Zeitschrift für Pliilosophie und Padagogilc

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OP TBE

University of California.

Class

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Zeitschrift

fOr

Philosophie und Pädagogik

O. nfigd ^ W. Rein

bblUte^. loM

Zwölfter Jahrgang

UNiVi

Langensalza

Hermann Beyer und Söhne (Beyer & Mann)

Hmogl. Sidis. Hofbttchbiiidlcr

1905

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3 /

A < ,

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V

Inhalt

16. 124. 204.

291

LoBSicf, Kind und Euost 177. 273. 369.

PoKOBKT, Die Ausfol^erong und Ausdeutung allgemeiner örteile mit positiTem Subjekte und Prädikate durch Definition und Einteilung dieser Glieder

194 466

388-

97 1

28.

490

30.

306 13»

Mltt^ilangen

inj

Die Bestimmungen über Immatrikulation und Promotion Imniaturer an

deu

t s

51

Zur Frage der ethischen "Wertschätzung und religiösen Anerkennung

59'

UA

154

1'>R

160

Konferenz der Lehrer des mutterspracliUchen Unterrichts in Bulgarien

161

222

229-

232

235

Beiträge zur ^ eiterentwicklung der christlichen Religion . .

236

238

238

239

Der moderne Materialismus als Weltanschauung und üoschichts

prinzip .

240

Bericht üb. die 13. Herbstversammluug des V. f. w. P. Bez. Magdo

borg u. Anhalt

24a

246

249

257

330

333

337.

452

De oorspronklijke >Ventjes« der Antwerpsche schoolkinderen .

344

347

350-

351

Verein der Freunde Herbartiächer Pädagogik in lllÜriOKea . .

351

407

5Ö0

506

Uber das Wachstum der Muskolkraft bei Schülern während eines Schuljahres

509

IV

Inhalt

Sait«

T)ie schleswig-holsteinische ländliche Volkshochsc^ . « . 511

Das Prinzip der Freiwilligkeit in der Arl:)Qit der höheroa Bohnlen .... f>T5

Der englische Unterricht in den VoIksschuJen Hainbur^^ ....... 520

Bericht über die bulgarischen I/ehrorseminare fiir das Schuljahr 1903 '04 . 52^

Dritter Kunstorziehvingstag in Hamburg 529

Pädagogischor Ferienkurs in Kirchheim-Tect 530

Der ovangelischo Keligionsunterricht in den Volksschulen 530

Die Wirkung der Fürsorge-Gesetzgebung in Preußen 531

Demokratie und Kaisert^im iüi'd

Preisaufgabe der » KantgeselLschaftc 532

Bejjprecliunyen

Berliker, Lehrbuch der Experimentalphysik in elementarer Darstellung . . 168

-CoyAVBNTZ, Die Heimatkunde in der SoWe 361

Die neue Erziehung 2Ü5

Dritte und vierte Schwind-Mappe » « 536

EisLKrt, Wundts Philosophie und Psychologie ........... 5"35

Fa^lbrecht, Uber den Unterricht in der bildenden Kunst am Gymnasium . . "87

FöRSTKK, Jugendlehre . 303

•Gaüuio, Didaktischo Ketzereien . . . . . . . . .•

GöiiRLNO, Die Anfänge der deutschen Jugendliteratur im 18. Jahrhundort . . 91

Ghussk. Historische Kechenbücher des 10. und 17. Jahrhunderts und die p]nt-

Wicklung ihrer Grandgedanken bia zur Neuzeit 171

HgysKL, Hauptprobleme der Ethik 76

HÖFTniNo, Philosophischo Probleme . . . , Q5

Kautzsch. Versuche in der Betrachtung farbiger Wandbilder mit Kindeni . . '206

Lazarus, Pädagogische Briefe

LANüsiiERo, SciQtRiL uud Scioim, »Natur und Schule» ^

Lkmkk, Universität und Volkssclmllehrer 88

Tji's, Leitfaden der Psychologie . . . . . . . . 86

Matthias, Die soziale u. politische Be<ioutung der Schulreform vom Jalire 1000 >'>3i)

Mkyer- Markau u. Holoschmidt, Eine Heimatakunde ala Volks- u. Jugendschrift 462

Mf'N'CH, Zukunftspädagogik . T . . 535

Münch, Geist des Lehramts 538

NAifLowsKY, Allgemeine Ethik 352

Paktsch, Mittelouropa 458

Rausch, Schülorvereine. Erfahrungen und Grundsätze 35?

Rkichel. über den GniOenkontrast 82

Rmslno, 25 Wandtafeln und 21 Voriagen fär das elementare Freihandzeichnen 267

KirK>:RT, Der Gegenstand der Erkenntnis . 83

Bkyffj^t, Die Unterrichtslektion als didaktische Kunstform 3o6

ScHNEiDKR, Die Zahl im grundle^^enden Rochenunterricht 265

■SiCKiNOKR. Der L^nterrichtsbetrieb in großen Volksschull'örpern sei nicht

schematisch-einheithch. sondern differenziert einheitlich 360

Siop»GF.R, Mehr Licht und Wärme den Sorgenkindern unserer Volksschnle! . 538

fipcoER, Soziale Fürsorge der Weg zum Wohltun . 3?)8

TEurFKL, Latcinisclie Stilübmigc!! aus dem Nachla.sse des W. 463

Tombach, Untersuchungen über dius Wasen des Guten 533

Trokltsch, Poliüsche Ethik und Christentum . . . . . . . 54Ü

Ukkh. Die Ergebnisse und Anregungen dt\s Kunsterziehungstaffl in ^^"('imar . 3")9 VolüT. Die Bedeutung der Horbartschen Pädagogik in der Volksscbulo . . .

yuNDT, Völkerp.sychologie ^^5

ZiK.HE.N', t'ber Volkserziebung im nationalen Sinn

Znjje, Welches sind die pädagogischen Anfordernngen an einen Lehrply

für die bayrischen btädtibchen Volksschulen? 87. 540

Ein Einblick in das Gebiet der höheren Geodäsie

Von

Julius Redlich

Wie oft benutzen wir doch eine topop^raphisehe Karte, einen Atlas oder Globus und wie wenig ist der Wissenszweig bekannt, auf dem diese Hilfsmittel beruhen. Und doch muß in dieser Wissen- schaft der Erd- und Ijändermessung ein erhebliches Maß von Geistes- inhalt vorhanden sein, denn es haben sich mit ihr Männer von her- vorragender Geisteskraft (ich nenne nur Karl Friedrich Gauss und Bessel) eingehend beschäftigt. Zudem verdankt sie deutscher Arbeit ganz besondere Förderung und ihre internationale Fortbildung ist angebahnt durch deutsche Initiative und steht unter deutscher Führung. Immer sorgfältiger werden die geistigen Werkzeuge der Beobachtung, Fehlerausgleichung und Darstellung geschärft; die Rechnungsmethoden haben eine Ausbildung und einen Umfang der Anwendung gefunden, daß sie mit den astronomischen Rechnungen rivalisieren. Sollte es nicht für Leser dieser Zeitschrift von Interesse sein, einen kurzen Einblick in ein so gedanken- und arbeitsreiches Gebiet, auf welchem ein umfangreicher Teil unseres Wissens und des Unterrichts ruht, zu bekommen? sind doch gerade die Bücher über höhere Geodäsie so schwer zugänglich. Ich will versuchen, solchen Einblick in gemeinverständlicher Form zu geben.

1. Das BEssEi.sche Erdellipsoid. Was wir messen liegt in der Ebene, auf Bergen, im Tal und alles liegt auf der gekrümmten Oberfläche der Erde; aber wir messen die Lage der Punkte, indem wir sie auf eine ideale mathematisch bestimmbare Fläche lotrecht

Zeitflchrift für Philosophio und Pädafffiifik. 12, Jahrg^anc;. 1

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Aufsätze

projizieren. Die ^Eeeresfiüche und deren j^^edachte Fortsetzung er- scheint für diese Projektion zunächst vollkommen geeignet. Die Schworclinien stehen allen thiilbon auf dieser "Wasserfläche senkreckt Aber es finden Anzieliungen des Wassers nach den schweren blassen der Kontinente hin statt, abhängig von der zufalligen Höhe und Schwere dieser Massen. So weiclit schon die Meeresfläche von einer matliematiscli bestiniml»aren Idcalgestult ab; und wenn wir uns das Meer unter Kontinenten und Inseln als Projcktionsfläche so fortgesetzt denken, daß letztere allenthalben die tatsächlichen Schwererich tungen rechtwinklich schneide, so haben wir eine ganz unregelmäßige, von lokaler Terraingcstaltung und Erdmassondiclito abhängige Projektions- fUiohe, welche man Geoid nennt

F. R. TTwjfTOT hat diese Frage sehr umfiesenden Untersuchungen untersogen. Hier einige Ergebnisse desselben: Den ftufieren Formen der Eontinente nach müßte sich die Bliche des Oeoids unter Europa, Asien und Afrika um 600 bis 700 m, unter Amerika um 200 bis 300 m, unter Australien um 50 m über das ungestörte IfeeresniToau eriieben. Es deuten aber gewisse andere Tatsachen darauf hin, daß die Eontinente gewissermafien aui^ockerte Schollen von geringerer Dichte sind. So nimmt TTgr-ngMi die Höhen der konti- nentiden Störungen des Geoids durchschnittlich nur zu 200 m an. FQr die Meeresfläche selbst schätzt er die^ von den Erdmassen ab- hängigen Senkungen gegen ein Umdrehun^ellipsoid auf 5 bis höch- stens 20, die Hebungen auf etwa 8 m. Ein 750 km langes, 25 km breites und 2600 m hohes Gebirge würde das Geoid am Fuß des Gebirges um nahe 5 m, unter dem Gebirgsrücken um et^va GY, m heben. Auch hier deuten geringere Beobachtungs werte auf eine Auf- lockerung der Gebirgsmassen. Für den Harz beträgt die lokale Hebung des ßeoids (also exkL der kontinentalen) noch nicht 2 m. Diesen Hebungen entsprechen Abweichungen der Schwerelinien. Das oben erdachte 2500 m hoho Oebirgsgebilde würde die Scliwerc- linie in 2500 m Entfernung vom Rücken um Iii Winkelsekunden, am Fuße des Gebirges um 27", bei 12 7^ km Entfeniung außerhalb des Fußes um 10" verändern. Am Kaukasus fand man eine Lot- abwoichung von 54". Die Krünnuungsradien des (ieoids wecliseln zwar stark, das Qeoid bleibt aber trotzdem immer nach außen konvex.

Nach Bessei, beträgt die Differenz der beiden Hauptaxen des Erd-Ellipsoids 42():56 m. Dagegen verschwinden, wie wir el)en sahen, die durch kontinentale und lokale Massen verursachten Ver- schiebungen des Geoids, und man kann also unbedenklich als ideale

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Bkdugb: Ein EinUick in das Gebiet der höheren Qeodftsie

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Frojektionsfiäche eine noch näher zu bestimmende Rotationsfläche annehmen, w elche die £rdaxe als Drehaxo hat.^)

Aus 10 Öiadmessunj^on zwischen 1<*31' südlicher und 66^20' nördlicher geographischer Breite hat Bessel unter Annahme, daß jene Rotationsfläche ein ümdrohunfjsellipsoid sei, die Dimensionen desselben wie folgt hergeleitet: große Halbaxe 6377397 m; kleine HaLbaxe

6356079 m; Abplattung Es gibt eine auf ganz anderer

«rnindlaue beruhende Bcstimnuin;! obitror Rotationsfläche. 122 Mes- sun^'^eu der Länge dos Spkiiiuleiipendcls , ausiL^ofülirt an den ver- schiedensten Orten der Erde vmi 0 bis KO" i:f'o<^raj)liisclier J^rcito, gaben Helmert die Daten zur Bestimmung eines >Xiveausph;iroi(l> d. h. einer Rutationsfläclie , welche ilas Meer unter "Wirkung der Massenanzieliung und Zentrifugalkraft (abgesehen von Ebbe und Flut) annehmen wird. Es eigab sich hierbei die Abplattung der Erde

zu öpcf ^yö^* genaue Übereinstimmung der Abplattung nach

beiden Methoden, von denen die eine also auf iJingeü- und Winkel- messungen, die andere auf Schweremessimgen beruht ist wohl nur eine zutällige; sie zeigt jedoch, daß man sieh des B>;sskl sehen Erd- ellipsoids, nach welchem arheitsreielie Tafelwerke berechnet sind, noch heute mit vollem Rechte allgemein in der Geodäsie bedient

2. Triangulationen erster Ordnung. Als Beispiel einer Triangulation erster Ordnung wollen wir die der Provinz Hannover betrachten. Diese Triangulation ei-streckt sich vom Meißner, süd- östlich Göttingen bis etwa Neumünster in Holstein, und vom Brocken bis Bentheim an der holländischen Grenze. Es sind nur 3 Längen (Basen) wirklich gemessen: eine 5193 m lang bei Göttingen, eine 5875 m lang bei Braak, nordostlich nahe Hamburg und eine 7039 m lang bei Meppen. Göttiugen, .Meppen, Braak bilden ein nahe gleich- schenkliches rechtwinkliches Dreieck tou etwa 225 m Länge der Katheten* Bie Figur aal S. 4 gibt den südwestlichen Teil der Trian- gulation zwischen Meppen und Gdttingen. Yen der kleinen ge- messenen Base 1—2 bei ^Iei)pen ist man, wie Ügur zeigt, durch Bestimmung sweier rhombenartiger Tierecke zu der Triangulations-

') Nachdem Jacobi gezeigt hatte, daß eia rotierender fiüüäiger Jvurpur aucti in 0«Bialt eines dnisiigeii lUipeoids bestehen kann, glaaUea OwKttteii die Lot- abweicimngen dordi em Bolohee Blipeoid Teimindeni sn können. Solch dreiaxiges Ellipsoid kann aber onr existieret], wenn das Verhältnis der Äqnatoxialazen kleiner als 0,707 ist, was bei der Eide sicher nicht der Fall ist

1*

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Aufsätze

Seite 5—6 (Windberg-Haspe) übergegangen, und fihnliohe Übergänge von der gemeBsenen kleinen Base 17—18 za der Hauptdreieoksseite 15 20 finden bei Odtdngen und gieichgeartet bei Braak statt

Ein Schulmann, Professor ScHwintD sah die mühselige Meßarbeit der 15460 m langen Basis einer Triangulation bei Speyer, und ging

1820 mit seinen Ly- ceumsschülem hinaus, und maß die dadurch berühmt gewordene kleine Speyersche Basis von nur 860 m Tünge, und, indem er die Meß- arbeit sparsam dem Ge- wichte der Dreiecks- stücke anpaßte , be- stiiiinitc er durch ähn- liche rhoiubonaitige Übergänge mit unver- hältnismäßig geringen Mitteln zutreffend die Länge der großen Basis. Dem Laien verdsinkt man diese Metliode.

Kein en wir zu unserer Triangulaüun zuriick. Die von den Biusen aus bestimmten Dreieck- seiten 5—6 und 15—20 sind nun doich eine Kette großer Dieieoke miteinander verknüpft und fihnliohe Dreiecks- ketten erstrecken sich von Braak nach Meppen und Ton Braak nach Güttingen. Dieser Babmen, welcher das in schwichere Linien teilweise angedeutete innere 130 mal 220 km große Gebiet (das Wesemetz) umschließt, ist in Bezug auf unvermeidliche Yermessungsfehier in sich fest aus- geglichen. Das innere Netz (Wesemetz), aus annähernd gleich großen Dreiecken bestehend, ist gleichfalls in Bezug auf Fehler in sich

ia 10 50 s% 50 6011

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Seduch: ESn Einblick in das Gebiet der höheren Oeodisie

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und ?0£ron die dasselbe umgebenden Winkelpunkte des Rahmens ausgeglichen. So ist ein tanUohst fehlerloses Netz für alle weitere Messungen pegobcn.

Eingehende theoretische Untersuchungen sind über die aus un- vermeidlichen Fehlern der AViiikelmossung hervorgehenden Fehler der Dreiecksseiteu. über die F(*rtpflanzung dieser Fehler je nach An- ordnung der Figuren (ob Dreiecke oder Mehrecko mit DiagoruUen, ob große oder kleine Dreiecke), über die geringste Messungsarbeit kurz über die beste Art der Triangulation angestellt. Sind z. B. in einem nahezu gleichseitigen Dreieck die Winkel mit einem Fehler von mehr oder weniger 1 Sekunde gemessen, sd ist eine aus fehler- los gedachter Basis imd beiden anliegenden Winkeln berechnete, der Basis anliegende Seite mit einem Fehler von + 3,9 mm auf den Kilometer Länge behaftet, und von den nun fehlerhaften Seiten pflanzen sich die Fehler, infolge der unvermeidlichen Winkelfehler weiter fort.

Eine Basis von mäßigen Dimensionen, Übergang von derselben zu den Dreieckseiten durch rhombenähnliche Anordnung unter sorg- samster Messung der spitzen Rhombenwinkel, große möglichst gloidi- seitige Breiecke ohne DiagonalTerbindangen, das ist nach Torbezeich- neten üntersachmigeii die beste Anordnmig. In unserm Beispiele einer Triaagnlation erster Ordnung sind 3 kleine Basen gemessen. Dadozcfa wird die Zonahme der Fehlerfortpflaozung eng begrenzt Alle andere Hessong ist Winkelmessnng.

Was bedingt nnn die Größe der Dreiecksseiten erster Ordnung?

Der mit dem Fernrohr des Winkelmeflinstraments fTheodoliQiza slditende Punkt muß durch ein Spiegelbildchen der Sonne^mittels des Heliotrops markiert werden. Dies ist nur Ton etwa 8 Ühr Nach- mittags bis Sonnenuntergang ausfahrbar. Wie oft stört Trttbung der Luft die Sichtung. Im Hügel- und mittleren Bergland läuft die Sicht- linie durch klarere Luft, dort können die Dreieckseiten größer sein. Zieht man in der Triangulation Nord- und Südwestdeutschlands eine Linie von Bremen nach Glogau und Öls, so sind die Dreiecks- seiten östlich dieser Linie (im Flachland) meist 25 bis 35 km lang, die westlich davon (im Hügel- und Berglaud) 50 bis 70 km. In Deutschland ist wohl das größte Dreieck das von K. F. Gauss be- stimmte: Hohenhagen Inselberg Brocken mit Seiten bis 105973 m. Die größte Dreieckseite überhaupt ist die einer Xriangalation zwischen Spanien und dem westlichen Algier: von Mulhazen bis Filhavussen, 269926 m lang, gesichtet bei Nacht mit elektrischem Licht.

Es ist zu beachten, daß bei der Winkelmessung die Axo des Theodolit mittels Idbeile, also in der Schwererichtung eingestellt

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AufBätse

wird und dafi diese Riciitimgen in je zwei Punkten dee Erdeilipsoids im allgemeinen nicht in derselben Ebene li^en, woza noch die schon oben erwähnten Lotabweichungen treten.

Zu Anfang dee 17. Jahrhunderts maß SuELurs die Winkel bis auf 1 Minute genaa, jetzt eireioht man Genauigkeitea von % Sek. und wenif^er.

Den andorn Teil der Meßoperationen bildet die Messung der wenigen, zur Größe des ganzen Dreiecksnetzos fast verschwindenden Basen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde eine Basis bei Mündelheim mit besonderer Sorgfalt und zwar mit hülzemen Meß- latten und viermal gemessen. Der mittlere Fehler einer Messung betrug + 8,2 mm auf den Kilometer. Dagegen erreichte man 187!) bei der Messung der schlesischen Basis bei Strohion eine Genauig- keit von + 0,70 mm pro Kilometer für eine Messung. Epoche- machend ist hier der zuerst bei der Triangulation Ostpreußens an- gewendete Bi>;sF.i,sche Apparat. Die 4 gleiciien 3.89S m langen Maß- stäbe bestellen aus einem Eisenstab, dessen WärmeausMchnung durch die Differenz gegen einen daran befestigten Zinkstub mittels flach zulaufender graduierter (J laskeile gemessen wird. Die Maßstäbe werden auf horizontale Bettung mit geringem Zwischenraum gelegt, nnd die Zwischenräume werden mit denselben Glaskcilen gemessen. Mit diesem Apparat sind zwischen IS.'M und 1892 14 Basen in Dentsohland, Belgien und Dänemark gemessen. Inzwischen sind zahl- reiche neuere Methoden aufgekommen und die Genauigkeit wird wesentlioh gefSidert durch die internationale Meterkonvention von 1872. Nach derselben sollen 30 gleiche Mafistäbe Ton zförmigem Qaencfanitt, 2 cm Breite und Höbe ans einer Legierung von 90 Teile Platin und 10 Teile Iridium beigestellt werden, welche Legierung nur eine Ausdehnung von 0,000009 fOr V C. hat Ein solober Mafistab (No. 18) gilt seit 1890 als deutsches Grundmafi.

Aus der gemessenen Basis und den gemessenen Winkeln kann man nun ^on Dreieck zu Dreieck fortschreitend die Längen der Drei- eoksselten berechnen. Bei den hier in Betracht kommenden Dimen- sionen ist es znlSssig, die Dreiecke als auf einer Kugel liegend zu betraofaten. Ein solches sphSiiscbes Dreieck bat eine Winkelsumme von mehr als 2 Rechten. Dies Mehr (sphärischer Exzeß genannt) ist proportional der Dreieoksfläohe und berechnet sich nach der F 180^

Formel t ~ So ist z. B. die Oberfläche des achten Teils

t* n

4r>ff

einer i^ugel (geteilt durch 3 aufeinander senkrechte Schnitte) F =- g—

J

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Biduck: Ein KmWiflk in das Gebiet der höheren Geodäsie

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Der sphSriflohe Exsefi solohen Engeldroieoks berechnet dch also zu T*.n 180"*

I ♦/^ . BS 90**, wie ja in der Tat das Dreieck solcher

AchtelkagelflAche 180<> + 90^ 3 Beerte als Winkelsamme hat

So hat ferner z. 6. das große oben erwähnte Dreieck Hohenhagen Inselberg— Brocken einen sphärischen Exzeß von 14,85".

Man berechnet nun nach einem merkwürdig bequemen Satz (von Legendre), dessen Berechtigung die höhere Geodäsie nachweist, die Lfinge der Seiten des sphärischen Dreiecks, nachdem man dessen ge- iDeasene Winkel um je Vs sphärischen Exzesses vermindert hat, genau so, als ob es ebene Dreiecke wären. Endlich sind noch die auf der Erdoberfläche (und zwar horizontal) gemessenen Längen auf die Mecrosflächo zu beziehen; sie verkleinern sich dadurch bei Höhen von 101) m um 0,0157 m, bei Höhen von 500 m um 0,0815 m auf je 1 km Länge.

Neben der Messung der Basis und der Dreieckswinkel ist für f'ine Triangulation noch die Bestimmung eines Azimut nötig, d. h.

AVinkels, den an einem nach geograpliisciier Länge und Breite bestimmten Funkte eine von demselben ausgoliende Dreieckseite mit dem Meridian jenes Punktes bildet. Damit ist dann die Lage des ganzen Dreiecksnetzes auf dorn Erdellipsoid festgelegt, d. h. es lassen sich nun alle Punkte der Triangulation nach Länge und Breite be- stimmen. Hier ist beachtenswert, daß die astrunoniisclie Bestimmung der I>änge und J^reite eines Ortes weit weniger Oenauigkeit besitzt, als geodätische Messungen. Die Schwankungen der Erdachse um deren Mittellage in der Zeit von 1890 bis 95 entsprechen etwa 18 ni, gemessen auf der Erdoberfläche und erst 1883 wurde die Beachtung soleher Schwankungen, welche die geographische Breite eines Ortee am den ganzen Betrag fälschten, angeregt Bei den weit schwierigeren Bestimmungen der geographischen Länge eines Ortes waren natfirlich die Fehler weit größer. Bis 1859 ist die LBnge der Berliner Stern- warte nm 12,95 Winkel-Seknnden größer angenommen worden, als sie sich nach neuerer telegraphischer Bestimmung ergeben hat; das ent^richt, auf der Erdoberflfiche gemessen, einem Fehler Ton 247 m. Nimmt man mit Hslmebt jetzt den Fehler astronomischer Bestimmung in Breite zu 0,3", in Lftnge zu 0,5", so entsprechen diesen Fehlem ffir Deutschland Abstände von nahe 10 m. Nach Albrscht beträgt aber der Fehler der besten astronomischen Längenbestimmung i/«", was 15 m Abstandsf ebier entspräche. Messungsfehler in der Aus- dehnung deutscher Dreiecksnetze erreichen nicht entfernt derartige Oröfien.

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Aofsätse

J

Rg. 2.

Nordpol P

3. Die Übertragung der Triangu- lation auf das Erdellipsoid. Die geographische Lange und Breite (letztere mit (/ bezeichnet) eine^ Punktes A (z. B. der Sternwarte Berlin) nehmen wir als gegeben an; die Länge der Dreieck- seito AB = ff ist aus der Triangulation berechnet, das Azimut a, d. h. der Winkel, den AB mit dem Meridian AP bildet, ist gemessen. Die Aulgabe der helleren Oeo- dlsie ist es nun, aus dem sphäroiden Polaidreleck ABP, in -welchem PB gleichfalls ein Meridian ist, und Ton welchem 90^ 9> und tt in Graden, c in Metern gegeben sind, X, 90 (f' und (leti^ teres das Azimut von AB im Punkte B) zu bestimmen. Damit hat man geographische Lfinge und Breite des Punktes B und das Azimut jeder andern tou diesem Punkte ausgehenden Dreieckseite, so dafi man nun, in gleicher Weise yon B weiter schreitend, nach und nach alle Triangulationspunkte nach geographischer LSnge und Breite bestimmen kann.

Die L8nge g wird einen um so größeren Abstand geographischer Unge und Breite überdecken, je stärkte die Krümmung der Ellipsoid- oberflftche in der Bichtung AB ist, d. h. je kleiner der Krümmungs- halbmesser. Auch bezüglich der beiden Meridiane wird das Krüm- mungsmaß ihrer in das Polardreieck fallenden Seite AP und BP ffir das Dreieck bestimmend sein. Für die Meridiane ist der Krümmungs- halbmesser (M) in einem Punkte Ton der geographischen Breite q nur von der Ellipsoidabplattung und von f abhängig; für die Seite AB aber kommt auch der Krümmungshalbmesser (N) des auf dem Meridian senkrecht stehenden Schnittes des KUipsoids^ und außerdem die Größe des Azimut in Betracht

') Beteidmet a die gioBe Halbtxe der EideUipee, b die Ueme; ffikit man

femer folgende Abkürzungen ein;

e"; -p c; 1 -f- e" cos'*

~ ' b

80 werden die obou erw'ühntcn lüÜQimangshalbmeääer in eineiu Punkte von der geogiaphiBohea Breite f ; M (für dem Meridian) « K(8enkreohtsam Meridian)

; Iva (für eine liithtung vom Azimut a) =* .

1

1 4- e** coe C08 a"*

Für die ük ^kx sehen Dimensionen dee BUtpsoid ist o 6398790 m und e'*

0,00072 m.

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Beduch: £in Einbliok ia das Oebiet der höheren Geodisie

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Für die Folardreieckseito AB ist aber noch folgender Umstand von erheblichem Gewicht. Im allgemeinen liegen die in A und B auf der EUipsoidoberflächo errichteten Lote, in deren Richtung die Yertikalaxe des Winkelinstruments eingestellt ist aiu h abgesehen von den znföliigen Lotabweichungen, nicht in ein und derselben Ebene. Visiert man von A aus. so geht die Sichtebene durch das Lot in A und durch den Punkt B, visiert man von B aus, so geht diese Ebene durch das Ix)t in B und den Punkt A. In der Tat visiert man un- vermeidlich zwei verechiedeno Linien AB ein. Zwischen l)eiden Hegt die sogenannte geodätische Linie, die man am einfaclisten als tunlich geradeste und kürzeste Verbindung beider Endpunkte defi- nieren kann. Wir denken und rechnen nach der geodätischen Linie und messen tatsächlich nach zwei verschiedenen Normalschnitten AB und BA. AVie groß ist die hiermit verknüpfte Differenz? Für zwei Punkte, Mannheim und Vogelsberg z. B. (Entfernung 132 km) berechnet sich die gri»ßte Querabweichung beider Normalschnitte zu 9 mm, die Dingendifferenz zwischen geodätischer Linie und Normal- schnitt zu 0.00 000 Ü04 nun und die Korrektur für das Azimut zu 0,037 Sekunden. Es wird also selbst bei recht großen Droieckseiten eine Winkelkorrektion kaum nötig sein. Die Längendifferenz ist völlig unwahrnehmbar.

Die Torbehandelte Aufgabe der Berechnung dea Polardreiedm tritt in den mannigfachsten Formen aot Bald handelt es sich um- gekehrt am Bestimmung der Länge von AB aus geographischen Längen und Breiten, bald um ungemein große, mittlere, Ueine Drei- ecke. B€|i letzteren genügen die geschlossenen Formeln der sphärischen Trigonometrie, deren Eigebnisse man durch leichte Korrektur dem EUipsoid anpaßt; bei ersteren sind genaueste Formeln mit vielen komplizierten Gliedern nötig. Immer ist es Sache der hdhem Geo- däsie, die arbeitsparendste bequemste L5sung zu suchen. Geistreiche Arbeiten Ton K. F. Gauss sind gerade diesem Zwecke gewidmet

Ffir alle hier in Betracht kommenden mathematischen Unter- suchungen dient als Hauptwerkzeug die konvergierende Beihe. Die Zahlen, weldie uns die Logarithmentafel fertig zu Gebote stellt (sie shid ja auch durch konvergierende Reihen berechnet) reichen direkt nur für Kreisberechnung aus. Die Aufgaben am EUipsoid erfordern neue Reihenentwicklungen, welche nun die Zahlen der Logarithmen- tafeln als gegebene Größen benutzen. Die Hauptaufgabe des Mathe- matikers ist hier die Reihen für die massenhaften Berechnungen sehr bequem und vor allem stark konvergent zu machen. Je nachdem man von diesen unendlichen Reihen die ersten zwei, drei oder mehr

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10

AufsätM

Glieder anwendet, folgt man, unnütze Arbeit meidend, demjenigen Bedürfnis an Genauigkeit, welches die besondere Aufgabe fordert Ich gebe als Beispiel die Reihe für Berechnung des Logaritlinnis der in Anmerkung 1 mit V bezeichneten vielbonutzten Größe. Sie lautet:

14590- 0082;J4 cos2 ^ 49-0l87ll cos* (f + 0-2lfl578 cos® y 0' 001 106 cos* f/ -|- 0' OXxiTtri cos^o . Die großen Ziffern vor dem obern Punkt entsprechen Einheiten der 7. Dezimalstollo. Die imgenioin starke Konvergenz der abwechselnd verniiiulcruden und vermehrenden Zahlen- Koeffizienten wird noch erhülit durch die Konvergenz der Kosinus -Glieder, welche für beispielsweise öQ» Breite von 0,11 auf O.Ol fallen. Für die meisten Fälle genügen schon die ersten drei Glieder der Keihe.

4. Die Darstellung der Triangulation auf der Ebene des Papiers. In einem Lande von mäßigen Dimensionen und wenn man seinen Blick über das eigene Landesgebiet nicht viel hinaus- gehen lassen wollte, war es das einfachste, eine gerade Richtung als Abscissenaxe anzunehmen und reclitwinklich zu ihr Ordinaten, welche den auf der Erdo selbst rechtwiuldieli zur Abscissenlinie abixesteckten Linien eut'^prechen sollen, und so die Triangulationspuukto auf das Papier zu übertragen. Bayern, für welches Soldner gegen 1809 dieses System der Vermessung einführte, hatte damals eine südnördliche Ehstreoknng von 530 km und eine ost westliche von 300 km. München lag in der Mitte der letztem Dimension. So ergab sich von selbst der Meridii^ Ton Münolien als Absoisse, mit Hflnöhen als Nullpunkt. Andere Meridiane waren nicht nötig, ebensoweoig geographische Breiten. Man konnte andi die Dreiecke als auf einer Kugel liegend ansehen. An Stelle des Azimut tritt in diesem System der »Richtungs- winkel«, die Abweichung einer Dreieckseite von der Abscisse. Idi fibergehe die Aufgaben, welche dieses System an den Mathematiker stellt ~ Für Württembeiig^ fOr Baden war nach Lage dieser Lfinder dasselbe System mit den Meridianen von Tübingen und Mannheim als Absoissen angemessen; Anhalt nahm, seiner Gestalt entsprechend auch den Meridian aufgebend, eine westOstliohe durch Dessau gehende Abscisse an.

