf ben SBunfdj ber Königin ernannten bie ungarifdjen Stäube am 20. September if)ren Gemafjt, ben Grofifjerjog gran$, jum 9J{it* regenten, unb am folgenben Xage legte berfelbe al« foldjer cor Urnen ben (Sib ab. Sei biefer Gelegenheit, nidjt, roie gemöfmlid) erjäljlt mirb, bei jener erften SBerfammlung ber Stänbe am 11. September, xvax , mo Sftaria $ljerefia ifjren bamat« fedj« SKonate alten Sofm, ben nadjmaligen ß'aifer Qofep^ II., ber am oorfyergefjenben Xage nad) Sßreßburg geflüchtet morben unb nad) ben SBorten eine« Augenzeugen „mie ein ($id)l)ömdjen auf ba« in gemaltiger SRenge ^er^ubringenbe 58olf ^erabblirfte ben Stänben jeigte unb baburd)

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2>er öfterreidjifdjc ©rbfolgefrieg.

aufä üfteue unter ifjnen einen ©turnt ber ©egeifterung toadjrief, ber in einem hrieberfjolten ©d)tour , für bie Königin unb ifjre Samilie $u fterben, SluSbrucf fanb.

&m 29. Df tober fdtfof? SJtoria Xfjerefia ben ungarifdjen Sanb* tag, nadjbem fie burdj umfaffenbe 3ugeftänbniffe ben Söünfdjen ber Wation SRedmung getragen unb ben ©tänben ba& iöerfpredjen gege* ben, öfter« in Ungarn gu refibiren. Qnattrifdjen mar burd) eine üon ben ©tauben eingefefcte ®ommiffion eifrig an ber Organifirung ber üon ber Königin üertangten ©treitfräfte gearbeitet unb im ganjen Sanbe, in ben Kütten »nie auf ben ©dtföffern, auf ben ©ergen mie in ben Ebenen , jum $rieg gerüftet toorben , unb nodj üor bem ©bluffe be« SanbtagS Ratten ftdj fünfjeljntaufenb berittene ©bei* leute in Sßregburg eingefunben, mit benen fidj jaljlreidje 3flann= fdmften auä allen (Somitatejt oereinigten. Sludj über bie anberen öfterreidu'fdjen ©rbfänber ergofj fia? tote ein (Blutfjftrom bie in Ungarn ertoadjte 93egeifterung für bie ©adje ber fdjtoer bebrängten Königin, unb fo fal) fidj 2flaria £f)crefta in furjer Seit im ©efifce $meier neuen £>eere, burdj meld>e bie Rettung ber öfterreidjifd)en SKonardjie bemerfftelligt loerbcn fottte. SBäbjrenb baä eine btefer Speere unter bem «ßrinjen ®arl oon ßotfnringen in 93öf)men^ein= rüdte, eroberte ba3 anbere unter bem ©rafen ®f)eüenluller Ober* Dcfterreid) junid unb brang im 3anuar 1742 fiegreidj in ©aiem ein (f. ©. 376).

Unterbeffen mar ber Shirfürft ®arl Ulbert fdjon in ben Testen Xagen be3 Sa^re« 1741 oon $rag über Bresben nad) Sflündjen äurürfgcfeffrt, roo er nidjt bie günftigfte ©timmung gefunben, ba man fein Unternehmen nie gebilligt unb für baSfclbe feinen glüdüdjen Ausgang ertoartete, unb tyatte fidj üon bort nad) 2J?annljeim, ber bamaligen fRefibenj feinet Detters ®ar( ^tfipp oon ber$ßfafy, be* geben, too er feine (£rmäf)lung jum S?aifer abmarten ioollte.

Obgleich bie 2Baf)t ®arl Hlbertä nadj ber Sage ber 2>inge feinem Qtoeifel unterliegen fonnte, ba fturpfatj fdjon burdj einen im 3af)re 1724 abgefdjloffenen §auSöertrag jum engften ^fam* menge^en mit SBaicrn üerpflidjtet mar, ®öln, ©adjfen unb 93ran= benburg auf SBaiernS ©eite ftanben, ber ßurfürft oon £>annoüer in bem sJleutralität3üertrag oom 17. ©eptember 1741 bem $urfürften $arl SUbert feine ©timme jugefic^ert unb bie $urfürften üon 2Mn$ unb $ricr burdj bie $rofyungen SBelleiale'ä genötigt toorben, ein ®k\d)c% ju tljun, Ratten bie SBafjIbotfdmfter bereits jmei 2J?onate getagt, ofjne ju einer ©ntfdjeibung gefommen ju fein, ba fie, nadj ber fpöttifdjen öemerfung griebrid)3 II. , „ftatt ein Oberhaupt ju toäljlen, fidj über golbene granjen ober ©pijjen ftritten, meta^e bie ÖJefanbten üom jmeiten 9tange ebenfomo^I ju tragen üerlangten,

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$er BfterreuWcge (grbfolgcfricg biä jum 2obe Äaifcr flarl« VII. 381

aU bie üom erften SRange." ©nbtidj braute baä drängen grieb* rid>3, ber bic ©adje balbmöglicf)ft erfebigt ju feljen münfdjte, bie i8erljanblungen in etmaä rafdjeren ®ang. Um bic 28al)t burdj 93c- feitigung jebmeben 2Biberfprud)S §u einer ganj cinftimmigen ju machen, würbe burd) einen SBefajluf? beS $ur*$oöegium3 bie böf)* mifdje fhtrfrimme, welche 9Jtoria £l)erefia für ifjren ©ema^ in 2ln* fprud) genommen , mäfjrenb ®axl Ulbert fic alä iljm gebü£)renb be* trottete, für bieämat au&er fhaft gefefct nnb in golge beffen ber 93otfct)aftcr SKaria £fjerefta'3 üon bem 2Baf)lgefdjäfte auSgef hoffen. *ftacf)bem ber Antrag, ben fhxrfürften öon ©aiern in ber 2BaI)tfaüi= tulation als ®önig üon Sööfjmen nnb (Srjfjerjog öon Defterreidj an= juerfennen, abgelehnt morben mar, erfolgte am 24. Qanuar 1742 bie einftimmige SBa^f $arl Ulberts jum beutfdjen äaifer , morauf ber* felbe am 31. Qanuar feinen GSHnjug in granffurt fjtelt unb am 12. gebruar atä ®arl VII. feierlich gefrönt mürbe.

SBäfjrenb $arl VII. fiefj in granffurt im Ötfanje ber ®aifer= frone fonnte, bie er Iwuptfädjlid) ber ©nabe granfreicf)8 $u Oer* banfen {jatte, jogen bie Defterretdjer unter SBärenflau unb 9Kenje( in Sflündjen ein, ba£ fidj if)nen am 13. gebruar gegen bie 3ufage ber ©idjerfjeit ber ^erfou unb be3 (£igentljum& , ber Sldjtung ber ftäbtiföen greifjetten unb ber ©c^onung ber furfürftlidjen Sd)Iöffer, of)ne SBerfucf) jum SSiberftanbe ergeben fmtte. <Bo fa§ ®arl VII. in granffurt, auf bie geringen Erträge beä ®aifertf)um3 unb ben Söeiftanb granfreidjä unb $reu&en3 befdjränft ; benn ebenfomenig nrie ba3 9kid) atö foIdjeS für bie 2lufrecf)tljattung ber üon ifrni ge* roäfjrleifteten pragmatifdjen ©anetion eingetreten, naljm an bem Kriege be3 neuen ®aiferä gegen Defterreid) $f)etf, unb ber perma* nente 3teid)3tag, ber feinen ©ifc öon 9legenäburg nadj granffurt üerlegt ljatte, üermodjte nidjt einmal, bie SBcrabfoIgung be§ in SBien befinblidjen , 3ur gortfüfjrung ber 3teid)3gefdjäfte unentbef)rttd)en 9ieidj3ard)iüa an ba$ neue Dber^auüt ju bemirfen, ba 9ttaria Xf)ercfia bie 3Baf)I ®arl$ VII. megen ber 5luäfd)tte&ung 93öljmen& üon bem 2Bal)Igefd)äfte für ungiltig erftärt rjattc. $ie 2(nfunft eines neuen franjöfifc^en $>eere£, ba$ unter bem Sttarfdjaß £ar* court jur Vertreibung ber Defterretdjer in Söaiern eingerüeft mar, fomie bie 6iege ber preu§ifd^en SBaffen in 9ttaf)ren unb ©öfjmen hielten jmar noef) eine 3c^an9 Äarfö VII. Hoffnungen aufrecht ; aber ber griebe, ben ber ^önig Oon Greußen nad) ber 6c^Iaa^t üon (£ja3lau mit 2Waria X^erefia fa^lo§, unb bie barauffolgenbe s2IuS- föf>nung ©adjfenä mit Defterreia) fc^tugen biefclben gänjli^ bar* nieber.

55a§ Uebergemit^t, ba§ biefer grieben§fa^(u6 ben öfterreic^ifc^eu Staffen üerlie^ , jeigte fia^ junöc^ft in Sö^men. ^ie franjöfifcfjc Slrmee, bie in ber ©tärf e üon üier$ef)ntaufenb 33?ann unter ©etleiale in

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Set ö|"terrctd)ifcf)e Grbfolgcfrteg.

biefem Sanbe ftanb, faf) fid) genötigt, ftd) nach $rag jurücfjujic^cn, unb würbe bort oon ben Defterreichern unter bem dürften Sobfo* wifc eingefroren. 9Kan ^ielt fie für gefangen unb jweifelte nicht baron , ba§ ber junger fie jur (Ergebung jwingen werbe. 2lber SBelleiSle fa&te, um biefer Schmach ju entgegen, einen oer$weifelten (Sntfchlug. Qn einer finfteren SBinternacht war ber 17. $e= aember 1742 jog er Ijeimltd), unter Snrücflaffung einer fdjwachen Söefa^ung öon taufenb QnöaUben , au* $rag , um fich nach (Sger $urücf$uäiehen , ba3 noch oon einem fraujöfifdjen £>eere unter bem yjlaxfäaü ©roglto befefct mar. 9113 bie Defterreicher bie in ber ©tabt oorgegangene Söeränberung wahrnahmen, festen fie fogleidj ben ^bgejogenen nach; biefe Ratten jebod) bereit« einen ju großen SSorfprung gewonnen unb erreichten (Sger nach einem elftägigen mübeooUen SHarfdje , jeboch mit einem iöerlufte oon fedjätaufenb SQcann , bie ber Äältc , ben Slnftrengungen unb ben Angriffen ber nadjfefcenben öfterreicr)ifc^cn #ufaren erlegen waren. $)ie in $rag äurücfgebliebenen Qnoaliben , beren $ahl öon Sobfowifc bebeutenb überfchäfct worben, fapitulirten gegen bie Bewilligung freien 2lb$ugä nac^ Söaiern.

gnjmifchen mar e3 bem gelbmarfchall ©eefenborf , ber au* öfterreidufdjen in baierifche $ienfte getreten, in ben legten Söodjen be3 3a^re« 1742 gelungen, bie öfterreid)ifdjen unb ungarischen Gruppen, bie Baiern noch befefet hielten, über bie ören^e ju treU ben, fo ba& bie au« Böhmen fommenben Sraujofen in bem baierifchen GJebiete fixere Ouartiere fanben unb Barl .VII. felbft am 19. Slpril 1743 nach München jurüeffehren fonnte. ©eefenborf, ber bie Sage ber $inge flarer burchfehaute , alä ber ®aifer , unb inäbefonbere überzeugt mar, baS ben Sranjofen mit bem Kriege fein rechter (Ernft mehr fei, bot ade feine Berebtjamfeit auf, um $arl VII. ju einem griebendfehluffe mit O efterreich ju bewegen; biefer fonnte ftch jeboeö nicht baju entfdjlieöen, fich friebefuchenb ber Softer ®ar.l3 VI. ^u nähern, nachbem er erft fur$ oorfjer beren fronen als fein ©igen* thum in Slnfprudj genommen.

2Bät)renb ®arl VII. noch immer feine Hoffnung auf ben fran* äöfifdjen $of fefote , au welchem feit bem fur$ üorher (29. Januar 1743) erfolgten Xobe be3 ®arbinalä gieurü jebe einheitliche <ßolitif aufgehört hatte, würbe eine baierifche |>eere«abtheilung oon fiebert* taufenb Sttann, bie unter bem (General 9Jttnujjt bei Simpad) unweit Braunau ftanb, oon ben Defterreichern unter Äh^nhitter unb bem s$rin$en $arl oon Lothringen angegriffen unb faft gänzlich aufge^ rieben. 2>a Broglio 511 ber gleichen 3eit, ftatt $um ©dmfce beä $aiferä herbeizueilen , oon (Sgcr nach oem Cheine aufbrach , ftanb Baiern ben Defterreichern offen , unb fo blieb ftarl VII. Wicht* übrig, alä auf« 9ceue feine §auptftabt $u oerlaffen. Söährenb er

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$er dftenricfttfdp (grbfolflcfvicg bis 311m lobe Äaifer ftarld VII. 383

$uerfi in 2lug«burg , bann jum anbern 9#ale in granffurt eine .Bufluc&täftätte juckte, fchloß ©eefenborf am 27. guni 1723 in feinem Auftrag mit ben öfterreidujrfjen gelbr)errn , beren Vorbringen in Vaiern er mit feiner Keinen £ruppenmacht üon jefmtaufenb 9#ann nicht §U ^inbern oermochte, einen 9täumung«üertrag, fraft beffen ba« baierijehe £>eer beftimmte Cuartiere be$og unb ba« Sanb ben Defter- reifem überlaffen mürbe.

Unterbeffen fjatte granfreich in bem im 3ahre 1739 au«ge= brochenen englifdHpanifchen Kriege (f. ©. 298) Partei für ©panien ergriffen unb baburdj ba« englifche Parlament bemogen, bem ®önig ®eorg II., ber längft au« ber ihm aufgezwungenen Neutralität herau«; jutreten genmnfdjt hatte, bie nötigen (Selbmittel jur nachbrüeflichen Unterftüfcung Defterreich« ju bewilligen, Nachbem bem tönig ge- lungen mar, bie ©eneralftaaten jur Beteiligung an bem Stampfe für bie s2lufrechthaltung ber auch üon Urnen getoährleifteten pragmatischen ©anetion ju geminnen, ruefte er im gebruar 1743 mit einer in ben Nieberlanben gefammelten Slrmee üon fünfjigtaufenb 9flann , bie ihre« Qtotdrt roegen bie „pragmatische" genannt mürbe, ohne 9ftücf= ficht auf bie oon bem ftatfer unb bem ftönig oon Greußen erhobene <Jkoteftation , burch ba« gülich'fche unb Shirfölnijche ©ebiet jur Vereinigung mit ben Defterreichern in bie Httyin* unb 2ftaingegen* ben ein. (Sin fofort oon granfreich nach $eutfchlanb entjanbte« unb oon bem #erjog üon Noaifle« geführtes £eer oon fechjigtau* fenb Üftann fuchte bem ftöntg bei Dettingen, unmeit Raffen* bürg, ben SSeg ju oerfperren, mürbe jeboch oon bemfelbcn am 27. guni 1743 gefchlagen unb jum IRücf^ug über ben 9tf)ein genötigt.

3m Sluguft führte ®eorg II. bie pragmatische Slrmee , bie in* ^mifa^en burc| atoanaigtaujenb $oüanber Oerftärft morben, gleichfall« über ben ^ein , unb im ©eptember folgte ihm ber s$rinj $arl üon Stahringen mit einem öfterreic^ifc^en #eere oon adjtjigtaufenb SJcann auf ba« linfe 9lf)«nufer naa). 55er ßefctere tuuufchte , ben Ärieg im Vereine mit ber pragmatifdjen 2lrmee nach granfreich hinüber ju tragen; er fanb jeboch ben ®önig ®eorg menig geneigt, fich an biefem Unternehmen, ba« ihm aHju gemagt fchien, §u bethei- ligen, unb ba granfreich insmifchen 311 umfaffenben Lüftungen Seit gefunben, blieb ben Verbünbeten Nicht« übrig, al« ihre Xruppen in bie SBinterquartiere 51t üerlegen , bie oon ber pragmatischen #rmee in glanbern unb Oon ber mieber über ben Schein jurüefgefehrten öfterreichifchen in ©chmaben unb Vätern genommen mürben.

SBährenb auf biefe SBeife ber mit fo glänjenben (Srmartungen begonnene gelb$ug ohne irgenb meldje« militärische G£rgcbm& blieb, hatte berfelbe ben 2Tbfc^Iu& eine« förmlichen Vünbniffe« jmifchen £)efterreich , (Snglanb , §ol!anb unb ©arbinten jur golge , ba« am 23. ©eptember 1743 ju SBorm«, bem Hauptquartiere ÖJeorg« II.,

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3)cr öfierrcicfyfc^e (Srbfolgcfricg.

ju ©tanbe fam unb bcr Königin Sttaria X^erefia aHeS baSjenige gcmäfyrleiftete, tt>a£ fie üermüge ber pragmarifdjen ©anctton befifcen foHte. Xiefem Söünbniffe trat am 21. Eejember 1743 aucf> Shiguft III. üon ©adjfen unb Sßolen bei.

i)cr Ucbcrgang ®eorg& II. unb bed $rinjen üon Sotfjringen über ben SRtjctn gab bem ®ömg üon granfreid), bcr bis bafun nur als ©unbeSgenoffc ber <ßrätenbenten beS öftcrrcict)ifc^en @rbeS an bem Kampfe um baäfetbe Xfjeil genommen, Sßeranlaffung, als felbft* ftänbige friegfüfyrenbe Sfladjt aufzutreten , $u welchem (£nbe er am 26. Slpril 1744 ber Königin 2Jfaria X^erefta unb am 15. 2Hai beSfelben 3afyreS an Sngtanb ben ftrieg erftärte. 2113 groeef be3= felben mürbe bie Eroberung ber öfterreidjifdjen Wieberlanbe in£ 2luge gefaßt.

£a bie £>er$ogin ton (£f)ateaurouj, bie bamalige beliebte 2ub= roigS XV., biefen üom SticgSrufyme umftrafylt ju fetjen münfdjte, beroog fic ben ®onig, fid) perföntidj ju ber Slrmee $u begeben, ma£ griebrid) II., ber in$nnfd)cn feine ^erbinbung mit granfreid) ftitnt 5öct)ufc neuer geinbfeligfetten gegen Ocfterreid) erneuert Ijatte , für eine fo großmütige, ja ^erotfdje Üfmt üon Seiten ber Herzogin er* flärte, „bie für granfreid} bie Sntereffen ifjreä ^er^enS unb üjreS GHürfeS geopfert," baß biefelbe in ben 3a^rbüa}ern ber ©ef^te aufgezeichnet $u merben Oerbiene.

$ie Operationen ber franjöftfa^en 2lrmee in ben öfterreidufdjen Sftieberlanben beftanben ^auptfäd)lid> in ber Belagerung ber feften <ßtäfce , unb ba biefe meift fduoad) befejjt maren unb überbieä oon bem in ben Wieberlauben ftetycnben englifdjen £>eere jef)ntaufenb 9flann jum ©dmfce ©ngtanbS gegen bie ©cfa^r einer franjöfifdjen itonbung ober einer Srfjebung ber Qafobiten in bie $eimatij ju^ rütfberufen roorben, r)attc baS franjöfifdje #eer in furjer 3eit nic^t unbebeutenbe Erfolge aufaumeifen , an benen jebod& bcr fönig feinerlct 9IntI)eil tjatte r ba er einen müßigen 3ufcf)auer abqab unb fief) barauf befdjränfte , täglict) Beriete über bie friegSereigniffe entgegenzunehmen, ßourtraü ergab fict) am 18. 2Bai, SWcnin am 12. 3uni, gpern am 25. 3uni, $nofe am 29. Quni unb gurneS am 11. 3uli.

Unterbcffen §attc ber ^rin$ fori öon ßotfjringen am 3. 3uli in ber Wälje üon StalSrufje mit einem zahlreichen öftcrrcid)ifd>en Speere ben dtyein überfchritten unb mar in ba« (Slfaß eingerüeft. ©S mar fein müitärtföe* 9ttcifterftüd, ber #öljepunft feines 3iuf)meS ; benn mäfjrenb ©erfenborf mit achtzehntaufenb Sflann fogenannter „fatfertitf)er Xruppen" bei ^^ilippsburg ftanb, ^atte fid) ein ja^l- reifes franzöfifdjeS $eer unter Soignü längs bed ©tromeS auSge* breitet, unb beibe gelbfjerren toaren mit fa)arfem Stuge aflen 33e= toegungen bcS ^rin^en gefolgt, um i^m an jeber ©teile, mo er ben

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$er Öfterreidjifdje ©rbfolgefrteg bis jum 2obe #aifer $ad8 VII. 385

SRfyeinübergang ju beroerfftelligen fudjen roerbe , bcn 2Beg ju üer* legen, Unauffjattfam brangen bie Defterreidjer im ©(faß üor, unb balb ftanben ifjre SBorooften in Sabern. (Stanislaus SeScinSft ent< flof) aus fiuneüiöe; benn mit bem gefammten (£lfaß fd)ien aud) Stahringen aufs (£rnftlidjfte bebrof/t.

3Iuf bie 9tad)ridjt üon bem erfolgten Sftfycinübcrgang beS $rin- $en üon Sotfjringen mar ßubroig XV. mit bem größten %\) eile fei= neS öeereS aus ben 9lieber(anben nad) bem ©(faß aufgebrodjen, um bie SBiebereroberung ber bem beutfd)cn 9teid}e entriffenen über» rf)etmfcf)en Sanbfdjaften burd) bie ftegreidjen öfterrcid)i(d)en Sd)aa* ren ju üerfyinbern. 2)er beabftdjtigte Angriff auf $ar( üon Sotfjringen mürbe jebodj burdj eine heftige (Sxfranfung beS Königs üer$ögert, bie benfelbcn längere Qeit in 9ftcfc jurüdljielt, unb als er genefen, maren bie Defterreidjer mieber über ben 9^^ein jurütfgegangen ; benn neue geinbfeligfetten üon ©eiten griebrid)S II. Ratten SRaria Xfjerefia genötigt , ben ^rinjen oon ßotfyringen fdjleunigft jum Sdmfc beS [d>mer bebrofytcn ©öfymenS juriitfauberufen. 2Sie ber erfte Stfyeinübergang beS ^ßrinjen, fo mar aud? fein Stüdaug ein Sfteifterftüd , unb ebenfo rafdj unb glüdlidj führte er fein #eer burdj ©djmaben, granfen unb Saiern nad) 93öf)men jurüd, bas jmar in$mifd)en oon ben Greußen üollftänbig erobert morben mar, aber nod) in bcmfelbeu Qaljre (1744) oon iljnen mieber geräumt werben mußte.

£er 2lb$ug ber Cefterreicfjer aus Dberbeutfdtfanb r)attc es bem ®aifer möglid) gemalt, am 23. Cftober 1744 mieber in feine <pauptftabt SKünc^en etnjujie^en; aber audt) bieSmal fd)ien er nur bafjin äurüdgefefjrt }n fein , um ftdj jum anbern äftalc genötigt fef>en, feine 3uflud)tSftättc in granffurt mieber aufjufudjen; benn bei ber Söenbung , meldje bie £inge in ©binnen genommen, mußte er, ba er ein neues SBünbniß mit griebrid) II. gefdjloffen, barauf gefaßt fein, abermals üon ben fiegreidjen Defterreidjcrn aus feinem ttanbe üertrieben ju roerben. SSor biefem ©efdjid bemalte ifm ein unermarteter Xob, ber am 20. Qanuar 1745 in golge einer jurüefgetretenen gußgidjt feinen förderlichen unb geiftigen Seiben ein Qid fefete. ©terbenb ermahnte er feinen ©ofjn unb 9iad)folger Sttarjmilian Sofepf) , fidj üor bem (Efjrgeij ju fjüteu, burc§ melden er felbft fo ferneres Unglücf über fid) unb fein ßanb gebracht, unb ftd) fein ©eifptel jur SSarnung bienen ju laffen, „ba eS bitter fei, aus feinem Sanbe fliegen unb üon ber ^armljer$igfeit Slnberer leben 51t müffen."

^olatoart^, SSeltöef^te. VI. 25

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386 $er öfterreid)tföe (Srbfolgefrieg.

*

Xcr Ivette frfjlcitfdjc ftrteg.

(1744-1745.)

Xic (Srfolgc ber öftcrrcic^ifc^cn SBaffcn im Kampfe gegen SBaiern unb granfreich beunruhigten ben ftönig üon Greußen um= fomcfjr , alä er annehmen ju muffen glaubte , baß bem jroifchen SJcaria Xherefia , Cfriglanb , $oHanb , Sarbinien unb «Sachfen jur 2lufred)tf)altung ber pragmatifchen ©anetion gefchlofienen Söünbniß bie Slbjicht ju ÖJrunbe liege, ifjm @d)Iefien mieber ju entreißen. S)tcfe Söeforgniß, fonne ber Sßunfd), roeitcre SBortheile gegen Defter* rei^ au erringen, beroogen ilm, ju ©unften Äarte VII. aufä 9ceue in bie 5lftion einzutreten. 3" biefem @nbe fdjloß er am 22. ÜKai 1744 mit bem ßaifer, bem ftonig griebrich I. üon ©chroeben, als £anbgrafen üon £cffen-£affcl , unb bem $urfürften $?arl X^eobor üon ber «ßfalj, bem 9cac£»folgcr ftarl ^ilippft- (feit 1742), ein öünbniß, bie fogenannte „granffurter Union", alä beren Qrotd bie Haltung beS ftttfert unb ber sJtetch3üerfaffung bezeichnet mürbe. „$a aber $u beforgen ftehe" , fo f)ie& in ben getroffenen Skr* einbarungen, „baß gütliche WuSfunft ofjne SBirfung bleibe, jo fönne nothmenbig merben , baß man ju ben SBaffen greife , in meinem traurigen galle bie ^erbünbeten fudjen moüten, außer ben baierifdjen ®urlanben für ben ftaifer baä Königreich Böhmen als eine ange= meffene Sluäftattung für baS SReichSoberhaupt $u erobern ; bod) foHc ber Äönig üon Greußen alä ßofm für feine 9)cühe bie an ©chlefien grenjenben böhmifchen Greife ®öniggrä&, ©unjtau unb Seitmerifc erhalten. fteine ber üerbünbeten dächte bürfe für fic^ allein grie* ben fchließen, fonbern alle müßten ju gemeinfamer $)emüthigung be£ £>auje$ Cefterreich ftanbhaft jufammenblctben."

SDlit granfreich föloß griebrich am 6. 3uni ein befonbereS iöünbniß, in meinem er üerfprach, fallä bie Defterreidjer *ur ©robe* rung be$ ©Ifaffeä unb Sothringen3 über ben sJthcin rücfen foflten, mit einem Jpeere üon aa^tjigtaufenb aKanu in Böhmen einzubrechen, um bie Königin oon Ungarn ju jmingen, ihre Xruppen auä bem (Slfaß jurücfjuberufen , wogegen Üubmig XV. fich oerpflichtete , bie £cfcteren über ben iRfydn hinaus »erfolgen ju laffen , um fie ruo* möglich bn öernichten, unb jugleich burch bie (Sut)enbung eineä £>eere£ nach SBeftfalen $annoüer 511 bebrohen. Um Äußlanb bauerub üon Defterreich fem 511 galten unb bem preußischen Qntereffe bienftbar 3U machen, fyattt er eine Vermahlung beä Thronerben $eter üon £olftein=(4Jottorp mit ber $rin$effin Sophie üon Slnhalt'ßerbft l)

1) ©et ihrem am 9. 3ult 1744 erfolgten, Ucbertritt $ur griechitchen ffirc&e nahm btefelbe ben Hainen Katharina an, unter meinem fte fpäter al$ Äaiferin eine fo heroorragenbe SRofle fpielen fottte.

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3)er jiocttc fd)leftfcl)e $rieg.

387

vermittelt, bcrcn Skter ©eneral in preujjifchen $)tettften uttb ihm fehr ergeben tvax. 9luch ©cfm)cben mar buret) bie JBermählung beS $um Thronfolger ermahnen £>eraogS Slbolf griebrich öon #olftein= (Sottorp (f. ©. 282) mit griebrichS ©cfjtüefter Ulrife (Slconore auf Greußens ©eite gebogen morben.

91 m 7. 9Iuguft 1744 liefe griebrief) burch feinen ©cfanbten am SSiener |>ofe, ben ÖJrafen $ohna, ber Königin öon Ungarn eröffnen : er fönne als ®urfürft nicr)t mit gleichgültigem 2luge anfehen, bafe bie SSürbe beS $aiferS unterbrüeft, bie SBerfaffung beS beutfcfjen Meiches umgeftürjt unb beffen ©tänben ©emalt angethan merbe ; ber SBiener £of habe feine bisherigen SBarnungcn unbeachtet gelaffen unb ir)n baburd) gejhnmgen, mit bem tfaifer unb einigen Surften eine Union abzufchliefjen unb bem (Srfteren einige feiner Gruppen als $ilfSöölfer ftit überlaffen.

SBährenb fich ju ber gleiten Seit achtjigtaufenb Greußen, bie als „faijerlichc ^ilfSöölfer" bezeichnet mürben, gegen 33öt)men in $3e* toegung festen, crfct)ien ein 9Jcanifeft, in meinem griebrich erflärte: „Me feine Bemühungen für ben grieben in 3>eutfcf)tanb feien üer* geblich gemefen ; 3Jtarta $herefta dQDC °ie griebenSanträge beS ÜatferS ^oct)müt^ig öermorfen; fie fd)lage aus unbegrenztem @f)t* cjetj bie beutfehe Freiheit in geffcln unb fpiele mit breite unb (Glauben. SSie aber bie alten ©ermatten burd) Qahrhunberte ihr SBaterlanb unb ir)re greifet gegen bie gan$e ^>crrlicr)fctt ber 9tömer= luelt befchüfct, fo mürben auch it)rc Ücachfommen bie bebrorjtc greU heit beS SBaterlanbeS öertheibigen. $arum ergreife auch er jefct .bie SSaffen für bie greiheit beS Meiches, für bie Söürbe beS ftaiferS, für bie Stühe Chiropa'S; er höbe babei nicht baS geringfte perfön* liehe 3ntereffe unb tierlange für fich gar nichts. $rofo biefer hoch5 tönenben Söorte bezeichneten fclmn bamals SSiele bie brei böhmifchen Greife als bie alleinige Urfache beS Krieges.

S)ie jur Eroberung Böhmens auSrücfenbe Xruppenmacht be= ftanb aus brei £>eerfäulen, öon benen bie eine unter Schwerin öon ©chlefien aus unb bie gmeite unter bem (Srbprinjen öon £effau burch bie Saufifc heranä°9f nmhrenb ber ftönig felbft mit ber britten ben 28eg burd) ©achfen nahm. s2ln bem gleichen Xage, an welchem er „im 9camen beS IfatferS" freien Xurchjug burch baS ®urfürften* thum öerlangte, überfchritt er auch fchon bie fächfifche GJrenje, fo bafj ber ^roteft beS 5)reSbener £ofeS, ben ber ffönig für Geichs* feinbfehaft erflärte, feine SBirfung mehr hoben fonnte unb bie mehr* lofe fächfifche Regierung fich gelungen fah , ben burchjiehenben preu&ifchen Gruppen Lebensmittel ju liefern unb ihnen bie nötigen ©djiffe ju ftellen, um über bie @lbe ju fefcen.

9cachbem fich bie &rei Äolonnen am 2. ©eptember bei *ßrag öercinigt hotten unb innerhalb acht Xagen baS fernere ©efchüfc jur ©teüe gebracht morben, mürbe am IL baS Öombarbement ber

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388

$er öfterretd)ifd)e ©rbfolgefrieg.

Stabt eröffnet. $ier Xage lang letftete ber 93efef)lSfjaber $arfdj mit ber fd&toadjen SBefafcung Don fedjjeljnljunbert Wann, Don ben Stubenten matfer unterftüfct, ben Belagerern tapferen SBibcrftanb ; als jebodj am 16. bie ^ßreu&en ÜJiicnc machten jum Sturme ju f freiten, pflanzte er, bem ungeftümen Verlangen ber Söürgerfcfyaft nadjgebenb, bie mei&e galme auf unb übergab bie Stabt am folgenben Jage ben Sßreufcen, naapbem er fiefj ocrgebenS bemüht fjatte, für bie SBefafcung freien Slbjug ju erlangen, griebrid& ließ bie* felbe nad) Sdjlefien abführen unb in Derjdnebene geftungen Der* tfjeilen. 83on ben Stubenten ftetfte er Diele unter feine ^Regimenter, „roeil fie 5um ftriegSljanbwerf meljr Suft gezeigt Ratten, als ju ben mtyxn."

$luf bie ©inna^me ber böfjmifdjen Jpauptftabt folgte nod) im sJD?onat September bie Don Xabor, SBubmeiS unb grauenberg, unb beöor ber Don Sftaria Sfjerefia fd)leunigft aus bem @lfa§ jurücfbe* rufene ^ßrinj Don ßotljringen bie böfjmi[d)e ©renje erreia^en fonntc, mar faft baS ganje roef)rlofe ßanb Don ben Greußen befejjt.

So r)atte griebridj feinen gelb^ug glänjenb eröffnet; aber mit ber SRürffefn* ßarlS Don Hötzingen erfolgte ein jäljer Umformung, griebrid) fjatte eS, inbem er feinem SiegeSraufd)e $u rafd) nadj bem Säben SööfymenS Dorgebrungen, bem aus $toiern jurücfbe* rufenen öfterreid&ifdjen gelb^errn ©attfjtjani möglich gemalt, eine Stellung $u nehmen, burd) toeld)e er nid)t nur mit Saufen in SBerbinbung blieb, fonbern aud) bem Sßrinjen Don Sotfjringen bie jpanb reiben tonnte. Sßadjbem baS £cer beS Hejjteren fidj am 1. Oftober mit bem Storps $Battl)Dani'$ Dereinigt fyatte, fugten beibe gelbfjcrren ben fäönig Don ^ßreujjen, unter S&ermeibung eines 3Us jammenftofjeS, burd) gefd)irfte SWärfdje unb gut gemähte Stellungen mefjr unb mefyr in bie (Snge ju treiben unb ifym bura) ifjre leisten Gruppen bie nötigen #ufuf)ren ab$ujd)neiben, bamit bie Sftotl) ifm jur Räumung SöötnnenS jtoinge. Qn biefen ©emüfjungen mürben fie burd) bie allgemeine Abneigung ber SBöfjmen gegen bie Greußen trefflid) unterftufct. £ie Hanbleute gogen fid) überall mit allen Sebcnö* mittein Dor ben preujjijdjen Xruppen auS it)ren Dörfern in SBälber unb Sd)luc^)ten jururf unb unterrichteten baS £>eer ifjrer Königin Don allen iöemegungen beS geinbcS, mäljrcnb bie ^ßreufjen über bie Cefterreidjer nidjt baS 2Janbefte erfahren fonuten, ba alle Don ifmen auSgefanbteu &unbfd)after aufgegriffen mürben. Um fid) in bem SBeftfc oon ^ßrag ju fiebern, bradj griebrid) nrieber nadj bem Horben auf, roorauf Sabor unb ÖubroetS, in melden er ftarfe Soften 5urücfgelaffen, burd) bie ßefterreidjer nrieber erobert mürben.

9tad)bem baS £eer beS ^ßrinjen Don ßottjringen burd) jroan$igs tauj'enb Sad) jen, bie am 21. Dftober $u ifym geftofeen, auf fieb^ig-- taufenb iD^ann err)ür)t toorben, burfte berfelbe hoffen, ben $Önig aus

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$er jiucitc fdjlcftfrfjc Äricg.

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einer fefteit Stellung nacfj ber anbern öerbrängen ju fönnen. Qn ber Zfyat fafj fid^ grtebridj, beffen Sage ntdjt nur burdj madjfenben Langel, fonbern aitcf) burdj $afjfretcf)e $efertionen unter feinen Gruppen öon Xag ju Sag bebenflicfyer nmrbe, nadj öcrgeblidjen 93e= inübungen, ftdj burd) eine entfdjeibenbe Scr)tae^t ßuft 31t machen, jum tRücf^ug über bie @lbe genötigt, um ber ÖJefafjr §u entgegen, öon <3cf)Ieften abgefdjnitten ju roerben. Wit großem Serlufte unb unter unauffjörtidjen Angriffen ber letzten öfterreidnfdjen Reiterei erreichte er in ben legten Xagen beS Sßoüember bie fcf)lcfifd)e ©renje, bie er am 1. $)ejember in ber traurigften Söerfaffung übertritt. $>cr löerlnft feine* gefammten ferneren ®efd)üfce$, ba* bie preugi[cr)e SBefafcung öon $rag bei i^rem fdjleunigen STbjug fyatte jurücflaffen muffen; ein auf bie ©älfte 5ufammengefd)mol$ene8, bemoralifirte* £>eer unb eine öollftänbig erfd^öpfte ®affe ba3 war ba$ einjige <£rgebniß beä mit fo großer Suöerftdjt unternommenen gelbjugS. „$aä große Sriegäljeer, toetcfjeS SBöfmten berfdjlingen unb felbft Oefterreid? übcrfdjmemmen fofltc/' fo geftebt griebrid^ felbft in feiner Sdnlberung jene* gelbjugS, „hatte baä 6d)icffal jener glotte, bie ben tarnen ber unüberminblidjen Slrmaba führte." (£r erfannte, baß ber fixieg ton ©eiten ber öfterreid)tfd)en gelbljerren meifterfyaft geführt toorben, mäfjrenb er felbft große geiler be* gangen; ganj befonberä fcfjricb er jebodj feine Sflißerfolge bem ifeortbrudj ber granjofen ju, bie, ftatt bem au8 bem (Slfaß ab* 3ief)enben #eere ®arl8 öon Sotfjringen ju folgen, um baäfclbe öon Winnen fern 51t fjalten, ftd^ auf bie Belagerung öon greiburg im SöreiSgau befefcranft Ratten, »eil c$ fidj für bie bamaligen Senfer "ber (Sefdjicfe granfreid)3 öor 2Wem barum fjanbelte, bem ®önig, "ber fortmäfyrenb perfönlidj bei bem $eere anroefenb mar, leisten Scriegaruljm ju üerfdmffen unb i^n baburd) in rriegeriföer Stuf* regung ju erhalten.

griebrid)* Sage mürbe erfdjroert burd) ben Xob $aifer $arfä VII., ba üjm burd) benfelben nidjt nur jeber SBormanb jur gortfefcung be£ Striegel gegen Flavia $f)erefia entzogen, fonbern <tud) bem ®roßfjeräog granj öon Xoäfana bie 2Iudfid^t auf bie $aiferfrone eröffnet mürbe , inbem ber adjtjefynjäljrige föurfürft liDtorunilian Qofepr) öon SBaiern nodj nidjt ba« öon ber golbenen SBulIe für bie 2öar>Ifä^tgfctt öorgefdjriebene Mter tjatte. $er franjöfifaje $>of fud)te jmar bem ®emaf)le 5ftaria Xf>erefia'3 in Sluguft III. öon ©adjfen unb s£olen einen Nebenbuhler in ber 53e= merbung um bie ®aiferfrone 51t ertoeefen ein *ßlan, bem gricb= rid) II. umfo bereitwilliger sugeftimmt, atä er in bemfelben ba* fi^erfte bittet erblidte, ©ad^fen mit Defterreic^ bauemb ju öer« feinben, unb bemühte fidt) ju biefem (Snbe eifrig, eine 5lu§fö^ ltung jmiföen ben ^öfen öon 5)re«ben unb ©erlin au ©tanbe 5U

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$er öfterrctcf)ifcf)e Grbfolgcfrieg.

Bringen; bie Abneigung ?luguft3 III. unb befonberS be« (trafen 53rüf)l gegen eine SSerbinbung mit Greußen, ba3 burch fein (5mpor* fteigen ©achfen in eine niebere ©tettung herabgebrüeft , mar jebodj fo groß, baß fte felbft burch ba3 Angebot ber $aiferfrone unb ber nötigen #ilf3gefber für fechjigtaufenb 2J?ann nidjt überwunben werben fonnte. Wudj fjatte ©achfen bereite in einem am 8. Januar 1745 ju 2Barfd)au mit (Snglanb , £ol!anb unb Defterreich gc* fc^Ioffenen ©ünbniß bie Verpflichtung übernommen , bem ®emahle TOario Xtjerefia^ bei ber ßaiferwaf)! feine ©timme ju geben unb jur ©efämpfung griebrich« auf ba« Wachbrücflichfte mitjumirfen.

©in harter ©djlag für griebrich mar e3, baß ber junge #ur- fürft Sftarjmilian 3ofeph öon ©aiern fich burch bie ooflftänbige SluSficfjtalofigfeit feiner Sage beftimmen ließ, am 22. Hpril 1745 mit 9flaria Xtyxtfxa ben grieben t?on g ü f f e n abjufchlteßen , in meinem er gegen bie SHütfgabe ber oon ben Cefterreidjem in fet» nem fianbe gemachten (Eroberungen allen ftnfprüchen auf baS öfter* reichifche ©rbe entfagte unb bem ®roßher$og granj feine ©timme jur $aiferwaf)l jufidjerte; benn nun ftanb ber $önig im Kampfe gegen Defterreidt) allein, unb nadjbem er felbft ben SBreSlauer ©er* trag gebrochen, in Welchem Sttaria ^t)crcfta if)m ©chleften abgetreten, fonnte er nicht baran jweifcln, baß auch fie fich ihres SSorteS für entlebigt erachtete unb entfchloffen mar, ihm feine (Eroberung mieber $u entreißen. 3n ber %l)at fprach Sflaria Sherefia biefen <5nt= fdjluß offen in einem an bie ©etuohner ©djlefienS unb ber ®raf= fchaft ®lafc gerichteten Aufruf an«, in welkem fie alle Slnfprüche griebrichä auf biefe fiänber al£ burch feine vielfachen S3crtrag*öer= lefcungen unb inäbefonbere burch *>en in bem Angriff auf SBöhmcu begangenen griebcn&bruch für Verwirft erflärte.

3nbeffen mar griebrich entfehtoffen, ©chlefien um jeben $rei£ ju behaupten, unb bot 31t biefem ßmeefe ade Gräfte feine« SanbcS auf. @o brachte er ein $eer von einmalhunberttaufenb gußgängern unb fünfunboieraigtaufenb Weitem jufammen, mit welchem er auf bie Nachricht, baß ®arl von Lothringen, mit beffen fünfunbachtäig* taufenb 3Hann ftarfem $eere fich &ei Xrautenau breißigtaufenb ©achfen vereinigt hatten, von bort gegen bie fchleftfcfje ©renjc heran* rücfte, am 1. 3uni 1745 awifcfjen ©chroeibnu) unb ©triegau ein fefteS Sager bejog, obgleich injWifchen ftarfe ungarifche SReiterfcfmaren in Cberjdjlefien eingerüeft maren unb am 27. SOiai bie wichtige geftung ftofel erftürmt hotten. 9113 ber in feinem ßager anmefenbe franjöfifche ©efanbte Valori ihm fein (Erftaunen barüber auSbrücftc, baß er afle <ßäffe offen gelaffen, entgegnete er ihm : „9flem greunbr wenn man bie 2Jcau3 fangen miß, mad>t man bie Salle nicht §u." ©ein *ßlan mar, oon feiner gut gewählten ©teHung au«, bie wegen ber vielen Anhöhen jener ©egenb ben ©liefen beä geinbeS faft per*

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$er jroeitc fchlcfii'cfjc Ärieg.

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borgen blieb , bem ^eranjie^enben öfterreichifchen £>eer burd) einen unerwarteten Angriff ben Untergang ju bereiten.

2US fid) baS #eer beS Sßrtnjen Don Lothringen am 3. 3uni an ber Sanbftraße oon $auer nach SanbShut jeigte, ließ griebrich in ber SRacht jum 4. baS {einige in aller ©title gegen £>ob,en* friebberg oorrüefen, um ben afjnungStofen geinb ju überfallen, unb beim erften Morgengrauen erbröbnten bie (Gebirge ringsumher oon bem Bonner ber preuSifchen ©efchüfce. Roch ehe baS öfter- reid)tfd)e $eer fich üoflftänbtg gefammelt, waren bie ©achfen, beneu ber erfte Angriff galt , oon aüen ©eiten umringt ; nach längerem tapferen SBiberftanb mürbe ihre Reiterei jerfprengt, unb um peben Uhr war baS ganje fädjfifche ÄorpS jurücfgefcblagen. 3)er Sßrinj oon Lothringen , ber auf bie Radjricht oon bem (Srfdjeinen ber Greußen mit SBHfceSfchneÜ'e au* feinem Rachtquartier in ^auSborf herbeigeeilt mar, um fein £>eer in ©chlachtorbnung 51t ftellen, far)# nachbem bie ©achfen bem ftürmifcfjen Angriff ber Greußen erlegen, auch feine öfterreidnfehen Regimenter im Störten unb in ber fronte 3ugleicr) gefaßt; bennod) fyitlt er bem geinbe noch öoüe jwei ©tun- ben ©tanb: erft als beim fedjfren Anlauf beS geinbeS bie öfter* reichifdje Reiterei geworfen worben unb auch baS gufjoolf fich nicht mehr ju haften oermochte, gab er 93cfet)t 311m Rücf jug, ber in befter Orbnung oor fich Ö^n9- $cr ^crluft ber Defterreicher unb ©achten betrug an Xobten, Verwunbeten unb (befangenen fünfecfjntaufenb Wlann ; baneben waren fed)Sunbjechäig it)rcr Kanonen unb fiebenunb* fcchjig Sahnen bem geinbe in bie #änbe gefallen.

$er $rinj oon Lothringen jog fich, öon griebrtcr) gefolgt, nach Söhnten jurücf, too er bei Üöniggräfc ein unangreifbares Säger be* jog, währenb griebrich juerft bei (£hlum, bann bei ^aromirj eine nicht minber günftige ©tetlung nahm. $a beibe Xheite fich buxti) Xruppenentfenbungen gefdjwächt hatten griebrich in ber SIbficht, bie Ungarn aus Dberfdjlefien ju oertreiben , ßarl , um ein unter (£onti hcranjiehenbeS franjofifcheS $eer oon granffurt abjuhalten, wo eben bie ®aiferwaht begonnen r)atte fam eS jwifchen ihnen wafjrenb eines Vierteljahres nur }U fleinen ©efecf)ten, burch welche man fich gegenfeitig Vortheile abzugewinnen fudjte.

ilnterbeffen fyattz ®önig ÖJeorg II., ber, burch b*c ©djilberhe* bung beS ©tuart'fchen ^rinjeu ®arl ©buarb (f. ©. 299 f.) mit 23e* forgniffen für feinen Xhron erfüllt unb eine fianbung ber granjo- fen in (Snglanb fürdjtenb, ben ©treit jmifchen Greußen unb Oefter* reich beenbigt $u fehen wünfehte , bamit SRaria Ztyttfia ihre ge* fammten ©treitfröfte gegen granfreid) oerwenben fönne, mit grieb* rieh N. Unterhanblungen angefnüpft, bie am 26. 3luguft 1745 in bem „Vertrag oon #annooer" ihren Slbfchlufc fanben. $n bem= jelben oerfprach griebrich bem ©emahle üflaria Xherefia'S bei ber

uiQitizeo D

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£er öt'terrctcfjifdjc (Srbfolgefricg.

ftaiferwaljl feine Stimme 311 geben, wogegen Georg II. fidj an* heifdn'g machte, bie Königin t>on Ungarn jum grieben auf ©runb beS SreSlauer Vertrags ju beftimmen «nb bem #önig toon ^reuöen bie Gewäljrleiftung ber übrigen 2Rädjte für ben öeftfc SdjlefienS 3U erwirfen. äRaria X^erefta mar jebod) umfoweniger baju ju bewegen, auf bie eintrage beS ÄönigS bon (Snglanb etnjugefjen, als if)r Gemahl bereit« am 13. September 1745 unter SluSfdjlufc ber branbenburgifd&en unb furpfäljifdjen Stimmen jum Äaifer er* wäfjlt lüorben mar. 9Jftt ruhiger ©ntfiieben^eit erflärte fie bem eng* lifd&en ©efanbten: fie fönne auf Sdfleften nidjt freiwillig 93er$t<f)t leiften unb fei entfdjloffen , ben SluSgang einer neuen Sdjladjt ab* zuwarten. $en eigentlichen ©runb jebod) , ber fie jur Slbleljnung ber englifdjen SriebenSborfdjlage bewog, tb, eilte fie in einem bertrau* Tieften ©efprädje bem benetianifdjen (Sefanbten mit. „Sie fyabc fid)" , fo fagte fie, „über ben SBertuft bon Sdjlefien bereits be= rulpigt gehabt unb niemals baran gebadet , ben ©reSlauer ^rieben ju brechen. $)er offene Xreubrud) beS &önigS bon ^ßreufcen aber, weither fie ofme jebe Urfadje in bem Slugenblicfe angegriffen Ijabe, in wettern fie fjoffen fonnte , ba& if>r am SRljetn fteljenbeS $>eer i§r eine SdjabloSljaltung für ben SBerluft SdjlefienS erfämpfen werbe, Ijabe fie mit ber Ueberjeugung erfüllt, ba§, fo lange biefer Sürft fo mädjtig bleibe, fie in fteter öeängftigung fdjmeben müffe unb fid) niemals beS ruhigen ©efifceS iljrer Staaten erfreuen fönne. (5:S fei bafjer nidjt CStgenfinn bon tl)r, fonbern ein Gebot ber Sftotljwcnbigfeit , wenn fie in bem gegenwartigen $(ugcnblicf bie $anb $um trieben nidjt biete. Sie erfenne eS als Ujre ^flic^t, in biefem fünfte unbeugfam ju bleiben; benn fie fei überzeugt, baß ber ®önig bon Greußen nur an ben trieben benfe, um fie etnju* frf)läfern unb fie neuerbingS ju überfallen, wenn fid) eine günftige Gelegenheit ba$u bar bietet

3)a 37toria Ztyxtfia bie auf ben 4. Dftober feftgefefcte ®rö* nung ifyreS Gemahls burd) einen Sieg über gfriebric^ berfjerrlidjt ju fetyen wünfdjte, forberte fie iljren Schwager bringenb auf, bem* felben eine Sdjlacftt $u liefern. Obgleich ber $rin$ eS borgejogen l)ätte , bie Äräfte feines Gegners burd) ben Keinen , ermübenben $rieg ju erfdjöpfen, brad? er, um bem SBunfäe 9Jtoria X^erefta'^ nad^ufommen, nadj ber fdjlefifdjen Grenje auf, in ber fidjeren (5hr= Wartung, baß ber ßönig if)m baljin folgen werbe, griebridj fudjte ifnn juöorjufommen unb fdjtug, bon ben Defterreidjern gefolgt, feinen 23eg in ber SRidjtung nad) Xrautenau ein. Xer $rinj üon Lothringen fanb i^n am 30. September bei Soor in einem unge? beefteu fiager, baS er eben abbrechen ju laffen im ^Begriffe ftanb. ©in rafd^er Singriff ber Oefterreic^er Würbe ofjne Streifet für i^n eine entfd;eibenbe 9iieberlage jur golge gehabt ^ben; ber ^ßrina

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$er jrocite f c^Ieftfc^c $rieg

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ftögerte jebodj mit bemfelben, roahrfcheinlich in bcr Meinung, baß "ber $önig fogleic^ ben SRücfyug antreten roerbe , auf melchem er beffen $eer boflftänbig bernichten fönnen hoffte , unb ließ fo feinem (Segner Seit, fcfbft $um Angriff ju {abreiten, ju welchem fid) griebrid) , obgleich er ben fünfunbbreißigtaufenb Defterreichem nur ^meiunbjmanjigtaufenb äftann entgegen fteöen (onnte, rafd) entf hoffen rjatte, roeil er e& für minber gefährlich r)ielt , ben ®ampf mit bem geinb ju roagen, als in beffen Slngeficht ben 9tücfjug burdt) (£ng* paffe anzutreten.

griebridj eröffnete bie ©chlacht, inbem er fein ©eer fogleidj eine SBiertelfchmcnfung nach recht« machen ließ, um ber gronte ber Defter- reicher eine parallel laufenbe gronte entgegenjuftetten. SSic er burd) biefe Hflaßregel eine glänjenbe <ßrobe feinet gelbherrntalente« gab, fo lieferte bie Dfafdjheit, mit meiner biefelbe mitten unter bem Ijef* tigften feinblidjen geuer ausgeführt mürbe, einen nicht minber glänzen* ben SBemei« Don ber trefflichen #rieg3jud)t unb £apfer(eit feiner Gruppen. $urdj biefe 2lrt be« Angriffs entzog ber ftönig ben Defterreichern auf bem engen Xerrain, auf meinem bie ©djlacht au«* gefönten mürbe, ben S3ortf)eU ber numertfehen Ueberlegenheit , unb fo blieb naefc bierftünbigem Reißen fingen ber ©ieg ben *ßreu&en.

2Bät)renb fid) ®arl bon Lothringen in ba« ©ebirge jurücfaog, hielt griebrich bei ©oor, um bie (£f)re be« «Siege« ju matjren, noch eine fünftägige SRaft unb trat bann ben 9tücfn>eg nach ©chle* fien an, iueil bie ganje ÖJegenb fo boflftänbig auägefogen mar, baß tx feinen Unterhalt mehr auftreiben fonnte. £a er ben bie&jährigen gelbjug für beenbigt hielt, legte er fein £eer jmifchen ©chroeibnifc unb ©triegau in bie SBinterauartiere unb (ehrte am 28. Dftober nach Berlin jurücf. ®aum mar er jebodj in feiner ftauptftabt an= gelangt, al* er burch ben fchmebifchen (Sefanbten am $re«bener §ofe bie ®unbe erhielt, baß feine (Gegner nach einem bon bem trafen 93rüt)I entmorfenen *ßlane einen Einbruch in feine (£rb* ftaaten aufführen gebachten. $on bem öfter reichten $>eere, ba« unter bem ©rafen Sraun am $tf)tint ftanb , foHten äclmtaufenb Sftann unter bem General ©rünne gegen Seidig rücfen , um bon bort im Vereine mit einem fächftfdjcn ßorp« in bie ßurmarf ein* aufaßen, unb ber $rinj öon ßothringen ju ber gleichen Seit bon Böhmen au« burch bie Saufifc gegen ©agan unb troffen siehen, um bie ^reufcen im föütfen ju faffen.

Um biefen <ßlan ju bereitein, fer)rtc griebrich fofort nach ©chlefien jurüdf, jog rafd) feine Gruppen jufammen, befefcte alle Ißäffe nac| ©öhmen unb ber ßaufifc , bamit feine (Segner (eine ihtnbfchaft bon ihm erhalten (önnten, unb rücfte am 23. Sßobember tn aller ©rille gegen ©örlifc bor. S3ei #atholifcfr#enneräborf fttef? er auf einen fächfifdjen £eerhaufen, melier bie Vorhut beS $rin$en

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$er öfterreicfyfdjc ©rbfolgefricg.

t>on ßothringen bilbete unb burdj baS unerwartete (Srfcheinen ber Greußen überrafdjt, natf) furjem Kampfe jerfprengt tourbe. ®axt fetbft, ber ben ganjen $lan öerrathen fah, jog ftdj rafdj nadj Söhnten prücf, um Don bort über Sßtma jum Sdjufee $reSbenS nach Sachten ju jtefjen. tluct) ber ®raf (Srünne, ber fich bereit* ber branbenburgifdjen ÖJrenje genähert fyattt, ^ieU eS für geraden, umjufehren, um ficf) mit bem fächfifcöen £>auptheere ju Bereinigen, baS unter bem (trafen NutoroSfy bei Bresben ftanb.

Nachbem griebridj in ©Örlifc eingerücft, fanbte er bem alten Sürften oon 5>effau SBefehl, mit feinem bei $alle oerfammelten $eere in baS furfächfifche (Gebiet einjurürfen unb bie Sachfen bei Bresben anjugreifen. tiefer nahm juerft Seipjig burd) ®apitu* lation ein unb erfchien, nachbem er fid) am 13. 5)e5ember mit bem au* ber ßaufifc herangezogenen ÖJeneral fiehtoalb oereinigt ^atte, ben Srriebricf) gu feiner SBerftärfung abgeorbnet, am 25. üor ber fädjfU fchen #auptftabt, aus melier Sluguft III. mit bem (trafen SBrüfjI nac^ $rag entflogen mar.

Obgleich ber alte Tcffauer baS fädjfifche £eer mit bem ®orpS beS ©rafen ®rünne auf einer 5lnf)öhe bei föeffelsborfin treffe lieber Stellung oerfcfyanjt fanb, fcrjritt er, burd) ben SSormurf ju großer fiangfamfeit, ben ifjm griebrich toährenb beS SBormarfcheS gegen Bresben brieflieb, gemacht, in feiner gelbberrnehre fchroer öerlefct, um jtoei Uhr Nachmittags sunt Angriff auf baSfelbe. SNit füf)ner XobeSöerachtung trotten bie preu&ifdjen (JJrenabiere bem geuer beS geinbeS; bennoch mürben fie jurüdgetoorfen, unb bie ©djlacfjt würbe für bie Ttffaucr oerloren getoefen fein, hätten nicht bie Sachfen unb Dcfterreidjcr, in ber 9)teinung, ben Sieg bereits errungen ju höben, ihre Skrfdjanjungen üerlaffen, um ben geinb ooöftänbig in bie gludjt gu fragen. Sofort erneuerte ber preußijche gelbherr ben Angriff, unb feine Xapferfeit ber Sachfen unb Cefter- reidjer öermochte ben begangenen Sehler toieber gut $u machen. Söährcnb ÄeffelSborf, in meines ber dteneral Sehroalb eingebrungen, in SÖranb gerietf), erftieg ber preußifche linfe glügel bie Slnhöfje, unb beim (Einbruch ber Nacht befanb fich baS aufgelöste fächfifefc öfterreichifchc $>eer auf bem fluchtartigen Nütfjuge, breitaufenb Xobte unb fedjStaufenb befangene mit achtunboierjig Kanonen auf bem ®ampfplafce jurücflaffenb. $cr Sßrinj oon fiothringen, ber bis in ben ^lauen'fchen ®runb oorgebrungen, ging nach ber Nieberlage feiner S3unbeSgenoffen über bie böhmifche ©renje §urütf.

griebrich erhielt bie Nachricht oon bem Siege bei ®effelSborf in SJcei&en, loohin er an bem gleichen Sage mit bem §auptheere aufgebrochen, um ben Ausgang ber Schlacht abjutoarten. 2tm folgenben Sage lieft et feine Xruppen ju benen beS Surften oon 25effau fto&en, unb am 18. ^ejember h^It er feinen (Sinjug in

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2>er aroettc fchleftfche tfrieg.

395

Bresben , baS if>m ofme SBibcrftanb bic X^ore öffnete. 3n gan& (Saufen mürben fernere 93ranbfd)a|jungen erhoben; bagegen be* fat)l ber ®ömg feinen Gruppen ftrenge SJcannSjucht an unb fudjtc bie SBeöölferung ber £>auptftabt burd) ein J)erabIoffenbe§ benehmen 5u genrinnen.

2luguft III. erflärte fich öon $rag aus brieflich jum grieben bereit. sÜ\id) Wlaxia X^crfia erfannte bie SRothtoenbigfett, fid) mit griebrich jn öertragen; fie fanbte bat)er ben Statthalter öon 33öh* men, ben trafen ^mrradj, mit Vollmachten ju griebenSunterhanb= fangen nach Bresben. $a griebrid)S finanzielle Gräfte öottftänbig erfdjöpft maren in feiner ®affe fanben fid) nur nod) fünfje^n= taufenb %fyaUx unb er überbieS muftte, baö bie ®aiferin*$önigin jmifa^en bem grieben mit it)m ober mit granfreidj ge[chmanft hatte unb mit ber (enteren Stacht bereite in Unterr)anblungen getreten mar, ^ütete er fid) roof)l, baS griebenSmerf burch meiter gehenbe gor-- berungen als bie in bem Vertrage öon $annoöer enthaltenen ju gefät)rben, unb fo fonnte fd)on am 25.$ejember ber griebe öon Bresben unterzeichnet roerben. gn bemfelben öcrzidjtete Sftaria Ztyxtfw junt anbern Sftale auf ©d)lefien, wogegen griebrich ihren ©emarjl als ®aifer anerfannte. ©achfen verpflichtete fich gur 3ahlung einer ÜftiHion %f)akx an ben ®önig öon $reu&en unb geroährleiftete bemfelben ben SBefifc öon ©d)lefien; and) leiftete bie @)emar)lin SluguftS III. auSbrfitflieh auf alle Slnjprüche «erficht, bie fie als Xodjter ®aifer QofephS I. an biefeS ßanb haben fönnc. &er $ur= fürft öon ber sßfatj mürbe in ben grieben eingcfcf)loffen unb aner= fannte granj I. als ®aifer.

£te öter legten 3a|re beä äfterretdnfdjen erbfolgefriegeS.

(1745—1748.)

9cadj bem £obe ®arls VII. brangen bie Cefterrcia^er unter SBärenflau unb Söatt^r^ani in Söaiern ein unb öertrieben foroohl bie baierifchen als bie franjöfifchen Gruppen aus bem ganzen fianbc, fo ba& ber junge Surfürft SJcajimilian Sofeph fu$ aus feiner föefi* benj nach SlugSburg flüchten mu&te. s2Iuct) baS franzöfifche $eer, baS unter bem SRarfchatt 9JcailleboiS an ber Sahn ftanb unb 93e* fehl hatte, nöthigenfatts in Söaiem fünften SKarimitian 3ofept)S einzuschreiten, mürbe burch ben aus ben Sftieberlanben h^anjiehen* ben faiferlichen gelbherrn Aremberg jurüefgebrängt. S3ei biefer Sachlage blieb bem Ihirfürften, ber anfangs beftimmt erflärt hatte, bem $8ünbni§ mit granfreid) unb ^reugen treu bleiben 511 motten, Vichts übrig, als fich mit Defterreict} auSjuföhnen, moju

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$er Bfierreidjtfdje Grbfotgefricg.

if)m nidjt nur ©etfenborf, bcr furj bor bcm Xobe ®arlä VIT. bcn Oberbefehl über baä baiertfefte #eer niebergelegt, fonbern audj feine eigene 9ftutter bringenb rietfjen. ©o (am am 22. SIprtf 1745 ber griebe bon Hüffen ju ©tanbc, in meinem Hftarjmitian Sofepö allen Stnfprüdjen auf ba3 öfterreidn'fdje (Srbe entfagte, ber bon bem #teid)e übernommenen ©emäfjrleiftung ber pragmatifdjen ©anetion beitrat unb feine Stimme bei ber beborftefjenben ®aifermaf)I bem <&emaljle Sftaria Xljerefta'a juftcf)erte, mogegen biefe ifyrn unter 2kr* ätdjtteiftung auf alle @ntfdjäbigung$anfprüdje feine fämmtftdjcn ßänber äurüdffteHte unb bie ®aifernmrbe feinet Sßatera anerfannte.

(£ine $auptforge SKaria Xfjerefia'S mar bie ©idjerung ber Höar)I ifyreä (Stemaljte jnm ®aifer, roofür iljr außer ber baierifdjen ®urftimme bie ber brei geiftlia^en ®urfürfien, fomie bie bon ©aefj* fenf ftannober unb 93öf)men gemiß maren. $a Submig XV. grieb* rtdj IT. auf ba3 SBeftimmtefte jugefagt fjatte, baß er ftdj, felbft mit ©efa^r einer ©djladjt, ber (Srmäfjlung be3 ©roßfjer§og3 bon Xo3* fana tmberfefcen merbe, galt bor 5(Hem, baS franjöfifdje £>cer, ba$ in ber ©tärfe bon fünfjigtaufcnb SRamt unter bem ^rinjen (Sonti ben föfyein überfdjrttten unb jmifeften 3>armftabt, Wfdjaffcnburg unb (ließen ©teßung genommen, mieber bon bem 3ieid)3boben ju vertreiben, bamit berfelbe für bie auf ben 2. ^uni anberaumte (Sr= Öffnung be$ SBaljltageä frei fei. Qu biefem (Snbe führte ber öfter- reidjifdje Setbmnrfdjall Xraun, ber im üorfyergefjcnben 3aljre unter $arl bon Sotfjringen an ber Vertreibung Sriebridjä aus 33öf)men einen ^eröorragenben $lntf)eil gefjabt, bie nodj in SBaiern ftefjenben Oeftcrreidjer an ben 9ftain, mäfyrenb Aremberg mit einer §eere$= abtfjeilung aus ben Sftieberlanben fyeranjog. Sftadjbem beibc gelb= Ijerren tfjre Xruppen in Orb bereinigt, übernahm ber ©roßljerjog Sranj ©tepljan felbft ben Oberbefehl über biefetben. Xie granjofen ließen jebod) $u feiner eigentlidjen ©djladjt fommen, fonbern 3ogcn fitt) unter (leinen ®efedjten unb fteten SSerluften über ben sJtf)ein jurürf.

©o mar bie ^aifermaf)! jebem fremben ©influß entzogen, unb ba bie gegen bie SEBafjlfyanblung erhobene ©infpradje beä branben* burgifdjen unb be8 (urpfäljifdjen ©cfanbtcn (eine Söcrürfjidjtigung fanb, mürbe am 13. ©eptember 1745 „bcr burdjlaudtfigfte §err granjiSfu^ ©tepfjanuS, £>erjog bon fiotfjringen unb 93ar, ©roß= ^er5og bon Xoäfana unb föönig bon Qerufalem" mit ben peben übrigen ©timmen a(8 Sranj L sunt $aifer gemault. Xie feier* lia)e Krönung be^ neuen ^aiferö, beffen 2öar)I bon bem S8ol(e mit 3ubcl begrüßt morben, erfolgte am 4. Cftober in ÖJegenmart 9J2aria Xfjerefia'8, bie fta^ nic^t {jatte berfagen (önnen, fia^ ^u berfelben nadj gran(furt ju begeben, unb auf ifjrer fReifc über SRegenäburg, Dürnberg unb Slfajaffenburg aller Orten mit begeiftertem %ubd

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$ie oter Ickten 3af)re be$ öfterreidjifdjen (SrbfoIgefrtegeS. 397

empfangen worben fear. ber ®rönung8jug fid) oom $)ome iu ben Börner jurüdbewegte, gab fie oom öalfon eine* nafjen $aufe& tyerab, auf weldjem fie bemfelben aufbaute, burdj ben 9tuf : „SSioat ftaifer gran$!" baä $eid)cn 5U jaudfoenber ^Begrüßung be$ neuen ®aifer$. ©ie felbft fonnte jebodj burd) (ein Sureben bewogen wer- ben, fid) $ur ftaiferin frönen $u laffen; bennoa) fährte fie fortan ben Xitel $aiferin*®önigin.

SDiit bem 2lbfd)lu| be£ $reäbener griebenS, burd) weldjeu bem ©trett unter ben oerfduebenen $ftei<f)$g(iebem ein Ski gefegt ioorben, fyatte ber öfterreidjifdje (Srbfolgefrieg auf beutfdjem ©oben fein ßnbe erreia^t; nur in ben SRieberlanben unb in Italien fowie jur See bauerte er nodj $wifd)en Defterreid), $oßanb, (Snglanb unb ©arbinien einerfeitS unb granfreid) unb ©panien anberer* feit* fort.

3n ben Sßieberlanben, woljin Subwig XV. im 2lpril 1745 jum anbern Sftate mit einem £eere oon adjtjigtaufenb SRann auf- gebrochen mar, oerfajaffte ber in franjöftfdje Xienfte getretene unb $um aj^arfa^aH oon granfreid) ernanute ®raf 9ftorifc oon ©ad)fen, ein natürlicher ©ofm Sluguftä II. (f. ©. 242), feinem $ater wie an Äörperfraft fo aud) an ©ittenberberbnifj äfmlidj, aber babet ein auägejeidfneter gelbfjerr, ben Sranjofen burdj eine Steide glän* jenber 3Baffentf)aten ein entfduebeneS Uebergewidjt. ©ei bem 3)orfc gontenoi, unweit Xournai, erfodjt er am 11. 9Kai 1745, in einem ber blutigften Xreffen be3 ganjen Krieges, über bie oon bem $ersog oon Sumberlanb unb bem öfterreidnfdjen gelbmarfa)all ftönigS* egg geführte pragmatifdje 2lrmee einen ©ieg, ber aufcer ber lieber* gäbe ber oon ben granjofen feit längerer Qcit oergeblidj belagerten geftung Xournai ben gall oon ©rügge, Dubenarbe unb mehrerer anberen widrigen <ßläfce jur golge Ijatte.

9tod) ungünftiger geftalteten fid) für bie SBerbünbeten bie $er^ fjältniffe in ben SRieberlauben, nao^bem ber #er$og Don (£umber- lanb mit einem XfjeUe be3 engtifajen £eere& jur ©efämpfung be& 3afobitenaufftanbe& naa) CSnglanb abberufen worben (f. ©. 300). Sluf bie (Eroberung ber £auptftabt ©rüffel (20. gebruar 1746), in welaje Subwig XV. am 4. Sttai feinen (Sinjug fjtelt, folgte rafa) naa) einanber bie oon aWeajeln, ßöwen, Antwerpen, ÜftonS, ßfyarleroi unb SRamur, unb nad) bem blutigen ©ieg, ben 2Rori& oon ©adjfen am 11. Oftober bei föaucour. über ben Ißrinjeu ßarl oon ßotfjringen erfodjt, würben bie gefammten öfterreityfdjen «Rieberlanbe bi* auf ßujemburg unb Himburg oon ben granaofen befefct.

Ilm bie ©eneralftaaten jum grieben ju jwingen, ließ öub- wig XV. im Slpril 1747 feine Xruppen in bad ^ottönbija^e Ge- biet einrüefen unb gab baburd) Seranlaffung ju einem ä^nliajen

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$er Öfterrcicf)i)cf)e gv&folgcfrieg.

Umfdjmung in bcn SBerhäftniffen ber föepublif, tote bteS ßub* toig XIV. burcfj feinen (Einbruch im 3flhrc M>7% gethan (f. S. 68). 9iad} bem Xobe SBilhelmS III. , ber auch als Äouig oon (Englanb bie Statthaltermürbe beibehielt , ^atte in ben Sfcicberlanben bie ariftofratifche Partei über bie oranifdje baS llebergemicht erlangt unb im Jfaljre 1703 bie Slbfdjaffung ber (Erbftatthattermürbe burch* gefegt, bie SBilfjelm III. oergebenS feinem Detter Qo^ann Wilhelm t)on 9caffau*Dranien aus bem £>aufe Sfcaffau^tefo, bem Statthalter Don grieSlanb unb ©röningen, $u fiebern gefugt. So mar bie obere £eitung ber gefammten nieberlänbifchen $olitif mieber an ben ©roß* ober SRatfj&penfionär jurücfgefommen. $er ungünftige Serlauf beS Kriege*, in meieren fidj bie SRepublif als BunbeSgenoffe Defterreid)3 «mgelaffen, fyattt jebodj baS SSolf gegen bie ^errfct)cnbc ariftorra* tifdje Partei erbittert, unb ba bie Anhänger beS $>aufeS Oranien nic^t ermangelten, biefe (Erbitterung ju frören unb bie SBieberher* ftellung ber (Erbftatthalterfchaft als baS einzige SJftttel $ur Rettung ber SRepublif ju bezeichnen , mürbe ber $rin& SBtlhelm oon Dra* nien, ber Sohn beS obengenannten 3°hann Söilhelm unb gleich fem Statthalter oon JjfrieSlanb unb (Kröningen, am 2. Wlai 1727, unter eifriger SRitmirfung ©eorgS II. oon (Englanb, feines Schmie» <jeroaterS, oon fämmtlichen ^rooinjen als SBilhelm IV. $um ÖJeneralftatthalter , (Keneralfapitän unb Oberabmiral oon £>ouanb ernannt unb im 3öhre 1748 bie Statthaltermitrbe auch in meib* licher Sinie für erblich erttärt, woburch bie SRepubltf thatfächlich jur (Erbmonarchie mürbe.

3nbeffen mar auch ocr neue Statthalter ein leutfeücjer, reb= licher ÜWann , ber Vichts oon ber ©emanbtheit unb Sßerfdjloffenhett beS erften, noch oon ber Lauheit unb Derbheit beS britten SBil* heim, aber auch Vichts oon ber ftriegStüchtigteit Leiber befaß nicht im Stanbe, ben Sortfehritten ber granjofen (Einhalt ju thun. Hm 2. 3uli 1747 erfocht 2)?ori^ oon Sadjfen bei bem 5)orfe ßattM f e 1 b einen neuen großen Sieg über ben .peqog oon (£umberlanb, beffen sJfteberlage ben granjofen ben 2Beg zur Belagerung oon 2Kaftricht bahnte, baS ihnen im üttai 1748 in bie £änbe fiel. Sluch baS wichtige Bergen op Qoom mürbe in ber flacht oom 5. auf ben 6. September 1747 burefj ben franjöpfchen gelbherrn ßömen» thal erftürmt.

3n ^tnlicn mar ber ftrieg jmifchen Spanien unb Defter* reia) feit bem $ahre 1742 mit abmechfelnbem ®lücf gefuhrt mor* ben. $a es ftd) babei für Spanien junädrft um bie Befi&ergrei* fung oon $arma unb $iacen$a hobelte, bie ihm in bem Sfcom* phenburger Bünbnijj als Söeuteantheil an ber ju jerftücfelnben öfterreieftifchen Monarchie juerfannt morben, mar baS nörbliche Italien in ber erften Qt\t ber #auptfd>auplaj beS Krieges, Jöon

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S)te bier legten 3al)rc be* öfterreidjif d>en (Sr&folgefriege*. 399

entfd)eibenber 2ßid)tigfeit erfdjien bic Stellung , bie ber ßönig $arl Immanuel oon Sarbinien ju ben beiben Parteien nehmen merbe, ba er nic^t nur über breijjigtaufenb Sttann gutgefdjulter Xruppen verfügte, fonbern audj bte Sdjlüffel $u Qtalten in feiner £>anb r)atte ; für ifyn felbft aber mar nidjt* Rubere* ma&ßebenb al* ber grö&ere 93ort^cil , unb ba er biefen auf ber Seite Defterreid)* ju finben glaubte, fd)lo& er, nadjbem er fid) Anfang* Spanien genä- hert, am 1. Sebruar 1742 mit SDfaria $l)erefia einen Vertrag, in lucldjem er gegen bie Abtretung atte* meftlid) uont Xeffino gelegenen Sanbe* bie Operationen be* öfterreidjijdjen Speere* , ba* unter bem ©rafen ©raun in Qtatien erfdnenen mar, mit feiner gefammten ®rieg*madjt ju unterftüfcen oerfprad). 55a ber £>er$og oon 9ftobena fid) in*gefjeim an Spanien angefeftfoffen tyatte, befefcten Xraun unb $arl Immanuel beffen (Gebiet, worauf ber £>er$og fid) nad) SBenebtg jurüdjog. 3" btx gleiten Seit (Sluguft 1742) mürbe ber ®ömg $arl IH. oon Neapel, ber bereit* jmölftaufenb Sttann 511 bem im $ird)enftaate ftefyenben fpanifdjen |>eere unter bem*.jper$og Sttonte* mar (jatte ftofjen laffen, burd) ein engttfdje* ©cfdnoaber , ba* uner- martet in ber Söudjt uon Neapel crfct)icn unb bie Stabt mit einem Söombarbement bebrof)te, jur Surüdberufung fetner ©ruppen unb $ur 3ufid)erung unbebingter Neutralität gejmungen. dagegen brofjte ®arl Emmanuel üon Sarbinien im folgenben 3afjre, burd) glän= jenbe Slnerbietungen oon Seiten granfreid)* unb Spanien* berlorft, oon Defterreid) abjufaflen, unb fonnte nur burdj neue ©ebiet*ab* tretungen, 511 betten 9#aria ©l)erefta fid) auf ba* ©rängen Eng* lanb* entflog , jur Erneuerung be* eingegangenen iöünbniffe* be* mögen merben.

3m 3af>re 1744 führte ber öefdjt, ben 9ttaria ©fjerefia bem Sürften Sobfornifc, bem SRadjfolger ©raun* im Dberfommanbo über bie in Stefan fteljenben öftcrreidjifdjen ©nippen, jum Sinrütfen in ba* Äönigreid) Neapel gegeben fjatte, ben #önig $arl III. auf ben #rieg*jd)aupla|j jurütf, worauf im mittleren Statten ernfte kämpfe ftattfanben, bi* ftd) fiobfomifc im Huguft 1744 genötigt faf) , fidj mit ber öftemidufdjen ^pauptmaajt nad? bem Horben jurüdjujie^en, um bem ton Spaniern unb granjojen ferner bebrängten $önig oon Sarbinien $u £ilfe ju fommen.

©er Selbjug be* 3af)re* 1745 öerlief für bie oerbunbeten Defterreidjer unb Sarbinier nod) ungünftiger, ba nid)t nur granf* reid) unb Spanien im Söunbe mit Neapel unb Sttobena bebeuten* bere Streitträfte in ben $ampf führten, fonbern aud) ©enua fidj ber SUttanj gegen Defterreid) angefdjlojfen Ijatte. 2Bäf)renb ber Äönig oon Sarbinien burd) ben 9JtarfdmlI üRaiUeboi* bi* nadf) ©urin jurüdgebrängt mürbe, befefte ber Snfant $on ^^üipp mit äner fpanifa^'franjöfifc^en i>eere*abtfjeilung nia)t nur ^arrna unb

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400

$cr 5fteaei$tf{$e (5rbfoigerrieg.

^iacenja, fonbern auch einen großen Xfjeil beS toSfanifchen unb matfänbifchen ©ebietc^ , unb In'ett am 19. ^ejember feinen ©injug in SKailanb, too ihm ttrie bem rechtmäßigen $>errfdjer get)ulbtgt mürbe.

Statten festen für Ocfterreidj oerloren unb jroar um fo fidjerer, als ber ®onig öon ©arbinien abermals burd) bie £>öfe Don SBer- faitleS unb ÜKabrib in ber Xreue gegen feinen bisherigen 23unbeS= genoffen manfenb gemacht toorben mar. Qnbeffen bemog bie ©eforgniß, nacr) ber Vertreibung ber Cefterreidjer anS Italien in öoüftänbige ^(b^ängigfeit Don ben Söourbonen ju geraden , ben ®ömg ®arl ©mmanticr, fein 53ünbniß mit Sttaria X^erefia aufregt ju galten, unb ber ©ieg, ben bie £)efterreid)er unter bem gürften ßidjtenftein am 16. Quni 1746 bei ^iacenja über baS fpanifd)*fran$ö* fifct)e $cer unter QJageS unb üttailleboiS erfochten, entriß ihren (Gegnern bie meiften ber im oorf)crgcr)enben Qafyxt errungenen S8or- tt)etlc. Öfenua fclbft fiel am 5. ©cptem6cr in bie $änbe ber Qefter* reifer , unb fcfjon ftanben biefclben im begriffe , burd) einen @in= fall in bie s$rooence ben ßxieg nach granfreid) hinüber ju tragen, als pe burd) einen SBolfSaufftanb roieber aus ©enua oerrriebert mürben.

Unterbeffen r)atte ber Xob ^htfippS V. oon ©panien (9. Quli 1746) in bem Verhalten beS £)ofeS oon Sftabrib eine für Defter* reich günftige Slenberung herbeigeführt, inbem ber neue ®önig, gerbinanb VI. (1746—1759) feine Öuft trug, bie Gräfte feines ÖanbeS noer) mehr ju erfd)öpfen, um feinem ©ttefbruber ^p^itt^»p (Gebiete in Italien ju erobern, unb bafjer ben $tieg in biefem £anbc mit ungleich geringerem (Sifer betrieb, als cS feine ©rief= mutter getfjan, beren §crrjcf)aft mit bem Xobe ^3t)Utppö V. ü)r (Snbe erreicht rmtte.

2lucf) jur rareren Herbeiführung beS griebenS mirfte ber Xhronmccx)feI in Spanien mit, inbem Serbinanb VI. buref) feine (Gemahlin, eine portugiefifdje ^ßrinjeffin, ju einer Slnnäherung an ©nglanb bemogen mürbe, tiefer Umftanb , oerbunben mit bem ©chaben, ben bie ©nglänber ber ©eemad)t unb bem $>anbel ber granjofen buret) erfolgreiche Angriffe auf bereu Kriegs* unb $auf= fahrteifchiffe zufügten, unb- ber immer fühlbarer roerbenben (£r* fchöpfung, marfjte auch oen §of üon VerfailleS jum grieben geneigt, unb ba bei ben übrigen friegführenben dächten baS griebenS* bebürfmß nicht minber groß mar, trat im 2ttär$ 1748 $u dachen ein griebenSfongreß jufammen. ©chon am 30. 9lpril hotte man fief) über bie Präliminarien geeinigt ; ber bepnitioe griebe mürbe jeboch erft am 18. £f tober hunocrt 3°^ oem toeftfäü* fehen grieben unterzeichnet. $ie GJrunbfage beSfelben bilbete bie gegenfeitige SSiebererftattung aller gemachten Eroberungen, mit

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Ocftcrr. u. ?reuß. nad) b. öfterr. (Srbfolgetricfl. SRar. 3^ct. als ftegentin. 401

alleiniger Ausnahme bon $arma unb $iacen$a, bicr nebft bcm Keinen, feit bem 3af)rc 1746 burch ben lob beS finberlofen ptx* &og3 3<>fa>h au& einer Seitenlinie be3 £>aufe* ©onjaga erlebigten ^ersogt^nm ®uaftada , als ein neuer, felbftftänbiger ©taat bem fpanif^en 3nfonten X>on $^Uipp , bem ©ohne ber ©(ifabeth SJar* nefe, juerfannt würben. $em Äönig bon ©arbinien öerblieb ber toeftUd) bom Xeffino gelegene Xheil be3 #erjogthumä SRatfanb. X)iefe Gebiete maren , nebft bem größten Xheile bon ©Rieften unb ber ©raffäaft ©lafc, bie «erlufte, mit welchen SKoria Xherefia au* bem großen, jur 3crtrümmemng ber öfterreic^ifc^en SRonarchie unternommenen Kriege hervorging.

xxin.

©efferreta) unb ^freuten naa) bem ofterretdiifefiett grö-

fofgeftriege.

(1748-1756.)

SDtaria 2fjerefta al$ ftegentin-

£aben mir bie fjo^erjige Xodjter #arl$ VI. im Kampfe um ihr bäterlidjcä Srbe mit männlichem SDtuthe ihren jahfreichen <£eg* nem bie ©tirne bieten unb auch inmitten ber gcfät)rticr)ften ©türme bie 5afme Defterreich$ f)oc$t)alten fefjen, fo jeigt fie fich nach bem* felben nict)t minber groß unb bewunberungSWürbig in ihrem frieb* liehen SSMrfen für bie Hebung ber inneren ftraft ihres Meiches unb für bie SBeglücfang ihrer Sölfer. „$er ©rfotg," fagt SSetß, chatte 9ftaria Xherefia nicht geblenbet, ber 3ubel ber Änerfennung fie nicht übermütig gemacht. $er STnfer, ber fie fefthielt, wo fo SBiete geftrauchelt wären, blieb il)r tiefe* Pflichtgefühl, gern bon fträfUdjer 3ut)erftd^t, mar fie immer bor jid) felber auf ber #ut unb fürchtete, auf ihrer ferneren ßaufbahn ju wanfen unb nach «ficnb einer ©eite hin Unrecht ju thun."

$ie SRaßregeln, burch welche SJtoria Xherefia bie innere Kräftigung ber öfterreichifchen STconardue ju bewerfftelligen unb ba$ SS?ohl ihrer Unterthanen gu förbem ^offtc , beftanben in einer größeren (Eentralifation ber SBerWaltung mit möglichfter ©chonung alter gormen unb Ueberlieferungen , in ber STufbefferung ber (£toü* unb ©trafredjtSpflege , beS ßriegS*, ginanj* unb Unterricf)t3wefenS burch he^fame un° seitgemäße Reformen, wobei fie jeboch mit großer SSorfidjt unb ruhiger Ueberlegung ju SBerfe ging unb bem „guten ^erfornmen" öietätbott Rechnung trug, fomie in ber eifrige

$olatoait$, SSeltfle^tc, VI. 26

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402 Defterreidj unb ^reufeen nadj bcm öftcrreid)ijd)en (Srbfolgefriege.

ficn Sürforge für bic Hebung beä #anbel« unb bcr Qnbuftrie unb für bic Crrletdjterung be3 üoofcd bcr Sanbbeoölferung burd) bic 2)ftlberung bcr grofmbienfte.

$)er Ijeröorragenbfie 9tatt)geber bcr ®aiferin in bcr $urd)= füt)rung bcr mciftcn bicfcr SJca&regeln mar bcr ®raf $ a u g m i |j, ein ©djlefter, bcr unter ifjrem sBater SRatt) bei bem Cberaintc in Jöreälau gemejen unb in beffen 6taatäflugt)eit ftc Iwuptjädjlid} befc I)alb ein unbebtngteä Vertrauen jefote, »eil bic )öorfid)t, bic er tt)r nadj bcm 8bfd)lui beä griebenä oon Söreälau gegen roeitere ©robe* rungSpläne be3 ÄönigS oon <ßreuf$en anempfohlen, ftd) als notlj* roenbig ^erauägeftellt Imtte unb alleä, toaä er it)r barüber oorau** gejagt, in (Erfüllung gegangen mar. s2ludj jefct mahnte er fie auf baä (Einbringlidjfte, fid) burd) bie (Erdung itjrer Streitfräfte unb eine angemeffene föeorganijation beä §cermefenS für bie ©oentualität eine« neuen Ifriegeä bereit $u galten. 2)ic ßaijerin befolgte biejen 9latr)f unb ba man es in Söicn nid)t für eine (Srniebrigung Inelt, aud) oon bem Seinbe $u lernen, mürben oiele (Stnriaptungen be$ prcuBifajen ^eermejenä in baä öfterreidjijdje aufgenommen. )8ejon» ber3 mürben t)aufigc gelblager abgehalten, ba man barin ba3 befte ■Drittel jur §eranbilbung friegStüdjtiger Gruppen erfanntc. £>abei Ijielt bic ftaiferin, bie biejen Uebungcn perfönlid) beijumo^nen pflegte, ftrenge barauf, baß it)re ©olbaten menjdjlidj befmnbelt mürben, unb erjjö^tc babura) beren Slnt)anglid)feit au it)re $errjd)erin. „$art märe eä," fo meinte fie, „menn man joldje ßeutc ate mic Sflaoen hielte, ©in oöüig ber SKeinung, ba& jemefjr 3reit)eit gelaffen mirb, befto metjr man auf jolcfje ^eute trauen fann." 3n jeber öe^ieljung mar fie bemüht ben ©olbatenftanb au3$uäetdmen unb ju einem et)ren* Collen ju machen ; bod) bulbetc fie nidjt bic geringste (Erhebung bed= jclbeu auf Soften frieblict)er ^Bürger.

Um ein tüchtige» Dffijicrforp* t)eransubilben, grünbete 2Raria Sj&erejia im Qaljre 1752 bic 3Jcilitärafabemie ju SBtener^leuftabt, mit einer ißorfdmle für fmnbert arme abelige Knaben ober ©ötme oon Offizieren, unb im 3at)re 1754 aud) in Söien eine 2Hilitär= afabemic. Selbft it)r (Gegner griebrid) II. fonnte nia^t umfun, it)rem erfolgreichen SSirfen für bie £ebung beä bfterreidHjdfcn äftilitärmefend QJeredjttgfeit roiberfatjren ju laffen. „Xie ftaiferin", jagt er, „t)atte im öorigen Kriege bie 9tott)menbigfeit einer befjeren &ricg$jud)t eingejefyen. 6ie mäfylte tljätige ©enerale, meldje ge- jdjirft maren, ilriegdjua)t unter ben Xruppen einzuführen ; bie alten uub für ben 3)ienft i^rcr ©teUeu untüa^tigen Offiziere mürben auf ^enfion gefegt unb an it)rer 8tcüc junge ücutc oon 'Staube ange> (teilt, bie oofi @ifer unb ooll Üiebc jum ßtiegäbienft maren. 3lüc Qat;rc mürben itager in ben ^rooinjen errietet, in melden bic Gruppen oon 3njpeftionä*!8eöoUmädjtigten , bie mit ben großen

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Waxia Sherefta als Rcgentin.

403

#riegSmanöüern fet)r mohl befannt waren, geübt mürben; bie fi-atferin begab fia? felbft oerfduebene Sftale in bie £ager bei $rag unb Olmüfc, um bie Xruppen burd) ihre ©egenmart unb ihre Srei* gebigfett anzufeuern. Keffer als irgenb ein ftürft öerftanb fie eS, jene (Sljrenjeidjen, auf meldte man einen fo h°h*n SBerth legt, geltenb ju machen ; fte belohnte bie Cffijiere, meiere ihr bon ihren (Generalen empfohlen maren, unb fo ermetfte fte überaß SSett* eifer. Unter ber Seitung beS Surften Siajtenftein bilbete fta) eine eigene ©djule ber Slrtifleric ; er brachte btefeS #orpS auf fedjS Ba* taillone, ben (Gebrauch ber Kanonen aber ju einem bisher gan$ un* erhörten ©rabe."

Um bie einnahmen beS (Staates bem gefteigerten Bebürfnif? entfpredjenb ju erhöhen, mürben bie abeligen Orunbbefifcer, bie bis bafun fteuerfrei gemefen, in ber gleiten Söeife mie bie Bauern, menn auch $u einem anbern ^rocentfafc, ju ben Abgaben herange* sogen unb aufeerbem in baS gefammte Sinan^mefen, auf ben Bor* fdjlag beS ©rafen #augmi(j, fo treffliche Reformen eingeführt, baß bie ©taatSeinfunfte unter Üftaria Dherejia, trofc beS BerlufteS bon ©djleften unb ber italienifchen Jper$ogtl)ümer, noch einmal fo oiel betrugen, als unter $arl VI.

Die Rechtspflege mürbe unter üflaria £f)ercfta bebeutenb ge* hoben burch bie Trennung berfelben öon ber Bertualtung unb burch bie (Einführung einer neuen, für fämmtliche beutfehen ©rblänber giltigen ®erichtSorbnung , burch meldte inSbefonbere eine rafchere (Srlebigung ber ^rojeffe ermöglicht mürbe. 3ur Durchführung ber neuen RegierungSgrunbiä(}e mürben bie ®reisämter ins Seben ge* rufen. Den ÄreiShauptleuten lag nach ber ^nftruftion ber ®ai* ferin, bie Pflicht ob, „ein forgfältigeS Slugenmerf $u richten auf bie reine Beibehaltung unb Sortpflanzung ber fatholifdjen Religion unb auf ^Ibftedung alles ärgerlichen unb lafterhaften ßebenS; bie reifere 3ugenb junt Befuch ber (Sljriftenlefjre anzuhalten unb namentlich für bie chriftliche unb ehrbare (Erziehung ber 3ugenb emfige ©org« falt ju tragen ; ©tragen unb 253ege in gutem ©tanb ju galten unb bie Beüölferung oor ©törung ber Ruhe, oor Betrug burch fal)d)eS 9)ca6 unb ©emicht unb oor Bergeroaltigung burch ^errfc^aftlic^e Beamte ju frfju^en."

Die in baS UnterrichtSmefen eingeführten Reformen belogen fich ebenfomohl auf bie Boltefchulen, bei melchen bie $aiferin be* fonberS auf bie Slnfteöung „anftänbiger unb genugfam erfahrener ©chulmeifter" braug, als auf bie höheren BilbungSanftalten. Bei ben Sftittelfchulen f)\tU bie $aiferin »befonberS auf grünblicheS SBiffen im Satein unb fehlerlofen ©ebraud) ber beutfehen ©prache; nufclofe ©ebächtni&übungen fottten unterbleiben, bagegen bie ©chü* ler an felbftftänbigeS Denfen gemöhnt merben. 3ur #cranbil=

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404 Cefterreid) unb «ßreufeen nach bem öfterrcidjifdjat (JrbfolgeFriege.

bung cincS tüchtigen ©emerbftanbeS würben Slnftalten gegrünber, für welche, in ähnlicher SBcifc wie für unfere ftealfchulen , 8ritt> metif, Geometrie, ?^pf, 2flechanif, Seltnen, Buchhaltung unb Äorrefponbenj, #anbelswiffenfchaft , ÖJefchichte unb ®eograpfne als £et)rfächer bejetc|net waren. Um bem weniger bemittelten Slbcl (Gelegenheit ju bieten, feine ©öfjne ju üerwcnbbaren Staatäbienern auäbtlben ju laffen , grünbete bie ßatferin in ihrem fiuftfchloffe gaöorita baS fogenannte „Xherefianum" unb §ur Sörberung be£ biploinatifchen SBerfehrS mit ber Xürfei bie „orientalifche Wabemie", 511 melier fte burch ben Qefuiten 3ofcpö granj ben $lan f>arte entwerfen laffen. 2Cuc^ bie #ebung ber UniöerfttätSftubien lag ber ßaiferin fcr)r am £er$en; inSbefonbere harte fte fic^ bie Aufgabe geftellt , bie juriftifche gafultät $u folajer SBlüttje $u bringen r bafj feine $ochfchule ©uropa'S fidt) ^croorragenberer föechtSgelehrten rühmen bürfe.

$rofc it)rer wahren unb innigen Srömmigfcit lieg ftd) SKaria I^erefia burdj ben fpäter (1764) in ben gürftenftanb erhobenen ©rafen $ a u n i , ber auf bem SriebenSfongrefj ju Slawen bie igntereffen DefterreichS mit CrHfer unb ©ewanbthett »erfochten unb nac^ oem SriebcnSfchluß Don 3Jcaria %fyttt[ia $um StaatSminifter ernannt warben, fowie burdj ihren £eibar$t, ben .£>ollänber oan Swieten, unb anbere, gleich biefen Reiben ber materiellen SRid)5 tung beS «S^alterS ^ulbigenbe Beamten ju üerfchtebenen Schritten oerleiten, bie ben fatholifchen Qntereffen unb ben päpftlicfjen 9Jecr)- ten gleichmäßig nachtheilig waren, unb gerieth baburdj in ein ge= fpannteS SBcrhältnifc ju bem apoftolifchen ©ruhle; baSfelbe würbe jeboch unter SÖenebift XIV. wieber öollftänbig ausgeglichen. (Segen bie ^ßroteftanten bewies ftch bie föaiferin bulbfam ; fie ficherte ihnen ben JÖottgenuß ihrer fechte ju unb geigte fich allen gegrünbeten iöcfchwerben öon ihrer Seite jugänglich ; bod) oerbat fie fich i&t iöerwenbung frember ÖJefanbtcn für fte.

3u ber 2Bat)l ihrer öertrauten ?Rätr)e war Sftaria Xherefia immer glüeflich; feiten würbe fie getäufcht. Qnbcffert gewann feiner ihrer Sftinifter einen überwiegenben Einfluß auf fte: fie liefe fich überjengen , aber nie in einer il)re @elbftftänbigfeit beeinträchtigen* bett 28ei)e leiten. 3n ihrer unermüblichen Xhätiateit, wie in ihrem raftlofen (Stfer für baS 2Bol)l ihrer Untertanen blieb fie fich *hr gatt$eS £eben lang gleich- 3m Sommer ftanb fte fchon um fünf, im SBinter um fcd)3 Uhr auf, fleibete ftch m$ ihrem Üftorgengc* bete ooQftänbig an, wohnte in ihrer Capelle einer ^eiligen QJicffe bei , frühftücfte unb wibmetc bann ben größten Ityxi 5e8 XageS ben ©efchäften. 3cbcn SRorgen um 10 Uhr fonnten Sitte, bie eine s8ittfd)rift 311 überreichen hatten» bei ihr 2(ubien$ erlangen, unb ba* bei geftattete bie leutselige ®aiferin ben ©ittftettern , ihr ganzes

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SRaria Xljercfia als 3*egentin.

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£>erj bor ihr auS juf djütten. ©o Behielt fte ftetS gühlung mit ihrem Softe unb blieb für baSfelbe ber ©egenftanb ber Ijödrftctt Verehrung rote ber unerfd)ütterlid)ften oertrauenSoollften Slnhäng* lichfeit.

Obgleich HRaria X^crcpa ihren ®emahl jum OTtregenten er* nannt $atte, nahm berfelbe an ben föegierungSgefchäften feinerlei Slntheil, mie er auch als ßaifer in bie verfahrenen 93erhältniffe t>eS SRcic^cö in feiner Seife entfdjeibenb eingriff. Sem üon jebem (Sfjrgeia unb ohne jebmebe Neigung, fich in bie ©taatSangelegen* Reiten rinjumifchen , babei jugleich , im (Begenfafce ju ben lefcten $absburgera, ein entfehiebener geinb aller ©tiquette, gefiel er ftd) fogar barin, öffentlich $u aeigen, ba& er fich am SBiener &ofe nur ülS ^rioatmann betrachte. 2llS eines XageS bie ßaiferin eine feierliche 2Iubien$ erteilte , 50g er fich in eine (Scfe beS ©aale« äurücf , too er fich neben jn?ei tarnen nieberlief?. 2>iefe mollten fogleich auffielen; er fu'ri* ftc i&od) jurücf mit ben ©orten: „Achten Sie nicht auf mich ; ich »itt hier bleiben, bis ber $of fich juriicfjieht, unb mich ön ocm Ablief ber Spenge ergöfcen." 2llS «ine ber Damen ihm bemerfte, ber #of fei ba, too ©eine faifer* liehe SRajeftat fich befinbe, ermiberte er ladjelnb: „©ie irren ffch; tue Äaiferin unb meine SHnber machen ben $of aus ; ich bin hier ■nur ^riüatmann."

UebrigenS mar bie <£he ber ßaiferin eine feljr glüefliche, unb nie tuurbe baS gute ©nöernehmen jroifchen ben beiben (Batten burch t>ie SSerfchiebenheit ber ©haraftere unb Slnfdjauungen geftört. Unb lme über ben häuslichen g rieben, fo machte Sflaria Ztyxtfia mit ihrem feinen ©efühl für alles ©ittlidje unb ©ittige auch über bie &%xt beS ®aiferhofeS, ber unter ihr baS gleiche ©Üb ber ©itten= teinheit unb SBürbe barbot , nrie in ber guten alten Qtit £aS ©djaufmel unb bie Xonfunft mürben an bemfelben ebenfo gut ge= pflegt, mie an bem #ofe griebrichS II. SnSbefonbere roar bie $aiferin , bie felbft eine mohlflingenbe , gut gefchulte ©timme be* fafj, eine greunbin unb Sennerin ber SDßufif, mefchalb fie auch an Goncerten ein großes Vergnügen fanb. 3;nbeffcn famen glän$enbe gefte am SSiener £ofe , namentlich in ben fpäteren fltcgierungS* jähren Hftaria %$ettf\a'$ , nur bei befonberen (Gelegenheiten oor. 5J)ie Äaiferin fühlte fein 93ebürfni6 nach geraufchöoflen 3erftreuungen unb fanb ihre (Erholung im gamilienfretfe. $uch toar ihr ©inn faft auSfchliefjlich auf bie SRegierungSangelegenheitcn unb bie (£r= giehung ihrer ßinber gerichtet , benen fie jmar eine järtliche , ju» gleich aber auch eine ftrenge SKutter mar.

Sftaria XhcrePa fßnnte feine anberen perfönlichen geinbe, als bie beS ©taateS. Sine enti'riji ebene Abneigung liegte fie gegen griebrich TL, unb $roar nicht nur aus poUtifchcn ©runben, fonbem

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406 Oefterreiß unb Greußen naß "bem öfterretßifßen (Srbfolgefriege.

meil fein ganzes SBefen, baS ju bem irrigen einen fßarfen ®on^ traft bilbete, Ujr antipatfn'fß mar unb feine polittfßen mie feine religiöfen 5lnfßauungen unb ®runbfäfce if)re eigenen tief tarierten. 3n ßrer £ebf)aftigfeit unb i^rem tiefen ©ereßtigfeitSgefüfjl war jie leicht aufgebraßt, aber ebenfo leißt lieber befänftigt; eine ger- jtörcnbe Seibenfßaft hat fte nie gefannt. ^erfönliße ©ßmeißelei fanb bei if)r feinen ©oben , mottf aber mürbe fie bismeilen burß #eußelei gctäufßt. ©eletftete 2)ienfte toergafc fte niemals, unb ifjre 2Sof)ltf)ätigfeit fannte feine ©renjen. „2Ran fann", fagt it)r treff= lißer Söiogröpr) SBolf, „tiefer benfen öon ben gormen ber (Sefeff* fcr)aft , bon ben ©eftaltungen beS ©taatSlebenS , öon ben föätljfeltt ber ®efßißte; aber man fann nie fjodjfjerjiger hanbeln für baS 23olf unb baS fianb , nie tiefer überzeugt fein toon ben Sßflißten beS ßebenS, als SKarta Xfjerefia. SKiemanb l>at fie je gesagt ; ftiemanb fonnte fte beraßten. gijre Snbibibualität übte auf Me, bie ßr nä^er geftellt maren, einen unmiberftehlißen 3auber aus."

grriebridjä n. »egentent^ättöfeit unb Privatleben.

Stoßt minber eifrig, als 3Raria Xfjerefta, jeigte ftet) grieb* riß II. naß bem miebergefefjrten ^rieben bemüht, bie SBunben ju feilen, melße bie beiben fßleftfßen Stiege auß feinem Sanbe ge* fßlagen, bie ber ©taatSbermaltung anflebenben Mängel $u befei- tigen, burß jmetfentfpreßenbe Sftaßregeln bie Einnahmequellen beS <5taatz% ju erweitern unb fiß baburß in ben ©tanb ju fefoen, neuen frtegerifßen Eüentualitäten bie ©tirne ju bieten unb fiß im SBcfifce ber gemaßten Eroberungen ju behaupten. 2)aß er fyaupU fäßliß biefen 3roecf im Auge tjattc , berrtetfj er felbft burß ben 2luSfpruß: „5)ie STmeifen fammeln im ©ommer, bamit fie im SSinter ju berühren haben." tiefer SBinter mar für ihn ber Stieg, ben er noß einmal gegen Oefterreiß führen §u müffen feft überzeugt mar. „©ißeißeit gegen Oefterreiß" mar ber (Urunbge- banfe feines gefammten SStrfenS , X^unS unb (Strebend , tote ber

gegen biefe 9ttaßt baS ©Aftern feine? ©taateS mürbe.

©einem SftegierungSprogramme getreu, naß melßem nur ber ©taat mof)l regiert ift, in melßem ber ©ouberan felbft als oberfter SRißter, ©eneral unb ©roßfßafcmeifter bie Soften ber erften S5e* amten ausfüllt unb feine SJänifter nur bie ©erzeuge in ber $>anb eines meifen unb gefßicften SfleifterS finb, mollte griebriß mit fei* ner Xljätigfeit SlfleS umfaffen unb Alles burßbringen unb fiß in ber Seitung ber inneren Angelegenheiten feines ©taateS in ber gleißen glanjenben SBeife bemähren, mie er eS als ^olitifer unb> in ben fßlepfßen Kriegen als gettßerr getf)an.

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griebric&S II. SRegcntent^fittgtett "nb ^rtoatleben. 407

griebridjS Xfjätigfeit war in SBtrHtdjfeit eine ftaunenSWertlje. günf bis fed&S ©tunben ©chlaf genügten ihm; im ©ommer ftanb er gewöhnlich fdjon um öier, im SBtnter um fünf Uljr auf, fteibete ftch ofme frembe ©eifjitfe an unb lad bie mistigeren ber einge* gangenen ©riefe unb ©eridjte ber ©ehörben burdj , wahrenb ihm bie ßabinetSräthe öon ben übrigen fur$e SluSjüge machen mußten. $ann erfdjien ber Stbjutant jur ©erichterftattung unb jutn Empfang feiner ©efehte. 9cad)bem er gefrühftücft, ergriff er feine fjtötc, ber er oft jroei öolle ©tunben wibmete, wobei jebod)r wie er erjagt, feine (Sebanfen weniger beim (Spiele, als bei ben öffentlichen 2In= gelegensten weilten. !Radt)bem er fein Spiel geenbet , tag er bie öon ben fabinetSrätben gefertigten 2luS$üge burd) unb gab an, WaS auf bie eingelaufenen ©riefe unb (Eingaben ju antworten fei. 9lad) ber ©eenbigung ber ®abinetSgefchäfte laS ober fcfjricb er bis um ^wölf Uhr, wo er jur ÜJHttagStafet ging, für welche er fich, als ein großer greunb cutinarifcher GJenüffe, fdjon früh SttorgenS ben ^üa^enjettel jur durchficht hatte bringen taffett. 9cach ber £afel, an welcher er einen Ähreid geiftretcfjer Scanner um ftch öer* fammelte , blies er wieber eine Ijalbe ©tunbe auf ber gtöte, unterzeichnete bann bie in^wifchen im Kabinette abgefaßten ©riefe, tranf ßaffee unb befaf) feine Anlagen. $)ie ©tunben öon öier bis fed)S waren gewöhnlich feinen fchriftfieüerifchen Arbeiten ge* wibmet; bann folgte öon fechs bis fieben Uhr ein Soncert, in wet* ehern er felbft mehrere ©otoS ju fpielen pflegte , unb r)icrauf bie Slbenbtafet, bie unter anregenben ober wiegen ©efprächen über bie neueften (Srfcheinungen ber Literatur mit StuSfdjtuß ber beut* fcfjen, bie ber König nicht ber ©eadjtung Werth hielt ober über gragen ber ^ß^ttofop^ie unb ©efdnchte oft bis Mitternacht öer* längert Würbe.

©inen ©taatSrath fyattt griebrich II. nicht; ber ©erfefjr mit feinen ÜDciniftern war ein fdjriftticher : auf eingereichte ©ericf)te er- hielten fie bie öon bem ßönig getroffenen ©erfügungen fefpriftüch aus beffen Kabinet jurücf. Auf fein eigenes Anfehen war grteb= rieh fo eiferfüchtig , baß fetten ein , Wenn auch noch fo trefflicher ©orfchtag ©erüeffichtigung fanb, wenn er ihm nicht in ber gorm einer befcheibenen Anfrage ober Anbeutung unterbreitet worben; boch fam er gewöhnlich auf fotehe ©orfchtäge jurücf , um fie als feine eigenen (Sebanfen jur Ausführung ju bringen.

griebrichS £auptforge war auf bie ©erftörfung unb ©eröoff* fommnung feiner Kriegsmacht gerichtet, gür bie föefrutirung würbe bie öon griebrich SBilhelm I. eingeführte Kantonoerfaffung betbe* hatten unb bei ber SftefrutenauShebung mit ber gleichen Strenge unb SSiltfur öerfahren , wie unter biefem. 3ur Erhöhung beS friegerifchen (SeifteS , ben ber fönig in brei Singe : Drbnung, ®e*

408 ßefterreidj unb ^rcunen nad) bem öftcrrcic^ifc^en erbfolgefricgc.

fjorfam unb Eapferfeit, fegte, würben große gelbübungen gehalten; auch fdjrieb ber #önig für feine (Generale eine „Xaftif, b. h- eine ©ammlung militärifcher <3runbfäge, bie fie bor bem geinbe geheim galten mußten. $a griebrich ber Anficht war, baß bem Bürger* ftanbe mit geringen &u*nahmen ba* militarifche Xalent unb bad ©efüht ber (S^re fremb feien, würben bie Dfftjierftellen, einige t>erein$elte , faft nur in Ärieg*$eiten borgefommene gälle abge= rechnet, au*fchltefjlicf) mit Abeltgen befegt ; ba* £>öchfte, wa* ber ^Bürgerliche, ber freiwillig ober gezwungen in ben 2Kilitärftanb trat, erreichen fonnte, war ber UnteroffoierSgrab.

ÜRächft ber $ebung be* #eerwefen* (ag bem $dnig cor Ättem bie Aufbefferung ber burch feine beiben Kriege fdjwer gefdjäbigten ginan$en am |!erjen. 3wtfdjen (Sinnahmen unb Ausgaben mürbe ba* richtige ©erhältniß ^ergeftellt unb in ber gefammten ©taat** berwaltung bie gleite ©parfamfeit beobachtet, wie unter griebrich 2SUt)e(m I. 2Iudt) in ber größtmöglichen 8u§nufcung ber Sirbett«« fräfte ber ©eamten, tute in ber ftrengftcn öeauffichtigung berfelben,

Wationalreic^um unb baburd) zugleich bie ©taat*einfüufte ju er* höhen, toanbte er feine befonbere (Sorgfalt bem gabrifwefeu unb bem $anbel ju, für Welche er eine eigene öehörbe errichtete, lieg Sammet* unb ©eibenarbeiter au« Stölln unb gabrifanten bon $rapb'or au« grantreich fommen unb berförieb $ur Gewinnung feinerer SBoüe SWerinofchafe au* Spanien; auch würben, bamit für Keffer unb ©cheeren fein ©elb in* Au*lanb gehe, ©d>miebe au* föuhla unb ©chmalfalben jur Ueberftcblung nach Greußen bewogen. Sur Erleichterung be* inneren #anbel*berfehr* liefe griebrich mehrere Kanäle anlegen : ben $tauen'fc|en jwifd)en ber Elbe unb ber #abel, ben ginoro'fchen awifchen ber #abel unb ber Ober unb ben ©rom* berg'fchen jwifchen ber ©rahe unb ber ÜRege.

dagegen Würbe ber SBerleljr mit bem &u*lanbe burch ba* öon griebrich eingeführte Sßrohibitibfoftem in fehr enge ®ren$e einge* äWftngt. „$ie preußifchen fianbe", fagt $)ohm, ein jüngerer Qtit* genoffe griebrich*, ber im 3ahre 1779 au$ lurheffifchen in preu* fnfehe $)tenfte trat, „waren fähig, ber ©ig eine* blühenben unb bie Untertanen bereichernben ^anbel* $u werben; aber griebrich wie* biefen £>anbel gefliffentlich jurücf. 5)ie I^ofyen Abgaben, welche frembe SBaaren beim Eintritt in ba3 ßanb ober bei ber durchfuhr bejahten mußten, noch mehr bie mannigfachen ?ßlacfereien unb ber Aufenthalt, bem man bei ber Unterfuchung burch bie 3°Bföebienten au«gefegt war, h^en bit guhrleute unb ©a)iffer bon ben preu* ßifd)en ©renken jurücf. 2Jcan fchug alle SBege ein, um nur ben preußifchen ©oben nicht ju berühren. 9ftan $og einen weiteren

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giiebvicf)« II. töegententt)ättgfctt unb ^riöatleben. 409

foftfyietigeren 2Beg öor, roenn man nur nicht an bte ^reugifc^e ©rcnjc fam."

Um ben Dberbrudj unb anberc noch unbebaute @Jebiet«ftrecfen urbar ju machen unb juateid) im Qntereffe feiner friegerifchen 3toecfe bie ©ebölferung feine« Sanbe« $u bermehren, 309 griebrich, gleich feinem SBater unb Urgrogöater, zahlreiche Jhrtoniften in« ßanb, bie mit allem gum Snbau be« ©oben« unb ju ihrer 2lnfieblung Sftoth* menbigen reichlich berfehen unb, um weiteren 8^hH anjulocfen, für eine föeifje bon Sauren bon Abgaben unb 2Rilitärbienft befreit nmr* ben. 2Bä§renb biefe Hu«länber auf jebe SBeife begünftigt mürben, blieb ber eingeborene ©auernftanb unter bem »ollen $rurf ber Seubaluntert^änigfeit, bie in feinem anbern Staat* fo ferner auf ber fianbbebölferung taftete, mie in ^reugen.

2(ua) bie SBerbefferung ber föecht«bflege, bie noch fet)r im 2Trgen lag, lieg griebrich fich angelegen fein; bodj mürben bura> greifenbe Reformen auf biefem (Miete erft in feiner fuäteren sJlegierung«$eit eingeführt.

lieber ben ©efdjäften blieben fünfte unb SBifienfdmften nicht bergeffen. (Sine ganj befonbere 2Iufmerffam!eit ttmnbte ber ®ömg ber bon ihm hergeftettten SIfabemie ber SBiffenfdjaften ju, beren ^raftbium er nach aHaubertui«' Sobe (1759) felbft übernahm, ba ber berühmte 9ftathematifer b'STlembert bie ihm angetragene ^rapbentenftefle abgelehnt hatte, ©roge ©ummen mürben für ©auten berau«gabt, bie ber ßönig theil« in Berlin, theil« in <ßot«bam au«* führen lieg. 9cadjbem im 3aljre 1748 ba« groge, für taufenb *Jkr= fönen eingerichtete Qnbalibenhau« eingemeiht morben, mürbe ber ÖJrunb ju ber neuen $omfirche gelegt, bie fortan al« romgliche« (£rbbegräbnig bienen foHte, unb $u ber gleiten Seit ber Sau ber fatholifchen £>ebnrig«firche begonnen, ju melier ber $önig jeboct) nur ben $lafc fetjenfte, mährenb ba« für ben ©au nötige (Selb buret) Sammlungen unter ben ®atholifen Don ganj ©uropa jufam* mengebradjt mürbe.

©cr)on mährenb ber Vorbereitungen jum jtociten fct)Iefifchen Kriege hatte griebric^ felbft ben $lan $u einem Öuftfchlog eutmor» fen, ba« er ftet) auf einer eine fjatbe ©tuttbe oon $ot«bam ent= fernten 3lnhöt)e erbauen laffen moHte, unb bie Ausführung be« SBaue« bem berühmten Slrdjiteften greiherrn oon ®nobel«borf über- tragen. 2lm 1. Sttai 1747 mürbe ba« neue Suftfdjlog bura) ein fröhliche« geft eingemeiht unb blieb fortan unter bem tarnen €>an«fouci be« kernig« 8iebling«aufentr)alt. $>ter fuctjte er, ge- trennt oon feiner <$emaf)ün, ber er gleich naa) bem $obe« feine« Vater« ba« Sctjtog Sdjönfmufen jum SBolmfifc angemiefen, mo er fte nur ein einzige« SJcal befudjte, mährenb fie felbft nie nach @an«fouci fam, feine (Erholung in einem Greife oon Äünftlern unb

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410 Cefterreid) unb ^reufcen nad) bem öfterreicbjfchen erbfolgefriege.

(Gelehrten ober geiftretdjen unb mifcigen 3Kännern. SBon leiten, bie ihm cinft ju SRheinäberg naf>e geftanben, waren mehrere geftorben, roäfjrenb Rubere fich oor be3 Königs wechfelnber ©timmung jurücf* gebogen Ratten, um nur au« ber gerne in brieflichem ©erfehr mit üjm flu bleiben ; nur SBenige gehörten noch bem Greife öon ©anSfouci an, ber meift au« AuMänbern beftanb.

(Sine beoorjugte ©teile nahmen in bem Vertrauen unb ber (Gunft beä Königs amei ©Rotten ein, bie trüber (Georg unb 3afob k t i t h , bie wegen ihrer ^Beteiligung an bem 3a^00^cnauf^an^ Dom 3a^re 1745 auS ihrem SBaterfanbe fwttcn entfliegen müffen. $er jüngere «ruber, Qafob $eitfj, ben Sriebrich jum preufjtfchen gelbmarföaa ernannt ^atte, ftarb in ber ©chlaajt bei $odßf*4 (1758) ben $elbentob, mährenb ber anbere, (Georg fleith, ber als (£rbmarfchall öon ©chottlanb gewöhnlich ber wÖorb=3Rarfa)alIw ge= nannt mürbe, bem tönig, welcher fich feiner befonberS ju wichtigen biplomatifchen äflifftonen bebiente, bi3 in beffen fpätereä Sebenäalter erhalten blieb.

$en höhten ffieij erhielt für ^riebria) baä ßeben in ©ans* fouci buraj ba& ©rfcheinen Voltaire' 3. ©djon lange ^atte ftdj ber ®önig vergeben* bemüht, ben gefeierten $idjter, ben (Gegen* ftanb feiner begeifterten ©emunberung, in feine Stahe ju jiehen: erft im Qafjre 1750 lie§ fich berfelbe fjerbei, ber bringenben (£in* labung beä Königs fjolßc ju leiften, weil ihm gerabe bamate ber Aufenthalt in $ari$ unb Sßerfaillea burdj oerfchiebene 3Ät6^cIIig^ feiten oerleibet worben mar. bereitwillig ^atte ihm ber fonft fo fpar- fame tönig ba3 geforberte föeifegelb oon üiertaufenb ifyältm fluge- fanbt unb ihm, auger freier 2öo|nung unb Xafel fomie einer (£qui* page, einen Qahrgehalt oon fünftauf enb Xfyaltxn jugefagt. Äl£ SBoltaire enblich am 10. Quli 1750 in ©an^fouci eintraf, ging ihm ber ftönig bi3 an ben Söagen entgegen, umarmte ifm unb führte ihn felbft in bie für ibn bereit gehaltenen Sintmer, worauf ber gan$e £>of fich beeilte, bem (Gefeierten bie Aufwartung ju machen. Um ihn bauernb an feinen £of ju feffeln, fanbte ihm ber ®önig ben ®am= merherrenfa^lüffel unb ba£ Sfreuj beä SBerbienftorbenS mit einem ©chreiben, morin e3 unter Anberem fytb: „©ie finb ^5t)ilofop^ ; id) bin es auch: was ift natürlicher, aU bau jwei s$liilo)oplKu, gemacht, mit einanber ju leben, burch gleiche ©tubien, gleichen (Ge- fehmaef unb gleiche 3)enfart oerbunben, ftd) biefe (Genugtuung geben? Qch achte ©ie als meinen ßefjrer in Söerebtfamfeit unb SSiffen ; ich Wc ©ie al3 meinen tugenbhaften greunb. Qch haDC nicht bie thörichte Anmaßung, §u meinen, ba& Berlin $ari3 auf» wiegen fönnc. SBenn SReichthum, (Gröfee unb bracht eine ©tabt liebenämertf) machen, fo treten mir gegen $ari3 jurücf. Söenn ber gute ©efehmaef an einem Orte ber SSelt feinen ©ifc fyat, fo geftehe

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$friebrt<f)§ IL JRegentcntfjätigfett uitb Privatleben.

411

ich, ift in <ßari«. Slber bringen fte biefen ®efebmad benn nid>t überaß hin, wo ©le ftnb ? 2Bir haben $änbe, 3h«en »eifafl ju Hatten, unb wa$ ba* (Skfüht betrifft, fo räumen wir feinem Orte

ber 2Mt ben Storrang ein. ©ie werben hier glüeflich fein,

fo lange ich lebe. ©ie werben als ber JBater ber tBiffenfiaft unb beS ©efehmads angefehen werben unb in mir ade bie Xröftungen finben, bie ein SRann öon Syrern ©erbienft öon einem anberen er» warten fann, ber ihn ju fdjäfcen weiß."

$ie Sfnwefen^eit SBoItaire'S öerboööette ben <£ifer beS ßönigS für feine eigenen fchriftfteümfchen Arbeiten, bie er üjm jur ©eur* tfjeilung unb jur Slbrunbung beS ©tyls übergab. Unter Voltaire'* SRitwirfung würben bie beiben erften Xheile ber „©efd)i(f)te meiner «Seit* unb ber „SWemoiren $ur ©efc^td)te beS £>aufe3 öranbenburg" öottenbet. 3n bem erfteren ©erfe, in welkem ftriebrich öon ftd) (elbft in ber britten ^ßerfon fpridft unb fich furjweg ben Äönig nennt, tritt fia^tüa) baS ©eftreben heröor, fein Auftreten im günftig* ften fitste ju jeigen; fogar ber Xabel, ben er fyin unb wieber fid> felbft ausbricht, öerbirgt im <5Jrunbe nur bie Sorberung ber $lner* fennung öon ©eiten Önberer. ©eine Xenfwürbigfeiten be$ bran- benburgtfcfjen §aufe£ tragen, troj feiner feierlichen Sterfidjerung, baß er fich über ade ©orurtheüe erhoben unb OTeS mit unpar« teiifajem unb wp^ilofop^ifc^emM 3Cuge betrautet ^abe, ba& Gepräge beä unöerföfmlichften $affe$ gegen baS ftaiferhauS. ©o fagt er öon bem $arbinal SRichelieu, nachbem er beffen ©totj unb $taty fudjt mit f djarfen SBorten gegeißelt: „3ch erfenne ihm ben Xitel eines erleuchteten SJcinifterS nur infofem ju, als er fich mit ©chwe* ben oerbanb, um in $eutfa)lanb ben öfterreidnfehett Despotismus nieberjufd>Iagen.#'

äußer biefen beiben Sßerfen würben öerfdjicbene ©eböc^rniß* reben, bie griebric^ auf feine Sreunbe unb anbere Scanner öon Sßerbienft für bie Sttabemie öerfaßt hatte, forote eine SReihe öon ihm öerfertigter ÖJebichte mannigfacher 2lrt: Oben, gereimte ©riefe, ein £ef)rgebid)t über bie StiegSfunft u. f. w., an benen nichts 9(nbereS poetifch ift, als bie Sorm, öon SBoltaire reöibirt unb unter bem Xitel: „23erfe beS ^^ilofop^en öon ©an&fouci" in einer $radjt* ausgäbe gebrueft. Sriebrich fmtte $u biefem Qwede in bem Xfjurme beS berliner ©chloffeS eine eigene $ruderei eingerichtet; baJjer führen jene SBerfe auf ihrem Xitel bie Ortsangabe: *Au donjon du ch&teau" (Qm Xhurme beS ©djtoffeS). Stuf bem Xitetblatt ber ÖJebichte fteht außerbem nodj: „Avec le privil&ge d'Apollon" (üttit bem $riöilegium Slöoflo'S).

$ie Slnfunft SBoftaire'S ha^e unter ben ©chöngeiftem in ©anSfouct einen wahren SGBetteifer gewedt, bei ben glanjenben ^benbmahtjeiten, an welchen ber gan$e ÄreiS X^eit nahm, einanber

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412 Oefierrcicf) unb ^reufecn nacf) bem öfterreidjifdjen (Srbfolgefriege-

in fprubelnbem SStfee ju überbieten. Sludj bei ber Aufführung ber dragöbten be* dichter* mar 3^ber eifrig bemüht, in ber durchfüh* rung ber it)m jugetheilten 9?oüe allen Slnforberungen S3oltaire'* *u genügen.

Qnbeffen untergrub SBoltaire felbft balb burdj bie fterrfchfudjt unb SRifegunft, bie neben bem fämufcigften ©etje bie ^erüorftec^enb* ften güge feine« S^araftcr« bilbeten, bie glanjenbe Stellung, bic ihm be* ^önig« ungetoöhnliche ©unft in San*fouci gefdmffen. 2Bie t>er oiel georiefene dichter fich nach einer allgemein geglaubten terjählung nicht fdjeute, heimlich in ben Sälen bon San*fouci bie halb abgebrannten 2Bacb*ferjen einjufteefen , um fie Oerraufen $u laffen, unb wegen eine* if)tn jur Saft gelegten betrügerifchen §an* fcel* in einen feanbalöfen ^ßrojefe mit einem berliner 3uben gerieth, ber ifm offen ber Jälfchung oon Dutttungen befdjulbigte, fo fiel er mit ber SButf) eines eiferfüdjtigen SBeibe* auf Sebcn lo*, ber fict) neben ihm ber ©unft be* Königs ju erfreuen fyatte, unb oerläfterte mit ber fyämifdjeften 5öo*heit diejenigen, bereu moralifchen Söerth nicht auf$utoiegen er per) bemufet mar. 3n ben Wbenbunterhaltungen toollte er atiein neben bem $önig ba* Söort führen unb ftfjlug nicht feiten, toenn 9We* in ber fyeiterften Saune mar, ben einen ober ben anbern ber difchgenoffen, ber e* toagte, eine anbere Meinung au** lufpredjen, al* bie fetnige, auf fo oerlefc enbe SSeife nieber, bafe ber feünig felbft barüber unmillig mürbe.

der #auptgegenftanb feine* neibiferjen ©rode* toar Dttauper- tui* , beffen Stelle al* ftanbiger *ßräfibent ber berliner Slfabemie er gern felbft befleibet ^ätte. (Sine oon 2Jcauoertui* üeröffentliajte Schrift, bie neben einzelnem QJuten oiel Söerfchrobene* unb tyfyan-- tafttfehe* enthielt, gab ihm eine ertoünfajte Söeranlaffung jur &b= faffung einer cbenfo mifcigen, al* bo*haften Satire, bie er trofc be* au*brücflichen Verbote* be* ®önig* in dre*ben bruefen liefe, um feinen öerhafeten Nebenbuhler oor ber ganzen SBelt lächerlich ju machen, der auf* Sleufeerfte erbitterte Üönig liefe biefc Schmäh* fdjrift ju Söerlin auf öffentlicher Strafee bura) ^enferÄhanb Oer* brennen , toa* Voltaire ihm fo übel nahm , bafe er ihm fofort fein 3a!)rgef)alt*bcfret, fotoie ben flammerherrenfchlüffel unb ba* Drben** ireuj surüdfduefte. 3nbeffen bereute er balb biefen Schritt unb fuct)re benfelben burc| einen an ben ßönig gerichteten 53rief mir* fung*lo* ju machen, in toelapem er bem(clben bie ©efüfjle ooUftän* biger Xroftlofigfeit über bie erlittene Stäntuug, jugleia) aber auch feinen tiefen Sdjmer$ barüber au*brücfte, „ba& er ba* Unglücf ge- habt, bem $önig ju mißfallen." diefer «rief ocrfehlte feinen Stoecf nicht : noch an bemfelben dage erhielt Voltaire bie Reichen ber f ö* niglichen ©nabc jurücf.

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griebrid)« Jl. Kcgentcntfiatiflfcit imb $rit>atleben. 41 a

Jfnbeffen erfannte SBoftatre balb, baß baS alte SBerbältniß jnrifchen it)m unb bcm ®önig nicht ttueber ^erjuftcUcn fei; er 50g. eS ba^er oor, ben £of griebrichs $u oerlaffen. Unter bem 93or- toanbe , baß feine gefdjtoäcfjte ©cfunbheit einer SBabefur in $Iom* btereS bebfirfe, reifte er am 26. SRärj 1753 mit äuffamnung beS» Königs oon SßotSbam ab, entfdjloffen , nicht mehr baljin jurücf$u= febren. er nichtSbeftoroentger bem ftöiüg baS SBerfprechen ge* geben, im ©eptember nrieber ju fommen, ^otte er fein DrbenSfreuj nnb ben ®ammerherrenfchlüffel, fonrie einen SBanb oon Sßoefien, bie ber ®önig nur in jtoölf (Sjemplaren für feine öertrautefien greunbe r)attc bruefen Iaffen , mitnehmen bürfen ; als er jeboer) , ftatt nach granfreich ju reifen, nach Seidig ging unb bort eine neue ©chmäh* fchrift gegen SftaupertuiS bruefen liefe, fanbte griebrier) nach granf* furt am SJcain ben Söcfet)! , ben dichter bei feiner Shtrcfjreife fo- lange gefangen galten ju Iaffen , bis berfelbe ben ßammerherren* fdjlüffel nebft bem DrbenSfreuj unb ben ©ebidjten herausgegeben ^aben »erbe. SBoItatre, ber am 31. 9ttai in granffurt anfam, lieferte fofort ©djlüffel unb Drben ab; ba jebod) bie ®ifte, in xotU d)er fidj bie ©ebia)te befanben, noch ßeipjig mar, burfte er erft nach beren Eintreffen feine Steife fortfefcen. Qum $anf für alle ©unft, mit melier grtcbvirfi t&u überlauft r)atte , überietjuttetc er benfelben in feinen nach feinem Xobe gebrueften 2ttemoiren mit ben niebrigften ©Chinahungen.

Unter ben franjöfifchen ©chöngeiftem unb frioolen Sßertretern ber alles Uebcrfinnlict)c leugnenben w1ßr)iIofop^ic ber Slufflärung," bie außer Voltaire am £ofe griebrichS lebten, nahmen ber 2lr$t 2a 9Jcettrie unb ber SJcarquiS b'&rgenS in ber ®unft beS Königs bie erfte ©teile ein.

Sutten 2a SWettrie (geb. 1709 §u ©t. 9Mo als ber ©ohn eines reichen Kaufmanns) , ber geiftig unbebeutenbfte , zugleich aber auch ber frioolfte unb frechfte ber bamaligen SReligionSfpötter , ber mit ber größten Unnriffenheit bie Unöerfchämtheit üerbanb , frembe 3been für feine eigenen auSjugeben , brachte bie ©pöttereten unb« SSifceleien SSoItaire'S unb Slnberer in ein förmliches ©nftem boben* lofer ©ittenlofigfeit unb gottlojer ©innlichfeit. SBte in granfreief* bie fatholifche ©eiftlichfeit, fo erhoben fich in £>oflanb , lüot)in er nach fetner Verbannung aus feinem SBaterlanbe auSgemanbert , bie reformirten ^rebiger gegen ihn, fo baß er auch biefeS Sanb Oer* Iaffen mußte, nachbem in Serben, toie oorfjer in ^aris, feine ©chrif- ten burch ^enfcrStjanb oerbrannt toorben maren. griebrich, ber in ihm nur ein Döfer religiöfer Unbulbfamfeit fah , berief ihn nach- ^Berlin unb behielt ihn , burch feine unoertoüftliche heitere Saune gefeffelt, nicht nur bis an fein SebenSenbe als SBorlefer unb ©paß* macher an feinem £ofe, fonbern fdjrieb fogar nach Sa 3ttettrie'S>

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414 Ccfterretd) unb <|keufeen nadj bem öfterreid)tj<$en erbfolgefrteg.

2obe (1751) eineßobrebe auf iljn, bic er in bcr berliner Stfabemie burdj feinen Scfretär öorlefen lieg.

$er SHarquiS borgen 3 (geb. 1704 ju Slir. in ber ^ro* toence) mar, natf>bem er fid> burcf} $lu3fött>eifungen unb ©c&ulben* madjen mit feiner gamilie entjmeit r)attc, nad) £ottanb übergefiebelt, too er fid) als SdjrtftfteHer ju ernähren fudjte. $ie $reiftigfeit, mit melier er in feinen oberflächlichen , öon §a& gegen baS Triften* tf)um bnrd&brungenen SBerfen fölfipfrige Romane, ©riefe in bcr $Irt ber „Lettres persanes" uon Montesquieu unb eine Sufam-- menftettung feiner pfulofopf)ifdjen §(nfidjten unter bem £ite(: tyfo lofopfyie be& gefunben 9#enfdjenöerftanbe$ (philosophie du bon sens) gegen alles #öf>ere ju gelbe jog unb bie Öeljren ber neuen <ßl)ilofopf)ie öerfünbete, berfdjaffte tym bie befonbere (Uunft SBoltaire'S, auf beffen Smpfef)lung üjn griebrid) II. an feinen #of 30g. £rier mürbe er balb burd) feine £ebf)aftigfeit , feinen SBtfc, feine feinen 9Kanieren unb feine Sebenäerf aljrungen , bie er in ber Unterhaltung in geiftreidjer SBeife ju ücrmertt)en mußte, ber beoor- jugte ÖJefellfdjafter be& ^önig« , ber üjn aud) in mistigen s2(ngele= genfjeiten ju föatfie 50g unb in beffen Vertrauen er fidj bis ju feinem $obe (1771) §11 erhalten mußte.

Unter bem (Sinfluffe biefer unb anberer fran$öfifd)er Sdjön= geifter bilbete fidj an grtebrid)* .'pofe jene frioole 9teligionSfpötterei $um „guten Xone" aus, bie baS ^eiligfte in ben ©taub 50g unb bereu öerfyängnißüolle 9tadjroirfungen balb in ganj $eutfdj[anb, befonberä in ben fyöljeren Steifen ber QJefellfdjaft , in einer immer tiefer gefyenben (£rfd)ütterung beS religiöfen öemußifeinS ju Jage traten. 3nbeffen mar eS bem Röntge öorbeljalten, bie ücrberblidjen grüßte beS unter feineu klugen unb oon ü)m felbft auSgeftreuten Samens ber 9teligionSoerad)tung junädtft in feinem eigenen Sanbe reifen $u feljen. (£r, ber in feinen Schriften bie fjeiligften Behren beS SfjriftentfjumS mit £>ofnt unb Spott überfd)üttet unb fogar 93la$pl)emtcn gegen bie s$erfon beS (SrlöferS unter baS SBolf ge= bradjt, äußerte einmal in feinen legten ßebenSjaljren gegen feinen (SJroßfanjler (Earmer: wÖ)laub' mir, meine f fünfte Söataiöe tooHte td) barum geben , menn id) Religion unb Sfloralität unter meinem Bolfe toieber ba fjaben fönnte, 100 idt) fie bei meiner Xfyron* beftetgung gefunben."

yioi) bor bem beginn beS jmeiten fd)leftfd)en Krieges fjattc griebridj DftfrieSlanb in öefifo genommen, beffen Bereinigung mit bem branbenburg-preu&tfcf)en Staate burd) ben großen $urfurften oorbereitet morben. Qu ber Qtit, a^ b\t 9ticberlänber gegen 8pa= nien für i^re llnabf)ängtgfeit fämpften, lagen bie oftfriefifc^en gurften mit i^ren Stänben im Streit, unb ba fie, gleidj allen übrigen lutlje= rifc^en gurften beS $Reic^S, fpanifa) geftnnt maren, jdjlugen fic^ bie

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griebricfjS II. diegententljftttgfeit unb s^nuat leben. 415

$eneralftaaten auf bic Seite ber oftfriefifdjen ©tanbe. «ftachbem fie fidj ben gürften als Vermittler aufgebrungen , warfett fie Gruppen inS Sanb unb erzwangen für bie @tänbe eine für bie gfirften äugerft brücfenbe SBerfaffung, beren ®etuäf)rleiftung fie übernahmen. 2US fpäter bie finfenbe Wlafy ber ©ollänber bie oftfriefiföen gär* ften ju bem öerfudje ermutigte , bie öerha&ten geffeln $u brechen, bot ber Kurfürft griebrich SBilhefm, ber fid) mit meitauSfchauenben planen auf 2Beltf)anbeI unb Kriegsflotten trug unb bafür bie treff* liefen $>äfen oon OftfrieSlanb ju benufcen gebaute, ben oftfriefifdjen ©tänben feine #Unterftü&ung gegen ihre SanbeSherren an unb lieg ju biefem (Snbe Xruppen in OftfrieSlanb einrüefen; auch erroarb er öon Kaifer Seopolb I. bie Slnroartfdwft auf btefeS Sanb beim 2luS* fterben beS fürftlidjen #aufeS, worauf bie ferner gefränften oftfrie* fifchen gürften mit bem ftammoertoanbten £>au)e £>amtouer eine (£rbüerbrüberung fajloffen.

(bleich nad) feiner ^^ronbefteigung fnüpfte griebrich II. Unter* fjanblungen mit bem Sftagiftrate üon (Smben an unb erlangte üon bemfelben, gegen bie Sufid^unQ ber SBeftätigung aller fßribilegien ber (Stabr, baS SBerföredjen fofortiger £>ulbigung nad) bem Xobe beS noch jungen Surften, ber feine männlichen (Shrben t)atte. tiefer ftarb am 13. äftai 1744, unb am folgenben Xage fanbte ber König oon Greußen Xruppen in baS £anb unb oerlangte aller Orten bon ben erftaunten (Eintüofjnern bie ^pulbigung. Sftachbem in bie bebeutenberen Orte preugtfcr)e Söefafcungen eingerüeft toaren, erfannten bie oon bem preu&ifchen KriegSminifter ©occeji nach Slurich jufammenberufenen oftfriefifdjen Stänbe am 6. guni 1744 ben König als ihren gürften unb .pernt an unb gelobten ihm, auf ®runblage ber alten Verträge, Xreue unb ®el)or}am, ioorauf ber König ihre sßrioilegien beftätigte.

griebrich begnügte fid) jebod) nicht mit bem eigentlichen Oft- frieSlanb, auf melcheS er traft ber bem großen Kurfürften ertf) eilten faiferliajen s2lntoartfchaft $lnfprudj ergeben burfte, fonbern nahm auch bie beiben Remter beS £>arlinger fianbeS , eines befonberen $Befifc= tfmtnS ber fürftlidjen gamilie, melajeS in ber Urfunbe ber s2lntoart= fdjaft auSbrüdlia) auSgefd)loffen mar , in 93efi(j , unb bie oon ben übrigen öemerbem bei bem Reichsgerichte erhobene Sßroteftation blieb toirfungSloS, ba griebrich II. ftärfer mar, als bie OteichSgeridjte.

2Bie oodftänbig fich griebrich bereits bamalS oon bem Reiche loSgelöft hatte, befunbet ber Umftanb, baß feit bem 3af)re 1750 in ben preu&ifchen Kirchen auch übliche fonntägliche ÖJebet für ben Kaifer aufhörte.

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416

3)er ficbcnjä^riflc (britte fd)le[ifäe) ßtieg.

XXIV.

Per fietenjaSrifle (britte ftfeßMe iutea, I

(1756-1763.)

Seranlaffung unb »itäbnidj bes ftriegcg.

£er triebe oon Hachen , ben bie allgemeine ©rfchöpfung jur gebieterifchen iRothmenbigfeit gemacht, ^otte bic Streitfragen, meldte p bem achtjährigen ftriege Seranlaffung gegeben, nicht bauenib ausgeglichen unb mürbe in ber Xfmt oon ben meiften betheiligten dächten nur al« ein SBaffenftiOftanb angefefjen, ben man gefchloffen, um ben befinitioen 3lu«trag be« Streite« auf einen günfttgeren Seitpunft }it oertagen. 2lm menigften mar auf einen bauernben grieben amifchen Gniglanb unb granfreich $u reinen, ba bie 58e= üoHmöchtigten beiber dächte bei bem grieben«fchluffe $u dachen oerfäumt hatten, bie ©renjen be« englifdjen unb franjöfifchen ©e* biete« in SRorbamerifa , bie fchon bei bem Utrechter grieben in un- genügenber Sßeife feftgefteflt morben, fo genau §u beftimmen, ba& fein .ßmeifel mehr barüber übrig bleiben tonnte.

SBic in biefen ungeniigenben ©renjbeftimmungen bie Äeime unausbleiblicher neuer germürfniffe gtoifchen ßnglanb unb granf* reich lagen, fo mar in $eutfchlanb ber triebe burch bie fortbauembe Spannung jmifchen Oefterreich unb ftau&en bebroht. Söenn einer- feit« SDcaria X^erefia ben Schmerj über ben öerluft Schleften« nur ferner oerminben unb ju bem eroberungSfüchtigen Machbar fein Vertrauen mehr faffen tonnte, fo fah anbrerfeit« griebrich II. mit machfenber iöeforgnijj ben oerhaßten öfterreidufcfjen Staat unter ber umfichtigen fieitung feiner thatfräftigen £>errfcherin ju neuer innerer Staft unb Sölütlje emporfteigen ; benn nur bei ber fortbauemben Schmäche Defterreich« feinen ihm ber SBefu) Schlefien« gefidjert.

$iefe Spannung führte naturgemäß ju bem ©eftreben , fich beiberfeitig burch SBünbniffe $u ftärfen. 5)ie ©emetnfamfett ber 3ntcreffen mie be« $affe« gegen Oefterreich fchien auch bie«mal granfreich unb Greußen jufammen führen $u müffen , unb in ber ifyat glaubte griebrich auf bie fortbauembe öunbe«genoffenfchaft be« <£)ofe« oon *BerfailleS jählen ju fönnen, mie auch biefer feiner* feit« fich al« bie unentbehrliche Stüfce ber rafa) emporgemachfenen preußifchen Stacht anfaf). (Sbenfo erfefnen nach ben SBerhältniffen, in melden ba« £>au« ^pannoüer feit feiner (Srfjebung jur furfürft* liehen SBurbe 511 bem ftaiferhofe geftanben , unb nach ber Atolle, bie Äönig ©eorg II. im öfterreichifchen (Srbfolgefriege gefpielt, Sng- lanb al« ber natürliche $Bunbe«genoffe Oefterreich«, unb jmar um-

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SBercmlaffung unb HuSbrucf) be* Kriege*.

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fomeljr, al* ©eorg II. über ben ßönig oon $reu§en wegen ber SBefifcergreifung bon Dftfrie*(anb tief erbittert war.

2lber roiber alle* ©rroarten geftalteten fid) bie $>inge anber*. $er öfterreidufdje SWiniftcr ©raf ftaunifc mar ber Slnfiajt, bog bie nädjfte Aufgabe ber ^olitif be* $aiferf)aufe* barin beftefje, bem ßönig üon Greußen ben Söetftanb granfreid)*, al* ber bebeutenb* ften europäifdjen £anbmad&t, ju entfliegen unb ben $>of bon 2kr= faille* für ein $8ünbni& mit Defterreid) ju geroinnen , ba* er für weit mistiger ertfärte, al* ba* bisherige mit (Snglanb, ba ba* lefctere für ben 'Sali eine* Kriege* ungleich geringere SBortyeüe ge* mäfjre. Obgleid) 2ftaria Sfjerefia ba* gute (£inbernef)men mit ©eorg II. aufregt p galten münzte, mar fic bod) mit ben 2In* fdjauungen ifjre* Sftinifter* einberftanben , unb fo fanbte fie ben* felben nad) Söerfaifle*, um ba* erftrebte SBünbuifj anjuba^nen.

ftaunifc t) arte anfang* am franjöfifdjen jpofe fein leiste* ©piel, ba $reu§en in*gefjeim feinen Söemüfmngen entgegen arbeitete unb überbie* nidjt nur bie aflgemeine Stimmung einem SBünbmjj entgegen mar, ba* mit allen polttifdjen Xrabitionen be* fianbe* im 2Siberfprud)e ftanb, fonbem audj bie geroiegteften ©taat*männer fict) gegen ein 3ufammengef)en mit Defierreidj erflärten; allein ber ©influf ber 9D?arquife bon ^ompabbur, bie ben fdjroadjen ßub* roig XV. boUftänbig befjerrfdjte unb bie ®aunife in fein 3nterefje ju fliegen gemußt fjatte, braute aümäfjlid} bie fdjleppenben Unter* fjanMungen in rafdjeren Wang.