Da die Urbilder der Ordinaten auf der Kugel selbst konvergieren, wiihrend die Ordinaten auf dem Plan parallel laufen, so tritt eine A^rzerrung des Planes ein. Es erscheinen die AbstSnde zweier Punkte in der Richtung der Abscisse gemessen auf dem Plane bei Abständen von der Hauptabscisse von 50, 100, 150 km um bezw. 3, 12, 28 cm auf 1 km länger, als sie in Wirklichkeit sind, und, was das schlimmste ist, die Zenrung ist in den verschiedenen von

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Beduch: Ein Einblick in das Gebiet der höheren Geodäsie

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einem Punkte aiugehenden Bichtangen versofaieden, die Bilder sind (mathematisch an^gedrückt) dem Original nicht ähnlich. E. F. Gauss, dem man die wiohtigeii Unterandmngen über gekrfimmie lUohen verdankt, hat diesen llifistand durch die »konforme Abbildung« er- heblich unschädlicher gemacht Danach entsprechen den Figuren des Originals in ihren kleinsten Teilen Tollkommen ähnliche Figuren des Bildes. In größerer und größerer Entfornung von einem be- trachteten Punkte aber yerscbiebcn sich (iic konformen Stttcke kaum merklich gegeneinander, um die unaufhebbare Differenz zwischen krummer Fläche und Plan auszugleichen. Der Maßstab des Bildes wächst etwas mit dem Abstände vom Mittelmeridian, aber in jedem Punkte ist diese Vergrößerung; nach allen Richtungen gleich groß; man kann daher den einzelnen Kartenblättem einen ihren mittleren Abstand von dem ^littelmoridian ontsprerheiid vergrößerten Maßstab aufdrucken, der dann in allen Richtungen brauchbar ist. Wie bei dem Soi.DNERschen System verschieben sieh auch bei konformer Ab- bildung gerade I-inien des Originals, zunehmend mit dem Abstand vom Mittehneridian zu sehwacli gekrümmten, nach dem Meridian zu konkaven Linien des Bildes, aber die damit zugleieh verknüpfte Richtungsänderung der Linien ist für konforme Abliildung \\<>it ge- geringer; so beträgt bei 100 km Abstand vom MitteluKTidiaii die Riohtungsünderung einer ö km langen, unter einem Richtungswinkel von 4.')^ verlaufenden (haden bei Soldner 14,0", bei konformer Dar- stellung nur 1,3". Endlich ertragen wir ja ohne erheblichen Übel- stand die Verkleinerung von in hohen Gegenden gemessenen Flächen durch Reduktion auf den .Meereshorizont; so erscheint die mit der konformen Darstellung verknüpfte Maßstabvergrößerung um so weniger nachteilig, als sich beide Verschiebungen teilweise ausgleicdien.

Am Tollkommensten und der Landesform besonders ssweckmäßig angepaßt, ist die konforme Darstellung, welche der Oeodät PASCBEir, ein Sohfiler von E. F. Gauss, in Mecklenburg angewendet hat Die Triangulation ist direkt und zwar konform auf eine Kegelzone (also auf eine abwickelbare Ebene), welche Zone das Erddlipsoid im Pazallelkreis 53^46' berührt, projiziert Es würde sich für die größten Abstünde des Landes von diesem Parallelkreis eine MafistabTergrößerung bis zu 85 mm auf 1 km ergeben. Durch Höherlegung der Projektions- ebene auf + 262,4 m hat nun Paschen das Maximum der Maßstab- indemng fflv ganz Mecklenburg auf 40 mm auf 1 km herabgesetzt

K. F. Gauss hat eine konforme Abbildung von dem Ellipsoid aaf eine Engel erdacht und bearbeitet, derart, daß dem Parallelkreis 52«42' 2,5325" anf dem Ellipsoid als identisch entsprechen soll der

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Aufsätze

Parallelkrois 52*40' auf einer Projektionskugelfläche von 6 383040 m») Kadius. Die konforme Darstellung erfordert dann nur eine gleich- fürmiiTo unerheblich (1 : 1,00420) vern^roßerte Übertragung der geo- grapiiischen Längen vom Ellipsuid auf die Kugel; und der Maßstab ist hierbei fast unveränderlich bis auf O" Abbtuiul vuin Mittelparullel.

Die Projektion, welche die preuliischen Koordinatensysteme zu- sammenhält und auf welche die Uesamttriangulation des Staates über- tragen wird, beruht auf konformer Abbildung vom EUipsoid auf die Kugel entsprechend der vorbezeichneten Ideen yoxl Gauss, und weiter wird nan die Triangulation konform abgebildet von der Kugel auf die Ebenem Als Xaze dient hierbei der Meridian 31^ östlicher Länge. Die ganze Triangulation hängt an dem einzig astronomisch bestimmten Punkt Berlin. Sie stützt sich auf acht gemessene Grundlinien: Königs- berg, Berlin, Bonn, Strehlen, Braak, Oberbergh, Göttingen and Heppen. Große Dreiecksketten nmziehen die Grenze; im Südwesten Pfalz und Elsaß-Lothringen mit umfassend. Andere Dreiecksketten bilden Yerbindongen zwischen dem äußeren Bahmen und lassen nur Baum für wenige größere und kleinere Füllnetze. Die Arbeit begann 1832 in Ostpreußen und endete 1895 mit dem PfiUziBohen Dreieoks- netz. Für die Spezialvermeesung sind 40 Koordinaten-Nullpunkte für die einzelnen Bezirke festgestellt Diese Spezialmessung wird ab- weichend yon der konformen Darstellung der Gesamttriangulation nach Soldnerschen Koordinaten berechnet und bezeichnei

5. Verknüpfung der Detailmessung mit der Triangulation erster Ordnung. Wir folgen hier den preußischen Bestimmungen.*} An die Dreiecke erster Ordnung schließen sich solche zweiter Ord- nung Ton 10—20 km Seitenl&nge, hieran solche von dritter und vierter Ordnung von 10—3 km Seitenliinge. Die Ordnungen unter- ' scheiden sich durdi abnehmende Größe der Winkelinstrumente und abnehmende ^Multiplikation der Winkelmessungen. Die Punkte joder Ordnung sind an die der nächsthöheren mittels etwa 4- oder 5 fachen Dreiecksschluß geknüpft und die Messungsfehler in jeder Ordnung in sich ausgeliehen. Unterhalb der zweiten Ordnung ist auf Erd- krümmnng nicht mehr Rücksicht zu nehmen, und unterhalb der vierten Ordnung tritt Trennung zwischen Kataster und topographischer

>) llittlorar Krfimniimgsradiiis des EUipsoid im FanM 62*42' 2^5".

*) BestimmaDgen des Vorsitzendeii der Zentnüdirektioa der Ywmeasongea

vom 12. 7M; ferner IX. Anweisung des Finanzministers vom 2r)./10. 81; end- lich: Vorschriften der topographisohea Abteilung der LandeaTennessangen vom 22./3. öa

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Beouch: Ein ISaUick in das Gebiet der hSheren Ocod-isi»

Messung ein. Letztere wird mit Meßtisch und Eippiegel aofigeftthrt, beruht also auf Messung und direkter Abbildung der Winkel (nicht auf Längonniossung) und erstreckt sich auch auf Bamtelinng der Höhenverbältnisse. Das Meßtischblatt umfaßt je 6 Minuten Breiten- und 10 Minuten Lfingendifferenz und mißt das Tenain im Maßstab 1:25 000.

Bei der Katastervermessung sind l?r::ronzung, Ertrag- und Besits- verhältnisse das Wesentliche. Die Mdistäbe sind dem angepaßt und 1 : 4000 bis 1 : 500 bilden etwa die Grenzen derselben. Die von der Landestrianguiation nach geographischer Länge und Breite ge- frebenen Tunkte werden in SoLDNEBSchen Koordinaten auf dem Null- punkt des bezüglicbeu Koordinatensystems (Preußen ist, wie wir oben sahen, in 40 solcher SoLDxraschen Spozialsysteme eingeteilt) uni- gereclinet. Die so gegebenen Dreieckspiinktt' werden durch weitere Triangulation (nur Wiukelmessung) so vei niehrt. dal) auf je 10 Poly- gonpunkte (Punkte der nacherwälinten Polygonzüge) etwa 1 Dreiecks- punkt kommt. Hieran srhlit'lioii sich für die Detaihermessung lang- gestreckte Pnlygonzüge, dereu Ijängen nüt Maßen, deren Winkel mit Theodolit gemessen werden.

H. Die Erdmessung. Die neuere Erdmessuug l)eginnt zu An- laug des 17. Jahrhunderts mit der Triangulation von Alkmar bis Bergen op Zoom durch Sneixius. Sie beruhte auf linearen Messungen, die bich tunlichst der Kichtung des Meridians anscidielten. Zwei solche Messung» !! in verschiodoncn Breiton unter Feststellung der Polhöhen der Endpunkte genügen nutdürftig für Bestimmung der Hauptdimensionen des Erdellipsoids. Natürlich wird die Genauigkeit durch größere Ausdehnung der gemessenen oder trigonometrisch mittelten Längen, Yermdürung der Polböhebestimmungen und Aus- dehnung der Operationen auf weit abstehende geographische Breiten erheblich erhöht Man hätte auch durch Bestimmung von Parallel- kreisstücken in zwei verschiedenen Breiten die Dimensionen des Erd- ellipsoid bestimmen können, wenn damals, wie wir oben gesehen, die astronomische Bestimmung geographischer Längendifferenzen nicht völlig unzulänglich gewesen wäre. Heute, wo man solche lüngendiffe- renzen durch telegrapliische Zeitflbertragungen weit genauer bestimmen kann, würde schon die genaue FMegung einer einzigen >geodätischen< lonie für die Erdmessung genügen. Nimmt man beispielsweise an, man habe für das Folardreieck Berlin— Pol— Breslau die Breiten für Berlin und Breslau astronomisch gemessen, die geographische Längen- differenz durch elektrische Zeitübertragung bestimmt, man habe femer durch eine Dreieckskette die metrische Länge der geodätischen Linie

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Aufsätze

Berlin— Breslau ermittelt und die Azimute dieser Linie Berlin und Breslau gemessen und korrigiert, so hat man G gemessene Stücke und kann daraus das Ellipsoid mehr als ausreichend bestimmen, da diese Bestimmung nur 5 gemessene Stücke erfordert.

Es stellt sich aber ein Hindernis entgegen: die Lotabweichungen. Der Umstand, daß im allgemeinen die Lote, in den Endpunkten einer Dreieckseite auf dem Ellipsoid errichtet, wegen der Form des Ellip- soids nicht in einer Ebene liegen, wirkt zwar, wenn man von dem niedrigem nach einem höher gelegenen Punkt sichtet, analog so, als ob man nach der aus einem Wald eben hervorragenden Spitze einer schief gestellten Signalstange sehe; die Höhe verhüllt den untern Teil des schrägen Lotes, wie der Wald die schriige Stange. Aber dieser Fehler läßt sich berechnen und, wenn er merklich ist, korrigieren. Anders die lokalen und zufälligen Lotabweichungen. Es gibt kein Mittel, das absolute Mafi einer Lotabweiohung zu bestimmen; man kann nur die lelative Abweicbnng der Lote zweier Orte durch Yeigleiobnng geodätischer and astronomischer Messungen ermitteln nnd nach Größe angeben. So bringen diese Lotabweichungen auch in die Winkel- messung im einseinen unkoirigierbare Fehler hinein, aber weit wichtiger sind die Fehler, welche eine Lotabweiohong bei astro- nomischer Bestimmnng von Länge und Breite erzengt Findet die Lotabweichung nur in der Riofatnng des Meridians statt, so fiUscht sie die Breite des Orts um den Betrag der Lotabweichang, und weicht das Lot nur in der Sichtung nach Ost oder West ab, so wird für NorddentBchland die UUige des Ortes um Vs Lotabweichung un- richtig.

Keluen wir zur Bestimmung des Erdellipsoids aus den 6 oben- bezeichneten Stücken eines großen Polardreiecks mit der geodätischen Linie Berlin— Breslau zurück. Denken wir uns aus den großen Drei- ecksketten der Triangulation Nord- nnd Westdeutschlands geodä- tische Linien von 150 bis 300 km nach linearer Länge und nach Azimuten berechnet, Linien wie Berlin— Breslau, Kiel Berlin usw. und daraus gebildet ein großes Netz, umrahmt von Kiel, Wilhelmshafen, Erkelenz, Straßburg, Mannheim, Westerwald, Göttingen, Brocken, Leipzig, Großenhajn, Schneokoppo, Breslau, Goldap, Memel, und ver- knüpft mit Berlin, ein Riesennetz von ."H Netzpunkten und 42 großen geodätischen Linien! Die Netzpunkte seien neben vorgedachtem geo- metrischen Zusammenhang auch durch astronomische Messungen und elektrische Zeitbestimmungen nach geographischer Länge und Hreir»» sorgfältig bestimmt. Dann werden die Fehler der Lotabweichuugen sich aufheben und mindern und die zahlreichen Polardreiecke werden

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Heduch: Ein Einblick ia das Gebiet der höheren Geodäsie

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die größte Sicherheit für Bestimmuag der Erdgestalt für das unter- suchte Gebiet ergebon.

7. Die Fehierausgieichung. Wir haben diese Aufgabe bis- her nur mit wenig Worten berührt und doch durchdringt die Forderung nacli ihr das ganze Gebiet der Geodäsie: die Prüfung der Instrumente, die Messungen und ihre Darstellung, die Kechnungs- methoden, die Beurteihmg des Einflusses selbst unbedeutt nder Neben- omstände (z. B. seitlicher Refraktion) usw. Die Fehkrausglciehung beruht auf einem festen Gesetz für Auswahl des wahrscheinlicljstea "Wertes einer mehrfach bestimmten Größe, welches Gesetz das sub- jektive Dafürhalten und bedrückende Schwanken ausschließt, und ein zahlenmäßiges Urteil über die fertige Leistung bietet.

Die Methode der kleinsten Quadrate, auf welcher die Fehler- ausgleichung beruht, wird ja auch in vielen andern Wissenszweigen angewendet; aber hier hat sie eine ganz besonders ausgedehnte spezielle Anpassung gefunden. Zunächst auf große Triangulationen angewendet ist sie allmählich bis in die niedersten Messungen ein- gedrungen.

Es handelt sich hier nicht um Nachlässigkeitsfehler, sondern um jene Schier, welche aas der Beschfinkthelt miserer Sehkraft ans, nieht zu beseitigenden Fehlem der Instrumente, Zustand der Luft usw. un- Tenneidlich hervorgehen. Bei dieser Ünvermeidbarkeit ist der wirk- liche Wert einer direkt gemessenen oder aus Messongen abgeleiteten Oröfie eigentlich stets anbekannt, aber wir erreichen eine größere Annfihenm; an diesen wischen Wert dnrch wiederholte Messnngen. Bezeichnen V|V, ..vn die den n maligen Messungen entsprechenden unbekannten Abweichongen von dem wirklichen Wert der Qi6fie, so sagt das, dieses ganze Gebiet regelnde Gesetz (die Methode der kleinsten Quadrate), daß die beste Bestimmung der gesachten GiOße dadurch erreicht wird, daß die Summe vi*-\-Vf*-\-,..vn* ein Mini- num wird; und der mittlere Wert dieser Fehlerqnadrate, oder Tiehnehr

die Quadratwurzel aus diesem mittleren Wert ^±|^^i^ + ^'2-^4-. ■»^o'^|

gibt zugleich ein genaues Maß der Genauigkeit der Bestimmung.

Wie aber die unbekannten Fehler in den ungemein vielgestaltigen Aufgaben der Geodäsie in Rechnung zu stellen .sind, wie die dem Minimum der Fehler<iuadratsumme entsprechende Größe ermittelt wird, ist hier auch nicht annähernd darstellbar. Auch auf diesem schwierigen Gebiet sind geistreiche Arbeiten des großea Gauss bahn- brechend.

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Anfsätse

Zar annäherndeD Yergleiohmig der Genauigkeit der za Ter- schiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern ausgeführten Tdangolationen hat man eine jintemationale Formel für den mittle- ren Winkelfehler aufgestellt: m ± ly^Summet^« ^^orio z— Zahl

r 3 Z

der Dreiecke). Für Bayern (älteste Triangulation) ergibt sich m == 1,77"; für Hannover (Gauss) m = 0,72"; für preußische Landesaufnahme 111= 0,554" (in neuerer Zeit besser); für Sachsen mi-»0,35". Sachsen verdankt dies günstige Ergebnis der Freiheit von überkommenen Fehlern, der Einheit der Instrumente und Leitung, den prünstiizon Sichten im ßerg- und Hügelland und der Nutzung aller Erfahrungen aus vorhergehenden Triangulationen.

H. St. Chamberlains Vorstellungen über die Religion der Semiten spez. der Israeliten

Von

Professor D. Baentsch Jena I

H. St Chamberlain hat in seinem bekannten Werke »Die Grund- lagen des XIX Jahrh.« den Nachweis unternommen, daß die gesamte Zivilisation und Eultnr des netmzehnten Jahrhunderts das Werk einer besonderen Mensohenart» niimliöh der G^ermanen oder genauer der Kelto-Slavo-Germanen ist Aber diese Oermanen, so zeigt er, haben diese Kultur und Zivilisation nicht rein aus sich heraus gesofaaffen. Sie tragen ein bedeutsames Erbe aus der Vergangenheit, das teils von bolobcndcra^ teils aber auch hemmendem Einfluß auf das Werk der Zivilisation und Kultur gewesen ist Auf die Hellenen geht unsere künstlerische und wissenschaftliche Kultur in vielen wesentlichen Merkmalen zurück. Unsere gesellschaftl i e Ii o Kultur beruht im letzten Grunde auf Rom, von dem wir den Staats- gedanken und die Kechtsidee übernommen haben. Auf rcli- ^ir)som (rebictG sind wy- vom Somitentum und speziell vom Juden- tum beeinflußt und zwar, wie Chamberlain meint, in poradezu ver- hängnisvoller Weise. Vermittelt ist dieser Einfluß nach ihm durch die cliristlielie Kirche, die dem Charakter und der noistosrichtunf]: ihres Stifters zum Trotz viel jüdiscli-semitisclie P^leniente in sich auf- genommen uud in die Substanz der christlichen Keiigion selbst ein- geführt hat (S. 17).

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Baxmsch: fi. 8t Chambeiiains YorBteliuiigea über die Religion usw. 17

Diesen verhängnisvollen Einfluß aufzuweisen, hat Chamberlain sich besondere Mühe gegeben. Er gibt an zahlreichen Stellen Aus- führungen über die Religion der Semiten, die alle in dem auf den ersten Blick höchst paradoxen Satze gipfeln, daß alle Semiten ohne Ausnahme ein Miiiiniuni von Kelit^ion besäßen; und was von den Semiten im allgemeinen gelte, das gelte von den Juden noch im besonderen, und zwar in weit höherem Grade (S. 393).

Der Satz klingt paradox. Haben nicht gerade die Semiten der Welt die drei großen monotheistischen Religionen gegeben? Sind nicht aus dem Schöße des Semitentums die Religion des Judentums, der Islam und das Christentum hervorgegangen? Verdankt also die Welt nicht gerade den Semiten die stärksten religiösen Impulse? Muß demnach bei den Semiten nicht vielmehr ein Maximum an Religion vorhanden gewesen sein, groß genug, um einen beträchtlichen Teil der Menschheit damit za beglücken? Ja, fließt dort nicht ge- ndesa die Quelle der Religion?

Es wird gai ton, c^eioh hier an der Schwelle die Möglichkeit eines Mifirerständnlsses abzuwehien. Man mnfi scharf sdietden zwischen Religion und Beligiosit&t d. h. zwischen dem Komplex der in einem Volke oder in einer Yölkergrappe lebendigen religiösen Torstellungen nnd Ideen, und der Energie, mit der man diese im Leben geltend macht, resp. sich von ihnen bestimmen l&fit Eine grofie religiöse Energie will Chamberlain den Semiten keineswegs absprechen, ja er schreibt ihnen geradeza ein Mazimnm Ton reli- gidser Energie oder von Olanben zn (8. 400 i). Aber bettelarm sei ihre religiöse YorsteUnngswelt Auf diesem Gebiete könne nor von einem Minimum von Religion bei ihnen die Rede sein (S. 410).

Um Chamberlain recht zu verstehen, wird man sich zunächst über das, was Chamberlain unter Religion versteht d. h. welchen wesentlichen Inhalt die religiöse Vorstellungswelt nach ihm haben mnfi, eine möglichst klare Anschauung zu bilden haben. Denn nur so gewinnen ^vir ja den Maßstab, mit dem er die Religion der Semiten mißt. Und von der Beurteilung des Maßstabes hinwiederum wird es im letzten Grunde abhängen, ob wir Chamberlain in der Be- urteilung der Religion der Semiten vorausgesetzt, daß deren Auf- fassung durch Chamberlain überhaupt den Tatsachen entspricht beistimmen können, oder ob wir seine Beurteilung ablehnen resp. modifizieren müssen.

Hier hat es Chamberlain uns nun insofern nicht ganz becjuem gemacht, als er uns nirgends eine knappe erschöpfende Definition dessen bietet, was er unter Religion versteht Er liaßt überhaupt

Zaitaehrift für Ptiiloioplu« and FldiffOgik. 12. Jahiging. 2

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die Definitionen, dieses Steckenpford der Schuiweiflbeit Er «iU dafür lieber TatBaofaen vorflllireii, aus denen der Leeer eotnehmeii soll, was denn eigentlieh die Meinung des Yerfessers seL So gibt er uns denn anoh bier lieber eine Besehieibimg des religiösen Menschen, zu der der religiöse Arier Modell gestanden hat, 8. 220 1 (v ergl. damit auch die Beschreibong des arischen Inden anf 8. 411 f.). Biese Be- schreibang ist non aber so begeistert, so überschwilnglicb, so dithy- rambisch gehalten, dafi der Leser wohl sofort im stände ist, dem Yer- fasser nachzofOhlen, was nach ihm Beligion sein soU, dafi er es aber doch nicht ohne weiteres vermag, des Verfassers Ergüsse in eine klare Formel an fassen. Es wird daher angebracht sein, des Yer- fassers Beschreibang hier wenigstens anssngsweise kurz wiederzugeben.

Für Chamberlain ist die Beligion rein Sache des OemOtes; ihr tiefeter und eigentlichster Qaellpunkt liegt im Herzen des Menschen. »Die Wurzel des Seienden fanden die Weisen im Herzen c, dieser Ausspruch des Rigveda bedeutet ihm die größte allev feststehenden religiösen Erkenntnisse. Dieselbe Erkenntnis hat Goethe ausgesprochen, wenn er sagt:

Ist nicht der Ken d«r Natur Menschen im Henau?

Mit dem Forschen im eignen Herzen hebt ihm alle rechte Beli- gion an. Das große Rätsei des Daseins drängt sich dem Menschen auf, nimmt ihn ^anz gefangen, aber nicht als ein rationalistisches Problem, das er verstandesmäßitr nach dem Gesetz von Ursache und Wirkung zu lösen sucht denn Rationalismus ist ihm der Tod aller Religion sondern in der Weise eines unmittelbar zwingenden Lebensbedürfnisses. Der Schleier des Geheimnisses das fühlt er in seinem Herzen kann sich ihm nur lüften, wenn er von sich aus zu allem, was ihn umtribt, die Brücken hin überschlägt, wenn er sich, (las einzige, das er unmittelbar weiß, in jedem Phänomene wieiler erkennt und jedes Phänomen in sich selbst wiederfindet. Ist es ihm aber geluntren, sich und die ihn umgebende Welt mit- einander in Einklang zu setzen, dann darf er hoffen, das Weben des ewigen Werkes mit eignem Ohre zu belauschen, die geheimnisvolle Musik des Daseins im eignen Herzen zu vernehmen. Die ganze Natur belebt sich ihm, überall regt sich in ihr das Menschen verwandte. Und unter dem Lauschen auf ihre Stimmen geht ihm dann ein Ahnen einer höheren Bestimmung auf, er entdeckt in sich den »Samen der Unateibllcfakeitc. Jetzt weiß er, ans welch tiefem Bronnen die Helden seinss Stammes, die heiligen Mianer, die als Übermenschen hoch über der Erde schweben, die Kraft schöpften, groß za sein, nnd da

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BucnaGH: fi. 8t. Cbamberiaiiis YorateUniigen über die Jieligion usw. 19

er 66 weiß, darf er hoffen, ihnen, zu denen es ihn hinansiebt, gleich za werden. Der religioee Mensch, der so in einem inneren unmittel- baren Kontakt mit einer Welt jenseits der Vernunft steht, ist aber notwendig auch Dichter und Denker. Was ihm aus der Unendlich- keit ins Ohr gedrungen, das sucht er in heiligem Symbol, Mythos und Kosmogonie festzuhalten und zu gestalten. Aber seine Vor- stellungen bleiben im lebendigen Fluß, denn er liat eine zu lebendige Empfindung des Unendlichen, die ihn davor behütet, seine Erkennt- nisse in starre Formen, Dogmen und Lehrgesetze einzuzwängen. Das ungefähr ist das Bild, das Chamberlain von dem religiösen Menschen entworfen hat.

An uns würde es sein, dem Bilde eine Etikette zu geben. Ich glaube, daß wir nicht vorbeitreffen, wenn wir seine Anschauung von Keligion als »pantheistischen Mystizismus« bezeichnen. Wir begnügen \ins vorläufig, dies getan zu haben, und behalten uns eine Beurteilung seiner Anschauung für das Ende vor.

Jedenfalls liegt für Chamberlain also das Wesen der Religion in dem Gefühl für das Unendliche, in der Empfindung des Geheimnis- vollen. Die Religion muß nach ihm mit Geheimnisvollem durchwebt sein. Ohne Geheimnisse und Mysterien gibt es keine wahre Religion. Und nicbt blofi, daß das GeheimnisTolIe geahnt, eohanemd empfanden wild, die Religion soll auch die Brücke in die geheimnisroUe Welt dea Unendlichen hindbeischlagen, soll die Kloft augfflllen zwischen dem Menachen nnd der Gottheit anf dem Wege einer tiefen reli- giöeen Spekolation, einer reichen, phantasievollen Mythologie, piner tiefsinnigen heiligen Symbolik. So ist also Beligion nach Chamber- lains Yoraaaaetznng nicht denkbar ohne eine gewisse metaphysische Begong nnd philoBophisohe Anlage and nicht ohne den Besitz einer seichen Phantasie, die das Unfaßbare faßbar, das Unausdenkbare denk- bar, das Unvorstellbare vorstellbar zu machen versteht Er gibt daher ScHOFiüHAüER nicht nnreoht, der die Beligion geradezu als »Volks- metaphysikc bezeichnet habe (S. 391). Ist dem nun aber so, so muß nach Chamberlain folgerichtig das Volk die tiefste Religiosität und die vollkommenste Beligion besitzen, das tiber den größten Reich- tum metaphysischer Begabung und über die reichste, blühendste Phantasie verfügt.

Indem Chamberlain nun die Völker der Erde auf .diese Merk- male hin mustert, findet er, daß sie fast bei allen in höherem oder geringerem Mafia vorhanden sind. Am reichsten ist der arische Inder damit ausgestattet, weshalb bei diesem ein Maximum von

Beligion von vornherein zu erwarten sei. Man lese die begeisterte

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AnfBätse

Schilderung, die er S. 411 ff. von dessen Religiosität entwirft. Aber auch sonst findet sich diese Begabung im indo-europäischen Völker- kreise. Der griechische Philosoph Pi.ato rede von einem allersoligsten Geheimnis der Seele, das ihr im Jenseits offenbart werde, und (der Arier?) Christus sage von seiner Lehre, die seine ganze Religion einbegreift, sie sei ein Geheimnis. Aber auch bei den tiefer- stehenden Völkern seien diese Gaben und damit ein verhältnismäßig hoher Grad von Religion anzutreffen. Selbst der naive Wilde kenne das verwundernde Staunen und vermute überall ein Aulier- weltliches. Der Australneger , ja der arme Neger an der Skia venküsto, beide ahnen den großen überweltlichen Geist. Die Neger der Goldküste besitzen nach Chamborlain sogar eine schon recht hoch geartete Volksmotaphysik. Die Samoaner besitzen eine unmittelbare Empfindung für die Allgegenwart Gottes und haben es ventanden, diese in einer auf den ersten Blick zwar rohen, aber tootBaHedom tie&innigen Weise zu Tersinnbüdiichen, die sich prin- zipiell von der dirisilich thedogiBohen ToisteUung von der Allgegen^ wart Gottes, ja yon dem tranflsoeDdeiitaleii Idealismas, der eineni Qankaia zur Toistellimg desselbeii GeheinmisseB dieat, nioht unter- «sheidet Nur bei einer Yölkergruppe rermifit Chamberlain die Merkmale, die auf eine liGher geartete Beligion schließen lassen, und das sind eben die Semiten (S. 392. 220).

Dem Semiten geht naoh Chamberlain durchaus ab die meta- physische Anlage; es fehlt ihm darum auch fast ganz die ge- staltende Kraft der Phantasie. DafQr ist bei ihm aber der Ver- stand kriftig, und der Wille geradezu enorm ausgebildet Der Wille beherrscht bei ihm den Yerstand, verkümmert das Qemflt^ ertötet ihm die Phantasie. Man kann nach Chamberlain geradezu von einer Hypertrophie des Willens bei dem Semiten reden; unter dieser Hypertrophie haben außer dem nüchternen Verstand alle Seelen- vermögen gelitten. Das muß sich natürlich auf dem Gebiete der Beligion in charakteristischer Weise geltend machen.

Chamberlain sucht diese enonne Ausbildung der Willenskraft und die Armut der Phantasie^ zu einem Teil wenigstens, aus der Natur des Bodens zu erklären, auf dem der Semit ursprünglich heimisch war. Er ist ein Sohn der Wüste, und die Wüste hat ihm für immer ihren Stempel aufgedrückt. Das Wüstenleben ist ein steter Kampf. Der Beduine muß kämpfen um das tägliche Brot, das ihm nicht zuwächst; er muß sich wehren gegen feindliche Stämme, muß auf der Hut sein vor wilden Tieren. So steht er Tag und Nacht auf dem Qui-vive, wachenden Auges, mit geschärften Sinnen,

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Bakntscu: H. St Chamberlains Yorsttiilungea über die Kuliglou usw. 21

allezeit znm Kampfe bereit. Er hat es niclit su gut wie sein arischer Bruder, der in Denken und Sinnen über das Unendliche versunken, seine Hand nur nach dem Baurae auszustrecken braucht, der ihm seine süßen und iiahiliafton Früchte freiwillig spendet. Der Semit fand keine Zeit, über das Unendliche nachzuspüren, wozu er wohl auch an sich schon so gut wie uubefähigt war. Die Armut (icr Um- gebung erkläit zugleich seine Armut an Phautasio und an mytho- logischen Vorstellungen. Vor allem aber versteht man, wie sich unter den Kämpfen, Nöten, Gefahren und Entbehrungen der Wüste jener ebenso sfihe wie eg^Maohe und nioht selten bmtsle Wille heraus- hildefce, der fOr die ganze Basse so oharakteristisoh ist und der eben auch ihrer Beligion ein eharakteristisohee Gepräge gegeben hat (S. 404).

Ghamberlain Teikennt keineswegs die QröAe dieser zähen Willens- kraft. Yermfige ihrer sind ja die Semiten so stark und kilftig und aus- danemd geworden, durah sie haben sie so Außerordentliches geleistet (8. 241). Aber all diese Gröfie wird, wenigstens auf dem Gebiete der Beligion, doch wieder aufgehoben durch die veikfimmenide Wirkung, die dieser WiUe auf Gemüt und Phantasie ausgeObt hat

Biese schidliche Einwirkung des Willens auf die spezifisch für die Bdigion in Betracht kommenden Vermögen äußert sich nach Chamberiain in gewissen charakteristischen Erscheinungen, die er mit Vorliebe als Bationalismns und Ifaterialismns, meist bloß als Materialismus bezeichnet (S. 398). Diese These kehrt in dem Werke in geradezu nnerschöpflichen Variationen unter immer neuer Hei^ ▼orhebung derselben Momente aber in immor neuen Kombinationen wieder. Wir wollen veisnchen, diejenigen Momente, die uns als die wesentlichBten erscheinen, herauszuheben und dem Leser in möglichst klarer und geordneter Übersicht vor Augen zu führen.

Nach der negativen Seite hin macht sich der schädliche Ein- fluß der Vorherrschaft des "Willens in dem Fehlen aller und jeglicher Mythologie geltend. Denn der Wille hat ja die Quelle des mytho- logischen Triebes, das Gomüt verkümmert und damit zu^'loich die für die Mythenbiidung unerläßliche Phantasietati^^keit lahm gelegt. Zwar finden sich Mythologieen bei den Babyloniern und den Phöniziern, und unverkennbare Spuren solcher finden sich deutlich auch im Alten Testainont (vergl. Gen. 1. 2. 3). Aber diese Mytliulo^neen sind erborgtes ihn (S. 222). Ihre Schöpfer sind höchstwahrscheinlich die alten Sumerer, die vor der semitischen Einwanderung in das baby- lonische Tiefland dort seit unvordenklichen Zeiten als ein hochbegabtes Kulturvolk saßen. Und von diesen Sumerern haben die Semiten ihre Mythologieen übernommen, zuerst die in Babyionien eingewanderten

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AofBittM

Semiten oder die sogeuauuten babylonischen Semiten oder kurz Babylonier genannt, und diese liaben sie dann an ihre Brflder weiter- gegeben. Aber die Semiten haben, wie ja eigentlioli aach gar nicht anders m erwarten war, sohleobt damit Hans gehalten. Die sinnigen Mythologieen haben unter ihren robusten Hfinden Schaden gelitten. Der Semit hat sie bei seinem mangelnden Terständnis fOr solche zarten Gebilde in masBive Historie umgesetzt Kein Wunder, der starke, lediglich auf das Greifbare, Faßbare gerichtete Wille duldet kein Geheimnis, zerreißt mit plumper Hand den zarten Sohleier und etabliert dafür die gemeine nackte Wirklichkeit (S. 393. 397). Die Schöpfungsgeschichte in Gen. 1 sei, an ihrer babylonisch- samerischen Vorlage gemessen, krasser Materialismus (S. 394. 398). In der Sünden- fallgeschichte Gen. 3 habe der semitische Erzlhler ans dem Sohlangen- dfimon eine wirkliche Schlange gemacht und diese unter die übrigen Tiere dee Feldes eingereiht (S. 399). Das charakterisiert nach Chamber- lain den Tiefstand dos semitischen speziell israelitischen Geistes in geradezu erschreckender Weise. Die Uistorisierung und Materialisierung der Mythen ist gleichbedeutend mit deren Hebräisierung.

Nach der positiven Seite hin zeigt sich nach Chamberlain der aus der Vorherrschaft des Willens stammende Materialismus zunächst im allgemeinen Charakter der Religion. Denn diese Religion verfolge nur praktische Zwecke, durchaus keine idealen. Sie solle für das Wohlergehen auf dieser Welt sorgen und ziele nament- lich auf Herrschaft und Besitz. Außerdem solle sie das AVolilero:ehen in der künftigen Welt verbürfron, wenigstens dort, wo der Begriff der Unsterblichkeit vorhanden sei , der aber in die israelitische Kelij^ion erst von außen, z. B. durch persischen Einfluß, in die arabische erst durch das Christentum aufgenommen sei. Was ist das alles aber anders als nackter Materialismus? (S. 400).

Spezioll dokumentiere sich der ^laterialismus aber auf dem Ge- biete der religiösen Vorstellun^^en. Dem Semiten und speziell dem Israeliten sei es unendlich schwer geworden, sich zu einem hohen Begriffe des Göttlichen zu erheben. Seinem Willen, dem nicht allein jede Phantasie, sondern auch jede Überlegung gefehlt habe, sei nur eins natürlich gewesen: sich auf das Gegenwärtige zu stürzen und danach zu greifen. Darum habe er auch seinen Gott fühlbar gegenwärtig haben, ihn gleichsam in der Hand halten und bei sich führen wollen. Daher z. B. der krasse materialistische Niederschlag aus dem semitischen Götzenglauben in der jüdischen (sie) Bundes- lade, in der man sich seinen Oott eingeschlossen gedacht habe. Daher auch die Fabrikation und Anbetung der goldenen Eftiber und

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BABmoa: H. St Chamberlains YonteUimgeii über die Religion usw. 23

ehernen Schlangen usw. Und was das Schlimmste ist, der Jude (sie) habe diese Dinge wirUioh als seine Odtter angebetet Er habe nicht unteFBoheiden können zwischen seinem Gott und dessen Bild. Das Bild, das seine Hfinde gemacht, habe ihm wirklich als Gott gegolten. Der Gedanke^ daß das Gottesbild etwa zur Kontemplation und znr Abwendung von der Welt anregen solle und könne, sei von ihm nie gefaßt worden. In dieser Beziehung stehe er tiefer nicht etwa nur als die HeUenen, Eranier, die Kelten, die Slaven, die niemals Bilder angebet hätten, sondern tiefer sogar als die Fetischanbeter. Denn durch die Forschungen der Ethnographen habe es sich immer mehr herausgestellt, daß diese primitiven Naturkinder ihre Fetische als solche gar nicht anbeten, sondern höchst komplizierte symbolische Vorstellungen mit ihnen verbinden. So sei denn der Israelit, resp. der Semit überhaupt der einzige wirkliche Götzendiener auf der Welt, der Götzendiener xar* f'ioxrjy gewesen. Also auch hier wieder der krasseste Materialismus. Und von diesem Materialismus sei etwas auch auf die Männer unter ihnen, die vom Standpunkte einer geistloseren Gottesvorstellimir aus den Kampf gegen den Bilderdienst unternommen hätten, überi^et^anizi n. Denn dieser Kampf sei immer nur unter der Voraussetzung ;j;efiihrt worden, daß jedes Bildnis, ja häufig, was überhaupt der »Hände Werke: war. für die Israeliten die Gefahr in sich geborgen habe, ein angebetetes Götzeubild zu werden. Zu dem Standpunkte, daß man ein Bildwerk sieh als etwas Schönes vor Augen stelle, um sich daran zu erheben und zu laben, um dem Gemüt Nahrung zuzuführen, um den religiösen Sinn zu Avecken, hätten sie sich nicht erheben können, Ks sei dem Semitou schlechtliiu un- möglich gewesen, ein Bildwerk unter dem (resichtspunkte eines Kunst- produktes zu betrachten. Daher der fanatische Kampf gegen die BUder, die auch die Propheten nicht anders als gefährliche Qdtsen- bilder hätten betrachten können. Chamberlain nennt dieaen Ifate- rialismus im Unterschied von dem krassen Materialismns des Götzen- anbeters den abstrakten Mateiialismas.

Und mm die Gottesvorstellung selbst Im Gegensatz zu der der indoeoropSisohen Völker, die die Gottheit in der das All durch- waltenden Gesetzmäßigkeit erkennen, trete der Jahve der Israeliten und der Jnden als menschlich vorgestellte Einzelpersönlichkeit ans diesem All herans, keinem Gesetz als dem seines eigenen Willens unterworfen. Der Willensstärke Israelit habe sich seinen Gott geradezu als »Inkarnation der WillkOrc Torgestellt Was Jahve sei, das sei er, weil er so sein wolle; er stehe flber aller Natur, über jedem Ge- setz als der absolute, unbeschränkte Autokrat Ebenso das göttliche*

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AuMtze

Gesetz. Neben moralischen Geboten, die zam Teil hohe Sittlichkeit und Menschlichkeit atmen, ständen direkt unsittliche und unmensch- liche, andere wiedorum bestimmten die trivialsten Dinge, was man essen und was man nicht essen darf, wie man sich waschen soll usw. Kurz überall die unbeschränkte Willkür. Von dem indoeuropäischen Standpunkte aus sei Jahve eher ein idealisierter Götze, oder, wenn man lieber wolle, ein Antigötze zu nennen als ein Gott. Dafür ent- halte diese Gottesauffassung allerdings den an sich hohen Gedanken einer Yorsohunfi, aber auch diese sei ebensowenig wie die Willkür der Beobachtung der Natur zu entnehmen und müsse daher vom indoeuropäischen Empfinden ausgeschieden werden.

Das geringschätzige Urteil über die israelitische Gottesvorstellung will Chamberlaiu auch gegenüber einer solchen Erscheinung, wie sie der israelitische Monotheismus bietet, nicht uufgobon. Gering- schätzig fragt er S. 224, was denn die Arithmetik mit Religion zu tun habe. Der Monotheismus könne ebensogut eine Verarmung als eine Veredelung der Religion bedeuten, sei also an sich selbst noch nioht etwas absolut Wertvolles. Am wenigsten der der iBraettten and Juden. Denn im Teigleiöh m den viel großartigeren religiösen Tor- stellangen Ton einem alleinigen Oöttliohen, zn denen die Arier auf rein religiösem Wege (dem der Spekulation) gelangt seien, sei der ktimmerlich Torsobrumpfte Weltschöpfer der Juden doch nur eine Earrikatur. Dort bei den Ariern handle es sich um die tief religiöse Erkenntnis der Sinheiflichkeit des gOttlichen Wesens, einer in vielen Gattern gleiehmfißig lebendigen Gottheit oder eines allgemein Gött- lichen, von dem die einselnen Götter nur TeUersoheinungen seien. Der Jahve der Israeliten dagegen sei und bleibe auch in seiner mono- theistiBohen Yerkappung doch nur ein Nationalgotl^ der die andern Götter mit brutaler Gewalt unter seine Fflße trete, um selbst die Herrschaft anzutreten. In Wahrheit sei er immer nur der Gott der Juden, oder doch nur insofern der einzige Gott, als auch die Juden die einzigen Menschen im wahren Sinne des "Wortes zu sein sich eingebildet hätten. Dem Monotheismus im Sinne des jüdischen Materialismus sei demnach in jeder Beziehung der religiöse Wert abzusprechen.

Eine weitere, sehr charakteristische Äußerung der auf der ein- seitigen Vorherrschaft des Willens beruhenden materialistischen Betrachtungsweise findet Chamberijiin in der geschichtlichen Auffassung der Religion, wie sie unter den semitischen Völkern speziell den Israeliten und Juden eigentünilicli geworden ist. Weil sie ihren Gott nicht in Erfahrungen des Gemüts hätten finden können, hätten sie ihn in den Ereignissen der eigenen Geschichte zu finden

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Babrbcb: H. 8t Chamberiaiiis Vontelhuigen Uber die BeBgion vsw. 25

gesacht. Ihr Qotte^laabe sei so daroh und doioh historisch funda- mentiert Nicht eine innere Tatsache des Gemüts, auch nicht die Beobaohtung der Natur, sondern die materielle histoiisofae Tatsache der Befreiang ans Ägypten gelte als der fondamentalste Beweis fflr Jahvee Wirken fOr sein Volk nnd als Fundament fttr die israelitische Beligian ttberhanpt Aber nicht nur in diesem fundamentalen nnd anderen euuselnen Ereignissen hätten die Israeliten das Walten Jahves ▼erspfirty sondern dieses Walten habe sich tot allem in dem Ganzen ihrer Geschichte ihnen dargestellt Gerade daiin nnn aber, wie sie sich ihre Geediichte als eine Art Organismus konstruiert httttsn, trete die materialistfach - egoistische Denkweise in greller Belenchtong zu Tage. Von der ganz richtigen Erwägung aus, dafi, wer das Heute besitzen will, auch das Gestern, aus dem es herauswuchs, umspannen und zugleich die Zukunft in den Händen halten muß, hätten sie äe sich eine Geschichte konstruiert, in der die ganze Weltentwick- long auf Israel hin tendiere. Von dem Augenblicke an, wo Jahve mit Abraham den Bund schließt, bilde das Schicksal Israels die Weltgeschichte, die Geschichte des ganzen Kosmos, das einzige, um das sich der Woltenschöpfer kümmert Charakteristisch für das egoistische Selbstgefühl sei vor allem die raffiniert systematische Weise, in der in diesem Geschichtsbilde Vei^angenheit und Zukunft mit der Gegenwart verknüpft erscheine. In der Vergangenheit gött- liche Wunder zu Gunsten der Juden und in der Zukunft der zu erwartende Messias und die Weltherrschaft. Der ver^i^iinfrliehe Augen- blick erhielt seine eigentümliche Bedeutung dadurch, daß man ihn aus der Vergangenheit herauswachsen sah, als Lohn oder als Be- strafung , und ihn in Prophezeiungen vorausgesagt glaubte. Hier- durch gewann nun auch die Zukunft eine unerhörte Realität, da man gewiß sein durfte, daß das vor vielen (?) Jahrtausenden dem Abraham Verheißene in vollem Umfange noch eintreffen werde. Die göttliche Verheißung sei nun aber an die Bedingung geknüpft ge- wesen, das göttliche Gesetz bis ins Kleinste hinein zu halten. So habe der Jude Tag und Nacht an Gottes Gesetz gedacht. Dadurch habe das religiöse Leben eine ungewöhnliche Lebendigkeit ange- nommen. Konnte man Jahve auch nicht sehen, so war er doch eine gescliichtliche Größe, deren tagliches Eingreifen in die Geschichte gewissermaßen Sache der Erfahrung war. Die ganze Nation lebte davon nnd sonnte sich sicher und selbstgewifi im Lichte seines Gottes.

Es sind vor allem noch zwei Pmskte zu erledigen, an denen Chamberlain die egoistisch materialistische Gedankenrichtang der

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AnfBltze

Israeliten und Juden charakterisiert, nfimlioh das Dogma tod der Freiheit des Willens und der Glaube der Semiten. Was den letasteien betrifft, so charakterisiert er ihn einmal als blinden Tat- sachen glauben im Gegensatz zu dem Glauben in den arischen Beligionen, deo* sich nie und nirgends auf geschichtliche Tatsachen beziehe und sich zudem mit absoluter Gedankenfreiheit Tertrage (S. 404 ff.); dagegen auf 8. 246 charakterisiert er ihn als nner- schütterlichee Vertrauen zu einon persönUcheD, unmittelbar gegen- wärtigen, allmächtigen Gott und leitet ihn aus der Macht des Willens zum Leben ab. Natürlich lehnt er von seinem arischen Standpunkte ans beide Arten des Glaubens ab. Der erste ist ihm minderwertig, weil er materialistisch ist, den zweiten lehnt er ab, weil er aus dem egoistischen Trieb zum Leben, aus der ungebändigten Kraft jenes verhängnisvollen Willens entsprungen ist, der durch seine Vor- herrschaft die religiöse Anlage der Semiten im Keime erstickt hat. Während der sinnende Geist des Ariers das Göttliche ahnend in weiten Fernen suche, zwin^re der willensstarke Jude seinen Gott vom Hiraniel herab und lasse ihn ein für allemal sein Zelt in seiner Mitte aufschlap'n (S. 2Mi). Mit derselben Entschiedenheit wendet er sich vom Standpuukt des Ariers aus gegen das Dogma vom freien Willen, dem uuhoilvollen Kon-elat zu der Vorstellung von Gott als der »Inkar- nation der Willkiir . Die Freiheit des Willens bedeute nichts woniger als ewig wiederholte Schöpfungsakte. Bedenke man das, so begreife man . daß diese Annahme nicht allein aller psychischen Wissen- schaft, sondern auch aller Metaphysik widerspricht und so eine Ver- leugnung einer jeden transscendenton Religion bedeutet. Die Vor- stellung von der Freiheit des Willens vorrate so eine im Verhältnis zum Wollen sehr beschränkte Intelligenz. Ks zeige sich also auch hier wieder die für den Semiten so charakteristische Vorherrschaft des Willens, die den Tod oder doch die Verkümmerung alier wahren Religion bedeute.

Sieht so Chambehlain fast überall nur Schattenseiten und Uinder- wertigkeiten in der Beligicn der Semiten und speziell dw Israeliten und Juden, so kann er doch wenigstens «Ines kleinen Lichtblickes sich freuen, den ihm die Ersdieäinng der Prophetie gewihrt (a 437). FreiUch will et auch die Propheten nicht fiberschfttst wissen; auf die Bezeichnung von »religiösen Genies« dfirften sie doch keinen Anspruch erheben. Er lobt sie als prfichtige Miinner, weil sie mit der Moral so heiligen Emst machen und die sozialen Schäden des Tolkes mit so ernstem Eifer zu heilen suchen« Aber Chamberlain kann doch nicht Tergessen, dafi sie Juden sind, »jüdisch

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BäMtrtaxm: H. St GhambezUniis TonteUangen über die Religioii vbw. 27

TOD den Sohlen bis zum Scheitel«, und so l)etiaclitet er sie als Arier mit gemischten Getühlen. Es ist geradezu ergötzlich zu sehen, wie er jeden Lobq[>nich, den er ihnen zu teil werden läßt, durch einen Dimpfer wieder absnsohiriUihen liebt Gewiß, sagt or, haben sie den »leligiOMn Haterialismos, den de von seiner abstraktesten Seite eifsfitenc [wir wttiden etwa sagen: die im religidB-BittUchea Geiste erfsfite Jah^e-Beligion], in moralischer Hinsiebt auf eine hohe Stofe erhoben (S. 247), aber andrerseitB haben sie doch die Religion auf die Moral reduziert, und es ist so dnrch sie für die Religion eigent- lieb nicht viel berao^gekommen (8. 440). In der Erstrebung einer progreasiTein YereinfBofaung des Enltns nnd der Terwerfong un- sinniger Ritoalyerbote darin sind sie schon soweit wie die Yoraba-Noger, mit denen sosammenznsteUen Ghamberlain ihnen die etwas knrioee Ehre erweist (S. 438) nnd in der Betonung des reügiös-dttlicheii Momentes bitten sie einen glücUioben Anfang ge- macht, der darauf hinausgelaufen sei, die Frömmigkeit ins Heiz zu legen, aber es sind andrerseits doch wieder etwas einfältige Herren, da sie sich allen Ernstes einbilden, daß os in der Religion ohne Kultus abgehe (S. 440). Ghamberlain lobt an ihnen den sozialisti- schen Zug, besinnt sich aber sofort, daß dieser Zug ja gerade mit der historischen Auffassung der Religion zusammenhänge, die den Nachdruck nicht auf das Individuum, sondern auf die Gesamtheit lege (S. 247), und so kann er auch dessen nicht wieder recht froh werden. Am höchsten schätzt er von ihnen noch den Deutero- jesaia ein, den »einzig wirklichen und bewußten Monotheisten«, aber auch er habe uns doch nur bis an die Schwello joner Ahnuiii: eines transscendenton (Tohoimnisses geführt, mit der diu eigeuüiciio Religion beginnt, uud den Schleier nicht gelüftet (S. 439). So darf man nach Ghamberlain die Prupheton doch nicht allzu hoch ein- schätzen. Im Grunde sind und bleiben sie für ihn doch nur priicli- tige Men.schen, brave Hiedenniinner, vor denen man gern den Hut zieht und denen man gern einmal die Hand drückt.

So also etwa nimmt sich vom Standpunkt des bewußten >Aner8« die Religion der Semiten und speziell die der Israeliten und Juden aus. Dürftigkeit der religiösen Vorstellungen, kraß mate- rialistische Gedanken rieh tu ng, die sich in der Form eines abstrakten Materialismus oder der konkreten Abstraktion selbst auf der höchsten Stufe israelitischer Religion wirksam zeigt, und beides wurzelnd in dem Cbermächtigsein eines kräftigen, nicht selten ins Brutale hinübei-spielenden Willens, das sind nach Chambehlmn die wesentlichsten Charakterzttge dieser Religion. Ob

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Aufsätze

diese Beniteiliing richtig ist, witd steh am letzten Ende bei der Be- urteilung des Sehwinkels zeigen, unter dem Ohamberlain die Beligion der Semiten gesehen hat, d. h. bei der fieorteilung seinee' arischen Religionsideals. Ehe wir aber dieeee einer FMlfiing unterziehen,

wird /.u nächst die andere Frage zu beantworten sein, ob denn Chamberlains Auffassung von der semitischen Religion auf einer richtigen Beobachtung des latsäohiiohen beruht, oder ob er nichts sei es unter dem Zwange einer gewissen Voreingenommenheit, aei es aus Mangel an Fachkenntnissen, sei es aus beiden Ursachen zu- gleich, ein Zerrbild entworfen hat, durch dessen Verurteilung die wahre Religion der Semiten und speziell der Israeliten noch lange nicht getroffen zu werden braucht Diese Untersuchung wollen wir uns für den im nächsten Hefte erscheinenden Schluß vorbehalten.

(Soblufi folgt)

Stimmen zur Beform des Religions-XTnterriohteg

(Fortsetzung)

LilMttii flr tfM IMIilsiMitMTisM

Geh. Hofnt Lcatit Semiaaidlrektor a. D. ia Kariimlie

1. Der Beligionsnnterricht hat den Zwedr, die vom Kinde bereits in die Schule mitgebrachten religiösen Lebenskeime weiter zu ent- falten, sie tiefer zu gründen und zu einer Lebensmacht zu gestalten. Es kann dies zonfichst nicht auf dem Wege der Erkennlnia geschehen, sondern durch Eingrfindung in religiöse Persdnlichkeiten, durch be- stimmte Vorbilder und Tatsachen, welche dem Schfller Üar machen, daß die Beligion nicht auf Lehren, sondern anf Tatsachen beruht Der häusliche Ereis wird erweitert durch den Lehrer und erhlilt seine hödiste Entfaltung durch die Vorführung biblisdier Personen und seine Vollendung durch die Peison Jesu.

2. Jeder erziehliche Unterricht muß also PersönlichkeitBunterricfat sein. Das Kind muß sich einleben in die vorgeftthrten Personen, deren Denk- und Handlungsweise es sich aneignen soll und aus denen sich schließlich die fortschreitende Entwicklung des göttlichen Heilsgedankens sich erkennen läßt Es gehört somit auch das Alto Testament mit Notwendigkeit in den religiösen Unterricht

3. Aus einer solchen Behandlung siebt der Schiller, daß nicht die Aufzählung der Ereignisse, die äußere Entwicklung, die Ge-

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Lkvtz: Stimmen zur Kefonu des Eeligionsontaniolits 29

schichte eines bestiramten Volks die Hauptsache ist, sondern die überall sichtbare Hand Gottes als Leiterin der menschlichen Ge- schicke. Die Biblische (Teschichto muß stets den Charakter als Heils^ . geschichte erkennen lassen.

4. Die einzelnen Fortschritte in diesem Hoilsweg werden ver- anschaulicht durch gewaltige Giaiibensholden, die besonders eingehend zu behandeln sind. Sie haben ihre Lebensgrundsätze, die Zeugnisse ihrer göttlichen Erleuchtung in Reden und Einzelaussprüchen uns hinterlassen, sie bilden besonders den Lehrstoff und die kurzen Aussprüche den Memorierstoff der biblischen Geschichte.

d. Die ans der Geschichte gewonnenen Lehren hat dann die Schule zu einem kurzen, einfachen System zasammenzustellen ; dies ist der Katechismus, der also kein Bekonntnisbuch im eigentlichen Sinne sein kann, sondern nur ein Ausdruck der christlichen Lehre in «ner

bestimmten Zeitperiode.

6. Daraus folgt, daß die Zusammenstellung der Sätze, deren Form in Erage und Antwort durchaus nicht für alle Zeiten gleich bleiben kann. Der Ausdruck wird und darf sich ändern, allein das Zentrum, die Grundwahrheiten, die Erlösung durch Jesus muß ewig bestehen bleiben. Jesus, Christus, gestern und heute usw. Eine Ändemng dieser Grundwahrheiten würde zum Christentum hinaus führen.

7. Diese Darstellung der christlichen Lehre kann aber nur mit der Oberklasse einer Volksschule versucht werden und zwar mit einem viel geringeren Gedächtnismaterial als die meisten Katechismen enthalten.

8. Eigentlich gehört dieser Teil in den Konfirmandenunterricht

des Geistlichen, allein da diesem Unterricht gewöhnlich zu wenig Zeit zu^'eraessen wird, Vs Jahr, und die Lelirsützo in der Schule nicht zur völligen Klarheit herausgebildet werden können, ist es gut, wenn die Sätze schon dort memoriert, und vom Geistlichen in seinem Unterricht wiederholt werden.

9. Ein religiöser Persönlichkeitsunterricht kann aber nur da statt- finden, wo der Lehrer selbst eine solche Persönlichkeit an sich dar- bietet, wo der Schüler in seinem Lohrer ein Beispiel hat, dessen reli- giöser Charakter, dessen frommer Sinn und Wandel in dem ganzen Unterricht zu Tage tritt, dessen Worte dureh die Persönlichkeit so veranschaulicht werden, daß sie den Schüler innerlich crfrreifen. In dieser Beziehung ist allerdings die konfessionelle Schule der Simultan- schule weit vorzuziehen.

10. Es ist zweifellos, daß für einen solchen einheitlichen Unter-

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Aufsätze

rieht ein einheitliches J^ehrbuch wünschenswert wäre; ebenso ein biblisches Lesebuch statt der Vollbibei.

11. Don Keligionsuuterricht ganz aus der Schule entfernen, ihn der Kirche überlassen, hieße die Krönung aller unsrer Schularbeit vernichten, sie aller ihrer Weihe und ihres Segens berauben.

Das Sohalwesen des Kantons Baselstadt

Von

Dr. X. Wctt«rwald-BMel

Die Ausgesteltong des Sohnlwesens in der Schweiz ist eine sehr mannigfaltige. Wie die iandsohaftUchen Bilder, wie Sitten und Ge- bräuche, Sprache und Eonfeesion, LebensbedOrfnisse und Lebens- gewohnheiten von Eanton zu Eanton wechsefai nnd immer wieder ein anderes Gepräge zeigen, so vielgestaltig sind die Einrichtungen, die für die AasbiJdung der Jugend in den veischiedenen Landes- teilen sorgen. Die Scholorganisationen sind geschichtlich gewordene Einrichtungen, die ans den BedArbüssen des Volkes, ans den Forde- mngen der Zeit an individanm and Gemeinwesen hervorgewachsen sind. Wie die Leistnngsfilhigkeit yon Bftrger- und Gemeinwesen im einsamen Hochtal des Gletscherbaches sich nach anderer Biohtnng äußern muß als in deir volksreichen Handels- und Fabrikstadt am breiten Heerstrom, so können dort einfache Schuleinrichtungen leicht den kleinen Verhältnissen genügen, während sie hier den gesteigerten Forderungen gemii(5 rciclier gegliedert und sorgfältiger ausgebaut sein müssen. Es ist daher leicht einzusehen, daß das Schulwesen der Schweiz kein einheitliches ist, und es ist leicht zu begreifen, daß jeder Kanton, der bis zu einem gewissen Grade seine besondere historische Vergangenheit hat und demgemäß auch ein bestimmtes Gepräge besitzt mit änglicher Sorge die Oberhoheit über die Schule stets gewahrt )iat. Wie jeder einzelne Kauton oder Halbkauton seine besondere Yertassung besitzt, so aucii seine eigene Schulgesetzgebung.

Die Bundesverfassung, d. h. die Verfassung für die ganze Schweiz, die verschiedene Gebiete des staatlichen und volkswirtschaftlichen Lebens zentralisiert hat, gibt in Bezug auf das Schulwesen nur einige allgemeine Tiiohtlinien und Vorschriften. Die einzige schweizerische Schuhuistult ist die eidgenössische polytechnische Schule in Zürich; allerdings gibt die Bundesverfassung dem Bunde die Befugnis, auch eine Universität und andere höhere Unterrichtsanstalton zu errichten und solche zu unterstützen; da aber schon sechs kantonale Univer-

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Wrcerwaid: Das SohnlweBen dM Kaatons Baselsladt

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sitäten bestehen, ist keine Aassicht auf Gründoxig einer eidgenössi- schen UniTersität vorhanden. Im weitern bestimmt § 27 der Bondes- verfassnng "vom 29. Mai 1871: »Die Kantone sorgen fttr genügenden Pdmaronterricht d. h. Volksschulunterricht, welcher ausschließlich miter staatlicher Leitung stehen soll. Derselbe ist obligatorisch und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich. Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können. Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, wird der Bund die nötii^en Verfügungen treffen. Durch die Volksabstimmung vom 23. November 1902 hat dieser Paragraph noch einen Zusatz er- halten, der bes^timmt. daß den Kantonen zur Unterstützung in der Erfüllung der ihnen auf dem Gebiete des Primaruntcrrichts obliegenden Pflichten Beitrage geleistet werden; dabei bleiben aber Organisation, Leitung und Beaufsichtigung des Primarschulwesens den Kantonen ausdrücklich garantiert.

Es mag nun vielleicht auch für deutsche Lehrerkreise von Inter- esse sein , die eine oder andere der 25 Schulorganisationen der Schweiz kennen zu lernen. Wir wählen das Schulwesen des Kantons Baselstadt, das wohl eines der am besten ausgebauten ist. Der Kanton Baselstudt ziihlto Endo 1902 un<^of;ihr 117 500 f^inwohner und ist abgesehen von den zwei Landgemeinden Uiehen und Bettingen mit etwa 3000 Einwohnern ein rein städtisches Gemeinwesen. Das Schulgesetz des Kantons Baselstadt vom 21. Juni 1880 normiert die obligatorische Schulpflicht für jedes bildungsfähige Kind auf 8 Jahre. 8ie beginnt mit dem Anfang des Schuljahres für diejenigen Eonder, die vor dem 1. liai das sechste Altersjahr zurücklegten. Knaben and Mädchen werden in den Schnlen der Stadt getrennt nntenichtet; in den zwei Landgemeinden jedoch gememsam. In allen öffentlichen ^ Scholen des Kantons sind die Kinder der yerschiedenen religiösen Bekenntnisse Tereinigt Was den Beligionsnnteiiicht betiifft, so wird derselbe in den sechs ersten Schuljahren, also in den Primaiklassen und in den zwei nntem Klassen der Hittelschalen durch den Lehrer gegeben. In den obem Klassen der Mittelschulen wird kein Reli- gionsunterricht mehr erteilt; dagegen TerstSndigt sich der Erziehungs- nt mit den Behörden der Landeskirche darüber, wie bei der Em- liohtung des Stundenplanes auf den kirchlichen Beligionsunterricht and den Konfirmations-Unterridit Rücksicht zu nehmen ist. Der Beligiansunterricht, der in biblischer Geschichte besteht, ist nicht obh'gatoiisch; jeder Schüler muß auf das von den Eitern oder deren Yertretem gerteilte Ansuchen davon entbunden werden.

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Aufrittsd

Die erste Sohnlstofe nmfafit vier Jahre und beifit Primarsohnle; in derselben sind die Kinder des ganzen Yolkes yereinigt Jede der beiden Soholanstalten Saiabenprimarschulo und Mädchenprimar^ schule steht unter der Leitung eines Schulinspektors. Im Jahio ld02 zählte die Knabe n primarschule4179 Knaben, die in 91 Klassen von 69 Lehrern und einer Lehrerin unterrichtet wurden. Die Mädcbenprimarschule zählte in 103 Klassen 4556 Kinder mit 32 Lehrern, 57 Lehrerinnen und 24 Arbeitslehrerinnen. In diesen Zahlen sind die Kinder der Primarschule Kleinhüningen, die dem Inspektorat der Mädchenprimarschule unterstellt ist, mitgerechnet. In den acht Spezialkl asseu für Schwachsinnige befanden sich 79 Knaben und 94 Mädchen; sie wurden von 8 Klassen- und 4 Arbeitslohrerinnen unterrichtet. In der ersten Klasse, d. h. im ersten Schuljahr beträgt die wöchentliche Stundenzahl 20; im 4. Schul- jahr 26; die Mädchen erhalten schon vom ersten Schuljahr an Unter- richt in den weiblichen Handarbeiten, und zwar zunächst im Stricken, vom 3. Schuljahr an auch im Nähen.

Mit Beginn des 5. Schuljahres tritt bei den Knabenschulen eine Dreiteilung ein: Sekundärschule, Realschule und Gymnasium. Die Sekundärschule, die aus vier aufeinanderfolgenden Klassen mit einjährigem Kursus besteht, soll diejenigen Schüler aufnehmen, für die ein einfacher, nicht über das schulpflichtige Alter hinaus- gehender Lehrgang in Aussicht genommen wird. Seit bald 20 Jahren besteht an derselben noch eine Fortbildungsklasse von ein oder zwei Abteilungen mit einjährigem Kursus. Die Sekundärschule, die die obere Abteilung der Volksschule darstellt, ist selbstverstfindlich obli- gatorisch; in derselben ist das FranzOsisohe, das schon von der eisten Klasse an, d h. im 5. Schuljahr, mit einer ziemlich großen Stunden- zahl auftritt, obligatorisdiee Hauptfiach; die Basler Yolksschule hat also neben der Matteraprache noch eine Fremdsprache, eine Ein- richtung, die wohl selten zu finden ist Sie erklfirt sich daraus, daß fOr Basel als Handels- und frOhere Grenzstadt gegw Krankreiöh diese Sprache eine wichtige Rolle spielt Die Knabensekundarsohule steht unter der Leitung eines Bektors, der bei der großen Ausdehnung der Anstalt keinen Unterricht erteilen kann. Die Sohfllerzabl betrug im Jahre 1902 in 53 Klassenabteüungen 2231; der Unterricht wurde Ton 55 Lehrern erteilt

Die Bealschule soll ihren Schftlem eine allgemeine realistisdhe Bildung geben und sie auf den Obertritt zu Handel, Gewerbe und Industrie vorbereiten; insbesondere ist sie auch Yorbereitungsanstalt fOr höhere technische, mathematische und naturwissenschaftliche

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WniKRWALD: Dm SolnilwMeii des Kantons Baselstadt

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Studien, also für Polytechnikum und Universität. Seit Jahren be- nutzen sie namentlich auch Mediziner und Lehramtskandidaten als Yorbereitungsschule für ihre wissenschaftlichen und beruflichen Studien. Die Realschule besteht aus einer untern und einer obera Abteilung; die untere Abteilung hat vier Klassen mit einjährigem Kurs. Die obere Anstalt zerfällt in eine Real- und in eine Handels- ftbteüung: die Kedabteitog umfaßt seit der kürzlich erfolgten Re- organisation ftkat KlMBcn, wovon 'vier xnlt einjährigem und die fOnfte mit ludbjihiigem Knzs. Die Handelsabieflnng besitzt drei Klassen mit einjährigem Ems. Jede der beiden Anstalten steht unter der Leitong eines besonderen Bektors, von denen jeder noch einige Untenichtsstanden zu geben hat Die Anstalten sind «ach rttumlich voneinander getrennt; die untere Abteünng befindet sich mit der Kehrsahl ihrer Klassen in dem stattlichen, Ende der 80er Jahre erbauten Oebftade an der Bittergasse neben dem Münster, wShiend die obere Abteilnng seit dem lotsten Frtthjahr in dem prichtigen Nenban in der Nähe des Bnndesbahnhofes untergebracht ist

Die Untenicbtsgegenstände der untern Realschule sind deutsche und französische Sprache, Englisch in der vierten Klasse, l^fathematik, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Schreiben, Zeichnen, Gesang und Tomen; diejenigen der obem Abteilung deutsche, französische und englische Sprache) Mathematik, Geschichte, Geographie, Naturwissen- schaften, Zeichnen und Turnen; in der Handelsabteilung noch italie- nische Sprache und Handelsfächer. Die untere Realschule zählte im abgelaufenen Jahre in 24 Abteilungen 1024 Schüler, die von 31 Lehrern untenichtet wurden; in der Realabteiluntr «ler obem Schule befanden sich in 11 Klassenabteilungen 299, in der Handeisabteilung in 6 Klassen 142 Schüler. Mit dem Zeugnis der Reife gingen im Herbst 1902 58 Schüler aus der Schule ab, und zwar zu akademischen Studien 18, zu polytechnischen Studien 16, zu den Fachkursen für Primarlehrer (Lehrerseminar) 13, zu andern Studien 4, zu technischen Berufsleliren 5 und zu Handel und Verkehr 2. Die Zalil der Tjehrkräfte betrug 25, wovon einige auch an der untern Abteilung der liealschule tätig waren.