Unterbeffen mar e* jmifc^en ©nglanb unb granfreid) megen ber ftreitigen ©renjfragen in ifyrcn norbamerifamfd)en ©ebieten $u fo ernften SBerroitflungen gefommen, ba& ber $rieg jroifdjen beiben 3ftätf)ten al* unbermeiblid) erfduen. $>a ju ermatten ftanb , ba& bie gran^ofen benfelben mit einem Angriff auf &annober eröffnen mürben, roobei bie Haltung griebrid)* II. für ober gegen granfreid) ferner in bie SBagfdjale faden rnu&te, fuelt e* ber $önig bon (Smg* lanb für geraten, feine perfönlidje Abneigung gegen feinen Neffen jum ©d)tueigen ju bringen unb bemfelben ein Söünbnijj anzutragen. 3u ber gleiten 3eit bemühte fid) aua) granfreid), ba* SBünbnifj mit griebrid) II. $u erneuern, „©d)mben ©ie Qfjrem Könige," fagte ber franflöfifdje Süttnifter ©ouiüd ju bem preußifdjen ©efanbten Snöpfjaufen, bog er un* gegen £amtober beifte^en foöe. @* gibt babei (Stroa* ju plünbern. 5)er ©djafc bc* englifdjen Äönig* bort ift gut gefüllt. 25er preufcifdje $önig brauet if)n nur f)inmeg$u» nehmen unb tljut babei einen guten gang." griebrid) mar eine Seitlang im Smeifet barüber, auf melier ©eite ifmt ber größere SBort^eil roinfe ; bie (Srmägung , bag er burdj bie Unterftü Jung eine* franjöfifc^en Angriff* auf |>annoöer fia^ nia)t nur bie Sng= länber, fonbem aua) bie Defterreia^er unb bie mit (Snglanb in ben ^oliroart^ SMiflefdjidjte. VI. 27

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2>er ftebenjäfjrige (britte fcfjlcftfc^e) flrieg

beften ^Beziehungen ftefjenben Muffen auf ben $alS Riehen werbe, burch ben Slbfchlug eine* SöünbniffeS mit (Snglanb bagegen wahr* f€r)cinüc^ ben öon granfreief) geplanten ©infafl in ,£>annoöer öerfnn* bem fönne unb fomit freie #anb in ^eutfdjlanb ^aben werbe, be- weg ihn jeboer), bie Anträge ®eorgS II. anzunehmen, unb fo fam am 16. 3anuar 1756 ber Vertrag öon SBeftminfter ju ©tanbe, in meinem beibe äftächte fidj verpflichteten, nict)t ju geftatten, bafj eine frembe 2flacht Gruppen in 55eutjd}tanb einrüdfen laffe.

$)er ^T6fc^lu§ biefeS Vertrags, ber in VerfaifleS ein befU nitiöer Abfall griebricf)S öon granfreidjS betrautet würbe unb bie natürliche Abneigung SubmigS XV. gegen Greußen auf* ^öc^ftc fteigerte, mar entfeheibenb für bie öon ftaunifc mit bem franjöfifc^cn £ofe gepflogenen Mianaöerhanbtungen : am 1. 9M 1756 fchloffen granfretch unb Defterreich ju VerfailleS ein $>efenfiobünbni&, in welchem fie fidj öerpflichteten, einanber in ber Vertheibigung ihrer in (Suropa gelegenen Staaten mit einer Sruppenmacht öon öierunb- jwanjigtaujenb Sttann beijuftehen. Xer Slbftcht eines Angriffs auf griebrich II. War in bemjelben in feiner SBeife gebaut.

2lufjer bem Vünbnifj mit granfreidj hatte Äaunifc, bem bie $atferin nach feiner 9iürffef)r öon $ariS bie oberfte Leitung ber öefchäfte übertrug, auch eine engere Verbinbung mit SRufjlanb bringenb befürwortet, Schon im 3at)re 1746 war $toifc$en ben £öfen öon öerlin unb Petersburg ein Vertrag ju gegenfeitiger ^ilfeleiftung im galle eines Angriffs gejchloffen worben, unb in einem btefem Vertrage beigefügten geheimen Slrtifel ^ottc bie ftaife* rin (Slifabeth bie fpejielle Verpflichtung übernommen, für ben gatt, baß griebrich IL ben $)reSbener grieben breche, ber $aijerin*$ö= nigin ihren Veiftanb ^ur SBiebereroberung öon Schlefien unb ber $raffchaft (3Ha{j ju leihen, Scitbem war baS Verhältnis jwifc^en ber (Sjarin unb bem ®önig öon Greußen ein immer gefpanntereS geworben, theilS weil griebrich IL unauSgefefct gegen ben Sölden ber ®aiferin ruffifdje Unterthanen für ben preufeifchen $)ienft an= werben liefe r theilS wegen ber bei&enben ©pöttereien, bie ftch ber ®önig über (£UfabethS unfittlichen ßebenSWanbel erlaubte unb bie berfclben öon bienftbefliffenen äwifchenträgern hinterbracht würben. Much fat) baS rufftjehe Volf felbft baS (Smporfteigen ^reujjenS mit großem Stti&trauen, unb ber Senat ju Petersburg ftellte im 9Jeai 1753 ben ©runbfafc auf, bajj man fich einer ferneren 3nnahmc ber preufjifchen Sftacht wiberfefcen unb bie erfte paffenbe (Selegem heit ergreifen müffe, um baS £auS Vranbenburg wieber tyrabw brüefen.

Qn biefen ÖJefinnungeu war föujtfanb burch ÖJeorg II. beftärft worben, fo lange berjelbe noch preufjen für ben Verbünbeten granf* reichs gehalten ; ja es war fogar jwifchen beiben dächten ju einem

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SJeranlafiimg unb SJuSbrud) bcö Kriege«. 419

Vertrage gefommen, ber offenbar auf einen ®rieg gegen Greußen jiette. (Slifabetf) mar bafjer über ben 2Ibjd)iu& beä preu&ifa>eng= lifdjen 93üubniffe3 aufs |>öd)fte entrüftet unb brüefte, fobalb fic oon bemfelben #enntniß erhalten, bem öfterreidnfajen öJefanbten efter^ajo ifjre ©ereitmiaigfeit au«, bem feinem Stbfdtfuffe na^en ©ünbntffe DefterreidjS mit Sranfreidj beizutreten.

2Bie föugtanb, fo ftanb aud) ®urfadjfen entfdjieben ju Defter* reiefj, ntdjt nur megen beä perfönlifen ^paffeö 93rül)te gegen grieb* ridj IL, fonbern audj meil ba3 fädc>fifrf)e Sßolf bic in bem legten Kriege öon ben $reu&en in Saufen oerübten ®emalttf)ätigfeiten nia)t oergeffen tonnte. $ie (Erbitterung be3 $re£bener |>ofe$ tjattc in einem eifrigen ©djriftmedjfel SBrüf)lä mit ben leitenben ^erfonen an ben $>öfen oon Söien unb Petersburg einen Ieibenfdjaftüd)en &u3* brutf gefunben ; bodj mar nod) $u feinertei Vereinbarungen jmifdjen ben brei 2J?ädjten in Söejug auf ein gemeinfame« feinblidjeS Vor* gefjen gegen $reu&en gefommen.

3n$roifdjen mar griebrid) burdj einen beftodjeneu ©efretär ber öftcrreict)ifcr)eri ®efanbtfd)aft in ^Berlin unb burd) einen gleidjfatts in feinem ©olbe ftefjenben fädtfifdjen ftabtnetäjefretär in ben 93c- fifc oon Sfbfdjriften geheimer Rapiere gelangt, au« melden er, laut einer nad) bem öuÄbrud) be« $r#ge« oon feinem SOcintfter, bem (trafen £>er$berg, $u feiner SRedjtfertigung oeröffent(id)ten €>taat«fdjrift, bie Ueberjeuguug gefajöpft, bafj Defterreia), föu&Ianb unb ©ad&fen übereingefommen feien, ifjn im fommenben griUjjafyre anzugreifen, um ficr) in feine ßänber ju tfyeüen. Dbgteid) in ben fragltdjcn papieren, mie ^erjberg fpäter offen befannte, nidjt« 2ln* bere« enthalten mar, al« mefjr ober minber heftige SluäfäHe gegen ben #önig unb eoentueöe Xtyetfungaoorfdjtäge für ben in ben ge- heimen Slrtifeln be« üorermäfjnten öfterretdnfaVruffifd)cn 55efenfio= oertrag« 00m Qaljre 1746 oorgefefjenen gaü eine« grieben«brua)« oon Seiten be« ®önig« ton ^ßreufjen, befd)(o& griebria) bie ifjm geworbenen „(Smtfnlüungen" ju einem fof ortigen Singriff auf ©adjfen unb £)efterteidj $u benufcen, ba biefclben für ben 2(ugenblirf nodj attein ftanben unb nidjt gerüftet maren, mafjrenb er fetbft fid) in oofler ®rieg«bereitfdjaft befanb.

Qnbeffen erfannte griebridj, ba§ er 5ur Eröffnung ber geinb* feligfeiten irgenb eine« Vormanbe« bebürfe, unb baju mujjten ü>m Xruppenanfammlungen bienen, bie eben in Siemen unb 2Räf)ren ftattfanben. (£r liefe burd) feinen ©efanbten am SBiener £>ofe ber ilaiferin eine $cnffd)rift überreifen, morin er öon ityr unter bem £nnmei« auf bie „itym jugefommenen juöedäifigcu 9tad>rtd)ten oon einem jmifdjen i^r unb ber ®aiferin oon SRufelanb gejdjloffenen, gegen i^n geria}teten Angriff «bünbnig" , fomie auf Öcfterreio)« Lüftungen eine förmlid) e s-8erfia)erung barüber üertangte, bafj fie

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Scr ftebcni^rigc (brittc Weftfdp) flricg.

auf feine 2Irt gefonnen fei, iljn Weber in biefem nod) im folgen* ben Sa^re feinbiid) anzugreifen, tiefer gorberung mar bie (5r= ' flärung beigefügt, bajs ber König eine ungemiffe unb unfdjluffigc Antwort als ein ©ingeftänbnig feinbfeliger ^bfic^ten unb fomit für einen Kriegsfall anfeuert werbe. $)ie Kaiferin lieg Ujm ermiebern: „3>ie if)r übergebene $enfförift fei nad) 3nfmlt unb SluSbrurf eine berartige, bafj fie gar nidjt barauf antworten fönne, ofjne bie ©djranfen ber Mäßigung ju über f abreiten, ©ie fmbe jebod) be* fohlen, bem ©efanbten ju eröffnen, ba§ bie 9*ad>rid)t oon einem jwifd)en ifjr unb SRufelanb gegen ©eine preufjifdjc sUtojeftät ge= richteten 2TngriffSbünbni& fowie alle Angaben in betreff ber babei getroffenen Serabrebungcn oöllig falfd) unb erbietet feien, unb ba& ein berartiger Xraftat gegen ben König oon ^reufjen nid)t efiftire, nodj jemals erjftirt fjabe. UebrigenS fönnten bie oon \f)x getroffenen militärifd)cn Söorfe^rungen ben König umjo weniger be= fremben, als er ja felbft fa)on längft mit bebroljlidjen Lüftungen beschäftigt fei."

$iefe Antwort würbe oon griebrid) für ungenügenb erflart unb bemgemäfj gleict) am $age naa) bem Eintreffen berfelben, am 26. Sluguft 1756, ben Gruppen 9^arfd)befe^l erteilt, $er erfte Angriff galt ©ad)Jen, baS ber König burd) eine rafdje ©efefcung entWeber oon bem angeblidjeu ©ünbnifj mit Defterreid) loszureißen unb ju feinem eigenen SJunbeSgcnoffen ju madjen ober, was ifjm als baS S3ort^eüt)aftere erfdnen, für feine friegerifd)e ^werfe aus- zubeuten gebaute.

2lm 29. Sluguft erflärte ber preujjifd)e ©efanbte in Bresben: „$er SBiener £of jwinge ben König, nad) Söhnten §u marfdnreu, unb ber 2Seg müffe burdj ©ad)fen genommen werben," unb an bemfelben Xage überfdjritt ein preufjifdjeS £eer oon fed^igtaufenb Timm bie fädjfifdje ©renje. Wittenberg, Xorgau, fieipjig unb Diele anberen ©täbte mürben ofyne ©djwierigfeit befefct, unb fdjon am 9. ©eptember ftanb griebrid) oor ben dauern oon Bresben. $)a bie ©tabt nid)t oertfjeibigt werben fonnte, inbem baS £anb ofme alle Kriegs bereitfa^aft war, entflof) 2(uguft III. mit bem ©rafen ©rüljl nad) $ima, wo fein gelbmarfdjall ÖJraf föutomsfn mit einem in ber Eile jufammengebrad)ten £eere oon fiebjc^ntaufenb 9#ann ein fefteS fiager belogen l)atte.

©o fonnte griebrid) oljne ©d)Wierigfeit in bie fäd)fifdje #aupt- ftabt einjie^en. £)ier lieg er baS Wrdjio im furfürftlidjen ©djloffe gewaltfam öffnen, obgletd) bie in Bresben jurütfgebltebene Kurfürftin ben Eingang ju bemfelben mit ifyrem Sftürfen 51t betfen judjtc, unb aus bemfelben alle für if)n widrigen Urfunben fjerauSnefymen, aus welchen bann fein 2)ünifter ^perjberg ben ©toff ju ber oben erwähn* ten, fpäter oon if)tn felbft jum größten Xfjcile bementirten ©taats*

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SBcranlaffung unb Ausbruch be« Kriege»

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fefprift: „(SJrünbliche Nachricht öon ben gefährlichen Sftftchten ber £öfe gu SBien unb ju Bresben" fchööfte.

$a ftuguft DL ba« öon griebridj ihm angetragene SBünbnifc ablehnte unb fich nur jutn Slbfchlu§ eine« 9ieutratität«öertrag« be* reit erflärte, würbe ©achfen wie ein eroberte« £anb behanbelt. $te «geughäufer ju Bresben, 28eißenfet« unb Beij würben ausgeräumt unb bie SSaffen fammt bem ©efdjüfc nach 9ttagbeburg gerafft, bie öffentlichen Waffen, fomie bie Söergwerfe, bie SJcunje unb bie ^orjet- lanfabrif mit SBefdjlag belegt unb bie $anjteien öerftegelt. 3n Xre«ben errichtete grtebrich, nachbem er ba« fächfifche Sonferen^ minifterium auger $f)ätigfeit gefegt, eine preufnfehe ßanbeSöerwat* tung unb in Xorgau ein ßriegSfommiffariat, welche« burdj s2IuS= fchreiben allen Einnehmern furfürftlict)cr ÖJefäHe gebot, biefelben nicht mehr an ben SanbeSherrn, fonbern an ben Äönig öon Greußen 311 entrichten.

Unterbeffen hotte SfriebrichS unerhörte« Vorgehen gegen ©achfen im beutfehen deiche allgemeinen Unwillen hwborgerufen, unb bergS NechtfertigungSfchrift fanb wenig (Glauben. 2ln jriebrich er- ging ein fatferliche« TOanifcft, worin er aufgeforbert würbe, bem «föönig öon Sßolen aßen ihm jugefügten ©chaben ju erfefeen unb feine Gruppen unüerjüglich au« ©achfen jurücfjujiehen. ©tatt biefer Slufforberung golge 5U leiften, fdjritt 3rriebrich $ur Einfchüefjung t>e« fächfifchen Säger« bei $irna, ba« ihn an ber Ausführung feine« beabfichtigten Einbruch« in ©ohmen t)inbertc. 3>a ba« fächfifche £eer fich in einer unangreifbaren Stellung befanb unb in fidlerer Erwartung eine« balbigen Entfafce« burch bie Defterreidjer jum äugerften SBiberftanb entfehtoffen mar, blieb ihm nicht« anbere« übrig, <il« ba«felbe auszuhungern.

Qn^mifchen ^atte ber öfterreichifche Selbmarfchatl ^Browne in Böhmen fünfunbbrei&igtaufenb Sftann jufammengebracht, mit welchen <r gegen bie fächfifche (Ürenje öorrücfte, um ben eingefchloffenen ©ach* fen Öuft ju machen, grtebrich 50g ihm fogleich mit breijjigtaufenb SDtonn entgegen, unb bei bem böhmifchen ©täbtehen ßowofifc tarn am 1. Oftober ju einer ©djfacht, bie öon fteben Uhr borgen« bi« brei Uhr Nachmittag« unentfdueben §in* unb h^wogte, ba bie gebirgige ©egenb, fowie ein bidjter Nebet, ber fich erft $ur 9JHttag«= ^cit ju jerftreuen begann, bie Bewegungen beiber £>eere erfchwerten. Nachbem ein öon bem Jperjog öon SBeöern mit bem ttnfen preufji* fchen Slügel gefchieft ausgeführte« SRanööer bie STuflöfung be« rechten faiferlichen glägetö herbeigeführt, trat Söromne ben Nücfyug nach Söubin an. Snebrich, ber fiebentaufenb iobte auf bem ©chla<f)tfelbe äurücftiefj, währenb ber SSertuft ber Defterreicher nur ^weitaufenb SNann betrug, fonnte nicht umhin, feinem (Gegner ba« Seugnifj ber einficht«öottften unb taöferften Söertheibigung au«juftellen. ,,E«

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422 $cr ftcbenjd^rigc (brittc föleftföc) Ärieg.

finb nid)t mef)r bic alten Defterreidjer , bic icf) bei ßomofifc fanb", f abrieb er an ben ©rafen oon ©djroerin. „Sic ftnb meit flügcr als fonft , unb , glauben ©ie mir auf mein SBort , eS wirb un= jä^Iige äftenfdjen foften, fte ju fragen, menn mir ifjnen anbcrS ntd)t eine übermicgcnbe SRaffe öon grobem ®efa)ü& entgegenstellen oermögen."

Sriebrid) eilte naa) ©a^fen jurücf, um baS eingefdtfoffeue fädjfifdje $eer , in meld&em injmifa^en bie Wotl) aufs £ödjfte gc* ftiegen , jur Kapitulation ju jtoingen. 9laa) einem üergeblidjcn $er{ud)e, p nädjtlidjer ©tunbe über bie ©Ibe ju ge^en unb ftcr) burdj bie Greußen burdf^u föfagen , um ftdj mit ©romnc $u t>er= einigen , ber ifjnen bereits bis ©rfjanbau entgegengefommen , blieb ben üoüftänbig erfcf>öpften unb bem Söerfjungcrn nafyen fädöflfc^en Xruppen 9HdjtS übrig, als fidj ju ergeben. Slm 14. Öftober mürbe jmifdjen bem (trafen sJtutomSfn unb bem preu&ifajen ®eneraflieute* nant oon 2öinterfe(b , gricbrirf)S oertrauteftcm 9tatf)geber unb bem £auptanftifter beS Krieges, ein $apitulationSt>ertrag gefdjloffcn, naa? meinem fid) baS ganje, nod? aus oierje^ntaufenb Sftann befteljenbe fäd)fifcf)c £ecr mit allen SSaffen unb $riegSoorrätl)en , bod) ofyne bie gafjnen unb ©tanbarten, gefangen geben mußte. 3)ie Offiziere mürben auf iljr (Sfjrcuroort, nict)t gegen Greußen }it bienen, frei* gelaffen , bie Gemeinen bagegen , in benen 3riebrid) nur millenlofe SBerfyeuge ju erblicfen getoofjnt mar , jum Eintritt in baS preu= ßi)tf)e $eer gejroungen. %\t fädjftfdjen ©olbaten jeigten jebod) eine f)öl)ere (Sefinmutg, als Sriebrid) ifjnen jugetraut: bie meiftcn ber- felben beroafjrten ifjrem Shirfürften bie iljm jugefdijroorene Xreue unb entminen, ben ifjnen abgerungenen gafjneneib für nidjt öer= binblidj eradjtenb , fdjaarenrocife nadj ^ßolen , rooliin Sluguft III. ftcr) mit feinen beiben ©öfjnen unb mit feinem SHinifter SBrüfjt begeben fjatte.

SSäljrenb bie Defterreidjer fidj in baS innere SBöfjmenS $u* rücfjogen , nahmen bic Greußen ifjre SBinterquarticre in ©djleften unb ©adjfen. 3riebridj fclbft oerbradjte ben Söinter in Bresben, roo er, feine Seit jmifrfjen meiteren $riegSoorbcreitungen , jdjrift= fteücrifcrjcn Arbeiten unb ftunftgenüffen tfjcilenb, bie Ütotle beS ge* btetenben SanbeSfjerrn fpielte.

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$ie (Schlachten bei <ßrag, Äollin, ffiofebaef) unb Seilten. 423

Sic Sdtfadjten bei $rag, «ollin, Koftbad) unb «cuthen.

(1757.)

35er griebenabruch, ben ber ®önig oon Greußen burch feinen Einfall in ©Ockfen begangen, fjatte in ganj (hiropa ba3 größte Sluffeben unb eine allgemeine (Sntrüftung erregt. 35ie ®aiferin Oon SRu&lanb ließ bem $urfürften oon Sachfen bie Sterficfjerung jufommen, baß ftc baä Unglücf, ba$ ihn betroffen, aufrichtig mit- fühle unb ed für tt)re befonbere Pflicht erachte , i^m megen ber gegen feine (Srbfraaten geübten ©emalttbätigfeit eine ÖJenugthuung ju oerfebaffen, bie weniger nach Maßgabe be3 jugefügten SchabenS ju beftimmen fei, ate nach ber ^bfcheulicbreit beä burch ben ®önig Oon Greußen rücffichtaloS begangenen griebenäbruebea. Um }U jeigen , baß ihr mit biefer Verfidjerung ©rnft fei , orbnete fie fogleich bie umfaffenbften Lüftungen an.

3)ie gleichen ©eftnnungen jetgte Submig XV., beffen ältefter Sohn, ber Dauphin fiubtotg, mit einer Xocfjter Muguftö III. Oer* mahlt mar. (£r gab SBefef)!, bei SD^eft ein fteer oon oierunbamanjig; taufenb 3ftann jufammensuäieben, unb als griebrich bem fran^öfifchen ©efanbten am Sreäbener £ofe, bem ÖJrafen 93roglio, bie ©rlaubntß oermetgerte, bem bei $tma eingefchtoffenen fturfürften perfönlicb ein Schreiben feinet Königs ju überbringen, mürbe ber fran^öftfehe ©e= fanbte oon ^Berlin abberufen, moranf griebrich feinem Ötefanbten in *ßari£ gleichfalls ben ©efcbl ftur fofortigen Slbreife jufommen liefe. $>er jmifeben granfreieb unb Cefterreich gefcbloffene £efen5 fiooertrag mürbe burch ben am 1. Sftai 1757 unterzeichneten bireft gegen Greußen gerichteten fogenannten „fetten Vertrag üom SSerfaiQe^" ergänjt, in welchem fidj Submig XV. oerpflichtete, bie ®aiferin^ömgin in ihrem Kampfe gegen griebrich II. mit einer Xruppenmacht oon einmalfjunbertf ünf 5 ebntauf enb Üftann unb namf)af= ten i>ilf3gelbern ju unterftü&en, mogegen ihm 2Karia ^r)erefia für ben Satt ber erftrebten SBiebereroberung oon ©cblefien unb ber Grafschaft Glafc bebeutenbe Gebietsabtretungen in ben ftieberlanben jufagte.

$er Reichstag ju SRegenSburg fprach au Anfang bcS 3at)re3 1757 über griebrich toegen beS oon ihm begangenen, bie 9teuf)3; oerfaffung oerlefcenben griebenSbrucbS bie Mchtäerflärung au£ unb orbnete ju beren SBollftrecfung bie Slufftellung eines 9ieicbabeere3 an. Sluch ©chtoeben mürbe burch franjöfifcheS ©elb unb ben @in= fluö ber ®aiferin (Elifabetb , fomte burch bie Hoffnung auf ben SBieberermerb oon Vorpommern für bie 93etl)eiligung an bem Kriege gegen Greußen gemonnen.

So fat) fich griebrich einem 99unbe gegenüber, beffen ©trete fräfte bie feinigen, einfchlieglicf) ber oon feinen 23unbe3genoffen

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424 $er fiebenjityrige (brüte fdjlefifdX) tfrieg.

(£ng(anb, |>ef}cn^affe( , Söraunfctyweig unb ©otlja ju erwartenben Verhärtungen, bei SBeitem nuf)t geWadjfen waren. Xennod) er- uliten feine Sage für ben Slugenblid nidjt allju ungfinfhg; benn wät)renb er burdj bie auägiebigfte ©enufcung ber reiben Hilfs- quellen, bie ba£ oon ifjm befefcte €>ad)fen i^m gewährte, für ben gclbjug bed fommenben Qa^rea bie umfaffenbften Vorbereitungen t)attc treffen fönnen, waren bie Lüftungen feiner (Gegner nod) lange nidjt beenbigt, unb fiberbieS war e& i|m gelungen, ben ruffifc^cn ÖJrofjfanjIer ©eftudjew burdj bebeutenbe (Selbfummen bafjin 511 bringen, bafj berfelbe bem ^bmarfdj ber ruffifdjen Gruppen auf ben $rieg$fd)auplafc afle nur erbenflidjen £inberniffe in ben 2Beg legte ; audj bie 2öat)I beä burdjaufc unfähigen (trafen Slprarjn jutn Dber* befefjtSljaber be§ rufftfdjen $>eere3 befunbete, ba& Jöeftudjem öoCU ftänbig für griebridt)3 3ntereffe gewonnen mar.

9tad) bem bon griebrich für ben getbjug be3 3at)re3 1757 entworfenen $tane follte feinen SöunbeSgenoffen bie 2tbwet)r ber granjofen überlaffen bleiben unb gegen bie Muffen, Don melden er für ben Slugenblirf wenig ju fürchten t)atte , ber alte gelbmar* fdmU ßefjwalb mit jefmtaufenb Sftann entfanbt werben, bie preufjifdje Jpauptmadjt aber in 83öt)men einfallen unb $rag erobern, nad> beffen einnähme ber $önig in ber Sage ju fein f)offte , ben ftrieg in baä 3nnere Defterreiä)* $u öerpflanjen unb ber #aiferin-®ö* nigin in SBien felbft ben grieben $u biftiren. $en mit feinen gelb* fjerren getroffenen SSerabrebungen gemä&, über meldte ba8 ftrengfte ®et)eimniB bewahrt würbe, rücfte ba3 preu&ifdje #eer im Sfprit in oier Slbtljeilungen öon öier berfduebenen ©eiten t)er in $Böl)men ein, nafmt überaß, ba ber (Stnbrudj ben Oefterreia^ern öööig uner* wartet gefommen, bie 9flaga§ine funmeg , fo bafj e3 für längere Seit reid)lid) mit ädern Nötigen berfet)en war, unb ftanb am 6. 9Äai, bem jur Bereinigung ber oerfduebenen Jpeerfäulen beftimmten Xage, oor rag, wo unterbeffen baä öfterreid)ifd>e $eer unter bem ^rinjen $arl oon Kötteringen unb bem gelbmarfdjafl ©rowne Stellung genommen.

Dbgleid) ber alte getbmarfdjaH Schwerin bem #önig bringenb riet!) , bebor er jum Angriff fdjreite , ba« Serrain genau ju er* funben unb feinen ermübeten Xruppen einen Xag §Rut)e ju gönnen, beftanb griebriä) auf einem fofortigen Angriff unb orbnete felbft fein £>eer jur ©djladjt. Slbcr fdjon beim Slufmarfdneren ftiejj man in bem fumpfigen unb bergigen (Srbreidj auf unoorljergeietjene ©cbwtertgfeiten , fo bafj ber Angriff erft um ein Ut)r Nachmittags beginnen fonnte. $ie $reu&en würben bei bem 2krfucf>e , bie $>öl)en ju erftürmen, au3 ben woljl angebrachten öfterrctdt>ifc^cn Batterien mit einem fo mörbcrifchen geuer empfangen , ba& ganje Regimenter nieberftürjten unb i^rc Üiei^en fict) ju (Öfen begannen.

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$ie ©djladjfen bei $rag, Äount, töoßbad) unb Scut^cn. 425

2)er breiunbftebäigjäfjrige ©ajmerin, ber einem fliefjenben Säfjnrid) m bie galjne aus ber fyanb geriffen unb an ber @jnfce feine« 3uß* üotls aufs Sfeeue gegen bie berberbenfprühenben femblidjen Batterien borgebrungen mar, fanf, Don bier tfartätfdjenfugeln burdjbofjrt, tobt ju ©oben. 3mmer größer mürbe bie ©ntmuthigung im preußifajeu Speere , unb fdjon fdnen ber ©ieg für bie Defterreid&er gefiebert, als ber gelbmarfchall ©romne burd) eine fetnblid>e £ugel töbtlidj bermunbet mürbe unb bemußtloS aus bem #ampfgemfif)le fortge* tragen merben mußte. Sto ber $nnj bon Öot^ringen faft ju ber gleiten Seit , mäljrenb er in ^öc^fter Erregung ben in ber $luf* löfung begriffenen öfterretdjtfchen regten ftlügel $um ©teilen ju bringen fudjte, burd) einen plöfclidjen heftigen öruftframpf ber ©e- ftnnung beraubt mürbe, geriet!) baS öfterreidjtfd)e jpeer in bollftän* bige ißermirrung, unb nad)bem eS bem ftönig gelungen, baS feinb* Iict>c Zentrum ju burdjbredjen , mar ber ©ieg für il)n entfa^ieben. 51ber mar ein treuer erfaufter @ieg; benn mel)r als fed^ehns taufenb Greußen lagen tfjeilS tobt, tljeilS bermunbet auf ber blu- tigen SSaljlftätte , unb ber SBerluft ©ajmertnS mog, nadj bem 9luS* fprudj 5riebrid)S, fernerer, als menn er je^ntaufenb üftann mein; eingebüßt ^atte.

$a ber $rin$ bon Böhringen fidj mit bierjigtaufenb SRann hinter bie Stauern bon $rag jurüefge^ogen unb überbieS ein $mei* teS öfterreidjtfdjeS £eer unter bem Sfelbmarfd^aQ 3)aun bei Hutten* berg ftanb, mürbe bie Sufforberung jur Uebergabe ber Stabt jurütf* genriefen, unb fo faf) ftdj Sriebridj genötigt, jur Belagerung ber* felben ju fdjretten. $iefe Hufgabe übernahm er felbft, mäfjrenb er ben £er$og bon SBraunfa^meig^Bebem mit jmanjigtaufenb üflann jur ©eobadjtung 5)aunS gegen Äuttenberg entfanbte.

Untcrbcffen mar ein franjöfifdjeS Jpeer bon fyunberttaufenb SDtonn in Söeftfalen eingerütft, unb ein gleich ftarfeS ruffifdjeä §eer jog gegen Greußen Ijeran. ÄlS griebrid) ^ierbon Äunbe erhielt, be* fd)loß er , nachbem er bereits fünf SEBodjen lang bie böhmifdje £auptftabt erfolglos Ijatte begießen laffen, felbft bem fteere $aunS entgegenjujie^en , in ber Hoffnung , baß ein ©ieg über baSfelbe, woran er bei feiner geringen Meinung bon 2)aunS gelbherrntalent nicht gmeifelte, eine (ofortige güufttge Söenbung beS Steges für ifm jur Solge ^aben merbe. 2Jftt jmeiunbbreißigtaufenb SJcann brach er am 13. ^uni jur Bereinigung mit Gebern bon $rag auf unb traf mit bemfelben am 15. bei $aur$im jufammen. $a $)aun in- ^mifajen bon SBien Befehl erhalten, $WeS gum (Sfntfafce bon Sßrag aufzubieten, ^atte er feine Xruppen jum SBormarjO) gegen baS preu§i)d)e iÖelagerungS^eer bei Ä o 1 1 i n jufammengegogen , mo er auf bie 9iadjrid)t bon g^^^i^^ heranziehen eine treffliche ©tel- lung na^m. £ier griff i^n griebria) am 18. 3uni um ein U&r

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$er ficbcnj«f)rigc (brittc föleftfdje) tfrieg.

RndmtittagS an. $ie Schlacht tourbe, nach bcm öon bem äönig entmorfenen *ßlane , burd) bcn rechten preußifchen glügel unter bcm General Sythen eröffnet, ber bie Oefterreidjer öon ber Seite angriff unb ihnen trofc ber ^eftigften Gegenroehr ntc^t unbebeutenbe Sortheile abgetoann. SIber roährenb 9ltte* fidj aufs Günftigfte für bie Greußen ju geftalten festen , änberte griebrid) plöfclich feinen Sdjlachtplan , inbem er mehreren Qnfanterieregimentem , bie &ur Berftärfung beS regten glügelS heranrückten , Befehl erteilte, ben geinb in ber gronte anzugreifen. Vergeben« machte U>n ber $rin$ 9Hori$ öon 3>effau, ber biefe Regimenter befehligte, auf bie unauS= leiblichen golgen biefer 9lenberung aufmerffam : ber finnig, ber fia> fchon feit längerer Seit in einer fo geregten Stimmung befanb, baß er auf feinen Rath hörte, mieS ihn mit heftigen SBorten jurücf unb fprengte enblid), als ber <ßrinj feine (Sinmenbungen ju ttrieberhoten magte, mit entblößtem $egen auf ir)n ein, inbem er ihn fragte, ob er gehorchen »olle ober nicht? $er $rinj fügte fich; aber maS fommen mußte, fam: bie preußifchen Generale fonnten fteft nia)t fo* fort in bie neuen Slnorbnungcn finben, unb fo gingen mehrere auf eigene Gefahr öon ben ursprünglichen Befehlen grteDridjS ab. $ie baraitS für bie Defterreidjer ertoachfenben SBortyeite mürben öon Xaun, bem griebrich felbft baS Scugniß auSftellt, fich bei biefer Gelegenheit als „großer Heerführer" bemüh** ju haben, aufs $reff= tiefte ausgebeutet, unb fo blieb ber Sieg ben Defterreidjern. 2Rit einem Söerlufte öon oiergehntaufeub äRann an lobten, Bertounbeten unb Gefangenen, barunter brcihunbertfechSunbatüanäig Offiziere, unb unter 3urü<flaffung öon fünfuuböterjig Gefchüfc en unb jmeiunbsmanjig gähnen unb Stanbarten mußte ber $önig ben Rücfyug antreten.

W\t ber Rieberlage Don S'ollin mar grtebrichs hodjfahrenben Plänen ein Qiti gefefct: oon bem Singriff mußte er jur Berthei* bigung übergehen. Rachbem er bie Belagerung öon ^rag aufge* hoben, orbnete er bie allmähliche Räumung Böhmens an. Sein trüber Sluguft SBilhelm, ber ben Auftrag hatte, einen Xfjeil beS £>eereS nach ber fiaufity jurücfyuführcn, erlitt bei bem Ausgang aus ben böhmifdjen $äffen empfinbüche Berlufte, morüber griebrich ihn mit fo öerlefcenben Bortoürfen überhäufte, baß ber Kummer barüber bcn trefflichen , allgemein oerehrten ^Srinjen , ben ber ®önig fchon längft als feinen Rachfolger mit Wrgroolm $u betrachten fich gc* möhnt hötte, in ein frühes Grab frürjte.

SBährenb griebrich nach Dcr öoUftänbigen Räumung Böhmens ein fefteS £ager bei Görlifc be$og, nahm baS öfterreiduiche .peer, baS il)m unter bem ^rinjen Oon fiothringen unb $>aun gefolgt mar, an ber Reiße eine fo treffliche Stellung, baß ber ®önig, ber üor Begierbe brannte, bie bei ftollin erlittene Scharte burch einen Sieg auSjutoe&en, oon einem Eingriff auf baSjelbe abftehen mußte.

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$ie <Sd)la<t\ttn bei $r<tg, tfoUin, SRofebach unb Seutf)en. 427

Unterbeffen waren bon ollen leiten Unglfictebotfchaften ringe* laufen. $5ie Muffen maren in Greußen eingebrochen, Ratten am 5. 3ult SWemel erobert unb plünberten unb bewerten bie bon ihnen burdjjogenen Oegenben in grauenboller SBeife. $ie granjofen Ratten griebrichs rhetnifche unb meftfälifche Sänber befefct, bie fie mit ferneren SBranbfchafcungen fjeimfudjten, unb ba« öon griebrtcha beutfdjen ©unbeSgenoffen aufgebraßte unb bon bem iperjog oon (Sumberlanb geführte £>i(f8heer mar am 26. ftuti bei #aften6etf , unweit Jameln, öon bem franjöfifchen SWarfiafl b'Str^eS boflftän* bi<l gefchlagen morben, morauf bie gfrangofeit fich über gan$ lieber? fachfen berbreitet Ratten.

$a3 .$eran$iefjen eine* jroeiten franjöfifcften, bon bem ^ßrinjen Soubtfe, einem (Uünjtling ber 90?arquife öon Sßompabour, geführten #eere£, ba$ im Vereine mit bem unter bem Oberbefehle be3 $rin= $en bon £ilbburgfjaufen ftefjenben SReidjSEjeere bie Greußen au$ föurfachfen bertreiben fottte , bemog ben $ömg , ba3 Sager bon ®örlifc bem ©erjog üon Vraunfchmeig*Vebern ju überlaffen unb fief) fclbft im Wuguft mit jmölftaufenb Sftann nach Treiben ju begeben, bon mo er feine Truppen in Keinen (Schaaren bis nach £alberftabt hin bertheilte.

Söäfjrenb griebridj in@achfen ftanb, erlitt ber fech^unbftebjtg* jährige gelbmarfchall fiehmalb am 30. $(uguft bei ©rofcjägern* b o rf , unmeit Sßelau, gegen ben ruffifdjen gelbherrn Slprarjn, beffen £eer bem preußifdjen um baS Vierfache uberlegen mar, eine lieber* tage, bie ohne Broetfel ben Verluft bon ganj Greußen jur golge gehabt h°ben mürbe r märe ntcr)t Slprajin unermartet mit feinem £>eere burdj Veftucfjem abberufen morben. 35er ©runb baoon (ag in einer plöjjlicfjen gefährlichen Crrfranfung ber Äaiferin ©lifabetf), nach beren ficher ermartetem Tobe Veftuchem fich be$ #eere3 jum ©turje be8 jum Thronfolger ernannten ßJroßfürften $etet bebtenen moHte. $)ie dtenefung (SltfabethS unb bie ©ntbeefung fetner 5lbfichten führten feine Verbannung nach Sibirien herbei.

9cach bem Hbjug ber Sftuffen manbte fich Dcr gelbmarfchall fiehmalb gegen bie ©djmeben , bie in ber ©tärfe bon jmeüurt^man* $igtaufenb Sflann in Bommern eingefallen maren, unb brängte fie bis nach ©tralfunb unb ber Snfel SRügen jurücf.

ÜJtinber günftig als im Dften hatten fich injmifcfjen im Söeftcn bie $inge für griebrief) geftaltet. Nach ber Schlacht bei $aftenbecf hatte fich ber £>erjog bon ßumberlanb bon bem ^er^og bon fRtc^e- lieu, bem Nachfolger b'@tr£e£, fo fehr in bie @nge treiben laffen, bajj er fein £>eer nur bnreh ben am 8. September unter ber Ver- mittlung T)änemarf3 gefchloffenen Vertrag bon ®lofter*@eeben cor firiegSgefangenfdjaft retten fonnte. tiefer Vertrag, in meinem er fich berpflidjtete , alle Truppen feine* $>eere3 mit Sluänahme ber

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428

2>er fteftenjtyrige (brittc fdjlcfifc^c) ffrieg.

.fSannoöeraner auSeinanbergefjen ju laffen , mit bicfen fidj über bie (SIbe jurücfjujic^en unb ben granzofen btc bi« jefct oon tym befe&* ten Sänber einzuräumen, mürbe jmar öon ®eorg II. nidjt rotificirt; ober bie Sranjofen blieben beffenungead)tet nidjt nur im ©efifc be3 &nrfürftentf)um3 £annoöer, fonbern befefcten audj Bremen, ©raun* ftfmeig unb SBolfenbüttet , fomie ba3 Gebiet be3 ßanbgrafen öon <£>effem$affel, ber fiaj naefc Hamburg zurüefzog.

Unterbeffen war griebrief) öon Bresben nadj Arfurt aufge* brocken, um ©oubife unb ben ^rinjen öon ftilbburgljaufen öon ©adjfen abzuhalten. 3n feiner madjfenben ©ebrängnifj ^atte er e3 ntdjt unter feiner SBürbe gehalten, ber öon ifjm fo ötel gefdjmäfjten tötorquife öon ^ompabour als $rei3 ber Vermittlung eine« für tf)n tjortfjeilfmften griebenS juerft fünfmalljunberttaufenb Sfjaler unb bann fogar baä gürftentf>um 9ceua)atel nebft ©alengin anzubieten : feine Anträge maren jebodö in ©erfaiHeS entfdjieben zurutfgemiefen morben. Sludj bie ©emüfjungcn be3 burd? fdjmeidjetyafte ©riefe gricbridjS ünb bebeutenbe ©elbfpenben in ba$ preugifdje pntereffe gezogenen $erzog3 öon 9hd)elieu, £ubmig XV. jur fiöfung be3 ©ünbniffeä mit Defterreid) zu belegen, maren erfolglos geblieben; boa) r)atte griebrid) burd) föidjelieu ben 9Ibfcr)tu6 eine* fedjämonat* lid)en SBaffenftiflftanbeS erlangt, ber e3 i^m möglid) madjte, einen 2£)etf feiner Xruppen auä 9Keberfac§fen znrürfzuzie^en.

@bcn im ©egriff, gegen ©oubife unb ben Prinzen öon $tfb* burgt)aufen öorzurütfen, erhielt grtebrid) bie flcadjridjt , ba& ber öfterreidufdje (General §abbtf mit einer Hbttyeilung Kroaten in bie •Dcarf eingefallen unb bis ©erlin öorgebrungen fei. ®r bradj fo- gleidj mit einem Steile feines $eere3 öon (Arfurt auf, um nad) feiner £auptftabt z" eilen; £abbif ^atte fid) jebod) bereite, nadjbem er ©erlin mit einer ©ranbfdjafcung öon zroeimalfjunbertfünfzigtoufenb Xfjalern Ijeungefudjt , öor bem mit fieben Regimentern fjeranrütfen* ben 2Horifc öon $)cffau mieber zurüdgezogen.

Qnzmifdjen Ratten ©oubife unb ber $rinz öon £>übburgf>aufen bie ©aale überfdjrttten unb bie ©täbte SBei&enfelä , Berleburg unb platte befefct. ©ogleidj z°Ö griebrid) aüe feine oerfügbaren Xruppen Zufammen unb rüdte an ber ©pifce eines £>eere£ öon adjtunbzman* Zigtaufenb Mann gegen bie ©aale öor, mo er bei bem $>orfe SR o & = badj, unroeit Sfterfeburg, einßager bezog. 2)a baS üerbunbete Jpeer bem feinigen um ba$ Stoppelte überlegen mar, zweifelten bie gran* Zofen nid)t baran, ba& e$ ifmen ein SeidjteS fein roerbe, i^n zu öer« nieten ; Üjrc einzige ©orge mar nur , baß ber ^önig i^nen entrin- nen fönne. Um bied zu öer^inbern, brauen fie fdjleunigft auf unb begannen am äßorgen be* 5. 9loöember baä preugifa^e Sager zu umgeben, griebrid», ber mofjl mußte, baö er öon bem bunt zufam* mengemürfelten, unbiäciplinirten Reic^S^eere menig zu fürchten fyabe,

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S)ic @<$Iad)ten bei $rag, floflin, föofebach unb fieutfjen. 429

unb bon bem gelbfjerrntalent be$ *ßrin$en bon Soubife eine feljr geringe Meinung hatte, blieb ruhig in feinem $tü ; erft nachbem er unter ben klängen ber f r an jöfifchen gelbmufif ba$ SDcittagSmahl eingenommen, gab er ©efefjf, bie 3^te abzubrechen, unb in wenigen 21ugcnblicfen war, jum ©rftaunen be3 geinbe«, ba& preußifdje $>eer in Sdjlachtorbnung aufgeteilt. Seim erften Slnftürmen ber bon bem ©eneral Senblifc geführten preußifcfjen Reiterei löfte fich bad Geichs* heer in bermorrene 3f(uc^t auf, unb nach faum anberthalbftünbtgem Kampfe waren auch bie granjofen boflftänbig jerfprengt. $ie früh einbrechenbe SJunfelheit rettete bie gliehenben bor ber gänjlichen $Bemicf)tung ; bodj fielen an fiebentaufenb bcrfcl6en , barunter neun (Generale unb breit)unbert$wanäig anbere Offiziere, ben nadjfefcenben Greußen als (befangene in bie #änbe. 9Iuf bem Sdjladjtfelbe, auf welchem ba3 gefchlagene ,£eer ftebenfjunbert $obe unb jweitaufenb SBerwunbete jurüefließ, würben bon ben (Siegern breiunbfechjig ®a* nonen unb jweiunbjwanjig gähnen unb Stanbarten erbeutet. 5)en Greußen foU ber leicht errungene Sieg, ber bei ber allgemeinen Er- bitterung über bie 9taubfudjt unb ßu^tlofigteit ber granjofen in ganj $eutfcf)lanb großen Qubel fjerborrief, nur fjunbertfea^jig Wann gefoftet haben.

Xie nächfte golge beS Steges, ben griebrich bei Roßbach er- rungen , mar bie Ungiltigfeitöerflärung be3 SBertragS bon Softer- Seeüen , §u melier ber neu ernannte englifche Staatäminifter SBilliam $ i 1 1 ben ®önig ©corg II. bewog, nachbem ba£ engltfdje Sßolf , ba8 bie ^Rac^ric^t bon ber Stieberlage ber granjofen mit lautem Qubel begrüßte, bie nachbrücflichfte Unterftüfcung beä fieg= reiben ^reußenfönigS geforbert t)atte. 2)en Oberbefehl über ba£ neugebilbete berbünbete £>eer erhielt , nach griebridjS eigener , bon (Snglanb eingeholter SBahl , ber s#rinj gerbinanb bon 83raun* fchweig.

9iachbem griebrich fich burch ben Sieg bei 9io66acr) im Söe- fifce SachfeuS gefichert hatte, brach cr m& feinem §eerc nach Sdjlefien auf, mo bie Sßerhältniffe fich injtoifc^cn für ihn äußerft ungünftig geftaltet ha^cn- Schon am 7- September hatten bie Defterreicf)er unter bem (Seneral 9caba$bi einer preußifdjen £>eere3abtheilung, bie unter SBinterfelb bei bem $)orfe ÜJcobS , unweit ®drlifc , Stel* lung genommen , burch einen Ucbcrfatl fernere Söerlufte zugefügt, unb in bem Gefechte war SBinterfelb felbft, ju griebrich^ großem Schmerle, burch einen Schuß in bie Jöruft getöbtet worben. 5)er £>erjog bon öebern war hierauf mit feinem gefammten Storps nach Schlesien aufgebrochen, um biefes ßanb gegen bie Deftcrreicher ju beefen, unb hatte bei SBreSlau Stellung genommen. £ier gebachtc griebrich fich m^ bem SÖebern'jchen $orpd $u bereinigen. Schon in ÖJörlifc erfuhr er, baß ber ®ommanbant bon Schwetbnifc biefe

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430

Ter fiebenjftljrige (brüte fchlcfifchcj ffrieg.

wichtige geftung, meiere bic böfjmifdjeit <ßäffe beefte, am 1 1 . Wooem* ber bem (General SRabaabi, ber nad) oierjehntägiger ^Belagerung berfelben jum ©türme gefchritten war, mit aßen bort aufbewahrten Sßor= ratzen unb ber Söefafcung oon fechstaufenb ÜÄann übergeben ^abc. 2luf biefe yiatyity folgte fd)on in ben nächften lagen eine nod) nieberfchlagenbere : SBeüern mar am 22. Slooember bei ©reälau ton einem ungleich ftärferen öfterreichifchen $eere unter #arl oon Lothringen unb bem gelbmarfchaH $aun gefangen worben , unb $wei Xage fpäter hatte ber Jöcfc^I^^obcr öon Breslau in ber erften iöeftürjung bie fdjlefifche £auptftabt , ohne irgenbwelchen Serjudj $ur Sertheibigung berfelben, ben Defterreidjern übergeben, öeoern felbft war an bem gleichen läge bei einer ffiecognoäcirung ben Cefterreichem in bie #änbe gefallen. Stele glaubten, er fyabt fidt> abftchtlia) gefangen nehmen laffen, um bem Sorne griebricha ju entgehen, ber ihn für bie Behauptung ©chlefienS mit feinem Äopfe oerantwortltch gemacht.

griebrich erfannte, bog Sdjlefien für ihn Oerloren war, wenn es ihm nicht gelang, noch in biefem gelbjug bie Defterreicher au* bemfelben $u oertreiben : er bcfct)Iog baber , trofc ber bebeutenben Ueberlegenheit bed öfterreichifchen jpeercS eine ©flacht ju wagen, obgleich er fich wohl bewußt war , ba& er babei Slfleft auf e i n e ftarte fefce. Wachbem ihm Siethen am 2. $e$ember in Sßardjwifc bie SRefte beä SBeoern'fchen tforpä augefüt)rt hatte, oerfügte er über eine Xruppenmacht oon brei&igtaufenb aftann, währenb baS öfterreichifche Jpeer acht^igtaufenb SRann jählte. $ie gehobene Stimmung beS #ecre$, baä er oon 9tofjbach herbeigeführt, oerfcheudjte balb bie ©nt* muthigung ber fchlefifchen Struppen , unb ba ber $önig Sllleä auf- geboten, fein Meines £eer mit ©tcgedjuoerficht $u erfüllen, harrten Vllle mit Ungebulb bed SBefehtä jum Aufbruch-

Äm 4. jUe^ember führte griebrich fein Jjpeer oon ^ßardjwifc nach ^eumarft. 5)a er hier erfuhr, ba& ber Sßrinj oon Lothringen ihm entgegen fliehe, brach er am folgenben äWorgen noch ^n oer Tuntel- heit auf , um feinen ©egner auf jujudjen , unb jehon nach wenigen ©tunben erbliche man in ber QJegenb beä 5)orfe3 ß e u t h e n baä öfterreichifche Lager. $er Äönig, ber ben Sortheil einer fehr ge- nauen Drtafenntnifj für {ich hatte, entwarf einen meifterhaf ten , ben <£igenthümlichfeüen bed Xerrain* oollfommen angepaßten <5d)iad)U plan, ber oon feinen fampfbegierigen Xruppen ebenfo meifterhaft au&geführt würbe. 2)ie ©runblage beSfelben bilbete bie fogenannte „fdjräge ©djlachtorbnung," nach welcher bie ganje 2Bud)t bed 2ln* griffe auf ben Unten öfterreichifchen glügel unter DcabaSbi gerichtet war. Ülachbem berfelbe, in ber gronte, in ber glanfe unb im dürfen jugleich gefaßt, nach turpem tapferen SBiberftanb jerfprengt worben, gerieth bie ganje öfterreichifche ©djlachtlinie , bie ben gehler einer

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$ie ©djlatyen bei «ßrag, Staffln,- SRoßbaa) unb Seutfjen. 431

oHju wetten SluSbehnung hatte, in Verwirrung, unb alle Bemühungen ber gührer, bie fich auflöfenben Regimenter neu $u formtren, blieben fruchtlos. 3n bem furzen Zeitraum oon brei Stunben oon ein bis oier Uf)r föachmittagä war eine ber blutigften Schlachten beä 3aljrf)unbcrt3 gefcijlagen unb für griebria) einer ber wichtigsten Siege errungen. $ie Deftcrreicher Ahlten je^ntoufenb Xobte ober Verwun* bete, barunter fiebjefm ©enerale unb faft alle Offiziere, unb $wölf* taufenb ©efangene, bie Greußen fechätaufenbbreihunbert Xobte unb Verwunbete. Beinahe baä ganje öfterreic^ifc^e ®efchü&, fjunbertein* unbfechaig Kanonen, war mit emunbfünfaig gähnen ben Siegern in bie $änbe gefallen.

X)a bie ^ereinbrec^enbe 9lact)t bie Verfolgung bcd geflogenen öftcrreicr)ifcr)en Speeres unmöglich machte , Inelt ba£ ermattete preu- ßifdje pttv auf bem Schlachtfelbe eine fur$e 9taft. griebrich felbft, bem Diel baran lag, baä Abbrechen ber bei 2 i f f a über ba3 Schweif nifcer SBaffer füfjrenben Vrürfe $u oerhinbern, über meiere bie Defterreidjer fict) jurürfge^ogen, brach nod) an bemfelben 21benb mit einem Xrupo £>ufaren nach biefem Drte auf. TO er, bort ange- fommen, mit nur wenigen Begleitern über bie 3uöbrücfe in ben Schloßhof einritt, fah er ftd) plöfclich oon einer großen 21njahl öfter* reichifetjer Offiziere umringt, bie ihm mit Lichtern entgegentraten. $ie Ueberrafdmng mar auf beiben Seiten gleich groß; griebrich oerbarg jeboct) bie feinige unter ber anfdjetnenb oollftänbig ruhigen Begrüßung: „Bon soir , messieurs.* Sie hoben mid) liier wohl nic^t erwartet? ®ann man benn noch mit unterfommen ?* (Sin ehr= f urcht3üolle3 W) ! War bie cinjige Antwort , unb Keiner wagte bie Jpanb an ben #önig ju legen. 211* jeboa) balb barauf griebrich^ ©enerale eintraten, bie bem mittlerweile gleichfalls gegen Liffa auf* gebrochenen preußischen Speere oorangeeilt waren, ließ er bie öfterrei* c^ifcr)en Offiziere gefangen nehmen.

$er ^rin§ oon Lothringen war unterbeffeu mit feinem oou% ftänbig entmutigten |>eere nach Sdjweibnifc jurütf gefetjrt , oon Wo er feehjelmtaufenb Sftann nach Breslau entfanbte; mit bem tiefte feines #eere3 nur noch fiebenunbbreißigtaufenb ÜTcann jog er fich nad) Böhmen jurücf, wo er aläbalb ben Oberbefehl nieberlegte, um als Statthalter nad) ben 9cieberlanben ju gehen. Jpier ftarb er im $ahre 1780, nachbem er fich ourc§ fane miIoc Verwaltung beä Lanbeä ben 9camen be3 „guten ^er^ogS" erworben.

Stach bem 2lbjug beä öfterreichifdjen £eereä war griebrich un* oerweilt jur Belagerung oon Breslau geichritten, ba$ fich ihm nach oier^ehntagigem SEBiberftanb mit allen feinen Vorräten, einer wohl- gefüllten JRfriegäfaffe unb feiner achtjehntaufenb äßann ftarfen Be* fajung ergeben mußte. Von gan$ Schlcficn blieb ben Defterreichem nur noch Schweibnifc.

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3>er fiebenjcü)rige (Dritte fdjlefifäe) tfrieg.

£ie Sdjladjt bei 3ontborf unb ber UeberfaH bei Oodjftrd).

(1758.)

Ser ©ieg bei Seut^en fmtte griebric^ au« ber äußerften SBc- brängniß gerettet unb ifjm für ben Slugenblirf ben gortbefife öon ©dtfefien gefiebert: aber er mußte fid) auf neue fernere kämpfe gefaßt galten; benn feine ©cgner üerboppelten tyre sünftrengungen, um ifjm bie errungenen Sortierte toieber ju entreißen. ©dwn im SBtnter fefjrte ba« ruffifaje $eer, bie«mal bon bem ©rafen germor geführt, nad) Greußen juruef; granfreidj fanbte bebeutenbe Ber= ftärfungen unter bem 511m 9cadjfotger be« abberufenen $erjog« oon föiajelieu ernannten ©rafen oon SIermont naaj 9fteberfad)fcn gegen gerbinanb oon Braunfa^toeig, unb in Böhmen mar Saun eifrig bemüht, bie Süden ju ergäben, bie ber Sag üon Senden in bem öfterreid)ifd)en £eere gefdmffen l)attc.

griebrid)« erfte ©orge mar, bura) bie SBiebereroberung Oon ©a)tt)eibm& bie Defterreidjer gan^lid) au« ©Rieften ju oerbrängen. ftadjbem biefe geftung am 18. Styril nadj längerer tapferer Ber* t^eibigung mit ©türm genommen toorben, erwartete Qebermann, baß ber ftönig in Warnen einfallen werbe, um Saun eine ©d>Iad)t anjubieten. ©tatt beffen bradj er jeboef) in SJfäljren ein unb er* öffnete am 3. 9M bie Belagerung oon Clmnfe, nadj beffen oon ifjm nidjt bezweifelter Eroberung er rafa^ gegen SBien üor$ubringen gebaute, um 9#aria Styerefta jum grieben $u jtoingen. «ber ber ganje $lan fdjeiterte an bem Ijartnätfigen SBiberftanb, ben tfjm bie mit ädern «Röthigen reidjüd) oerfetyene unb oon einem ebenfo unu fidjttgen als entfdjloffenen Befehlshaber oerttyeibigte geftung leiftere, unb als U;m ber öfterreidufd^e ÖJeneral Soubon (fpr. Saubon) mit großem Ötefdjitf eine Sn^x oon breitaufenb SSagen weggenommen, jmang ifm bie 9cotf) jur Sluf^ebuug ber Belagerung unb jur fd)leu= nigen Räumung 9ftäl)ren«. SRadjbem er burdj fingirte Slnorbnungen bie öfterretd)tfd)en gelbfjerren Saun unb ßoubon in ber SDceinung beftärft, baß er fict) bireft mieber nad) ©djlefien wenben werbe, unb jie baburd) oeranlaßt tjatte, ifjre ©treitfräfte nadj biefer ©eite $u werfen, um if)m ben Diütfaug abjufdmeibeu, brad? er in ber SRadjt jum 2. Quli nad) ber böfjmifdjen ©renje auf. Ser 9tücfjug burdj biefe« Sanb gehört &u griebridj« rufjmoollften ßrieg«tf)aten. Unter fteten $cfcd)tcn mit bem nad)$ief)enben öfterreidufdjen Speere erreidjte er mit feinem gejammten ®efd)ü$ unb Ötepärf am 14. Quli ftöniggräfc, oon wo ber ^üdjug naa) ©d)lefien olme weitere ©efaljr bewerf* fteUigt werben fonnte.

Saum hatte griebridj in ßanb«hut ein fefte« ßager belogen, in meldjem er bie Bemegungen Saun« abjumarten gebaute, al«

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35ic <3$lacf)t bei Bomborf unb ber Ucbctfatt bei $o$rirc$. 433

ifm ba& immer »eitere SBorbringen ber SRuffen, bie fdjon im 3amiar ganj Greußen befefct unb in Königsberg bie {mlbigung für bie Katferin (SUfabety errungen Rotten, jum fofortigen Slufbrudj nad) ber Sßeumarf jtoang, bie gleich Bommern oon ben morbbrennerifdjen ruffifdjen ©paaren mit gräuelüoHen SBertuüftungen fjeimgefudjt ttmrbe. SBci jjornborf ftieg er am 25. Sluguft auf baS ruffifdje £eer, baS eben bie ©tabt Küftrin, mofun bie umtoofmenben ßanb* befifcer i^re £abe geflüdjtet , nad) öergeblicfjer ©cfduegung ber SeftungStoerfe, bis auf brei Käufer in Slfdje gelegt hatte. Obgleich baS* felbe bem feinigen bebeutenb überlegen ttjar germorS |>eer jaulte anjeiunbfünfoigtaufenb, baS preugifdje £eer jnjeiunbbreifeigtaufenb Warm unb fid) in einer burd) ©umpf unb SBatb unb einen Reinen glug gebeeften 2Jcoornrilbnig trefflich t>erfdjan$t t)ai\t, fdjritt er fofort jum Angriff. $a er, aufs ^>öc^fte erbittert über bie Don ben Muffen üerübten ©räueltfmten, befohlen hatte, feinem Muffen Karbon ju geben, geftaltete fldj bie ©djlacht öon Anfang an $u einem ungeheueren ©emefcel, baS öon neun Uf)r 9ftorgcnS bis jum fpaten s2lbenb unter ftetem SBedjfel beS KriegSglüdeS fortbauerte. 3ben enblidjen Sieg oerbanfte griebrich, nrie furj öor^er bei 9cog- bad), f)auptfäd)Iid) bem unermüdlichen ©etiblifc, ber an ber ©püje ber preugtfdjen 9teiterei, ftetS ben regten Slugenblicf erfaffenb, balb ber jurürfgemorfenen preugifchen Qnfantcrie Suft fdjaffte, balb in ftürmifchem Anlaufe bie rufftfdje Kaoallerie jurüefbrängte unb in SBertoirrung bradjte. Qukfy fämpfte nur nod) SJcann gegen Hftann ohne jebmebe Drbnung. SRuffen unb Greußen, Qnfanterie unb Kaoallerie, $Tded mar in bieten Knäueln bura^einanber ge* brängt. Kein Ztyil blieb hinter bem anbem an SJhtth jurücf; bie beffere KriegSjucht allein üerfc^affte ben Greußen baS Uebergeroicht. 211S bie finfenbe 9£ad)t bem furchtbaren fingen ein @nbe machte, waren bie Muffen Dom @d)ad)tfelbe jurüefgebröngt. S)er fehreef* liehe Kampf, ber mörberifchfte beS ganzen Krieges, hatte ben Greußen an Xobten unb SBerttmnbeten elftaufenb 3Jtonn gefoftet; bie Muffen liegen naheju bie boppelte Sa^l auf ber grauenvollen SBahlftätte jurücf.

Slm folgenben SJcorgen fudjte gerinor, ber roöljrenb ber Stacht feine jerftreuten ©djaaren toieber gefammelt hatte, ben ^ßreugen ben errungenen ©ieg noch einmal ftreitig ju machen ; bie beiberfeitige (Sx* fchöpfung lieg es jeboch 51t feinem ernftlichen Kampfe mehr fommen, unb nac^ einer mehrftünbigen Kanonabe öerlieg baS rufftfdje §eer baS ©d)lad)tfelb, um balb barauf ben föürftoeg nach SanbSberg an ber 2Bartf>e anzutreten. Üftad) einer oergeblichen Belagerung öon Kolberg ging germor über bie 2Beid)fel, um in ^reugen unb ^olen bie SBinterquartiere ju net)men.

Unterbeffen mar ffriebrich, mit Surücflaffung einer #eere£ab*

^olanjait^, 3SeItflcfcf)i^te. VI. 28

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$er ficbcnjä^rigc (brittc fc^Icftfc^c> tfrieg.

t^eilung unter bem (trafen Xofyna jur 5l6tt>c^r ber Muffen unb Sdjroeben, nad) Sadjfen aufgebrochen, um feinem ©ruber Heinrich $u $ilfe ju fommen, ber in feinem Säger bei 5)re3beu oon Xaun auf baS ©rnftlichfte bebvolit mar. $luf bie NJtndirid]t Don bem £>eranrütfen bc3 ftönigä 50g fiel) Staun , ber bereit« 2lnorbnungen jum Ueberf freiten ber @lbe getroffen t)atte, um ben Sßrinjen £einridj au§ Sadjfen $u oertretben, in ein fefteS Säger bei Stolpen jurücf. iBon ^ier au3 befefote er alsbatb bie Mühen Don Äittltfc, um bem Äönig ben Sfäcfmeg naef) Sd)lefien abjufdjneiben , mo bie C efter* reicher eben Sßeifie unb ftofel belagerten, griebrid}, ber rafd) ben 28eg über ©aufcen unb (Sörlifc geminnen moHte, hatte ihn um* ge^en tonnen ; auf ben 8d)veden feine» Ramend unb auf £ aund befannte Unentfct)Ioffent)cit üertrauenb , mar er jebodj unoorfichtig genug, mit feinem ungleich fchmädjeren |>eere trofc ber 2lbmahs nungen feiner erfahrenften (Generale bei bem $orfe § 0 ch f i r dj im Ängefid)te feinet ®egner3 in einer leicht angreifbaren Stellung ein Sager aufschlagen. 9lachbem er h^r brei Xage lang ruhig geftanben, befchlofj er, bem drängen feiner Jelbherren nachjuge* ben unb am folgenben borgen, bem 14. Oftober, ben gefährlichen Soften ju oerlaffen. Allein £aun, ber injmifchen feinen Angriffs* plan entmorfen, fam ihm juüor. SBährenb ber Stacht näherten fich bie Oefterreicher in oder Stille bem $)orfe ^ochfirch, unb mit bem Schlage fünf Uhr borgend mürben bie ^reufjen, nachbem ihre SBorpoften überwältigt morben, burch ftriegSgeichrei unb ®eroet)r* feuer au* bem Schlafe gemeeft. Sie ftürjten aus ihren Stitm, aber bie SJunfelheit ber Stacht lieg fie Richte erfennen : fie hörten nur ben hcranftürmenben 3*inb. Sofort entfpann ftch ein mör* berifcheä Gefecht, beffen Schrecfen burch ben Umftanb erhöht mur» ben , ba& man greunb unb geinb nicht ju unterfcheiben oermochte. Liethen, ber in ber ©eforgnifj eine« UeberfatteS feiner SReiterei ohne SSormiffen beS Königs Söefet)l gegeben, gerüftet ju bleiben, griff fogleich in ben $ampf ein; auch bie übrigen gührer, fomie ber $önig felbft, ber anfangs nicht an einen allgemeinen Angriff ber Oefterreicher hotte glauben motten, boten 2Meä auf, um bie Regimenter in Sd)lachtorbnuug auf aufteilen , unb in ber Xfyat be* mährte fich ^ie mufterlmfte £>i3ctplin beä preufcifchen §eereä auch biefer SdjrecfenSnacht aufä ÖJtänjenbfte. Snbeffen gelang e3 ben Oefterreichern , fich einer bei bem $orfe <pochftrch aufgepflanzten großen preu&tfchen Batterie öon fechSunbjmanjig Oefc^ufeen ju be* mächtigen, bie nun auf bie in ben engen ©äffen beäfelben jufam* mengebrängten <ßreujjen gerichtet mürbe unb furchtbare Verheerungen unter ihnen anrichtete. Öalb ging ba3 $orf in glammen auf, bie meithin bie (Brauel beä furchtbaren nächtlichen Kampfes beleuchteten. Lim bie SBatterie mieber $u geminnen, brang ber gelbmarfchall

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3)ie ©djladjt bei ^omborf unb bcr UcbcrfaH bei ©odjftrd). 435

fHitf) an ber ©pifce mehrerer Bataillone bon ber (Seite in ba$ brennenbe Dorf ein ; aber gleidj barauf fanf er , üon jwei ßartät* fdjenfugeln burdjbofyrt, entfeelt $u ©oben. Dem tapferen ^ßrinjen granj üon ©raunfdmmg , ber mit neuen Druppen herbeieilte , riß eine feanonenfugel ben ®opf Ijinweg ; audj ber $rinj Sftorifc üon Deffau würbe töbtlidj üerwunbet aus bem ®ampfgewüljle fortgetragen.

@nblid) bradj ber Dag an ; aber er änberte 9ttd)tS an ber Sage ber Dinge ; benn ein bidjter SRebel bebeefte ben $ampfplafc. Bis gegen neun Uljr fudjte fid) ber ^önig in feiner Stellung ju behaupten; bann gab er Befehl jum SRürfjug, ber trofc ber erlitte* nen ferneren Berluftc in foldjer Drbnung ausgeführt ttmrbe , ba§ bie Defterreicber ifm nidjt ju ftören wagten, tbifct fedjstaufenb Dobten unb Berwunbeten, bie ber ®önig auf ber blutigen SBa^I- ftätte jurütfliefj , mar fein fämmtlidjeS (§efd)ü& unb fein ganjeS ®epäd üerloren. Qnbeffen Ratten audj bie Öefterreid)er fernere Berlufte erlitten ; bie &a1)l ifjrer Dobten unb Berwunbeten betrug fünftaufenbfedjSfjunbert.

SSäfjrenb Sfriebrid) fofort auf ben £>öf)en üon Baufcen ein neues Sager aufjajlug, jetgte ftdj Daun in ber Benufcung beS er* rungenen ©iegeS fo fäumig , ba§ eS bem ^rinjen #einric| möglidj mar, feinem ©ruber fiebentaufenb 9ttann nebft frifdjem ftriegSüor* ratf) jujufü^ren. Da eS üjnen gelang, baS Daun'fdje Sag er ju um* gefyen unb QJörlifc ju erreichen, üon wo bem Äönig ber Eintritt in ©d&lefien ntdjt mef>r üerweljrt werben fonnte, far) fidj Daun um bie Srüdjte feine« ©iegeS betrogen. grtebrid) lieg feinen ©ruber mit einer |>eereSabtf)eLlung bei SanbSljut ftefjen unb eilte felbft nad) ©djlefien, wo er alSbalb bie Aufhebung ber Belagerung üon Steige unb #ofel erjwang.

Unterbeffen war Daun jur Befreiung ©adjfenS aufgebrodjen, wo er ftd) mit bem föeiajSljeere, baS bereits bis ßeipjig üorgebrungen war, ju gemeinfamer Slftion ju üereinigen gebaute ; baSfelbe würbe jebod) , nodj ef)e er felbft bie fädjfifrfje ©renje Übertritten fjatte, üon bem ©rafen Dofma, ber tnawifd)en aus ber Heumar! jurücf* gefeljrt war , jum Stücfjug nad) fronten genötigt , wo es bie Winterquartiere na^m. 211s Daun enblidj mit feinem #eere üor DreSben erfd)ien unb Slnftalten jur Belagerung traf, lieg ber $ommanbant ber ©tabt, ©raf ©djmettau, einen Dljeil ber frönen Borftäbte berfelben abbrennen, bamit bie Defterretdjer ftd& nidjt barin feftfefcen tönnten, unb wies bie Slufforberung jur Uebergabe mit ber Antwort ab : er werbe fid) üon ©trage $u ©trage Derlei* bigen unb fid) im äufjerften Satte unter ben Drümmern beS für* ffirftfidjen ©ajloffeS begraben. Da Daun auf biefeS Sleu&erfte eS niajt aufommen laffen wollte unb überbieS bie 9iad)rid)t er§al* ten Ijatte, bag griebrid} wieber oon ©ajlefien ^eranrüde, jog er

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436 fcer fiebenjtyrige (brittc föWtfd» ßrieg.

\\<fy tiac^ JBöljmen $urücf, um bort bie SBinterquartiere $u nefmten. griebrtch, bcr in bcr %^at fdjon am 20. üRoöember in $re3ben anfam, traf bort alle nötigen Wnorbnungen $ur SBertljeibigung ©ad>fen8, bic er abermals feinem ©ruber #einric$ übertrug, unb fefjrte bann jur Ueberwinterung nad) 53rc3lau jurücf.

©o war aud) ber gelbjug be* 3al)reS 1758 für griebric$, trofc ber Unfälle öon Dlmfifc unb £>odjfir4 oljne wefentlidjen 9cad>* tf)eü $u @nbe gegangen. 2luf bem Weftlief)en JrriegSfdjauplafc Ratten fpgar bie £>inge für Um eine günftigere SSenbung genommen, gerbinanb öon ©raunfdjweig war über ben föfjein gegangen unb fjatte am 23. Quni bei Ärefelb über ben trafen öon (Vermont einen öoflftänbigen ©ieg erfochten. $a& Eintreffen bebeutenber Verhärtungen für bie fran}öfiföe 9tyeinarmee unter bem tüchtigeren SOtorqui* Don (SontabeS , ber an SlermontS ©teile trat , fonrie ber ©inbrudj eines jweiten franjöfifdjen #eere$ unter ©oubife unb SBroglio in baä Ijeffiföe ©ebiet fjatten il)n jwar $um SRücfyug auf ba* redjte Üt^einufer genötigt; fjier hatte er jebodj an ber Sippe eine fo trefflief) gewählte (Stellung genommen, ba& bie franjöfifcijen gelbl)erren ihre beabpa^tigte Bereinigung nicht bewerfftelligen fonn* ten , fonbern SontabeS feine SBinterquartiere jwifchen bem fltyein unb ber 2Jtoa$ nehmen unb ©oubife Reffen wieber räumen mu&tc, worauf gerbinanb fein #eer für ben SSinter in bie weftfäliföen ©isthümer öerlegte.

2)ie Schlacht bei ffuneräborf,

(12. Huguft 1759.)

$>er gelb$ug be8 3ahre3 1758 hatte ben unglüclfeligen Ärieg feiner (Sntfcheibung um feinen ©chritt näher geführt; bad (£rgebni& beSfelben War, nach griebrichS eigenem ÖJeftänbnif} , fein anbereä, als „ber Jöerluft öieler braöen ßeute, baä Unglucf öieler auf immer öerfrüppelten armen ©olbaten , ber ftuin einiger ^ßroöinjen , bic SSerwüftung, Sßlünberung unb ber *8ranb einiger blühenben ©tobte." SSon allen ©eiten würbe baher für ben neuen gelbjug mit ber größten Slnftrengung gerüftet.

gür griebrich würbe e$ inbeffen immer fdjwerer , bie Soften beä Krieges ju beftreiten , obgleich (Snglanb ihm nach bem am 1. Sfyril 1758 abgesoffenen ©ubfibienöertrag für bie Erhaltung unb JBermehrung feiner ©treitfräfte jährlich öier Millionen Zfyakv jaulte. Um bie fehlenben ©elbmittel beizubringen , öerfctjlcchterte er nicht nur bic SJcünsen in immer työljerem ©rabe , fonbern beu^ tete aua^ bie öon ifjm befefcten ßänber in ber unbarmfjerjigfteu

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$ie ©d)Iad)t bei ÄunerSborf.

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SBeife auS. ©o mußte ©achfen für ben gelbjug beS SafjreS 1759 <m ßieferungen unb baarem (Selbe neun Millionen XfyaUx nach ber ^Berechnung ber ©achfen fogar elf Millionen entrichten unb jtoölf- taufenb SRcfruten fteflen. $n S^PiU* würben bie reiften Kaufleute f eftgenommen ober mit ber Sßegfüfjrung unb SBerfteigerung aller ihrer löaaren bebroht, bis bie ber ©tabt aufgebürbete Kontribution öon t>reunaUjunberttaufenb Xfjatern erpreßt mar. Sftecflenburg mußte $ur ©träfe bafür, baß eS fehmebtfehem KriegSöolf ben Xurdföug geftattet hatte, jmei Million öiermalt)unberttaufenb Xfjaler jaulen.

SBefonberS ferner lag beS Königs £anb auf ben Katfjoltfen, namentlich in ©chleften. 2lm 19. ^ejember 1758 erhielt bie fatfjos ftfdje ©eiftlic^feit Söcfe^I , ben je^nten i^rcö (SinfommenS an bie Sftilitärfaffe abzuliefern, „meil eS eine retchSfunbige ©adje fei, t>aß ber SBiener §of jur gortfefcung beS Krieget öom Zapfte bie 5BoHmacf)t erlangt habe, öon ben fatfiolifchen ©tiftern unb ber ganjen Klerifei in ben gefammten 9teichSlanben ben ahnten Xhetl it)rer (Sinfünfte ju beziehen." 35a häufig tatholifche ©djlefier fahnenflüd)5 tig mürben, entftanb bei bem König mie bei Dielen preußischen SBe* fehlSlmbem bie Meinung, baß biefe ©olbaten öon ben fattjoltfc^en ©eifttichen, als geheimen Serbünbeten DefterreidjS , $ur 3)efertion öcrleitet mürben. (£S mürbe baher bem fatholifchen Klerus für ben Satt biefeS Vergehens mit ber ganzen ©trenge ber KriegSgefefce ge* !>roht, nach welchen, traft einer öon bem König erlaffenen SBerorb* nung, 5llle, bie einen ©olbaten jur $>efertion öerletten ober ihm baju behilflich fein mürben , ohne mettläufigen $rogeß ohne QJnabe unb ohne Sulaffung eines (Seiftlichen neben bem $5eferteur aufge- hängt merben füllten. $iefe ©träfe traf einen ©eiftlichen, SlnbreaS gaulhaber , meil er nach ber 2luSfage eines eingefangenen 3luS* reißet , ber fidj baburch öegnabigung ju erfaufen hoffte , biefem in ber ^Beichte gejagt haben foßte, bie Sahnenflucht fei jroar eine fernere ©ünbc, boer) fönne man für biefelbe Sßerjeihung öon (Sott erlangen. SBäfjrenb ben Xeferteur, ber in$mifchen feine 2luSfage tüiberrufen hatte, füäter aber ju berfelben jurüefgefehrt mar, nur t>ie ©träfe beS (SaffenlaufenS traf, mürbe ber ^riefter auf ©efehl beS Könige am 29. ^ejember 1758 an einem Ötolgen aufgehängt, an melchem bereits ein Xeferteur hing. (£r ftarb mit bem äftuthe unb ber greubtgfcit eines 9ttartörerS.

W 9kd)bem griebridj feine Lüftungen beenbei hatte, bejog er mit einem J£>eere öon fünfunböierjigtaufenb Sftann bei ßanbshut ein fefteS £ager, entfdjloffen, bieSmal ben Singriff feiner geinbe abjumarten. ©achfen mar bura) ben $rin$en Heinrich unb Oberfchlefien burch ben ©eneral Souqu^ gebeeft. ßängS ber böfmtifchen ©renje ftanb ein öfterreichifcheS $eer öon breiunbachtjigtaufenb Sttann unter $>aun unb Soubon. \\ :, 2luf bie Nachricht, ;baß baS ruffifche £eer, baS unter bem

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Der fiebcnjäfrige (brittc fdjlefijcfe) Äricg.

(trafen Soltiforo, bem 9tacf folger germor* im Cberbefeft, bereite @nbe Slpril bie SSeidjfel überfefritten ^atter gegen bie Ober öorrücfe, um fidj mit einem öfterreidn'fcf en ®orp* öon jroanaigtaufenb Wann $u öcreinigen , ba* if m unter Soubon entgegenliefe , fanbte 8riebrid> bem ©rafen $ofna, ber eben bie Scfrocben in ©tralfunb belagerte, SBefefl, fofort naef ^ßolen aufjubredjen , um roomöglicf bie Muffen in einjelnen £>eerfaufen gu fcf lagen unb baburd) it)rc Bereinigung mit ben Defterreicfern ju öerfinbern. $)ofna tonnte biefem 33efef l nieft nadtfommen, ba er fid) in $olen ber öan5cn rufflfd&cn &rmee gegenüber fal) , unb mußte fid), ofne eine paffenbe ©elegcnfeit ju einer (Skflacft gefunben ju faben, bi* jur Ober jurücfjiefen. £er ßönig rief ifn mit allen geilen feiner Ungnabe jurücf unb fanbte an feine Stelle ben (trafen öon 23ebel, ber fid) bereit* im jroeiten fcflefifdjen Kriege ben (Jfrennamen be* preufjifcfen Seoniba* er- roorben unb aud) bei fieutfen fid) auf* SRüfmlidjfte feröorgetfan, mit bem Site! unb ber SöoHmadjt eine* Siftator* unb bem ©efcr)Ie, bie Muffen ju feftagen , too er fie finbe. tiefem 93efet)Ie gemäß griff SBebcI am 22. 3uli bei bem $orfe ® a U , unweit Söllichau, ba* ifm an ßaf I breifad) überlegene unb in einer äu&erft öortf eil* faften Stellung öerfdjanjte ruffifefe £eer an; er mürbe jebodj mit einem SBerluft öon adjttaufenb Sobten, Berwunbcten unb (befangenen unb öon fünfunbjwan$ig ©efdjüjjen jurütfgcfcflagen. £ie S3er= einigung ©olttfow* mit Soubon war nun nidjt mef r $u öerfinbern ; fie erfolgte am 3. 21uguft bei troffen.

§(uf bie ßunbe öon ber Sftieberlage feine* Xiftator* befdjlo§ Sriebricf , felbft unöerweilt ben Muffen entgegenliefen. @r rief feinen ©ruber #einrid) au* Saufen ferbei, wo berfelbe ben Gene- ral 5inf mit neuntaufenb Wann aurüdliefj, unb übertrug ifm ben Oberbefcf l in Scflefien. 9lur öon einem Xrupp £>ufaren begleitet, ging er am 30. Quni nad) Sagan ab, um ftdj an bie Spu)e be* ge= fcflagenen SSeberfcfen £>eere* $u fteHen. Wit adjtunbüierjigtaufenb Wann überfefritt er am 11. Sluguft bie Ober unb fat) fid) balb bem öereinigten ruffifdjen unb öfterreief ifd) en $eere gegenüber, ba* fief in ber Stärfe öon fed^igtaufenb Wann jweiunbbierjigtaufcnb Muffen unb aef tjcf ntaufenb Defterreid)er unweit granffurt a. b. D. auf ben Slnföfen öon $uner*borf oerfefanst f atte. Cbglcicf er bemfelben an 3af) 1 nieft gemaeffen mar, befcf Io& er, am folgenben Sage, bem 12. 5(uguft, gum Singriff ju fefreiten. berfelbe erfolgte um 11 Ufr Vormittag*. $ie $i&e mar brücfenb unb ba* ben Greußen nidjt genügenb befannte Serrain au&erft fefwierig; auef fprüften bie jafflofen geuerfeflünbe, mit benen bie s2lnföfen befeft maren, Sob unb SSerberben auf bie anftürmenben $reu|en ; bennoa) brangen fie unauffaltfam öor, eroberten bie ©atterien, bie ben linfen Slügel ber Hüffen bedten, unb warfen biefen felbft in öoHer Sluflöfung jurüd.

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$te ©cfjfodjt bei ShmerSborf.

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©ei ber Verwirrung ;, bie in bem fernblieben Öager $u fjerr* fc^en fdjien , unb im Veftfce bon fiebjtg erbeuteten Äanonen , Ijtelt griebric$ bie SRieberlage beä ruffifdjen £eere$ für entfdjieben unb $ögerte baljer nidjt, einen Kurier mit ber ©iegeSbotfdjaft naef) $er= lin abzufertigen. 2tber feine ©iegeäfreube mar berfrütjt. SRod) ftanb ber rechte gtügel ber SRuffen unerfcf) üttert , unb bie Deffcer* reifer waren nodj gar nia^t in3 (Uefedjt gefommen; audj fammek ten fid& biete glüdjtige be3 linfen ruffifcfjcn glügetS Wieber, Weil ber #önig in feiner @iege3$uberfid}t Vefefjt gegeben , wäfjrenb ber &ö)la$t granff urt $u befefcen , bamit ben föuffen , bie er burdjauä gan$Iicf) bernidjtet wiffen wollte, ber SRücfjug abgefcfcnitten fei.

$ie meiften Generale rieben bem ftönig bringenb , tum ber gortfe&ung beä flampfeä abauftefjen , ba feine Xruppen erfdjöpft feien unb bie Stoffen ficf> tooc)I fidjer wäfjrenb ber 9^act)t jurütf- jieljen würben; aber griebridj, ber bie ©adje um jeben $rei3 bofl- ftänbig entfdjieben feljen Wollte, beftanb auf ber Erneuerung be3 2lngriff3. &aum fjatte jeboer) ber ßampf mit bem regten ruffifdjen glügel begonnen, alft ba$ ®lücf bem #önig entfdjieben ben föücfen wanbte. $ie Greußen fonnten bie erbeuteten rufftfdjen Kanonen nia)t benufcen , weil für biefelben feine Sttunition mefjr borljanben war, unb waljrenb fie ftdj bergebenä bemühten, bie eigenen in bem fanbigen ©oben boranjubringen , wütfjete ba§ geuer ber fernblieben ©efdjüfce in furchtbarer SBeife in iljren föeit)en. griebrid& fafj fein anbereä bittet ber Sftettung , alä feine Reiterei gegen ben getnb auftürmen $u lajfen. ©enbtifc, ber ben Untergang berfelben bor 2fagen falj, erfjob (Sinwenbungen; als jebod; ber ®önig feinen Ve> fefyt mit jornigen SBorten Wiebertjolte, ftürmte er gegen bie ruffifdjen ©djanjen* bor. Slber bon ben mörberifa^en #artätid>enfugeln wur= ben äftann unb SRofc ju ©oben geriffen, unb ©etyblifc fclbft mufjte fd)Werberwunbet auä bem ®ampfgewüf|te fortgetragen Werben. 2hicf) ben Xapferften entfanf ber 9Jhitl). SRodj einmal orbnete griebridj felbft bie gelitteten SReiljen feines gu&bolfS unb führte fie bon Beuern inä geuer. 3n biefem 2lugenbtio? erfcf>ien iebodj Soubon, ber, bon ben Greußen ungefefjen, mit feinen Sfteiterfdjaaren eine tiefe ©djludtf, feitbem ber ßoubonägrunb genannt, burdfoogen Ijatte, in ber glanfe unb im 9tüdfen be£ preugifct)en $eere3 unb bollen* bete beffen grauenbolle Sftiebertage. Von einem paniftf)cn ©d&recfen ergriffen , wanbte ftd) 2We8 jur gluajt. Vergeben« fudjte ber #ömg, ber noa) immer ben ©ieg an fiefj reißen ju fönnen ^offte, einige Bataillone gum ©tefjen ju bringen, gwei $ferbe würben ifym unter bem fieibe erfefjoffen, unb aU er ba« britte befteigen wollte, jerfa^metterte ifjm eine SRuäfetenfugel fein golbene? Stui in ber SBeftentajdje. ^)a« 9^u^lofe fetner ©emüfiungen erfeunenb, rief er boü Verzweiflung: „^ann mic^ benn feine berwünfdjte S'ugel

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$5er fteben jahrige (brittc fchleftfdje) tfrieg.

erreichen!4' ©djon fc^toebte er, faft bon allen feinen Xruppen öer- laffen, in (Gefahr, öon einer (Schaar ^eranfprengenber Sofafen ge* tobtet ober gefangen genommen ju werben, al* fein 2lbjutant, ber Stittmeifter ^ßrittrotfe, mit einem Xrupp $mfaren herbeieilte unb üjn in ©icherheit brachte. SBdhrenb ber Stuckt fdjrieb er auf bem dürfen feine* Mbjutanten mit Söleiftift an feinen TOnifter ginfen* ftein in SBerün bie befannten SBorte: w5lHc^ ift oerloren; retten ©ie bie föniglidje gamilie. Hbieu für immer l" Hufjer achtjefjn* taufenb Xobten unb SBemmnbeten fyatte Ujn ber oerf}ängni§öoHe Äampf fein ganje* ©efdjüfc gefoftet, unb ber Sfteft feine* $eere* mar jerfprengt. dagegen jagten bie Defterreidjer nur jtoeitaufenb Xobte unb Sßcrrounbete , bie Hüffen atlerbing* ungleich mehr; ihr Söerluft foH fich auf oierje^ntaufenb 9ftann belaufen Ijaben.

Sriebrich braute bie yiad)t in bem Meinen $orfe Der* fdjer a. b. D. in einer oeröbeten ©auern^ätte ju. -£ner fdjrieb er, ba bie an feiner ©eele oorüber^ie^enben Silber einer fdjretf* liefen Sufunft ilm nicht fchlafen liegen, einen ©rief an ginfenftein, ber einen furzen Bericht be* Verlauf* ber ©flacht enthielt unb mit ben SBorten fd)lo&: „3dj fyabt feine Hilfsquellen mehr, unb um bie SBafjrheit ju fagen, ich halte 2llle* für verloren, lieber* leben »erbe ich ben Untergang meine* SBaterlanbe* nicht, fiebert ©ic mot)l auf ewig!"

Xer Äönig fchten fich entfdjieben mit ©elbftmorbgebanfen $u tragen, ©djon nad) ber ©flacht bei oll in hatte er in einer an ben 9Karqui* b's2lrgen* gerichteten poetifdjen (Spiftel bie Slbftdjt au*gefprochen , fich ba* Seben 511 nehmen, unb X^atfaa^e ift, bafj er toäljrenb be* ganzen Kriege* (SHftpiUen bei fidi trug, bie man nach feinem % obe noch eingepaeft fanb. 3)ie fragliche Üptftel , bie mit einer Wnfpielung auf eine ©teile au* einem Xrauerfpiele %$oU taire'* fdjloß *) , fyattt er biefem Sedieren jugefanbt , unb ber er* fd)rocfene dichter hatte nicht ermangelt , feine gan$e SBerebtfamfeit aufzubieten, um ihn oon ber ausgesprochenen Hbficht, „bie feinem 9tuhme nachtheilig unb eine* ^inloiopben unmürbig fei, 41 $urücf$u= bringen. Sftichtöbeftoroeniger fam Sriebrict) im Verlaufe be* Kriege* mieberholt auf biefelbe jurücf. ©frörer meint jeboct) : toer fich eine &ugel burch ben ®opf fliegen motte, fpredje nidt)t auf offenem

l) Merope, Acte II., Scene VII.

Qaand on a tout perdu, quand on n'a plus d'espoir, La Tie est un opprobre, et la mort un devoir.

(SBenn 91 He* un* üertäfet, bie Hoffnung felbft aerbridjt, 2)ann ift ba* Seben ®cf)mad), unb Sterben wirb un* Pflicht.)

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$te (Scf>lad)t bei ßuneräborf

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2Karfte baöon; jene (Epiftet fei nur ouf (Effert beregnet gemefen unb fmbe bie Söelt in Staunen fefcen foßen.

2(m 13. STuguft 50g griebrid) in aller grülje mit ben 2rüm* mern feineä $eere3, bie ftd) wafjrenb ber ftadjt in ber Starfe öon fünftaufenb 2ttann lieber um if)n gefammelt , über bie Ober nadj föeitmein, wo ftd) norf) aaljlreidje glüdjtttnge bei if>m einfanben, unb wanbte ftd) öon bort, nadjbem er einige in ber 9taf)e fte^enbe Sruppenabtfjetlungen an fidj gebogen unb ®eftf)üfc aus Berlin unb ftüftrin fjatte Ijerbeifdjaffen laffen, nadj gürftenmalbe. <pier ge* badete er bem bereinigten #eere ber Dcfterreidjer unb Muffen ent* gegen ju treten, öon benen er einen Angriff auf Berlin mit Stdjer* beit erwartete. Eiefe (Erwartung erfüllte ftd) jeboc^ nidjt. Solti= fow, ber of>nef)in feine Smnpatfjien für bie Defterreidjer ^atte unb e3 im £>inblicf auf bie prcufjenfreunblidjen ©efmnungen be3 rufft* fdjen £f)ronfolger3 für geraden eraajtete, ben ßönig nidjt alläufeijr inS ©ebränge ju bringen, erwiberte auf ein ©treiben $)aun3, worin biefer i(m ju gemeinfamem Weiteren Borgeln gegen grieb* ridj aufforberte: „Qd) fjabe jwet Sdjladjten gewonnen unb warte nur nod) , um weitere Bewegungen ju machen , auf bie 9iad)ridjt jweier Siege öon Qfmen ; benn es ift nidjt billig, ju öerlangen, bafj bie Xruppen meiner ®aiferin allein agiren." $a fidj 2)aun hierauf nad) Böfjmen wanbte , fefjrte Soltifom burdj 9Ueberfdjlefien nadj $olen jurfirf. So Chatte fia) bie SBetterwolfe öerjogeu, bie ben ®önig mit gänjlidjcr Bernidjtung bebrof)t t)atte.

.Unterbeffen fmtte baä 9ieid)3f)eer , baS unter bem $er$og öon 3weibrücfen in baä öon preujjifdjen Gruppen faft gänjlidj entblößte Sadjfen eingebrungen war, nad) ber Eroberung öon Xorgau unb Wittenberg bie Belagerung öon Xreäben begonnen, unb ba ber $ommanbant ber ©tabt, ber tapfere ©raf Sdjmettau, unmittelbar nad) ber Sd)ladjt öon ®uner8borf öon bem ftönig ben söefct)! er* galten , e3 nidjt bis aufä 2len§erftc fommen ju laffen , inbem er auf feinen (Ent)afc ju rechnen Ijabe , fonbem nur bie föniglidjen Waffen ju retten, r)atte er am 4. September fapitulirt. 51m folgen* ben Xage erhielt er öon griebrid) ben fdjtiftlidjen Befehl, £re»ben auf jebe möglidje 2öeife $u behaupten , ba öon Xorgau aus , ba» m$mifd)en gleidj Wittenberg öon bem ©eneral Söunfd) jurüeferobert worben , ein (Entfcfcfjeer ^eranjie^e ; biefer Befehl fam jebod) ju fpät. 3)em ÖJrafen Sdjmettau aber, ber nur budjftäblid) ber Drbre griebrid)3 naebgefommen war, entzog ber burdj ben Berluft öon $re3* ben gänjlid) außer Raffung gebraute ®öntg nicr)t nur für immer feine £mlb, fonbern entließ irjn aud) au3 feinen 3)tenften.

Qnjwifd^en war ber ^ßrinj £>einrid) mit öierjigtaufenb 9ftann nadj Saufen ^urücfgefe^rt, worauf fic^ 35aun, ber bei Bresben ein fefteS Säger belogen ^atte, ängftlic^ unb unentf^Ioffen wie immer, nac^ Söite*

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442 $er fiebenjfthrige (britte fc^Icfifc^c) Sfcrieg.

bruf jurücf^og. Slm 13. Sflooember traf griebrich fcIBft in ©adfc fcn ein. hocherfreut über $aunS SRücrjug , erteilte er fofort fei* nem ÖJeneral ginf ©efehl , mit jmölftaufenb ÜRann nach %R a 5 e n aufzubrechen unb bem im flauen' ferjen (SJrunbe ftehenben $>aun in ben föücfen ju faden, um bemfelben ben SRücfyug nach Böhmen abftufdjneiben ein SBefehl, ben Napoleon für einen unbegreif- lichen unb unoer glichen Segler griebrichS erflärt, ba SRichtS auf bie 9Ibfid)t S)aunS gebeutet , ©achfen , beffen £>auptftabt er befaß, burdj einen SRücfjug nach ^Böhmen bem geinbe preiszugeben, ginf, ber bie Unausführbarfeit beS ihm geworbenen Auftrags erfannte, oerfuchte Qkgcnoorfteflungen $u machen; griebrich fchnitt biefclben jeboch mit ben barfchen SBorten ab: „Grr meiß, ich fann bie $iffi- fultäten nicht leiben. SttaaV er, baß er fortfommt!" ginf gehorchte; er fah fich jeboch, nachbem er faum bei ÜJcayen angelangt, oon ber gefammten öfterrcichifchen Stacht eingefchloffen unb nach einem oer= geblichen SSerfuche , fich burchjufchtagen , ju einer Kapitulation ge= imungen, traft beren er fich mit feinem ganjen Storps ben Defter= reichern friegSgefangen gab (20. Sßooember). 2Iuch ginf mußte fein Unglücf als ein Vergehen büßen. !Racr) einem SluSfpruche be£ Kriegsgerichts mürbe er feiner ©teile entfefct unb erhielt biefelbe auch fpäter oon fjriebrict) nicht jurücf.

Qnbeffen ^atte ber „ginfenfang bei 2Ra£en", ber in SBien mit umfo größerer greube begrüßt mürbe , als er fo toenig SBlut gefoftet, nicht, mie Üttaria %f)txt\\a hoffte, bie Räumung ©adjfenä burch bie Greußen jitr golge. Obgleich baS preußifche $eer bur$ ben Unfall bei 9Ra;en auf Oierunbjmanjigtaufenb SKann rebucirt morben mar, be^og griebrich bei SBilSbruf, $aun gegenüber, ein fefteS Sager , in melchem er trojj ber fürchterlichen Kälte , bie in feinem £eere Xaufenbc funmegraffte , bis über ben QahreSroechiel hinauö auSl)ielt, nur bamit $aun auch in bem feinigen feftgehalten merbe unb bie gleichen Sßerluftc erleibe. (£rft am 10. Januar 1760 ließ er, nachbem ihm gerbinanb oon SBraunfchmctg eine Sßerftärfung oon gehntaufenb SRann gefanbt hatte, feine ©olbaten bie Winterquartiere beziehen, mobei er baS Hauptquartier nach greiberg oerlegte.

$luf bem meftlichen KriegSfchauplafc hfltten bie granzofen ben gelbjug oon 1759 mit ber iöefefcung oon granffurt eröffnet, in mclchcs ber $rin$ Oon ©oubife am 3. Qanuar unter bem SBormanb eines einfachen $urchmarfcheS eingerüeft mar. Um fie mieber auS biefer ©tabt $u Oertreiben , bie ihnen als £>aupttoaffenplafc biente unb bie SBerbinbung beS am Dberrhein ftehenben SlrmceforpS mit ber 2lrmee am SRieberrhein fomie mit ber SReichSarmee in granfen berite, unb fie über ben 3flain jurücf jubrängen, brach gerbinanb oon ©raunfehmeig mit breißigtaufenb ÜJcann aus feinen Winterquartieren auf; er erlitt jeboch am 13. 2lpril bei Sergen gegen ben in fcr>r

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$ie Sdjlctdjtcn bei fiicgm^ unb £orgau.

443

oortfjeilfjafter Stellung öerfc^anjten $>erjog Don SBroglio eine 9£ie* berlage , bie tfyn sunt 9tücf $ug nötigte unb bie SBieberbefefcung $>effen3 burcf) bie gran$ofen, fomie ben Serluft oon 9#inben unb SKänfter jur golge fj atte , bie im %imi unb oon (£ontabe£ erobert mürben. Sllle errungenen S8ortr)ciIc mürben jebocr) ben granjofen burdj ben ©ieg roieber entriffen, welken gerbinanb oon SBraunfdjweig am 1. Huguft bei 9fttnben über ben tf)m faft um bie boppelte Xruppen$al)l überlegenen SontabeS erfocht.

£ie Sri)lad)ten bei Sicpifc unb Sorgau.

(1760)

9^act) ben in bem abgelaufenen $rieg3jaf)re erlittenen ferneren ©inbugen unb ben gewaltigen Lüftungen feiner ©egner tonnte griebrid? ben gelbjng beä Qafyreä 1760 nur mit geringen £>off= nungen auf eine günftigere ©eftaftung ber $5inge beginnen. SBäfjrenb Defterreicr) unb SRufclanb über jroeimal^unberttaufenb ÜRann gegen iljn tnö gelb ju führen Ratten, war if>m mit &nftrengmtg aller Gräfte nid)t möglid) gewefen, mefjr als neunjigtaufenb 9flann ju= fammen ju bringen, unb überbieä fonnten bie neu eingeteilten $e* fruten, bie mit £ift unb ©ewalt ju feinen gähnen gefct)Ieppt worben waren , bie alten ®emfdmaren nidjt erfefcen , mit benen er feine früheren ©iege erfodjten t)atte. Süidj feine finanzielle 93ebrängnifj t)atte ftd) bebeutenb gesteigert, unb nur burd) bie fcfjranfenloiefte beutung ber befefcten Sanber , namentlidj @ad)fen3 , wo fogar bie SSälber auägefjauen mürben, um ba$ $>ol$ in fltngenbe 9ftünje um= jufefcen, fonnten bie nötigen ©elbmittel jur gortfefcung be3 Sfriegeä befdjafft werben.

|>atte griebrid) im borfyergeljenbett $al)re ber SHugfjeit an= gemeffen erachtet, fia? beim beginne be3 gelbjugS auf bie $efen* fioe 51t befdjränfen , fo zwangen ifjn in biefem Safere bie S3erplt- niffe ba$u. SieSmal wollte er feibft mit öierjigtaufenb ÜKann bie SBertfjeibigung ©adjfenä übernehmen, wo $>aun bei Bresben ein öer= fdjanäteä Sager belogen r)attc. gouqucS foflte mit fünfje^ntaufenb Wann ©ajlefien beefen unb ber $rin$ ^einrtet) mit fünfunbbrctBtg* taufenb 9ttann bie Muffen öon ber Sttarf abgalten. 2113 jebod) im 3uni auä ©Riepen bie Sfladjridtf einlief, ba§ ber öftcrrcict)ifct)e ©ene* ral £>arfd) baä wichtige ©lafc eingefcf>loffen Ijabe unb gouque in fei- nem fiager bei Sanb^ut oon Soubon fdjwer bebröngt werbe, überließ griebrid) bie SBertfjeibiguug Sarf)fen3 feinem ©eneral hülfen unb bradj nad) ©Rieften auf, in ber Hoffnung, baburdj audj $aun aus ®ad^ fen f)erau3$ujief)en. tiefer folgte il)m in ber £f)at auf bem gu&e

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$cr ftebenjftyrige (brittc fc^Icftfc^c) Jfrieg.

nach, unb eine 3«tlang jogen beibe £eere unter beftänbigen ©djar- müfceln bidjt neben einanber fyer.

211$ griebrich bei 93au$en bie ©pree Übertritten hatte, erhielt er bie 9ßadjrid)t, baß Sfouqud'S $>eer gefchtagen unb ber JJü^rer felbft gefangen fei. ßoubon ^otte benfelben am 23. Quli mit bebeuten* ber Uebermacht angegriffen unb nach mehrftünbiger berjmeiflungS* boller (Gegenmehr ber Greußen unb ber (Gefangennehmung 3ouqu6'$ ben (Bieg errungen. Xa« Jußboll mar theilä getöbtet, tt)eil* zur Ergebung gejmungen roorben, mährenb bie Reiterei fict) §um größten Steile burchgefchlagen r)attc.

(Statt feinen SBeg nach ©chleften fortjufefeen, manbte ftdj griebridj rafcf» um unb fefyrte nach ©adjfen jururf, mo er Bresben burd) Ueberrafchung ^inmegjune^men Ijoffte, bebor £)aun itm ein* holen fönne. $)a ü)m bteö nicr)t gelang, inbem ber ®ommanbant bon Bresben mot)l auf feiner $mt unb jur nachbrücflichften %b* mehr be3 geinbeö entfdjloffen mar, ließ er gegen bie ©tabt ein furchtbares Sombarbement eröffnen, buret) melcheS fünf Kirchen unb Zahlreiche $aläfte, fomie bierr)unbertfechzehn Käufer in 9lfd)e gelegt, Diele (Simoofmer getöbtet unb unzählige anberen an ben 93ettelftab gebraut mürben. $ie s2Infunft $)aunä unb bie SRachridjt, baß (Glafc am 26. 3uü in bie £>änbe ber Defterreicher gefallen fei, bemogen it)n, bie ^Belagerung bon Bresben aufzuheben unb zum ©dmfce bon ©refc* lau unb ©chmeibnifc nach ©djlefien aufzubrechen. Xaun jog ihm nac^, um it)m ben 2Beg ju berlegen, unb nachbem fich berfelbe mit bem u)m entgegen $iet)enben Soubon bereinigt ^attc, fat) ftch ber ftönig in (Gefahr, bon ber öfterreic^ifc^cn Uebermacht erbrüeft zu merben. £a3 (Gefährliche feiner ßage mürbe erhöht burch ba3 heranziehen ©olttfoms, ber mit fechjigtaufenb Muffen bereit« in ber 9cäl)e bon Breslau ftanb unb beffen Bereinigung mit bem öfter* reichlichen §cere bisher nur burch feine ©iferfucht auf $aun ber* zögert morben.

Um feine (Gegner irre ju leiten, roechfelte griebrich bon Xag ju Xag feine ©tellung. ©o zog er fich in ber Wacht bom 14. 2(uguft ganz in ber ©tille auS feinem bon ben öfterreichifchen (Generalen genau erfaßten Sager bei gefdtfenborf, oberhalb ßiegnifc, auf bie unterhalb biefer ©tabt gelegenen Anhöhen bon $faffenborf Zurücf, mo er feine SJcannfchaft bie ganze Stacht hinburd) in botler $ampfbereitfchaft hielt. (Gegen $mei Uhr Borgens mürbe ihm ge= melbet, baß ber geinb heranziehe. (SS mar Soubon, ber bie 2Tb* ficht hotte, gleichfalls bie £öhen bon ^faffenborf ju befejjen, ba bie öfterreichifchen gelbherren bem ®önig einen ähnlichen Ueberfall mie bei ^pocr)fircr> zugebaut hatten. Sriebrid) ließ fogleich fein £>eer in ©chlachtorbnung auffteHen, unb fo mürbe ßoubon, ber feine Ahnung bon ber Stnroefenheit ber Greußen r)atte, mit einem t)efs

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2)ic <5d)lacf)ten bei iMegnifc unb $orgau.

440

tigen ©efd)üfcfeuer empfangen, föafch gefaßt fußte er feine Druppen in ©c^la^rrei^en ju orbnen, bodj ^inberte baS ungünftige Xerrain eine genügenbe Ausbreitung bevfelben; auch bermocfjte er im Däm= merli^te beS borgend nicht, ben mahren ©tanb beS 3einbeS ju erfennen: bennocf) feuerte er bie ©einen au mutigem SBorge^en gegen benfelben auf unb ga6 ihnen felbft baS SBeifpiel ber fühn* ften DobeSöerachtung. Als er jeboch beim öoüftänbigen Anbruch beS DageS erfannte, ba& er nicht, mie er öermutfjet $attc, nur einem I^eile beS preufjifchen £eereS, fonbern ber ganzen Wla6)t beS Königs gegenüberftanb, unb Daun, ber öon ber anberen Seite ben geinb t)atte angreifen follen, ftch nicht bliefen lieg, trat er um fecfjS Uf>r, unter 3urücflaffung öon fedjStaufenb Dobten, SScrnutnbeteii unb befangenen unb jttjeiunba^tjig Kanonen, ben föücfyug an, ben er in fotdjer Drbnung ausführte, ba& griebrich feiner Umgebung öoll Semunberung jurief: „Da fef)t ben ßoubon! SBon bem fanu man retiriren lernen; er räumt baS Selb toie ein ©ieger!w Daun hatte fid) jmar jur beftimmten 3eit auf ben in ber 9caa)t öon ben Greußen öerlaffenen $tycn eingefunben; aber ein ttribriger Söinb hatte ilm öerljinbert, ben Donner ber Ökfchüfce öon bem entfernten ßampfplafce ^er $u üemefjmen.

©leid) am SWorgen nach ber ©chladjt trat griebrich ben 2öeg nach $ard)nrifc an unb erreichte ungefäljrbet 93reSlau, ba$ injmi^ ftf)cn öon Soubon öergeblid) belagert tnorben mar, aber burd) bie ftattgefjabte SBefchtefcung bebeutenb gelitten hatte. Da Daun Üftiene machte, ihn öon ©chroeibnifc abjufchneiben, mußte er ifym in biefer Dichtung folgen. SBeibe lagerten fich fdjlieglicr) in ber 9läfje öon DittmannSborf ; boch fam e$ jmifc^en ihnen nur ju Keinen ©cfjar* müfceln, ba feiner öon Reiben baS SBagnifc unternehmen tooHte, ben Anberu in feiner trefflichen ©tellung anzugreifen.

Unterbeffen mar e$ ben öfterreic^ifcr)en gelbherren gelungen, ben gelbmarfdjatl ©oltiforo, ber fich, ofme jebmeben (Sifer für ben ^rieg unb aufgebraßt über Dauns fiangfamfeit, öon SBreSlau lüieber über bie Ober jurüefgejogen t)atter für ein gemeinfameS Unternehmen gegen ^Berlin $u gewinnen. Am 3. Dftober erfchienen fünfjehntaufenb Cefterreid)er unter SaScti unb jroanjigtaufenb Muffen unter (Sjernit* fasern oor ber preujjifchen £>auptftabt, unb ba ein herbeigeeilter preu* ßifcher ^cerhaufen fich ju ihrem (ämtfafce ju fc^roact) eroieS, ergab fich btefelbe am 9. Df tober. Der ©tabt mürbe eine ÄriegSfteuer öon einer Sftillion füuffntnberttaufenb Dhalcrn unb jmethunberttaufenb Xfyakx als ®efd)enf für baS £eer auferlegt.

Die 9tachrid)t öon ber SBefefcung feiner ^auptftabt burß bie Sftuffen unb Cefterreicher bemog ben ftönig, fofort in ©ilmärfchen bahin aufju» brechen ; er erfuhr jeboch ichon in (iJuben, baß SaScij unb Sjemitfchett) am 12. Dftober auf bietunbe oon feinem herannahen Berlin mieber

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2>er ftebeniäfjrige (brittc f c^lcfifcfjc) tfrieg.

geräumt Ratten. Slnftatt nach ©chlefien jurücf jufc^rcn, roanbte er fich nach ©achjen, mo unterbeffen ba* 9teich*h«r ßeipzig erobert unb £>üt* fen* Keinen $eerb,aufen jur Räumung öon Xorgau unb Wittenberg gejtoungen hatte. £>ier ^orte fich 3)aun, ber gleichzeitig mit Sriebrich t)on ©chlefien aufgebrochen mar, auf einer ^>ügelreir)c bei Xorgau, ben Siptifeer £>öhen, in faft unangreifbarer ©tellung oerfdjanjt. 2Bähs renb ber ©eneral hülfen ßeipzig unb Wittenberg jurüeferoberte unb ba* >"Hcicr)ötjccr jum Stücf^ug gegen Umringen jroang, ging griebrid) am 26. Dftober bei $)effau über bie (Slbe, um 3)aun anzugreifen. (£r t>er^e^lte ftd) nicht, bafj er bei biejem Angriff 2We* auf* ©piel fefoe, ba für ben gatt eine* ähnlichen s2(u*gang* roie bei ®uner*borf, ber bei 3)aun* numerifcher Ueberlegenheit unb beffen trefflich gewählter ©tellung nicht ju ben Unmöglichfeiten gehörte, nicht nur ©achfen für ihn verloren mar, fonbern auch bic Jöejefcung ber 9flarf burch bie fiegreichen Defterreicher unb bie bei £anb*berg an ber SBarthe ftehenben Muffen nicht mehr öerhinbert roerben !onnte; aber er mar, mie er an ben SRarqui* borgend fchrieb, entfdjtoffen, „in biefem Jelbjuge Sitte* ju magen unb bie öer^roeifeltften $>inge ju unternehmen, um ju fiegen ober ein ehren- öotte* @nbc ju finben."

sJcach bem öon Sriebrich enttoorfenen ©djlachtplane foUte ber Angriff auf ba* öfterreichijehe #eer am 3. Nooember gleichzeitig öon jmei ©eiten au* erfolgen, im Horben burch ihn felbft mit ber Hauptmacht unb im ©üben burch 3ictheit mit einem getrennten $orp*. ©ein veer zahlte öterunböierzigtaufenb, ba* öfterreich ijehe oierunbfechzigtaufenb SRann. ©a)on in ber frühften äRorgenftunbe fefcte fid) ber ®önig mit feinen Regimentern, bie in öier Kolonnen getheilt roaren, in $emegung; ba er jeboch einen Weg öon mehreren ©tunben zurücf zulegen tjatte, mürbe e* ein Uhr Nachmittag*, ehe er im Singefichte be* öfterreichifchen Speere* anlangte. &aum hatte er begonnen, fein £>eer in ©chladjtorbnung aufzustellen, al* gegen 3toei Uhr öon ber entgegengefefcten ©cite ein heftiger $anonenbonner herüberbrang. griebrid) ^rocifelte nicht, ba& Siethen bereit* ben Kampf eröffnet f)G&e, unb ba er nur oon einem gleichzeitigen 2ln* griff einen günftigen 3lu*gang ermarten zu bürfen glaubte, führte er fogleich, ohne bie öollftänbige Slufftettung feiner Regimenter ab* ^umarten, einige ^Bataillone gegen ben geinb. Slber $aun, bem ber Angriff nicht unerwartet fam, hatte feine iöorfehrungen zu einem furchtbaren (Smpfange getroffen: au* mehr al* zwc^unoert ®& fchüfcen ergoö fich &&cr bie Slnftürmenben ein Seuer, ba* ganze Regimenter nieberfchmerterte. „(£* mar" , erzählt ber ^reujje Slrcgenholfc, ber al* junger Offizier an bem blutigen Ireffen nahm, in feiner ©efduchte be* fiebenjährigen Kriege*, „ein !öilb ber |>ötte, bie fich bn öffa«i ih«n ^au& ju empfangen.

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35te 6djlad)ten bei Siegnifc unb £orgcm.

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Die älteften Krieger beiber .§eere Ratten nie eine foldje geuerfeene gefeben; fctbft ber ®bnig bracb roteberbolt gegen feine Äbjutanten in bie SBorte au3: ,2Belcb' fdjrecflicbe ®anonat)e; ^aben Sie je eine äfntücf)e gehört?4 2Iucb mar bie SSirfung über alle SBorfteflung grä&lict). 3n einer falben @tunbe lagen bie fünftaufenbfünfbunbert ©renabiece, roelcbe ben Singriff matten, tobt ober oerrounbet auf bie 3Bat)Iftatt geftreeft, grö§tentbeil3 nodfc) ebe fie ifyre Ötemebre Ratten abfeuern fönnen; nur fed)£f)unbert maren am anbern Xage wod) $um Dienfte übrig. (5& regnete ftarf; allein ber Bonner be$ %t* fcbü(je3, ber fo gemaltjam unb ununterbrochen bie ßuft jerrifc, jer* feilte bie SBolfen in ber Legion be3 si ampfplafeeS, unb ber £>imntel mürbe etmaä Weiterer, 9Jctttlermetle rücfte bie |>auptfolonne aus bem SBalbe an. 9cocb ebe bie Sßreujjen ben geinb in£ Äuge faffen fonnten, fielen bie SBtpfel ber üöäume, öon ben kugeln jerfebmettert, auf iljxc Mänpter. Da« prüden ber Kanonen miber^aUte gräßlich burdj ben 28alb; e3 maren gleicbfam ^ofauuen beä Xobeä. Unb nun beim 2lu3gang fa^en bie neu anrüefenben s$reu&en, bie fid^ in SBogen bureb ben ^ulüerbampf fortfcblängelnben, feine fiegoerfpre* d)enben @cenen, fonbern eine 28af)lftatt oofler lobten unb gra&üd) öerftümmelter Körper, bie fid> feudjenb in ihrem SBlute maljten."

9cur mit unfäglicber SJcübe brauten bie s$reu&en ihre Kanonen öorroärta, ba ^ferbe unb gfit)rer niebergefapffen unb bie Safetten zertrümmert mürben, griebrieb ftanb. mitten im fjeftigften geuer. Stents unb linte fdjlugen bie fernblieben kugeln in bie (£rbe, fo ba§ fein $ferb in beftänbiger ©emegung blieb. Äudj traf ein ©treiffebufj feine ©ruft, ber it)m bie ©eftnnung raubte. SautloS fanf er Dom Sßferbe; bod) balb fam er mieber ju fieb; benn bie SBerrounbung mar feine fernere, ba ein $elj unb fein 6ammtrocf bie SBirfung ber Jcugel gefdjmäcbt (jatten. W\t ben SBorten: „Än meinem ßeben liegt beute am menigften. 3eber tf)ue feine Pflicht, unb met)e Denen, bie jte nicht t^un!" fa)mang er fieb mieber aufä ^ßferb unb ftürmte öon Beuern in ben #ampf. ftttd) Daun, ber an ber ©pifce feines gufcöolfä auf bie ^reufcen eingeftürmt, banc e*nc SBunbe erhalten, bie er fieb mitten im ftampfgemübl, auf bem ©oben fifcenb, uerbinben lieg, ohne feine Jöefc^lc ju unterbrechen.

3nbeffen mar ber Angriff ber ^reujjen bereite breimal $urud* gefcblagen morben, unb mit jeber Siertelftunbe fanf grtebricb& Hoffnung mehr; benn ber ®ern feiner Infanterie lag auf bem Sölutfelbe bingefcblacbtet, unb noeb ^atte man fid) ber fernblieben SBerfdjanaungen niebt bemächtigt, ©nbltcb nötbigte ibn bie früb ein« breebenbe Stacht, SBefetjl jum Äücfjug in bie (Sbene ju geben, mäb- renb Daun, ber ftd) feiner SBunbe megen nad) Xorgau ^attc bringen laffen müffen, einen Äurier mit ber Siegeabotjcbaft nacb SBien entfanbte.

Uigitizecl by

448

S)er ficbenjft^rige (brüte fdWtfäe) #™g.

$odj wie im üorljergefjenben 3af)rc bei Äuneräborf, fo trat aud) f)ier ein unerwarteter Umfdjmung ein. gießen fmtte nämlidj, nadjbem er längere Qtit burdj einen öfterreidufd)en SSorpoften auf* gehalten worben, gegen weldjcn er Kanonen fjatte aufführen laffen muffen, ben Angriff üerjogert, um ben feiner Meinung nadj üon bem $önig fiegreidj jurütfgemorfenen Defterreidjern beim $erabfteü gen üon ben $öf)en ben Kucfjug abjufdjneiben. Srfl als er bic Ueberjeugung gewonnen, ba& griebridjä Angriff abgeflogen Wor* ben, warf er fidj mit aller SJcadjt auf bie Cefterreidjer, unb ba if>m bie glommen beS in ©raub gefteeften $orfe§ Siprifc $ur Seudjte bienten, gelang Ujm, an einer unbefefcten Seite bis auf bie 2ln= fyöf)e oorjubringen. #ier entfpann fidj aldbalb ein heftiger $ampf, in meinem Siethen bura) oerjd)iebene jerfprengten Regimenter, bie auf griebrid)3 Seite gefämpft unb fic^ tn$mtfd)en wieber gefammelt Ratten, aufs *Rad)brürflid)fte unterftüfct würbe. $a ben burdj ben unerwarteten Angriff ofmeljin in Verwirrung geratenen £)efterret= djern bie 9)cumtion ausgegangen , fanbte $aun üon $orgau aus ©efef)l, ben SBütfjug über bie (£lbe anzutreten.

griebrid) braute, wäfyrenb feine Gruppen fid& auf ber Sorgauer jpaibe an unjaftfigen SBadjtfeuern gelagert, bie 9cad)t in ber flcinen JÜirdje beä Dorfes (JlSnig ju, weil ade 23auernf)äufer mit SBerwnn* beten angefüllt waren, üftit fieberhafter Ungebulb erwartete er ben Slnbrudj beS XagcS, um fein £>eer aufs SReue in Sdjladjtorbnung aufstellen. Qn ber erften SJcorgenbämmerung warf er fid) auf fein ^j$ferb unb ritt jum $orfe f)inau$, um fid) ©ewißfyeit über ben Staub ber $ingc ju ücrfdjaffen. 55a erblidte er in ber gerne einen Xrupp £mfaren, unb atebalb fprengte Siethen ü)m mit ben ©or- ten entgegen: „(Eure üßajeftät, ber geinb ift gef djlagen ; er jieljt fidj jurüd." griebrid) umarmte tr)n nnb brürfte tl;m tief bewegt feinen 2)anf aus.

$cr tjeige Xag fjatte auf beiben Seiten fernere Opfer gefoftet. s-Bou ben fßren&en lagen jelmtaufcnb äftann tobt ober üerwunbet auf ber blutbebedten SS3af)lftätte unb üiertaufenb waren als befangene ben Defterreidjern in bie £änbe gefallen ; baä £eer $aunS jäfjlte ad)ttaujeub Xobte unb ißerwunbete unb ebenfo Diele befangenen. Obgleid) griebrid) feinen äwetf, bic Cefterreidjer aus Saufen ju oertreiben, nid)t erreidjt fyatte, ba £aun feinen Ütüdjug auf Bres- ben genommen, fo fyatte er burd> ben Sieg bei Sorgau bod) fo Diel getDonucn, baß Soltifow Don einem (£inbrud) in bie Wlaxt abgefjal-- teu Würbe unb er felbft bie Winterquartiere uoa^ einmal in Sadj- jen nehmen tonnte , wo er btedmal fein Hauptquartier in fieipjig auffd)lug. ^te Ütuffen jogen fic^ al^balb naa^ 3ßolen jurüd, mä^-- reub ^oubou fein .peer in ber ©rafjc^aft 6Jla(j bie Winterquartiere bejieljeu lieg.

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$ie a»ci Ickten #riea3jaf)re unb bet ftubcrtSburger triebe. 449

3nnftf)en ben franjöfifdjen Slrmeen unb ben berbunbeten %vup* pen unter bem s$rinjcn gerbinanb öon SBraunfömeig mar es in biefem Selb$ug ju feinem bebeutenben (Sreigniß gefommen, obgleich bie erfteren einmaHjunbertawanjigtaufenb Üflann jaulten unb ber $rinj gerbinanb ad)tunbneunjigtaufenb Wtaxin unter feinem ®om* manbo fjatte ; nur ber Keine ®rieg mar eifrig geführt worben. 2Jton t)attc beiberfeitig ©täbte genommen unb ebenfo fdjnell wieber öer* loren, unb am (Snbe beS 3af)re$ befanben fi$ bie beiberfeitigen |>eere ungefähr wieber in ber gleiten Stellung, wie am Anfang beSfelben.

Sie jwei legten ftriegäja&re unb ber £ubert3burger triebe.

(1761-1763.)

Qm fiaufe beS SSinterS waren öon öerfdjiebenen ©eiten 3rie* benSnnterfianblungcn in Anregung gebracht worben, unb bie meiften ber am Kriege beteiligten 9JMc|te Ratten fid) für bie Slbfmltung eines griebcnSfongreffeS entf dneben, ber im 3uü 1761 5U SlugS- bürg eröffnet werben fotlte ; ba jebod) bie ©egner JriebrtdjS Dör- fer noef) größere 93ortr)ciIc über if)n ju erlangen hofften, fyatte ber f?rieg feinen ungefyinberten gortqang. $er ®önig fonnte in ber Xfyat bem neuen Selbjug nur mit ber größten SBeforgniß entgegen* fe^en; benn feine Sage mar eine immer bebrängtere geworben. $>ie jafjlreidjen Süden in feinen beeren würben $war burd) bie im ganjen 9ieict)e angefteHten unb burdj jebe nur erbenflidje öift unter* ftüfcten SBerbungen wieber ausgefüllt ; aber bie neuen ©olbaten mußten erft wäfyrenb beS Sieges einejercirt werben , unb auf bie (befangenen, bie man, ofyne fie ju fragen, ob fte unter beS Königs gafjnen bienen wollten , mit (Semalt unter bie preußifdjen Sftcgi* menter fteefte, war fein SÖerlaß. $5a$u fam bie SBanblung, bie in ber ^olitif (SnglanbS feit bem Regierungsantritte (SeorgS III., beS (£nfels (SJeorgS II. (f. ©. 301) eingetreten war unb bie bem ®önig öon Greußen ntc^t nur eine minber eifrige Söetfjeiligung ©nglanbä an bem Kriege, fonbem aud) ben Abgang ber englifdjen ©ubfibien in SluSfidjt fteflte. Qu ber ©efdjaffung ber nötigen ©elbmittel reichte bie fortgefefcte SBerfdjledjterung ber 2ttünjen nidjt auS, unb wie bie Ihräfte feiner eigenen fiänber öollftänbig erfct)öpft waren, fo öerfiegten audj bie Hilfsquellen, bie if)m bisher in Saufen ju ©ebot geftanben, me^r unb mefjr.

föadj bem jwifdjen ben $öfen öon SBten unb Petersburg öer* einbarten gelbjugSplane foflten Soubon unb ©uturlin, ber an ©ol= tifows ©teile getreten, ©djlefien öollftänbig erobern unb bie 2flarf befefcen, $aun bagegen ben Äönig in ©adjfen bejdjäftigen. Sriebrid) &ol4toari$, S&Ugef$i<$t*. VI. 29

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450

$er [tebenjftyriöe (britte fc^lefif(±»c) tfrieg.

überliefe jebodj bcn €berbefel)l in bicfem Sanbe feinem ©ruber £einrid) unb brad) nad) ©Rieften auf, um bie Bertf>eibigung biefer ^jßroüinj in $erfon ju übernehmen. $5rei Monate lang fud)te er burdj fünftlic^e üftärfdje unb äRanööer bie Bereinigung fioubonS mit bem oon ber polnifdjen ©renje ^eranjie^enben Buturlin $u öcrhjnbern ; beffenungeadjtet erfolgte biefelbe am 17. 2luguft bei Striegau. Um nid)t oon ber feinbüc^en Uebermadjt erbrüeft $u merben baS berbünbete #eer jaulte einmatlmnbertbreigigtaufenb 2)cann , baS feinige nur fed^igtaufenb oerfdjanjte er ftdj bei JBunjcltt>if , untueit Sdjmeibnifc, fo feft, bag fein £agcr einer geftung glia). $ennod) mürbe er oerloren gemefen fein , ^ättc nid)t Butur* lin, ber ben Krieg ebenfo läffig betrieb, nrie fein Borgänger, fiefj bem oon Soubon geforberten Angriff auf baS preugifc^e £ager ent= {Rieben miberfefct. 911S ßoubon fdjlic&Iid) ju Bortoürfen gegen feinen 2)citbcfci)iSf)aber überging, 50g fid) biefer, nadjbem Bcibe baS preujjifdje §eer jroanjig Sage lang etngefdjloffen, am 9. September nneber hinter bie Ober unb üon bort nad) $olen aurfid, inbem er nur jroölftaufcnb SDcann bei bem öfterreidnfdjcn Speere jurütflie&. Um if)m bie 9tücffer>r oon bort für bie nädtfte 3"* unmögltd) $u machen unb baburd) bie 2Jcarf gegen einen (äHnbruA oon feiner Seite 311 fdn't&en, ließ griebrid) burd) ben iljm nadjgefanbten (Seneral s$laten afle in feinem föütfen bcfinblidjen BorratfjShäufer nieber^ brennen.

Um Soubon aus bem Gtebirge in bie ©bene ju lotfen unb if)n buraj einen Ueberfall jur Sd)lad)t ju fingen, oerliefc griebrid) fein fefteS Sager unb manbte fidj gegen Steige ; er gab jebod) ba* burd) bie geftung Sdjmeibnifc feinem (Segner preis, unb Öoubon beeilte fid) , aus biefer Unoorfidjtigfeit feine« ÖJegnerS Bortljeil $u jie^en. @r bradj in aller Stille gegen Sa^mcibni^ auf unb nafjm biefe midjtige geftung in ber föadjt 311m l. Dftober burd) einen qlücflid) ausgeführten UeberfaQ. l'cit ber fdjroadjen Bejahung oon breitau jenb äftann, bie fich ihm ohne Kapitulation ergeben mu§te, fiel ihm ein reidjer Borrath oon aßen möglidjen Kriegs bebürfniffen in bie £)änbe.

ds mar ein fernerer Schlag für griebrid), ber anfangs gar nicht Daran glauben wollte unb ben 2Ibjutanten , melier ihm bie UnglurfSbotfchaft überbrachte, mit ben SBorten anfuhr: „3dj fag' if)m aber , es ift nicht wahr ! Sdjeer er fid) ^um Xeufel !" $tn eine Bertreibung ber Dcfterreidjer aus Sa^leften fonnte er jefct nicht mehr beuten ; er mufjte nur auf bie Rettung ber £auptftabt unb ber übrigen gfeftungen bebadjt fein. Qu biefem (Snbe lieg er feine Xruppen in ben Dörfern bei Strehlen lagern unb na^m felbft in bem ®orfe SBoifelmife, in ber 9cäl)e biefer Stabt, fein £>auptquar* tier. ,J>ier blieb er bis $um 10. ^ejember, mo er fein |>eer langS

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$ie jioet legten tfriegSjcihre unb ber §ubertäburger griebe. 451

ber Ober jnnfäen s-örieg unb GJlogau in bie SBinterquartiere legte, mahrenb er fetbft feine Söofmung in Sörealau nahm. &aum bort angefommen, erhielt er bie Nachricht, bafj ba£ wichtige Dolberg, ba£ feit bem 20. Sluguft öon einem ruffifdjen |>eer^aufen unter bem trafen SRomanjoto mit £>ilfe einer ruffifc^-fc^tDebifc^en flotte belagert unb öon bem ®ommanbanteu ber Jcftung, £5berft £>eoben, mit Umfielt unb ©ntjc^Ioffen^eit öertfjeibigt roorben mar , fid) am 16. $e$ember au3 Langel an Lebensmitteln unb ©chiefrbebarf hatte ergeben muffen.

2Bie in ©Rieften , fo mar auä) auf ben übrigen Sl ricgS* fchaupläfcen mäfyrenb be3 gelbjugä öon 1761 ju feinem irgenbmie entfa^eibenben (£reigni& gefommen. $ie Schweben, beren $hatfraft burd) baä auf bie Sfonee jurürfroirfenbe Sßarteigetriebe be3 im Sltleinbefije ber Sftadjt befinbltchen Slbela gelähmt nnirbe, maren burd) ben ©eneral Petting mit üerhältni&mä&ig geringen Streit- fräften im Schach gehalten roorben. Qu Saufen hatte $)aun, trofo feinet bebeutenben Uebevmac^t, ben s^rinjen Heinrich nicht au3 feiner Stellung ju üerbrängen oermocht, mä^renb bie flteichSöölfer bura) ben mieber genefenen Seöblifc hinter ber Slfter jurücfgehalten mor- ben maren. säm sJ*hein unb an ber SSkfer Ratten bie franaöfifchen Speere, obfehon fie auf bie Stärfe öon einmalhunbertöieraigtaufenb 2Rann gebraut morben unb öon $ampfluft erfüllt roaren, gegen ben ebenfo umfiajtigeu als entfchloffenen £>eraog öon s«öraunfa)meig sJli<fytä auarichten fönnen, weit bem £>erjog öon iöroglio, ber bie Slrmee be3 Obergerns befehligte, bei all' feiner fonftigen Xüdjtigfeit an iöefonnenhett, unb bem ^rinjen öon Soubife, bem Dberanfüfyrer ber silrmee beä sJtieberrhein* , an X^atfraft fehlte unb iöeibe über* bieä burd) 9ceib unb ©iferfucfjt an einem einmütigen Sujammen* gehen ge^inbert mürben.

So hatte auch ber gelbjug beS Saljreä 1761 dlifytt entfe^ie- ben, bie Sage SriebrichS aber bebeutenb öerfchlimmert. Üttit Sduöeib* ni& hatte er bie $>älfte öon Scf)lefien unb mit Dolberg bie Hälfte öon Bommern üerloren , unb in betben Sänberu hotten feine ©eg* ner jum erften 30iale bie Söinterquartiere nehmen tonnen. SBon Sachfen hatte er nur einen Xheil inne, unb feine gefammten Streit* fräfte in biejem Laube , lote in Schleften , beftanben nur noch au3 ettuaä mehr als fedföigtaufenb 9Jcann.

Söeiche Hoffnungen tonnten bem ftimig unter biefen Verhält* niffen für ben 3*lb$ug beS fommenben 3ahre3 bleiben? „$er größte %f)tü ber ^roDin^en," jagt er fetbft , „mar erobert ober oerheert; man fat) nicht mehr ab, moher man Siefruten nehmen, reo man sßferbe unb (Sefdurre befommen, »o man Lebensmittel ftnbeu follte, noch mie mau mit Sicherheit bie &rieg£bebürfniffe jur s2(rmee f Raffen fönnte." 3n feiner 9loth öerfchmahte er

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452 $er rieben jfUjrige (britte fd)lefi|d)e) Jtttcg.

nidjt, ben tfirfifdjen Sultan unb ben ®fian ber Xataren jum Kriege gegen Defterreid) unb SRufjlanb aufjuftadjeln ; gfänjenbe ©eferjenfe mürben nad) #onftantinopel gefanbt, um ben (Sultan £)*man III. ju einem (Einfall in Ungarn ju beftimmen. 511* aud) biefe* erhoffte $Rettung*mittel fef)l fdjlug, ttne* griebrid) feinen ÖJefanbten in Öon* bon an, 5llle* jum ©turje be* neuen Sttinifter* ©ute aufzubieten, burdj beffen (Einfluß ifnn bie früher gejagten ©ubfibien entzogen tüorben maren ; aber feine $epefd>en gelangten $ur Äenntrtifc ©eorg* III., unb fo würbe ba* ^Bcrtjältnig jroifdjen tf>m unb G£ng* Ianb nur um fo gefpannter. Qn ben Wugen Don ganj (Europa galt feine ©adje al* eine verlorene. „Üftan fann jefct brei gegen eins roerten," fdjrieb Voltaire an ben franjöftfajen sJftmifter (£f)oifeut, „ba§ ßue (biefen ©pottnamen r)atte er bem $önig gegeben) mit feinen Herfen, ©paffen unb SBefdjimpfungen unb mit feiner ^ottrif, bie afle jufammen gleich fcr>tccr)t ftnb, öertoren tft." $)odj al* bic SRotf) für griebrid) auf« £>öd)fte geftiegen, eröffnete ftd) iljm in bem £ t) r o n m e d) f e l in SR u ß l a n b bie fixere >2lu*fic$t auf Rettung.

?(m 5. Qanuar 1762 erlag bie ®aiferin ©lifabetl) nacr) längerer #ranfl)eit einem ©lutfturj, unb iljr SReffe peter öon $ol* ftetn=(5Jottorp , ber nod) an bemfelben Xage al* $ e t e r III. ben ruffifajen Xfjron beftieg, mar ein fo fdjmärmerifajer SSerefyrer grieb* rid)*, ber il)m al* ba* Qbeal eine* gürften galt, ba& er einen SRtng mit beffen 93ilb ftet* al* r)öcr)fted ftleinob am ginger trug unb biefe* Eilb oft öor ben Muffen mit Eegeifterung fügte. ©leid) nadj feiner Sfjronbefteigung gab er allen preußifdjen befangenen, beren 2(u*löfung (Slifabcttj be&arrlidj toermeigert tyatte, ofjne fiöfegelb bie greifet jurüd, öerbot ba* fernere 9lu*f>auen ber preußifdjen halber, fdjenfte ben öerarmten pomraer'fdjen ©tänben bebeutenbe ©elbfummen unb räumte tynen feine 2Hagaaine in ©targarb ein. griebria} fanbte if>m herauf gleidrfaH* bie ruffifd)en ©efangenen jururf unb öerorbnete bie Söiebererftattung aller au* bem gürften* t§um §tn^alt--3crbft , bem ©eburt*lanbe ber neuen ftaiferin ftatfja* rina, beigetriebenen SBranbfdjafcungen unb Sief erungen. Arn 16. 9Jiära mürbe ju ©targarb ättnfdjen betben Sttädjtcn ein SSaffenftiÖftanb gejdjloffen, unb am 5. 2Hai erfolgte ju Petersburg ber 2lbfd>luß eine* grteben*, burd) meld/en griebrid) alle öon ben Muffen ero» berten preußifdjen ©ebiete jurürferluelt. tiefer griete mürbe am 8. Quni in ein förmliche* Jöünbniß üermanbelt , worin ber (£jar bem ftöntg ade feine ©taaten nad) ben grieben*fd)lüffen öon *8re*lau unb $)re*ben garantirte. Qu ber gleiten Seit erhielt ber nod) in Polen ftet)enbe ©jcrnttjcfiero 33efe^l, mit jmanjigtaufenb 3^ann ju bem preulifc^en Speere ju ftojjen.

2)ie nöa^fte golge ber Jperftellung be* grieben* jmifa^en dlufc

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$ie gmci legten ÄriegSjafyre unb ber $ubcrtSburfler ftviibt. 453

lanb unb Greußen toar ber Abfdjluß eines SBaffenftillftanbeS $roi« fcfyen Greußen unb ©dnoeben, ber am 7. April burdj bie Sßermitt* lung beS Goaren 51t ©taube fam unb am 22. 2Rat ju Hamburg in einen befinitioen grtebeu ocrmanbelt nntrbe. ©djmeben fagte fidj in bemfelben oon bem 33unbe mit ben (Gegnern 3riebri($S Iodr unb beibe Xfjeile oerpflidjteten fid) jur gegenfeitigen greigebung ber @Je* fangenen, foroie jur £>erfteflung ber ©renjen , nrie fie öor bem Kriege geroefen.

3friebrid)S fd^roerfte Sebrängnifj tuar üorüber, unb er (onnte nun alle feine Gräfte gegen Defterreid) roenben, roo$u er unöerjüg* lid) bie nötfngen Anorbnungen traf. $er auS Bommern jurütfge* Teljrte (General Söefling würbe $ur Sßerftärfung beS Prinjen $>ein* ridj nad) ©ad)fen gefanbt, roäfjrenb griebrid) mit #ilfe (Eternit* fdjeroS bie JJeftung ©djroeibnifc roieber ju erobern unb bie Oefter* reicher gänjltdj aus ©djlefien $u oerbrängen gebaute. Ilm $)aun, ber roieber an ßoubonS ©teile ben Dberbefefjl in ©djlefien führte unb jum ©djufce oon ©diroeibnift ^erdnjog , ben (£ntfafc biefer ?¥eftung unmöglich $u machen, griff er ben bei Abelsbad) fteljenben tinfen ftlügel beS öfterreidnfdjen $mt% an, unb ba er gegen ben* felben SßtdjtS auszurichten t>ermod)te, befd)loß er, feinen Angriff gegen ben auf ben Pütjen oon SöurferSborf oerfdjanjten regten ftlüget 3)aunS ju rieten, ®aum I)atte er jebod) baju bie nötigen Anorbnuugen getroffen , als © jernitfe^en) au* Petersburg S3efef)l erhielt, mit feinen jmanjigtaufcnb HÄann fofort nadj föuglanb $u* rudaufefjren.

(Sin neuer Xfpnroedjfcl fmtte bort Alles umgeftaltet. ^ßeter III., ber ftdj burdj mißliebige Neuerungen oerfjaßt gemadjt, mar auf Anftiften feiner ©emaf)lin geftürjt unb balb barauf ermorbet roor* ben, unb biefe fetbft Jjatte als $at Marina II. ben ruffifdjen 2f)ron beftiegen. S)a fie nidjt nur bie Steuerungen ü)reS ÖJemaf)lS, fonbern audj beffen unroürbigeS SBeneljmen gegen fie fetbft bem CSHnfluffe griebridjS jufdjrieb, Ijatte fie unmittelbar nadj i^rer X^ronbefteigung ein Üttanifeft erlaffen, in meinem Greußen als ber Sobfeinb föufjlanbS bejeidmet unb atkS für nichtig erflärt mar, toaS jnrifdjeu ^eter III. unb griebrid) vereinbart morben; nadjbem fie jebodj aus öerfdjiebenen , unter PeterS papieren oorgefunbenen «riefen bes Königs bie ©eroij^eit geköpft , baß griebrid) oie)-en cor allen unoorfid)tigen Steuerungen gemamt unb ü)m eine toürbU gere SBefjanblung feiner ©ema^liu bringenb empfohlen, nafjm fie bie gegen Preußen erlaffenen $Befd)lüffe jurüd, bod) blieb eS bei ber Abberufung (£aernitid)eros.

$!iefe Abberufung mar für $riebridj ein 5)onnerfa^lag ; er verbarg jebod) feine ©eftürjung unb bat ben ruffifdjen gelb^crrn nur, ifm niajt üor ber SBeenbigung ber ©d^laa^t ju oerlaffen. 3)a$u

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2>er ftebenjffftrige (brittc fölefifte) flrieg.

ließ fiel) ^emitfc^cm benn audj bewegen unb trug baburdj roefent= lid) ju einer für griebrid) günftigen ©ntfdjeibung bc£ Greffens bei, inbem 2)aun, ber bie SRuffen nodj immer für fteinbe In'elt , ftdj ge- nötigt falj, bem in ©dtfadjtorbnung aufgeteilten ruffifdjen £orp» eine entfpredjenbe $ruppenaat)l gegenüberstellen , unb baburd) an ber Skrtoenbung feiner gefammten Xruppenmadjt gegen ba£ preu- fcifdie £eer oerfn'nbert mar. Sftadjbem ber oon griebridj angegriffene redjte öfterreid)ifd)c ^Jlüget mehrere Stunben lang mit Sömenmutlj gegen bie preufjifdje Uebermadjt gefämpft, mußte $)aun mit einem S3erlufte üon na^e^u breitaufenb SJcann ba3 Sd)lad)tfelb räumen (21. Quli 1762). Sßäfjrenb er ftdj nad) ber bofnnifdjen ©renje jurücf- jog, fa^Iug (£$emitfcb,em ben 9tücfmeg nad) SRuftfanb ein.

Sftadj bem 5Ibjuge ber Defterretd)er traf griebrid) fofort $8or- fetyrungen jur Belagerung üon Sctjtoeibnifc, bie am 8. 9luguft eröff= net mürbe unb neun üoüc Söodjen bauerte. Nadjbem ein Sßerfud* £aun$, bie geftung $u entfefcen, fefjlgefrfjlagen mar, ergab fidj biefelbe am 9. Dftober nad) bem fyclbenmütfjigften Söiberftanb, ber ben 33e- lagerten breitaufenbfünffjunbert unb ben Belagerern breitaufenb Sttann gefoftet Ijatte.

äftit bem galle üon Sdjmeibnifc mar ber ßrieg in Sdjlefien beenbet ; in Sadjfen, mo es injmtfcrjen nur ju üerfdjiebenen flehten ®efed)ten gefommen, bauerte er noct) bis jum 29. Dftober fort, an meinem Sage $rinj £>einrid) beigreiberg über bie 9icid}3armce unb bie Defterreid)er unter bem Surften üon Stolberg einen ©ieg erfodjt , ber ben $ampf auf bem gefammten öftlicfyen $rieg3fdjait; plafce abfdjloß, inbem am 24. 9coüember ein SBaffcnftiUftanb 3roifd)eu Defterreid) unb Greußen ju ©tanbc fam, bem balb ber erfefjntc griebe fotgen foßte.

$)a bie 9kid)3truppen in ben gefdjloffcncn SBaffenftillftanb nidjt einbegriffen maren, ließ griebrid), ber feine Xruppcn oon Xfyüringen burd) Saufen unb bie Saufifc ^inburd) bis Sdjleficn in bie 2Öinter= quartiere üertbeift unb fein Hauptquartier in Seipjig genommen, ben Dberften ftleift mit jefjntaufeub Üftann in granfen einbrechen, um SBranbfdjafcungen beijutreiben unb jugleid) bie bortigen 9icid)a= ftänbc jur Neutralität ju jmingen, melier ßroeef aud) bei ben $ur- fürften oon Baiern unb 9}?atn$, fonüe bei ben Bifdjöfen oon Bam= berg unb Sßürjburg erreidjt mürbe.

2(uf bem meftlid)eu ßriegäfdmuplafce hatte gerbinattb üon Braun - fdjmeig, ber auch in biefem gelb^ugc rübmlidt) gegen bie Rranjofcn gefodnen, am 1. Sftoüember Gaffel erobert, unb ba jmei 4age fpätcr, am 3. 9coücmber, bie griebenäpräliminarien amifdjen ©ng-- lanb unb granfreich unterzeichnet mürben, l)ürte aud) in biefen ÖJe--- genben ber lange üerfjeercnbe ÄMeg auf.

«So ftanben Ovaria X^evefia unb griebria) einanber atiein

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$ie jroei Ickten $rieg8jabre unb ber ftitbertsburßer griebe. 455

gegenüber, unb ba ber ®önig mein: als je entfcfjloffen mar, nidjt baS ©eringfte öon bem aufzugeben , roaS er in ben oorfjcrgeljenben Kriegen geroonnen, unb trofc ber gänjlidjen (Shrfdjöpfung feinet San* beS 23 orf errungen ju einem neuen gclbjuge traf, blieb ber ®aiferin feine anbere 2Baf)l , als ben ®rieg mit bem Aufgebote aller Gräfte if)reS 8ietd)eS allein fortjufejjen ober burdj bie nodjmaltgc unb beft- nitiüe Veräidjtleiftung auf ©Rieften unb ©lafc ben Stieben ju erfaufen. ©ie entfdjieb fiel) für baS Severe im .ftinblicf auf bie geringe 9Bafjrfd)einlid)feit , mit ifjren alleinigen Gräften meljr ju erreichen, als im Vereine mit fo Dielen mächtigen VunbeSgenoffen, fonrie mit Sftütffidjt auf bie ©efjnfudjt ifjrer Golfer nadj grieben unb auf bie bebenflidje £>öl)e , ju tneldjer bie öfterreid)ifd)e ©taatS- fd)ulb mäfnrenb beS Krieges angcroadjfen mar. Sftadjbem pe bem ®önig burd) ben Kronprinzen oon ©aefifen bie ©rflärung fmtte ju* fommen laffen, „baß fie ju einem balbigen billigen unb Dauerhaften grieben maljrfjaft geneigt fei/' miüigte griebrtd), beffen griebenS- bebürfuiß nid)t minber groß mar, als baS ifjrige, in bie Mbfjaltung eines ßongreffeS, ber am 31. ^ejember 1762 auf bem fädjfifdjen 3agbfd)toffe £>ubertsburg, jroifdjen beißen unb SBurjen, eröffnet mürbe. Deftcrrcid) mar auf bemfelben burd) ben £>ofratfy öon $offenbad), Greußen burd) ben ®ef)eimen SegationSratf) öon ^erjberg unb ©ad)fen burd) ben (SJefjeimenratf) gritfet) öertreten. S)a man fid) öon allen (Seiten über bie griebenSbebingungcn jum Boraus flar gemorben, fließ baS griebenSroerf auf (eine ert)eblid)en ©djroierigfeiten. 9cad) einem öergeblidjen SSerfucfjc beS Vertreters Defterreid)3 , griebridj II. jur Verzidjtleiftung auf bie ÖJraffdurft ®laft ju bemegen, fam am 15. gebruar 1763 ber griebe ju ©tanbe. $)ie .(lauptbebingung beSfelben mar bie aßfeitige 3lner= fennung bcS VefifcftanbeS ber brei Staaten, mie er öor bem Kriege gemefen. Slußerbem fagte griebrtd) II. bem älteften ©ofme bei- ftaiferin, bem ©r^erzog Qofeplj, feine ©timmc ju ber römifdjen Ä'önigsmaljl ftit. gn ben grieben mit Cefterreid) mürbe aud) baS beutfdje föeid) aufgenommen. $)ie 3urütfzicf)ung ber preufii)d)cn Xruppcn aus ©adjfen unb ber bftcrreiajifdjen aus ©djlefien erfolgte, ber getroffenen Vereinbarung gemäß, brei 9Boa)cn nad) bem 5lbfa)luß beS griebenS.