Das (iymnasiura, dfis ebenfalls aus einer untern und einer obem Abteilung von je vier aufeinanderfolgenden Klassen mit ein- jährigem Kurse besteht, soll seinen Schülern eine aUgeraeine huma- nistische Bildung geben und sie auf das akademische Studiimi vor- bereiten. Die ünterrichtsgegenstiinde des untern Gymnasiums sind Itttoinische^ deutsche und französische Sprache letztere von der zweiten Klasse an , Griechisch in der vierten Klasse, Geschichte, Geographie, Mathemafi][, Naturkunde, Schreiben, Gesang und Tomen;

ZritMioltt IBr PUJotopU« aad FldagQgik. 12. Jahisuf . 3

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das Zdohnen ist fakultativ. Solche SchtUer der vierten Hasse, die nicht in das obere Oymnasiimi, sondern nach Ahsolviening der vier eisten OymnasialHassen in die obere Bealschule übertreten wollen, weiden vom TTntemcht in der griechischen Spiacfae dispensiert nnd erhalten dafür üntemcht im Englischen und in der Physik. Die XTntemchtsfiUsher des obem Gymnasiums sind grieohisofae, lateinische, deutsche und finmzQeische Sprache, Geschichte, Mathematik, Natur- wissenschaften und Tomen ; aufierdem fOr künftige Theologiestudieiende hebiiische Sprache. Das ganze Gymnasium, am Mttnsteiplatse ge- legen, steht unter der Leitung eines Rektors. Bas untere Gymnasium besuchten im letzten Jahre 376 Schüler, die in 11 Erlassen unter- richtet wurden; die Schülerzahl des obem Gymnasiums betrug in 8 Abteilungen 142; davon gingen im Frühjahr 1902 38 zur Univer- sität ab. Am Gymnasium wirken zusammen 26 Lehrkräfte.

Für die Mädchenschulen tritt nach dem vierten Schuljahr eine Zweiteilung ein: Sekundai'schule und Töchterschule. Die Mädchen Sekundärschule stellt wie die Knabensekimdarschule die obere Abteilune; der Volksschule dar: sie lehrt schon von der ersten Klasse an das Französische als obligatorisches Lohrfach und hat eben- falls vier aufeinanderfolgende Klassen mit einjährigem Kurse. Seit vielen Jahren besteht auch da eine Fortbild uiigs- oder fünfte Khisse mit einjährigem Kurse in zwei oder drei Abteilungen. Die Anstalt, unter der Leitung eines Rektors, zählte im verflossenen Jahre 2580 Schülerinnen in 59 Klassenabteilungen; der lintorricht wurde von 42 Lehrern und 41 Lehrerinnen erteilt. Mit der Schule sind Koclikurse verbunden, die von Lehrerinnen geleitet werden und einer stets zunehmenden Beliebtheit sich erfreuen. Unter deiselben Leitung wie die Mädchensekundarschulo der Stadt steht auch die Sekundär- schule der Ortschaft Kleinhüningen, die nach und nach mit der Stadt zusammenwftohst und bereits in den städtischen Organismus auf* genommen worden ist ffier sind die beiden €^esohleohter in den betreffenden Elassen Tereinigt; die Schule zShlte in vier Klassen- abteilungen 86 Knaben und 73 Mädchen, die von 4 Lehrern und einer Arbeitslehrerin unterrichtet wurden. Diese Schule wird übrigens bald mit den städtischen Sekundärschulen vereinigt werden.

Die Töchterschule hat die Bestimmung, diejenigen Mädchen au&unehmen, für die ein längerer und umfemnderer Lehrgang in Auasicht genommen wird. TJntemchtsfSoher sind: deutsche, franeö- asche und englische Sprache, Mathematilc, Qeschichte, Geographie, Naturkunde, S<toiben, Zeichnen, Gesang, Turnen und weibliche Qandaibeiten. Sie besteht aus einer untern und einer obem Ab-

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'Wsitebwald: Das Soholweeeii des KaDtons Baselstadt

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teilung; die untere hat vier, die obere zwei Klassen mit einjährigem

Kurse; die erstere zählte im verflossenen Jahre in 20 Klassen-

abtc'ilungen 949, die obere Abteilung in 8 Klassen 248 Schülerinnen. An die sechs Klassen der Anstalt schließen sich noch verschiedene Fortbildunprsklassen an: Für {Ulgeraeine Bildung drei Jahreskurse; für Ausbildung als Lehrerinnen drei Jahreskurse; füi- das kaufmännische Bildunfrswesen zwei Jahreskurse und für Ausbildung als Lehrerinnen an Kleinkinderanstalten ein Jahresknrs. Tn der allgemeinen Abteilung wird auch Unterricht in der lateinischen Sprache erteilt, und es werden die Schülerinnen so vorbereitet, daß sie das Maturitätsexamen bestehen können. Die sUnitliclien Fortbildungsklassen zählten im letzten Jahre 155 Schülerinnen; 16 bestanden die Diplomprüfung als Lehrerinnen. Die gesarate Anstalt steht unter der Leitung eines Rektors; der Unterricht wird von 22 Lehrern und 22 Lehrerinnen gegeben.

Unter einem besonderen Inspektoiat stehen die Schulen in dem som Kanton Baselstadt gehöiemdan Landgemeinden Bieh«n und Bettingen. Knaiben nnd IDidchen sind beim ünteirieht in äea ver- sdiiedenen Klassen Toieinigt In Biehen afihlten die Tier Frimai^ Uassen lotsten Jahres 113 Knaben nnd 103 Mädchen; den Unterricht erteilen 4 Lehrer nnd eine Aibeitslehrerin. Die Tier Seknndarklassen nnter 4 Lehrem nnd einer Arbeitslehrerin sfihlten 74 Knaben und 74 M&dchen. Die 8 Klassen der kleinen Beiggemeinde Dettingen, in eme Primär- nnd eine Seknndaiabteilnng zusanmiengefaßt, wiesen 26 Knaben nnd 35 Mftddien anf; an der Sohnle wirken awei Lehrer nnd eine Ariieitalehrerin.

Den unmittelbaren Bedttifnissen des praktischen Lebens dienen die Allgemeine Gewerbeschule und die Frauenarbeitsschnle. Die Allgemeine Gewerbeschule hat die Aufgabe, den Gewerbe- treibenden diejenige für ihren Beruf notwendige Ausbildung zu geben, die in der Werkstatt nicht eriangt werden kann. Die Schule be- zweckt einerseits die allgemeine und fachliche Fortbildung der An- gehörigen aller Gewerbe, andrerseits die theoretische und künstlerische Heianbüdung von tüchtigen Arbeitskräften für die Bedürfnisse der- jenigen Kunstgewerbe, für welche die Bedingungen einer gedeihlichen Entwicklung in Basel vorhanden oder leicht zu gewinnen sind. Daneben soll in besonderen Abteilungen Kunstklassen für nicht Gewerbetreibende beider Geschlechter Unterricht im Zeichnen, Malen usw. erteilt und hierdurch der Sinn für die Kunst bei der Bevölkerung gefördert werden.

Die Schule zerfällt in eine untere Abteilang für allgemeine ge-

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werblidie Yoibildung und eine obere Abteilung ftir Schliche Aus- bildung; einen Teil der lotztorn bilden die Kunstklassen. Der ünter- richt wird in halbjährlichen Kursen erteilt und findet an den Werk- tagen in Tages- und Abendstunden statt; die Aufnahme der Schüler erfolgt in der Regel am Anfange jeden Semesters. Bei der Auf- nahme in dio untere Abteilung: wird verlangt, daß der Schüler das 14. Altersjahr zurückgelegt und eine ordentliche Volksschulbildung erlangt habe. Für die Aufnahme in die obere Abteilung ist das zurückgelegte 15. Altorsjahr imd die Erfüllung des Lehrzieles der untern Abteilung nötig. Angehörige dos Handwerkes und der Ge- werbe, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, können jedoch zur Teilnahme an einzelnen Fächern der obem Abteilung zugelassen werden, wenn sie das 18, Altersjahr zurückgelegt haben und zum Be- suche der betreffenden Klasse reif sind.

Der Unterricht an der Allgemeinen Gewerbeschule ist iment- geltüch, ausgenommen für diejenigen Schüler der Kunstklassen, die dieselben nicht zum Zwecke der gewerblichen Berufsbildung be- suchen; diese haben je nach Fächern und Stundenzalil per Semester ein Schulgeld Yon 10 bis 50 Fr. zu bezahlen. Alle andern Schüler entrichteii zum Zwecke der Sicherung eines regelmäßigen BosnclieB «m Anfüge eines jeden Semestois ein Haftgeld, das ohne Sttcksioht anf die Stnndenzahl nnd die XVeher fflr die untere Abteilung 4 Fr., fflr die obere 8 Fr. beträgt. Dieses Haftgeld iriid denjenigen Schfllem, die den üntenicht regelmäßig besucht haben, am Ende des Semesten jEurftokeiststtei

Die UntemchtsfiGher der untern Abteilung sind: Sdixeiben und Aufsate, Arithmetik, Geometrie^ Bundschiift, Geometiisches Zeiohnen, Blachomament und Gipsaeicbnen; diejenigen der obem Abteilung: Frojehüonaseiöhnen, Schattenlehre, Stereometrie, Algebra, ICechanilc, Ifaschinenlehze» Technologie^ Fhyäk, Chemie, Buchführung, gewerb- liches Beohnen, praktische Geometrie und Feldmessen, Perspektive, Baumaterialienlehre, fiaustatik, Bauformen- und Stillehre, Kunst- geschichte, Heisong und Tentilation, Fnchaeichnen fiLr die verschie- denen Bernfsarten; Omamentseiohnen, ornamentales Gipszeichnen, Skissieren nach der Natur, omamentale Formenlehre, Holz- und Kaimorimitation , Schriftzeichnen und Malen, dekoratives Malen, Aquarellmalen; figürliches Gip?zoichnen, figürliches Skizzieren, Zeichnen und Malen nach dem lebenden Modell, Anatomie, Aktzeichnen. Model- lieren, Ilolzbildhauen für Schreiner, Möbelpolstem für Tapezierer, Handverf^oldon für Buchbinder, praktische Übungen für Spengler; Porzeilan- und ölmalen für Damen.

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WimswAi»: Dm SoInlweND d«8 Xnlons BveMadt

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Der Unterricht wurde im letzten Schuljahr von 51 Lehrern er- teilt, von denen einige dem l^ehrpersonal anderer Schiüanstalten, die meisten jedoch dem Gewerbestand angehören. Die Schülerzahl be- trug im Sommersemester 1048, im WinteiBemester 1365; sie ist in den letiElen Jahren infolge der gedrückten Geschliftslage etwas zurück- gegangen. Bie Sdinle stellt unter der Leitimg eines Dixektore.

Schon seit lingeier Zeit wird von den Behörden eine Beoigani- sation der Anstalt geplant; ee soll derselben nimlioh die allgemeine büigerliche Forfbildongsscfanle eingegliedert werden, die von allen Schfllem des Esntons, die eine bestimmte Klasse der Volks- oder Mittelschnle nicht erreicht haben, besucht werden mufi. Jetzt ist die Forä>ildnng88chnle nur für die zwei Landgemeinden des Kanton» Baselstadt obligatoiiBch, für die Stadt bestehen bloß freiwillige Fort- büdnngskurse, die nnr mäßig stark besucht werden.

An dieser Stelle sollen anch die Handarbeitsschnlen für Knaben erwfihnt werden. Bieseiben sind nicht eine rein staatliche Einrichtung^ sondern werden Ton einem Verein, der Ton seinen lOt-^ g^edem Beiträge bezieht organisiert; sie stehen aber unter staat> licher Aufsicht, und die Kosten werden auch zum größten Teil vom Staat, der letztes Jahr an dieselben 20000 Fr. bezahlte, bestritten.. Die Handarbeitsschule will die Lemschule ergänzen und den Zog- lingen Gelegenheit zur Erwerbung und Förderung manueller Fertig- keiten geben. Außerdem will sie auch ein Hort für viele arme Knaben sein, die an den icalten und dunkeln Winterabenden, bevor die Eltern nach Hause kommen, sonst kein warmes und erhelltes Stübchen finden könnten. Anmeldungen gingen letztes Jahr von 1397 Schülf-m ein, von <lonon 1223 Aufnahme fanden; diese wurden in 38 Kart«innaire-. 2:5 Hobelbank- und 2 Kerbschnittklassen von 47 Lehrern untemchtot. Der Unterricht wird in den Monaten Oktober bis Miirz in den Abendstundon von 5 7 Uhr, am Mittwoch auch in den Xachmittagstunden erteilt

Die Frauenarbeitsschule hat nach dem Gesotz die Aufgabe, Frauen und Mädchen durch theoretischen und praktischen Unterricht in den weiblichen Handarbeiten und in der Führung eines Haus- wesens für den häuslichen Benif oder für den Erwerb, sowie Arbeits- lehrerinnon und Lehrerinnen für Koch- und Haushaltungsschulen gründlich auszubilden. Der Unterricht wird in Kursen von sechs Monaten erteilt und findet an Werktagen in Tages- und Abend- stunden statt Zur Aufiiahme ist das 15. Altersjahr und der Besitz derjenigen Kenntnisse eiforderlioh, die in einer guten Yoltochule erworben werden können. Nach Beendigung eines Euzses erh&li

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jede SohOleim eiii eohiifdiohes Zeugnis Uber Betragen, Fleiß, Fort» «cliritt und Leistung. Die Sdiflleiinnen, die beabsichtigen das Examen «]s Aibeitslehrerinnen zu machen, müssen bei ihrem Eintritt die 5. Klasse der Töchterschule oder die 4 Klasse der Sekundärschule nebst Fortbildungsklasse oder eine gleichwertige Schule mit Erfolg besucht, also 9 Schuljahre durchgemacht haben. In der Fnuen- aibeitBschule sind fOr sie Weißnihen und Flicken, Maschinfflinlfliftn, Kleidermachen, Wollfach und Weißsticken, Geeundheitslehre, Methodik des Arbeitsuntemchts unft Pädagogik obligatorisdL Die Schülerinnen der Kodi- und Hanshaltungsschule erhalten außer im Kochen, üntei^ rieht im Waschen, Flicken, GlStten, Rechnen und Buchfahrung, Ge- eundheits- und Krankenpflege; diese Fächer sind für sie obligatorisch. Für den ^Mittagstisch und den Nachmittagskaffee bezahlen sie per Semester ein Kostgeld von 80 "Et, Im übrigen ist der Unterricht in allen Fächern unentgeltlich; dagegen sind die Kosten Ittr Arbeits-^ ■Schreib- und Zeichenmateiialien , Nähmaschinen usw. von den -Schülerinnen zu tragen.

Der Unterricht erstreckt sich auf folgende Fächer: Weißnähen (Handnähen); Maschinennähen; Kleidermachen; Weißsticken; Bunt- stickon; Filet-, Häkel-, Knüpf-, tStrick- und REihmenarbeiten (Woll- fach); Flicken, Verstechen und Stopfen: Glätten; Putzmacheii: Zeiohnen; Rechnen und Buchführung; Pädagogik; Methodik; (xesundheitslehre unii Krankenpflege; Koch- imd Haushai t im gskunde : djizu Lingerie: Flicken, Zuschneiden und Fertigen von Weißzeug, sowie Kleidersclmitt in Abendkursen. Die Lehrei"schaft zählt, abgesehen von den Ge- hilfinnen in den Abendkursen, 26 weibliche und 4 männliche Lehr- kräfte. Der Zudrang zu dieser Schule wird von Jahr zu Jahr größer; sie zählte im Summersemester 1902 1072 Kursteilnehmeriunen und "251 Schülerinnen in den Abendkursen; im Wintersemester 1902/03 1234 Kursteünehmerinnen und 302 Schülerinnen in den Abendkursen. Die Anstalt steht unter der Leitung eines Vorstehers, der sie vor ungefähr 25 Jahren in bescheidenen Anfängen mit Hilfe der GeseU- echaft des Guten und Gemeinnützigen ins Leben gerufen hat

Fttr die Überwachung und Bildung der Euider im Torschul- Pflichtigen Alter ^d die Kleinkinderanstalten eingerichtet worden, die teils staatlicher, teils privater Katur sind; die letstem •stehen unter der Obsorge der gemernntttsigen Gesellschaft In den -staatlichen Anstalten befanden sich Snde Dezember 1902 in 39 Ab- teilungen 882 Knaben und 884 Ifidchen unter 21 Lehrerinnen und 18 Gehilfinnen; die Leitung ist einer Inspektorin übertragen. Die privaten Anstalten mit 33 Abteilungen sShlten 696 Knaben und

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Wextebwald: Daa Soholwesen des Kantons Baselstadt

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770 Mädchen; sie wurden von 34 Lehrerinnen geleitet; sechs diesw Schulen erheben ein Schulgeld von 5 bis 40 Rappen per Woche.

Für die Erziehung und Beschäftigung verwahrloster Knaben und sjugencllich Bestrafter« besteht die RettuiiETsanstalt Klosterfiechten, ungefalir eine Stunde von der Stadt am Abhang des Bruderhoiz ge- legen. Mit der Anstalt ist eine ziemlich ausgedehnte Landwirtschaft verbunden. Die Leitung ist einem Hausvater übertragen, der auch der Liindwirtsciiaft voiNteht und mit einem Lehrer den Unterriclit und die Beaufsichtigung der Zöglinge besorgt. Die Ansttdt zählte am Jahresschluß 22 Knaben. Von den im Laufe des Jahres Auf- genommenen gehörten 7 zur Kategorie der Verwahrlosten, 2 waren »jugendlich Bestrafte«, 2 wurden aufgenommen, um sie der Miß- handlung durch ihre Eltern zu enrzielien. Von den Ausgetretenen wurden 7 in Lehren untergebracht, 3 kehrten ins Elternhaus zurück, 2 wurden weiter versorgt. Die Aufsicht über die Ketlungsanstalt ist einer Kommission übertragen, die auch anden^^itigü Versorgungen leitet und überwacht In einer großen Stadt wie Basel gibt es leider immer rerwilizlosfe odor sittlich gefährdete Kinder, die aus den dffentlichen Scholen entfernt werden müssen; Tiele derselben werden doieh die genannte Kommission in Etonilien des Kantons Baselland- schaft, andere in auswärtigen Anstalten untergebracht Von den am 31. Deeember 1902 aoßerhalb der kantonalen Bettnngsanstalt yer^ sollten Kindern gehörten 2 dem Kanton Baselstadt, 15 dem Kanton BaswUandschaft, 25 andern Kantonen und 23 dem Ausland an. Die staatlichen Aufgaben fOr auslfindisohe Yersorgongen betrugen 3850 Fr.

Neben der staatliohen Kommission besteht noch die Yersorgungs- komnussion der Oesellsohaft des Guten und OemeinntLtzigen, die auf dem Gebiet des V'ers<»gungswesens gans Bedeutendes leistet

Büne staatliche Yersoigungsanstalt ffir Terwahrloste Mädchen, wofür die im Jahre 1896 anläßlich der Pestalozzifeier ins Leben ge- rofene FestalozzigeseUschaft die InitiatiTe eigrifien und finanzielle Mittel gesammelt hat, ist im Entstehen begriffen.

(Sohliiß folgt)

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1. Der Begriff der Harmonie bei SoMller

Von Dr. Sasanna Bubinsteia

Schiller behielt das Wesen der Antithese, des Gegeontzes, stets im Blickpunkte seines Bewußtseins, er sah es alle Erscheiniingeu durchziehen und drückte diese seine Anschaimng sowohl in seinen poetischen Schöpfungen als in seinen kulturphilosophischen Abliaudlnngon aus. Zwei seiner her- ▼orragendsten Gedichte, das Gedicht »Das Ideal und das Leben<| das aeine phfloeophisoheD Orundgedaakeii enthSlt, vnd das gcachlechtB-pqrcfaologiBobe Gedicht »Würde der Fkauen« , sind inhaltlioh und formal ganz in der Antitbeae beaohlosseo. Er aiogt im ersten:

»Wenn der Menschheit Leiden eooh vmCngai»

Wenn Laokoon der Schlangen

Sich erwehrt mit namenlosen Schmerz,

Da empört sich der Mensch tc

»Aber in den heitern Regionen, Wo die rfinen Formen wohnen,

Rauscht des Jummer^ trüber Sturm nicht mehr« usw. usw.

und im zweiten:

»In der Männer Herrschgebiete Gilt der Stärke trotzig Recht.«

»Aber mit sanft überredender Bitte

Führen die Frauen den Zepter der Sitte« usw. usw.

Schiller spricht direkt die Überzeugung aus, daß in der Reibung:: dos Gegensatzes die Triebknift der Entwicklung läge. »Der Antagonismus ist das Instrument der Kultur.« Er ist das Instrument der Kultur, weil er jeden Partner zur Abstreifmig des Schroffen, zur Fortbewegung ins Al-

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1. Der Begriff der Hanuoaie bei Schüler 41

truistische antreibt, und das Endziel davon ist die konsolidierte verstärkte Kraft in der Harmonie. Schiller hegte auch die Überzeugung, daß die ideelle Potens der Haimooie als kosmogoiuBch-QfÜusohe Knft im Weltbilde zersplittert sei, und die EinigiiDg mit diesem Kitt ist die Krönung aller dualistischen Uniuho. Diese Ansicht vertritt Schill» in seiner Theosophie (philofi. Briefwechsel zwischen Julius und Baphael).

I. Die Ethik

Die zwei küuträreu Faktoren deren Auflösung in Harmonie die wich- tigstea und edelsten 0fiter der Menschheit, ja den gansen Bestand der Kultur bildet, sind: Sinnlichkeit und Temunft Denn aus der VeieiaigaDg'

dieser Faktoren entstammt die Ethik und die Ästhetik. Diese zwei philo- sophischen Gebiete sind auch diejenigen, welche Schillers Geistf^swelt 1»^- herrschen. Sie sind ihm die nächsten und wichtipston. vreil sie tief urnl bestimmend im Menschenwesen eingreifen. L'ud Schiller ist ebenso leblmft fflr die anthropologische Welt interessiert, wie Qoethe für die koemische. Schiller bat seinen Frasdierblidc suvOrderst nach innen, Goethe nadi auBen gerichtet. Nicht bloß abstrakt reflektierend, sondern mit einer Weihe des (femütes wie bei einem Priesterdienst, konstruiert Schiller seine ethisch- ästhetischen L<^hren. In den Yerschiedenon philosophisclien Althandlungen, in denen er diese auseinander setzt, verfolgt er, als das Z^ ntnile. den Ge- danken, daß Sinnlichkeit und Vernunft, Neigung und Pflicht, sich im Wesen der Btbik sur Harmonie auflösen. Es g&be kein GefOhl der Be- friediguug, der Lust beim sittliohen Handeln, wenn sur Maxime der Ver^ nnnft nicht die Sinnlichkeit, wenn zum Pfliditgebot nicht die Neigung sich beigesellte. Mit der Anerkenming des sinnlichen Elements in der Begriff l»est im mung der Moral, tritt Schiller dem Rigorismus seines Meisters, Kaut entgegen. Der Königsberger Weise foi-dert drakonisch, daß man dio Pflicht einzig nur ans Pflichtgebot flbe und entscheidet, dafi die Neigung tat Pflicht der Imperativischen Macht derselben Eintmg tue. Die Neigung zu einer Tat hebt ihren sittlichen Wert auf. Man kOnnte darin einen Anklang an den theologischen Begriff des Opfers finden, an der Idee, die in allen Religionsfornien wiederkehrt, daß in der Selbstüberwindung und KasteiuDg, auch in der grausamsten und unsinnigsten, ein Verdienst läge. Doeh hat diese strenge Trennung von Neigung und Pflicht bei Kant vicd- leieht den Qrund in dem Mechanismus seines Systems, da er scharf die Sphäre der Sinnlichkeit, also dio Sphäre der Zwecke und des Bot:' hrens, von der intelligiblen Sphäre der Ideen und der Freiheit in der dio Moral wurzelt auseinander hält, so zeigt sieh auch keine Bkmko fiur einen möglichen Wechselverkehr. Die beiden Sphilren sind abgeschnitten, und der bescluänkto L utertaneuverstand sucht mit rechter Verlegenheit die Konkordans su einer Persönlichkeit zu finden. Schiller schöpfte aus zwei RichtuDgeo die Überzeugung mit der er Kant entgegentrat daß den Oeistesfimktionen unentwegt ein sinnliches Element beigemischt sei: er schöpfte sie einmal atis seiner künstlerischen Tätigkeit, und ratio- neller aus seinen medizinischen Studien. Diesen verdankt man dio zwei Abhandlungen, in denen er das Substanziale des reciproken Verhältnisses

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Mitteilungen

von Ijcib lind Geist erörtert: I. die »Philosophie der Physiologie < , und II. »über den ZusammeDhang der tieriechea Natur des Menschen mit seiner geistigen,« Giog ffir Kant die Notwendigkeit sa seiner impentiTeii Fonn ▼OD seinem Geisteswerk ans, so efgab sich für Soihiller, dss Axiom der Vereinheitlichung beider Faktoren, als Frucht seiner Geistesarbeit Wenn er in jenen Dissertationen SJätze durchführt wie diese: daß »die mensch- licho Vdllkommenhoit in der vollsten ('bucg der Kräfte und ihrer wechsel- seitigen Unterordnung bestellen müsse,« und: »die tierische Empfindung von Lust und Schmerz dient nicht aUein der Erhaltung des psychischen Lebens, sondern hilft auoh das innere Urwerk des Geistes in Gang bringen« so wurzelt schon in diesen Arbeiten seiner Jugendzeit die Ansicht von der Coordination, die später als gezeitigte Frucht der Kttngehalt seiner ethischen und ästhetischen Prinzipion wurde.

Kants kategorisches Sollen drückt eigentlich ein Jocli auf das Gemüt auf, es zwingt ihm die Tugend auf, und damit hat er ja ihre Abstammung ans der BVeiheit enohtttfeert Zwischen der imperativen Foim nnd der Idee der Freiheit eigibt sich dne unansweichlidie Kollision. Geht aber die Sittlidürait nicht frei und unmittelbar aus dem Ganzen hervor, so in- häriert sie auch nicht der "Wasensbeschaffenheit, so ist sie Disziplin, und so gibt es auch keine Bürgschaft, daß man ihr nicht bei guter Gelegenheit entschlüpft »Der bloü niedergeworfene Feind kann wieder aufstehen, aber der veisOhnte ist wahrhaft überwunden.« Und bloß niedergeworfen ist die Sinnlichkeit dnroh den kategorischen Imperativ, versöhnt ist sie durch die Neigung zur Pflicht Das Dokument, in dem Schiller am ein- gehendsten das Problem der hamionisehen Auflösung von Sinnlichkeit und Vernunft in der etliischen Gesinnung behandelt, und in dem er gegen Kants Higidität in Aktion tritt, ist die Abhandlung über »Anmut und Würde«. >Der Mensch darf nicht nur, sondern er soll Lust und Pflicht verbinden; er soll seiner Vernunft mit Freaden gehorchen. Nicht um sie wir eine Last wegzuwerfen, oder wie eine grobe HüUe absnstreifen, nein, um sie aufs innigste mit seinem höhern Selbst zu vereinbaren, ist seiner reinen Geistesnatur eine sinnliche beigemischt« Die Auflösnntr dieser beiden Extreme in üannonio begreift also die echte und wahre Sittlichkeit in sich. Und wo diese ÜbereinstimmuDg die Übereinstimmung von Neigung und Pflicht besteht, da bewAhit sich audi ein ethischer Sinn durch die ganze LebensfOhrnng. Wfthrend, wenn man immer wieder zur Vernunft Rekurs haben muß, wenn man von Fall zu Fall bei dem Morali» t&ts-Codex anfragen muß, sich nur abgezwackte Tugendhandlungen orgeben können. Wo aber j*Mie beiden Prinzipien im Einklang verschmelzen, da ist die »vollendete Menschheit«: erstanden ; liarmouie ist die krönende Vollendung einer Entwicklung. Und nur auf dieser Stufs, wo sanft und eben die beiden Richtungen zusammeofliefien, kann andauernde Selbst» Verleugnung und aofoplerDde Werktätigkeit mit heiterer Ruhe geübt werden. Dieser Zustand der unmittelbaren, freien Harmonie bildet das Wesen der »schönen Seele«. Die ^ schöne Seele« ist der Adelsmensch, in der Über- einstimmung von Natur und Oesetz gelangt bei ihr die Totalit&t zur Eot- wioklung.

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1. Der Begriff der HarmoDie bei Schillor

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Wie kann aber die Auflösung:, der doch auch andrerseits petrenntea und heterogeiiea Elemente bewirkt werden? Die jS'oigung entötammt der SumBohkeit, das Sittengesets das Oeseti durch desaea Befolgung der Mensdi in ncfa selbst die Menschheit ehrt gehflrt der fibersiiiolioheii Yenimftrej^fili an, was bringt nun die Annäherung zu stände? Wodtirch werden Neigung und Pflicht, Siunlichkeit und Vernunft vereinigt? Durch Zucht Aber nicht durch eine occasionalistische Zucht, wie es Kants Pflicht- begriff in sich schließt, der bei jedem Anlaß herbeigezogen werden soll, Bondttn durch eioa ratioiMlIe Zucht, unelehe dem Qamttts fOr immer die Ptfge gibt ESb boU die pidagogiadie ISnwirkaiig eines MitHeren sein. Dieses Mittlere soll die Sinnlichkeit so rektifizieren, daft sie Kioh als gi^ fügiges Korrelat dem übersinnlichen anschließt. Dieses veredelnde Mittlere ist das Schöne. Das Schöne leitet das Gemüt zum Übersinnlichen, und in dieser reinen und verklärten Stimmung verstummt die Lockung des l^iedrigen, weicht die Beechräokung, und die gesetzmäßige Kraft der Yer- nnoft ivird Uaier, man kommt dem Erkennen nlher, und dabei erlangt auch das Gefühl die Eignung intuitiv dem Sittlichen zuzustreben. »Nur durch das Morgentor des SchOnen drangst du in der Erkenntnis Land.c Und das Schöne, die Kunst, ist »die Gütige, die deine Jugend in hohen Pflichten spielend uutenvips. und das Geheimnis der erhabenen Jugend in leichten Kätseln dich erraten ließ«. In der didaktisch -theoretischen Ver- schmelzung des Schfioen mit dem Sittlichen sind offenbar Stxahluogen ans dem Geist der Antike eiDgegaogen. SchiUen ganae Isthetisch - ethiche SanoOi wie er ihn eintrohender in den Briefen >über ästhetische Er- ziehung« entwickelt, besteht aus einem aus den Studien der Antike assi- milierten UD<1 7Air Bhite ausiiTf^fifteii Keim. Das Wesenliafte, der Grund- kern dieses Kanons, bildet das xuAoyxayadoy^ das griechische »Schöngute«. Der Begriff des Sofaflngatoi ist anoh in SdiiUsrs »achfiner Seelec anthrcqpo- morphisiert Das Wort ist in ihr Fleisdi nnd BInt gewKMden. Man mag -vielleidit auch nicht fehl gehen, wenn man in Schillers ganzer und be- herrschender Hinneigung, die widerstrebeiuleu Verhältnisse unter dem Ge- sichtspunkt eines ?>olutioDiBmu8 zur Harmonie zu fasseo, auf heilenisoher Eio Wirkung zurückführt.

Der Widerschein der innem Harmonie in der äußern Erscheinung bildet das Wesen dw Anmnt Anmut Ist der lebendige Ausdmok der Person, des innem Menschen, im Gegensatz zum architektonischen Bau, welcher die Naturseite desselben bedeutet. Das Durchbrechen des Frei- heitsbegriffs der Vernunft, auf dem Schiller das Schöne wie das Sittliche V>egrnndet, ist auch Bedingung der Anmut. Wo die architektonische Natur- seite überwiegt, da entsteht Masse. Die t schöne Seele« bringt den An- mntssanbar sur höchsten EntEaltung; wie sie frei und mit Leichtigkeit die peinlichsten Pflichten llbt, so frst und gefOgig sind auch die 6e- wegongen, mit denen sie ihre Antriebe bekundet. Eine »schöne Seele« gießt selbst über eine mangelhafte architektonische Bildung einen unwider- stehlichen Reiz aus. Ja, socrar über Gebrechen der Natur sieht man sie triumpiiieren. Die Person, oder das freie Prinzipium, nimmt es dabei auf sich, das Spiel der Erscheinungen sa bestittunen. Der ionete Mensch Ter-

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UitinhiBgsii

Sufierfioht sieh io der LeibÜGlürait, womit weiter die Zusammen^BhOngkeit

des grcistigen nod leiblichen ElementB dokumentiert ist. Von diesem aus erklärt sich Schillers Äußerung: daB >Schuiiheit eine Pflirlit dor Er- soheinunf^« sei. Mit der Aufliebung des Gleichmaßes, der Harmonie der beiden Natnren, ist für Schiller auch die Schönheit aufgehoben. Der Be- griff der Harmonie hat bei ihm eine sehr viel vertieftere Bedeutung ge- wonnen als bei den Grieehen, da er nicht die naiv ftoJem Verhaltnisse, sondern den anthropologisdi spekulativen Ausgleich der beiden Kräfte be- greift. Die Würde ist deshalb des Schönhoitszaubers beraubt, weil in ihr das substanzielle Gleichmaß gestört ist. Sobald die Anmut in Würde über- geht — und dies ist der Fall, wenn sie einen Affekt mit der Kraft der Vernunft bemeistert verliert sie, trotz höhei"er Dignität, das Schöne. Bei der Wüide» welche eine erhabene Gesinnung in aioh achliafit, tiitt eine Venchiebung zu Gunsten der Vernunft ein. Die Qeeetigebung der Vernunft kann mit der Gesetzgebung der Natnr in Widerstreit geraten, wenn der Trieb eine Forderung erhebt, welche die Maxime der Vernunft von sich weisen muß. Daraus folgt das strenge Gemüt der Würde. Das harmonische Zusammenfließen ist Wohllaut, ist herzbezwingender Zauber, die strenge Blajefitftt einer Juno aber entbehrt des Gflrtels der Anmut

Wie bei der Würde so besteht such bei den Phftnomeoen des XUubenen nnd des Pathetischen ein Vorwiegen des Vemunftprinzips. Wenn sie aber trotz verminderten sinnlichen Gehalts dennoch ästho- ti55che Stimmungen erzielen, so ist es hier die Gewalt eines ethiselion Eindrucks, der ästhetisch ausklingt, weil er in Lust und nicht in Pflicht übergeht. Beim Erhabenen stehen zwei Mächte einander gegen- über, — das Objekt und das Gefühl wobei die sweite, neben dem Bewußtsein, dafi sie dar ersten unterliegen müßte, sich doch über dieselbe erhebt. Als Giordano Bruno angesichts des Scheiterhaufens sagte: »Ihr fürchtet euch mehr, daß ihr das Urteil über mich verhängt, als ich es zu erleiden« so hatte er eine göttliche Erliabenheit gezeigt Das Erhabene liegt nicht im objektiven Gegenstand, sondern es liegt aus- schliefilich im Gefühl Es erweitert die Gefühlssphlre über die Sinnen- welt hinaus und ist dadurch tou stürkerer Wirkung als das SohOne. Dieses macht sich um den Menschen verdient, >das Erhabene aber um den Dämon in ihm<. Das Schöne übt durch die Zusammenstimmung von Sinnlichkeit und Vernunft Reiz auf uns, aber durch die Schönheit würden wir nie erfahren, daß wir uns auch als reine Intelligenz bewähren können. Beim Erhabenen stimmen Sinnlichkeit und Vernunft nicht zusammen, und eben darin liegt die Macht, womit es unser Gemüt ergreift Denn daft hier gerade der physische Mensdi TOm moraliBohen Menschen geschieden ist, und daß trerade durch das, was den erstem niederwirft, der zweite seine Kraft betätigt, das ist eben, was ihn erhebt. Der Mensch fühlt sich auch der ganzen grandiosen Machtfülle des Kosmos gegenüber erhaben, sobald er zwischen verheerenden Elementen in resignierter Freiheit vor- harrt Nach dem allen whrd im eriiabenen Zustand ein h(ttieres Mafi von Freiheit entbunden als im fistfaetisohen. Dooh ist die IVeiheit in diesem letstem heiterer Art, es ist ein amgeglichenes, boooligendee Emporachw^ben,

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1. Der Begriff der Harmonie bei Schiller

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bei dem der Erdendruck sinkt und sinkt. Das Freiheitsgefflhl in der er- habenen Stimmung ist von einem tiefernsten Kolorit; man erkonot das Yeniichtende der gegenfibentoheiidea MMdit, Ist sich klar bewuBt, ihr nicht bokommea za können, und wichst in seiner inneni Mensohlieit hoher und hoher über Welt, Verhältnisse und Leben hinsot.

Im Pathetischen, dem dritten Phänomen mit vorwiegender Yernunft- herrschaft, erweist sich die moralische Kraft anders, nämlich nicht durch passive und entsagende Gesianungshöhe, sondern durch Widerstand gegen die finsfeera Gewalt des Leideoa. Dm Lddeo, welches in Znstand des Pathos Teisetst, ist ansschliefilioh seeliacfaer Art ünd der pathetische Znstand ist für die Kunst von sehr viel höherer Wichtigkeit als die beiden frühern, denn das Pathos des Leidens ist der eigentliche Nerv dor tragi- sdien Kunst Er ist es auch, der das Mitleid, das sympathische Mitfülilen, diesen großen dramatischen Motsor über dessen ethische Bedeutung soviel geschrieben und gedeutet wurde erweckt üm aber der Kunstanfmde- mng an genügen, mnA die ans dem Übersinnlichen gesdiOpfte Eraft des Widerstandes gegen das Leiden versinnlicht werden. Die Darstellung des Leidens, ohne Darstellung des fibersinnlichen Widerstandes ist gemein. Das Pathos des Leidens veranschaulicht daher sowohl die Marter, die an jeder Faser nagt, als auch die Macht des Übersinnlichen, dieses ewigen Jungbrunnens, der die Wunden des Lebens heilt, indem er die Kraft ver- leiht es sn überwinden. In dem im Leidenspathos mit dem Übersinn- Udien Getränkten wird das Wort lebendig: >lfein Reich ist nicht von dieser Welte, ünd dieser Glorienschein, der sich auf ihm niedersenkt, bildet seine ethische Schönheit, Die dramatische Dichtung ist speziell das Kunstgebiet, bei dem die ethische Schönheit also die Schönheit die nicht heitere Harmonie, sondern didaktische Läuterung ist Bedingung nnd Zweck ist, da dieses Eonstgebiet eine Sesierung des inneni Lebens ist

Bis ethisiphe Schönheit, das Ealli- Agathon, bildet bei diesen yw~ echiedenen und zugleich homogenen Kategorien eine aussteigende Reihe: Die Wünle betont die ernste Strenge der Persönlichkeit gegenüber den Angriffen der materiellen Faktoren; das Erhabene zeigt die Person auf einer noch hohem Stufe der Freiheit, denn sie wäclist im erhabenen Zu- stand Uber die Naturgewalten, die sie nicht einschränken und nicht ab- wehren kann, hinaus nnd erweist den DamOn, den individnellen Omndkem des Menschheitlichen; im Pathetischen eiitsiig^ die Barson, mit schwer ge- troffener Seele, allem Irdischen, allen Verheißungen und allen Bedi-äng- nissen der Wirklichkeit, und gelangt zur transzendentalen Heiligung. Das Pathetische ist zumeist von tiefer elegischer Weise durchzitiert. In den swei Aufsätzen über tragische Kunst wendet sich Schiller, mit dem Kriterinm der Zweckmäßigkeit, der Anbahnung seines tdedlcgisch eudlmo- nistischen Scbicksalsbegriffs au, in dem wieder alle wirren Geschehnisse sich in harmonischen Einklang auflösen. Die tragische Kunst aktualisiert in einer Reihe von Begebenheiten den Kampf der geistigen Natur mit den sie bedrängenden sinnlichen Hemmungen un'l pliysikaiisehen Nutwcndig- keiten. Zu den erstem gehören die Triebe, Aifokte usw. Dab Mächtigste der zweiten ist der Tod. Den tiieoretisch logischen Kern den Schill«

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ICttoflnogm

ans diesem Kampf erweist, ist die moralische Zweckmäßigkeit. Jede Hemmuug tendiert darauf, die ilir gegenüberstehende Vernuultkiuft zu binden, diese waA daher ihie Eneigie sur Gegenwehr steigern. Du durch das Zweckwidrige Terankfite Leiden bewirkt das Eingrmfeo des moralisoh Zweckmäßigen, welches sich als Weltordnung behauptet Aus diesem Prozeß entsprin^l die Lust am Tmgischen. Im Sioc: des Zweckmäüipren muß das moralisch Mindei wertige dem moralisch Überlegenen unterliegen. Das Weltgericht trifft Zuchtwahl. Die Träger aber der im Kampf be- giiffeuea Prinzipien gehen unter, weil sich jedes Prinzip als xa eng ei^ weist, um das ganse Konvolut dier Lebensanlorderangen m decken. Doch die moralisohe Zweokmäfii^eit Ueibt als BegolatiT des Widtgesdhehens fortbestehen.

Schiller heg^e eine teleologisch eudämouistische Weltanschauung, die ^erseits dann lag, daß die Idee der Innern Freiheit für ihn in Blut und Leben überging; die Philosophie war für ihn nicht eine abstrakte Theorie, sondern sie venohmok mit seinem Sein. AndrerseitB wird es ihm wahrschdnlich anoh nicht so schwer gewesen sein mit seiner wunderbar reichen Phantasie über das Leidensgewirr der Erde in blauen Zenit emporzuscbweben. Seine Ansicht vom Weltgericht ist die eines die Universalität umfassenden Harmonie- Akkords. Je mehr man sich aus der Beengung des Weltterrains heraus- hebt, je höher man aufsteigt, je mehr der Gesichtskreis sich ausbreitet, nm so radikaler verlflsdien in der seit- und aferlosoB Flut die Oegensltze Ton Glfid[ und Jmnmer, von Hüerfolg te Yerdieoslies und ErhU&ung Unwflidigeri und alle diese ünbill, die Hamlet so bitter scharf an&Shlt und eine harmonische Einheitlichkeit luht über das Weltpanorama.

Das ist wohl die Anschauung eines Dichters, der lM?i Zeus im Olymp ätzt und dabei die tausendfachen Geißel, die blutig und brennend das Leben lerfleiBoheQ, «os dem Auge verlor.

Zwei Stellen bei Schiller bieten eme auareiobende Erkttrong über die Prämissen, aus denen sich bei ihm diese Anschauung gestaltete; in der einen, die eine Outheißung des Bösen zum Zwecke der Auslese des Guten ist, sagt er: daß der Sündenfall, >der das moralische Übel in der Schöpfung brachte, aber nur um das moralische Gute darin möglich zu machen,« sei ohne Widerstreit »die glücklichste und größte Begebenheit in der Menscbengeschiditec.^) Die sweite Stelle befindet sich in einem Brief an Karoline v. Beulwitz. Schiller schreibt ihr, dafi er eane äußere und innere Wahrheit der historischen Auffassung anerkenne. Bei der äußern Walirhcit, die sich das Gegebene in treuer Empirie aneignet, muß naturgemäß die Erforschimg des Einzelnen vorwiegen. Die innere Wahrheit geht bei der Erforschung nach dem allgemeineu und dem ideollen Prinzip der kansalen GesetsmäUgkeit und humonisohen Durohdringtmg

*) Etwas ttber die eiste UensoheDgeedböhaft naxlk dem Leitfaden der mosai' sohen Ürkunde. In ähnlicher Weise äußerte sich übrigen.s auch Shaftesbnry,

mit dem sich Schiller in seiner vorkautischon Zeit viol hoscliäfti^to: er sa^rtt»: »Dient das Übel eines besoudem Systems zum Besten eines andern, so ist es kein absolutes ÜbeLc

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1. Der 6^;riff der Harmonie bei Schiller

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der verscliie<lenen Momente, und ist das Ideal, dem alle wirkliche Forsohuog sich nur aanähera kann.

In der ümeni Wahilieit also und in der Opemtioa mit der Allgemein- heit, wandelten Bioh fOr SohiUer die kreischenden WetttOne in eine, die Divecgenflen »naammeneohmeibende Harmonie nm.

me die antithetische Schrift »Aber Anmnt nnd WOidec den Grund- stock von SchiUers ethischer Theorie enthilt, von dem Ataeenker in seinen

andern Abhandlungen verteilt sind, so biigt seine fweite antithetische Arbeit, die tüber naive und scntimentalische Dichtunf^', den Kerngehalt seiner kulturasthetischoii Botrriffo. Die beiden Gebiete, das ethische und ästhetische Gebiet, greifen in Schillers Geisteswelt so stark ineinander, daß sie eine Gestalt mit zweiiachem Jauuskopf sind, da beide einem und demselben autonomen Prinrip^ dem Prinzip der Freiheit entstsrnmeo. Die von Kant eingeeetste ethische Antonomie, »das bestimme doch ans dir selbet«, das den Menschen zum Machthaber seiner sittlidieo Verantwortung erhebt, hat Schiller nicht nnr adoptiert, aber auch zum Erklärungsgrund des Schönen erweitert. Schönheit ist Freiheit in der Erscheinunfir. D. h. im sdiünen Objekt stimmen die Teile so harmonisch zu beiueiu Typai», daß ihm autonome Bestimmung suppooieit werden kann. In diesem Er- USrungsgnrad dimmert etwas vom Maßverhiltnis der Griechen sa !• neu Schiller ja eine so starke Affinität besaß herein. Schön ist der Gegenstand in dem sich die Teile zur Darstelluns:: seiner Idee einen. Und diese Cbereinstimnmng gibt den Ausdruck der Freiheit in der Erscheinung. Im Grunde ist Freiheit in der Erscheinung nichts anderes als Harmonie der manoigfechen Teile in der Darstellung einer Idee. Kann dies aber Kosk nur als &iterium des SchOnen gelten? EOnnen die Teüe eines Olijekts schlechterdings nur zum Ausdruck des tetiietiseh Edlen zusammen stimmen? Mit nichten I Mit derselben Berechtigung, mit der Schiller auch in dem Gegensatz des Ethischen, in dem absolut Bösen, Kraft und Freiheit kon- statif^rt ()>ni»er das Pathetische« ), mit derselben Berichtigung läßt sich auch deiu Extreme des Schönen, dem volikommeu Hälilicheu, Freiheit der Er- scheinimg zuerkennen. Bei diesem waltet such dne autonome Auslasse der EinaebzQge sum Artcharakter des Widerlichen. Diese Autonomie hat Plato schon in seiner Ideenlehre antizipiert, und es liegt eine eindring- hche Konsequenz darin, daß er dem vollkommenen Plxemplar einer häß- lichen Idee auch Schönheit vindiziert. In diesem Sinne hat das voll- kommene Abbild der Idee, Kröte, auch auf das Öchönseiu Anspruch.

Allein nicht in der Abhandlung über nsive und sentimentalisöbe Dichtung Inetet Schiller seine kunstphilosophisolien Theorien; ihnlich wie j ! "iVer Anmut und Würde kein Kriterium der Moral, keine Bestimmung über den Inhalt des Sittentresetzes selbst gibt, sondern die Art und Weise darlegt, wie sittliches Handeln zu erreichen sei: entw'e<ler durch sieg- reiches Vorwalten der Vernunft oder durch Harmonie derselben mit der sinnlichen ^Neigung ähnlich verfährt er in der erstem Schrift mit dem

XL Die Aatlietik

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ICttefliingen

ästhetischen Problem. Nicht die Maximen seiner Begründung der philo« sophischen Ästhetik setzt er in dieser Schrift auseinander das moht > soodero er sdiildort in ihr den pB3^ologi86hQn und kaltareUea üntersohied

der naiven und sentimentaliachen Kunstrichtung. Und der analytische Fein- sinn, die Tiefe der Betrachtung, die Kraft der spekulativen Kombination, wie der Schwung des Gefühls gestalten diese Arbeit zu einer Be- geisterutigs- und Belehningsquelle von unvergänglichem Werte.

Die Naivität ist eine Kindlichkeit, wo man sie nicht mehr erwartet Die oaiTen Objekte rind mm inr wann und vae irir ivieder weiden sollen. »Wir waren Natur wie sie, und nnsere Eultor soll uns anf dem Wege der Vernunft and der Frciheit zur Natur zurückführen« eia brtierrschender LdebUngsgedanke in Schillers Geistes weit. Die Dichter sind überall Bewahrer der Natur, entweder werden sie Natur sein oder ilie verlorene Natur suchen; im erstem Fall sind sie »naive, im andern »sentimentalisohc. Die Vendiiedenheit dieser Dicfatongsart ist im wesent- liöhen mit den Entividklmigsstadien der Henscfaheit verknflpft Die Auf- gabe der Poesie ist die, 3>der Menschheit den möglichst voUst&ndigen Aus- druck zu gel)en.« Im Zustand der Natur, wo der Mensch mit allen seinen Kräften als harmonii^clie Einheit wirkt und das Ganze seiner Wesenheit sich in der Wirklichkeit vollständig auslebt, ist die Nachahmung der Natur die Aufgabe seiner Kunst Im Zustand der Kultur aber, wo das harmonisolie Zusammenwirken des Wesens bloB eine Idee ist, da liegt die AnJgabe in der Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal, oder was dasselbe ist, in der Darstellung der Idee. ^Die Natur macht den Menschen mit sich eins, die Kunst trennt und entzweit ihn.« Durch das Ideal aber kehrt er zur Ein- heit zurück d. h. zum inneren Schauen eines Verhältnisses, das die Wirk- lichkeit nicht erreicht Der naive Dichter hat vor dem sentimentalischen. die sinnliche BeaätBt Toxans, doch ist diese als WirUidikeit besohritokt Der sentimentalisohe hingegen hat vor jenem dm unendlichen Oehalt voraus. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden besteht darin: daß die lebendige Empfänglichkeit beim naiven, doch der innere Gehalt, das unbedingte freie Ideenvermügen , beim scntimetitalischen Dichter verwaltet. Mit der ent- wickelteren sinnlichen Empüinglichkeit des naiven Dichters, liängt seine UShere Meistenohaft der FonnschOnheit zusammen. Hinwieder überragt ihn die geistige Gvaftheit und innere Vertiefung des seotimentalisohen. Bei bdden Autogonisten vermindern sich jedoch die Artcharaktere, je mehr sie sich dem künstlerisch vollendeten, dem poetisch Höchsten nähern. Das Ideal der Dichtung aber ist, daß jede den Vorzug der anderen Art erreiche; daü sich also der sentimentalisohe Dichter die schönere Form iles naiven aneigne, und dieser den tieferen Gebalt des sentimentalischen. Ein bedeutender Gehalt in sohOner Fenn gegossen ist das Ideal aller Diditoog. Cnd dieses dem Begreifen so nahe liegende Ideal, hat bei Schiller noch eine tiefere und umfassendere Bedeutung, denn es involviort die von diesem Dichterphilosophen für alle alle ausgereiften Verhillttiis.se, für alle höhere Zustände der Menschheit geforderte Harmouie vuu Sinnlichkeit und Ver- nunft Die vollendete Dichtimg, die der Fordeiung entspricht, das Ganze •der Menschheit zum Ausdruck zu bringen, wird sohin durch den

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1. Der Beghif der Harmonie bei Schiller

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harmonischen Ausgleich der sinnlichen EmpfindnnsrsfShigkeit mit der geistigen Selbsttätigkeit, durch die luirmouische Eioiguag der sinnlichen Gerichtsbarkeit mit der übersinnhcheo erreicht

Das hannonieohe ZiuammeimtmuDeii der lUrtoreo Itann sowobl io Ueinen Umkraseii darchgeffihrt weideD als es auch das evolutioDiBtiache Ziel des großen generellen Wettgewcges ist Es kann wenigstens als flüchtiges Intermezzo kurze Phasen des individuellen Lebens ver- schönem, und die Dissonanz der sich durchkreuzcndeu und befehdenden Interessen auflösen. So besteht die Erholung vom Frondienst des realen ISigeverks darin, daft die heraoBgetretenen und angespannten Kiftfte ent- lastet, die latenten in Aktion getnacbt irerden. Doch soll es niclit Bnhe und nicht Arbeit sein, sondern alle Kfäfte sollen in sanftem Flnfi geleitet werden. Das Ideal der Eriiolung ist »Wiederherstellung unseres Natur- ganzen nach einseiticren S|\innungen« ; ilio Vereinigung unserer Natur- kräfte nach Vereinzelung derselben. Erholung ist iüso ein Zustand harmoniBcben Gleichmaßes. Schiller fordert, daß die Poesie sowohl Er- hoinng als yeredlung fnete, er beklagte es aber, daft die Qnnst der Ijese- weh sich zu sehr den leeren und glatten Produkten zuwende. Andrer- seits erfordert der Genuß des Schönen eine so volle Empfänglichkeit der sinnliehen und vernunftgemäßen Gerichtsbarkeit, wie sie nach einer ein- seitigen Aiispannvmg nicht zw erwarten ist; es müßte daher innerhalb des rein Menschiicheu für jeden einzelnen fall die Erhohmg augepaßt werden.

YoD welch nngkdch höherer und weittragender Bedeatong ist die hannoniaobe Einigong als Endziel der uotvenellen Bewegung, als Anslfinfer des allgemeinen Xultmgsngs der Menschheit zu erstreben! Sie ist die Er- füllung alloi Bestrebungen in einem jeden Verhältnis, und vollends für die große Aligemeinheit ist sie das Ideal und der Traum einer sozialistischen Organisation. Allein, um iu Uannonie einzumünden, muß die fortschreitende Bcrwegung der Kultur zugleich eine rOdmohreitende, der evolutionistisGhe Qang sngleich ein retrospektiver werdra; denn als Ideal dner sozial- philoeophischen OrganisKtiiMl steht mit unerschütterlicher Eonse^non/ iu Schillers Bewußtsein dip Rflckkehr zur Natur. Die Ideen der Rückkehr zur Natur, nach der Wandenuig durch die aufgeregten und treibenden Wogen der Kultur, spncht er iu verschiedenen seiner philosophischen Ge- dichte aus, Bo schon im ersten derselben, im Gedicht »die EQnsÜer«:

»IGt eudi des FrtUdinga erster Fflanze

Beginn die seelenbildende Natur;

Mit euch, dem froud'gen Erntckranae

Schließt die vollendete Natur.«

Das Nähere, wie sich Schiller nach dem segensreichen Vorbilde Hellas die Rückkehr zur Natur und damit den Ausgleich zu einer generellen Haimonie denkt, setzt er in einer Reihe seiner Briefe »Aber ästhetische ErziehuDgc (vom 6. 15.) » diesem hflchsten nnd tiefsinnigsten Dokument seines philosophischen Denkens auseinander. In der griechischen Zeit, in der einfache Natur mit feinster Bildung vereinigt war, hatten »die Sinne und der Geist noch kein strenp: goscliiedenes Eigentum«. Erst das be- stimmtere Denken durch das Fortächreiten der Wissenschaft einerseits, und

Ztaischnit (ur Philosophie tuid Ptt4la^tigilf. 12. Jahrgang. 4

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ÖO

Mitteilongea

tdas verwickelte Urwerk der Staaten, welches eine strengere Absonderung von Ständen und Geschäften notwendig macht, zerreißt auch den inneren Bund der Natur«. Hiermit erfährt die alte Erfahrung eine Bestätigung, dafi Differenziening und Antogonismus die Vehikel der Kiittor sind. Die Griechen konnten die TotalitSt ihiee Wesens, d. h. die volle Answirknng ihrer sinnlichen imd geistigen KrAfle leicht behaupten, weil das Maadmnm ihrer BiUlnng ein relativ geringes war. Doch überragende Leistungen, wie die der Kritik der reinen Vernunft, konnte nur durcii Ycreinzelung der Yernuiifikraft erreicht weixien. Wohl kann die Anspannung einzelner Geisteskräfte außerordentliche, aber nur die gleichmäßige Temperatur der- selben kann glückliche und yoUkommeoe Meneohen eneogen. Es steht hei uns »die TotalitU unserer Natorc auf einer ausgereifteren und höheren Analogie zam Griechentum wieder herzustellen. Und die Potenz durch welche dies zu erreichen ist (wie bereits in Anmut und Würde dargetan), ist das Schone. Die Kunst bildet und erweckt die Natur. Der Kfinstler soll der "Welt die Richtung zum Guten geben, so wird der lubige lüiytliiuus der Zeit die EntwicUvng bringen. Und -welches -wlre das psychologisch didaktische Teriahien zu düeeem BildungBiesnltat ? Das wite wie es ans den leitenden Gedanken in Schillers üben^^ältigender Qdsteswelt vor- zusehen war die beiden Naturen des Mensehen: die vernunftgemäße, oder den Formtrieb und die sinnliche, oder den Stofftrieb, zu gleich- berechtigten Teilen in ihm auszubilden. Jedem dieser Triebe soll die Oienze gesichert werden; sie sollte vcr Yemiming gesdifltat sein. Nicht nur Übetgteilen der Sinnliohkett bringt Nachteil, aber anch das Übergreifen der Yemunftkraft ist zu mißbilligen, weil es das Gefühl unterdrückt. einer richtigen Wechselwirkung wird der Mensch dem Bewußtsein seiner Persönlichkeit als absolute Existenz und seines Zustandes als Existenz in der Zeit gerecht werden. Solche Fälle müßten zu einem dritten ver- mittelnden Trieb führen, in wachem die beiden vorigen au%ehoben und eine höhere Einhat der Mensohennatur ersielt wflieu Dieser Trieb ist der Spieltrieb, dem ea eignet das Oemflt beim Anschaoen des SchOnen in eine glückliche Mitte von Otesetz und Bedürfnis zu versetzen. Auf dieser Höhe wird die sozialphilosophische Aufgabe der Kidtur an ihrem Endziel an- gelangt sein, und das Menschentum wird zu dieser vollendeten und beseligen- den Harmonie seinem sinnlichen und übersinnlichen Teils entwickelt sein, Aber die hinaas die irdischen Kiftfta nicht weiter reichen.

Yon der knlturphilosophischen Stellung des Hensdien fOhrt dar Weg zum korporativen Institut desselben, zum Staate. Auch vom Ideal eines Staates verlangt Schiller Totalität der Kräfte identisch mit üarmonie. Die volle Übereinstimmung der ganzen Natur mit der Vernunft würde Fälle von Widcrsprucii einzelner gegen das Gesetz nicht aufkommen lassen, lüt Recht bemerkt himii Tomasohek in sdner Pkeisschrift, daB dann die Institution des Staates minOtig wflre, es vftre dann der Zweck aller Regierung: die Regienmg überflüssig zu machen, erfüllt.

So treten aus Schillere reicher und umfassender Oeisteswelt einige wenige Begriffe als Grundlage aller Phänomene hervor, wodurcli sich eine Affinität, eine verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit derselben ergibt

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2. Die fieetiiniiniDgen öbei Immatnknktkui nnd Pkomotkni Tmimtafar «nr. 51

Der Begriff der Freiheit als Bedingung und der der harmonischen Y«^ eimgnng von Sinnlichkeit und Vernunft als Strebeziel aller Erscheinungen^ Bekundet die Ableitung der verschiedenen Gebilde aus denselben Prinzipien, die Schärfe und KombinatioDski^t, so offenbaii; die Unterscheidung und Belaoolitang der eii»eln«D Orappen in jedem Distrikt, die analytische Tiefe- und wnnderiMie feinfOhligkeit diflsee Diehteiphilosophen.

8. Die Beetünmnngen über Immatrlknlation imd Pro» motion Immatnrer an den deatsohen Universitäten

Aof Grand amthcher Quellen zosamraengestellt von Karl Mnt h es iuü- Weimar

Zur Erlangung des vollen akademischen RürgoiTochts ist an allen deutschen Universitäten die durch den Besitz des Reifezeugnisses einer neun klassigen höheren Lehranstalt nachzuweisende Maturität Voraus- setzung. Daneben enthalten aber die Immatrikulations-Ordnungen sämtlicher deotBcher ünivefsititea Bestimmnngen, nach denen «odi adldie, die niolit im Besitz eines Reifezeugmsses sind, in der philosophischen Fakultät immatrikuliert werden können. Diese Bestimmungen sind fQr Volks- Schullehrer, die sich an der Universität wissenschaftlich weiterbilden wollen, von Wichtigkeit, da sie ihnen unter Umständen die Möglichkeit gewährcn, als ordentliche Studierende nicht nur als Hörer bei der philo- sophifloheo Fakoltit anfgenommen zu werden. Bekannflioli sind das KOnig^ reidi Sachsen, das GmBhenogtom Sachsen nnd das Oroihsnogtnm Heesen bis jetzt die dnagen Bundesstaaten, die Volksschallehrer unter gewissen Bedingungen zu einem geregelten akademischen Studium mit abschließender Prüfunt^ zulassen. In den übrigen Staaten erwächst immatrikulierten Volks- schullehrem aus der Aufnahme in die philosophische Fakultät keinerlei Anspruch auf kfinftige Zolassong zu einer afcndemisnhen oder höheren Amtsprllfnng. Wer aber ohne BflokBioiht anf SnBeren Erfolg seinem Drange nadi wissenschaftlicher Fortbildung Genüge tun will, findet dazn auf einer ganzen Anzahl deutscher Universitäten Oclcgenlinit. Es ist auch die Möglichkeit nicht ganz ansf^oschlossen , daß er auf Onmd hervorragender wifiseoschaftlicher Leistungen die Doktorpromotion erlangen kann.

Vielfach an mich gerichtete Anfragen lassen darauf schließen, daß inr weiteren Kieiaeo der Lehrer diese Bestimmungen unbekannt sind. Es- dQifte darum am Flatie sein, sie einmal ttbersiobtlioh luaammeosnsteUen*.

I PreoIlBen

1. Vorschriften für die Studierenden der Landesuniversi- täten vom 1. Oktober 1879. (Zentralblatt der Unterrichtsverwaltung- 1879, S. 520 ff.) Die hier in Fiuge kommenden Bestimmungen sind durok MiD.-ErL vom 7. Febmar 1894 abgeändert (Zentndblatt 1894, & 345 1> und Uralten in der neuen Fassung:

3. Mit besonderer Erlaubnis der ImmatrikoIatioiiB-Koinmissioa können An— gdi&rige des deatsohen BeidMS, welche ein BeüMeagiiiB aioht erwoiben, jedoolk.

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ICttflOnngMi

wenigstens dasjenige Maß der Schulbildung erreicht haben, welches für die Er- langung der Berechtigung zum einjährig -freiwilligen Dienst voigeschrieben ist, auf viflr SeneBter iniiDttiäiiliest und bei der philoao^iisolien Fikalttt eingetrageii mieii. Die Inmilrikdittim-EoiBaiiHioii ist ezndohtigt, naoh AUeof ^Bmu vier Semeetar die Yeriängenuig des Studiums um zwei Semester aüs besonderen Gründen zu ge> statten. Eine weitere Terlingerong ist nur mit Oenehmiguag dee Kantors (Kun- toriums) zulässig.c

Zu berücksichtigen ist femer $ 5 Abs. 1 der Yorschnften vom 1. Oktober 1879:

»Ale Stedieieiide dürfen nioht nligeiKniUDeii werden: Beiehs-, Btsats-, G«-

mtinde- oder Eircbenbeamte.c *)

Nach dem Wortlaut des angegebenen § 3 liegt die Entscheidung über GesTicho um Immatrikulation in der Hand der Immatrikiilations-Komraission. Die Verwaltungs[iraxis ist an den einzelnen Universitäten verschieden. Die Anfrage, ob das Abgangszeugnis von einem Yolksscbullelu-eräemiuar, mit dem die Bereohtigung zum einjihrig-freiwilligen Dienst verbanden ist, im Sinne des § 3 der Vorsohriften für die Stndieienden vom 1. Oktober 1879 als Nachweis »einer für die Anhörung von Universitäts- Vorlesungen nügenden Bildung«*) erachtet werde, beantworten die Universitäten Königs- berg, Kiel, Bonn, Qöttingen mit ja, Breslau und Halle mit nein, Berlin, Oreiibwald und Marburg treffen die Entscheidung von Fall zu Fall

3. Was die Promotions-OidDUDgen der philosophischen Faknltfttea in den pcenAischen ümTeisi4lte& betrifft, so sdiweben gegemvMg Ver- handlungen wegen deren Umarbeitung. Bisher waren Reifezeugnis einer neunstufigen höheren Lehranstalt und wenigstens dreijähriges ununter- brochenes Universitätsstudium Bedingung zur Promotion. Nach einem Min.- ErL vom 30. Juli 1902 kann ausnahmsweise das Reifezeugnis ersetzt werden

»dnieh die ESmeiehnng einer als hervorragende Leistung ansusehenden

Dissertation; die Zulassung darf in diesem letzteren Falle nur anf einstimmigen Beschluß der Fakiüttt und unter QutfaeiBung des Tor-

geordneten Ministeriums erfolgen«.