©o ging griebrtd) aus bem langen, fa)lad)tenreid)en Kampfe als ©ieger fjerüor unb l)attc erreicht , maS er erftrebt: bie ©tel* hing Greußens als einer europäifdjen ®roßmad)t mar gefidjert, unb ber ©lanj feiner Xfjaten fjatte baS ^nbenfen an bie 9tccf)t^= mibrigfeit feines VorgefjenS in ben $>intergrunb gebrängt. $>ie traurigen golgen beS öerfjängnißüollen Krieges aber traten in ben meiften ber An bemjelben beteiligt gemeienen ©taaten in idjretfem erregenber SBeife ju 2age. granfreid) unb ©djmeben maren bem

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456 $ie atoei legten tfriegSjaljre unb ber JmbertSburger triebe.

93anferotte nafje; bie engltfa^e 9cationalfdmlb f>atte ftdj oerboppelt, bie öfterreidjifdje mar um (mnbert Millionen ©utben gemad>fen; baS bon greunben unb geinben auSgefogene ©adrfen berechnete feinen #riegSfcfjaben auf fiebrig bis adjt$ig 3JiiIIioncn X&aler. 3n Greußen mar nad) gricbridjS eigenem ^eftänbni6f ber neunte Xfjeü ber ©eoölferung tljeilS in Sdjladjten, tljeilS burd) ftrantyeiten ju Omnbe gegangen; einzelne ©täbte maren gänjlidj jerftört, anbere lagen $ur $älfte in Krümmern; $at)lreid)e Dörfer maren fammt tfjren ©emoljnern oerfdjmunben ; bie Selber lagen bradj, meil eS an ©aatforn, an 5öie^ unb an |>anben $ur SBebauung fehlte. Ueberau Ijerrfdjte 9^ott) ; ber Jhebit mar oernidjtet, bie Drbnung untergraben, ber 9tid)terftanb zerrüttet unb bie SfriegSäuajt gelocfert. 5lm Xraurigften faf) eS in benjenigen ßänbern aus, in melden bte Muffen unb bie granjofen gekauft. $n ^ßreu&cn, jammern unb ber 9ceumarf maren ganje Oegenben öollftänbig oeröbet ; an breißtg* taufenb meljrlofe 9Jcenfd)en follen bort öon ben milben #ofafenfd)mar* men niebergemefcelt morben fein, ©in faft nod) fdjltmmereS Slnbenfen Ratten bie granjofen in SBeftfalen, Sfteberfadjfen unb Reffen aurücf* gclaffen. 6elbft im fränftfd>en Greife, mo fie nidjt auf feinblidjem ©oben geftanben, Ratten fie bergeftalt gebranbfdjafct unb geplünbert, ba& ein franjöfifdjer Offizier nad) ber ©djladjt bei 9to&badj an einen greunb fdjrieb: „$aS fianb ift auf breifhg Steilen in bie föunbe geplünbert unb oerljeert, mie menn geuer Dom Gimmel gefallen märe. $aum Ijaben unfere flcad^ügler unb SttarobeurS bie Käufer ftefjen laffen."

Die fajlimmfte gotge bcS un^eilöoflen Stiege* mar jebod) bie ©eftegelung beS burd) griebrtd) II. begrünbeten Dualismus in Deutfdjlanb. „Der #önig griebrid) II.," fagt Onno mopp, „fat bie (£tnl)eit eines beutfa^en föcidfjeS unb einer beutfajen Nation un* möglich gemacht. 9cid)t bie ftirdjenfpaltung beS fedfoelmtcn 3a^r- ljunbertS f)at baS oermodjt, nid^t ber breifngjäfjrige Krieg unb ber meftfälifdje griebe. (Sie tonnten baS föcid) lodern. Der entfefc* tict)e $tieg unb ber traurige griebe fonnten 2öot)(ftanb unb bür- gerliche greif)eit jertrümmern, bie ©tänbe unb Korporationen bem SBiücn ber Derritorialfürften opfern, baS Stecht unb bie 9Jcadjt beS oberften 9ftd)terS im föeidje oerfümmern bis auf ein (Geringes ; aber nodj blieben bie gormen, bie unter günftigen Umftänben ein neu ermadjenber flcationalgeift mieber erfüllen unb beleben tonnte. Sflit bem Auftreten griebrid)s II. mar baS oorbei. 2BaS öon einem beutfcfyen 9ieid)e nodj oorljanben mar, baS opferte biefer SÖcann, beffen Seele früfje ftcb, getöft b,atte üon aÖen Zeitigen ^Ban* ben ber Pietät, bem Phantome feines Ijoljlen 9tu^meS. @r aflein jertpaltete baS 9ieid). (kv fc^uf ben Dualismus. Denn baS mußte aud) ifmi flar fein, bag felbft im günftigften gatle, menn eS ifjm

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S)cr ftebenjäf>r. engUfa>franaöf. Jfrieg auf bem SReere u. in ben Kolonien. 457

gelang, ©djlefien md)t bloä ju geminnen, fonbern audj $u behalten, ein fjeralidjer griebe mit bem $ aiferf)aufe niemals mieber möglich fein merbe, Weniger nod) bon jener (Seite, als bielmetyr bon ber peinigen. ®a3 mar md)t bloä meljr ein ßttnefpalt, eine ©tfcrfudjt bon ^toei fürftlidjen Käufern im föeidje, tute borbem gemefen mar, etma jmifdjen ^otjenjollern nnb SBelfen, über Indexen au3glei* djenb unb bermittelnb ber beutfdje Reifer ftanb, fonbern e3 mar ein ©palt beä Steides fclbft. Verblieben autf) bem $aifer redjtlidj bie Söefugniffe bc£ ftaiferä : fo mußten biefelben tf)atfäd)lid) Reitern an bem SStbcrftrcbcn griebridjä, ber nidjt mein; fid) nnterorbnen moüte. @in Eingriff auf baä ftaifcrfjauS, jumal wenn er gliieflid) mar, jerrig bie beutle Nation. 9Iuct) in ber alten loderen gorm mar fie fä^ig gemefen, ben ©türmen bon Oft unb SBeft ju mtber= ftefyen, meil jur Seit nod) bie gan^e ®raft bem 9iufe beä (Sincn folgte. Serfpalten unb griffen, mar fie gelähmt nad) Dft unb Sßeft ; benn bie Heineren ©plitter müffen nad) bem ÖJefejje ber ÖJra= bitation bem ©emidjte ber fdjmereren Staffen folgend

XXV.

Per Reßenjafirtge entfiftyfxautöfifQe <$(xie$ auf bem £fteere

nnb in ben ytofouini.

(1756-1762.)

3)ie unmittelbare Skranlaffung ju biefem Kriege gaben, mie mir oben (©. 416) gefefyen, bie ungenügenben ÖJrenjbefttmmungen, bie im Utredjter unb im 2ladjener grieben bejüglid) ber englijcfyen unb franjöfifdjen öefifeungen in 9iorbamerifa getroffen morben. ©er bieferfjalb entftanbene ©treit be^og fict) einerfeitä auf 21 f a b i e n, ba§ granfreid) im Utredjter grieben an (Snglanb abgetreten unb bon bem bie ©nglänber behaupteten, bajj fid) bis an ben Sorenjoftrom erftretfe, roafyrenb bie grau^ofen barunter nur bie £>albinfel 9ceufdjottlanb berftanben miffen mollten, unb anbercr)ett3 auf bie ©renken bon Souifiana, meiere bie granjofen bid $u ben großen ©een auäaubefjnen fugten, roäfyrcnb bie ©nglänber alle jen* feitS beä 2lllegf)ani=(5tebtrg3 gelegenen tüfteulänber al» bon ifmen entbeeft in Slufprud) nahmen.

$iefe testete ©treitfrage mar für beibe Xljcile bon umfo größerer 3Sid)tigfeit, alä granfreief), menn e3 mit feinen gorbe* rungen burdjbrang, fidt) in ber &agc befanb, eine Sßerbinbung jtuU fd)en üouifiana unb ßanaba fferjufteHen, moburdj bie ^ntereffen Gmglaubä fdjmer gefäfyrbet morben mären. $5ie (Snglänber beeil* ten fid) bafyer, in ben ftreitigen (Stegenben Slnfieblungen anzulegen,

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$er fiebenjityriße englifa>fran5öftfd)c £ rieg

unb als bie granjofen bic« burch ®emalt ju öerhinbern fugten unb fiel) babei jugleich in ifjren eigenen 9cteberlaffungen befeftigten unb berftärfien, mürbe ber 9Jcajor 20 a f h i n g t o n, ber fpäter in bem norbamerifanifdjen greiheitsfampfe eine fo ^eröorragenbe Stolle fpielen füllte, üon SSirginien auS an ben fran^öfifdjen öefe^t^^aber abgefanbt, um bemfclben $orftellungen gu machen unb jugleicij einen michtigen $unft am Df)io ju befehlen; ba jebodj bic gran= jofen bereits an berfclben Stelle ba« gort bu OueSne angelegt, mußte Söafhington unoerrtchteter Tinge jurüeffe^ren. Tie eng^ lifdje Regierung fanbte hierauf ju Anfang beä 3af)re3 1755, noch üor erfolgter SricgSerflärnng, ben 9lbmiral SBoScamcn mit r>ier= unbjmanjig ßriegSf Riffen nad) ben ßüften bon SRorbamerifa, um baS franjöftfche (&efd)maber aufzufangen, baS oon 93reft mit 58er- ftärfungen nach bem Sorenjoftrome abgegangen mar. Ter Angriff auf baSfelbe mißlang jebodj, unb ebenfomcmg Chrfolg Ratten bie Unternehmungen be£ englifchen (Generals ©rabbod gegen bic fran= jöfifdjen 9lnfieblungcn am Df)io. dagegen gelang es ben ©nglän= bem im folgenben %afyxt, ben granjofen zmeihunbcrtunbfünfjia, ^auffatjrtcifcfiiffe hinmegzunehmen.

Um fief) für biefe ®cmaltthat $u rächen, fanbte bie franjöpfa^e Regierung eine glotte, bie jtt)ölftaufenb Üflanu unter bem Oberbefehl bcS $>erzogS oon ^tctjclieu an 93orb fjatte, nad) ber Qnfel fSJti- norfa, unb nadjbem eine jum Schufte berfelben herbeigeeilte eng-- liidje glotte üon einer jmetten franzöfifdjen jurütfgcftftfagen mor- ben, mn&te fid) bie $anptftabt ^ort a)carjon am 28. 3uti 1756 ergeben.

Ter fortbauemb ungünfttge Verlauf be$ Krieges in 9corb- amerifa, fomie bie Wnftalten, bie in granfreid) zu einer Sanbung in (rnglanb getroffen mürben, fteigerten bie Aufregung unter bem englifchen $olfc, baS ohnehin mit ben ®runbfäfoen ber Regierung unjufrieben mar, in fo hohem ®rabe, baß ber ®önig Öeorg II. fid) genöthigt fal), im Tezember 1756 ein neues 9ftimfterium 511 btlben, in meinem ber üolfsbcliebte SSilliam ^ßitt eine tjtxvox* rageube Stelle erhielt. Tiefes TOmfterium mar jebod) nur oon furzer Tauer, ba bie perfönliche Abneigung beS Königs gegen <ßitt burch beffen Söibcrfpruch gegen feine unb beS $>erzogS oon (£umbcrlanb Wnfichten über ben Srteg auf bem gcftlanbe erhöht mürbe: fchon am 5. 3(pril 1757 fah fict> ^fitt genötlngt, feine Stelle nieber^ulegen. Tic allgemeine Unjufriebcnhcit über feinen jRürftritt, fomic bie SBittjchriftcn, bie Oon allen bebeutenben Stäbten unb $örpcr(d)aften bcS Raubes für feine SSicbcranfteHung an ben ftötiig gerietet mürben, befttmmten biefen jebod), >ßitt noch in bem= fclbcu 3«hre mieber in baS Ecinifterium aufzunehmen, beffen eigent- liche Seele er fortan blieb.

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auf bem 9Rcere unb in ben Äolonien

45^

Unter ber umfidjtigen unb tfjatrräftigen Seitung $ittS, beffen Verwaltung für (Snglanb eine neue 9(era ber Stacht unb beS 2ln- fchenS herbeiführte, nahm ber Stieg für (äfnglanb eine anbere S&enbung, lote in Xeutfct)Ianb, fo auch in fleorbamerifa. SBährenb- engltfdje (Sefchwaber bie Kfiften granfreichS burch fianbungen beun* ruhigten, bie SBerfe ton (Efjerbourg jerftörten unb bie für (Sanaba beftimmten Verhärtungen in ben franjöfifchen Häfen jurütfhielten, führte ber 2(bmiral VoScaroen jroölftaufcnb Sftann Sanbrruppen unter bem ©eneral 9(mfjcrft nach Halifaj, roetc^e fich, burch bie amerifa- nifdje ßanbroehr terftärft, terfdjiebener franjöfifcher geftungen be* mädjtigten unb fich baburdj ben 28eg ju weiteren Unternehmungen auf CEanaba bahnten.

3m 3ah^c 1759 rücften brei englifche HeereSabtheilungen ton brei öerfchiebenen fünften au* in Ganaba ein, um fich tor ber Hauptftabt Ouebecf ju tereintgen; boch erreichte nur bie ton bem (Venera! SBolf geführte ihr SM- SRachbem biefer treffliche güfjrer ade ©chroicrigfeiten feines 3nge$ übernmnben, nötigte er am 13. (September baS tor Ouebecf ftehenbe franjöfifche Heer 51t einem Xreffcn, boch mußte er ben Sieg mit feinem £eben erfaufen. Unter 9ttitnrirfung ber englifchen glotte rourbe Ouebecf erobert unb im folgenben Qahre, nachbem ein Verfud) ber granjofen, bie Stabt roieber ju gewinnen, vereitelt worben, burch oie Eroberung ton Montreal bie gänjliche Vertreibung ber granjofen aus ©anaba ooöenbet.

SBährenb bie ©nglänber in SRorbamerifa bie 9Jiacht ber gran* jofen öermchteten, vereitelten fte auch in Europa bie Hoffnungen, bie granfreich auf bie geplante Sanbung in ©nglanb gebaut. Xie glotte ton Xoulon, bie fich biefem Qlotdz mit ber ton Vreft oereinigen foflte, um bie in ber Bretagne gefammelte Kriegsmacht nach ©nglanb ober Urlaub überjufefccn, mürbe am 18. Sluguft 1759 bei bem (Sap ßagoS, an ber Sübfüfte öon Portugal, burch ben Slbmirat VoScawcn, unb bie ton Vreft am 20. Wotembcr bei Ouiberon burch ben Slbmiral H^feS gänjttch gcfchlagen. ©in HeineS ®efd)nmber, bem bie Ausfahrt auS $)ünfirchen geglüeft, lanbete jmar -an ber Küfte ton Urlaub, fiel jeboch, ohne bort etttmS ausgerichtet ju ha&en, am 28. gebruar 1760 ben ©nglänbern in bie $)änbe.

$iefe Unfälle machten ben H°f ton VerfaifleS jum grieben geneigt; aber mährenb er jur Herbeiführung beSfelben Unterhanb- lungen mit (£nglanb angefuüpft hatte, leitete er ju ber gleichen 3eit um für ben gall, bog bie englifche Regierung 51t hohe gorbe^ rungen pellen foüte, ben Krieg mit terftärften Kräften fortführen ju fönnen, ein VünbniB mit Spanten ein, beffen neuer König Karl III., ber frühere König ton Neapel, fich oen SOßünfct>eu be*

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S)er ftebenjäfjrige engltfa>franäöfifa> Sfrieg

franjöfifcfjen <pofeS geneigter jeigte, als fein im üorfjergebenben Sa^rc geftorbcner Stiefbruber gerbinanb VI., ber, bcm ©influfc feiner @temaf)Iin nadjgcbenb, in bem Stiege granfreid)S mit (£ng= lanb üollftänbig parteilos geblieben mar.

SBäfJrenb bie Unterfyanblungen üon $itt abfidjtlid) in bie Sänge gebogen mürben, meil bcrfelbe burd) bie (Eroberung ber 3n|el SBetletSle an ber franjöfifdjen fiüfte ein 91uSgleidMngSobjcft für baS Verlorene Sftinorfa in bie $anb ^u befommen münfrf|te, flelong es bem franjöfifc^en SWinifter Gfjoifeul, am 15. $uguft 1761 ben fogenannten „bourbonifdjen gamiltenpaft" mit (Spanien Staube ju bringen, burd) meldten eine fo enge ©erbinbung bcr £>öfe üon JßerfatfleS unb Sftabrib fjergeftetlt merben foHte, ba& beibe SHeidje fortan bem SluSlanbe gegenüber nur eine SDcadjt bilbeten. «3u biefem ©übe erflärten bie Könige üon granfreid) unb «Spanien, ba& in Sufunft jebe 2ftad)t, meiere bie Seinbin beS (£inen merbe, aud) als bie geinbin beS 51nberen gelten foüe, unb gemäfjrleiftcten cinanber ifjre gefammten ©efifungen, meiere Ötemäfjrleiftung audj auf bie ßänbcr beS Königs öon Neapel unb beS §erjogS üon Marina auSgcbelntt mürbe. 3n einem geheimen ©ertrage üerpftidjtete fid) (Spanien, am 1. ÜRai 1762 an Gnglanb ben $ricg ju erflären, falls bte bafyin bcr griebe jnnfdjcn granfreid) unb (Snglanb nidjt $u Staube gefommen fein foflte; bagegen üerfprad) bcr $önig üon granfreid), biefen grieben uidjt eljer abaufdjlie&cn, bis (Spanien öon ©nglanb für alle feine $8efdj)merben üolle ©enugt^uung erlangt fjabe. 3)te gorberungen, bie bicferfjalb oon bem franjöfija^en jpofe an bie cnglifdje Regierung gcftetlt mürben, führten, ba (Snglanb biefclben auf baS Crntfcfytebenfte jurürfmieS, ben fofortigeu s#bbrud) ber gric= benSunterfjanblungen fyerbei.

$>a s$itt eine ®rtegScrfIärung oon Seiten (Spaniens üorauS- faf), brang er barauf, bajj man bcm £>ofe üon TOabrib barin ju* üorfomme, bamit man in bcr Sage fei, bie fpanifdje Silbcrflotte fjintüegjuuefjmcn , beüor btefclbe in Sidjerfyeit gebraut merben fonttc ; er ftie§ jebod) bei bem ®önig, ber fid) ganj üon Sorb Sitte, einem Spotten üon gebilbetem ÖJcifte unb unbeftrittener (Sfurenfjaftigfeit, ober unbeliebt megen feines falten unb fto^cn Sc- nefjmenS, leiten liefe, auf SBiberftanb, unb als er hierauf feine ßnt^ laffung forberte, bemog 5öute ben ftönig, biefelbe an^uncl^men. So erfolgte alfo bie ÄriegScrflärung nid>t üon Seiten (SnglaubS, fon^ bcm oon Spanien. 2>a bie portugteftfrfje Regierung fidj meigerte, bem ©erlangen Spaniens gemäß ben (£nglänbcrn ifjre £>äfen $u üerfdjlieBen, erflärten «Spanien unb granfreid) aud) an Portugal beu $rieg.

Ziq§ ber ©etljetligung Spaniens an bem Kriege gegen (£ng= lanb, blieb biefeS nad) tote üor im ©ort^eil. Xie'ganje ÖJruppc

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auf bem SBeere unb in bcn Kolonien.

461

ber Antillen, öon bcncn ®uabe(oupe unb Dominique bereite früher öon ©nglanb erobert morben maren, ging für granfreich öerloren, unb am 11. Shiguft 1762 mußte ftdj §aüanna, bie #auptftabt öon (Suba, bie ben TOttcipunft be* fpanifch*meftinbifchen Raubet« bübete, nach längerer tapferer Skrtheibigung mit ber in ihrem #afen liegen* ben Jlotte ben ©nglänbern ergeben. #mei SRonate fpäter, am 6. Df tober, eroberten biefelben auch Manila, bie $auptftabt ber $f)iüüptnen. $)ie an beiben Orten gemalte ©eute öon fünf WliU lionen <ßfuhb Sterling mar inbeffen nur ein Heiner Beitrag jur Eecfung ber ®rieg*foften ©nglanb*, roetdje bie Scfmlbenlaft be* Sanbe* bereite öon achtzig auf etnhunbertöieraig TOttionen $funb Sterling geftetgert Ratten.

3n feinen Hoffnungen auf einen günftigeren Verlauf be* Kriege« getäufdjt, machte granfreich auf* <Reue grieben*öorfchläge, unb ba ber heftige ^arteifampf, ber jmifchen ben Slnhängcrn <ßitt* unb benen be* Sorb ©ute ausgebrochen, bem engüfchen SRinifterium große Verlegenheiten bereitete, jeigte fidj ba*felbe entgegenfommenb. So famen am 3. SRoöember 1762 511 gontainebleau bie ^rieben** Präliminarien ju «Staube, bie am 10. Februar 1763 ju <ßari* in einen befinitiöen grieben öermanbelt mürben. 3)urch benfelben er* ^ie(t ©nglanb Ganaba nebft ber Qnfet (Jap Breton, bie Heineren unter ben eroberten HnriHen, bie |>albinfel gloriba fotoic ba* Sene* galgebiet in Slfrifa; auch mürbe ihm SJcinorfa jurüdgegeben. gür ba* abgetretene gtoriba mürbe Spanien, ba* feine ©efifcungen auf (Euba forote Manila jurücfer^ielt, burch Souifiana entfchäbigt, auf roeld)e* granfreich ju feinen ©unften Söerjtcr)! tetftete. 3n ber 93e* nufcung be* einträglichen gifchfang* an ber Stufte öon 9ceufunblanb mürben ben granjofen bebeutenbe iöcfdjränfungen auferlegt, unb auf ben i^nen abgetretenen Qnfetn St. ^ierre unb 9JctqueIon burften fie feine geftung*roerfe anlegen.

Portugal, beffen Xruppen unter ber unwichtigen gucjrung be* öon (Snglanb mit Verhärtungen borthin gefanbten (trafen öon Schaum* burg^Sippe bie Angriffe ber Spanier jum größten %$t\it ju öereiteln gemußt, büeb in bem ©efifcftanbe, in meinem e* fidj öor bem Kriege befunben hatte.

2lud) in Dftinbien, mohin fict) ber ®rieg ^mifchen (Snglanb unb gfranfreich gleichfall* öerbreitet fyattt, (Snglanb im 93ortr)cil. Qm 3ahre 1758 fanbte bie fronjöfifdje Regierung ben (trafen £aHn Xolenbal (eigentlich XuÜt)-5)aIe), ben Slbfömmling einer mit ben Stuart* nach grantreidj au*gemanberten irifchen gamilie, al* ®ouöer- neur mit bebeutenben Verhärtungen nach ^onbidjerö, ber ^auptftabt ber franjöfifchen Sftieberlaffungen in Dftinbien. 9tttt großer perjbn* licfjcr Sapferfeit, burd) meldte er fich befonber* in ber Schlacht bei gontenoi heröorgethan, öerbanb berfelbe einen glühenben CStfer für

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$er ftebenjftfjrifle cngltfcf)=fran^öfifc^c $rieg

tue ©efämpfung bcr engtifchen SJcadjt in Dftinbien; aber it)m fehlte nicht nur jebe politifdjc Klugheit , fonbern auch bic ju einer er* folgreichen Kriegführung nötige Kenntnis be« (£harafter« unb ber (Sitten ber Snbier. Söährenb er einerfeit« burch ba« rütffichtölofefie t5infrf)reiten gegen bie in bie SSermaltung ber franjöfifd^oftinbifdjen Kompagnie eingeriffenen Sföiftbräuche bie gefammte ©eamtemoelt gegen fich aufbrachte , $og er fich jugleieh ben £aft ber Singe* borenen burch bie gänjliche Nichtbeachtung ihrer nationalen unb religiöfen SSorurtheile ju. ^nbeffen fchien ber Anfang feiner friege* rifchen Unternehmungen glücf öerfprechenb ; benn er eroberte ba« $aoib«fort, ba« er bem (Srbboben gleich machen tieft, dagegen mifttang fein Angriff auf SJcabra«: bie im $ejember 1758 begon* neue ^Belagerung biefer ©tobt muftte im gebruar be« folgenben 3ahre« bei bem ©rfdjeinen einer englifdjen (Srfafoflotte aufgehoben tuerben, unb fo groft mar bie ÜJciftbefiebtheit Satin'« bei feinen eigenen £anb«Ieuten, baft bie Nachricht oon feinem ?Ibjug oon SJcabra« in ^onbichern mit Subel begrüßt mürbe. $a Salin jur Unterftüfcung biefer Unternehmung ben (Senerat ©uffn au« ben wörtlichen 23efifcungen ber granjofen h^beigerufen fyattt , gingen auch biefe für granfreich üerloren , inbem bie (Jnglänber fich Don Bengalen au« barin feftfefcten. Nachbem bicfelben im Qahre 1759 sJJcaffulipatam erobert, mürbe am 22. Qanuar 1760 in einem treffen bei SBanbiroafh bie frau$öfifche TOac^t gänzlich aufgerieben. 3h* lefcter Kampf galt ber Erhaltung oon s^onbichern ; bodj auch biefe ©tabt mußte fich am 16- 3<*nimr 1761 nach tapferer SSerthetbigung ben (Snglänbern ergeben, unb ehe ba« Qatjr ju ©übe ging, toaren bic granaofen gänzlich au« Dftinbien oertrieben.

Wl« Salin, ber (rieg«gefangen nach ©nglanb gebracht morben, erfuhr, baft man ihm allein ben iöerluft ber fo hoch gehaltenen inbtjchen öefijuugen jur Saft legte unb ihn offen be« Herrath« be* fchulbigte, ermirfte er fich ü°n &er englifchen Regierung bie (Sr* laubniö, $u feiner Rechtfertigung nach $ari« ju gehen. (£r mürbe fogleich in bie öaftitle gebracht unb nach einer neunjehnmonat* liehen hatten ©efangenfehaft jur söefchmichtigung ber leibenfehaftlich erregten öffentlichen Meinung oon bem Parlamente jutn lobe Oer* nrtheitt. 2Jcit einem Knebel im sJJcunbe auf einem fehmufcigen Karren jur Nichtftätte geführt, ftarb er am 9. 3Jcai 1766 auf bem Ölutgerüfte.

Obgleich ^onbidjero, im grieben oon $ari« an granfreich ju* rücfgegeben mürbe, mar bie Stacht bcr granjofen in Dftinbicn burch bie ©eftimmung gebrochen, baft fie bort feine geftung«merfe mehr errichten bürfteu, unb im %af)xt 1770 ging bie oftinbifchc Kom* pagnie öotlftänbig $u GJrunbe. dagegen gemann bie englifche £>err* jehaft in Dftinbien immer fefteren *8oben unb eine immer meitere

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auf bem 9Reere unb in ben Kolonien.

463

StuSbefmung, wogu ber GSifer unb bie ®efchicfttchfeit beS fpäter öon ®eorg III. gum ßorb klaffet) ernannten Dberften 1 1 b e , ber fd)on im 3ahre 1756 burdj glängenbe Unternehmungen gegen bie eingeborenen Surften, bie „NaboW, ben ©runb gu ber Unter* werfung öon gang Bengalen gelegt, baä ÜMfte beitrug. ßatcutta, baS fd)on früher ein SlnfteblungSptafc ber (Snglänber gewefen, würbe, nad)bem eS bauernb in ihren Sefifc übergegangen, bie £>aupt* ftabt eines großen, ber englifch;oftinbifchen Öefettfchaft gehörigen, wenn aud) bem tarnen nad) öon ben abhängig geworbenen gürften beherrfchten 9teicheS, gu meinem außer ben SBefiJjungen oon $Ben= gaten bie gange üfttiche ftüftc, öon (Jutta! bis gum (Jap (Somotin geborte. Sludj Ratten fic in ber oon ihnen geübten Sßormunbfchaft über ben ©rofjmogul ben ehemaligen, jefct auf baS ©ebiet öon SeHn' befchränften Söeherrfcher oon ^pinboftan baS Sttittel in Rauben, ihrem Vorgehen gegen bie inbifdjen Sürften, bie früher beffen SöafaHen gewefen , einen ©cfjein beS Rechtes gu leiten unb fich felbft bie erworbenen ^roöingen gu £eb,en geben gu laffen. $)aS ÖJefammtgebiet ber oftiubifchen Kompagnie umfajjte gehn Millionen (Einwohner unb trug einen Üteingewutn oon minbeftenS fieben SHiflionen X^alertt ein. tiefer gerrann jeboch in ben £>änben ber $irettoren in Europa unb ber fyabfüdjtigen ^Beamten in ^nbien, beren Verwaltung ftch überbieS weber burch 3ttenfchlichfeit noch burch ©erechtigfeit empfahl.

©inen wefentlidjen SBeftanbtheil ber £eereSmacht, auf welche fich bie £>errfchaft ber ©ngtänber in Dftinbien ftüfcte, bilbeten bie <S e p o ö S , inbifche SRefruten , benen fie europäijche 3ucht unb Slbrichtung beibrachten, ohne fie mit ber europäischen ftriegSfunft öertraut gu machen.

SBa'hrenb beS norbamerifanifchen SreiheitSfriegeS erftanb ber englifchen Jperrfdjaft in Dftinbien ein gefährlicher Seinb in £tyber VLli, bem Surften beS in bem füblicheu Xtjeile ber $atbinfet ge» legenen SReicheS Üttnfore. 3)aS ©lücf , mit welchem berfelbe feit bem 3al)re 1767 bie ©ngtänber bekämpfte, regte auch anbere öon ben zahlreichen (Staaten ber ^albinfel gegen fie auf, unter benen bie ber a h r a 1 1 e n eines aud ber alten inbifchen Krieger* fafte h^röorgegangenen SBolfeS , baS fich beS gangen 9corbenS ber ^palbinfel bemächtigt hotte bie gefährüchften waren. 9cur bem ungewöhnlichen ©ejctjicf unb ber unermüblichen SluSbauer beS neuen Statthalters Marren £>aftingS , ben bie englifche Regierung im 3ahre 1774 nach Dftinbien fanbte, fyattt ©nglanb ben unge* jehmälerten gortbeftanb feiner £>errfchaft in jenen ©egeuben gu öerbanfen; boch bauerte ber burch £>nber erregte ßampf über beffen Xob (1782) hinauf fort. (Srft mit bem neuen SBeherrfdjer öon 3)tyfore, Xippo ©aib, 2Ui #nberS ©ohn , würbe im

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404

ftranfreidj unter Subroig XV.

3afjre 1784 ein Sriebe gefdjloffen, ber bie oftinbifche Kompagnie im ©eftfce ihres gefammten Gebiete* beließ.

XXVI.

Stanßretrß unter £ut>n>%$ XV.

(1715—1774.)

gubata? XV. Privatleben.

2113 Öubnrig XV. im 3ahre 1726 bem #erzog oon ©ourbon bie Settung ber (Staatsangelegenheiten entzogen, hatte er (f. @. 289) auf gleurü'S ^Rat^ erftärt , bog er fortan felbft regieren merbe; er nahm jebod) an ber fieitung ber föegierungSgefchäfte faum irgenb melden ^tnt^cil meil es ihm baju cbenfomohl an ßuft, als an ber nötigen einfielt fehlte, fonbern überließ biefelbe, zum ©eile granfreichs, üoflftänbig bem jum ©taatSminifter ernannten #arbinal gleurto. dagegen gab er feinen Untertanen baS öei* föiel eine« burchauS fittenreinen Sebent. 2ln feiner ebenfo liebend mürbigen als frommen Gemahlin hing er mit rüfjrenber, marm unb treu ernriberter gärtlic^fcit f unb bie (Stye beS ÄönigSpaareS, baS am 8. $ejember 1728 burdj bie heiß erfefmte Geburt eines Thronerben erfreut mürbe, nad)bem bie Königin bereits am 14. $luguft 1727 ihrem Gemahle ßnullingStödjter geboren , fdnen für baS ßanb baS 93orbilb häuslicher Xugenb unb f)äu$(idjen GlücfeS wer- ben gu fotten.

$ber nur ju balb mürbe eS anbcrS. $>a bie ben #önig um* gebenben Höflinge nicht nur ihren (£influfi auf benfelben burd) ben ber Königin gefäfjrbet faljen , fonbern auch öon einer geregelten ficbcnSrocife beS $>errfd)erS ben SSerluft oder Gelegenheiten jur ^öefriebigung ihrer tfjeilS ehrgeizigen , theilS genrinnfüchtigen ®e- gierben fürchteten, fugten fie ilm burd) bie Aufreizung feiner Sinn* l ichfeit in bie 93afm beS fiaftcrS hineinzuziehen. Anfangs fträubte fich SJubroigS beffere Statur gegen biefe Bemühungen, bis enbltch feine ©abmache ben ®unftgriffen ber Verführer erlag. Xer Gräfin öon 9)?aiüu, bie man ihm jnr ©uhlertn auSermählt, meil man oon ihr feine aü^u ehrgeizigen ©eftrebungen befürchten zu müffen glaubte, gelang eS , ihn feiner Gemahlin ooüftänbig zu entfremben ; boch mürbe fie felbft balb burch bie SCBittme beS SttarqutS be la Xour* neüc , bie ber in leibenfehaftlicher Üiebe zu ihr entbrannte Äönig Zur $alaftbame ber Königin unb zur Herzogin Don dfyattavL* rouj erhob , aus SubmigS Gunft üerbrängt , worauf fie bura)

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SubmtgS XV. Privatleben,

465

ftrenge SBufjübimgen unb einen btä an il)r Sebenäenbe fortgelegten mufterhaften Söanbel ifrre SBergeljungen $u fühuen fucfjte. $)er £önig aber mar für fein ganjeS Seben bem Softer öerfaüen unb fanf immer tiefer in einen 2Ibgrunb bon Unfittlichfeit, auä meinem er ficr) trofc jeitmeife roieberfehrenber befferer Regungen nicht mefjr emporzuarbeiten permochte.

Um fid) in öoKer greifet ber ungebunbenften ©tnnlidjfeit t)in= geben ju tonnen, normt Subroig feit bem Qa^re 1738 feinen 2lufent= rjatt oorjugätoeife in bem ©djloffe ©hoifu , ba$ er mit ber Oer- fdjroenberifcf)ften bracht r)atte au8fcf)mücfen unb mit allem oerfehen laffen, ioaä bie üppigfte ^fjantafie jur SBerrrielfältigung unb 23er* feinerung aller ©innengenüffe nur erbeuten fonnte. £rier mürben nächtliche Seftgelage gehalten, bie in 9hcr)t8 ben berüchtigten 93accr)a= nalien be$ §erjog3 oon £>rlean8 nachftanben.

Unterbeffen lag bie ganje Saft ber Regierung auf ben ©cfmt* tem gleurr/3; ber #önig mo^nte nur ben atferroidjtigften 93e* ratt)ungen im ©taatSrathe bei. 3n ben erften Seiten legte er babei nodj ein geroiffe£ 3n*ereffe f^r b*e 9tegierung^gefcrjäfte an ben $ag, unb roenn er, roa$ jeboch bei feiner angeborenen ©djüdj* temrjeit nur feiten geferjarj, eine eigene SJceinung auafpradj, fo be= funbete biefelbe gewöhnlich ein richtiges unb fdjarfea Urtheil. Qe tiefer er jeboch in ben ©trubel ber SluSfdjmeifungen oerfanf, befto mehr erftarb in ifjm aller ©inn für emfte Söefcfjäftigungen, unb fo befümmerte er fief) fdjliefjlich faum mehr um bie Qntereffen be§ ©taateS.

SBährenb ber SBirren be£ öftcrrcicr)tfcr)en (SrrbfoIgefriegeS , in roeldjen granfreicr) toiber ben Söiüen beä friebliebenben ftarbtnats gleurt) oerroicfelt roorben , ftarb biefer umfichtige ©taatömann im Hilter oon nahezu neunjig fahren, ohne roährenb feiner fiebje^n- jährigen fegenäreidjen ©taatsoerroaltung roeber ficr) felbft noch feine iöertoanbten irgenbroie auf Soften be3 ®taate3 bereichert ju fja&en.

Wad) bem Xobe gleuru'ä (1743) fdn'en ftch Subroig XV. au$ feiner (£rfcfjlaffung aufraffen $u wollen; benn er fprach ben (Snt- fdtjlufe au3, felbft bie Seitung ber ©taatSangelegenheiten in bie £anb ju nehmen; aber fct}on nach wenigen Sagen roar fein ©ifer für bie ®abinet3arbeiten oerraucht , unb 2We3 blieb ben 9ttiniftem unb feinen ^Büfflerinnen überlaffen. JJnbeffen gelang e3, roie mir oben (©. 384) gefehen, ber $erjogin oon (£hateaurouj , ben öollftänbig in i^ren ©anben liegenben ®ömg jur perfönlicfjen %$ülnaf)mz an bem Kriege in ben Stoeberlanben ju bewegen , mohin er fich am 3. 2Rai 1744 begab. $ie ^erjogin h^^e gehofft, ihm bahtn fol^ gen ju bürfen; aber ber äRarineminifter SKaurepaS fyattt ben nig burch bie SöorfteHung, bag ihre Hnmefenheit bie burch fein (&r~ fcheinen unter bem Speere gemeefte S3egeifterung nieberfchlagen roerbe, eoljtoart^, «Beltaef^te. VI. 30

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ftranfreicfj unter Cubtmg XV.

bemogen, ifjr bie* unterlagen. Unbetummert um ßubmigä 9kr= bot reifte fie ifmt nad) unb erfuelt bafär unfdjtoer SBeraeifmng.

2)ie Siege, bie unter Submigä Slugen tum ben franjöftfdjen Xruppen in ben föieberlanben erfaßten mürben, begeifterten bie franjöfifdje Nation, unb ba biefelben allein bem (SHnfluß be£ $tö* nigä jugefdjrieben mürben , meeften fte auf« fteue bie nod) immer nidjt erftorbene Siebe beS SßolfeS ju feinem ^errfdjerfyaufe. 211$ SJubmig auf feinem Quge nad) bem (Slfaß ju 2fle$ ferner errranfte, mar gan$ 93ari$ in ber bangften SBeforgniß; bie s$oft, ba3 Sdjloß unb bie ^aläfte ber SBornefjmen maren Xag unb 9cad)t oon 3flen= fdjen umlagert, bie mit Ungebulb auf 9tadjrid)ten über ba$ 33efin- ben beä Königs darrten , unb bie föirdjen maren mit Slnbädjtigen gefüllt, bie fyeiße ©ebete für bie (Spaltung feinet SebenS ju ©ort emporfanbten. $)ie ftunbe oon fetner ©enefung rief in ^ßariä einen foldjen Sreubentaumel fjeroor, baß ber (Eilbote, ber bicfelbe über- brad&t , faft erbrütft mürbe unb ba$ SBolf fogar fein $ferb unb feine ©riefeln fußte. $ie Sünfte oeranftalteten feftlidje Slufjüge unb religiöfe Seierlidjfeiten , unb mehrere Söodjen lang !am s$art$ gar nidjt auä ben fiuftbarfeiten Ijerauä. 9ttdjt3 glidj bem $ubcl, mit meldjem ber $önig bei feiner Sftütffefjr in bie £>auptftabt bt- grüßt mürbe, unb bem glänjenben (Smpfang, ben man ü)m bereitet ^atte. (Sr felbft mar baoon fo tief ergriffen, baß er in bie SBorte auSbrad): „D ©ott, momit ljabe idj fo oiele Siebe oerbient!" 55ret Xage blieb er in bem ^ßalafte ber Xuilerien, mo 3ebermann ifyn fefjen burfte; aud) naljm er eine (Sinlabung ju einem 3ttal)le auf bem 9iatf)f)aufe an.

Söä^renb ßubmigS fernerer Stanfbeit, bie 5lüe3 für fein ße= ben fürchten ließ , fjatte ifjm fein Söeidjtöater , ber Sötfdmf oon ©oiffonö , ertlärt , baß er ifjm bie ©terbeiatramente nur fpenben tonne, menn er feine Öu^erin, bie .Iperjogin oon Sfmteaurouj, au$ feiner S^ä^e entferne, mit aufridjtigem ^erjen jebem ferneren 9kr* fefjr mit if/r entfage unb in ©egenmart be3 ganjen £>ofe£ ©ort megen be$ gegebenen 2lergerniffe3 um $erjeif)ung bitte. Sötüig mar Submig biefer gorberung nadjgefommen, unb auf feinen SSefefyl t)attc bie Jperjogin fofort oon äftefc abreifen müffen ; feiner ©emafjlin aber, bie auf bie erfte 9tad)rid)t oon feiner (frfranfung, aller erlittenen ftränfungen oergeffenb, nadj äftefc geeilt mar, um felbft feine Pflege $u übernehmen unb ifjm Xroft ju fpenben, t)atte er unter Reißen Xfyränen Abbitte getf)an unb it)r gefdjmoren, oon nun an t^r allein $u leben. Aber mit ben legten ©puren feiner $ranffyeit mar aud) bie (Erinnerung an alle guten 93orfäfce öerfdjmunben. $ie fdmm* lofen ©elage im ©djloffe ju (£f)oifto mürben mieber aufgenommen, erft jmar nur ^eimli^, balb aber ganj ungefa^eut. 2)ie Sfmteau* rouj fe^rte an ben £of jurüd , unb auf i^r Verlangen erteilte

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SubroigS XV. ^vtoatleben.

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ber ßönig feinem Beichtöater Befehl , fich in feinen ©örengel gu Begeben. Steffen tonnte bie #ergogin fich nicht lange ü)reS XriumpheS freuen : fie ftarb fdjon im folgenben 3aljre eine« ölöfc liehen XobeS.

©inen nodj ungleich größeren unb öerberblidjeren ©influfe , als bie (Hmteauroiij f erlangte auf ben fa^madjen tönig bereu ftaa> f olgerin , bie mit bem ginangöächter b'StioleS öerheirathete 3eanne ^oiffon , bie natürliche Softer eines nieberen Beamten , ber megen Betrügereien hatte flüchtig merben muffen. 3ung , fdjön unb öon ihrer fittenlofen üttutter, beren Siebter, ber reiche Generalüäa> ter 2 enormanb , ihr eine forgfältige SluSbilbung t)attc geben (äffen, in allen fünften ber Verführung unterrichtet , fannte fie lein an* beres Streben , als in ber Gunft ßubnrigS an bie Stelle ber |>er» gogin öon (Sfjateaurour. gu treten, unb fie erreichte bieS Siel, nadt)s bem ein öon ü)r beftoct)cner Äammerbiener beS Königs it)r Zutritt gu bemfelben r>crfct)afft hatte. Submig erhob fie am 6. Üftai 1745 unter bcr Verleihung beS 2itelS Sftarquife öon ^ompabour in ben Slbclftanb , unb in furger «Seit hatte fie fid) feines SßiHenS fo öoQftönbig bemächtigt, bafj alle Höflinge eS für rathfam erachteten, fich um ihre Gunft gu bemerben. 3ebe ihrer Caunen mürbe be= friebigt, unb ber Glang ihrer SebenStoeife , bie Spenge ihrer Sanb* güter unb £uftfd)löffer, bie ©umme ihrer (Stnfünfte ftieg öon 3ahr gu 3ahr- $urch bie Slufmerf famf eit , meldte fie ben (Srfcheinungen ber geitgenöffifchen Siteratur gumanbte, unb bie Unterftüfcungen, bie fie neuen Berühmtheiten auf biefem Gebiete gu Xheil loerben lieg, gog fie auch bie hcröorragenbften ©chriftfteKer in ihr 3n*ereffa- 9ßachbem ihrem Verlangen, unter bie G££)renbamen ber Königin auf* genommen gu merben, Genüge geschehen, obgleich gu biefer Stellung nur bie Gemahlinnen ber ^ringen unb $airS berechtigt maren, fefcte fie auch *hrc (Erhebung gur ^ßalaftbame burd). ©eitbem empfing fie felbft ^ringen unb ^ßringeffinnen nur bann, toenn fie um Slubieng gebeten hatten ober toenn fie ihnen Vertoeife geben tpofltc. 9llle mußten ftehen bleiben, toährenb fie felbft auf einem Stuhle faß, funter meinem ihr ^pauShofmeifter , ein bitter öom SubmigSorben, ftanb.

Obgleich beS Königs ßeibenfdjaft für bie $ompabour fich atl= mählich abfühlte unb er felbft biStoeilen bie |>errfchaft, bie fie über ihn ausübte, brücfenb empfanb, fehlte ihm boch ber äftuu), ihr 3och abgufchütteln. ©ie blieb bie unbefchränfte Gebieterin SrantreichS, unb bie Leitung ber äußeren ruie ber inneren Angelegenheiten lag gang in ihrer £>anb. 3n ihrem ^ßalafte gu VerfailleS mürbe ©taatS* unb TOiniperratr) gehalten; fie entnahm nach Belieben Gelb auS ben ©taatsfaffen , fefcte bie SJftnifter unb Generale ein unb ab, empfing bie fremben Gefanbten unb ftanb im Briefmechfel mit ben

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ftrantreidj unter Subtoig XV.

tneiften auSmärtigen §öfen. $ie UnglüctefäCe be3 Reben j adrigen fianb* unb Seefriegea, buict) welche bet innere SSerfaH granfreicH unb in$befonbere bie finanzielle äettüttung oe3 ßanbeS bebeutenb oermehrt mürben, fallen houptfächlich if>r jur Saft, ba fie ju ©ene* ralen unb Slbmiralen nur ihre jum großen X^etle burdjau3 un- fähigen ©finftlinge ernannte.

Um fid) bem ®önig unentbehrlich ju machen unb feinen ©e bauten an eine felbftftänbige Regierung bei tr)m auffommen ju laffen , ftrengte bie ^Sompabour alle it)rc (Erfinbungägabe an , unt ftetS neue 3e*ftreuungen fur ^n iu erfinnen. Sie fiteste fein JJn- tereffe für bie Söaufunft ju toetfen, errichtete ju 3Mncenne3 bie be- rühmte, fpätcr nach S&brc3 oerlegte ^orjeflanfabrif unb oeranlaßte ihn, biefelbe öfter ju befugen ; auch ließ fic burd) rett^ bezahlte Xicfjter unb äRufifer neue Cpern unb Scbaufpiele für ben £of Der* faffen , bei bereu Aufführung fie felbft mitroirfte , unb führte jur (Ermunterung ber 2)caler unb SBilb^auer jäf;rlicr)e öffentliche ftunft* auäfteHungen in ben ©ölen be£ fiouore ein. $a jebodj btefer an» ftänbige Qeitoertreib r ju meinem noch baS Vergnügen ber 3agb fam, bem Submig leibenfdjaftUch ergeben mar, bem ®Önig nicht ge* nügte , fo trug fie fein ©ebenfen , ihm auch für ben niebrigften Sinnengenuß Gelegenheit gu oerfchaffen.

©inen fcharfen Äontraft mit bem unmürbigen Seben beS Kö- nigs , melcher fich wenig um feine Samilie fümmerte , bilbete ba$ ftille, ber Xugenb unb Srömmigfeit getoeihte fieben feiner ©emahlin unb feiner ®inber. 5>ie Königin , bie nur ju gut mußte , baß ihr $>ater ganj Don ber ©nabe Sranfreich^ abhing , ertrug bie föränfungen, mit benen fie fich überhäuft fah, mit einer an Schtoädje grenjenben (Sebulb. $er mit einer Tochter 9tuguft3 III. t>on Sachfen t>ermäf)lte Dauphin ßubroig, melcher mit einer gebiegenen 33tlbung bie aufrtdjtigfte Srömmigfeit unb ein tiefet ^fltcf>tge- fühl oerbanb, feuf$te im StiHen über ba3 unmürbige Seben feinet Sßaterä , beffen oerhängnißöolle Solgen er t>orau$far) , unb mibmete, üon ber Regierung gänzlich fentgehalten , feine Seit auäfrfjlic&ltd) feiner SJcutter , feiner (Gemahlin unb feinen ßinbern , bereu (Er* jiehung unb Unterricht beibe (Ehegatten felbft mit ber gemiffenhaf* teften Sorgfalt leiteten.

Qu Anfang bc$ 3ahre* 1657 mürbe ein Sittentat auf ben ftönig gemacht. 2113 er am 5. Qanuar, einem falten unb trüben ©intertage, um fechä Uhr 2lbenb3 au3 ber HJcarmorhalle be& Schloffen ju 93erfatllea trat, um in ben eben öorgefaljrenen Sßagen $u fteigen , ber ihn nach irianon bringen foQte , erhielt er einen Stoß in bie (Seite , unb als er mit ber $anb nach ber getroffenen «Stelle fuhr, bemerfte er an bem herabtraufelnben Sölute, baß ihm zugleich ein Stich oerfefet morben. $)en Xhäter hotte SRicmanb

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fiubwig« XV. $rfoatleben.

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flcfef)Cti ; bodj erfannte Um bcr ®önig an bcm Umftanb , baß ber* felbe in bcr Aufregung ben #ut abziehen öergeffen fjatte unb aU bcr allem Sebecfte baftanb. Wit ber £>anb auf ilm hinbcutenb, rief er feiner Umgebung ju: „$er TOenfcr) ba fjat mid) üermun* bet! ftehmt ihn feft; aber fügt ifmt fein 2eib au!"

$er Vorfall erregte ungeheuerem Sluffehen. 9ftan bermutyete eine Serfchmörung jum Umfturj beä %t)xo\\t$ ober ju fünften be3 Dauphin; aber Don ber Aufregung unb Z$eifcta$mc , bie Submigä (Srfranfung in SHefc unter ben ^arifern ^eröorgerufen , jeigte fict) feine ©pur. $er Verbrecher, ber fogleicr) unter ftarfer ©ebeefung nac^ $ari3 gebracht unb einem Verhöre unterzogen mürbe, $ie§ Sranj $>amienä unb mar 93ebienter bei mehreren Parlamentär räthen gemefen, moburet) er oft Gelegenheit gehabt, oon ber flech- ten SSermaltung beS Staate* unb oon ber ©orglofigfeit bc8 Sönigä, fomie öon beffen au3fchmeifenbem fieben $u fyöxtn. 9cachbem er lange barüber nachgebacht, mie man ben ®önig feinen fiüften ent= reißen unb ihn jur (Srfenntniß feiner Pflicht bringen fönne, mar er ju bcm (£ntfct)lufi gefommen, ihn burch eine ungefährliche 23er* munbung an ben Xob $u mahnen. 2für bie SSahrheit biefer 2Iuä- fage fpract) ber Umftanb , baß er fich bei bcm Attentat auf ben $önig nur eine* 3ebermeffer3 mit ganj furjer Glinge bebient fyattc. $luch mar bie Sßermunbung fo unbebeutenb , baß ber $ömg fct)on nach menigen Xagen üoflftänbig genefen mar.

Obgleich bei biefer ©act)lage an feine Sßerfchmörung , beren UBcrfaeug $)amien3 gemefen, gebaut merben fonnte, fonbern flar am Xage lag, baß cd fich nur um bie %f)at cinc* SBahnmifcigen t)anbelte, mürbe ber ilnglücfltche ben fchauerüchften Solterqualen unterroorfen , um Don ihm bie Angabe öon 2Jfttfcr)ufbigen ju er- treffen, meil fomohl ba3 Parlament, al$ auch bit Qanfeniften unb bie Sßompabour SBemeife für bie Söetfjetligung ber ihnen OTen gleich öert)aßten Sefuitcn an bem Attentate beizubringen münfdjten; er beharrte jeboer), fclbft unter ben furchtbarften Martern, bei ber sKufc fage, baß ÜRiemanb um fein Vorhaben gemußt fut&e. $a£ Parlament Derurthcilte ihn jur ©träfe SRaüatHac'S , unb am 28. 2ßärz 1747 tuurbe biefeloe auf bem Gräoeplafc an ihm üottjogen. sDJachbem ihm bie rechte £anb abgehauen , bann ber Körper mit glühenben fangen gejmieft unb fiebcnbeS Del in bie Söuuben gegoffen mor* ben , mürbe er burch öier Pferbe in ©tücfe jerriffen , mad erft ge= lang, nachbem man ihm bie ©er)nen burchgefchnitten. 2)er stumpf mürbe mit ben abgeriffenen ÖMiebern oerbrannt unb bie 5Ifc^c in bie ©eine geftreut. tiefer barbarifchen Einrichtung , bie fünf SMertelftunben lang bauerte , fahen auä ben genftern unb oon ben abgebeerten £act)ern ber ben ©r&ueplafc umgebenben Käufer , mo bie ^läfce $u hohen greifen öermiethet morben maren , oiele Xau*

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Sranfveirf) unter fiubroig XV,

fenbe, barunter bic öornehmften §erren unb $amen, mit gekannter Aufmerffamfeit $u.

Am 15. April 1764 ftarb bic 9ftarquife ton *ßompabour in ihrem brciunböierjigften SebenSjahre, nach langer Abzehrung. Xrofc be$ beifpieüofen ©lanjeS, ber fie umgab, war ihr, nach ihrem eigenen ®eftänbniß, baS Seben jur fiaft geworben, ba fie ftet) ber allgeinei* nen Verachtung preisgegeben fah , bic fich in jahllofen anonymen ©pottgebichten auSfprach, unb ber £aß gegen fie fid) fo feljr gewei- gert r)atte, baß fie eS nicht mehr wagen burfte, fid) ohne ftarfc S3e= beefung an einem öffentlichen Crtc fel)cn 51t laffen. Sie hinterließ ihren ißerWanbten öiele attillioncn, unb bie Verweigerung ir)rcd Waty laffeS, ber eine Sülle ber feltenftcn $unftwerfe unb ftoftbarfetten enthielt, bauertc ein öolIeS Qahr.

Sic »ufhebung bc§ 3efuitenorben8 in 3rranfrcidj.

(1764.)

3>urch bic ausgezeichnete SBirffamfcit ihrer TOtglieber (jatte bie ®efellfchaft 3efu in allen fatljolifdjen £änbern einen Ijeroorragenben (Sinfluß erlangt; eS fehlte it)r jebod) auch nicht an mäd)ttgen ®eg* nern, ju benen , außer ben *ßroteftanten afler Vefenntniffe unb ben 3anfeniften, fowie ben oon biefen gewonnenen SDcitgliebern ber fran* jüfifetjen Parlamente, ganz bcfonberS bic Vertreter ber neuen , mit ben 28aorf)citen beS ShnftenthumS zugleich alle firc^lic^e unb ftaat« lidje Drbnung befämpfenben ^ßrjüofopfjic gehörten.

Qu biefen ©egnern gefeilten fid) in ber zweiten £mlfte beS acht- zehnten 3ar)rt)unbertS bie burch ihre franzöfiferje SBcltbilbung mit ber mobernen SBelt* unb ©taatSmeiShcit befreunbeten TOmfter, bie ju jener Qtit in fämmtlichen bourboni)d)cn ©taaten am SRuber ftan* ben unb fich in ihren SBcftrebungen , ben ®runbfä{jeu eben biefer 2Betöt)cit gemäß bie Dmnipotenz beS ©taateS auch über alle furch- liehen Angelegenheiten au3jubef)nen, burch °en ©influß ber Qefuiten, als ber entfehiebenften Verthcibiger ber föed)te unb Qntereffen ber Kirche, beengt fal)en. Alle biefe haßerfüllten Ötegncr ber ^cfeüjchaft Qefu Oer einigten fich 3U einem großen VernichtungSfampfe gegen bicfclbe, inbem fie bic fchänblichftcn Verleumbungen gegen bie Qcfuü ten erfannen unb burch ü)re bezahlten Helfershelfer in allen Greifen ber ©efeflfehaft oerbreiten ließen. QnSbefonbere befchulbigten fie bie 3efuiten einer lajen 3!)coral , bcS SftißbrauchS ber ©eichte , bcS ©trebenS nach Weltlicher <pcrrfd)aft unb ber ©inmifdmng in bie

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$ie Sluföcbung beS SefuitenorbcnS m ftranfreid).

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Politif , bcr 9tf i&adjtung bcr öifäöfe , beS ©to^eS unb bcr §ah~ fliegt , ofjne für äße biefc Auflagen anberc ©emeife beibringen $u fönnen, als öereinjelte , tfjeilS fefjr übertriebene, tfjeilS gänalid) erfunbene Stjatfadjen.

3n granfreid) Ratten bie ^onfeniften öorjugSmeife in bem Parlamente oon Paris einen mächtigen SRücffjalt gefunben, ba baS= felbe, oon jcr)er gaüifanifd) gefinnt, bie 3efuiten als Vertfyeibiger ber päpftlidjen ©eroalt mit bitterem |>affe oerfolgte. $>anb in £mnb mit ben Qanfeniften nnb bem Parlamente gingen in ber Vefämpfung ber Qejuiten einerfeits Voltaire nnb feine (SefinnungSgenoffen , bie mit ber Ausrottung beS DrbenS bie Vernichtung beS (£f)riftentb,umS anbahnen roollten , unb anbererfeits bie Sftarqmfe oon Pompabour, bie eS ben Qejuiten nid)t öer$eif)en fonnte, ba& feiner berfelben if)r 33ctct)tt)ater fein moflte, fo lange fte bie 93uf)lerin beS Königs fei, foroie if)r ©djüfjltng, ber SJiinifter (Jfjoifeul, ber eS, abgefeljen öon feiner perfönlicr)en Hinneigung ju ben Anfiajten ber Jreibenfer unb Sd)öngeifter, feinem Qntereffe angemeffen fanb , ben $a§ beS Par* lamentS gegen bie Qefuiten ungeftört malten unb jur offenen Ver- folgung roerben ju laffen, um mit bemfelben in gutem (Sinöernefjmen ju bleiben. 3m Publifum mürbe eine Waffe oon ©djmäfjfdjriften gegen bie Sefuiten oerbreitet, in meldten biefelben für alles oerant« ruortlicrj gemacht mürben, roaS jemals Scftroärmer unb Vöferoidjtcr XfjöridjteS, VerroerflidjeS ober greoetyafteS getyan, unb ber €rben balb als Söortrebner, too nid)t als Urheber beS Despotismus ber Könige unb beS grobfinnlidjften Aberglaubens, balb als Verfünbiger ftaatSgefäfjrlidjer £el)rcn unb als Anftifter aller jemals an Königen unb TOniftern oerübten ober oerfudjten ©etoalttfyaten bargeftellt mar. Söetl ber fpanifdje Qefuit 3ftariana jmei Qa^rljunberte öor- fjer in feinem Söerfe: „de Rege et de Regis Institutione" bie iöbtung eines Sttrannen unter gemiffen VorauSfefcungen für erlaubt erflärt r)atte f fottte S)amienS bura) bie 3efuiten $u feinem 2#orb* anfatl auf ben föönig Oer leitet morben fein , obgleid) berfelbe mit Qei'uiten gar nid)t in Verbinbung geftanben, üielme^r ben 3<mfe* niften angefangen fyatte. Aua) bie Vorgänge in Portugal, roo, toie mir meiter unten 1) ören merben , ber 9Jänifter P 0 m b a l eine an« geblidje Ver(cfyroörung gegen ben Sfönig $ur Vertreibung ber 3efui* ten ausgebeutet fjatte, mürben als SBaffe gegen bie 3c)"uiten benufct $>iefe Verlcumbungen öerfeflten ifjren Qmd nid)t: baS Publifum mürbe oielfaä) irre geführt unb tfeilmeije gegen ben Drben ein« genommen.

3nbeffen fanben bie 3efuiten in Sranfreid) marme Vertfyeibigcr an ber 2J?ef)r$al)l ber Vifdjöfc ; aud) ber Dauphin, fomie bie Königin unb bie Prinjeffinnen ftanben entfdjieben auf ir)rer ©eite, unb felbft

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ftrcmfretdj unter Subtoig XV.

ben fdjmadjeu #önig oermodjte bic Pompabour nic^t ju einem f einbüßen SBorgctjen gegen bie 3efuiten ju bewegen. (Snblid) bot ein 9ied)t«ftreit bem Parlamente eine erwünfdjte $anbrmbe ^um (Sturje be« Drben« in granfreid). (Sin gemiffer Sa Palette, ber al« Profurator be« Drben«f)aufe« auf ber Qnfel Martinique buret) grogartige $>anbel«fpefulationen bie franjöftfc^en Kolonien in Slor gebraut fyatte , aber bem Drben nia^t meljr angehörte , mar buret) ben Serluft mehrerer reicrjbelabenen Skiffe, bie ma^renb be« Krieges oon ben ©nglänbem meggenommen movben waren, in SBanferott ge^ ratzen, unb ein §anbel«ljau« oon SttarfeiÜe, ba« üon ifjm au«gefteüte 2Bed)fel im betrag üon üier Sttillionen Siüre« aeeeptirt fjatte, üer= langte (Sntfdjäbiguug üon bem Drben; biefer üerweigerte jebod) bic= felbe, meü 2a Palette öon ifjm nietjt $um $>anbel beauftragt , üiel- mel)r be&ljalb frrenge gerügt unb fdjlie&lid) au«gefto&en morben mar. Qnbeffcn gemann ba« $anbel«l)au« ben üon ifmt angeftrengten Pro* ^eß nic^t nur üor bem ßonfulate in SJkrfeiHe, fonbern aud) üor ber großen Cammer be« Parifer Parlament«, unb biefcö lefctere madjte, üon (Sfjoifeul ju weiterem Vorgehen gegen bie Sefuiten ermutigt, au« bem (Sioilprojeß einen $riminalprosc&, iubem am 17. Slpril 1761 bie Vorlage ber (Sonftitutionen unb Priüilegien be* Drben« üerlangte unb jur Prüfung bcrfelben eine jum Xljeil aus 3anfeniften beftefjenbe (Sommijfion einfette.

$a« ©rgebniß ber üorgenommenen Prüfung mar bie (£rflä= rmtg, baß einzelne ber in ben Souftitutionen enthaltenen Sä(je auf* rcijenb unb gefäfyrlid), bie Siegeln in ifyrer ©efammtfjcit aber, gleicr) ben bem Drben oon ben päpften erteilten priüüegien , fdjäblicr), ben Staat«gefejjen unb ben gaüifanifdjen greiljeiten entgegen unb barum nichtig feien. Obgleich ber ®önig bem Parlamente am 2. 3luguft üerbot, oor 2lblauf eine« Qaljrc« irgenb melden ^efcfyluß gegen ben Drben ju faffen , erließ ba«fetbe fcfwn am 6. 2luguft mehrere betrete, morin ütele ©djriften älterer Qefuiten jum geuer üerurtljeilte unb allen gran$ofen ben SBefudj ber 3efuiten= faulen fomie ben Eintritt in ben Drben oerbot.

Um auch bie öffentliche Meinung für bie SBernidjtung be« Drben« $u gewinnen , mürben burdj eine parlament«fommiffion fo* genannte „Wu«süge" au« ben 8d)riften ber Qefuiten angefertigt, burdj meldte ilmen unmoralifdje unb ftaat«gefährlid}C 2)oftrinen nadjgewiefen werben füllten. SBäljrenb biefe« elenbe , in föom ent» (Rieben üerbammte unb aud) oon mehreren franjöfifdjen ©ifefpfen in Hirtenbriefen cenfurirte 9ftadjmerf, ba« ©teilen au« ben SBerfen üerfdjiebener Qefuiten au« bem 3ufammenr;ange riß unb 3rrtf)ümcr (Sinjelncr bem ganzen Drben jur Saft legte, in ganj granfreid) verbreitet würbe, orbnete ba« Parlament bie öffentliche Verbrennung

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$ie Aufhebung beS SefuttenorbenS in ftranfreich.

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bcr Apologien beS DrbenS an unb fdmitt bemfeloen jebeS bittet bcr Sßertheibigung ab.

$er Äöntg , ber bic 3efuiten gu retten münfehte , aber im Strubel fetner Vergnügungen ber gangen Angelegenheit eine Diel $u geringe Aufmerffamfeit fchenfte , lieg ftc& Dura) bie Verftcherung beruhigen, bog es nicht auf eine gänzliche Aufhebung beS DrbenS, fonbern nur auf eine SSerbefferung feiner (Einrichtungen abgefehen fei. Um biefe herbei ju führen , beantragte Subnrig , obgleich eine t>on ihm jufammenberufene Verfammlung öon mehr als fünfzig SBifdjöfen im Sßoüember 1761 in ihrer überttriegenben Mehrheit bem Drben in Vejug auf SBanbel unb Xüchtigfeit fetner Sttitglieber baS glänjenbfte S^ugnig auSgefteflt unb bie öon bem Parlamente gegen benfelben erhobenen Anflagen öoüftänbig entfräftet hatte , bei bem Zapfte ©lernen« XIII. eine Umgeftaltung ber DrbenSöerfaffung, inSbefonbere bie VeftcHuug eines ©eneralöifarS für Jranfreich. $iefe gorberung tourbe jeboe^ , unter ausführlicher Darlegung ber bagegen fpredjenben nächtigen QJrünbe öon Seiten beS ©eneralS föicci tote beS PapfteS , abgelehnt , mobei Klemens XIII. nicht er- mangelte, bem ®önig ju fchreiben, „ber ©türm gegen bie 3efuiten fei öon ber Art, baff er Altar unb $hr01t jwö^ich bebrohe, bie befttmmt feien, bem Unglauben als Schladjtopfer ju fallen." $>aS Parlament hob hierauf unterm 6. Auguft 1762 bie ®efellfa)aft Qefu auf, „roetl biefelbe in ihren fiehren gottlos unb fafrilegifa) unb in ihrem SBirfen ber Kirche unb bem Staate öerberblidj fei unb ber fdjroache ®önig fonnte fidj nicht ju einem energifchen Auf= treten gegen biefeS AufhebungSbefiet entfchlie&en , obgleich nicht nur ber gange franjöfifche (SpiSfopat gegen baSfelbe Proteft erhob, fon* bern auch Der P^pft am 3. (September ben bie Aufhebung beS DrbenS öerfügenben 33efchlu& beS Parlaments für null unb nichtig crflärte. Ucachbem ein öon bem ©rgbifchof oon Paris §ur 93er- theibigung beS CrbenS unb ber Stechte beS päpftlichen Stuhles cr= laffener Hirtenbrief auf Anorbnung beS Parlaments burch £enferS~ hanb öerbrannt unb ber Ghrgbifchof öon bem $ouig auf öierjig Steilen öon Paris öernriefen roorben mar, üerfügte ein neuer Paria* mentSbefchluß bie Verbannung aller berjentgen Qejuiten, bie ftch roeigern mürben, ihren Drben für öerberblich unb ftaatSgefährlich gu erflären, tuaS öon Xaufenben faum einer t^at. 3)er ÄÖnig fanetio* nirte unterm 1. $egember 1764 baS öon bem Parlament erlaffene AufhebungSbetret ; boch geftattete er ben Sftitgliebern beS DrbenS, als Sßeltpricfter unter ber ©ertchtSbarfeit ber Vifchöfe in granf-

1) 3n Portugal nmrben bie ^Mutten öertrieben, ruetl fie, „oon bcr §eU ligfeit ihres gnftituteS" abgefallen feien. 2)aS eine war fo unroahr wie baS anbere.

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ftrctnfreid) unter finbroig XV.

reich §11 bleiben ; auch rief er ben ©rjbifdjof bon $ari« au« feinem (5rU jurücf.

£ie Ücachthetle, meiere bie Aufhebung be« Qefuitenorben« für granfreich jur golge fyattt, traten junächft in bem SRücfgang ber Spulen ju Sage, in melden befonber« ber Unterricht in ben alten ©prägen in ben flaglichften Verfall geriet!).

gubtoigg XV. leite ftegtertmgSjeit.

(1764-1774.)

$er Xob ber ättarqutfe bon ^ompabour, ber ben fönig boBU ftänbig falt gelaffen, r)attc feinerlei Slenberung in ber Regierung herbeigeführt, ba ber Don it)r $um StaatSminifter ernannte £er$og bon d t) o i f c u 1 (früher ©raf ©tainmtte) ganj in ihrem ©eifte fortmirfte. Wucf) be« ® öuig« auäfchnieifenbe ßebcnäroetfe blieb unoer= änbert. 55er Dauphin, on beffen Seben ber ©ram über feine« Vater« fernere Verirrungen nagte, ftarb am 20. Tejember 1765, unb fdjon am 13. 2Eai 1767 folgte ihm feine eble ©emahlin in« ©rab. flalb barauf, am 25. 3uni 1768, ftarb auch bie bon ihrem ©emahl fo fchmählich bcrnacf)läjfigte unb fo fehler gefränfte Königin.

fiubmig blieb bei biefen $obc«fäHen nicht gleichgiltig : wie er feine Schwiegertochter bei bem 2obe be« Dauphin mit r)crjlicr)cn SBorten ju tröften gefugt hatte, fo umarmte er ben ßetdmam feiner ©emahlin mit allen Reichen ber föeue unb Führung. Slber biefe befferen Regungen maren nicht mehr im ©tanbe, bauernb auf fei- nen Söiüen einjumirfen; er führte bielmehr fein fünbfjafte« fieben fort, unb feinen faft, al« lege er barauf an, bem throne alle Achtung gu rauben unb ben Umfturj be«felbcn boraubereiten. SKach bem Xobe ber «ßompabour gerieth ber untoürbige fönig ganj in bie ©ctualt einer gemeinen Vuhlerin, bie er mit bem ber- fommenen ©rafen $ubarru bermählte. ©ie erlangte einen foldjen (Sinfluf, auf ßubnrig XV., baß fich balb alle Höflinge, auch ein Xhcil be« Mbel« unb bie OTnifter, außer Shoifeul, ber oergeben* ihre @rr)i)r)uttg $u hintertreiben gefnct)t unb fich nic^t enthalten fonnte, ihr feine Verachtung §u geigen, in niebriger Kriecherei oor ihr beugten.

Unterbeffen rjattc (£f)oifeul im (Sinbernehmcn mit faunifc eine Vermählung be« fech$ehnjährigen Dauphin gubroig mit ber um ein Qafjr jüngeren ©rjherjogin Üftaria s2In totnette oon Cefterretch, ber jüngften Tochter ber faiferin SJtoria X^crefia r eingeleitet, meldje £e$tere ihre Uinmiüigung jit biefer Verbinbung in ber fixeren ©rtoartung gab , baß baburch ba« für ben grieben

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ßubnugS XV. lefcte gfcgienmgSjeit. 475

(Suropa'S erfpriefjliche TOnbnig OefterreichS unb granfretchs ouf längere Seit fict)cr geftedt fein toerbe. «Tuf bie Sßermählung beS fünftigen ßönigSpaareS, bie am 16. HRai 1770 $u SBerfailleS ootl* jogen tourbe, toarfen inbeffen üerfchiebene Vorfälle einen bunflen Schatten, gleichfam als Vorboten beS tragifdjen ©efdn'cfeS, bem bie Weuüermählten entgegengingen. SBähreub ber ©infegnung tobte ein furchtbares ©eroitter, unb öierjehn Xage fpäter entftonb bei einem geuertoerf, baS bie ©tabt Paris jum ©chlnffe ber SBermählungS* feierlichfeiten auf bem Plafc ßouiS XV. Oeranftaltet hatte, in golge mangelhafter SBorfehrungen ein fo furchtbares ©ebränge, bafe über taufenb Perfonen ju ©dmben famen unb über breihunbert erbrüeft ober vertreten mürben.

£$nbeffen fah ftdj CHjoifeul in ber Hoffnung getäufdjt, burch biefe Ü8erbtnbung fein Slnfehen unb feine Stellung für immer be- feftigt ju haben. £ie ©ertngfchäfcung, bie er nach bor gegen bie $ubarrtj an ben Sag legte, mürbe oon ßubmig hö# übel auf* genommen ; baher fanb ber #an5ler Sftaupeou, ein perfönlidjer ©eg^ ner CHjoifeulS, ber bem ®önig barjuthun fudjte, bafj ber SJftnifter ben DppofitionSgeift ber ihm befreunbeten Parlamente im ©rillen begünftige unb nähre, für feine ©inflüfterungen ein geneigtes Dhr. S)aS Parlament üon Pari« hatte nämlich aus bem (Gebrauche, bafr ihm bie föniglichen ©bifte jur (Sinregiftrirung jugefertigt mürben, bie Solgerung gejogen, ba§ bie ©tltigfeit berfelben oon biefer (£in= regiftrirung abhänge unb baß ihm baS Stecht juftefje, biefelbe gu oertoeigern, falls feine gegen mißliebige ©bitte erhobenen SSorftcI- lungen fein ©ehör fänben. 3)iefeS oermeintliche Siecht, baS bem Parlamente als einem einfachen (Gerichtshöfe gar nicht $uftel)en fonnte, mar bemfelben im Qafjre 1766 oon bem $önig in einem fogenannten „lit de justice" einer im ©djloffe ju SBerfailleS abge- haltenen feierlichen SBerfammlung, in welcher ber #önig perfönlich bem opponirenben Parlamente bie (Sinregifrrirung eines (SbiftS be= faf)I burch bie Ghflärung abgebrochen toorben, bafj eS ju feinem Söiberfpruche berechtigt, fonbern jum ©inregiftriren oerpflichtet fei, weil er feine ftrone allein oon ©ort habe. Sftichtsbeftoroeniger bauerten bie ©treitigfeiten fort unb mürben befonberS heftig, als ber £'imig im 3at)re 1770 einen oon bem Parlamente ju Lennes gegen ben früheren ©ouoemeur ber ^Bretagne, ben $erjog oon Sliguitton, angeftr engten ^riminalprojeß caffirt unb ben .frerjog bei einem neuen, am 7. Stejember abgehaltenen lit de justice, bei toelchem baS par= lament Oon Paris einen fcharfen SßcrtoeiS erhielt, feinen ©ifc unter ben PairS hatte nehmen laffen.

©rmuthigt burch ben föücffjalt, ben baS Parlament bei bem allgemeinen £mffe gegen bie $ubarro unb ber Un^nfricbenheit über ben auf bem $8olfe laftenben Slbgabenbrucf in ber öffentlichen 3ttei=

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ftranfreid) unter fiubroig XV.

nung fanb, fchritt baSfelbe, nach roieberholten oergeblichen SBor* fteßungen gegen ein neues ©teuerebift, ju bem gemohnlidj oon ihm gebrauchten Sftittel beS SöiberftanbeS, ber (Sinftellung aller gericht- lichen ^anblungen. 35iefe entfd^iebene Söiberfefcüdjfeit beS Parla- ments führte ben ©tur$ ©hoifeulS herbei. S)er $ünig entließ ihn am 24. 3)ejcmber 1770 mit allen Seichen ber Ungnabe, in- bem er ihm Söefer>I erteilte, fidj innerhalb öierunbjmanjig ©tun* ben nach feinem ßanbfifc (5t)anteIoup ju begeben, mo er fortan $u bleiben habe.

Xa bie zahlreichen Gegner beS £ofeS nicht oerfäumten in 9ftaffe nach bem £>otel beS geftürjten SJcinifterS $u eilen, um bie* fem ihre $hetfnahme ju bezeigen, erhielt feine SBerabfduebung baS Slnfehen eined XriumpheS. $ieS bemog ben ®ömg ober bielmehr feinen Jfanjlcr Sftaupeou, mit um fo größerer ©ntfdnebenheit gegen baS in feiner SBiberfefclichfeit oerharrenbe Parlament öorjugehen. 3n ber 9cadjt jum 20. Januar 1771 mürben ÜftuSfetiere in bie SBohnungen ber ParlamentSräthe gefchieft, um benfclben ben ©efet)I beS Königs $um Söieberbeginn i^rer gerichtlichen Arbeiten ju über* bringen unb oon ihnen eine beftimmte Slnttuort barüber ju öerlangen, ob fie bemfelben 3olge leiften mürben. 3m erften ©djrecfen erflär- ten ftch 5lHe bereit; am anbern Xage nahmen fie jebodj nach einer gemeinfamen öerathung ihre bejahenbe Antwort jurücf. 3n ber folgenbeu Stacht mürbe ihnen burch GcrichtSbiener ein SBefdjlufj beS Staatsrates bef)änbigt, ber fie ifjrer Slcmter entfette unb nach *>er= fchiebenen entlegenen Drtcn üernneS.

Ohne föücfficht auf ben SBibcrfpruct) ber Prinzen oon Geblüt unb mehrerer PairS mürbe baS Parlament oon Paris für aufge= hoben erftärt unb an feiner ©teile ein neuer Gerichtshof unter bem tarnen beS „großen SRatheS" grand conseil gebilbet. $aS Gleiche gefdjah bezüglich ber Parlamente in ben Probien, an beren ©teile fogenannte „DbergerichtShöfe'' cours supörieures traten. Sur feierlichen Söeftätigung ber neuen Drbnung ber 2)inge hielt ber ®önig am 11. Slpril 1771 abermals ein lit de justice, in melchem er an bie Sßerfammelten eine Siebe richtete, bie mit beu Söorten fchlofe: „3$ oerbiete euch jebe ©erathfchlagung, bie meinen 2BiüenSmctnungen entgegen ift, unb alle ÖorfteHungen $u fünften meines gemefenen Parlaments; benu ich werbe niemals eine Slenberung treffen."

Sa ber ©taatSgcmalt auSrcichenbe ütfilitärrräfte *u Gebote ftanben, um jeber ihrer Slnorbnungen 9cachbrucf ju ocrlcijjen, unb fie in ben geheimen #erhaftSbefef)len, ben fogenannten Lettres de cachet, ein leichtes Littel hatte, fich ohne jebe föechtsform aller mißliebigen Perfoncn burch °eren Ueberfüfjruug in bie Werfer ber SaftiHe $u entlebtgen, fam eS ju feinem ernften SBerfuche beS SBiber*

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SubmigS XV. lefcte ftegierungSjeit.

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ftanbeS; bic oerbannten Üftttgtieber beS Parlaments beeiden fict) öiel= mef)r, nac^bem bie opponirenben Prinzen unb <ßairS burdj (bunftbe* jeigungen unb ÖJelbfpenben aufrieben gefteüt worben waren, fid) burdj ooflftänbige Unterwerfung bie (Srlaubniß jur 9tütffef)r unb (£nU fdjäbigung für tr)rc oedorenen Remter ju erfaufen.

*8on ber Dppofition ber Parlamente befreit, übcrKeg fidt> ber Äönig mit ber 3)ubarrn. unb ityrem Slnfjang ofjne jebwebe ©djeu ber fdjranfenlofeften S8erftf)Wenbung. $ie bittet baju fonnten nur burd) eine ftete Steigerung ber Abgaben befdjafft werben, unb ber ginanjmintfter Verrat) trug fein SBebenfen, baju in ber getoiffen- (ofeften SBeife bie £anb ju bieten. $>ie Qitftn ber ©taatöfdjulb würben ljerabgefefct, oon ben ginanjpädjtern ©trafgelber erpreßt unb bie brüdenbften ©teuerebifte erlaffen. 2US einft eine $epu* tation ber ©eiftttdjfeit bem Sftinifter bie offenbare Ungeredjtigfeit eines foldjen (SbiftS barftcUtc, erwiberte er mit ber größten ÖJelaffen* ljeit: „Slber wer fagt benn, baß baS (Sbift geregt fein fofl? SBoju wäre itf) benn ba?"

SBäfjrenb Xerratt, ber $er§og oon Sliguiflon als 9JMnifter beS Auswärtigen, ber ^anjler Sftaupeou unb bie ShtbarrU, bie ben ^önig ooflftänbig wiQenloS gemacht Jjatten, nur auf ifjre eigene Vereiterung bebaut waren unb fidj Sftiflionen um Millionen an* eigneten, fjerrfdjte im ganzen ßanbe eine fo furdjtbare fRott), baß in ben $iftriften ßamardje unb fiimoufin allein an öiertaufenb 9Eften= fdjen bem junger erlagen. Xabei ftieg bie ©dfulbenlaft $u einer fdjredenerregenben $>öfje. 25er ®önig fefbft geigte fid) gegen baS (SIenb beS SBolfeS ebenfo gleidjgtftig, als gegen beffen mad)fenbe Unjufrieben^eit. @r fonnte fuf> jmar nidjt Oermten, baß fein Xfyron auf einem untergrabenen SBoben ftanb ; allein er pflegte, wenn S3e- forgniffe barüber in feiner Umgebung laut würben, mit apatf)ifd)er Sfhifje ju fagen: „$>te 2Ronard&ie Wirb wofjt galten, fo lange wir (eben. Apr&s nous le däluge."

3m 2ftai 1774 erfranfte ßubwig XV. an ben $inberb(attem, bie bei feinem öollftänbig jerrütteten Körper balb einen töbtlidjen (£f>arafter annahmen. @r felbft a^nte anfangs feine (SJefaljr, unb feine Umgebungen fudjten ifym biefclbe fo lange als mögüd) ju Oer* ljeimlirf)en. siUS enbliaj ein treuer $ammerbiener if)m bie Augen über feinen Suftanb öffnete, ließ er ber ©ubarrto ben $8efel)l jugefjen, fid) auf tf)re ©üter ju begeben, weil er, wie er fagte, nidjt wollte, baß bie Auftritte Oon 2ftefo fict) Wteberfyolten. ©ie zögerte nia^t, biefem Söefefyle nadjjufommen, um für ben faum ju bejwcifelnben gatt beS XobeS SubwigS fid) felbft unb bie bem ©taate geraubten Sftillionen üor bem |>affe beS 5ÖolfeS in ©i<f)ert)eit ju bringen.

Söä^renb bie Gtefafyr ber 5lnftecfung bie meiften Höflinge oon beS Königs Säger öer)djeud)te, gelten feine brei fo fefjr oon i^m

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ftranfreicfj unter Suörotg XV

uernachläffigten Xödjter in ber aufopferobften Siebe bei ifjm auä. (Seinem 53eic^toatcr , ber it)n mit ber größten (Sntjduebenfjeit ju ber ernftlichften SReue ermahnte, geftanb er bie Wngft, mit melier er im #tnblicf auf fein lafterhafteS Seben ber ©migfeit entgegen* ging. Huf bie SSerftdjerung aufrichtiger Sfteue mürben ihm bie ©terbefaframente gefpenbet. ©ein (Snbe mar fchrecflich; benn mäh= renb it)n ÖJemiffenäbiffe unb Xobeäfurcht oerjehrten, mußte er noch lebenb feinen Körper in gäulniß übergehen fehen. SRach furd)t= baren Seiben ftarb er am 10. 2ttai 1774, im TOer üon jmeiunb* fedföig Sauren.

©leich nach bem Xobe SubmigS XV. berließ ber #of Ser* faifleS, um bem $u (S()oifu meilenbcn Dauphin als Submig XVI. $u hulbtgen; nur einige Liener blieben bei ber Seiche be$ ®önig3, bie fein Wrjt einjubalfamiren fich entfc^Iießen fonnte. Än eine anftänbige SBeftattung berfelben backte SRiemanb. *8on mer^ig öardes du Corp8 unb einigen $agen mit gacfetn begleitet unb gefolgt öon ben tauten SBermünfchungcn be£ 93olfe3, mürbe ber ©arg in einer gemüfjnlidjen Qagbfutfdje , auä mefcher er ju beiben (Seiten heröorragtc, in t^Hem Xrabe nach ber ®önig3gruft ju ©t. SemS gefahren. $aS ganje Sanb att)mete erleichtert auf, unb ber Seiname be3 „(Srfehnten" le dfoinS , mit meinem ber neue ®önig bei feinem Regierungsantritt begrüßt mürbe, befunbete bie froren Hoffnungen, bie man auf ben jmanjigjährigen ernften unb befcheibenen £>errfcher fefcte. Wber e3 mar ein trofttofeS (£rbe, baä Submig XV. feinem (Snfet r)intcrlaffen hatte. $er ©taatahauähalt befanb ft$ im 3«ftanbe ooflftänbigfter Scrrüttung ; ba3 Sßotf feufjte unter ber Saft unerschwinglicher Abgaben; sMerbau, ÖJemerbe unb £>anbel lagen gänjlich bamieber ; Qrreligiüfttät unb ©ittenlofigfeit hatten namentlich unter ben höheren ©tänben in fchrecfenerregcnber SBeife um fich gegriffen unb alle ©runblagen ber firchHchen unb bürgerlichen Drbnung untergraben; bie oon ben ÜJtachthabern felbft mit Süßen getretenen ©efejje genoffen feiner Haftung mehr, unb ber burch Submig XV. entehrte Xjjron mar tief erfchüttert. Sub* mig XVI. mar ooß be3 beften 2SilIen3, biefen unheilöoUen Suftän* ben ein (£nbc gu machen; aber $u ber gänzlichen Erneuerung bed tief gefunfenen ©taatöroefend , burch tuelctje allein bie Monarchie hätte gerettet merben fünuen, fehlte ihm oielfach bie nötfnge @in= ficht unb Sfraft.

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3)ic franjöfifcfje Sitcratur im ad^nten Safjrfjunbert. 479

XXVII.

Pie frttttjöpf^e ^itexatux im a^t^nien gaWuubett.

Unter ber Regierung ßubnrigS XIV. fyattt bie franjöfifche ^ßocfic il)re reidtften Stützen entfaltet; mit bem beginne beä acht* ahnten Qahrlmnbertä fanf fte mehr unb mehr oon ihrer glänjen* ben Jpöt)c herab, unb menn bie SJidjter jener Qtit noch immer ju ben franjöfifchen Älaffifern gejagt merben, fo hat biefer 9*ame für fte nur infofern Berechtigung , als er ben ®egenfafc 31t ber neuen „romanttjdjen richtiger mobern en Schule" bezeichnet, bie in Sranfretcf) roäfjrenb be3 ®aiferretch3 vorbereitet unb mäljrenb ber föeftauration hauptfächüch burdj Victor £ugo jur allgemeinen £>errfdjaft gebraut mürbe; flaffifd) im magren Sinne bei SBorteS, b. h- muftergiltig , waren bie Schöpfungen ber fran* jöfifchen $ichtfunft im achtsehnten 3a$r$tsnbertf mit jefjr geringen 2luänahmen, in feiner Söeife.

2)er heroorragenbfte unter ben franjöfifcfjen Richtern be3 acht* aefmten 3ahrfmnbert3 , ber eigentliche föepräfentant ber gefammten ®eifte3richtung f einer Seit ift 33 o 1 1 a i r e, oon roeldjem Bretten *) ein öortrefflicheS (Sharafterbilb entmorfen hat, baä un$ ben gefeierten s3^itofopt>cn unb dichter in feiner ganzen Srbärmlichfeit erfennen lögt, gran<joi3 2ttarie 2lrouet bieä mar ber eigentliche 9ßame be3 $ichter$, ben er au$ unbefannten ÖJrünben , nach ber ^h^up* tung feiner Gegner megen beä ominöfen ÖHeichflangä mit ^Trouer ($u räbern), gegen ben tarnen Voltaire üertaufchte, mar am 21. Sßoöember 1694 $u $ariä ald ber Sofm eine* SportelfaffirerS an ber föechnungäfammer geboren unb erhielt feine (Srjiehung in bem Kollegium £oui3 Se (Sranb, ba3 öon gefutten geleitet mürbe, beren Unterrichtämethobe er fpäter, trofc jeineä töbtlichen Jpaffeä gegen ben Drben, gerechte toerfennung joüte. Wad/bem er fta) fchon in biefer Slnftalt, ju beren begabteften Schülern er gehörte, mit ®lücf in ber Sichtfunft öerfucht, fchrieb er im tffter oon ftc£>= aehn Sohren fein erfte* Xrauerfpiel „DebipuS" , in welchem er bie erjehütternbe Einfachheit beä griechifchen Urbilbeä bura) ben glänjeri- ben ttad einer conoentionellen ©leganj unter #in$ufügung einer übel angebrachten fiiebeäintrigue $u erfefcen fudjte. gür ba$ gehlfchlagen feiner Hoffnung, bura) bieje Xragöbie ben öon ber s2lfabemie au3= gefegten ^ßrei$ $u erlangen, rächte er fidj burch beifjenbe Epigramme. Um feinen hierüber roie über feinen anftöfjigen ßebenSroanbel heftig erzürnten SBater $u oerföhnen, rotbmete er fia), nach beffen SBunfch, bem Stubium ber ftechtannffenfehaft ; boch gab er baSfelbe aläbalb toieber auf, um auöjdjlie&lich ber ftichtfunft $u leben.

1) »oltaire, (Sin Charafteritlb. Biburg. 2. ftufl. 1886.

480

$ie franjöiifcfje Literatur im nd>tsef)nten Sahrfnmbcrt.

Wad) bem Xobe SubmigS XIV. würbe ber junge Arouet megen einer ©atire, bie er auf benfelben gebietet, als befangener in bie SaftiHe gebracht, mo er nabeju ein toofleS 3ahr blieb. #ier entwarf er ben <ßlan ju feiner „£enriabe\ einem £>elbengebidjt in jetm ©efängen jur Verherrlichung £einrtch3 IV., unb fdjrieb baoon bie beiben erften ©efänge. Waty feiner (Sntlaffung aus ber Söaftittc gelang e3 ihm, feinen DebipuS auf bie S3ühne ju bringen, ber fünf unbmerjigmar nach einauber mit ungeheurem ©etfafl gegeben mürbe, tiefer Xriumph, ber ihn jum gelben be3 $age§ machte, föt)ntc feinen Vater DoUftänbig mit ihm aus. Voltaire mar in feinem (demente: fein ßhrgeij mie feine ©itelfeit fan= ben reiche Vefriebigung, unb jugleich eröffnete fid? ihm bie Ausfielt auf ein glänjenbeS Sortfornmen in ber SSelt, auf SRcidjtljum unb Einfluß.

Snbcffen braute ben dichter im 3af>re 1726 ein (Streit mit bem mächtigen ^erjog oon SRohan, bem er für eine fdjmere Velei* bigung eine £erau£forberung jugefanbt r)attcr jum anbern 2ftalc in bie Vaftifle, au« melier er $mar nach für jer 3cit mieber entlaffen mürbe, aber mit ber SSeifung , in ba3 Auälanb au geben. (£r begab fich naa^ (Srnglanb, mo er brei Qa^re blieb. 55er Aufenthalt in biefem Sanbe mar entfeheibenb für feine ganje ®eifte3richtung unb bem ent- fprechenb für feine ganje Sufunft. Söar er fchon in ^ßartö feit fct= nem Eintritt in bie SBelt burch ben Umgang mit ungläubigen unb fittenlofen jungen ©betteuten feinem cbriftlidjen (Stauben entfrembet roorben, fo mürbe er in Öonbon burch ben Verfehr mit ben eng* üfchen greibenfem jum ooflenbeten Reiften, gortan fannte er feine anbere ^5r)Uofopt)ie, al£ ben ©enfualiämuS, unb feine anbere Sttoral, al$ ba$ roohlberftanbene eigene Sntereffe. 3m Saufe ber Seit mürbe feine 3rrcligiöfität jum leibenfchaftlicbften 9^c(igion^r)ag. £>ie Religion mar für ihn nichts Anbere$ mehr, als Aberglauben unb ganatiS- mu3; mo fie r)errfct)te , mar „brücfenbe Ö5ciftc^fflat>crci*'# unb nur Vöfemicf)ter ober $ummföpfe fonnten fie noch gegen ben „Sicht* glan$" ber gefunben Vernunft oertheibigen.

9cad) einem bretjährigeu Aufenthalt in Sonbon , mo er feine injmifdjen üoHenbcte Jpenriabe im $)rucf erfreuten lief} unb im Ver* fe(Jr mit ben h^röorragenbften Scbrtftftcllern, felbft al$ dichter hoch- gefeiert, fich fomoljl mit ber mifienfchaftlichen aU ber befletrifrifchen Literatur önglanbS oertraut machte, burfte er nach Sranfreidj jurücf= fetyren. £ier mar er oor Allem barauf bebadjt, feine in (Snglanb ein= gefogenen religionäfeinblichen 3beeu bem franjöfifchen Volfe zugäng- lich bn machen. $u biefem (£nbe fchrieb er feine „p^ilofop^ifc^en ©riefe", bie jeboch megen ber barin enthaltenen offenen Angriffe auf baö (£hriftentl)um unb bie fran$üfifchen ©taatSeinrichtungen im 3ahrc 1734 in 3olge eine* $arlament3befchluffe3 burch £>enfer$hßnb bw> brannt mürben. Valb barauf erfaßten feine fchamlofe ^arobie Ja Pucelle (TOrleans*, bie fchmachooUfte Verfilmung ber ebelften ®&

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$te fronaöfti^c Siteratur im ad^ntcn 3af)rf)unbert.

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ftalt in ber franjöfifdjen ©efdjicf)te, ber Sungfrou oon Orleans, bie in biefem oerabfd)euungSmürbigen 2ftadjmerf in ber empörenbfteu SBetfe fjerabgemürbigt mirb. (5S ift ein trauriges Seidjen ber fitt= liefen SÖerfommentyeit in ber I)öf)eren franjöfifdjen (Sefctlfdjaft , baß biefeS fdjmufcbelabene (Sebidjt, baS juerft in jafjlreidjen VIbfärtften oerbreitet mürbe, bei gürften unb Sßrinjeffittnen reiben SBeifatt fanb. 3nbeffen mar ber Mnftoß, ben baSfelbe in maßgebenben Greifen er- regte, fo groß, baß SBottatre fidj oon einem neuen $aftbefe!j( bebrofjt fa§. Um berufenen ju entgegen, entflog er nadj ber Kampagne, mo er brei 3af)re bei feiner ©eüebten, ber oon if)rem Spanne getrennt leben* ben Üftarquife oon ©Ijatelet, feiner „göttlid^en ©milie", jubradjte unb oerfd)iebene pfulofopfufdje SSerfe, fomie mehrere feiner Xragöbien fdjrieb.

9ßadj $aris jurüdgefefyrt, erlangte Voltaire burd) bie Vermittlung ber Sftarqnife oon ^ßompabour, beren ©unft er burd) niebrige ©djmeidje* leien gemonnen, bie Iängft erftrebte Slufnafjme in bie Stfabemie, fomie feine Ernennung jum $ammertjerrn unb ^iftortograpr)cn oon granf* reid). $er im 3afyre 1749 eingetretene Xob ber 2ftarquife oon (£fjate- let, fomie oerfdjiebene 9Jttßf)eHig?eitcn mit bem £ofe bemogen Um im 3a£)re 1750, ber bringenben ©inlabung griebria)S II. jur Ueberfieb* lung nad) ©anSfouci gofge ju teiften, unb mir §abeu oben (©.410 ff.) gefefjen, meldje 9toÜe er bort jpielte. 9ßad)bem er fidj mit feinem föniglidjen Verehrer entjroeit unb beffen £of oertaffen ^atte, fiebette er, nadj einem furjen $(ufentfjalt in oerfdjiebenen ©täbten granfreidjS, nad) ber ©d>raeij über, mo er fid) bei bem $)orfe 5 e r n c o , unmeit @enf, ein pradjtoolleS ©d)loß erbaute. £>ier oerlebte er, mit einem 3afjreSeinfommen &on einmal^unbertoierjigtaufenb SiüreS, inmitten eines fürftlidjen ^ßrunfeS feine legten jmanjtg jjafjre, in regem brief- liebem Sßerfefjr mit oielen bebeutenben ^rfönlidjfeiten, inSbefonbere mit griebrtd) II. unb ber (Starbt ®atf)artna IL, bie Üjm ir)rc 5öer= efjrung burd) bie lieber fenbung ifjreS reidj mit brillanten befefcten SBUbniffeS unb eines f oftbaren $e^eS befunbete. ©eine fdjriftfiellerifdje $£)ätigfeit mar, trofc feines fyofjen SltterS, eine ganj ungemöfmlidje. (£r fdjrieb roedjfelsmeife Xragöbien, Romane unb j>fjiIofopJ)ifdje SBerfe. S)abei mudjS fein #aß gegen baS (£fjriftentf)um oon 3afjr §u %a1)T. Söic et fdjon früher, nad) feiner eigenen ©rjä^tung, bem ^olijeilieutenant grault in 9ßariS auf beffen Söemerfung, baß eS üjm trofc feiner Slnftrengungen nid)t gelingen merbe, baS (£f)riftentf)um ju jerftbren, bie furje Hntmort gegeben: „2)aS met- ben mir fefjen!" unb bei einer anberen (Gelegenheit ertlärt ^atte: W@S ärgere if)n, beftänbig frören ju muffen, baß $mölf Männer ^ingerei^t gärten , um baS (Sfjriftentfmm 5U grünben ; er ^offe , ju bemeifen , baß nur ein einziger nöt^ig fei , um eS ju jerftören,4' fo förieb er am 25. gebruar 1768 an b'Süembert: w3a) fdjtieße aöe meine ©riefe mit ben SBorten: Ecrasez rinfAme!"

feolatoart^, SBeliflefWe. VL 31

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482 ${C franäöftjcf)e fiiteratur im adjtaefmten Sa^unbcrt.

eine onbcrc ^Bezeichnung fyattt er für baS Ghrtftenthum ittc^t mehr „9Jteiu Abfdjeu üor bcmfelben ift größer bemt je." Schon unterm 3. 2Rai 1767 hatte er an griebrich II. geschrieben: „@in mutiger unb meifer Surft , ber ©elb , Xruppcn unb ©efefce hat, bebarf, um ju regieren, ber Religion nicht, bie nur $um betrüge Qcfcr)affcn ift. $)ie unferige ift bte a&furDefte unb blutbürftigfte, bte je bie SSklt ücrgiftet fjat. Sure 2ftajeftät roerben ba^er bem menschlichen ©efchlccht einen eroigen $)ienft erroeifen, roenn Sie bie- fen infamen Aberglauben oernichten." $3i£ $u melier roahnfinntgen SButb, fein £>a§ gegen ba$ S^riftent^nm {ich gefteigert, jeigt ber in einem feiner ©riefe ausgekrochene SBunfch: „auf einem £>au* fen frommer4 $u fterben, bie ju feinen güßen niebergemefcelt roorben."

3m Sa^re 1778 begab ftch ber „Patriarch oon gernel)," nrie feine ißere^rer ihn nannten, trofe fetner üierunbacht$ig Qahre , mit= ten im SSintcr nach ^SariS, um ber Aufführung feiner neuen Xra= göbien „3rcnc" un^ »AgathofleS" beijuroo^nen ; aber roäfnrenb er hier im Ucbermaß ber £>ulbigungen fduuclgte, bie U)m öon allen Seiten bargebracht rourben, trat ber $ob an ihn heran. $ie Auf- regung unb bie ungewohnten Anftrengungen, ju benen feine SiteTfeit u)n antrieb , Ratten feine ®raft erfchöpft : er ftarb ju $ariS , nach furjem #ranfenlager, am 30. Wlai 1778. $a ber Pfarrer oon St. Sulpice ihm ein firdjltcheS ©egräbniß öerroeigerte, lieg feine gamilie ben £eicf)nam ^eimlid^ in bem breißig SfteUen oon $ariS entfernten SDorfe Sellt&reS beifefcen, roo fein 9leffe QJeiftlidjer mar. 9kch bem Aufbruch ber franjöftfc^cn SRebolution mürben feine ©ebeine roieber aus gegraben unb unter großem ©epränge in ber in ein Sßantfjeon üerroanbelten SHrdje oon St. Sulpice beigefefct.

Unter S3oltaire'S bictjterifchen SSerfen finb in erfter ßinie feine Xragöbien ju erroälmen, auf meiere er unter allen feinen Arbeiten ben metften gleiß oerroanbte, roeil bie bramatifche föunft nicht nur in grantreid) baS ^öc^fte Anfehen genoß, fonbern bie franjofifchen Iragobien auch im AuSlanbe als unübertreffliche 2Jcufterroerfe gak ten unb er bafjer auf biefem (Gebiete ben pc^ften 9tuf)m ju er* ringen t)offcn burfte. £atte bisher baS franjöfifche $rama feinen Stoff meift ber alten ®efdud}te entlehnt, fo braute Voltaire in feinen Xragöbien, nach oem Vorgänge ShafeSpeare^ ben er übrigens burd)auS nicht öerftanb unb in feiner einfeitigen SBoretm genommenheit einen „plumpen ©auern" nannte aud) ©eftalten auS ber neuem ©efdndjte auf bie Sülme. S)abei backte er jeboch nicht baran, bie Schranfen 5U burchbrechen , in roelche bie Siegel Oon ben brei (Einheiten bie franjöfifdje Xragöbie eingeengt hatte, unb ba baS $)rama fortfuhr, £ofbelufiigung ju jein, fo blieb auch *n ^°^s taire'S Stücfen bie (Ettquette baS höchfte ßunftgefe^. Aüe feine

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$ie frcmzöfifcfje Sttcratur im acfyiefjnten Safjrfmnbert.

483

Xragöbien finb Xenbenzftücfe , unb fotoo^I bcg^olb als aud) wegen feiner fentenzenreichen ©pract)e, wegen ber Seibenfchaftlichfeit ber Siebe unb wegen feiner $unft , ju jpannen , ^at man U)n nicht ganz mit Unrecht ben (Suripibefc ber franjöfif^en Xragöbie ge= nannt. 2Bie er fchon in feinem „Cebipuä" bei ben Rieben, bie er ben ^eibnifc^en *ßrieftern öcrfcftt , .bie fatholifche ©eiftüdjfeit im 2luge fyattz , fo tönt ber £a& gegen baä S^riftent^um auch an* aßen feinen fpäteren Xragöbien tyxaitä , obgleich er in zweien ber* felbeh gerabe auä ber ct)rifttic^en Religion bie größten (Schönheiten 50g. ©einen „Sftahomeb," in welchem er ben religiöfen gana* ti3mu$ geigelt , fyaxtc fogar bie Kühnheit , bem $apft $ene* bift XIV. zu bebiciren , inbem er ihm fdjrieb : „<$x wibme bem "ijßapft , afö bem Raupte ber wahren Religion , eine ©djrift gegen ben ©tifter einer falfdjen unb barbarifchen." $)aj3 biefe SBorte nur Heuchelei waren, beweifen zahlreiche ©teilen au3 SSoltaire'3 gleichzeitigen Sßrtüatbriefen. ©eine Xragöbien „SBrutuS" unb „ber Xob ©äfarä" finb, trofc einzelner ©chönheiten in ber ©haratter* fdjilberung, falt unb leblos wie 2lbbifon3 „(lato,44 mit welchem fie Mieles gemein liaben. Ungleich tjöl^cr ftcben al$ Äunftfchöpfungen „Wläfyomtb," „SOterope," „©^miramiS," „Xancreb" unb „Qäixt," fein befiel ©tücf. Slber bei allem ^lanje ber Xsiftion laffen fßoU taire'd Xragöbien falt, weil ben beflamatorifchen Xiraben , ben auf (Sffeft berechneten Herfen bie innere SBahrheit fehlt unb feine (£ha- raftere nicht ber 28trflichfeit entfprechen , fonbern eben nur Söol* taire'jche ^r)antafiegebilbe finb. JBoltaire'3 iiuftfpiele , Opern unb geftfpiele, bie faft ade für ben ,£>of gebichtet würben, finb burdjau* unbebeutenb.

Xic gleiche SRuljmfucht, bie ben Dichter bewog, fein glänjenbed Xalent öorjugS weife auf bem (Gebiete ber Xragöbie ju oerwerthen, trieb ihn an, fich auch un ®P°3 iu öerfuchen, weil, wie er fagte, granfreich noch folc^ed befifce ; allein feine „§enriabe," burch welche er nach feinen eigenen SBorten unfterblich" zu werben hoffte unb öon welcher Sriebrich II. fagte: „ein einziger ©ebanfe berfel- ben wiege bie ganze QUabt auf," ift trofc be$ ©lanzefc ber$arftel* lung, ber SBollenbung be3 93er$bau$ unb öieler fchönen Sentenzen, eine falte Dichtung ohne allen epifchen ©eift.

S3oltaire'£ Romane unb Grzäljlungcn, burch welche er gleich- falls feine „philofophifchen" Slnfchauungen zu öerbreiten fuchte, Zeichnen fich, au*e feine SBerfe, burch c^ncn leichten, gefälligen Stil unb eine feffelnbe $arfteHung aus unb fprubeln meift Don 2Bi(j unb £aune, gemifcht mit beiftenbem ©pott; üiele berfelben öerlefcen jeboch burch ihren 3nhalt ben Slnftanb unb bie gute ©itte.

2llä Politiker dichter feierte Soltaire , bejonberS in feinen

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484 $ie fransöftfdie fiiteratur im acf)t$ef>nten ^aljrfnmbert.

jüngeren Safjren, bie 3been bon 3reiljeit unb ©leidfteit , mtfyx je= bod) , um ber Seitftrömung ju hulbigen unb aus $a& gegen baS Parlament, als aus Abneigung gegen ben §of unb bie höhere ©e= fetlfdjaft, in beren Streifen er ftd) toolu* füllte, tuet! er ft$ in ben* felben betuunbert unb gefeiert fal?, unb nid)t mit Unrecht ffat if>n beftyalb bie föeoolution als i^ren Vorläufer gepriefen. ©r felbft fal> biefe flteüolution öorauS. „sMeS, toaS id) ring* um mid) fcr)cr" fd)rieb er fdjon im 3af)re 1764, „nrirft ben $eim ju einer 9teoo= lution, bie unfehlbar eintreten nrirb, oon ber id) jebodj nidjt tnef)r baS Vergnügen fjaben toerbe, 3eugc ju fein. $aS Sidjt t)at fic^ fo fetyr ausgebreitet , ba& man bei ber erften Gelegenheit losbrechen nrirb, unb bann nrirb es einen $>öHentärm geben. ©lüa*lid& bie jungen teilte ; fie toerben fd)öne $>inge fe^en!"

£ie ©efdn'aitsmerfe Voltaire'« feffeln burd) eine getoanbte, an- fd)aultd)e unb getftreidje $arftellung unb burd) eine gütte intereffan* ter Details, burd) roeldje biefelben ju lebensvollen Vübern werben ; eS fefjlt benfelben jebodj jebe tjiftorifcftc Xreue ; benn Voltaire fdjrieb ofme alle ftritif unb mad)te ftdj fein ©croiffen barauS, bie %f)at)atyn feinen ©runbfäfcen ober feinen Striefen anjupaffen. ©eine „®efdjidjte $arlS XII., " mit melier er fidj fdjon mabrenb feines Aufenthalts in Gnglanb als f)iftorifdjer ©djriftfteller einführte, ift ein 3Reiftertt>erf feffclnber $)arfteHung. Qn feiner „©cfdjidjte beS QafjrfjunbertS Sub* nrigS XIV./ 6ei toeldjer er bie oorfyanbcnen Duetten mit größerem Jleiße benu&t fjat, als in irgenb einer anbern feiner fuftorifdjen Arbeiten, beleud)tet er in einer $et£)e glänjenb ausgearbeiteter ©d)il- berungen bie Regierung bicfeS Königs nadj allen SRidjtungen f)in, jebodj mit fo entfdnebener Voreingenommenheit, ba& er beffen Sp- alter als baS „glorreidjfte ber Söeltgcf du* djte" bejeia^net. ©eine ganj im 3n*creffe SRuilanbS unb mit ber Llnterftüfcung ber ruffifdjen 9&e= gierung gef abrieben e „®efdnd)te Meters beS ®ro§en" ift, gleidj bem „2lbri& ber Dtegterung fiubnrigS XV.," ein ©etoebe lügnerifdjer ©djmcidjelcien fteUte er bod) bei ber Abfaffung berfelben ben ©runbfafo auf , ba§ man bie ©d)roädjen ber {jürften nia^t fo feljr unter bie ßeute bringen burfe unb bafj eS 2>inge gebe, roeldje bie ©efd)id)te oerbergen muffe. s$fl\t feinem „Verfudje über bie ©itten unb ben ©eift ber Nationen," bttxat Voltaire bie Vafjn ber ptylo* fopfnfdjen ÖJefdndjte; feine ^^°f°P^cf °ie überall nur bie Ober* flädje ber $>tnge berührt aus 5urd)t, in ber Xiefe unliebfame SBa^r* Reiten ju finben, beftanb jeboa^ audj tytx nur in ber SBefämofung unb ^erabmürbigung aller a^rifttia^en $(nfa^auungen.

s2lu&er Voltaire fyai bie bramatifdje ^oefie im aa^tjehnten 3a^rl)unbert in granfreid) nur n?enige nennenSioerthen ^Bearbeiter aufjunjeifen. 5)ie Xrauerfpiele d r e b i 1 1 o n ' S (geb. 1674 , geft. 1762), ber (Somettte unb Racine nad>$uafmten fudjte, baS SBefen

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3>ie fran$öftfd)e fiiteratur im a^tjc^ntcn 3af)rljunbert. 485

ber Eragöbie jebodj nur in bic Earfteflung bcS ©rä&üdjen unb ©djrecfenerregenben fejjte, tjaben baS adjt$cf)nte 3a(jr!junbert nidjt überlebt. 2lud) baS ßuftfpiel fonnte fid) nid)t nueber ju ber &öf>e ber Vollenbung ergeben, ju melier eS burdj SMtere emporgehoben luorben. 2US Suftfpiclbidjter oerbienen nur ©rroälmung MlerjS <ßiron (geb. 1689 , geft. 1773), 3ean Söapttfte ©reffet (geb. 1707, geft. 1777) unb ber originelle (£aron be $8eaumarcf)at3 (geb. 1732, geft. 1799), ber aus feinen fcon SBi(j unb bei&enbem ©potte fprubelnben Äomöbien eine politifdje SBaffe machte , inbem er in feiner Xritogie: „ber ©arbter oon ©etritta," „bie ^>ocr)jcit be* gigaro" unb „bie ftrafbare Butter" ben Slbel perfiflirte unb für ben burd) bie Geftalt gigaro'S repräfentirten „brüten Staub" in bie ©cfjranfen trat.

2Iuf bem Gebiete bcS SRomanS unb ber <£r$äljtung ift junädjft ber 2lbb(5 öart^I^mu (geb. 1715, geft. 1795), als «erfaffer ber „Reifen beS jungen s2lnad)arfiS in Griedjenlanb," 51t nennen, eines SBerfeS, baS unter ber S$orm beS SRomanS eine gütle öon (Meljrfamfeit entnricfelt. (SlairS be glorian (geb. 1758, geft. 1794) fudjt in feinem „9htma *ßompüiuS" ein Gegenftütf $u36n<5* lonS „ielemadj" aufstellen , ofme jebodj fein Vorbilb audj nur annäfjernb ju erreichen. Gelungener finb fein „Gonfaloo be (£or* boöa" unb fein „2Bilf)elm %tü ," ganj befonberS aber fein „Xon Cluifote/ eine freie Uebcrfefcung beS fpanifcfjen UrbilbeS. £aS Sefte jebodj, baS glorian gefdjrieben unb baS ifjm ben meiften 9tuf)m ein- getragen, finb feine gabeln. 2HS Verfaffer moralifajer (5rjäf)lungen toerbient aud) gran^oiS be SKarmontel (geb. 1728, geft. 1799) (£rtoäfmung, ber in feinem „$8eltfar" gleichfalls g^n&onS Xelemad) nachzuahmen fud)t, ofme babei glüeflicher ju fein, als Slorian. Un* gleich bebeutenber als bie (benannten ift SBernarbin be © t. ^ßierre (geb. 1737, geft. 1814), ber fdjon ju ben Vorläufern ber romantifd)en ©djule gehört, ©ein £>aupto)erf, „$aul et Sßirginie," eine tnunberltebliche, burch (Einfachheit unb ßebenbigfeit ber $5arftel* lung, nne burd) 3ar*^e^ uno Einmuth ber (££)araftere ausgezeichnete ib^flifc^e SRoücÖc , fanb einen folgen Seif all , bafi fie über üierhwu bert Auflagen erlebte.

2llS fyrifche dichter öerbienen (Srnjd^nung: 3ean-$Baptifte SRouffeau (geb. 1670, geft. 1741), beffen Dbcn ficr) jebodj nur burch einen getuanbten Versbau auszeichnen unb ber wegen feiner bei§enben ©atiren für immer aus granfreidj oernnefen mürbe (f. ©. 321); ber lothringer Saurent Gilbert (geb. 1751), ein äufcerft ialentootter dichter , ber im Hilter öon neununb^njan^ig Qafyren bem (Slenb erlag unb im SBatmfinn ftarb, unb Stnbre (5 genier (geb. 1762), ber in ber franjöfifdjen 6c^recfenS5eit auf bem Vlutgerüfte enbete (1794).

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$te frcm$öftföe fittcratur im achtzehnten 3ahrt)unbcrt

9luf bcm Gebiete ber bibaftifdjen unb befchreibenben SHdjtung, bercn Ucbermuchern am bcutlic^ften ben SScrfoß ber ^oefie in granf* reich fennjeichnet, ermarben fidj befonbcrcn SRubm Qcan Racine (geb. 1692, geft. 1763), ber @ofjn be« berühmten Xragöbienbitf* ter«, beffen heröorragenbfte« ßehrgebicht , „bie Religion," bie Setjre non ber Sünbe unb ber (Smabe, Dorn Xafein ®otte« unb ber Un* fterblichfett jum ©egenftanb hat; partes graneoi« be @t. Sam = bert (geb. 1716, geft. 1803), ber burd) feine nad) bem SSorbUbe Slmntfon« geblatteten „3ahre«aeiten" bie befchreibenbe ^oepe in granfreid) einführte; 3ean Wntoine SR ou eher (geb. 1745), ber im Qahre 1794 mit Slnbre* ©linier Eingerichtet mürbe, unb ganj be* fonber« Qacque« $ elille (geb. 1738, geft. 1813), ber megen feiner forreften ©prache, feinet fließenben $8er«bau« unb feiner 9Jceifterfdjaft in ^aturfdnlbernngen trofc be« geringen poetifchen behalt« feiner Dichtungen ^oa) gefeiert unb ben gepriefenften tern be« Sllterthum« glcict)gcftcllt mürbe.

Unter ben fran^öfifc^en ^rofaifern be« achtzehnten 3ahrfmn= bert« ^aben, neben Voltaire, in«befonbere bie © ncöf lo p äbtften bie SJtftarbeiter an einem äußerft umfangreichen Sonöerfationl* Ierjfon, ba« unter bem Xitel : „EncyclopeMie ou dictionnaire rai- sonne* des sciences, des arts et des mdtiers/ ba« gefammte menfdjlidje SBiffen com Stanbpuufte ber neuen $f)ifofopl)ie au* erfdjöpfenb unb in allgemein faßlicher SSeife barfteüen follte ba« <5>ift be« Unglauben« au«geftreut. $ie einflußreichften unter benfelbcn maren Eiberot, b'Sttembcrt unb ber SBaron Solbad).

$eni« $)iberot (geb. 1712, geft. 1784), ber ©rünber ber „Crncnflopabte,'' hatte fchon früher in feinen „Pensfos philosophi- ques," bie er ben berühmten Pensfos <ßa«cal« entgegenstellte , bie SBunber al« SBcmcife für bie 2Baf)rheit ber chriftlichen Religion an* gegriffen unb ben 2ltf)et«mu« für beffer erflärt, al« ben 2lbcrglau= ben. 9codj feinbfeliger trat er gegen ba« ©hnftenthum in feinem im 3af)re 1749 oeröffentlichten „<5enbfd)reiben eine« Olmben junt 9hi$en ber ©chenben" auf, in meinem ber (Glaube al« Sölinbtjeit unb bie boti il)m unb feinen Srcunbcn öerfünbete neue <ßf)ilofophie al« Sehen bargefteüt mirb. Dtcfc« Senbfchrctbcn brachte ihn al« (befangenen in ben Xr)urm öon $incenne« ; feine §aft, bie übrigen« eine fehr milbe mar, fdntdjtcrtc ihn jeboch fo menig ein, baß er gleich nat$ feiner greilaffung fid) in feiner „Interpretation de la natureu offen jum 5lthei«mu« befannte. $)ie SOiateric erflärte er in btefem SSerfe für emig, oon feinem ©otte erfchaffen noch erhalten, ben freien SBiüen be« 9J?enfct)en für ein leere« ©ort unb bie per* fönliche Unfterblichfeit für einen iraum. Obgleich Xiberot« Angriffe hauptfächlich gegen ba« dhriftentfjum gerichtet mareu, uerfchonte er mit feinem $>affc auch oa^ ftönigtlmm nicht; fprach er boch einft

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Sic fronüWWe Siterahtr im achteten Safchunbcrt.

bcit SBunfcfj au« : „mit ben ®ebarmen beS Ickten ^riefterS ben Ickten ®tfnig erbroffett flu feben!"

$er erfte SBanb ber (£nct)fIopäbie, gtt roetcher 35iberot im 3<tf>re 1750 ben $Ian entworfen, erfchten im %crt)Tt 1751 unb erregte ungeheueres 9luffeben. C?S mürbe aroar anfangt gegen biefeS SSerf, befTeit Xenbenj Mar am Xage tag, Don Seiten beS ^Parlaments ein* gefchritten ; ba jeboefj ber $>er$og oon GTboifeuI baS Unternehmen begünftigte, nahm eS einen ungefjtnberten Sortgang, $m Raffte 1766 mar baS ganje SBerf öoflenbet. ©S jäfift smetunb^man^tg Soliobäube unb mar in oiertaufenbfünfbunbert (Jjemptaren gebrueft morben; biefelben maren jebod) fo rafd) Vergriffen, baß atSbalb ju einer jmeiten 9Iuf(age gefd&ritten roerben mußte. $ie legten @yem- plare mürben ^u etntaufenbacbtbunbert SiöreS üerfauft.

S5?ie Voltaire, fo fanb auch $)iberot, ber ftch oergeBenS um bie Aufnahme in bie Srfabemtc Bemühte, eine ©önnerin unb SBerebrerin in ber ®aiferin Katharina IT., bie ifjm, um fetner (Mbnottj ab ju- Betfen, feine 93tBIiotbef für fünfftebntaufenb ftrancS aBfaufte, unter ber SBebingung, baß er biefetBe für fie fiBerroacfje unb bafür als ihr SBiBfiotheFar einen 3abrgebatt oon taufenb SioreS anneBme, melden ©ehalt fie ihm auf fünfzig ^abre t>orauSBe$af)len ließ, (üruter fdjmei- djetbaften ©intabung ber ^arin folgenb , reifte er im Jfahre 1773 nach Petersburg, mo er mit großen (Ehrenbezeigungen empfangen unb öon ber (£jarin reich Befchenft mürbe, Natürlich ermangelte er nicht, Bei feiner SRütffefjr nach $ariS baS ©üb feiner ©önnerin mit ben fdöönften Farben auszumalen.

3ean b'SHembert (geb. 1717, geft. 1783), einer ber Bc= beutenbften ajeatbemattfer feiner Seit unb febon feit feinem m'er= unb^man^igften SebenSjabre TOtgfteb ber Sttabemie , mar Withe* grünber ber (£nct)ttopäbie , für meldte er eine metfterbaft ftififtrte (SMeitung fdjrieb. SRubiger, nüchterner unb politifefier als ber teibenfdjaftliche $>iberot, fud)te er beffen ungefrümen G£ifer für bie Söefämpfung ber ebriftndjen Jfbeen ju mäßigen , um oott ber (SncotTopäbie ben (Schein beS ooflenbeten Unglaubens fem ju hat- ten, ©eine $btf°fopbte mar ber ©enfuattSmuS , ber *roar nicht, mie ber 2J?aterialiSmuS, baS $>afein Rottes unb bie ©uBftan^ialität ber ©eele, b. b- ihre ©jriftenj afS felbftftänbigeS, ben Körper über* bauernbeS 3Sefen, leugnet, aber alle SSorfteHungen aus finnfteben dinbrütfen herleitet unb baher nothroenbtg jum Materialismus fübs reu muß.

$aul griebrtcb 33aron öon .ftolbacb (geB. 1723 in bem jefct jum dJroßher^ogthum 93aben gehörigen pfätjifcben ©täbtd&en fteibers* heim, geft. 1789 p $ariS) mar fchon als mnb nach $ariS gefom- men, mo fein SBater, ein ^mporfömmltng, ftch ein bebeutenbeS $er= mögen ermarb, oon meinem ber junge Golbach ju fünften ber

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488 3)ie franjöfifdje Sitcratur im ad^nten ga^r^unbert

„^ß^ilofop^cn" einen berfdjroenberifdjen ©ebraudj machte. $a er in feinem £oteI $u $ariS ober auf feinem Sdjloffe ©ranbbal, ben S3er= fammlungSorten ber greibenfer unb ©djöngeifter, zweimal tbödjent* Iidj für biefelben offene Xafel hielt, rourbe er ber „Maitre d'hotel de la Philosophie*4 genannt. @r felbft fdjrieb unter bem ^feubo- ntjm Sftirabaub baS „Systeme de la nature,44 ein boflftänbigeS Sehrbuch beS 2ltheiSmuS, in meinem ber troftlofefte unb jugleidj abfurbefte ÜftaterialiSmuS geprebigt unb alles ©ro&e, (Sble unb Sßahre mit bem graffeften ©uniSmuS in ben Staub gebogen wirb. XaS 93uch erregte baS größte 2luffet)en. bieten graute bor bem Qn^alt, unb fogar Voltaire war beftürjt. (Sowohl er als grieb- ridj II. fugten baS Söerf $u wtberlegen; allein fie bermod)ten e3 nicr)t ; benn ber SBerfaffer beS „©bftemS" ^atte nur ihre eigenen ®runbfäfce bis in bie äufierften (Sonfequen$en burdjgeführt.

Um ben ©rgebniffen ber neuen Sßf)Uofopt)ie bie weitefte S8er* breitung ju ftdjern unb fie inSbefonbere auch bem großen Raufen munbgerecht $u machen, fdjrieb Golbach einen furjen 2luS$ug feinet „StyftemS" unter bem Xitel „Le bon sens44 ber gefunbe SJten* fdjcnberfianb , bon Welchem b'Sllembert meinte, „man muffe Um nod) mefjr jufammenjie^en, bamit er nur fünf SouS fofte unb aud) ben ©ebienten unb Köchinnen jugänglicf) werbe."

Unter ben Schriftftellern , bie , ohne 2JKtarbeiter ber ©ncbtfo* päbie ju fein, bodj ganj im ©eifte ber (SncüHopabiften fdjrieben, ift befonberS (Haube Slbrien £elbetiuS (geb. 1715, geft. 1771), ein reicher ©eneralpädjter unb ©utsherr, ju erwähnen, ber in feu nem *Bucf)e „de r Esprit,44 §u meinem er bie 3been au« feinen Unterhaltungen mit ben $u feinem Xifdje gelabenen ^^ilofop^en geköpft hatte, als ber Slpoftel beS gröbften üflaterialiSmuS auf* trat. SRad) $elbetiuS unterfct)cibet fid) ber üflenfdj bor bem Xlnere nur burdj eine größere SBolIfommenheit feiner förperlidjen Drgane unb l)at bei jetnen $>anblungen feine anberen Xriebfebern, als baS eigene 3ntereffe, bie Siebe jum ÖJenufj unb bie gurcht bor bem Unbehagen , bor (Entbehrung unb ©a^merj. gür £>elbetuiS ift bie Xugenb nichts SlnbereS, als ber wohlberftanbenc (SgoiSmuS, unb Safter nur, was eigenen Schaben bringt. Xrofc ber (5rbärmltcr)fctt feines QnljalteS erlebte baS SBudj fünfjig Auflagen unb würbe in bie meiften Sprachen ©uropa'S überfejt ein trauriges 3cuÖn$ für ben <&eift ber Seit.

SBäfjrcnb JBoltaire unb feine ©epnnungSgenoffen it)re Singriffe me^r gegen baS ßf)riftcnthum als gegen bie Staatsgemalt rieh* teten , tyclt fid) 3can 3acqueS & o u f f e a u für berufen , bie 2lyt an bie Söurjcl ber ftaatlidjen unb gefeüfchaftlichen Skrhältuiffe SU legen, ©eboren $u ©enf am 18. 3uli 1712 als ber Sot)n

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S)ie franjöfifche ßttcratur im achtzehnten 3af)rf>imbert. 489

eine« getieften, aber wenig bemittelten Uhrmacher«, r)atte Stouffcau fchon al« $nabe mit Söegeifterung ^lutarch« £eben«befchreibungen gelefen, unb tüte biefe Seftüte U)m eine entfduebene Vorliebe für rc^ublifanifcr)c ©taat«einrichtungen eingeflößt , fo Imtte fie in Ujm auch jenen unbeugfamen Ütepublifanerfinn entwufelt , ber neben einem au«gefprochenen #ang zur Sentimentalität unb 9*atur* fchwärmerei einen ^auptjug feine« ßharafter« bilbete. $a fein Skter nicht in ber Sage mar , ihn ftubieren ju laffen , würbe er Gehilfe ehteS ©tabtfehreiber« ; biefe SBefchäfrigung fagte ihm jeboch fo wenig ju, baß fein SBater fich entflog, ü>n ju einem ßupfer-- ftec^er in bie Seljre ju geben. ®och auch ^icr mar feine« Ölet* ben« nicht ; er lieg ftd) $u jugenblichen Unbefonnenheiten hinreißen, unb bie gurcht üor ber ©träfe beroog ihn jur gludjt nacb ©a* ooöen. $ier empfahl ihn ein menfehenfreunblicher ^riefter einer frommen (£onöertitin , ber ju Annecö lebenben grau öon SBaren«, unb biefe oerfah ilm mit bem nötigen Gelbe jur SBeiterreife nach Xurin, wo er in einer üttiffion«anftalt $ur fatyoftföen $ird)e über* trat, ohne jeboch bei biefem ©chritt buret) eigene Ueberjeugung ge* leitet 5U fein. 9tach mancherlei Abenteuern unb Skrirrungen fct)rte er ju feiner Gönnerin jurücf, bei welcher er währenb eine« mehr* jährigen Aufenthaltes Gelegenheit hatte, nicht nur feine ©tubien mit Erfolg fort^ufefen, fonbem auch fcin mufifaltfche« Talent au«; äubilben.

3m 3ahre 1742 fam föouffeau nach $ari«, Wo ihn ber fram äöfifche Gefanbte in SBcnebig al« ©efretär in feinen $)ienft nahm, ©ein ungebänbigter greil)eit«fiun fonnte fich jeboch in biefe ab= hängige Stellung nicht finben, unb fo fetjrte er nach s,ßari« jurücf, um bort feine fchrifrftetierifche Xhätigfcit ju beginnen, ©er trau= rige gefeflfehaftliche unb politifa)e 3"ftonb granfreich« unb in«be= fonbere ber fehlere 3)rucf, ber auf bem iöolfe laftete, fteigerte feine Abneigung gegen bie monarchifche SRegierung«form unb erfüllte ihn mit |>aß gegen bie reicheren unb r)öt>eren ©täube, bie inmitten be« öffentlichen @lenb« im Üeberfluß fchtoelgten , unb ba er fah , baß fie al« Gönner unb 93eftt)ü6er ber fünfte unb SSiffenfchaften au« biefen felbft nur eine neue SBürje ihrer üppigen gefeüfchaftlichen greuben jogen, erfd)icn it)m bie gefammte Gcifte«bilbung al« eine CueHe be« Unglücf« unb ber ©ittenoerberbniß. 33on biefen Ge= fühlen bewegt , fchrieb er , al« Antwort auf bie oon ber Afabemie 3U 5)ijon gefteüte $rei«frage : „Db bie SBieberhcrfteUung ber fünfte unb SBiffenfchaften (im fünfzehnten unb fedj^etjiiten Qahrhunbert) jur Sßerbefferung ber ©itten beigetragen habe?", eine Abhanblung, in welcher er, ber fjerrfchenben Anficht entgegen, bie fünfte unb SBiffenfdjaften al« bie Urfachen alle« menfchlichen S3erberben« bar^ ftcllte. ^kht«beftoweniger gewann er ben ^rci« burch ben tauften*

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490 $ie franaöftfdie Literatur im achtzehnten So^imkrt.

ben ©lanj feiner ©erebtfamfett unb burch bie Neuheit ber oon ihm entmitfelten Anfichten.

©alb barauf jog fid) föouffeau burch bie Veröffentlichung feinet „©riefet über bie franjöftfdje SÄufi!", morin er bie geiftlofe ixodtn- heit unb falfdt)e (Melehrfamfeit bcrfelben tabelte, bie Ungunft ber ^Sarifer in fo hohem ©rabe ju, ba§ er fid> genötigt fat)r bie franjöfifche .§auptftabt ju oerlaffen. @r begab fid) nach ©enf, n>o er, um ba£ burch feinen Uebertritt jur fatbolifchen Äircbe t>er= mtrfte ©ürgerrecht roieber geroinnen, öffentlich unb feierlich *ur reformirten Kirche aurüdfehrte. (Sin Streit mit ©oltaire, beffen theatralische Aufführungen in Semen ihm jumiber maren unb ber feinerfeita ihm nicht Derlen fonnte, baß er in einem ©riefe an b'Alembert bie Abschaffung be£ $beater3 für eine 9cothroenbig* feit erflärt ^atte, verbitterte ihm jebod) ben Aufenthalt in feiner ©aterftabt fo fehr, baß er ihr *um anbern SRale ben dürfen manbte, um fich nach (sSbambcrt) ju begeben, mobin bie greunbin feiner Qugenb, grau öon SBarenä, übergefiebelt mar. $>ier fd)rieb er, gleichfalls in ©eantmortung einer öon ber Afabemie ju Xijon ge* ftcüten Preisfrage, feine „Abbanblung über bie llrfachcn unb ben Urfprung ber Ungleichheit unter ben Httenfchen", morin er bie ©e^ hauptung aufftellte, baß bie gefeüfchaftlicbe ©erbinbung unb bie barau» hervorgegangene ©iüilifation, inbem fie ba3 ©igenthumSrecht ge* fchaffen unb jur ©infefcung oon Cbrigfeiten geführt, bie Sftenfchen uuglütflich unb ju ©erbrechern gemacht, unb baß Xugcnb, gretheit unb ©lütf nur unter ben SSilben 311 ftnben feien. Cbgleid) er in biefer (Schrift bie GJrunböerhältniffe ber bürgerlichen ÖJefeöfchaft an= griff, mürbe ihm auch bieämal ber $rei3 juerfannt.

$a fich tnjmifchcn bie Stimmung ber $arifer mieber günftiger für ihn geftaltet fjattc, fehlte er nach granfreich jurütf, nahm je= boch feinen Aufenthalt nicht in ber £>auptftabt, fonbern in einem fianblmufe ju Üftontmorench, ber fogenannten „(Sinfiebelei", mo er, auger feinem Oielgelefenen, mit ungewöhnlicher ©prachgetuanbtbeit unb glühenber ^t)aittafte in ©riefform getriebenen, aber bie Sittlich* feit fefnoer öerlefcenben Romane, ber „neuen $c!oife\ beffen glänjenbe Aufnahme in ber öornehmeu SSclt ©oltairc'ä ©iferfudtt" in hohem ®rabe erregte, feine beiben einflußrcichftcu SBerfe, feinen „Contrat social44 (©efeüfchaftÄoertrag), unb feinen „Smil, ober über bie ©r= jichung", öerfaßte.

3n feinem „Contrat social", ber im 3af)re 1762 erfduen unb mit ben Söorten beginnt: „£er SJcenfch ift frei, unb überall liegt er in Ueffeln, " fteüt SRouffeau, nad) bem Vorgänge ber englifcheu ©taatöpfulofophen #obbe3, Algernon ©ibnen unb ßode, baä ge= fammte ©taatätoefen als auf einem ©ertrage berufjenb bar, burch roeldjeu bie SÖcenfdjen im 9tatur5uftanbc (Jinigen au« ihrer Stritte

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3Mc frait$i5flfd)e ßtteratur im adjtjebnten galjrljimbert. 491

jur $anbf)abung bcr bürgerlichen Drbnung bie obrigfeitlidje ©e~ Walt übertrogen hätten, unb jieht barauS ben ©chluß, bog ber ©efammtwille beS *8olfeS, Welcher bie Dbrtgfeiten mit ber $luS= Übung ber ©ewalt um beS gemeinen 9tufcenS willen betraut habe, fortwähreub ber (SKgenthümer btefer (Gewalt unb folglich ber eigent* liehe Dberherr fei, bem bie ©errfdjaft unter allen Umftänben öer- bleibe, unb baß fomit bem SBotfe baS Recht juftehe, bie mit ber SBoflftrecfung feines SBittend beauftragten Regenten als feine Liener nach belieben ein* unb abjufefoen. Obgleich biefeS SBerf im $111* gemeinen wenig oerftanben mürbe unb Rouffeau felbft bie barin ausgekrochenen 9(nftcr)ten für praftifdj unberwerthbar erflärte, fanb es bei ber fjerrfchenben Stimmung unb wegen ber blenbenben £>ülle, mit roelc^er ber fttlgewanbte, für feine SBeltoerbefferungSibeen be~ geifterte SGerfaffer feine ebenfo irrigen als oerberblichen $lnfict)ten $u befleiben mußte , ungeheueren SBeifall unb bahnte ben SBeg ju ber gewaltfamen Umwälzung, bie fiebenunbjwanjig 3afjre fpäter $um Ausbruch fam.

Qn feinem gleichzeitig mit bem „Contrat social" tocröffcntUd^* ten „©mil", einem SBerfe, baS jroifchen Vornan unb fiefjrbuch bie Sftitte hält, ftetCt Rouffeau, ber feine eignen fünf Sinber ohne jebeS Seichen ber SBtebererfennung in baS SinbeltjauS fduefte, ©runbiäfce ber ©rjiehung auf, in benen SBat)r^eit unb Srrthum aufs SBunberlichfte gemifcht finb. Rouffeau'S burajweg reöolutio- tiare SrjiehungSlehre, bie jroar manchen belebenben unb befruch- tenben ©ebanfen enthält, aber bie ©efdjichte wie bie Erfahrung gänzlich öerfennt unb mißachtet, bejwecft bie £eranbilbung beS ÄinbeS 511 einem reinen „Raturmenfchen", für Welchen er in bem gelben feines $8uct)eS ein SDßufterbilb aufftettt, ohne babei ju be* benfen, baß fein (Smil in baS wirfliche ßeben gar nicht paßt. Sieben allen äußeren 3u<ht™üteln will er auS ber (srrjiehung auch ben Religionsunterricht oerbannt fehen, „ba ein ®inb, baS an ©ott glaube, notr)roenbig ein ©öfcenbiener fei." 2Bie ber S^gling aus* fdjließlich burch bie (Sntwicflung feiner Vernunft auf ben SSeg beS ©uten geführt werben foll, fo fofl er auch oon ©ott unb ben chriftlichen ®laubenSwahrt)etten erft bann StmaS erfahren, Wenn fein Serftanb bie nöthige Reife erlangt hat, um fich für ober wiber baS ©hriftentfmm ju entfeheiben unb im erfteren gaHe jwifchen ben beftehenben CSonfeffionen ju wählen. 83iS bahin foH in bem $inbe nur bie (£ntwicflung einer „^erjenSreligion" begünftigt, b. I). fein 6inn auf bie £errlichfeit ber Schöpfung gelenft werben, bamit eS in berfelben ©ott ahnen lerne.

Obgleich Rouffeau Sftitarbetter an ber @ncl)f(opäbie war, für welche er bie Slrtifcl über bie Sttufif lieferte, unb mit SHberot, b'&lembert unb £eluetiu3 in ben freunbfchaftlichften ^Beziehungen

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492 3)ie franaöfifdje Stterotur im ad^efinten 3(ü)rljunbert

ftanb, war er Weber 9ltt)eift nodj ein erflärter (Gegner be3 Triften* tt)um3; in feinem „©mil" fpridn" er fogar oon ber d)riftlid>en 9te= ligion unb it)rem göttlichen (Stifter mit einer 2lrt begeifterter 3Ser* eljrung: aber er beftreitet nid)t nur bie 9lotl)menbigfeit, fonbern fogar bie 9tföglta)feit trgenb weldjer Offenbarung unb fiefjt in ber 9catur bie einzige Duette ber ®otte3erfenntni&.

Sowohl ber „(Smil" als ber „Contrat social" mürben auf 93efet)l be3 Parlaments burdj §enfer3t)anb öerbrannt jur großen greube Voltaire'*, ber in einem «riefe ben Sorfatt mit bem foöt* tifdjen 3ufafc erjagt: „ba* fommt baoon, wenn man bie $f)ito* foppen unb bie ©djaufm'ele anbettt" , unb SRouffeau felbft entging ber ©efangenfdjaft nur bura) bie gludjt nad) ®enf. 2lber audj t)ier fanb er feine &ufnaf)me, ba fein „@mil" unter ber bortigen refor^ mirten (SJeiftlidjfeit bie gleiche ©ntrüftung fjeroorgerufen hatte, wie unter ber fatfjolifdjen in granfreid). (£r begab fidj nadj Sern, unb ba er aud> bort nid)t gebulbet würbe, nadj fteudjatel, wo er eine Zeitlang in einem $orfe unter bem ©d)ufce 3riebrid)3 II. lebte, bis it)n bie feinblidje Stimmung ber oon bem Pfarrer be3 DrtS gegen tfm aufgcreijten Säuern jur gludjt auf bie $eter3* infel im Sieler See bewog. 2lud) oon hier burd) bie Serner Regierung auägewiefen, folgte er einer ©inlabung £>ume'ä nad) (fttglanb, wo er oon ben greibenfern mit Segeifterung aufgenom* men würbe. Stber fein argmöl)mfd)e3 unb reijbareä ©emütt) Der* trug fidj nia)t lange mit bem falten (Reifte $>ume'ä, unb er Oer* lieg ©nglanb, beloben mit bem Sormurf ber Unbanfbarfeit. 3m Safjre 1766 nad) $ariä surüdgefctjrt, entzweite er fid) mef>r unb mehr mit Sitten, bie ihm nahe ftanben, unb festen nur bemüht, burd) ein auffattenbeS, einfieblerifche& Seben bie öffentliche Slufmerf* famfeit ju feffcln. $a er SRiemanben eine Serbinblichfeit fdjulbig fein wollte, lehnte er bie oon ÖJeorg III. bon (Snglanb ihm ange* botene Unterftüfcung ab unb begnügte fidt> mit bem, maS feine Söerfe it)m eintrugen unb waä er burd) 9cotenabfchreiben erwarb. Seine lefcte Arbeit war bie Sottenbung fetner „Sefenntniffe", in welken er mit groger Offenheit, jebodj nicht ofme burd)fd)immernbe Selbft* gefälligfett feinen ganjen Sebenälauf mit allen feinen Serirrungen fdulbert. Sottftänbig mit fich felbft unb mit ber SBelt jerfatten, ftarb er am 3. Quli 1778 ju (SrmenonOitte, wo ü)m ber SJcarquiS oon ÖJir arbin, einer feiner befonberen Sercfjrer, auf feinem Sanb= fifce ein Slful angeboten, eincö plö(jlichen Xobeä, nach (Jinigen an einem Schlagflufj, nach 2lnbern an ©ift, woburdj er freiwillig fei» nem Seben ein ©nbe gemacht.

2öic SRouffeau, fo fyattt aud) (£fjarle$ be Seconbat, Saron be la Sr&be unb be 9Jconte3quieu (geb. 1689, geft. 1755), in feinen beiben £auotmerfen: „lieber bie Urfadjcn ber ©röße unb

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$ie franaBfifdje Sitetatur im a^tjc^ntcn ^a^unbcrt.

beS Verfalls ber föömer", unb „©eift ber ©efefce\ burch toelcbc er bic ©taatSttuffenfchaft jur SieblingSbefchäftigung feines VolfeS erhob , bie allgemeine Aufmerffamfeit auf bie 9ttä'ngel ber $aat* liehen SBerfjältmffe granfreichS gelenft; boer) waren feine 93e* mühungen nicht auf bie Herbeiführung einer getoaltfamen Umioäl= jung, fonbern nur auf bie Anbahnung ber t»on ihm für notfyroen* big erachteten ftaatlichen Reformen gerietet, tuobei ihm bie eng- lifcfjc Verfaffung, bie er roährenb eines jroeijäljrigen Aufenthaltes in ßonbon jum (Segenftanbe eingef>enber ©tubien gemacht, als Vorbilb öorfchtoebte. Auch er mar als auSgefprodjener $eift ein Verächter beS GThriftentlmmS ; boct) nahm er feinen Anteil an ben offenen Angriffen auf baSfelbe, obgleich er in feinen geiftreierjen, mit grofjem VeifaH aufgenommenen „Lettres persanes", feinem erften SBerfe, morin er einen Werfer in granfreich reifen unb an feine greunbe in ber £eimath berieten läßt, nrie er ben £of unb baS 93oIfr bie $riefter unb bie (Mehrten unb baS Seben in ben ge- fettigen Greifen gefunben, mit ben (Srgfiffen feines ©potteS bie 9fte* Iigion ebenforoenig oerfchont, als bie gefettfcfjaftltdjen unb ftaatfierjen Verhältniffe feines ßanbeS.

3u ben fran$ öfifdjen greibenfern gehört auch ber berühmte Sßaturforfcher Qean ßouiS Seclerc, (Uraf oon Vuffon (geb. 1707, geft. 1788), beffen aus fecr)Sunbbrei&ig Vänben beftehenbe „Histoire naturelle, generale et particuliere" toegen ber unleugbaren Vor- züge ber $)arfteHung, ber lebhaften unb anfdjaulichen ©cr)ilberangen unb beS pittoreSfen ©tilS, allgemeine ©erounberung erregte unb in ben roeiteften Greifen ben ©tnn für bie 9taturnriffenfdjaften roecfter zugleich aber auch roegen ber bem SBerfe ju ©runbe liegenben anticr)riftücr)ett Anfdjauungen, nach melden ©ort nicht als ©cfjöpfer über ber 9tatur fteht, fonbern i n berfelben als fdjaffenbe ®raft aufgebt, biel jur Verbreitung ber f)errfd)enben religionSfeinblid^en Qbeen beigetragen f)at.

©egen alle biefe offenen unb oerfteeften geinbe t)attc bie djrifU liehe 2Bar)rr)eit feinen ©chufc. 3n bie Afabemien rourbe fein djrift* lieh gefinnter 2Jcann mehr jugelaffen : bie (ractjflopäbiften allein fa&en in benfelben ju (Bericht über äße (£rf Meinungen ber treffe; auc^ oer ©chulen Rotten fie fidj ooHftänbig bemächtigt. $>ie öffent- liche Sfteimtng unb burch fie bie äujjerft fchtoache Regierung ttmrbc ganj oon ber neuen „Aufflärang" beherrfcht. Vichts fruchteten mehr bie roarnenben ©timmen ber ^ßrebiger, bie gehaltoollften ©chriften ber fircr)Iict)cn Apologeten, bie an ben %i)xon gebrachten klagen unb Alarmrufe beS uerfammelten ÄleruS unb oieler anberer einfichtSooüer 9Jcanner. Alle ©chriften mit einigermaßen fatt)o= Ufchem Gepräge würben oon ben Gractjflopäbiften unterbrfieft, unb baS Verbrennen einzelner ftaatS* unb reügionSfeinblicher SBerfe burch

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494

Portugal unter $ombal$ Sknoaltung.