Die Fälle, in denen auf Grund dieser Verordnung die ausnahmsweise Zulassung zur Promotion bewilligt worden ist, sind überaus selten und werden es jedenfalls such in Zukunft bleiben.

n Bsyeni

1. Satzungen fflr die Studierenden an den EgL bayerisohen

üniTersitäten vom 23. Februar 1891:

Ȥ & Afldeiea Stqdieieiiden ohne Oyrnnsmalrflifetengnia wird nur snimshms-

1) Demnach sohlieAt aooh das UriaabsTeihültnis die Möglichkeit der Xmmatzi- kulation aas.

^ Diese Wendimg enödsit f 8 in der IVMang vom 1. Oktober 1870.

Ö In § 7 ist TOB Bolohen Stndterandea ohne Gymnasial reifezeugnis die Bede* >\velcho verordnungsmäßig bestimmte ümTenitilBStDdiai behob ZoIasBong snr Schlofiprüfang naohzaweisen haben«.

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2. Die Bestmunungen über Immatrikulation und Promotion Immaturer usw.

mSa» mit mioistorielleT Genehmignag die kleine Matrikel vexliehen und zwar Deutschen nur dann, wenn sie sich wenigstens über den Besitz der an einer Lehranstalt mit obligatorischem Unterricht im lateinischen erlanf^t<>u wissenschaftlichen Befähigung zum einjährig -freiwilligen Militärdienst ausweisen.

Stiidietende mit soldier Mitilkfll werden iiiir bei der philosopliisolien lUniUit md zwar TefBbDiffig irar bei der mtamtansdiafüidien SektUm defselben ein* geedirieben.«

In Fracke kommt ferner § 10, in dem unter Persönlichkeiten, welche nicht in der Lage sind, sich immatrikulieren zu hissen'- aufgezählt werden:. »Angestellte im Staats-, Kirchen- oder Gemeindedieüste.»

Die Worte »mit obligatorischem Uoterricbt im LateinischeDc schließen die YoUraediiülehrer Bayerns und der meisten anderan Bondeestaaten von der M Ogtichkeit der Imiiistrikiilation ans. Nur sftohsisohe VoiksschnUduer

hfttten nach don Wortiaut der Bestimmungen Aussicht, daA ilir Gesnoh

um Zulassung zur Immatrikulation genehmigt werden könnte.

2. Die Proraotions-Orclnung der philosophischen Fakidtäten ist durch 3Iin.-ErI. vom 9. Februar 1903 (mit Wirkung vom 1. April 1903) ▼erscbärft worden. Nach § 1 hat der Bewerber einzureichen:

*oy Bas Beifeseognis einer denteehen nemistafigen höheren Lehnn8talt...Aiis-^ oahmsweise kaon von dieser Forderung durch einstimmigen, lfm dem TOigeeeisteik Ministerium gut zu heißenden Sektinnsbe.schluß abgesehen werden, wenn die mit dem Gesuche eingereichte Abhandlun>,' eine liervorr%'endo Leistung darstellt

d) Zeugnisse über ein miudesteus dreijuhrigos Uuiversitatsstudium . .

Die philosophische Fakultät zu Würzburg erläßt zur Ausführung dieser Bestimmungen, da »viele Studierende mit an sich nicht ans- leidieiider Yorbilduog aogefavgt haben, unter trelcheii Bedingungen sie Aimsicht bitten, zur FromoCion sugekssra zu werden«, folgende Bekannt maohuDg:

»Ein Thema für eine Doktordissertation kann an solche Kandidaten, die eine in ihrer Art abgeschlossene Vorbildung, aber nicht das Reifezeugnis einer hüiieren neunklassigen Lehranstalt besitzen, nur erteilt werden, wenn sie vorher eine Prüfung im Eanpttedi mit der Note eehr gut bestanden haben. Diese Prttf ong wiid rom Ordinarius des Hauptfaches mit oder ohne Zuziehung von andern Dozenten ab- gehalten. Eiu darauf bezügliches Zeugnis ist dem Gesuch um Zulassung beizulegen.

Hat der Kandidat die Dissertation zur Zufriedenheit des Keferenten aus- geführt, so kann er zum Promotionsexamen unter den in der neuen Promotious- osdnong «nflgestellten Bedingnagm mgelaesen wezden.c

T7T Saoihseii

1. a) Immatrikulationsordnung fOr die Studierenden der Universität Leipzig vom 8. März 1903:

»§ 10. P\ir die Immatrikulation sächsischer Volksschullehrer als Studierender der Pädagogik gelten die Bestimmungen der Verordnung boti-offend die Zula.ssung von Volksschullehrem zum Besuche der Universität behufs der Erlangung einer hSheran BerubbUdnog vom 30. September 1808.t

12. Studierende zweiter Ordnung. Wer bloA ni seiner weiteren wissen- sohafUidMii Anshildung, ohne dis Absiohi, sieh dem Stsslsdieneta oder dem höherent

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Mitteaangen

8chulfache oder sonst einer wissensdiaftlichen Laufbahn zu widmen, einzelne Teile der Kanieral- oder Naturwissenschaften studieren will, kann zur Immatrilnilation zu^lassen werden, wenn er daa zum einjährig-freiwilligen ililitärdieoät berechtigende 3tnpdB besitst.«

»§ 18. Verheintete werdeo mM imnuMaiieit Der Diipeui tob dieser Be- stimmung steht dem Tfifay^fehen UiiiiBteiiiiin des Kottus und Uleiitliohea ünter-

liohts zu.«

Die Universität Leipzig steht also in dem in § 12 bezeichneten be- •adwftnkten Umfange nicht nur sächsischen, sondern auch auüersächsischeii ydbBsdhilUelizeni ofin.

b) Die in § 10 genannto VenjcdmiDg vom 30. September 1898 bat folgenden Wortloiit:

1. Lfhrern, welche zu ihrer höheren Ausbildung für den Lehrerboruf die üuivLTsität Lel\m'j )iesuch'jn Wullen, ohne dazu durch das Reifezeugnis eines Gymnasiums oder i)U.'(Ugyxniiusiums befähigt zu sein, soll dies auf drei hintereinander folgende Jahxe unter nedutehenden Bedingungen bis auf weiteree gestattet sein:

a) Dieselben müssen die in § 17 des Volksschulgesetzes vom 26. April 1873 "Torgeschriebene Walilfähigkeits- oder Amtsprüfnug bestanden und den durch § 9 Aha. 2 der Prüfungsordnung für Lehrer und Lehrorinueu an Volksschulen vom 1. November 1877 in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1890 für •die wiflsensehsfUiohe Haaptssasar bestimmten eisten Zensugrsd (vorzüglish I) •erlangt haben.

b) Diejenigen, welche diesen Zonsurgrad nur mit der Zwischenstufe Ib er- reicht haben, bedürfen noch der liesonderun Genehmigung dos uatorzeichnoten Ministeriums, die jedoch nur ausnalimsweise und in ganz besonders hierzu geeigneten nOen ertält werden wird. Bebnfi Bnlsebfielang über diese Genehmigung ist von •der ProfangakommiBSion alsbald nach 8chlu8 der Prüfung an das Ministerium unter eingehender Begründung darüber zu beriohten, ob und welche der mit dem Zensur« grade Ib bedachten Kandidaten nach Begabung, Fleiß und Kenntnissen zu der Er- wartung eines ersprießlichen akademischen Studiums berechtigen. Für den Fall ihrer Zulassung wiid ihnen ein besonderer Briaabnissohein ausgefertigt, welcher der laimaftrikQlatioDskommiBsion so^siah mit dem Gesoofae um Inskription vorzulegen ist

c) Sie müssen ein günstiges, von dem Ortsschulinspektor, beziehentlich Direktor (zu vergl. §§ 25 und 29 des Volksschulgesetzes vom 26. April 1873) ausgestelltes, von dem Bezirksschulinspektor bestätigtes Zeugnis über üir gesamtes Verhalten bei- jmhringen vermögen.

§ 2. Die som Besnehe der ünivenittt wgelaswsnen Lehrer hsbsn sieh am Schluß ihres akademischen Studiums zum Zwecke der Erlangung .der Kandidatur der Pädagogik für die Anstellung als wissenschafthcher T^ehrer an Realschulen, Seminarien und den diesen Anstalten in den Unterrichtszielen gleichstehenden öffentlichen oder privaten Lehranstalten der pädagogischen Prüfung nach Maßgabe dmr doroh Bekannt- snadrang vom 28. Januar 1888 verSffsntUditen Prüfungsordnung*) zu untandehen.

Die Bestimmung in § 4 Abs. 3 genannter Prüfungsordnung, nach welcher die zum Studium der Pädagogik an der Universität Leipzig ermächtigten inUindischen VolkRschullehrer schon nach einem zweijährigen akademischen Studium zur päda- gogischen Prüfung zugelassen werden, bleibt in Kraft

0 Die »Ordavig der pidi^qgisohen PrSteag an der UmveiBilit Leipslgc bat •dnroh IfinistBrialbekaantmaohung vom 8. September 1889 eine neue Oeetalt eibalten.

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2. Die Bestimmaogen über Immatriliulalion imd Frotnotion Immaturer usw. 55

§ 3. Der übeigaog zu einem Fakaltätsstudiam für Lehrer, welche, ohne Ttnber an emem Gymnasinm oder BMlgymnaaiiin die BiOeprüfuog bestanden zu babt», dia ünhanitit baaadian, iat nnanlMsaig.«

c) In llmlicher Weise wie Lehrern ist in Sachsen auch Lehrerinnen das Studium an der Universität Leipzig und die Ableguog der pftdagogisdieil PrtifuEg gestattet. Es kommt folgende Verordnung:

Die höhere wissenschaftliche Ausbildung der Yolksschul- lehrerinneo betreffend vom 12. Februar 1902 in Fi-age.

1. Lehzerinuen, welche zu ihrer höheren Ausbildung für den Lehreriunen- lianif die ünivenitft Leipsig beeocheii wollen ohne daa B^feseagnia einea Oymnaaimna

oder Realgymnasiums zu beahaen, aollen auf drei hintcreinandw fdgendo Jahre unter den in § 1 der Verordnung vom 30. September 1898 unter a— c für die in- ländischen VolksschullelirtT aufgestellten Bedingungen und vorbehaltlich der Oe- nehmignng der Dozenten bis auf weiteres berechtigt sein, an der Universität als flSrerinnen Fidagogik za atudieren nnd ca dieMm Zweoke aaob Zutritt sa den Seminaren zu erlangen.

§ 2. Die zum Studium der Pädagogik an der Universität Leipzig berechtigten Lohrerinnen werden am Sclilusso ihres akaiicmischen Studiums zum Zwock'e der Erlangung der Kandidatur der l'ädagogik zur pudagügischeu i'rufuug nach Maßgabe der dnroh Bekanntmadrang vom 8. S^itember 1899 TerOCfeDtiiehten PrQfiuigaoidnang angelassen.

Die Bestimmung in § 4 Abs. 3 genannter Pi-üfungsorduung wird auf die in- ländischen Volts.schullobri riiin'^'n mit der Maßgabe ausgtdf'hnt, daß dieselben erst nach einem dreijährigen akadeniischen Studmm zur pädagogischen l'j üiung zugelassen waideii.«

2. Den dmoh die YerordiraDg vom 30. September 1898 mm Studium sqgdasseDen sächsischen Lehrern ist durch die Promotionsordnuog der philosophischen Fakultät auch die Möglichkeit der Promotioil gewährt. In der Ausgabe Tom 15. Juli 1902 bestimmt § 6 dieaer

Ordnung:

»Von den in den § 4 und 5 gegebenen Vorschriften') über die Vorbildung aun akaderateohen Stadinm kann nor mit Genehmigung des KönigUohen Miniaterittma daa Enltns nnd affentlichaii üateniohta in Dieadao diapenaiert weiden. Diapena

iat nur zulässig, wenn

a) der Beworber mindestens die Reife für die Prima finer d<M- in $ 4 ge- nannten höheren Lehranstalten besitzt oder auf Grund der Ministerial - Verordnung Tom 30. September 1898 com Studiom der Fidagogik an der UniTexsitftt Leipzig tngelaaaiwi winden iat;

b) wenn femer ein Vertreter des Faches, welchem die Dissertation angehört, und der Vertreter eine.s anderen Faches auf Grund ihrer itfrsonlichen Kenntnis von den Stadien und von der Tüchtigkeit der bisherigen Leistungen des Bewerbers den formalen Mangel dordi eine aoluifffiohe Empfehlnng deoiuo; wenn ftberdiea

e) die eiagereiohte Diaaertation nach dem ürteU der beiden Referenten nnd

§ 4: »Yen den Bewerbern aoa dem Dentschen Reiche wird die Vorlegung des Reifezeugnisses einer deutschen nennstufigen Mittelschule (Gymna'sinm, Real- gymnasium, Oberrealsohnle), sowie der Nachweis des akademischen Trienniums auf UniTetät&ten dentsoher Zunge verlangt« § 5 redet von anslftndisohen Bewerbern.

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Ifittefliuigen

dem ( iDstimnugen Yotum dor lUcoltttasaktioii als eine hemnxagende Leistung an-

zusehen ist.

Aoßerdem muß in einem solchen Falle die mündliche Prüfung mindestens die Doxdiadinittszfliisiir II (magna oom lande) eingeben.

Kandidaten mit einer den VoTSohriften niolit entspredienden Vorblldnng, die

nicht mindestpns drei Semester iu Leip/.ig immatiilrolieit geweaen sind, veiden überhaupt nicht zur Bewerbung zugelassen, c

rv Württemberg

1 . Y o r 8 c h r i f t e n f il r d i e S t u d i e r e nd c n a n d e r K g I. W ü r t- tcmbergischen Universität Tübingen vom 2. Januar 1899 (mit WirkoDg vom 16. April 1899):

>$ 4. Als aoBenndenäiohe Stndieiende weiden anigmommen:

2. nach dem Emessen des Kektors solche nicht im Besitz eines Reifezeugnisses befindliche Fersonon, welche die Universität nicht zum Zweck der späteren Er- stehung einer Staatsprüfung zu beziehen wünschen. Diese haben 8ich über eine zum Huren von Vorlesungen genügende Vorbildung, suwiu über ihre sittliche fuhrung an8suwa86n.c

DarQber, welche FrflfuogszeugnisBe alB genügende VoiinlditQg er- weisend anzusehen sind, bestehen Iceine Nonnen, die EntoöheiduDg erfolgt

vielmehr nacli Lage des Falles dnrc Ii den Rektor. Nach einer Mittdünilg des Kgl. akademischen Rektoramtes pflegt diese in liberalem Sinne zu fflp- folgen ; es sind bisher mehrfach solche, die das Lehrerinnifungszcugnis be- saßen, namentlich in der staatswissenschaftlichen l^akult^, als auBerordeot- licbe Stadierende immatrikuliert worden.

2. a) Bestimmungen der philosophischen Fakultät iu Tübingen ffir die Erteilung der philosophischen Doktorwürde vom Januar 1902:

^>§ 1. l) . . dabei wird bemerkt, daß von dem bezeichneten Nadiweia der

Vorbildung (Iv-ifezeugnis eines deutschen Gymnasiums oder Realgymnasiums) nur solche Bewerber entbunden weiüen können, . . . deren Dissertation von der Fakultät einstimmig als hervoriagende Leistung eiUArt wixd.€

b) Bestimmungen fflr die Brteilung der Doktorwürde in der naturwissenschaftlichen Faknität der üniversitAt Tübingen: 1. 2. Bewerber, die keinee der vorgenannten Zengnisse (Reifezeagnis eines

deutschen Gymnasiums oder Realgjrnnx^iums) vorlegen können, werden nur auf einstimmigen Beschlul? der Fakultät zur Pronjotion zugelas^sen. Voraussetzung ist, daß sie durch ihr btudium in Tübingen der Fakiütät oder einzelnen MitgUedern der- selben perBdnlioh bekannt önd nnd eine beeondeis gnte Arbeit ehirei<dien.«

V Baden

1. Nach § 8 der Vorschriften für die Orofih. badischen hohen Schulen sn Heidelberg nnd Freibnrg vom 81. Mai 1889 ist die

Immatrikulation Immaturer zwar solftseig, <loch soll von dieser Bestimmung nach den bestehenden Grundsätzen nur äulicrst selten Gebmuch gemacht werden. Auf seminansch gebildete Lehrer findet die Bestimmung nach

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2. IXe Bertimimnigem filwr LnmatriknliUoii und Fnunotion ImiMtairsr vsw. 57

einer Mittoilimg des Piorektorats der Umrersität Freibarg überhaupt keioe Anwwdung.

2. Deshalb ist fOr diese aucb der letite Absats des § 1 der Promo- tionsordnuDg der philosophisohen Fakuitftt vom 1. Oktober 1902 ohne Bedeatnng:

*Eine Ausnahme von der das Rflifewqgnis betreffenden Bestimmung kann nur unter (jutheil5unp deä vorgesetzten Ministeriums gemacht werden. In diosom Falle ma£ der Kandidat eine lüä hervorragende Leistung anzuseilende Dituiertation ein- niohen, nod mnS die Zukuming von der Abteilung einstimmig beffirworiat wetden. Die phflologndi-hlatoriBdie Abteflniig tritt der Fnge eines Dispenses nor dann aiher, wenn anerkannte vissensohaftliohe Leistungen im Druck Torsosgegangen sind.c

Yl Btasen

1. a) Bestimmungen Aber den Besuch der Landesnniversitftt Oiefien vom 15. Februar 1904 :

'2. ... Nach dem Ermessen des Rektors können auch Bewerber (zur Im- matrikulatiun'; zii^ola<^sen werden, die sich durch andere Zeugnisse über Unbescholten« heit und wi.sscusijhaftliche Vorbildung ausweisen.«

Nach dioson Bestimmungen ist die Immatrikulation auf Grund eines SemiiiarabffanL'szt'Uu'-nisses naoli dem pj-inosson des Rektors mötrlich.

b) Für liessische Volksschullolu-er gelteod ist die landeslierr- liohe Verordnung vom 29. August 1003:

1. Yolkascäkiilldirer and SdinlsmtBaspirsnten, die in der KiHsssungsprüf ung sn einem hesnsohMi SeholldirerBemiaar die eiste, in der DefinitorisIpTfifang die eiste oder die zweite Note erhalten und sich im praktischen Schuldienst G ewährt haben, können, sofern sie rnindt-steas drei Jahre an offentliclu-n Schulen des Landes tätig gewesen sind, von un^Tem Ministerium des Innern für die Dauer von drei Jahren zum Besuch der Landesu^versitat beurlaubt und in diesem lUle sls studierende der FSdagogikc zur Immatrilnlfllion in der phOoeophisohen Fskoltlt mgelassen werden.

§ 2. Der Abscldull dor ak.vli^mi^' hen Studien erfok^t hol den Studierenden der Pädagogik durch eit)e bv-sundere rmfung, die frühestens nach Ablauf von fünf 8tudieuhalbjahren abgelegt werden kann. Die näheren Beatimmongen ftber diese Piüfang Verden Ton nnserem Ifinisterinm des Innem erlsseen.

9 3. TolksschuUehrtM und Srhulamtsaspiranten die zum Besuch der Landes« Universität beurlaubt werden, haben während des Urlaubs keinen Anqtmoh auf ihr Dieiisteinkommen.«

Vom gleichen Ta^^e datiert die Prüf ungsord nung für die Studieren- den der Pädagogik im Großherzogtum Hessen.

Hessische Yolksschullehrer und SdiuhimtsaspiranteD, die die dingungen in § 1 der Verordnung vom 29. August 1903 nicht erfüllt haben, werden nidit zum Studium an der LandeeuniveisitSt beurlaubt

2. Die Promotionsordnung für die philosophische Fakultät SU Oiefien Tom 22. Mai 1902 enthält keine Bestimmung darOber, daft aoBDabmsweifle auch Immaturi die Pronu>tion erlangen könnten.

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MitteUangea

YH OrofthfOgUuiA M^MenlWMeg'Bflitwerin

1. Di« Sfltningen der Univendttt Boetock QntsnolifiiddD Immatri- koUtion mit grofler und mit kleiner Matrikel. Znr Briangang der letsteren

muß wenigstens der Beäts des Zeugnisses fOr den einjährig- freiwilligen Dienst nachgewiesen werden. Diese BeetimmoDg erBtreokt Bich aber nicht auf seminarisch gebildete Lehrer.

2. Nach § 3 der Bestimmungen für die Promotion bei der philosophischen Fakultät der Universität Rostock vom 15. Juni 1902 ist aosnahmsweise die Promotion Lnmaturer znlABsig, eeminarisch ge- bildete Lehrer and aber ansdriloklich aasgesohloeeen.

Vm QffofldMnagtiu& Saebeen ^nw^ eAalieieolM TTfBwgH******''*

1. a) Statut der GesamtuniTereitftt Jena vom 80. Augnet 1893:

5. Ohne Beibringung des Beifteeognisses können Angehörige des deutschen Reiches für vier Semest(?r aufgenommen und für die philosophisohe Fakultät mif getragen worden, wenn sie

c) dasjenige Maß der Schulbildung nachweisen > welches für die Eriangnng der BereohtignDg sam einjahrig-firaiwilUgea Dienst Toigesohrieben ist Der Pro- rektor ist exmiohtigt, nach Ablauf der vier Universitätshalbjahre die Veriängerong des Studiums um weitere zwei Fniversitätshalbjahre aus besonderen Gründen zu gestatten. Eine uüchmalige Verlängerung ist nur mit Oeuehmigung des üniveisitäts- kurators zulassig.«

Auf Grund dieser Bestimmung werden in Jena Volksschuliehrer im- matrikuliert

b) Nur auf Volksschullehrer des OroBhersogtumt Sachsen

bezieht sich die Ministcnal Verordnung vom 2. März 1900, in der sich das Mimstenum too Sachsen- Weimar, Departement des Kultus, geneigt erklärt,

»in solchen Fällen, wo ein Lehrer beide Prüfungen mit der Gesamtxensur 1 in den wissenschaftliohen HUdiem abgelegt hat and nach dem Urleil des betrettenp den BesiikssoholinspektoxB wegen eeiner wissensohaftUdien und sittlichen TBohtig- keit einer solchen Vergünstigung würdig ist, ihm lünfUghitt auf Ansuchen, soweit es mit den Interessen des Schuldienstes vereinbar ist, zu seiner weiteren Ausbildung für den Lehrerberuf einen Urlaub bis zu drei Jahren zu erteilen und ihn zwecks Immatrikulation in der philosophischen Fakultät der üniversität Jena von der Bei- bringimg des Beifesengniases m dispensieren. Weitem Erwlgnngeo bl«bt es tot- bebalten, ob von den betretenden Lehrern die Ablegnng einer Prüfung am Ende der Studionzcit 7:11 verlangen sdn wird und welche Bestinurangen in dieser Hinsicht

zu treffen .sein werden.*

Die Ordnung der pädagogischen Prüfung für das Groß- herzogtum Sachsen datiert vom 11. April 1902.

Weimarisehe YolkssdliuUehrer, die lüoht die in der Yerardnung yoin 2. lOrs 1900 angegebenen Bedingungen erfOUt haben, werden nicht lum

Zwecke des Studiums beurlaubt

2. Nach den Promotionsbedingungen der philosophischen Fakultät 2tt Jena vom 15. April 1902 ist zur Erlangung der fromotioa

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3. Zar Vngß der dlusoliaD WertMliitnmg und nligfliseii liMikmmimg 59

ansBahmaloe das Beifexengnis eines Gymnasiums, Bealgymnasiums oder einer Obeneahehnte notwendig.

Schlufsbem erkung

Ans der vorsteheDden Zusammenstellung ist zu ersehen, daß das mit der Berechtigung ziun einjährig -freiwilligen Dienst verbundene StMiiinar- abgangszeugnis an keiner deutschen Universität das Recht zur Immatri- kulatioa Terleiht Sie ist Tiehnehr anch an den üniTersittten, an denen sie Yolksschullehrem gewährt wird, Ytm der besonderen Qoidunigong der Universitätsbehörden abhängig.

Daß einzelne Universitäten, anch wenn die amtlichen Bestimmungen die Immatrikulation auf Grund des Zeugnisses für den einjährig-freiwilligen JDieQst gestatten, Volksschullehrern grundsätzlich die Aufnahme versagen, ist ein Beweis für die geringe Einsdiltsnng der Seminariuldnng. Wer als

ICjflhriger das Abgugsiengnis einer sedfasUassigen Bealsehole erlangt bat, kann immatrikuliert werden, Yolksschullehrer aber, die mit dem Ab- gang vom Seminar in den Besitz des Zeugnisses für den einjährig- frei- willigen Dienst kommen, werden al)gewiesen. Man vergleiche die Seminar- lehrpläoe irgend eines deutschen Bundesstaates mit denen der sechsk lassigen Bealschnlen, und man wird einsehen, welche Härte und Ungerechtigkeit in dieser Flazis liegt

S. Zur Fxage dAr ethischen Wertooh&trang und reli^

gififlen Anerkenniuigi)

JCt Beiqg anf : Werturteile und Glaui« nsurteile. Eine Uatersuohiuig von Frofeamr

Dr. Alax Heischie

(Schlaft)

Ich ssgte oben, daß es nnr die ästhetische und ethische Wert- beurteilung gebe und alles, was noch sonst als Wertschätzung erachtet werde, entweder auf die eine oder andere dieser beiden Klassen der Wert- beurteilung zurückgehe. Das gilt insbesondere auch von der Wert- bearteilung im Gebiete der Erkenntnis. Die Ikkenntnia selbst das be- grifOicbe Wissen Ton der Erfahrang, liegt ihrer Natnr nach vOllig anfier sittlichem Lob und Tadel. Die Wahrheit wird nach anderen Gesichts- punkten ireprüft als das Gute. Für die Anerkennung der Wahrlieit ist die Logik maßgebend, nicht das Gewissen. Echtes Wissen weist allerdings zuriick auf geistige Kraft. Dieselbe kanu gegenüber geistigem Unvermögen gefallen. Das ist aber eine Beurteilung nach dem Maßstabe der GrGße nnd folglich isthetischen Charakters. Das Wissensstreben kann aber anch im Dienst edler Zwecke stehen, meinetwegen im Dienst der Linderung leiblichen Elendes, etwa der Bekämpfong der Schwindsucht Es gefällt dann als Hilfe für die Verwirklichung der Absiebten der Nächstenliebe. Hier wird es ethisch beurteilt, indem es als ein sittliches Gut geachtet

') Vagi. Heft 5 dfls vor. Jahig.

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IBttBÜllDg^

wird. Das Wissensstreben kann anch als lanteres Wahrheitastreben ge- schätzt Verden. Solches Wissensatreben viid s. 6. Kepler nachgerflhmt.

Lauteres Wahrheitsstreben ist aber nur ein Fall innerer Freiheit. Es be- rührt pich mit der Ehrlichkeit und Rechtschaffenlieit. Es ist also abh&ugig von der sittlichen Richtung der ganzen Persönlichkeit. Hinter dem reinen Suchen der Wahrheit um iiirer selbst willen steht der gute Mensch. Wo die moialiacbe Qflte, die ChaiaktervortiefflicblDait abgeht, sndian m ver- geblich das lantere, Tomehme Wahrbeitaatreben. üdi weiA lUle^ wo siob mit wissenschaftlichem Bang Habsacht und Geldgier cder nacktes Erfolg- streben verbunden zeiql.

Die moilemen Werttheorien stehen im Banne des Glaubens, daß nur die naturw'i&seuächaftliche Metliode, vielleicht auch, daü nur die natur- 'wiaaeneohaftliche (entwioklungsgescfaiohtliohe) AnflBasang adiff mache, das iBt, zum Zide auch im Bereidie der ethischen üntnanchnng fOhre. Wie hätte sonst das Unternehmen hervortreten kfonen, die Werttheorie nach entwicklungsgeschichtUcher Vorstellungsweise aufzubauen? Oerade die- jenigen, welche hierin zur Äußerung vor anderen berufen waren, weil sie wirklich aus der persönlichen Gemütserfahrung vom Guten ihre Aussagen Bchöpften, haben mit vollster Gewißheit hervorgehoben, daß die ethische Betiachtungaweiae von der theoretisofaen (psychologischen), der die modernen Werttheorien fdgen, grundverschieden seL Was die Fkage der fOr ethische üntersuchungen angemessenen Betrachtungsweise angeht, haben M&nner von dem ethischen Range eines Plato, Kant, Herbart die Geltung wahr- haft if^cr Autoritäten. An dem Beispiele solcher Manner könnte man sich zu jeder Zeit orientieren über den Weg, den die Ethik nach ihrem Wesen als Wisaenscbaft von der rechten Weitschitsung bei üntersndiungen anf ihrem Gebiete einsuhaltoi gebietet Freilich sind diese »spekulativen Ethiker« heute mifiaditsi Ton welcher Haoht wissenschaftliche Zeit- strömnnpen sind, kann man an Felix Krüger ersehen. Er stimmt in die Mißachtung der spekulativen Ethiker nicht mit ein; aber dorn herrschenden Zuge der modernen ethischen Wissenschaft nach Anwendung der theore- tischen Betrsditungsweise vermochte anofa er nicht zu widerst^sn. Auch unsere Schrift meint: Mit Bedit hebt von Ehrenfels hervor, dafi die Definition (der Begriffe: Wert und Werturteil) eine wesentlich peycho- loglBche werden müsse.

Kants Bedeutung für die Ethik beruht nicht allein auf seiner edlen, ernsten Denkungsart, und seine Fülirung ist uns nicht bloß dann not- wendig, wenn wir die Eigenart der sittlichen Werturteile erkennen wollen. Er hat vielmehr gerade auch dadurch eine solch grofie Bedeutung fOr die Ethik gewonnen, dafi er die psychologische Betrachtungsweise, die heute bei ethischen Untersuchungen als die wissenschaftliche gilt, aus der Ethik selbst fortgewiosen nnd die Ethik auf ihre rechtmäßige, eigene Grundlage, die unbedingte sittliche Wertsch.ltzung, gegründet iiat. Herbart folgte ihm hierin nach und gewann dadurcii Anteil an Kants Verdienst um die Elhik.

YeigL Zeitsohr. 1 FhiL u. Fid. 7. Jahig. 1. Heft, a 1 ft, u. 2. Heft» & 114 £L

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3. Zur Tngb dar otliiBdiMi WafMüUzung und reUgiÖseo Anerkenniuig 61

Die ethittche Beurteilung legt in unserer Schrift ebenso Zeugnis für flioh eelbtl äb» als sie In F. Krügers Schrift: »Dor Begriff des absolut WsrtwoUfloc fOr äch selbst gesengt hat Auch wo wir soost m modemeD

Schriften zur Ethik, trotz ihres theoretischen StandpunkteSi ethischen Ge- halt antreffen, Liegt jedesmal die ethische Beurteilnnc: zu Grunde. Ich denlte da V»esonders an zwei berühmte neuere Bearbeitungen der Ethik. Der ethischen Beurteilung kann sicli eben niemand entziehen, wenn es nur im Augenblicke innerer Stille zu reiner Vorstellung des Guten kommt

Im gsosen smd die moderaen Werttfaeorien nnfrachtbar lllr die Ethik. Ehi Eisieher kann aus ihnen für seinen Beruf keine ethische Förderang gewinnen. Was durch sie aufgehellt werden könnte, wftre die Psycho- logie Ton Lust, Unlust, Begehren und Meiden, Aber selbst nach dieser rein theoretischen Seite hin versagen sie. da sie unter sich selber hierin nneins sind. Die Unfruchtbarkeit der modernen Werttheorien für die Ethik ist eine swar mittelbsre, aber gleicdiwoli} sehr gewichtige Bsstttigung fOr die ethische Beorteiluog als einsige Grandlsge der Ethik nnd für diese selbst als die Nachweismig der rechten Wertschätzung des Onten; sie be- deotet zugleich eine Aussage jener Theorien wider sich selber.