£enfer3f)anb ^attc feine ©cbeutung. $ie ©ottlofigfeit unb bie tfnardjie in ben ©eiftern machte fdjrecfenerregenbe Sortf^ritte; VL\u glaube unb Unftttlidjfeit mürben immer allgemeiner: %fki mar reif für eine furchtbare Ummaljung.

XXVIII.

^ortugaf unter ^famßafs ^crroaltung.

(1750—1770.)

Unter ben Königen au4 bem #aufe ©raganja, ba8, wie mir oben (53b. V. S. 651) gefefjen, mit Johann IV. ben portu= giefifd)en Xfyron beftiegen, hatte Portugal feine frühere ©ebeutfam* feit nicht nrieber erlangt, foubern mar mefjr unb mehr in ein ab- hängiges 33err)altnig ju (£nglanb gefommen.

3ohann3 IV. Sohn unb Nachfolger Alfons VI. r mährenb beffen SJcmberjährigfeit feine Butter £ouife ©ujman bie Siegte* rung führte, mar ein geiftig fdjmacher Surft, ber fid) fd)on früljc ben milbeften 2lu$fchroeifungen unb Seibenfchaften Eingab. Sftach- bem er im igaljre 1662 im Hilter oon neunzehn 3a^rcn f^ne SJcutter gejmungen, üjm bie Regierung &u übergeben, bie er burch ben trafen ßaftelmelhor führen ließ , mürbe er im 9cooember 1667 oon feinem älteren ©ruber $ebro gefangen genommen unb jur ©erjichtleiftung auf bie Regierung gezwungen , morauf ftdj N^ebro felbft oon ben jufammenberufenen <£orte3 alä Regent beftä* tigen lieg. $)er entthronte Äönig mürbe als Staatsgefangener auf eine ber $t$oren gebracht; nach einiger &tit gemattete man ihm jeboa) bie 9tücf fet)r nach Portugal unb mied ihm ein fleineS £anb« haus 5U Sintra , in ber 9cahe oon Siffabon, an, roo er im 3a^re 1683 ftarb. (Srft nach feinem Xobe nahm fein ©ruber ben ßo* nigStitel an.

Obgleich Spanien in bem Stieben oon ßiffabon (f. ©b. V. 8. 656) bie Unabfjängigfeit Portugals anerfannt ^atte , oermochtc e b r o II. nicht , bem oon ihm beSpotifch regierten {Reiche einen neuen ^luffa^mung $u geben; Portugal fam oielmehr unter ib,m immer mehr unter baä Schlepptau ber englischen Sßolitif. X)tc braftlianifchen ©efifcungen , meiere ben Sßortugiefen jum größten X^cilc oon ben Jpottänbern entriffen, unter 3ofjann IV. jeboch $u* Tücferobert morben maren, mürben $roar bis jum Sa $Iata-Strom erweitert, unb bie SJeiffionen ber Qefuiten brangen bis jum 9Äa- rannon oor; bagegen gingen jeboch bie portugicfifcr)cn ©efiftungen in Dftinbien bis auf ®oa an bie #oflänber Oerloren.

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Portugal unter tßombaW SScrwaltung. 495

<ßebro II. ftarb im Qahre 1706 mährenb beS fpanifdjen Crrb* folgefriegeS , an »eifern er feit bem 3af)re 1703 als HJfttglieb ber großen OTianj %f)til genommen (f. ®. 190), nnb ihm folgte fein ©of>n Qo^ann V. (1706 1750), unter meinem bie Regierung in bem gewohnten ©eletfe fortgeführt mürbe. $)eä ®önigä ©orge mar fmuptfachltch auf bie Ausführung öon Prachtbauten gerietet; auch tmffenfchaftliche Jöefrrebungen fanben bei bem £ofe Unter* ftüfcung; babei ging jebodj bie portugiefifd)e 8anb* unb ©eemadjt immer mehr ihrem Serfalle entgegen.

Johanns V. ©of)n unb Nachfolger, ber fchtoache unb mottüftige 3ofept) (Emmanuel I. (1750—1777), überließ bie Regierung gänzlich feinem HJcmifter 3ofe be Garualfjo, ben er fpäter jum Marquis oon *ßombal erhob, ^em nieberen $lbel angehörenb, liatte CSaroalho burch bfe £>eirath mit einer reichen unb oornehmen SBtttme ein bebeutenbeS Vermögen unb 3utrttt bei $ofe erlangt; boch ha*ten ihn bie ^rinberniffe , bie feiner ^peiratt) burch mehrere ber erften gamilien be3 Sanbefc in ben 2Beg gelegt morben , mit einem glühenben £>affe gegen ben gejammten höheren Slbel erfüllt. 5(13 <$efanbter in £onbon unb 28ien hatte cr ebenfomohl bie ^runb- jä|e ber neuen ©taatsmetöheit, bie in ber Sörberung be3 materiellen si8ohl3 oa* einzige $>eil ber ©taaten far), als auch bie ürchenfeinb- lichen ^tnfehauungen ber Stuf (lärer in fid) aufgenommen unb fudjte, nachbem bie @)unft beS $öntg8 ihn als aQgebietenben HJcinifter an bie ©pige ber Sermaltung gefteüt hotte, bie im ÄuSlanbe gewonnenen Anflehten mit bem fchroffften 2lbfoluti£mu8 in ber gänzlichen Um* geftaltung Portugals jur (Geltung ju bringen. Sur Hebung be* gefuntenen £>anbel$ führte er ba£ in ben meiften ©taaten (£uropa'3 beliebte Sßerbotö* unb 3l°ang3mefen ein , unterfagte , nrie griebrich Göllheim I. oon Greußen , bie ©enujjung auSlänbijcher gabrifate unb liefe , mie biefer , $)enen , bie auSlänbifcheä Xudj trugen , auf offener ©traße bie Kleiber Dom ßeibe reißen. Ilm ben Sieferbau $u beförbem , orbnete er bie SluSrobung ber 2Beinpflan$ungen in ber ^ßrooinj Sllemtejo an, an beren ©teile ÖJetreibefelber angelegt mürben. 2Bät)renb er auf biefe SBeife ben (Srtrag be& Sobenä be* beutenb oerminberte, richtete er zugleich bie SBeinbauer ju (SJrunbe, inbem er ben ge[ammten SBeinhanbel, nm bie Sortheile beäfelben ben (Sngtänbem ju entziehen, einer Kompagnie übertrug, bei roel* eher er felbft .bettjeiligt mar. $em Abel entriß er im 3af)re 1753 bura) "ne gemaltfame föebuftton ben größten ber auSge*

behnten SBefifcungen in Amerifa, welche betreiben in früheren 3ei= ten öon ber $rone $ugettjeilt morben, unb brachte babura) bie« fen ihm ohnehin roenig geneigten ©tanb nur umfo mehr gegen fich auf.

Neben ber görberung ber materiellen gntereffen be« SanbeS

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496 Portugal unter ^ombalä SBerroaltung.

lag bcm SRimfter bcfonberS bie Umgeftaltung beS UnterricfjtSroefenS nad) ben ©runbfäfcen bcr „Slufflärung" am $er$en. 3>ie Uni- oerfitat oon Soimbra erhielt eine neue ©tnridjtung unb ttmrbe burd) bic §crbcijie^ung mehrerer auSlänbifdjer Se&rer in eine ^flanj* ftättc beS SreimaurertlmmS ocrmanbelt; aua? würbe bie ©uerjer* cenfur bei ©eiftlidjfeit entzogen, $a ben Neuerungen beS 9JciniftcrS auf biefem ©ebiete befonberS bie 3efuiten im Söege ftanben, bie als $eid)toäter am $ofe unb als tet^cx ber ©öfme beS leeren SlbelS eines fjof)en 2lnfef)enS genoffen unb in Portugal, tüte in allen anberen Säubern, als bie eifrigften S8crtc)ctbigcr ber Qntereffen beS fatfmlifdjen ©laubenS auftraten, umreit fie ber befonbere ©egenftanb feinet £affeS. Um ifjren ©turj oorjubereiten, ber bei ifjm befdjloffcne ©adje mar, fudjte er if)r ^nfe^en bura) "ißampfjlete 5U untergraben unb üerfcfjmäfjte fein Littel ber SBerleumbung, um fie bei bem fd)hmdjen ®önig ju oerbäcfjtigen unb baburd) öom £ofe 51t üerbrängen. ©in 2lufftanb $u Cporto gegen bie jum auS-- fcfjlic&lidjen SBeinfmnbel berechtigte Kompagnie foflte oon ifmen an= gebettelt roovbcn fein; felbft baS furchtbare (Srbbeben, baS am 1. ftooember 1758 faft bie ganje ©tobt ßiffabon in einen Xrüm* nterlmufen oertoanbelte, unter mcfdjem an breifeigtaufenb ÜJcenfdjen iljr ©rab fanben, füllten fie als ein SDättel jur Slufreijung beS SSolfeS benufct fmben, inbem fie baSfelbe als ein ©trafgeridjt ©otteS für bie Sreoel ber Regierung InngcfteHt. 2lud) ber Oon ben Qefuiten in ^araguau gegrünbete Sftufterftaat (f. 93b. V. ©. 336), üon meinem ein grofjer Xljeil im 3a^rc 17 50 Dur($ einen m^ ©panien gefdjloffenen Vertrag an Portugal gefommen mar, mürbe oon $ombal als eine ^anbfmbe ju feinbltdjem SBorgcfjen gegen ben oon it)m fo fefyr gefaßten Orben benufot. 9cad)bem er bie ^abfudjt beS ®ö= nigS auf bie angeblich öon ben 3cfu^eu in ifyren 9Jebuctioncn an= gehäuften 9teid)tf)ümer unb bie in jenen ©egenben oermutfc)eten be- beuteuben ©olb= unb ©ilberminen gelenft fyatte, orbnetc er, um biefe legieren jum ißortfjcil beS ©taateS ausbeuten ju fönnen, bie 21uS* manberung aller bort roofjnenben Qnbianer an, unb als ftd) bie- fei ben biejer SJJca&regel miberfetjten, legte er ir)re Wuflefmung ben 3cfuiten $ur Saft. s2ludj bcfdntlbigtc er biefe, am 3Jcarannon ein grojjcS, bis jefct unbefannt gebliebenes ÜReid) gegrünbet ju f)aben, oon too auS fie ganj Sübamerifa ifjrer #errjc§aft ju unterwerfen bcabfidjtigten.

9cad)bcm es ^ombal burc^ alle biefe oerleumberifa^en Anflogen gelungen mar, ben .Honig $um (Srlag eines ^efe^lS 5U beftimmen, Oer alle Rennten aus bem föniglicb.en ^alafte oerbannte, erpreßte er burd) einen und] 9iom gefanbten lügnerifa^en Bericht, ber ben gönilia^en Verfall beS DrbcnS nactjmeijen follte, oon s^apft ^ene= Oift XIV. ein sBreüe, bura^ meines ber ganj unter bem föinflufc

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Portugal unter $ombal§ SScrtoaltung. 497

??ombafe ftehenbe ftarbinal ©albanha mit bcr SJifttQtion bcr portu* giefiföen Drben$haufer bcr 3efuiten betraut würbe. Dfme bie Wtt= geflagten nur gehört ju ha&en, erflärte ©albanha bicfelben für ftraf* bar unb ben Drbeu einer Serbefferung bebürftig unb erwirfte bon bem ^atriardjen bon ßiffabon bie ©u»penfton ber gefuiten bon bem Söctd^tftu^I unb bem ^rebigtamt, woburdj i!)r ©nflufj in Portugal gebrochen Würbe. 3u ihrer gänjlichen SBermchtung fanb ber TOnifter balb feinen erwünfehten SBortoanb.

83ei einer WuSfahrt, bie ber ®önig am 3. ©eptember 1758 $u nächtlicher ©tunbe machte, würbe auf feinen SSagen gefdjoffen unb ber SRonard) fetbft leicht berwunbet. Obgleich bie ©adr)e un= geheuere» Sluffeljen erregte, bestrichen mehrere Üflonate, efje eine Umerziehung barüber eingeleitet würbe. STber bie töaehe brütete im ©tiflen, um ihre Opfer um fo fixerer erreichen ju fönnen. 2lm 13. ^ejember Würben in ber Srütje be» Borgens fämmtliche ©tie* ber ber mit bem f?önig»haufe berwanbten unb bem 9Jctntfter befon» ber« berha&ten gamitie bon Sabora, fowie ber #erjog bon Slbeiro t)tx1)a\Ut unb bie Käufer ber ^efuiten befefct, unb am 7. Januar 1759 erflarte ein au» mettlichen unb geifttichen 3Jcttgliebern jufam* mcngefejter aufjerorbentficher ©ericht»hof, nach einem mit ber em* pörenbften gormloftgfeit unb Ungerechtigfeit geführten ^roseffe, bei welchem einzelnen STngeflagten burdj bie golter ©eftänbniffe erpreßt worben, ben #er$og bon Slbeiro, ben STcarqui» bon Xabora, fowie bie ©emafjKn, bie beiben ©ohne unb ben Sd)Wiegerfol)n be» ßefcteren für fchulbtg be» beabfichtigten #önig»morb», bie Sefuiten aber für bte Urheber be» SKorbanfchtag», unb berurt^eilte bie ©rfteren aU #ochberräther $um 2obe.

Obgleich biefe» Urteil bei ben meinen Slngetfagten nur auf Mögen Serbacht Inn erfolgt war unb fogar behauptet würbe, Sßom* hai felbft habe jene« näcr)tltcr)c Sittentat beranftatter, um fowohl bie angejehenften feiner Gegner au» bem hohen Slbel, al» auch bie 3efuiten in» Eerberben $u jtürjen , Würben fämmtliche SBerurtheit* toi am 13. Januar 1759 auf fchauertidje SBeife hingerietet. SCuf einem hohen, bor bem (Stoffe *u ©etem erbauten ©erüfte würbe juerjt bie SHarquife bon Xabora enthauptet; bann Würben ihre betbe ©ohne, tt)r ©djwiegerfohn unb brei ihrer £au»bebten* ten nach einanber auf ein eiferne» foeu* gelegt unb erbroffett unb hierauf i^re ©ebeine mit beulen aerfdjlagen, unb enbtich ber alte ^arqut* bon Xabora unb ber £ersog bon 2lbeiro tebenbig geräbert. 3>te Xorfjter be3 ßünig», bie nachmalige Königin SKaria Sfabelta, gerieth bei bem 3ammergefa)rei ber ihr fämmtlich genau befreun* öeten Unglücfhctjen, ba» bi» in bie Simmer be» fümgltcfjen ^alafte» brang, tn eine fo heftige ©emüth»6ewegungr bag fie fti niebt mebr bon ber erlittenen ©rfchfitterung erholen fonnte unb fpäter in SSahtu

^olatoart^, SScItgcf^. VI. 32

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498 Portugal unter $ombal3 Serroaltung.

finn üerficl. SRachbem julefct noch ber ßammerbiener beä $cr$og3 t>on Stoeiro, ber, in einem SBintel be$ ®erüfte* an einen <ßfat)l ge= bunben, ben Einrichtungen ^attc fcufehen muffen, an feinem Pfahle mitten auf ba3 beruft gefegt morben, mürbe baäfelbe mit allen hingerichteten Körpern unb ben gebrausten 2)cartermerrjeugen t>er* brannt unb bie 2lfdje in3 SReer geworfen. 5)ie Sßaläfte beä Jperaogä oon $loeiro unb ber gamilie tum Xaüora mürben niebergeriffen, ihre GJüter eingesogen , ihre tarnen auägelöfcht unb alle ©puren ityreä $afein3 tjertügt.

28on ben angesagten 3efu^en i 9*9?" lucld^e and) niclit bie leifefte ©pur eined ©emeifeS ber SJtitfdmlb fyattt betgebracht mer= ben fönnen, mürben brei, unter ilmen ber ameiunbfiebjigjätjrige, im Stufe ber #eiligfeit ftehenbe $ater SMagriba, burd) baS 3nqui= fitionägericfjt, meinem ^ombal in feinem ©ruber einen neuen 9&räfb benten gegeben ^atte, als Sefcer jum Xobe oerurtheilt unb am 20. ©eptember 1761 öffentlich Eingerichtet.

©erpn oorher, am 3. ©eptember 1759, mar ein kehret er- Iaffen morben , burch meines ber Drben ber ©ejeüfchaft Qefu in allen Sänbern ber portugiefifchen Ärone aufgehoben unb bie @in^ jiehung feiner fämmtlichen ©üter für ben ©taat öerfügt mürbe. s2lüe in Portugal anmefenben ©lieber beS DrbenS mürben, mit 2IuS= nähme ber (befangenen, ju ©chiffe gebracht unb an ber ßüfte be* ftirchenftaateS „als ein ©eferjenf für ben h^ttgen $etruS\ mie ^ßombal höhntfeh bemerfte, an* ßanb gefejjt. Von ben hunberroier* unbiman^ig (befangenen mürben fechäunbbrei&ig fpäter gleichfalls nach 3tali*n 9*brad)t ; fiebenunbbrei&ig ftarben hochbetagt im Äerfer ; bie übrigen erhielten nach bem ©turje ^ombals bie greitjeit jurücf.

Söte ^ombal fchon bei feinem Verfahren gegen bie Scfuiten ade SBorfteÜungen unb (Ermahnungen bes ^ßapfteS Siemens XIII. ooQftänbig unberüeffichtigt lieg , fo feinen er es auch 111 anberen Beziehungen förmlich barauf anzulegen , ihn ju tränten , um eine Skranlaffung ju finben, Portugal gänjlich bem (Sinflufe beä päpft* liehen ©tuhleS ju entreißen. SBon ber burch ocn TOinifter beran^ ftalteten Vermählung ber Snfantin SWaria Sfa&eua, ber @rbin beS portugiefifchen X\)xon&, mit ihrem betagten Oheim 3)on ^ebro er- hielt unter allen fremben ©efanbten ber päpftliche 9iuntiu$ allein leine 2ln$eige, unb als er in golge beffen an ber $ur geier berfelben ueranftalteten S^nmination teinen ^ntljctl nahm, erflärte ^ombal bieS für eine fehlere SBeleibigung beS portugiefifchen $>ofe* , lieg ben Nuntius unter militärifcher (EScorte an bie fpanifche ©renjc bringen unb hob bie Nuntiatur auf. vJiudj mürben mit bem portu giefifchen ©ejanbten in 'Horn alle bort lebenben $ortugiefen jurüd berufen , unb bie in Portugal lebenben Untertanen beS ^ßapfteS erhielten ©efehl , fofort baS fianb ju oerlaffen. <£rft unter (£le=

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Portugal unter ^om&al* 93erroaltung. 499

menä' XIII. 9iadjf olger, Siemen« XIV., würbe ber SBerfef)r jtt)t- fdjen Portugal unb bem römifdjen Stufjle mieber ^ergeftettt.

$a Combat in {einem (£ifer für bie inneren m Reformen" bie bewaffnete üftaajt öollftänbtg öernadjläffigt hatte, braute ber ftrieg, in Welmen ^ortugal im 3af)re 1762 al3 23unbeSgenoffe (Snglanb« mit granfreid) unb Spanien öerwicfelt mürbe (f. S. 460), ba8 Sanb in bie äu&erfte ©efahr, unb nur ber Umfidjt unb bem tyx- öorragenben 3elbherrntalent be3 trafen öon ßippe^ücfeburg f ben G£nglanb ben Sßortugtefen als güf)rer gefanbt, hatte e3 feine Rettung au* berfelben $u öerbanten. tiefer ftrteg gab bem ÜKinifter 93er* anlaffung, aud) bem fceermefen feine Sorge au$uwenben, woburd) baSfelbe unter ber SKitwirfung beS trafen öon ßippe-öuefeburg auf einen befferen 3u& gebracht mürbe.

^ombalä <Sa^re(fenÄ^err[a)aft enbete mit bem lobe be3 fdjma* djen, öon if>m geleiteten #önig&. 2)te ^nfantin 2Raria 3}abeUa, bie ihrem 93ater auf bem Xfjron folgte, begann ihre Regierung mit s4$ombal3 (Entlaffung unb ber Anorbnung einer föeöifton be3 $ro- jeffeS ber angeblichen ftönigSmörber. ftaajbem baä über biefclben gebrochene unb in fo grauenerregenber SBeife jur SMftredung ge* braute Urteil für ungerecht unb ungiltig erflärt , ba* Anbenfen ber beiben gamilien Aöeiro unb Xaöora ^ergefteflt unb bereu einge* 5ogene3 Vermögen ihren 93erwanbten jurüdgegeben worben mar, würbe ^ombal felbft wegen feiner Amtsführung jur töed)enfa)aft gebogen unb öon bem jur Unterfudmng berfelben eingefejten ®erid)t£bofe für fdjulbig befunben; bod> mürbe ihm bie „ejemplarifche Strafe", bie er nach bem Ausbruch ber dichter öerwtrft hatte, mit ttütfftcht auf fein hohe* Alter erlaffen. (Er blieb im ©efi&e feiner fteöenüen unb ftarb 1783, im Alter öon öierunbaa)t$ig 3a^ren.

Xrofc ber be£potifa)en SBiHfür unb #ärte, womit Sßombal über Portugal fa)altete bei feinem Sturje fanben ftd) in ben Werfern be* Sanbe* gegen jefmtaufenb StaatSöerbrecher mürbe er öon ben SBortführern ber Aufflärung unb ihren Anhängern, befonber* in granfreia), al* ein Sreunb ber 9flenjchf)eit gepriejen, unb er felbft mar öerblenbet genug, fid) in einer Schrift, in welker er naa) fei* nem Sturje feine Verwaltung ju öert^eibigen fudjte, bem berühm- ten Su£ty an bie Seite $u fteUen ; für Portugal jeboch fyat bie öon ihm auögeftreute Saat leine anberen Srüdjte getragen , als 93er» wirrung ber Anfielen unb ftttlia)e Auflösung.

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Spanien unter $ari III.

XXIX.

Spanien unter S t a r f III.

(1759-1788.)

#arl III., ber frühere ®önig oon Neapel, ber im 3o^rc 1759 feinem finberlofen , im SBafmftnn geftorbenen |>albbruber Serbinonb VI. auf bem fpanifdjen Xfjxont gefolgt mar, hatte fdjon in Neapel bie ÖJrunbfäfce ber StaatSmeiSheit beä Sarjrfmnberte in ftdj aufgenommen unb fucfjte bie benfelben entfpredjenben „Reformen" auch in Spanien einzuführen; bod) nmrbe babei ungleich meniger geroalttbätig ju SBerfe gegangen, al3 bieä in Portugal burdi Com- bat gcfrfiarj. 3)e8 ®önig3 näc^ftc Sorge mar Darauf gerietet, feine (Sinfünfte au§ ben fpanifcfjeu ©efifcungen in Omenta ju erhöhen; bie (Einrichtungen, bie $u biefem «ßmeefe in benfelben getroffen rour^ ben, ftie&en jeboef), bejonberS in Duito, auf einen fo bebenflidjen Sßtberftanb, ba& bie Regierung aus ©eforgniß oor bem gänzlichen Slbfatt biefer fiänber bie beabfichttgten Neuerungen aufgab.

3n Spanten felbft fafj man e3 mit Necht ungern, baß ber $öntg bie oberfte Seitung ber Staatsangelegenheiten einem NeapolU taner, bem 9Jcard)efe Squillace, einem Parteigänger ber jreU maurer, übertrug. £ie Abneigung ber ©panier gegen biefen $lu£= länber fteigerte fieh jum auSgefprodjenen $affe, als berfelbe im (£ifer bc£ NeformtrenS auch folche Serfügungen traf, bie tfjetU brücfenb unb läftig roaren, theils bie ©emohnheiten be$ SBolfeS oerlefoten, mie bie Uebertragung ber Sterforgung öon Sttabrib mit ben nothtoenbig* ften ficbenSbebürfniffen an eine Kompagnie , rooburch eine erhebliche Steigerung ber greife herbeigeführt nmrbe , unb ba$ Verbot beS Fragens langer Mäntel unb breitfrämpiger ^mte, toorin ber 9Jcrnifter eine Ötefährbung ber öffentlichen Sicherheit fah, toeil bie breiten Stümpen ba£ (SJeficht oerbeeften unb unter ben langen Banteln leicht SSaffen oerfteeft roerben fönnten.

Sil« am 23. SDiärj 1766 ein junger Sftenfch, ber im langen * Hantel unb mit niebergeftapptem .\>ut an bem föntglidtjen ^ßalafte öorüberging, oon ber SHadje feftgehalten mürbe, fam e$ ju einem SSolfSaufftanb, ber fo broheube Proportionen annahm, ba& ber ®ö* nig fid) ju förmlichen Unterhanblungen mit ben Slufrührern ge= jmungen faf). Nur buref) bie (Sntlaffung be£ SttarqitiS oon Squtl* lace unb burch bie 3liröcfna^me ber mifjliebtgften feiner Skrorb= nungen fonnte bie Nuhe hergeftellt merben,

(£ine Solge biefcS x2lufruhrd roar ber Sturz ber Qfefuitcn, bie $arl III. bis bal)tu gegen alle SInfetnbuugen in Sd)ufc genommen. S)er Nachfolger beä entlaffenen 3JlinifterS, ber ®raf oon Slranba,

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(Spanien unter ßart III

501

ein unoerföfmlicher ©egner beS DrbenS, ftcllte nämlich, im herein mit anbern Seinben ber Kirche , bem König bte 3efuiten als bie Sfnftifter beS STufruhrS bor unb bemog ir)n forootjC baburd), als buref) bie Süge öon einer groften , angeblich oon ihnen angeftif* teten, auf ben Umfturj beS X^roneS abjietenben ^erfärnörung, am 2. Sfpril 1767 ein GSbift $u unterzeichnen, burd) meldjeS ber Qefuitenorben auch in Spanien aufgehoben unb bie Verbannung ber 3cfuiten aus ben fpanifrfjen Territorien „auf einige Scttcu11, foroie bie Konfiskation aller ir)rer Öüter üerfügt mürbe. 9coct) e^e biefeS <£bift befannt gegeben mar , mürben bie Qefuiten $u nächtlicher ©tunbe in ihren Käufern überfallen unb ofme jebmebe SRücfficht auf Kranfhett ober ©ebredjlidjfeit an bie ©eefüfte gebracht, um in ben oerfdjicbenen £>äfen nach bem Kirchenftaate eingefchtfft ju mer* ben. Sitte 93orftettungen unb ^rotefte beS ^ßapfteö gegen btefcS Verfahren, beffen (Srünbe Karl III. „in feiner königlichen ©ruft unentbeeft zurückhalten ju motten" erftarte , blieben mirfungS* loS: ben 3efuiten mürbe bie fRü(ffet)r nach Spanien bei XobeS= ftrafe tierboten.

2ßie fein Vorgänger , fo fucfjte auch Slranba ©panien burdj bie (Einführung ber oon bem ßeitgeifte geforberten Neuerungen ^u Verjüngen; feine Reformen ließen jeboch in biefem Sanbe, mit 2luSnac)me einzelner , für ben ^Bergbau unb anbere Kultur^ aroeige eingeführten Verbefferungen unb ber SBefdjräufung ber ®e* richtsbarfeit ber Qnquifition, ebenfomenig bauernbe Spuren zurück, als bie feines GJefinnungSgenoffen ^ßombal in Portugal, $er burd) feine gemaltthätigen (Eingriffe in bte kirchlichen ^Öer^ältniffe er= regte linnritte ber ©panier führte im Qafjre 1773 feine (Entfernung ton bem SJcinifterium t)erbei, morauf er als ®efanbter nach s.ßariS ging.

Unter Slranba'S Verwaltung fefcte fich $)on $abto Dlaüibe, ber if)m als Mitarbeiter jur ©eite ftanb, burch bie Anlage beut* fcher unb fchnjeijerifcher Kolonien auf ber menfdjenleeren ©ierra 2ttorena ein bleibenbeS Denkmal, mobei er jeboch burch bie befon= bere Vcgünftigung ber ^roteftanten große Unzufriebenheit fytxvox* rief, ©ein offener VoltairianiSmuS braute ihn in Konflikt mit ber 3nquifition , bie it)n im 3af)re 1776 öerhaften lieg unb ifjn ju achtjähriger ©efangenfehaft öerurtfjeüte. 2ÜS ihm ber König im Qahre 1780 eine Steife nach Katalonien jum (Gebrauch ber bor= tigen ©aber geftattet t)atte f entfloh er nach Sranrreich. $urd) bie franjöfifche 9teooIution über bie Konfequenzen feiner religiöfen unb politischen ©runbfäjje betehrt, miberrief er Öffentlich feine früheren Stnfkhten unb erhielt in ftolge beffen im 3ahrr 1796 bie (Srtaub» ni& jur Rückkehr nach TOabrtb, mo er im Qahre 1803 ftarb.

Söäfjrenb Slranba feine Stetigkeit mehr ben inneren 2lnge*

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502 %ta\\tn in ber jweiten #älfte be« adjtjehnten Sahrfjunbert«.

legenheiten ©panien« jugemanbt fyattt, fudjte fein Nachfolger, ber neapolitanifche SRatchefe © r t m a l b i , Spaniens 9(nfc^en natf} klugen ju heben, inbem er im %ofyxt 1745 eine (Sjpebition gegen Algier ueranftattete , bie jebod) trofc ber bebeutenben, baju au3ge= rüfteten Kriegsmacht ftebenunbfed)3ic} größere unb tteinere ©d)iffe unb ein #eer Don fech3unb$man$igtaufenb 3Wann nichts &nbcre& jur gotge fjatte, als ben SBerluft oon ffinftaufenb SRenfc&enleben. Gin toegen ber Kolonie ©an ©agramento mit Portugal entftanbener Stieg mürbe im 3a^re 1778 unter ©rimalbi'Ä SRachfofger, bem (trafen 31oriba©lanca, burch ben ^rieben oon $arbo beenbigt, in meinem Portugal ©an ©agramento gegen ein (Gebiet an ber ©ren$e oon SBraftlien an ©panien abtrat. 93on ber ©etheüigung; ©panien« an bem norbamerifanifdjen SreiheitStriege, ju meinem e$ burd) ben bourbonifdjen Samilienoertrag gejtoungen mürbe, merben mir fpäter fjören. SRadjbem biefer Krieg im %a1)xt 1783 burch ben grieben öon SBerfaiHeS beenbet morben , fefcte ber ©raf a m p o * m a n e i, ber legte ÜJftnifter Karls III., bie oon feinen Vorgängern begonnenen Reformen mit Umfielt unb ©efdjicf fort unb fudjte in$= beionbere burd) Srfparniffe in ber ©taatSoermattung ben burch ben Krieg jerrütteteu ginanjen aufzuhelfen.

Karf III. ftarb im Qahre 1788 unb f)tnterüe& ben X^ron feinem ©olme Karl IV. (1788—1808.)

XXX.

statten in ber jroetfen MtfU bes achtzehnten 3*0*-

{htnbert*.

Neapel, $arma, SoSIana unb Sarbimen.

TO König Statt III. burcr) ben $ob feine« finberlofen £alb; bruberS gerbinanb VI. auf ben fpanifcfjen Ifyxon berufen mürbe, übergab er baS Königreich beiber ©icilien feinem britten ©ohne, bem a^tjä^rigen gerbinanb, ba fein ältefter ©ofm blöbfinnig unb fein $rociter ©ofm Karf präfumtioer Thronerbe oon ©panien mar, baS traft eine« öon ihm erlaffencn SReidjSgefefceS nie mit Neapel unter einem ©cepter bereinigt merben foßte ; boef) behielt er fid) eine 2lrt SBormunbfdwft über ben jungen König oor. £ie SRegierungSangelegenheiten leitete mä^renb ber Sflinb er jährigfett gerbinanbS IV., ber oon 1759—1825 bie neapolitanifche Krone trug, ber 9Warcf)cfc Xanucci, ber fct)on Karl III. als Sttmifter Sur ©eite geftonben unb bie ©runbfäfce ber neuen ©taatStoetSheit in ber Regierung Neapel« jur ©eltung gebraut hatte.

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9?eapcl, <ßarma, XoSfana unb Sarbmien.

503

3tt 93ejug auf bie Qefuiteu folgte Xanucci, ber audj über bie OTnberjäfjrigfeit beS Königs fjinauS btc ocr Regierung in

imnbcn behielt, ba gerbinanb IV. in golge feiner gan^lid) oernadj* läffigten ©rjie^ung jur perfönlicften Seitung ber ©efdjäfte burdjauS unfähig fear unb foum für ctroaS 2(nbereS ©tun l)attc , als für 3agb unb 5ifd)fang, bem Vorgänge ©panienS. Qn ber %lad)t jum 21. 9ioüember 1776 mürben bie Qefuitenfollegien gemaltfam ge= öffnet unb fämmttidje ©lieber beS DrbenS burd) fönigtidje Beamte mit Sftilitärgemalt nad) ben ©eef)äfen gebracht , um gleichfalls auf Kriegs Riffen nad) ber ®üfte beS ^trct)enftaateö geführt unb bort anS Sanb gefegt $u merben. 3)ie SSorfteHungen beS <ßapfteS fanben bei bem neapolitanifdjen £ofc eben fo mentg ®ef)Ör, als bei bem oon Sftabrib. $ie ©emalttfjatigfeiten beS ÜttinifterS befdjränften fidj ntd)t auf bie SluSmeifung ber Qefuiten, fonbem beljnten fid) auf bie gefammte firdjfidje Drbnung unb QuriSbiftion aus , beren gän$- lidje 3erPör"nfl Da* Siel feines ©trebenS mar.

9cad)bem gerbinanb IV. fein adjtjef)nteS 3a^r erreicht ljatte, mürbe er mit ber (Sr^er jogin 2)J a r i a Carolina, ber jroeit= jüngften Xodjter SJcaria Xf)erefia'S, öermäfjlt, bie balb einen be= beutenben (Sinfluß auf bie Regierung erlangte. Stadlern fie im Qatyre 1776 einen Xljronerbeu geboren, erhielt fie, ben ©ripu= lationen i^reS (5f)eoertragS gemäß, ©ifc unb ©timme im ©taats* ratlje, motauf Sanucci, ber fid) öergebenS bemüht fjatte, ifjrem Uebcrgeroid)t bie Söagfdmle ju galten, entlaffen mürbe.

ianucci'S 9cad)folger mar ber SDtardjefe ©ambuca aus $a* lermo ; bodj mürbe berfelbe balb burd) ben (Snglänber 21 c t o n öerbrängt, ber aus beut ©eebienfte beS ©rof^erjogS oon XoSfana in ncapolitanifdje $>ienfte gejogen morben , um baS für baS $önig= reid) fo mistige ©eemefen neu ju organiftren, unb fid) ba« SB«* trauen ber Königin in fo Kobern ®rabe erroarb, baß er bie ©eele ber ^Regierung mürbe. Unter feinem Otegimente naljm bie äußere ^ßolitif eine unfreunblidje Haltung gegen ©panien unb Sranfreid) an, um fid) mefjr auf bie ©eite dnglanbS unb DefterreidjS 511 nei* gen; in ber inneren Sßermaltung, bie im (Reifte innucci'S fortge* fufjrt mürbe, trat baS ©treben nad) ber ^erftetlung eines ©taatS= firdjentfjumS immer entfd)icbcner ju Sage. S3ei Strafe ber 33er* bannung mürbe für jeben SRefurS nad) 9iom bie ©infjolung ber fönig= liefen @rlaubni& oorgefdprieben , unb bie SInfprücfje beS §ofeS auf bie SBerleifjung ber SöiStfjümcr unb polieren ©eneficien gingen fo meit, baß ^apft $iuS VI. fie lieber erlebigt ließ, fo baß im 3af)re 1784 über breifeig $8ifd)ofSftül)le unbefefct maren. ©ogar bie alte, oon *ßapft £eo IX. im elften Qafjrfjunbert über bie Normannen er= morbene unb oon Siemens III. bei Ueberrraguug beS Königreichs Neapel an baS £auS 3Tnjou erneuerte £cr)cn^oberr)errIicr)feit beS

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504 Italien in bcr ^loeiten $älftc beä achtzehnten 3ahrlmnbert§.

apoftolifdjen ©tuhleä, als bereit Reichen bie Könige oon Neapel am ©t. SßeterStage bem $apfte einen toeijjen Qtlttx unb eine ©umme öon fiebentaufenb ÖJolbthalern überfanbten, mürbe oom neapotttanifdjen $ofe nicht mehr berüefftc^tigt. 3m 3a^re 1788 er* flärtc berfelbe bem päpfttic^en ©tuhle, er roerbe jtoar fortfahren, bie übliche ©umme aU ein fretnnlligeS Opfer feiner grömmigfeit unb STnbacht gegen bie ^Ipoftel ^ßetruS unb v$aulu3 an bie apofto= lifdje Cammer jaulen laffen, ben Setter jebodj nicht mehr über= fenben.

$en Maßregeln ber übrigen bourbonifchen §öfe gegen ben 3efuitenorben fajloß fich auch ber junge $erjog gerbinanb öon $arma unb ^iaeenja an, ber im 3a^re 1765 feinem $ater bem fpanifdjen 3nfanten ^P^iltpp, in ber Regierung gefolgt roar unb für ben ber granjofe b u X i II o t bie ©taatSgefchäfte leitete. 2luch er erlieg ein 58erbannung3befret gegen bie 3efuitcn» oic 9Cs toaltfam aus bem Sanbe oertrieben tourben. 3>a er zugleich ju ben fdt)on üon feinem SSater getroffenen ftrehenfeinblichen Serorbnungen neue fügte, burefj melche bie 9luffid)t über ba3 ftirchenroefen weit* liehen SBehörben übertragen, Jßermachtniffe an Kirchen unb Ätöfter unterfagt ober befdjränft, bie 9tecurfe nad) föom aufgehoben, ju getftigen ^frünben nur Eingeborene für fähig erflärt, pdpftlicrje öuüen, Treben, Sleffripte unb 3nbulben bon ber (anbe^^errliajen Genehmigung abhängig gemalt mürben, erließ Siemens XIII., ber fich nicht nur als ^ßapft, fonbern auch als DberlehenSherr in \tu nen fechten berlefct fat), gegen ben |>er$og ein 3flomtorium, gegen meines fich fofort jämmtliche bourbonifchen |>öfe erhoben, inbem fie nic^t nur beffen 3urücfnahme, fonbern auch bie ^Inerfennung ber ©ouoeränität beS £>erjogthumS Marina unb bie Aufhebung beS 3efuitenorbenS gebieterifch oerlangten. Um btefen Sorberungen größeren 9ka)brucf $u üerleihen, lieg granfreich Slbignon unb iöe* naiffin, unb Neapel bie ©nclaöen SBeneüent unb $onte Sorbo bc^ fefcen. Siemens XIII. nahm alle biefe «ebrängniffe mit ber un- crichütterlichften ©tanbhafttgfcit hin unb begnügte fich bamit, öffent- liche ÖJcbete für bie äirdje anjuorbnen. £er fpantfehe §of fuchte auch oie ftaiferin 9Jcaria Xherefia ju gemeiuiamem feinblichen Vorgehen gegen ben apoftolifchen ©tuht ju gewinnen; fie lehnte jeboch bie Sinmifchung in biefe „©taatSfachen" mit ber Srflärung ab: fte habe feineu ©runb, bie Unterbrücfung ber 3efuiten ju for* bem unb ben s4$apft gemeinfam mit ben ©ourbonen ju bebrangen. Srft nach Siemen*' XIII. Xobe rourbe ber ©treit mit <ßarma burdj (Siemens XIV. beigelegt.

3n SoSfana regierte feit bem lobe granj' I. (1765) beffen Stociter ©ohn e t e r Scopol b. ©eine Xh™nbefteigung mar üon feinen Untertanen mit umfo lebhafterer greube begrüßt morben,

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Neapel, Sßarma, £o«fana unb ©arbmien.

505

al« fte burdj btefelbe mieber einen in ihrer 2fiitte refibirenben gürften erhielten. $)er neue (Broßherftog traf in ber SBertoaltung feines ßanbe« mehrere treffliche Einrichtungen: er reformirte ba« ©erichtömefen burdj bie Aufhebung pribilegirter ©ericht«ftetten unb burdj bie STbfchaffung mancher TOßbräuche in ber Rechtspflege, fo* tt)ie burch flflilberung ber ©trafgefefce, §ob ben Stcferbau burch 9^ eignete Stfaßregeln gum befferen Stnbou be« 93oben«, bie ^nbuftrie burd) bie Abschaffung befäränfenber $emmniffe, erleichterte ben SBerfefjr burch neue ®ommunifation«mittel unb fuchte feine Unter* tbanen an größere $hätigfeit unb erhöhten Shmftfleiß gewönnen, dagegen folgte er in 93e*ug auf bie firc^ttc^cn SÖerhältniffe gan* ber firchenfeinblichen Seüffrüntung, obgleich er bei feinen bic«be* täglichen Neuerungen mit größerer SBorftdjt ju SBerfe ging, al« fein ©ruber Sofeph O. Rachbem er bereit« feit bem 3ahre 1780 mehrere fogenannten Reformen eingeführt, bie ebenfooiele Eingriffe in bie fechte ber Kirche tuaren, lieg er im Söhre 1786 feinen ©ifehöfen einen au« fiebenunbfünfjig Wrtifeln beftehenben „Reformplan" jur Prüfung unb Annahme unterbreiten, ber ganj auf janfeniftifchen 2(nfcf)auungen beruhte. $ie meiften oberfjirtlichen Gutachten fpradjen ftch mit aller Entfdjiebenheit gegen bie beabfichtigten „Reformen" au«; nur brei Sifchöfe erfldrten ftch für biefelben : bennoch hoffte öeopolb, feinen $tan mit §ilfe be« ganj auf feiner Seite ftehenben SBtfdjof« ©eipio 9t i c c i öon Sßiftoja unb $rato ju oernrirflichen, ber fchon in feiner Qugenb für ben 3anfeni«mu« gewonnen roorben mar.

Ricci berief im Qahre 1786 eine ^iöjefanfönobe nach ^iftoja, unb ber antifirchliche ©eift, ber in ihren SBerorbnungen gu Sage trat, fdjien bem (Sroßberjog ba« (Mingen feine« ^lane« ju öerbürgeu. Er öerfammelte im Qaljre 1787 feine fämmtlichen Sifdjöfe in Slorenj, um mit ihnen bie Abhaltung einer Rationatftmobe jum ber Einführung feiner Reformen ju oercinbaren ; aber auch jefct fchei* terte fein Reformprojeft an bem firchüchen ©inne be« to«fanifcben Epi«fopat«. ßeopolb enttiefe bie SSerfammlung mit bem v2lu«brucf feine« Mißfallen« unb begann nun feine Reformen eigenmächtig ein- zuführen. 2)urch biefe« Verfahren untergrub er jeboet) bie Zuneigung, mit welcher bie Xo«faner ihm bei feinem Regierungsantritt entgegen gefommen, fo üoflftänbig, baß man froh t°a*» a^ er m 3ahre 17 90 bei bem Xobe feine« 33ruber« Sofeph II. ba« (Sroßherjogthum feinem jmeiten ©ohne Serbinanb übergab, um fclbft bie Regierung ber öfterretchifchen Erblänber $u übernehmen, (Degen Ricci mar bie Erbitterung fo groß, baß er ftch nach ocr Greife fieopolb« ge* nöthtgt fah, feine ©teile nieberjulegen.

SBeit weniger firchenfeinblich, al« bie bourbonifchen |>öfe unb ber ©roßherjog oon $o«fana, geigte fich ber $önig Victor Slmabeu« II. üon ©arbiuien (1773—1796), ber ©ohn unb

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506 Stalten in bcr $roetten §älfte M achtzehnten gahrfumbert«.

Nachfolger ßarl Immanuel«, obgleich auch er in feinem (Gebiete Mieles ttriHfürftch orbnete. $er ftauptgegenftanb feiner Regenten* tfjätigfeit mar ba« £>cem>efen, ba« er ganj nach bem SJtufter be« preußifchen einrichtete. Obgleich felbft nicht ohne miffenfchaftliche 93tlbung unb im (Sanken gegen bie (Mehrten feine« Öanbe« freunb- (ich gefinnt, mar er bodj fo fehr öon feinen militärifchen ßieb&abereien erfüllt unb fdjtug beren SBichtigfeit fo f)od) an, baß er nrieberholt äußerte: „©in Xrommetfchläger fei ihm mehr tuerth, al« ein ©e* lehrter." 9ftcht«beftoroeniger beftonb ba« öon U)m unterhaltene %cü)V reiche #eer, beffen Soften bie Gräfte feine« ßanbe« weit überftiegen, feine <ßrobe fchfec&t, a[« in ben Stürmen ber franjöfifchen föeöo* lution jtmfdjen ihm unb granfreich sunt Kampfe fam.

Tic brei legten Ränfte be3 anlehnten 3ahrhunbert3.

(1758-1799.)

Wach bem Xobe Benebift« XIV. (f. S. 332) beftieg ber Surbinal ÜJejjonico au« ©enebtg, ein 9Wann be« ©ebete«, öon beiligmäßigcm £eben«manbcl unb öoß ber reinften SCbftdjten, al& Siemen« XIII. (1758—1769) ben päpfttichen fyxon. Sein <ßontififat mar für ben apoftoltfchen Stuhl eine 3eit fehlerer $e- brängniß; benn öon aßen Seiten lehnte fich ber glauben«Iofer firchenfeinbliche ©eift be« 3afjrf)unbert« gegen benfelben auf. Qn S)eutfd)Ionb trat ber %Beic>bt)c^of öon $rier, gohanu Wtfolau« öon Hontheim, al« Wortführer bcr antipäpftlichen Partei auf, inbem er im Safere 1763 unter bem erbichteten Warnen gebroniu« ein SBiict) veröffentlichte, ba« angeblich bie SSieberoeretnigung ber Protestanten mit ber £Hrcf>e anbahnen foHte, thatfächlich aber ©runbfäfce unb Sorberungen jur ©eltung &u bringen fuchte, bie auf bie Vernichtung ber ©emalt be« päpftlichen Stuhle« jielten. Sebroniu« geftcljt nämttch bem *ßapfte nur ben Primat bcr (5 h * nicht aber ben Primat ber Ö$ericht«barfeit ju. Wach feiner EarfteClung nimmt bcr Papft ben SBifchöfen gegenüber nur bie Stelle eine« Sßorfijjenben in einem Parlamente ein. $ie ÖJefammtheit ber ©ifchöfe fteht über bem Papfte, unb er fann ohne beren 3"ftintmung meber ©lauben«entfcheibungen geben, noch Srrlehren öerroerfen, noch 9Inorbnungen für bie ÖJefammtfirche crlaffen, ober eine ©cricht«= barfeit in ben einzelnen 93i«tf)ümern au«üben. Ter „römifchen ßurte", erflärte Sebroniu« roeitev, müßten baher bie fechte, bie fie fich im Saufe ber Seit angemaßt, um be« ^rieben« miücn lie- ber entzogen roerben, unb fall« ber Papft fich toeigere, freinrilltg auf bicfelben Verzicht ju leiften, fei bie Aufgabe ber SBifdjöfe,

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$tc brei lefcten ^äpfte be« acfjtsehnten gahrfmnbert«.

507

ir)n unter SJcitmirfung ber meltlichen Surften baju gu jmingen unb buret) bie Abhaltung öon Nationalconcilien bie $erftellung ber „ur= fprüngtichen" 58erfaffung ber Kirche ju bettrirfen.

Obgleich ba« SSerf Hontheim«, ba« fetbft Seffmg „eine etenbe ©djmeidjelei ber Surften1' nennt, nur ein au« proteftanttfehen, janfeniftifchen unb gaflifanifdjer ©Triften jufammengetragene« 9Jtadj= iuerf rjotl innerer SBiberfprüche ift unb allen logifdjen 8wfammen* hang« entbehrt, ttmrbe ba«felbe, tocil öon einem geiftlichen SBürben* träger au«get)enb, öon ben Anhängern ber „$uf Körung" mit 3ubct begrügt, öon allen antidjriftlidEjen ©chriftftellern gepriefen, in öer= frfjiebene ©prägen überfefct unb öon ben firct)enfeinblichen Regte* rungen ju ben roeitgeheubften Eingriffen in bie Rechte be« apofto- Iifchen ©ruhte« ausgebeutet. Siemen« XIII. fpract) im 3al)re 1764 ba« SScrbammungSurtheit ü6er ba« gefährliche SBuch au«, unb öiele fjerüorragenbe ©clct)rtc miefen in trefflichen ©egenfcr)riften bie 3rr= t^ümer unb ^nconfequenjen be« Sebromu« fdjlagenb nach; aua> n;urbe Hontheim fetbft im 3at)re 1778 burch feinen Srgbifchof ju einem teiber unaufrichtigen SBiberruf beroogen: bennoct) fuhr ber au«geftreute böfe ©ame fort, in ber roeiteren Sntmicftung ber neuen firchticr>polirifchen ©taat«grunbfäfce feine öerhäugnifeöolleit fruchte $u tragen.

(Steide) ben hcrüorragcnbften Prälaten feiner Seit ein entfehie* bencr ®önner ber Qefuiten, bot Siemen« XIII. 5(fle« auf, um ben fdjtoer bebrohten Drben gegen bie ungerechten Angriffe feiner mäcfc tigen (Segner $u fct)ü&en; er hatte jeboch ben ©duners, ihn in ben meiften fathotifchen ßänbern: in Portugal, 5ranfreict), Spanien, Neapel unb *ßarma, ben fchmachooüften Verfolgungen erliegen 511 fehen. $>er Kummer über bie nach bem Srtaffe feine« 9Jconitorium« gegen ben |>er5og öon $arma öon ben bourbonifdjen ^öfen bem päpftlid)en ©ruhte angefügten Unbilben, fomie über bie machfenbe SBebräugnig ber Kirche unb bie immer mehr überhanb nehmenbe (Sorrlofigfeit beschleunigte ben £ob be« fchmergeprüften tapfre«: er ftarb am 2. gebruar 1769, ohne äußere« Reichen einer ftranfheit, im 2Hter öon fech«unbfiebgig Sahren.

Siemen«' XIII. Nachfolger mar ber ßarbinat ßoreng (Sanganetti, ber am 19. 9flai 1769, nach «nem breimonatlichen Sonclaüe, in toclchem bie ben bourbonifcr)en £öfen ergebenen f arbinäle eine un= gemöhnliche Xt)äticjfett entfaltet hatten, al« Siemen« XIV. auf ben päpftlichen ©tnhl erhoben hnirbc. Sr galt für milb, gemäßigt unb freifinnig unb ging in feiner 9cact)giebigfeit gegen bie meltlichen Regierungen noch meiter al« ©enebift XIV., ben er fiel) flum #or= bilb genommen. £a& unter il)m ber ©trett mit *ßarma beigelegt unb ber SBerfet)r mit Portugal ^ergefteüt mürbe, haben mir bereit« oben (©. 499 f. u. 504) gefetjen.

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508 3talicn in *>cr jtücitcn §älfte beS adjtjefinten 3al>rlwnbert3.

®aum Chatte (Siemens XIV. ben päpftftdjen Stuf# beftiegen, als bie bourbonifdjen $>Öfe ifm mit $)enffcf)riften über bic 9cotf)= menbigfett ber Aufhebung beS 3«f"itcnorbcnS beftürmten. @r fagte biefelbe bebingungSmeife $u , Verlangte jeboet) , ba& man if)tn 3ett (äffe, SlfleS 511 prüfen, unb fudjte inghufdjen burdj eine bebeutenbe $cfd)ränfung ber SBirffamfett beS DrbenS bie brangenben £>öfe ju befcfyrouijtigcn unb bie ftataftroplje abjumenben , bie if)tn öor ber fatf)olifd)en SBelt fdjmer aur Saft fallen mußte ; als jeboeb, bte bour* bonifdjen £>öfe mit ber Ausrottung aller geiftlidjen Orbcn unb bem Slbbrud) ir)rer ^Beziehungen ju $om brofyten, gab er feinen SBiber* ftanb auf unb unterzeichnete am 21. Quü 1773 baS SBrcbe, burdj mclcheS ber Orbeu , „ba er feiner ©eftimmung nidjt mehr entfpre-- a)cn fönne unb öon Dielen fatt)oüfcr)en gürften bereits unlerbrücft loorben," fraft apoftolifcher Wnorbnung, „$ur SBieberherftellung beS grtebenS" in ber ganzen S^riften^eit aufgehoben unb für bie ein* feinen Sflitglieber, bie als Söeltpriefter fungiren fönnten, Sorforge üerheifjen mürbe. fciefeS örcöe mürbe am 16. 9ruguft ben Sefuiten in 9iom öerfünbet unb it)r Venera! 9ticci mit mehreren feiner ^fftftenten gefangen in bie SngelSburg gebraut, mo er fpäter ein- gehenbe ©erhöre gu beftefjen ^attef burd) meiere jeboch nicht baS ÖJeringfte $u feinem unb beS DrbenS ftachtheil ju Xage geförbert mürbe. Somohl er als fämmtlidje Oberen erflärten bemütljig ihre Untermerfung unter bie päpftlidjen s2lnorbnungen , unb ihrem ©eU fpiele folgten bie meiften Sftitgtieber beS DrbenS ; nidjtSbeftoroeniger erhoben bie bourbonifa^en $>öfe SBiberfpruch gegen bie Srcigebung ber gefangenen 3efuiten unb bie ©elaffung mehrerer befonberS ausgezeichneter SBäter im Sehramte. Siemens XIV. erhielt jmar Nöignon unb SBenaifftn fomie bie ©nclaoen im 9ceapolitanifchen Sitrürf; boa) erfuhr er oielfadje iMnfungen oon Seiten ber bour* bonijchen £>üfe , bie burdjj feine ftachgiebigfeit nur gu immer meiter ge^enben eingriffen in bie fechte beS apoftolifa^en Stuhles ermu* tf)igt mürben.

$a* päpftlidje SlufhebungSbefret erregte überall, mo bie $efui* ten bis baljin noch unangefochten gemirfl, gro&eS s2luffef)en : nichts* beftoroeniger fam baSfelbe in allen fatt)olifdt)en Sanbern jur %oü* Ziehung, dagegen miberfefcten fidj jmei außerhalb ber $ird)e ftefjcnbc ^errfa^er, griebrich II. oon ^reugen unb bie (Xjarin Katharina II., ber iöerfünbigung unb Ausführung beS päpftliajen Söreoe'S. Öeibe moHten fich bie SBortheile eines gebiegenen QugenbunterridjtS mat)- ren, bie ber Drben i^nen in ifjrcn Staaten gemährte, unb oerlangs ten öon ben in i^ren (Gebieten lebenben 3efuiten bie ^lufrcc^t^ol* tung ttjrcr Soüegicn gegen bie Slnorbnungen beS ^ßapfteS. 3rieb= ri4 II. oerftänbigte fia^ im Qa^re 1776 mit bem apoftolifdjen Stuhle bat)in, ba& bie preuBifa^en 3efuiten fid) jmar gleichfalls

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$ie brci legten $ftpftc be« achtzehnten 3ahrhunbert«. 509

auflöfen unb it)r Drben«fleib ablegen , aber unter bem Kamen „^ßrtefter be« föniglichen €>chuteninftitut«" it)re ßec)ranftalten fort- begatten foflten. 3tt biefer Verfajfung beftanben fte in <ßreu6en auch unter griebrich« II. Nachfolger, griebrich SSityelm IL, fort; erft im 3<*hre 1900 mürben burd) griebrich SBilfjelm III. bie Sehr* anftalten ber 3efuiten auf meltlichen gug gefegt unb it)re ©üter ju einem ©chulfonb Dereinigt.

Sftinber geneigt ju einer SÖerftänbigung mit SRom, at« grieb^ rieh II., jetgte ftd) bie Sjarin. £rofc ber SBorftellungcn be« päpft* liehen SRuntiu« $u 2Barfd)au oermeigerte fie entf Rieben bie $tuf* Hebung be« Drben« in bem bei ber erften Xfjeüung $olen« in ihren sikfi& getaugten „SBetSrujjlanb," roo ftcr) in ben SBoimobfdjaften ißolocf unb Wlofyikto zahlreiche £>rben«nieberlaffungen befanben, unb orbnete im 3af)re 1778 bie (Einrichtung eine« Kom'jiat« für biefel* ben an , metche SBerorbnung *ßapft $iu« VI. ftillfchmeigenb genet)3 migte. 3m 3af)re 1801 autorifirte $iu« VII. förmlich bie lieber- laffungen be« Drben« in töuglanb. (£rft bann liefe bie Vorfehung, mie $ergenrötf>er mit 9tedjt ^eröor^ebt, bie Vertreibung be« im geuer ber Verfolgung neu bewährten Drben« au« Ku&lanb ju, al« bie fatholifchen fiönber ttrieber nach feiner Aufnahme »erlangten.

(Siemen« XIV., ber öielc lieben«roürbigen (ftgenf haften befafc unb nur burdj fein meichc« , $ur gurcht geneigte« ®emüth herleitet morben, bem drängen ber bourbonifchen #öfe jur ilnterbrücfung eine« um bie f iraje fo ^oajöerbienten Drben« gegen feine eigene Ueberjeugung nachzugeben , öerfiel balb nach bem (Srla& be« uf* hebung«bret>e'« in eine an Xieffinn grenjenbe ©chroermuth , bie roefentlid) $ur öottftänbigeu Untergrabung feiner fd>on feit längerer Seit gefdjmädjten ®efunbheit beitrug. (Sr ftarb am 22. September 1774, im Hilter bon neununbfe^ig 3at)ren. $a« Dielfach öerbreitete ©erficht, bog er oergiftet morben, entbehrt, nach ben oottgiltigften 3eugniffen, jeber ©egrünbung.

$a ba« (£onclaoe burdt) bie Umtriebe ber #öfe große Vermöge* rungen erlitt, erhielt Siemen« XIV. erft am 15. gebruar 1775 einen Nachfolger unb jmar in ber $erfon be« achtunbfünf jigjährigen Äarbinal« Sodann Slngelo Vra«chi, ber ben Kamen $i VI. an* nat)m. $er neue $apft, ein frommer unb milber, aber bennodj in feinen (Srunbfäfeen fefter aflann , ber fein fjofjeä 2lmt nur au« ®e* nriffen«öflicht al« eine fernere Sürbe übernommen , mißbilligte ba« gegen bie unterbrächen Sefuiten eingehaltene f)arte ©erfahren, in njela^em er ba« Söerf religton«lofer SKinifter unb ben Srtumpt) ber ©ottlofigfeit erblicfte. @r orbnete fogleich bie fchleunige (Srlebigung be« $ro^effe« gegen bie in ber (£ngel«burg gefangen gehaltenen 3efuiten an unb oerfügte, ba fid) burc^auö nicht« ©trafbare« gegen biejelben ergab, beren greilaffung. 3)er ©encral Kicci erlebte bie*

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510 Italien in ber feiten $älfte be* achtzehnten 3ahrhunbert*.

felbe nicht met)r: er ftarb am 19. Nooember 1775, nachbem er üor bem (Smpfang ber Sterbefaframente eiblich unb oor $tü%tn erflärt hatte, ba& bic oon ihm geleitete ©efellfchaft feinen GJrunb ju ihrer Unterbrücfung gegeben ^abe unb er felbft feine fyavtt öefangenfcEjaft nicht oerbient ju haben glaube. 2)er 2lu*jpruch: „Xie 3efuiten fotten fein, mie fie finb, ober gar nicht fein" sint ut sunt, aut non sint ift itrni fälfdjlich jugefa^rieben morben. Xrofc be* oon bem fpanifchen ©efanbtcn gegen bie Sreilaffung ber gefangenen 3efuüen erhobenen anma&enben <ßrotefte* lieg $iu* VI. bem sBer* ftorbenen eine glänjenbe Xobtenfeier abgalten unb ihn in ber $ro» fe&firdje be* Drben* an ber Seite feiner Vorgänger ehrenooU be* ftatten. Sluch bie Öage ber (Srjefuiten, beren gefammte* SBefi&thum, felbft bis auf ihre SRanuffripte, eingebogen toorben, fudjte er nach Gräften $u milbern.

3n ber erften, ruhigeren 3eit feine* ^ontififat* t^at <ßiu* VI. fefjr oiel für ben tirchenftaat. @r förberte nicht nur ben 2Icferbau unb bie 3nbuftrie, fonbem nat)m auch bie fchon oon mehreren feiner Vorgänger betriebene, fett Si£tu* V. jebod) aufgegebene 2lu*trocf: nung ber pontinifchen Sümpfe toieber auf unb liefe, nachbem bie* felbe in einem Zeitraum öon jehn Sahren mit oieler 2Rut)e unb einem bebeutenben $oftenaufroanb ju ©nbe geführt toorben, burdj biefe öben (Segenben eine treffliche Jpcerftrage , bie £inea <ßia, anlegen, burch meiere er fich ein bleibenbe* fcenfmal ftiftete.

2lud) unter $iu* VI. hatte ber pfipftliche Stuhl oon Seiten ber hrdjenfeinblidjcn weltlichen TOäc^tc oiele Unbilben ju erleiben, unb in ben meiften ßänbern blühte mehr ober weniger ba* Staat** firchenthum, ganj befonber* in Neapel (f. S. 503). ®ro&en ftum* mer bereiteten bem sßapfte bie firc^ltc^en Neuerungen , bie $aifer Sofeph II. nach tont Xobe feiner Butter in ben öfterreidHichcn ßrbftaaten oornahm. $a feine einbringlichen brieflichen >Borftel* lungen oon bem faifer nicht berüefftchtigt mürben, ging er felbft im 3alp 1781 nach SBien ; bod) hatte auch biefer Stritt nicht ben geringften (Srfolg. Sludj bie brei, öon aufgeflärten ^rofefforen unb unfirchlichen Käthen irre geleiteten geiftlidjen tfurfürften 5neb* rieh #arl 3ofeph oon 3Jcain$ (1774—1802), (Siemen* 2Bence*lau* oon Xrier (1769—1812) unb SRajimiltan jranj oon Äi)ln,#aifer 3ofeph* II. ©ruber (1784—1801), fugten, im «erein mit bem ^rjbijchof £ieronnmu* oon Salzburg, fich oom apoftolifdjen Stuhle unabhängig $u machen unb bie geiftliche (£Jericht*barfeit, meldte bie päpftlichen Nuntien in ihren Sprengein ausübten, tt)eil* ein$u* jehränfen, theil* gänzlich aufgeben. 3u biefem (Jnbe ließen fic oon ihren ©eooümächtigten im Sluguft 1786 $u (5m* bie berüct) tigte, au* bretunbjtoanjig Slrtifeln beftehenbe „(£mfer ^ßunftation" entwerfen, bura) meldte bie „ursprünglichen" erjbifchöflichen fechte

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ßaifer Sofeph II. $a3 beutfäe SKeid) unter ^fofc^^ IL 511

hergeftellt werben füllten. Xrofc beä öeiftanbe«, ben bie öier (5t$* bifdjöfe bei Qofc^^ II. fanben, fcheiterte ihr Vorhaben an bem 2öiber= fprudje ber SBifchöfe, welche für bie Stechte beS ^ßapfteä eintraten.

SBelche ferneren Prüfungen bem Ijodjbetagten $iu$ VI. in ben ©türmen ber fran^öftfajen föeöolution vorbehalten waten, bis er am 25. Sluguft 1799 im Hilter öon ^meiunba^t^ig 3<*hrcn fein Seben als franjöfifdjer (Staatsgefangener im @rüe befdjlofj, werben mir fpäter hören.

XXXI.

gaifex ^ o f e |i 9 II.

(1765—1790.)

2>a3 beutf^e Reift unter 3ofep^ n.

©o bebeutungSlofc auch bie ®aiferwürbe in Solge ber immer weiter fortgerittenen Muflofung beä beutfdjen deiche« geworben war, bemühte fia) bennodj Sparta Xfjerefia eifrig, ihrem #aufe mit ber $aiferfrone bie alte Stellung ju ben Sleichäfürften unb ben erften 9tang unter ben europäischen $errfchern ju bewahren. $af>er hatte fie auch bei ben griebenäunterhanblungen ju £ubert3burg große« ®ewid)t auf bie Erlangung ber branbenburgifdjen fturftimme für bie 28ahl ihres älteften ©ohne* 3 ° 1 e J> h jum römijdjen ftöuig gelegt. $iefe SBahl erfolgte ju granffurt am 27. 2Kai 1765 mit ©timmeneinhelligfeit , in ©egenwart be* ®aifer3 granj L, unb am Xage barauf fanb unter ben üblichen Grundformen bie feierliche Krönung beS fünftigen ftaiferä ftatt.

Slm 18. Sluguft be« folgenben Qatjreä ftarb ftaifer granj I. $u 3nn§brucff wot)in fid) ber £of $ur geier ber Vermählung beä (£r$her$og3 SJeopolb mit ber füantfcfjen 3nfantin SJtoria ßouife begebeu ^attc, ganj unerwartet an einem ©chlaganfall. £)ie #ai* ferin blieb ihrem bahingefa^iebenen hatten bid an ihr ßebenSenbe in unwanbelbarer Siebe unb Xreue $ugethan. 2ln jebem 3ahre2tage feine« Xobeä ftieg fie in bie Üaifergruft bei ben tfaüujinern ju SBien hinab, um in ftiflem ®ebete unb ernften Betrachtungen fein ©ebächtniS $u faern. legte fie bie Xrauerfleiber nicht mehr

ab ; eine fchwarje giorljaube bebeefte fortan baS glattgeftrichene unb leicht gepuberte #aar.

$er römifche ®önig 3ofep^ II., an welchen nunmehr auch bie ßaiferwürbe überging, war am 13. 2Rär$ 1747 unter ben ©tür* men beS erften fchlefifchen Kriege« geboren unb jählte fomit bei

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feiner Xfjronbefteigung üierunbjtüaniig 3at)re. 3n ber SBafyl feiner Erzieher mar bie $aiferin nicht glüefüch gemefen , unb fo mar ber junge (£r$fjetgog, beffen tüelöerfprechcnbe Anlagen beS GeifteS unb £>erjenS bie ®aiferin $u ben fdjönften Erwartungen berechtigt Rat- ten, unter ben un^cUooUen Einflüffen ber materialiftifchen Slnfdjau* ungen, bie bamalS bie europäifdje SBelt befjerrfdjten unb mit bem chrtftlichen (glauben zugleich bie ÖJrunbfagen ber ftaatliajen Drbnung untermühlten, in jeber S8e$iefjung $u einem $inbe feiner Seit fjeran= gemachten. 2llS ilm feine Butter nach bem Xobe feines SBaterS jum Sftitregenten für bie öfterreidjifdjen ©taaten ernannte, mar it)m auch fdjon feine ßebenSrichtung unb RegierungSmcthobe gegeben , unb ba bie lefclcrc mit ber RegierungSart Ataxia i^erefia'd im öollften SBiberfpruche ftanb, geftattete it)m biefelbe nur einen bcfdjränften (Sinflufi auf bie ©taatSgefchäfte , fo baß er fich faft auSfchliefjlich auf bie ßeitung beS TOUtärmcfcnS angemiefen fafj. $a fein un- ruhiger ÖJeift auf biefem Gebiete feine genügenbe SBefdjäftigung fanb, befchlofj er, feine Xfyätigfeit junächft bem beutfa^cn Reiche jujumen- ben, mobei er fich mit ber eitlen Hoffnung trug, ba§ eS ihm ge- lingen merbe, bem abgeworbenen Reia)Sförper burdj tjeilfame Refor= men ein neues ßeben einzuhauchen.

Einer ber £auptfdjäben beS Keines lag in ben fummelfdjreienben Uebelftänben, bie fid) in bie Rechtspflege eingefc^Iic^en galten. $ie RcichSjuftij mürbe burdj jmei, öon etnanber unabhängige Gerichtshöfe, ben Reichs hofratl) in SBien unb baS ReichSfammergericht in SBefclar, öermaltet, bie in ben jahöofen ©treitigfeiten jroifchen ben einzelnen ©tänben beS Reiches unb jmifchen biefen unb ihren Untertanen im Ramcn beS $aiferS Recht fprachen. Obgleich biefe Reichsgerichte 3ufluchtSftatten ber ©chmächeren gegen bie ©tarieren fein foHten, maren fie meit entfernt, biefer Aufgabe 51t genügen, unb fdjon feit einem 3aWunDert maren oon aßen ©eiten bittere klagen über biefelben laut gemorben. $ie s$ro$effe fchleppten fich an beiben Ge- richtshöfen burch gan^e Generationen hindurch, ohne ba& eine (£nU fcheibung erfolgte , unb in ben meiften Sailen fonnte fich ber ®nfcl glüeflich preifen, menn er bie (Srrlebigung einer Rechtsfache erlebte, bie ber Grojjüater anhängig gemacht. Dabei gab feiten baS Recht allein ben 2luSjchlag; benn bei ber geringen ©efolbung ber Rothe unb ihrer Verpflichtung $u ftanbeSgemä&em Slufmanb mar ber ©e* ftechuug %l)üx unb Xtmr geöffnet.

Um biefen Uebelftänben junächft bei bem unmittelbar unter feiner Leitung fteheuben Reichshofrath abzuhelfen, richtete ftofeph an beufelbeu unterm 21. Dftober 1767 einen fcharfen fabinetS* befehl , morin er ihm bie Annahme oon Gejchenfen ober Regalien uuterjagte , „bie unter allerlei SSormänben angeboten , auch öfters angenommen morben;" boch beging er babei ben üHi&griff, üon

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3>aS beutfdje SReld) unter 3ofcj>h II.

513

„fixeren Erfahrungen großartiger Scftechlichfeit" 51t fpredjen, ohne in ber Sage $u fein, X^otjac^en anzuführen. Da er bei bem 9leicf)3fanvmergerid)te meniger eigenmächtig einschreiten tonnte, brang er angelegentlich auf bie Spaltung einer SBifttation biefe« Gerichte«, bie feiern im 3«^e 1654 burch einen 8tach«tag«abfchieb angeorbnet morben, aber niemal« $ur Ausführung gefommen war, unb braute in ber $f>at ba^in , baß ber 9teid)3tag §11 biefem Gefaxte eine Deputation ber 9fteich«ftänbe ernannte; allein er fämofte fner, nrie in Söien, gegen einen ©chlenbrian, bei bem fidj fo m'ele ©tänbe unb ^erfonen unenblid) mof)! befanben unb ber, burdt) taufenberlei 3n= tereffen geftüfct, jur unfiberminblichen ^flauer gemorben. „3m (San* jen," fagt ©oorfchil, „blieb bie ©ache beim Alten, unb 3ofeph hatte burch feine ©dritte jmar benriefen, bafe er Steinzeit unb ©dmettigfeit ber föeidjSgeredjtigfeitäpflege motte , baß ihm aber an Sttacht fehle, feinen SBiflen burchjufefcen."

Die SJtocht be« ßaifer« im beutfchen föeidje befäränfte fleh in ber %f)at faft nur mehr auf ©tanbe«erhöhungen, 2lbel«öerteihungen unb bie Gemährung unbebeutenber ^rirnlcgien , nrie beifmel«metfe bie ber '-üudihänblcr, bie jeboch, gleich ben ©tanbe«erh Ölungen, in ben 8tetch«ftaaten erft bann Giltigfeit erhielten, roenn bie Sanbe«* Herren fich bamit einoerftanben erftärt Ratten. Ueber alle nridjti* geren Angelegenheiten l)atte ber föeich«tag ju entf Reiben , ober mürbe über biefelben öireft t»on ben $öfen untereinanber oerhan* belt. Die Ernennung be« $Reid}«iricef analer« fomie bie ber übrigen ^Beamten ber 9teich«fan$let gefchat) rttcf)t burch ben vtaner, fonbern ging oon bem Äurfürften öon SJcainj, al« bem JReia^derjfanjter, au*. Die Sinfünfte, bie ber ttaijcr au« einigen 8teich«ftäbten unb bem „3ubenjoll" bejog, mürben auf t)öc^ftend breijehntaufenb Gut* ben gefchäjjt. Dagegen ging ba«, ma« ber $aifer an bie Reinen 3ürften unb beren Anhang bei ben öerfduebenften Gelegenheiten fchenfen mußte , jährlich in bie Jpunberttaufenbe. 28a« bei 3*cict)S- belehnungen an Dajren eintief, mürbe jur (frlialtung ber sJieictj* fandet unb be« 9^etcf)dr)ofrat^ed oertoenbet. SSBoHte ber ttatfer in #rieg«fällen oon ben Heineren gürften Gelb unb ®rteg«oolf erlan* gen, fo mußte er unterhandeln unb förmlich flachem, unb ohne bie Gemährung oerfchiebener SBortheile ober minbeften« barauf be= jügliche $ufagen fam er gar nicht an« ßiel.

2öie meit bie einerfeit« burch Sftouffeau unb anbererfeit« burch Jßoltaire unb feine Gefinnung«genoffen oertretenen fiaat«* unb fir* chenfeinblichen Anfdjauungen auch in Deutfchtanb um fictj gegriffen, bemeift in«befonbere ber im 3<*hrc 1776 öon Abam 333 ei«hanpt, s#rofeffor be« ftirchenrecht« in Qngolftabt, gegrünbete Drben ber 3 Hu min a te n. Anfang« mar biefer Drben nur eine geheime ©tubentenöerbinbung, burch welche ber ©tifter bie ftubirenbe 3uÖeno

fcolitoartfc, IBeltgefötgte. VI. 33

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514

ffaifer 3ofe^ II.

bem Hinflug bcr 3efuiten ju entziehen unb biefe felbft ju frühen beabsichtigte ; balb aber erhielt berfelbe eine neue, bic gefammte ftaatltche unb ftrehüche Drbnung bebrohenbe SBefttmmung. £urch baS einmütige 8ufammenmirfen „aufgeflärter" unb mächtiger 2Jcit* glieber, bic SBeiShauot für feinen ©eheimbunb ju gewinnen fuchte, foHte baS Regiment beS Staate« unb bcr Kirche ben „unfähigen weltlichen unb geiftlidjen ^Rechthabern, an Welche eS ber gufall ge= bracht ^abe," entriffen unb in bie $änbe ber „(Sinfidjtigen unb SBohlgefinnten" gelegt werben, benen bie Aufgabe jugebacht war, alles, was bem Stifter als politifdjer unb kirchlicher SBahnglaube erjagen, ju befeitigen unb bie bürgerliche ©efeflfehaft nach ben ©runbfäfcen beS SeitgeifteS umjugeftalten.

tiefem 3wecfe gemä& gab SBeiShaupt feinem ©eheimbunbe eine neue Drganifation, für toeIct)e ihm bie Sßcrfaffung beS gefuitem orbenS jum SBorbilbe biente. 5Die 9Jcitglieber würben berpflichtet, ben Oberen in allen Stücfen unbebingten ©ehorfam $u leiften, allenthalben angefehene ÜJcänner an fict> ju jiehen, cinanber jur ©r= langung wichtiger Stellen unb Remter behilflich $u fein, bamit bem Drben ein entfeheibenber ©influg auf bie öffentlichen Angelegen* heiten gefiebert werbe , unb nicht nur über ihre eigenen fittlichen unb geiftigen gortfehritte monatliche Berichte einzureichen, fonbern auch über SBefannte unb greunbe Beobachtungen anjuftellen unb beren <£rgebni§ einjufenben, um baS mit "bem Sittenamt befletbete ßoflegium, oon welchem alle (Dnabenfachen , öeförberungen unb $ienftoerleil)ungen abhingen, in ben Stanb $u fefcen, über bie 2Bürbigfeit unb Brauchbarkeit ber Bewerber ju urtheilen unb alle untauglichen *ßerfonen ju entfernen. 9cad) bem SJcufter beS grei* maurerorbenS würben geheime ÖJrabe eingeführt, ju Welchen bie SJcitglieber unter 2lufnahmeceremonien , bie gleichfalls bem grei* maurerorben entlehnt waren, ftufenweife emporfliegen. SRachbem fie auf ben Borftufen als „9)cinerüalen" unb „ftlerifer" beS DrbenS mit oorbereitenben Stubien beschäftigt unb auf jufünftige <Sröff= nungen über bie eigentlichen gmeefe ber Berbinbung hutgetoiefen worben , erfuhren bie erprobten auf ben höheren Stufen , in ben fogenannten „2Jcüfteriengraben", als s#riefter, iWagier, Regenten unb Könige, „ba& baS Unglücf beS SJcenfchengejchlechtS oon ber 9le* ligiou unb ber jperrfchaft ber Mächtigen herrühre unb ba&, gleia> Wie bie Religion aus SBafm unb Sßrieftertrug entfprungen , fo auch bie Sonberung ber ERenfchen in Hölter unb Staaten burch Sift unb (Gewalt oon glücklichen $lnma&ern bemerfftelligt worben fei, bajj aber bie *Borfehung bittet jur bereinftigen (£rlöfung ber 33cciiid)l)cit auS bem Stanbe ber Unterbrücfung unb drniebrigung aufbewahrt habe." £a*u feien bie geheimen SBeiSheitSfchulen be ftimmt, burch °e*cn SBirfen gürften unb (Gewalthaber oon ber @rbe

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$a8 beutfäe SRctc^ unter Sofepf) II.

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öerfchminben unb bic SJcenfchen nach Aufhebung ber gefettfehaft* liefen Söerfdjiebenheit unter bem ©chufce ber Sßernunft , als beä otteinigen ©efefobucheS , ot)ne Surften unb ^riefter parrianhalifch gufammenleben mürben. $)a$ fei auch ber geheime ©inn ber Sefjre beä gro&en ÜJceifterS öon 9cagareth gemefen, ber ba3 (Geheimnis be£ Himmelreichs feinen greunben offenbart, ben §Inbem nur in (Gleich* niffen angebeutet §abe. $ie $)ogmen öon bem Salle ber Sftenfchen, toon ber ©rbfünbe unb öon ber SBiebergeburt unb ber (Gnabe hat* ten feine anbere SBebeutung, als bog ber 2Renfdj auä bem ©taube ber urfprünglichen greifjeit unb 9lctnr)cit burch bie SDcadjt ber Xriebe unb Seibenfehaften in ben ßuftanb ber SBilbfjeit geraten unb auä biefem burdt) ^ßrtefter, ©taatSmänner unb (Gefefcgeber gu ber jefeigen unöollfommenen SBilbung geführt morben fei, burd) bie Staft ber aufgeflärten Vernunft jeboch gum Semufctfein unb freien (Gebrauch feiner angeftammten 2Bürbe mieber erhoben unb in baS föeich ber (Gnabe öerfefct roerben folle. $aä ©tjmbol be$ ©unbeä mar ein flammenber ©tern mit bem iöuchftaben G., ber bie (Gnabe, Gratia, b. h- bie 2luff(örung bcjcic^nctc , meldte bie öon Ü)r (Erfaßten unb (Geleiteten gu Qlluminaten, (Erleuchteten, madt)e.

Qnnertjalb meniger 3at)re gählte ber ©unb, ber urfprünglidj nur au* ^rofefforen unb ©tubenten ber ©tabt Qftgolftabt beftan* ben , Xaufenbe öon OTtglicbern , 'barunter üiele angefehenen unb einflußreichen Sßerfonen , bie ben übrigen SBunbeSbrübern gu roic^= tigen ©tetten in ©taat unb ®irdje üerfjalfen unb fie inSbefonbcre gu ^ringenergiehern , ©tubtenrätfjen unb ^ßrofefforen gu machen fucf)ten. $ie Orte unb ßanbfdjaften, in meiere ber söunb fid) (Ein* gang öerfdjafft hatte, erhielten Wanten au$ ber alteren unb mitt- leren Qtit, unb ebenfo nahmen bie 3JcitgIieber beä DrbenS bebeut* fame gefchichtliche tarnen an. 2Bei§houpt felbft nannte fich ©par* t a f u $ , um angubeuten , ba§ er bie ©flaöenfetten ber SGBelt gu fprengen beabfichtige. 3m nörblichen ©eutfdjtanb mar ber hannööe* rifche Sreiherr öon $ n i g g e , ein melterfahrener , mit bem grei* maurermefen oertrauter Mann unb gemannter ©chrtftfteller , ber ben Warnen 1) 1 1 o angenommen , bie £>auptftü$e bed DrbenS. Um bemfelben im fatholifchen $5eutfchlanb einen nachhaltigen (Sin* fluß gu fidjern, füllte gu äHaing unter bem $rote(torate be3 ftoab* jutorä ftarl öon Balberg, ben man für ben Drben gu intereffiren mußte , eine s2lfabemie ber SBtffenfchaften gegrünbet merben , gu melcher ein Pfarrer SBrunner in Diefenbach ben $lan entmorfen. (E3 fehlte jeboch ben jpäuptern beä OrbenS ber sibel ber (Geftn* nung unb bie .straft ber Uebergeugung. SBei^haupt felbft fpottete über bie proteftantifchen IfytoloQtn, bie in bem JJttuminatiSmuS ben wahren ©inn ber Sefjre $efu gu fmben glaubten unb öon bem* felben ba3 $eil ber SBelt ermarteten. „©ie fönnen nicht glauben",

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flaifcr Sofcpfj II.

fd)rie6 er an einen feiner Jöertrauten, „welches 2luf* unb 2lnfehen unfer ^rieftergrab bei ben ßeuten erweeft, fo ba§ grofce proteftans tifdje unb reformirte Geologen, bie Dom Drben finb, glauben, ber barin erteilte Religionsunterricht enthalte ben wahren (Helft unb ächten (Sinn ber chriftlichen Religion. D Sftenfchen, $u was fann man euch bereben! Jpatte ich boch nicht geglaubt, bafj ich noch ein neuer ©laubenSftifter werben foQte."

Qnbeffen fonnte bie $errfa)aft eines ©unbeS, ber über feine anberen Machtmittel oerfügte, als über SBerfpredmngen unb $)rofmngcn, auf bie Xauer feinen SBeftanb Ijaben. Ueberau traten ber ©igen- nufc unb bie ©elbftfucht ber (Einzelnen ftörenb unb berwirrenb ju Xage. $ie felbftbenfenben SJcitglieber wollten ntcr)t ©erzeuge, fonbern SBerfmcifter fein; Rubere fafjen ficr) in ihren Hoffnungen auf einflußreiche Stellen getäufdjt, weil $uuäd)ft 3eber felbft beför* bert fein ober bie bon ihm (Empfohlenen beförbert jehen wollte, unb bie an bie SHitglicber gefteflten ÖJelbforberungeit blieben in ben meiften Säflen unbeachtet, fo baß man fchliefjlich nur noch aus bem (Ertrag gebrnefter Sdjerj* unb Schmähbücher unb bon möglichen fiottcriegewinnften Slblnlfe ber eingetretenen ®etbnoth er* wartete. So geriete) ber ganje, auf unhaltbarer ÖJrunblage aufge* richtete Sau ins Schmanfen, um nach fnrjer Stauer in ftd) felbft 51t jerfaHen.

flcadjbcm bereit* 511 (Enbe beS 3ahreS 1783 mehrere baie* rifche 2)iitglicber au* bem Orben ausgetreten waren , entzweite {ich im folgenben Qafjre SöeiShaupt mit ftnigge, was bie (Entlaffung beS üefeteren aus bem SBunbe jur JJolge hatte. SöetSfjaupt war unborfichtig genug, feine Streitigfeiten mit ben ausgetretenen ober entlaffenen DrbenSgliebern burch 3)rutffchriften in bie Deffentlichfeit ju bringen unb babitrcf) felbft bie Slufmerffamfeit ber baierifchen Regierung auf ben Drben unb beffen Xreiben $u lenfen. $)ie Sotge babon War ber (Erlag einer furfürftlichen Sßerorbnung bom 22. Quli 1784, burch welche alle ohne laubeSherrliche Genehmigung errich* teten Vereine oerboten unb beren äflitglieber jum Austritt aufge* forbert würben. $a bie 3lluminaten fich um biefe 93erorbnung nicht fümmerten unb ber aus bem ©unbe ausgetretene Qofepl) Llfcfchnetber, Sefretär ber ^erjogin SJcaria $lnna, bem föurfürften ßarl $hcooor {ctbft ausführliche SJcittheilungen über ben Crben gemacht fyattt, 6C&°* berfelbe unterm 2. 9Warj 1785 burch ein fcfyarfeS (Ebift bei fchwerer Strafe bie $luflöfung ber ^lluminaten unb ber Freimaurer, wobei bie Üe|teren als eine „bon ihrer ur« fprünglichen Stiftung allzuweit abgewichene ©efeUfchaft" bejeict)- net würben. SöeiShaupt, ber furj Dörfer feiner Sßrofeffur entfetyt worben war unb ben bon ihm unter 3urüdroetfung ber ihm ange* botenen ^ßenfion geforberten Slbjrfneb als ein „ho^^üthiger,

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$a§ beuHdfje »tetch unter 3ofeph II.

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renommirter Sogenmeifter" erhalten hatte, hielt eS für geraten, fich weiteren Unanneimtlichfetten burch bie Sludjt ju entziehen. Radjbem bic Xenbenj beS DrbcnS burch eingeleitete Unterredungen noch flarer an ben Xag gelegt Worben, würbe ein $reiS auf bie Ergreifung SBeiSfjauptS tute auf bie eines Verbrechers gefegt ; er fanb jebodj in ötotfja bei bem ^erjog Srnft gaftliche Aufnahme unb eine fixere BufluchtSftätte. Von hier liefe er, tuöfjrcnb in Vaiern mehrere feiner ©enoffen mit Slemteröerluft unb ©efängnifj beftraft mürben, öerfcrjiebene ausführliche VertheibigungSfäriften ausgeben, in rocl* djen er feine unb beS DrbenS Verfolgung lebiglid) bem #affe ber ^rieftet gegen bie öon ihm öerbreitete „9lufflärungM auftrieb. $a= gegen gaben mehrere ber guerft ausgetretenen 9Jcitglieber umfaffenbe Erörterungen über bie gefährlichen Stoppten beS VunbeS in 2)raef ; auch würben bie mit Vefcfflag belegten Rapiere zahlreicher gUumi* naten auf Vefet)l beS turfürften öon Vaiern in München öeröffent* licht. $>ie Erwartung, baß biefe *ßublifationcn gro&eS Sluffehen er* regen unb auch anberen Regierungen Vcranlaffung $u emften üflaf}* regeln gegen bie gUuminaten geben mürben, ging jeboch nicht in Erfüllung, thetlS meil bie veröffentlichten ©eheimlehren beS VunbeS über Religion unb Staat im Söefentlichen nicht« SlnbereS enthielten, al« was bie gefeiertften Schriftfteller unter bem SBeifatt ber meiften Sürftenfjöfe in allen Xonarten vorgetragen hatten, tfjeilS auch meil Diele (Staatsmänner unb Beamten $u bem öJeheimbunbe in enger Vejiehung ftanben. ®ein gürft öon Vebeutung hielt eS ber 9)cuhe Werth, öon bem Vorgang irgenbmie ®enntnifj ju nehmen ober in feinem Sanbe Rachforfdmngen nach giluminaten anpeilen 511 laffen, unb fo fonnten bie 9Jcitglieber beS VunbeS in anberen Sänbern im Verborgenen ungeftört ihr SBefen forttreiben, mobei fte fich nur grö&erer Verficht unb Surücfhaltung befleißigten; öiele berfelben Zogen eS jeboch oor, ben gretmaurerlogen beizutreten.

2Bie bie StaatSummälzungSibeen Rouffeau'S, fo fanben auch feine päbagogifchcn ©runbfäfce in ^eutfdjlanb Slnflang, namentlich im proteftanttfehen Horben, mo ber bumpfe *ßcbantiSmuS beS in gciftlofen gormen erftatrten Unterrichts* unb ErziehuugSWefenS baS Vebürfnifj einer Reform befonberS fühlbar gemacht. Qm Qahre 1774 grünbete 3ofjann Vernharb V a f e b 0 m , ein proteftantifetjer Xheologe (geb. 1723 p Hamburg, geft. 1790 ju Eeffau), nach einem öon ihm entworfenen, im SBefentlichen auf Rouffeau'S 51n* fichten beruhenben Sßlane, ber neben ber 9luSbilbung beS ©eifteS burch eine rationellere Unterrichtsmethobe auch bie Entwuflung ber $örperfraft burch angemeffeue, hauptfächlich auf Abhärtung jielenbe Uebungen, nrie Schwimmen, Vaben u. bgl., im Sluge hatte unb fich babei, bem (Steifte ber Qtit entfprechenb, bie Aufgabe fteHte, ben Högling öor SlHem für bie irbifche SBelt heranjubilbcn, ju

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Äatfer 3ofepf> II.

$effau eine SJhifteranftalt , ba3 fogenannte h i * a n t r o p t n", baä jebodj im 3af)rc 1793, nachbem SBafeboto fetbft fdjon im 3al)re 1776 burdj S^rroürfniffe mit feinen SJcitarbeitern oeranla&t toorben , bie ßeitung ber Mnftalt nieberjulegcn , au* SJcanget an ©elbnütteln mieber einging.

Obgleich oon mehreren ©dmlmännern, bie ffa$ in bem tyfylan* tropin mit SBafebotoS ©runbfäfcen oertraut gemalt, üerfchtebene ähnliche 2(nftalten in* fieben gerufen mürben , unter benen befon* ber* bie burch ©aljmann $u @djnepfentha( gegrunbete längere 3eit eine« bebeutenben SRufeS genofj, ^atte boch ber „^fulantropi* niamuS" feine Xauer , meil bie ^fnlantropiniften bei ber ©e* fämpfung ber früheren Unterrichtämethoben in baä entgegeugefefcte ©ftrem oerfielen unb burch finbifche (Spielereien beim Unterricht ihren Möglingen ftatt eine* gebiegenen SBiffenS eine feilte Siel» mifferei unb einen oerberblidjen Xünfel beibrachten. Qnbeffen bleibt bem ^t)Uantropini*mu* ba* SBerbienft, jur Wbfteüung maiu eher oerjät)rten SJci&ftänbe im (Srjiehung3= unb UnterrichtStoefen be* proteftantifchen XJeutfchlanbS beigetragen unb inabefonbere $u toefcntlichen Serbefferungen im ©oltefchulmefen SBeranlaffung ge- geben au ^ben.

2)te lefcte »egieningSjeit Waria Xherefta'S.

(1763-1780.)

©i* ju bem Xobe Sfran^ I. mar ba* «erf)ältniß 3ofeph* $u feiner Sftutter ba* h^jüchfte unb järtlichfie gemefen; auch ™d) bemfelben bauerte ba* gute (Sinoernehmen jmifchen Reiben noch eine 9icit)c oon fahren fort, obgleich bie ®eringjchä&ung , mit xotU eher 3ofeph feine jtoeite (Gemahlin Sofepha , eine Xochter ®aifer #arl3 Vü., behanbelte , meil fie ihm minber fompathtfeh toar , aU feine erftc ÖJemahlin gfabeöa oon ^arrna , bie ihm im 3at)re 1762 nach Jtoetjahriger glütflicher ©f)e burch eine ©latternepibemte entriffen morben, ber $ai[erin gro&en Kummer bereitete. Allmählich jeboch entftanben Reibungen jmijchen bem faifer unb feiner 9Jcutter, bie ihren OJrunb auäfchlie&lich in ber SBerfdnebenheit ihrer fiebenS* anfehauungen unb SRegierungSgrunbfäfee hotten, unb bei bem Starr* finn, mit toelchem 3°feph on ben SJcarjmen ber moberneu Staat3= toei&heit, befonber* in Söejug auf rcligio&politifche Sragen, feft* hielt, unb ber gereiften (Stimmung, bie er in ber Söertheibigung berfelben feiner Üttutter gegenüber oft an ben Xag legte, geftaltete fich ba3 SBerhältnifc jmtfdhen Reiben , namentlich in ben lefcten ße* bendjahren ÜHaria Xherefia'3 , $u einem immer traurigeren; boch

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$ie le|tc SRegierungSaett Sßarta fcherefia'S. 519

blieb baS nicht mehr auSaugteichenbe Sermürfnig, in metdjeä befon* berS eine Stnjaht erft in neuefter Seit burdj ben ©oron Neroon in Srüffet aufgefunbener unb oeröffentlichter ©riefe ber ftaiferin an ihre intime Sreunbin, bie oermittmete Sflarquife b'^erjeae, einen tieferen ©inblicf gemähren , burch baS Sartgefüht ber ßaiferin ben Augen ber SBelt berborgen, unb menn bie tief befümmerte 9Hutter bisweilen in ©riefen an erprobte Sertraute ihrem bebrängten $erjen Suft machte, fo bat fte ftets am ©djtuffe berfelben bringenb, ihre ©riefe fofort ju bernidjten.

©dmu öor ber Xljronbefteigung Sofep^* II. ^atte ber im Qahre 1763 erfolgte Xob AuguftS III. oon Saufen unb $olen föufjtanb unb Greußen ©eranlaffung ju einer erneuten ©inmifdmng in bie Angelegenheiten dolens gegeben, bie, roie mir meiter unten hören merben, im Qa^re 1773 $u einer erften gemaltfamen Xtyu lung biefeS SanbeS führte. äftaria X^erefia mieS anfangt bie Aufforberung jur ©etheiligung an biefem (Uemaltafte mit ©ntfdjie* benfjeit $urücf ; nachbem jeboef) alle ihre ©emüfmngen $ur Verhütung ber beabfichtigten Qerftücflung dolens erfolglos geblieben unb ein jmifchen SRußtanb unb Greußen gefdjloffener X^eilungSoertrag bem SBiener £ofe bte ©eroi&heit gegeben , baß bie Anfdjtäge ber beiben 2Räct)te auf $olen nur burd) SBaff engematt vereitelt merben fönn* ten, gab fie auf baS drangen 3ofeph& unb beS gürften ®aumfc ihren SBiberftanb gegen ben beitritt }U bem oon 5riebrich unb ber (Ejarin entmorfenen EheilnngSplane auf. Allein pe fdjrieb an Äaunifc : „Als aOe meine Öänber angefochten mürben unb ich gar nicht rnctu" mu&te, mo id) ruhig nieberfommen foQte, fteifte ich mich auf mein gutes 9ted)t unb ben ©eiftanb ÖJotteS. Aber in biefer ©adje, mo nic^t allein baS offenbare 3ted)t t)immelfc^reict miber unS, fon* bem auch ööe ©iHigfeit unb bie gefunbe Vernunft miber uns ift, mufj ich befennen , ba§ ich mtc§ Seitlebens nicht fo beängftigt ge= funben unb mich fehen $u laffen fcf)äme. ©ebenf ber Sürft, maS mir aller SBelt für ein (Stempel geben, menn mir um ein elenbeS ©tücf oon $olen unfere @hre unb Deputation in bie ©chanje fchlagen. 3dj merfe mof)! , ba& ich <&*'w bin unb nicht mehr en viguenr; barum lag' ich ©ödjen, mieroof)l mit meinem größten ©rame, ihren 2Beg gehen."

©ereitä oor ber erften Xhe^u"9 Motens ^atte bie 3urd)t öor bem brohenben Anmadjfen ber ruffifdjen Stacht burd) einen glück lieh geführten Xürfenfrieg griebrid) IL ju einer Annäherung an Oefterretct) bemogen, unb ba 3°ffPh IL fcinerfeitS fdjon lange münfehte, ben $önig, oon beffen Degentengröße er eine hohe 9ttei* nung hotte , perf önlich fennen ju lernen , mürbe jmifchen beiben Monarchen eine Sufammen!unft oerabrebet , bie am 25. Huguft 1769 ju 9lei§e ftattfanb. ©eibe brüeften einanber bie größte $och*

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tfaifer Sofetf II.

fchäfcung au* unb unterzeichneten einen geheimen SBertrag , in roel* ehern ftc fiel) verpflichteten , ben jttuföen <ßreugen unb Defterreid) glüeflich jjergefteflten grieben mit aller Xreue aufregt $u halten unb bei etwa eintretenben politifchen Sernncflungen bie Dollfom* menfte Neutralität in Slnfefmng ihrer beiberf eiligen Seftfcungen $u beobachten.

$)ie $u 9eeifje jnrifchen beiben 9Jconarct)en au&getaufchten Sreunb* fd)aft*oerficherungen hmrben im fotgenben Safere bei einer jtüeiten Sufammenfunft berfelben ju SReuftabt in ÜJcäljren (3. September) erneuert, unb bie ©etheiligung Deftcrreic^d an ber gcrftücfelung ^olen* festen ba* annfehen ben beiben 2Jconard)en beftehenbe gute (Sinüernefjmen für bie $auer ficher $u fteHen. 9cicht*beftott)eniger mürbe ba*felbe balb geftört, inbem Sriebrich au* ben SReformbeftre* bungen be* ßaifer* im beutfdjen föeiche unb au* angeblichen Ser* cinbarungen be*felben mit ber (Saarin bie «bficht Qofeph* folgerte, nicht nur bie frühere 9Jcacht be* ftaiferthum* h^ftellen , fonbero auch ba* öfterreichifche ©ebiet bebeutenb ju erweitern, unb entfehtoffen mar, ber 2lu*ffihrung beiber Richte mit allen ihm ju ©ebote ftehen= ben TOitteln entgegen ju treten.

SlHerbing* lag e* in ber Wbftcht Qofeph*, feine §au*macht in 2)eutfchlanb ju üerftärfen, aber nicht auf bem SBege ber ©roberung, fonbern auf bem be* Vertrag*. $>a ber fturffirft SRayimilian 3o= feph oon ©atern feine ©ohne hatte, fiel ba* baierifche fianb nach feinem Xobe an feinen Setter , ben fhirfürften Äarl Xheobor oon ber $falj, unb ba biefer gleichfalls ohne erbberechtigte ftachf ommen mar, fnüpfte Qofeph H- nttt bemfelben Unterhanblungen megen ber Abtretung eine* großen XheilS »on Saiern an, auf welchen er ohnehin ade ©rbanfprüche geltenb machen ju fönnen glaubte. ®arl Xheobor mar ju biefer Abtretung gegen bie Sufage bebeutenber perfönlicher SBortheile bereit; boch noch ehe bie 3"ftimntung feine* eigenen (£rben, be* $>er$og* Äarl öon $falj 3meibrücfen , gu bem jmifchen ihm unb bem $aifer bereinbarten Sertrage hatte eingeholt merben fönnen, ftarb ber Jhirfürft SJcarjmilian Sofeph öon Saiem am 30. ^ejember 1777 unerwartet an ben Äinberblattern. Db* gleich Sftaria Xljerefia menig mit ber ganzen 6ad)e einüerftanben mar unb ju berfelben nur mit SBiberftreben ihre (finmilligung ge* geben hatte, befefcte Sofeph fofort , auf ©runb be* mit $arl $he°5 bor am 3. Qanuar 1778 jum Slbfchlug gefommenen Vertrag*, ba* in 9tebe ftehenbe baierifche Gebiet.

Snjmifchen hatte griebrict) II. gleich nach bem Xobe be* #ur* fürften SJcarimilian Sofeph oon SBaiern ben trafen ©ör§ an ben #erjog oon $fal$*3meibrücfen entfanbt, um benfelben jur ©eltenb* machung feiner (Sxbanfprüche unter *ßroteft gegen ben jttrifchen bem Älaifer unb bem neuen fturfürften oon Söaiern gcfchloffenen Vertrag

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2>ic lefrte flegterungfyeit TOaria Sherefta'3.

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ermuntern unb Um zugleich aufforbern ju laffen, bei Greußen #ilfe zu fucben. Obgleich ber ©erzog ben 2lft ber äufrimmung ju bem fraglichen Vertrage bereits unterzeichnet r)attc , liefe er ftd) bereben, ben Jetben jurücfju^alten unb mit bem ®önig bon Greußen am 8. 3Rärj 1778 einen Vertrag ju stießen, in melc&em ber ßefetere fich oerpflichtete , bie föedjte be* $>aufe* ^fata^meibrücfen auf bie Nachfolge in ©aiem „gegen bie ungerechten Slnfprfiche be* SBiener $ofe8" mit feiner ganzen SRadjt gu öertheibigen.

©chon im ßaufe be* 3flonat3 Januar ^atte griebrtch ju bie* fem gmecfe im ©ritten eine Sttobilmachung angeorbnet. £a in* Ztoifchen auch üon fturfadjfen unb aflecftenburg s2lnfprücr)c auf ein= Zelne $heile be* baierifchen Gebietes erhoben morben maren , trat er in ber ©igenfchaft eine* ©achmatter* auf, obgleich feine 93e* recbtigung baju oon Defterreich beftritten mürbe unb ßaunifc bie ©rflärung abgegeben hatte : ber faifertiche £>of merbe nicht jugeben, baß ein föeichsftanb fich jum SBormunb unb dichter feiner 9)(itftänbe auftoerfe ; um jeboch 3eit $u gewinnen, bie (Sefinnungen ber großen dächte ju erforfchen unb ju erfahren, auf toeffen SBeiftanb er jahlen fönne, jog er bie gange ©ache gcfliffentlich in bie Sänge. 2ln eine (Sinmifchung ©nglanbS in biefe Angelegenheit mar megen be* im 3ahre 1775 aufgebrochenen Krieges biefer Ütfacht mit ihren norbamerifanifchen Kolonien nicht ju benfen ; bagegen zählte grieb* rieh, wenn nicht auf bie frilfe, fo boet) auf eine entfd&iebene 9ieu> tralität granfreich*, ganj befonber* aber auf bie 2Ritmirfung feiner getreuen ©unbeSgenoffin , ber ®aiferin Katharina, faß« nicht etma ein ftrieg SRußlanb* gegen bie Xürfet , ju meinem äße Anzeichen üorhanben maren, bie Gräfte ber ßjarin auSfchlteßlich in Anfpruch nähme. SBährenb er felbft in ©etymen etnzufaßen gebachte, hoffte er bie (£jarin beftimmen ju fönnen, burch ©alijien unb Sobomerien ein #eer in Ungarn einrüefen ju laffen, um fomohl ijitt al* in Kroatien, im öanat unb in Siebenbürgen bie fcht*matifchsgriechifchen Unterthanen Defterreich* gegen ihr ©errfcherhau* unter bie SSaffen ju bringen.

Unterbeffen hatte 3ofeph feinerfeit* im grühjahr 1778 auf Ungarn, Qtalien unb glanbern Xruppen nach ©öhmen gezogen unb baburch bem #önig öon Greußen SBeranlaffung gegeben, feine ifriegöborbereitungen ju befct)teunigen. 3mei preußifche ©eere, jebe* öon achtjigtaufenb 2Jcaun, fefoten fich, &a* eine öon Berlin, ba* an* bere oon ©cfjlefien au* , gegen bie böhmtfehe ©renje in SBeroegung. Wit bem lefcteren bezog griebrich felbft, ber fidt) am 4. April oon öerlin nach ®re*lau begeben, ein öerfdjanzte* ßager in ber ®raf= fdmft (SJlafc. S3on hier au* unterhielt er, um ben beginn be* Stiege* bi* 5 um (Eintreffen fixerer Nachrichten oon bem gleichzeitigen 58or* marfch Stoffen oerzögern ju fönnen, mit 3ofef>r) II. einen leb*

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Äaifcr $ofepl) II.

haften ©rieftoechfel , ben er mit ber Cftflärung beenbete, er toerbe bie längere SBeigcrung DefterreichS , feine Xruppen au* ©aicm äurücfyujiehen, für einen #rieg3fafl anfehen. $a Sofeph bei feiner Steigerung beharrte, rütfte Sriebrid) fofort in ©ö^men ein.

9kd)bem eS hier gtt einigen flehten ©dwrmüfceln gefommen, fanbte Hftaria Xfjerefia , bie fehnlichft ttriinfdjte , ben ^rieben herge- fteHt gu fehen, im Äuguft 1778 ifjren 9tfinifter Xfmgut in baS Säger SriebridjS bei ^Braunau, mit bem Auftrag, hinter bem dürfen 3ofeph$ mit bem $ömg über ben grieben unterhanbeln, unb in ber $hat jeigte fich ber £önig, beffen $eer fich bieSmal in burdmuS ungenügenber SBerfaffung befanb , meil griebrich feiner ©emohnheit gemäfj ade Anorbnungen felbft hatte übermalen moüen , ohne bei feinem üorgerütften Alter biefer Aufgabe genügen ju fönnen, einem gütlichen Ausgleich geneigt ; allein 3°feph> ber in feinen frie* gerifchen (belüften burch $aunifc beftärft mürbe, mar fehr ungehalten über bie gepflogenen Unterhanblungen unb fdjrieb an feine Sflutter : menn fie grieben fchlie&en mofle, fo merbe er nie mieber einen gufj nad) SBien fefcen.

Obgleich in golge beffen ber $rieg fortgefefet mürbe , fam e& ju feinem irgenbmie nennenSmerthen Unternehmen , unb fdmn im September 50g {ich griebrich, ber e3, ohnehin nicht mehr ber Alte, nicht magte, baä öfterreidufche |>eer in feiner trefflichen Stellung anzugreifen, unb beffen Xruppen überbieä an allem Röthigen Langel litten, nach ©djlefien 5urücf. S)ie Defterreidjer rücften hierauf gleich5 faüä in 0berfd)lefien ein ; boch blieb auch hier °ei einigen unbe* beutenben QJefcchten, in melden fich bie öfterreichifche Reiterei im Allgemeinen ber preufiifchcn überlegen jeigte.

griebrich felbft, ber fich in feinen auf granfreid) unb SRuftfanb gefegten Hoffnungen getäufcht fah unb bei ber immer meiter um ftch gretfenben $emoraltfirung feines £eereä auf feine bebeutenben SBaffenerfolge hoffen fonnte, münfdjte jefct fehnlich ben trieben, unb ba Qofeph II. fich Duwh oie Abneigung feiner Sflutter gegen bie gortfefcung be$ Kriege* in feinen Unternehmungen gleicbfallä gehemmt fah, nahmen beibe Sftächte bie üon granfreid) unb föufc lanb auf ÜÄaria Xherefia'd ^Betrieb angebotene griebenaüermittlung an. Sftachbem im 2flärj 1779 ein SBaffenftiüftanb gefchloffen toor* ben, mürbe am 13. Sftai ber „baierifche ©rbfolgefrieg" üon ben ©olbaten megen feiner unbebeutenben ©reigniffe fcherjmeife ber „ßartoffelfrieg" genannt burch &en oon granfreid) unb 9tu&= lanb »ermittelten grieben üon % e f d) e n beenbigt , in meinem 3ofeph gegen bie Ucberlaffung beä üon ben glüffen 3)onau, 3nn unb Salja umfa&ten baierifchen (Gebietes, be* fogenannten „3nn* üicrtclS," allen meiteren Anfprüchen auf ©aiern entjagte, mährenb ber $urfürft oon ©adjfen für bie üon ihm erhobenen Anfprüche

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3)ie lefcte SRegierungSsett SRaria £herefta'ft. 523

fed)3 2RilIionen Bulben erhielt unb bem #erjog oon SRecflenburg für bic {einigen ba£ *ßrioilegium de non appellando bie 93e* freiung öon ber Verpflichtung , bie (Sntf Reibungen feiner ©eridjta* r)öfc ben Reichsgerichten ju unterwerfen jugefprodjen würbe. £a ber griebe oon Xefchcn nicht nur oon granfreich, fonbern auch bon ber (Sjarin geroär)rteiftet Würbe, fo War burrf) benfelben für föußlanb bie 93af)n jur ©nmifchung in bie inneren Angelegenheiten $)eutfchlanbS gebrochen.

SJcaria i^erefia überlebte bie #erfteHung beä griebenS nur anbertfjalb 3af)re. @in SBruftfatarrh , ber fie am 20. SRooember 1780 befallen, entwicfelte fid) balb $ur ausgekrochenen ©ruft* Wafferfucht. £ro|j ber fteigenben AthmungSbefchwerben, bie fte mit frommer Ergebung in Den Sßillen ©otteS ohne £aut ber ®lage unb ot)ne jebe Regung ber Ungebulb ertrug, wibmete fie ben ©taats* gefchäften fortwährenb bie regfte Xt)eilnaljme. «ftachbem fie bie ^eiligen ©terbejaframente empfangen , nahm fie oon ihren in SBien anwefenben Sfrnbern Wbfchieb , fegnetc fie unb empfahl bie ©r^ herjoginnen ber befonberen gürforge beä ÄaiferS. Als am Abenb beS folgenben XageS bie Söcflemmungen junahmen , bat fie , bie genfter $u öffnen, unb machte einen SBerfuch, fich au$ bem £efm= ftul)I ju erheben, in welchem fie bie lefcten 2age augebracht; Sofeph, ber fie fchmanfen f ah , fprang hetau , boch in bemfelben Augenblicf fanf fie entfeelt aurücf. ©ie ^attc ein Alter oon bierunbfechjig Sahren erreicht.

$ie Nachricht bon bem $infcheiben ber aEtoerehrten ftaiferin rief in aflen Sänbern ber öfterreichifchen Monarchie bie unge* heucueltfte Xrauer h«öor. 3eber fühlte, baf? ein gro&cä, bebeu* tungSooüeö, ruhmwürbigeS ßeben erlofchen mar, unb bie @rinne= rung an bie Sfraft unb 2Jcilbe ihres SBefenS , an ben ©egen , ber oon ihr ausgegangen, lebte fort in Dielen Saujenben banfbarer #erjen. „2)ie Wohlthöfen Söirfungen ber SJca&regeln , welche 2ftaria %i)txi\\a ergriff", fagt Arneth, nachbem er bie §aupt* momente ihrer fegenSreichen SBirffamfeit herborgehoben , „mürben balb allgemein fühlbar, unb noch jefct wirb bie Seit ihrer SRegie* rung nicht nur in ben ^robinjen, Welche ben ®ern ber Monarchie bilben, fonbern auch in ben bamaligen öfterreichifchen 9cieberlanben, in ber Sombarbei unb in Ungarn als biejenige ber fchönften SBlüthe biejer ßänber einftimmig gepriefen

1) 93on ben feeb^ehn tfinbern, roeldje Waxia £f)erefta geboren, überlebten fte $eljn: 3ofeph Äatfer unb (Srbe oon Defierreidj; Seopolb, ©rofc fjerjog oon !£o$fana, Mter #aifer; gerbtnanb, burd) bic SSennft^lung mit Ataxia Beatrix, oon ©fte, öerjog oon 9flobena; SR ajtmüi an gran*, ©rofemeifter beS beulen Drben«, fpftter floabjutor oon fünfter unb Wurf ürft

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Saifer Sofetf II.

£er beutfche ftürftenbunb.

(1785.)

$er Xob SEaria X^crcjio^ mecfte auf« 9fteue bie ©eforgniffe ftriebrichS II. bezüglich ber Sttachtttergrö&erungSplöne beS ÄaiferS. „SJcaria X^etefta ift nicht mehr! (Sine neue Drbnung ber 5)tnge beginnt!" färieb er auf bie erfte SRadjrtdjt oon bem £)infd}eiben ber $aiferin an fein ÄabmetSminifterium. Seine ©eforgniffe fdjie* nen jebod) unbegrünbet; benn in ben erften Seiten feiner Mein* regierung toanbte Sofept) feine ganje Äufmerffamfeit ber inneren Skrroaltung feiner öfterreidufchen ©rblänber $u, bereu ooUftänbige Umgeftaltung fd)on Iangft bei it)m befdjloffene Sache gewefen. $aS $rojeft ber Erwerbung $aiernS tyatte er jeboch nicht aufgegeben, unb im 3a^re 1785 machte er, im ©inoerftänbnifj mit ber Sjarin, mit welcher er fidj feit bem Srteben oon Xefchen $um großen 33er* bruffe grtebrichS mehr unb mehr befreunbet hatte, unb bem gleich* falls mit ihm berbünbeten franjöjtfchen £>ofe, bem fturfürften #art I^eobor oon Sßfal$=©aiern ben SSorfchlag, bem £>aufe Defterreidj gegen bie Abtretung ber öfterreichifchen ftieberlanbe , mit 9lu8fchlu& oon ßujemburg unb SRamur, unter bem Xitel eines Königreichs 93urgunb unb bie «ßahlung einer Öaarfumme oon brei üWittionen Bulben baS fterjogthum ©aiern, bie Dberpfalj, bie gürftent^ümer SReuburg unb ©ufybach unb bie ßanbgraffdjaft ßeudjtenberg ju überlaffen.

®arl Xljeobor, ber mit feinen baierifc^en Untertanen auf ge* fpanntem gufje lebte unb für ben ©lang einer ÄönigSfrone fefjr empfänglich toaxt ging bereitwillig auf biefen Sorfajfag ein. Um bie 3uftimmung beS ixrjogS oon Sßfat^Smeibrücfcn ju erlangen, mürbe ber ruffifdje ©efanbte am oberrt)einifa)en Streife, ®raf ffto* manjow, beauftragt, benfelben öon bem getroffenen Slbfommen in Äenntnig ju fefcen unb it)m babei ben beabfidjttgten £aufd) als eine feft betroffene ©ad)e barjuftellen , bie, oon föu&lanb unb granfreidj gebilligt , unter allen Umftänben $ur Ausführung ge- langen werbe. 5)er ^er^og üerweigerte nichtSbeft omeniger bie oon ihm geforberte Einwilligung uub beeilte fich, bem #ömg oon Greußen oon ben ihm geworbenen Eröffnungen 9Rittheilung ju machen. Sriebrich fchrieb fofort an bie Ejartn unb befchtoor fie, „bei ihrer

tum Äoln; 3ttarta Anna, «ebtiffin in «rag unb fltaflenfurt; SRaria Ghrifttne, ber befonbere fiiebting ber Sfaijcrin, oermfth» mit bem |)e^og 91 ( bert oon 6achf en*£ef djen ; 9Raria@lifabeth, Äcbti jfin in ^nnSbrucf ; Sftaria Amalie, ©emaljlm beS £>erjofl8 fttrbinanb oon $artna; 9Jcaria Caroline, oermählt mit bem tönige fterbinanb IV. oon Neapel, unb 9Rarla Slntoinette, ©emahlin ßubnrig* XVI. oon grontreich.

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$>er beutfdje prftenbunb,

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alten greunbfchaft unb Slflianj, bie er noch nicht gan§ erlogen glaube/ bie ?lu«führung eine« fo gefährlichen (£nrttmrf«, ber tf)r eigene« glorreiche« SBerf, ben grieben Don Steffen, gänzlich ju jer= ftören brohe unb bem er felbft fid) mit allen feinen Gräften nriber* fcfcen muffe, ntcr)t zuzugeben. Heimliche SBorfteüungen fanbte ber Herzog t>on Smeibrücfen nach $eter«burg. $)ie (Sgartn erflarte: „<Sie fei meit entfernt, einen 3wang ausüben ju tuoflen. 6ie fyabt geglaubt, bog ein freinrifliger unb billiger Xaufdj mit bem Srieben bon lefchen fcr)r roof>l beftefjen fönne, unb bafj ber oon bem beut* fcr)cn ®aifer oorgefchlagene Xaufdj nach ben üon bemfelben gefteßten Söebingungeu bem jjfäljifd)en £>aufe nur S3ortr)eitc gemahre. $cr Herzog öon Sroeibrücfen möge jebodj ganz nach feinem Qntereffe ffanbeln, unb roenn er bem $aufche feine Suftimmung öerfage, fo tocrftecjc ftcr) öou felbft, bog bamit bie ©acfje erlebigt fei". 2)a granf* reic^ bie gleiche ©rflörung ab^ab, ftanb ber $aifer oon feinem Sßlane ab, inbem auch er errTärte, bafj er nie baran gebaut fyabt, ben be* regten 2lu«taufch erjmingen ju motten.

5Dtc ganze ©acfje mar fomit erlebigt, unb griebrich f)arte feiner* tet (Srunb ju meiteren ©eforgniffen. 9licf>t«beftotoemger benufcte er ben SBorfaü jur SBerurirflichung eine« längft entworfenen *ßlane« burch welchen jeber Üftacfjtoergröfjerung Defterreich« oorgebeugt unb bem ®aifer bie 2Köglichfeit benommen iuerben foßte, in bie beftehenben 9teid)3öerl)ältniffe irgenbroie reformirenb einzugreifen, ober nach grieb* rieh« SluSbrucfStoeife, „bie föeichSoerfaffung zu üerlefcen." Um biefen Stoecf 5U erreichen, foDten bie 9ieichSfürfteu ju einem Söunbe zu* fammentreten, ber jebem Eingriff be« ßaifer« in bie fechte be« einen ober be« anbern ber beutfehen ©tänbe mit oereinten Gräften entgegenzutreten ftetS bereit fei.

2)ie 3bee ju biefem „gürftenbunb" mar in bem ®önig er* macht, al« ber Üatfer im Qahre 1780 bie (Stooählung feine« SBru« ber«, be« Shrzherzog« äRarunilian granz, jum Soabjutor be« $ur* fürften oon ftöln unb SBifdjof« oon fünfter, 3ttajimilian griebrich, burch bie betreff enben $5omfapitel burchgefejjt fyattt. „Unfer $8ünb- m&", r)eigt in bem (Sntnmrf, ben griebrich am 24. Dttober 1784 feinen $abinet«miniftera ginfenftetn unb £>erzberg jugefchieft, „fofl nur bie Söefifcungen eine« Seben ftchern unb oerfunbern, bog ein herrfchffichtiger unb unternehmenber Reifer einmal bie ganje beutfdje iBerfaffung umftürjt, inbem er fie ftücfmeife zerbricht. SBenn man nicht in fetten borfet)rt, fo mirb ber ®aifer alle feine 93et* tern mit beutfehen ©isthümern, @rjbi«thümern unb Äbteien Oer* forgen, biefelben bann föcularifiren unb auf allen Reichstagen burch bie Stimmen feiner Oettern ba« Uebergetoicht behaupten. X märe für bie geiftlichen dürften. $lber auch toeltlichen (jabcu ein ^ntereffe, einem ©ünbniffe beizutreten, melche« ben ftaifer in

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Äaifer ^ofe^ II.

allen Slnfprfidjen fjemmen mürbe, bic er auf ifjre ©taaten machen fönnte, ttrie mir neuerlidj in ©aiern gefetjen fwben. (£in nidjt minber mistiger ©egenftanb ift ber SReidjStag in SRegenSburg unb baS ftammergeridjt ju SBefelar. Stimmt man nidjt bei geiten gute Sfta&regeln, biefe alten @inrid)tungen jii erhalten, fo nrirb ber ®atfer fie benufcen, um feinen Despotismus in ganj Deutfdjlanb geltenb ju machen. m

Sftadj bem ©Reitern beS oon 3ofep§ entworfenen Xaufdjpro* jefteS fefcte fid) griebrid) junadjft mit ben Äur^öfen Don Bresben unb §annooer in* (Stnoerneljmen, unb ba biefelben feine ©eforg» niffe megen ber ©ergrögerungSpläne beS ÄaiferS teilten, fanb er bei itjnen für feinen $lan ein geneigtes Df>r. Dfme föüdfidjt auf bie ÜKatjnungen beS ®atferS, ber oon ben angefnüpften Untertjanb* lungen ftunbe erhalten, „gefjäffigen (Srbtdjtungen unb fallen ©or* ftellungen oon bebenflidjen $bftd)ten beS #aifert)ofeS feinen ©lauben beijumeffen unb fid) nid)t ju oerbünben gegen Äaifer unb SReid)," fdjloffen bie brei fturljäufer ©ranbenburg, ©adjfeu unb $annooer ben „beutfd>en gürftenbunb." 3n bem am 23. 3uli 1785 öon ben ©eoollmäctyigten berfelben jit ©erlin unterjeidmeten ©unbeS* vertrag oerptüajteten |taj Die zoerounDeten, „gemeinjam über Die (Spaltung ber beutfdjen föeidjsoerfaffung ju madjen, jeben 9teid)S* ftanb in ©efifc feiner ßänber unb ©ercajtfame $u fluten unb fidj allen unerlaubten 2fla&rcgeln in bem Söege ber Drbnung ju toiber* fefcen." Slujjerbem gelobten fte in ben bem ©ertrage beigefugten geheimen Wrtifeln, bem ÄuStaufdje öon ©aiern nadjbrütflidtft ent« gegen ju toirfen, unb fteüten für ben gall eine» bieferfwlb aus» breajenben Krieges bie Xruppen$af)l feft, toeldje jeber ber brei ©er* bünbeten für benfelbcn ju fteflen t)abe.

Der (Sinlabung ber brei Shirljöfe $um Slnfdjlug an ben Surften* bunb folgten balb bie £>erjöge öon ©raunfdjtoeig, oon ©adnen*©ott)a, öon SBeimar, öon jjtocibrücfen unb oon äRecflenburg, bie SJcarfgrafen oon s2liiSbad> unb oon ©aben, ber Sanbgraf oon Reffen Gaffel, ber ©ifdjof oon DSnabrücf unb brei gürften oon Slnfjalt, julefct fogar ber im 3afjre 1774 burd) öfterretc^ifc^en @influ| gemähte tfur* fürft Oon iücainj, griebrid) Äart Sofept) Oon ©rtyal, ber fid), fo lange 2Raria Xfjerefia lebte, als treuer «ntjänger beS (Sr^aufeS gejeigt chatte.

Drofc ber feierlichen ©erfic^erung griebria^S, baS ber ©unb feinen anberen gmeef ^abe# als bie (Spaltung unb ©id^erftellung ber beutfdjen SReia^Soerfaffung, erhoben fta^ $at)lreid)e ©timmen ge* gen benfelben, unb felbft ber preuSifa^e ÖJet)eimeratt) Doljm, ber bei bem ^(bfc^Uig beSfelben eine ^eroorragenbe 9lolle fpielte , be* rietet, ba6 nic^t nur 2lnt)änger Oefterreia^Sf fonbern and) rooljl* gefinnte Patrioten fic^ mt^billigenb über ben ©unb auSgefprod>en

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3«>fep$» II. ftaatH^e Reformen in feinen @r6tänt>em. 527

unb bic grage aufgeworfen hätten: „worum man bic ©ebenfen, bic man Imbe, nidjt bem föeidjoberfmupte felber üortrage, ba$ fidt> ja ju einer SBerbinbung mit aüen föeid)Sftänben erboten, weldje bie SBerfaffung in ©efa^r glaubten, unb was überhaupt gefd)ef>en fei, um fo oiel SDcißtrauen fjeroor ju rufen? $er ßatfer Imbe bem pfäljifdjen #aufe einen Xaufdj angeboten unb auf bie Steigerung eine« aNitgliebeä biefeä #aufe3 fofort fein Angebot fallen laffen, in feinem Vorgehen liege fidjer nichts Unrechte* unb ©ewaltfame«, nod) irgenb welaje SBebrofmng für ba3 töedjt unb bie Srei^eit 2ln» berer." 2>en geheimen ßmeef aber, melden Srtebrid) bei ber ®rün* bung be3 gfirftenbunbeö im Sluge ^atte, Derrtetf) $ofmt felbft, inbem er fd)rieb : „(£3 ift für baä ©leidjgemiajt ßuropa'S öon ber äußerften 3Bta)tigfeit, baß granfreidjS <Waa)t gegen Defterreiaj niajt aO>fe()r gefdjmädjt werbe. 5X0cu 9ftärf)ten muß baran gelegen fein, baß Defterreidj feine fdjWadje Seite bura) ben SBefifc ber Weberfanbe nia)t oerliere unb burd) ben Erwerb Don ©aiern nid)t granfreid) für immer außer ©tanb fefce, im beutfdjen Steide 93unbe$genoffen ju f)aben unb, wenn unter biefen, wie natürlid), ber Regent ©aternS fid) befinbe, burd) ben ^3eft^ ber $onau geführt, bis ins ^erj ber öfterreidufcfjen (Staaten einzubringen ein in ber Xf)at fajon mefjr ab einmal entworfener unb fet)r einfacher $fan."

3ofepl)g II. jtaatUdje Reformen in feinen erblanbern.

(1780-1790.)

3e mefyr fidj 3°fcPf) H- bei Seibjeiten feiner Butter in fei- nem (Einfluß auf bie Verwaltung Defterreidj befdjränft gefefjen fjatte, befto größer war naa) iJjrem Xobe fein (Stfer für bie S)urd)füf)rung ber Don U)iu für not^wenbig erachteten ^Reformen. Sine Steife, bie er im Qaljre 1777 unter bem tarnen eine« trafen öon 3alfen= ftein nad) fjranfreid) madjte, wo brei Safjre früher ßubmig XVI., ber ©emafyl feiner ©djwefter SRarta Slntoinette, ben Xfjron beftte* gen, fjatte ifjm (Gelegenheit oerfdmfft, bie SBortfüfjrer ber Slufflä* rung unb ber neuen <5taat3mei3()eit: b'2llembert, SRouffeau, *8uf= fon, ben ginanjmann üfteefer, ßubmtgS XVI. ÜRinifter Xurgot baä Jpaupt ber „s4tyiifio traten1', bie in ber £) ö rieten iölüttjc be*üanbbaueö bie ergiebigfte Guelic be3 xBolföreicr^ttjuniö unb be» ©taatäwof)le3 faf)en u. perfönlid) fennen ju lernen unb im eifrig gepfloge- nen SBerfefjr mit Urnen, ben er ber ^Beteiligung an ben üim $u CStjrcn oeranftalteten Jpoffeften oorjog, jidj eingefjenb mit üjrcu 3been oertraut $u madjeu, unb mit bem feften (£ntf$tuß, it)rc ©tifteme in feinem ©taate ju üermertfjen, war er in feine £>eimatl)

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flaifer gofepf) II.

jurücfgefehrt. 9lber nrie feine öerfef)lte (£r$iehung feinen hochfah* renben ©inn, anftatt it)n ju öerebeln, nur $urücfgeftofjen, fo harte it)n ber mangelhafte Unterricht, ben er in feiner Sugcnb genoffen, nic^t ju einem grünblichen SBiffen, fonbem nur ju einer einseitigen unb oberflächlichen Sluffaffung ber Dinge geführt. EIS „erfter Die- ner beS ©taatcS,* als melden er fich, gleich griebrich H.# ben ©runbfäfcen ber h^rrfchenben ^hüofophie cntfprechcnb , anfah , Jidt er es für feine Pflicht, audfe^tiegtidt) für baS SBohl feiner ©ölfer $u leben; aber baS fogenannte „©emeintuohl", baS ju förberu er als feine erfte unb hödrfte Aufgabe betrachtete, faßte er nicht nach ben Söebürfniffen beS unter ben mannichfaltigften SBerhältniffen im ©taate lebenben SWenfchen, fonbem nach einem ganj abftraften begriffe oom ©taate auf ; baher gerieth feiner reformatorifcheu Xhötigfeit überall mit ber SBirflichfeit in «onflffl unb fonnte für feine ©djüpfungen nur burch baS Sertrümmern ber beftehenben Serhältniffe ©oben genrinnen, öeblenbet burch bie Erfolge, bie griebrich II. bei feinem fülmen Durchbrechen alter NechtSfchranfen er* rungen hatte, unb oon ber Ueberjeugung erfüllt, baß feine beabftchtig* ten Neuerungen ebenfo Diele ©erbefferungen feien, hielt auch er fich an bie in feinen ©taaten beftehenben NechtSjuftänbe nicht gebunben unb riß mit unerbittlicher NücffichtSloftgfeit alles nieber, maS ihm im SBege ftanb.

2Bar fet)on burch bie Unjufriebenheit, bie biefe jerftörenbe SBtrffamfeit unter ben baoon betroffenen h^borrufen mußte, bie Dauer ber Neuerungen 3ofepf)S in grage gefteflt, fo trug bie lieber* ftürjung, mit melier er in feinem ruhelofen Dhatenbrang bei ber Umgeftaltung beS öfterreidufchen ©taatSmefenS ju SBerfe ging, nicht weniger baju bei, ben ©oben feiner Schöpfungen ju untergraben, unb jo hatte er nicht nur ben ©chmerj, für feine guten Sibfichten, nrie er glaubte, Nichts als Unbanf ju ernten, fonbern er far) fich auch genötigt, üerfchiebene feiner bermeintlichen Reformen felbft fturücf ju nehmen.

3ofepf)S reformatorifche Dhötigfeit erftreefte fich über alle ©e= biete beS ©taatSlebenS : über Sieferbau, $anbcl unb gnbuftrie, über bie Rechtspflege, baS ginanj= unb ÄriegSmefen, über bie ©d)u* len unb bie fachlichen ©erhältniffe. Dabei wollte er, als ©elbft* herrfcher im Reifte griebrichS, ben er fich nach feiner eigenen aus* brüeflichen (Srflärung jum ©orbilbe genommen, öon feinem tabi* nette aus, in roelchem er mit feinen ©efretären öom früheften 9)corgen bis jum fpäteften s2lbenb raftloS arbeitete, nicht nur ton Mem eingehenb ßenntniß nehmen, fonbern auch 9Iöed felbft lei* ten unb alle (Sntfcheibungen bis ins $leinlichfte felbft treffen, ohne ju bebenfen, baß baju toeber feine ftraft, noch f«ne ©inficht auS= reichte. Die ©Reiben beS ©taatSorganiSmuS burchfehaute er jmar

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Sofe^S II. ftaatlidje Reformen in feinen Grbtönbern.

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mit fcharfem ©liefe; ober in ber 2Bat)l ber Heilmittel beging er bie öerhängmfeüollften Mißgriffe.

Unter ben SRathgebern QofephS ™§m *>er «" 3*$« 1764 öon Sranj I. in ben föeichäfürftenftanb erhobene GJraf SSenjel öon ® o u n i | , ber auch nach bem $obe Flavia $herefta% unter 3o-- feph EL, wie unter beffen ©ruber unb Nachfolger ßeopolb IL, £of.- unb ©taatäfanjler blieb, bie erfte Stelle ein. %ti Staate mann ganj ein ßinb feiner 3ett, mar f aunife jugleid) ein ©emunberer Voltaire'«, ber it)m trefflich $u fdjmeicheln mußte, unb feine Wn* fchauungen über ba3 ©taat3* unb IHrchenleben übten auf ben ßaifer einen bebeutenben (Sinflufe au«. Sieben ftaunifc genofe ba3 f)öa^fte ©ertrauen beä ftaiferS fomie beffen befonbere greunbfehaft , ber ®raf Sfo^ann Wlipp öon Sobenjl, ben 3ofeöl) befonberS $u mistigen 9#iffionen gebrauchte. Sluch bie $äupter ber SBiener gretmaurer: ber greifen; öon tfrefel, ber befonberS bie geiftlüfjen Angelegenheiten ber Monarchie leitete, ber Seibarjt öan ©mieten, ber $>ofratf> öon ©onnenfelS u. 21., hatten fich im SRatlje be* $aifer$ einen fdjmerroiegenben Hinflug ju öerfchajfen gemußt, ob* gleich Sofeph felbft nicht greimaurer mar, öielmehr in feiner fpä* teren Slegierung^eit gegen ba3 übermächtig geroorbene 9Kaurer* thum, öon beffen gaben er fich ringä umfponnen fah, einfdc)ränfenbe SHaferegeln ergriff.

Um bie einheimifdje Qnbuftrie ju heben, führte JJofeph* nöt§ bem ©organge griebrichä II., ba3 ©perrföftem ©olberta ein. %m 3at)re 1784 erliefe er im ©inne biefca ©Aftern* fein „äoflpatent" unb fperrte feine ©taaten burdj einen ßofleorbon ab. $ie (Sin* fuhr aller fremben ®unftmaaren fomie berjenigen ÜRaturprobufte, bie ber öfterreichifdje ©taat felbft erjeugte ober erzeugen fonnte, mürbe nicht nur auf ba3 ©trengfte öerboten, fonbem bie Äaufleute mufeten auch flfle in ihren SJcagajinen noch üorhanbenen prohibirten Söaaren in ein grofeeS ©orrathähau$ bringen laffen unb bafelbft innerhalb einer gemiffen grift öerfaufen; neue nachfommen ju laffen, mar ihnen unter feiner ©ebingung geftattet. 9cur ^riöatleute, benen etma einzelne au3länbifchen ^anbelSartifel unentbehrlich gemorben, burften, nach oorher eingeholter ©rlaubnife, auf einen ihnen einge* hänbigten *ßafe bie fraglichen Söaaren gegen Erlegung eine* SoHeS öon fedföig Sßrojent be£ SBertheS jum eigenen Gebrauche einführen. Söurben haaren öorgefunben, bie ohne $afe unb ©rlaubnife ein* geführt morben, fo liefe ber #aifer fie in ben meiften gäHen ohne 2Beitere3 oernichten. ©o mürbe öerfchiebene üttale eine grofee Spenge eingefchmuggelter Xafchenufjren öffentlich jerfdjlagen unb am 6. 9Iuguft 1785 ein SBagen mit fremben ßleiberftoffen aus ©eibe, SBolIe unb Sinnen, bereu (Sefammtmertf) fich auf breifeigtaufenb ©ulben belaufen hoben fott, auf einem öffentlichen Sßlafce jmifchen

&oIatoart$, SöeUßelc^idjte. vi. 34

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Äaifer 3ojcpf) II.

bcr ©urg unb bcm ©djottentfjor jum abfdjrecfenben 93eifpiel Der- brannt. Xie SBorfdjriften be3 oon 3°fcP*) angenommenen preujjifäen 3ofl- unb Sftautfjföftema mürben auf baä ©trengfte gefjanbfmbt, unb ba bie Beamten fid) felbft bei bem geringften SBerfeljen einer fd)o* nungälofen £>ärte auägefefct fafjen, bejubelten fie bie SReifenben, meldje bie öfterreidnfdjc ©renje paffirten, faft wie SBerbredjer.

Um feinen Untertanen bezüglich ber (Entbehrung auälänbifdjer <ßrobufte mit gutem SBeifpiel ooranjugefjen , oerfdjenfte 3ofeplj ade in (einem ftoffeUer befinblidjen auälänbifdjen Söeine an ba& ßtanten- l)au& unb geftattete auf feiner Xafel nur öfterreidufdje unb unga= rifdje SBcine. 9ftd)t8beftomeniger mar bie Unjufriebenljeit unter ber ÄaufmannSroelt , wie unter ben fonfumenten, eine allgemeine, unb trofc ber beleljrenben patente, burd) roeldje ber $aifer feinen Unter* tränen bie Söofylt&ärigfeit feiner Sftafjregeln einleucfftenb ju mausen fudjte, erfdjoflen üon allen ©eiten bie lauteften flogen. 3n ber Hiat 50g SRiemanb au£ bem bind) ba& ^olipatcnt gesoffenen 2J*onopole $Bortf)eil , als bie in Stoffe in Defterreid) einmanbernben SluSlänber, ©nglänber, granjofen unb ©dHuei^er, bie in ben nad) ber ßlofteraufqebung in großer 8a$l bon üjnen um einen ©pott- preiä angefauften äloftergebäuben gobrifen anlegten unb meift fd>led)te Söaare für fjofje greife oerfauften, moburd) oielc oon ilmen in furjer ßeit SRiflionäre mürben.

$ie immermä^renben £ ämpfe unb ©orgen um baä gufammen* galten unb ben gortbeftanb be3 öfterreidnfdjen £änbercomple|e3 Ratten ben ©efjerrföern Defterreid)* menig 3eit gclaffen, ben üßro* buften= unb SBaarenüerfeljr ju Ijeben unb baburd) ben oon ber sJiatur reid) gefegneten Zaubern großartige SrioerbSqueUen ju er* fälie&en; batjer fanb Sofepf) auf biefem Gebiete SBielcÄ nod^u* holen unb 511 oerbeffern. ©eine Bemühungen maren oor Mem barauf gerietet, ben (Srjeugniffen feines £anbeS neue Slbfa&mege 3U eröffnen. Sßachbem er im 3ahre 1783 feinen burdj bie «er* binbung mit föu&lanb gemonnenen (Sinflujj auf bie Pforte jum 2lb* fajlufe eine« oortheilhaften ftanbelaoertragS mit berfelben benufct hatte, burd) melden bie Eonau als #auptoerfehräftra&e erft ihre mahre SBebeutung für ben §anbel Defterreichä erhielt, fua)te er burch einen ©emaltaft bie geffeln ju fprengen, bie bem nieberlänbiföen #anbel burd) bie im meftfälifdjen grieben üon £>ottanb burchgefe&te ©per» rung ber ©chelbe angelegt tuorben.

©<hon im 3a^re 1781 hatte 3ofeph bei einer SRcifc nach ben ftieberlanben mit eigenen klugen gejehen, mie bie §oüänber, ge* fa^ütt burc^ bad bei bem Utred)ter grieben in bem fogenannten „Söarrieretraftat" erlangte ^ea)t ber öefe&ung oon ac^t nieber* länbifajen fteftungen, fia) buraj i^ren $>anbel auf Soften ber vJlie* berlänber bereicherten, unb bic* ^atte i^n ju bem Grntja)lug ge*

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3ofej)f)S II. ftaatli^e Reformen in feinen (SrbWnbern. 531

fcradjt, ber föepublit bie ihr au« bem SBarrierentraftat erwachten* t>en SBort^citc burd) bie Schleifung ber betreffenben geftungen jit *ntreifeen , was er umfo leichter ausführen zu fönnen fjoffte , als (Englanb im üorhergehenben 3ahre an #oflanb ben #rieg erflärt r)atte. <$r lieg bemgemäfe an bie ©eneralftaaten bie 2lufforberung ergeben, it)rc Söefafcungen aus ben nieberlänbifchen geftungen zurücf ^u jiefyen , ba er ftch bei {einer neulichen 91nwefenheit in ben 9he* berlanben überzeugt, bafc eS auS Dielen ÖJrünben nicf)t zuträglich fei, ade geftungen in benfelben beizubehalten, unb bähet bie ©djleifung ber meiften berfelben angeorbnet habe. $ie ©eneralftaaten erhoben ^war @tnfprad)e gegen biefen ©ruch ber Verträge; fie fügten ftch jeborf) , ba itjrc SBorftellungen oon ftaunifc für unbegrünbet erflärt tourben , bem faiferlicheu SWachtfpruch , inbem fic ftch mit einer biplomatifdjen SRechtSoerwahrung begnügten.

ßrmuthigt burd) bie £>ilfloftgfeit ber £>otIänber unb im Ver* trauen auf ben SRucftjalt, ben er bei bem mit ifjm öerbünbeten granfreich ju fhtben f>offte, befc^tog Sojeph, weiter ju gehen. *Rachs bem er eine SReifye unbegrünbeter Sorberungen an bie RtyuHtl ge* fteflt, liefe er im 3af>re 1784 ben ®eneralftaaten eröffnen, bafe er bereit fei, biefelben inSgefammt gegen bie Aufhebung ber ©chelbe* fperre fallen zu Iaffen. 25a bie $ollänber , bie in ber Deffnung ber ©d)elbe ben Sftuin ihres £>anbclS erblichen, ftch weigerten, auf biefen Vorfdjlag einzugehen, unb fich babei auf ihr oerbriefteS Stecht beriefen, liefe er ihnen bie (Srftärung zugehen: „(£r betrachte bie verlangte greiheit ber ©djelbe als eine bereits entfdjiebene ©ache unb werbe jebeS $inbernife, baS man ber ©djifffahrt feiner Unter* tränen auf biefem ©trome entgegenfefcen werbe, als offene geinb* feligfett unb förmliche f riegSerflärung anfefjen unb ahnben."

Um bie SBirfung feiner Drohung $u erproben , berorbnete 3ojepb, bafe eine Brigantine Don Antwerpen bie ©djelbe hinunter unb ein anbereS faiferlicheS ©dnff oon Dftenbe aus nach Slntmcroen hinauf fahren folle, um in bie ©djelbe einzulaufen. ÖJcgen bie Brigantine liefeen bie £>oflänber feuern unb nötigten fie zum fftud- $uge; ba« anbere ©djiff aber brachten fie nach Vlieffingen auf. 3ofeph war jum Kriege entfchloffen ; aber bie öffentliche SJteinung ergriff fo entfefneben für bie §ollffnber Partei, unb ßubwig XVI. riett) feinem ©chwager fo bringenb zur ÜJcafeigung , bafe er ttorgog, fid) mit ben ®eneralftaaten zu oerftänbigen , wozu granfreich feine Vermittlung anbot, ©o f am ber Vertrag oon gontainebleau zu ©taube, in welchem 3<>feph Öc9cn ©umme oon zehu SWUüoncn Bulben, bie zur £>alfte oon granfreich bezahlt würbe, unb bie N2lb* tretung einiger hoflänbifchen ©renzftriche, fowie bie greigebung eine* unbebeutenben X^cile* ber inneren ©djelbe auf alle anberen gor*

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ffaifcr Sofeph II.

berungen, inSbefonbere auf bie »erlangte ganjliche Aufhebung ber ©chelbefperre, Sßerji^t Iciftctc.

$5te gleite SSiUfür unb Ueberfrürjung, wie in ben jur Oförbc* rung ber Snbuftrie unb beS <panbels getroffenen Maßregeln , trat auch in ben Reformen 3ofephS bezüglich ber ©eredjtigfeitSpflege }U $age. 3n ben oerfduebenen ^rooinjen OefterreichS hatte fi<h bic* felbe nach ben jeweiligen 93ebürfntffen oerfdnebenartig geftaltet, unb wenn auch in ben bieSbejüglichen GJefefcen unb Gepflogenheiten, wie bieS ja bei allen menjchlichen Qnftitutionen ber Satt ift , manche Langel lagen, fo war bod) jeber vjkooina ihr ererbtes 3uftijwefen ef)rmürbig; man war baran gewinnt unb fanb fid) barin auredjt. 3o(epf)S £auptftreben war jeboch üon Anfang an auf bie ^erftel- lung eine« (SinheitSftaateS gerietet, in welkem SlUeS, ofme irgenb welche föürfficht auf bie (Sigentfn'imlichfeiten ber öerfdnebenen Xrjetlc ber Monarchie, auf Slbfunft, (Spraye, Sitten, ®ulturtoer* hältniffe unb bürgerliche SBerfaffung, oon einem gemeinfamen Littel* pnnfte aus unb in oöUig gleicher SBeife, mit alleiniger Senufcung ber beut(d)en Sprache als Gerichts* unb SBerwaltungSfprache , ge- leitet werben folltc; batjer würben bie alten tfommunaloerfaffungen in ©täbten unb Warften oernichtet unb #ürgermeifter , Richter, Rathsherren unb ©tabtfehreiber , bie alle früher oon ber Commune frei gewählt würben, burd) Regierungsbeamte erfefct. ©o War jebeS ©elbftgouüememcnt aufgehoben unb bie ®onftitution ber Sauber unb ©täbte mit einem ©abläge gemaltfam gebrochen.

$urcf) bie Reformen , bie in bie peinliche GeridjtSorbnung 2ttaria J^crefia'S eingeführt würben , erwarb fid) 3°!cPh 9*°&e> unleugbare SSerbienfte , inbem er aus berfelbcn bie garten unb graufamen ©eftimmungen entfernte, bie als ein trauriger fRcft aus barbarifchen 3ahrhunberten Don Dcr Äaifertn , wie oon allen übrigen beutfehen Regierungen , noch beibehalten worben waren. Söährenb betfpielsmeife nach btt ^hcrcPanM^n GerichtSorbnung jebe oor faßliche unb wohlbebac^te Gotteslästerung mit bem $luSretfjen unb Slbfdmeiben ber Bunge ober mit bem Abhauen ber £anb, in beiben gäüen aber mit gleich barauffolgenbem Seuertobe beftraft würbe , h*c& *S in bem Sofephiniföcn Gefejjbud) über GotteSläfterung : „(Sin biefeS Verbrechens ©dmlbiger ift als ein SBahnfinniger in einem Xoüfjaufe fo lange feft^uhalten , bis man feiner Öefjerung oerfichert ift." $)ie ©trafgerichtSpflege würbe in allen (Srblänbern , mit Ausnahme oon Ungarn , fechSunbfedjjig ^rimtnalgerichten übertragen , bie unter fecfjS SippeHationSgerichten ftanben , oon welchen ber ißerurtheilte noch an bie oberfte 3uf^is ftetle appefliren fonnte.

3nbeffen war 3°feP() xn feinen humani^rcn ©eftrebungen nicht fonfequent. @r hatte bie XobcSftrafe abgerafft ben ein*

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3ofeph« II. ftaatlidje Reformen in feinen (Srblänbera, 533

jigen gaö beS öffentlichen 2lufrut)rS ausgenommen, auf melden bie ©träfe beS ©trangeS gefefct mar unb bafür Gefängntgftrafen eingeführt, bie burch ©tocffchläge unb QmangSarbetten oerfchärft mürben. S)ie teueren beftanben ^auptfäc^Uc^ in bem ©djiffeieljen auf ber $)onau unb in bem öffentlichen ©tragenfehren , mobei bie ©träflinge beiberlei GefchledjtS, jmei unb jtoei aneinanber gefettet, in groben Kleibern unb mit furj gefchnittenen paaren bie ©tragen tum SBien fäubern mußten. &icfcr 3mangSarbeit mürben, nad) bem Grunbfa&e gofcp^« r bag t>or bem Gefe&e Hße, ohne Unter* fdjteb beS ©tanbeS, gleich feien, felbft ^erfonen öom r)öc^ftcn Stange herangezogen, bie fich oft mit ben gemeinften Verbrechern jufammen* gefettet faljen; eben baburd) fyMt jebodj bie mir fliehe Gleichheit ber ©träfe auf, inbem bie äußerlich gleiche ©träfe bie höhten ©tänbe ungleich fernerer traf, als bie nieberen.

$)ie Unjufriebenheit , melche biefe Steuerung in ben höheren unb mittleren ©tänben hervorrief, mürbe burch ben Umftanb ge* ftetgert, bag 3ofeph, ftatt öon bem ihm juftehenben fechte ber $Be* gnabigung ober ber ©trafmilberung Gebrauch ju machen , nicht feiten fogar baS öon ben Gerichtshöfen feftgefefcte ©trafmag eigen* mächtig üerfchärfte. texfytlt fcr)on baburch fein Sorgehen einen ausgekrochenen Slnftrich oon Btllfür, fo mar bieS in noch meit höherem Grabe ber gaH, als Sofeph, burch bie ßunahme ber fchme* ren Verbrechen erfchreeft unb in feiner Anficht üon ber Entbehr* lichfeit ber XobeSftrafe umgeftimmt, biefelbe plö&lich mieber ein* führte unb jmar mit rücfmirfenber ftraft , fo bog bie Serbrecher nach einem anberen Gefe&e gerichtet mürben, als bemjemgen, unter melchem fte gefreoelt hatten.

SJcit mahrhaft lanbeSöäterlicher ©orgfalt nahm fich Sofept) beS noch immer ferner gebrüeften VauernftanbeS an, unb bie &uf* hebung ber Seibeigenfdjaft , bie er bei feiner Xhronbefteigung noch in ben meiften öfterreichifchen Sßroötnjen oorfanb, bleibt fein un* vergänglicher Stuhm. 5)aS faiferliche patent, baS ben Vauern bie persönliche greiheit oerlieh , erfchien für fämmtliche öfterreidjifche Ißroöinjen, mit Ausnahme üon Ungarn, im 3af)re 1782, für baS le&tere Sanb brei Qahre fpäter. $urch biefeS patent mürbe ben Don ber Seibeigenfchaft befreiten dauern zugleich baS Stecht juer* fannt , über ben Grunb unb ©oben , ben ihnen bie Gutsherren gegen angemeffene ®auffummen abtreten mugten, als über ihr recht* mägigeS (Sigenthum frei ju oerfügen, ©cfmn im Qahre 1781 t)atte er burch fein für bie öfterretchifch;böhmtfchen Sßroüinjen erlaffeneS „Unterthanenpatent" ber SBiHfürherrfchaft ber Gutsherren über bie dauern ein CSnbe gemalt, inbem er burch baSfelbe ben Sefcteren baS Stecht juerfannt, ihre ©treithänbel mit ben fterrfchaften bor

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Äaifer 3ofep$ II.

bic ftreisämter $u bringen, olme beren 3ufttmmung and) feine oon ber (StotSfjerrfcfcaft »erhängte Strafe öottjogen merben burfte.

3ur |>ebung be3 2Bof)iftanbe3 unter ber ßanbbeöölferung führte Sofepl), feinem ©runbfafce oon ber (5Keia)f)eit aller ©tänbe öor bent (Sefefce getreu, eine gleidjmäfjige Steuerung be* ®runbe« unb SBobenä ofme 9tücffia)t auf ben ©tanb beä ©efifcerS ein, $u melc&em (Snbe er eine allgemeine Sermeffung ber <$runbftücfe unb eine ge* naue 2lbfd)äfcung tfjreS (Ertrag* anorbnete, eine Arbeit, beren große ©djttrierigfeiten burd) bie @ile cr^ö^t würben, mit meldjer ber äaifer bie ©ad>e burcfcgefütjrt miffen mollte. $a e* übertue* öielfaa) an rüstigen unb re^tlia) gefinnten fieuten jur 9lu*fül)rung biefer Arbeit fehlte, fiel fomot)l bie SÄeffung be* ©oben* al* aud) bie ©ajäfcung be* Ertrags be*felben meift unrichtig au*, unb fo führten be* ®ai* ferS toofjlmeinenbe 2lbfid)ten faum ju etma* Slnberem, al* ju ©treit unb 9Ki6üergnügen, felbft bei ben SBauem, bie mitunter nad) bem neuen ©uftem met)r jaulen mußten, al* nact) bem früheren.

$ie Unjufrieben^eit be* Slbel* über alle biefe, feine «ßrioile* gien beeinträdjtigenben Neuerungen be* äaifer* mürbe erfjötjt burdj bie Aufhebung ber gibeicommiffe, inbem babura) ber Neic&ttjum ober boa? bie 2Sof)lImbenf)eit unb ba* Slnfefjen üteler gamilien jer* ftört mürbe. ©in am 15. 9ftai 1785 über bie Snteftaterbfolge er* laffene* ÖJefefo be^nte bie ©leid^eit be* (£rbred>t* für fämmtltdje ÜJefdjmifter audj auf ben 2lbel au« für ben gaü, baß ber Srblaffer entmeber gar fein ieftament ober ein ber gorm nad) ungiltige** f)interlaffen t)abe.

Sludj ba* bi* baf)in Don ben abeltgen <5Jut*befifcern geübte SRcdjt, auf ifjrem 23cfifctf)um ba* Nidjteramt $u oermalten, gleidwiel ob pe juriftifdje ©tubien gemalt unb hierüber eine Prüfung btftmu ben Ratten ober nidjt, mürbe ifjnen entzogen. Nur menn ber abelige ©runbbeftjjer ftubirt unb ein Giganten gemadjt fjattc, burfte er auf fei* nem ©eftfctt)um Nedjt fpred&en; im anbern Sötte mußte er fid) ei- nen geprüften Qufrijiär galten, ber jebodt) in feinen Urtfjeil*f prüfen nidjt mefjr it)m, fonbem bem faiferlia^en 2lppetIation*gerid)te Oer* antmortlid) mar.

3ür bie ^ebung be* 93olf*unterrid)te* forgte 3°fcP§ mit bem anerfennen*mertf)eften (Sifer , f)auptfäd)lid) burdj eine bebeutenbe SBermefyrung ber $olf*fd)ulen. $cr .pauptjmecf, ben er babei im Sluge t)atte, mar bie Hebung be* Wtferbaue* unb be* ®emerbfleif}e* burdj crt)ö^tc SBilbung, unb fomit bie görberung beffen, roa* if)tn al* ber f)öa)fte ©taat*jmecf erfduen: SBermeljrung ber ^robuftion unb $8olteaaf)f, (Erdung ber ©teuertraft unb in lefcter 3n^a"5 bie Sßerme|rung be* materiellen S8olf*mot)le*.

5)ie Einrichtungen, meiere ben t)öf)eren Set)ranftalten, haupt^ fäcf)lia} naa) ben ^at^fa^lagen be* greif)errn oon ©onnenfel* unb

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Sofcph« II. ftaatltdje Reformen in feilten (Srbtanbem. 535

»an ©mietenS, gegeben mürben, berriethen ben redjnenben ©eift, ber auch anf bem Gebiete ber ©ilbung für roenig ©elb mögftdjft biel ju erlangen fudjt. Sie ßefjrer mürben, roic bie Semenben, burdj frrenge Sontrole jum ©tubiren angehalten, Serien faft gar nicht geftattet unb bermtttelft unabläffig mieberfchrenber Prüfungen bie (£rgebniffe beS erteilten Unterrichts $u $uch gebraut.

Sa ©djule unb SBiffenfdjaft nach beS ßaiferS 2Tnftc^t nur ba roaren, um bem (Staate brauchbare ©ubjefte ju Hefern, fanben in ber Sorge, bie auf bie Pflege ber SBiffenfchaften bertoanbt mürbe, nur biejenigen Steige ©erüdfichrigung, bie für ben ©taat einen praftifdjen unb in bie STugen fpringenben SRufcen bringen tonnten. Sie fpefulatiben unb bie frönen SBtffenfchaften gingen leer aus. 33ci ben Untoerfttäten, beren Qaty Sofeph auf brei bie §u SGBien unb ju $rag unb eine in ©alijien rebucirt miffen mottte, mürbe baS (SHaubenSbefenntniß unb ber bem apoftolifchen ©ruhte ju UU ftenbe @ib beS ©ehorfamS abgefdjafft, melden teueren ©onnenfelS in einem 23erid)te an ben $atfer für „ein Ueberbleibfet auS ber Seit ber Sinfternifj unb ber römifcfjen Ufurpatton1' erWärt tjattc, „baS nicht nur ben SSerftanb, fonbern aud) ben bürgerlichen ©e* horfam beteibige." Ottern, maS für baS (Smporbringen ber Uniber* fitäten gefc^ar), lag nur bie Mbjtdjt ju ©runbe, ben SanbcSfinbern feinen 5(nla& ober SBormanb ju geben, auSmärtS $u ftubiren unb baburch ©clb aus bem Sanbe ju fdjleppen.

Sie munberlichfte TOifcr)itng miberfprechenber ©runbfäfce jetgte fich in Sofcp^S SBerorbnungen über bie greifet beS SBüchermefenS. Sie ©efchränfungen, benen baS (Einbringen ausmärtiger unb baS Druden ein^eimifc^er $8üd)er tro§ ber bon 9Waria Sfjerefia ge= fchaffenen (Erleichterungen noch immer untertag, erfdjienen bem ®aifer hauptfächlich beßrjatb bermerfttch, roetf baburd) ein bebeuten* ber S^eig beS 93erfef)rS beeinträchtigt mürbe ; auch münfehte er bem bon ben SBortfüfjrern ber „Shtfflärung" gestellten Serlangen nach ßefe* unb Srudfreit)eit Genüge ju teiften : um aber ju ber hüten, baj? burch ben Slnfauf auswärtiger 33ücr)cr afljubiel baareS ©etb aus bem ßanbe gehe, mürbe ber 9tad)brud berfelben geftattet, ob- gteich Sofeph fetbft als SReichSoberhaupt bieten Tutoren ober 93er- tegern ©chufcbriefe gegen ben 9fcachbrud berliehen t)attc. HtS bie* felben über bie SBerlefcung biefer ©chufcbriefe 93cfd)merbe führten, erhielten fie ben SBefcheib, ba§ bie faif erliefen ^ribilegien ftch nur auf bie nichtöfterreichifchen fiänber belögen unb in biefen aufrecht erhalten merben fottten. Qnbeffen mürbe, um baS *ßublifum bor fchäbtidjer Seftüre ju fdjüfcen, unter Aufhebung ber bisherigen (Eenfurfommtffionen in ben $robin$en, eine „$üchercenfur*|)aupt~ fommiffion" in SBien gegrünbet, meldjer alle SBerfe bon eini* ger S3ebeutung jur Prüfung unterbreitet merben mußten. Sagegen

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ftaifer 3ofeph II.

foHten ®ritifen, wenn fte nur feine eigentlichen ©chmäh fünften feien, nicht oerboten fein, befonberS wenn ber 93erfa(fer feinen 9ca= men baju bruefen loffe unb fich alfo für bie SBahrheit ber ©aetje berbürge , „ba e$ Sebent , ber bie SBahrheit Hebe , eine greube fein müffe, wenn fte ihm auch auf biefem SBege aufomme." 3ofeph hatte babei bie fcbftcht, über feine Beamten aller klaffen eine ©ontrole einzuführen, bie er nicht ju bejahen brause, unb gab ftcr) fetbft, um fein Oefccjrei hierüber auffommen ju laffen, ben iöücherfchreibern preis, in ber fixeren Grrmartung, bafi man an ir)it ftd) nicht wagen ober an ihm 9eid)tS ju tabeln finben werbe. 3n biefer (Erwartung far) er ftdj jeboch getaufa^t, unb bie Ungebun* benheit, mit melier bie SBiener treffe fid) gegen it)n fetbft wanbte, üeranlafjte it)n ju oerfduebenen ©egenmafjregeln , bie jeboch wenig (Sxfolg Ratten.

Obgleich 3ofcpt) auf bie beutfdje Siteratur triebt mit ber glei- chen ©eringf^äfeung fjerabblitfte, wie Sriebria^ II., unb baS $5eutfche ungleich nötiger fpradj unb fdjrieb, als biefer, fo fdjenfte boer) auch er bem ®eiftesleben feiner Nation , baS fidt) gerabe ju feiner &tit immer bebeutfamer entfaltete , faum irgenb welche Wufmerffamfeit, nicht nur, weil es ihm baju an Qtit gebrach, fonbern auch, e* ihm jur SBürbigung beS beutfdjen ©cbrifttlmmS an allem ©inn für $oefie unb $unft fehlte, ©teilte er bod) einmal ben gefammten ©uchhanbel in feinet ©chäfoung unter ben ßäfehanbet, »eil biefer mehr (Selb inS £anb bringe.

93et feinem SBeftreben, alle feine Untertanen ju nützlichen Staatsbürgern ju machen , mußte ber Äaifer mit feinen Reformen notrjwenbigerweife auch an bie Quben fytxanixtUn , gegen welche SJcaria %tyxtf\af nicht au* 9teligtonSb,a6, ber ihrem eblen $er$en burdjauS fremb mar, fonbern mit föücfficht auf bie foctale ©teHung berfclben ben (Jhnften gegenüber, berfduebene befdjränfenbe SSerfü* gungen erlaffen hotte. $iefe ©efchranfungen hob 3[ofeph burd) eine SReirje bon ©eftimmungen auf, burd) welche bie 3uben bem ©taate als SJcitarbeiter an bem materiellen ®efammtwohl einberleibt wer= ben füllten. @S foöte ben 3uben fortan geftattet fein, ihre S'inber in bie öffentlichen ©chulen ju fcr)icfcn , fie ju öffentlichen Remtern heranbilden ju laffen , Sabrüen anzulegen unb Sanbgüter ju pach- ten ; bagegen würbe ihnen jeboch bie Verpflichtung auferlegt, beutfdje tarnen anzunehmen, in ihren ©unagogen fich ber beutfehen ©pradje $u bebienen, SJcilitärbienfte ju thun unb bei ber ßanbwirthfchaft unb in ben gabrifen nur jübiföe Arbeiter anzunehmen, bamit baS ber £>anbarbett abgeneigte jübifche 93olf mehr unb mehr für biefelbe gewonnen werbe, tiefer lefctere 3wed, ber bem $ai}er bor Willem am ^erjen lag, würbe jeboch in feiner SBeife erreicht: bie 3uben blieben bei ihren alten Jöefchäftiguugen , brängten fich <*&er überall

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3ofepf)8 II. Krdjlidje Steuerungen. 537

bor unb fudjten ftdj oder letzteren CrtDerbdquellett ouf Soften ber (Sfjriften fo fehr gu bemächtigen , bog ber ßaifer fich veranlagt fah, in tuclen 3äü*en gegen ba» Ueberwuchern be» jübifchen Elemente* einjufchreiten.

$ie #umanität»anft alten, bie 3ofej>h II. bei feiner Keife nach granfreich in $ari» fennen gelernt, Ratten in feinem eblen $er$eri ben ©ebanfen angeregt, in SBien ö^nltc^e ©djöpfungen in» Seben ju rufen, unb mit feinem gewohnten (£ifer legte er rafcb 4>anb an» SBerf. ©o errichtete er, nach bem SBorbtlbe be» $arifer Hötel-Dieu, ein allgemeine» ftranfenhau», mit welchem ein X^urm für ®eifte»* franfe, ber fogenannte „Narrenthurm," fowie ein Siefens uitb ein gtnbeihau» oerbunben würbe. Äudj grünbete er eine ^ochfdjule für TOIttarärjte, bog fogenannte „gofepfunum," woburch er ber SBohl* tr)ater ber im Kriege oerwunbeten ober fonft erfranften ©olbaten Würbe, bie früher ben fogenannten „gelbfdjeerern" überlaffen ge* blieben waren, unb im 3al)re 1784 ein Xaubftummeninftitut , für Welche» ihm ber Srfinber be» Xaubftummenunterrichte» , ber be* rühmte Wbb6 be V&p6t, ben er perfönlich in $ari» fennen gelernt, in ber $erfon be» SBeltyrtefter» 3°§ann e^nen tüchtigen 2)i* reftor au»gebilbet hatte.

3ofe*>f)3 II. ftrdfcjltthe Neuerungen.

£atte Sofep^S reformatorifche X^ätigfeit fchon auf bem <$e* biete be» ftaatlichen unb gefeüfchaftlichen 8eben3, trofc einzelner burch biefelbe gesoffener unleugbarer SBerbefferungen , mehr ©dm» ben al» Nufeen geftiftet, fo waren feine Neuerungen auf firchlichem Gebiete für ben öftemidjifchen ©taat gerabeju Derberblich. 3)er ®aifer war jwar fein fjeinb ber Kirche, wie bie SEBortführer ber Slufflärung , auch fein S3eräd)ter be» S^riftent^um» , wie Stieb« rieh II. ; aber ber (Sinflufi ber Seitftrömung , unter welcher er auf» gewac^fen war, r)atte fein Urtheil getrübt, unb bei feinem gänzlichen Langel an tieferer JBilbuug waren it)m bie eigentlichen QitU ber ftrdjenfeinbticften ^ß^ilofop^ie unb ©taat»funft, bie er jur Ü^ic^tfc^nur feiner Negententhätigfeit nahm, oerborgen geblieben. (£r wät)nte burch feine ftrcr)Iicf)en Neuerungen nur Stäben zu tytien unb 9Äi6= brauche auszurotten , bie mit bem SSefen ber Religion Nicht» ge- mein hatten, aber ba» SBohl be» ©taate» beeinträchtigten, unb beß* hulb hielt er fich für berechtigt, eigenmächtig unb mit ber rücf ficht»* lofeften (Sntfchiebenheit in bie firc^Iic^en SBerhältniffe feiner ßänber einzugreifen.

©djon unter SNaria Xherejxa hatten bie JJbeen be» gebroniu», burch £aumfe, oan ©wieten unb anbere Anhänger ber Slufflärung be*

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ffaifer Sofeph II.

günftigt, in Defterreich (Singang gefunben; bie fachliche (Sefinnung bcr ßaiferin mar jebodj jebem offenen Angriff auf ben apoftolifchen ©tuhl ^emmenb in ben SBeg getreten, #aum war inbeffen Qofept) in ben Söcftfe ber Sjerrfcfmft gelangt, als er feine föegententhatigfeit, bie nach feinem eigenen SfaSfprudje junächft in „ber (£rf>ebung ber ^{)ilofop^ie jur <S>efefcgeberin feiner «Staaten" beftehen foöte , mit ber ooUftönbigen Umgestaltung be« fttrchenmefenS nach ben ©mnb= fäfcen ber falfdjen Reformer eröffnete, ©eine Neuerungen auf bem firch= liefen (Miete, bei benen er nicht nur burch bie religionSfeinblichen ©chriftfteller unb inäbefonbere burch bie Freimaurer , fonbem auch burch einjelne ber IHrdje entfrembete ©eiftliche geleitet unb unter= ftfifct mürbe, galten ber #eranbilbung be3 £leru&, bem Serhältniffe Defterreichä jum päpftlichen ©rut)le, bem ßloftermefen, ber einriß tung be£ GJotteSbienfteS unb ben firchlichen Gebräuchen.

Um einen ben b,errfa^enben sInfid)ten bienftbaren Klerus heran* jubilben, mußten bie tfjeologifdjen Sehranftalten gänjlich ber bifdjöf* liehen Slufficht entjogen merben. 3" biefem <£nbe mürben bie bifchöf* liefen ©eminarien aufgehoben unb fogenannte „(Beneralf eminarien" gegrünbet , bie aufcfchließlich ber Seitung unb Slufficht be« ©taateS unterftanben unb beren ganjer Sehr* unb SrjiehungSplan fwupt* fächlich barauf gerietet mar, bie Alumnen ju guten „©taat36ürgern" heranjubilben. $ei ber SBa^l ber föeftoren unb ^ßrofefforen, meldje in benfelben bie (Sraiefjung be3 ßleruä leiten foQten, waren öan ©mieten unb ber greifen: oon Jfreßl bie einflußreichen 9latr)geber beä ÄaiferS , unb 93eibe machten menig 4>et)l barauS , baß e3 in ihrer Slbficht lag, bie Ideologen nach ben ©runbfäfcen öon 9touffeau'ä „Contrat social a erziehen §u laffen.

2lu3 bem ganzen Sehrplan ber (Seneralfeminarien ging beutlich heroor, baß biefelben be* fatholifchen ©fwrafterä ooKftanbig ent* fleibet merben unb nichts Wnbereä fein füllten, als $lbricf)tung3* anftaltcn für ben ©taatäjmecf. ©o ^eißt in einer ©teile beS ^Reglements, in roeldjer oon „ber Religion beS (EfjrtftuS" bie SRete ift : „$)ie 2)iencr biefer Religion müffen oor s211Iem nach ben magren ©runbfäfcen beS ©ofrateS erjogen merben." S)ie Sieftoren unb ^rofefforen maren angemiefen: „bei ber $)arftellung ber ftufenmeife gefdjebennt SBeröolIfommnung beS gef eHf d^af tlic^en bebend befonberS auf bie f. f. ©taaten bie Slnmenbung ju machen unb ben Alumnen ba£ ©lucf, in biefen ©taaten ju leben, anS #erj ju legen unb ben 3öglingen feine anberen Set)ren unb Pflichten aufzubringen, als meldte aus ber ^eiligen ©djrift, ben Sötern .unb anberen lanbeS* herrlichen unb firdjlidjen SBerorbnungen hergeleitet merben." 9lHe Sehr* unb Sefebücher mürben oom ©taate oorgefchrieben unb bie SBahl fiel üorjugSmeife auf proteftantifche. 2ftit SRedjt bemerft Ih^iner : „$ann es befremben ober jmeifelhaft fein, baß eine (Er*

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Sojcp&S II. ftrdjltdje Neuerungen.

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jiehung ber fatfjoltfchen Qugenb nach foldjen ÖJrunbfäfcen jum $ajj gegen bie fatfjolifdje Kirche, jur Vernichtung alle* pofitiöen Triften* tfmm* unb §um Unglauben führte?"

35amit biejenigen Alumnen, bie ben in ben ©eneralfeminarien gepflegten ©eift nicht öoflftänbig in fich aufgenommen, öon ben firdj* liehen Remtern fem gehalten würben, burften bie SBifchöfe nur foldje ftanbibaten ju ^rieftern meinen, bie ihnen jugefchieft mürben.

SBte bei allen anbem SRegierungSangelegenfjeiten, fo wollte ber $aifer auch in ^Betreff ber ©eneratfeminarien Alle* fclbft leiten unb überwachen, obgleich it)m für bie ganje Angelegenheit jebe* Ver^ ftänbnifj abging. 2Bie fct)r er fich babei in ®leinlichfeiten öerlor, beroeift bie nachfolgcnbe , öon it)m felbft getroffene ©eftimmung : „233a* ba* ©arbieren anbelangt, foflen alle ©emtnariften fich felbft barbieren unb alfo bafür ÜRicht* gejagt werben; ber ungefchieft ift, ba§ er e* nicht erlernt, foU ben SBarbier au* feinem ©äcfel be= johlen."

Um ben päpftlichen (Sinflug auf bie firc^Iic^cn Angelegenheiten im 3ntereffe ber Dmnipotenj be* Staate* $u öernichten, würbe nach ben öon Sebroniu* aufgeteilten ©runbfäfcen ein ßirchenrecht au*gebilbet, nach welchem ber Verfehr ber ©ifchöfe mit bem römi* fchen ©tuttfe tt)eil* gänzlich öerboten , tfjeil* einer ftaatlidjen (£on> tote unterfteflt würbe , öermittelft beren in jebem beliebigen Salle bie ©inwirfung be* Zapfte* abgefchnitten werben fonnte. Alle päpftlichen Süllen, SBreöen ober fonftigen Srlaffe mußten öor ihrer SBerfünbigung ber weltlichen £anbe*behörbe öorgelegt werben, unb ihre 39efanntmachung burfte nur nach erfolgter afterhöchfter ©eneh* wigung gefchehen. Auch für bie SBerfünbigung öon «Hirtenbriefen unb bischöflichen Verorbnungen jeber Art mufjte bie ftaatltdie CSr- laubnijj eingeholt werben. Xie ben SBijdjöfen öon bem päpftlichen ©tuhle erteilten $)i*penfation*red)te würben für aufgehoben erflärt ; bagegen füllten bie Söifchöfe gehalten fein, öon ben firchlichcn @hCs hinberniffen , beren geftftedung ber $aifer al* ein au*fchließliche* Siecht be* ©taate* in Anfpruch nahm, au* eigener 93^act)t gegen eine mäfjtge Xaje ju bi*penjtren. Qu ben 93tfchof*ftühlen würben nur Solche jugelaffen , beren unbebingte Unterwerfung unter bie bereits erlaffenen ober noch ju erlaffenben ftaatlichen Verorbnungen in firchlichen Angelegenheiten jum Vorau* erprobt worben war, unb bie Verleihung öon *Bi*thümern würbe au*brücflich als eine ^Belohnung öon ©eiten be* ftaifer* bezeichnet. Vor ihrer (£onfefration muß* ten bie neu ernannten Vifchöfe in bie &änbe be* 2anbe*präfibenten ben £mlbigung*eib ablegen. Tic Annahme eine* öom $apfte öer* liehenen Xitel* ohne öorau*gegangene lanbe*herrliche Genehmigung war auf ba* ©trengfte öerboten. £ie Verwaltung, be* IHrchenöermögen*

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ffaifer %o\tpf) II.

jog bcr ©taat an ftdt), ohne u aeftatten.

min

Im'

tent

bcn ©ifcfjöfen noch irgenb meldje

3ofeph« greller ju Xage, al« bei feinen iHofterauft)ebungen. SBenn bem ^atfer bie 3aftf ber Älöftcr in Defterreich alft eine $u große unb eine föebuftion berfetben ihm toünfchen«merth erfduen, fo mußte er feine beßfallfigen SBünfche bem Dberhaupte ber ftirdje öortragen unb bie ihm nott)menbig fcheinenben Seränberungen burdj ba«felbe vornehmen Iaffen. Sugteich mußte auch auf bie rechtmäßigen 33cftfecrf fomie auf bie Stifter, toeldje biefe STnftalten teftamentarifch gegrün- det, unb auf bie ©ttftbriefe, in melden biefelben it)ren SBillen für t>ie ftacfimelt niebergeregt , gebüt)renbe fRücfftc^t genommen ioerben. Son aUebem gefchat) jebodj 9hcht« : ben gorberungen ber ©ereefc tigfeit mürbe ebenfomenig ^ea^nung getragen, als benen ber Billig* feit ; ba« Sorget)en 3ofept)3 war einfeitig , gehmttfara , rücfficht«lo« unb in einzelnen gäflen fogar graufam, menn aud) Siele«, ma« in biefer Beziehung bei ben fflofteraufgebungen gefaxt), nicht fomohl Um tfaifer felbft, al« feinen tt)etl« fanatifchen , theit« ^abfüdjrigen Beamten jur Saft gelegt merben muß. 2Tn fünfeigtaufenb ^erjonen, bie in ber 6titte ber IHofteraefle einem felbft gemähten Berufe lebten unb in bemfelben tt)re Sefriebigung fanben, mürben au« ben aufgehobenen Älöftern mit einem fpärlich jugemeffenen 3at)re«ge!jatt in bie SBelt prüdfgeftoßen, ber Siele oon it)nen ooflftänbig entfrem* bet maren. $)ie ßobrebner ber Reformen 3ofcPh& fugten jmar ba« ®et)affige biefer ÜJtoßregel burdj bie Set)auptung ju befeitigen, baß bie meiften Sftömhe unb Tonnen froh feiert , ben büfteren Softer* mauern entriffen ju fein; bie 2luft)ebung«urfunben bemeifen jeboch «ntfehieben ba« ©egentt)eil.

$em ftaifer lag jmar ber ©ebanfe fern, au« bem Serfaufe ber $Toftergfiter irgenbmie eigenen Sortt)eiI ju jiet)en; ber (£rlö« ber* felben mürbe öielmehr jur ©rünbung eine« fogenannten „Religion«* fonb«" üermenbet, ber $u ftrc^(idt)eri unb oermanbten Qwtdtn : jur (SJrünbung neuer Pfarren unb befferer $)otirung ber ärmeren , jur (Srridjtung oon ^ßriefterfemtnarien, «Schulen, 2Bohtthätigteit«anftalten u. bgl., benufct merben foüte. Slber eine«theit« mürbe ber mirfliche, Iiegenbe, reale Sefifc burch bie Ummanblung be« größten ZfytiU ber erhielten ftauffummen in ©taat«fchulbenpapiergelb ferner gefchäbigt, unb anbererfeit« famen bei ber Seräußerung be« ftloftergute« fo foloffale Serfdjleuberungen unb 5)efraubationen üor, baß ein großer be« ®lofteroermögen« baburdj Oerloren ging.

Su biefer fchmermiegenben ©djäbigung ber materieflen 3ntereffen ber ©cfammtheit fam ber nicht minber fchtoermiegenbe Serluft fo oieler Sortheile, melche bie aufgehobenen Älöfter in«befonbere ben ärmeren Solteflaffen gemährt hatten. 2Sie oon einer IHofterpforte

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Sofeph« IL fir<f)Hdje Neuerungen.

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fein #ungernber ungefättigt fortgefdjicft mürbe, fo Ratten zahlreiche unbemittelte ©Item in ben ßlofterfdjulen (Gelegenheit gefunben , bie Xalente ihrer ©öhne für einen höheren ÖebenSberuf ofme Soften ausüben laffen, mie auch anbererfeitS bie grauenflöfter fixere 3uflucf>t«ftätten für unoerheirathete Softer be3 ehrbaren chriftüchen SBolfeS gemefen maren.

$aä am 12. ganuar 1782 erlaffene ®lofteraufhebung3berrct 3ofepf)3 II. traf ade biejenigen geiftltdjen ©enoffenfehaften , „bie jum heften beä SRächften unb ber ©efellfchaft nichts SitfjtbareS bei* trügen," alfo alle befdjaulidjen Orben. diejenigen ®löfter, meldje megen ihrer unüerfennbaren 9^üfclic^feitf befonberS für bie ftranfen» pflege, nicht mofjl ju entbehren maren, blieben jum grö&ten bon ber Aufhebung öerfchont; boc^ mürbe auch ihnen ber Sebent nero burchfdmitten, inbem nicht nur aller 3ufammenhang ber öfter* reidjifcfjen Softer mit benen beS SluSlanbeS aufgehoben, fonbern auch bie Aufnahme neuer SJcitglieber tum ber jebeSmaligen ©eneh5 migung ber Regierung abhängig gemalt unb burch bie SBeftimmung, ba§ bie Obern nur für eine befchränfte Qtit gemäht merben burf* ten, bie £anbhabung ber Drbnung erfcr>tDert unb ber Verfaß ber flöfterlidjen Sucht ftoftematifch borbereitet würbe. durch alle biefe SKa&regeln mürbe nicht nur baS S^ec^t ber Kirche, ÖJefellf haften ju bilben, bie ihrem ©eifte unb ihren ©efefcen entsprachen, gemaltfam bemühtet, fonbern auch bie bürgerliche 5rcir>ctt beeinträchtigt f fraft beren Qebem bie SSafjl einer feinem Sebenäjroecfe entfpredjenben SebenSmeife juftehen mufj, infofern burdj btefetbe bie fechte Slnberer nicht berffirjt merben.

3m3ahre 1783 erlieg Sofeph eine ausführliche „(BotteSbienft* orbnung," an meldte fich fämmtliche ©eelf orger in allen Grrblanben bei ©träfe galten mu&ten. durch biefelbe mürben alle gotteS* bienftlichen (Gebräuche bon ©taatsmegen geregelt, (lebete, Sitaneien unb lieber auf ba$ (Genauefte borgefchrieben , alle Kongregationen unb 33ruberfd)aften aufgehoben, bie ^ßrojefftonen verboten unb bie Wallfahrten tfjcüi gänzlich unterfagt, theilS burch befchränfenbe SBeftimmungen fehr erfchmert. der ©lan$ beS ÄuItuS mürbe au* ©parfamfeitSgrünben auf ba£ geringfte 3tta& befct)ränft unb fogar bie Slnjahl ber ^er^en beftimmt, melche auf bem Slltare angejünbet »erben burften, auch ocr Abbruch bon Elitären unb Wallfahrte Ürchen oerfügt.

SRoct) größere Unjufriebenheit , als biefe tief in baS religiöfe Seben beS SBolfeS einfdmeibenben Neuerungen , erregte Qofepr)^ „öeerbigungägefejj," nach melchem feinerlei Söegräbniffe in SHrchen unb Prüften mehr geftattet fein unb ju möglichfter SBefchränfung beä SöebürfntffeS größerer griebhofSraume , „bie tobten Körper, um fie befto gefchminber ber SSermefung aufführen, mit #alf gleich *n

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Äoifcr SofeM II.

ben Xobtentruhen genugfam beftreut »erben fottten." &1* Don aßen Seiten Berichte über ben Unfeinen einliefen, ben biefe jebe ffifirf* ficht auf bie djriftlidje <ßietät außer «cht laffenben SBeftimmungen herborgerufen , berfchärfte ber heftig erzürnte flaifer ba* erlaffene ©efefe noch burdj bie Verfügung, ba& fortan bie tobten Körper, olmc föücfficht auf ben ©tanb ber SBerftorbenen , in ßeinmanbfäcfe eingenäht unb ohne Iruhen in fed>3 ©a^ub, tiefe ©ruben gelegt unb attba mit ftalf beworfen »erben foHten.

$iefe neue Öerorbnung rief in allen $robinjen einen folgen ©türm ber @ntrfijrung t)erbor , ba& Sofeph bie ftotfjwenbigfeit beä QHnlenfen3 erfannte. (5r nafjm bie getroffene Verfügung jurücf, tonnte jeboch nicht umtun, in bem bieäbeöügtidjen (£rla& feinem Unioiaen burch bie fpöttifaje Söeinerfung Suft ju machen: „(Srmotle feinen SDfenfchen jttungen, vernünftig ju fein, unb fo möge ein 3eber, wa* bie Iru^e anbelange, frei tlnm, maS er für feinen tobten Körper im S3orau3 für baä «ngenehmfte halte." $er ©runb, ber Hm §u ber Slnorbnung ber neuen öegräbni&art beftimmt hatte, lag allein in feiner ©udjt, bie herrfchenben Sßrinjipien ber SfcahonaU öfonomte nach öden Dichtungen hin jur ©eltung ju bringen. $)urch bie SBefchränfung ber griebhofäräume follte bem gelbbau weniger #oben entzogen unb burch bie (£rfparni& beS für bie ©arge ttötfugen $ol$e3 eine größere Schonung ber SBalber herbeigeführt toerben.

Söährenb 3ofeph bei allen biefen Neuerungen gegen bie fatho* lifcfje #trd)e bie äu&erfte 3ntolerana an ben Xag legte, machte <x au« ber $ulbung aller c^riftüc^en 93efenntniffe in feinen ©taaten einen feiner oberften sJtegierung$gruub)äfce unb bet^ätigte biefen ÖJrunbfajj burdt) ein am 22. 3uni 1781 erlaffene* „Xolerana* «bift," burd) welche« ben Anhängern be3 lut^crifc^cn unb refor* mirten SBefenntniffeä fotoic ben nicht unirten ©rieben bie freie Uebung ihres ©otteäbienfteS , bie Erbauung oon ©ethhäufern , bodj o^ne %$\vtmt unb ÖJlocfen, ber ©ib nach ber Jöorfdjrift ihres S8t~ fenntnijfeS, bie Erlangung bon ^Bürger* unb ÜJcetfterrechten unb ber Sutritt ju allen bürgerlichen unb militärifchen Remtern juge* fagt mürbe, öilbete biefeS Xoleranjebift fdjon einen feltfamen (Xontraft mit ben in proteftantifdjen Öänbern bamals noch beftefjen* ben SroangSgefejjcn gegen bie Sl atljolifen , jo mürbe es au&erbem noch vielfach jur 4>erabroürbigung ber Hüdje ausgebeutet. (Sine nicht geringe «njahl oon Slfatholifen erblichen in ber oon 3ojeph proflamirten ©eiuiffenSfreiheit einen Jreibrief 3U 3njulten aller Slrt ■gegen bie $atholifen unb gingen barin fo roett, baö 3ojeph bie NJiott;tucnbtgfcit erfannte, ein auSbrücflidjeS Verbot gegen jolche «uSjchreitungen $u erlaffen. ©elbft ber $roteftant sJtam*t)om fagt : „Öeiber rntjehte fidj nur ju balb ^u ber h^h^n 5«ube, welche

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3ofej>f>3 II. finfjlicfje Neuerungen.

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mit Recht bie SIfatholifen über bic ilmen jugeftonbene greiheit an ben Xag legten, 2lnma&ung unb Uebermutt), ber fogar in bie un* anftänbigften ©eleibigungen gegen bie ©efenner ber bominanten Re» ligion (bie Statholifen) ausartete unb eine 9Jcenge höchft ärgerlicher Auftritte herborrief. nun aber ber faifer aurf) hiergegen eiferte unb alsbalb auch mehrere fein erfte« Xoteranjpatent ergänjenbe 93er* orbnungen erliefe, mobura) fcheinbar ben Slfatholtfen erft gewährte greiheiten unb Vorzüge theilweife wieber genommen ttmrben , fo fchrien auch fie wieber über Unbulbfamfeit unb Ungeredjtigfeit."

©ine anbere oon bem #aifer nicht oorhergefehene golge be« Xoleranzebiftä log barin , baß Viele , bie ihrem Glauben längft entfrembet waren, fich offen oon ber Äira^e loäfagten, in ber SfleU nung, fid) baburch ber faiferlichcn @nabe ju empfehlen, eine 9M* nung, gegen welche 3ofeph fid) öffentlich unb nachbrücflichft zu Oer* wahren für nötyig fanb.

Von bem Xoleranzebifte ausgenommen waren afle ßonfeffionS* lofen, namentlich bie böhmifchen „Reiften* ober „Slbrafjamiten", eine au« Ueberreften beS alten ^ufitentfjumä ^vorgegangene Re* ligionäpartei , welche baä ÖJeheimnifj ber fjciligftcn $reieinigfeü läugnete, 3efum für einen gewöhnlichen ÜJcenfdjen erflärte, bie ßeljre oon feinem Verföhnungätobe oerwarf unb oon Saufe unb S(benbmat)l als unnötigen Zeremonien Richte miffen wollte. Sin faiferliche* (Sbift öom 19. ttuguft 1786 oerfügte, bafc alle Seiften, bie fiel) weigern mürben, $u einer ber gebulbeten Religionen über* zutreten, i^r Vermögen oerlieren unb nach bem Vanate übergeführt werben füllten.

3)ie meiften öfterretd)ifct)en Prälaten waren fchwadj genug, bie fird)Uct)en Neuerungen 3ofeph3 fa)n)eigenb hinzunehmen ; einige liegen fich fogar herbei, biejelben zu oertheibigen ; nur wenige, wie ber Äarbinal ÜJcigazji , <£rz&ifä°f oon SBien , ber Surft fter^ajo, (Sr^bifchof oon Slgram, ber (Srzbifchof Vatt)üani oon ©ran unb ber ©raf ©bling, ©rzbijchof Oon ©örZr hatten ben 3Hulh, al4 S3ertc>et* biger ber Rechte ber ftHrd)e aufzutreten unb bem tfaifer bie ein« bringlichften Vorftellungen ju machen; ihre ^Bemühungen, bem Ver* ber ben (£iu halt zu tt)un , hatten jeborf) nicht ben geringfte« (Erfolg unb gaben nur bem Äaifer Veranlaffung zu einer äufcerft unwür* bigen Veljanblung ber proteftirenben Vijchöfe. (Sbenfowenig iöcrücf = fichtigung, ald bie Vorstellungen ber öfterreichil'chen Prälaten, fanben bie entften SBarnungen bed ihirfürften Ziemend 2Sence3(auä oon Xrier, eines Sohne* 2luguft£ III. oon @ad)fen, bie oon bem $ai? fer fet)r übel aufgenommen unb in einer ben 2lnftanb oerlefcenben Sfleife zurüdgemiefen würben.

Sa auch bie nadjbrüdlichcn Ermahnungen unb Vorftellungen, bie Sßapft $iuä VI. in mehreren eigenhänbigen Schreiben an ben

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Jfaifer %o\cpf) IL

föaifer gerichtet, bicfcn nid)t jur Burücfnahme feiner fird)enfeinb= liehen (Srlaffe ^atte bewegen tonnen, entfc^Iog fid) berfelbe, trofc feinet öorgerücften 9llterS unb feiner fdjwadjen ©efunbheit, felbft nad) Söien ju reifen, in ber Jpoffnung, burd) eine perfönlict)e 93e fpredmng mit Qofeph beffere drfolge ju erzielen. $)er Äaifer, bem biefer (£ntfchlu& beS SßapfteS äu§erft ungelegen tarn, fudjte ber Ausführung beSfelben burd) bie Anbeutung üorjubeugen, ba& er felbft in ber &ür&e nad) SRom ju tommen beabfid)tige ; allein $iuS VI. beharrte bei bem, maS er als oberfter $irte ber ©Triften* heit für feine Pflicht hielt, unb traf, nadjbem er auf feiner ganzen 9leife öon bem fatholifdjen SBolfc mit bem begeiftertften 3ubel bt- grü&t morben, am 22. Sflärj 1782 in ^Begleitung beS ßaiferS, ber ihm mit feinem ©ruber, bem Grrjherjog SJtarünilian, einige leiten weit entgegen gefahren, in ber öfterreidnfehen ©auptftabt ein, wo in ber ftofburg bie früher öon 3Raria X^erepa bewohnten äimmer für ihn ^ergeriajtet morben waren.

3n 2Bien waren aus ber ganzen Umgegenb bis auf weite (Entfernungen J>in fo öiele 3ttenfchen jufammengeftrömt, baß bie 3at)i derjenigen, bie in ben ©tragen unb auf ben Ißläfcen ber An* fünft beS ^ßapfteS darrten, auf mehr als jmeimalhunberttaufenb gefdjäfct würbe unb man wegen ber nötigen ßebenSmittel für bie ungeheuere 9flenfd)enmenge bejorgt mar. vJ*ad)bem <ßiuS VI. unter bem nicht enben mollenben Qubel beS JBolfeS in bie &ofburg eingefahren mar, be= ga6 er fich alsbalb nad) ber ehemaligen gefuitenfirdje am £ofplafce, öon beren ÖJaöerie aus er ber bidjt gebrängten Spenge ben papft* liehen (Segen erteilte.

lieber ben öierwöchentluhen Aufenthalt beS SßapfteS in ber öfterretduichen Jpauptftabt berietet ein <ßroteftant baS Solgenbe: „£ic Söirfung ber Anwefenheit beS $apftcS in SBien ift au&er= orbentlid). 3d) war oft zugegen , wenn $iu* bem Bolle in ber $aiferftabt feinen Segen gab. 3d) gehöre nicht $ur fatholifdjen Religion, auch nicht ju ben weinerlichen ßeuten; aber ich öerfidjere Sie, ich nmrbe heftig erfchüttert unb bis $u Zfyamn gerührt. Sie formen eS nicht glauben, Welmen (Sinbrucf eS macht, über achtzig* taufenb Sflenfdjen auf einem «ßlaftc oerfammelt ju fer)en unb bie ganje grofje Spenge in einem Momente $u überblicfen, wo ber AuS* bruef ber frömmften Gefühle au« allen Rhenen leuchtet unb wo bie ©efmfucht , ben Segen für baS bieSfeitige unb jenfeirige ßeben in fich aufzunehmen, ihnen eine Anbaut , ich möchte fagen , einen (SntlmfiaSmuS einflößt, ber fie unempfinbiid) macht für bie unbe- schreiblichen SBefdnuerben, bie fie in bem erftiefenben ©ebränge aus* juftehen hatten. 2)ian benfe fich nun &aS ©rfcheinen beS $apfteS mit bem ganzen ^ompe, ber biefen SBater ber (£hriftent}eit umgibt, bie breifache ftrone auf bem Raupte, in feinem heißen Ornate, oon

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Sofeph* II. fird)lid)c Neuerungen.

ben Äarbinälen unb fjofjen Sßfirbenträgern umgeben, nrie er fleh gegen bie @rbe neigt, bann feine 2lrme gegen ben Gimmel ergebt, in einer (Stellung , toeldje bie oolle 3nbrunft eines Cannes aus* brüeft, ber baS ©ebet eines gangen JBolfeS ber ©ottheit barbringt unb mit feinen ©liefen bie ©rljörung ^erabfle^t; man ftette fid) bor , ba6 biefe ^anblung burd) einen ©reis geflieht , beffen ein» nehmenbe ©eftalt unb eble ©ejichtSsüge unfere £>erjen feffefn , unb nrie nun bie Xaufenbe in bem Stugenbftcfe , roo er in ber at^em* lofen , feierlichften ©titte bie SBorte beS ©egenS auSfpridjt , auf ihre Äniee fturjen unb Don berfelben $lnbacht unb Snnigfeit er* griffen toerben , oon ber pe ben fegnenben 93ater ber (£f)riftenfjeit ergriffen fefjen roahrlich ein übertoältigenber , ^inreiBenber Än* blief."

$rofc beS tiefen (SinbrucfS , ben baS (Srfchetnen beS SßapfteS unb beffen gange ^Serfönlichfeit in allen Greifen ber ©eoölferung SßHenS ^eröorgebraa^t , unb ber begeifterten SBerefjrung , bie i|m Don allen (Seiten ertoiefen rourbe , erreichte ^PtuS VI. feinen ßtoeef nicht. %tx ®aifer lieg eS jttjar an (einer ber (ätyrenertoeifungen festen, bie einem folgen ©afte gebührten, unb geigte bem liebend roürbigen ©reife eine adjtungSootte , tüte eS fa^ien auch aufrichtige 3uneigung; aber er nnch allen ^Bemühungen beS SßapfteS, mit üjm über bie (irchlichen Angelegenheiten ju unterhanbeln, ber mit #au* ni$ getroffenen SSerabrebung gemä§, mit bem ©intoanbe auS: „(£r fei (ein ifieologe unb öerfte^e gu wenig oom (anonifc^en SRechte, um münblia) hierüber üerljanbeln ju (önnen. SBenn ©eine £eilig* feit gegen bie oon ihm gum SBohle feines IBoKeS getroffenen (irch* liefen SSerorbnungen Erinnerungen gu machen i)abt, fo bitte er, ihm biefelben fdjriftlich oorlegen gu motten , bamit er pe burefj fei« nen Rangier ausführlich beanttoorten laffen fömte." ©dwn oor ber 5lnhmft beS SfapfteS hatte er an bie gefammte öfterreidn'fche ©eift- licfjfevt, inSbefonbere an bie ©ifdjöfe, ein ftrengeS Verbot ergeben laffen, fich toegen irgeitb meiner fir^tid^en Angelegenheit fcfjriftndj ober münblid) an ben ^eiligen SSater gu toenben, fo lange berfelbe in SBien roetlen toerbe , unb SßiuS VI. würbe roäfjrenb ber ganzen ®auer feines ©efudjeS fo genau btivafy, bafj er 9Uemanben unbe* mer(t empfangen (onnte.

3m ©egenfajje gu bem ßaifer ließ ®auni$ in feinem beneh- men gegen ben $apft nicht nur bie bem Dberbaupte ber Kirche fdjulbige (Sh^furcht , fonbern fogar bie Regeln beS conoentionetten AnftanbeS ooflftänbig außer Sicht. 211S $iuS VI., bem er nicht einmal einen ©fjrenbefuch abgeftattet , fi<h gu ber 53efichtigung ber ©efjenötoürbigfeiten feines SßalafteS gu ber üon bem Surften be* ftimmten ©tunbe bei ihm einfanb , empfing er ihn im Sftorgenan* jug, fchüttelte bie ihm jum Äuffe bargebotene ^anb mit ungejie*

^oljtoart^, 3Bcltflef(|t«te. VI. 35

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flaifer II.

menbcr Sßcrtraulidjfeit unb fefcte, mit bcr (£ntfdjulbigung , baß fein ®opf bic $älte nid^t oertrage, im 3immer ocn ^ut auf.

Aud) Ätänfungen anberer Art blieben bem $apfte roäffrenb feine« Aufenthalte« in ber öfterreidnfdjen $>auptftabt nidt)t erfpart. Unter feinen Augen erfaßten $u SBien eine glutl) oon glugfdjriften, bie fid) ungefnnbert in ber $erabnmrbigung unb iöerfpottung be« Primate« ergingen. $er ganj ben neuen Qbeen ljulbigenbe Abt föautenftraud) , 4>ofratf) an ber böf)mifa>öftemia}ifd>en ^offanjlct, oeröffentlidjte unter bem Xitel: „SBorftettung an feine päpftlidjc £eiligfeit," eine glugfdjrift , in meldjer er ben «ßapft aufforberte, ädern loeltltdjen Aufe^en, aller jeitUa^en Wlafyt unb £errföaft frei* mittig ju entfagen, „roeil ber Söefife berfelbcn ton ßfjrifto förmlich »erboten toorben fei." $n nod) unoeridjämterem Xone abgefaßt mar bie ©d)mäl)fajrift be« #offanoniften (Subel: „2öa« ift ber $apft?\ in melier bie ©runbfäfce be« gebrouiu« in ber fdmeibenb* ften gorm unter ba« S&olt gebraut mürben.

AI« $iu« VI. am 22. April bon SSien abreifte, mo er nid)t« Anbere« erlangt hatte, al« bie Stfatf be« ftaifer« , baß feine föe* formen üftidjt« gegen bie Xogmen ber IHrdje unb bie SBürbe iljre« Dberfjaupte« enthalten füllten, gab if)m Qofcp^ ba« (Meite bi« jum Softer SRariabrunn. ®leidjfam al« motte er ber SBelt jei* gen , mie menig bem Zapfte gelungen fei , Um umjuftimmen, {Job er einige ©tunben nad) ber Abreife feine« fyotyn ®afte« biefe« Älofter auf.

SBie bie föeife nad) SBien , fo geftaltete ftd) aud) bie Md- reife be« Zapfte« nad) 9ftom $u einem magren Xriumphjuge. $)ie anbad)t«öolle Eingebung , mit melier aller Orten bie fatljolifdje SBcoölferung ihrem Dberfjirten entgegenftrömte, feilte fid) felbft oie* Ken ^roteftanten mit. Qn Sttündjen brängte fid) bie ©emahlin be« englifdjen (^efaubteu mit bemalt burd) ba« U>olf , um öor bem Zapfte nieber ju fnieen unb ihm bie $>anb ju füffen. 3n Aug«* bürg ^atte fidb ber proteftantifdje It)cil be« ftiatlje« unb ber ©ür* gerfd)aft mit bem fatholija)en jur Ueberreidmng ber an burdjrei-- fenbe gürften hertömmlidjen ^^rengefc^enfe oereinigt, mofür $iu« VI. feinen $)anf mit bem ©ebete begleitete, „baß ©ott diejenigen, roeldje feine Bürger unb £au«genoffen feien, im (Sifer feine« $)ienfte« maxien laffen, bie ©äfte unb 3u^mmlinge aber mit bem ÖJeiftc feiner Klarheit erleudjten unb auf ben 2Bcg be« £cile« führen motte, bamit er (ber s$apft) fie Alle mit gleicher Siebe ju umfaffen fid) freuen bürfe." Seim 93efud)e ber Söibliothef begrüßte if)n ber 93ibliotr)cfar unb SReftor be« luthertfdjen (£umnafium« , Anbrea« Herten« , fnieenb mit einer Anrebe , in toeld)er er fein breifadje« ©lud prie«, „ben $apft $iu« VI., bie SSonne be« menfchlia^en ©e= fa)lea)t«, ben ^ciligftcu S3ater , ba« Oberhaupt ber djriftlidjen 9le*

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$ic Stcüolution m bcn ^icbcvlanbcn.

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ligion, denjenigen, ber geboren fei, atteä Ungemach toon ben 6terb* liefen ju entfernen, mit innigfter Bewegung bon 2lngeftdjt ju fefjen unb feine ^eiligften 5ü&e ju tuffen."

2lm 23. dejember 1783 erfdjien 3°fa>lj unerwartet jum öegenbefndje in SRom, tt)o er glänjenb empfangen mürbe. 2Hä er bem fpanifdjen diplomaten W$axa feinen *ßlan ber bölligen ßoSrei&ung ber beutfeheu $ird)e non föom eröffnete , rieth ihm biefer entfe^ie* ben ab. Qux Skrmeibung größerer Uebel entfc^log fidj ber Sßapft, tf)tn in einem am 30. 3anuar 1784 abgefdjlojfenen flonforbate ba3 ©menmtngSredjt für bie ©tetlntmer in ben £erjogthümern aMlanb unb SJcantua jujugefte^en. der ftaifer jeigte fid) feitbem $mar in feiner £>anblung3tt)eife cttoaS rücffichtSüoller gegen ben Sßapft , atä früher, fchritt aber nichtöbeftoroeniger auf ber $Baf)n feiner fachlichen Neuerungen mit unüerminberter SBittfür fort unb liefe auch bie oon ihm felbft erbetenen päpftüdjen Hutten über neue SBiäthümer nur mit feinem $lacet üerfünbtgen.

Sie »ebolution in ben Weberlaitben.

(1788-1790.)

die nieberlänbifchen $roöinjen DefterreichS feit 9Jcar> milian« I. Qtit ber „burgunbifche ftretö" genannt erfreuten fid), feitbem bie Kriege jroif^cn granfreich unb Cefterreich aufgehört hatten, einer behaglichen Stühe. 3h« SBerfaffung , bie Joyeuse entr£e ober Blyde Inkomste (frör)lid^cr (Sinjug), fo genannt, toeil bie Urtunbe berfclben im 3ahrc 1423 bei bem erften (Sinjug be3 ^erjogS Philipp beä ©uten in Druffel auägefteflt roorben fieberte ihren ©tänben , aufjer bem fechte ber ©teuerbemiöigung, triele anberen greiheiten unb SBefugniffe , in beren ©enuß fich ba3 33olf äujjerft tuohl fühlte. 2lderbau, <$erocrbe unb $anbel blühten, unb im ganjen £anbe herrfdjte ein früh(ia)er, tyittxtx (Seift fetbft* bemühter Freiheit, dabei funfi bad iBolf mit unverbrüchlicher Xreue an feinem fatholifdjen Glauben unb fanb feine työtytt grenbe an ben frrchlichen geften unb Wufeügen, bie als wahre SBoltefefte mit altertümlichem ^ßrunt unb reichen $1 unten jpenben gefeiert mürben, die in h°^cm 21nfet)en ftehenbe ©eiftlichfeit ^atte roährenb be3 fiebeujährigen Krieges bem Äaiferhaufe ihre (Ergebenheit burch außer* orbentliche $ilfdgelber unb darlehen öon fyofytm ^Betrage bethä* tigt. S(n ber ©pifce ber SBermaltung ftanb eiu ©eneralftatthalter, welche ©teile feit bem dobe be3 $>er^og§ #arl öon Lothringen bie ©rjherjogin SJcarie ©hrifrine, eine ©chtuefter Sofeph^r gemeinfehaft* lieh mit ihrcm ©ernaf)! , bem £er$og Gilbert öon ©achfen=dcjchen,

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Äaifcr 3ofej>^ II.

befleibete. $em ©eneralftattfjalter mar als SRat^gebcr ein 9ftinifter beigegeben, ber ifm im galle ber Slbtüefcn^cit ju oertreten Ijatte. £ie aus bem 9tbel, ber ©eiftlidjfett unb ben ©ürgerf Soften be* ftefjenbcn @tänbe übten jeboef), tf;ei(3 felbft, tfjeite bnrd) $u$fd)üfye einen großen (Sinfluß am, inbem mdit nur bie .v>öbc, fonbern and) bie (Erhebung unb SSermenbung ber Abgaben öon ifmen angeorbnet nwrbe. $ie meiften fianbfdmften Rotten if)re eigenen Cbergeridjte, unter benen ber große 9iat(jM oon Sörabant ba§ pdrffe 21nfef>en genoß.

Cbgleid) Sofcp^ bei feiner Sfnronbefteigung nicr>t nur alle föchte, Sreifjeiten , ©efefee unb ^rioüegien ber #er$ogtl)ümer ©raffdjaften, ©täbte unb Korporationen ber Niebedanbe beftätigt, fonbern aud) bie Joyeuse entr^e öffentlich unb feierlid) befdjmoren ijatte, griff er aläbatb in bie nieberlänbifebe Skrfaffung mit ber rütffidjtalofeften (£igenmäd)tigfeit ein, beren ©etoeggrunb umfomem* ger in einer lanbeäoätcrlidjen gürforge für ba3 SBofyl biefer ^ro* öinjeu gefugt »erben fonnte, a(3 er biefelben furj Dörfer an ben ftutfürßen oon ber *ßfatj gegen SBaiern fjatte oertaufc^en motten. (£r teilte baö gan$e £anb, olme Nücffidjt auf bie Wbgrenjung unb bie befonberen SBerfyältniffe ber einzelnen ^rooinjen, in neun Greife, ernannte ®reiäl)auptleutc, \iatt ber ton ben 8tänben ein* gefegten f aftcüaue unb Dberamtfeute, f)ob bie beftcfyenben Dberge* rid)t3f)öfe, ben großen Natfy öon Trabant unb bie geiftlidjen ©e= ricfytSftellen auf unb Oereinigte äße biefe Söcfyörben in einem fyödjften ©eridjt^ofe, ber feinen in ©rüffel erfjielt. ©benfo lüfte er bie brei mit ben 6tänbcn jufammenfjäugenben fliatljSfoflegien nebft ben ftänbtjrfjen WuSfdn'iffen auf unb übertrug bie gefammte *Ber- maltung beS tfanbeS einer unter ber Seitung eine« bevollmächtigten 9)cutiftcrä fteljenben Negterungäbefjörbe , moburd) bie SBirffamfeit ber ©eneralftattlmlterfcf)aft auf bie einfache ftepräfentation befdjranft mürbe.

2flit ben ftaatlidjcn Neuerungen gingen bie fird)litf)en £anb in £>anb. ftofepf) (job mehrere ftiöfter auf unb fe&te in anberen, bie er fortbewegen ließ, eigenmädjtig ^ommanbatar^Üebte ein, öer= bot burd) ein eigenes (Sbift jebe Berufung an ben $apft, nafjm ben Sbifdjöfen bie ©ntjdjeibung in ben ^eangclegentjeiten , unterfagte bie Wallfahrten, befdjränfte bie ^rojejfionen , üerfümmerte ben ©dmiucf ber ftirdjcn, t)ob bie bifd)öt"lid)en Seminarien auf unb er* richtete in fiömen unb ihirnnburg ©eneralfeminaricn, in melden für alle angeljenben ftlerifer beä JianbeS bie Xljeologie oljne jeb- tuebe bifdjöflichc ftontrolc burd) ^rofefforen gelefjrt merben foüte, bie üon bem tfaifer ernannt mürben.

$iejc Neuerungen, gegen Welche fomoljl bie belgifdjen 53ifd)öfe, an iljrer 6pifce ber «arbinal üon S r a n f e n b e r g , (Sr^bifd^of

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$ie SRefcolutton in ben Ktebcrlanben.

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t>on ÜKec^cIn, als aud) bic ©täube energifdjen Sßroteft erhoben, riefen im ganjen ßanbe eine bumpfe (Safjrung fyerüor, bic im sJco= fcember 1786 in fiöroen nadj ber Eröffnung be3 ®eneralfemtnar3 in offener 28iberfefclicf)fcit ju Sage trat. bie ©eminariften ge- gen bie Sriüolität unb Unfirdjlicfjfeit ber öon bem ftaifer ernannt ten ^ßrofefforen proteftirtcn unb bafür öon biefen eine fctyimpflidje SBeljanbhtng erfuhren, fam e3 &u ifyätltcfjfctten, bie ben $5ireftor ber STnftalt öeranlaßten, ftd) nad) 93rüffet ju begeben, um militä* rifdje £ilfe $u reqtitriren. Xer ®arbina( öon granfenberg ermahnte bie ©tubtrenben burd) ein ©djreiben $ur Nutye ; ba jebodj bie 58ür* gerfdjaft öon ßöroen für biefeffeert Partei ergriff, bauerten bie Nufjeftörungen fort. 3)em öon ber Regierung entfanbten SDlilttär gelang ^mar, bie Orbnung f)er$ufteüen ; aflein bie ©eminariften jogen, mit 2lu3naf)me einiger wenigen, öon bannen, um iljre ©tu- Sien in einem anberen fianbe ju matf)en.

5)er fjeftig erzürnte ®aifer öerroieS ben päpftlia)en Nuntius, ben er befdjulbigte, bie ©eminariften aufgereiht ju $aben, au& Sörüffel unb berief ben S?arbinal öon granfenberg nad) SBien, mo er Lfm mit ben SBorten empfing: „$)a ©ie öon bem jefcigen ©üfteme ber Geologie unb ben Einrichtungen ber ©eminarien feine regten begriffe ju haben fcheinen, fo Ijabe ich groci Seifiger ber geiftlichen $ommiffion beauftragt, 3hncn herüber baä nötige ßidjt ju oerf Raffen." (Sntfchloffener benn je, bie Neuerungen beä Äaiferä ju befömpfen, fefnrte ber ftarbinal nach Belgien jurüd, roo fidj baä über Sofepfjä ©taatäfirchenthum erbitterte iöotf immer fefter um feine Söifdt)öfe fdjaarte.

3u abermaligen Nuheftörungen tarn e3, als im Slpril 1787 bie neue Einrichtung ber SBertoaltung unb be$ (SerichtBtoefenS in* ßeben treten foüte. 5)ie ©tänbe öon Trabant öerfagten, öon bem ihnen öerfaffungStnäßtg pfteljenben 9fced)te Gebrauch madjenb, bie öerlangten £Uf3geIber, bid bie 93efd)tt)erben beä ßanbefc abgcfteHt feien, öerboten ben ©teuereinne^mern bie 2ftachtöollfommenheit ber ueuen ^Beamten an^uerfennen, hoben ba3 ©eneralfeminar ju Soften auf, entboten bie übrigen ßanbfdjaften ju einer allgemeinen 93er* binbung unb richteten bringenbe SSorfteflungen an ben (5teneral= ftatthalter. $)te SBerljaftung eine* 33 rüffeler SBürgerä, ber, in einer fiieferungöfaa^e be3 ^Betruges befchulbigt, ben üerfaffungämäfjigen 9lec^ten beä ßanbeS entgegen jur Unterfudjung nach SBien abge- führt merben foöte, öeraulagte einen Xumult, ber balb in anberen ©täbten Nachahmung fanb. ©trohpuppen, benen ber Xitel ®rei3* Hauptmann angehebt mar, mürben buref) bie ©tragen gefd)Ieift unb öerbrannt unb bem faiferlichen TOnifter Söelgiojofo, toefcher für bcn hauptiädjlidrften Urheber ober ©eförberer ber Neuerungen galt, bie Senfter eingeworfen.

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Äaifer Sofeft II

$a Niemanb mefjr ben faiferlidjen Beamten get)ord)en mollte, hielten bic ®eneralftattt)alter für geratt)en, eine (Srflärung ju erlaffen, welche bic Surürfnafnne oller eingeführten Neuerungen unb bie Entfernung aller mißliebigen ^erfouen au* bem Natlje ber ©tatt^alterei $ufagtc. $icfe (£rflärung rief in Trüffel einen unbe* fdjreiblidjen 3ubel tyrtoox, ber im ganjen fianbe Nad)t)all fanbr tfanonenbonner unb Öloefengeläute ertönten; ba« SSolf fpannte fid) öor ben ©agen beS gürftenpaareS , unb im X^eater würben bie ©rjherjogin unb tyr GJematjl mit ftürmifdjem tfpplauft als bie 2öic- bert)erfteUer ber öffentlichen 2Sot)lfat)rt unb greit)eit begrüßt.

3ofept) , ber bie Nadjridjt üon biefen Vorgängen in (£f>erfon erhielt, mof)in er fid) ju einer 3ufammcnfunft mit ber (£jarin be* geben, mar meit entfernt, mit ber Nadjgiebigfeit feiner Vertreter etnoerftanben ju fein. ©obalb er nad> SBien jurücfgefef)rt mar, be* rief er bie ®eneralftattt)alier unb ben 9flinifter ©elgiojofa auä ben Nieberlanben ab unb forberte bie belgijdjen Stänbe auf, u)m burd) Slbgcorbncte it)re ©efdjmcrben oorlegen $u laffen, „bie aflein auf Sftifjberftänbniffen unb fallen SluSlegungcn feiner nur auf ba& 2öot)l ber Nieberlänber jielenben Slbfidjten berufen fönnten." So fetjr er aud) münfdjen mochte, feine Neuerungen aufredet ju fjaltcn, nött)igte ifjn bod) ber Umftanb, baß er eben im begriffe mar, ge* meinfam mit Nußlaub einen Selb^ng gegen bie dürfen ju unter* neljmen, ju einiger Nad)giebigfcit. (5r fagte ben Mbgeorbneten ber nieberlänbifa^en Stäube bie ^erftettung iljrcr alten £anbe$öerfaffung bi$ auf einige menigen, noci) nä^er ju unterfud)enben fünfte ju, fanbte bie ßkncralftattfjaltcr, beren §(brei(e bie Belgier gar nidjt Ratten äugeben moflen, nad) ben Nieberlanben $urürf, ernannte an ber ©teile SBelgiojofo'ä ben ©rafen üon Xrautmann^borf $u feinem bevollmächtigten SNinifter unb erfefcte ben gleichfalls mißliebigen ©eneral 2fturrau, ber ben Dberbcfefjl über bie in ben Nieberlan* ben ftefyenben Xruppen führte, burch ben ©eneial b's2Uton; ba er jebod) auf ben meifteu feiner firchlidjen Neuerungen beftanb, bauerte bie Unjufriebent)cit ber Belgier fort. Xie Stänbc oon ^ennegau unb oon Trabant üermeigerten aufä Neue bie 3a^un9 oer $Öf** gelber, bid üollftänbige s2lbt)ilfe aller geregten Söcfdnoerbcn gefdmf* ten morben. 25a fie in it)rer SSiberfetjlidjfcit oert)arrten, ließ ber aufä §leußerfte gereifte Äaifer, nachbem er fluerft bie ©tdnbe oon $ennegau, bann and) bie oon Trabant burd) SBaffcngetoalt hatte am- eiuanber treiben laffen, am 18. Quni 1789 bie Joyeuse entree für aufgehoben erflären.

$iefe unfluge Üttaßregel fteigerte, in $8erbinbung mit ben gleid)jeitigen öerhängnißoollen @reigniffen in granfreid) ber ©rftürmung ber Söaftiöe unb ber ©rljebung ber Nationalöerfamm- lung über ben 2t)ron bie allgemeine Währung ju einem fold)en

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2>ie SReüolurion in bcn 9?icbcrIonbcn

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ßkabe, baß toeber bic ?(uSgleid)ungSöerfudje XrautmannSborfS nodj bog fdjroffe Auftreten beS ©cneralS b'Sllton bcn 9luSbrucf) eines allgemeinen 2lufftanbeS berfnnbern fonnte. SBäfjrenb ber an ber (Spi^e ber Dppofttion fteljenbe Slntoalt Dan ber 9toot mit $reu* ßen unb ben ©eemäajten unterfjanbelte, bie als S8eftf)üfcer ber Xürfei ju Cefterrcid) in einem gefpannten $8erf)ältniffe ftanben , jogen Xaufenbe oon Unjnfriebenen über bie fjoflänbifdje (JJrenje unb fammelten fid) ju SBreba, roo Ujre $eereSmad)t balb ju jnjolftaufenb Sflann antoudjS. 3n ©ruffei mürben am 19. Dftober in golge entbeefter SSerbinbungen mit ben 2luSgetoanberten eine große 2ln* jaljt ^erfonen aus allen ©tänben oerfjaftet. $a fidj audj auf bem fianbe unruhige SBemcgungett geigten, erließ b'Sllton eine $8e* fanntmad)ung, in toeldjer er alle Dörfer, in benen bie 3fafync beS SlufrufjrS aufgepflanzt toerbe, in SBranb ju fteden broljte; als je* bod) bie unter ber güfjrung eines ehemaligen öfterreidufdjen Offi* jierS, Dan ber Sttarfdj, über bie ÖJrenje gerüeften SluSgeroanberten am 26. Cftober eine bei Xurnfjoot ftefjenbe 9lbtf)eilung faiferlidjer Gruppen mit bebeutenbem SBerlufte jurütffdjlugen, oerlor ber ru^m» rebige b'?llton fo fef)r ben ®opf, baß er ber immer roeiter um fidj greifenben Empörung ratf)loS gegenüberftanb. $te ©täbte @ent, Dftenbe, Sörügge, 2HonS mürben öon iljren 93efafcungen geräumt, unb öon ben in ben ^roöingen üertfjeilten Xruppeu gingen ganze ©djaaren, öon ber gretgebigfeit ber über bebeutenbe ®clbmittel Oer* fügenben (Gegner üerlocft, ju ben Patrioten über.

3u (Snbe Dftobcr erließ öan ber 9ioot, als ber beöoffmäcfc tigte Slgent beS belgifdjen EolfeS, ein ÜJtonifeft , in meinem ber ßaifer feiner #eraogStoürbe für öerluftig unb Belgien für unab* gängig erflärt mürbe. SrautmannSborf ließ jmar am 3. <fto* öember biefe (Schrift in ©rüffet burefj <penferSf)anb oerbrennen ; bie ßage ber ©auptftabt feinen jeboefc balb burd? bie gortfdjrittc ber Patrioten fo fefjr 6cbrof)t, baß bie ®eneralftattf)alter eS für ge* ratzen erad)teten, mit bem $ofe abjureifen. 9tad)bem aud) bellten am 12. 5)ejember 1789 in 3olge eines burd) bic Selcibigung eines Bürgers oon (Seiten eines Offiziers erregten SlufftanbeS ©rüffel geräumt, unb ^oar mit einer folgen #aft, baß brei «Willio* nen baaren (MbeS jurütf blieben, proflamirten am 13. bie 6tänbe bie Unabfjängigfcit ber SRieberlanbe unb conftituirten fia) als „großmögenbe Staaten üon Sßteberlotljringen, Trabant unb $nt* toerpen." $ie bemofratifdjen Elemente, bie ftdj in bie SReoolution eingej'djlid)en, unterlagen balb bem Uebergetoidjte bcS SlbelS unb ber ©eiftliaifcit, meldte in ber ben ©tänben übertragenen @ou* üeränität bie fia^erfte ©ürgf^aft für bie Slufredjtljaltung i^rer alten SHedjte unb §erfömmlia^feiten erblirften. 5)ie am 7. ganuar 1790 unter bem SBorfifce beS ß'arbinalS oon granfenberg ju Sörüffel

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ßaifer 3ofej)$ IL

eröffnete ®eneratöerfamntlung ber ^Srotrinjen fanftionirte bie Unab* fjängigfeit Söclgien* unb fefcte, nadjbem fte eine au* jwötf ftrtifeht beftefjenbe ©unbe*afte entworfen, am 11. Sanitär einen föntgrejj ein, an »eichen alle poütijdje ©ewalt überging.

©ergeben« Ijatte 3oje^f nadjbem bereit* Xrautmann*borf am 20. ÜRooember bie ©iebcreinfefcung ber Untoerfttät ßömen in alle ir)re ©eredjtfame jugefagt, am 26. 9lobember eine $rofIamatioit erlaffen , in melier er , unter Surücfnatyme afler feiner ftaatlidjen unb ftrdjlictjen Neuerungen, bie SBieberfjerftettung ber Joyeuse entr^e nad) tfyrem ganjen Umfange, bie SBiebereinfe&ung be£ grofjen Ütatfy* oon Trabant, bie (Einberufung ber ©tänbe unb eine allgemeine Hmnefrie oerfunbete. 3" feiner ©ebrängnifj rief er bie ©ermitt* lung be* ^ßapfte* an; al* jebod) $iu* VI. bie alle föedjte ber ftircfye ^erfteüenben ßufagen be* ßaifer* ben ©ifdjöfen mit ber Suf* forberung übermittelte , in oerfötmlidjem @inne ju mirfen, erflarten fte ifmi: „$ie ©elgier fönnten, nadjbem fte fo oft in iijren £>off* nungen getäufdjt morben, ben Zerreißungen if)re* feittyerigen ©e* Ijerrfdjer* fein ©ertrauen mefyr fdjenfen, unb ba bereit* eine neue Regierung eingefefct, fei faum mefjr auf eine Srütffefjr unter ben ©efjorfam be* ftaifer* §u Ijoffen."

3ofel>lj8 II. »entrungen in Ungarn«

$en gleiten Unwillen, wie in ben SRieberlanben , riefen bie Reformen be* ®aifer* in Ungarn ljertoor, unb audj Ijier mar ber SÖiberftanb gegen biefelben ein fo heftiger unb brol)enber, baji 3ofep^ nur burrfj redjtjeittge* (Einlenfen einer äljnlidjen S'ataftropfje borbeugen tonnte, wie fie in ©elgien jum 5lu*brud) gefommen.

Ungarn fjatte bamal* in bielen ©ejieljungen 2lelmltcE)fett mit $olen; benn wie bort, fo bilbete aud? t)icr ber friegerti^e, Oer* fd)Wenberifd)e , 5um Uebermuttje gegen bie ©djmädjern unb jum Ungcfjorfam gegen bie flrone geneigte STbcI bie eigentliche Nation unb ftanb aud) in ©ejug auf ben unbänbigen 9tationalftol$ , ber bie polnifdjen ÖJro&en jur Qtit tyrer 9Raa)tfüHe befeelte, hinter biefen nid)t jurüd. $)er 2lbel war ftcuerfrei ; ber ©auer allein trug alle haften f mejjfjalb aud) ba* gemeine ©olf in ber ®efd)äft** fprad)e offiziell bie „misera contribuens plebsÄ ba* arme fteuernbe ©olf genannt mürbe, ßubem mar bie ©eoölferung be* Sanbe* eine bunt gemtfd)te : Sftagijaren , ©laben berfd)iebener ©tämme, ©riechen (Rumänen) unb $eutfd)e Rauften, burd) bielfadje Seinbjeligfeit gehalten , neben* unb burdjeinanber. Ungarn fonnte balp aud) al* ber am wenigften au*gebilbete ©taat be* ganzen c^rift(icr)en (Suropa'* gelten.

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3ofep1)8 II. Weiterungen in Ungarn. 553

$)af? f|ier Reformen 9loffy traten, mar nidtjt ju beftreiten ; aber ftatt bei ber Äbfdjaffung fo Dieter beralteter unb tief rourjetnber 2ftt§ftänbe mit boppelter SBorftd)t 51t SBerfe ju gelten unb bor Eitlem bie §ur $Tnbafmung befferer ßuftänbe nötigen <$runbfteine ju legen, ging ber Äaifer audj fyier mit feiner gewohnten Ueberftür^ung bor, unb inbem er mit einem ©djlage Sittel änbem rooüte, bereitete er fidj unüberftei gftcfje £>inberniffe.

©Icid^ beim beginne feiner {Regierung tyatte 3ofcp^ bie Ungarn baburd) erbittert, baß er, ftatt ftdt), toie e$ baS £erfommen erljeifdjte, jum (Smpfange ber Slrone be3 fjeiftgen ©tepljan nad) Sßreßburg ju begeben, bie Ueberfüfjrung berfelben nad) SBien anorbnete, rooburdj er anjubeuten fdjien, baß er all (£rbe ber IjabSburgifd&en üftonardtjie bereits #önig bon Ungarn fei. $(jatfädjtidj fjatte er bie Krönung nur beßfjalb umgeben motten, roeit er burd) bie Hblegung be8 ®rö- nungSeibe« an bie ungarifdje ©erfaffung, bie umjuänbern er ent* fdjloffen mar, gebunben gemefen fein mürbe.

Sofepfj eröffnete feine Reformen in Ungarn burd) bie (ährlje* bung ber beutfdjen ©pracfje jur allgemeinen ©efc$äft§tyracf)e , mo* bei er ben ©eamten jur Erlernung berfelben eine breijäfjrige grift jugeftanb. 2Ber fte bis ba^in nidfjt erlernt fjaben werbe , foEte fein 2Tmt berfieren. hierauf mürbe baS gefammte ©eridjtsmefen umgeftaltet unb bie ©ermaltung jum größten %ty\it föniglic^en 93eboßmäd)tigten ober ftoramiffarien übertragen. Kroatien, ©la* bonien, baS ©anat unb Siebenbürgen erhielten eine neue (SKnttjei* lung, moburd) in bem lefcteren ßanbe ber bisherige SBerfaffungS* unterfdfjieb ber brei Stationen : Ungarn , ©$etter unb ©adjfen aufgehoben ttmrbe. Um bie für ben ®rieg3bienft nadjt^eiügen Werbungen einftellen ju tonnen, führte ^ofepfj bie (Eonfcription ein , unb lieg $u biefem Smecfe eine allgemeine JBotlöjd^ung bor« nehmen.

Söäljrenb atfe biefe Neuerungen unter bem ungarifdjen ißotte, beffen nationale SBorurtfjette unb ©emoljnfjeiten fie beriefen , eine tief gefjenbe Unjufriebenfjeit fjerborriefeu , bie burd) bie i$m au* ber tfuffjebung ber Seibeigenfajaft unb ber in 2(u8ftcfjt fteljenben gleichförmigen ©efteuerung ermadjfenben ©rteidjterungen nio$t be* fdjnridjtigt merben tonnte , toax ber Slbel über bie ©eeinträajtigung feiner ©tanbe3borred)te tief erbittert ; audj bie ungarifdp öifööfe jeigten ben firdjtidjen Neuerungen SofepljS gegenüber eine ungleich entfcfn'ebenere Gattung, als bie ber beutfefcen (Srbtänber. ©0 faty fidj ber Äaifer bon allen ©eiten mit klagen unb <&egenborfteflungeu beftürmt, bie if)re3 ©mbrueta um fo roeniger berfefjlen tonnten, einerfeitö Ungarn ber ©djauplafc beS Krieges mar, ben Sofepf) im ©imbe mit ftußlanb gegen bie Pforte führte unb beffen anfänglich für bie ©erbünbeten menig günftiger ©erlauf bie Ungarn in i|rer

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554 Äaifer gofetf II.

SBibcrfc^tic^feit nur beftärfen fonnte, unb anbererfeit* Greußen eine immer brohenbere Haltung annahm unb bereit* Xruppen an ber föleftfdjen (Drenje aufgeteilt ^arte. $)a unter biefen Umftän* ben bie in Ungarn l^errföenbe ©ährung leicht in offene Empörung umfragen fonnte, tytlt 3*>f*Ph e* für geboten, bem ftürmifchen Verlangen ber ©efammtbeüölferung nach ber £erftellung ber früheren Suftönbe nachjufommen. SJcit 2lu*nahme beS Soferanaebift* , fo* mic ber für bie Seelforge getroffenen Einrichtungen unb ber 21uf* Hebung ber £eibeigenfrf)aft , toiberrief er am 28. Januar 1790 alle für baS Königreich Ungarn erlaffenen 93erorbnungen unb jagte bie Einberufung beS ^Reichstage* ju , ber feit ben erften Regierung** jähren SJtoria Ityxtfia'Z nicht mehr abgehalten morben. „Er habe," fo erflörte er ben ungarifdjen Stänben, „mit ben in einigen QmU gen ber SSermaltung getroffenen Slenberungen nur bie görberung ber 2öot)Ifar)rt be* itanbe* bewerft ; ba fie jeboch ben früheren 3u* ftanb öorjögen, fo nehme er feinen Slnftanb, benfelben mieber h«s aufteilend Sluch bie frone be* ^eiligen Stephan frfnefte er nach Ofen jurücf. allen Orten, burdj melche fie tarn, maren Sriumphbögen errietet, unb in Ofen mürbe ihre föücffehr burdj eine glänjenbe 3ö"^nation gefeiert. 3*1 0an8 Ungarn fyerrfd)te ein 3ubcl, al* ob bie Wation au* parier ftne^tf^aft crlöft morben märe.

3ofeplj8 II. ftuSgang.

3ofep^ II. Ijatte bei ber oben (€>. 550) ermähnten ßufam* menf mtft mit ber Malierin Matlmvina oon SRufclaub ju LSt)erfon mit berfelben ein SBünbnifj gcfdjloffen, in Solge beffen er fich genötigt fah, an bem im 3öhrc I707 aufgebrochenen ruffifch*türfijchen Kriege, über melden mir meiter unten ausführlicher berichten mer* ben, auf Seiten SRuölanbS hn nehmen. Obgleich er nach ben Stipulationen be* s-BunbeSüertragS nur jur Stellung eine* £>ilf*s heere* oon breiöigtaujenb 9)tonn berpflichtet mar, gemann in feinem 9iatf)e bie Anficht bie Oberhanb, bog e* beffer fei, fich mit allen verfügbaren Gräften an bem Kriege ju betheiligen, um oon ben al* unjmeifelhaft betrachteten Eroberungen einen grögeren Slntheil für fich nehmen ju bürfen. £emgemä& ging, nachbem am 2. gebruar 1788 bie förmliche ftriegSerflärung Oefterreid)* an bie Pforte erfolgt mar, ein £>eer öon jmeimalhunberttaufenb 9ftann unter bem ©encral *Ja*ct), ber fich in biefem Kriege al* ungefdnefter gelbherr ernrieS, nach bem SBanate ab unb nahm in fünf $lbtheilungen in einer meit au*gebefmten Strecfe üon ber maflachifchen ÖJrenje bi* 311m abriati* fchen Speere Stellung. $er Kaifer felbft begab fich im Srühjahre

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Sofcph« II. ÄuSgang.

555

$u bem bei Sittof ftefjenben #auptheere, um im Vereine mit 2a3clj bie Leitung bc£ JelbjugeS übernehmen.

55er Verlauf beSfelben mar in golge bc$ burcbauS öerfehlten *ßlaneä ein für Defterreich unglüeflieber. $>ie dürfen burdjbrachen ben öfterreidnfeben (jorbon unb richteten bie fc^roac^en Xruppenab* Teilungen , bie ihnen entgegen geftellt roerben fonnten , fcfjmadjöoff &u (Srunbe, roährenb bie größeren $orp3 in funftöott eingenomme- nen Stellungen müßig ftanben ober in miffenfehaftlich berechneten SJcarfcben hin* unb herzogen, mobei Langel unb ftranfbeiten mehr ©olbaten i)inrafftcn r alä eine bebeutenbe ©(flacht gefoftet haben mürbe. Sofeph» ber bei großem perfönlichen Sftuthe bennoeb fein fjeröorragenber Selbberr mar, entfdjloß fid) enblidj, bem allgemeinen Verlangen nachzugeben unb ben Oberbefehl bem hochbetagten , aber noch immer tüchtigen fioubon §u übertragen, ber bem $rieg aläbalb eine anbere SBenbung gab unb baä ©lücf $u ben öfierreidufeben SBaffcn gurüefführte.

Sofeph f elbft fehrte im ^Dejember 1788 mißmutig unb ohne ben erhofften Selbbcrrnrubm nach SEBien jurücf. $)te Slnftrengungen be£ £agerleben$, in meinem er mit feinen ©olbaten ade Söefchmer- ben unb Entbehrungen tbeilte, hatten ihm, oerbunben mit ben Ein* mirfungen eines heißen ©ommerä, bürrer SBüften unb moraftiger 9lu3bünftungen , bie für ba3 ganje £eer eine ungetuöbnlicbe ©terb- licftfeit $ur Solgc hatten , ein fdjmereä fiungenleiben zugezogen, bejfen Entnncflung burch ben nagenben ©chmerj über bie Erfolglos figfeit aller feiner 33eftrebungen befcbleunigt mürbe, ©chon bei feiner Slnfunft in SEBien erflärten bie 2(er$te feinen 3uftanb für bebenflich. 2öie er trofc feiner fhchenf einbüßen Steuerungen nie aufgehört hatte, burch ben Empfang ber ©aframente fein Schalten an ocm fatr)o» lifchen (Glauben 51t befunben, fo ließ er fich auch, nachbem er ben 2lu3fprucb ber Werlte öernommen, um oon feiner fatholifchen ©e* ftnnung noch einmal öffentlich 3^9«i6 abzulegen, am 16. $ejember in ber ShtrgfapeHe oor einer zahlreichen SBerfammlung baä tyiiiqt 3Ibenbmahl reichen. 21n ben ©tufen beS Slltareä fagte er mit lauter ©timme: „5$or bem t)kx gegenmärtigen ®ott, ben ich baib als meinen dichter ermarte, betheuere ich, baß ich alles, maS ich roä> renb meiner neunjährigen Regierung gethan , nur in ber 21bficbt angeorbnet habe, baä SBohl meiner Untertanen ju beförbern. ©oüte ich gefehlt haben, fo toirb ©ott in föüdficbt meiner SIbficbt unb ber menschlichen ©cbmäche , oon ber fein ©terblidjcr frei ift , mit mir ©armherjigfeit haben.

SofephS Enbe mar inbeffen fo nahe noch nicht, als er felbft glaubte ; trat m'elmehr in feinem Suftanbe eine merfliche ©effe* rung ein , unb ber ©ommer fd)ien ihm Polle ÖJcnefung bringen ju mofien. «Hein er fonnte ber fcheinbar mieberfehrenben ®cfunbheit

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55G

Äaifcr gofcrt H.

nid)t frolj werben; benn alljufdjmer laftctc auf feiner ©eele ber Kummer über bie bitteren, felbftoerfdmlbeten (Erfahrungen ber testen 3a^re , über bie gänjlia^ auä ben (^ugen getretenen SSer^ältittffe feiner (Erblänber, über bie ©efafyren, bie benfelben bei ber mad^en? ben getnbfa^aft ^reußend audi Don Stoßen broljten, gan$ befouberfc aber über ben Söerluft ©elgten*. „$)ie Räumung SBrüffeU ift mein £ob," fagte er &u bem nieberlänbifdfen ^rinjen öon Signe. „Ja? fterbe; id) müßte fonft Don §0(3 fein." llnb ein anbered ERat äußerte er: „Qdj roünfdpte, man f triebe auf mein @rab: $>ier rufjt ein gürft, beffen Äbfidtfen rein waren , ber aber ba$ Unglücf tyatte, ade feine $(&ne fctyeitern ju fetyen."

$aß in ber Xf>at troftloS in ben öfterreidjifdjen (Srbftaaten aufcfafj , erfyeöt au* ber nad)folgenben ©c&ilberung 3ftöcr* : „3m Snneren ber öfterreidjifdjen ßänber Jjerrfdjte an einigen Orten Doße $(nard)ie, in allen 9)?t fjuergnügen unb Aufregung. Belgien mar bereit* oerloren, Ungarn baran, feine eigenen SBege ju gcfjen, Xtjrol faft im Wufftanbe megen ©djmälerung feiner öerfaffungä* magigen 9ted)te unb megen aW ber politifdjen unb firdjlidjen 9ieue» rungen , in ben üorberöflerreidHfdjen ßänbern tfyeilmeife 53auero* aufftänbe; <&alt&ien, ©öljmen, Ober= unb Unter ofterreid) , ©teier* marf, ftärntfjen unb bie ßombarbei Doli klagen, 33efd)n>erben unb ©djnriertgfeiten , tljeilS wegen ber Steuerungen , tfyeild megen beS ©teuerbrudfö , am atlermeiften aber roegen ber ©efdjränfnng ober gänjlidjen ©efeitigung ber oerfaffungämämgen Organe ber fiänber, ber $rot>injial«Sanbftänbe.i'

W\t bem beginn be* SBinterft fefjrte ba3 Uebel bed &aifer$ in berboppetter ©tärfe $urü(f , unb balb unterlag e$ feinem Qtoti* fei mefjr, baß e$ mit ifun $u ©nbe ging, ©eine toadjfenben förper* liefen fieiben ertrug er mit ber gleichen ftanbtjaften (Ergebung, mit melier er bie garten (Erfahrungen fetner legten £eben$jafjre tyn* genommen, ©eine unermübltdje Xtyätigfeit erlofdj erft mit feinem £eoen: nodj am Xage üor feinem Xobe biftirte er feinen ftabinetä* fefretären bi* flefjn Uljr 9lac^td. 9tad»bem er am 13. unb am 15. gebruar 1790 bie heiligen ©aframente empfangen, entfdjltef er am 20. gebruar, in ber grülje be* SttorgenS, o^ne Xobe&fampf, im neununbbierjigften 3al>re feine* Sllterfc. ©ein X)enfmal in SBien trögt bie Qnfdnrvft: „Josephus II. qui rei publicae non diu sed totuB vixit 3ofeph II., welker für ben ©taat nid)t lange, aber ganj lebte."

®on ben bieten oerfdjiebenen Urzeiten, bie über 3ofepI) II. gefällt roorben, bürfte ba3 nad)fteljenbe öon Säger ba3 §utreffenbfte fein. „<E3 nrirb 9ttemanb aud) Dom ©tanbpunfte feiner fubjeftiöen Ueber^eugung bem Äaifer bie eble 2tbftcf)t abfprea^en fönnen , nur baä ©lücf feiner Söölfcr gemottt unb angeftrebt ju fwben. 5)aß i§m

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3ojepf>3 II. Ausgang.

557

ber traurige §lnblicf nicr)t erfpart tourbe , feine (Smtroürfe fdjeitern §u fefum, r)atte feinen ®runb jum %\)tii in ber §lrt, nrie er bie* felben ausführen ju müffen glaubte, jum X^etl in ber Statur fei* ner @ntmürfe. SBieleS oon bem , roaS Qofept) anftrebte , ptte als Samenforn in bie (ährbe gefät unb beffen ©nttoieflung unb ©ebenen ber Seit überlaffen merben fotlen. 3ofcpt) aber moflte fdjon in bem $lugenblicfe, als er ben ©amen auSftreute, fjrüchte pflüefen; barum gebier) felbft baS, roaS ßebenSfraft in fidj gehabt, in ber Treibhaus* hifce feiner SBerorbnungen nur ju einem fdmeU oergänglichen 55a* fein. 3ofepl), ber bem mirflichen fieben ba, tuo eS feinen ifjeorien im SBege ftanb, feine ^Berechtigung juerfannte, mußte mit bemfelben in notfrtrenbigen Streit unb $ampf geraden unb eS erleben , baß feine i^eorien unb $>oftrinen gegen bie SJcacfjt ber hriberftrebenben Ueberjeugungen , (Sitten unb fRechtSanfprüche ber SBölfer felbft mit Despotismus nicht gefchüfct werben tonnten."

Qn Uebereinftimmung mit biefem Urteile fagt ®. $f. SWenjel: Seine (QofephS) menfehenfreunbliche Sorge für baS SBohl ber dhrenjbetoohner , bie ifm ben bon ßaSct) öorgefchlagenen Sorben ge- nehmigen ließ, unb ber plöfolidje SBibermifle gegen Sölutoergießen, ber if)n im entfa^eibenben SJcomente eines fjalb errungenen Sieges gum Surütftoeicfjen oor ben Xfirfen beftimmte ; bie Qnfchrift, bie er auf baS GingangSthor beS öon ihm bem SBotfe geöffneten 2Iu* gartenS fefcen ließ : „eitlen äRenfchen geroibmet öon ihrem Sdjäfcer", unb bie ifnttuort, toomit er ben SBorfchlag, einen Ztyil beS (Martens ficr> unb ben f)öf)eren Stänben üorjubeljaUen , jurücfttncS : ,2öenn ich nur unter meines (bleichen fein moüte, fo müßte ich mein fieben jnrifchen ben Särgen meiner Vorfahren in ber ^aifergruft jubringen' maren ber HuSbrucf einer SDenfungSart, ber eS nicht fehlen ju fönnen fcf)ien, bie Zuneigung beS VolfeS in ihrer ganzen güHe ju geminnen. $>aß baS ©egentheü eintrat unb ber öolfS* freunbliche ®aifer bei feinen ßebjeiten roeit mehr gehaßt als geliebt tourbe , mar abet nicht bloß ber gewöhnliche £of)n , melden (&üte, ofme fingen SRücfhalt gefpenbet , ton ber ungenügfamen Spenge er* ^ält; eS entfprang auch nicht allein aus ben jahlreichen JBeeinträaV tigungen unb Verlegungen, melche feine Reformen ben Siechten unb Qntereffen ber ©inieinen brauten , fonbem eS mar gum größten Ztyil SBirfung ber £ärte, mit meldjer er burd> fchonungSlofe 2ln* tuenbung ber im materialiftifchen Sinne aufgefaßten begriffe: ©e* meinmohl unb Rechtsgleichheit , ben VolfSfitten unb VotfSgefüf)len £ofm fprad)."

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558

Äaifer SJeopolb II.

XXXII. Si a i f c x £eop o f b II.

(1790—1792.)

$5a 3ofepty II. feine ®inber fyinterlieS aus feiner erften <5fye r)atte er nur eine Xodjter gehabt , bic im SUter oon fieben 3a§ren geftorben mar ; feine jroeite @f)e mar finberloS geblieben ging bie öfterreidu'fdje Sflonardjie an feinen SBruber , ben ÖJro^er- jog Seopolb öon £o3fana, über, ber junädjft ben Xitel: *®önig t>on Ungarn unb 93öf)men annahm. $ie Aufgabe, bie biefem 5ür* ften in feinen ©rManben jufiet, mar feine leiste; bennod) gelang e8 iljm, fte burd) Mäßigung unb fteftigfeit löfen. 2Ba£ ifym näe^ft am $erjen lag , mar bie 3urürffü^rung ber SRieberlänber unter ben ©eljorfam feine« $>aufe3. Um fid) bafur bie 3uftimmung unb eöentuefle SKitroirfung $reuj3en$ unb ber ©eemädjte ju fiesem, fnüpfte er Unterfyanblungen mit bem ®önig Sriebrid) SBÜfjelm II. t)on Greußen, bem Steffen unb *Rad)foIger SriebridjS II., an, bie am 27. 3uli 1790 $u bem Vertrag t>on Sftetdjenbadj führten. Qn bemfelben öerpflidjtete fid) Seopotb , ben 53ctgicrn tr)rc alte öer- faffung , unter öennfligung einer ollgemeinen Slmneftie , jurüd ju geben unb ben 33arriereüertrag fjerjuftellen , mit ber Pforte aber fofort einen SBaffenftiflftanb ju fdjftejjen, unb mit berfelben über einen Stieben auj @Jrunb beä $3efij}ftanbe£ öor bem Kriege ju unter* f)anbeln, wogegen ber $önig tum Greußen if)tn im (Jinüernebmen mit ben Seemödjten feine guten 3)tenfte jur Herbeiführung einer friebliajen SRütffetjr ber belgifdjen ^romnjen unter bie öfterrcidnfdje £errfd)aft jufagte.

Sßadjbem auf biefe Söeife baS gute (Smüernefymen jimfdjen Defterreid) unb $reufjen fyergeftettt mar, begab fid) Seopolb nadj granffurt, roo er am 30. ©eptember jum ftaifer gemalt unb am 9. Dftober gefrönt würbe. Hierauf erließ er au bie Sftieberlänber ein SRanifeft, in meinem er fie unter ber 3ufage einer allgemeinen Sümneftie jur Unterwerfung aufforberte unb ifjnen unter ber ©e* wätyrleiftung öon (Snglaub, £>ollanb unb Greußen baä SBerfpredjen gab , bie nteberianbifd)en ^roöinjen nadj ben #onftttutionen unb s$rtöUegien $u regieren, bie fie jur Seit ber Äaiferin 3Haria Xtjerefia befeffen, audj alle* $u befeitigen, wa3 unter ber legten Regierung gegen ben Snfyalt biefer $onftitutionen gefdjefjen fein fönnte. sÄu&er* bem enthielt ba& SRanifcft bie vi(nfunbtngung , bafj bemnädjft ein faiferlid>e3 £eer fcon bret&igtaufenb SWann in ben ftieberlanben erfajeinen werbe.

Xer nieberlänbifdje Äongreg war jwar anfangt entfajloffen,

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ßatfer fieopolb II.

559

feine Unabhängtgfett ju behaupten; allein bie ®raft beS Sötber- ftanbeS war, in Sofge ber SBiebererftarfung ber bemofratifchen $ar* tei, burch innere Uneinigfeit gelähmt. 211S (Snglanb, ^oöanb unb Sßreu&en jur Unterwerfung rieben, ergriffen bie ©täube ben s2luS* weg, ben britten ©ohn beS ^aiferS, ben (Srjherjog ®arl, jum erb- liefen ©rofcherjog öon Belgien ju ernennen; ber SBeöoflmächtigte beS ®aiferS , ©raf SDcerctt b'Slrgenteau , unb ber gelbmarfdjall Söenber, ber güfnrer beS faiferlichen £>eereS, nahmen jeboct) öon biefer Ernennung feine 9coti$. Sßachbem fich bie faiferlichen Xruppen in Sujemburg gefammelt, rfiefte SBenber mit benfel6en am 20. Wo* öember über bie SJcaaS in ^Belgien ein unb fanb nur fdt)tt>achen SBiberftanb. SSan ber 9coot unb bie übrigen £>äupter ber bemo* fratifdjen Partei entflohen, unb am 3. $ejember 1790 gelten bie Cefterreia^er ihren ©injug in Trüffel. 9coct) öor Ablauf beS Qa^red waren fammtliche ^roöinjen , gegen bie ©eftätigung ihrer SBer* faffungen, *ßriöilegien unb ©ebräuche, nrie foldtje ihnen burcf> bie £ulbigungSafte föarlS VI. unb 9ftaria $hcrcfta'S pgefichert wor- ben, unter ben ©ehorfam beS ftaiferhaufeS jurüdgefefyrt.

©leichjeitig mit ber Unterwerfung ^Belgiens erfolgte bie öott* ftänbige ^Beruhigung Ungarns. $)ie ungarischen ©tänbe fugten $war bem ®aifer eine ©efdjränfnng ber ®ömgSgewalt burch einen neuen ÄröuungSeib aufzwingen; it)rc Bemühungen {Vetterten je* boch an SeopolbS gefttgfeit. 9cach fetner Krönung vereinbarte ber ftaifer mit ben ungarifchen ©täuben auf einem ^Reichstage bie @r= lebigung afler aus ber ^cit 3ofepf)3 noch ^errüf)renben SBefchwer* ben , namentlich bie Slbfchaffung ber befonberS mi&liebigen ©runb- fteuer, bie auch in ben übrigen ©rblänbern öon ßeopolb aufgehoben mürbe. 3n ben fird)lichen ükrhältniffen ftellte ber ftaifer gleichfalls einige ber ftörenbften 9)cajjregeln ab, wenn er aud) im Allgemeinen baS öon feinem Jöruber eingeführte ©uftem aufregt fyitlt. 2Jftt ben dürfen mürbe am 4. Auguft 1791 ju ©$iftowa ein griebe ge* fcf)loffen, in meinem Defterretd) baS Gebiet öon s2Ut-Drfowa erlangte.

Obgleich Seopolb II. ftd) mit bem ftönig gfriebriet) mtyüm II. oon Greußen bei einer 3ufammenfunft Leiber $u ^illnifo im Auguft 1791 über gemeinfame ©dritte ju ©unften feines unglücf liehen ©chwagerS ßubroig XVI., ber injwifchen in golge eines fel)lge* fotogenen gludjtöerfuchs ber befangene feines *BolfeS geworben, beraten unb geeinigt hatte, fam eS $u feinem feinblichen Sorgehen beiber Sttonarchcn gegen granf reich , inbem bie Annahme ber neuen ßonftitution öon ©eiten ßubmigS eine (Sinmifchung in bie franjö* fifajen Angelegenheiten noch nicht als rathfam erfa^einen lieg. fieopolb II. ftarb am 1. 2Rärj 1792, nach einer furjen, burch einen 55)iätfcr>Icr herbeigeführten Äranfheit , im Alter öon öierunb* öierjig fahren.

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Katharina II. oon 3*ufelanb.

XXXIII.

a t fi a r i n a II. von ^itUanD,

(1762-1796.)

Iftronbcftciflmtß ber ffaiferin flat&arina.

(9. 3uli 1762.)

9cad)bem bie ßaiferin (Elizabeth am 5. Qanuar 1762 nacr) furjer Iftanfhcit einem ©lutfturj erlegen mar , beftieg , fraft ber üon ihr getroffenen ©eftimmung , ihr Neffe , ber ©roßfürfi «ßeter Ufrict) aus bem $aufe 4>oIftein=©ottorp , als *ßeter III. ben ruf* fifd)cn X^ron. (Sine fetner erften NegierungShanblungen mar, Wie mir oben (©. 452) gefcfjen haben, bie ©inftellung aller geinbfeligfeiten gegen <ßreufien, worauf alsbalb ber 5lbfchlu& beS SriebenS unb ein förmliches $8ünbni& mit griebridj II. folgte, ©eine fd)Wärme= rifaje SBerehrung für ben ^reu&enf önig trieb ihn an , beffen Negie* rungSmcife in jeber JBcjtcljung jum SDhifter ju nehmen, freiließ mehr ben augeren gormen als bem Reifte nad), unb bis ins SHeinfte alle preufjifdjen (Einrichtungen in feinem Neiche nachzuahmen. Nicht nur baS £eerwefen, fonbern bie ganje ©taatSüerwaltung würbe, ohne Diücffic^t auf bie nationalen (Sigcntl)ümlid)feiten NufjlanbS, fooiel als möglid) auf prcu&ifchen 3u& gefegt unb babei mit einer £>aft ju SSkrfe gegangen , bie Nichts ju gehöriger Steife gelangen unb felbft biejenigen Neuerungen beS ftaiferS , bie wirfliche 33er= befferungen waren , als 2lfte ber #aune unb bcSpotifcher SSiUfür erscheinen lieg.

Vilich bieS er^ö^te bie SJcißftimmung , welche burdj ben plöfr liehen Uebergang oon einem langjährigen Kampfe jur SBunbeSge* noffeufd)aft mit bem {eiterigen ©egner in Nufclanb heröor9crufcn worben. $ie dauern grollten bem ftaifet über bie üon ihm einge* führte föopfftcuer , bie ©eiftlichen über feinen geringen (Sifer für bie (Gebräuche ber ruffifchen $tird)e unb über üerfchiebene firchliche Neuerungen. $ie ©olbaten waren erbittert über bie SBertaufchung ihrer alten bequemen bracht gegen bie engen preufjifchen Uniformen unb bie (Einführung ber ftrammen preu^ifchen $)iSciplin unb mehr noch über bie ißorliebe beS ßaiferS für feine holfte inif d)en Xruppen, bie er in ber augenfälligften Söeife beoor^ugte. 3)teS Ellies fümmerte jeboch ben Clären wenig ; er trug trielmehr gefliffentlidj eine fo auS- gesprochene Verachtung feines Golfes jur ©djau, bafc ber ihm ganj

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Xbronbefieigung ber ffatferüt töatbnrina. 561

ergebene englifdje @efanbte ^cttt) bie Steigerung tyat: „$er @aifer fdjeine feine Regierung mit bem <£ntfa)lu§ angefangen 51t fjaben, fein SBolf ju hänfen , unb werbe bamit enben , für baSfelbe ein ©egenftanb ber SBeradjtung ju fein."

$)ie Unäufrieben^eit erreichte ben f)öd)ften ®rab, als $eter III- 93orfef)rungen 511 einem getbjuge gegen 3)änemarf traf, um an bem bortigen ftönigSljaufe 9tad)e ju nehmen für bie Ungebühr, bie baS* felbe feiner gamilie , inSbefonbere feinem ®ro&bater griebridj III., jugefügt. Vergebens futf)te ifm griebridj II., ber bon einem Um* fdjlag in SRufjlanb bie fdjlimmften golgen für fid> felbft ju fürchten tyatte, bon feinem Söorljaben abzubringen : Sßeter erflärte eS für eine ßhmiiadje , firf) Don ben Xäncn ©enugtfjuung ju berfdjaffen , unb als ber preu&ifd}e ©efanbte nochmals barauf jurütffam unb i§n jur SBorfitfjt mahnte, ermieberte er: „SSenn ©ie mein greunb fein wollen, fo berühren ©ie biefe Sad)e nidjt mdjr!"

(Sin Umfturj mürbe allgemein erwartet , unb am ®atferljofe felbft, in Meters unmittelbarer 9*äf)e, mürben bie gäben $u bem Sftefce gefponnen, baS Um umftritfen unb ju galle bringen follte. $ie ftaiferin ftatlmrina (geb. am 2. 3Härj 1729 ju Stettin, wo if>r SSater, ber preufnfdje gelbmarfdjatl S^riftian Sluguft, gürft bon Slnfjalfcäerbft, als ©ouöerneur ftanb), bie am 1. September 1745 auf bie SSeranftaltung griebric^S II. mit bem bamaligen rufjifdjen X^ronerben s$eter bermäfjlt morben (f. ©. 386), lebte mit ijjrem ©ernafjl in einer nichts weniger als glücflidjen @f)e. Xrofc ifirer feltenen ©djönljeit unb i^rcr reiben geifttgen Begabung fafj fie fia) bon iljrem (£emal)le $urüdgefefct, weil fia) berfelbe anberen Neigungen Eingegeben fjatte, unb felbft bie im Safere 1754 erfolgte ©eburt eines Xljronerben bermodjte nidjt, ein beffereS Söerfjältnifj jmifdjen beiben ©Regatten fjetbeiaufüljren. sJtad) feiner Xfjronbefteigung lieg *ßeter III. fogar bie s2lbfidjt burtfjbltcfen , fid) bon feiner ©emaljlin, bie er auf bie unwürbigfte SBeife bejubelte , fdjeiben unb fie in ein IHofter fperren $u laffen , um fid) mit feiner bamaligen beliebten , einer ©räfin SBoronjow, 5U oermä^len.

$ie allgemeine Xijeilnaljme , bie fid) ber ßaiferin in um fo leerem ©rabe suwanbte , als <ßeter HL fic§ bon Xag $u Xag beräd)tlid)er unb berlja&ter madjte, bradjte in i^r ben <ßlan jur SReife, fid) burdj ben ©turj ifjreS ®emal)ls ben SBeg jum Xf)rone ju bahnen, als beffen (Srben s$eter, mit Umgebung feines eigenen ©olmeS, juerft ben unglücflidjen ©ro&fürften Qroan (f. ©. 278 u. 280), bann einen feiner ^olfteinifa^en Settern in ^uSfia^t genommen ^atte. 2luS ben gestern ifyreS ©ema^ls iBort^eil jie^enb , bewies fie ber ruffifdjen ©eiftlia^feit baS entföiebeufte siöo^lwoHen, wohnte, obgleich längft als eifrige S3ere^rerin Soltaire'S alles d)riftlid)en

^oljtoart^, Skligef^te. VI. 36

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Katharina II. Don SRufelanb.

©tauben* baar, mit grojjem (Sifer bcm ©otte*bienfte bei unb beo* bac^tetc auf ba* Strengfie alle ©ebräuße ber ortrjobojen ftirße; auß getoann fic ba* $olf burß leutfelige* (Sntgegenfommen, mäh* renb ba* $eer burß ifjrc guten greunbe auf ihre Seite gejogen tourbe.

gür $eter* Stur^ unb Katharinen* ©r^ebung roirfte befon= ber* bie eigene Sßroefter ber ©räfin SSoronjoro, bie neun$ef)n= jährige, burß fjcrtorragenbe Talente, toeibliße Anmutf) unb eine gtüfyenbe 93atcrlanb*liebe gleich au*ge$eißuete Sürftin $ a f ß* fort), oon welcher ^perjen fagt : „3n it)rcr perfon (ei ba* ruffifße Söetb , aufgetuedt oon ber reoolutionären ÜBeroegung unter ^Seter bem Großen, $um erften SJtale au* ber früheren SBejßränfting herüorgetreten unb habt feine gärjigfeit jur X^eilna^me an ben öffentlißen Angelegenheiten, an ber Üteorganifation be* Staate*, an fünften unb SSHffenf ßaften gezeigt.- Xurß fie rourbc junädjft ber einflujjreiße ©raf $ a n i n , ein ftaat*fluger SBeltmann, für Katharinen* plan geroonnen. Sieben biefen Reiben entfaltete bie rührigfte Xptigfeit für bie (Erhebung Katharinen* © r e g o r Drlott), ber (Snfel eine* üon Peter bem ©ro&en roegen feiner ferfen Xobe*= oeraßtung begnabigten Streiken unb faiferlißer ©arbeoffyier, ber burß feine auBcrgcroöhnliße Sßbnhett unb feine herfulifdje ©eftalt Auffegen erregte unb al* ber beoorjugte ©unftling ber Kaiferin Alle* an ba* (Belingen ihre* plane* fefcte.

3m Vereine mit feinen beiben SBrübern Alefei unb Seobor getoann ©regor Orlom ber Kaiferin $ahlreiße anbere Offiziere ber Artillerie unb ber ©arbe, bie ohnehin gegen ben Katfer megen fei- ner militärifchen Neuerungen aufgebraßt roarcu. 2>a* oon ben 58erjßtoorenen an bie Xruppen gefpenbete ©elb, ba* ©regor Orlom ber oon ihm oerioalteten Kaffe ber Artillerie entnahm, üerlieh ben ©erüßten oon ben unheilooUen planen be* Kaifcr* unb oon ber feiner ©emahlin brohenben ©efahr ein größere* ©etoißt. #on ben höheren Offizieren felbft begünftigt, griff ber ©eift ber Meuterei unter ber Öefafcung oon Peter*burg immer toeiter um fiß.

Ohne Ahnung oon ben gegen ihn gefßmiebeten planen, Oer* lie§ Peter III. Petersburg, um fiß naß Öranienbaum ju begeben, too er feine Ijolfteinifc^eu Solbaten ejercirte unb bie Abeube in ©efellfßaft leichtfertiger grauen im Xheater ober an einer reißbe* festen Xafel jubraßte. $ie burß eine unoorfißtige Aeujjerung oon Seiten eine* ber SBerfßroorenen üeranlafjte Verhaftung eine* Offizier* befßleunigte bie Kataftrophe, inbem fie bie greunbe ber Kaiferin ju ber Ueberjeugung braßte, bafc nur bie unoerjügliße Ausführung be* entworfenen plane* ba* Belingen be*felben fißern fonne. SBährenb bie Surftin $)afßforo ihren brannten bei ber

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X^roiibeitcißung ber Äaifcrin tatfjarina.

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33mailon/fcf)en (Sarbe bie SBeifung jufommen lie&, 2We£ für bic folgenbe ftadjt (9. 3uti 1762) bereit 51t Ratten, eilte s2llerä Drlom ju bet in bem Suftfdjloffe Peterfyof roeilenben $aiferin, um fie üon ber 8age ber 3)inge in ®enntniß 511 fefcen unb iljre unüerjüglicf)e SKütffefyr naef) Petersburg ju üeranlaffen, ju welcher fie fid) fofort bereit erflärte. s2llS fie in ber ®a)eme ber 33mailon/frf)en ®arbe erfd)ien, ftnrjten ifjr bic Solbaten entgegen, fugten ifjr bie £>änbe, bie güfje, baS ®leib unb nannten fie ifyre Retterin. 9ftit bem gleichen (EntfjufiaSmuS rourbe fie in ber $aferne ber ©emenoros* ftje^en @Jarbe empfangen, tootym fie fidj unter bem (Meitc ber 33ntaUou>'fcf)en (Uarbe begeben fyatte, unb als fid) ber ötm b°r* nad) ber $afanfira)e roaubte, fameu ifyr aud) bie PreobrafdjenS* foi'fdjen (Sarben, üon ifyren Offizieren geführt, mit lautem 3ubel= ruf entgegen. $n ocr ÄWJc fyarrte ber (5r5bifd)of üon SRomgorob mit ben popen, um ber neuen £>errid)ertn, bie i^ren @of)n paul 511111 Ifyronfolger hatte aufrufen laffeu, bie religtöfen Leihen 511 erteilen, 9tadjbem bic $aiferin hierauf friegerifdje %xad)t nad) ruffifajem ©dmitt angelegt, ließ fie bie Xruppen an fid) üoruber= jie^en unb begab fid> bann nad) bem SBintcrpataft , roo fie i^ren 28o!)iififc nafym.

(Sin alsbalb üeröffentlidjteS SPiauifeft , in meinem fidj bie neue £>errfd)erin „ßatfyarina II , üon (Rottes ©naben tfaiferin unb ©elbftljerrjdjeriu aller Oieuöen" nannte, üerfüubetc ber rujfi(d)en Nation, baß fie, bem ungeljeudjelten Verlangen üjrer Unterbauen nadjgebenb, ben Xfyron beS geliebten SBaterlanbeS beftiegen Ijabe, um bie ortfyobofe Religion oor ber ®efa£)r, burd) einen fremben (Glauben Derbrängt ju werben, ju fdjüfcen, bic burd) ben mit bem argften geinbe beS 9ieid>eS gefdjloffenen grieben ferner ge* fd)äbigtc StaatSefjre Sftn&lanbS ju retten unb bie üon bem gän$' lidjen Umfturj bebroljte innere ißerfaffung, auf melier baS iiBotjl unb bie ©runbüefte beS SBaterlanbeS beruhe aufrecht ju galten.

35ie SReoolution, bie bem ruffijajen 9teid)e eine beutjdje Sürften- todjter jur £errfd)erin geben follte, mar innerhalb ber rujjijdjen £auptftabt üollenbet, unb ganj Petersburg fdnüelgte im igubel. Vlm fiadjinittage brad) bie $ai)erin, in ©arbeuniform unb ju pferbc, an ber ©pifce üon jmanjigtaujenb Sftann, unter benen fid) üiele greiroilligen befanben, gegen Oranienbaum auf. Qfyr jur Seite ritt, gleichfalls in ber alten Uniform ber öJarbe, bie gürftin $afd}fom.

3nin)ifc^en Ijatte Peter III., bcr fia) oon Dranieubaum uad) bem ©aploffe ^eter^of begeben, um bie legten ^norbnungen ju einem bort abjulmltenben gefte ju treffen, üon ben Vorgängen in Petersburg ihmbe erhalten. fWünnia^, ben er gleich naa) feiner X^ronbefteigung mit ben meiften übrigen ^erüorragenbeu Verbann* ten aus Sibirien jurüefberufen unb in feine Remter unb SBürben

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Äat^arina II. oon SRu&tanb.

mieber etngefefct hatte, rietf) ihm, fogletch nach bem nat)en ftronftabt überzufahren, um fidj bcr bortigcn glotte oerfichern unb an bcr ©pifce bcr ja^Ircic^cn ©efafcung bcr Seftung gegen bic aufrührerifdje #auptftabt oorjurüefen. ©djon war Me« $ur ©injduffung bereit, al« ber Kaifer burd) ben Slnmarfdj feiner I^olfteinifdjen Xruppcn auf ben ©ebanfen gebracht würbe, fich in Weierhof $u bertljeibigen, ba ihm bie (£Ijre oerbiete, ju entfliegen, SBährenb hierzu bie nötigen SBorfehrungen getroffen Würben , raubte bie Nachricht oon Katharinens heranziehen bem faifer ben SHutlj. (£ilig iourbe jefct bie Ueberfahrt nach fcronftabt bettjerfftcUigt ; allein bie Äaiferin hatte in ber «gwifchenzeit ben bortigen , ihrem ©emahl ergebenen ftommanbanten abgefejjt unb bie ©arnifon für fid> in ©ib unb Pflicht nehmen laffen , unb fo mürbe bem ftaifer unb feinen öe* gleitern bie fianbung oerweigert.

ajiünnict) brang in ben ftaifer, nach SReoal zu fahren unb fidj auf einem ©chiffe ber bortigen giotte nach Greußen bringen zu laffen, um mit $Ufc ber bort ftehenben ruffifa^eu N2lrmee oon ad^ig* taufenb 9Jcann feine Jpauptftabt zum ©ehorfam jurücfjuführen. ©tatt biefem föathe ju folgen, liefe fich $eter burch bie grauen unb Höflinge überreben, einen ißerfudj bux MuSföhnung mit feiner ©e* mahlin zu machen, ju welchem (£ube er fich nach Dranienbaum z"s rücfbringeu liefe. itfon bort entfanbte er einen Äammcrhcrrn an bie tfaiferin , um ihre Verzeihung Zu erflehen unb ihr bie XtyU lung bcr &errfchaft anzubieten, ©tatt aller Antwort liefe ihm Katharina eine (£ntfagung«urfunbe jur Unterzeichnung jufteaen. Vergeben* bat ihn sJttüumd), fich lieber an bie ©pifce feiner 4>ol= fteiner ju ftetten , um al* Äaifer ju fterben : bcr in Zrunl unb SSohtleben üerfommene ©jar mar feine« mannhaften ©ntfchluffe« fähig. Dhnc äöibcrrcbc unterzeichnete er bie Urfunbe feine« ©tur* Ze«, worauf ber Ueberbringer berfelben bie $>olfteiner entwaffnen unb einfperren , ben entthronten ftaifer aber nach btm &mbhaufe Sftobfchaf bringen liefe.

sJll« Katharina in sßetert)of bie Jpulbigungen ber Umgebung beä ftaifer« empfing, wanbte fie fich an 9K&nnt$ mit ben SBorten: M©ie hoben gegen mich kämpfen wollen?" „konnte ich", erwieberte er, „weniger thun für einen Surften, ber mich au« ber (befangen* fdjaft befreit hatte? 3c(jt ift meine Pflicht, für (£ure ilJcajeftät Zu fämpfen, unb ich werbe biefelbe mit ber gleichen Xreue erfüllen. " 3)ie ilatfcrin übertrug bem achtzigjährigen, um dtufelanb Ijocljoer- bienten (Drei« bie Leitung be« ^iabogafanalbaue« unb hielt ihn bi« an feinen Xob (10. Oft. 1767) in hohen ©hreu.

©0 grofe auch ber 0 11 bei mar , mit welchem Katharina bei ihrer iKütffehr nach Petersburg oon ber Vcoölferung begrüfet würbe, trübte boch ber ©ebanfe, bafe bie wanbelbare Jöoltegunft fich bcm ent*

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X^ronbcftcißung ber Äoiferin #atharina.

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thronten Gmfel ^ßctcrö beS (Großen lütcbcr $utoenben unb bie faum errungene ftrone U)r uneber entrifjen luerben fönne, i^rc tt)ie ihrer greunbe SKuhe. $)en geftürjten ®aifer unfdjäblid) $u machen , gab eS , nach ber Anficht ber Verfchtoorenen , fein anbereS SJcittel , als feinen Xob; benn aus bent 21uSlanbe fonnte er mit ^eercSmacht jurüeffehren, unb im Qnlonbe fdjien feine Seftung ftarf genug, um bei einer ju feiner Befreiung geplanten Verfchroörung ftdjeren SBiberftanb ju leiften. 3)a$u fam bie Hoffnung DrlotoS , baß bie #aiferin fid) mit ü)m oermählen merbe , fobalb bie nach ben ruffifchen ©efefcen unlösbaren Vanbe ihrer (5^e mit $eter III. ge* fprengt fein mürben, ©o mürbe bie ©rmorbung beS Goaren be* fchloffen, unb OrlomS ©ruber 2llerei übernahm bie Ausführung beS freoelfjaften Vorhabens. SIm 17. Quli er fdjien er mit mehreren anberen Offizieren , bie er in baS ©eheimnifj beS beabficf)tigten Verbrechens eingemeiht, ju SRobfdwf in ben ©emädjem beS ®aiferS unb geroann beffen Vertrauen burdj bie 3ufaQc feiner batbigen Ve* freiung. Vci bem SDctttagSmahle , baS bie Verfdjroorenen mit bem Äatfer einnahmen , mürbe bem Sefcteren oer gif teter Vurgunbermein gereicht, ©dwn nach bem erften ®Iafc fdjöpfte er Verbacht unb lieg i'irf) OTlcf) bringen, um bie SSirfung beS ©iftcS 311 lahmen; bie Verfrorenen überfielen ihn jeboch unb warfen tt)n nad) oer* zmetflungSöolIer GJegenroehr ju Voben , morauf ihm mit einer ©Glinge ber £>als jugefdjnürt mürbe.

©0 enbete $eter III. im Hilter oon trierunbbrei&ig Qafjren unter Sttörberhanben. $)ie Vefanntmadjung feines XobeS enthielt bie (Srflarung f baß ber geroefene Äaifer einem heftigen ÄolifanfaH erlegen fei. Damit SKiemanb an feinem £>in)d)eiben §rocifcIn fönne, tourbe bie ßeidje, obgleich fie beutliche ©puren eines gemaltfamen $obeS trug, üor ber feierlichen Veftattung in ber $ird)e beS 911eran= ber 9cemsfi*ßlofterS auSgefteflt.

Ob <ßeter III. mit SBiffen unb SBiHen ber ftaiferin ermorbet morben , ober ob bie Verfchmorenen bie oerbrecherifche Xfyat auS eigenem Antrieb ausgeführt, barüber mirb bie ©efe^id^tc mohl nie ein öottgiltigeS Urteil fällen fönnen. %üx baS (SHne mie für baS 5(nbere fjat man Veroeife beizubringen gefugt; bie größere SBahr* fcheinlidjfeit fprtdjt jebod) für eine birefte SKitfdmlb ber ßaiferin. 3ebenfaHS befunben bie Belohnungen, bie allen denjenigen ju Zfytti mürben, meldje bei bem Verbrechen mitgemirft hotten, ba& baSfelbe minbeftenS ihre nachträgliche Billigung gefunben.

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tfatöarina II. von SRußtcmb.

Äatftortna II. bcljamrtct ben ruften Ifjroit.

Nachbem burdj bie (Srmorbung <ßeter« III. nicht nur bic nachfte ©cfahr, bie bem Xf)rone bcr $aiferin brobte, fonbem aud) ba« 4>inbcrni& bcfeitigt morben, ba« ber Vermählung Katharina'« mit Tregor Drlom im SBegc geftanben , bot ber Severe Me« auf , um ju bicfem 3idc ju gelangen, unb ber Don ßatbarina au« Sibirien jurüdbernfene SBeftucbem braute , um fic^ nicht nur bei bem mäa> tigen (Mnftling, fonbem aud) bei ber ®aiferin bauernb in ®unft ju fefcen, zahlreiche Unterfcbriften für eine 93ittfdjrift |U fammcln, in melier flatbartna im tarnen bc« ruffifdjen $olfc« befdjmoren tnurbc, ihr „glorreiche«" SBerf buref) iljre Vermählung mit einem Muffen ju frönen unb ju ihrem ÖJcmable denjenigen ju roäfylen, ber if)r als ber 2l;ürbigfte erfebeinc. $a« ^ßrojeft fcfjeiterte inbeffen an bem cntjdnebcnen SS?iberfprud)e "SJkmn« , ber ba«felbe für eine SBeleibigung bc« gefunben SOtcnicbcnücrftanbe« erflärtc , unb ®atba= rina felbft mar flug genug , bem trafen $anin auf feine ©egcn= oorftcHungen 511 erflären: „3dl b°be ben alten Nänfeicbmieb nie ermächtigt 511 bem , ma« er jefct getrau t)at, unb roa« Sic betrifft, fo jcf)e ich in ber $reue unb Offenheit Qtjred ^Benehmen« zu üiel 2(nbänglid)feit an meine ^erfon , af« baß id) jemals bie Söeroeg* grnnbe be«felben mißbeuten fönnte."

3m September 1762 Iic& fid) ftatfjarina, nachbem fie, um fid) in ber Qhtnft be« Soltek ju befeftigen, alle mißliebigen Neuerungen ^Jkter« III. aufgehoben f>atter ju TOodfait mit großer ^runfentfattung feierlichst frönen ; ber Mbcl jeigte jeboeb bei biefer (Gelegenheit eine fo referöirte unb ba« Volf eine fo fühle Haltung, baß fie mit crn= ften söeforgntffcn erfüllt mürbe. Nicht nur in ihrem Sohne $aul, ben ba« Volf, mo cd ifm erblicfte, mit lautem ftreubenruf begrüßte, fonbem auch in bem unglüdlid)en Qroan, ben ^ßeter III. au« feiner ftrengen £>aft in Sd)lüffelburg befreit fyatit, fa() fie einen gefäf)r= liehen Nebenbuhler, ba ihr nicht entgangen mar, baß bie ©liefe öiclcr Un$ufriebenen auf ihn gerichtet maren.

Um ber (Erhebung 3*üän« oor^ubeugen, ließ fie ihn in bie ®afcmatten öon Sd)lüffelburg jurüdbringen unb übertrug feine tlebcrmachung zweien juoerläffigen Offizieren, benen fie ben fchrift= liehen Befehl einhänbigte, ihn zu tobten, fobalb irgenb Qcmanb einen s«8erfuch ju feiner Befreiung machen merbe. Wit auffaüenber ^tanlofigfeit that bie« am 20. 3uni 1764 SBaftl SJctromitfö au« bcr Ufratnc, Unterlieutenant bei einem Infanterieregiment in ber geftung Sdjlüffelburg. Wit brei Unteroffizieren , bie er für feinen $lan gemonnen, begab er fid) in bcr Nacht ju ben 28ad)tpoften unb Zeigte ihnen einen untergefchobenen Ufa« bc« Senate«, be« Chatte«, baß bie Äaifcrin, entfchloffen, ba« ruffifche Neid} ju oertaffen, bem

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Äatljarma II. behauptet ben rufftfthen Thron

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®roßfürften 3man als bem rechtmäßigen 2f)roncr6cn bic trotte jurärfjugeben bcabfichtige unb ber Senat bafjer beffen ^Befreiung unb Ueberführung nacf> Petersburg angeorbnet habe. $on ben jubelnben Solbaten begleitet, brang er gegen baS (Befängniß 3toanS üor; bie Pächter beS Prinzen bertneigerten ihm jebod) ben ©nlaß , unb als er 2tticne machte, baS %f)ox mit ®emalt p öffnen, ftießen fic ihren befangenen, ber fieft bergebenS jur SBefjre 51t fefcen fuchte, mit $e* gen* unb ©ajonettftichen nieber.

2llS 2Riromitfdj feinen Plan bereitclt faf) , gab er ftch ohne Sßiberftanb gefangen. <£r rourbe, nadjbem man vergeben« bie 9ln* gäbe bon üttitfchulbigen bon ihm ju erpreffen gefugt, am 28. ©ep* tember 1764 enthauptet, dagegen erhielten bie beiben Offiziere, bie ben unglürflid) en 3man getöbtet , eine Belohnung ; boer) mußten fie auf einige 3ett nach $änemart flüchten, um bem Unnrillen beS Öolfe« flu entgegen , baS in fötaler Sflenge unb mit fo fichtbaren Seichen ber Sfjeitnaljme ju bem fieichnam beS in SWatrofentrac^t bor ber Stirdje ju ©chlnffelburg auSgcftcöten 3man Ijerbeigeftrömt mar, baß ber SBefehl gegeben roorben , ben ©arg ju fchließen unb ihn eiligft nach einem jroeihunbert SSerfte Don Petersburg entfernten Softer ^u bringen.

$urd) bic (Srmorbung 3^^^ btx SBeforgniß befreit, ihren X^ron an einen SRäfyerberedjtigten $u verlieren, atljmete Katharina freier auf, unb bie ©idjerheit ihres Auftretens, ic)rc Allen fühlbare geiftige Ueberlegenheit, ir)r Salcnt, Qeben ju ihren Steeden ju ge* brausen unb ©inen burd) ben Anbern in ©chranfen ju galten, unb enblid) auch baS Vertrauen, baS fie gegen ihre Untert^anen $ur ©djau trug, bannten allmählich ben ®cift ber Auflehnung. $abei fcffelte baS ebenfo jroanglofe uub freie als glänjcnbe Seben, baS fidt) an ihrem $ofe entfaltete unb beffen ^Rci^ burdj bie feltenc söe* roeglichfeit ihres ÖJeifteS unb bie Anmuth ir)rcr (Shrfehcinung erhöht tt)urbe, bie feinere ©cfeUfdjaft, mährenb ihre auswärtige Politif ben untemehmenberen ©eiftern reichliche (Gelegenheit $ur JBefriebigiuig ihres XhötenburfteS bot.

(£lf Qahre lang hatte Katharina ben inneren ^rieben in ihrem deiche aufrecht $u falten gemußt, als fie imQahre 1773 in (Gefahr gerieth, alle fjrüc^tc ihres ehrgeizigen ©trcbenS an einen 2ftann öon nieberer £>erfunft ju verlieren. (£tn bonifcher $ofaf, Pugat* f d) c to , ber im fiebeujährigen Kriege unter (Slifabeth gegen bic Preußen gefämpft unb fpäter an $atharina'S erftem Sfirfenfricge Xheil genommen hatte, mar, weil er feinen Ab|d)ieb nicht hatte erhalten fönnen, nach Polen entflohen, unb bort ^atte ein burchreifenber Df* fixier ihm bie SBemerfung gemacht , baß er eine auffaHenbe Aehn- lichfeit mit bem beworbenen ftatfer peter III. höhe, ©ofort ent- warf Pugatfchem ben plan , fich bei feinen fianbsleuten für biefen

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Katharina II. oon SRufjlanb.

auszugeben , ba er überzeugt mar , baß fte ihm in Maiic jufaHen würben. Tiefe Ucberjeugung grünbete fid) auf ben Umftanb, baf$ bie ftofafen meift Anhänger einer im ftebjehnten 3ahrf}unbert ent* ftanbenen griedufchen ©efte waren unb als SRaSfolnifen (©djiS* matifer) üielfache Verfolgungen oon ©eiten ber orthoborat (Seiftlidj- leit ju erbulben Ratten, mäljrenb fte unter $eter III. unbehelligt geblieben waren.

3n ber Xfyat fanb ^ßugatfdjew bei ben ftofafen am Qaif, $u benen er fich im ©eptember 1773 begab, bie befte Aufnahme, unb iftiemanb jtoeifcltc an ber SBaljrheit feiner Ch^äblung , bafj er ber Äaifer ^ßeter fei, ber fich aus ben Rauben feiner Verfolger gerettet ^abe, währenb an feiner Stelle ein ihm ähnlicher ©olbat ber ßeib= Wache getöbtet Worben. 2Bie Um bie fchiSmatifchen ßofafen als ben Söcfc^ü^cr i^rer religiöfen greiheit fweh gelten, fo gewann er bie ruffifdjen Jöauern burch baS Verfprechen, fte burch bie Ausrottung beS Abels oon ber Seibeigenfcfjaft ju befreien, unb balb fah er fich an ber ©pifce eines zahlreichen, meift aus ®ofafen beftehenben $eereS, mit welchem er mehrere gegen ihn auSgefanbte Xruppenabtheilungen fiegreich jurüeffchlug unb bie ©täbte Drenburg unb ®athartnenburg belagerte. $a& ber Aufftanb auch *>on anberen ©eiten begünftigt unb unterftü&t mürbe, bewiefen bie burch ganj föufclanb oerbreiteten attanifefte , welche ber ruffifchen Nation bie föücffehr Meters IU. unb baS @nbe ber $errfcf}aft featharina'S oerfünbeten , fowie neu* geprägte ÜJcünjcn mit bem Vtlbniffe Meters III. , bic in gro&er beenge im Sanbe in Umlauf gefegt würben.

Qnbeffen würbe ^ugatfehew, bem ber glüefliche (Srfolg feines Unternehmens feine anfängliche Vefonnenheit unb 2Jcafjigung geraubt unb ber überall feinen SSeg mit Vranb , SRaub unb SJcorb bezieh* nete, burch ben oon ber ftaiferin jum Kampfe gegen ihn aufgeru* fenen Abel oon ®afan unb ben benachbarten ^rooinjen , ber felbft burch ben Aufftanb fchwer bebroht war, jur Aufhebung ber Vela* gerung Oon Drenburg gezwungen unb erlitt in ber sJlähe biefer ©tabt gegen ben gürften ©alifcin, ben gührer beS 3fcegterungSf)cereS, eine fo bebeutenbe Sheberlage, ba§ er fich zum Sfcücfjug in bie ©e= biete beS Ural genötigt fah ; boch fam er balb an ber ©pifce eines neuen £eereS jurücf unb fchritt zur Belagerung ber alten unb gro* fcen $>auptftabt fafan, bie fich ih™ ergeben mufjte. SBährenb er bie abgefonbert oon ber ©tabt liegenbe (SitabeHe belagerte, würbe er burch ben Dberften Sftidjelfon angegriffen unb nach einem hei&cn tampfe genötigt, mit einem fchwachen Ueberrefte feines £>eereS in bie ©teppe ju fliehen, dennoch oerlor ber gro&e §aufe beS VolfeS baS Vertrauen ftu feinen Verfpredmngen nicht, unb balb fah er fich aufs 9ceue an ber ©pifee eines zahlreichen £>eereS oon Hofafen, ßalmucfen, Vafchfiren unb Bauern.

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2>ie erfte Teilung $olen«.

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3njtinfdjen hatte Katharina mit bcr Pforte, mit meldjer ftc feit bem Safere 1768 ftrieg geführt, grieben gesoffen, unb fo fat) fidj Sßugatfdjett) oon bem burdj ben ©rafen töomanjom aus bcr Surfei jurücfgefüfjrten £eere im föücfen bebrofjt. Er manbte ftdj ba^er nadj ber SBolga , um in bie europäifchen ^rooinjen unb befonberä gegen HJcoöfau öorjubringen ; eine ruffifdje #eere8abtf)eU lung unter bem Dberften STRic^cIfon oerlegte iljm jebod) ben 2öeg unb fc^Iog ihn, als er im begriffe ftanb, bie fteftung Sari^in ju belagern, in eine SBüfte ein, in melier bie 27cehrsahl ber &uf* rubrer, bie Don feiner Ergebung hören moöten , theil* im Kampfe, tbeilS in Slbgrünben unb jttriföen Seifen ben Xob fanben. <ßugat* fchem fetbft rettete ftch, inbem er burdj bie SBolgau fömamm; bodj ualjte feine ßaufbalm ihrem Enbe. ©ein Anhang fchmolj immer mehr jufammen, unb jule&t liegen ftch feine nächften Sreunbe baju herbei, ihn auszuliefern. Er ttmrbe nach SJcoSfau gebraut unb bort am 21. 3anuar 1775 mit mehreren feiner ©enoffen enthauptet. Um bie Erinnerung an ben jroeijährigen blutigen 2lufftanb §u ttl* gen, ber eine gro&e 3af)l oon ©täbten unb Dörfern jerftürt unb mehr als einmalcmnberttanfenb 9#enfchen baS Seben gefoftet, erlieg bie ftaiferin einen UfaS , burch melden ber Warne 3 a i f für ewige Seiten abgerafft unb biefem gluß ber Warne Ural öerlieljen ttmrbe, roährenb bie an bemfelben gelegene ©tabt 3a6^i , in roel* djer ^ugatfeheto juerft bie Salme ber Empörung aufgepflanzt, ben tarnen UralSf erhielt.

2)ie erfte Stellung $olen§.

(1772.)

£a3 Söcftrebcn, SRufjlanbS ©renken ju erweitern unb zugleich burch glönjenbe friegerifaje Erfolge bie ©eroalttfjätigfeiten , burd) welche fie jum X^rone gelangt mar, fomie baS ämeifel^afte 9ted)t ihrer $errfd)aft in SBergeffenheit ju bringen, führte Katharina auf bie Saint ber Eroberungen. $toti Wacbbarftaaten , o l e n unb bie % ü r f e i , boten ü) r für biefen ä^erf our(h ^)rc innere Schwäche unb SBerroirrung einen trefflichen Spielraum, unb in beiben gelangte fie burch bie Entfaltung ber perftbeften, burd) gemaltige ©treitfräfte unterftüfcten ^ßolitif ju bem erftrebten Siele.

3n $olen tjatten bie Einrichtungen, burch meiere ber feit ber SBerWanblung beS ErbfönigthumS in ein 9Bahlfönigthum jur abso- luten ^errfc^aft gelangte s2lbel bie Sreihett beS ßanbeS ju fiebern geglaubt , in ber -1 ijat aber nur feine eigene , mit Unterbrücfung aller magren 58oIföfrci^cit errungene greifet bis in* ©djranfen*

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ftatyartna II. t>on JRufelanb.

lofe erweitert ^atte, bie ©runblagen aller ftaatlidjen Crbnung unter = graben. SBie baS Don bcn ocrblenbeten 9lriftofraten als ba$ eigent* liehe ^ßallabium ihrer Jreiheit gepriefene Liberum Veto (f. S. 226 f.), iitbcm e$ jebcm einzelnen fianbboten baS Stecht oerlieh, burd) feine oerncinenbe Stimme ade iöcfc^lüffc be£ ^Reichstags un= giltig ju machen, jebe ©efe|gebung unb jebc geregelte ginanjoer* waltung unmöglich machte, jo lag in ber SBefugniB beä 2lbel£, fid) $au£tritppen in jeber beliebigen Starte ju galten unb ju bewaff= neten #onföberationen jufammen treten, um in Qeiten befon* berer Uneinigfeit unb Verwirrung burd? Stimmenmehrheit baS burchjufefcen, was auf bcn Reichstagen, wo Stimmeneinheüigfeit er- forberlid) mar, nicht burchgefefct werben fonnte, bie Cuclle fteter Unruhen, bie nicht feiten in blutige kämpfe ausarteten, ba oft $u gleicher Seit mehrere ftonf Operationen entftanben, bie fcr)r öerfa^ie- bene Bwecfe verfolgten.

SBäbrenb baS Liberum Veto unb bie Äonföberationen alle Eintracht unter bem s2lbcl aerftört fjatten, fehlte bem oon einem ©djattenfönig regierten Staate zugleich bie Stüfce eine* fräftigeu unb opferwilligen ©ürger* unb vijauernftanbeS ; benn alle Jrei^ei^ ten biefer beibeu Stäube waren in ben Vorrechten beS &belS unter; gegangen. $ie meiften Stäbte waren auf abcligem ©runb erbaut unb ftanben ol)ne allen fliechtsfehufc unb ohne forporatioc Selbft= ftänbigfcit ju ihren ÖhitSberren in einem oöüig abhängigen 5Öcr* i)ältni6 ; in ben wenigen freien ober föniglichen Stäbtcn aber war ber SBürgerfchaft burd) ben 21bel jeber 9(ntl)ctl an ber gefefcgebett; ben unb richterlichen ÖJeroalt entzogen Worben. Xaljer befanben ftd) auch ©anbei, ©ewcrbfleijs unb SBoblftanb in bem 3»ftanbe gänzlichen Verfalles, währenb fich ber SuruS unb bie VergnügungS= fucht beS WbclS immer mehr gefteigert hatten.

3e foftfpieltger aber mit bem wachfenben ÖUJU* unb ber §it* nehmenben Vergnügungssucht bie ÖebenSweife beS 9lbelS mürbe, befto brüefenber würben aud) bie bem leibeigenen Vauernftanbc aufgebürbeten Abgaben unb grohnben ; benn bie leibeigenen Jauern hatten, obgleich fie fünf Sechftel beS ganzen Golfes bilbeten, feine einige gefcfclichc Garantie unb fein anbereS Üiecht, als baS beS $afeiuS, unb ftanben ben Üeibenfchaften ihrer ©utsherren umfo fchnfclojer gegenüber, als nach bem polnischen ©efe^e ber Xobt* fchlag eines porigen burch feinen £errn nur mit einer (Mbbufje öon sehn aicarf, b. h- ungefähr oier Zfyakxn, beftraft würbe.

@S fehlte nicht an warnenben Stimmen, welche bem Slbcl über bie unausbleiblichen Solgen feiner ÜDctfiberrfchaft bie Slugen &u öffnen fliehten. „(£S wirb eine Seit fommen," fo oerfunbete ihm fchon im 3af)re 1605 ber gro&e Äanjelrebner *ßatcr Sfarga, „wo ihr ohne Könige fein werbet, ohne Vatcrlanb, oerbannt auf

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2)ic erffc X^cilung ^olcnS

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frember (£rbe itnb terachtet ton $enen, bie ehebem aus gurdjt euch Hochachtung betoiefen." Unb bcr eble Köllig 3or)ann $afimir, bcr tergebltch im 3af)re 1655 in bcr ®athebrale ton Scopol bic anroefenbcn großen befchrooren, bic ©trafen beS Rimmels über $olen baburch abjuroenben, baß fie „bie armen Sanbleutc auS fflatifcher $ienftbarfcit erlöftcn," fprad) im 3at)re 1661 tor bem öffentlichen Reichstage bie prophetifchen Söorte: „Bei unferer inneren 3nrietraeht fjaben mir bic Angriffe beS SlnSlanbeS unb bie X^eilung ber SHepublif ju fürdjten. $er SÄoSfomiter tooüe ©ott# baß ich ein falfdjer Prophet fei hrirb und fRnffifc^-^Soten unb Sitthauen entreißen; Branbenburg roirb fid) ©roßpolenS unb SöcftprcußenS bemächtigen, unb auch Cefterreich mirb bei biefer Serftütfelung bie (Gelegenheit benufcen mollen unb fidj $rafau an* eignen."

Slber bcr Hbel fpottete biefer Befürchtungen, „geben SCiigen* btief bereit, ©nt unb ©tut für* »aterlanb ju opfern/' fagt 3anffen, „unb toH jenes ritterlichen £clbengeifteS, bcr im übrigen Europa Iängft fchon untergegangen, fprach er (ber potnifche Slbel) nur mit Verachtung tom SluSlanb, fat) in bcr (Sinmifchung beSfelben bic ©aupturfache aller inucren SBirren unb UnglütfSfäHe unb machte gleichzeitig felbft immer toieber baS fianb gu einem meiten Schau* plafc auSlänbifcher Sntriguen. 9Han benfe nur an bie bei bem $obe eines jeben Königs immer roieberfehrenben terhängntßtoßen Reiten ber Interregnen, bie ber Slbel terfchulbcte, toeil er bem $önig nicht einmal baS Recht juerfannte, bei feinen £eb$citen au bic SBahl eine« Nachfolgers ju benfen unb ber Nation einen geeig* neten ftanbibaten in SBorfdjlag §ii bringen."