Die T'nfruchtbarkeit der modernen Werttheorien für die Ethik ist auch ein gültiger Beleg für die Ursprünglichkeit der ethischen Beurteilung. Die ganae medscne irissenschaftliche Znrflstong tut es nidit Sie Wert- urteile sind im Gemüte erlebt, oder sie sind es niebt Und wo sie es nicht sind, da kann eben keine Art >Methodt'< den Mangel ersetsen. Da gleicht der Forscher dem Wanderer, der auf allen Wegen sucht und doch nicht zum Ziele gelangt, weil ihm das Ziel selbst verloren ging. Die ünfruchtbarkeil der modernen Werttheorien in ethischer Hinsicht ist der Kommentar zu dem Wort dee Dichters: Was kein Verstand der Ver^ sündigen neht, dss übet in Einüdt ein kindlich Gemüt

Das Evangelium steht mit sohlrfBter Betonung snf dem Gedanken, daß theoretische Beeinflussnngen gerade die Anerkennung des Guten im Herzen hindern. Den Weisen und Verständigen, erachtet das firaDgelium, ist es verborgen, den Kleinen dagegen offenbart

Mit gleich scharier Betonung steht auch Paulus auf diesem Gedanken. CbristoB, der Gekreuzigte^ war den Heidsn eine Torheit, denn sie suditen

Das Evangelium wie Paulus heben femer hervor, daß die Wahrheit, Gottes Wille und Gottes Herrlichkeit, nur erfaßt wird im heiligen Geist.

Im Bereich des Ethischen gibt es keine solche Beweisführung wie Im Bereich des Theoretischen, des Psychologischen. Die ethische Beur- teilung steht in sich selber fest Von der ethischsn Beoitethmg gilt die aaschdnend sondetbare Rsde m Fralns: Der Gdstige beurteilt alles, und er sslbst wird von niemandem beurteilt Die ethische Beurteilung ergeht über jedes Lebensverhältnis. Sie richtet sich sogar auf künst- lerisches, wissenschaftliches Streben, wieferne solches Streben zugleich ausgehen soll von edleren Absichten. Ja, sie zieht auch die Arbeit, welche auf die Befriedigung der alieruilchsten Bedürfnisse ausgeht, in ihren Kreis, ■wiefern sie darnach fragt, ob hinter der Arbdt nur der blanke Selbst-

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IfitteUangen

erikaltungssiim, oder doch auch ein vielleicht von Wohlwollen, oder eiuem juodern besseren Motiv geleiteter Wille stehe. Und die ethische Beur- teilung tritt da allenthalben in völliger Unbedingtheit auf. Sie ist ihrer Auslage gewiü. Wie bald einmal Wenn oder Aber auftreten, die £nt- BtehuDg dieeeB oder einM andeni Willeos imterBiioht wird, die anlijektiTeik Ergelmiflse daraua sor Bereolunmg gdaogeii und davon die Wertung ab- hängig gemacht wird, ist die ethische Beurteilung verlassen. Die ethische Beurteilung ist gervl'^ darin von der theoretischen so abweichend, daß sich dabei das Bedürfnis nach Erfassung der Kausalitätsbeziehung gar nicht r^. Sie ruht in der Anerkennung, oder auch in der Verwerfung dea Willena, über den sie ergeht Und ihr genügt das OemütBieugniSy um mit vollster Sidieilieit und mit innigster Übersragong von der Wahr- heit ihrer Aussage in dem einen Falle ihre Billigong, im andern ihre Mißbilligung zu äußern.

Wie die ethische Beurteilung in der Tat über alles ergeht, was irgend eine Willensseite einschließt, Absichtlichkeit^ eigene Entscheidung erkennen läßt, ein Verhältnis zur sittlichen Forderung aufweist oder aufweisen sollte, dies wird durah unsere Sohiift wieder sehr sohOn verdentlieht Sie unter- nimmt es z. B., wie wir gesehen haben, die Ehmen der WertorteQe nadi ihrem Fortschritt zur AllgemeingOltigkeit zu ordnen. Oder sie untersucht die Frage nach der Einordnung der Glaubenssätze in den Begriff W^ert- urteil. Da zeigt sie sich der ethischeu Beurteilung untergeben; was sie hier Zutreffendes ausführt, kommt von der etliischeu Beurteilung, die sich ihr Beoht nicht nehmen laßt, sooh wenn der theocetisohe Standpunkt wider sie ist

Eb nimmt wohl den Anschein an, als ob die religiöse AufÜMsnmg' gegenüber der ethischen die höhere, übergeordnete sei. Allein es zeigt sich gerade, daß die religiöse Auffassung nur wahrhaft wertvoll wird durch ihre ethische Bedeutung.

Die theontische Erkenntnis soll dazu mitwirken, dafi die Wahrheit der rdigi(iBen AulfiMsung erhirtet werda Über die Frage naoh dem Wahrheitsri weis von Glaubenssätzen gibt namentlich das Johannesevangelium die tiefsten Aufschlüsse. Auch der 1. £onnther>Brief gew&hrt darüber Tortreffliche Belelunmg.

Die Einheitlichkeit der Weltanschauung wird nur durch die ethische Beurteilung gesichert Die ethische Beurteilung ibt der Pfeiler aller wahren Eonsentration des Oeistes. Sie gibt dem Ch^stesleben einen festen Mittel- punkt, um den es sich bewegen mag, wie die 6estime um ihre Sonne. Wer auf die theoretische Betnehtongsweisc vertraut, der baut auf unzu- verlässigem Gmnd. Das einzige, was da vorhalten kann, ist allein das Fortschrittsstreljen. Im übrigen gilt gerade für dio theoretische Betnich- tungsweiäe: Es iixt der Mensch, so lang er strebt. Es ist in dieser Be- aiehung zur Warnung und Ibhnnng dienend, dafi die modernen Wert- theoretiker Ober den Ausgang bei ihrer üntersnohung versdhiedener Meinung sind. Die Theorien kommen und gehen, fast wie die Moden. Was ist Wahrheit? Diese Frage ist den Theorien gegontlbor oft nur zu berechtigt. Die ethische Beurteilung ist Wahrheit. Und der Meilige, der sie unter

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3. Zar Frage der ethischen Wertschätzung und religiösen Anerkennung 63

den MeoschcD in einziger Relohcit und Yollkommenhfiit übte, durfte darum auch von sich sagen: Ich bin die Wahrheit.

Die Wahrheit, die Jesus verkündigte, macht frei. Der Geist dieser Wahzbeit macht tottendig. Die Freiheit ist kein YemiOgcn, das im Menschen Ton Natur aus adilommeit Sie ist die Krone seines sittliehen Strebens, ein Ziel, dem er sich auf Erden, auch beim höchsten Y-wst und Eifer, doch stets nur nähern kann. Dio Fr^-ihoit, wolche Ethik uud Chrißtentum übereinstimmend raeinen, ist kein Begriff einer spekulierenden Metaphysik; sie hat nichts zu tun mit der Freiheit, wie sie Hegel lehrte. Es gibt nur die eine Flreiheit, eben die innere, sittlicfae. Was sonst sIs IMheit mgeaekm wird, die Unterwerfung des Zements durch den Oedanken im Schaffen z. 6. des Bildhauers, oder die M>MstpninLr <lrs einzelnen in der Erfahrung durch zusammenfassende und oixlnende Begriffe hat doch mit der Freiheit des guten Willens nichts gemein.

Die Glaubenssätze sind erweisbar, d. h., durch einen allgemein gültigen Grund zu rechtfertigen, sotom sie ethische Wahrheit einschließen. Auf den GlanbenssBtsen mit ethischem Wahrheitsgehalte beruht die Hfig- lidiksit einer allgemeinen Menschheitsreligion. Die Religion gibt allen andern Geistestätigkeiten des Menschen den krönenden Abschluß, wenn sie Religion im Sinne des personlichen Heiligungsstrebens ist, von dem Johannes in seinem 1. Briefe sj rif ht.

Also: die Frage der Wertschätzung und die damit verknüpf baren fagesi der religiflsen Gemütsgewißheit werden Ton der Psychologie ans nicht gdfist, sondsni nor den Gemlltserlebnissen ans, die im ethischen Urteil ihren Ansdmok finden. Die Gültigkeit des efliischen Urteils hängt lediglich von der inneren Vortrefflichkeit oder Verwerflichkeit des Willens ab, über welchen es ergeht. Die Beschaffenheit des Gegenstandes l>e- dingt das ethische Urteil, nicht das Dasein, die Wirklichkeit desselben. Dss ist jener füsdie flieoretisolie Qesiohtspnnkt, der aioh z. B. auch gegenllber den Schöpfungen des Volkstums in Form historischer Kritik GelturiLT verschafft hat. Hier hat bereits Goethe das Richtige gesagt: >Bi.^iu'r glaubte die Welt an den Heldensinn einer Lucretia, eines Mucins Scävola und ließ sich dadurch erwärmen und begeistern. Jetzt aber kommt die historische Kritik und sagt, daß jene Personen nie gelebt haben, sondern als Fiktionen und Fabeln anzusehen sind, die der große Sinn der BOmer erdichtete. Was sollen wir aber mit einer so Srmlichen Wahrheit? Und wenn die BCmer groß genug waren, so etwas zu erdichten, so sollten wir wenigstens groß genug sein, daran su glauben.« (Eckermann, Ge- Sprftche mit Goethe. I. S. 155.)

Die Annahme, daß die Zulässigkeit der Gemütsverehrung geknüpft asi an dio Erweisbarkeit des Daseins, der Wirklichkeit der Gegenstände des raligiflsen Glaubens hat innerhalb des Gebietes religiöser Anerkennung schon unberechenbare Yeriieerungen angerichtet Was hat man da nicht sciion in Zweifel gezogen! Wenn es keinen geschichtlidira Moses gab, so war auch alles Ethi.sche. das durch diesen Namen getragen wird, hinfällig geworden. Und so hoi den Berichten der Evangelien. Wenn diese der historischen Kritik nicht standhalten, so ist auch ihre ethische iiedeutimg

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MittefloBgen

dabin! Die Annahme, daB theorotiBciie Ürleile sogleldli die Entadieidiing

blichten Qber die Angelegenheiten des Herzens, hat insbesondere der Volksreli^ion schwere Schädigung bereitet. Auch hierin hat Goethe bereits das zutreffende Wort geredet: »übrigens echt oder unecht sind bei Dingen der Bibel gar wunderliche Fragen. Was ist echt, als das ganz Vortreff- liche, das mit der reinsten Natur und Vernunft in Harmonie steht und sooh heute nnserar hOchaten EntwioUung dientl Und uraa ist nneoht, als das Absurde, Hohle und Dumme, was keine Frucht bringt, wenigstens keine gute! . . . (Ich halte) die Evangelien alle vier für durchaus echt, denn es ist in ihnen der Abglanz einer Hoheit wirksam, die von der Person Christi ausging und die so göttlicher Art, wie nur je auf Erden das Göttliche erschienen ist Fragt man mich: ob es iu meiner Katur fld, ihm anbetende Ehrfoioht m erweisen? so sage loh: Dnichaiisl loh beuge mich vor ihm, als der göttlichen OffenbaruDg des höchsten Pkuudps der Sittlichkeit . . . (Eckermann, G. m. G. III. S. 256.)

Man redet von einem Gegensalz zwischen Glauben und Wissen und davon, daß dem Menschen nur die Wahl bleibe, entweder ewig unmündig zu bleiben, indem er beim Glauben verharre, oder mündig zu werden, indem er sich zum Wissen erhebe. Dieser GegeoBsti ist so recht das Kind der ICdnung, daft theoretische Urteile auch ein Gewicht besBfien im Umkreise der Qemfttsüberzeugungen. Es ist eine Bekundung eigener üu- beratenhoit, wenn versucht wurde, die religiösen Güter zu schützen durch Beschreiten des nämlichen Weges theoretischer Auseinandersetzung. Die theoretische Beurteilung muß m Gemütsfragen einfach als durchaus unzu- stftndig zurückgewiesen und zur Besinnung auf ihr eigentliches Gebiet, die ErfassuDg der erscheinenden Welt» angefordert werden. Solange die theoretische Beurteilung unbefugt flbeigieift in das Qlanbeosgebiet und die Verteidiger der religiösen Interessen selber der theoretischen Beur- teilung verfallen, ist zwischen Glaube und Wissen kein Friede. Hier bringt nur die strenge Scheidung den Frieden! Hie die theoretische Be- urteilung! Uie die ethische Beurteilung! Hie Wissen! Hie Glaube!

Es ist schon wiederholt die Tatsache gestreift worden, daB die ün- zulAnglichkeit der theoretischen Beortettong in ethisohen Dingen sehr helle durch das Auseinaodeiigehcn der Werttheoretiker in ihrer Meinung vom psychischen Ausgangspunkt der Untersuchung beleuchtet wird. Diese Tat- sache muß der Aufmerksamkeit l>esonders aneiniifohlen worden. Indem die AVerttheoietiker untereinander selber sich widerstreiten in der Auffassung des VerfalUniflses rm Wertung (-Werthalten) und WsttoiteO, der eine be- hauptet, dafi die Wertungen den Wertorlstten sn (hnnde liegen, der andere dagegen an&tellt, daß die Wertungen selbst nur durch ein Werturteil zu Stande kommen, offenbaren sie, daß der psychische Tatbestand der Wert- scliätzung ülx.'rhaupt dabei nicht lebendig gegenwärtig war. Sonst wäre dieses Auseinandergehen in der Aussage darüber unmöglich gewesen. Wenn dieser und jener zwei Dinge betrachten, die in der Ordung a b der Er- fahmng dargeboten nnd, so werden die Terschiedenen Beobediter wohl übereinstimmend finden : da sind zwei Dinge in d«r Ordnung a b ge- geben. Ein Auseinanderweicben der Aussagen ist da rein ausgeschlossen,

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3. Znr Frage der ethisohen WertsoblUzang und roligiösea Anerkennung 65

solange nur der Zustand geistiger Gesundheit bei jedem Beobachter voraus- gesetzt wird. Ebensowenig können nun die Aussagen von mehreren, die sich Kecheuschaft von dem inneren Tatbestand bei der Wertscliätzung geben wollen, einander entg^;ra treten, wenn dieser Tatbestand in dem Bewußtsein jedes einzelnen nur wirklich erlebt ist

Der ethische Wert wird bewuBt in der ethisdien Beurteilung. Die ethische Beurteihing ist im Wesen Oefuhlserlebnis Wohlgefallen oder Mißfallen. Aber der ethische Wert liegt nicht in der siilijcktiven Rück- wirkung, nicht im Gefühlserle buis, das die ethische Beurteilung setzt, sondern in jenem Wiliensverhlltnis, Aber welches die ethische Beuiteilnngf ergeht Wo immer der Wert in die snbjektive RQckwiiliing verlegit wird, da gleitet die Wertschätzung selber zur relativen herab, der Grund dos Wertes liegt dann nicht mehr in dor Yortrefflichkeit, der 'lüte des Wiliensverhiiltnisses, sondern in der Lusterrogimg. Der Schluß liegt dann nahe: Das, was Lust hervorruft, gewinnt Wert für mich; der Wert ist Oberhaupt gar nicht da aufier dem wertenden Individuum.

Bier werden wir eindringlich dannf hingewiesen, dafi der Anfangs- punkt in der ethischen Beurtaiinng die Yorstollung eines einstimmigen Verhältnisses zwischen Willen und sittlicher Forderung ist. Diese Vor- stellung ist das Maß bei der Wertschiltzung des Wollens im Leben und in der Geschichte. Niu* wer in irgend einem Grade der Klarheit sich zu jener Vorstellung erhoben hat, kann also ethisch urteilen. In der ethischen Bemteilnng gibt ea iwischen den Orenzpunkten des ersten Anfdlmmems der Einsidit und der ToUendelen Wdsheit viele Grade im EmporateigeQ zur Vollkommenheit Der traarigste menschliche Zustand ist der Zustand der Gemütsverblendung, bei welchem sich der Mensch gleichwohl für sehend hält und gerade deswegen sich der AuerkennuDg des Guten, z. B. in der Person Jesu, liartnäckig verschließt

Weil die wahrhaft ethische BeorfeeUung gebunden ist an die herror- gehoibene Yorstellnng der Eünatimmnng swisohen Willen und sittlicher Forderung, solche Vorstellung aber nur im »reinent Herzen möglich ist, sind die Aufschlüsse über die Frage der Wertschätzung so spärlich zu finden in den philosophischen Ivehren. welche sich der Reihe nach in der Ge- schichte folgten, zieht sich durcth die Geschichte der Philosophie nur »ein sehr schmaler Streifen der ethischen Wahrheit«.

Die Quelle der ethischen Beorteilnng fließt dort am reichsten, wo der Mensch weder versinkt in der Not des Daseins, noch sich verstrickt in den Xetzon der Tiicorien, sondern sein Leben dem guten und seiner Zu- nahme unter den anderen Menschen weiht: bei den hohen Dichtern von der Art eines Soi>hokles, Sciiiller; bei den erhabenen Propheten von der Art eines isaias; bei den heiligen Aposteln von der Art eines Paulus. Am herrlichsten, übeiflieflendsten strOmt die Quelle der ethischen Be- nrteilnng beim »licht der Menschen«, bei Jesus:

»Wir sduien nns naeh Offenbamog, ^

Die nirgends würdger und sohSner brennt,

Als in dem neuen Testament«

Ziitniiiift tb fhUoMflüo iumI IMtgopk. 12. iabrgmg. 5

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Mitteifaingen

In der Yerehiung des Guten, irdche in der Kunst, beeonden der Dichtang, und in der BeligloD, beeonders im Christentnm, begegnet, liegt

der Gnind für das Überge%vicht dieser Lebensgebiete in dcor Bniehong und Bildung des Menschen über die Erkenntnis. \)

Wenn die Entscheidung darüber ^^efordort \viril. wclcbe Wertschätzung die wahrhaft ethische sei und darum Ailgemeiugültigkeit habe, so kann dieser Forderung nur dnidi die etbisohe Werlsehitxung selber genCIgt 'werden. Diesen Sinn hat die Bede: Wer ans Oott ist, der hOret Gottes

Wort Wäre Gott euer Vater, so würdet ihr mich ja lieben .... Was

Gottes ist, kennet keiner, als der Geist Gottes. Eben danira sind theo- retische Urteile in den Gemütssachen, und solche sind auch die Sachen eines geläuterten Glaubens, unzuständig.

Die BemQhuDgeD, auf dem Wege theoretischer Q)sychologiächer) Be- trachtungsweise das Fehlern der Wertsohfltsung zu Utaen, bestltigen durch ihre ethische Ergebnislosigkeit die schlichte Sachlage, dafi Gemüts- anerkennung kein Gegenstand des Wissens, solidem des unmittelbaien Er- lebens ißt.

Die religiöse Anerkennung beruht auf ethischer IJeurteiluug: das kann man bcsondei-s bcü Taidus sehen. Die Frage ist: Welches ist der Grund der religiösen Übeneugung ? Wodurch komme ich dahin, das« was mir die Autoriliten lu glauben vorsteUen, als Wahrheit gelten an lassen? Worauf beruht die innere Notwendigkeit der Giaubenswahifaeit fOr mich? Die Merkmale der loligidsen Überzeugung kann man aus einer Erkenntnislehro nicht erfahren. Wenn in einer solclien das Wissen gegenüber dem Glauben wegen seiner objektiven Gewißheit gerühmt., der Glaube aber wegen seiner angeblidi nur sabjdEtiTea Gewißheit gegenüber dem Wissen geringe ge- «ditet wird, so ist damit Aber die GlaubensgewiAheit, wekdie doch eine andere Grundlage haben kann als das bloße persönliche »FQrwahrhaltenc, noch nichts entschicdou. Solche Vergleichungen zwischen Wissen und Glauben lassen nur erkennen, daÜ hier auch der Glaube als so etwas wie das Wissen, nur von minderer Sorte, erachtet wird. Nieht irgendwelche Erkenntnialehre kann hier zureichend belehren, dies vermögen nur die Ur- kunden des Glanbens, die religi(taen Quellen. Man muß darüber bei den religiösen Yorbildem sich Bats erholen, nicht bei Theoretikern, die mOglicher- weise etwas als Religion ausgeben, was gar nicht Religion, wenigstens keine etliischo, geh'iuterto Religion, ist. Der religiöse Inhalt des Evan- geliums gewährt da doch ganz anderen Aufschluß als gelehrte B^iffs- Untersuchung.

Die religiöse Erkenntnisweise ist in dem kleinen Sats beschlossen: Wer nicht liebt, der kennet Gott nicht; denn Gott ist die Liebe. Sie ist eine vOllig^ andere wie die theoretische Erkeontni.sweise mit Hilfe der Sinne: Selig sind, die nicht haben gesehen, und glauben! Die JQnger

') Kunst und T\plicion haben auch woit;pfi der (Jemütsvorodlung durch das Schöne und der (jeuiutbätuikuug durch das VertraueQ auf die göttliche Uuter- stfttzung groBe Bedenhuig für die innere Erhebung des Menschen und seine Be- faBtigong im Goten.

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3. Zur Frage der ethischen "Wertschätzung und religiösen Anerkennung (\7

machten ihre Anerkennuag Jesu zuerst abhingig vom Infieren Erfolg. Damm nahmen alle in der Nacht^ da er gefangen wurde, an ihm Ärgernis. Die iWelt«, die »Finsternis«, wie sie uns bei der Menge begegnet, die Jesus zum König machen wollte, weil er sie gesättigt hatte, sowie bei den Feinden Jesu, macht die Aüerkeuuung Jesu abhängig von der Befriedigung fluer Lust und SdbstBoobt. Der 0]aabe allem anerkeniit Jeeos als Gottes Sohn.

Ein sehr würdiger Mann, der sich sein Leben hindurch mit dar IVagfr der religiösen Anerkennung beschäftigt hat, kommt zu dem Schlüsse: Die personliche Erfassung der religiä«on Wahrheiten ist die Haupt.-^ache. Aber eben solcher Erfassung steht nach ihm der menschliche Eigendünkel ent- gegen. »An der eingebüdetsD eagßom Gerechtigkeit der Phariiler solieitertea alle BemflhmigeD des Herrn Jesu, ja eben diese erzeugte eine solche Feind- schaft gegen ihn, daß sie ihn töteten, c Es gibt keinen anderen Weg zur religiösen Anerkennung als den Weg durch das eigene Herz. Derselbe treffliche Mann weist auch auf das höherc Bildungswesen als eine T^i-sache des Zustandes gerade im Gebiet der religiösen Anerkennung hin: »Bei uns ist die unbegrenzte Freiheit, die in ungemessene Zireifdsiicht aus- artet Die Bibel and die religifleen Wahrheiten sind dam da, kiitiaieit zu Axerden und soviel davon anzunehmen, als vor dem kritisehen Bichterstuhle Gnade findet.* Er sieht die Wendung zum Besseren nur kommen durch die innere Bo'lüi-ftitrkeit der Gegenwart. »Die Not der Zeit zwiriL'-t am Ende doch, die feste (Lebens) -Grundkige der Lehre Jesu •wieder aufzusuchen, freilich wohl erst nach einem großen und jammer- vollen Krach. 80 ging ea in üsiaeL Yoiher TedeohtsD und miBhandeiten sie die Propheten. Nachher vrar das Gesetz Gottea ihr einziger Halte

Einmal antwortete Jesus den Juden, die sich wunderten, daß er die Schrift verstehe, da er nicht gelernt Imtte: Meine Lehre ist nicht meine scmdem dessen, der mich gesandt hat. Wenn jemand den Willen des- selben tun will, der wird erkennen, ob diese Lehre von Oott sei, oder ob ich ans mir selbst rede. Das eigene nnmitbelbaie Bdeben der xeligiQeeo Wahrheit im Gemfite ist also immer ideder die Bedingung der religifieen Anerkennung. Sollte es darüber einen Streit geben? Der Mensch kann d' ch nirgend aus seinem Bewußtsein hinaus. Ebenso wie er nach unten- iun sich alles nur zurechtlegen kanu mit Iliife seines Bewußtseins und gemäß demselben, vermag er das auch nur nach oben hin. Der Geist, Temehmcn wir im 1. Xorintherbriefe, ergründet alles, auch die Tiefen Gottes. Der Geist ist der Geist Gottes selber. Welches aber ist dieser Geist Gottes? Daran wird er nach Johannes erkannt: Jeder Geist, welcher bekennet, daß Jesns Christus ist gekommen im Fleisch, der ist von Gott. Und jeder Geist, welcher Jesum auflöset, ist nicht von Gott. Gottes Geist ist die wahre ethische Wertschätzunfr, dio in clor Anerkennung Jesu als des Sohnes Gottes hervortritt. Wenn wir einander lieben, so bleibet Gott in uns, und seine Liebe ist in uns Tollkommen. Daran erkennen wir, daft wir in ihm Ueiben und er in uns: tou seinem Geist hat er uns gegeben. Also noch einmal: ohne das persönliche unmittelbare Erleben des Guten gibt es keine Anerkennung des religifleen Ideals, der religiösen Wahibeit.

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es

Die Frage, ob die Glaabenstirteile Werturteile seien, ist durch den Charakter der christlichen Glaul>ensurteile allerdings bejahend entschieden. Innerhalb der ethischen Religion sind die Glaubensurteile Werturteile, selbst dann, wenn sie dem Anscheine nach sich wie Seiusurteüe darstellen. Waa bekannt Pmüos zum Eingang des BSmenbriefee? loh bin berufen nnd ecboven ffir das EnBigdiam Gottes von seinem Sohne, dem geboTenen aas dem Oeechlechte Davids, dem Fleische nach, dem als Gottes Sohn er- wiesenen in Tatkraft, dem Geiste der Heiligkeit nach, durch Auf- erstehung von den Toten. Und was versichert der Apostel an der näm- lichen Stelle? Daß er Gott diene in seinem Geiste. Worauf stützt er tSxh in Betenemng der Wahrheit? Auf sein Oeiwieeen: loli sage die Wahr- heit in Cluiafa) Jesa, ich Iflge mcht, mein Qewiasen benogt ea mir im heiligeD Geist. Er lehrt nicht aus Irrtiun, Unlauterkeit, noch mit Täuschung, sondern um Gott zu gefallen, der sein Herz prüft, nicht mit Schmeichel- worten, nicht mit Absicht der Habsucht, nicht um Ehre zu gewinnen. Worauf vertraut er dabei? Auf die Gewissensaussage in den Hörenden: In Offenbarung der Wahrheit empfiehlt er sich bei dem Bewufitsein aller UenBchen tot den Angen Qottes. Er ist tief davon dorchdrongen : Wir haben nicht Macht wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit. Der Ohrist soll sich niemand gefangen geben, nicht auf Menschen schwören: Alles ist sein. Der Christ soll auch nicht dem Buchstaben vertrauen: Der Buchstabe tötet, der Geist aber belebet. Der Christ hat keine Decke auf seinem Herzen. Der Herr ist Geist, wo aber der Geist des Herrn ist, da ist IMieÜ Jeder in dem Oottee Qeist wohnet spiegelt die Harrüfihlrait Gottes -wider. Der Ohriet soll taohten uMSh der aUes ttber- treffendcn Erkenntnis Jesu. Dieser gegenüber gelte ihm alles Übrige als Verlust. Christus ist ja Gottes Weisheit. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen. Ihn mit den Augen des Herzens zu erkennen, die Herrlichkeit seines Willens zu erfassen, das ist Gewinn. Hit ihm ist der Ghiist den Kindheitslehran dieser Wdt gestoiten. Das geisdiohe YereHndnie des WiUenB Christi dieses ist das Wissen, darin der Ouist gekräftigt werden soll zu jedem Reichtum und zur Fülle. Und zu diesem Verständnis des Willens Christi sind alle Menschen, auch die Heiden, berufen. Das ist den Propheten und Aposteln durch den Geist offenbart worden. Das Beich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede und Frande im heiligen Qeist Wenn einer in Christo ist, eine neue SchOpfong ist er. Er stsht niobt mehr nnter Avbeheni nnd Yerwaltem, wie das immUndige, dem Eneohte gleich gehaltene Eind. Er ist erlöst von dorn Gesetze, dem Joche der Knechtschaft. Er gehorchet nur der Wahrheit, ge- leitet vom Geiste. Ihn bewegt nicht mehr jeder Wind der Lehre. Er ist nun Sohn, denn er liat den Geist Christi im Herzen. Er anerkennt Gott und iüt anerkannt von Gott Zur Freiheit, zur Herrlichkeit Gottes berufen, lom Wandel nach dem Geist, prüft er sein eigenes Ton. Er stet im Geist und erntet daraus das Leben. Die Yerleognnng der Obeneqgong, des Glaubens, ist ihm Sünde. Fest und unerschütterlich steht er anf dem Evangelium Christi. Wenn ein Engel vom Himmel es ihm anders predigt>n mflohte, als wie es ihm in Treue und Aufrichtigkeit verkündigt wiuxie, er

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3. Zur ¥nft9 der eOiiaoheD WtvMbXtwaDg mid idigiSmn Aneikemmiig 69

vanket nktht Eir lebt Gott, denn Chriatog lebt in ihm. Den Lebenskamiil

führt er, umgetan mit dem Gürtel der Wahrheit und bewaffnet mit dem Schwort dos OeisteSy Qottee Wort So harrt er «u, bis er den Lnnf

vollendet hat.

Der ganze Paulus ist eine einzige grulie Botiitigung dafür, daß die Glaubensarteile auf dem Boden der Religion Jesu Worturteilo sind.

Die Lehrweise Christi) wie sie besonders im Gesprftche mit dem samaritisehen Weibe und in der Unterweisung des Qeeetzlehzecs herrortrittf der ihn vei^uchte (Luk. 10, 25 37), geht auf die Anerkennung der rcli- Eri"'»en Wahrheit durch die eigene Geraütszustimmunp^ hinaus. Um solche üomQtszustimmung bewegt sich alle christliche Mission; denn diese will nicht die Seelen überherrschen des Glaubens wegen, sondern baut darauf, dafi Oott die Henen erlenohte cor Erkenntnis seiner Henlichkeit in der Paraoo Jesn. Auf soldier OemOtssostimmmiff beruht die wahihafts ^nes- andemng, die Bekehrung, welche fortan strebt nach der Gemoinschaft des Sohnes Gottes. Durch solche Gemütszustimmung ist dio christliche Reli- gion GesinnungsreligioD, und der, der kleiner ist im Jk'ich der Himmel, doch größer als Johannes. Solche Gemütszustimmuug wirket die christ- fidie BetiflbDiB über das BBee, wie den chrisüiofasn Trost in der Tersöh- mmg mit Gott dnrch Jesos. Solehe Qemfltssnstimmmig ist die Eiaft in den Helden der christlichen Kirche.

Wie macht sieh die ethische Beurteilung bei einem Trauernden im Sinne des Beruj redigcrs geltend ? Der Mensch unterliegt dem Be« gehren. Da.s ikgchren ist gerichtet auf das Erleben einer Lust. Diese Lust wird schon mit vorgestellt in der Yersuchung. Das Begehren drängt nir Hsndlnng. Die Handlung ist das Mittel sur Befriedigimg des Be- gehrens. WUhrend der Handlung regen sich schon Lustempfindungen. Dieselben wachsen im Voranechreiten der Handlung. Sie nahem sich ihrem Höhepunkt, je näher die Handlung ihrem Ziele ruckt: der vollen Befriedigung des Begeluens. Der Mensch geht im Begehren auf. Die Unterscheidung dessen, was sein und nicht seiu soll, ist wie geschwuudeu. Wenn das Begehren befriedigt ist» erlischt es. Die innere Geschichte des Begehrens hat ein giofier Dichter daigeetellt Audi ein neuerer gaühmter Ktlnatler hat sie in einer Bilderreihe den Augen gezeigt Wenn das Bo- gehren gestillt ist, regt sich die Beurteilung. Das Gewissen redet. Die sittliche Forderung wirtl wieder gegenwärtig im Bewußtsein. In der sitt- hchen Forderung erkennt man sich selber so, wie man beim guten Ge- danken, beim Vozssts sein wollte. Die Verurteilung durch das Gewissen ist darum Sdhetrerurteilung. Das macht sie so bittor sohmersend. Es regt sich ein neuer Wille, der den gestOrten Einklang unseres Strebens mit der sittlichen Forderung, den inneren Frieden, wieder herzustellen trachtet: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündiget gegen den Himmel, und wider dich.