211S gohann $afimir im 3af)rc 1661 bie ermähnte <ßrophe= jeihung auSfprach, backte man im 5luSlanbe mirflich bereits an eine Xh^hMÖ Motens. 3>aS erfte berartige s?rojcft ging oon bem ©ehmebenfönig ®art ÖJuftao aus, ber im $al)Tt 1656 bem ®ur= fürften griebrich SBilhelm ton ©ranbenburg ©orfchläge ju einer ^heituug dolens machte, bei roelcher auch ber beutfehe ®aifer unb Rußlanb, fotoie ber gürft (Georg Ragoqi) oon «Siebenbürgen be- bacht roerben füllten. ©S fam in ber $hat $roifchcn ©chtoeben unb ©ranbenburg ju mehreren bieSbejügUchen Verträgen ; bcr Shir- fürft oon Söranbenburg trat jebodj Oon benfelben jurücf, nachbem bnreh ben Vertrag oon Söclau baS ^erjogthum Greußen oon ber polnifchcn SehcnSabI)ängigFeit befreit unb für fouuerän erflärt toor* ben. RichtSbeftotoeniger blieben feit jener Qüt bie ©liefe bcS Berliner |)ofeS auf bic ©rmerbung oon ^olnifch=$reußen ge* richtet.

SBahrenb bcS norbifchen Krieges mnrben oon $eter bem (Großen unb griebrid) I. ton Greußen neue $länc ju einer 3crs

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Äatljarina II. bon Shiftlanb.

frücflung $otcnS entworfen, unb ber potnifebe 23abtfönig 9Ingitft II. bot fogar fetbft, roie mir oben (€>. 314) gefeben, ben beiben 9tto- nareben als $rei3 ibrer TOtmirfung ju feiner ©rbebung jum Crrb* fönig bte Abtretung eine* XbetfeS bon $o!en an. $tefe neuen ^betfungSprojefte fdjeiterten jebod) an bem energifdjen SBiberftanbe DefterreicbS nnb ber (Seemädjte, unb ate fester griebrieb 28tts beim I. bon *ßreu&en nrieberbolten Waren auf biefelben $urücf= tarn, roollte $eter ber ®roße bon einer 3^f^^ung *ßolen3 WicbtS mebr toiffen, metl er bereit« ba« ganjeßanb al« eine ftdjere ©eute SRu&IanbS betraebtete.

STucb nacb bem Xobe *ßeter3 be$ (Großen blieb ber (Srroerb $oren3 ba3 näcbfte Siel ber rufftfeben ^otittf. $iefeS giet füllte, ben oon ^Beter in feinem politifdjen Xeftamente gegebenen 93or* fünften gemäß, bor OTem erreicht werben „burdj bie STufrecbtbal* tung ber etenben potnifeben Stafaffung , bureb bie Wnjettetung innerer ©irren unb ^arteiungen unb burdj ©eftedjungen unb ^ntrtguen aller 2Irt." $)ie rufftfeben $täne mürben geförbert burdj ben nnbeilboHen polnifcben Xbronfolgefrieg, ber bem beutfeben föeidje bte *ßrobtn$ Sotbringen foftete, ba« potnifebe ®ebiet rufftfeben Xruppen ju beliebigem Statten preisgab unb ben biSberigen pol* nifeben SebenSftaat fturlanb rufftfeben Sefeblen bienftbar machte (f. 6. 277).

9fm ftebenjäbrigen Kriege arbeitete bie ftatferin ©fifabetb an ber ?Tu8fubrung be8 polirifefjen Xeftamente$ ibreS SBaterS, tnbem fte ben beutfeben SBruberfrieg au* aßen Gräften ju berrängern fuebte, bamit bie beutfeben Sfläcbte befto mebr fidj abfebmäcben unb bie ruffifdje (Suprematie über ^olen niebt bebtnberten, bereu 9(uf* reebtbattung ba3 etgentlicbe SJcottb ber Xt)eitnabme ffiu&Ianb« an bem Kriege mar. Dbgteia) ba3 unglüeflidje ^olen mäbrenb jener &rieg3jabre niebt nur bon ruffifeben, fonbern aueb bon preu&tfcfjen Xruppen mit ferneren ©ranbfdjafcungen fjetmgefucbt mürbe unb bie preumfeben ^eerfübrer potntfe^e SRefruten mit (Gewalt jura Stiegt bienfte fangen, betraebteten bie $oten Greußen als eine ©dmfe* roefjr gegen föußlanb, unb im ganzen Sanbe fjiett man ftriebrid) II. für ben ©innigen, bon metebem $oten feine Befreiung bon ben übermütbigen 9htffen unb bte 5(btoebr noeb fdjfimmerer fünftiger $e= brängniffe bon tyrer ©eite ermarten bürfe.

9htr flu balb füllten bie betörten $o!en erfabren, toie febr fte ftd) in bem sßreufjenfönig getäufebt batten ; benn al& fte enbttd) ju ber ©rfenntniß gehirnnen, baß ber fteigenben 9lott) be« SanbeS nur burdj innere Reformen abgeholfen merben fönne, unb ju biefem Chtbe bon einer mäcbtigen Partei bie $ermanblung beS ©afylfänig* tbumS in ein (Srbfönigtbum, bie SIbfcbaffung be* Liberum Veto, bie SBerleifmng po!itifdt)er 9lec^tc an ben ©ürgerftanb unb bie miU

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2>ie erfte Teilung Polen«.

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berung ber fieibeigenfgaft in SBorfglag gebracht würbe, trat grieb* rig II. in ©emeinfgaft mit SRu&lanb allen biefen SReformoerfugen mit Entfgiebcnl)eit entgegen, inbem er mit Peter III. bei bem 2lbfglu& grer Cffenfiö* unb Xefenfiöallianä t>om 8. Quni 1762 (f. @. 452) eine fliege geheimer Krtilel üereinbarte , in »eigen beibe Kontrahenten fig öerpfligteten, jebem SBerfuge, ba3 polnifge ßöniqtljum crblict) ju magen, mit aßen Mitteln, nötigenfalls mit SBaffcngeroalt, entgegen jn treten, bei bem Xobe MuguftS III. nur einen piaften jum polnifgen Xljrone jujulaffen unb fig über ben paffenbften 2gron=ftanbibaten ju oereinbaren unb enbltg ben pol* nifgen $tffibenten (fgiSmatifgen ©rieben, föeformirten, ßutye* ranern u. f. to.) in religiöfer unb politijger 93e$iel)ung alle dje* maligen Privilegien unb Prärogatiöe toieber ju oerfgaffen. 2Sa£ bürg biefc lefctere SBcreinbarung bejmecft mürbe, geftefjt griebrig (elbft, inbem er in feinen Memoiren auSbrficflig fagt: „3)ie $i|> bentenfrage fei bie §aupturfage aller jpäteren inneren Unruhen unb Kriege gerne jen."

$ie Statififation btcfeS öölferregtännbrigen Vertrags mürbe jroar bürg bie Entthronung PeterS III. üerfjinbert ; aber $aga= rina II. beftätigtc, objgon fie in grem erften ÜKanifeft griebrig II. als ben ärgften geinb SKußlaubS unb ben mit bemfelben gefgloffe* nen Sieben als ein oon grem ®emal)t an ber ruffifgen Nation üerübteS Söerbregen be^eignet f)atte, fgon am 2. Stooember 1762 baS üon Peter III. oon preufjen gefglofjene 93üubni&, unter Sei* beljaltung ber be$üglig Polens vereinbarten geheimen Vlrtifel.

Sägrenb jebog griebrig ju Sebjeiten peterS III. bei beffen unbegrenzter Eingebung an feine Perfon ju ber gegrünbeten Hoffnung berechtigt geroefen, in Polen roie im ganzen nörb* ligen Europa, einen bominirenben Einfluß ausüben 311 tonnen unb im $ofe oon Petersburg einen getreuen unb gefügigen 2Wiirten unb gorberer feiner Pläne $u finben, mufjte er fig nag ber 2gron* befteigung $atfjarina'S, menn bie SBerbtnbung mit ir)r Sauer Ijabeu füllte, nigt nur in bie Saunen unb Entmürfe feiner SBunbeSge* noffin fügen, fonbern felbft $ur görberung grer perfönligen efjr* geizigen ^meefe mttroirfen. kannte gn bog ber ruffifge Sftinifter ©raf Panin fpäter in feinem Uebermug „eine ruffifge ©gilbmagt", bie aufrieben fei, bie jmeite fliotle $u fpieten , bamit bie Kaiferin bie erfte übernehme.

NillS Kagarina II. ben ruffifgen 51) von beftieg, galt SRufelanb nog fo menig für eine europäijge ÜDtogt, bafc griebrig II. im 3aj)re 1770 an feinen in Petersburg roeitenben ©ruber ^peinrig fgrieb: „er fgitfe gm 9togrigten au» Europa", unb bajj bie Polen auf eine Qnteroention ber meftligen «Staaten ju gren (fünften gegen bie 2HoSfon)iter oorjüglig befgalb äfften, toeil eS gnen

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tfatfjarina II. oon ftufjlanb.

unbenfbar festen, baß biete Staaten bie Srfjebung SRußlanbS „ju einer europätfd)en $Jlad)t" sulaffen mürben. „Mber eben biefe (£r* Hebung, bie nur bind) bie $8et)errid)ung Polens erreicht werben tonnte/ fagt Qanffen, ,,faf) ftatbarina als ifjre SebenSaufgabe an. 2>urd) Polen beredte fie, mic fie in einer geheimen Qnftruftion an ifjre ÖJefanbten in Söarfajau beutiid) auSfpridjt, bie ganje euro* päifdje Politif ju beeinfluffen, unb fdjarf blidenbe iöeobadjter er* rannten, ba& fte polen nidjt nur feiner felbft megen fi$ bienftbar madjen mollte, fonbern um es als Srü&punft für bie £ebel ju ge= brauchen, mit benen fie SDeutfct)lanb ju erfdnlttern l>offte. SBar aber bie altruffifdje StaatSmapme, ,burd) Polen nad) Seutfdjlanb' er« reietjt, fo mar bie rujfifcfje $tftatur über Mitropa gefiebert."

Unmittelbar uact) tyrer X^ronbeftetgitng fd)rieb ftatljarina an ben polnifa^en trafen Stanislaus Puniatomsfi, ber als ©efanbter SluguftS III. in Petersburg ifn* beuorjugter ©ünftliug gemefen: „3dj f Riefte fofort ben trafen $anferlingf nad) polen, um Sie bort nad) bem Xobe SluguftS III. $um König 511 madjen." ßinftmeilen follte Kauferlingf bafür Sorge tragen, ba& ber polnifd)e £ef)enSftaat tturlanb, ben Muguft III. nad) bem Sturje öironS feinem jüngeren Sof)ne Karl oerlieljen, bem bon Peter III. be= gnabigte SBtron, ber bnret) niebere Sd)meict)eleicn bie ÖJunft ber <£$arin erlangt, jurüdgegeben unb baburet) aufs sJkue unter ruffifdje SBotmäSigfeit gebraut merbe. 9iad)bem griebrid) II. am 22. Sebruav 1763 burd) feinen ©efanbten fein @inoerftänbni& mit bie* fer neuen Interpretation beS SBölferredjtS tjatte auSfpredjen laffen, rüdte ein ruffifdjeS £>cer oon fünf^e^ntaufenb sJKann in Kurlanb ein, um oon bem £>er$og Karl bie Räumung beS £anbcS ju erzwingen, tiefer mar Anfangs 511m SBiberftanb entfdjloffen , gab benfelben jebod) alsbalb auf ben 93efef)l feines Katers auf. So febrte Jöiron nad) Knrlanb utrüd, in beffen s43efi$e ifjm nad) feinem Xobe (1772) fein Sot)u folgte. sJ£aa)bem bie Sjarin auci) ijittfjanen burd) ü)re Gruppen t)atte befe^en laffen, ging fie in ifjrer N2lnma§ung fo meit, bajj fie an ben König oon Polen baS Slnfinnen ftellte, u)r über bie bisherige SBermaltung feines Königreid)S 9tcd)enfd)aft abju= legen.

$a($ aud) griebridj II. Polen bereits als ein abhängiges ilanb betradjtete, bemeift bie Söifltur, mit melier aud) er bort auftrat. 9tad) einem 33erict)te beS engüjdjen ®ejanbten in 2Barfd)au lieg er ganje gamilien aufgeben unb mit (bemalt nad) Preußen unb iöranbenbitrg bringen, um biefe t)aI6 ju ©runbe genuteten £anb* fdmften ju beöolfern, unb trieb nad) einer Söeredjnung beS pol= nijdjen KronfefretärS SfierSfi in ben beiben Palattnaten Pofcn unb ^alifct) Kontributionen im betrage oon $met üttiüionen Kro= nen ein.

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3)tc erfte Xfjeüung <ßoIen$

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Slm 5. Dftober 1763 ftorb ftonig Sluguft III. unb fein Sol)it griebrich S^rtftian, ber ihm als fturfürft nachfolgte, erflartc fic^ jur Annahme ber polnifchen Stone bereit, falls fie ihm angetragen werbe unb bie benachbarten dächte bamit einoerftanben feien ; allein er ftarb fdjon am 13. $ejember beSfelben 3ahreS mit ftinterlaf* fung eine« minberjährigen Nachfolgers. So fjatte bie (£$arin in ber SSieberbefefcung beS polnifchen ^t)rone« öoUftänbig freie §anb. Schon öor^er, am 6. ftooember, i>atte fie ihrem ©efanbten Äanfer* lingf unb bem Surften $t e p n i n , ben fie bemfelben jur Unter* ftüfcung jugefedt, eine Qnfrruftion jufommen laffen, meiere ü)re perfibe ^ßolitit gegen $olen oollftänbtg enthüllt unb beß^alb ju ben bemerf enSmertheften geheimen Wttenftüden ber 3^* gehurt. 9ftuß* lanbs 3ntereffe, fjeijjt eS barin, oerlange gebieterifeh , baß $olen niemals $u einer erblichen ÜJcouardjie erhoben werbe ; benn bie (S:rblid)feit ber Srone wäre bei erfte unb ficherfte Schritt „ju allen anberen Reformen, bie ben rujfijchen 3ntereffen fd)äblid) feien." 5)aS fächfifche SürftenfjauS müffe oom polnifchen X^rone üerbrängt, bie Mrmee beS SanbeS bürfe nicht oerftärft, unb oor sMem muffe baS Liberum Veto, b. h- bie Anarchie holend, aufrecht erhalten Werben, weil SRußlanb barin feinen größten üftufcen unb „bie oor» äüglichfte ©runblage feines bireften (SinfluffeS auf bie europäifdje s#olitif" erfenne. 9cur ein $iaft, ber ben rufftjehen ^meefen bienft* bar fei, bürfe ben polnifchen X^ron befteigen , unb Stanislaus ^oniatowsfi fei ber für föußlanb geeignetfte ®anbibat. Sr müffe aber noch bor feiner $8af)l beftimmte Garantien geben, baß er auS 3)anfbarfeit gegen bie ©jarin alle $läne berfelben $u jeber Qtit burdjführen unb bie Qntereffen föußlanbs ftetS als feine eigenen betrachten werbe.

3ur SBeftecfjung ber Sanbboten auf ben ßanbtagen im Qntereffe ber 2öaf)l SßoniatowSrVS ftedte Katharina ihren ©efanbten unge* heuere ©elbfummen jur Verfügung; auch ertheilte fie ihnen ben Auftrag, bafnn ju mirfen, baß ber Reichstag allen polnifchen $)ifft* benten eine unbefchräntte Xoleranj bewillige unb bie rujfijche 3 ns teroention unb (Garantie für alle ®efege , $rioi(egien unb Freiheiten nachfuche. 5)aburch gewinne fie, bemerft bie (£$arin, einen „p l a u f i b l e n 2$ o r w a n b" , (ich in bie polnifchen 2(nge= legenheiten einjumifchen, unb tonne bann mit ^Bequemlichkeit ade £ebel, bie fte für paffenb erachte, in Bewegung fefcen. Schließlich fpricht Katharina ihren (Sefanbten bie Hoffnung aus, baß fie ohne fö^ö jum 3iele ihrer SBünfdje gelangen werbe. Sollte aber, fügt fie ht"ä"/ wieber (Erwarten ihr ftronfanbibat nicht gemäht werben, fo fei fie entfchloffen, im (ärinoerftänbniß mit bem Äönig üon <ßreu* ßen ohne alle oorauSgegangene SfriegSertlärung gleichseitig alle polnifchen ^rooinjen mit ihren Xruppen ju überfchwemmen, ade

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ffatfarina II. Don Shifelanb.

i^re ©egner als Slebeflen ju betrachten unb bercn ©üter mit Jener unb Schwert $u oert)eeren , unb fte werbe bie SBaffen nicht et)er nieberlegen, bid baS gange polnifche ßiolanb oon ber Slepubltf ge* trennt unb bem rufftfdjen Bleiche etnoerleibt fei.

3m oollftänbigften SBiberfpruch mit biefer it)re Sßläne unum- Wunben enthütlenben ^nftruftion ltcn bie (S^arm mehrere Söochen fpäter ben *ßolen burch ben gürften Slepntn a m 1 1 i $ bie eibliche unb feierliche sBerfidjerung geben: eS fei ein lügenhaftes ©erücht, ba& jfe polntjchcS Gebiet an fich ju reißen beabfidjtige ; fte benfe an feine ©roberungen, fonbern wolle lebiglict) „burch ©erechtigfeit, 9ftenfchlichfeit unb ©ro&muth" ihre Untertanen beglüefen; fte werbe Weber felbft fich jemals an bem Öefifcftanbe dolens »ergreifen, nod* jugeben , ba& berfelbe burch irgenb eine anbere Wlaty irgenbwie graben erleibe. ©ine ähnliche (Jrflärung würbe am 24. Januar 1764 burch ben preu&ifchen ©efanbten in SSarfchau abgegeben. „$er £önig", fo lieg fich berfelbe oernehmen, „fei mit Siecht barüber inbignirt, bafi man il)in jutraue, er beabfichtige im (Sinöerftänbniffe mit Slufjlanb eine Sheilung holend; jolche Sßläne feien feiner ganjen XenfungSart entgegen , unb er wolle oielmetjr Ellies thunf um baS polnifche ©ebiet unoerlefrt ju erhalten."

Um bie übrigen europäischen dächte ju täufchen , fieberten Slu&lanb unb $reu&en ben $olen in öffentlichen Srlaffen eine ooU* ftänbige 2Bat>lfreir)eit ju; gleichseitig aber lieg Katharina, „um bie Freiheit ber ftonigsmahl ju fidjern," ein £eer oon fünfjehntaufenfc SHann in *ßolen einrüefen , unb als bie <ßolen tytxübtx , als über einen S3ruch beS VölferrechteS , ftlage erhoben , gaben ihnen bie rujfifchen ©efanbten bie höfmenbe Antwort: „$ie fo freie unb große polnifche Nation fönne boch nicht mahnen , ba& fo wenige Muffen im Stanbe mären, irgenb (£twaS gegen ihre Siechte $u unternehmen."

Stufjig jähen bie übrigen europäifchen flächte biefen ruffifchen Vergewaltigungen in sJ$olen ju; benn Defterreich war nach ocm blutigen fiebenjätjrigen Kriege erfdjöpft unb bie Pforte burch °ic ruffifchen Vorfpiegelungen in oollftänbige Xäufdwng eingewiegt; granfreich aber würbe burch tur^fichtige $oliti! beS £>er$ogS oon IÜuukuI, ber auf nichts MnbereS fann, als auf bie Schwächung GrnglanbS, unb überbie» bie polnifche Anarchie als einen SÖortr)eiI für bie franjöfifchen Sntereffen anfaf), oon jeber (Stnmifchung ju ©unften dolens abgehalten , unb Ghtgtanb gab für ben ©ewinn eines oortljcilljaften £anbelSocrtragS mit Slu&lanb ber ßsarin nicht nur $olen, fonbern auch Schweben unb 2)änemar! preis, wofür es oon Seiten ber ruffifchen SJlinifter nur Verachtung einerntete. v2luch auf Sraufreich nahm Katharina fo wenig Slücfficht , ba& fie ben fraujüfijchen ©ejanbten, ©rafen iöreteuil, auf beffen Anfrage, ob

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$ie erftc Teilung Polens.

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fte fidj nic^t mit bem £ofe oon SßcrfaiHc^ über einen polnifdjen Äronf anbibaten oerftänbigen motte, mit ben SBorten abfertigte: „$ie fianbfarte mirb Sfmen jeigen , ob eS einem Ruberen als mir ju* fömmt, ben Polen einen flönig ju geben."

SRadjbem Äat^arina II. unb griebria) II. lange mit einanber eine geheime $orrefponben$ geführt Ratten, fdjloffen fie am 11. Slpril 1764 einen neuen "Miau ^ertrag, bem baS jnuirfjen ^riebrict) unb Peter III. unterm 8. 3uni 1762 vereinbarte ©ünbnij? als ©ruub* läge biente. Straft biefeS XraftateS füllten bie Polen burd) ®e* malt gejnmngen merben, auf alle Reformen Söerjtdjt ju leiften: bie SBafjlmonardjie foHte beftetyen bleiben, baS Liberum Veto beibetjal* tenf ber fatfjolifdjen Äira^e polenS bttrdj Söegünftigung ber Xifft* beuten ber SebenSnero burdjfdjmtten unb bie $iffibentenfrage als nnrffamfteS Littel ber Aufregung unb als bequemer SBormanb 51t fortgelegter ©inmtfdmng benufct merben. @S mar baS XobeSurtfjeil Polens , baS bie betben 9J?onara)en mit biefem Xraftate unter jeidmeten.

Unterbeffen Iwtte ber BteidjSprimaS SttbienSfi , ©rjbtfdjof öon ©nefen, bem polnifdjen 2lbel nod) einmal alle ©efa^ren oor klugen geführt, bie ber tnnerlidj jerrütteten SRepublif öon bem SluSlanbe breiten, uub tf)n mit feurigem Patriotismus ermahnt, bei ber be* öorftefyenben ®önigsmal)l alle 3nrietrad)t rutjen $u laffen unb mit mannhafter Xljatfraft ju SBerfe ju gelten. Slber fo ferner aud) fdjon bamals baS frembe ^od) auf polen laftete , fdjenfte bennod) ber potnifdje Slbel ben SRafmungen beS PrimaS fein ©efjör : fd>roff unb gemaltfam, mie faum je Dörfer, traten bie inneren parteieu bei ber neuen ÄönigSma^l gegen einanber auf. $er ÜReformpartei, an beren ©pifce bie mäd)tige gamilie ber ©jartoröSft'S ftanb, gelang eS jmar, auf bem am 7. 3Rai 1764 eröffneten „$onuo* cationSreid/Stage" nad) getoaltfamer Entfernung ifjrer ©egner mel)* rere fjeilfamen ©efefce burd^ubringen , burd) meiere bie föniglidje 9Jtod)t eine nia)t unbebeutenbe (Srmeiterung erhalten mu&te; als fte jeboa), um bie 2lnardjie mit ber SBurjel auSjurei&en, bie ^luföebung beS Liberum Veto ju bewirten fudjte, legten bie ©efanbten SRufc lanbS unb preufjenS im tarnen tyrer ©ouoeräne bagegen fo ent* fduebenen Proteft ein , baß bie Partei fid) gezwungen fal) , biefeS midjtigfte 9*eformproje{t fallen ju laffen.

dagegen liegen föu&lanb unb Preu&en, um bie modrige Par> tei ber GjartoroSri'S , beren fte ftd) $ur föegulirung ber Königs* maljl in iljrem ©inne ju bebienen münjd}ten, nidjt aUjufe^r gegen fidj aufjubringen , ben föeiajStag in ber (£infül)rung mehrerer mefentlia^en Söerbeffcrungen in ©etreff ber JÖermaltung beS ßanbeS unb beS GJeridjtSmefenS , namentlich ju ©unften beS gebrüeften SBürger* unb ©aueraftanbeS, ru^ig gemä^ren; mußten fie boa),

^oliteart^, ©cltflef^te. VI. 37

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ßatfyarma II. »on SRufolanb.

ba& in ihrer 9Jcacht lag , bereit ?(uäführung jeberjeit ju Oer* hinbern.

3Wit Jptlfe ber SReformpartei tourbe am 7. September 1764 bie Sr^ebuug beS ruffiid^preu&ifdjen Sfronfanbibaten Stanislaus ^oniatom^fi , eine* Neffen ber Gjartoruäfi'd , auf ben polnifdjen %i)von $u Staube gebracht. Söenn jeboer) bie ßefcteren gehofft Ratten , auf biefen charafter* unb fittenlofen SDcenfchen einen be= ftimmenbeu Einfluß ausüben unb ilm für bie politische SBiebergeburt beS #anbeä begeiftern ju fönnen , fo fafjen fte ftdj in biefer £>off* nung fdjmäfjlid) getauft; benn ber neue ftönig (jatte oor fetner SBa^l gegen SRuftlanb unb ^Sreufeen geheime Verpflichtungen etnge* gangen , burch welche er fich öon üornherein $u einem bloßen ©e= fdjöpfe biefer dächte erniebrigte.

fleachbem Katharina burch bie Söaftl $oniatott>3fi'3 ihren nädj= ften 3toecf in ^ßolen erreicht hatte , fteflte fte , um bie SRepublif in ooflftänbigfter ?(bl)än gigfett ju erhalten unb fte in alle ben pol* nifdjen Qutereffen fernlicgenben rujfifchen @roberung3friege hinein- Riehen ju fönnen , an ben fogenannten „ftrimungäreichstag'' bie Sorberung, mit 9tu&lanb ein Sd)ufo= unb Xru(jbünbni& $u fchlieBen, mofür fie bie Verhärtung ber polntfchen Slrmee auf fünfjigtaufenb SDcann geftatten moHte. Slber bie SBitlfährigfeit ber CSjartorndfi'3 gegen bie (^arin l)atte ihr ©übe erreicht : bie vilbfid)ten $atharina'd burchfehauenb , festen fie auf bem Reichstage bie Verwerfung beS oerlangten VünbniffeS burch, matten fich aber baburch bie ©jarin $u il)rer unoerfölmlichen geinbin.

Qnbeffen fetnen mit bem beginne ber Regierung beä neuen ßönig« , ber balb Don allen übrigen dächten Europa'* anerfannt tourbe, für baS unglüefliche $olen eine beffere Seit anbrechen ju tooüen ; benn bie ©eifter beruhigten fich allmählich , unb mit bett (^artornsfrs , betten, als ben jpäuptcrn ber Reformpartet , bie üBe- fugnijj eingeräumt toorben , für bie Durchführung ber erlaffenen neuen ©efefce unb Verorbnungen Sorge §ti tragen, föhnten ftch öiele ihrer früheren (Gegner au*.

Slbcr biefe SBenbung sunt Vefferen reijte ben 3orn ber Sjarin. Sie fefcte alle £ebel in Bewegung, um ben ftönig bem (SinfluB ber (XäartoruSfi'S ju entziehen, unb unterftüfcte aüe (Gegner berfelben. Ungeftraft burften bie in v$olen ftehenben rujfijchen Xruppen uner* hörte Barbareien oerüben, unb als bie auf bem ÄrönungSreichStag im Anfang beS 3ahreS 1765 jur Schlichtung einiger jmijchen SRufc lanb unb v£olen objehmebeuben (Skenaftreitigfeiten eingelegte Äom^ miffion toegen biefer MuSfchreitungen ben Beginn ihrer Arbeiten Oer* jögerte, nahm fie felbft bie „Örenjregulirung" in bie £>anb, inbem fie burch mehrere neuen , ju biefem Qmdt nach $olen entfanbten Regimenter bie ören^en bahin „berichtigen" UeB, bafc fte ber ftepu*

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3>U crftc Xfjeihmg ^olenS.

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blif in ben öftlidjen <ßroOiitäen einen Sanbftrid) Oon fünfzig Cuabrat* meilen mit einer SBeoöfferung oon einmalig uubertfechäigtaufenb ga* milicn entriß. $abei Ratten bie ruffifdjen Gruppen *8efcf)l , alle £anbroerfer unb ftünftler, welche bie poliiifd&cn Wbeligen mit großen Soften auf ir>rc (Mter gebogen, unter militärijcher Pforte nad) Ruß* lonb p bringen.

$a Katharina in ber Verführung dolens jum Schisma nicht nur baS ficherfte 9Jcittel jur Verschärfung beS für ihre äroede noth= menbigen <ßarteihaberS, fonbern aud) ben geeigneten Vorroanb jur fortgelegten Dccupirung beS polutfchcn Gebiete« erblitfte, Rotten bie (Sefanbtcn RußlanbS unb Greußens gleich nach ber Söahl ^onia» tomSfi'S an ben Reichstag bie gorberung geftellt, baß alle $üfiben* ten bollfommene Religionsfreiheit ersahen unb ju allen ©t)rcnftetlcn unb Staatsämtern augelaffen werben (oQten.

$hötfäd)lich genoffen bie polnifchen 35ifftbcnten oller Stänbe üofle religiöfe greifjeit unb ben gleichen Schuft ber $efefoe, wie bie ßatfyolifen , unb ber afatl)olifche s21bel befaß nid)t nur alle (Xiüil- red)te beS fatfjolif d)en , fonbern fonnte auch ebenfo gut wie biefer alle sJJ<agiftratSWürbeu unb $erid)täämter , ja fogar bie fjodjfteu Stellen in ber Mrmce bcfleiben ; eS lag ba^er am Xoge , baß bie gorberung ber QnteroentionSmädjte feinen anbeten Qmcd hatte, als bem biffibentifdjen 21bel , ber nur einige ljunbert gamilien 5äl)lte, bie SouüerämtätSrechte beS fatholifchen VlbclS , b. f). Sifc unb Stimme im Reichstag unb Zutritt ju ben Ijofjen Ehrenämtern, ju ncrjdjaffcn, bamit ber CSjariu im Senate unb auf ben Reichstagen eine ifjr ftets gefugige politifdje Partei p (Gebote ftelje; ebenbeß* halb ftieß jeboch biefe gorberung bei bem Reichstage auf ben out fduebenften SBiberftanb. RichtSbeftoroentger gab $anin ben $iffi* benten bie Verfidjerung : an ein 3utütf$ieheu oer rujfijchen Gruppen auS sßolen fei nicht eher }ii benfen , bis feine £>errin mit ihren SBünjchen burchgebrungen fei, unb bem englifdjen ©ejanbten bemerfte er : wenn ber polnifchc Reichstag bie gorberungen wegen ber 2)ijft- beuten nicht gutwillig benüüige , fo mürben oon ber einen Seite oierjigtaufenb Ruffen unb oon ber anbereu oier^igtaufenb Greußen in $olen einrüden, unb mären bie 3)inge einmal ju biefem Weußer* ften gefommen, fo halte er fich oon allen Stipulationen entbunben unb ööüig frei, weitere gorberungen ju ftetlen.

Sluf bem Reichstage üom 3ahre erneuerte Repnin bie

gorberungen für bie Xiffibenten , inbem er im Rainen ber ßjarin erflärte: Rußlanb unb bie übrigen afatholifchen sDcächte feien Oer» pflichtet, für bie „Ruhe ber Republif" ju forgen, unb bie (£$arin, bie fich bereits um s$olen unenbliche Verbienfte erworben , ba fie großmütig unb uneigeunüftig eine freie ÄönigSwahl ermöglicht |abe, werbe il)r glorreiches SBerf erft Hwn für oolleubet erachten,

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tfatljarma II. oon SRufelanö.

toenn burdj bie ©ehufligung beffen, tt>a& [\t für bie $)iffibenten Oer* lange, atte Urfachen innerer Unruhen gehoben feien.

Xem drängen SRu&lanbS unb *ßreu&en3 ju fünften ber $ifft* benten, für roelche auch bie ©efanbten (SnglanbS, Schtoebenfc unb Xänemarfö „im tarnen ber Humanität" ihre Stimme erhoben, ob- gleich in allen brei fiänbern bie ßat^olifen nicht bie geringfte ioterauj unb noch oiel weniger irgenb toelche politischen fechte ge* noffeu , trat auf bem Reichstag am entfduebenften ber eble Jöifdjof Soltif oon Ifrafau entgegen, unbefümmert um bie 2)roljung SRepninS, ba& er it)n nach Sibirien bringen iaffen merbe, falls er ber Gjarin toiberftrebe. «IIS ©ifchof, fo erflärte er, müffe er über bie Reinheit beS GJlaubenS machen , als Senator barauf ^tn* toeijen , bafe RtchtS ber inneren Ruhe eines Staate« oerbcrblidt)er fei, als eine SBielfjeit oon Seften mit gleiten Rechten unb gleicher 8rei()Ctt. 3ubem toiberfprächen bie JJorberungcn ber Sttffibentcn ben ®runbgefe(jcn ber Republif unb ben abgcjchloffenen Üraftaten. Üflan folle ben Stffibenten ihre bisherigen Rechte getoährleiften, aber feine neuen Rechte jugeftehen, unb ihnen burd) ein beftimmteS (äJefejj unter Strafanbrolmng oerbieten , in ßufunft ähnliche 2ht* fprüche , mie jefct , ju erheben unb burd) bas Anrufen ber $ilfe frember Üttächte bie innere Ruhe ber Republif ju ftören. Obgleich nicht nur bie Söifc^öfc, fonbern auch bie meiften Sanbboten fich mit biefem Sßorfdjlage etnoerftanben erhärten, fefctc ber ftömg eS burd), baß bie Xijfibentenfrage einer au* ben öifchofen gebilbeten ftom* miffiou jur Prüfung übermiefen unb bie ©ntjdjeibiing barüber bis $um Schaffe beS Reichstag* oertagt rourbe. $abei erflärte er jeboaj, ba& er für bie Religion feiner iöäter leben unb fterben tooüe, unb oerfidjerte bem päp tlic^en RuntiuS, er habe ber ©jarin gemeibet, ba($ er auf ihre Mnforbcrungen für bie Ssijftbenten nicht eingehen fönne.

„Db ber ftönig", fagt Qanffen, „in feinem SBiberftanbe gegen Ru&laub bamals ernfte Wbfichten üerfolgt höbe, ober ob er, im Ge- heimen mit Repnin eiuoerftanbcn , nur eine ,orthoboje 2RaSfe< oor* gehalten , um bie Nation $u täujehen , ift bei bem burdmuS unju» oerlaffigen (iljavaftcr beS Spanne* fdjroer $u entfeheiben. So oiel aber ftef)t feft , bajj es ber S^arin geringe ffltyt f oftete , feinen SBibcrftaub $u brechen. "

s)lad) ber Vertagung ber 2)ijfibentenfrage legten bie ß \axto- röSft'S bem Reichstage einen neuen GJeietjentrourf oor, ber bie Muf= hebung beS Liberum Veto $um ÖJegenftanbe liatte ; bie ©efanbten Ru&lanbS unb Greußens erflärten jebod): bie „polnifche Freiheit" bilbe ben foftbarften Schafc ber Nation , ben ihre Monarchen in ihrer gürforge für biejclbe ihr nicht oerfümmern laffen fönnten ; fie müßten baher auf einer uugejchluächtcn Wufrechthaltung be£

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SMe erftc Teilung polen«

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Liberum Veto befielen unb Würben bic Annahme be$ fraglichen ßtefefcentwurfä für eine ®rieg3erf(ärung anfehen. Um biefer Orr* flärung größeren SRachbrucf ju geben, mürben fechstaufenb Muffen in ber 9cahe Don SBarfdjau einquarttrt unb äffe Slbeligen , bie fidj bem SBiffen SRußtanbS unb Greußen* wiberfefcen würben , oon föepnin mit ber ScrWüftung ihrer (Mter bebroht.

$urch biefe SKaßregetn erlangten jwar SRußtanb unb Preußen bie SBerjidjtleiftung ber (Eaartortoaft'S auf ihre SReformpläne , nicht aber bie (Sntfdjeibung ber $)iffibentenfrage in ihrem ©inne. 9cach langen SBerbanblungen befchloß ber 9teic|$tag , baß bie bisherigen ©taatSgefefce $u fünften ber fatholifchen Kirche in #raft bleiben unb ben $)iffibenten nur einige neuen Privilegien ertheilt werben füllten, liefen ©efebtuß be3 Reichstags erftärte ffiepnin für einen SBerratf) an Polen unb fünbtgte ber Republif im tarnen ber (£jarin einen „9tache^rieg,' an. Xen $önig aber befchulbigte ®atl)a* rina beä 53rudje8 ber bei feiner X^ronbefteigung bezüglich ber $)ifft* benten übernommenen SBerpflidjrung unb brof)te ihm mit (Smtthro* nung, fatld er feine ©eftnnungen nicht änbere. ber gleiten Seit würben bie ritffifdfjen Xruppen in Polen öerftärft unb bie $ifftbenten aufgeforbert , ju einer bewaffneten fonföberation $u* fammen^utreten. $er eingeflüsterte fönig verpflichtete ftch in einem eigenhänbigen ©riefe an bie (£$arin von Beuern , bie ©adje ber $ifftbenten $u ber feinigen ju machen, mit bem Beifügen, baß er ftch felbft beS X^rone« für verluftig erflären werbe , wenn er biefe ©adje nicht ju einem glücklichen Ausgange führe. $ur voll* ftänbigeu ^erfteffung feine« guten (Einvernehmens mit feiner £errin beburfte es jeboch ber ©efräftigung feiner 3ufagen burch einen vor Repntn abgelegten förmlichen unb feierlichen (Stb.

2tuf Wnftiften ber Muffen unb unter bem $rucf ber in Polen fteljenben ruffifchen Xruppen bifbeten fid) im 9Jcär$ 1767 unter bem biffibentifchen s2lbel jmei bewaffnete $ onföberationen ; bodj tra* ten benfelben, trofc aller von ben Muffen angewanbten SJcittel ber Ueberrebung unb Drohung, nicht alle $iffibenten bei. Biete warn* ten ihre ®laubenSgenoffen vor ber Betheiligung an bem öon Ruß* lanb »erlangten bewaffneten Borgehen , ba es bie ©runblagen do- lens erfchüttern unb bie ffiepublif in ben Slbgrunb ftür^en werbe. §luch liege , fo erf (arten fie , für bie $ifftbenten feinerlei Beran* laffung ju klagen vor, ba bie Xolerauj, bie fie genöffen unb bie auf bem legten Reichstag burch neue Privilegien erweitert worben, «bic größte fei, bie es in (Europa gebe." RichtSbeftoweniger er* Härte Katharina in einem jur Rechtfertigung ihrer Polittf er* (offenen 9Jcanifeft : bie $ifftbenten befänben ft<h in Polen in einem Suftanbe ber Äuechtfchaft, unb ba ade ihre bisherigen Bemühungen, fie berfelben 31t entreißen, vergeblich gewefen, Ratten bie 5)iffibenten

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ßatlmrma II. üon Rufelanb.

ficfj genötigt gefehen , oon ihrem oerfaffungSmäßigen fRcc^tc ®e* brauch $u machen unb eine $onföberatton bilben, um bie Unge* red)tigfeit abschütteln unb fid) gegen bie Verfolgungen §u fdjüfcen. 3m „3ntereffc ber Humanität" nehme fie biefe Shmföberation in Schuft, um als aufrichtige Srcunbin ^ßolenS bie 5rcif)cit unb <3Jleidjs heit aller ^ßolen für aüe 3u'unft fieser ju fteflen. Um aber etroaige Unorbnungen $u oerhinbern, bie burd) bie $iffibenten entfielen tonnten, habe fie in hochherziger ©efinnung ifjre £>eere in $olen oerftärft , ba eS ihr mütterlid) fii()Icnbeö Jperj höchlidjft betrüben mürbe, menn ein $ole bas Vlut eines anberen s$olen oergöffe. Slfle ^ßolen fönnten fid) ihr mit vollem Vertrauen anljeim geben ; benn fie erftrebe in ifn*em ganzen Ifyuu nur bie Achtung (hiropa'ä unb ben füßen $roft, baS OJIücf einer benachbarten Nation geför- bert $u haben. $aS Sflanifeft fdjloß mit ber Verfidjerung : fie ver- lange gar Vichts von v$olen unb toerbc niemals irgenb einen Wu= fprud) auf polnifcheS QJebiet ergeben; ja fie merbc bie Qntegrität beS ßanbeS fidjern, tuenn fid) irgenb eine anbere SJtacht je an $olcn ©ergreifen foüte.

9flit ben beiben Äonföberationen ber Eijfibenten vereinigten fich im 3uli 1767 mehrere gleichfalls burch bie Muffen ins £ebcn gerufenen ftonföberationen beS fatholifchen Abels ju ber großen ©eneralfonföberatiou Don Rabom, welche bie SSahrung ber fechte ber „verlebten Nation" unb bie Vlufrcchthaltung ber „altpoluijchcn Freiheit" auf ihre Sahne ichrieb.

Sur rareren ftörberung ihrer Sroetfc $wang bie G^orin ben ®cmig Stanislaus jur Snfammenberufung eines „außerordentlichen Reichstags," ber am 4. Cftober 1767 ju 3öar|"chau beginnen jollte. Vor ber ©röffnung beSfelben legte Repnin, ben Katharina $um ^tftator über alle in ^ßolen ftehenben Iruppen ernannt hatte, ben Verfammeltcn einen Revers zur Unterfchrift vor, ber bie (Srflärung enthielt, „baß fie fich nie unb in feiner SScife bem Verlangen bcS rnffifcheu VotjdmfterS luiberfef cn unb, falls fie bieS Verjprecben nicht hielten, fid) ber Strafe beS Verluftes beS WbelS unb ber ©in* Ziehung ihrer (Mter, ja felbft ber XobeSftrafe unterwerfen würben." 28er fich weigerte , biefen Revers ju unterzeichnen , fat) fid) ben graufamften Verfolgungen preisgegeben ; bie ^aläftc ber „renitenten Vlbeligen" mürben von ben ruffifdjen Gruppen in Vranb gefteeft unb ihre fiänbercien verwüftet.

£em Vifchof Soltif ließ Rcpnin mit ber Verbannung nach Sibirien brohen, falls er auf bem Reichstage irgenb (StroaS jpre* d)en ober Hjun merbe, was bem Hillen ber (£jariu zumiber laufe. ?luch mürben, um ben freimütigen Vertheibiger ber Rechte feines VaterlanbeS „$ur Vernunft zu bringen,- ruffifche Xx Uppen in baS

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Xic erfte Teilung dolens.

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SöiStfjum ftrafau Qcfanbt r bie alles bewegliche unb unbewegliche SBermögen beS SBifcfjofS mit 93efdilag belegten, bie auf feinen (Su- tern anfäfftgen 33auern megfe^teppten unb felbft bie $irdjengerät()e raubten. 9(lS trofc aOebem ber bocfit)erjige Patriot bie gorberung ber ßjarin, baß ber Reichstag mit it)r einen Vertrag fcf)Kef$e, in Welchem bie burch eine bon SRepnin eingefefcte Äommiffton urnjuar* beitenbe polnifche Sßerfaffung unter ruffifdje ©arantie gefteOt werbe, alö eine SBerlefcung ber greiheit holend mit aüer (£ntfd)iebenf)eit befämpfte unb feine feurigen Söorte auch Slnbere $um Söiber- ftanb hinriffen, fannte RepninS SSuth feine ©renjen mehr. 3u ber Stacht öom 13. auf ben 14. Oftober mürbe ber 33ifd)of Soltif mit ben übrigen freimütigen Sprechern gewaltfam aufgegriffen unb unter SRi&hanblungen afler $Irt in baS 3nnerc öon Ru&Ianb gefchleppt.

©anj Sßarfchau War über biefc OölferrechtSWibrigc ©ewaltthat mit Trauer unb Scfjrecfcn erfüllt. $)ie Repräsentanten ber Nation eilten ^it bem $önig Stanislaus, um oon ihm einen ^roteft gegen bie SBillfür RepmnS ju verlangen. Sie fanben ihn an feinem Sdjreibtifche im 9ftaleranjug, umgeben öon garbetöpfen unb befdjäf= tigt, eine neue Sienertracht für ben QahreStag feiner Krönung ju entwerfen. Qhvem ftürmifchen drängen nachgebenb, ließ er ben ruf* fifcheu Öotfchafter, mit welchem er ööflig einöerftanben war, 311m Schein burch brei Senatoren jur Rechenschaft über feine greoelthat aufforbem ; als jeboch Repnin ihm bie Antwort jufommen ließ : er fei nur feiner Souöeränin Redjenfchaft fäulbig, blieb bie Sache auf fich beruhen. $ie S^arin aber wies bie Söitte um greigebung ber befangenen mit ber ©rflärung aurücf: „$)ie uneigennützige unb reine ßiebe, bie fie bem eblen ißolfe ber <ßolen juwenbe, ertaube ihr nicht, bem ©ejuche ju wiüfalpn, fonbern gebiete ihr, auf bem* felben SBege , auf wettern fie feiger baS ipeil beS fiaubeS erftrebt habe, confequent fortjuwanbeln. 3hr Sotfchafter in 2Barfcf)au tyabt nur ihre befehle bott^ogen , als er bie Aufwiegler aus bem Sanbe entfernt habe, unb biefe geinbe ber Ruhe unb ©cfefclichfett in greifet fefcen, r)ieße baS £anb ihren oerberblichen v2lnfd)lägen ge* wiffenloS opfern." Repnin aber erflärte ben ÜDatgliebern ber Don ihm eingelegten ßommijfion: bie $oleu hätten nicht mehr baS Recht ju benfen, fonbern nur ju fmnbeln, unb jwar fo ju hans beln, wie feine gnäbige (Mieterin eS üertauge. SSer auch murre, ben werbe er als Rebell behanbeln. Seine Unberjdjämthcit ging fo weit, bag er in bie Elften beS Reichstags bie Grflärmg eintragen ließ: „SSknn man ber (£$arm ntd)t gehorche, fo werbe er Söarfchau ber Sßlünberung preisgeben , baS Sanb oerwüften unb allen SBiberfpenftigen baS £>aupt auf bem iölutgerüftc abfragen laffen." Ruififdje ©renabiere umftanben, in Schlachtreifen aufge*

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ßau)arina II. öcm 9hi&Ianb.

ftellt, bie ©tfcungafäle, immer bereit, auf ben erften SBinf föepnin* einzubauen.

$urch biefe ®etr»altma&regeln fam bie (£jartn $um S^tc. $er Don föufclanb bezüglich ber ^teic^fteüung ber polnifchen 2)iffibenten btftirtc Xraftat ttmrbe unterzeichnet ; ade burch bie C^artortoSfr* unb ihre $artei feit 1764 eingeführten Reformen würben bemichtet unb bie oon ber fommiffton mit ftepnin bereinbarten neuen Staate» gefefce unter ber auSbrficflichen ©anetion be* Königs in ber gornt eine* für aQe Seit unabänberlich giltigen Sertrog* unter bie ®a* rantie ffiufjlanb* gefteüt. $a* Unglücf <ßolen* war befiegelt: bie Hepublif mar „faftifä unb restlich" ein rufpfcher SafaHenftaai geworben.

Aber bie $läne ber Gjorin gingen noch weiter. @ie wollte *ßolen nicht nur ftaatlich ruffifteiren, fonbern bie polnifchc Sftationa* Iität burch bie Ausrottung ber fotholifchen Kirche $olen* für alle Sufunft ju Orunbe richten. Sßachbem fie burch bie erwirfte politifche ©leicbfteHung ber $iffibenten mit bem fotholifchen Abel ber fatbolt* fdjen Kirche in $olen ben ÖebenSnerb burchfehnitten hatte, trat fte offen mit ber Abficht beroor , burch bie ©trichtung einer p o l n i f ch e n SNationalfnnobe nach bem SRufter ber „heiligen ruffifchen ©rmobe" *ßolen bon SRom ju trennen, moju ber fönig ©tani*lau* ihr fchon im Söhre 1764 feine SWitmirfung jugefagt hatte.

®egen biefe* Vorhaben proteftirten bie polnifchen öifchöfe in einer an ben fönig gerichteten ausführlichen $enffchrift, worin fte, unter bem §tnwei* auf ben feierlichen <£ib, burch welchen ber fönig fich bei feiner Krönung jutn ©dHtfce ber fotholifchen f irdje berpflichtet habe, au*cinanber festen , wie bie bon ber Sjarin ber* langte ©ünobe ein bollftänbige* ©dn*ma <ßolen* unb einen enblofen Sürgerfrieg herbeiführen Würbe. 3h« Sorftellungen Wie ihr <ßro* teft blieben wirfungSlo* ; als jeboch bie Aufregung ber ©emüther im gonjen ßanbe ftch in bebenflicher Söetfe fteigerte unb fchon oon einer neuen £ onföberation bie föebe war, bie ftch „für bie Freiheit be* Sater lanbeS unb bie Religion" bilbe, gab bie G^orin , bie es nicht für gerathen erachtete, bie nationale Ser$tt>eiflung auf* Aeu* fcerfte ju bringen, ihrem ©otföafter bie Söeifung, bie ©ünobe bor* läufig fallen ju laffen.

gn^mifchen war jeboch unter ben polnifchen Patrioten ber <ßlan ju einem bewaffneten SBiberftanbe gegen bie öon föepnin im tarnen ber Gjarin ausgeübte GJewaltherrfchaft jur Steife gefommen, unb am 29. Sebruar 1768 oereinigten fta) alle eblen <ßolen ju ber beroaff* neten f onf öber att on oon Sar, umpolen oon bem ruffifchen 3od)e ju befreien. Qu ber gleichen 3eit proteftirte auch $apft Sie- men* XIII., ber in dtom einen allgemeinen Sittgang für bie (ihr* haltung ber polnifchen $ irct)c angeorbnet , gegen bie ©ewaltfchritte

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2)ic erfte Xhetluna 3Solen$.

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bcr rufftfchen $errfcherin. föepnin oerböhntc biefen *ßroteft, nrie bic 9Jcaf}regeln bcr polnifcben Patrioten. SSBibcrftonb gegen feine $errin, fagte er, fei fruchtlos, ©eine #errin fei allmächtig.

SRachbem fidj juerfi bie 99ebö(ferung ber buret) bie türfifche ÜRachbarfcbaft gebeeften Sßrooinj <ßoboIien gegen bie ruffifebe Xtjran« nei erhoben, bilbeten ftcb in allen ^romnjen bewaffnete <Scr)aaren, unb fchon im 2lprU 1768 begann ber #ampf mit ben im Öanbe jtehenben SRuffen, mit meldjen ber oerrätherifche flönig <Stani3lau& aurf) feine fironöölfer oereinigt f>attc. Katharina felbft tiefe am 29. ÜJtoi buret) ihren ©otfehafter bie Äonföberirten, an beten ©pijje neben 3ofepf) ^ulanröfi , bem eigentlichen Urheber ber SBerbinbung, ber 05raf ^otoeft, ber Sürft SRabjinul unb biete anberen angefehe« nen potnifchen Großen ftanben , für „ftrafmürbige Stebetlen unb Seinbe ihres JBaterlanbeS" erflären, $u beren SBerniehtung pe in ifjrer uneigennützigen JBorforge für ^ßolen neue Xruppen abfenben toerbe. 2fucr) Sriebridj II. ließ ben $oten am 9. Quni eröffnen: (£r betraute bie ftonföberirten öon $8ar ate „©törer ber öffentlichen föube," bie unter bem falfchen Vorgeben, Religion unb Sreiheit ju fdjüfcen, tr)r SBatertanb in bie größte 9cot§ ftürjten, unb beharre una6änbertich bei ben SWa&nahmen, bie er im ©unbe mit SRu&lanb jum SBohle ber SRepubüf getroffen.

Söäfjrenb ber s-Öifrf)of Don Äaminiec bie ®onföberirten bringenb ermahnte, ftdt) jeber (SJemaltthätigfeit gegen bie 5)iffibenten $u ent* Ratten , bamit ba$ burrf) föufjlanb betrogene Suropa erfenne , ba§ ihr ßrieg fein SRettgion&frieg fei , rief Katharina am 20. Quni bie roilben Horben ber S^poreger ®ofafen unb ber $aibamafen jum Kampfe gegen bie ^ßoten auf unb entfeffefte beren religiöfen Sana* tiämuS burd) ein gräftfidjeö 9Jcorbebift, in roeldjem ftc ben ^Tnfüt)* rem berfelben SBefeljt gab, „im Qntereffe ber oerfotgten ^eiligen Religion mit £>ilfe (Stotteä ade $olen unb Hubert auszurotten unb nieberjume^eln." 2Bte rei&enbe SBölfe fielen bie 3&P°rc0cr unb £>aibamafen in $oIen ein, brannten $HIe3 nieber unb ermorbeten, öon ruffifdjen $open angefeuert, Xaufenbe oon grauen unb ®inbern, ©reifen, Sttöndjen unb Tonnen, bie nicht jur fchtSmatifchen Kirche gehörten. 3)ie in Sßoten ftehenben rufftfchen Xruppen überboten fte unmöglich noch in entfejjenerregenben ©raufamfeiten. mürben fogar befonbere *8orfdjriften gegeben, nrie bie gefeffetten, ungfücftichen 6a)Iaajtopfer (angfam ju erbroffeln, ju erbolcr)en ober burch anbere furchtbare lobeSqualen $u martern feien.

Vergeben* riefen bie ®onföberirten in oerfdjiebenen berebten SWanifeften alle SJcädjte ©uropa'* um ^ilfe an „für it)r arme«, jer^ treteneS iöaterlanb, bad bie (Ijarin unter lügnerifdjen Sorfpiegetun* gen ööttig ju unterjochen fich anfehtde" : bie europaifdjen älcdchte hatten fein #er$ für bie Seiben ^olen*. 9cur smei berfelben tra*

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Katharina II. bim IRu&lanb.

ten für bic gefnechtete Lotion ein: ber ?apft Siemen« XIII. burch bic traft be* apoftolifcfjen SBorte* unb ber Sultan 9ttuftapha III. burch bic Entfaltung t>on Söaffengeroalt.

$ie «ßfortc, bie fich lange 8«* Du*<h bie SBorfpiegelungen föußlanbS nnb s£reu&ena, ba& man „nur jum Sdjufce ber pol- niföen greiheit Gruppen in« fianb gefdueft ^abe unb gar nicht baran benfe, bort Eroberungen ju machen," I)attc tauften laffen, tourbe burch ba$ entfefcenerregenbc ©lutbab , ba£ bie ruffifchen Xruppen bei ber «erfolgung ber $ onföberirten auf türfifcheä be- btet in ber Stabt 93atta angerichtet, im Oftober 1768 jur Srieg^ erflärung an föu&lanb betoogen. „Erröthen Sie nicht", fagte ber ©ro&beaier ju bem ruffifchen ©efanbtcn in Sonftantinopel , „oor G*ott unb oor ben 3ttenföen über bie Brauel, melche bie ruffifchen Xruppen sunt $>ofm aller göttlichen ÖJejefce unb jur Schmach ber SJeenfehheit in ^ßolen begangen, in einem Öanbe, ba3 euch nicht gehört?" Um ßefterreich für bic 93ethciligung am Kriege $u ge* »innen, bot bie Pforte bem Liener ftof jur SHtebereroberung Sdjlefien3 unb jur Erhebung beS fturfürften oon Sachten auf ben polnifdjcn X\)ton alle mögliche Unterftüfcung an; aber ber SBiener £>of mar nicht jum Stiege &u bewegen. Cefterreich, fo ließ ber* fclbe in Sonftantinopcl erttäreu, fei gewohnt, fein gegebene« SBort ju Ijnltcn, unb wolle be0t)al6 Weber ben mit bem Sönig oon $reu* §en oor einigen fahren abgefchloffencn ftriebeu brechen, noch gegen ben oon ihm anerfannten ttönig Stanislaus v$ontatowäfi oon ^So- len auftreten.

Katharina erliefe ihrerfeitö gegen bic türfit che SriegSerflärung am 18. 9cooember 1768 ein s)Jcanifeft, in welchem fie alle %f)at* fachen entftellenb, auch ocn Stieg gegen bie Pforte als einen 9te* ligionäfrieg proflamirte. Sic tyabt , fo erflärte fie, "flUe« auf- geboten, um biejen Sricg ju oerhüten ; ba fie aber ju bemfelben gejmungen worben, jo erflehe fie oom Jpimmel ben Sieg für ihre $>eere, „weil c$ fich ja um bic Ehre beä ^eiligen göttlichen tarnen« unb um bic «ertheibigung ber ^eiligen orthobojen Kirche ^anble, bamit ber Xobfeinb be3 chriftlichen tarnen« $u ©oben gefchmettert werbe."

llnterbcffen bauerte in $olen ber erbitterte sJtationalfampf gegen eine frembe revolutionäre llebermacht fort, unb feine Schrecfcn mürben erhöht burch eine oerhecrenbe $eft, burch SSiehfcnchen unb $mngcrdnotl). Unzweifelhaft fochten bie tyotew mit bcmjelbcn Spechte, mit welchem fpäter bic £uroler unb bie Spanier gegen bie Jraujofen fämpften unb mit welchem bic ^eutjehen in ben 3rci- heitäfriegen fich flogen bic franjöfijchc $)iftatur erhoben. „Moer ber polnifche 9cationalfampf", fagt 3anffcn, „mar nicht, mie ber ber Xnrolcr, Spanier unb beä gefammten 2>cutichlanb«, ein Sampf

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$te erfte Teilung $olen*.

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be« ganzen 93oIfe^f fonbern nur ein ®ampf jene« ©tanbe«, ber fid> bisher in $olen allein für bie Lotion gehalten, ein ®ampf be« ${bel«. Unb barin log feine ©djroäd)e unb ber ©runb feinet Wifc lingen«. $)ie ©ärger blieben ruhige Sufdmuer, unb nodj weniger trotten bie gefned)teten Bauern für bie abeligen ®ut«f)erren jum ©djmerte greifen : Bürger unb dauern beteiligten fid) in $olen an bem tampfe nur burd) grauenhafte« Seiben. 9ßur ber ifolirte 2lbel fodjt unb lernte in feiner Jffolirtfjeit fennen, roa« in Reiten ber Sftotl) bie Unterbrütfung bc« ^Bürger* unb Söauernftanbe« be- beutet. 216er ber 2lbel fodjt mit einem TOutr), einer 9lu«bauer unb einer Dpferuritligfeit, bie unfere öolle ©umpatljie oerbient. (£« mifdjten fid> in feine kämpfe aüerbtng« fct)r Diele uneble (£le* mente ein, fanben gegen bie Dhtffen graufame SRepreffalien Statt, Ijerrfdjte Uneinigfeit aroifdjen ben Sötern; aber im 9lllgemei* neu gebüljrt ben $onföberirten ba« Sengniß, baß fie inuerlid) größer mürben, je grüßer bie fie umgebenben ®efaf)ren, baß fie fiel) , öon OTen Derlaffen, oon ifyren Seibcnfdjaften ju reinigen fugten unb äugleid) ben Politiken ßJrunb ifyrer S$roäd)e erfannten. SSäfjrenb ir)r SBlut auf ben ©djladjtfelbern für bie Befreiung $olen« in Strömen floß, gingen fie bie tüdjtigften ©eifter (Suropa'« um 9tat(j= fernläge an, meldje SSerfaffung fie bem Skterlanbe geben follten, menn üjncn beffen ^Befreiung gelungen."

Qnjmifdien roaren in 2Sarfd)au burd) bie ©jartort)«^« unb ben eblen ©rafen 3°m°töft> ber 9ieformpartei beigetreten, neue SReformpläne entmorfen morben, nad) melden bie polmfdje S8er- faffung nad) bem 9)hifter ber englifc^eu umgebilbet merbeu füllte. $>a ju ber $urd)füf)rung biefer $lane bor Willem bie $actfifation ^Solenö nötfng mar, fteöte bie SReformpartei öm 29. September 1769 in bem (Senate ben Eintrag, bie Vermittlung (Snglanb« unb £>oflanb« nadjjufudjen, um einerfeit« bie Pforte jur 5luff)ebung- ber gegen ben $önig bon $olen erlaffenen ®rieg«erflärung ju bc* megen unb anbererjett« uon ber ßjarin bie Sreigebung ber ge- fangeuen $Mfd)öfe unb (Senatoren, fomie bie 3urüa*5iet)ung ifjrer Xruppen au« $olen unb bie 2luff)cbung ber burd) 3tepuin auf bem legten 9teid)«tagc er$mungenen Stipulationen ju erlangen. 9?ad)bcm ber Senat biefe $orfd)läge am 6. Dftober 1769 juin 53efd)luß erhoben, mürben brei (Sefanbte nad) ©nglanb, SRußlanb unb Sranfreid) abgefdjirft. $er ®önig , ber f)tcrju feine Suftimmung gegeben, erlnelt bafür oon ^ßanin im Tanten ber S^artn eine ftrenge |(ured)tn)cifung mit ber $)rolmng, baß, faß« er fid) nidjt beffere, bie C^arin jum Vleußerften fdjreitcn merbe; bie (£$artorl)«fi'« unb an* bere Sttitglieber ber SReformpartei aber mürben für ir)re „(Empörung" burdj bie 23efd)lagnafjme ir)rer ©üter beftraft.

£a ber $önig, um bie öolle ©unft feiner 58efd)üfcerin mieber

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Äatfarina II. üon föu&lanb.

jii erlangen, feinen Sifer gegen bie $onföberirten oerbopöelte , er Härten ifjn biefe am 9. Slpril 1770 (einer SBörbe öertuftig. $ett legten ©djein oon Sftacht unb Shtfehen oerlor er in Sßolen nach bem geheimnifcoollen „Attentat" Dom 3. Wooember 1771. Site ber &ünig am 9lbenb btcfcd Xage$ jroifchen neun unb $ehn Uhr ba§ £au3 feinet Dhcim$, beft ®ro&fanater« Don ßitthauen, oerlie&, rourbe er oon jmölf bid fünfzehn Männern überfallen, bie ihn au§ bem SBagen riffen, feine Begleitung jerftreuten unb ihn felbft au3 ber ©tobt roegführten, wobei er burch ein jmeimalige* ©türmen feine* Sßferbeä eine Duetfa^ung an ber Unten (Seite erhielt. ®a feine (Entführer brausen im ©e^ölj baä herannahen ruf fif eher Gruppen ju hören glaubten, jertreuten fte fich; nur ein einziger, Äofinäfö, blieb bei bem $önig unb braute Um, gegen bie 3ufage DoUftänbiger 93egnabigung, in ber grühe beS 9ttorgen$ nach 2Bar* fdt)au aurücf.

Obgleich ba3 angebliche Sittentat, als beffen Stnftifter *ßulan>aft bezeichnet mürbe, aller S3ahrfcheinlich?eit nach Don ben Gegnern ber ®onföberirten, mit ober ofme SBornriffen be8 Königs, in Scenc gefegt morben, um biefetben als ®önig3mörbcr ju branbmarfen, unb bie ftonföberirten in mehreren ^enffc^riften feierlich theiligung ober SÄitmiffenfchaft an bemfelben in Slbrebe ftellten, hatte baSfelbe boch bie gemänfehten Jorgen. Än ben au&roärtigen £öfen fanben bie $arftcllungen ber Agenten SRu&lanbS unb <ßreu= &en3 (Glauben, unb bie #onföberirten galten feitbem im StuSlanbe als „2Känner be* ©chrecfenS", bie meber #ilfe noch TOtfttb üer* bienten. $)er ßönig ©taniSlauS aber warf fid) öottftanbig ben Muffen in bie ftrme.

Unterbeffen hotte ber #rieg ®atharinaf3 gegen bie Xürfen, in metchem fte üou griebrich II. burch reiche ©ubfibien unterftü&t mürbe, einen günftigen Verlauf genommen. 3h* Selbherr SRo* manjom hatte bie Eflolbau unb bie SBadachei erobert, unb ®atha* rina fchien entfchloffen, beibe Sänber bauernb ihrem deiche einju* Derleiben. $)iefe (Erfolge erhöhten burch föufjlanbS bominirenbe ©tellung in ^ßolen gemeeften SBeforgniffe 3riebrich& für bie Unab* hängtgfeit feine« eigenen ©taateS ; er nahm baher ben alten ^ßlan einer Xheilung *ßolenä oon Beuern auf, in ber Hoffnung, baburch bie C^ann *u einem billigen ^rieben mit ber Pforte beftimmen ju fönnen unb auf biefe SBeife meiteren Eroberungen SRu&lanbS im ©üben öorjubeugen. ftach bem oon ihm entworfenen Xheilungä* projefte foHte föujjlanb ihm felbft ^olnifch^reuSen, ©rmelanb unb baS ^roteftionärecht über Stonjig überlaffen, bem SBiener £>of für beffen öeiftanb gegen bie dürfen bie ©tabt ßemberg unb ihre Um= gebungen anbieten unb für fkh felbft, als (Sntfchäbigung für bie gegen bie dürfen aufgemanbten IhtegSfoften, biejenigen X^ctlc oon

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5>ie erftt Teilung $olcn3.

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Polen anneftiren, bic if>m paffenb fduenen. XiefeS Xf)cUung«projeft fanb jcboc^ in Petersburg feinen Slnflang, ba Katharina bereit* ganj Polen als if>r geftcherte« ©igenthum betrachtete.

9Ra<h bem Sehtfölagen feine« X^eilungdplond fc^Iog fich JJriebrich ber Politif Defterreich« an, ba» oon Anfang an anritten föußlanb unb ber Pforte §u ©ermitteln gefucht. Um ein öoflftän* bigeä 3ufammengef)en mit bem SBiener #ofe ju erzielen, ^atte er am 3. September 1770 bie oben (6. 520) ermähnte Sufam* menfunft mit $ofeph II. ju fteuftabt in Fähren, ©chon bei ber erften 3ufammenfunft beiber üttonardjen ju Steige im Auguft 1769 hatte 3ofeph bem ftönig erflärt, meber Sttaria X^erefia noch er mürben je julaffen, baß bie Muffen im Befifce ber 2Mbau unb ber SBaflat^ei blieben, unb biefe ©rflärung mieberholte jefct ber bei ber 3ufamnienfunft in gfouftobt anmefenbe SWiniftcr Äaunifc, inbem er lebhaft bie (Gefahren Gilberte, meldte für Europa au& bem Uebergetoichte föußlanbs ju ertoarten feien. Xem Antrage einer öftemichifch-preußifchen Kilians, bie töaumfc als beu ein j igen $)amm bezeichnete, ben man gegen ben „überfchtoellenben ©trom" errieten tonne, welcher ganj (Suropa ju überfluten brofje, mich grieb- rief) and ; bagegen f am jjütfcr)cn ihm unb 3ofep^ eine Vereinbarung über eine gemeinfame Qnteröention in bem rufftfcfctürfifdjen Kriege ju ©tanbe, unb nadjbem noch mäf)renb ber 3ufammenfunft beiber Üftonarchen ein Kurier auä Äonftantiuopel bie Nachricht gebracht, baß bie Pforte bie preußtfeh-öftemichifche Qnteroention annehme, bot Sriebric^ s2We3 auf, um bei ber G^orin baä (Bleiche ju er- langen.

Tie polnifdjen Angelegenheiten mürben $mar auch 5U Sfauftabt $ur Sprache gebracht; boch muß bie Behauptung, baß bort bereit* über eine Xheilung Polend oerhanbelt toorben, aU irrig bezeichnet merben. SRichtäbeftomeniger befehlen bie Defterreicher, fur$ nach ber 3"fömmenfunft in Stteuftabt, in ber $i$\tx ©efpannfdmft brei* jehn Üftarftflecfen unb einige fmttbert Dörfer, meldte Äönig 6igi3* munb oon Ungarn im 3at)re 1712 an Polen ücrpfänbet hatte. 3u ber gleichen $eit ließ audj Sriebrich IL, angeblich um ©renj* oerlefcungen gu beftrafen unb fein Sanb gegen bie in Polen au£» gebrochene peft ju fdjüfcen, feine Xruppen in Polnifch5Preußen einrüefen unb, außer (Srrmelanb nebft einem 2 heile ber palatinate oon ihünt unb Polnifch*Pommern, bie läng* ber fchlefifchen ©renje gelegenen Xiftrifte ber Palatinate oon Äalifdj unb Pofen befefoen. Xabei jmang er bie jungen polnifchen s-önrjd)en §um Eintritt in ba* preußifc|e £>eer, maijrenb bie heiratsfähigen Xödjter, melche bie (Altern mit ißieh, ©elb unb ©erätfje nach SBorfd)rift auäfteuern mußten, nach {nnterpommero gebracht unb bort an Scanner öerhei* ratzet mürben, bie ihnen bis balun gang unbefannt gemefen.

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5hit^arina II. Don SHufrlanb.

Obgleich Defterreidj in$roifd)en eine immer brofjenbere &aU iung gegen SRußlanb angenommen Ijatte, unb ber Ürieg jmif^en beiben dächten unDermeiblidj fd^ien, gelang ei bem $önig Don Greußen nic^t, bie (£$arin jur £>erabfefcung ifjrer übertriebenen griebenäbc= bingungen ju bemegen; er fat) ftd) fogar felbft Don tt)r mit einem Uebcrmuth bebanbelt, ber if)u tief oerlefete. 9*id)tabeftomeniger gab er {einem ©ruber $einrtd), ben er im Dftober 1770 mit neuen ©crmittlungSDorfdjlägen $ur Herbeiführung eine« griebenä mit ber Pforte nad) Petersburg gefanbt hatte, bie SBeifung, mit Sobfprüchen auf bie (Sjarin nic^t )U geilen, unb oerichmenbete felbft in ben jum ©orjeigen beftimmten ©riefen eine güUe ber au*gefuchteftett Schmeiche* Ieien gegen biefelbe. Deffenungea^tet lieft fid) tatfmrtna mit bem ^rinjen Heinrich, ben fte übrigens mit großen ©hrenbeaeigungen empfangen, in (einerlei ©erhanblungen bejüglid) be* griebenä ein, unb ate griebrich brängte, fteHte fte ©ebingungen, bie ber Hönig meber in SSien noch in ftonftantinopel mitjutheilen magte unb bie tym felbft wie ein Spott gegen Greußen erfdueuen.

3nbeffen mürbe bie ^axiw auberen Sinne«, nachbem fie Don ber ©efefcung ber Sipfer ®efpannfchaft burdj bie Oefterrei^er $unbe ermatten, unb am 8. Januar 1771 gab fie bem ^rinjen jpeinridj $u üerftetjen, baß fte e* nach bem Vorgänge DefterreUh* natürlich ftnben werbe, menn auch griebrich jugreife unb (Srmelanb in ©eftfc nehme. f?riebricr), bem fein ©ruber fofort Don ber mit ber Sjartn gehabten Unterrebung Nachricht gab, ichrieb bemfelben anfangt, er halte ben $rieg $mijchen SRußlanb unb Dcfterreid) für unoermeib* lieh unb ^offe, größere 5öortt)ciIc 51t erlangen, menn beibe dächte ftch im Kriege erfd)öpft haben mürben; ba* ©iäthum ©rmelanb fei $u unbebeutenb, „um ihn für baä ÖJcfchrei }tl entfehäbigen, baä bie Sache erregen werbe." 9tadj ber SRüdfehr feinem ©ruber* nach ©erlin änberte er jeboch feine Anficht unb ließ bureb, feinen fanbten in Petersburg, ben (trafen Solms, ber Gjarin auf* 9ieue ben ©orfdjlag machen, fict> bie ($ntfd)äbigung für bie ShricgSfoften, auf meiere fte mit :>ied)t ftnfprudj ergeben tonne, bind) poluifche (&ren$proüinjen $u Derfchaffeu, ba ja ohnehin polen bie eigentliche ©eranlaffung beS Krieges gemefeu. 2luch er müffe bann, fo erflärte er, jur itufrec^t^altung beS ÖHcichgeioichtS gegen Defterretch üd; einiger polnifdjen (Gebiete bemächtigen, bie ihm ebenfalls $ur Gnt- fchäbigung für bie ber Malierin geilten Subfibien bienen wür* ben; bodj merbe er fid) mit bem palatiuate Don Hülm ober bem (Gebiete Don Sftartenburg unb bem ©idtt)um (Jrmelanb begnügen, fall* SRußlanb für bie übrigen Don üjm beanfpruchten (Gebiete Schnrierigfetten mache, ©e^üglich ber ©erhanblungen mit ben Xürfen merbe er Vilich aufbieten, bamit ber grtebenSjchluß für 9tußlanb ein glorreicher merbe. 2luf bie s2ltttmort beS (trafen pauiu, Daß

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$)ie erfte Teilung $olenS.

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man über baS oon griebrich oorgelegte X^cilung^projeft feine &nU fcheibung treffen tonne r bebor man beftimmt ttnffe, mie ftch ber Söiener &of ju bemfelben fteüen werbe, fitste griebrich btefen buret) bte $ermittelung beS öfterreidufchen ©efaubteu Dan ©mieten in Söerlin für ben Xljctfungäplan ju gewinnen; biefer erhielt jebod) auf feinen nact) SBien gefanbten Bericht oon launig bie Antwort: eine X^eilung dolens fei mit ju großen ©chmierigfeiten unb &t-- fahren oerbunben unb mürbe unberechenbare Vermittlungen mit ben übrigen europäifdjen dächten t)erbetfü^ren; et rathe bafyer öon einer folgen ab unb berfpredje , bag Defterretcr), obgleich es nur ein ihm jugehörigeS Territorium befefet habe, feine Xruppcn aus Polen aurücfjie^en werbe, fobalb fRuglanb unb <ßreugen bie irrigen iurücfjögen.

©tatt biefe Antwort in Petersburg mitjut^eilen, liefe griebrid) ber (Ssariu feine Suüerficht auSbrütfen, bag Defterreich ftet) ben ruffifc^preugifchen Slnnerwnen in Polen nicht mit ben SBaffen in ber £anb miberfefeen unb bag, wenn SRuglanb auf bie SMbau unb bie SßkUadjei oer^te, Meä olme ©tutoergiegen ablaufen merbe. SRuglanb möge mit Defterreid) bezüglich be$ mit ben Xürfen }U fcr)tiegenben grieben* in Unterhaltungen treten unb ftct> mit Preugen über bie Erwerbungen Oerftänbigen, bie man rufjiföcr unb preugifcherfeita in Polen machen wolle. TO ftafttaitb mit ber Antwort jögerte, mürbe ber ©raf ©olmd ermächtigt, bem trafen Panin $u erMaren: ber Äönig taffe oon feinem bezüglich Polens gefugten Plane nict)t mehr ab, unb menn sJiuglanb feine beftimm* ten gufic^erungen gebe, fo fönne er nicht bafür fteüen, me(ct)e par= tei berfelbe auf eigene gauft ergreifen merbe. 3)iefe brohenbe ©pradje bemog bie Q^arin jum Nachgeben. 3)a bie mUitärifdjen mie bie finanziellen Gräfte i(jre§ deiche* burch ben Xürfenfrieg er* fdjöpft maren unb überbieä eine furchtbare Peft, bie fich öon ber 9Mbau unb ber polnifdjen Ufraine au« über ben grögten Xr)cil oon SRuglanb oerbreitete unb ungeheuere Verheerungen anrichtete, fomie bie maffenhafte s2luäroanberung ber ftalmücfen unb bie brohenbe Jpat= tung ber ftofafen ihr groge Verlegenheiten bereiteten, tydt fie e3 Slngeficht« ber fortgefejjten ftrtegärüftungen DefterreichS für bebenf* lieh, b\c treue Vunbeägenoffenfchaft griebrich^ auf* ©piel ju fefcen ; fie ermächtigte baher ben (trafen ©olmä unteim 1. 3uni 1771, feinem ftönig $u melben, bog fie $u ber Xheilung Polens ihre 3"= ftimmung gebe unb beffen bieSbesügliche näheren Vorfchläge erwarte. 2Bär)renb über biefelben jmifchen Stuglanb unb Preugen öerfwnbelt mürbe, gab Katharina aufs Weite, 511m ftebenten äRale feit ihrer Xhronbefteigung, bie feierliche (Srflärung ab, bag fte nie eine jpanb breit polnijchen (Gebietes fid) aneignen merbe.

Unterbeffen hatte Defterreich, baS im Qntereffe feiner eigenen

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tfatf)arina II. i?on SHufelanb.

Sftadjtftclhmg bie 35onaufürftentf)ümer nidjt an SRujjfanb fomtnen laffen burfte, unterm 16. 3uli 1771 mit ber Pforte einen geheimen Snbfibienoerttag jur bewaffneten griebenduermittlung gefcfyloffen, in meinem beibe ättädjte fid> jugleicfy gegenfettig bie Buiage gaben, baß bie Unabfyängigfeit unb greiljeit $o!en£ , meldjefc ben ftrtcg öeranlaßt Ijabe , {einerlei (Einbuße erleiben fotte. 9tad> bem §lb= fcf)(u6 biefefc ©ertragt erneuerte SWaria Xtyerefia iljre öemüfmngen, ben mit tf)r öerbünbeten $of oon SBerfaille* ju energifdjen 9fta&s regeln im Qntereffe ber ^acipfation $olen& ju üeranlaffcn, für meldje fie einen etngeljenben $(an entworfen fmtte, ber geeignet gemefen märe , bie Integrität unb innere ffiulje ber töejmbltf 511 fiebern; im SRobember 1771 mürbe ifjr jebod) burdj ben franjöfi)d)en (Uefanbten in SBien bie (Eröffnung gemalt, ba& jtdj ber ftonig öon granfreid) meber unmittelbar nodj mittelbar in bie polnifdjeit Unruhen ober in ben firieg jmifa)en ben SRuffen unb dürfen ein* mifdjen motte.

9taa) meljrfaajen &ergeblid)en ©emüljungen griebria)*, ben Liener ^>of für bie beabfidjttgtc Xfjeilung dolens 511 genrinnett, braute enblitty bie am 17. $e&ember 1771 Don ber (£$arin abge* gebene (Erflärung , ba& fie auf bie Xonaufürftentyümer $er$id)t leifte , bie ßabinette öon SBien unb Petersburg einanber nätjer. ßaunifc erflärte paj bereit , bei ber Sßforte einen ©affenfriUftanb jum ©efmfe beS 3ufammentritte3 griebenSfongreffeS in SBor* fdjlag $u bringen, unb ging, naajbem ein neue« ruf|*ifa>3 jpeer öon öier jigtaufenb SRann in Polen cingerüdt mar, auf ben ©ebanfen einer Xljeilung Polen* ein.

Unterbeffen mar jmifa)en fflußlanb unb Greußen tbejüglid) ber oon beiben 9Käajten in Söefty $u nefjmenben polnifajen ÖJebtetc ein öoUftänbigeS (Einberneljmen ju ©tanbe gefommen, unb am 17. gebruar 1772 mürbe ber Xf>eilung3t>ertrag olme «Sujtelmng Oefterreidj* unteraeiajnet. $)ie ©eftfrergreifung ber fraglichen ©ebiete fottte im aflonat SRai ftattfinben unb erft bann ber Söiener £of jur X&eil« nannte eingelaben merben, ber Vertrag, über melden vorläufig ba& ftrengfte ©efjeimnif} gewahrt mürbe , jebod) aitdj in bem gaUe in Uraft bleiben unb ausgeführt merben, menn Defterreid) bemfelben nia)t beitrete. 3n einem geheimen Wrtifel oerpfliajteten fia) beibe 2Jtäd)te ju gemeiufamem bewaffneten SBorgefjen gegen Defterreia) für ben goß , bog fid) baSfelbe ber HuSfüljrung i&reä XfjeilungSöer* trag* miberfe&en foflte.

Qu einem SBiberftanb oon Seiten Defterreidj* fam e* jeboa) niajt; Defterreiaj trat melmefjr, in golge be* feit bem SRonat 2>e$ember 1771 in ber Stimmung be* Liener #ofe* eingetretenen Umformung*, bem £[jeilung3öertrage bei. gür Sötoria X^erefta mar ber beitritt ein SBerf ber ftotij, baö i^r bie ^erbften Seelen*

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3>te erfte Teilung ^olenS.

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fämpfe foftete. «Roch groeimal ^attc fic im Anfang beS $ahreS 1772 ben #of bon öerfaitteS ba|in gu bringen gefugt, gemeinfam mit ihr ber flerftücflung SßolenS entgegenzutreten; ober fie fyattt bie Antwort erhalten: Sranfreia) nehme an ben polnif^en Ange* legetthetten nur infofern Xheil, als fte fich auf eine freie ®önig3= Wahl belögen, unb begnügte fia) im Uebrigen mit einer „paffioen föolle." Übenfomenig mar auf ein (Sinfchretten bon ©eiten (£ng* lanbs gu hoffen; hatte boa) baS englifche $abinet feinen ©efanbten ht SBarfdjau bahin tnftruirt, „baß ©eine Sttajeftät ber föönig nicht geneigt fei, ftd) mit ben polnifchen Angelegenheiten gu beläftigen." ©o ftanb Defterreich gänglich ifolirt groeien 2Jcachten gegenüber, bie bertragSmäßig übereinkommen, ihren föaub an Sßolen nötigenfalls mit SBaffengetoalt aufzuführen, ©ei biefer €>arf)lage ^ielt $aumfc für geratener , bie für Defterreia) bei bem XheilungSprojefte in 9lu£ficf)t gefteHten 93ortf>ciIc gu ergreifen , als ber Xurdtführung beSfelben mit bewaffneter #anb entgegen gu treten ober bie beiben 9iacf)6armäd)te allein ihre Staaten in einer bie 9Wad)tftelIung Defter* reidjS bebrofjenben SBeife üergrößern gu laffen.

Snbeffen machte äJcaria Xherefia noch einen legten SBerfuch, baS gange XljeilungSprojeft gu hintertreiben, inbem fte für Defter* reich mehr verlangte, als fte glaubte, baß man ihr bereinigen werbe; ihre h°*)c gorberung ^atte jeboch feinen anberen (Erfolg, als baß aud) bie beiben anberen -ättädjte einen größeren (&ebietS* antheil, als ben in bem XheilungSoertrag fttyulirten, in Aufbruch nahmen.

SJtoria Xherefia unterzeichnete ben XheilungSentwurf mit ben SBorten: »Placet, weit fo triele große unb gelehrte SWänner eS motten. SBenn ia? aber fa)on längft tobt bin, wirb man erfahren, Was aus biefer Verlegung bott allem , was bisher unb ge-

recht mar, herborgehen wirb." Aua) fpäter beteuerte fte wieber* holt, baß, wenn fte Shtßlanb unb Greußen gur 3urücfgabe beS pol» nifdjen ©ebieteS bewegen fönne, fie ifjrerfeitS bon gangem $ergen SllleS gurüefgeben unb ben lag ber föücfgabe für einen ber glück licfjften i^reS SebenS h^ten werbe.

üftach bem beitritt Defterreichö gu bem gwifdjen föußlanb unb Greußen gefchloffenen XheilungSoertrage festen bie brei dächte bie übrigen europäischen $öfe oon ber Xljeilung Motens in Äenntntß, unb fein einziger £>of proteftirte gegen bie oölferred)t3wibrige ®e* waltthat. s.ßapft Siemens XIV. allein erhob feine (Stimme für baS niebergetretene $olen ; aber fie oer^attte ungehört.

$a fia) bie Sßolen gegen bie ßumuthung ber XheilungSmächte, auf einem ^Reichstage ben XheilungSaft gu beftättgen , mit aller Stacht fträubten unb ber &önig bie Sufammenberufung beSfelben öon einem Xermine gum anbern oerfchob , fünbigten i|m im 9ßo*

Öolatoart^, Söcltgc^tc VI. 38

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Äatfjarina II. bon Hufelanb.

bember 1772 bic ©efanbten ber brei SRächte an, bog fie, wenn nicht er unb bic Republif bie geforberten *ßrobin$en gutwillig ab* träten, baS ganje ßonb unter fid) teilen würben, unb ein unterm 14. $5e$ember bon ftatfymna an ben Äönig genuteter ©rief ent= r>iclt bie gebieterifche gorberung ber unberjüglichen Einberufung beS Reichstages, ber bis ©nbc Slpril 1773 ade SBer^anblungen mit ben Iljeilung3mäd)ten abgetroffen ^aben müjfe, mibrigcnfaflS fie fict) jeber früheren „»eraichtleiftung* für entbunben galten unb fich mit allen bon if>r für paffenb erachteten SRittcln „®crechtigfeit" berfdjaffen mürbe.

SBoUftänbig eingcfcr)ücfttert burd) biefe unb anbere Drohungen, berief enblich Stanislaus ben Reichstag auf ben 19. 2Rai 1773 naa^ SBarfchau jufammen. gür benfclben burften au* ben bon ben XheilungSmächten abgeriffenen <ßrooinjen feine Vertreter gemault werben, unb in ben übrigen gingen jmeiunbbrei&ig fianbtage au** einanber, ohne ßanbboten gewählt ju haben , ba fie jtdj an ber „nationalen Selbftfcbänbung ^olenS" nidtjt betheiligen wollten. Rur cinhunbertelf ttanbboten, öon benen bie meiften burdj bie fremben SRächte beftodjen worben waren, famen in SBarfchau jufammen, ba* roätjrenb ber $auer beS Reichstags ganj bon Xruppen ber brei 2Rächte über* fchwemmt mar. Sd)on oorfyer r)atte fich bie Äonföberation öon SBar, oon ber Uebermaajt ber berbünbeten SHächte erbrüeft, nach bem wohlüberlegten $lane *PulamStV* aufgelöft, .um ftch für befferc Reiten aufaufparen." 5)ie ©enehmigung beS Xh«fongSbertragS oon Seiten beS polnifchen Reichstags erfolgte am 13. September 1773. $urcf> benfelben oeilor $olen nahezu ben brüten Ztyil feines bis* herigen (Gebietes unb jwar feine reichften unb fruchtbarften $ro* binden. $on ben ber Republif entriffenen ©ebieten nahm Ru&lanb ben ßöwenantheil : bie öftlichen *ßrobinjen jwiföen ber $üna unb bem Eniepr; Sßreujjen erhielt baS jefcige SGBcftpreu&en mit &uS* fdjlu& oon Xanjig unb %f)OTr\ , bie bei Sßolen oerblieben ; Defter* reich ©alijten unb fiobomerien.

V Inf bem Reichstage, ber ben Raub ber XheilungSmächte fanftio* nirt hatte, würbe ben $olen auch bon ben brei $öfen eine neue iBerfaffung befretirt, bie baS poIntfct)e $önigthum ju einem mefen* lofen Schattenbilb unb Ru&lanb, als ben (Garanten berfelben, jum thatfachlichen iöel)erv)rf)cr SßolenS machte. Tic Sache ber Xiifiben ten, burd) Welche Rufjlanb unb Greußen ben inneren Streit in sßolen angefacht unb baS fianb in geuer unb glammen gefegt, würbe, nachbem man erreicht, was man gewollt, einfach faflen ge* laffen. S)ie ®ijfibenten, fo würbe feftgefe&t, follten auch in 3uhmft oon bem Eintritt in ben Senat unb in baS SJcmifterium auSge* f du offen bleiben unb jum Reichstag nur brei ßanbboten feinden bürfen. Katharina bejeidjnete bieS als einen ©eweis ihrer 9)cafjigung ;

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Sfatfjarina'S erfter Xürfenfrieg.

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bagegen flagten bic $ifjibenten laut über SBerratlj oon ©eiten be** jenigen $ofe3, meiner am leb^afteften für fie gartet ergriffen unb fte $u ©dritten beranla&t fmbe , bie fielen ba8 Seben unb ben meiften ber Uebrigen i^r Vermögen gefoftet.

SBä^renb aber bie ^avin bie ^ifftbeuten aufgab , lieg fie in ben anneftirten Sßroöinjen bie blutige Verfolgung gegen bie griedjifaV unirte IHrdje fortfefcen, unb mefyr als jmei Sttiflionen ßatfjolifen mürben burd) ©emalt $ur fdHämatifd)=rufftfd)en Äirdje „befeljrt". „35ie Verfolgung ber fatfjolifdjen #ird)e holend burefj SRu&Ianb", jagt Qanffen mit föedjt, „iß ein 9cadjtftüdf in ber ©efdndjte be* neueren Ghtropa'S.4'

ftat&arina'i erfter Sürfentrieg.

(1768—1774.)

Dbgleidj bie &rieg$erftärung ber Pforte an SRu&lanb bereits im Dt tober 1768 erfolgt mar, rürfte ba3 türfifd)e $>eer unter ber Süfjrung be3 (5ho&oejier$ erft im 9D?är$ 1769 gegen bie SRuffen tn$ gelb, nad)bem biefe bereits fidj ber Seftung Sfjoqim genähert Ratten, erleid) oon Anfang an blieben bie Xürfen gegen bie uu= gleiö) meiter üorgefdjrittene föriegdfunft ber Muffen unb bie feine töürfjidjt auf SRenfdjenleben nefjmenbe Xaftit ber ruffifdjen 5clb= berren im 9la$tf)eil. 3)er fjürft ®ali|tn erfodjt am 17. ©eptember 1769 oor ben SRauern oon (Efjocftim einen ©teg über baä türfifdje ,<peer unb befefcte öier Xage fpater bte oon ben Surfen oerlaffene Seftung.

9lod) toeit bebeutenbere (Erfolge oerfdjaffte ben SRuffen ber getb^ug be3 Saljre* 1770. 55er ©raf ffiomanaom, ©alijinä Waty folger im Oberfommanbo , eroberte nadj einem am 18. 3uli am '43 r u 1 1) erf odjtenen Siege bie Dölbau , unb nadj einem jmeiten größeren am Alagul (1. Sluguft) nucrj bie Söaüadjei. ©inen SRonat fpater nahm ber ©raf $anin buret) einen nädjtlidjen ©türm, ber Xaufenben ber ftürmenben Neuffen ba$ Sieben foftete , bie Seftung Jöenber, worauf bie ©ieger bie ganje Veoölferung ber ©tobt er» barmungSloä nieberme&clten unb biefe felbft in einen Xrümmer* Raufen oermanbelten.

Unterbeffen roaren bie ©riedjen bind) rufftfdje (Smijfäre ,uir (Srljebung gegen baä türfifdje Qod) gereift morben , unb eine ruf* ftfct)c Slotte , bie in (Snglanb auSgcbeffert morben unb in $ort sJ#af)on überwintert fyatte, mar unter bem Oberbefehle Mlejrei £)r* loms in ba$ ägäifdje Mtcx eingelaufen, um ben VefreiungSfampf ber ©rieben ju organifiren. Vet i^rem (£rjd)einen erhoben fid)

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Äau)arma II. Don SRufelanb.

bic (kriechen im ganzen ^ßeloponneS ; allein bic Hoffnungen, bte pe auf ben ©eifianb SRu&IaubS gefefct Ratten, würben grau (am getäufcht. 3Bät}* renb ber Statthalter oon SÄorea jur Üftcberwerfung beS 2lufftaubeS beffere Mnftalten traf, als ©riechen unb SRuffcu erwartet Ratten, jefete bie ruffijd)e glotte nur eine geringe Xruppenjahl ans £anb, unb Süerei Drlow jeigte fid) in feiner SBeife feiner Aufgabe gewadj)en. 9?ad)bem er eine ^ätlaua, Mo ran oergebenS belagert fwtte , flog er fid) in ben $afen tum Dtooarino ^urücf , unb als bie bon ben Xürfen überall jttrücfgcfchlagenen ©riechen bor ber Stäche ber Sieger bei ihm @d}ufc fudjten, bermeigerte er ihnen benfelben. 58alb barauf ber* lieg er mit ber gefammten rufpfeben 2Rad)t ben ^eloponneS, bie unglücklichen ©rieben ihrem Schuf fal preiSgebeub.

gurdjtbar mar bie Stäche, welche bie Xürfen für ben mt&glücf* ten 9lufftanb an ben bon ihren angeblichen Söefreiern oerlaffenen ©riechen nahmen, unb mit il)nen wetteiferten bie in großen ©paaren in ben ^ßeloponneS eingebruugenen Mlbancfen in Staub- unb HJcorb= luft. 9tur ein Heiner Xheil ber grieefufchen ©ebölferung tonnte (Id) in bie ©ebirge retten, um fpäter ben $ampf gegen ihre Söebrücfer aufs 9ceue, bod) ohne befferen Srfolg, aufzunehmen.

Qnjmiphen mar bie ruffiphe Slotte mit ber bon ihr aufgefuaV ten türfifdjen bei ber Qnfel Sfio jufammen getroffen, unb hier fam es am 8. guni 1770 ju einer Schlacht, in welcher baS türfipbc SlbmiralSpbiff bon ber ^Bemannung beS rufpphen in Söranb gefteeft würbe , in feinem Aufliegen aber aud) bicfcS mit fortriß. X)ie tür* fifd)c Slotte flüchtete fich in bie enge iöai bon XfcheSme unb mürbe hier burch ben ru(pfa)eu Mbmiral (Slpluuftone, einen in ben Xienft ber ©jarin getretenen Snglänber, mit einem Xheil ber rufpjd)en Slotte eingephloffen. 3n ber Stacht brang Xugbalc, ein anberer (Snglänber , mit einer Vlnjaljl bon iBranbem in bie SBucbt ein unb befeftigte einen berfelben, trofe beS heftigen SeuerS ber Xürfen, an ein türfifcheS Schiff, morauf er fich, m^ sahireichen ©ranbrnunben bebeeft, ins 9#ecr ftür$tc unb 511 ben Seineu jurücf fchwantm.

(gleich barauf ertönte ein furchtbares ©etöfe, baS bis in Althen gehört mürbe, unb balb ftanb bie gan$e türfifd)e SJlotte in Stammen. JsBiS nach Smbrna \)'\\\ erbebte bie (£rbe, unb bie rufpfdjen Schiffe, bie in einiger (Entfernung 3*ugcn beS fchauerlichen SchaujptelS waren, mürben wie bon einem heftigen Sturme hin unb f^* getrie* ben. Xie türfijche 3Jtanufd)aft rettete fich bxm Qröfetcu Xfjeile burch Schwimmen unb auf Schaluppen au bte apatijcbe töüfte, wo pe an ber griedpphen Söebölferung furchtbare Stäche nahm.

Stach ber gerftörung fcer türfiphen Slotte brang ©Ipfnuftone, Welcher ber (Sjariu baa JÖerjprecheu gegeben, bie Xarbanellcn $u burchbredjeu, auf bas 3tod)brü<flid)fte barauf, bafj bte rufpfd)e 3lottc, ben in ftonftantinopcl herrjeheubeu Schrecfen benufteub , ungefäumt

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ßatharma'S crftcr Xurfenfrieg.

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borten aufbreche ; allein Ortom miberfefcte ftch biefem Borfdjtag, entmeber aus (Siferfudjt auf ben ihm überlegenen Wbmiral ober mit föürfficht auf ben fchted)ten 3uftanb bcr ©d)iffe , beren Bemannung faft nur nod) aus $ranfen unb Bertounbeten beftanb.

Um ber ©jarin ju zeigen, bog bic Söfung feines BerfprechcnS möglich getoefen märe, brang (£lpf)tnftone mit einem einzigen 3ahr* jeug in bie EarbaneHen ein, marf bort feine 9lnfcr aus, tiefe feine Trompeter btafen unb eilte mit £ilfe ber gtutf) hrieber jurücf. Salb barauf Oertieg er, mißmutig unb unbetotmt, ben rufjtfdjen ©ee* bienft. SHejei Drtom ober, ber fidj nach Petersburg begeben, um ber $aiferin pcrfönltcr) feine ©ntmürfe für bie gfortfefcung beS Kriege* äu unterbreiten, mürbe üon feiner #errin mit ben größten (Sfjren* bejeigungen empfangen unb burd) ben Beinamen „XfcheSmenSfoi" belohnt ; aud) erhielt er bie Ermächtigung, mit ber ihm untergebenen gtolte jebe Unternehmung ju roagen, ofme jemals irgenb metchc Beranimortlichfeit baffir fürchten ju bürfen.

Crloms ©liefe maren suuächft auf 9tegüpten gerietet, roo ftdt) ihm bie 2luSfia)t auf eine mächtige BunbeSgenoffenfdjaft eröffnet hatte. $ort tjatte nämlich 2tti ©et), ein Georgier, ber fich ju einem jener Üttamelurfenhäupter emporgefdjroungen , melden bamalS bie .£>errfd)aft über 2tegl)pten unter ber Sluffidjt beS türfifdjen <&tatU balterS gehörte , ben türfifchen $afd)a vertrieben , bem ©ultan ben ÖJeljorfam gefünbigt unb nach geroaltfamer Unterbrücfung aller übrigen Bety'S bie .<perrfchaft üoöftänbig an ftch geriffen; auefj mar er bereits in Patäftina eingebrungen unb ^atte ftdt) , ba ber ßtieg mit SRuftfanb bie Pforte an einem nachbrücflichen Vorgehen gegen ihn oerbinberte, öerfajiebener piäfce in ©ürien bemächtigt, ©egen feine 3"fa9Cr feine ßufuljr nad) ßonftantinopet gelangen $u Iaffen, unterftüfcte ihn bie ruffifa^e Slotte bei ber Belagerung oon Qaffa. Mein bie großen Hoffnungen, bie Drtom auf baS 3ufammcngehen mit 9tli Bei) gebaut ^attc , blieben unerfüllt; benn fdjon im Safjre 1771 mürbe ber fühne (Smporfömmling oon feinem ©chtoiegerfohne aus ®atro oertrieben , unb im folgenben 3a^re fanb er in einer ©djtadjt ben Xob.

3m (Jansen richtete bie niffifcr)e Statte im SRittelmecre menig aus. $ie Belagerung oon ®anbia führte ju feinem &kU, unb Oon SemnoS mürben bie Muffen burd) ein füfjneS Unternehmen eines türfifdt)en $eerfüt)rerS mieber oertrieben ; bie einzige %n\zl, bit fie im 2lrd)ipel befefct fetten, mar ParoS.

2lud) ber Öanbfrieg mar für bie SRuffen nach ocn Öro&cn ®ts folgen beS 3a^rc* 1770 8U einem BertheibigungSfriege an ber $)onau he™bgefunfen. dagegen gelang ihnen unter ber Rührung ^olgorucfi'S im 3ahre 1771 bie Eroberung ber #atbiufel ftrim, bie SKohammeb II. im 3<*hrc 1471 unter türfifche £>errfchaft ge*

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bracht hatte unb bic feitbem unter If^anen au* bcm (Sefchlcchte Xfchin** giS^^an« geftanben, welche al* VafaHen bcr Pforte oon ben o*ma* nifchen £errfd)ent ein* unb abgefegt worben. iRachbem Dolgorucfi bic Dberhäupter bcr tatarifchen ©eöölferung ftur Unterwerfung unter bie rufftfäe #ot)eit bewogen hatte, begab fidj ber neue, oon ifjm eingelegte Ä^an nach Petersburg, um ber <£$arin feine §ulbigung barjubringen.

©chon im 3at)rc 1769 Ratten ft<h, tpic wir oben (©. 589) ge* fcr)en, Greußen unb Defterreidj, in gleicher SBeife beunruhigt burch bic 2lbficf)t Katharina'*, bic Eonaufürftenthümer bauernb ihrem SRcicr)c einjuoerleiben , §u gemeinfamer 5rieben*oermittlung geeinigt, unb naeöbem in bcr erften Teilung $olen* ein Littel gefunben toorben mar, bie (Sjarin jur Verjichtleiftung auf bie Dölbau unb 2Bal* ladjci $u bewegen, würbe jum ©ehufe ber Einleitung oon Srie* ben*unterhanblungen ju ©ufareft ein SBaffenftiUftanb gefcbloffen, ber biä §um 1. Slpril 1773 bauern fofltc. £a jeboch Tregor Drlom, ben bie (Sjarin ju ihrem Veüoflmächtigten ernannt, nicht nur al* öorläufige 5rieben*bebingung bic Unabbängigfeit ber #rim oerlangte, fonbern auch auf bie Sorberung ber Abtretung bcr $onau* ffirftenthümer jurücf fam, jerfchlugen fich bic angefnüpften Unter* tjanblungen, unb nach bcm Slblauf be* SBaffcnftiflftanbe* nahm ber ßrieg feinen Sortgang.

£ie Muffen, bie unter fltomanjom abermal* über bic $>onau gegangen waren, griffen ©Utfrria an; fie würben jeboch oon ben Xürfen gefd)lagen unb mit großem iBerluft über bie $onau jurücf* getrieben. $a bie ju biefer Seit au*gebrochene Empörung ^ugat= fdjew* ber &}>axixi eine rafdje Söeenbigung be* Krieges wünfdjenSwerth machte, ließ fic bcr Pforte ben Srieben antragen; allein ber neue (Sultan Slbbul £amib , ber au* ben Verlegenheiten bei rufftfdjen £>ofe* 9hifcen jtet)en wollte, wie* tt)re 2frieben*oorfchläge jurücf.

Snbeffen wanbte fid) ba* ®rieg*glücf , ba* ben Xürfen auf einen Slugenblicf gelächelt, balb wieber ben Muffen ju. SBährenb in Äonftantinopcl große Vorbereitungen getroffen würben, um mit brei Speeren über bie $>onau get)en, überfchritten bie Muffen im ©ommer 1774 auf* SReue biefen gluß unb brangen bi* in bie 9tät)e oon ©cfmmla oor, wo fie ben ©roßoejier in feinem öager bergeftalt einjchloffen , baß ifmt ber fRücf^ug nach Slbrianopel abge= fd)nttten War. $)ie* bewog ben ©ultan, jefct feinerfeit* ber (£$arin gricben*üorfcf>lägc ju macheu , unb ba ba* 3frieben*bebürfniß auf ihrer (Seite fortbauerte, ftellte fie annehmbare Vebingungen. ©o fam am 22. 3uli 1774 $u $utfd)uf-$ainarbfche, unweit ©iliftria, ein 5rieben*fchluß $u ©tanbe, in welchem bie Pforte ben SRuffen freie ©dnfffahrt auf allen tfirfifchen ®cwäffern einräumte, in bie Unabhängigfeit ber ®rim willigte unb Sftußlanb ba* ©chuj}*

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Äatfarina II. alö fflegentüt.

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redjt über bie ber griec^tfe^en ®irdje angeljörigen Untertanen be« ©ultan« juerfannte, wogegen bie ßjarin alle bon ifjr gemalten Eroberungen , mit 2lu«fdjluß ber ©täbte Äertfdj unb Qenifale in ber Stirn unb ftinburn an ber lUiünbung be« 3/nicpr, ber Pforte jurücffteflte. 3für bie unglürflidjen ©rieben, bte fia) im Vertrauen auf SRu&lanb« 3ufagen für bie SSiebererlangung iljrer ©elbftftänbig* feit erhoben, ljatte bie Sjarin fein ®ebädjtnif} me^r.

©o gering aud) bie Sortierte , bie ber griebe bon &utf$uf* Äainarbfdje ber ©jarin gemährte, im Sergleia) ju bem maren, ma« fie erftrebt fmtte, fanb fic bod) in ber ^Xudfi^t auf ben fpäteren ^efifc bei ßrim, ber für fie nadj ber Unab!jängigfeit«crflärung ber* felben feinem gmetfel mef)r unterlag, reiben (£rfnfc für ade«, ma« xf)x für ben Slugenblia* noa) entgangen mar ; benn biefe« Sanb erfduen tyr als ein fixerer ©tüfcpunft, bon meinem au« fie in einem jmei* ten Kriege gegen bie Pforte ba« türfifdje töeia) au« feinen Ingeln f)eben $u fönneu hoffte.

©leidt) griebrid) II. unb Qofcpt) II. entfaltete aud) $atfjarina II. in ber SBermaltung ifjre« weitläufigen föeidje« eine ungewöljnliaje, Slüe« umfaffenbe unb TOe« mefjr ober weniger umgeftaltenbe Xfä tigfeit, an melier üjre SRufjmfudjt ebenfo großen ^iitt>cil fmtte, al« il>r gntereffe für ba« S5?ot)I ifjrer ©ölfcr.

Um al« ®efe$geberin ju gtänjen unb jugleidj öon ben „pljtlo* fopl)ifcbenM ©timmfütjrern Europa'« al« ,,*ßl)ilofopf)in auf bem Xijrone" gepriefen ju werben , befd)loß fie , iljrem 8teid)e naa) borau«gegangenen Verätzungen mit Slbgeorbneten aller ^rooinjen be«felben ein neue« ®efefcbudj nad) ben ©runbfäfcen ber bon ben franjöftfdjen ©taat«pf)ilofopl)en unb ©djöngetftern berfünbtgten 2Bei«t)eit ju geben. Qu biefem Smetfe berief fie im Qaljre 1767 eine „©tänbeöerfammlung" au« Sßertretern oon jwanjig SBölfer* fdjaften ifjre« SReidje« : ©fjriften , Anbetern be« 3>alai=£ama unb $8erefjrern ber ©onne, nadj 9tto«fau jufammen unb legte U)nen eine üjrem 3nljalte nad) mörtlid) au« 9ftonte«quieu entnommene, aber unter i^rem eigenen tarnen beröffentlidjte unb auf if)ren $8efe§I in äroanjigtaufcnb Exemplaren oerbreitete Qnftruftion öoH ber liberal* ften ©runbfäfce oor , gegen meldje ir)r fdjranfenlofer ®e«pott«mu« unb ba« r)errfd)enbe Regiment ber (Sünftlinge einen grellen 9(bftidj bilbeten. 3>a« ©an^e mar, wie Qanffen mit SReä)t bemerft, nur eine lügenhafte, auf ba« berel)rung«füd)ttge s2lu«lanb beregnete „garce bie für ben beregten Qtotd nidjt ba« geringfte föefuttat ergeben fonnte. $Bemerfen«mertl) mar bie Erflärung, weld)e bie

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tfatljarina IL öon Shifelanb.

2I6georbneten bcr Samojeben burdj tljre $olmetfdjer abgeben lie&en. „2Sir ftnb gcnügfam unb geregt," fo lautete biefelbe; „mir treiben frieblidi unfere SRenntf)iere unb Brausen fein neues ©efefcbudj; aber mad)t ©cfcfebüc^cr für unfere Wadjbarn, bie Muffen unb für bie ©ouöemeure, bie it)r ju unä fdjicft, bamit fte ü)re Zaubereien einfteflen."

ftatfmrina benufcte ben fluäbrucf) beS erften Sürfenrriegeä all SSorroanb jur »uflöfung it)rer „Stänbeüerfammlung\ unb biefe er» teilte, beöor fte auSeinanberging , ber ftatferin bie ©einamen ber ®ro&en, ber SBeifen unb ber 9Jcuttcr be* Saterlanbe*. 3)ie „be= fdjeibene" (£$arin nafjm nur ben legten biefer @t)rcntitcl an. „28cnn fte fidj beS erften mürbtg madje", fagte [\tf „fo fomme e& ber9cac§* tue« $u, Um iljr $u erteilen ; bie 2Bei3t)eit fei eine ®abe be* £im= meld, bem fte bafür banfbar fein müffe, bodj mage fte nidtjt, biefe ©igenfdjaft ftd) jum Serbienfte anjurec^nen; ber JBeiname: 2Jcutter be3 SBaterlanbeä fei iljr ber mot)ltt)uenbfte ; it)n fefje fte alä bie rühmliche ©eloljnung für bie Arbeiten unb Sorgen an, benen fie für ifjr geliebtes $otf fid> unterzogen tjabe."

$a8 neue GJefefcbud), ba3 fatfwrtna nunmehr allein auSar* bettete, hatte junäcfrft bie innere 93ermaltung beä Staates jum ©egen* ftanb. Sdmn öorfjer Ijatte fte ber oberften föeidjsbetjörbe für bie inneren STngetegenfyeiten , bem Senate, eine me^r geglieberte, bie Ueberfidjt erleid&ternbe gorm gegeben; an biefe Neuerung reifte fte jefct eine jroeite, inbem fte bem föetdje felbft eine beffere ©liebe* rung gab. $ie Stattftaltereten, öon benen einige an Umfang man* djem ßönigreicfje gleid) famen unb beren ©ouoerneure fo au3ge= behüte 93efugniffe Ratten, bafj fie baburd) felbft für bie $rone ge= far)rlic^ »erben tonnten, mürben nidjt nur an Umfang öerringert, unb jmar fo, baß jebe ungefähr öiermalt)unberttaufenb ©erootjner jaulte, fonbern audj mieber in mehrere Greife toon circa oierjigtaufenb See» len eingeteilt. $en SWittelounft ber ganjen Statthalter fdjaft bilbete bie ÖJouoernementSftabt, ben jebeS einzelnen ®reife3 bie ÄreiSftabt. Qn biefen Stäbten Ratten bie ÜBerroaltungSbehörben ihren Sifc. 2)en ©ouoerneuren, benen früher außer ber ®erid)täbarfeit unb ber ^ßolijei auch bie ©r^ebung ber ©intunfte unb noch öieleS Hnbere oblag , mürbe nur nodj bie allgemeine Wiiffidjt gelaffen. Xie bürgerlichen unb peinlichen SRechtSfachen mürben getrennt unb ge= fonberten 33et)örbeu jugemiefen. s2Iud) mürbe in jeber Statthalter* fdjaft ein fogenannteS w©emiffen^geridt)tw eingefe(jt, ba& bie Streit« hänbel in Wüte ju fcr)Iict)ten fudjen foÜte. ^odftanbig auSgefchlof= fen oon ber „mütterlichen" Jür Jorge ber ©jarin blieben jebodj bie leibeigenen, für meldte fie au$ JNüdjidjt für ben 2(bel utd)t bad ÖJeringfte tt)at. $He Statthalter mürben jmar angemiefen, fte öor aflju Rätter SBiUfür üon Seiten it)rer @ut*t)erren 511 fdjüfcen; ein

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Äat&arina II. al* ttegentm. 601

au bcr gleichen Qtxt Don ber Äoifcrin erlaffener Ufa«, morin jcber Setbetgene, ber auch nur eine Älage gegen fci«cn ©u«^errn ju er* heben möge, mit ber Ihmte unb ber Verbannung nach Sibirien be* brot)t mürbe, lieg bieS jebodj faft mte einen ©pott erfebeinen.

(5ine 3oIge ber oeränberten (Eintheilung beä ruffict)eu deiche* mar bie (Entftet)ung mehrerer neuen ©täbte, in meldjen ftdj, ba toerföiebene neu errichteten ©ehörben in benfelben ihren ©ifc er* hielten, ein regerer ©erfefjr unb ein größerer SBohlftanb entmirfetten, als in bieten ber alteren, beren (Einmofmer in mannen ^Beziehungen ben ©auern gleich ftanben, ba nur menige ruffifäc Stäbte burd) <ßeter ben ©rogen unb (Elifabett) eine 8rt freier ©erfaffung erhalten Ratten.

Um einen SRittelftanb mit ftaatöbürgerltchem ßeben unb be* ftimmter ©teHung in ber (Sefeüfchaft $u grünben, erlieg Katharina eine neue ©täbteorbnung , burch meldte mit ber &ai)l ber ©täbte auch bie greiheiten berfelben öerme^rt mürben. 3)ie ©ürger mur* ben nach ihren © ef Sättigungen unb ihrem ©ermögenäftanbe in ge* miffe SRangorbnungcn geseilt, Don meldjen bie höhcrcn befonbere ©orrechte erhielten; auch mürbe ber ©ürgerfdjaft baä föecht juer* fannt, ihre obrigfeitlichen ^erfonen felbft ju mahlen.

$te Vorreite be3 $lbelä, bie hauptjächlich in gänzlicher ©teuer* freitjeit unb in bem SRechte, Seibeigene $u befifcen, üon benen fte nach ©elieben Abgaben unb Sttenfte forbern fonnten, fomie in ber Sreifjeit bon allen fieibe&ftrafen beftanben, mürben Don Katharina burd) einen befonberen faijerltchen Freibrief neu betätigt.

Um ben Jjpanbel burd) bie (Erleichterung bed inneren ©erfefjrS ju ^eben, lieg Katharina neue ©tragen unb banale anlegen; auch (job fie bie £anbel3m onopole auf, meldte fomofjl bie fixone al& ein* jelne ©rogen noch befagen, unb gab gegen (Erlegung einer beftimm* ten Abgabe ben $anbel mit inlänbifdjeu (Eraeugniffen frei, fomie auch 3ebermann bie (Erlaubntg erhielt, Sutferfiebereien, Kattun* fabrifen unb anbere SDtanufafturen anzulegen. 3m 3ahr 1781 gab Katharina ber Äaufmannfchaft ein ©eeredjt unb eine ©d)iffs fahrtSorbnung unb lieg anfehnliche SBerfte für ftauffahrteifdnffe bauen. (Einen rafchen Sluffdjmung nahm ütöbefonbere nach bem erften Xürfenfrieg ber £>aubel auf bem fchmarjen Speere, an beffen ®üfte bie (Ejarin im 3°hre 1793 an ber ©teile eines im Sahre 1789 mährenb be3 jmeiten lürfenfriegeä eroberten türfifchen gortä bie ©tabt Dbeffß grünbete.

(Eine ganj befonbere ©orgfalt öermenbete Katharina auch auf bie görberung ber SBiffenjchaft unb ftunft, bie in SRuglanb, trofc ber Bemühungen $eterd be$ (trogen, noch feinen ©oben gemonnen fjatten. ©ie errichtete eine (Erjiehungäfommiffton , melche neue Unterrichtäroeifen angeben unb Slnftalten jur ©Übung bon ßehrern fomie ÜRormalfchulen im ganzen deiche anlegen follte. gür bie

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Äatfjarina II. Don JRufelanb.

SluSbilbung ber ruffifdjen ©pradje grünbete fte eine eigene Wta* bemie nadj bem Sttuftcr ber franaöfifdjen unb lieg burd) biefclbe ein rufftfdjefc SBörterbudj aufarbeiten. $a& rufftfdje ©djrifttfmm folltc burd) Ueberfefcungen wiffenfdjaftlid&er unb bid)terifd)er fßerfe geförbert werben, bei weldjen ftd) bie djarin perfönlidj beteiligte, wie fie aud) ©djaufpiele für bie rufftföe ©üfme fdjrieb, bie jebod) einen feljr untergeorbneten SBertl) fjaben unb nteift polttifdje Xen* benjftürfe ftnb. 3fce ©cmütjungen für bie Hebung ber rufftfa)en SBoltebilbung blieben jebodj oljne nennenswerten Crrfolg, tfyeila weil fte ber naturgemäße« Sntwidlung bcrfelben ju fefyc borgriff, tfjeife auef) Weil SBieled Wieber aufgegeben Würbe, nacfjbem !aum be= gönnen worben. UebrigenS fdjwanb üjr SSfer für SBolfSbilbung nadj bem &u$brud>e ber franjöfifdjen föetoolution, weil fte bicfelbe ber Äufflärung be3 SBolfeä auftrieb.

SBie fef)r jebod) ßatfjarina felbft ben ©runbfäfcen fyilbtgte, weldje bie franjöfifdje SRebolution in« Seben gerufen baben, jeigt uns nidjt nur ifjre begeifterte SSere^rung für bie franjöftfdjen $f)tlo» foppen unb ©djöngeifter , inäbefonbere für ©oltaire, ber fie baffir feinerfeitö „feine ^eilige" nannte, unb für Diberot, fonbern auc§ iljre burdjweg revolutionäre ^olitif. „®atf)arinaM, fagt 3anjfen, „war bie erfte gefrönte 3afobinerin in (Suropa unb befolgte in üjrer <ßolitif alle jene beftruttiben , revolutionären ©runbfä&e, bie wir gewöfynltdj al$ (Srjeugmffe ber franjöfifa>n Revolution betrauten. Sie franjöfifdje Revolution Ijat lebiglid) biefelben ^rinjipten pro* flamirt, welche bie ,ncnc ©emtramis unb 9)?cffalina be$ Horbens4 ein 3Kenfdjenalter fjinburd) beftänbig im ütfunbe geführt unb burd) bie fie alle RedjtSberlefcungen, ^ertrag&brüdje unb Eroberungen ju legitimiren gefugt r)orte."

2Bte ftatfyirina bie bon bem ©eifte ber Seit au* Snbifferen* tiSmuS geforberte religiöfe $ulbung Ijanbbabte, Ijaben wir in ber ©efa)itf)te ber erften Xfjeilung dolens fattfam erfahren, $ie ffic* ligion War für fie nur eine ©anbfjabe jur drreid^ung politifdjer 3werfe, unb wenn fie, wie wir oben (©. 509 f.) gefefjen, ben ber= folgten 3efuiten eine fixere guflud)t3ftätte gewahrte unb fict) iljrer Sluftebung in Rufjlanb mtberfefcte, fo gefdjaf) bieS eben nur, weil fte tljr nüfclid) waren, ©elbft mit ber ortfjobojren £irdje, gegen welche fie bie unbebingtefte Eingebung an ben Xag legte, trieb fie ein f)eud)lerifa)e3 ©piel, inbem fie baä SBefifctljum ber Äirdjen unb ßlöfter einbog woburd) fte ifjre jäfjrlidjen (Sinfünfte um jwanjig SWiflionen granfen erljöfyte unb babei bem ruffifdjen #leru3 er* Härte : fie tljue bie« lebiglid) au« S3orf orge für bie ftirdj e, bie fie bon ben „wiberredjtltdjen Slnmaßungen be$ Reid>3eigentf)umä" be- freien unb ju ber bon ©ort gewollten primitiben (£infad$ett jurürf= führen müffc.

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$ o t e m Ii n ber Saurier.

(1776-1791.)

Xrofc tt)re« männlichen tyaxatttx* unb ber furdjterWecfenben äußeren Roheit, womit pe OTe« in ben ©chranfen ber Unterwür* figfeit ju halten Wußte, ftanb Katharina, gleich ihrer Vorgängerin (gtifabetr) f mit welcher fte toic in ber üppigen $rad)t unb Ver> fchwenbung it)red orientaüfdjen #offtaate«, fo auch in it)rem aßen fittlichen ©efütjlen hohnfpredjenben <ßriüatleben wetteiferte, in ^o^em ©rabe unter bem (Sinfluffc it)rer jahlreichen ©ünftlinge; bod) t)at= ten ftdj bie meiften berfelben it)rer Neigung nur öorübergehenb ju erfreuen, ©ine &u«nahme mochte junächft ©regor Drlom, ber fid), üon ber (Jjarin mit ®lan$ unb SReidjthum überfct)ürtetf $ehn 3&hre lang bie nädjfte ©teile an ihrem %§xont ju Wahren mußte; bod) erhielt auch er feinen Äbfdjieb, al« bie (Sunft Katharina'« fich einem Slnbern jugemonbt, bem gelang, fid) nicht nur jum doCU ftänbigen ©ebieter ber ^axin emporschwingen, fonbem auch feine ©teUung bi« an fein ßeben«enbe $u behaupten.

tiefer mädjtigfte unter ben ©ünftlingen ber (Sjarin mar (Tre- gor $ o t e m f i n , ber ©ot)n eine« oerabfehiebeten Offizier« au« bem nieberen ruffifdjen s2lbel. (geboren im3at)re 1736 auf bem Keinen ßanbgute feine« Vater« in ber« 9^ät)e Don ©molen«f, ^atte er, ba it)n fein Vater jum geiftlichen ©tanbe beftimmt, feine Sugenb in einer (£r$iet)ung«anftalt für ©eiftliche oerlebt, wo er fid) eine ober^ flächliche Vilbung angeeignet, mar jeboeb, fpäter in bie berittene fieibroadje ber Äaiferin (Slifabetb eingetreten unb t)atte in ber- felben bi« jum SBaajtmeifter gebraut. Vei ber (Srmorbung ^Pe- ter« III. mürbe er öon Orlom ju £ilfe gerufen, unb feine Betei- ligung an biefer grcoelthat berfdjaffte ihm ben Slang eine« Offi* jier« unb bie ©teile eine« $ammerjunfer«, al« welcher er balb auch Zutritt $u ben £>offreifen erhielt.

3m Vertrauen auf feine $örperfdjönt)eit glaubte ^ßotemhn erreichen ju fönnen, ber <&ünftling ber ßaiferin $u werben; allein Drlow, bem feine ehrgeizigen 2Ibftct)tcn nicht entgingen, fdnefte u)n ju bem $eere nach ber Xürfci. $iex nahm er an mehreren ©djladj* ten ofme fid) jebodj burd) befonberen friegerifchen (SKfer fjer*

oorjuthun, weil feine ©ebanfen au«fdjlie&üdj auf ba« $\tl gerietet blieben, ba« fein (ä^rgeij fiet) gefteeft hatte. v2ll« er im 3at)re 1772 in Erfahrung brachte, baß ©regor Drlom burd) feine Anmaßung unb fein rohe« Venehmen ber ®aiferin läftig ju werben beginne, wußte er bat)in ju bringen, baß ihm eine sDftffion an ben $aifer= t)of übertragen würbe, unb bamit war ber erfte ©abritt ju feiner (Er- hebung gethan. Katharina war balb fo feljr für ihn eingenommen,

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töatfjarina II. öon Stußlcmb.

baß er feinet ©iegeS über ben nodj immer mächtigen Drloro ge- wiß fein burfte; bodj öerftrtdjeit noch öier 3ah*e, che eS it)m ge= lang, benfelben gänzlich aus ber ÖJunft ber Saiferin unb bamit $u= gleich au$ beren Stölje $u berbrängen.

SRadjbem Katharina ihren neuen ©ünftling in ben ®rafenftanb erhoben hatte , berlteh fie ihm ein Ehrenamt nach bem anbern unb übertrug ihm nicht nur baS ffriegsmefen , fonbern nad) unb nach auch bie obere Seitung aller inneren unb äußeren StaatSangelegen^ Reiten. Um ber (^arm $u gefallen unb ftd) ben einflußreichen (Sünftling geneigt gu machen, überhäuften it)n auch auswärtige dürften mit öemeifen ihrer §ulb. Sofeph II. »erlief ihm bie Söürbe eines beutfdjen föeichSfürften unb Sriebrich II. bot ihm feine guten $ienfte an, falls er $er$og oon turlanb ju werben mfinfehe. SRe* ben bem @fjrgei$ mar bie ©elbgier <ßotemnnS öorherrfchenbe Sei* benfdjaft , unb aud) biefe Würbe burch bie ®unft ber ®aifertn im boflften 2ttaße befriebigt. 9Iußer bem hohen Schalte, ben er für feine öerfdn'ebenen Remter bejog , unb ben reiben ©infünften ber auSgebelmten ®üter, bie Katharina ihm gefajenft hatte, erhielt er bon it)r an jebem 9leujahrStage einmalfjunberttaufenb föubel unb eben* fooiel an feinem ®eburtS; unb 9tamenStagSfefte. ©ine noch weit ergiebigere Duelle jur Vermehrung feiner (Sinfänfte lag in ber ihm eingeräumten Vcfugniß, auf feinen bloßen tarnen jebe beliebige ©umme auS ben faiferlichen Soffen $u entnehmen; benn er trug fein Vebenfcn, biefe Vefugniß ju feinem Vortheile in ber gemiffen= lofeften SSeife auszubeuten.

2öie fich ^otemftn barin gefiel , feinen föeidjthum in ber 23e= friebigung ber feltfamften ßaunen einer überfättigten ©innlidjfeit jur (Schau ju tragen, ohne baran ju benfen, bie üeute ju befahlen, bie für ihn arbeiteten ober ihm Sieferungen machten , fo jeigte er in bem Uebermuth , toomit er diejenigen behanbelte , bie in f fla* btfeher Unterwürfigkeit um feine ÖJunft buhlten, fowie in ber föücf- fichtslofigfeit , bie er gegen bie $aiferin felbft an ben Xag legte, inbem er nicht nur ihrem 2Biüen Xrofo ju bieten wagte , fonbern fogar oft abfichtlich baS ©egentheil bon bem that, was fie wünfdjte, baß er fich fäner SflachtüoQfommenheit als unbefchränfter ©ebieter SRußlanbS bewußt mar.

S2ÜS (Staatsmann mar $otemfin befonberS auf bie (Srwette* rung ber ©renken beS ruffifchen Meiches bebaut, unb ber $lan gum llmfturj beS türfifchen Meiches mar ^auptfac^licb fein SBerf. 2luf ben Xrümmern beSfelben fottte ein neues griechifcheS SRetch für $atharina'S ^weiten, im 3af)re 1779 geborenen (Snfel errichtet merben, ber beßfjalb ben alten Kaifernamen Konft antin erhalten hatte. Qvlx Sörberung biefeS planes mar $otemfin eifrig bemüht, eine engere Verbinbung jwijchen fflußlanb unb Oeftcrreich ju ©tanbe

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^otcmfin ber Xaurier.

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ju bringen, roäfjrenb baS üon $anin aufrecht gehaltene 93ünbni& mit griebridj II., ber im StiÜcn bcr Sßergröfjcrung SRußfanbS entgegen arbeitete, immer locfercr mürbe. VUS Waffen- unb JpanbetS- pläfce gegen bie Xürfen mürben bie ©täbte ®atbarinoSlaro, 9Äorio= pol unb (Styerfon errichtet, unb über einem Xfjore ber festeren las man bie bebeutungSüolIe ijnfdjrift: „SBeg naef) $ty$an$."

Um bie Söernnrflidjung beS orientalifdjen planes anaubaljnen, mürben ©dritte jur ^Bereinigung bcr ®rim mit 9tu&(anb getrau, bie mit (Shrfolg gefrönt toaren. 9Zad)bem ber ruffifdjc §of ben öon ifmt eingefefcten ®f)an ©djaljin ©tjerai oollftänbig auf feine ©eitc gebogen fjatte, machte ^otemfin im 3afjre 1782 eine Steife nadj (Sfjer* fon , um burdj 93erfpredmngen unb ©elbfpenben fomof)( if)n , als aud) anbere Häupter ber Xataren für bie ruffifdjen $Iäne ju ge* minnen , unb in ber %f)at gelang eS ifytn , ben ®f)an jur Öborb= nung einer ©efanbtfdjaft nad) Petersburg ju beroegen, burefj me(d>e er ber (£$artn feine Untertfyänigfeit erMären liefe. 3>ie ©rüber beS ®§anS miberfefeten fitf) jmar, unter bem ©eiftanb eines XfyeUeS ber SBeoölferung ; ifjr 2Biberftanb rourbe jeboef) burcr) ruffifcfjeS 9ttiÜ* tär ntebergemorfen, baS fogleicf) in baS ßanb einrürfte unb $aufenbe ber ©egner beS ®f)anS tfyeüs töbtete , tfjetfS §ur Seibeigeufdmft nad) SRujjlanb fcf)Ieppte. 5)er ®f)an trat im 3a§re 1783 feine ober= fjerrlitf)en 9ted)te gegen bie 3ufa9e cine$ QafjrgelbeS für fidj unb einige ©lieber feiner Samiüe, beffen 3luSjaf)lung jebodj batb ein* geftetlt mürbe , an Stußlanb ab unb tocrlicß bie $rim , bie fofort oon ben Muffen in Söefifc genommen mürbe. $)ie Söeoitfferung er* fjob fief) jmar in 9Jcaffe gegen bie ruffifdje $err[dwft; aber ifjre Sluflefmung r>attc nur ein fdjauerüdjeS ^ötutbab jur golge, bei mel* djem auf 33efe!jl $au( ^otemfinS, eines ©ermanbten beS 3ürften, breißigtaufenb Xataren, Männer, SBeiber unb ftinber , nieberge* me&ett mürben.

®atf)artna fuct)te bie gemaltfame SBefifcergretfung ber ^rim burdj bie ©rftäruug ju rechtfertigen: „$ie Xataren feien nidjt fäfn'g, baS ©lücf ber Unabpngigfeit ju genießen, baS fte ifjnen bei bem legten grieben oerfdwfft f)abe; fie finbe fid) ba^er bemogen, jur $erfteflung ber SRuf)e in ber Shim , fomie jur ©idjcrf)ett ifjreS eigenen Steides unb $u einigem (£rfafc ber bereits für baS SBofjt ber Tataren aufgemanbten jtoülf Millionen tftubel bie #atbinfel ®rim nebft $uban unb ber 3nfcl Xaman unter il)re $errfc^aft ju nehmen. S)ie üon atten curopaifc^cn SCRäcr)tcn oerlaffene Pforte fa^ ftet) genötigt, nict>t nur bie #errfdjaft 9tu6(anbS über bic ®rim, ®\iba\\ unb laman anjuerfennen , fonbern auc^ bem über- mächtigen ^cac^barftaate einen oort^eil^aften ^anbelsoertrag ju ge* mähren. (1784.)

gür bie mit SRitßlanb oereinigte ^rim, mit me^er ^att)arina

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ben fixeren ©djlüffel jum o«manifchen deiche in $änben $u hoben glaubte, würbe ber alte ttame X q u r i e n erneuert , unb ^otemfin erhielt mit ber Statthalterfchaft über ba* neugewonnene öonb ben Huftrag, baafelbe ju einem ©liebe be* rufftfehen SReiche* um^uge* ftalten. (Sr öou>g biefen Auftrag in ber ihm eigenen fdjonung** lofen SBeife, inbem er bie beftehenben (Einrichtungen gewaltfam öernicfjtete unb babei jugleich ba* ßanb jur ©efriebigung feiner #abfud)t in ber fchmachootlften SBeife audfaugte.

Um bie hierüber oon feinen (Siegnern oor ben Xfjron gebrach» ten Slntlagen ju entfräften, bemog <Potemfin bie flatferin im 3at)re 1787 $u einer Steife nach laurien, $u Welver fie fich um fo leicfc ter entfdjlofi , att ber Xob ihre* ©ünftling* Sandfoi fie W»«* mütlng geftimmt ^atte unb Ujr baher eine 3erftreuung erwünfebt war. SRit einem jahlreidjen glän$cnben (befolge, unter welchem fich auch bie ©efanbten mehrerer fremben $öfe befanben, brach fie oon Petersburg auf, unb &efte, Schmeicheleien unb #ulbigungen aller 2lrt geftaltctcn ir)re Steife, für welche äße bracht be$ Orient* auf* geboten worben, ju einem Xriump^ug.

3n #iero, bi* wohin wätjrenb ber ganzen gafjrt bie langen dächte burch unzählige Scheiterhaufen erhellt worben waren, fdjiffte fich ®att)arina , na et) einem mehrmonatlichen , burd) ben (SiSgang be$ Xniepr oeranla&ten Aufenthalt, auf einer Keinen glotte oon fünfzig JJahrjeugen nach ben neu erworbenen äänbern ein. 2(13 fie fid) benfelben näherte, wu&te ^otemfin fie burd) ein ölenbwerf ju tau fct)en , ba3 il)r bie menfehenteeren , oeröbeten ®egenben im Sichte einer ungeahnten !ölütr)e geigte. xHuf oterjig Steilen weit waren große SBoltemaffen jufammenget)ott worben, um bie oerfdnebenen Orte, an welchen bie ftaiferin borüberf utjr , alä reichbeoölfert bar* aufteilen ; wenn fie biefen Stotd erfüllt tjatten, lieft man fte bor junger umfommen. Tic nämlichen $iet)t)eerben würben beä 9iad)t3 oon einem Ort junt anbern getrieben, um ber ftaiferin balb hier, balb bort ben SSotjlftanb in ber gerne fdnmmernber gemalter $)ör= fer ju berfünben. 3n bie (Srbe getriebene 9Waftbäume mit wet)en- ben Söimpeln gautelten it)r ba3 iöilb eine* lebhaften £>anbet$ auf Slüffen unb banalen oor. 3n bem .ftafen oon Sebaftopot jeigte ftet) tlir bei einem prächtigen Jeuerwcrfe ba3 Xrugbilb einer gan* $en fttiegSflotte. 5Öon neuem Vertrauen in ^ßotcmfinä fct)öpferifc^en (SJeift erfüllt , oerlieh ihm bie getäuföte Maiionn ben Beinamen „ber Xaurier" unb ertheilte bem Senate Befehl, eine 9lu^mfcr)rift auf ihn $u berfaffen unb biefelbc im ganjen fianbe befannt ju machen.

2Bic bie Steife ber $atferin nach Xaurien SßotemnnS Hnfehen neu befeftigte, fo brachte fie auch feine s$länc bezüglich ber Xürfei ihrer s2(u*führung näher; benn wäljrenb berfelben fam jwifchen ber

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(£jarin unb Sofeph IL, bcr mit ihr in (Eherfon aufammentraf unb fic oon bort auf ihrer »eiteren föeife begleitete , ba* längft oon ^otemfin erfrrebte Vünbni& ju @tanbe, ba* ihr ben »eiftanb Defter* xtify ju bem geplanten neuen Xürfenfriege ftcherte.

Äatharina'S stoeUer iürfenfrteg.

(1788-1792.)

(seit ber Sufantmenhmft ber (J$arin mit 3ofeph IL unterlag für bie Pforte , toie für ba3 gefammte äbrige (Suropa , faum mehr einem Stoeifel, bag jtoifchen Reiben ein auf bie Vernichtung be3 türfifdjen SReicbeä jtelenber ftrieg Oereinbart morben; benn ber rufftfe^e $of feinen e$ gefliffentlich barauf anzulegen , burch neue unberechtigte Sorberungen unb ©efdrtoerben aller Slrt bie türttfdje Regierung $u reijen. Tiefe befchlofj baljer, im Vertrauen auf bie Unterfinning Gnglanbä , $reugend unb ©gebend , bie ade mit föujjlanb au& oerfd)iebenen GJrünben auf gefpanntem gujje ftanben, auf Örunb ber zahlreichen feit bem Äb[chlu& ber Vertrage Don 1774 unb 1784 oon SRu&lanb erlittenen Äränfungen ber (Sjarin ben Krieg ju erfroren. $)ie* gefchah am 24. Sluguft 1787, unb an bem gleichen Xage mürbe ber rujfijdje ©efanbte Vulgafoio in baä ©chlo| ber peben Xhürmc gefperrt.

Katharina beantwortete bie türfifche &rieg$erffärung burch ein 33ianif eft , in toelchem fic r unter Verficherungen ihrer friebliebenben (Sefinnungen unb unter Verroünfchungen gegen ben 3fleineib unb bie Xreulofigfeit ber Pforte, bie gefammte cbriftlidje SBelt auffor- berte, ihre ©ebete unb ihre 9Waa)t jur Vernichtung be« (SrbfeinbeS ber (Shriftenheit $u oereinigen.

Söäijrenb Qofepf) II., toie mir oben (@. 555) gefehen, nach bem $lane ßaäcü'S mit einem jpeere oon jtoeimalhunberttaufenb ÜHann burch baä Vanat einen toeit audgebehnten (lorbon pichen lieg, rücften jtoei Oon töoinanjoro unb Sßotemfin geführte ruffifche .peere gegen bie türfiferje Örenje oor. Much mürben bie (kriechen 3U einer erneuten @rhc&unÖ aufgeforbert, unb trofe ber bitteren Qx- fahrungen, bie fie im erften Xürfenfriege ju machen gehabt, leifteten Viele biefer Slufforberung So Ige.

Tic* mal fchten bie Xürfei, bie ftch in ihren (£rtoartungen auf Unterftüfcung oon Wunen getan jd)t jat), ihrem Sdjirffale nicht ent- gehen ,yi fönnen; allein ber Verlauf be3 erften &riegdjahred recht- fertigte in feiner SBeife bie Hoffnungen , toelche bie oerbünbeten dachte auf ihre gemaltigen ©treitfräfte gefegt. SBährenb bie Defterreicher in Solge be3 oerfehlten gelbjugäplanä £adct)'a , ftatt

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Äattjarma II. t>on Sfcifjlanb.

ju einem erfolgreichen Angriff auf bie Xürfei freiten $u tonnen, fich mit ferneren Verluften in baä 3nnere be* ©anatS jurürfge* worfen unb ju einem einfachen Sßertfjcibtgung&frieg gezwungen fahen, oerf)inberte ein im 3a^re 1788 begonnener #rieg Öuftao* III. öon ©chweben gegen föußlanb bie 2lbfenbung ber Dftfeeflotte nach bem Sftittelmeere , fo baß bie flotte im fchmarjen ÜReere es ollein mit ber türfifcfjen Seemacht unb ihrem tapferen flapuban $afcha auf- nehmen mußte.

Much bie beiben L'anbheere unter SRomanjorn unb ^otemfin befanben fich in einem nichts weniger al* glänjenben 3uffcanbe ; benn bei ber burdj bie beitpieflofe iöerfchwenbung ber ©ünftling$= regierung herbeigeführten ©rfdjöpfung ber rufftfehen ginanjen fehlte es ben Gruppen am SRöthigften. ©ech* Monate lang lag $otemftn unt^ätig öor ber ÖJrenjfeftung Dfjafom, burdj welche fich bie Muffen im Söefifce ber Ärim bebroht fahen, unb nadjbem bie burdt) bie ©ommerhifce unb Langel aller Wct erzeugten ftranfheiten öiele Xaufenbe feiner ©olbaten hinweggerafft hatten, brohte bie (Strenge beä SBtnterS ihnen noch größere ißerlufte ju bringen. STm 17. 2)ejem= ber 1778 entfcfjloß fich enblich ^otemfin, ber für bie Verpflegung feiner Xruppen nicht bie geringste Sorge getragen, ju bem oon ben ©olbaten felbft gewünjchteu ©türme , unb nach einem furchtbaren Kampfe mit ben jum äußerften Söiberftanbe entfchloffenen Xürfen brangen bie Muffen über bic mit Seichen angefüllten ©räben in bie ©tobt ein, in welcher fie nicht nur bic ganje türfijche SBcfafcung niebermefcelten, fonbern auch unte* Der sBeoölferung ein fdjauerlichea iölutbab anrichteten.

Stuf bie erfte Nachricht oon ber (Srftürmung öon Dfyafom fanbte Katharina bem fiegreidjen $otem!iu mit einem foftbaren 3)egen baä längft gewünschte große iöanb beä ®eorg3orben8 , ba& fie ihm bioticr nicht hatte oerleihen fönnen , weil e$ nur derjenige tragen barf, ber eine ^auptjehtacht gewonnen ober eine $aupt* feftung erobert fyat. Sßoch größere Wu^eidmungen harrten feiner in ^eteräburg, wohin er fich alabalb begab. Mehrere föchte hin* burch ließ bie (£$arin, in ber oergeblichen Erwartung feiner x'ln- fünft, mit großen Soften brei teilen weit ben 2öeg erleuchten, auf welchem er eintreffen mußte, waä jeboa) ben übermütigen (Sünft* ling , ber baoon Äunbe erhalten , nicht jjur ©efchleunigung fetner flieife bewegen fonntc, unb als er enblich augefommen war, machte fie ihm felbft ben erften SBefuch. s2lm Dfterfefte, an welchem fich ber rujfijche £of um Mitternacht in ber $apeße be3 SBinterpalafteS jum ÖtotteSbienfte $u oerjammetn pflegt, umarmte fie ihn unb banftc ihm, unter Ucberreichung eine* mit ben merth&oUften $ia= manten reichbefefoten Crben^eichenä, mit erhobener ©timme für bie wichtigen £tenfte, bie er ihr unb ihrem deiche geleiftet. 2ftit bem

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alleinigen Oberbefehl über beibe #eere betraut, reifte er am folgen* ben Xage wieber bon Petersburg abf nadjbem er bie Äaiferin gc* $wungen, ihm $ur Sortfefrung bet ffrieget fecht SRilltonen Kübel au bebänbigen.

$)er gelbjug bet fahret 1789 brachte ben SBerbünbeten un* gleich größere (Erfolge, alt ber oortjergeljeube. ^otemfint Unter* felbherr ©uwarow erfocht am 1. Sluguft, im herein mit ben Defter* reihern unter bem Sßrinjen Don Coburg, bei 5 o f f <fy a n tj Aber ein tfirfifdjeS #eer Don fünfunbbreißigtaufenb Tlaxm einen glän^enben ©icg, an welchen fidj am 22. September ein noch größerer bei a r t inj efti am fflimnif reifte, wo bie beiben gelbljerren ein bon bem ©roßbegier felbft befehligtet $ttx bon aweiunbneun$igtaufenb 9ftann faft gänjlich bernichteten unb beffen reichet £ager erbeuteten. 53alb barauf, am 8. Dftober, eroberte ber alte ßoubon, ber fidj bereit t 9ieugrabetfa't bemächtigt hatte, nach einer benf würbigen ©e* (agerung bat wichtige Söelgrab unb warf bie Xürten bis hinter Sttffa 3urücf. Qu ber gleichen Qtit fielen ©alaq, 9lffierman unb SBenber, bat lefotere burch Serrath, in bie bemalt $otemfint.

tiefer trug fid) unterbeffen mit bem ehrgeizigen $tane, bie bon ben Defterreichern unter bem ^ßrinjen bon Coburg eroberte Dölbau tiebft ber SBafladjei bei ber bemnächftigen Xheilung bet türfifchen deichet alt unabhängige Sfürftenthümer für ftch ju behalten r unb bat geben, bat er in Qaffy führte, befunbete, baß er fid) bereit* alt beren £>errfcher betrachtete. Um bie bornehmen SDcolbauer für {ich &u gewinnen, umgab er fid) mit einem föniglichen $runt , rieh* tete eine fürftliche Itapelle ein, berfchrieb ©chaufpieler unb Xänjer aut $arit unb ließ aut granfreich bie toftbarften Schmucfgcgen* ftänbe fommen, für welche ber (nicht bezahlte) &oü allein $wölftau» fenb Kübel betrug.

Wit ber Verwirf lichung feiner £errfchafttbläne ging et inbeffen io rafch nicht, alt er gehofft; benn ber Sultan Selim, ber feinem am 7. $tprit 1789 berftorbenen Dheim Slbbul fyamib auf bem Xhrone gefolgt war, jeigte fich, burch °*e feinbliche Haltung ©nglanbt unb Sßreußent gegen SKu&lanb ermutigt, jum äußerften SBiberftanb entfchloffen, unb ber nach htm Xobe Sofepht II. bon beffen Nach- folger ßeopolb II. mit ihm gefchloffene SßaffenfäUftanb, auf welchen am 4. Wuguft 1791 ber Sriebe bon ©iftowa (f. ©. 559) folgte, gemattete ihm, ben ftampf gegen föußlanb mit berboppelten Gräften fortjufefcen.

Unterbeffen hotte Katharina am 14. Äuguft 1790 mit Schwe* ben ^rieben gefd)loffen unb fonnte baher ihre gefammten Streit« fräfte nach bem ©üben richten , wo ihre Zruppen altbalb neue ^ ortheile errangen, öefonbert wichtig war bie (Eroberung ber Seftung Stmael, bie am 22. ©ejember 1790 burch Suwarow

$ o I a w a r t f), 3B«Itßefäi$te. VI. 3 9

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£aü)arina II. tum Stufelanb.

crftürmt tuurbc. Um fid) für bie bei ber Belagerung unb tuäbrcnb be* ©turmed erlittenen SBerlufte $u rädjen, lieg ber erbarmungSlofe Sieger in ber erftürmten ©tabt öierjigtaujenb 3Jcenfdjen meber- me()eln. ©alb nad) ber ©innatyme oon 3dmail Übertritten bie Muffen bie Ton au unb fälligen bie Xürfeu bei SDfacfht.

Xrofc biefer Erfolge erfannte bie Gjarin bie Kotljmenbigreit, \\d) mit ber Pforte ju »ertragen ; benn (Snglanb unb Preußen ml)-- men eine entfdueben brofyenbe Spaltung gegen fie an, unb bie Polen geigten fid) entjdjloffen, ben Xürfenfrieg jur 21bfd)üttelung ber ruf« fifdjen ^tutngt)crr jdjaft ju benufcen ; audj roaren SRu&lanb* $>ilfd* quellen erfdjöpft : fehlte an (Mb unb an CXrcbit. Obgleich Po* temfin felbft nad) Petersburg eilte , um feinen ganzen ©injluß $ur gortjeftung be$ irtieged ein$ufefcen, erreichte er bteämal fein Siel . nidjt : in ber Hoffnung, fid) jum anberen 9Jcal an Polen fd)ablo& galten ju tonnen, fuüpfte bie £$arin 3riebeu§unterl)anblungen mit ber Pforte an, unb am 11. äuguft 1791 tarn ju ©alacj ein Ver- trag ju Staube, ber am 9. Januar 1792 ju 3 a [ i i) in einen befi* nitiöen grieben oermanbelt mürbe. SRufjlanb leiftete jum anbern SJcale auf bie Xouaufürfteuttuuncr iüer^idjt unb begnügte fid) mit bem (Gebiete oon Df jaforn btä an ben $niefter, ber fortan bie (SJrenje 5toifdjen beiben Steigen bilben foUte.

sJcod; öor bem Äbfajluß bed gfriebend oon 3affu hatte ber Xob ber glanjöollen Üaufbafm potemfiu« ein &itl gefegt. 6a)on feit einiger Seit mar feine Sebendfraft burdj eine .strauf tjeit untergraben, bie er bura) Öcradjtung aller SBorfidjtämajjregeln unheilbar gemadjt. Sßon innerer Unruhe getrieben, mottle er fid) oon 3aff9 naa) Dfya= fom bringen laffen, mo er (Erleichterung $u finben hoffte; auf ber Weife bat)iu öerfa)limmerte fid) jeboa) fein ^uftaub fo fefjr , bafj er fid) mitten auf ber ßanbftra&e auä feinem SBagen (jeben unb auf lepmdjen, bie man unter einem Baume ausgebreitet, nieberlegen laffen mu&te. $>icr üerfdueb er in ben Keinen feiner 9tt$te, ber ool* nijdjen Gräfin Öranicfa (18. Oft 1791).

Sie jmette unb brüte Ifjcünng polen*.

(1793 unb 1795.)

$)urd) bie naaj ber erften 2$etfung Polen* oon ben brei 9ttäd)teii ber SRepublif aufgezwungene neue 5ßerfaffung tyatte fid) bie Gjarin bie bauernbe £>errfd>aft über Polen gefiebert. $er au* bem «bei ber SB oimobf duften getollte „immermä^renbe Waty," ber ftatt be* abgerafften ©enatä mit unb neben bem £önig für bie SBottaieljung ber ©efefce Jorgen follte unb ber eigentliche 3n*

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3)ie jtoeite unb britte Teilung $olen«.

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fyaber ber föniglidjen (Seroalt mar, ftanb ganj in ifjrem $5ienfte unb geljordjte ben SBefefylen ifjrer (Sefanbten r roäljrenb ifjre Xrup* pen, bic im Sanbe blieben, „um bie 9tu^c SßolenS unb beffen na* tionale greifjeiten $u fdntfcen," ba3 S8olf mit ben fdjroerften ©e* brfiefungen fjeimfud)ten. $ie ©eljnfudjt naef) ^Befreiung oon biefem Trncfc unb biefer Scfjmad) ttmdjS Don gafjr ju 3al)r unb bradj mit unnriberfteljlitf)er (Setoalt Ijerüor, als $atl)artna'3 jmeiter %üt* fenfrieg unb bic ruffenfeinblidje Haltung (SnglanbS, $reu($enS unb SdjroebenS für ben Skrfud) , ba$ gefnedjtete Sanb öon feinen gef* fein au befreien, einen glücflidjen Ausgang in Sluafidjt ju fteflen fdjien.

@8 fehlte jroar nidjt an Soldjen, bie tfjeilS auS gurdjtfamf eit, tfjeilS aus (Sigennufc ben Strom ber nationalen SBegeifterung ju Ijem* men fugten; allein ber im Qafyre 1788 jufammengerretene SReidjStag lieferte ben ©etoeiS, bajj ber üaterlänbifcf) gefinnte Xljeil ber Nation, ber bie Sßernidjtung be£ ruffifct)en (StnflufjeS öerlangte, ber bei 2Bet* tem ftärfere mar. $>a3 öon ftatfyarina angetragene SBünbnifj gegen bie iürfei mürbe jurüefgenriefen unb ber 93efd)lu& gefaßt, baä pol* nifdje $eer auf feeffötgtaufenb 3ttann ju erljöfyen, um ber an SRuß- lanb geftellten Jorberung, feine Xruppen au* Sßolen ^urücf^u^ie^en unb baS (Gebiet ber Slepubli! mit bem oerfjeerenben $)urdj$iig ber nadj ber Xürfei entfanbten ^peermaffen ju oerfefjonen , burd) eine brofjenbe Haltung ben nötfngen üftadjbrucf oerlei^en $u fönnen.

5ftad)bem bie ©jarin, burdj ben $oppelfrieg mit ber Xürfei unb Sdjtoeben für ben Mugenblicf jur SRadjgiebigfeit gelungen, ifjre Xruppen aus *ßolen jurüefge^ogen unb bie Sufage Gegeben f)atte, bie ©renjen beSfelben fortan nid)t mefjr 51t überfdjreiten , fjoben bie Sßolen ben „immermafjrenben SRatt)" auf unb fdjritten, ermutigt burdj ben SöeifaQ SnglanbS unb Greußen*, bie ilmen Sdmfc unb Unterftüfcung in 21u3fid)t ftellten , ju einer burdjgreifenben Reform tyrer SSerfaffung, als bem einzigen Littel, bie berlorene Selbftftän* bigfeit dolens ^erjufteHen unb feine ßufunft ju fiebern.

Xrofc ber ©egenbemüfjungen ber ruffenfreunblidjcn Partei natym baä SBert ber inneren Degeneration s$olen£ feinen ungern* berten gortgang, unb nadjbem am 29. ÜÄärj 1790 mit sßreufien ein 93ünbni| ju gegenfeitiger 93ert§eibigung gefd)loffen roorben mar, festen bie Häupter ber patriotifd) gefinnten Partei, ber 3Rarfct)aII 9flalad)oroSfi, ber Stfdjof $raftn£fi oon Äamimecf, ber ©ifd^of <3olti? oon itrafau unb bie ©rafen Qgnaj unb Stanislaus ^otodi, am 3. 9J*ai 1791 in einer ftürmifa^en Skrfammlung bie s2(nna^me ber neuen SSerfaffung bura^. 21uc^ ber ^önig, ber lan^e unent* fc^loffen ^in unb f)er gefc^manft, erflärte fic^ offen unb nad)brüa% lia^ für biefelbe. sJlad)bem er oon feinem Xf)rone ^erab mit lauter Stimme bie neue SBerfaffung befc^moren ^atte, begab er ft$ mit ber

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flatyarina II. Don SRufelanb.

ganzen Verfammlung nadj ber ßaüjebrale, mo unter bem Bonner beä ©efdjüfceS unb bem ftürmifd)en 3ubel ber Stabt SSarfdjau ber im ganzen Sanbc begeifterten sJtad)f)aH fanb, bic SibeSleiftung er* neuert nnirbe.

Xurd) bie neue Verfaffung mürben alle biejenigen 3nftitutionen beseitigt, aus meldjen bic innere 3errüttung $olen* fjeroorgegangen : baä Liberum Veto, bie $onfoberationen unb bie SBäfjlbarfeit bcS IBnig*. Sur ben 9leid)ätag , ber mie früher au« ber Cammer ber üanbboten unb ber ©enatorenfammer befielen unb alle jtoei Saljre jufammenberufen merbcu joüte, mürbe baä Sflajoritätsootum einge* füt)rt unb ber Üfjron, bei ber Äinberlofigfeit beS fönigS ©tantö* lau«, in ber gamilte bc$ Äurfürften oon ©adjfen für erblich er- Hart. Xen f ewiglichen ©tobten mürben föchte jugefprocfjen , bie eine aflmäfjlidje SBerfchmeljung be3 VürgerftanbeS mit bem Slbel anjubafjnen geeignet maren. ©ie erhielten nicfjt nur bie SBefugnifj, ifnre 3)fagifrrateperfonen felbft ju roäfjlen, fonbern follte aud) ben ©ärgern bad Sttedjt jufteljen, abelige (Mter 311 ermerben, unb jeber Bürger, ber ein ganzes $)orf faufe ober ein S^renamt im ^eere ober in ber Verroaltung befletbe p in ben Vlbelftanb erhoben merben. gür ben Jöaueutftanb blieb jmar bie Seibeigenfdjaft in Staft, bod) tnurbe berfelbe unter ben ©cfmfc ber ©ejeje unb ber ßanbeäregierung geftellt.

SSäfyrenb alle moc)lgefinnten ^ßolen in ber neuen Verfaffung ein fixere* Üuterpfanb fünftigen QHücfeä fafjen, rief bie ruffijdje Partei, an beren ©pifce ber Surft gelij: Sßotocfi, ber ßtongro&felbljerr Vra* niefi, ber Vifdjof ftoffafomdft unb ber ßkaf 5)tyemuSfi ftanben, ben lÖeiftanb ber (Ejarin jur Vernichtung ber oon ü)r aU baä ®rab ber pohüfetjen greiljeit bejeidmeten neuen Verfaffuug unb ber 9Bic- bereinfüfjrung ber alten an. Söereitmiflig fagte ihnen Matlianna, bie eben mit ben dürfen ^rieben gefd)loffen, ityre £ilfe ju, inbem fic eine (£rflärung erlieg, in melier fie fidj in klagen über ben sJieidj3= tag erging, ben fie bed Unbanfd gegen fie unb ber 9ftd)tad)tung ber „üon ben Vorfallen jum Jpeile s$olenä erlaffenen sBeftimmungen" befdmlbigte. Sie motte jmar, fügte fie fun^u , oergeffen , baß man fie felbft beleibigt unb iure QkoBmun) unb ilneigennüfcigfeit Der* idjinahr Ijabc; aber fte fönne uutt gleidjgiltig bleiben gegen bie s$olen, bie il)ren ©djufo anflehten. 3)ie ruffijdjc Partei fdjloß hierauf $u I arg dum c j eine onf oberation, \w beren Unterftüfcung bie au* ber Sürfci jurücffct)renben Speere in ber ©tärfe oon einmal fmnbert* taufenb SJfann gegen bie polnijdje Ö)ren$e Ijeranrürften.

3m Vertrauen auf bie £ilfe vJkeu§enö jaljen bie $olen rutjig bem iljrcr Ijarrenbcu Kampfe entgegen; aber fie hatten bie eoenfo perfibe , als jelbftjüdjtige ©taatefuuft beä 3aWunbertä nidjt in iöetrac^t ge$ogeu. £er Äönig griebria) ©itl^elm II. moüte i^nen

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$>ie jroeite unb brittc Teilung $olen3.

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feine #ilfe nur um ben $rei3 ber Abtretung öon $an$ig unb £f)orn oerfaufen, unb ba fic ftdj ju berfelben nidjt oerftefjen fonn* ten, fd)Io& er ftdj an bie ©sarin an. Vergebens riefen bie <ßo(en Defterreid) , Saufen unb bie Xürfei um #ilfe an : ©ad) fen war ju fdjmad), bie Xfirfei erfdjöpft unb Defterreid) mit ben granjofen im stampfe.

©o fatjen fidj bic $o(en auf iljre eigene ®raft befdjränft, unb fiberbieS wirften geheime Wnbänger ber SRuffen, bie ber ßönig in feinen Staatsrat^ aufgenommen tjatte, oerrätljerifdjer weife ber tlufc füftrung beffen entgegen, was ber SReidjStag in 33e$ug auf baS £>eer be= fd)Io&. $)ennod) oerjweifelte bie patriotifdje Partei nidjt an ijjrer ge* redjteu ©adje, unb aud) ber ®önig erneuerte öor ©ort unb bem ganzen Solfe fein (Stelübbe, für bie Söertfyeibigung ber 93erfaffung unb beS SBatertanbeS mit ©ut unb SBlut einjufteljen.

Snbeffen betrug bie ganje Xruppenmadjt ber $o(en, bie in jwet fteere geseilt, bem geinbe entgegenjog, nur fünfunbbrei&igtaufenb HJcann. $ie $auptfüf)rer berfelben waren 3ofepf)$oniatow3fi, ein 9ceffe beS Königs, unb XtyabbäuS föoSciuSfo, ein pohtU fct)er (Sbelmamt, ber im norbamerifamfdjen greiljeitsfampfe unter SBaffjington feine ftriegSfdjute gemalt. SBeibe §eere würben nadj oielen jwar rüfjmlidjen, aber ungtütflidjen ©efeccjten bis an ben ©ug jurücf gebrängt. £ier fam eS am 7. ^ejember 1792 bei $5ubienf a ju einem blutigen Xreffen, in meinem ber f>elbenmütf)ige floSciuSfo an ber Spifce t>on fed)Staufenb $o!en einem ruffifäcn fteere öon adjtjelwtaufenb 2Jcann ben Sieg ftreitig machte , bis ifm bie Umge* 6ung feinet regten SlügelS burdj bie auf baS neutrale öfterreidnfdje Gebiet übergegangene ruffifdje ßaoatlerie jum SRütfauge smang.

Qnjwifdjen liatte ber SReidjStag baS gefammte $8off \u ben SBaffen gerufen , unb ber Äönig erflärte aufs üßeue , baß er ber £apferfeit ber Nation mit bem Sdn'dfal beS Staates jugieid) fein eigene* anheimgebe , ba er entfdjloffen fei, ben Untergang beS IRci- cfje* unb ben Sieg ber ©Öfen nidjt $u überleben. 916er Wäfyrenb baS Söotf fidj um bie gähnen feiner tapferen Süfyrer fdjaarte, würbe ber feige ®önig an bemfelben jum Serrätfjer. Dcadjbem bie Sjarin if)m in einem brofjenben Briefe befohlen, ber Sargowicjer ®onfö* beration beizutreten, erflärte er am 23. Quli 1792 feinem Staats* ratf>e: ba bie brei benachbarten |)öfe fid), wie er in ©rfatjrung gebradjt, gegen Sßolen oerbünbet r)ätten, fönne man bie bro^enbe $efaf)r nur burdj inniges Slnfdjliefien an 9tu&lanb abwenben, wo- rauf i^m bie im ruffifdjen @olbe fte^enben 2Ritglieber beSfelben i^ren 55anf bafür au3fprad)en, wba6 er baS SSaterlanb felbft um ben ^ßreid ber ©djmälerung feines eigenen Dlu^meS 511 retten fudje." Sofort erging an baS §eer ber Sefe^l, aüe geinbfeligfeiten einju-

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Äat^arina II. Don SRufelanb.

ftettett. Poniatoroftfi uttb ftoSäuäfo legten ihre ©teile nieber unb ©erließen mit Dielen anbeten Patrioten ihr SBaterlanb.

9lachbem bie fro^locfenben Xargouricjer ftonföberirten ?We« mit ©eroalt $um Beitritte gelungen Ratten, mürbe mit duftimmung be« ^önigd bie neue ©erfaffung für aufgehoben erttärt unb auf Söefer)! ber Sjarin ein SRetdjStag nach ©robno ausgetrieben, um über eine neue, bie alte polnifdje Freiheit ftdjernbe ftonftitution ju beratfpn. Söafjrenb biefe* 8tetch«tag3 übergaben bie ©efanbten föußlanb« unb Preußen^ eine (Sxflärung ihrer #öfe, be« jfafalte«, ba& ber in Polen eingebrungene ©eift be« 3afobiniÄmu« fte jroinge, bem fianbe, im gntereffe ber baburdj bebrohten 9cad)barftaaten, engere ©renjen ju gießen unb bie SRejmblif ju einer 9Jctttclmacht ^erab» jubrürfen. 3u fpät erfannten bie Xargotoicjer flonföberirten, hin ber ruffifdje ©djufc geführt, ben fte in ihrer SBerblenbung ange* rufen Ratten, gclir. Potodft eilte nach Petersburg, um bie ©eredjtig* feit ber Gjarin anjufle^en; aber feine ©emfihungen Ratten feinen (Erfolg.

Anfang» ttriberfefcte fich ber B^cicr>^tag ber »on föu&lanb unb Greußen geforberten neuen Leitung; al* jebodj ber ruffifa^e ©e* fanbte ©ieoer«, ber zahlreiche Xruppen in bie ÜRähe ber @tabt ge* jogen hatte, ©efehüfce gegen ba« Skrfammlung&hau* auffahren unb mcr ber mut^igften ßanbboten gefangen nehmen ließ, erlahmte ber SBi* berftanb. SRaehbem am 17. «uguft 1793 föu&lanb bnrdj bie 8btre* tung flleinpolen« unb ber Ufraine aufrieben geftetlt roorben roar, nmrbe am 3. ©eötember auch ber ©ertrag unter jeidjnet, burch melden Preufcen mit ben beiben ©tdbten $>an$ig unb X^orn ba« groifajen ©djlefien unb bem #erjogthum Preußen gelegene ©ebiet erhielt, toelche« feitbem „®übpreu&en" genannt wirb.

Stach ber jtoeitcn X^eilung Polen* er$nxing bie <£jarin bie SBiebereinfü^rung be« „immerroährenben föathe«", forote ben flbfchlufe eine« neuen ÖunbeSüertrag« mit ffiu&lanb, ber bie ©eftimmung ent* ^ielt, baß ohne Genehmigung be« ru(ftfa)en #ofe« feinerlei ©eränbe^ rung in ber SBerfaffung borgenommen, feinerlei SBerbinbung mit au«* »artigen SJtacbten eingegangen unb ben rufftfdjen Xrupüen ju feiner Seit ber $urchjug burch ba& polmfaje ©ebiet öerroehrt »erben bürfe. Um ben Polen ba* öolle ©enricht be« rufftfc^cit Xörannen* joche* fühlbar ju machen, nmrbe ber fibcrmüthige ©raf 3gelftröm jum ©efanbten in SBarfdjau ernannt unb ber 3. SJcai, berühre«* tag ber Proflamation ber neuen Serfaffung, oon ber bie Polen bie SBiebergeburt ihre« Sanbe« erhofft hatten , jur ^ulbigung in ben abgetretenen Proöinjen beftimmt.

5)a« Ueberma& be« Unglücf« unb ber ©darnach trieb bie Po« len $u einem legten, berjroeiflungäüoflen SBerfuch, ba« unerträglich getporbene 3oa) abjufchütteln. 3m X)unfel be* tiefften ©e^ctm*

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$te jweite unb brüte X^etlung $olen«.

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wiffeS bilbete ftdj übet eine baS ganje Sanb verbreitete SBerfdjwö* rung, an beren ©pifce ftoSctuSfo ftanb, ber mit mehreren gletd^ge- ftnnten greunben außerhalb beS SBaterlanbeS eine SufludftSftätte gefunben. $er Slufftanb fam jum 9lu3brudj, als in golge ber bon Ötußlanb unb Greußen befretirten £erabminberung beS polnifdjen #eere2 auf fedjjetyntaufenb ÜKann baS ju ^ultuSf fte^enbe ®orpS beS ©eneralS 2flabalinSft aufgelöft »erben füllte. (24. 9Rärj 1794). 3RabalinSft weigerte fidj, bem bieferfyalb an iljn ergangenen ©efeljle nadjjufommen, unb führte feine 93rigabe burd) bie neuen preu* ßifa^en ©eftfoungen nadj förafau, wo alsbalb aud) ber bon ben Patrioten jum $iftator ernannte ftoSciuSfo erfdjien. $ie $8ürger> fdjaft toon ftrafau trat fofort, gleidj bem SIbel ber ganjen 2Boimob= fdjaft, bem 2lufftanbe bei, unb ein 9ftanifeft, baS bie SBieberfjer* fteflung dolens für ben einzigen groeef ber ©r^ebung erflärte unb jebe SBerbädjtigung jafobinifdjer SBeftrebungen mit Sntfd)iebenf)eit fcurfitfwieS, forberte bie ganje Nation jum Kampfe gegen bie 93e* brürfer beS SBaterlanbeS auf.

@in ©ieg, ben ßoSciuSfo am 4. STpril 1794 bei SBracla* Wice mit öiertaufenb meift nur mit ©enfen bewaffneten s£olen ofync alles ©efcf>üfc über jwölftaufenb Muffen erfodjt, wirfte burdjfdjlagenb : baS ganje ßanb fdjloß fta) bem Slufftanbe an. ta 17. Slpril erljob ftd) SBarfdjau. 3m Vereine mit ben polnifdjen ©olbaten fiel bie 93ürger[a)aft über bie rufftfdje ©efafcung Ijer, unb nad) einem fed)S= unbbreißigftünbigen mörberifdjen Kampfe würbe biefelbe, trofe beS ifjr ju Gebote fteljenben ja^lreicben ©efdjü&eS, überwältigt. $)er ©eneral Sgelftröm rettete fidj burd) bie 3lud)t, unb mit iljm ent* ging nur ein fleiner £f>eil feiner Struppen ber ©efangenfdjaft.

$önig «Stanislaus wollte fidj, als er fid) oon feinem gefürdj* teten ©ebieter befreit falj, ben Patrioten anfdjließen; allein biefe liegen if)m, obgleid) fte feine ®önigSmürbe burd) eine anftänbige ©e^anblung ehrten, feinerlet SRadjt. $oSciuSfo, ber auf bie 9iadj= ridjt bon ber Befreiung ber $>auprftabt nadj SBarfdjau geeilt war, f)ob, traft ber tf>m übertragenen SJtftatur, ben „immerwäfjrenben SKatl)" auf unb fefcte eine neue Dberbefjörbe ein; aud) traf er 2Raß= regeln, um ben 2Kißbraudj ber großen Bewegung burd) geinbe ber Drbnung ju oerf)inbern ; bodj mußte er jugeben, baß öier ber öor= ne^mften 5lnl)änger ÜtußlanbS §um 2obe burc^ ben ©trang oetur- t^eilt unb am 9. aflai gelängt würben.

Unterbeffen wat griebrid) Söil^elm II. Don Greußen mit einem Jpeere öon öierjigtaufenb 9Kann in $olen eingerürft. ftoSciuSfo jog i^m entgegen unb Wagte e3, i^m mit feinem ungleidj fa^wäc^eren unb fd^le^t bewaffneten Raufen am 6. guni bei ©Cjefojun eine ©(^laa^t anjubieten, bie jum 3^aa)t^eil ber ^ßolen ausging. #on ben ^ßreu= ßen »erfolgt, jog er ftc^ nac^ S3arfa)au jurürf, baS jWei Monate

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Äatfjarina II. Don Shtfelanb.

long oon einen preugif4^rufftfc^en &eere belagert ttmrbe , bis ber burch Xombromsfi in ben an 9$reu6en abgetretenen ®e6ieten erregte Slufftanb, burch welken fich baä prcufeifd^c $eer im dürfen bebroljt fafj, bie Aufhebung ber Belagerung herbeiführte.

$ie Befreiung ber $>auptftabt tourbe üon ben Patrioten als ein fidjereS Unterpfanb für bie Befreiung beS ganjen BaterlanbeS mit Qubel gefeiert. SWein ihre ©iegeajuoerftcht ermieä ftd) al* eine trügerifche. SRit föu&lanb unb Greußen oerbanb fid) auch Defterreich jur Bcfämpfung befc polnifdjen ÄufftanbeS, meil man in SBien ber Anficht mar, baft baS ©djicffal $olen3 bodj nicht abge* menbet merben fönne unb e$ ber Klugheit angemeffen fei, ba* bem Untergange gemeinte Steich ben beiben übrigen dachten nicht allein 511m SRaube ju (äffen.

SBährenb Defterreich ©ali$ien befefcen liefe, fanbte bie,(£jarin i^ren gefürdjtetften gelbherrn ©umarom, ber eben mit ber @nt* maffnung ber Sßolen in ber Ufraine befchafrigt mar, mit zahlreichen ©treitträften nach bem Qnneren ^olenä. Vergebens fuchte ©iera* foroafi, ber mit einem §eerf)aufen öon jefjntaufenb 3Rann am Bug ftanb, feinem Vorbringen (Sinhalt ju tf)un : er erlag in jmei blutigen (Gefechten ber Uebermacht.

Um bie Vereinigung ©utoaroma mit bem ruffifdjen (General Scrfen ju oerhinbern, ber an ber Belagerung öon SBarfdjau Xheü genommen unb noch jenfeitö ber SBeichfel ftanb, brach Äoäciuäro gegen biefen auf unb griff ihn am 10. Oftober 1794 bei HR ade* jomice an; abe^r meber fein herborragenbe3 Selbfjerrntalent noch feine helbenmüthige Xapferfeit oermochte bem ubermächtigen ®eg* ner ben ©leg ju entreißen: fein Keiner ^eerftaufe erlag, unb er felbft fiel, nachbem er, mehrfach oerttwnbet, mit bem lu&rufe : Fi- nis Poloniae ! 00m $ferbe geftürjt mar, alfc befangener ben Muffen in bie $änbe.

Wachbem ©umarom äffe in <ßolen ftehenben ruffifchen $>eer* häufen an fich gejogen unb oerjehiebene Heineren polmjchen ©chaa* ren oernichtet hatte, rücfte er gegen Söarfchau oor unb fchritt am 4. SRooember $um ©türme auf bie Borftabt ^raga. 3n meniger al3 einer ©tunbe maren bie Berfchanjungen ber $olen erftiegen, unb mit milbem ©iegeägefchrei brangen bie rohen ©chaaren in bie Borftabt ein, in melcher ber tyxtfofc ©umarom bie Brauel oon 3^mail erneuern liefe- SRadj ©<SgurS Angaben mürben breifeigtaufenb aflenfehen ohne föücfficht auf Älter unb ©efcfjlecht b*™ «nter fchauerlichen SRartern, oon ben ©iegern ntebergemefrelt.

2Rit bem Salle oon sßraga mar ba3 Vollmert SBarfchau'S oernichtet, unb ber unglüeflichen Bürgerfchaft ber §auptftabt blieb feine Hoffnung mehr; fie fnüpfte baher mit ©umarom ilnterhanb* lungen megen ber Uebergabe an. tiefer oerlangte, au&er bem un»

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$te a»citc unb britte Teilung $olen3

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bezüglichen Slbjug ber potmühen Vefafcung, bic ©elaffung. beS nigS Stanislaus in feiner SBürbe, allgemeine Entwaffnung unb greigebung ber ruffii'djen befangenen unb fagte bagegen Sicherheit beS ßebenS unb beS Eigentums ju. $ie Bürger nahmen bie ge* ftellten öebingungen an; bodj gelang eS ihnen nur mit 9ftüf)e, bie pofaifche öefafcung Bei ihrem &b$uge jur 3urücHaffung beS Königs unb ber ruffifdjen befangenen $u bewegen.

SRachbem bie potnifdjen Xruppeu SSarfcfwu geräumt, Ijielt Suwarow am 9. 9lot>ember 1794 feinen feierlichen Einjug in bie Stabt, wäljrenb bie testen Xrümmer ber bewaffneten ÜJcacht ?o* lenS burch einjelne ruffifchen unb preujjtfchen ^eerljaufen gerftreut unb über bie ©renje getrieben würben. Obwohl Sumarow im Wa- rum ber Sjarin eine allgemeine Slmneftie jugefagt, Heg Katharina ben gürften 3gna§ Sßotocfi unb Sfnbere gefangen nehmen unb ihre ©üter fonfiSciren. ßoäciuSfo erhielt erft nach ihrem Xobe bie grei* r)ett jurücf.

S(m 25. fRottember 1795 erging an ben ftönig Stanislaus ber $efef)l, feine &rone nieberjulegen. $)ie gänjlichc Vernichtung beS Königreiche Polen war im SRathe ber brei SRächte befchfoffen wor> ben. lieber bie Xfjeilung beS SanbeS \)aittn fid) btefelben fchon feit längerer Seit geeinigt. 2)er bebeutenbfte Xheit fiel auch bieSmal SRujjlanb $u: eS erhielt jweitaufenb Duabratmeilen mit anberthalb Sfftllionen Einwohnern ; Greußen nahm neunhunbert Quarbratmeilen mit einer SRiHion Einwohnern unb Defterrekh achthunbert Ouabrat* meilen mit ber gleichen Seelenjaht in ©efifc. $er ©euteanthetl SRuftfaubS, ber SBarfchau in fich fc^Iog r war burdj ben ©ug Don Defterreich unb burch ben Siemen öon Greußen getrennt, währenb bie Söeichfel bie brenje jwifchen Greußen unb Oefterreid) bilbete.

2lm 15. 3Rär$ 1795 oereinigte Katharina auch .fturtanb mit ihrem deiche, nachbem bie furlänbifchen Stäube bewogen worben, fich am 1. 9Jcar$ burch c^c „freiwillige unb unbebingte" Unter- werfungSafte für Unterthanen ber Ejarin ju ertfären. 2)er nach Petersburg berufene £er$og Peter SBiron, ber Solm unb 9cadjfot= ger beS im Qaljre 1772 beworbenen ©ünftlingS ber Äaiferin ^nna (f. S. 574), leiftete ber ^ufforberung jum Verzicht auf feine SBürbe gegen bie Sufacje eine« Salzgehaltes Solge unb lebte feitbem, gleich bem $i)mg Stanislaus, in Petersburg, wo ber Sefctere am 12. ge* bruar 1798 ftarb.

Xrofc beS entjcfjiebenen SSerbammungSurtheilS, baS Katharina gegen bie fran&öftfche SRebolution ausgebrochen, nahm fie feinen ityü <m ber SBetämpfung ber frans öftren SRepublif. dagegen traf fie im 3ahrc *?96 Vorfehrungen ju einem Kriege gegen Per* fien, um ben Schah 3Rohammeb für bie Vertreibung beS alten gär* ften #erafliuS bon ©eorgien, eines Vafaflen SRugfonbS, aus XifüS

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OrriebrtcSS IL Iefcte 9tegierungSaett.

ju aüdjtigen. ©djon mar ein £jecr Don breifjigtaufenb 9Kann jum Hufbrud) bereit, als bie Sjarin am 17. ftoöember 1796 im Hlter oon fiebenunbfedjjig Sauren unermartet einem ©djlagfluffe erlag, ©ine ber erften $Regierung3fmnblungen iljreä ©ofjneS unb ftadtfolger* *ßaul L# ber ben #rieg gegen Werften aufgab, mar bie Steige* hing #o3ciuäfo'3. (£r fefbft begab fid> mit feinen beiben ätteften Söhnen in beffen ©efängnig, um u)m feinen $egen jururfjugeben. ftoäciuäfo mieS benfelben mit ben SBorten jurüd: „34 bebarf feinen Eegen mehr, meil idj fein SSaterlanb me^r habe."* <£r ging nad) ©nglanb unb bon bort nadj Hmerifa. 3m %df)xt 1798 nadj Europa $urfidgefef)rt , lebte er anfangs in granfreidj unb julefct in ber ©djroeia, mo er ftdj in ber 9ca> bon ©olonjurn ein Keines ßanbgut gefauft Imtte. #ier ftarb er am 18. Dftober 1817 an ben ijoigen eines vs?tur$e$ mtt oem ipteroe, im alter ton einuno)ieojig Sauren, ©eine Seiche mürbe nach tfrafau gebraut unb in ber ©ruft ber polnifchen Könige beigefefct.

XXXIV.

SFrtebrtdi* II. fefcfe ^tegienmgsjeif.

(1763-1786.)

fleach bem Slbfchluffe be* #ubert$burger ^rieben* mar 3rieb* rieh oor TOem barauf bebaut, ben ferner gefchäbigten 2Bof)iftanb feiner ^rooinjcn ^erjufteflen unb bem jerrütteten ginanjmefen auf* juhetfen. 2)abei oerfäumte er jeboch nicht , auch feinen gefunfenen ftriegöfianb neu ju fräftigen, um für jebe ©öentualität gerüftet ju fein, meldte bie bem preu&ifchen ©taate errungene 9ftadjtfteflung bebrohen ober Gelegenheit gu neuen ©rmerbungen bieten fönnte. $en Sorfdjlag äJcaria i^erefta^ , jur SBerbürgung eine* bauern* ben griebenä ben ©tanb ber beiberfeitigen |>eere in oöttig gleichem SÖerhaltniffe ^erabjufe^en unb fidj über einen bauemb beijubehal* tenben SJrmeeftanb gu öerftänbigen , aus leicht begreiflichen ®rün* ben jurücfmeifenb , brachte er fein $eer mieber auf einmalhunbert» funfunbncungigtaufenb SJcann, oon benen ungefähr ber fünfte Xfjeil an» angeworbenen SluSlänbern beftanb. Um bie Süden anzufüllen, bie ber Stieg unter ben Offizieren gefdjaffen, meiere griebrich, ttrie bereit* früher bemerft, faft auänaf>m$Io3 bem $bel$ftanbe entnahm, mürbe nicht nur ba3 für bie militärifdje 2lu8bilbung ber jungen ©bedeute beftimmte Sabettenhau* in ©erlin bebeutenb oergrö&ert, fonbern auch jur Anlegung jroeier tteineren ftabettenfeemten ju ©tolpe in Bommern unb ju tinlm in 2Beftyreu§en gefchritten. Vhid) er* richtete griebrich in ©erlin nod) eine befonbere 2Jcilitärafabemie, für

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griebricfc* IL lefrte SRegierungSgeit. 619

welche er bie ßefirer au* grantreiefc berfdjrieb. Sin ber #erftettung be* burdj ben ®rteg fef)r herunter gefommenen gelbgerät|e* mürbe mit einem (£ifer gearbeitet, al* ftebe Greußen am SBorabenbe eine* neuen ßriege*. Slud> mürben bie SlrtiHerieregimenter bebeutenb ber* mef>rt, bie geftungen in befferen ©tanb gefefct unb alle 93orratlj*> Käufer gefüllt.

Um bem gängltd) bamieberliegenben Slrferbau aufguljelfen , lieg griebrid) ba* betreibe, ba* bereit* für ben nädrften gelbgug ange* fauft morben, al* ©aatforn unter bie gang oerarmten Sanbleute t>ertf)eilen unb gab bie für bie Artillerie unb ba* ©epäd beftimmt geroefenen Sßferbe ber ßanbmirtfrfdjaft jurüd. 3n benjenigen $ro* Dingen, meldje am meiften burdj ben firieg gelitten Ratten, mürbe ein Steuererlaß bewilligt, in ©Riepen auf fe<$* Monate , in Greußen unb ber Heumar! auf gmei 3af)re; audj lieg ber #önig öiele ger* ftörte SBofmungen auf feine Soften lieber aufbauen unb t)alf ben am fdjmerften gefääbigten gamilien burdj ©elböorfdjüffe auf. ©ang befonber* mürbe jebod) bei biefen Unterftüfcungen ber Slbet berüd- fidltigt. $)en tyeruntcrgefommenen abeligen gamilien fdjenfte ber ßönig bebeutenbe ©ummen gur 93egaf)lung üjrer ©Bulben unb gur $erftellung unb Slufbefferung iljrer ©üter. 5lud> füfjrte er in ©djle= fien, Bommern unb Greußen ba* nod) je|t beftefjenbe ftrebitfuftem ein, nad) meinem jeber 3ftittergut*befifcer Anlegen auf fein ÖJrunb- ftücf bi* gu einer beftimmten $öf>e be* SBertlje* , unter ©ernähr* leiftung ber ^romngialftänbe , bie gu biefem Qmdt fogenannte w*ßfanbbriefe" au*ftellen, gu einem äu&erft geringen 3in*fu& auf5 nehmen fann.

$m Allgemeinen mar ba* ©nftem, ba* griebrid) in ber 93er* roaltung feine* Sanbe* befolgte, nadj bem fiebenjäljrigen Sfrieg ba* ' gleite, mie öor bemfelben. Ungleich meljr , al* für ben s2lcf erbau, für beffen SBürbigung al* ber mid)tigften materiellen 2eben*frage feiner Untertanen bem #önig ba* Sßerftänbniß fehlte, gefdjaf) für ba* gabrifroefen; boa^ mürbe aud) fjier feiten ba* Süchtige ge* troffen. $ie Seinenmebereien in ©d)lefien unb Söeftfalen, fomie Sic metatlifdjen gabrifen unb bie Söoöenmanufafturen in ber Sftarf, in Sftagbeburg unb in ©djlefien erhielten fia) ohne ©taat*unterftüfcung in SBlüttje unb gogen ÖJelb in* Sanb; bagegen fofteten bie prtöile* girten neuen Sabrifen, burd) roeldje bie (£infuf)r frember ®unftpro* bufte öcrfjütct merben foöte, im (fangen bem ©taate ungleidj mefjr, al* fie i^m einbradjten. gür bic öon bem ®önig felbft in Berlin gegrünbete sßorgeHanfabrif mürben bie ^uben tributpflidjtig qc maetjt , inbem ilmcn bie $8erpflid)tung auferlegt mürbe , bei ifjrer J8erljetratf)ung für einige f)iinbert 3f)ater $orgeOan gu taufen, unb gmar nia^t naa^ eigener 2lu*ma^l, fonbern naef) ber jenigen ber SBermaltung.

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ftriebrich* II. lefrtc 9teßierunfl«ieit.

Um bcn |>anbel möglic^ft nufcbringenb für ben Staat ju machen, mürben öerfdjtebene £>anbcl«artifel monopolijirt , ma« megcn bcr baburd) entftefjenben Verteuerung berfeiben große Un$ufriebenheit erregte. So mürbe im Qa^re 1765 ein SWonopol für ben Zabalfc uerfauf au ©unften eine* Sranftofen gefdjaffen , ber bafür eine SJKÜion Xfialer $adjt jar)Ite. Später ging ba«felbe, ba ber <ßäd&s ter feine SBerbtnblidjfeiten nid)t erfüllte, an bie berliner Xabaf«= fabrifanten ü6er, unb enblid) übernahm ber ®önig felbft bie Sodje für SRedjnung be« Btaatti. *ftod) belaßter mar ba« ffaffeemono* pol , ba« bem <5taat bebeutenbe (Summen eintrug , augleid) aber audj ben Slermeren ben ©enuß be« Kaffee'« na^eju unmöglich mattete. „2lrme Seute", meinte ber #önig, „brausten feinen Kaffee %vl trinfen; fte fönnten ftdj an ©ierfuppe galten." 9hir mer jmansig ^funb auf einmal faufen tonnte, ftatte ba» föecfjt, ben Kaffee felbft $u brennen, unb erhielt ju biefem Crnbe einen ©rennfa^ein ; geringere fieute mußten gebrannten Kaffee faufen , öon meinem ber $önig fid) ba« <ßfunb mit einem Xfaler bellen liefe, mäfjrenb ber unge* brannte nia^t halb fo öiel foftete , immer aber naf>e$u hoppelt fo treuer mar, als in Hamburg. $>a« ftaffeebrennen ohne Stenn* fdjein mürbe mit breijäfjriger geftung«haft beftraft. 5fuc§ ber Sucfer, ba« Salj unb ba« Sörennfjolj mürben monopolijirt.

3fnbeffen mürbe ber ftufcen, ben ber Äönig au« allen biefen Monopolen fid) fjerau«geredjnet hatte, bebeulenb üerfürjt burdj ben immer mehr überfmnb nehmenben Scöleichbanbel , ber, burch bie zahlreichen ©renken be« preußifdjen Staate« begünftigt , in einer 2lu«bef)nung beirieben mürbe, öon melier man fich gütigen Xage« faum eine SorfteHung machen fann.

Schon unter griebrieft SBilhelm I. maren bie inbireften Steuern mit ber größten Strenge beigetrieben morben; bennodj mar grieb= rieh II. ber tlnftcht, baß bei einer noch fdjärferen Uebermadjung bie Quelle biefer Abgaben für ben Staat ungleich reichlicher fließen merbe. (£r jog barüber ben eben in Berlin meilenben franjofifchen SchriftfteHer $>elöetiu« &u 9tat^c , ber al« G>eneralpad>ter ber fran* jöfifdjen ginanjen in biefem Jache mohl bemanbert mar, unb ber* felbe trat nicht nur tooHftänbig feiner &nfidjt bei , fonbern fanbte ifjm auch fünf Sranjofen, au« melden ber $önig im Qahre 1766 eine befonbere, ganj nach franjöfifchem SKufter eingerichtete „®ene* ral* Qott* unb &ccife=2lbminiftration1' gemölmlidj „föegie" ge* nannt bilbete. Sur Durchführung be« neuen Softem« mürben noch einige fmnbert anbere, im SoH- unb s2lccifemefen mofjl geübte Sranjofen in« Sanb gebogen , um al« Slccifebeamtcn in bie ^ßro* öinjen oertheilt ju merben. SSelchen (Sinbrucf biefe Steuerung, beren fernerer $rucf nur ben Bürger* unb SBauernftanb traf, ba ber ^öntg au«brüdüch erflärt Ijattc, baß er ben s2lbel, al« gefefclich

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ftriebrid)3 n. lefrte SRcßicrung^cit.

621

fteuerfrei, bon bemfelben aufgenommen wiffen wollte, unter bem SBotfc machte, crt)cflt auf ben SB orten eine« begeisterten Seitgenoff en unb Anfjängerf bef .Honig*.

„Vielleicht1', fagt $of)m, „ift fein ©ebanfe griebric^* für fein ßanb je öerberblicher gewefen, unb mir glauben bie ^ßeriobe, wo bie Aufführung beffelben begann, alf bie traurigfte ber Regierung bef Hönigf anfefjen ju fönnen. Suoerläffige 3)fänner, bie bief er* lebten, fjaben und ben furchtbaren (Siubrucf nicht ftarf genug fcrnl* bem fönnen, alf bie anfangt faum geglaubte, aber balb alf wahr fia) bewährenbe Nachricht erfchoE : ef foUten ganj ungewohnte, harte Abgaben eingeführt unb biefelben burd) eine folcfje Söefchränfung aller natürlichen Freiheit unb burd) einen folgen Swang bei ben unfdjulbtgften ©anbtungen beigerrieben werben, ba& ber Äönig ficr) nicht getraue, fykxbti eigene Untertanen ju gebrauchen, weil er bei ihnen ju üiel menfehlichef Gefühl öorauffefce, fonbern unbarm* h^jige gremblinge fommen laffe , benen er fein Söolf jur grau* famften afti&hanblung überliefern unb benen er hierfür jum Sohne erlauben wolle, fich mit beffen ©chwei&e §tt bereichern. S)iefer er* flärte fönigliche SBille empörte alle ©emüther unb raubte bem Könige felbft einen guten ber Siebe unb Achtung feiner Unter* thanen, beren er bisher in fo fyotym ®rabe genoffen hatte, unb bie burch bie 2Bunbertl)aten bef ftebenjährigen Krieges bif $ur haften ©ewunberung unb gärtlichften 2tnt>ängUcr)feit erhoben waren, Viele Unterthanen fahen üon nun an in ihm nicht mehr ben gütigen ßanbef oater , fonbern einen burch ben langen blutigen ftrieg abge* härteten Snrannen, ber immer auf neue Entwürfe ber Vergrö&e* rung finne unb nun baf *u beren Aufführung nötige ÖJelb üon feinem Sßolfe burch grembe erpreffen laffen wolle."

s)lod) ungleich fdjlimmer, alf bie bebeutenbe (Erhöhung ber in« bireften Abgaben, war bie Art ihrer Erhebung. $erfelbe ©egen* ftanb, fo oft er in eine neue gorm gebracht, ju einem neuen ©e* brauche zugerichtet war , oft auch mnn man lt)u nuv ani nucr *ßrooinj in bie anbere ©erführt hatte, würbe wieberholten Abgaben unterworfen. Qu allen Xagefjeiten brangen Soll* unb Accifebe* bienftete in baf ©auf jebef ehrlichen Sttannef unb burchfuchten Allef . gür jeben ©egenftanb , ber einer Abgabe unterworfen war, forberten fic ben Söeweif, ba& biefe Abgabe entrichtet worben. konnte berfelbe nicht beigebracht werben, fo nahmen fie ben ($egen* ftanb weg unb oerwiäetten ben Gigenfijumer, wenn ef ihm an ben nöthigen Mitteln fehlte , um fid) mit ihnen ab$ufinben , in einen oerbriefjlichen $ro$ef$. ÜJcan fyitU bie Accifeangeftellten , bie ber ©egenftanb bef allgemeinen £>affef waren, jeber Sßerruchtheit fähig. SRicht feiten würben fie befchulbigt, felbft ftontrebanbe eingefchleppt

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622 fcrtebrio)* II. lefrte NegierungSaett.

unb bann behauptet ju Ijaben , jtc Ratten fte in ber betreffenben Söo^nung gefunben.

AIS bic klagen über bic toerfduebenen 3inanama&regeln ^ fönigS immer häufiger unb bringenber mürben f befahl ber fönig bem ©eneralbireftorium , eine Unterfudjung barüber anjufteflen, in miefern biefelben begrünbet feien. $ie TOnifter ©lument&al unb £agen überreizten iljm ein ©utadjten, in meinem feine IjanbelS* politifdjen Neuerungen einer eingcfjenben f ritif unterzogen unb bie meiften berfelben als bie Urfadje beS nid)t Innmeg ju leugnenben Verfalls beS ftanbeiS unb ber ®emerbe bejeidjnet mürben. $er fönig naljm bie ©pradje ber SSafjrfjeit jebodj t>öc^ft ungnäbig auf. „3d> erftaune über ber impertinenten Delation, fo ©ie mir Riefen, " fajrieb er eigenfjänbig unter baS eingereihte ®utac&ten; „idj ent* fdnitbtge bie SfliniftreS mit it)re 3gnorancer aber bie 9Mice unb Korruption beS doneipienten mujj ejemplarifd} beftraffet merben, fonften bringe id) bie (Eanaiflen niefymalS in ber ©uborbination." 'Die „e£emplarifd>e ©träfe," meiere ben SBerf affer beS ©utadjtenS, ben geheimen ginanjratf) ÜrfinuS, traf, beftanb in £ienftentlaffung unb JeftungSljaft in Spanbau.

%\t ©eredjtigfeit rourbe unter Sriebrid) II. im Allgemeinen ftreng unb unparteiifd) gefmnbfmbt: audj bie ärmften Untertanen maren gegen ©ebrüdung unb ungeredjte UrtfjeilSfprüdje gefdjüfct. <5d)on lange r)atte fidj ber fönig mit bem ®ebanfen getragen, burd) ein flareS, bünbigeS ÖJefe&bud) bie oermicfelten Oformen beS ©eridjtS* oerfafyrenS ju oereinfadjen. 5)ie Ausarbeitung biefeS (SJefefcbudjeS, beS fogenannten „preu§ifd)en ÖanbredjtS," übertrug er bem ©ro§* fan^ler Sarmer ; bod) mürbe baSfelbe erft nad) feinem Xobe ooflenbet.

Obgleich audj baS Sdjulmefen oon SriebridjS Sürforge nidjt auSgef djloffen blieb, befdjränfte fidj biefelbe im SSefentlidjen bodj auf ben roiffenfdjaftlidjen Unterridjt ; für baS ©olfsfdjulroejcn gefdmfj unter üjm, nad) bem 3eugniffe $5of)mS, nur fefyr menig. „$)er größte 58orrourf," fagt berfelbe, „ber bem fönig griebridj II. in Abflaut ber fittlidjen ©Übung feines iÖolfeS gemalt merben fann, ift un* ftreitig ber, ba§ er für bie (£r$ief)ung ber 3ugenb fo menig getljan imt. S)a& biefe unb gute UnterridjtSanftalten öon fyödjfter 3öicr)- tigfeit finb unb bie aufmerffamfte ©eförberung ber Regierung Oer» bienen, barüber f)at Jriebrid) fotoof)! in feinen Söerorbnungen , als in ©djriften unb ©riefen fid) mit folgern Nadjbrutfe erflärt, ba& man au feiner lleber^eugung oon biefer 2Ba()rf>cit mcfjt jroeifeln fann. Allein er fwt nietyt biefer Ueberjeugung gemä& gefjanbelt. 3)ie ©Ovulen, befonberS biejeuigen für ben Sanbmann, waren oon ber jd)letf)teften S8ejd)affenl)eit, unb ber fönig fwt äufjerft menig, eigent* ltd) gar nichts für fie getrau." $en ©runb baoon finbet $ol)m

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5riebric$8 II. lefcte RegierungSaeit.

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tf)eü3 in bcr Überwiegenben Stiftung bcr Xfjätigfett beS ÄönigS auf bic äufcere ^olitif , theils borin , ba& bei ben Dielen fonftigen SluS* gaben üon ben ©infünften beS Staate* nicht genug jur grünblichen SBerbefferung ber ©chulen übrig geblieben fei.

SBon ber beulten ßiteratur nahm ber #Ömg in feinen fpäteren ßebenSjahren ebenf owenig Roti§, als er bic« in feiner 3ugenb ge= t^an. Df>ne Wfmung oon ber ^o^en s-8oflfommenheit, ju welcher fidj bie oaterlänbifche ^ßoepe emporgefchwungen, fdjrieb er in feinen lefcs ten Seben&jahren in franjöfifdjer ©prache eine Wbhanblung über bie beutfdje ßiteratur, worin er fie aus ben Erinnerungen feiner Swcjenb f Gilbert unb bie beutfehe Spraye eine „barbarifche" nennt, „bie in fo titele oerfduebene $ialefte geteilt fei, als Xeutfdjlanb Sßrotrinjen jähle, fo ba& eS auch bem reichbegabteften ©chriftfteller phhfifch un* möglich fei, biefe rohe Spradjc in überlegener SBeife ju hanbhaben." $iefe ©djrift fdnefte er im 3ahrc 1781 an b'Sllembert mit ber SBemerfung: „Sie werben über bie SJcuhe fpotten, bie ich mir gege* ben h&be, einer Nation, bie bisher RidjtS berftanb, als effen, trinlen unb jicf) fcfjlagen, einige begriffe üon ®efd)mad unb atttjdjem 8aljc beizubringen. 3nbeft man miß boef) gern nügtidj fein, unb oft feimt ein SBort, welches man in einen fruchtbaren S3oben fät, unb bringt grüdjte über Erwartung."

griebria) fmtte, wie wir oben (©. 364) gefehen, bei feinem Regierungsantritt erflärt : in feinen ©taaten fönne 3eber nach feiner Jason feiig werben. Tiefe Sorte, burd) welche er feinen Untertha* nen eine unoertüqte Religionsfreiheit jujufichem festen, lüelt er ben Matt)oltfen gegenüber infofern aufregt, als er fie in feinen ©taaten bulbete unb ihnen geftattete, an benjenigen Orten iUrdjcn ju bauen, wo fie bis baf)in feine folgen Ratten. Gleichberechtigt mit ben -[>ro* teftanten waren fie jeboa) in feiner Söeife; felbft in ben überwie* genb faüjoltjdjen Gegenben feines ©taateS fchlofj ihr ReligionSbe* fenntnife fie ber Regel nach öon ben öffentlichen SlnfteHungen im ©taatsbienfte aus.

2ftan würbe fehr irren, wenn man in biefer 3urücffe|jung ber Äatholifen gegen bie ^ßroteftanten eine Hinneigung griebridjs $u bem proteftantifa)en iöef enntiu jj erblicfen wollte : bem glaubenSlofen Moutg war bie eine &onfef jton an fich ebenfo gteichgiltig , wie bie anbere. SBenn er aber nichtsbeftoweniger baS proteftantifche üBefenntnig in feinen ©taaten entfehieben beoorjugte, fo r)atte baS feinen Grunb einjig unb allein barin, ba& nach feiner 2lnfchauung bie abfolute Allgewalt beS Königs nicht mit bem ÄatholictSmuS , fonbem nur mit bem ^roteftantiSmuS befterjeu tonne. 3)ieS war auch ber £>aupt- grunb , me&hulb er auf ben Religionsunterricht ber 3ugenb einen SBerth legte. „3)a& bie ©dmlmeifter auf bem £anbe," fagt er, „ben jungen beuten Religion unb SJloral lehren, ift recht gut, unb müffen

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G24

/\I LüriCTI^' 1 l'RIC ./t t U C 1 III Ul >i 1 1

fie baoon nicht abgeben , bamit bic ßeute bei ihrer Religion ^übfcö bleiben unb nicht $ur fatboüfchen übergeben; benn bic eoangelifcbe Religion ift bic befte unb weit beffer als bic fatholifche. fcarum muffen bie Schulmeifter fich ÜKühe geben, ba& bie Seute «ttachement ftur Religion behalten, unb muffen fie fo weit bringen, baß fte nic^t fte^en unb morbeu."

21m menigften unter aßen ©lauben*oarteien hatte fich bie ber 3uben ber ©unft griebrich« II. ju erfreuen. Schon unter griebrich EJübelm I. waren bie 3uben in Greußen in mancher öe^te^ung hart befjanbelt morben ; unter griebrich II. geftaltetc ftch jeboch ihre Sage noch ungleich trouriger. Sin hn %afyxt 1750 iur ßrbnung, ihrer Angelegenheiten erlaffene* Reglement unterfagte Urnen alle gewöhnlichen bürgerlichen (Bewerbe, fowie bie Erlangung beS $ür* gerred&ts unb ben Bnfauf öon Orunbbefty. $a« f>üchfte, wa* fte erreichen tonnten, war „Schnaube" $u fein. $cr Sdni& , ber ent- weber ein perfönlicber ober ein erblicher war, im lederen gafle aber nur auf ein ßinb fibergehen tonnte, mußte burch febwere Cofer erfouft »erben , bie tbeil« in ber 8at)lvm$ einer gewiffen ©aarfumme an ben ftönig, tbeilS in ber Uebemahme mm äBaaren au« ben föniglichen 9Ranufatturcn nach ber SBahl ber dermal* tungen beftanben , welche außerhalb be« SanbeS öerfauft werben mußten. sMen 3ubcn, bie ben föniglichen Sdjufc nicht hatten, war ba« $eiratben unterfagt. 2lu3 bem eigentlichen groeefe aller ben 3uben auferlegten Saften machte ber Sronig fein Jpeht ; er wollte nicht , baß bie 3at)l ber 3uben junehme. 3" biefem (Enbe erließ griebrich im 3ahre 1^62 einen $3efel)l, traft beffen bie Scbu^juben nicht mehr nach gamilien, fonbern nach Äöpfen gejault unb, faß« fie bie beftimmte 3abl überfttegen, bie ärmften aus bem Sanbe ge* fc^afft werben foütcn.

3n feinem ^rioatleben behielt griebrich bis an fein Sebent enbe bie gleiche Drbnung unb 3citeintbeüung bei, bie er ftd) bei feinem Regierungsantritt feftgefefct, unb Weber bie Saft ber 3af>re, noch junehmenbe &tänflichteit er litt namentlich Diel an ^obacjra fonnten ihn abhalten, feine eiferne ärbettsfraft in ber gewohnten Söetfe auszubeuten, ©einen perfönlichen Slufwanb hatte er feit bem .frubertsburger grieben auf baS geringfte 9Raß befchränft, unb es ift It)at jache, baß feiten ein gfirft fparfamer gelebt hat, als griebrich s-8on ber Summe oon einer 5J?iüion ^weimalhunberttaufenb Xhalem, bie er fich jährlich auSgefe&t, verbrauchte er für feine s#riöatbebürf* niffe nie mehr als jWeimalhunbertjwan^igtaufenb Ztyakx. £>atte er früher für franjöfifche ftänjer, Sanger unb Scbaufoielcr bebeutenbe Summen oerausgabt, fo ließ er hierin große ©efchränfungen eintre- ten unb geftattete fich imr noch °aS Scbaufpiel. Sine eigentliche £>of* haltung hatte er nur in öerlin ; boch brachte er bort nur einen % heil

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griebrid)$ H. Iefcte Sfcgientngdjcit.

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beä SBinterS ju. ©ein gemöhnlidjer Hufentfmlt blieb ©anSfouci, mo er eine 2lrt ©tnfieblerleben führte unb fidj befonberS an ben greuben ber Xafel unb ber SRufie ergö&te. $ie 3al)l feiner SDiener hatte er auf baä roirfIict)c ©ebürfnife bef^ränft. 2)ie ©ernadjläffigung feiner *ßerfon artete jule&t in <£tmi3mu3 auä. ©eine Reibung, bie <ßotg* bamer ©arbeuniform , mar meift abgetragen ; bie fdjlaffen ©tiefei, bie er beim $lufftel)en anjog unb erft beim ©djlafengef)en abftreifte, maren faft rotf) unb fingen unorbentlidj herunter. $er ft>anifd)e Xabaf, öon bem er ftetä jmei gefüllte $>ofen bei fiaj trug, entfteHte mehr unb mehr fein Slngefidjt.

$er #rei3 , ben ber Äönig öor bem fiebenjä^rigen Stieg in ©anäfouci um ftd> öerfammelte , r)attc fid) im ßaufe ber Seit faft gänjlich aufgelöft. 3m Söhre 1769 mar ber SHarquiä b'Slrgenä in fein ©aterlanb jurüefgefehrt unb sroei %a$xt foäter $u Xoulon geftorben; im Safjre 1774 mar ihm gouqu<5 unb 1778 ber ßorb aKarfajall öon fteith in& ©rab gefolgt, ©o mürbe e$ immer ein* famer um ben finberlofen ftönig , ber bie greuben beä gamtlien* freifed fein ganjea Seben Ijinburd) beharrlich öon fich abgemiefen. 9Jttt feiner ©emahlin, bie er nur feiten mehr fafj, unterhielt er einen formellen ©riefmethfel, ber faum etroaS 2lnbere8 jum ©egen* ftanb t)atte , als fein Jöefinben. S)en Sronprinjen griebrich SBil* heim , auf ben er baä ÜDü&trauen übertragen ^atte , burdj meiere* er beffen im 3ö§re 1758 öerftorbenen Später, feinen ©ruber Sluguft Söilljelm, fo rief gefränft, t>ielt er, mie öon allen SRegierungägefdjäf* ten, fo auc^ öon feiner $erfon möglichft fern ; auch mit feinen ©rü* bem Heinrich unb gerbinanb pflog er feinen öertrauten Umgang, fo fcl)r auch ©eibe fich feine franjöfifaje ©Übung unb ©eifteSridjtung angeeignet Ratten.

dagegen mürbe ber getoohnte ©riefmechfel mit Voltaire btö ju beffen £ob (1778) , fomie mit b'&lembert auf baä Sifrigfte fortge* fefct, bis auch biefer im 3aljre 1783 inä ©rab fanf. ©eibe unter- hielten ben Äönig nicht nur über bie neueften ©rfc^einungen ber fran^öfifchen Siteratur, fonbern ergö|ten Um auch burdj 9Keuigfeiten öon bem §ofe öon ©erfailleS, mogegen griebrichS ©riefe an fie öon ben übertriebenen Schmeicheleien überfloffen. „3$ habe," fo fdfjrieb er im 3<*hre 1777 <m ©oltaire, „in ©erlin eine öffentliche ©iblio* tfjel bauen laffen. ©oltaire'3 SBerfe Ratten bortjer eine 511 unan* ftänbige SBohnung." Unb an b'Sllembert: „©djladjten fwben öiele 9Jienfa)en gemonnen; öiele Imben Sßrobinjen erobert: aber menige ^aben ein fo öoHfommened SBerf mie bie ©orrebe jur ©ncuflopäbie getrieben."

Snbeffen mürbe bie SBeltanfdmuung beä ßönig* , ber ftd) in feiner felbft gefa)affencn ©ereinfamung immer me|r auf fein eige* ne^ 3^ jurürf^og unb fia) nur no(^ ben „©infxebler öon ©an**

Golste ar tf), »eltgef^te. Vi, 40

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626 8rriebri($* II. le&te 9?c9ienmg»idt

fouci" nannte, eine immer trübere. £>atte er fid) in feinen früheren Saferen nod) einigen ©laubcn an eine fittlkfje Äraft be* 2Renjd>en bewahrt, fo fdjwanb in feinen lefcten £eben*jaf)ren aud> biefer, unb ber natfte 2Rateriali*mu* gewann ooüftänbig bie Dber&aub. „3$ betraute-, färieb er unterm 18. 9Rat 1782 an b'SUembert, „ben SKenfa^en wie ein *D*af dunen wert , welche* ben ©ewidjten unb 9tä= bern, burd) bie e* geleitet wirb, notfjwenbig folgen muß. SBa* man SBei^eit unb »ernunft nennt, ift nur bie gruajt ber (Jrf^ning, weldje auf bie Surt&t ober bie Hoffnung wirft , auf biefe beiben großen Xriebfebern unferer ftanblungen. Sur unfere Eigenliebe ift bie* freilid) ein wenig bemfitlugenb; aber unglüdlid>erweife ift e* nur ju walu*."

SBäljrenb fid) ber Sönig oon ben SHenfdjen immer meljr ju= rü(f jog, blieben feine SBinbfpieie bU an fein fieben&enbe feine un* jertrennltajen ©efäljrten. ©ein ßiebtingSljunb, bem bie übrigen jur ©efeüfdjaft bienten, lag ftetd auf einem befonberen Stuhle an ber Seite feine* $erm unb fd)lief be* «Ract>t* in beffen ©ette. ©in ßafai führte bie ganje 4>nnbcfd)aar täaüd) fpajieren , unb wenn ber ftönig fid) $u ben ÄarnebatefeftlidJteiten nactj Berlin begab, würbe fie iljm in einer fed)8fpänmgen fhitfdp nadjgefafjren , wobei ber fie begleitenbe ßafai feinen $lafc auf bem föütfftfc netraten mußte. Starb einer biefer £>unbe , fo würbe er im ©arten oon Sanäfouci begraben, unb eine mit feinem Warnen oerfefyene Sföarmor* platte bejeidmete feine ©rabftätte.

Rriebrid) ^atte in feinen testen id eben 8 ja l) reu feine fonft fo fräftige ©efunbtyeit ooüftänbig baburd» untergraben , baß er iüd)t fierr feine* (Baumen* war. Dtyne SRüdftdft auf bie Tarnungen fei- ner Merkte gab er bem ©elüfte nad) fetten , ftart gewürzten unb ferner oerbaulidjen Speijen in fo jügeüofer SÖeifc nad) , baß er \\d) baburet) eine allgemeine SBerberbniß ber Säfte jujog , bie mit SBafferfudjt enbete. Stadlern er ben ffiinter Don 1785 auf 86 unter großen JBefdjmerben in $ot*bam jugebradjt, begab er fid) am 17. XHpril 1786 nad) Sanfcfouci , Wo er im ©enuffe ber frifdjen Sanbluft Grrleidjterung $u finben tyoffte. 5)iefe Hoffnung erfüllte fid) jebod; nidjt; feine Mräftc fdjmanben oiclmel)r jufe^enb* , unb im 3uni würben bie iöruftbeflemmungen in golge ber junefymenben Gfeförnulft fo heftig, baß er nidjt mcljr liegen tonnte unb bafyer ben größten iljeil ber Wadjtc auf feinem gefmftufjle in oorwärt* ge- büefter Stellung jubringen mußte. 3)ennod) ermattete feine Xljätig* feit nid)t : bi» $u feinem legten Xage ließ er fid) jeben borgen bie $abinet*fac§en oorlegen, biftirte feine Gfrlaffe unb fdjrieb and) felbft n od) einige ©riefe. lUadjbem am 16. Sluguft in feinem Quftanbe eine bebenfliaje JBerfajlimmerung eingetreten unb in ber barauf« folgenben 9taa)t ^alboerftänblia^e qtyantafien mit einem ruhigen

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^reufecn unter 3rriebrid) ©tlfjelm II.

627

Schlummer abgctoedjf elt , entfchlief bcr #önig am 17., jtoet ©tun» bcn nach Mitternacht , ohne ftchtbaren Xobe*fampf in ben Armen feinet ßafaien. Äußer biefem tuaren nur fein Ärjt unb jtoei Äammerbiener Seugen feine* Xobe*.

$urd) ben SRinifter Don $>erjberg unDerjüglicfj Don bem §in* Reiben be* #önig* in ftenntnife gefegt r eilte ber Xtjronfolger f^riebnef) SBtltjclm II. fofort naef) San*fouci, um bie nötigen s-3er* fügungen ju treffen. Obgleich Srtcbrict) im (Marten Don San*fouci beerbigt ju merben gettünfcfjt, hielt e* ber neue &önig für ange- meffener , Um in ber @arnifon*firche ju $ot*bam an ber Seite Sricbrict) 2Bilf)elmS L beifefcen 311 laffen.

XXXV.

Brenken nutet 3rteoridi ptfßerm II.

(1786—1797.)

grie brich SBilfjelm II., ber im Alter Don jmeiunbDierjig Sauren ben preufcifchen X^ron beftieg, mar ein Surft Don gutem natürlichen SSerftanbe unb mohltnoflenbem #er$en. SBon ber Ueber» Beugung burchbrungen , bafj ba* 2Bot)l be* Staate* mit ber 2Bohl= fahrt be* SBolfe* meljr in Einf lang gebracht merben fönne , al* e* unter feinem üielberounberten Vorgänger ber 3fafl gemefen , befchlofc er , bie brücfenbften Einrichtungen be* herrjehenben SSermaltung** H)ftem* 511 beseitigen, Sunächft nnirbe bie Derfm&te Plegie anfge-- hoben unb ber an ber Spifte berfelben fteljcnbe Jranjofe be la £at)e be Sannau in Anflageftanb Derfefct; ba jeboch bie Unter» fuchung feinen Unterfdjleif oon feiner Seite ergab, erhielt er al*balb bie greiheit jurücf. 55er Xabaf= unb Äaffeehanbel mürbe mieber freigegeben unb baburch ein großer $t)eil ber läftigften SBerfehr*be* fchränfungen unb ber gehäffigften Sfcachforfcfmngen unb Quälereien befeitigt.

Anbete (Erlaffe unb Einrichtungen be* neuen &öntg* bejmeef» ten eine menfchlichere ©ehanbtung ber Solbaten unb eine Erleichte» rung be* fdmjer auf bem fianbe laftenben SRilitärbrucf*, unb wenn auch h*er xn bem gefammten iBermaltung*mefen nur Einjelne* geänbert mürbe f ba* Softem griebrich* II. im Allgemeinen aber fortbeftanb, fo hatten boch bie Don Sriebrich SBiltjelm II. getroffenen Aenberungen einen Auffchmung be* SBerfehr* unb be* gemeinen SBohlftanbe*, fomte ein freiere* Aufatmen ber Nation jur golge.

Aber in bem Eharafter be* neuen ftönig* Dereinigte fidj ®üte mit Schwache. «öährenb er fty fernhielt Don bem be*ootifchen

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628 $Teufeen unter griebria) »ilfclm II.

Eigenwillen griebrid)* IL, ließ er fid) öon unwürbigen ^erfonen leiten, unb wenn fein Vorgänger jufammcngefd)arrt an allen ©den unb (Snben unb ftid)t* üerbraudjt fürte für feine s#erfon, fo jeigte griebrict) 2Bilf)elm II. eine öerfcr)wenberifd>e greigebigfeit gegen ®ünftlinge, bie ber OJegenftanb ber allgemeinen Veradjtung waren. 9lud) bübete feine Vergnügung*fuct)t ju ber nie ermattenben Srjätig* feit feine* Vorgänger* einen fd)arfen ©egenfafr. 2We* bie* jiu fammengenommen mußte, nadjbem einmal bie (Erinnerung an bie burdj griebriet) II. gefdjaffenen unb burd) feinen vJtad)folger befei» tigten brüefenben ^uftänbe in ben jpintergrunb getreten, bei bem Vergleiche ber s£erfönlicf>feit beiber £errfct)er ben Slu*fcr)lag $u ©unften griebrict)* II. geben.

2lm fdjärfften trat bie Verfduebentjeit ber fRegterung*mcife griebrid) SBilfjelm* II. t»on ber feine* Vorgänger* auf bem re- ligiösen öJebiete ju läge. SBätjrenb ber natjeju ein fjatoe* $afy* fmnbert umfaffenben Regierung griebrict)* II. t)atte man fid) in Greußen, befonber* in ben teeren ©täuben, baran gewöhnt, nad) bem Vorgang be* ßönig* auf ba* (£r)nftentt)um mit ©eringjct)äfcung r)erabjublitfen. Unter bem ©ci)u|je biefer jum guten %on gemor* benen religiöfen ©leidjgütigfeit mar auf bem ©ebiete ber öroteftan* tifdjen X^eologie jene bem pofttioen S^riftent^um fetnbltcr)c sJüd)- tung jur $errfd)aft gelangt, welct)e, geftüfct auf ba* buret) bie De- formation fanftionirte ^rioilegium ber „freien gorjdmng", bie ÖJlau* ben*mat)rr)eiten bem Urteile ber Vernunft unterworfen wifjen will. Söärjrenb griebrict) II. biefe rationaliftifdje Sttict)tung fiel) ungefnn- bert (jatte entfalten laffen, f)ielt e* griebrid) 28ilt)elm II. für feine Äönig*pflict)t, bie orttjoboje Ürcr)enler)re, oou beren 52Ba()rr;cit er überzeugt mar, in feinen 5d)iifc ju nehmen. (£r erlieg barjer, naa> bem er ben ehemaligen sßaftor Söößner, einen eifrigen Vertt)eibiger ber alten gormen, jum ftuttu*minifter ernannt r)atte, am 9. 3uli 1788 ein t»on biefem entworfene* (Sbift, ba* ben (&eiftlid)eu, Mer)reru unb Sßrofefforen bei ©träfe ber ¥lmt*entie(jung oerbot, fid) auf ber ®an* gel unb bem #atr)eber Abweichungen oon bem £et)rbegriff unb ben Vefenntnijjfdjriften ber eüangelifcr)en fftrdje ju erlauben, wobei je* bodj au*brücflicr) t)croorgcl)oben Würbe, baß ber ftönig (einerlei %t* mifjen*§wang au*üben wolle unb Meinen wegen feiner perfönlictjen Ueber$eugung jur ©träfe $ief)en werbe, fo lange biefe innerhalb it)rer ©djranfen gehalten werbe.

$)iefe* (Ibift Würbe fofort in $at)lreict)eu ©djriften auf ba* £>eftigfte angegriffen. 3Bät)renb bie meiften proteftantifd)en ^ßre* biger bie Verpflichtung jur Verfunbigung einer tkfyxt, an welche fie nidjt mehr glaubten, für eine Aufforberung jur .peuerjelei erflärten, wiefen bie Söortfutjrer be* 9cationali*mu* barauf bin, bafj ba* ©lauben*ebift mit ber üet)rfreir)eit , au* welcher bie

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Greußen unter griebrich SBilljelm II. 629

proteftantifche ^^cologic unb Kirche hervorgegangen fei, im SBtberfprudj ftehe unb bog für bic ttriffenfchaftlidje Söehanblung ber X^eologic unb ben afabeimfdjen Sehroortrag nicht bic gleiten Sdjranfen ge* fe^t werben fönnten, tüte für bie $rebigt unb ben Sdjuluntemcht. $a griebrich SBilhelm «Rieh** öon ber burdjgreifenben Energie fei. ne« Vorgänger* befaß, ber fidj bei öden feinen Verfügungen, un« befümmert um ba* ©erebe ber 3Benfd)en, GJehorfam &u ergingen mußte, unb ber $hiltu*minifter unb feine 9tätt)e meber burdj irjrc geiftige fi^aft noch burch ih« 9lmt*gemalt ben Schmierigfeiten ber Soge gemachten maren, blieb ba* ©bift, trofo ber mit groger Strenge gehanbhabten ©üdjercenfur , ohne irgenb melden (Srfolg für ben Smecf, $u meiern e* erlaffen morben mar.

Obgleich griebrich SSilhelm II. mcber ben ©^rgeij noch bie (£roberung*fucht feinet Vorgänger* befaß, tyclt er fidj bod) für berufen, nicht nur bie «Stellung Greußens al* ©roßmacht $u magren, fonbern auch bie SRoöe feine* £>heim* al* Oberhaupt be* beutfehen gürftenbunbe* fortjufpielen ; bafjer blieb bie äußere *ßoIitif $reu- ßen* im ungemeinen in ben gleichen Valmen, in meldje grieb= ruh II. fie gelenft hatte.

3)a* erftc friegerifdje Unternehmen griebrich SSHlhelm* II. mar gegen £>oUanb gerietet. Qn biefem ßanbe beftanben noch immer jmei Parteien : bie „oranifche", meldje bie 2J?ad)t ber im Jfafjve 1747 unter (Snglanb* (Einfluß ^ergefteOten unb erblich ge- matten Statthalterfchaft &u erhalten unb wo möglich noch ju er« meitem fudjte, unb bie bem regierenben ^aufe abgeneigte „patrio' tifche" ober „ftänbifche" , beren $>auptftüfce bie angelesenen ®auf* leute ber größeren Stäbte maren unb bie mäljrenb ber fraftlofen Vermaltung be* förbftatthalter* SBilhelm V. ein entfehiebene* Uebergemicht erlangt hatte. Sic mar e*, meldte bie Vethciligung ^ollanb* an bem oon granfreid) al* Vunbe*genoffen be* norb» amerifanifchen greiftaate* gegen ©nglanb geführten Kriege bemirft ^atte; nicht*beftomentger legte fie ben für §oOanb nachteiligen 2lu*gang biefe* Änege* bem ©rbftatthalter jur Saft, inbem fie ben= felben befdmlbigte , au* greunbfdwft für (£nglanb jmedroibrige SJcaßregeht getroffen unb abfid)tlid) ben Verfaß be* Seemefen* hcr* beigefü^rt ju haben. S)ie burd) bieje Vefchulbigungeu unter ber SBeüölferung h^oorgerufene Währung mürbe burd) rede .Bettung** fdjreiber unb eifernbe Äanaelrebner fo feh* gefteigert, baß e* im 3ahre 1786 ju einem allgemeinen Slufftanbe fam, in meinem bic Truppen be* (£rbftatthalter* gegen bie überall gebilbeten patriotifchen SBürgermilijen ben $ür$eren jogen. 3)er ©rbftatthalter felbft fat) {ich, nadjbem er feiner Remter unb SBürben öerlufrig erflärt mor* ben, jur gludjt au* bem jpaag genöthigt. @r 50g fid; nach ber geftung 9iömmcgcn jurüd unb rief t>on bort bie |)ilfe griebrid)

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Greußen unter ftriebrich Scheint II.

SBtthelm* II. öon Greußen an, mit beffen Sdjwefter er öer* mählt war.

Anfangs jögerte ber ftönig, aus 9?ücffic^t auf baS mit ben Patrioten öerbünbete Sranfreich, fleh in bie Sache einjumifchen ; ein wahrfdjeinlich abftc^tlict) herbeigeführter Vorfall, ber feinen ga* milienftolj tief »erlebte, machte jebod» alsbalb feinem Sägern ein ©übe. $ie Gemahlin beS (5rbftattr)aIterÄ war nämlich plöfclich öon föömmegen abgereift, um nach bem £>aag jurüdjufehren ; fie war jeboch auf ber föeife öon ben Patrioten angehalten unb burdj ©ürgermilijen wie eine Gefangene nach ^Umwegen jurüefgeführt Würben.

Um biefe bem föniglichen #aufe augefügte ©eleibigung ju rä- chen, lieg ber tföntg fofort in SBeftfalen ein #eer oon öterunb$wan* äigtaufenb 9Jcann unter bem #erjog ftarl Serbinanb oon ©raunfehweig jufammenjiehen, baS im September 1787 über Wömmegen unb Arn* heim in baS boHänbifche Gebiet einrüefte. $a fich bie fcäupter ber patriotischen Partei feige unb fopfloS jeigten unb ber «erfuch, baS fianb burch Deffnen ber Sdjleufen unter SBaffer ju fefcen, wegen SaffermangelS fehlfdjlug, fanben bie Greußen faum irgenb welchen SBiberftanb. $ie geftungen ergaben fich faft ohne (Gegenwehr, unb nach Verlauf öon üier SBochen war baS ganje ßanb oon ben preu* gifchen Xruppen befefct. (£s war ein SchicffalSmoment, ber $reu« ßen Gelegenheit bot, ein ju £eutfchlanb gehörige* unb in Wiber* natürlicher Söeife oon bemfelben loSgeriffeneS ßanb unter $wecf- entfprechenben Sonnen wieber in bie rechte Stellung ju ber beut* fchen Nation ju bringen unb ben föheinftrom oon feiner fchimpfli* chen Sperre ju befreien; allein Greußen liefe biefe Gelegenheit, fich bxm wahrhaften 9Jcef)rer unb Vertreter beS deiche« &u machen, unbenufct oorübergehen. $em tfönig genügte eS, bie ©h« f«ne* £aufeS gewahrt $u hoben, unb fein 9Jiinifter $er$bcrg , ber bie auswärtigen Angelegenheiten ber 9)<onarchie leitete, ha*tc nur oa* (£ine im Auge, #oflanb als ©rüde &u gebrauchen, um $u einer engeren SBerbinbung Greußens mit ©nglanb ju gelangen, auf welche er ein SdjiebSr ichteramt Greußens über ba& mittlere (Suropa ju grüuben gebachte. So hatte ber ebenfo glüeflich ausgeführte, als füc)n unternommene 3ug 'ein anbcreS (Srgebniß, als bie SBieber- einfejjung beS GxbftatthalterS in feine Aemter unb Stürben unb ben Abfchluß eines ^ertheibigungSbünbniffeS mit ber föepublif, baS am 15. April 1788 ju Stanbe fam. Anftatt bie Freiheit ber 9^ ^einf dt)iff f al>rt ju f orbern , begnügte fich Greußen mit ber geft- fefcung, baß bis gum Abfchluß eines £>anbelSt>ertragS beibe Staa-- ten cinanber in ^Betreff beS §anbelS unb ber Schifffahrt auf bem guß ber am meiften begünftigten Stationen behanbeln wollten. 25er jweibeutige ßiiegSruhm aber, ben baS preußifche #eer aus bem

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^reufeen unter ftriebrich ©ü^lm II.

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unblutigen Setbjug jurücfbrachte, fyattt für ba*fclbe bic fchlimmften gotgen; benn er beftärfte e* in bem burch griebrich* II. (Siege begrünbeten SBa^ne öon ber abfoluten Unnriberftefjüdjfeit ber preu* fttfchen SBaffen.

2(uf ba* iöünbnift Preu6en* mit $ottanb folgte am 13. gunt 1788 ein ähnliche* mit (Snglanb, in tuetdjetn jtcfj beibe Staaten jur gegenfeitigen SBefdjüfjung aller ihrer Söefifcungen mit einer be* frimmten Xruppenmacht im gatlc irgenb eine* feinbltdjen Angriff* verpflichteten. Tiefe* üöünbiiiö mar fjauptfädjlid) gegen Stuflanb gerichtet, mit roeldjem (ämglanb megen SBefc&ränfungen feinet £an* bei* ent$meit mar , roährenb griebrich SBil^cIm II. fich burd) bic enge Verbinbung 8tu§lanb* mit Ocftcrreic^ beunruhigt füllte unb fiberbte* mit ber (S^arm in einem au* pcrfönlic^er Abneigung f>er= üorgegangenen gefpannten Verhältniffe lebte.

Um Defterreidj eine nachbrücf liehe ©etheiligung an bem jroei= ten Türfenfriege Katharina'* unmöglich ju machen, unterftüfcten bie SBerbünbeten bie Unruhen in ^Belgien; auch nährten fie anbe* rerfeit* bie Währung in Polen, um bie Befreiung biefe* fianbe* oon bem ruffifchen 30Chc f>erbei^ufül)ren. Ter günftige Verlauf be* ßriegeS für SRu&lanb unb Defterreich im 3ahre 1789 bemog bie beiben ÜÄächte, entfehiebener für bie Slufrechthaltung be* türfifcheu Meiches im Qntereffe be* europäifcf>en ©letchgenncht* einzutreten, in meinem §er$berg bie ÖJrunbbebingung ber 9ftachtfteßung Prenfjcn* erblicfte. Tie feinbliche Haltung, meldte bie preufjifche Regierung in golge beffen gegen Cefterreich annahm, führte nach bem Tobe Sofeph* II., roie mir oben (©. 559 f.) gefefjen, ben Slbfchlufj eine* SSaffenjtillftanbe* jmifchen Defterreich unb ber Pforte unb fpäter ben grieben oon 6iftoma herbei. ®egen SRufjlanb fdjlofj Greußen am 31. Januar 1790 einen $Bunbe*öertrag mit ber Pforte, in ber ficheren ©rmartung, ba§ ©nglanb ba* (bleiche thun merbe. Tie* mürbe jeboch burch bie Dppofttion*partei im englifchen Parlamente oerhinbert, unb fo fat) fid) Preufcen, nachbem ber grieben*fchluf3 ber (5§arin mit ÖJuftaö III. uon Schmeben ben Hüffen freie $anb gegen bie Türfen oerfdjafft r>attc, jur 3ufammen$iehung bebeuten* ber ©treitfräfte läng* ber ruffifchen ÖJren^e genötfngt, um feinen gegen bie Pforte eingegangenen Verpflichtungen ju genügen. 3n einer bireften ©inmifchung Preufjen* in ben ruffijch5türfifchen ®rieg fam e* jeboch nicht, inbem bie ©jarin am 9. (September 1792 mit ber Pforte grieben fd)lo§.

SBte fich griebrich ^BU^elm II. für bie im Qntereffe ber Stuf* rechthaltung be* türfifchen deiche* gebrachten Cpfer burch feine 93e* Heiligung an ber atoeiten unb brüten Theilung Polen* fchablo* hielt, ha&en wir oben gefehen; auch feiner 3ufammenfunft mit Äaifer ßeopolb II. in Pittnifc §af>tn mir @. 560 gebaut. Von bem

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632 Die beutfay ßtferoiur hn acfjtie&nten ga^unbert.

getbaug, ben er im 3a^rc 1792 im 93unbe mit flaifer granj II. gegen granfreich unternahm , um fiubhngS XVI. Befreiung unb SSiebereinfefcung in feine SRedjte ju erjUiingen, fottrie öon feiner $öctt)eiligung an bem erften Koalitionäfrieg gegen ba$ repubüfanifche granfreich wirb fpäter bie «ebe fein.

XXXVI.

Die »euUiSe Literatur im auflehnten 3a6rfiunoed.

3m ©egenfafe ju ber franaöftfehen ßiteratur, bie ir>rc 3«fpis rationen öom #ofe unb ber öornefjmen SBelt erhielt, entnricfelte fid) baS beutfehe Schriftthum , Wie im fiebjehnten , fo auch im aefttgehn» ten Sa^unbert, in einem felbftftänbigen, mehr bürgerlichen ©eijte, nicht unterftüfct, aber auch nicht beeinflu&t öon ben faft aufnahm** loft bem franjöfifchen ©efehmaefe hulbigenben gürften, unb roährenb au* bem serriffenen Körper be3 deiche* jeber ftationalgeift ent* wichen war p fanb er eine Jpeimftäite in ben @ch öpfungen ber ju immer reiferer SBlüthe 04 cntfaltenben Didjtfunft.

Sßachbem fdjon *u <£nbe beä fiebjehnten 3at)rhunbert8 bie Un* natur unb ÖJcfc^macflofigfctt ber jweiten föleftfdjen S)ic^terfc^ulc (f. 6. 36) eine föeaftion ^eröorgerufen , bie jebodfc) ju feinem §eile führen fonnte, rocil ihre Xräger in baS entgegengefef te ©jtrem Der» fielen unb toon bem ©chwülftigen jum SBäfferigen übergingen, ent« ftanben in ben awanjiger Sauren beS achtzehnten 3at)rtmnber&r gleichfalls jur ©cfämpfung ber ßohenfteinifchen ©runbfäfce , jwei neue Dichter faulen , bie ßeipjiger unb bie f d)W eijerif che, jene gegrünbet Don bem gelehrten , um bie s2luäbilbung ber beut* fdjen Sprache ^oetüerbienten, aber pebantifchen unb burdj unb burdj profaifdjen 3°*>ann Sftriftopt) ®ottfd>eb (geb. am 2. gebruar 1700 unweit Königsberg, geft. 1766 ju ßeipjig al« ^rofeffor ber l^ilofop^ie unb Dichtfunft) , biefe ton ben beiben 3ürid)er $ro* fefforen 3ot)ann Safob «obmer (geb. 1696, geft. 1783 in 3ürich als SJcitglieb beä gro&en SRatheS) unb 3o!)ann 3afob 5ör ei tinger (geb. 1704, geft 1776 in 3"rich).

Ötottfdjeb, ber fid) jum Diftator auf bem Gebiete ber Dicht* fünft aufwerfen wollte, bie ^Soefie jeboch jur äu&erften 9lucbtemheit herabzog, inbem er aflen SBerüj berfelben in bie Klarheit beä 2luS= brutfs unb in bie Feinheit ber poetifetjen gorm fefetc , lehnte fict) in feinen Dichtungen, bie nichts $nbereS finb als gereimte Sßrofa, an franjöfifct)c Eftufter an , währenb bie ©rfinber ber ©chwei$er= (Schule , üon benen ©obmer ihm an bidjterifdjem Dalente überlegen war , ihre SBorbilber in ©nglanb fugten unb babei jugleich bie Mufmerffamfeit auf bie Dichtungen ber Httinnefänger hinIcn^cn-

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$te beutfdje Sitcratut im achtzehnten ^ahrlmnbert. 633

Stützen bcn „©ottfchebtanern" unb bcn „SBobmertanern" fom e$ ju einem heftigen geberfrieg über bie ©runbfäfce ber Dichtfunft, in welchem bie ©chtoeijer, »eil öon richtigeren ©efichtSpunften au*» gefjenb, bie Dberljanb behielten.

SBährenb biefeS ©treite«, ber burch bie Klärung ber 9Inftcf)ten unb bie ©djärfung be$ UrtheilS über baä SBefen ber Sßoefic bte Degeneration ber beutfdjen $id)tfwnft anbahnte, traten jroei Dichter auf, bie, feiner ber beiben Parteien ftc^ anfchliefcenb , ihre eigenen SBege gingen unb ungleich öejfereä leifteten , als ©ottfdjeb unb SBobmer fammt ihrem Anhang. Dtefe Dichter maren Snbrecfjt öon Roller (geb. 1708 $u 33ern, geft. 1777 als Direftor ber ©al§* werfe ju ©ej), ein ©tern erfter ©röfce in ber beutfdjen (Mehrten* Welt, faft in allen SBtffenfdjaften , wie in allen ©prachen GSuropa'3 bewanbert, unb griebrich öon #ageborn (geb. 1708 ju §am* bürg, geft. ebenbafelbft 1754), jener ein emfter, tiefer Dichter, beffen Sehrgebicht „bie Älpen" in bem $llpenüolf im ©egenfafc ju ber be* reit« überfeinerten SBelt ba« ©lücf ber ©itteneinfalt barfteCCen foll, biefer ein leichter, gefälliger Dichter öon trefflichem, liebenSWürbigem Sharafter unb glüeflichem, mehr bem ^eiteren jugeroanbten Xalente, ber eigentliche ©chöpfer be3 leichteren ßiebe«.

Sftachbem ©ottfeheb burch bie Angriffe ber ©chroeijer öon bem Sßiebeftale feine« SRuhmeS ^crabgcftürjt morben, bilbete ftch in 8eip* jig ein ^weiter Dicbteröerein , bte „fächfifdje Dichterfchule", beren 9)tttglieber ihren SBereinigungSpunft in ber oon ihnen gegrünbeten Seitf djrift : „Beiträge jum Vergnügen be3 SBerftanbe« unb SBifceS," gewöhnlich nach bem (fcheinbaren) 93erlag8orte „93 rem er 93 c t * träge" genannt , fanben. Der beliebtefte dichter biefer ©djule, bie im OTgemetnen noch ganj bem franjöpfchen ©ejehmaefe \)\x\* bigte , mar ber fdjftchte , fromme ©hnftian gürdjtegott © e l l e r t (geb. 1715 $u Hainichen im Königreich ©achfen , geft. 1769 als Sßrofeffor ber ^ßfjilofophie in ßeipjig) , unftreitig eine ber liebend* mürbigften (Sxfcheinungen be8 öorigen QabrfjunbertS unb ber ein- zige beutfehe dichter , bem griebrief) II. einige Slufmerffamfeit fchenfte. §1(3 9ftenfch mit Stecht hochgeachtet wegen feiner aufrtch* tigen grömmigfeit, feine« milben, menjehenfreunblichen ©tnne« unb feine« mufterhaften Sieben« , mürbe ©cflert al« dichter öon ben ßeitgenoffen , bie ihre Verehrung für feine ^erfon auch auf f^ne 28erfe übertrugen, über Gebühr gepriefen; benn feine Dichtungen jeidmen fich Weber burch ^iefe ber Slnfchauungen noch burch einen hohen ©ebanfenflug au* unb ftehen jum %tyü noch ganj auf ©ort* fcheb'fchem ©oben. 5(m gelungenen ftnb feine gabeln unb feine öoetifdjen (Stählungen , burch welche er hauptfächlich ber ßiebling be« SBolfe« mürbe, ©eine geiftlichen ßieber, öon benen öiele in ben proteftantijchen ßtrehengefang übergegangen finb, öerherrlichen öor*

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634 2>ic beutj^e fiiteratur im ahnten 3a$rf>imbert.

SugSroeife bic Oröße unb ©üte be3 Sd)öpfcr3, ttntrjeln aber, bem (Deifte ber Seit entfprec&enb , mefor in ber natürlichen , als in ber pofttio=cf)riftlicf)en Religion. ©ellert* bramatifd)e Sphingen, 8ufl* unb (Sdjäferfpiele, ftnb f)ö<f)ft unbebeutenb.

3u ber fäcfeftfc^cn (Schute gehörten auet) Oottficb SBitfjelm ftabener (geb. 1714, geft. 1771 $u $re*beu), ber ft<$ at* @a* tirifer einen unoerbienten SRufun erworben ; Srtebridj SBilWm gadjaria* (geb. 1726 ju Sraufenfmufen, gefl. 1777 al* ^rofeffor $u ©rauufebtoeig) , ber ©erfaffer tomiföer (Epopöen , für meiere er ficfj ben engUfctjen $trf)ter ^ope $um SJhifter genommen; ber Styrifer 3 o bann «bolf (Stieget (geb. 1721 $u SEetffen, geft. 1793 als fbnftftoriatratf) in #annooer), ber SSater ber berühmten SRomontifer Sfaguft Wilhelm unb griebrid) »on ©^(cgel , unb fein ©ruber 3ofjann (Sliafc ©Riegel (geb. 1718, geft. 1749), ber fiefj nicf)t ganj obne ©lücf in ber bramatifeben ^Dicfttfimft oerfudjte; ber ßptgrammatift 8braf>am ©ottfjetf Ä offner (geb. 1719, geft. 1800) u. «.

Ötfeidjjeitig mit ber ßeipjiger $id)terfcl)ule bilbete fid) #aße ein SMdjteroeretn , ber ftd> befonber« ber tyrifdjen fßoeftc juroonbte, baneben aber audj ba& ßebrgebia)t, bie 3bttfle unb bie befdjreibenbe $idjtung pflegte. $a3 ö^Dorrogenbfte SRttglieb biefe« „ijaüifajen" ober „preufctfifjen ^icfjteroereinS" war ffiwalb ©ljriftian oon pfeift (geb. 1715 $u göblin bei ßöStin, geft. 1759 ju granffurt a. b. Öbcr an ben Solgen feiner in ber €d)Iaajt bei #uner$borf ert)a(* tenen SBunben), ein fünfter, inniger, fentimentater , befonberft für bie Statur begeiferter Siebter , beffen £>auptgebidjt : „Xer Stfib* ling", toobl ba8 befte befdjreibenbe (JJebiajt ber $eutfdjen, fid) bura) liebltdje, jarte unb warme ©emälbe au$ bem Iänblio^en ©tittleben aii£$eid)net.

(£in ungleich geringered poetifdjefc Xalent , a(ft ßfeijt , befaß Sodann SSilljenn Subttrig ©leim (geb. 1719 ju (£rm&(eben bei |>alberftabt , geft. 1803 in $atberftabt) , ber in feinen „ÄriegÄlie- bem eine« preußtfdjen ©renctterS", bie Solf&tieber fein fottten, aber com SBolfe nie gefungen roorben ftnb , bie ©roßt!)aten Srieb* rid)8 II. oerfjerrlidjte. $en gleiten ©egenftanb roö^lte #art ©il* beim Garnier (geb. 1725 ju Dolberg, geft. 1768 in ©erlin) für feine oielgeprtefenen Oben, bie ftd) jroar burd) eine ^otje Sonn« oottenbung auszeichnen, aber nur müfyfam jufammengetragene @e* bauten enthalten. Ungleich höh** fte^en in biefer ©ejie^ung bie Oben oon Sßeter Sodann Uj (geb. 1720 ju 2ln$bacb , geft. eben* bafelbft 1796) ber, im <$egenfa$e ju Garnier unb ©leim, Don bem fiebenjä^rigen Kriege in jürnenbem ©roüe fingt: w2Bie lang 5er* fleifd)t mit eigner $)anb ©ermania üjr (Singeroeibe ?u

®ie eigentliche ©lüüje ber beutfd)en 5)ia^tung, ju toeld)er bie

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2)ie beutfdje Literatur im ad)t$efynten ^afyrfyunbert.

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gutgemeinten, aber feljlgefdilagenen ©erfudje biefer oerfcfjiebenen $)id) terfdmlen , burdj bie Sftadjalmtung auSlänbifdjer Jöorbilber ber beutfd)en $oefie neue« Seben einjuf>audjen , toenigftenS ben ©oben borbereiteten, beginnt mit bem Auftreten ßtopftodS. griebriet) ©ort* Heb Älopftod mar am 2. 3uli 1724 ju Dueblinburg geboren, »o fein SSotcr bie ©teüe eine» $ommifftonSratf)eS befleibete. 9fcadj= bem er feine SBorbilbung juerft auf bem ©^mnafium feiner S3ater* ftobt, bann auf ber berühmten ©dmlpforte erhalten, bejog er im 3a!)re 1745 bie Untoerfität 3ena, um Ideologie ju ftubieren, ging jebod) fd)on im folgenben ^ahxc md) ßeip$ig, too er mit ben Herausgebern ber „Wremer ^Beiträge" einen innigen greunbfd)aftS= bunb fdtfofj. *ftad) ber SBeenbigung feiner ©tubien nafjm er bie ©teile eine« §au%U1)xtx$ in fiangenfalja an, lebte bann eine Seit= lang bei SBobmer in Sflria^ unb ging im 3a^re 1750, ber Sluffor- berung beS bäntfdjen ÜRinifterS ©ernftorff folgenb, nad) ßooenfjagen, roo er üon bem ®öntg Sriebrid) V. einen Qaljrge^alt oon m'er* fmnbert Xfjalern erhielt. 3m Qafjre 1756 oerma^lte er fid) mit einer ^amburgerin, ber fpäter oon if)m unter bem tarnen „(Sibü" befungenen Sfteta Spoiler , bie üjm jebod) fdjon nad) brei Sauren burd) ben Xob entriffen tourbe. ÜRad) ber (£ntlaffung feinet ©önnerS ©ernftorff fiebelte er im 3afjre 1771 mit bem Eitel eines bänifdjen ßegationSratljeS nadj Hamburg über, too er am 14. 2flär$ 1803 im SUter üon neununbfiebjig Qa^ren ftarb.

Älopftotf toar ein $>id)ter im toafyren unb öoHen ©inne beS SBorteS, erfüllt oon ben fd)önften unb ebelften Qbealen, unb babei beutfd) in feinem gangen ©inn unb SBefen, beutfd) in feinem (£rnfte, toie in feiner ©emütljSinnerlidjfeit , beutfd) in ©itte unb ßeben, bciit(d) in feinen ©eftrebungen , lote in feinen (Erinnerungen unb Hoffnungen. Sfttt füfjner (Sntfd)loffenf)eit befreite er bie beutfaje *ßoefie öon ben Ueffeln ber 9£acr)af)mung unb fjob jugleidj feine SHutterfpradje burd) eine freie unb glfitflidje 33ef>anblung ju unge^ tDör)nlicr)cr $raft unb SBürbe. S)em beutfdjen ©inne ftlopftorfS ent* fprang fein tiefes ©efüf)l für ßiebe unb greunbfdjaft , fotoie jene fd)toärmerifd)e greiljettsliebe , bie ifm in ber franjöfifd^en SReöo* lution bie Sflorgenrötlje einer neuen Hera beS SBölferglücfeS erblicfen ließ, bis ir)rc nrilben ©räuel i^n aus feinem SEBafyne riffen. Wxt feiner glüfjenben SSaterlanbSliebe oerbanb ftlopftod eine begeifterte Hingebung an baS C£hriftcntf)umf bie ifm antrieb, ben ©rlöfer gum ©egenftanbe feiner erften unb gro&artigften Sttdjtung, ber „Sttef* fiabe", $u mahlen , ju melier er fd}on auf ber ©dmlpforte ben $lan enttoorfen. SBaS ilm ju biefer S)ia)tung begeifterte , war je- bodj nidjt ein feftgetouraelter , lidjtooller © l a u b e , fonbern ein tiefes, djriftlidjeS © e f ü f> I ; ba^er ift aud) feine SWeffiabe ntd)t eine in bem ©oben beS (SoangeliumS tourjelnbe, in ein poetifc^eS ®e*

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roanb geffeibete £eben«gefcfucbte Qefu , fonbcrn eine bortoiegenb \ty rifche Dichtung, bic auf ben tarnen eine* <5po* faum Hnfpruch machen fann. Den GJegenftanb berfclben bilbet ba« (£rlöfung«roerf, tüte in ber überirbtfdjen, unücfjtbarcn SBelt fich boüjogen, in ben SRathfcblüffen be« Sater« unb ben (Sntfchlüffen be« ©ohne« fich entfaltet hat, burdj fnmmlifche ©eifter borbereitet unb geförbert unb burdj bie #ölle bergeben« befämpft Horben, HUerbing« ift biefe« fehr gemagte $f)antafiegemälbc bofl ber erhabenften ©ebanfen , ber jarteften ©efüble unb ber üeblicbften ©chilberungen , $uglei<h aber auch boll 3Biaffirlia)feiten unb Ueberfchmängüchfeiten, in »eichen fich jebe ©pur be« feften, emften (Shriftenthum« ju berlieren broht. Dabei fet)(t bem SBerfe, an toetchem ftlopftocf na^eju fünfunbjn)anjig 3ahrc gearbeitet bie brei erften ©efänge crfchicncn fdjon im 3a^re 1748 in ben „Wremer ^Beiträgen bie fünf lefcten im 3abre 1773 ein f efter , «arer $lan unb bamit bic fünftlerifaje Ginheit.

Die eigentliche bichterifebe #raft tflopftotf« liegt in feinen, $um großen X^eile toahrhaft flafftfehen Oben, bie fich meift burch hohen (Sebanfenflug, (Srbabenheit be« 2(u«brucfd unb große Sollen* bung ber bem ®riedufdjen nachgeahmten ftorm au«jeichnen; boch ftcr)cn feine fpäteren Oben, in benen er burch fünftlich berfdjlun* gene formen unb Äonftruftionen mitunter böllig unberftänblich toirb, ben früheren bebeutenb nach- S3on ftlopftocf« gciftlidjen Sie* bern, in benen fich ein rein fubjeftioe« ©efühl«chriftenthum au«* f priest, finb feine 2luferftehung«lteber : „2Benn idj einft bon jenem <5d)tummer, welcher Xob hei&t, auferfteh'," unb: „&uferfteh'n, ja auferfteh'n roirft bu , mein ©taub , nach furjer Stuf?," fotoie fein Unfterblicbfeit«lieb : „©elig finb be« Gimmel« drben/ unftreitig bie beften.

$lopftocf« bramatifche Dichtungen, $u benen er ben ©toff t^eitd bem alten Xeftamentc („ber Xob Slbam«," „©alomo" unb „Da* bib"), tbeil« ber germanifchen Urjeit (,^ermann« ©chfacht," „$>er* mann unb bie Surften" unb „^ermann« Dob") entlehnte, finb burd)s au« mifcglücfte ©ct)öpfungen. Die lefcteren gaben, in Serbinbung mit $lopftocf« berfehltem Serfuche, ftatt ber griednfehen Anthologie bie nebelhafte norbifrfje in bie beutfebe ^ßoefic einzuführen, Seranlaffung $ur Grnttouflung ber Möglichen „Sarbenbtchtung," bie balb ein ©e* genftanb be« ©efpötte« mürbe.

(Stnen fd)arfen ©ontraft ju bem Dichter be« SJceffta« bilbet fein Scttgenoffc ©ottholb öphraün ßeffing. ©eboren am 22. Januar 1729 ju &amen£ in ber ßaufifc al« ber ©ohn eine« frommen unb gelehrten $rcbtger« , mibmete fich Öefjing gleichfaß« bem ©tubium ber Xhc°l°8«f 8" melchem @nbe er im 3afjre 1746 bie Uniberfttät Seipjig bejog ; er befchäftigte fich jeboc^ mehr mit ben fchönen S33if*

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3Me bcutfdje fiiteratur im ad)t$efmtcn Safjrfmnbert.

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fenfdjaften unb manbte fid) mit großer Sorliebe bem Xfjeater $u, für meldte* er fdwn bamal* $u bieten anfing, ftadjbem er fid) auf ben SBunfd) feine* Sßater* in ©Ittenberg ben SHagiftertitel erworben, lebte er, au*fa?lie&lid) mit fdjriftftellerifdjen arbeiten be(d>äftigt, ab* wedjfelnb in ßeipjig unb ©erlin, bi* er im 3af>re 1767 bie Sei* hing be* Xfjeater* in Hamburg übernahm. Seit 1770 £ofratf> unb ©ibliotyefar in SBolfenbüttel , ftarb er im 3af)re 1785 auf einem Hu*fluge nadj SBraunfdjmeig.

3n ßeffing* Dichtungen finbet fid) feine Spur Weber oon ber nationalen unb religiöfen Söegeifterung , nod) Oon bem fjoljen @e- banfenflug unb ber ©efü£)l*fa)wärmerei, bie un* au* f lopftod* Oben unb feinem Sfteffia* entgegenwefjen ; ebenf omenig finb biefelben (Srgüffe eine* müfjelo* fdjaffenben unb geftaltenben Didjtergeifte* , fonbern, wie er felbft fagtr Schöpfungen, „bie nur burd) Üritif unb 9caaV afjmung ermöglicht unb ^eroorgebraa^t worben." Dafür befaß jebod) fiejfing ba* p l a ft i f d) e (Element ber poetifdjen Begabung in ungleich [) oberem $rabe al* lopftod , unb wenn ü)m and) bie geftaltenbe Durchführung feiner Qbeen 3Jcü£)e foftet unb nur unter fteter Qu> ratt)e^iet)nng ber ilritif gelingt , fo fte^en bod) feine ©eftalten Har unb ooll uor bem bellen Spiegel feiner Seele.

öejfing* bielfeitiger Greift t)at fictj in üerfchiebenen Gattungen ber ^oefie oer(ua)t ; fein eigentliche* (Gebiet mar jeboa) bie brama- tifche Didjtfunft, bie bura) Ujn in neue Öahnen gelenft morben. Wadjbcm er in feiner „Hamburger Dramaturgie" bie franjüfijche Wejd]macfvrid)tung mit bem glängenbften Erfolge betämpft , bie «He- geln oon ben brei (Einheiten richtig gefteUt unb eine tief burrf)baa)te, menn and) nid)t jnftematijdje xUcfttjctit be* Drama'* gc jdjaffen hatte, gab er in feiner „©milia ©alotti," worin er ben Xob, ben bie Römerin Virginia uon ber £anb ihre* iöatcr* §ur Rettung ihrer Unfdmlb erlitt, in moberne £>ofoerhältniffe üerjefct, ein SJcufterbilb ber magren Dragöbie. Schon früher hatte er in feinem ßuftjpiel „3Jttnna oon Marnheim," ba* jeboa) etjer ben tarnen eine* Sdjaufptel* oerbient, mit entfdjtebenem ©lüd einen ©riff in ba* OoUe Üeben getfmn unb babei ben un^eilooHen ftebenjährigen Ärieg, bem er ben Stoff $n feinem Stüd entlehnt, fo gejdjirft behanbelt, baß ©örtje fpäter bie geiftreid>e söeinerfuug machen tonnte: H Lintia oon Marnheim Ijabe nach bem polirifd)en grieben jmtfehen Greußen unb Saasen and) ben grieben jmijcfjen ben ©emüthern bewirft , wenigften* im ©Übe bewirten wollen. "

Die bebeutenbfte bramatifa^e Dichtung Reifing* ift fein „yiatfyan ber SBeife," ein % enbenjftüd , ba* feine (£ntftetmng einem theolo* giften Streite be* ©erfaffer* mit bem §auptpaftor ©ö(jc in Ham- burg oevbanft. Diefe* SBerf , beffen ^e^etdjnnng „bramati)a)e* ©ebia^t" fajon barauf ^inmeift , baß ber Dichter ba*felbe nia)t in

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*;te ocut]aj€ XMteratnr im acprjegitien yaijrqunoen.

bie üblt^en bramatifchen Kategorien ein$uregiftriren mu&te, ift mc* niger ein £rama , al£ ein auf bie golie einer ^Begebenheit aufge* trageneS pbilofophifchsbialeftifche8 Shmfrroerf. Der ©runbgebanfe iffc bie Vereinigung ber brei monothetftifchen Religionen auf bem ©oben ber Humanität; bie eble Xoleranj, bie ba3 ©anje burdjiuefjen fofl, fommt jcbocf) am attermenigften bem Sljriftcnttjum $u ®ute. SBenn aber ber Dichter in ber bem Italiener SBocracio entlehnten SrjätV lung üon ben brei Ringen , bie JJrage , toelc^e ber brei Religionen bie roabre fei, aU unentfdneben r>inftcttt unb ben ©croci* für ben ächten Ring atiein in beffen bie ,§anblungen be8 SRenfchen beftim= menbe Kraft fefct, fo überfielt er, ba§ bie (SJefchichte biefen VetoeiS taugft ju fünften befc (Jbrtftentbumä geführt bat. Ter jambifche Sünfffiiler, ben ßefftng in feinem Rathan ftatt be& bis bahin ge« bräuchlichen OTef anbrinerS eingeführt, ijt feitbem bie beborjugte gorm be3 beutfdjen Drama'3 geblieben.

Unter ßeffingS profaifdjen SEÖerfen, bie ben ©runb ju einer gebiegenen ^rofa gelegt hoben, ragt befonberä fein burch 3BinfeI= mann« „®e{chi<hte ber ftnttft be* Hlterthum**' h«t)orgerufener wßao- !oon ober über bie ©renjen ber Walerei unb $oefie" fytttot , ein SBerf, baS fieffing* ganje SWeifterfdjaft im profatfdjen ©tile ent» hüllt, fieffingfc eigentlicher Veruf mar bie Kritif, bnreh luclcfje er im Döllen Sinne befc SBorteS ber Reformator bc8 Wefchnmcte geroorben, inbem er biefelbe mit ebenfobiel ©djärfe als unbeweglicher , rü<f* ficht&lofer Unpartetlichteit geübt. Durch feine theologifchen SBerfe, unter melden bie „(Jrjiehung bei Wenf c^engef c^lec^td " ben erften Rang einnimmt, ift ßefftng ber Vater beS fonfequenten, rationaliftU fd)cn ^ßroteftantiSmuS gemorben.

Ratten ftlopftocf unb öefffng bie beutfct)e Literatur üon ben Ueffeln bei franjofifchen Öejcranacte befreit, fo mißbrauchte ber geift« reiche SBielanb fein h^toorragenbeS bidjterifcheS Xalent jur Verbrei- tung ber (SncQflopäbiftenroeiftheit unb jur gurütfführung ber beut fchen $oefie auf bie Vafm ber Radjahmung franjöfifchen SBefenS.

Gfmftopb ÜRartin SBielanb, geboren 1733 ?,u Oberbolheim bei Viberach, roo fein Vater $rebiger mar, fühlte {ich anfangs burch ftlopftoctS Dichtungen angezogen unb gab feiner burch biefel* ben gemeeften nationalen Vegeifterung in feinem (5p „ftrminiuö" 2lu*brutf. Tiefe Dichtung berfchaffte ihm bie ©unft VobmerS, ber ihn ju {ich nach äürich einlub. SBäfjrenb feine« jtoei jähr igen Aufenthaltes im £>aufe VobmerS bietete er in ber Sftanier ber ©chtpeijerfchule ein religiöse« (SpoS „ber geprüfte Abraham," fomie eine grö&ere Slnjahl bon $>erotben, Briefe bon Verftorbenen an hinterlaffene Sreunbe $>umnen, Oben u. bergl., in »eichen er ber ftreng gläubigen Richtung hulbigte. ©alb jeboch lenfte er in eine anbere ©ahn ein, unb nachbem er im 3ahre 1760 Äanalei*

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2)ic beutfcfye fittcratur im ad^tje^ntcn 3af)tf)unbert.

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bireftor in ©tberadt) geworben, fdjlug feine retigiöfe ©djtoärmerei in ba$ entfdnebene ©egentljeil um. 3m $erfe1)r mit bem Greife fran* jofifd) gebilbeter Männer unb Stauen, bie ber ehemalige furmain* jifdje 9#inifter ©raf öon ©tabion auf feinem in ber SRälje Don SBiberad) gelegenen (SJute SBartfjaufen um fid) »erfammelte , mürbe SSielanb mef)r unb metyr nic^t nur für bie (Senüffe bei verfeinerten ©efeflfdjaf trieben* , fonbern audj für franjöfifdje Hnfäauungen ge= Wonnen, unb feitbem trat feine ÜDcufe in ben $ienft ber franjö* fifdjen SJretgeifterei unb einer frivolen ©umlief) feit. (Er gefiel fid) barin, lüfteme ©cenen mit t>erfü$rerifd)er ©erebtfamfeit auSju* malen, franaöfifdje ©alonwei&ljeit auSjuftamen , bem auslief** liefen Streben nad) irbifcfyer (SJlücffeligfeit ba$ SBort )u reben unb Steracfytung äße* £>Öl)eren unb Qbealen jur ©djau ju tragen. 5)ieä 2IUcö tlmt er junädjft in feinen „tomifdjen @r$<u)lungen," fowie in feinem Vornan „3)ie Abenteuer beä 5)on ©tilüio von Sftofaloa ober ber ©ieg ber Üftatur über bie ©c^wärmem," einer febmadjen %lafy a|mung be$ $on Duirote , unb in feinem „$lgatfjon ," worin er ba& griedufdje geben in bem frivolen (Reifte bei mobernen granjo* fenttjuntö befjanbelt. $)a3 ©efte, wa$ er in profaiföer Sorm ge- trieben, ift fein fatirifd)er Vornan „©efdjidjte ber Slbberiten,1' in meinem er in fjödjft ergbfclidjcr SBeife bie fleinftabttfdjen %i)oxf)ti* ten geigelt. SBielanb$ |>auptwerf ift fein romantifa)e$ (£po3 „Dbe* ron," ju meinem ü)m ein al tfr an^ ö f i f er) er sJtitterroman ben Stoff geliefert, ben er übrigen* me$r in ironifdjer SBeife be^anbelt. ßeidj* tigfeit ber Spraye , Sßottenbung im $er&bau , Srrifdje unb Slnmutt) ber Säuberungen verleiben biefem <&ebid)te, bad ©Öu)e „ein Üftei* fterftücf poetifdjer ®unft" nennt, einen eigentümlichen Sauber unb fiebern u)m für bie 3)auer eine eljrenoolle ©teile in ber beutföen Literatur.

9*ad)bem SBielanb im 3afjre 1769 einem Kufe als ^rofeffor ber ^ßcjilofopfjie nad) Arfurt gefolgt mar, mürbe ü)m im 3at)re 1772 von ber verwittweten £>er&ogin Amalie von ©ad)ien*2öetmar bie ©teile eine* ©rjiefjer* i^rer beiben ©oljne übertragen. 2lm 3öei* marifdjen $ofe , mo er mit $erber , ®üu)e unb ©djüler in JBeuu)* rung (am , unb auf feinem in ber 9t<w)e ber ©tabt gelegenen ©ute Ddmannftäbt, ba$ er von bem (Ertrage einer C&efammtaudgabe fei* ner SBerfe angefauft ^atte, verbrachte er bie lefete #älfte feine* £eben&, nod) vierzig forgenfreie 3a^re. (Er ftarb ju Söeimar am 24. Januar 1813.

$a& Auftreten $lopftocfö, SefjlngS unb SBielanbä tjatte, befon* berd unter ber beutfdjen 3ugenb , eine gemaltige ©ätjrung t)eroor= gerufen, unb ba3 mächtig angeregte S^ationalgefü^l trat junäc^ft in einem mafjlofen Umgeftaltung^brang ju Xage. sMii attem ^pergebra(J« ten follte aufgeräumt werben ; 2lHe* foüte urfprünglic^, genial origi*

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o^u scte oeutjcpc AMtercitur im aa)t$eqntcn yngrgunoert.

ncö fein. SRan nennt bafjer biefe Seit , bic ber rcidtften ©ntfal* tung oer Dcuticgen -iiajttunit oorangwg , Die jpenooc Der „«Taft* genieß4' ober, nac§ einem Don 9ftaj Jünger, bem leibcnidjaftlidjfteit unb ungebunbeuften biefer „ßtaftgenieS" geblatteten Xrama , bie „©turm= unb $)rangperiobe." SDie ©efafjren, bie biefeS anfangt regeHofe jugenblidje Streben für bie ©ntwitflung ber beutfdjen Site» ratur in firf) barg, würben abgewenbet burd) ba3 mebr unb meljr fld> Vafjn bredjenbe öofle Vcrftänbnifj ber alten ßlaffifer, fomie bura? bie (£rfenntni& ber Wotfjwenbigfeit, $ur alten VolfSpocfte $urü(f* jufeljren unb auf ben ©puren $omerS unb ©tyafcSpeare'S ju wanbeln.

$cr ®rfte , ber biefe «a^n mit glänaenbem Erfolge betrat, mar Sodann ©ottfrieb £ er ber, geboren 1740 ju Körungen in Oftpreufjen. $a$bem berfelbe in Königsberg X^eologie unb ijtyilo* fopf)ie ftubiert unb eine Scitlang bie ©teile eine* SefjrerS an ber Xomfdjule ju föiga befleibct tyttte, Würbe er SReifeprebiger be£ ^rinjen öon ftolftein, lebte fpäter als ©uperintenbent unb Kon= fiftorialratlj am $>ofe ju SBücfeburg unb fam im 3a$re 1776 burd) bie Vermittlung ©ötlje'S , ben er in ©trafjburg fennen gelernt , in ber gleiten ©igenfdjaft naa) SBeimar, wo er im 3a^re 1801 in ben Slbelftanb erhoben würbe unb 1803 als Vicepräfibent beS Ober- fonfiftoriumS ftarb.

©ajaffenbes poctifdjcS Xalent war Berbern nur in befdjeibenem 9fla&e ju Xfjeil geworben ; bagegen befa& er, neben einer burdj unb burd> Haffifdien Vilbung, nidjt nur baS feinfte poetifdje ©efüfjl, baS ifjn in ben ©tanb fefcte , bidjterifdje (£rfd)einungen jeber $lrt ju würbigen, fonbern aua^ bie (SJabe, bie öcrfdjiebenartigften Sßrobufte bcS bicr)tcrifct)cn üebenS frember Völfer in ben anjiefjenbften SRaaV btlbungen auf beutfdjen ©oben ju Derpflanjen. ©o entftanben feine „©timmen ber Völfer in ßiebern", in welchen er in meift ge* lungenen llebertragungen „l}icr in bie SreifyeitSluft alten ©rie* djenlanbS , bort unter bie M aftanien jdjatten ©paniend , jefct in bie Varfen ©icilienS jum Wbenbgrufc ber ^eiligen Jungfrau, bann an granfreidjS fangeSreic&en Jpof, über ben Kanal ju ben Reliquien SlltenglanbS unb in bie -Webelwelt ber ©Rotten, ja fogar über baS weite ä^eer und? ©rönlanb unb Sapplanb füljrt unb felbft ben wilben SRabagaffen unb Peruanern einzelne Xöne abgelaufa^t bat." (Srft narf) feinem Xobe erfduen fein w(Jib", ein SticluS fpanifa^er S^omanjen, ju einem romantifa)en (Spo4 ^ufammengetragen , baS fictj jwar , weil und) einer fran$öjtfd)en ^Bearbeitung ber (i ib ^Ko mannen ausgeführt, nidjt aQ^u treu an bie jpanifdjcn Driginalbia)* tungen anfa^liefet, bennoa) aber bad (5igent^ümlia)e beS füblia^en VolfSgefangeS trefflidj wiebergibt.

äftit befonberer Vorliebe fa^weifte Jperber hinüber in ben Orient, ju ber SBiege bed 9Kenfa>engefa)le4teS unb ber $oefte, unb brachte

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2)ie beiitfäe ßtteratur im adjtaelmten ^o^unbert. 641

ton bort befonberS bic Parabel* unb $aram9thien*Dichtung jurücf, bic auch in feinem ©emfithe am reichten fprofete. 2luch baS s2ln* benfen an bie mittelalterliche <ßoefie frifdt>tc er auf unb übertrug ben ®eift berfelben in feine Eegenben unb chriftlidjen #nmneu.

Sßie Seffing, fo ttrirfte £erber für bie Hebung ber beutfehen ßiteratur auch burch bie Äritif , bie er befonberS in feinen grag= menten über bie neuere beutföe ßiteratur" unb in feinen „fritifdjen Kälbern ober Betrachtungen, bie ©iffenjdjaft unb ®unft beS Schönen betreffenb", in geiftooHer, amar ftrenger unb mitunter felbft bitterer, immer aber burdmuS unparteiifcher SBeife übte. 93on ben übrigen profatfcr)en Sßerfen #erberS finb befonberS feine berühm* ten „Sbeen aur ^l>Uofop^ie ber ©eföicfjte ber ünenfcr)^cit" au er= mahnen, in melden er jeboch baS Ghriftenthum, baS er überhaupt nur öon feiner oft^ctifc^cn Seite ins Sluge ju faffen fid) gewöhnt hatte, feines übernatürlichen (SharatterS entfleibet unb als eine ein* fache „Religion ber Humanität" barfteflt , bie als ©ache beS ©e* mütf)S gar feiner Dogmen bebürfe , ba fic nichts SlnbereS beatuerfe, als bie harmonifche SluSbilbung beS natürlichen menfehlichen SBefenS.

Dem ©türmen unb drängen nach gänjücher Erneuerung ber beutfehen $oefie im Reifte ÄlopftocfS unb $omerS entfarang auch ber „ÖJöttinger Dichteroerein" ober ber „$ainbunb", au welchem im 3ahre 1772 mehrere 2flufenföhne ber ©eorgia Stugufta aufam* mentraten. Die h«*orragenbften ©lieber biefeS BunbeS »aren ©ottfrieb STuguft Bürger (geb. 1748 au SBolmeräwenbe im £al* berftäbtifchen , geft. 1794 au Güttingen, nach einem burch eigene ©chulb oergifteten Seben) , ber dichter ber „öeonore" , einer Bai* labe, bie ©Riegel „ben golbenen föing" nennt, „mit welchem ber dichter ftch ber BolfSbichtung ©ermählte'', ein reichbegabter , form« gewanbter dichter, beffen haKlofeS ßeben iebodj in feinen Dich* hingen nachgingt, in »eichen er balb au h^er Begeiferung empor* fteigt, balb in ben Don eines BänfelfängerS ^crabf äUt ; ber früh verstorbene fromme, biebere unb tieffühlenbe , boch mitunter attau fentimentale tfubmig ©hriftoph £öltö (geb. 1748 au SJcarienfee im 4>annöt)erifchen , geft. 1776); ber geniale, für Baierlanb unb ©lauben begeifterte ©raf Sriebrich ßeopolb au ©tolberg (geb. 1750 au Bramftäbt, geft. 1819 au ©onbermühlen bei DSna= brücf) , ber nach feinem Uebertritt aur fatholifchen Kirche eine treffe liehe, leiber nicht boflenbete „<&efchuf|te ber Religion Sefu" fdjrieb, unb fein ungleich weniger genialer ©ruber (SJraf (£h**iftian au ©tolberg (geb. 1748 au £annober, geft. 1821), Beibe üor* herrfchenb tyrifche Dichter; Sohann Heinrich Bo§ (geb. 1751 au ©ommerSborf in SKecflenburg, geft. 1826 als babijdjcr $ofrath unb Slfabemifer au #eibelberg), ber (ich burch feine Ueberfefcungen mehrerer alter Älafjtfer, befonberS bie beS Jpomer, bei welcher er fcolatoartö, «Beltflef^tc VL 41

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für bic beutfche 9Rf)fytf>mif, namentlich für bcn ^ejometer, &uerft bic Regeln gefunben , ein ungleich grögere* ©erbienft um bic beutfche fiitcratur erworben, al* burch feine atoar öielgepriefenen, ober afl$u fct)r im SWaterieflen ftch oerlierenben Sbtotlen , unb ber unter bem felbftgemählten dornen be* „SBonbSbecfer SBoten" betonnte SBolf** bitter 3RAtf»a& Glaubiu* (geb. 1740 ju fflfjeinfelb im §oV fteinifchen, geft. ju Hornburg 1815), ber mit acht beutfeber ©emütt> lichfeit unb einem lieben*roürbigen §umor einen mormen (Sänften* glauben oerbanb.

$er ©türm« unb Drongperiobe gehört au* bie erfte Qtit ber bichterifdp SBirffomfeit ber beiben $eroen unferer ßiteratur, <8ött)e uno ^cptuei an , mit oeren oereintem roetteifernoen otreoen am £ofe ju SBeimor bie eigentliche GUanjperiobe ber beutfajen $icht* fünft anhebt.

3ot)onn SBolfgang ®öthe mar om 28. «uguft 1749 $u granffurt o. 9H. geboren, n>o fein ©ater al* $>oftor ber 9ted)te unb faiferlicher SRath in angefet)enen SBerhältniffen lebte, 9cachbcm er im elterlichen $aufe eine äu&erft forgfältige @r$iehung genoffen, bejog er im 3at)rc 1765 bie Unioerfttät ßeiojig, um bie fechte ju ftubieren. 3m 3ot)re 1768 burch fitanfheit jur SRütffehr nach granffurt genöthigt, oerblieb er bort anberttjalb Jalnc unb ging bann im Wpril 1770 jur Öeenbigung feiner ©tubien nach Siran bürg, bon mo er 1771 mit bem Xoftortitel in fein iBaterhau* ju« rütffefjrte. Qn ben beiben folgenben Qahren mar er al* Äbbofat bei bem 9tetch*fammergerichte ju SBeJlar thätig. §ier bietete er feinen „®öfc bon ©erlidungen*, ein unübertroffene* SRufterbifb ber oaterlänbifchen föitterfchaufpiele, unb feinen auf einer %\)at\aty be* ruhenben Vornan „SBerther* Seiben", in melchem er, um fich felbft bon einer hoffnungdlofen Siebe $u feilen, bie ©eelenqualen eine* jungen SHanne* fchilbert, ber burch eine unglücflidje Seibenfehaft $um Selbfrmorb getrieben toorben.

3m 3ahre 1775 ftebelte @öthe, einer Sinlabung be* fterjog* #arl Sluguft folgenb, nach SBeimar über, too er 1776 jum gehei* men £egation*rath , 1779 gum mirf liehen ©eheimerath unb 1782, unter (5rh*&ung in ben 9Ibel*ftanb, jum Äammeroräfibenten ernannt mürbe. SRachbem er bereit* im %at)Tt 1779 mit bem $erjog bon SBeimar bie ©chweij bereift ^atte , unternahm er im $afyxt 1786 eine Steife nach Italien, mo er jioei Jahre lang ben ernfteften Äunftftubien oblag, feine, urfprünglich in $rofa gefchriebene „3Phi* genie in Zaurid" in harmonifche Sßerfe fleibete unb feinen „Torquato Xaffo" bietete. s3cach feiner föüdfeljr nach XBeimar ooüenbete er feinen bereit* früher begonnenen „(Sgmonf unb ben erften feine* grofeartigen 9Heiftermerfe* „gauft". SRit bem 3ahre 1794 beginnt bie Qtit feine* 3ufflmmenmirten* mit Schiller, melier neben

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3)te bcutfdje fiiicratur im ac^tjc^nten 3al)rljimbert.

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oieten feiner fdjönften Heineren 5)idjtungen : ©atlaben, fyrifdjen unb bibaftifdjen ©ebia^ten, fein „SReinecfe gud)&" nnb ba$ ibnflifdje (Epo8 „^ermann unb $>orotf)ea", foroie fein SRoman „SBtffjetm SReifterfc ße^rjo^re" unb feine für bie öon i^m unb ©djifler gemeinfam rebi« girte «Seitfdjrift »bit $oren" tterfafjte gefdjidjtlidje ©ftjje „*Ben* üenuto Gelltni" angehören. Warf) bem Xobe ©dnllerS, ber in ©ötije'a Seben eine unauäfütlbare Sücte gesoffen , entftanben fein Vornan „bie SBatyloermanbtfdjaften" unb feine ©elbftbiograptyie „2luS meinem Sieben, Söatjrljeit unb $5u$tung", an toelc^c fid) fpä* ter „TOtyetm SJceifter« SBanberjaljre'' unb ber jtoeite X^eil be« „Sauft" anfötoffen.

3m Qabre 1815 würbe ©ötf>e jum erften SBeimarifdjen ©taatäminifter ernannt; er jog ßd| jebod) im 3a*>re 1828, nadj bem Xobe be3 $>erjog8 #arl ?(uguft , öon allen ©taat&gefdjäftcn jurütf, um au$fd)Iief}lidj feinen fdjriftfteUerifdjen Arbeiten $u leben, unb ftarb am 22. SJcärj 1833, im Hilter Don breiunbadjtjig 3ab,ren.

®ein £)tdjter ber neueren Qdt fjat auf bie (Sntrouflung ber beutfdjen Literatur einen tiefergeljenben unb uad)f)al tigeren Gin flu & ausgeübt, atd 03ütbe. 6r öoHenbete bie ^Befreiung ber beut« fdjen Sßoefie öon ttnflffirlidjem ©efe$e3jmange unb ifyre 3urücfffif)s rung jur 9tatur unb 2BafjrI)eit unb erfdtfofj berfelben, inbem er fte mit bem fieben oerflodjt, eine unerfdjöpflid)e Cuefle be3 mannig« faltigften Stoffe*. SBenn aud) nid)t alle feine $>idjtungen feiner roürbig finb, fo bat er bod) in allen Gattungen ber $id)tfiinft 9Jcuftergi(tige3 gefrfjaffen: im einfachen ßiebe mie in ber erhabenen, fdjmungöollen Dbe, in ber Plegie, ber Stoman^e unb ber Söallabe tüte im Epigramm unb in ber ©atire , in ber ®omöbie mie in ber Xragöbte, im (Spoä mie im Romane. 2)a6et trägt jebe feiner $id)tungen ein inbimbueHeS (Gepräge, in golge rein objeftioer 91uf* faffung unb Jöefmnblung be8 ©toffs. Slber nidjt mitten im ©türme ber fieibenfdjaft, nid)t in ber unruhigen (Srregtfyeit be£ klugen* Miete fdmf er bie fünftlerifd)e gorm für bie Um brängenben ©e* füfjle; ba^er bie plaftifdje SRulje, bie Weitere, befriebigenbe £>ar= monie ber gorm unb be* 3nfjaiie3, bie feinen $idjtungeu einen fo Ijofjen SRetj oerleifjen.

2)er glanjootten ßidjtfeite ber ©ötlje'id)en 9Jcufe fefjlt jcbo<§ bie ©djattenfeite nid>t. $er Naturalismus, in meinem @ött)c'd <£l)ri* ftengtaube untergegangen, mar für ifm nict)t nur baS $>öd)fte, fon* bem (Eines unb 2ÜIeS. „$aS Sebcn ber «ölfer", fagt ßinbemann, „muffte er md)t in ben redeten 3ufammenf)ang ju bringen ; öon SBaterlanb&Iiebe ift faum eine ©pur; bad ^olitifc^e ^ielt er fid), tote fein eigener üorneljmer 3ludbrud lautet, ,oom ßeibe'; #älte unb ÜKi^trauen fe^te er ber begeifterten (£rf)cbung ber beutje^en Nation entgegen. 5)er religiöfe 3ug fanb in btejer ©eele feine an«

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644 $ie beutfcbe fitterahrr im ncfftjefmten Sahrfmnbert.

flingenbe Seite; bic gürfttn ®alifein ocrmoc^tc fein naturaliftifdjea (£rebo nicht ju erfchüttern: glcichgtltig nat)m er ihren SlbfcfnebS* Wunfch f)in, ihn, wo nicht fner, boch bort mieberaufehen. $ie eige* nen ©lauben3genoffen waren nach biefer Seite f)in ohne aflen (£tn= fluß auf ilm. (Sine 9caturreligion r)atte bereit« ber &nabe für ben #au$bebarf fich entworfen; fpäterc 3aln*e führten fogar jur ent= fduebenen geinbfehaft gegen ba3 S^riftent^um 1).m

griebridj ©filier (im 3a^re 1802 öon bem $er$og öon SSeimar in ben Slbelaftanb erhoben), ber mit @Jött)e um ben t)ö* fjern fßrett ber beutfehen Sprache uub SHchtung ringen foüte, war am 11. Wooember 1759 ju SKarbach geboren. 3)er Stellung fei* ne3 $ater$, eine« Württembergifchen $auptmann3, oerbanfte er feine Aufnahme in bie fpäter unter bem tarnen „$arl3fchule" $u einer Slfabemie erweiterte unb nach Stuttgart »erlegte Wttitärfc^utc auf bem Schlöffe ©olitube, wo er Anfangs bie fechte, bann SKebijin ftubierte. Wach beftanbenem ©ramen Würbe er im Safjre 1780 als «Wiütärarjt angeftellt. ©chon auf ber Startäfdjule, wo bie Strenge ber XtSciplm feinen Dppofitiondgeift , unb etngcfämuggeite fieftüre, befonberä ber ©öfc bon Söerlichingen, feine ^egcifteruug für baS Ityattx werfte , hatte er feine „SHäuber" gebietet , bie im Saljre 1783 in 9flannt)ctm jur Aufführung famen. $a er biefer SöorfteU lung ohne Urlaub beigewohnt, erhielt er einen meraehntägigen Sir* reft unb mürbe aujjerbem mit Seftungör)aft bebroht, falls er noef) etwas fct)rcibcn werbe, was nicht in fein gach gehöre, $teS bewog ihn, fetner £>eimath ben Ütürfeu ju menbeu. (Sr entfloh nach SJcann- heim unb öon bort nach Fauerbach bei 9)ceiningen, einem ©ute ber grau oon SBoljogen, mo er freunbüd) aufgenommen mürbe. 4>ier ooüenbete er ben „gieSco" unb „Kabale unb Siebe", jmei Xragöbicn, in benen noch, mie in ben „Stäubern", bie regellos auf* ftrebenbe Sraft unb bie auSfchmeifenbe ©mpfinbung in üielfa^en Uebertreibungen unb ilnwahrfcheinlichfeiten $u Xage treten.

3m 3at)rc 1783 erhielt ©etiler in aHannheim bie Stelle eineä StjeaterbidjterS ; ba Lt)m jebod) fein bortiger Aufenthalt burch mancherlei llnannel)mlic^feiten herleitet mürbe, fiebelte er im 3ahre 1785, ber ©inlabung mehrerer greunbe folgenb, bie feine SBerfe ihm gewonnen hatten, nach Seidig unb öon bort nach Bresben über. 3n bem nahegelegenen $orfe ttofchmifc, auf bem ©ute feine» greunbeS Börner, beS iBatcr^ Stjeobor ftörnerS, oollenbete er feine bereit* in 2)fannt)eim begonnene Xragöbie „$on IfarloS", in welcher er ben geiftig wie forderlich üerfommenen ©ofm ^ßt)ilippd II. jum Xräger be» eigenen politifdjen unb religtöfen SiiberaliSmud machte.

1) (£inc meif Jerhof te, auf ben ciugehenbften Cuellenftubicn beruhenbe ©io^ grnpt>ic unb G^arafteriftif ööthe'« gibt Baumgartner, ©öthe, ©etn iJebcii unb feine Söerfe. 3 ©Änbe. greiburg 1885.

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SMe beutfcfa fiitercttur im ad)t$elmten $af)n)unbert.

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3m 3af)re 1787 lernte er auf einer föeife nadj Söeimar Sperber unb SBielanb unb im folgenben 3a&re bei einem ©efudje in 9tu* bolftabt O&ötye fennen, auf beffen SBeranlaffung er im 3af)re 1789 außerorbentlidjer <ßrofeffor in ber p^itofopf» ifd&en gafultät ju Qena mürbe. #ier befdjäfttgte er fia? faft auSfd&ließlid) mit bem Stubium ber ®efc|idjte unb ber $f)ilofopf)ie, bie fortan bie beiben fieitfterne für fein bidjterifdje« Staffen würben, unb fdjrieb auger mehreren Heineren, burdj l)olje gormüollenbung fjerüorragenben, aber $um Xfy'il ganj bon f)eibnifd)en Slnfdjauungen burdjbrungenen bibaftifa> refleftirenben ©ebbten („9iefignation\ „bie ©ötter GJriedjenlanbä", „bie ^ünftler" u. a.), feine beiben, bur$ unleugbare öorjüge in ber £arftellung beftedjenben, aber nad) feinem eigenen ÖJeftänbniß (f. öb. V. <3. 521) üoUftänbig un$uöerläfftgeu <&efdndjtämerfe, ben „Sfbfall ber ftieberlanbe" unb ben „breißigjäljrtgen ®rieg" , foroie feinen unöoüenbeten Vornan „ber (SJeifterfe^er".

35ie reidjfte unb Ijcrrlidjfte Dtdjterperiobe ©c^UIcrd beginnt mit feinem im 3a^re 1794 mit ®ötl)e gefdjloffenen Sreuubföaftäbunb, ber einige Qafyre fpäter, 1799, feine Ueberficblung nad) SBeimar jur 5oIge ljatte. 3n SSeimar fdjuf ©djifler außer feinen fdjönften lürifa> bibaftifdjen 2)idjtungen (bie „©loaV, ber „Spaziergang" u. a.), Söaßaben unb föomanaen („föubolf öon $>ab3burg", „ber $ampf mit bem 2)radjen", „ber ÖJang nad) bem @ifenf)ammer" bie alle ein burdmuS d)riftlidje3, fpejietl fatfjolifdjeä (Gepräge tragen, „bie ®rauid)e beö 3bt)fu3" u. a.), feine öoüenbetften, unübertroffenen bramatifdjen $idjtungen: bie SBaHenftein-Xrilogie „2ßallenfiein3 £ager", „bie beiben $iccolomtni" unb „SBaüenfteinS Job" (1799), feine groß- artige ©djöpfung: „Üttaria Stuart" (1800), in melier ber $)id)ter bie fdjönften unb ergretfenbften ©teilen au$ ber $oefie beä $atfjolici$* muä fliefjt ; „bie Qungfrau r»on Orleans" (1801), roorin er ber £>elbin 3ranfreid)3 bie Glorie jurütfgtbt, bie ber fridole Voltaire ihr ju ent- reißen gefudjt; „bie iöraut r»on TOeffina" (1803), eine Xragöbie, in roeldjer Schiller ben verfehlten Söerfud) madjte, bie antife 2d)tcf jaUtbee unb mit berfelben ben altgrtedjifdjen (£f)or in bie Sragöbie roieber emjufüfjren, in ben ljerrlidjcu G^orgefängen jebodj ftdj $u bem ^pöa^ften unb Qtbelften in ber refleftirenben Surtf emporgefdjnmngen fjat, unb „SBtüjelm SelT' (1804), ©dnllerS ©djtoanengefang, mortn erbieQbee ber 3frctr)ett, für roeldje er fett fetner frü^eften 3ugenb geglüht, in ber rennten unb objeftioften SBcifc barfteflt unb bad üon ifjrn uie gcfefjeue <5d)n)ei$erlanb mit einer Xreue unb Sebenbigfeit fdnlbert, baß, roie ©djroab fagt, 3eber, toeldjer ben „$efl" früher, alä er in ber Sdjinei} mar, gelefen Ii a t , roemt er nun biefe ©egenben fielit, fie fdjon einmal im üerflärenben Iva um geflaut $u haben meint.

2ln ber JßoHenbung einer weiteren Iragöbie, für roelc^e er baä tragifa^e ©cfa^td be^ ruffifc^cn ^ronpratenbenten Demetrius

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$ie beutfdfc fiitcratur im ödjtjefmten 3af>rf)imbett.

jum ©egenftanbe gemäht, würbe ©djiller burdj feinen frühen Xob oerfunbert. ©on einer ^Reifc nad) ©erlin, wo ifjn #önig Srieb* rid) 2Büf>elm III. vergeben» jurüdjufjalten fudjte, fränfelnb nadj SBeimar jurücfgefefjrt, fiedjte er rafd) bafnn unb ftarb am 9. 9Wai 1805, im Hilter oon fedjSunbbterjig Sauren.

„©djifler", fagt Sinbemamt, „ift oor ©ötlje ein Siebting ber Nation, öor 5111cm ber SteMing ber 3ugenb unb ber grauenmelt geworben. 3n ber fdjwungfjaften, fdnflernben $rad)t ber 5>arfte(* lung l)abcn Utadmfjmer ifm ju erreichen gefugt ; mehr als ba* mußte bie $ofjeit, ber Slbcl feine* SBefenS feffeln, bie feine SBerfe über bie ©ötf>e'S fteden. 3n feine religiöfe ©efinnung bürfen mir nur einen fd)üd)ternen ©lief werfen: er fud)te ein (Sljriftentfjum of)ne (Sfjriftufc ; ba« äftfjettfdj ©diöne , ba& er in bie Legion be£ etf)i}d) ©uten erfjob, mar feine Religion, mit ber er fein ©olf Bit* ben unb ergeben wollte. $ie lefeten Lebensjahre jetgen ben gort* fdjritt, baß er baneben bie ©ebeutung ber pofitioen Religion er* fannte, jum ©erftänbniß ber djriftlidjen ©ergangenfjeit borbrang, eine fittliaj^riftlia^e SBettanfdjauung in feinen SSerfen ausprägte unb bafjer gewiß aud) wo^I im 3"wem djriftlidje Hnflänge oernaljm. SBie weit fein ftrebenber ©eift auf biefer ©af)n gelangte, baS Uegt nur öor ben Wugen beä OTmiffcnben offen; oon einer ,(Sonöerfionl beS $td)ter3 fpre^en unb ifjm feit 1792 ,feiner innerften Neigung, ©e= ftnnung unb ©eftimmung nadj als (Styrift unb ßattiolif4 ^inftetten, baS Reifet boaj ben ©riefen unb 2leußerungen ©duflerS miberfpredjen."

©on ber großen Qaty oereinaclter Srtd&ter, bie fid) in ber jweiten #ätfte beä aa^tje^nten 3al>rf)unbert3 auf ben oerfdnebenen ©ebicten ber $oefte öcrfudjten unb tfjetls nod) ber früheren ©e* fd)tnacf3rid)tung ^ulbigten, tf)eil& fid> mit einer äußeren s:ftaa> a^mung ©ötfje'S unb ©dnHerS begnügten, feien t)tcr nur nod) furj erwähnt: ber elfäffifaje gabelbic^ter $feffel (1736-1800); ber geniale, aber üerfommene Lörifer ©d)ubart (1739-1794), ber feine s2luSfd)weifungen mit ^einjähriger ftrenger |>aft auf bem ©d)loffe £ot)enaaperg büßen mußte ; ber gewanbte, aber aüju ele* gifdje SKaturmaler 9}Utt^iffon (1761 1831) unb fein ©elfte** Oerwanbtcr Sali* (1762—1834); ber rl)ctorif*e Siebge (1752—1841), ber ©erfaffer beä oielbewunberten, einer pofitiö djriftiiajcn ©runblage jebodj entbetyrenbeu £cf)rgebid)te$ „Urania" ; ber fenttmentate 3bt)flenbid>ter £o fegarten (1758—1818); ber bramatifdje $itf)ter Sffianb (1739—1814), beffen nur auf föü> rung beregnete ©d>aufpiele ihren ©toff bem bürgerten Leben entnehmen, unb ber frioolc Luftfptelbichter ftofcebue, ber, 1761 in SBeimar geboren, nad) einem oielbcwegtcn Leben im 3ah™ 1819 511 ^Naunheim oon einem fd)Wärmerifd)en ©urfa^enfa^aftler, bem Äanbibaten ber Ideologie Sari 6anb, ermorbet Würbe.

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2)te beutfdje fitteratur im ad&t$e^ntcn $al)rf)unbert.

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Auf bcm ©ebiete bcr beutfdjen $rofa , bic burch ßeffing, ©ötfje unb £erber $u ihrer ^öc^ftcn Stoflenbung geführt nmrbe, ragt befonberS bcr um bic Verbreitung eine* richtigeren Verftänb* niffeS ber antifen #unft hochtoerbiente 3oljann 3oad)im SB i n l e U mann ^eröor. ©eboren 1717 511 ©tenbal in ber AIrmarf als ber ©ofm eines armen ©chuhmadjerS, ^atte er nur unter ftetem ßampf mit Langel unb Entbehrungen aller Art $u §atte unb Qena bie ©tubien machen fönnen, $u benen fein S&iffenSburft ü)n brängte. ©ettbem er Gelegenheit gehabt, in DreSben bie reichen, bort ange- fammelten ^unfrfc^a^e beä AlterthumS burd) eigene Anfdjauung fennen ju lernen, mar jein fjeifeefter SBunfd), in SRom bie Äunft ber Alten ju ftubieren ; biefer 2Bunfch ging jebodj erft im 3al)re 1754 naa) feinem Uebertritt $ur fatholifdjen Kirche in Erfüllung. *Rad) einem bierjehnjährigen jehr glütflichen unb für feinen Smed im reichten äflaße ausgebeuteten Aufenthalt $u föom, beffen Ergebnis, außer mehreren Abhanblungen über einzelne gragen ber Äunft, feine berühmte „©efdnchte ber Shmft beS Altertums" mar, moUte er im 3af}re 1768 fein Vaterlanb noch einmal befugen ; bod> fchon in lürol trieb ihn eine untoiberftehüche ©ehnfucht nach bem ©ü* ben äurücf. Er reifte über SBien, mo er üon ber ßaiferin Sütaria Xherefia aufs £>ulbt>ollfte empfangen unb reich befchenft mürbe, nach $neft, um fich bort nach Ancona ein$ufchiffen. Allein er fam nicht meiter: am 8. 3uni 1768 erlag er bem 3Rorbftahl eines nach Hnen äunftfchäfceu unb ©olbmünjen lüfternen QtalienerS, ber mit ihm in bem gleichen ©afihofe mofmte. lieber SBinfelmannS blühenben, eleganten ©til fagt ©öthe: „$ie flaffifche SBürbc, bie großartige 9iuhe ocrlaffen ihn im ()öc^ften ©chrounge ber Söegeifte* rung nicht; mährenb feine ©ebanfen wie bie fchmerrouchtigen ©uieße ber ^omerifchen gelben anbringen, treten fte bennoch ttar unb fdjarf gefchnitten tytbox, mie bie giguren auf ben gried)ifchen ©emmen."

Unter ben ©efchid)tfchreibern beS achtzehnten SahrhunbertS nimmt unftreitig S^h^nneS oon SRütler (geb. 1752 in©chaff* häufen, geft. 1809 in Gaffel), ber fich °en $acituS jum üKufter nahm , jeboch auch $crobot unb ^^ufrjbibud , fonne bie alten ©chn)eijer*(£hronifen auf fich einnrirfen lieg , bie erfte ©teile ein. Als UReifebefchr eiber oerbient Ermahnung ©eorg 5 0 r ft e r (geb. 1754 in Dftyreußen, geft. 1794 in SßariS, mohin ihn feine glü* henbe SBegeifterung für repubiitanifche 3°*cn geführt), ber als acht* zehnjähriger Qüngling ben englifchen Kapitän Eoof auf feiner 8fteife um bie SBelt begleitet hatte, ©eine ©a)ilberung biefer Steife jeich* net fich Durd) cinc geiftreiche, anfehauliche unb förnige SJarftettungS* meife aus.

Auf bem ©ebiete ber bibaftifdjen $rofa finb als Nachfolget

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Sd)ti*ben unter ©uftaü III.

fieffing« jii ermähnen : bcr 93udjf)änMer (Sl)riftopl) Sriebridj SR i c o* lai (1733—1811), bcr burd) feine bie gefammte ^riftU^e SBelt* anfdmuung befämpfenbe „Allgemeine ©ibliotfjef ber frönen SBiffen* fäaften" bie ©adje ber „«ufflärung* förbern fud)te ; 2H o f e « SR c n b et if O 1) n (1729—1786), ber feinem Ofreunbe ßef jtng $u beffen „SRatyan" mandje Büge geboten flauen foß; S^riftian ®aröc (1742—1798) unb Sodann 3afob ©ngcl (1741—1802), bem nidjt feiten gelang, bem ©tile ßeffing« nalje $u tommen.

SBä^renb 9Henbel«foIjn, ©aröe, (Sngel u. H. bie ^t)iIofopr)ic burd* populäre £>arftellungen bem größeren <ßublifum pgängltcr) ju machen fugten, führte ber König«berger <ßrofeffor Immanuel Kant (1724—1804) fie mieber jur ftrengften ©iffenfdjaftlidjfeit jurücf. Kant« pfulofopfjifdje« ©tjftem, bie fogenannte „fritifdje s£f)i= lofopfjie", beruht auf bem ©ebanfen, ba& bie menfd)lidje Vernunft jmar $ur (Srfenntnifj be« Ueberfumliajen unfähig fei, aber burcr) ba« in ir)r fetbft fid) berfünbigenbe ©ebot ber $fü$t 5«nt GJlau* ben an (Sott, Xugenb unb Unfterblidtfeit genötigt roerbe. $er Glaube ftü^t fteft nad) Kant nierjt auf bie göttliche Offenbarung, fonbern auf bie gorberung bcr „praftifdjen Vernunft", b. Ij. be« ©euriffen«, au« bem ftdj fein ganzer Qn^alt enttotrfeln Iaffe. $a« Gf)riftentl)um ließen bie Anhänger ber Kanrifdjen ^Inlofopfne, bic balb, toeil bem 3eitgeifte ganj entfpredjenb, bie ööUige Dbmadjt ju erlangen fdnen, nur infofern gelten , al« burd) ben aufgef lärten 3eitgeift ju öerooflfommnen fei.

XXXVII.

weben nutet Quftav III.

(1771—1792.)

©uftabä III. StaatSurawaljung.

(1772.)

311« ber oon ben fdjmebifdjen ©tänben im ©inöernefjmen mit ber (£jarin (Eltfabetfj jum SRadjfolger be« finberlofen König« grieb* ridj I. beftimmte Jperjog Slbolf griebrict) oon #olftein*(3Jottorp im Qafjre 1751 ben fdjtoebifdjen Xfyron beftieg (f. S. 284), mar ba« Königtum bereit« jum blo§en ©djatten fjerabgefunten ; bennod) fudjte ber in bie Parteien ber 9ttu$en unb |>üte gefpaltene, in fei= ner $>errf(f)fud)t aber einige Slbel, ber alle ©eroalt an fid) geriffen fyatte, bie 9ted)te ber Krone nodj mefyr ju befd)ranfen. Söci feinem jRegie» rung«antritt mußte ber neue König nidjt nur eine SBerfidjerung«afte

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©uftöü« III. (BtoatSumwälaimg. 649

über bic Unoerlefclichfeit bcr beftefjenben Sßerfaffung unterzeichnen, fonbern auch ba* feierliche SSerfpredjeit geben, bafi er bie föeict}** ftänbe ihre* ihm geleifteten ©ibe* für entbunben halten merbe, roenn er jemal* gegen biefe föntgltdje Serfte^erung ober gegen irgenb ein Don ben 9teich*ftänben erlaffene* ober noch $u erlaffenbe* ©efefc hanbeln follte. <£* erfolgte nun eine SReihe neuer (Sefefee, bie bem ftönig ben legten SReft oon üttacht unb Slnfehen raubten ; Der* fügte boef} eine« berfelben, bog in allen 9tegierung*erfaffen ber Sßame be* £önig* burd) einen Stempel beigelegt werben fotte, wenn bie Unterfchrift auf atoeimatige* Slnfuchen be* 9teid)*rath* nicht er* folge, ©elbft in bie Angelegenheiten be* föniglichen $aufe* griffen ber Slbel unb bie ©täube entfd)eibenb ein. (Sin SBerfuch ber öon ben £>üten unterbrueften Sflü&en, ber föniglichen (SJemaft mieber etma* aufhelfen, fdjeiterte an ber Unentfchloffenheit be* ftönig* unb biente nur ba$u, bie 9flacht ber §üte $u befeftigen, inbem bie* felben bie Einrichtung ber §aupturheber ber $8erfcr)mörung, be* ©aron* #orn unb be* trafen ©rahe, burchfefcten. $ie SRifjerfolge ber fchtt>ebifchen SBaffen im fiebenjährigen Kriege, in melden ©chme* ben burch bie $üte r)ineingerif(en morben, öerfcr)affte jtoar ben 9Jcüfcen mieber ba* Uebergeroicht ; be* Königs Sage mürbe jeboct) baburdj in feiner SBeife öerbeffert, ba berfelbe nun mieber oon bie* fer Partei töraunifirt mürbe.

Um auf bem 9Reich*tag eine SSeränber uug ber Sßerfaffung burch5 jufe(jen, forberte ber $önig im Qahre 1768, im (rmoernehmen mit ben $üten, bie «Sufamnttn&^ufung oe* 9teich*ftänbe. $er SReid)** rath roiberfetjte fich jtoar biefer Sorberung, gab jeboct), au* gurdjt oor einem $Bolf*aufftanbe, nach, als ber $önig burch bie lieber* legung ber Regierung alle SBehörben be* Sanbe* außer Xfjätig* feit fefcte.

i>er auf ben 26. 2lpril 1769 nact) 9corföping jufammenbe= rufene fReicr)ötag jog ben 9teich*rath megen feine* Verhalten* jur Söerantmortung, unb bie meiften SDcitglieber berfelben mürben it)rer ©teilen oerluftig erflärt; nicht*beftomeniger fielen bie beabficr)tigten 93erfaffnng*änberungen buret), unb ber Sfteich*tag trennte fich mit ber (Srttärung, bafi jebe Neuerung unjmecfmögtg fei.

2Ba* ber Äcmtg 5lbolf fjriebrict) nicht t)atte erreichen fönnen, follte feinem ©oljn unb Nachfolger ®uftao III. gelingen, unb jmar burch ba* fühne Littel einer oon bem Zf)xom felbft ausgegangenen 9teöolution.

© u ft a o III. , ein geiftreidjer , fcharf61icfenber unb füfjncr 3ürft, ber mit einer eblen Haltung eine ^er^gen^innertbe Sieben** tuürbigfeit Oerbanb, hotte al* ^ronprinj ben Abel über feine $Be= thciligung an ben Öeftrebungen feine* iöater* jur 2öiebert)erfteHung ber föniglichen ©elbftftänbigfeit burch fcheinbare ©teichgiltigfeit gegen

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G50

(Schweben unter ©uftat? III.

ade (Staatsangelegenheiten $u tauften gewußt. (£r war eben auf einer föetfe nach granfretch begriffen, al« ber %o\> feine« SBater« it>n im 3at)re 1771 auf ben fchwebifchen Xtjron betief. S)ie unbefchränfte Äönig«gewalt , bie er am £ofe $u Verfaule« fennen gelernt t)attcr mußte ilm bie tiefe |>crabwürbigung ber fchwebifchen ^rone nur um fo fchmeralichcr empftnben laffen, unb ba ber Sftinifter ^oifeul, ber im Sntereffe 3ranfreich« bie #erfteHung eine« abfoluten ftönigthum« in Schweben wünfehte , ihm ju berfelben feine Unterftüfcung burch #ilf«gelber jufagte, trat er bie ffiücfreife in feine £eimath mit bem feften ©ntfehluffe anr Alle« an bie Ausführung feine« fülmen $la- ne« ju fefcen.

Um ba« fäwebifche Volf für fein Unternehmen $u gewinnen, bewie« GJuftaö gegen ba«felbe eine nie gefebeue Seutfeligfcit , wobei i^m ber Umftanb trefflich ju Statten fam, baß er be« Sdjmebifchen, ba« bie beiben legten Könige nicht oerftanben hatten , al« feiner aJcutterfprache öottfommen mächtig mar, h)ie er fich überhaupt mit groger ßeichtigfeit unb ©emanbtheit au«pbrücfen mußte. $iefe ©abe ber Verebtfamfeit beutete er befonber« ben fchwebifchen Stänben gegenüber mit großem ®efchtcfe au«. $cn erften 9fteich«tag eröffnete er mit einer föebe, in Welcher er erflärte, er ftnbc feine ©hre barin, ber erfte Bürger eine« freien Staate* ju fein. fcabei berftanb er meifterhaft, feine Slbficfjten unter ber 2Ka«fe ber größten Unbe- fangenheit $u oerbetgen unb ben Abel burch ben Schein einer abfo* luten ©utheißung ber beftehenben Suftänbe ftcher ju machen. $11« man ihm bie Afte, burch welche ihm bie gleichen Verpflichtungen unb 3«faQcn auferlegt würben, Wie feinem Vater bei beffen 9tegie- rung«antritt, jur Unterzeichnung üorlegte , unterfdjrieb er fie, ohne fie gelefen ju hn&en, mit ber Vemerfung : man werbe ftcher bei ber Abfaffung berfelben nur ba« Vefte be« Staate« im Auge gehabt haben. Sein SBunfdj, in ber (£bene üon Upfala, bei ben 9Jloraftei= nen , an ber Söahl* unb $rönung«ftättc ber alten 9cationalfönige Schweben«, bie ®rone ju empfangen, fanb feine Verücffichtigung, weil bie Artftofratie baoon einen ihre 3ntcrcffen gefährbenben (£tn* bruef auf ba« fchwebifchc Volf befürchtete; bagegen würbe ©uftao« Krönung ju Stocffjolm mit ungewöhnlicher bracht Donogen.

Stach bem Empfang ber$rone begab fich ©uftaü, unbekümmert um bie noch fortbauernben Verathungen be« 9teich«tag«, auf feinen ßanbfifc (Jeff) olmf unb , wo er nur ber Pflege ber fchönen fünfte §u leben fchien. Unterbeffen waren mehrere oon ihm au«gefanbte $er= fönen eifrig bemüht, in ben oerfdnebenen ^ßrooinjen Schweben« unter bem Volfe Unjufriebenheit über bie beftehenbe Verfaffung ju erregen, inbem fie eine im Sanbe herrfchenbe Neuerung ber fchlech1 ten Verwaltung jur Saft legten. 9ttehr jeboch noch, al« burch biefe Aufreizungen, würben ©uftao« Sßläne burch oie fortbauembe Svoit*

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(33uftaod III. StaatSumroälgung.

651

txaty jwifchen bcn aRüfcen unb bcn #üten geförbert , bic cinanber auf betn ^Reichstage in einem erbitterten ffampfe ba3 Uebergemicht ftreitig machten, bi« fich fcftlicglic^ bie unterliegenben .püte in ihrem Unmuts über ben (Sieg ber 2Rüfcen, ber fte alles (£influffe& beraubte, jum größten %f)tik auä bem Reichstage jurürfgogen.

Unterbeffen hatte ber für ©uftaöä $läne gewonnene Dberft ©prengporten über hunbertfünfeig Offiziere öon ber Söefafrung ber ^auptftabt auf bie ©eite beS Königs gejogen, wäfjrenb (SuftaöS beibe ©rfiber ßarl unb griebrich in ben <ßroöin$en ©choonen unb ©othlanb , $u bereu Statthalter fie ernannt würben, für ben glei* d)cn QtDtd erfolgreich thätig waren. 9cad)bem TOeS genügenb öor* bereitet war, erhob ber bem Äönig warm ergebene Hauptmann §tU lidnuS, ftommanbant ber gfefrung <£r)riftianftabt, ber ihm jugetheil* ten Wollt gemäß, am 12. Huguft 1772 bie gafme beä SlufruhrS, inbem er ein 3J?anifcft gegen bie Anmaßungen ber Slriftofratie erlieg unb ben ©tauben ben ÖJehorfam fünbigte. Daburdj erhielt ber Sßrinj ftarl einen JBorWanb jur 3ufammen$iehung öon Gruppen, mit wel* djen er, angeblich jur ©tiflung beS aufgebrochenen 2lufftanbe8, ge= gen GShnftianftabt aufbrach.

biefe Vorgänge in ©toefhotm befannt mürben, fchöpfte bie herrfchenbe Partei fogleich Serbacht; ber $önig mußte jeboch, trofe feiner leicht begreiflichen Aufregung, ben ©djetn ber Unbefangenheit fo gut ju mahren, baß fte ihm nichts anhaben tonnte. Xcm trafen Stibbtng, ber ihm bei einem 5(benbeffen bie 93emerfung machte : e$ fei auffaHenb, baß ber Wachthabenbe Dffijier am Zfyoxt ju (Etyrifttan* ftabt auSgefagt habe, gefchehe SUIeS auf föniglichen 33efet)l, ant- wortete er, ohne burch ben fdwrf beobachtenben ©lief beä ©rafen auf ber Söffung gebracht ju werben : ,,©ic irren ; nach bem ^Berichte an ben SReichärath, ben ich fclbft gefefen, mar es bie ©djilbwache unb nicht ber Offizier." $a feine 9ttacht fo befchränft war, baß er nicht einmal einem ©arberegiment nach feinem SBiöen 23efel)le erthei* len fonnte, ^ielt er eS für nöthig, fid) um bie ©unft ber bewaff* neten SÖürgerfchaft ju bewerben , unb jog ju biefem (£nbe mit ben öon bem SReichSrathe angeorbneten ©treifroachen burch °ic ©traßen öon ©tocfholm, währenb mehrere feiner Vertrauten mit ber ©arbe unb ber Artillerie Unterhanblungen anfnüpften.

3njwifcheu hotte ber noch immer mißtrauifche SReichäratfj $rup= peu nach ber ^auptftabt beorbert unb bem ^ringen ®arl ben ©efet)l jugefjen laffen , bie öon ihm gufammengejogenen ©chaareu einem anberen ^Befehlshaber $u übergeben : ber Üönig fah fid) alfo in bie Sßothwenbigteit üerfefct, fofort ju hobeln, wenn nicht baS gange Unternehmen fcheitem follte. AIS er am borgen beS 19. Auguft nad) einer in banger ©orge burdjwachten Vlaty in ben öcrfammel* ten 9teid>^ratt) trat, würbe er aufgeforbert , einen ©rief oorjulefen,

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Sd)iocbcn unter ©uftaü III

ben er mätjrenb ber 9Ja*t üon feinem ©ruber erhalten Ijatte, unb als er bie* at* ein ungcbüljrli*e* Verlangen üertoeigerte, fpra*en einige ber 9ki**ratbe öon ber ftotlnoenbigfeit, ft* feiner Sßerfon Oer* fiesem. 3n toirflic^em ober oerftelltem 3orne bie $anb an ben $egen fegenb, oeriieß er fofort bie ©erfammlung. 9ta*bem er $u* näc^ft an bie üor bem Seug^aufe aufgeteilte (SJarbe, bereu Offiziere $um größten Steile für *n gewonnen waren, eine freunbli*e Hn= fpra*e gehalten unb eine 2lb*eilung berfelben abgeorbnet, um bie föei**rätf)e in ifjrem ©ifcung*faale feftjubalten , begab er fi* mit mehreren Offizieren feine* Hnljang* na* bem 6*loffe, mo ft* unterbeffen fotuo^I bie aufeief>enbe al* bie abaiefjenbe 2Ba*e Oer* fammelt ^attc f berief bie anmefenben Offiziere in bie 2Ba*tftube unb enthüllte *nen in begeifternben ©orten fein ©orbaben, bie au* frembem ©olbe gef*mtebcten Letten $u brechen, mit benen ba* ©ater* tanb gefnc*tet morben, unb bie uralte, gefefcmäßige greüjeit be* tönigret** ^aufteilen. Huf feine grage, ob er hierbei auf ifjrc linterftüfcung jäblen fönne, erf*olI oon allen ©eiten ein freubige* 3a. ÖJuftao banb herauf ein meiße* Xu* um feinen Mrm unb for* berte 3eben, ber mit ifjm fein tooöe, auf, ba* <$Hei*e ju tfjun, bamit alle feine ganger ft* an biefem 3ei*en erfennen möchten. SBie bie Offiziere, fo erflärten fi* au* bie ©olbaten bereit, für ünt ju fterben, unb ba* «olf, ba* auf bie abfi*tli* oerbrettete falf*e $a*ri*t, ber ßönig fei gefangen, in großen ©paaren fjerbeige* ftrömt mar, ftimmte in ba* freubige 3au*jen ein. 9to* größer mürbe bie ©egeiftcrung , als (SJufiao, ber jeben zufälligen Umftanb &u bemtfcen mußte, ausrief: „©ein;, meine greunbe, e* mef>t oon Horben ! @in gute* Rieben . ^enn berfelbe Söinb blie*, al* (Uuftao SBafa mit feinen Xb^männern aufbra*, um ba* fianb oon feiner 3ttHngf)errf*aft $u befreien!"

©ergeben* bot ber (Souocrneur oon ©tocfljolm, ber (General föubbecf, Me* auf, um bie Xruppen mieber auf bie ©eitc be* 9tei**ratl)e* ju gießen, inbem er ba* Unternehmen be* ®önig* al* ein Attentat auf bie greifjeit be* ßanbe* bezeichnete : (Buftao , ber mit bem Xegen in ber £>anb bie Straßen bur*ritt , fanb größeren (SJlaubcn für feine ©erfi*erung , baß er fi* erhoben habe , um bie gre*ett be* ©aterlanbe* ju retten. $)a* SBolf brangte fi* jubetnb um ü)ii unb ictmmr ihm Irene unb ©ehorfam. Hu* bie auf ba* Storkau* ^ufammenberufene ©tabtobrigfett leiftete ohne SBiberfpru* ben oerlangten (£ib. $)a* ($let*e ge[*at) oon leiten ber Slbmtra* lität auf bem ©*iff*t)olnt. $ie beiben bur* ben SRei**ratf) na* 2tocft)oim beorberten ^Bataillone Uplanb unb ©übermanlanb , bie bereit* bi* in bie 9täl)e ber Stabt gefommen maren, erhielten ©efefjl zur llmfe^r, mährenb ihr Tvüljrer, ber bem 9tei**ratf) ganz ergebene Oberftlieutenant (Seberftröm, in bie ^auptftabt berufen mürbe. $>a

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©uftauS III. ©taatSunUüäljung.

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bic Kunbe öon bcn Vorgängen in Stocffjotm noch nicht $u ihm ge* brungen mar, Iciftctc er ofjne Söebenfen bem erhaltenen S8cfct)Ic golge. ©leid) ihm mürben öerfchiebenc anbere ^erfonen, bie $um ÜRachtheil beS Königs Rotten mirfen fönnen , burdj ftrenge Ueberwadmng un* fdjäblirij gemacht.

9cachbem ber König am folgenben Xage, bem 20. tluguft, bie ^ulbigung aQer Kriegs - unb Staatsbeamten empfangen unb aurf) bie ©ürgerfchaft ihm bereitwillig bcn (£ib ber Xreue geleiftet fjatte, oer* fammelte er am 21. bie ©tänbe in bem 9titterr)aufc , um ihnen bic öon ihm beabfichtigten SßerfaffungSänberungen jur Genehmigung öor- julegen, wobei er nicht tterfäumte, burch s2lufftellung öon Sftilitär rings um baS DtitterhauS jebem gemaltfamen SSiberftanb Dorp- beugen. 3n einer feurigen 9tebe jct)ilbcrtc er bie 9Jä&ftänbe ber beftehenben SBerfaffung, fowie baS Unheil unb bie ©dunad), meiere bie bisherigen sJMad)tlmber burch ir)rc geilheit unb iljrc beftänbigen Swifttgfeiten über baS SReich gebraut Ratten, unb forberte Seben, ber bie SBahrljeit feiner Söorte bestreiten fönne, auf, t)txt)QX%\xtxtttn unb $u reben. 5)a &öeS fdmrieg, fchlofj er mit ber S3erfid)erung , bafj er feinen ©chwur, bie greiheit unb baS Siecht $u fcr)ü^en # niemals brechen werbe unb bie SBerfaffung nur $u bem Qtotdt ju üeränbern beabfichtige, bamit bie gügcUofigfeit unb SSiüför in ber Verwaltung ein (Snbe nehme.

hierauf mürbe baS neue 93erfaffungSgefe|j öorgelefen. $)aSfelbe ernannte bem König freie Verfügung über bie gefammte Kriegsmacht ju Waffer unb $u £anbe, über alle Staats* unb Kriegsämter, foroie baS Stecht ju , grieben unb SBünbniffe ju fchliefcen unb einen SBer* tfjeibigungSfrieg $u führen, mahrenb ju einem &ngriffsfriege bie (Einwilligung ber Staube nothmenbig fein foQte. 3)ie SBeratfmngen beS Reichstags, beffen 3ufammenberufung bem König allein oorbe- halten blieb, fottten fich auf baS befchränfen, maS ber König bem= felben öorlegen werbe. $er föeichSratf) rourbe in eine berathenbe SBehörbe üermaubelt, ber feinerlei GEntfdjeibung juftanb.

jftachbem bie Verfammlung auf bie grage beS Königs , ob fte biefe SSerfaffung genehmige, mit einem lauten 3a geantwortet, las iht ©uftao ben auf biefelbe ju leiftenben @ib nor , ber oon Slüen ohne SBiberfpruch abgelegt mürbe, hierauf jog ©uftao ein ÖJefang* buch &uS ber Xafche unb intonirte, inbem er feine Krone ablegte, baS Te Deum, in Weldas bie ganje Jßerfammlung einftimmte.

©benfomenig ©chwierigfeiten, mie in ber £>auptftabt, fanb ber König für feine ©taatSummäl^ung in ben ^ßromn^en, in welchen feine trüber baS SBolf unb bie Xruppen auf bie neue, ben Steiften ganj unbefannte SSerfaffung öereibeten. ©uftao felbft befeftigte bie bereits über bie ®emüther feiner Untertanen gewonnene ^errfdmft bura) bie im folgenben SBinter unternommene „föifSgata" bie

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2cf)tucbcn unter Winten) II I.

altherfömmlidje töunbreife ber fchmebifdjen Könige , bie er in ber altväterlichen SBctfc ju ^ferbe machte unb bi« an bic ©renje oon üRormegen auäbehnte. 933tc fidj bie ganje töeoolution olme SBlutüer* fließen Donogen Iiatte, fo trübte aud) fein xUft ber Stäche ben er rungenen Sieg. Uhemanb mürbe tt>egcn ber Vergangenheit jur SRe* erjenfehaft gebogen, dagegen erhielten diejenigen, bie fictj burd) be* fonberen öifer für bie Sache bed ÄönigS Ijeroorgethan , bie Der« bleute Belohnung. Ten Hauptmann $ettidjiuä ernannte ©uftaü jum Dberften unb öerlieh ihm ben etnenbeu tarnen (V) uft a o 3 f ch 1 1 b ; ben Dberft Sprengporten erhob er $um Eljef beä ÖtarberegimentS, beffen fämmtliche Offiziere um $mci Wrabc beförbert mürben, mäh* renb bie Unteroffiziere denfmünjen unb Zulagen erhielten. Tie mei&e ötnbe, bie ber Äönig am 19. 9Iuguft jum ErfennungSjeichen feiner Anhänger beftimmt tjattc, foHte fortan baS fdpoebifdje .\Seered- jeichen bleiben. Um jebe (Erinnerung an bie Qcit ber Schmach unb 3n)ierraa)t ju tilgen, mürben bie ^ßarteinamen „^üte" unb „SJcüfcen" auSbrücflich oerboten.

Guftauö III. Staatsocrmaltung.

9cad)bem Ohtftau burch feinen unblutigen Sieg über ben f)errfcf)s füdjtigen s2lbel bie oode $önig$gemaft ^ergeftedt hatte, geigte er ben ernften Btifot, bie 3afagen $u erfüllen, mit benen er feine Regierung angetreten, unb burch eine unparteiifehe ^anbfjabung ber (berechtig* fett, burch eifrige Sorge für bie allgemeine SSoljlfafjrt unb burch bie Erhaltung beS Stiebend fein SBolf 511 beglüefen. Tiefem löblichen Söefrreben entfprangen in feinen erften föegierung&jaljren mehrere treffliche Einrichtungen. 3" Da* zerrüttete Srinanjmefen mürbe Orbnung gebracht, burch bie Anlegung oon Kanälen ber Sßerfehr erleichtert , burch bi* Errichtung oon it raufen-- unb SBaifentjaufern für bie £>ilfäbebürftigen Sorge getragen unb burch bie Einfefcung oon öierunbjmanjig üaiibfer)aft^är,^teu eine leichtere unb beffere 93c* hanblung ber ftranfen ermöglicht. 9ftit bem rühmlichften Eifer forgte (iuftao für bie ftufbefferung beä ®eri<htsmefen*. die Softer mürbe abgefdjafft, jeber 9Jiijjbrauch in ber ©erechtigfeitspflege auf ba3 Schärf ftc geatmier, baö £>ofgericht §u Qönföping einer ftrengen Unterfuchung unterzogen unb bie Veröffentlichung gerichtlicher #er* hanblungen burch ben druef geftattet. OJanj bcfonberS lag bem ftönig bie SBerbefferung ber fiage ginnlanb* am $er$en , ba* er felbft bereifte, um fich einen genauen Einblicf in bie Sanbeäöcrfaffung &u oerfchaffen unb beren oieljährigen ©ebrechen abzuhelfen.

So fehr inbeffen auch alle biefe SJcagregeln geeignet maren, bic SBohlfahrt SchmebenS ju beförbern, 3eigte fich in benfelben

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©uftab* III. StQQtöüenualtung.

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fdjon ber $ang be* ßönig* ju Ueberftürjungen. (bleich 3ofept) II. mollte auch er Srüdjte fet)en, nachbem faum bcr ©ante in ben 93o* ben geftreut ruorben ; baher fprang auch er Don einer neuen fön« ridt)tung jur anbem über, ohne ba* ^Begonnene gehörig 511 Snbc ju führen, unb fo blieb Mieles unöottenbet liegen. $abei trat mehr unb mehr be* ßönig* Vorliebe für eine glänjenbe Sleußerlichfeit ju Xage, bie ihn ben inneren SBertt) ober Unmerth ber 5)inge über* fet)en ließ, ©einen #ang ju äußerem $runf befunbete ba* öon it)m oeranftaltete glängenbe lumier ju Ecfholmfunb , ju meinem afle turnierfät)igen SRitter in üofler Lüftung mit ©treitfolben, SBurf* fmeßen, 5)egen unb *ßiftolen fich einfinben mußten. 2hidfc) ber ©e- banfe, eine allgemeine fdjnjebifdje 23olf*tracht af* äußere* Seichen ber inneren (Eintracht einzuführen, entfprang biefer ©efinnung. $iefe bracht, burd) meldte zugleich ber ^ufcfucht unb 93erfd)it>enbung ge* fteuert werben foflte, fiel jeboef) fo bühnenmäßig au* , baß fid) bie ©chroeben in berfelben gerabeju lächerlich fanben.

Ungleich größeren &acf)theil, al* biefer öerfehlte Serfuch, brachte bem fianbe ba* Streben be* k bnigS , ben (Slang be* £ofe* öon iBerfaifle* nach ©tocf^olm ju berpflangen, inbem ber baju erforber* lic&e Slufmanb bie Gräfte be* Staatsanwälte* meit überftieg. 2ludj auf ba* %tyattx oertoanbte (Suftaü mehr (Srnft unb mehr 3ett, als bie SBfirbe feine* Berufe*, unb mehr Weib, als bie ©taat*einrunfte erlaubten. SSte fein Dfytim griebrich II. ein begeifterter 93eret)rer ber frangöfifchen Sprache unb ßiteratur, errichtete er eine Sifabemte nach frangöfifchem SRufter unb fnchte bie höhere 93ilbung , bie er bem fchmebifchen SBolfe gu geben bemüht mar, gang nach ber ober* flächlichen SBeltanfchauung gu geftalten, öon melier bie frangöfifche ßiteratur beherrscht mar.

SBährenb ©uftaü burch aüe» bie* im gangen ßanbe eine große SBerftimmung h^oorrief , brachte er burch oa& Verbot be* ©rannt* mein*, ber ben Schweben burch (Semofmheit unb ßuftbejehaffenheit gum ©ebürfniß gemorben, in*befonbere ben ©auernftanb gegen fich auf. 9c ach ben auch öon it)m geteilten ftaat*ttrirthfchaftlichen ©runb* fäfcen feiner Seit erfdjien ihm ba* (Selb, ba* für bie jährliche #orn* einfuhr au* bem ßanbe ging, al* ein baarer SBerluft, unb um bem felben auf ba* geringfte sD?a& 51t befchränfen , legte er ber Nation eine Entbehrung auf, bie fie nur feiner SStÜfür jufchrieb. Soffen mar, ba fich °^ ßanbbeoölferung ihren ©ebarf an iörannttueiu fetbft ja brennen pflegte , ba* Verbot be* ®öntg* leicht gu umgehen ; (Suftaö befchloß baher, ba*felbe mieber aufzuheben, aber bie SBer* fertigung be* SBranntmein* gu einem ©taat*monopol gu machen. E* mürben baher in ben oerfchiebenen ©täbten be* ßanbe* fönig* liehe SBranntmeinbrennereien angelegt, au* melden bie dauern ihren SBebarf beziehen füllten. SBar btefe Einrichtung fd>on an fich bti

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8d)!t»cben unter ®uftaö III.

ber geringen Qafy t>on ©täbten für bie meift feljr entfernt wolmen= ben fionbleutc äußerft unbequem, fo würbe fte wegen ber beftänbtgeit $lufftd)t unb 9tad>fudjung , bie jur ^er^inberung alle* eigenen ©rennend geübt werben mußte, gerabeju üerfjaßt. $ie Unjufriebcn* l)eit barüber war fo groß, baß in $alefarlten ein förmiger »uf= ftonb ausbrach , ber jmar burd) bie bewaffnete 9Waa}t unlerbrürfr mürbe, jeboa) eine fo bebeuflic^e ©äljrung ber (Semütyer Unterließ, baß ber tfönig e$ für geraden erachtete, ba« Jöranntmeinbrennen mieber frei 511 geben.

38te ©uftao unter bem ©auernftanb juerfl bur<$ ba$ ©erbot beS 93ranntweiu$, bann bura) ba$ ©ranntweinmonopoi eine gereifte ©timmung ^erüorgerufen , fo Jjatte er ber Erbitterung be# Slbete burdj bie auf bie Entfräftung biefe« ©tanbeS beregnete SBieber? einfü^rung ber alten Einteilung beSfelben in trafen unb Herren, bitter unb knappen, neue föafjrung gegeben, inbem fidj ber bei Weitem größere Xfjeil ber (SbcÜeutc burd) bie SBerfefeung unter bie knappen aße$ Einfluffeä beraubt faf).

Allgemeine Mißbilligung fanb e£, baß ber $öuig im 3afjre 1783, wäfjtenb ba$ fianb burd) TOfewadj» unb X^euerung heim* gcfuajt würbe, eine Steife nad) Sranfreidj unb S^0^^ antrat, he ren politifdjer 3rocc* : bie Erlangung ber 3"f^ ©*• $ angelernt) in SBeftinbien unb bie Erneuerung be3 alten 3rcunbfd)aft3bünb* niffeS jwifdjen ©djweben unb Sranfreid), bie bebeutenben Soften berfelben nid)t im entfernteren aufwog. 3)er allgemeine äftißmutf) über biefe föeife würbe erf)öfjt burdj ba3 öon ©uftattä (Gegnern in Umlauf gefefcte ©erüdjt, baß er mäffrenb feine* Aufenthalte^ in 9fcom, wo er t>erfd)iebene Sflale mit^ßiufc VI. jufammen ge!ommen, jur fatfwlifdjen $Hrd>e übergetreten fei unb bie Äbfidjt r)abe, biefelbe wieber in ©djweben einzuführen.

3Bie fehr baS gute Einvernehmen jwifdjen ®uftaö unb feinen Untertanen gefdjrounben war, jeigte fidj befonberS auf bem im 3af)re 1786 oou il)m juf ammenberufenen 9tetd)3tage, auf tueldjem alle feine SBorjdjlflge auf einen fo entfdnebenen SSiberfprud) ftte* ßen, baß er feinen einzigen burdjjufefcen t>ermoa)te. $efonber£ peinlia) war e$ ihm, baß fid) bie ©tänbe ber SBiebereinfühnmg einer alten 9kich$tag,3orbnung wiberfefeten, bermöge beren bei ein* tretenber SWeinungSoerfduebenheit unter ben ©tänben bie (Sntfctjei^ bung bem Könige $uftehen foflte.

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©uftaü« III. Äricg gegen SRufelanb.

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®ufta*g III. «rieg gegen »ufelanb.

(1788—1790.)

8113 ©ufiab bie s2(nl)änglid)fctt ber Schtoeben an feine Sßerfon toanfen fah, erfchien ihm ein friegerifdjeS Unternehmen, ba3 bera fömebigen ftationalgefühle fchmeichle, als ba$ fidjerfte Littel, bie £et$en feiner Untertanen toieber §u gewinnen unb augleich fein finfenbefc Slnfe^en neu ju befefrigen. tiefer ©ebanfe fagte ihm um fo mehr $u, als ber ßriegSrufjm einen fyofytn SKeij für if)n be* fafe unb bie ßanb* unb ©eemad)t ©ct)rocben3, auf beren Hebung er grofee ©orge oermanbt hatte, if)m genügenb fa)ien, um feinem $önig* reich bic oerlorene 9JcachtftetIung nneber ju »erraffen.

$er ßampf foOte föufefanb gelten, ba& fich im SKüftäbter Srte* ben fo bebeutenb auf ©chmebenS Soften oergröfeert hatte, unb bie SEBiebereroberung ber öerlorenen £ftfeeproöin$en mar ba$ Siel, ba3 ©uftao fich geftedt. Sur Erreichung biefeS £iele3 fdjienen bie Um* ftänbe giinftig ju liegen; benn föufelanb mar nia)t nur in einem ftrieg mit ben Xürfen begriffen, fonbern fah fich aud) burd) bie feinbliche Haltung Greußen* unb (Snglanbä mit neuen SernM-- Iungen bebro^t. 2üä SBorttmnb gu bem geplanten Kriege biente bem Äönig ein feit bem Safjre 1730 $nrifcf>en ©chmeben unb ber Pforte beftehenbeä ©ünbnife, ba3 jeber ber beiben 2Kädjte bie 93er* pfliefitung auferlegte, ber anbern im Salle eines 2lngriffd oon ©ei* ten föufelanbä ju #ilfe $u fommen, unb anbererfeitä bie angeblich einbfelige ©efinnung beä rufjtfa)en £ofe&, ben ©uftaö befdmlbigte, ich in bie inneren Angelegenheiten ©djmebenä ju mifajen, um bie Injufrieben^eit be$ $lbel$ 511 narren unb Smietracht unb Aufruhr $u beförbern, meil bie ©jarin bie Slbfidjt habe, ginnlanb an fich $u reifeen. 5ll£ Sratharina biefe 53efa^ulbigungen in einer oon ihrem ÖJefanbten in ©totfholm überreizten Erflärung $urfidttne3, bie nicht nur an ben ßönig, fonbern aud) an ade bei ber SRegie* rung beteiligten ©lieber ber Nation gerichtet mar, bezeichnete ©uftao bieS als einen SSerfud), Um öon feinem 58olfe ober oon einem Xfjeile beäfelben ju trennen, unb liefe bem rujjtfdjen ©efanb* ten ben 93efe^t $ugef)en, unoerjügltct} Stodljolm 311 oerlaffen.

£a ©uftao nad) ben Erfahrungen be3 legten Reichstags nicht magte, benfelben jur Einholung ber für einen 5lngriffäfrieg noth* menbigen ftänbifchen Genehmigung jufammen $u berufen, ging er eigenmächtig oor, inbem er {ich am 23. 3uni 1788 mit feinem £>eere nach Sinnlanb einfehiffte. ®aum Ratten hier bie geinbfeligs feiten ihren Anfang genommen, als bie CSjarin ein SJcanifeft er» liefe, worin fie bie fchmebifche Nation baran erinnerte, bafe ber Äönig, inbem er ben ffrieg o|ne SinmiHigung ber ©tänbe begon* nen, fidj einer a3erfaffungÄöerle^ung fchulbig gemacht fyobt.

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^^d^tDCbCTl WTXlCT QJltftClt) XXX«

ftoch fytlt bic ©iegcSauberftcht beS ftönigS, bie burch bie Sage föu&lanbS unb bic Geneigtheit ber (Efthlänbler, (ich ihm anjufchlie* gen, gerechtfertigt fchien, bie fömebifäen Dffijtre , unter weisen bereits tm A)untei ote tfaDen emer sc5er)cöroorung gesponnen woroen waren, in ben Öanbcu beS <$ei)orfamd jurüd ; als jeboch QJuftao nach einem erften, unentfdueben gebliebenen ©eetreffen bei ber 3nfel #oglanb (17. 3uli 1788), ftatt geraben SBegeS gegen Petersburg öorjugehen, jur ^Belagerung ber 3feftung SricbrichShamm fdjritt, weigerten fie fid), in bem berfaffungSwibrigen Kriege weiter $u fämpfen. Vergeben« wanbte fich ©uftab an bie ©olbaten : auch fie legten bie 28 äffen nieber, mit ber (Srdärung, baß fie ohne Befehl ihrer Dffijiere feinen ©chritt borwärts tf>un mürben.

Xte Verlegenheit beS ÄönigS mürbe erhöbt burch bie ÄriegS* erttärung 5)änemarfS, ba* als ©unbeSgenoffe SRufclanbs in ben ftampf eintrat, inbem eS ein $eer bou fünfaelmtaufenb äRann unter bem bringen SXaxl bon Reffen non Norwegen aus in ©dwonen ein* rücfen lieg. Sem Honig blieb ÜRichtS übrig, als nach Schweben ^urücf jufetjren, um bei bem fc^toebifc^en SBolfe bie £>ilfe ju fudjen, bie baS |>eer ihm berweigerte. Tie ©ürgerfchaft t>on Stockholm, bie ihm ohnehin befonberS anhanglich mar, erttärte fich einmüthig p feiner Unterftüfoung bereit unb übernahm bie ^Bewachung ber £>auptftabt. Söäfjrcnb er ade in ©djweben jurücfgebliebenen Grup- pen gegen bie Säuen fanbte, eilte er felbft nach Salefarlien, um bie bärtigen ^Bauern unter bie ©äffen ju rufen, unb fein (Srfcheinen begeifterte fie fo fehr, bafj fich mehrere Xaufenbe fofort um feine Sahnen fehaarten. Xa bie übrigen $robin$cn bem SBeifpiel ber Xalcfarüer folgten, fah fich t>cr #öuig balb an ber ©öijje eines $eereS, mit welchem er bem bon ben Säuen belagerten (Rothenburg £U §ilfe eilen tonnte. (£he e* jebodt) 511 einem entfeheibenben Kampfe mit bem bänifchen .freere getommen, bewogen Greußen unb (Snglanb ben Äcmig Don Sänemarf burch ÄriegSanbrohung jnm Slbjchlufc eines SBaffenftillftanbeS mit Schweben, ber im folgenben 8rühjahr in einen befinitioen Srieben bermanbelt mürbe.

©ebor Wuftao ben förieg mit 9tu§lanb mieber aufnahm, be- rief er im gebruar 1789 ben Reichstag nach Stocftjoim jufammen, unb ba er feit feiner 9tücffehr nach Schweben burch fein ganzes Auftreten bie SJcaffe ber Nation wteber für fta) gewonnen fyatte, feierte er auf bemfelben einen entfehiebenen ©ieg über feine abeti* gen (Segner. 9cad)bem bie Surcht cor ben ehrgeizigen unb tjcrrjd) jüchtigen Hbfichten beS SlbelS bie Slbgeorbneten ber ©eiftlichfeit, ber iöürgerfdjaft unb beS iBauernftanbeS ausnahmslos auf feine ©eite geführt, bewilligte ihm ber Reichstag nicht nur bie jur Sortfefoung beS Krieges nötigen ©elbmittel, fonbern ertannte ihm auch, troß bes §eftigften SBiberfpruchS bon ©eiten beS WbelS, bolle ©ouöcräni*

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©uftaüä III. Ärieg gegen 9tu&Ianb.

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tot ju. (£r erhielt bic freie Verfügung über alle Remter, fotuie baS »recht, quc^ einen ftngrifföfrieg ot)ne vorhergegangene Anfrage bei ben ©tänben 511 unternehmen. Xer föeichäratt) mürbe gänzlich aufgehoben unb ftatt feiner ein r)üc^ftcr <&ericht&hof eingelegt. SDrcifjig ber iiauprtüortfüfjrer bed XUbelö würben unter ber Anflöge beä Un= gchorfamS, ber SSerrätherei unb beS Aufruhr« in .paft gebraut unb bie 9tegtment3befehlahaDcr w SJinnlanb, bie injroifchen auf eigene £>anb einen SBaffenftiöftanb mit föujjlanb gefdjloffen, alä Jpochoer* rotier §um Xobe ocrurthcilt, oon bem Könige jeboefj, gleich ben ge= fangenen SteichStagSmitgliebern, begnabigt.

SBähren0 au*cr biejer Vorgänge hotten bie Muffen Qtit gehabt, fict) gegen ©chmeben ju rfiften ; ihr ßanbljeer mar oerftärft unb bie Slottc in beften ©tanb gefegt roorben: e3 beburfte baher oon ©ei* ten ©uftaos bei ber SBieberaufnahme be£ ®riegc3 ungleich größerer Änftrengungen, als beim ©eginne beSfelben. $er Äamof, in wel- chem bec ftönig ebenfo Diel ocrjünlichen SJhitt), aU Umficht unb (Sntfchl Offenheit an ben Xag legte, mürbe Imupt jach lieh &ur See ge- führt. $a8 Xreffen, baä ©uftaoS ©ruber, ber $>erjog $arl t)on ©fibermanlanb, unb ber ruffifche Wbmiral Xfchitfchagoro am 26. 3uli 1789 bei ber Jfnfel ©ornholm einanber mit ben #auptflotten liefer* ten, blieb unentf Rieben ; Dagegen unterlag bie fdjtoebifche Scheeren flotte am 24. ftuguft gegen bie ruffifche im ©roenSfafunb.

3m folgenben grühjahre mollte (JJuftao, um ben &rieg jn einem rafdt)eren @nbe $u fuhren, nach einem fiegreia)en Gefechte mit ber ruffifchen glotte bei griebrich^hamm Petersburg angreifen, roat)renb fein ©ruber einen Vingriff auf bie glotte bei $ronftabt machen foflte. Xie lefctere fanb jebod) Seit, ftch mit ber oon sJie= oal ju oereinigen, unb oor ber baburch gefchaffenen feinblichen Uebermacht mußte fich bie fchmebifche glotte unter bem £er$og ftarl oon ©übermanlanb, mit welchem fich °ie ©cheerenflotte unter bem ftonig oereinigt hatte/ na4 einem breitägigen mörberifchen Kampfe in bie ©udjt Oon Söiborg jurücfjichen. pier mürbe fte Oon ber ruffifchen glotte eingefchloffen, unb ba fte ohne alle Le- bensmittel mar, blieb bem ftönig Wichte übrig, als fich Su ergeben ober ben ©erfudj ju machen, fich burchjufchlagen. iiv mahlte ba3 lefctere am 3. 3uli 1790, unb bad töfme SSagntfj gelang; boch erreichte ber tfönig ben ©roenäfafunb nur mit großen SBerluften. £>ier fam am 9. 3utt jtoifchen ihm unb bem s$rin$en oon !sßaffau, ber bie ruffifche glotte befehligte, $u einem Xreffen, in welchem bie mit bem ÜEftuthe ber öerjweiflung tämpfenben ©chmeben einen glänjenben ©ieg erfochten. Xie ruffifche glotte mürbe- beinahe 00H* ftänbig oernichtet; fünfunbfünfjig Schiffe unb fechdhunbertbreiunb* oier.^ig Kanonen fielen ben ©darneben in bie £änbe. 3)iejer ©ieg fefcte ben ftönig, ber bie Unmöglichfeit einfat), mit ben erfchöpften

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Gräften feine« ßanbe* ba* Qitl ju erreichen , für meldte* er ben ftrieg begonnen, in ben Stanb, bie #anb $u einem ehrenoollen 3rie* ben 5U bieten , unb ba auch bie &aarin 9cid)t* fehnlicher tounföte, al* fich mit (Guftab abjufinben, um freie $anb gegen bie Pforte $u gewinnen, tarn am 14. Äuguft 1790 ber griebe Don SBärela am ßumeneflufj ju Stanbe, in meinem bie ©renken ber beiben ^eic^e, toic fie oor bem Au*bruch be* Kriege* gemefen, aufregt gehalten mürben.

Obgleich (Guftao* ftücffehr burch glänjenbc geftlichfeiten ge* feiert würbe, fonnte er fich nicht oerhehlen, ba& bie Stimmung be* Bolfe* eine oeränberte mar. 2)ie ungeheuere öermehrung ber Sdmlbenlaft , bie ber übereilt unternommene ftrieg jur golge ge* ^obt, mürbe audfcr)lieglic^ feiner föuhmfucht jur 8aft gelegt, ber er bas 3Bor>I be* SReic^cd 511m Cvfer gebraut haue, unb bie allgemeine Unzufriedenheit burch ba* *8ünbni& erhöht» ba* ber Äönig im Cftober 1791 mit ber Sjarin fchlofj, inbem man au* bemfelben bie Abficht eine* gemein f amen friegerif djen Unternehmen* folgerte.

3n ber Xfmt trug fid) (Guftaü mit bem (Gebauten, in (Gemein* fdjaft mit ber djarin bie in$mifchen ausgebrochene, oon SBeiben in gleicher SBeife üerabjeheute franjöfifche 9teüolutton $u befämpfen unb bie SJcacht iiubtoig* XVI. heraufteilen, ein (Gebanfe, ber feinem unruhigen ©hrgeifl um öerlocfenber erfchien, al* er in bem Kampfe für ben unglücklichen ftönig oon granfreich eine (Gelegenheit ju neuen ritterlichen %i)akn erblicfte. 2)ie Wittel $u biefem Unternehmen jolltc ihm ber Reichstag üerfdwffen, ben er im Januar 1792 nach (Gefle ^ufammenberufen. Auf bemfelben geigten [ich jebod) aOe Stänbe einig in einer fo entfehiebenen Dooofüion , ba& (Guftao mit feinem Eintrag, für eine Anleihe oon jerjn Willionen Hullern (Gemähr ju leiften , bie bei SRufjlanb $ur Ausführung genuffer $läne aufge* nommen merben foOte, nicht burchbringen fonnte. s.Uad) taum oier* wöchentlicher Malier hob er am 24. gebruar 1792 ben 8teicb*tag mieber auf, nachbem berfelbe jur Xilgung ber burch ben legten $rieg entftanbenen Schulben einen Xermin oon jehn fahren gefefct hatte.

Unterbeffen mar unter bem fchtoebifchen Abel , beffen ©rbitte* rung feit ber $)erfte(lung ber abfoluten &önig*gen>alt burch oen 9teich*tag dorn v^atjre 1789 auf* .v>ud;fto gefteigert morben , eine SBerfchtoörung gegen ba* £eben be* ftönig* $u Stanbe gefommen, an beren Spi(c bie trafen $ora unb ÜRibbing, ber greifen* Söielfe, ber (General s}kchlin unb mehrere Anbern ftanben, unb 3a!ob oon Anfarftröm, ein ehemaliger (Garbeoffijier , ber fid? oon (Guftao ungerechter SBeife prüefgefefet glaubte, hatte bie Ausführung be* SNorbolan* übernommen. X\c ocvbredjcriidje Hjat mürbe in ber 9cad)t oom 16. jum 17. 2)cär$ auf einem Warfen balle in bem Augenblicke ooü^ogen, mo ber Äönig au* feiner £oge in ben Saal trat. Söäljrenb eine gro&e Anzahl üon Wa*fen ihn oon allen Sei*

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Stönemarf unter ©truenfee'« (Staatttoermaltimg. 661

ten umringte, traf Um ein töbtlidjer ©dju& in ben dürfen. @r ftarb jmötf Xage fpäter, am 29. 2flärj 1762 r im SUter bon fedjäunb* öierjtg fahren. $)ie Mnorbnungen , bie er öor feinem (£nbe jur $lufrechthaltung be3 beftehenben 9tegierung8ftyftem8 getroffen , Der* ettelten ben $(an ber IBerfcbmorenen jur ^erftellung ber früheren SBerfaffung. gür ben bierjehnjährigen ©ofjn ®uftat>& III., ber ate & u ft a ö IV. ben fdjtuebifdjen Xfjron beftieg, übernahm fein Oheim, ber £>erjog $arl öon ©übermanlanb , bie 9f egentfdjaft , bie er bi& $um 3öftre 1796 fortführte.

ÖJuftabS Üttörber SInrarfrröm, ber burch ein Sfteffer oerrathen tuorben, ba& er im ©ebränge r)atte fallen lajfen, mürbe jum Xobe Derurtljeift unb am 29. 9lpril 1793 enthauptet. $>a feine ftanb* hafte Steigerung, feine SJcitfdfmlbigen ju nennen, beren Ueberführung unmöglich machte, famen biefelben mit ber ©träfe ber ßanbeSöer* loeifung baoon.

XXXVIII.

$änemax& unter gtxuenfee'* Sfaabtientmrtung.

(1770—1772.)

9cadfj ber ©eenbigung be$ norbifdjen ftriegeS genoß $änemarf ficbjig 3ö^rc fang *ine3 ungeftörten griebenS. 2Bie 3 r i e b r i ch IV. (1669 1730), fo Waren auch fane Bciben nächften Nachfolger C^riftionVI. (1730—1746) unb griebrich V. (1746—1766) n>of>Imeinenbe dürften , bie Don ber ihnen übertragenen abfoluten &önig3gefralt im ©anjen einen gemäßigten (Gebrauch machten. Tcm Setter en ftanb in bem trafen Wartung öon 53ernftorf ein tüchtiger SJcinifter jur ©eite, welcher burch bie SBahrung be$ griebenä, fo* ttrie burch eine umfidjtige unb einfichtöüolle ©taatsoerroattung bie Ußohlfahrt be3 £anbe$ förberte unb juglekh für bie Unterftüfcung öon #ünftfern unb belehrten ©orge trug.

Sluf griebrich V. folgte im Safjre 1766 fein ftcbjcr)njär)rigcr ©ohn (£hrtftian VII., ber noch *n bemfetben Satyre mit ber englifchen Üßriitgeffbt Caroline SRathübe, ber ®cf)tuefter be8 ®önig$ ©eorg III., öermähtt tourbe. 5)a bie ©eifteSfräfte be3 jungen ®ö* nig3 burch ein jügeöofeS ßeben gefdjroächt maren , ließ ihn Sern* ftorf, ber ade ®ematt in $änben behielt, in ben fahren 1768 unb 1769 eine Steife burch 5>cutfd)Ianbf £>oöanb, (Sngtanb unb Stauf* reich machen , auf welcher ihn ein $eutfcf)er , Qofjann griebrich ©truenfee, bisheriger ©tabt* unb ßanbphijfUuä in Altona , als SReifearjt begleitete. Qm 3ahre 1737 ju $>alle als ber ©ohn eine« *ßrebigerS geboren , fjattt ©truenfee in bem bortigen SBaifenfjaufe

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662 $>3nemarf unter ©truenfee'3 (StaatSwitoaltung.

feine erften ©tubien gemalt, mar aber burd) bte pietiftifdie SRtaV tung fetner ©Kern unb ßehrer auf ben entgegengefefcten SBeg beS Unglaubens getrieben roorben unb jaulte feitbem ju ben eifrigften Anhängern ber neuen fran^öftfer/en ^^ilofo^te. $em #ömg mußte ftd) ber fdjöne , tebenSluftige , gemanbte unb geiffcretdje SWann fo unentbehrlich ju maa^en, baß ilm berfetbe nadj ber SBeenbigung fei* ner SReife aU Seibarjt an feinem $>ofe behielt. #ier erwarb er ftdj balb audj bte ©unft ber Don ihrem ©emahfe mit großer ßälte be* Baubeiten Königin buret) feine eifrigen unb mit drfolg gefrönten Bemühungen, ein beffereS 93crr)ättni6 jttrifdjen ben beiben ©Regatten herjufteflen. (£r mürbe unter bem Xitel eines ®onferenjrathe3 junt JBorlefer beS Königs unb jum ®abinet3fefretär ber Königin ernannt unb erlangte batb großen SHnfluß auf bie ©taatsoermaltung.

9tadjbem juerft ber bisherige ©ünftling beS Königs, ber ®raf |>olf, ber r)auptfädjltrf)fte ©egner ber Königin, öom $ofe entfernt morben mar, tourbe im (September 1770 auch ber ®raf SBernftorf ent* laffen. $n bie ©teile be& ©rfteren trat, als ®efettfdwfter beS Königs unb $ireftor ber $offeftlidjfeiten , ber junge, lebensluftige Grneoolb ©ranbt, ein Sreunb ©truenfee'S. $ie ©teile 93ernftorf3 blieb un* befefjt, inbem bie Regierung oon nun an „au* bem Kabinette be£ ÄöntgS", b. h- burdj ©truenfee geleitet werben foHte. Um bte öffent* Itcr)e Meinung über bie (Sntlaffung beS allgemein geästeten 5Ktnifter$ ju befchttridjtigen, oeranlaßte ©truenfee ben ®öntg, burd) einen ®abt* net3befef)l bie SBüdjercenfur aufzuheben unb eine boflftänbige $reß* freiljett einzuführen. Xa ftcf) ber ©taatSrath nidjt fügen moHte, mürbe er aufgelöst unb ©truenfee am 14. Quli 1771 jum geheimen ®abi* netSminifter mit fo auSgebefmten ©efugntffen ernannt, baß er ttjat* fäcc)(tcr) ber unbefdjränfte £err be$ SanbeS mar. ®abinet3befehle, üon ihm unterjetdmet unb mit bem föniglidjen ßabtnetsfiegel Oer* feljen, follten aud) ofme bie Unterfdjrift beS Königs oolle ©tltigfeit ^aben. ©letdjaeitig mit ©trttenfee'd Ernennung jum geheimen Slabi* netSmintfter erfolgte feine unb SBranbtS (Erhebung ben ©rafenftanb.

Qm 93efifce einer abfoluten 2)cad)töotIfommenheit. begann ©truen* fee bie Umgeftaltung $änemarf$ nadj ben ®runbfätjen ber neuen ' ©taat$met$heit burch eine roahre gluth oon ©rlaffen, bte in unglaub= lidjer 9tafd)hett auf einanber folgten. Sunacr)ft hatte er bie Slbfdmffung, totrflidjer SOttßbräucfje im $luge, unb eS laßt fid) nicht leugnen, baß er ftet) in biefer ©ejiehung burdj mehrfache mirflicr) jmedmäßige 2ln= orbnungen um 5)önemarf öerbient gemalt. Um bte fmanjieflett $er* hältniffe be$ SanbeS burch heilfante ©rfparniffe günftiger ju geftal= ten , mürben oiele überflüffigen ober als überftüffig angefehenen ©eamten entlaffen, jahlreia^e @totabengef)a(te hcrabgefc^t, bte ftaat* Iia^en Unterftufcungen foId)er ffabrtfen , bie ficr> nia^t felbft ju er* halten öermoajten , eingebogen unb bie Domänen nid)t mehr foft*

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Stänemarf unter ©truenfee'S 6taat3t>ertt>altung. 663

foiettg Derwaltet, fonbcm einträglich bedachtet. $er #anbel mürbe, gleich ben bewerben, freigegeben, bie Sanbrnirthfcrjaft oerbeffert unb baS Srohnberoefen befcr)ranft , ber BolfSunterricht gehoben, baS ©teuerroefen bereinfadjt unb bie Abgabenlaft erleichtert, Gleichheit öor ben Gerichten eingeführt unb ber NechtSgang befcfjleunigt.

©o fct)r jeboef) auch *>ie nteiften biefer Neuerungen geeignet roaren, $änemarfS 28ohlfahrt ju förbern, erwarb ftcr) bennodj ©truen* fee für feine umgeftaltenbe Xt)ätigfeit feinen $anf, weil auch er im Eifer beS NeformirenS BteleS überftürjte unb babei mit einer Nücf* fichtslofigfeit ju SSerfe ging, bie man it)m, als einem emporgefom* menen AuSlänber , boppelt übel nahm. 2Bie er bie Beamtenmelt burch bie Nebuftion ber ©teilen unb ©ehalte gegen ftch aufbrachte, fo hofete ihn ber Abel, nicht nur »eil {ich berfelbe burch ihn alles EinfluffeS beraubt fah , fonbem mehr noch toegen °er Bemühungen beS SNinifterS, ihn öom §ofe ju entfernen unb jum Aufenthalt auf feinen Gütern $u nötigen. 3>ie Bürger grollten ihm über bie Aufhebung beS ßunftwefenS unb bie gabrifbefifcer fammt ihren Arbeitern über bie Entziehung ber ftaattichen Unterftüfcungen.

$er allgemeine Unwille mürbe erhöht burch ben Umftanb, baß ©truenfee, ber beS $änifdjen nicht machtig mar, bei ber Auäfer* tigung aller föniglichen Befehle bie beutfehe ©pradje eingeführt hatte, bie bis balan nur für biejenigen Erlaffe in Gebrauch gemefen, welche bie beutfehen <ßrobinjen betrafen, ©ährenb er burch btefe Einrichtung feinen Gegnern in bem oerlefcten bönifchen Nationalge* fühl einen mächtigen BunbeSgenoffen t>erfdt)afftc , gab er ihnen 51t* gleich burch feine baS ftttlicfje unb religiöfe Gefühl tief berlefcenben Neuerungen auf bem firdjlichen Gebiet: bie Abfchaffung bieler geier* tage fomie ber rtrchenpoltjeilichen Aufficht über bie ©itten unb bie Einführung äu&erft lajer Grunbfäfce in Bejug auf bie Ehe unb bie öffentliche 9floral, woburdj er nicht nur bie Geiftlichfeit gegen fich aufbrachte, fonbem auch ben Unwillen aller Beffergefinnten ber bönifchen Nation erregte, bie fdjärfften SBaffcn in bie #anb, unb balb fah er feine ©tellung bon allen ©eiten bebroht.

Su feinem Unglücf fehlten bem 9ttinifter biejenigen Eigenfdjaf* ten, beren er beburft hätte, um ben £>af$ feiner Gegner burch bie Surcht ju jügeln : in fchwierigen Berhältniffen jeigte er fich unent* fchloffen unb fehwaetj. AIS am 10. September 1771 einige fmnbert Sftatrofen bon ber Slotte, benen ihr ohnehin üerfürjter ©olb nicht jur rechten Seit ausgezahlt worben, in brohenber Haltung bor bem ©chloffe oon £nrfchholm, ber Nefibenj beS Königs, erfchienen unb bie Abstellung ihrer Bejchwerben oerlangten, flüchtete ber $of nach bem eine halbe Sttetle entfernten ©chloffe ©Osenberg, unb nacrjbem es bem Süt)rer eines gegen bie Meuterer abgefchieften $5ragonerregi~ mentS mit leichter 2ftüf)e gelungen mar, fie jur Nücffehr nach ber ©tabt

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664 $änemar! unter ©truenfee'* StaatSöcroaltung.

au bewegen , lieg ©truenfee fte , ftott ihre Snfuborbination ju be* [trafen, mit ©ranntwein bewirken unb bewilligte ihnen, au&er bem fofort ausgezahlten rücfftänbigen ©olb, noch eine Sn^Qe. ermutigt burch biefe ©chwädje bes SJcinifterS, jogen trierjehn Tage foäter einhunbertawan$ig ©eibentoebergefeuen, welche burch bie ©infteflung ber Arbeiten in ben föniglichen ©eibenfabrifen brobtoä geworben, nach £>irfchholm unb forberten ©rob. $er einge(chüchterte 2Jcinifter oerfpraä) ihnen , nicht nur bie Sabriten fortarbeiten ju taffen , bis eine anbere ©efchaftigung für |te gefunben fein »erbe, fonbern gab it)nen auch bier Xage fpäter ein geft f bei welchem fte mit Unren grauen unb Kiubern reichlich bewirket würben.

X)te oon ©truenfee eingeführte $ref?fretyeU toerfchaffte feinen geht* ben ©clegenheit, ben allgemeinen Unwiüen gegen ifm burch heftige S)ni(ffc^riften $u fdjüren. 3nSbefonbere trat ber #a| gegen ihn in ber gefliffentlich unter bem ©otte verbreiteten ©efchulbigung ju Xage, baß er mit ber Königin ein ßiebeSöerhältniß unterhalte, ©ergeben* fudjte er burch ^refebefchränfungen ben Angriffen feiner ®egner eine ©d)ranfe ju jie^cn : er erhöhte baburch nur bie allgemeine (Erbitterung.

3n$mifchen gab ber König immer beutlichere ©ewetfe oon ©e= banfenlofigteit unb ©ciftc^fcr^mäc^e. (5r jtnang feine Siebtinge , ficr> förmlich mit ihm herum ju balgen, unb als ©ranbt barauf nicht eingehen rootttc , befdjulbigte er ihn ber geigbrit. 9luf ©truenfee'S SRath gab ©ranbt am folgenben Xage bem ©erlangen beä Königs nach unb brängte ihn, naebbem er ihn beim fingen bertefct, an bie SBanb , wo er ihn fo lange fefthiclt , bis ber König felbft bat , ihn loSjulaffen, worauf ©eibe als bie beften greunbe Rieben.

©truenfee verhehlte fich nicht , ba& eS ihm bei ber unöerfenn* baren ©eifteS$errüttung beS Königs, ber üRiemanben liebte unb beffen (Stonft nur auf gurdjt ober bem ©ebürfnifj nach öerftreuung unb rinbifcher Unterhaltung beruhte, in feiner gefährlichen Stellung an jeber fixeren ©tüfee fehle ; aber er fudjte bie fich ^m aufbrän« genben bangen Ahnungen burch neue ©ewaltfcbritte ju betäuben, benen nichts Ruberes 51t (Srunbe lag, als feine unüberwinbliche SfceuerungSfucht. 9lm 21. $)e$ember 1771 erfchien ein KabinetS» befeljl, welcher bie Sluflöfung ber föniglichen Seibgarbe ju gu§ einer angefet)encn, aus fünf Kompagnien Norwegern beftehenben ©chaar unb bie ©ertheilung ber ÜHannfcbaft unter öerfchiebene anbere Regimenter verfügte. §113 biefer ©efehl bem auf bem 2Karft* plafce verfammelten Korps eröffnet unb hierauf bie gähne eingejo* gen unb t)in weggetragen mürbe , entftanb ein allgemeiner 31 uf ruht. Unter bem (Sefcbrei : ,,$ie gähne gehört uns ; mir haben $u ihr gef Comoren. SGBir motten fie behalten ober oerlangen unfern $tb* [tfu'eb !" jogen bie (Sarben nach bem ©chloffe, ftiefjen ba£ Xhor ein, verjagten bie ©olbaten ber SBadje unb befefoten biefelbe.

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Stönemarf unter ©truenfee'« Staatsverwaltung. 665

D&gletch bic Aufruhrer burdj herbeigeholte pflichttreue Xruppeu umjingelt rourben, roagte eS ©truenfee nicht, mit üftachbrud gegen fie öorjugehen ; er ließ trielmefjr förmlich mit if)nen unterhanbeln unb benriüigte irrnen nicf}t nur ben geforberten Abfcfjieb, fonbem gemattete ihnen auch, ihre Uniformen $u behalten, unb fagte aufeer- bem jebem t>on ihnen ein ©efdjenf öon bret fReichSthalern ju. ÄlS bie (Sterben am folgenben Xage ben SBeg nach ihrer ,§etmath ein* fdjlugen, gaben if)nen zahlreiche SSoIfä^aufen ba& ©eleite, roobei ber $öbel ©djimpfmorte , 31ücf;e unb $rofmngen gegen ©truenfee aus* ftief?. $er ®ommanbant Don Kopenhagen, ber mit einigen Offizieren herbeigeeilt mar , um bie 9flenge ju jerftreuen, rourbe oom ^ferbe geriffen unb feine Begleitung öerhöfjnt unb mißhanbelt. gür ba3 ©dndfal ber Königin beforgt, roarnte ber englifdje ©efanbte Dberft ^cttl) ben Sttinifter öor bem Abgrunbe , an beffen SRanbe er Inn* ging, unb rietrj ihm, Kopenhagen ju oerlaffen unb ftet) nad) @ng-- lanb ju begeben ; ©truenfee mied jeboer) biefen Sftath mit ber (SrfTä* rung jurücf, baß er auf feinem Soften ju bleiben entfchloffen fei, unb lieg, um ju jeigen, ba§ er feine Surcfjt fenne, am 9. Januar 1772 ben 4>of nach ber Jpauptftabt jurüdf ehren.

£ier roaren unterbeffen bie gäben ju einem Ste&e gefponnen roorben, burch roeldjeS ber SWtniftcr $u ©oben geworfen roerben foHte. $ie öerroittroete Königin Suliane SWarie, ^riftian^ VII. ©tief* mutter, eine braunfa)n)eig'fa)e ^ßrinjefftn, Ijatte fidj, erbittert über bie Sernadjläffigung, bie fie am £>ofe erfuhr, fomie über bie 3urüd* fe(jung il)re8 achtzehnjährigen ©ormeS griebridj, mit be3 fieberen ehemaligem $ofmetfter, bem KabinetSfefretär ©ulbberg, fonrie mit bem (General oon Ätanjau, bem Sriegäfommiffär ©eringSftolb, bem Dberften Völler unb bem (Generalmajor oon (Sidftäbt jum ©turje ©truenfee'* unb ber oon it)r mit bem gleiten £affe oerfolgten Kö* nigin öerbünbet , unb ber oon ben SBerfcfjtoorenen ju biefem Stoede entroorfene tßlan follte nach einem für ben 17. Januar angefefcten ^ofbaö ftur Ausführung gebraut roerbeu. 21m SBorabenbe beäfelben befam ber mit ©truenfee befreunbete Stanjau 9teue über feinen 93et* tritt ju ber SSerfdjroörung, ju meinem ihn bie Nichtbeachtung feiner Tarnungen oon ©eiten be3 ÜttinifterS , fonrie bie Ueberjeugung be= mögen hotte, ba& ftdj berfelbe nicht lange mehr fyaitzn fönne. Um ben ©ebrohten $u retten, befdjlofj er, ihm burch feinen Araber, ben 3uftijrath ©truenfee, ben ber SRinifter oon einer Sßrofeffur an ber ßiegnifcer SRitterafabemie nach $>änemarf berufen unb im ginanj* fache angeftcllt hatte, eine SBarnung jutommen ju laffen ; er fanb ben- felben jeboa^ nicht ju §aufe , unb fein ber 5)ienerfchaft gegebener Auftrag, ihrem £>erm ju melben , er laffe ihn bringenb bitten, fo* gleich 8U 5U kommen, meil er ihm wichtige ütttttheilungen ju machen fyabz, mürbe öon biefem nicht beachtet.

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666 Dftnetnarf unter Strucnfee'Ä StaatSoerwaltimfl.

ftadjbem bcr £>ofbalI um jmei Ufjr HRorgenS &u ©nbe gc- gongen, befefrte ©icfftäbt, ber bie SBad>e im ©djloffe fatte, äffe flu* gange beäfelben , mäfjrenb bie übrigen SBerfdjmovencn burdj eine gefjeime I^ure in ba« ©crjlafgemadj be* Äönig& orangen, um bem* felben burdj 6infcr)ucr)terungen bie jur Stu&fuhrung ifyrefc ^ßlancä nötigen Söefefyle ju entreißen, ©ie erflärten tfjm, fte feien gcfom= men, um Um unb ba« ßanb au« einer grofjen ©efa^r ju retten, unb legten i^m babei jmei Rapiere jur Unter jeieftnung öor , öon benen ba* eine bie Ernennung CrtcfftäbtS jum Äommanbanten öon flopenfjagen enthielt , unb ba* anbere ben Dberften ßöfler beöoll* mäa^tigte , im Vereine mit (Sicfftäbt jebmebe jur Errettung be$ ftönig* unb be& ßanbeS notf)tt>enbige 2Ra&regel ju treffen, «Radjbem ber bcfrürjte flönig in feiner flngft beibe Rapiere, olme fle gelefen ju fmben, untertrieben Imttc, mürbe er mit leic&ter SJtüfK baftn gebraut, audj bie ton bem ^rinjen Sriebrid) aufgefegten SBerljaft«* befehle für ©truenfee, ©ranbt unb brei^efm iftrer «nljänger $u unterjeidmen unb an feine Gkmaljlin ein franiöfifebeä £>anbbiHet ju treiben, beä 3nl>alt$: „$>a fte feinen guten 9iatf)f«lagen niajt ijabe folgen motten , liege bie ©dmlb niebt an tym , wenn er ftcfj öerpflid)tet ffiljle, fie naefj Bonenburg führen ju taffen." Götter übernahm bie Serfmftnng ©truenfee'*, ©itfftäbt bie ©ranbt*. £er ©rftere ergab fict) obne SBtberftanb, ber fiebere fefcte fid) $ur SBefjr, mürbe aber balb übermältigt. $13 bie Königin ba« jpanbbiHet be$ Sifönig« gelefen, ba$ SRanjau Ujr überbradjt, mollte fie ju i^rem ©emaf)le eilen ; fte mürbe jebod) jurürfge^alten unb nad) öer$roeif= lungSöofler ©egenme^r ofmmädjtig in einen Söagen gehoben, ber fie nad) Bonenburg braute.

$113 fidj am folgenben SWorgen bie ftunbe Don ben Vorgängen ber SRadjt in Kopenhagen öerbreitete, ftrömte ba3 33olf unter lautem 3ubelgefdjrei nad> bem ©djlo§plafce unb brachte bem König, ber mit feiner ©tiefmutter auf bem ©alfon erfdnen, ein frürmifaje« £ebe* ijod). 9cod) größer mürbe ber 3ubel, als ber König, feftlidj geftet* bet, mit feiner ©tiefmutter unb bem $rinjen Sriebrtdj in einem feaj^fpännigen ©aöamagen burdj bie ©tragen fuhr. ÖtebanfenloS fah er mit ftumpffinnigem Saasen auf ben $öbel, ber ben SBagen jie^en rooGtc, mä^renb fein ©tiefbruber fia) nad) allen ©etten grü* |enb neigte. SDttttagS um jmei U^r empfing ber ®ünig mit feiner ©tiefmutter unb feinem ©tiefbruber in feierlicher Sour bie 6Jlücf= münfaje be& W>tU, unb am ^(benb mar bie §auptftabt mie naa? einem errungenen ©iege glänjenb erleuchtet.

3n$ttrifd)en maren ©truenfee unb ©ranbt in bie ©itabelle gc* bracht unb bort, mit ferneren Letten belaftet, an bie SBanb irjrcd Werfers gefcbloffen morben. 3"^ ^Iburt^eilung be3 ©rfteren mürbe eine Äommiffion öon je^n 9Jhtgliebern eingefe^t, öor meldjer er

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Sfönemarf unter Strucnfec'« Stflatsoetttmlhmg. 667

nach fünfmöchentticher fernerer $>aft fein erfteS «erhör ju beftehen hatte. Mngettagt war er eine« s2lnfcr>Iag« auf ba« Seben be« ftönig«, fotoie ber 2lbft^tr benfelben $ur SUeberlegung ber ffrone $u jwingen, femer eines ftrafbaren «erhältniffe« $u ber tfönigm, einer fehlechten SBehanblung unb (grjiehung be« Ifronprinjen unb enblich be« 2Rtfc brauch« ber burch Slnmafmng erlangten 2Imt«gewatt. $ie beiben erften Anflogen Waren wiberftnnig, ba ja ©truenfee'« ganje 9Jcacrjt allein auf beut ftönig beruht hatte ; ben Sronprinjen aber hatte er nach 9touffeau'ö Hbhärtung«foftem erlogen, unb §war mit bem beften Erfolge , ba er baburch be« «Prinzen fchwächlichen Körper fichtlict) gefraftigt hatte, unb loa« ©truenfee'« ©taat«üerwaltung anbelangte, fo ftüfctc ftdj biefe, wa« aud) immer gegen biefelbe mit Stecht öor* gebracht werben fonnte, auf bie it)m bon bem ftönig übertragene atfadjt. $ie einjige Slnflage, welche eine S3erurtf>eüung be« 2Rini= fter« herbeiführen fonnte, betraf fein 9Sert)äItni6 jur Königin, unb gerabe in biefem fünfte legte 6truenfee , roaf)rfd>einlid) burd> bie 2lnbrot)ung graufamer golterqualen gefajrerft unb wohl auch in ber Hoffnung, burch bie SBerwtcflung ber Königin in fein ©c^ieffat fein Seben ju retten, ein ®eftänbni& ab, welche« bie @hre biefer unglüd* liehen gürftin ihren fchabenfrohen geinben prei«gab, obgleich fein einziges B^ugniß für it)rc ©djulb beigebracht werben fonnte.

3m ©efifce be« fchriftlichen SBefenntniffe« ©truenfee'«, begaben fta) bie Äommtffarien nach ßronenburg jur Königin. Obgleich man fie burch bie oerfanglichften fragen ju oerwirren fuajte, wiberfpract) ftc ber 2lu«fage ©truenfee'« auf ba« (Sntfdjiebenfte ; al« ihr jeboch einer ber Äommiffarien, ber greiherr Don ©d)ad* föathlom, bemerfte, bafj, Wenn fie bie 2Bar)rt>cit be« ÖJeftänbniffe« ©truenfee'« in tlbrebe fteüe, biefen für feine fajmadjüolle Söerleumbung bie quafooßfte Xobc«frrafe treffen werbe, erbla&te fie unb fragte, ob ein 93efennt= ni& oon ihrer ©eite ben llnglüdlidjen retten fönne. 3)a fie in ben SJcienen ber ftommiffarien bie Bejahung biefer Srage ju lefen glaubte, ergriff fie bie geber, um bie ihr oorgelegte, ba« ©eftänbnifj ihrer <Sct)utb enthaltenbe ©djrift ju unterjeichnen. ©djon hatte fie bie erften Söuchftaben ihre« tarnen« gefchrieben, at« ein höhniferje« Sädjeln ©chad« fie irre machte : fchaubemb warf fie bie Seber hin* weg unb fanf ohnmächtig in ihren ©effel jurüd. ©d)ad aber legte ber Söewufjtlofen bie Seber wieber in bie £>anb unb bollenbete, bie* felbe führenb, ihre 9camen«unterfchrift.

Huf ©runb biefer Urttcrfct)rift würbe am 2. Styrit 1772 bie @hc be« ßönig« burch eine h*cr5u ernannte ftommiffion gelöft, ber ©runb ber Trennung jeboch in bem Urteile öerja^miegen. @in Weitere« Vorgehen gegen bie Königin mürbe burch 0*c Drohungen be« englifchen ©efanbten oerrnnbert. dagegen erfolgte am 25. 2lpril gegen bie ©rafen ©truenfee unb ©ranbt ber ©pruch, baß 93eibe

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668

$>Qnemcirf unter 'StaatÄDcrwaltung.

ihrer (Sfjfen, SBürben unb ®üter entfefet, t§rc SBaffen jerbrochen, t>ie rechte $anb, bann ber #opf ihnen abgehauen unb ihre Äörper gebiertheilt unb aufs föab geflochten werben fotiten. Ä13 #aupt* grunb mar bei ©truenfee ein „großem, tobeSWürbigeS ©erbrechen gegen bie SRajeftät beS Äönig«," bei ©ranbt bie ©ettjeiltgung an ©rruenfee'S öerwerflicheu ©eftrebungen , fowie baS ©erbrechen ber 9J?ajcftät$beleibigung angeführt, „begangen baburä), baß er ftch an be$ tfönig* geheiligter ^erfon vergriffen." SMefeS Urtt)cil würbe t>on bem Äönig ohne 3°9crn unterzeichnet unb am 28. tfprtl 1772 in feiner ganzen Strenge Donogen, ©eibe ©erurtheilten ha^en ftch Wätjrenb ihrer fehleren ($efangenfchaft aufrichtig ju bem oon ihnen Dorher öerleugneten d^riftenglauben befet)rt unb erlitten ben lob mit großer ©tanbhaftigfeit unb frommer (Ergebung in ihr ©chicffal.

5)ie übrigen befangenen Würben tfjeilS mit ?lemteroerluft, tt)eil$ mit ßanbeSöermeifung beftraft Unter ben ßefcteren befanb ftch ©truenfee'S ©ruber, für welchen ftch Sriebrich n. öerroenbet hörte. $)erfelbe fehrte in feine frühere ©teile nach ßiegntfc jurücf, würbe aber fpäter bon griebrich II. mit mehreren wichtigen Remtern be- traut unb ftarb 1804 als preu&ifcher ÜRtnifter.

$)ie geriebene Königin oerlief}, nach einer jwifchen bem bani* fdjen unb bem engUfcf>en $ofe getroffenen Uebereinfunft, am 30. 2Rat tfcänemarf unb begab fidj nach $>annooer, wo fte ba& Schloß (Seile fcezog. $ier ftarb fie, hothberet)rt wegen ihrer werktätigen ERenfdjen* liebe, am 10. Sftat 1775, im Älter oon breiunbjwanjig 3a^rcn» ora gebrochenen $er$en.

3n 3)änemarf hatten ftch bie ©erfchworenen nach &€m ©turje ©truenfee'S auS eigener S)?achtDoQfommenheit ju einem geheimen ©taatdrath unter bem ©orftye beS ^rtnjen gfriebrich conftituirt unb alle ©ehörben angewiefen, ©efcljle mit ber Unterfehrift be3 Königs nur bann ju beachten, wenn fte oon ihnen gegengezeichnet feien. $)a ber $rinj felbft ein unbebeutenber 2Kenfch war, würbe fein ehema* liger $ofmeifter ©ulbberg bie ©eelc ber neuen Regierung. 3nbeffen würbe oon ©truenfee'S Einrichtungen, infofern burch biefelben 3Äi§s brauche abgefchafft worben, ©ieleS beibehalten.

©on ben sJQZitgliebem ber ©erfchwörung behaupteten ftch nut (SJulbberg unb (Sidfftäbt eine 9ceit)e oon 3<*hrcn in ^rer neuen ©tel* lung ; bie übrigen würben in Sfolge eingetretener «SerWürfntffe rafch befeitigt. 5luch (Sicfftäbt unb Oulbberg erhielten im Slpril 1784 ihren Slbfchieb, als ber Kronprinz Biebrich, Dcr ©ot)n ber Königin Caroline 9Jcati)ilbe, bie S^Ö^ ocr Regierung ergriff, bie er bis jum 3ahre 1808 für feinen ©ater, bann als ftöntg 3fr ieb rieh VI. bis p feinem Xobe (1839) führte.

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3>er norbamcrifanif^e 8frei^ctt8frieö. 669

XXXIX.

Per ttori>amerißamf<$e äftetyeifefttieg.

(1775-1783.)

SBäljrenb in Ghiropa bie alten ©taat3einrid>tungen Don oben fjerab geanbert unb bie (Srunbtagen jeber ftaatlidjen Drbnung burd} eine oon ben gürften felbft begünftigte neue ^Uofop^ie untergroben Würben, bie fid) jugleidj bie SSernuttung ber geoffenbarten Religion jum Siele gefefct , oofljog pcf) jenfeitä be3 DceanS , im Horben ber „neuen SBelt," eine Umtoaljung, meiere auf bie alte SBelt mit nidjt geahnter Sföadjt jurütfnnrfen foHte : bie Kolonien ber (Snglänber riffen fid) lo$ öon bem SJfutterlanbe unb bereinigten fid) ju einem großen republifanifdjen ©taatenbunbe.

$ie erfte englifcfye Kolonie mar in fRorbamerifa unter ber Kö= nigin (Slifabetf) gegrünbet tuorben, nacfjbem 2Baltf)er SRaleiglj im 3a§re 1586 ba3 Küftenlanb an ber (£f)efapeaf=*öai unter bem ta- rnen SSirginien für bie tone (Snglanb in 53cfife genommen; biefe Slnfieblung ging jebodj balb mieber ju ©runbe. (Srft unter Qafob I., ber im %af)xt 1606 einer in £onbon jufammengetretenen §anbelafompagnie ba$ fianb $nrifd)en bem 30. unb 40. ©rab nörb* lieber ©reite (SSirginien) , baä jtoifdjen bem 40. unb 46. ©rab (9^eu=@nglanb) bagegen einer £>anbelägefeß|dwft ju ^ßlnmoutf) jur Kolonifirung öerlier) , führten §anbeläfpefulationen ju bauernben Slnfieblungen in jenen ÖJegenben. ÜRadjbem foroofjl in 9teu=(£nglanb als in SSirginicn fefie 9iiebertaffungen gegrünbet morben, naljm 3afob I. bie ben beiben £>anbel3gefeüfdwften ausgepeilten greibriefe jurücf unb erteilte ben Änfieblern bie dichte freier (Snglänber.

Sßolittjdje unb religiöfe Unbulbfamfeit führte roäljrenb ber unter Karl I. begonnenen inneren kämpfe ben norbamerifanifdjen Kolo- nien eine große Qafy neuer Wnfiebler ju, bie jenfeitö be» £)cean£ Sdmfc fugten oor ben Verfolgungen, benen fie fidj in ber £>eimatlj aufgefegt fa^en. 2)ie republifanifcb, gefinnten Puritaner manbten fidj I)auptjärf)Ud) nad) ÜReu (Suglanb, wo bereite im 3a§rc 1621 oou ifjren @)lauben3br übern bie mistige Kolonie 9)2affaa)ufett§ gegrünbet tuorben mar, bie Königlichen unb .£>od)f irdjlidjen bagegen oor= jugätueife nad) SBirginien. .frier grünbete ber jur f atfjoltfdjen Kirdje übergetretene Sorb Baltimore, melier oon Karl I. ben nörb* liefen Xljeil bon SBirginien als erbltdjea ©igentfmm erhalten Ijatte, bie Kolonie SJcarölanb, in melier fortan bie oerfolgten englifd)en Katfjolifen eine fixere 3uflud>t«ftätte fanben. 3m 3af)re 1 682 mürbe burdj ben Duäfer SBifliam Sßenn (f. ©. 179) bie balb §u fjol)er Sölütye emporfteigenbe Kolonie ^ennftolbanien gegrünbet.

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I

SBä^rcnb ein %\>t\l ber «uStoanberer ftdj in ben am SReere gc* grüubeten ©täbten nieberlie&, bic hauptiäd)lia} burd) ihren Serfe^r mit ben glibufHern Abenteueret au* allen Kationen, roclc^e fich auf einigen ber Heineren toeftinbifchen 3nfeln fcftgefefct Ratten unb im ftebje^nten Qahrfmnbert gegen bie fpanifäen ©djtffe unb Kolonien einen großartigen SRäubcrfrieg führten jiemlidh rafdfr \ emporblüf)ten, brangen VInbere tiefer in ba* Üanb hinein, um fidj in ben Störungen ber Urtoälber anjubauen, wo pe große SBalb* ftreden theil* bura) geuer, thcil* mit ber 2lrt au*robcten. SHcfe fiefcteren Ratten fernere kämpfe mit ben ebenfo graufamen aU lifttgen gnbtanern ju beftehen, für welche fie als bie »tauber ihrer Sagbgrünbe ein ©egenftanb be* grimmigften $affe* waren, «ber bie nur mit SBogen unb fleule bewaffneten inbianif^en Säger Oer* motten Wicht* gegen ba* geuergewetjr ber SBeißen, mie gegen beren überlegene pfjofifdK Itraft, Slu*bauer, Klugheit unb rütffidjtä* lofe «nfprüche; bat)er bezeichnet ba* «orbringen ber englifchen stoiontjatton in ycoroamenra ein jtete* ioertreioen uno xserniajten ber 3nbiancr, bie in ©nglanb feinen gürfprecher fanben, ber it)re <Sad)e oor bem Xfjrone oertreten hätte, wie ber eble ßa* (£afa* bie* für ihre ©rüber im ©üben gett)an fyatte. SBäfyrenb bie 3nbianer ben oorbringenben englifchen «nfieblern ba* gelb räumen mußten, wur* ( ben in ben fübltchen ^roüinjen, feitbem bie engltfche Regierung auf* gehört hatte, bie $eportirten $ur ©flaoenarbeit in ben Kolonien Oer* toenben $u (äffen, ftegerfflaoen eingeführt, mit welchen bie (Jnglän* ber bamal* einen äußerft geminnreichen §anbel trieben.

3)ie englifchen Kolonien, beren 3al>l fich bei bem Sluäbruch be* Unabhängigfett*friege* auf breijehn belie}1), toaren t^eild rein bemofratifche, wie namentlich bic in 9ccu=(£nglanb, tt)eü* oon ber m roue angelegte, in welche ba* in (Englanb ^errfa)enbe ariftofra* ttfehe (Clement oerpflan^t worben (SMrginien, 9cew*$orf, bie beiben Carolina, 9lew*3erfeö, Georgia) theil* aua^ ^runb^errenfolonien, wie SRarntanb unb ^ennfoloanien. Vlüe Kolonien aber befagen bad englifa^e 9fted)t, bie englifa^e freie (JJemeinbc= unb SBegirt&oer« faffung, unb feitbem im Jaljre 1719 unter @eorg I. bie SB^ig« Regierung bie (&runb()errenoer()ättniffe aufgehoben hatte, beruhte bie Sßerfaffung fammtlia^er Kolonien auf bemorratifa)er (&runblage. VLn ber ©pi^e ber Regierung ftanb in jeber Kolonie ein (Stauoerneur

1) Sirgintcn (1607); 9*e»»f)or! (1614 Don ben ^oaänbern aegrünbet, 1664 oon ben enalttnbern erobert; 9Ra[fac$ufett3 (1621); «cjo^ainpf^ire (1623 toloniftrt, anfang* ein Xtpil oon S»affad)ufett«, feit 1679 felbftftftnbige Äolonie); TOarolanb (1632), Äonncttifut (1635 oon SRaffadjufettS au# folo* nifirt); ^obe=3«lanb (1638); ftorfejfarolina (1650); Süb^acolina (1670); 2)elan>are (1638 oon ben S^meben unb $onOnbem foloniftrt, 1662 oon ben ©nglftnbem erobert); Wero^erfeo (1623 oon ben §ottünbcrn tolonifirt, feit 1664 englifö); «ßenn|oloontcn (1682) unb Georgia (1733). I

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*)er noroameruam|aje tfreityettörrteg.

al* ©tellberrreter beä flöntg* ; ba* Obernaus war burch einen Stath, ba* Unterhaus burch eine bon ben ©ürgern gewagte SBerfamm* lung öon Stepräfentanten oertreten. $ie föniglichen Remter wur* ben jeboch meift mit eigentlichen (Snglänbern befefct. Sluch geftattete Englanb, ben ©runbfäfcen ber alten Äolonialpolitif getreu, feinen norbamerifanifdjen Kolonien nur mit bem SJiutterlanbe einen ööüig freien 95crf c^r ; bie Ausfuhr öon Siohprobuften nach fremben ßän* bern unterlag grojjen ©efchränfungen, unb bie Einfuhr öon folgen aus fremben Sänbern mar gänzlich öerboten.

$a Snglanb ben fiebenja^rigen Ärieg mit Sranfreidt) ^anpt- fäd)lich im 3ntereffe feiner norbammfanifdjen Kolonien unternommen unb baS Ergebni& beSfelben ber Erwerb Eanaba'3 fie öon ber gefährlichen Siähe ber ^ranjofen befreit hatte, tyttt ftet) bie engüfct)e Regierung für berechtigt, bie Kolonien burch bie «ufer* legung einer inbireften ©teuer in einem geroiffen SSerhältniffe ju ben fefjr bebeutenben tfriegäfoften heranzuziehen, unb belegte be&fmlb im 3at)re 1764, mit 3uftimmung be* Parlaments, öerfdjiebene $an* beläartifel mit einem Eingängen ; auch führte fie im folgenben 3at)re eine ©tempelfteuer ein. (Segen 93eibe3 proteftirten bie Pro* üinjtal="$arlamente ber Kolonien, inbem fte bem Parlamente bed SJcutterlanbeS, in welchem fie nicht oertreten waren, ba* Siecht be= ftritten, eine neue ©teuer einzuführen, unb als Englanb auf bem beftanb, wa3 als fein Siecht anfat), befchloffen bie Stäube ber einzelnen Kolonien auf einer SSerfammlung ju Siew^orf, fidj ber ©tempeltare nicht 311 fügen unb bie Einführung zollpflichtiger SBaaren nicht zu geftatten.

Xurd) ben einmütigen SBiberftanb ber Kolonien gefdjrecft, zog ba$ englifche Parlament im 3at)re 1766 bie Stempelafte zurüd, erflärte jeboch babei audbrücflich, bafj ihm bad Siecht zur öefteuerung ber Kolonien zuftcljc, unb belegte, um biefeS Siecht zu betätigen, im Sahre 1767 ben Xhee, fomie @laä, Rapier unb Malerfarben mit einem geringen Eingängen, beffen Ertrag für bie ftefolbung ber englischen Beamten in ^merifa beftimmt mürbe. Xro| ber Oering« fügigfeit be$ feftgefefcten Solle« fügten fich bie Ämerifaner nicht, weil fie ertannten, bafj e3 bem englifchen Parlamente nur barum zu tt)un mar, fein Söefieuerungärecht aufrecht ju galten, unb bie heftigen Debatten, bie in bem englifchen Parlamente, befonberS im Unter* häufe, über bie Siechtmä&igfeit ober #mecfma&igfeit ber ben #olo« nien auferlegten neuen Steuern geführt mürben, fonnten fie nur in ihrem SBiberftanbe beftärfen.

5)ie in ben Kolonien herrfchenbe gereizte Stimmung trat zuerft in SRuheftörungen zu SBofton, ber #auprftabt öon 2Jcaffachufett3, zu Sage. 2113 bie dotteinnehmer eine mit SDlabeiramein belabene Sdja* luppe, bie einem fehr beliebten SJianne gehörte, wegen falfcher 2ln*

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672 $cr norbamerüanifcfc 8rrcü>it3frteg.

gaben in ©efdjlag nahmen unb burdj bic ©efafcung eine« im #afcn tiegenben SriegäfchiffeS unter bie Kanonen be8 gollhaufe* bringen liegen, entftonb ein allgemeiner Auflauf, wobei öon ©eiten be* SSolfeS ju ©ewaltthätigfeiten gegen bie Üotlbeamten fam. $ie$ gab bem Parlamente $eranlaf[ung, ein partes ©trafgefefc £einrich3 VIII.r nach Welchem $>ochoerrath, aufeertjalb beä deiche* begangen, in Eng* lanb unterfucht »erben foflte, mieber in tfraft $u fefcen, obgleich jahtreiche 9Jcitglieber barauf ^ingetniefen, ba& biefeS ®efefc auf bie norbamerifanifchen Kolonien feine Anmenbung pnben fönne, inbem ju ber Seit, in welcher ba$felbe erlaffen warben, noch gar feine iiDer]eeiicöen viniteoiungen oe]tanoen natten.

#atte fdjon biefe SRa&regel unter ben tfoloniften eine tiefe Erbitterung wachgerufen, fo würbe biefelbe noch gefteigert burch bie riitfficf)t3lofe ©eljanblung, bie ihrem ©efchäftaträger in fionbon, bem in allen Kolonien h«"h angef ebenen ©enjamin granflin, $u Xr)eil würbe, tiefer berühmte SRann (geb. 1706 ju ©ofton, al« ber ©ofm eine* unbemittelten ©eifenfieberS), ber 3nr)aber einer bebeu= tenben ©uchbrueferei in tytylaMpfya, ber fich burch bie ÖJränbung Dieter gemeinnüfcigen Anftalten, inäbefonbere auch burch feine ©e* mühungen für bie £ebung be3 Solfäunterricht«, um fein Saterlanb unb burch eifrige ©tubien, bie Um auf bie ©rfinbung be3 ©lifcab* leiterS geführt, um bie SBiffenfajaft öerbient gemacht unb öon ber englifa)en Regierung junt ©eneralöoftmeifter aller amertfamfehen Kolonien ernannt worben, mar bei ben junehmenben WlifätüiQUittn $nnfd)eii ben Kolonien unb bem üftutterlanbe Don SDcaffadmfettS unb mehreren aubern $roöin$en nach fionbon gefanbt worben, um bei ber Regierung bie fechte feine« SBaterlanbe* ju üertr)eibigen, wie er bie« bereit« früher mit ebenjobiel (Sntfchiebenheit ati ®efd)id in SBort unb ©djrift getfmn hatte, ftachbem ed ir)m gelungen mar, fich in ben ©efifc ber ©ertchte be« Statthalter« öon TOaffacr^ufettd ju fefcen, in welchen ber englijehen Regierung (Bewaltmafjregeln gegen bie #olo* nien empfohlen mürben, hatte er biefelben naa) Amerifa gefchuft, worauf ber ©taat öon 2Haffadjufett3 in einer an ben ftönig gerich- teten ©orfteßung um bie Abberufung be« Statthalter« gebeten hatte. 3n biefer Angelegenheit öor ben geheimen föattj geforbert, mar Sranflin öon bem fltonanwalt als Aufruhrer behanbelt unb al« ber erbittertfte unb gefährlichfic geinb ©nglanb« bezeichnet worben.

Snjwifchen hatte fich in golge be« (Sntfchluffe* ber Amerifa- ner, feinen Ztyt mehr au* @nglanb ju begehen, in ben SBorrath«* haufem ber oftinbifchen Kompagnie eine fo beträchtliche Dftenge bie- fer SBaare aufgehäuft, bog bie ©efellfchaft ftch erbot, ben boppel- ten 2lu*gang«joll ju §ahlen, wenn bie Regierung bafür ben ante* rifanifchen eingang^oll aufhebe. 2)ie Regierung lehnte jwar biefen Antrag ab, weil fie ihr ©efteuerungärecht burchfe^en Wollte,

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$er norbamerifanifäe f>rci^cit«fricg.

673

hob aber bagegen im Safere 1773 burch bie fogenannte „X^ecafte" für allen nach ben englifchen SRteberlaffungcn in Wmertfa ju fen* benben %tyt bic Stuäfu^rjöae auf, in ber Hoffnung, burch bic grö* §crc SBo^IfelQpeit beS 2lrtifelS bic Slmerifaner jutn Slnfauf beSfel* ben -\u üerlocfcn unb auf biefem SSegc bic inbireftc Slnerfennung if)reS VcfteucrungSrechteS jit erlangen. $ie Kompagnie fanbte hierauf eine Wn^l bon $f)eefduffen nach Hmerifa. £ier hatte man jebod) Sorge getragen, bie SluSfdn'ffung berfelben $u Dermin» bern. ©urd) 3eitungen unb glugfchriften mar an alle #afenftäbte bie Slufforberung ergangen, bie $fjeefd)iffe nicht einlaufen ju laffen, „roeil fie mit ben Seffeln belaben feien, bie ©ro&britannien für bie Kolonien gefchmiebet", unb Qeber, ber auf irgenb eine 2lrt ba^u behilflich fein werbe, mürbe mit ber furdjtbarften föaaje bebroht. 2ÜS beffenungeachtet mehrere Sfjeefduffe unter bem Sdjufce ber eng* lifdjen ^riegSfchiffe in ben £afen bon Vofton einliefen, brängte fiefj eine Slnjahl bewaffneter £eute, bie als Ettofjarof^nbianer berflei* bet waren, auf biefelbeu unb warf bic ganje Labung <tytz adjt* äefmtaufenb f funb inS SBaffer. (18. $ej. 1773.) Die Solge biefeS ©emaltafteS, ber in (Snglanb eine ungeheuere Aufregung Ijerüorrief, mar ber @rla& eines ParlamentSbefchluffeS, burch melden bie Sperrung beS §afenS bon Vofton, foroic bic Vefchränfung ber ber* faffungSmägigen Freiheiten bon SRaffachufettS berfügt mürbe.

2US biefe Parlamentsafte in ben Kolonien befannt gemorben, befdjloffen fämmtüa^e Probinjen, allen $anbclSberfehr mit bem Sttuttertanbe aufju^eben, bis biefelbc jurücfgeaogen fein merbc. Qnx Herbeiführung eines einmütfngcn gufammengehcnS murbc bie SU* bung eines aus ben Vertretern aller einzelnen Probinjen beftehenr ben ÄongreffeS bereinbart, beffen burd) Stimmenmehrheit gefaßte Vefdjlüffe allgemein giltig fein foOten. $ie ©rgebnifje ber 33c* ratfjungen biefeS ftongreffeS, ber am 4. (September 1774 ju Phila* belpfjia eröffnet mürbe, befunbeten nicht nur bie öoöftänbigfte @inig* feit unter ben Kolonien, fonbem auch baS Vewu&tjein ber in biefer ©inigfeit liegenben $raft. 9iaa^bem bie Verfammlung ben Vejchlufc gefaxt, baß bon einem gemiffen ßeitpunftc an fomohl bie Einfuhr englijeher SSaarcn, als aua) bie SluSfufjr amerifanifcher Probufte nach ©nglanb aufhören foüte, erliefe fie Sufchnften an ben $önig, an baS englifchc unb an baS amerifanifche Volt unb an bie Probinj (Sanaba, morin fie erflärte, bafj bic Kolonien feine anberen «ßweefe berfolgten, als bie SBahrung ihrer alten, mohlcrmorbcncn fechte gegen* über ben (Singriffen beS Parlamentes unb ber englifchen Regierung.

28ie in bem früheren, fo waren auch in bem $u Slnfang beS 3ahreS 1775 jufammengetretenen neuen Parlamente bie Stimmen über baS gegen bie Kolonien einjufchlagenbe Verfahren gethctlt. Viele riethen jur Sftäfjigung, inSbefonbcre ber alte SBUüam Pitt,

fcolatoartfc, SJeltgeidjidjte. VL 43

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674

9>er norbamerifamfdje greiheit&frieg.

ber trofc feine« ferneren ©idjtleiben« beim ^Beginne ber norbameri* fanifchen Unruhen im 3a^rc 1766 nochmal« bic 93ilbung eine« üflinifterium« übernommen, feine ©rette al« ßorb-©tegelbemahrer jeboch im 3af)re 1768 toegen junehmenber Ifräuftichfeit niebergelegt unb nur {einen ©ifc im Dberfmufe behalten hatte, in melche« er mit bem Xitel ÖJraf oon (£^atam eingetreten mar. 2luf eine ifrücfe geftüfct, er* fchien er in ber $arlament«oerfammIung, um mit bem ganjen geuer feiner Söerebtfamfeit bie Regierung oor oerhängnifjoollen abgriffen ju roarnen. „9Jcülorb«," fprach er, „fo wenig, al« ich mir an= maßen fönnte, ©ie mit biefer $rücfe öor mir her$utreiben, fo un* möglich ift e«, Slmerifa $u erobern." Slber bie SJcinifter tooHten Slmerifa &u ihren güfeen feljeu, unb ba« Parlament ging auf ihre SBünfc^e ein. 9ta$bem eine neue $3iII ben brei^elm ^roöinjen allen Söerfe^r mit (Snglanb unterfagt unb ihr ©igenthum al« oerfallen an bie $aper bie Beamten Oon ©einer Sflajeftät ®ricg«fchiffen erflärt hatte, mürbe im Dl tober 1775 ber SBefd>lu§ gefa&t, bie re* bcKifct)cn f olonien mit SBaffengemalt jum ©ehorfam aurücfjuführen, ju biefem ämeefe aber frembe Xruppen in ©oib ju nehmen, „bamit bem engüjdjen (Seroerbfleifje nicht ju öiele #änbe entzogen mürben." Slußer bei Regierung oon #annooer, bie ber englifdjen ein anfet)n* liehe« Sruppenforp« jur Verfügung fteflte, liegen ftch bie gürften oon ©raunfefnoeig unb £)effen;®affel bereit finben, fechaefmtaufenb ihrer Untertanen an ©nglanb al« ©ölbner ju oerfaufen.

Unterbeffen Ratten in ben Kolonien bie geinbfeligfeiten bereit* begonnen. 2ü« bie Nachricht eingelaufen mar, bajj ba« englifa^e Sßar(a* ment eine ftfte erlaffen habe, burch meiere alle ©infu^r oon SBaffen unb #rieg«oorräthen in bie brei^elm Kolonien oerboten mürbe, hatte man fidj in ©rmartung eine« gemaltfamen Zugriff«, 511m beroaff* neten Söiberftanb gerüftet. 3n äRaffachufett« maren jmölftaufenb sJJcann, meift ajcilijen jufammengebra^t unb bei Soncorb große $rieg«oorräthe aufgehäuft morben. Um biefe aufgeben, rücfte ber S\im (Statthalter oon SDiaffadmfettö ernannte englifche ©eneral ®age, ber ben^afen oon SBofton hatte bef eftigen laffen, gegen ©oncorb oor; er mürbe jeboch am 18. Slpril 1745 bei Serington oon ben amerifanifchen SRiligen angegriffen unb mit JBerluft jurücfgefchlagen.

5)iefer erfte ©ieg erhöhte bie allgemeine Jöegeifterung für ben greiheit«fampf j felbft bie Ouäfer griffen ju ben SBaffen. Qvl ihrem ©l iiefe hatten bie $lmeritaner einen Sföann, bem fie mit bem oott* ften Vertrauen bie ßeitung be« Kriege« übertragen tonnten. (£« mar bie« ber bereit« früher (®. 458) ermähnte, burd) unerfchütter* liehe töeMidjfeit unb glühenben greiheit«finn ausgezeichnete ©eorg SS af hington (geb. 1732 ju ©nbge^Steef in ber ©raffcr)aft Söcftmoorelanb in SBirginien, oft ber ©ohn eine« reiben ^ßflanjer«), ber fich in bem fiebenjährigen Stieg ©ngtanb« gegen granfreich

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3>er norbamerifamfdje ftreif)eit3frteg.

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tüchtiger 3üf)rer bewährt, ober nodj wäfjrenb ber 3)auer beafetben bie militärifdje Saufbaljn aufgegeben unb feitbem auf feinem ©ute 9flount SBernon in SBirgtnien gelebt Ijatte, bi* er oon feinen 2anb** Ieuten jum Vertreter SBirginien* auf bem Kongreß öon *ßf)ilabelpf)ia ermaßt mürbe.

$8on bem Kongreß an bie ©pifce ber amerifanifa^en ®rieg3* madjt gefteflt, entfaltete SBaffjington bie umfidjtigfte unb einftdjt** üotlfte Xfyätigfett, junäcfjft in ber ^Bewältigung ber jafjtretdjen ©djwierigfeiten feine* 9lmte*. $)a ber 2)ienft im Äampfe für bie SRedjte ber Kolonien ein freiwilliger war unb überbie* bie Sßro* üinjiatoerfammlungen, um ben Bürger nidjt im ©otbaten aufgeben ju (äffen , bie Xruppen in ben erften ®rieg*jaljren naefj Ablauf einer gewiffen Seit wieber nadj £>aufc jurücffdjren ließen, war bie Slufredjtfjaltung ber $rieg*ju<$t unb bie 2(u*bilbung eine« frieg*-- artigen £>eere* eine äußerft fdmnerige Aufgabe. $aju !am bie 93erfdjiebenf)ett ber jum Kampfe oerbunbenen SBölfer fünften , bie einauber tfjeil* fremb, tt)eitd fetnb waren, unb bie Sftannigfaltigfeit ifyrer s2(nfa^auungen unb Sntereffen, woburd) in*befonbere , ba ber Kongreß feine Steuern au*fcf>reiben burfte unb fidj auf bie öu*gabe öon ^ßapiergelb befdjränft fafy, beffen #rebit burdj feinen ©erneut* finn aufredet erhalten würbe, bie ©efefjaffung ber nötigen ©elb* mittel auf bie größten ©djwierigfetten ftieß. STud) fehlte e* nidjt au einer föniglid) gefinnten Partei, bie überall $>emmniffe ju be* reiten bemüht war.

£ro|j biefer ungünftigen SSerpltniffe gelang e* ber Umfielt unb ©ef)arrlid)feit SBafljington* , ba* buntgemifdjte , ungeübte £>eer fo rafdj in bie ©emofmfjeit be* Kriege* $u bringen, baß ber ©ene* rat ©age bie auf ber 9lnl)öl)e öon 93unfer*fjiU bei SBofton Oer- fdjanjten Äolonialtruppen erft nadj einem breimaligen oergeblidjen Angriff, bei welkem bie (Snglänber mefyr at* taufenb 2ftann Oer* loren, au* ü)rer Stellung oertreiben fonnte (15. Quli 1775).

Qnjwifdjen waren SBerftärfungen au* ©ngtanb unter ben ©ene* raten $ome, SBourgotme unb Clinton in SBofton angefommen; fte würben jebodj al*balb bort oon SBaföington eingefdjloffen unb litten, ba bie Xruppen mit ädern 9cotfjwenbigen, felbft mit ^ßferbe* futter unb ©teinfo^len , au* (Snglaub üerfef)en werben mußten, wäljrenb be* SBiuter* oon 1775 unb 1776 ben fdjrecfüdrften Langel. $ennorfj matten bie englifdjen Generale feinen i8erfudj , fidj au* iljrer mißlichen Sage ju befreien; erft nadjbem ©enerat (Stege nad) ©nglanb $urücfgefefjrt war, befdjloß ber ©eneral £>ome, fein Sttadjfolger im Oberbefehl, SBofton 311 räumen, unb braute biefen dntfdjluß am 16. 2Rär$ 1776 jur 2lu*füf)rung. SReue 3ujüge au* (Snglanb erljöfjten balb ba* englifc^e #eer auf bie ©tarfe oon breißigtaufenb 3#ann, unb ba ba*felbe nunmehr bem amerifanifdjen an 3af>l K>eit

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Ter norömnerifanifcfjc iVvcitjcit-Sfriefl.

übcrteflcn fear , errang e$ über ba* ledere mehrfache Sortheile. £ie Wmertfaner mu&ten mit einem Serlufte oon breitaujenb üWann Song 3^nb räumen r unb bie Stabt 9cem*?)orf mürbe Don ben Qrnglänbern fcejefet. Xrofcbem oerlor ber Kongreß, ber feinen Si& oon ^P^Uabelp^ta nach Baltimore oerlegt tyattt , ben 9fluth nicht; er erflärte oielmehr am 4. 3uli 1776 bie norbamerifanifchen #olo* nien für einen unabhängigen unb fouoeränen Staat. $tefe (5r- flärung mar jmar urfprünglich nur oon fiebert ^roüinjen ausge- gangen ; bie fedjS übrigen traten jebodj berfelbeu fdjon nach wenigen lochen bei, unb am 4. Oftober 1776 erfolgte bie förmliche ÄonfrU tuirung beö amerifanifchen Staatenbunbe*.

Unterbeffen tjatte ftch Söafhington, ber burch bie erlittenen SRieberlagen in ber Ueberjeugung beftärft worben, bafe er mit fei= nem jehwachen, fehlest organiftrten £eere nicht im Stanbe fei, bie feinbliche Uebermacht ju bewältigen, unb ba& ber Sieg nur burd) gebulbigeS 3lu3horren unb oorfichtigeä Qauberu ju erringen fei, barauf befdjränft, ben geinb $u beobachten unb ihn burd) gefdnefte Bewegungen irre $u fuhren, um ben Moment $u erfoähen, wo er i^m burch Ueberrafchung eine töieberlage bereiten tonne. 3u ®nbe ^ejember 1776 ging er, als sporne fein Jpeer in bie ©interquar* tiere audeinanber gelegt hotte, über ben zugefrorenen Delaware unb nahm am 26. Dezember bei X r e n t o n eine Wbtheilung Reffen taufenb ©emeine mit breiunbjwanjig Offizieren gefangen; zehn £age fpäter, am 3. 3<miiar 1777 , gelang ihm baä bleiche mit einer anberen Wbthetlung bei $rincetown.

Sticht minber glürflidjc Solgen, al* bieje mit ebenfooiel Kühn- heit als Ueberlegung aufgeführten Unternehmungen, bura) welche ber gefunfene 3ttuth ber Vlmerifaner wieber aufgerichtet würbe, hatte bie Sludbauer , mit welcher äöajfnngton in einem befeftigteu Siager ju 2)corri$town , ben Wufforberungen Jpowe'ä $ur Schlacht wiberftehenb, mit achttaufenb SRann ein engtifched jpeer oon breijjig* taufenb äNann in Unthätigfeit tyitlt. &13 £owe enblich gegen s4$l)ilabelphia aufbrach, jah fich SBafhington genitttugt, ihm borthin §u folgen unb ihm am Sluffe söranbnwine am 11. (September 1777 eine Schlacht anzubieten, bie jum 9tad)theil ber $lmerifaner enbete unb bie (Sinnahme oon ^ß^itabelpr^ia bura) bie (Jnglänber jur Solge hatte, dagegen Würbe ber englifche General sBourgoune, ber oon (£anaba auf in ba$ 3nnere oon sJteW-Öorf bis jum ^>ub- fon oorgebrungen war, nach einer am 7. Oftober 1777 gegen ben (General (Stoteä erlittenen Sttteberlage, bei S a r a t o g a fo oollftanbig eingejchloffen , bafj er fia) am 15. Dftober mit bem SRefte feine* $eered gefangen geben mufjte.

2)iejer Unfall oerjehaffte ber Jriebendpartei im englifchen Parlamente bie Oberhanb, unb bie englijehen sJ)ttnifter cntjchloffen

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$er noibamerifamfdje &reU)ett*frieg.

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fidj um fo rafdjer , bie £anb jur 2lu*fül)nung ju bieten , al* bie Spaltung ber fran$öftfd)en föegterung iljnen bte ernfteften ©eforg* tuffe einflößte. 8eit bem beginne be* norbamerifanifajen Sreiljeit** friegeö hatte bte ©aaje ber Slmerifauer in Sranfreicf) bie regften ©mnpatfn'en gefunben, weniger au* £>a§ gegen (Snglanb, al* au* SBorliebe für bie feit mehreren Qafjrjeljnten oon ben mortfüf)ren* ben ©djöngeiftern gepriefene republifanifdje <Staat*form. SBie bie franjöfifdjen ©eeftäbte in*gehetm bie Slmerifauer mit SBaffen unb ®rteg*oorrätf)en unterftüfcten , fo eilten begeifterte Scanner , unter ifmen ber äWonjigjährige , für bie €>ad)e ber greifjeit glüfyenbe 9flarqni* ton Safatjette, au* einem ber ebelften (SJefdjledjter Sranf* reidj*, ber ®raf Sftodjambeau unb bie beiben (trafen #ametf), nadj Slmerifa , um unter SBaffnngton* gafme für bie llnabfjängtgfeit ber Kolonien $u fämpfen, ein ißeifpiel, bem audj bte Sßolen JÜo** ctu*fo unb $ulam*ft unb bie beutfdjen Marone bon (Steuben unb oon #alb nachfolgten. SGBenn audj bie fran&öfifdje Regierung bte <&efinnungen ber Söeoölferung be* ßanbe* bejüglidj ber norbameri* fanifdjen Kolonien nidjt tfyeilte, fo trat fie bod) ben Äunbgebungen berfelben nidjt entgegen, weil fie in ber ©ajäbigung ber Qntereffen Gmglanb* eine Sörberung be* eigenen SBortfyeil* faf).

©ajon im 3af)re 1776 war gvanflin mit unbefdjränften 33ofl* machten be* Äongreffe* $um Slbfajluß eine* ©ünbniffe* mit ber franjüfifdjen Regierung naa) ^ßari* gefommeu, unb ber fa)ltd)te Slmerifaner, ber nid)t nur burdj fein offene*, gerabe*, mit amerifa* nifd)er ©d)laul)eit gepaarte* Auftreten unb fein republtfanifdj philo* fophifdjc* SBefen bie ©ntljufiaften au* SRouffeau'* ©djule entjürfte, fonbern audj in feiner einfad&en £anbe*trad)t unb feinen ungepuber* ten paaren ber oorne^men SBelt ein neue*, ungewohnte* ©chaufpiel barbot, hatte in $ari* bte ehrenoollfte Aufnahme gefunben. 3)ie franjöfifdje SRegierung trat jebodj au* ihrem ©djmanfen erft tyxatö, a(* bie ämerifaner ihr burd) ben bei ©aratoga errungeneu (Srfolg gleidjfam ein Unterpfanb für ben glütfltdjen 2lu*gang be* Kampfes gegeben Ratten. s2lm 6. gebruar 1779 fam ju $ari* ein 23ünbni& $wtfd)en granfreiö) unb Mmerifa ju ©tanbe, worin Subwig XVI. )\d) oerpfliajtete, ben norbamerifanifdjen 3freiftaat fo lange ju unter* ftüjjen, bi* (Snglanb beffen Unabhängigfeit anerfannt Imbe.

$er 2lbfd)luf$ btefe* SBünbutffe* bereitete alle 3lu*föf)nung*= uerfua^e (Snglanb*: in bem Bonner ber Kanonen, womit in ben Kolonien bie Jöerbtubung mit Sranfrcid) gefeiert würbe, ging ber 3rieben*ruf be* 2Wutterlanbe* unter. 3m englifdjen Parlamente waren S3icie ber ^Infia^t, ba& e* ba* föatfjiamfte fei, bie Unab- Ijängigfeit ber Kolonien bebingung*lo* anjuerfennen unb alle Xrup* pen au* 2lmerifa jurürf^ujtehen ; ber bie*be5üglta^e Antrag würbe jebod) auf ba* @ntfa)iebenfte oon demjenigen befampft, ber bi* ba*

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678 $er norbamerifcmifdje frreihettSfricg.

hin immer mifben unb nachgiebigen 9Jcagregeln gegen Slmerifa geraten hatte, oon SBifliam <ßitt. $er greife Staatsmann fonnte ben ©ebanfen nicht ertragen, bag bie Kolonien, für beren ©e* hauptung unb SBofjlfahrt er ben fiebenjährigen Stieg mit 3ranf= reich mit fo meiern ftufwanb oon S3e^arrlid)feit unb ®efct)tcf ge= leitet, für (gnglanb oerloren feien unb bem oon ihm fo fefpr ge* jagten granfreid) ber Xriumph bleiben füllte, burd) fein ©ünbnig mit benfelben biefen «erluft befiegelt $u haben. SBanfenben Schritt teS, auf feinen Sibam unb feinen Sofm geftüfct, erfchien er am 7. 2lpril 1778 im Parlamente, um mit faft fterbenber Stimme eine feurige Siebe ju galten, bie mit ben SBorten fdjlog: „Sluf, lagt uns fampfeu, fallen, wenn es fein mug, unter ben Prummern bcS EatcrlanbeS!" 2tl# er jum ^wetten Wale auffielen wollte, um bem trafen 9tichmonb ju antworten, ber jenen Antrag gefteOt, fiel er in Oljnmadjt unb mugte nach Jpaufe getragen werben. Grinen SKonat fpäter, am 11. 2Rai 1788, ftarb er, in feinem fiebjigfteu ßebenSjahre. 2öie wenig er in ber merjätjrigen ruhmvollen ßeitung, ber englifchen (Staatsangelegenheiten auf feinen eigenen iöorttjeil be* baa)t gemefen, beweift ber Umftanb, bag bie Nation nach feinem $obc Gelegenheit fanb, ihm burd) bie ©ejahlung feiner ©Bulben i^re £anfbarfeit ju bemeifen.

$em SSünbnig granfreicljs mit Wmerifa trat, auger Spanien, baS burd) ben bourbonifdjen gamilienoertrag $um 2lufd)lug ge= jmungen mar, auch Jpollanb bei, an meines dnglanb im 3ah*e 1780 ben ßrieg erflärt hotte, meil bie ©eneralftaaten fich ben waltthätigfetten ber (Snglänber gegen bie neutralen Schiffe wiberfefct hatten. $>ie willkürlichen llnterjuchungen, womit biefe Schiffe burch bie (Sngtänber beläftigt mürben, bewogen auch Xänemarf, Sdnoeben, $tuglanb unb Portugal, fich ju einer bewaffneten Neutralität gegen ©nglanb ju öerbünben. Der $ampf entbrannte nun auf allen Speeren. 3n Elften unb Wfrtfa fachten fich bie friegführenben SJcachte gegenfeitig ihre Kolonien ju entretgen, unb baS $riegSglüd fdnoanfte hin unb her, bis enbtidj bie ©nglänber unter ihrem helbenmuthigen 5lbmiral SRobneö bie Cberhaub behielten. 2)er fpanifche QJcneral (Eriflon entrig ihnen jmar bie 3nfel SÖctnorfa (Jebruar 1782); bagegen behauptete fich ber $ommanbant oon (Gibraltar, ßorb (Slliot, bret Qahre lang gegen bie Angriffe ber fpanifd)=fran$öfifchen 5lotte unb rettete bie ihm anöertraute wichtige Seljenfeftung burch bie 3er* ftörung ber fchmimmenben ^Batterien bes 3ngenieurS b'3lr^on.

SBeniger glüeflich als jur See waren bie ©nglänber in bem fortgefefcten Sanbfriege tu Slmerifa, obgleich bie Slmcrifaner im (5)anjen wenig töriegStüchtigfcit entwickelten unb ber s2(bfatl bes burch Selbhcrrntalent unb grogen perfönlichen 2Jcuth hcr0orra9cll= ben ©enerals Slrnolb, ber im 3<*h« 1780 öerrätherifcher SBeife

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S>er norbmnerifanif^e ftreiheitSfrieg.

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ju bcn (Snglänbern überging, ben jungen greiftaat in gro&e fahr braute. 3>er englifdje General Clinton unterwarf jmar im 3ahre 1780 ©übfarolina unb fudjte hierauf Virginien unb bic lüften üon Stendorf mit furchtbaren Vermüftungen heim, roäh= renb bie füblichen ^ßroüinaen burch ben (General dornmatliS üer* heert würben; allein eine (Sntfdjeibung mürbe baburdj nicht her- beigeführt. 3" Anfang beS 3af)re3 1781 brach Söafhmgton, nach= bem er eine unter feinen Xruppen auSgebrodjene 2tteuterei glüeflich übermältigt hotte unb burch eine in granfreich contrahirte Anleihe üon fechjefm SMionen SiüreS in ben ©tanb gefegt morben mar, feine ©olbaten burch eine regelmäßigere Vejafjlung unb beffere Verpflegung 5itfrieben ju fteöcn, im feereine mit einem ingtoifchen angefommenen frangöfifa^en ^>ilf^r)ccrc , nach bem ©üben gegen SornmalliS auf, ber tnjmifchen in jroei treffen gegen ben (Gene- ral (Greene fiegreid) mar , fchlie&lich aber üon biefem bis auf (SfmrieStomn jurüefgebrängt mürbe. Clinton jog ihm jroar nach; eS gelang jeboch SBafhington, benfelben burch QeTe^idftc #emegungen über baS 3^ feines 3"9C^ bn täufchen unb ihm baburch einen fo be- beutenben Vorfprung abzugewinnen, baf3 beffen Vereinigung mit SornroalliS nicht mehr berocrfftelligt merben tonnte. 5)en Sefcteren fchlojj er, im Vereine mit Safatjette, ber am 14. ©eptember ju ihm geftofien mar, am 19. Dftober 1781 in ?)orf toron fo üoOftänbig ein, ba& fich berfelbe genöthigt fah, ftet) mit feinem ganzen £eere ju er= geben unb ben kmerifanern feine fämmtlichen ®efchüfce unb alle feine $riegSüorrätf)e auszuliefern.

SDJit bem Sage üon ?)orftomn mar ber norbamerifanifche grei heitSfrieg im SBefentlichen beenbigt. 3n bem neuen Parlamente, baS gu Anfang beS 3ahre$ 1782 jufammentrat, ^atte bie ben grie= bcn befürmortenbe Dppofition fo entfdueben baS Uebergeroicht , ba& ber ®ömg fich genöthigt fah, ein neues SJMnifterium im ©inne ber griebenSpartei §u bilben, baS fofort mit ben Slmerifanern grtebenS= unterhanblungen anfnüpfte. sMt bem Veginne berfelben hörten alle geinbfeligfeitcn in Sftorbamerifa auf , mäfjienb ber $ricg (SnglanbS gegen granfreich, Spanien unb ^oUanb trojj ber p ^ßariS gepflo- genen griebenSunterhanblungen mit (Erbitterung fortgeführt mürbe. 55a bie ^artnäefigfeit, momit Spanien auf ber Verausgabe üon ®i= braltar beftanb, ben Slbfdjlufj beS gricbcnS üerjügerte, fchloffen bie Slmerifaner am 30. ^oüember 1782 mit (Snglanb einen üorläu* figen befonberen Vertrag , in meinem biefeS ihre Unabhängigfeit anerfannte unb ihnen t>ortr)ctlr)afte ÖJrenjen mit einem s2lntheil an bem ©toeffifchfang bei Sßeufunblanb bemiüigte. $er befinitiüe triebe jroifchen fämmtlichen triegführenben dächten fam am 20. Qanuar 1783 ju VerfatlleS $u ©tanbe. 3" bemfelben erfannte G£ng= lanb in aller gorm bie Unabhängigfeit ber norbamerifanifchen ®olo=

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G80

$er norbamertfoniföe ftretyeitsfrieg.

*

nicn on unb gab an bereit SBunbeSgenoffen ade toäljrenb beS Krieges gemadjten Eroberungen jutürf, mit alleiniger $Tu3naf)me ber im Süben ber ftüfte oon $oromanbel gelegenen Stabt ftegapatam, bie ftoßanb ifjm abtreten mußte. 3ür bie befinitioe Serjia^tletftung auf (Gibraltar erhielt Spanien Oft^Ioriba unb blieb au&erbem im 33e- fifce oon SBefcSloriba unb TOnorfa.

ÜRorbamerifa ^atte feine Unabf)ängtgfeit erfömpft ; bodj blieb if)m nod) bie fdntrierige Aufgabe, bie errungene Sclbftftänbigfctt burdj eine georbnete SSerfaffung bauernb fidler gu fteHen. $a jmei Parteien einanber gegenüber ftanben, bie $em o f r aten, meiere bie politifdje ®emalt unter bie einzelnen Staaten oertfjeilt miffen , unb bie göber aliften, bie einen Staatenbunb mit gemeinfamer 9te= gierung grünben motlten , brofjte e3 *u cmften 3ermürfniffen §u fommen; biefelben mürben jebod? burd) 2Baff)ington3 üermtttefnbeä $aaroifd)entreten abgemenber. Eine oon bem Kongreß im 3at)re 1787 nadj $lulabelpf)ia jufammenberufene ©eneralüerfammlung oon Teputirtcn ber breige^n Staaten einigte ftd) , nad) mannigfachen Sdjmanfuugen unb Reibungen , über eine berfaffung, bie im 3af)re 1789 oon allen Staaten angenommen mürbe unb feitbem unoer* änbert fortbeftanben r>at. Xura) biefelbe mürbe ba3 fianb unter bem tarnen „bereinigte Staaten oon 9torbamerifa" für einen 93unbe§* ftaat erflärt unb bie ootfyieljenbe bemalt einem <ßräfibenten , bie gefefcgebenbe aber bem tongreffe übertragen , roeldjer au« jmei tammern, bem „Senate" unb bem „$aufe ber ^Repräsentanten," befter>t. 3n ben Senat mäljlt jebe ^rooinj auf fedjä 3af)re jmei ÜHttglieber, bie mtnbeftenS breifiig Qa^re alt fein müffen; in baä ^Repräsentantenhaus bagegen fenbet jeber Staat für bie $auer üou jmei fahren auf je ftcbjigtaufenb ©intootyner einen toenigftenä fünf* unb^mangig 3af)re alten ^(bgeorbneten. $5er ^räfibent roirb oon allen ftimmberedjtigten bürgern auf Oier $af)re getoäl)lt, nad) bereu 9(b* lauf er nod) einmal toiebergetoäfjlt merben fann, unb erbält einen 3af)rgel)alt oon füufunb^manjigtaufenb Dollar«. 6r ift jugleidj £berbefcf)l$f)nber ber fianb* unb Seemadjt, fdjliefjt mit GHmotüigung be3 Senats Verträge unb SBünbniffe, empfängt unb ernennt ®e~ fanbte, mie ifnn aud) bie Ernennung ber (Sioil* unb SRilitärbeamtcn 3iiftcr)t ; er beruft jäfjrlid) ben Kongreß unb ocrlciljt ben 93efd)lüffen beäfelbcn burd) feine ©eftätigung ©efe(je3fraft. 93ermeigert er einem Söefdjluffe feine Suftimmung, fo gefjt berfelbe an ben Kongreß jurüd unb gilt bann bod) als ÖJefefc, menn fidj in jebem $>aufe jtoei Xrittel ber Stimmen bafür erflären. llebrigenä fann ber 5ßräfibcnt in 5In* flageftanb oerfefct unb megen Serratia, Söeftedjung unb anberer fernerer iöerbredjen abgefegt merben. lieber StaatSprojeffe unb Streitigfeiten einzelner Staaten entfdjeibet baä ©unbeSgeridjt , ba$ 3ugleid) bie työdjfte 21ppcHatiou8bel)örbe bilbet. $ie Religion ift frei,

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$er norbamertfamftfje ftreü)ett&frieg.

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infofern man nur einen ©ort befennt. An ber ©pifce jebeS einzelnen 6taate$ ftet)t ein (Souöerneur , ber im Vereine mit einer ©eneral* öerfammlung bie inneren Angelegenheiten beäfelben leitet.

$)ie Aufgabe, alle SBerhältniffe bed jungen greiftaateS im ©elfte ber SBerfaffung ju orbnen , fiel SBafhington ju , ber , nadjbem er bereits am 23. 3)ejember 1784 feine Dberbefebläfmberftetle nieber* gelegt, im Qa^re 1789 einftimmig jum Sßriifibenten ermahlt mor* ben , unb er löfte biefe Aufgabe mit ber gleichen Eingebung unb Umfielt, bie er als Selbherr bettriefen. (5r mürbe baber auch im 3al)re 1793 mieber gemalt ; boch verbitterten ihm öielfadje An* feinbungen öon ©eiten ber $emofraten feine ©tettung fo feljr, baß er ftch im 3ah*e 1797 gan$ au§ bem öffentlichen ßeben jurücfjog, um feine Xage auf feinem öanbgute SDcount SSernon ju bcfc^Xiefeen. £>ier ftarb er am 14. $ejember 1799 nadt) furjer ®ranfbeit. ©ein 9£ame lebt fort in ber im 3<*hre 1792 gegrünbeten SBunbe&ftabt SB a f h i n g t o n , bie ben ©ifc be3 ®ongreffe&, be$ Sßräfibenten unb ber (£entralbefjörben bilbet.

©djon neun Satjre öor SBafbington, am 17. April 1790, war granflin in£ (Srab gefunfen. dreimal hatten it)nf feitbem er im 3af)re 1783 nach bem grieben Don SBerfaiUeä öon feinem ($efanbt> fdjaftäpoften am fran^öfifchen $ofe jurücf gefebrt , feine Mitbürger $um (Siouöerneur öon ^ennfolöanien gewählt, bis ihn im 3faf)re 1788 fein hohe* Alter unb junebmenbe ®ränflichteit genötfngt, fief) öon jeber Xheilnabme an ben SRegierungSgefchäften jurücfjujiehen. Unter bem (Geläute aller (SJlocfen unb bem Bonner ber Kanonen rourbe feine irbifche ^>üde auf bem 3frtebt)ofc öon ^ßl^Uabelp^ia be* ftattet, unb ber Kongreß ehrte fein Anbenfen burch bie Anorbnung einer öiertoöchentlichen ßanbedtrauer. ©eine öon ihm felbft öerfafjte (5Jrabfcf>rift lautet: „$er Sörper Benjamin granflinä , eine* Such* brucfer3, liegt hier (gleich bem (Sinbanbe eine* alten Suche*, beffen glätter jerriffen, beffen Xitel unb SBergolbung öermifcht finb), ben Söürmern jur ©petfe. 3)a3 SSerf felbft aber wirb nicht öerloren gehen ; benn e3 wirb (fo hoffte er) ttrieber erfcheinen in einer neuen unb fchöneren Aufgabe, burchgefehen unb öerbeffert öom SBerfaffer."

$>ie norbamerüanifche Union bat fah fat jener 3eit mit bei* fpiellofer SRafchheit $u einem SBcttreict) entroicfelt. ©chon im Qahre 1850 mar bie ©eelenjahl, bie im Qahre 1800 etroaä über fünf unb ein Viertel 9tti£lionen betrug , auf breiunbjmanjig 2Kißionen geftie* gen unb ift feitbem öon 3ahr ju 3at)r um mehrere ^mnberttau* fenbe getoachfen. Acferbau, 93ieh$ucht unb Oeroerbfleijj habeu einen bebeutenben Auffchmung genommen; inSbefonbere aber blüht ber §anbel, nach 2lu§en geförbert burch eine £>anbel$flotte, bie an ®röfje nur ber englifchen nachfteht, im Qnnern burch Kanäle unb Öanb* ftra&en, bie nach öttc« Dichtungen ba3 ßanb burchfreujen, unb burch

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682

3)er norbamerifcmifäe 3freifait«frieg.

ein auSgebeljnteS (Sifenbaljnnefc. SBic auf ben Volfäunterridjt große Slufmerffamfeit öertoenbet ttrirb , fo ift aud) für bic nriffenfdjaftlidje Vilbung burd) ja^Ircia^e fjöfjere ßefjranftalten geforgt, unb loctyrenb öor bem Unabf)angtgfeit«frieg faum oon einer amerifanijdjen ßitc- ratur bie SRebe fein fonnte, fjat fiefc feitbem auf aßen Gebieten be« ©djriftfteflertfjumä ein rege« Öeben entfaltet. Uebrigen« ift bei einem großen XtjeUe ber Veöölferung ba« raftlofe Qagen nadj materiellem öeminn fo fetyr in ben Vorbergrunb getreten, bag barüber jebe« fjöljere Streben untergegangen, Selbft ber Kongreß ift baoon nidjt unberührt geblieben : bie ©eftedjlicfjfeit fjat bei ben TOtglieberu beS- felben in f^reefenerregenber SBeife ©ingang gefunben. Ueberljaupr treten un« in ber norbamerifanifdjen Union, roic auf bem religiöfen unb fittlidjen, fo audj auf bem gefeaidmftlidjen unb politifdjen (Gebiete , bie fdjärfften Äontrafte entgegen , toie bie« bei einem Staate, in toetdjem eine jo wcitgef>enbe greifet fierrfdjt , faum an= ber« fein tann.

2)ie crfreulidjftc ©rfdjeinung in ber (Sntttncflung be« norb= amerifanifdjen greiftaate« ift unftreitig ba« ungetuölmlidjc SBad)«> tf)um ber fattjolifdjen IHrdje unb tyr fjerrlidje« , retd) gefeg= netc« Söirfen für bie Hebung be« djriftlidjen ßeben«, für ben Unter* riefet unb für SScrfe ber 2BoI)ltl)ätigfeit , mie für bie Verbreitung be« a)riftlia)eu ©lauben« unter ben meljr unb mefjr bem £oofe ber Vernietung anfjeimfatlenben 3nbianern. Seitbem ^apft $iu« VII. im ga^re 1808 ba« ViStfmm Valtimore jur Sttetropole erhoben unb Oier SuffraganbiStljümer errietet, ift bie 3af)l ber Metropoliten auf ätoölf unb bie ber ilmen unterftetyenben Vtfd&öfe auf oierunbfünfjig geftiegen, ju benen nod) einige apoftolijdje Vifare fommen, unb bie fatljolifdje Vebölferung, bie ju (£nbe be« oorigen 3al)rljunbert* auf breiunbjTOanaigtaufenb Seelen gefaxt nwrbe, beträgt gegenwärtig meljr al« fed)ä Millionen. 5ür «rme unb Shanfe ift burd) bie (£rria)tung Oon fiebenunbad)t$ig ,£>o«pitälern unb jnjei^unbertamanjig anbern SGÖo^lt^atigfeit«anftalten Sorge getragen , bie meift oon £5rbcn3fdjroeftem geleitet roerben. 3n ber Seelforge toie in ber Seitung ber $af)Ireid)en Se^ranftalten nrirb ber feeleneifrige (Spiäfo* pat oon einer großen Qaty öon £)rben«männern unterftüfct, bie, ben öerfdjiebeuartigften geiftlidjen ©enoffenfdjaften ungehörig, in opfer= freubiger Eingebung mit einanber wetteifern.

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Inljaltowrjetdjmß.

9am vfitfälif^ri fmferi kie f«B ^B«lr«# fcfr frtififif^rM jttnlitifi.

(Einleitung

Seite

3 5 5 9 28 84 47 47

I. ffaifcr geoftolb I. (1658-1705)

geopolbfl äSafrl mtb etfte SRegierungSaeit fleopolbfl £ür!enfriege. (1663-1699) $a3 bent|cf)c SReicb unter tfeopolb 1.

IL 3)eutfd)lanbÄ Ihithtrauftanb im ftebjefjnten 3a$rljunbert

m. gubtoig XIV. oon %tanfreid). (1643-1715) .

ftranfreid) unter 9ftQ3arm3 Staatgtiermaltung. (1643—1661) fliibtoiag XIV. erfte groberungSfriefle. (1667—1697) . . 01 fiubroiflg XIV. ©eroatttfrättgieiten gegen fteutjdjtanb, Spanien

unb tterfdjtebene italieniffle Staaten. (1679—1685) . . TL gubmigg XIV. britter groberunggfricg. (1688-1697) . . 83

gubtoig XIV. als Regent . 93

SubraiflS XIV. ftof . lül

$ic franaöfifcfre Literatur unter Subftng XIV. . . .107

IV. (Sngtanb in ber ^weiten fialfte be3 fle6aefrntcn ffafrrfjunbertS 124

Sie erften Seiten ber engtifflen fRepnbtü. (1649—1653) (Sngtanb unter bem <Broteftorate (SrommettS. (1653—1658) g>te Sieberfrerftefluno, beS fti3ntgtf)um3. (1660) ftarl II. (1660—1685) . ffafob II. (1685—1688) .

gSiltjetm III. (1689-1702)

V. $ie engtijcfye Siteratur im fcrf^efynten unb fieb^ctjnten $af)r

Rimbert

VI. $er fpatiifd?e Srbfotgcfrieg. (1701—1714) Xie brei erften ftricflSjafrre. (1701 1703) $te (Sdjtodjt bei ftttcftftäbt. (13. Muguft 1704) 3)ie bciben erften SRegicrunggjafrre SojepftS I. (1705 unb 1706) 195

124 136 144 149 161 IM

170 180 180 191

684 3n&alt3Derjcic$niij.

©fite

Sie 8djladjt bei Xurin. (7. September 1706)

198

Xie 3d)Iarf)ten bei Cubcnarbe (11. $uli 1708) unb bei

Sflalplaquet (11. Sept. 1709)

203

Xcr öturj 2)carlboroug,l)* (1711) unb ber Xob 3o|epi)S I.

(17. 9lprtt 1711)

207

Xie ^ r i c be n ä f d) 1 ü f ) e oon Utredjt, SRaftabt unb Reiben

211

VII. fiubiuigä XIV. Äu»gang

214

VIII. Wutilonb unter $eter bem Örofeen. (1682—1725) .

216

IX. $oIcn ut ber jmeiteu haltte beS ficbjeljnten 3al)rl)"nbertS

225

X. Dänemar! unter Sriebriä) 111.(1648—1670) unbStjriftianV.

(1670—1699)

229

XI. ©djtoeben unter Äarl XI. (1660—1697) unb in ben bret

erflen SRegterungSja&ren ftartft XII

235

XII. Xer norbtfetje ftriei]. (1700—1721) ....

239

Der bänifdie tfriea, (Wugujr 1700) unb btc (Bct)Iad)t bei

Warroa (HO. Woö. 1700)

239

Xer polmfaje Strien. (lriiO 1706)

242

Xic ©rüntunn Don St. Petersburg. (1703)

247

Xer rufiürtje Sfrieg. (1708—1700)

248

Barl XII. tn ber dürfet. (1709—1714) ....

252

ßarlS XII. Ausgang. Snbe beS norbt)"d)cit ftriegeS. (1718-1721)

259

XIII. $eterft bei ©rojjen ^Reformen unb lefcte i*cbcn$jaf)re.

(1721—1725) 264

XIV. fliufjlanb unter ben nier erjtcn flfarfjfolgcrn pctcrS be3

®rofeen. (1725—1762) 274

ftatftarino I. (1725-1727), <ßeter II. (1727—1730) unb

Anna (1730-1740) 274

etifabetl?. (1741-1702) 279

XV. Scftroeben unter ftriebrid) I. (1720—1751) . . .282 XVI. ^rrantretcr) unter ber SRegentfduift be* fcerjog* öon Orleans.

(1715-1723) 284

XVII. Spanien unter flgitipp V. (1700—1746) . . .290 XVIII. (gnglanb unter ©eorg I. (1715—1727) unb ©eorg II.

(1727-1760) 295

XIX. ftotfer ftarl VI. (1711-1740) 304

3tart3 VI. elfter Xürfenfrtcfl. (1716-1718) . . .304

Xie pragmatiidK Sancrion 310

Xer polnijdK Xfrronfoifleirico.. (1733—1735) . . .314 ftnria VI. ^netter lürfentrieg. (1737—1730) . . . 322

Xn3 beutfdje Neid) unter ftarl VI. . 324

XX. Italien com roeftfnlif^cn ^rieben bis in bie fflittc beS

tt^ejntcn flaftrftunbertft 827

$n1)alt3t)eraei$m9.

685

Seite

Sie $dpfte t>on 1655—1758

327

So&tana, Saoonen, ©enebig unb ©enua

332

XXI. Sa3 Königreici) ^rcufjen unter ftriebrid) I. unb ftriebrid}

SBWjelm I. (1688—1740)

335

griebrt^ I. (1688—1713)

335

ftriebrid) SBilfjelm I. (1713-1740) ....

340

ftriebridjä II. Sugcnbiabje. (1712-1740)

349

ftriebrid)* Ii. SRegierungaantritt. (31. 3Kai 1740) .

364

XXII. Ser öfterreufciföe «rbfolgefrieg. (1740-1748)

366

SWorta Stjcrefia'S Regierungsantritt. (26. Oft. 1740) .

366

Ser erftc f^teftfc^e Ärieg. (1740—1742)

369

Ser öftcrreic^ifc^c ©rbfolgeftieg bis jum Zobt Kaifer

Äarl« VII. (1741-1745)

377

«Der weite fdjteftfäe Krieg. (1744—1745)

386

Sie oter legten %a1)vt be3 öfterreic^ifc^en ©rbfolgefriege«.

(1745—1748)

395

XXIII. Defterreid) unb ^reufcen nad> bem ö[terrcict)ifc^en (Erbfolge*

FrieflC. (1748-1756)

401

Sttaria Xljcrefia als SRegentin

401

ftriebridjS II. dtegentenifjätigfeit unb ^riüatleben .

406

XXIV. Ser iiebenjä^rtge (britte fd>(efifc^e Krieg.) (1756—1763) .

416

Skranlaffung unb WuSbrud) beS Krieges

416

Sie ©cfyladjten bei *ßrag , ftottin , SRo&bad) unb. fieuttjen.

(1757)

423

Sie ©ctjladjt bei 3«>mborf unb ber Ueberfafl bei #odtfirdj.

432

Sie Sdjladjt bei ÄunerSborf. (12. Huguft 1759) .

436

Sic Sd)lad)tcn bei ßiegnife unb Xorgau. (1760)

443

Sic jttjei legten KriegSjafyre unb ber §ubert3burgcr triebe.

(1761—1763)

449

XXV. Scr fiebenjäf)rige englijd)»fran^öfifdje Krieg auf bem SKeere

unb in ben Kolonien. (1756 -1762) .

457

XXVI. ftranfreief) unter fiubroig XV. (1715—1774) .

464

üubtm'gS XV. $riüatlebcn

464

Sie 9lufl)ebung beS ^fuitenorbenS in ^anfretcr). (1764)

470

fiubwigS XV. lefrte SRegierungSseit. (1764—1774) .

474

XXVII. Sie franjöfijdje Siteratur im acfjtacfynten ^aljrljunbert

479

XXVIII. Portugal unter ^ombalS «ermaltung. (1750—1770)

494

XXIX. Spanien unter Karl III. (1759-1788) .

500

XXX. Italien in ber aroeiten Hälfte beS ad)tjef)nten 3af)*f)unbertS

502

Neapel, s4$arma, XoSfana unb ©arbinien

502

Sie brei Iefrten ^äpfie be* adjtflefjnten SafcrljunbertS.

(1758-1799)

506

I

686 ^n^alttoeräeidjnift.

Seite

XXXI. «atfer Soitpt) II. (1765-1790)

511

55a3 beutle 9icid) unter ^ofep^ II

511

5E)ie lefete 9tegicrung«aeit Flavia $f)crefia'&. (1763—1780)

518

Xer beutjdje ftürftenbunb. (1785)

524

3o|epl)3 II ftaatlidjc Reformen in feinen (Erblänbern.

(1780—1790)

527

Sofep&S II. fird}lid)e Neuerungen

537

Die Steoolution in ben Nicberlanben. (1788—1790)

547

^ofeptj« II. Neuerungen in Ungarn ....

552

ftofept)* II. Stufcgang

554

XXXII. ftaiier ficopolb IL (1790-1792)

558

XXXIII. ßatfmrina II. Don Wufelanb. fl762— 1796) .

560

Xfyronbefteigung ber ßaiferin fiatfjarina. (9. 3uli 1762)

560

tfatfyarina II. behauptet ben ruffifcfyen I^ron

566

Die erfte Teilung ^olenS. (1772)

569

ffattjarina'S erfter lürrenfricg. (1768-1774)

595

Äottjarina IL a!8 Negcntin

599

^otemfin ber Courier. (1776-1791) ....

603

Katharina'« jweiter Xürfenfrieg. (1788—1792)

607

Die zweite unb britte Teilung $olen#. (1798 unb 1795)

610

XXXIV. ftriebric&i II- tefete «egierungSaeit (1768—1786) .

618

XXXV. Greußen unter Sriebricfc SBilfjelm II. (1786—1797)

627

XXXVI. Die beutle Sitcratur im atyaefmten ^fa^r^unbert .

632

XXXVII. ©Sweben unter ®uftao III. (1771—1792)

648

©uftaoS III. ©taatSumwälaung. (1772) ....

648

©uftao* HI. Staat#bertt>altung

654

©uftatj« III. ffrieg gegen töu&Ianb. (1788—1790) .

657

XXXVIII. Dänemarf unter ©rruenfee'« 6taat3t>ertealtung. (1770 bi*

1772) 661

XXXIX. Der norbamerifanijtfte greifreittiricg. (1775—1788) . 669

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Hill

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