Wie ist es mit dem Qemüte im Beten? Im Gebete, werden die linder gelehrt, erheben wir das Gemüt zu Gott Diese Audegung des Gebetes für die Kinder trifft den l^n des Betens aufe beste. Im Gebete geht der Mensch mit Gott lun. Da steht Gott in seiner Heiligkeit vor

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MitteihuigeD

uns. Wir beurteilen ihn: wir verdiren ihn; wir beten ihn an: m an- erkennen ihn als den Heiligpen. Aber wir lialten uns auch liier an Gott. Wir beurteilen uns selber in unserem Abstand von ihm. Wir fühlen unsere Blöße imd Bedürftigkeit Wir flehen ihn an um seine Hilfe in unserer Herzensnot: Und der ZOUner stand von fem, wollte auch seine Augen nidit aufheben gen Himmel, aondem aehlog an seine Brost und spiach: Gott, sei mir Sünder gnidüg! Oder wir finden ons dnroh Gott gestärkt in der Ausrichtung unserer Aufgabe. Wir haben mit seinem Bei- stande die Treue gehalten gegen das Gute auch in schwerer I^ge. Dann loben wir ihn und danken ihm. Dann denken wir: Wenn Gott für uns ist, wer wider uns? Das Vaterunser ist das Beispiel des Gebetes. Es liebt an mit dem Ansdmok des VertEsneoB anl den lieOigen Yater. Dann bittet es um die rechte Rrdheit nnd den rechten Gehorsam des Gemüts. In seiner Glitte stellt die Aufnahme des göttlichen Willens im Herzen. Dazu soll Gott in seiner Freundlichkeit und Barmherzigkeit helfen, indem er gütig den Druck der Not und die Angst der Schuld von uns nimmt. Am Olberg, in der Nacht vor seinem Leiden, betete Jesus: da können wir den Qeist des 'wahren Gebetes erfahren. Wahres Beten ist nicht Bzanoh nnd Übong, es ist selten.

Wir sehen: das christlich-religiOse Leben, gehe es auf Bufie oder auf innere Kräftigung und Läuterung, steht auf ethischer Beurteilung.

Wie wird denn die Kluft überbrückt zwischen Natur und innerer Freiheit? Schiller wollte sie vermitteln durch die Macht des Schönen über •das Gemüt. AUein er selbst wußte es, daß es Augenblicke im Leben geben kann, wo dieser Genius Tersagt. Wer soll dann den Hensdien Uber die Tiefe tragen? Der moralische EntscbluB? Für alle Menschen gilt jenes Bekenntnis: Was ich will, das Gute, das tue ich nicht; sondern was ich mißbilL'ge, das Böse, das tue ich. . . Ich habe Wohlgefallen an dem Ge- setze Gottes ruich dem inneren Menschen. Ich fühle aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, welches entgegen streitet dem Gesetz meiued Geistes, und mich unteijoclit dem Gesetie der Sflndlicfakeit, das in meinen Gliedern ist Der das ehrliche Bekenntnis der menschlichen Armseligkeit abgelegt, derselbe hat auch angezeigt, was den Menschen frei macht von dem Gesetz der Sünde: das Gesetz des Geistes dos Lebens in Jopu, die Gnade Gottes, die allen Menschen erschienen ist. Das Begeliren wider- streitet der Vernunft. £s ist stark durch die Lust, die es erwartet. Wie irarde ich Herr darfiber? Ästhetische Erziehung, Oemfltsvendelnng, ist gewiA ein Schntsmittd gegen die Macht des Begdunns. Allein das Be- gehren «ird dadurch nur sbgelenk^ nicht überwunden. Wer gibt mir das Zutrauen, die Hoffnung auf den Sieg trotz aller Gewalt des Begehrens? Christus, der Gekreuzigte. Im Glauben an ihn gewinne ich die Kraft zum aussichtsreichen Kampf mit dem Begehren. Aus der Religion schöpft der Mensch sittlichen Mut und sittliche Stärke. (Vergl die Fußbemerkung 8. 66.) Der Glanbe an Jeans kommt ans Wertsohltzung Jesu. So be- ruht die religiöse Gesinnung, auch in ihrer Yollendung, im letzten Grunde auf der ethischen Benrteilang^ verbunden mit dem Geftkhle der J^UTecsicht

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3. Zur Frage der ethischen Wertschätzung und religiösen Aucrkeauung 71

Es ist mm wohl zulässig, (Iber das Religiöse selbst eine Besiunung anzuätelleD. Man vemimnit, daß das Heligiösc Sache der Überzeugung werden solle. Als Übeneugong wird ausgegeben, was gewiA ist Als gewiß giU, -was wirklioh ist Das Wiridiobe ist jedoch noch nicht das Gewisse. Das Gewisse ist noch nicht das persr»nlich Gülfitro, die Über- zeugung. Wirklich, sinneubezeugt, ist z. B. auch der scheinbare Lauf der Sonne. Aber dieser Lauf ist doch nicht gewiß, nicht wahr. Viele Dinge sind gewiß, ihre Wahrheit steht fest; aber sie steht nicht für mich fest, lob habe sie noch nicht anerloumt, mit dem Oaoseo meine Gedanken noch nicht vecsdimolsen. Das Gewisse ist in solchem Falle fQr mich Iceine Überzeugimg. Denn das Merkmal der Überzengong ist dieses: der Inhalt ist nicht bloß gewiß, sondern in das Ganze meiner Auffassungen auf- genommen und dadurch zu meinem geistigen Eigentum gemacht wonlen. Das Wirkliche gehört dem Gebiet der äußeren Erfalinuig an, es ist das Natur- Wirkliche. Das KeligiCse ist kein Wirkliches in dem gleichen Sinne wie das Natur-Wirkliche. Der Heiland antwortete sdnem Bichter: Mein Reich ist nicht von dieser Welt Die Qebftrden machen nicht die Religion. Sonst wären die Phaiisäer religiös gewesen. Also muß das "Wirkliche, das der äußeren P^rfahrung dargeboten ist, uud das Religiöse, das gar kein Wirkliches im Sinne des Natur- Wirklichen ist, mit aller Strenge auseinander gehalten werden. Das Religiöse ist nicht Gegenstand der sinnHcben Erfabrong, sondern des Erlebens im Qemüte. Das BeligiOse ist ein Willens- Wirkliches, ein Wirkliches geistiger Art (Ich denke an das ChrisUlob-Beligidse.) Wann ist das Religiöse ein Qewi>si s für mich? Das Erfahrungsgewisse ist ein Seins- Gewisses, das diu-ch die Sinne be- zeugt wird. Ja, ich habe das gesehen! Thomas war noch auf der Stufe, daß auch das Religiöse durch die Sinne bezeugt werde gleich dem Sinuen- WhUicheD. Er wurde belehrt: Das Religiöse hat mob andere Erkenntnis- quelle als das NatOiliehe, ErfsbrungsmäBige. Auf dem anflnglichen Stand- punkt Ton Thomas steht die platte Aufklärung.

Das Religiöse wird für mich ein Gewisses im Willen. (Job. 7, 17.) Es ist schwer, zur religiösen Gewißheit zu kommen. Das Bekenntnis allein reicht nicht zu. Derselbe, der bekannt hatte: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! leugnete es vor der Magd und den Knechten mit einem Eidschwur: Ich kcmne den Menschen nicht. Die JQnger haben vordem nidit gebeten im Namen Jesu. Wenn der Geist der Wahrheit, der Tröster, sie lehrt, da werden sie bitten im Namen Jesu. Da.s Reli- giöse ist Willenssache, die herrührt vom Gei.ste. Wie gelangt man zu solchem Willen, der vom Geiste kommt? Jesus sagt: Alles ist mir über- geben von meinem Vater; niemand kennet den Vater, als nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren. Wenn euch der Sohn frei madiet, da werdet ihr wahrhaft frei sein. Ohne mich kOnnet ihr nichts tun. Jesas bittet auch den Vater um die Gabe des Tn'^sters an die Apostel Das Religiöse wird einem gewiß, wenn man den Geist erlangt, der im Willen wohnt, wie ihn Jesus uns gibt

Wie kommt der Menseh, der von Natur aus den Weg zum Guten aioht anliwiflhti mid der vieileidil imier den Btaden der ümgebung noch

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72 Mitteflimgen

mehr entartet, doch empor? Durch religiöse Bildung auf der OruDdlage eines wertvollen religiOeen Büdnngsstoffes? Das» -was ein solofaer Stoff an Büdangskraft einschließt, wird nicht ohne weiteres wirksam auf das Sind,

wenigstens nicht so, daß der tiefere Gelialt dieses Stoffes Gomütseigentura des Kindes, Gcwißlicit, Überzeugung würde. Wie wird dann der Gehalt des relif^oscn Bildnnpsstoffes wirksam auf das lüiul/ Der Mensch muß, zum mindesten in emcm gewissen Anfang, den Willen haben, in dem der Geist Christi, d. i. Gottes, vohnt Gehet und belehret, taofet und haltet an! Jaatete der Auftrag an die Apostel Und die Apostel traten wirklich vor allem als Lehrer auf. (I. Kor. I, 17. Ap.-G. VI, 2.) Es gibt auch eine religiöse Gedankenarbeit. Hinter ihr steht das Gemüt. Sie ist ethisrlios Urteilen. Cl>er religiö.se Gedanken vcrstiindigt man sich schwer, weil sie auf Gewissens- Aussagen beruhen. Die A]x>stel sollten alle Völker beliolireD: damit -war niolit im entüBrnteaten gemeint, sie soUteii ebenso ▼erfahren, ine man verfiUirt bei Yeretandesbe^nffen, welche man zwecks Erläuterung auf ihren Erfahrungsinhalt zurückfahrt WIre das religiöse Erkennen ein gleiches wie das Erfahnm^s- Erkennen, so wäre auch die Religion selber etwas Äußeres. Aber zwischen dem Erkennen im Sinne von VerstaudesbegiiÖen und dem Erkennen des Herzens ist ein himmel- weiter Unterschied. Wer Religionsunterricht erteilt, der weiß es aus lebendiger Erfahrung, wie sdiwer doch wieder das GemQtserkennen fttr den Menschen ist, wieviel dazu gehOrt, bis einer aus voller persönlicher GewlBheit, ganz aus sich selber, zu einer Aussage kommt, die als Äußerung einer überzeus^nnp: geachtet werden darf. Die religiöse Erkenntnis ist etwas Hohes, weil persönlich Bedingtes. Der Religionsunterricht hat schon ein großes Ergebui.s erreicht, wenn er den Menschen nur in die geistige Bewegung gebracht hat, daß er nach Oberzeugung strebt Der Beligions- unterricht kuin nicht auf Aufwallungen der Qefllhle bauen. Es ist eine grobe Verwechselung des Gemütsgefallens oder -Mißfallens, wie es in der ethischen Beurteilung sich offenbart, mit den gewöhnlichen Gemüts- erregungen, wenn behauptet wird, der ethische Religionsunterricht arbeite mit Affekten. Die ethische Beurteilung, aus welcher zuletzt die religiöse Erkaintnis >- im Umkretoe der religiösen Bildung hervorgeht, beruht ihrerseits wieder auf einifissiger Durcharbeitung der reUgiOsen Bildungs- stoITe. Solche Durohsibeitung fiflbet erst die Augen des Henens fOr den Wert dieser Bildungsstoffe.

Wie ist es eigentlich mit dem religiösen Anerkennen? Es denke da jeder an sich selbst. Wie oftmal im Leben hatte denn jeder solche Augenblicke im ßemüte, daß er von der Macht der Qlaubenswahrheit so ergriffen war, dall er den Zwang der Überzeugung dabei tief empfand? Gewiß sind solche AugenUicke in eines jeden Leben nicht allzuhäufi;. Man denke nur: dazu cphnrt, daß man das Naturwesen gänzlich wie aus- gezogen habe, daß auch der Rest von Lustverhingen, Eigenliebe, Trachten nach dorn Vorteile aus dem Herzen entfernt sei, daß man heilig fühle. Ja, man freut sich so oftmal über Gutes, lobt es, aber die Anerkennung durch die ganze PetsOnlichkeit ist selten. Die Apostel des Herrn voll- zogen sie zu Pfingsten. Da war ein Petrus verwandelt; jetzt mußte er

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3. Zur Fnuro der öthischen 'Wertschätzung und feligiSeen Anerkennung 73

rar Menge sprechen: Gfotk hat sum Herrn und Gesalbten diesen Jeeum geouMllt, welchen ihr gekreuzigt habt! Solche Anerkennungsakte edebt man zu ihrer Zeit. Saulus hatte einen, da ihn auf dem Wege Jesus an- redete. In dem Anerkonnungsakt, bei dorn die Persönlichkeit ins Treffen rückt, verdichten sich wohl die Oemütserfahrungen eines Lebens zu Einem ürteU. Der Mensoh mnA dabei M sein, alles abgetan haben, was an ihm Tergflng^oh, irdisch ist

Die religiöse Bildung aoU religiös > sittlich denken lehren. Dazu ge* hört, noch einmal sei es presagt, geistige tiefe Durcharbeitung der reli- giösen BilduntrsstolTe. Das religiös- sittliche Denken ist schwerer als das verstandesmäliige im Gebiete der Natur. Im Bereiche der Physik bei- spielweise kann man zur Erkenntnis gelangen, auch wenn man persön- lich niedrig steht Dabei tamn aUea Mensohliche bleiben. Aber beim Tdigiöe-sittlichen Denken muß ich von meinon Selbst, wie ea die Natur und die Umstände erzeugten, absehen. Da kommt mein > innerere Mensch in Frage. Dem nattirlichen, liOL'chrliohen Selbst klingt die religiöse Wahr- heit hart, es mag sie nicht hören, es ärgert sich darüber. Wer vom Brote und Wasser des Lebens genießen soll, in dem muß schon etwas Tom Hunger und Dnnt nach der Qeraehtigkeit sein!

Das Ganze der Frage nach der Wertschätzung überhaupt und dem Yerhaltuis zwischen Wert- und Glaubensurteiloi soll uns am Ende noch ein Fall aus dem Leben vorhalten. Ein junger Mann ist in großer innerer Unruhe. Das Angeerbte gerät in ihm ins Wanken. Das ganze »moderne« Empfinden und Denken stürmt auf ihn ein und wirbt um ihn. Besonders die neneie Bewegung nach einer Lebensgestaltung auf dem Dntertmi der SobOnheitareligion erfhSt ihn mit aUer Gewalt Er sooht nach LOsmig der Fragen, die ihn bedrängen, in Büchern, Vorlesungen, im stillen Sinnen. Er geht auch zum Freund seiner Kindheit und entdeckt ihm seinen Zu- stand. Er ist soweit: die Kunst stehe über dem Oedanken. Das Ziel der menschlichen Entwicklung sei das Weltbürgertum. Der einzelne solle sich selber beherrschen. Aber die Menschheit gelange nicht zur Selbst- beherrschung. Damm bleibe das Weltbflrgertum Traum. Der monarohische Oedanke sei dem Eindheitsalter der Meosohen gemäß. Der Ab&U vom Christentum sei im Wachsen. Die Kraft setze sich in Wärme um. Zu- letzt sei alles Wärme: der Untergang dor Welt. Der Mensch entferne sieh von der Natur. Es könne Gott nicht im hr naiv, im Gefflhl glauben, sondern nur durch den Verstand. Aber dahin kämen wenige, Gott mit dem Yeratande m glauben. Diesea ist uogeffthr der geistige Zustand dee jungen Mannes.

Der Freund gibt dem jungen Manne zu bedenken: das Schöne steht über dem Wissen, aber am höchsten steht das Gute. Das künstlorischo Schaffen ist an die Persönlichkeit des Kunstlers gekiifipft. Sittlieiier Verfall bringt auch den Verfall der Kunst. (Aeschylos, Sopliokles, Euri- pides. Wolfram von Eschenbach, Qottfried von Straßburg.) Schiller» GoeCbe waidea die gioAea Dichter, weil aie sieh menaohlich empor

Untertan. Beim Ysrfall der Eonat flberwisgt die Form, der Gebalt tritt

sorOok.

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MitteüoDgeD

Das menschlicho Wissen ist StOokwerk. Was wir mit unserer Er- fahrung umfassen und unseren Geisteskräften durclicliingen , ist ver- schwindend -wenig gegenüber dem, was unserer Erfahrung unzugänglich und unserer Auffassung verschlossen ist (Bekenntnis des sterbenden Laplaoe.) Dumm mnfi «D« Erkenntnis mit dem Vorbehalt «nfgenommea werden : sie kOnne möglicherweise berichtigt werden. Newtons Lehre von, der Gravitation beg^ete dem Bedenken: Wie ist Wirkung in die Feme (ohne Yermittelung) möglich? Die Gravitation scheint undenkbar ohne Vor- anssetzung des Äthers. Es gibt dagegen eine unwandelbare Notwendigkeit: die sittliche. Dem Urteil über gut-bdse im Gewissen kann kein Mensch Bich entziehen oder widerstreiten, wiefern er gnt-bOse einsieht. Die sitt- liche Beurteilung bleibt dieselbe von Sokiates bis heute bei allen, die sich, dazu emporgeschwungen haben. Der Abfall der vielen vom Glauben, der religiöse Bankerott, hat ohne Zweifel mehrere Ursachen; aber dem un- rechten Religionsunterricht muß doch eine Hauptschuld daran aufgebürdet werden. Er gibt den Kindern, die nach Brot verlangen, den Stein un- verstandener ErUftnmgen. Er yergiBt so oft der Mahnung des Meisters: Lasset die Eindleini und wehret ihnen nicht su mir zu kommen, denn solcher ist das Reich der Himmel. Der Katechismus ist ein Buch voll tiefer, bedeutungsvoller Wahrheit. Aber die wird dem Menschen nicht immer vermittelt. Sie bleibt für den Mcns^L-hon dann nur Wort. Daraus und aus anderem, was das Nötigen zum bloßen Auswendiglernen z\iweilen begleitet, entsteht ein starker psychischer Druck, wie von allem, was man lernen soll, obgleioli man es nioht versteht Dieser blofle Gedlohtnisinhalt und die Religion sind den Kindern und spftter den QioBen Eins. Mit Widerwillen lernen die Kinder das Geforderte, und wenn in sp&teren Jahren den Erwachsenen einmal der freche Spott und kecke Zweifel sagt: das ist Torheit oder Trug! so werfen sie mit Lust weg, was nie in seinem '\^'erte ihrem Gemüte nahe gekommen war. Dazu kommt: das Religiöse muß TorgelebC werden. Daa ist die wirksamste religitee Beeinflussung. Das Christentum ist die Liebe in jenem wetten, alles bsgreifenden Sinn des 13. Kapitels im 1. Eorintherbriefe. Die Lehrpersonen, die den Reli- gionsunterricht besorgen, mflssen religiöse Vorbilder sein. Werden sie das ausnahmslos sein?

Die Religion ist niemals Verstandessache, immer Gemütssache. Die gelinterte Religion ist auch keine Religion der Furcht Sie geht nioht henror aus dem OefOhl ftufierer Abhingigkeit, der OlQckssorgei Der Ver> stand kann emp&nglich, zugänglich machen für religiöse Überlegungen, indem er sich aufrichtig eingesteht, daß es jenseits alles Wissens dunkle Rätsel gibt, die er nicht auflösen kann, von welehon er vielmehr bekennen muß: Ignorabimusl Aber der Verstand selber kommt doch niemals zur wahrhaftigen Religion. Für ihn ist die Religion nur Lücken büüer. Der popuUren Naturwiasensohaft gegenüber ist fibeidies Vorsieht geboten. Sie hat sohon Unheil genug angeriohtet Sonderbar, die Glaubenskraft, die man der BeUgion entsieht, stellt man den Sätzen der Naturwissenschaft gerne zur Verfügung. Aber man täusche sich nicht: diese Sätze sind nur iOr den, der sie, er/ahrend-denkeDd, auagemaoht hat, Erkenntnis ^ für

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8. Zur Frage der etfaiachen 'Wntsohftbnmg und religiösen Aneikennimg 75

jeden andern, der sie nur an- oder aufnimmt, silid sie auch bloB ge- lerntes Wortwisaen, ohne innei« Bedentong und Anift. Eb bleibt niohts anderes ftbrig: man muß die Natorwiaaenadiaft aioli auf dem Woge zu- eignen, auf dem sie aUein erworben werden kann: durch das Studium der lebendigen Natur: mit Hilfe von Beobachtung und Versuch und ein- dringendem Denken. So sieht man ein, daß die Naturwissenschaft nur bei wenigen zu linden ist und nur diesen wenigen hier ein Urteil zusteht Denn aelbat Stodierende eignen aie aioh ^hl ao an, wie Sinder beim ▼erkehiten BaUglonBonteiiioht den Kateohiamoa.

Die Menschen leben in der Familie, unter ihrem Stamme, in ihrem Landesverbände, bei ihrem Volke. Da haben sie ihre Aufgaben. Die müssen sie erfüllen. Das Weltbürgertum bringt die Gefahr mit sich, daß man seine nächsten, wirklichen sittlichen VerpÜichtungen überspringt Schiller bat aioh daron loagemaoht Auch Goethe (in Hermann und Doro- tiiea). Da bist ein edler Anaiohiat; dn denlwt: der Henaoh aei aein eigener Herr. Es bedarf keiner gesellschaftlichen Organisation. Der Staat ist nur Notbehelf, Polizeianstalt. Du bist auch Pessimist; du meinst: die Well die Menschheit die westeuropäische Kultur geht ihrem Unter- gang entgegen. Aber das Gute bleibt. Wenn es unter einem Volke keine Heimstätte mehr hat, ündet es eine solche bei einem anderen Volke. Das lehrt die Ctoaohiohte. Die Oeaohiohte lehrt mithin: Die TSlker gingen zu Onmde, die aioh ¥om attüiohen Qelate loeaagten. Der Burenkrieg ist die Offenbarung der modernen Kultur, wie sie der Natiu'wissenschaft entsprang. Die moderne Kultur ohne Christentum führt zur Barbarei. Wenn man ihr die Hülle abnimmt, ist sie Habgier. Unter dem Verwände, den Fort- Bchhtt zu bringen, hat man jenen Xri^ augebngen. Die einen waren die SOokatftndigen , die gemftfi der modernen Fortaohrittdehre dem Unter- gang TerlUlen aollten. Die anderen, die im Besitie der modernen Macht- mittel, waren die EShoron. Die moderne Kultur ohne Christentum bringt den Menschen hinab auf die Stufe des Raubtieres. Die Stärke ist die Vollkommenheit. Die Stärke gibt das Recht. Es gibt nicht mehr gut- böse, sondern nur stark - schwach. Die Stärke darf sich aller Mittel bedienen. Je eher sie den Q^er niederzwingt, vernichtet, desto lobend werter ersdheint sie. Sie aobfimt sich nioht der ünwahiheit Sie verletzt gefühllos alle Henechlichkeit Sie beeeelt nur der Eine Oedanke: der Oe- danke an den Erfolg. Möchte unser Volk für alle Zukunft dem getreu bloil-ten, der gemahnt hat: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber Schaden nähme an seiner Seele?

P. Zillig

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I Philosophisches

Heosel, Paul, Hauptprobleme der EthiL Leipzig, Teubners Verlag, 1903. 106 S. 1,60 M.

Die Schrift besteht aus 7 systematisch-zusammenhängenden Vorträgen, die in Mannheim auf Veranlassung des dortigen Vereins für Hochschul- kurse gehalten worden sind. Ihrer Entstehungsart nach sind die Vorträge für das Verständnis eines weiteren, fachwissenschaftlich nicht vorgebildeten Leserkreises berechnet, und wir glauben, daß bei ihrer klaren, leicht faßlichen Ausdrucksweise einer heilsamen Wirkung, die solche Hoch- schulkurse auf den Stil so manches Gelehrten ausüben konnten! die Schrift diesen Zweck vollkommen erreichen wird, und wir würden es mit Freuden begrüßen, wenn sie dazu beiträgt, weitere Kreise für die ethischen Probleme zu interessieren.

Die ersten 3 Vorträge führen mitten in das feindliche Lager der in der Gegenwart als modei-n geltenden Richtungen des Utilitarismus und Evolutionismus hinein.

Nachdem der Verfasser eine Darstellung der Lelire Benthams, des klassischen Vertreters des Utilitarismus in seiner unverfälschten und konse- quentesten Gestalt, gegeben hat und an Beispielen veranschaulicht, wie der Utilitarismus alle moralischen Gefühle auf ihre letzten Gründe, auf Lust- und Unlustgefühle, zurückzuführen sucht und sie nach ihrer Intensität, der Sicherheit ihres Eintretens, der Dauer, der Schnelligkeit, Fruchtbarkeit und Reinheit abschätzt, schreitet er zur Kritik. Den Grundpfeiler des Systems bildet die Möglichkeit, jegliche Art von Lust- und Unlustempfindungen gegen einander einheitlich abzuwägen. Es ist aber lediglich Sache der individuellen Willkür, wie hoch die einzelnen Lustposten nach ihren ver- schiedenen eben angeführten Gesichtspunkton der Beurteilung in Anschlag gebracht werden; denn je nach der Bildung eines Menschen werden jene Gefühle teils höher teils niedriger bewertet. Ferner stellt jede einzelne Handlung auch für das Individuum einen individuellen Akt dar, der indi- viduell beurteilt sein will. Mag also auch z. B. für gewöhnlich die durch

I Fhüoiophiaohee

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einen Mord erworbene Lustsumme durch die spätere ünlustsummo seiner Folgen übertroflen werden; wenn aber im einzelnen Falle eine Entdeckung völlig ausgeechlossen ist, und solche Fälle gibt es doch, was hin- dert mich nach Benthams Ethik, den Mord zu begeben? Oder was kann mich bewegen, auf eine LaBtsamme an veniohteDf also ein definitives Opfiv IQ bringen, das mir später nicht wieder mit Zinsen zu gate kommt?

Aber auch die Formel Benthams: eine jede Handlung müsse, um sittlich zu sein, das größte Glück der grr)ßton Anzahl bezwecken, ist sitt- lich sehr bedenklich, zumal da auch alle die Folgen mit in Betracht ge- zogen werden müssen, die durch eine Handlung im Laute der Zeit heriror- gebraoht werden. KnrfOist FHediich IL tou Heaaen-Kaseal verkaufte einen Teil aeiner Landeakinder, wodoroh gewiS eine grofie Summe von Unlust erzeugt wurde. Aber von einem Teile des Erlöses schaffte er sich Kunstwerke an, die noch heute Tausenden von Menschen Entzücken be- reiten. Von Jalir zu Jahr wird also jene Unlustsumrae der Vergangenheit mehr kompensiert, bis schließlich die Lust^umme überwiegen wird. Die Handlung muß also darnach als attülioli geHan.

SohlieMiek liegt der Lusttheorie Benthams ein starker Optimismus zu Qrunde, nämlich der Glaube, daß aus dorn lieben ein Überschuß von Lust über die Cnlust resultiere. Ob dies der Fall ist, oder ob der IVssimis- mus mit seiner gegenteiligen Behauptung recht hat, ist einfach Giaubens- saclie. Damit aber, daB der Utilitarismus sein System auf diese Basis stellt, verleugnet er sein eigenes Prinzip, das jegliche idealistische S|)eku]ation (Hansel gebranoht den Ausdruck: Metaphysik) verachtet

Das Hauptgewicht legt der Utilitarismus auf den ethischen Kalkül, die Berechnung der Lust- und Unlustfoltrcn einer Handlung. Nun wird eingf'worfen: derartige Berechnungen widersprechen der Erfahrung. Denn in Wirklichkeit fällt es niemand ein, derartige Berechnungen anzustellen, sondern man folgt der inneren Stimme des Gewissens, weiche besser als alle Berechnungen sag^ was der Msnaoli sn tun habe.

Dieae eofaeinbar unflberwindliohe Kluft sn flberbrflcken hilft dem ütili^ tarismns der Evolutionismus mit seiner bekannten Theorie von derfiu^ stehung des Gewissens. (Vergl. Flügel, Ycrsucho, den Endäraonismus durch den Evnlutionismus zu er^'clnzen, Einladungnschrift.) Für den dabei in Betracht kommenden Entwicklungsgang vom Egoismus zum Altruismus sucht Spencer, der Hauptvertreter dieser von Darwin ausgehenden An« sduutUDg, historische BesUttigung und teOt darnach die Weltgeeofaiohte ein in das unzivilisierte Zeitalter, wo die Mraschen in stetem Kampf mit- einander leben unter naturgemäßen Vorwiegen der egoistischen Motive, zweitens in unser gegenwärtiges, militärisches, wo sich nur noch große Verbände gegenüberstehen, und der Egoismus und Altruismus sich die Wage^ halten, und drittens in das goldene, kommerzielle Zeitalter der Zukunft, wo Altruismus und Egoismus ihre YersOhnnng feiern.

In der Kritik diesss Bvölutionismus kommt Honsel, dessen Aus- führungen sich hier vielfach mit denen in Flflgels tldealismns und Mate- rialismus der Geschiclito- (Langensalza, Hermann Beyer ^ Sohne f Heyer & MannJ, 1898) decken, wie dieser zu dem üesultate, daß der i^sitz einiger

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Tugenden e&tBchieden als Yorteil im Kampf vasa Dasein sn betrachten sei, bei andern sei es sweifeUuift, wieder hi anderen konnten ihre direkt

nachteiligen Folgen nicht abgeleugnet werden; femer, daß der Evo- lutionismus (ebenso wie der damit zusammenhängende Ökonomische Material- ismus) von prinzip wegen keine Ethik begründen könne, weil da die Entwicklung des Weltgeschehens doch nach unabänderlichen Gesetzen vor sich gehe, wobei unser Wollen nicht in Betracht komme, ein Grund eines pfliohtgemftBen Mitwirkens miserarseits snoh gar niöbt erflndlidL sei (»Ein Astronom wäre tOriobt» der eine Mondfinsternis ,will!*«) Anfier- dem krankt der Evolutionisaras, ebenso wie der Utilitarismus, an dem Optimismus des Glaubens an einen endlosen Fortschritt zum Höheren in kultureller wie moralischer Beziehung, was noch erst nachzuweisen wäre (Vergi. Kanke, Über die Epochen der neueren Geschichte, S. 15 Q.)

Im Tisrten Vortage stellt Mensel diesen Erfolgsethiken die sbsolnte Qesinnungsetfaik entgegen und swar begründet auf dem Eantisohen kat»> gorischen Imperativ. Der fünfte Vortrag zeigt jedoch all ^chwftohen einer Ethik, welche wie die Kantische den PflichtbegrifF oder die an sich leere Ideo der inneren Freiheit oder der autonomen Überzeugungstreue des Individuums als einzige Grundlage anerkennt. »Sollen wir den Willen, welcher die(se) empörendsten Handlangen als pflichtgemäß bejaht hat mit den hlkihsten ESiren eines gaten H^ens bezeichnen?« Itthrt Hensel als naheliegenden Selbstein wurf an, und er beantwortet ihn konseqnent: »Ich sehe in der Tat keine Möglichkeit uns dieser Eonsequenz zu entziehen.« Gewiß gel)en wir flensol zu, daß aus derselben Beachaffenheit eines guten Willens die verschiedensten Handlungen entspringen tonnen, wie ja das Flügel in seinem »Ich und die sittlichen Ideen« ethnologisch auf- gezeigt hat, aber einen ans Überseugung übelwollenden, nnbilligen and prinsiidell nngersdhten Willen werden wir nnn nnd nimmer als gut be- aeiohnen, ganz abgesehen nnd nnabhSngig davon, was tfit Handinngen aus einem solchen Willen hervorgehen. Ganz konsequent warnt infolge- dessen Honsel beispielsweise vor dem Irrtum, die Juden, die Jesus zu Tode gebracht haben, für böse und verderbliche Menschen zu halten, denn als Anhlnger der I^folgsethik bitlBa sie eben anok naoh ihrer Obeiw seogong gehandelt (Darnach, so mflssen wir nooh konseqoentarweise fortfiahren, waren sie also gute Menschen I) Überzeugungstreue wollen wir ihnen, allerdings auch mit Einschränkung, zubilligen, aber Wohlwollen, Gerechtigkeit, Billigkeit?! Etwas ganz anderes hat es z. B. mit dem Falle auf sich, den Flügel a. a. 0. anführt, daß bei gewissen wilden Völker- schaften der Erstgeborene den altersschwachen Vater erschlägt, also nach nnsem heutigen Anschauungen einen Vatermord begebt Denn er tat es ja aus reinem Wohlwollen, nm dem Vater ein vielleicht schimpfliches Ende durch Feindeshand zu ersparen. Er begeht auch keine Unbilligkeit oder Undankbarkeit, denn el)en jene Tat wird ja vom Vater selbst als billige Wohltat empfunden. Eine Schonung seines Lebens würde dieser selbst als Nichtachtung ansehen. Er verstößt auch nicht gegen das bei jenen VOlkem sanktionierte Beoht, wihrend im Gegenteil ein Unterlasssn dieser Ehrenpflicht des Sohnes AnJaB ni Streit bOte; nnd yon der innem Über-

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zcngung, eine giite Tat zu tnn, ist der Täter auch getragen. Wer wollte aber behaupten, daß die Juden Christus aus Liebe gekreuzigt hätten? Und dafi sie billig gehandelt hfttten, in dieser Weise seine Wohltaten zu ▼ergelten. Und jene ProseßTerhtndlungen aeben anch vatHit gerade nach Becht und Qerechtigkeit aus! Ihr Verhalten ist und bleibt also unsittli(di.

Wir sehen, mit den Herbartschen 5 Ideen, die ebenso wie der kate- gorische Imperativ des autonomen Gewissens rein formaler Natur und daher unabhänipig von jeder äuiiereii Handlung sind, werden ebenfalls die Klippen der Erfolgsethik vermieden, andrerseits haben sie deu Vorzug, daB sie dem aittUohen Erfitbrangsiuteiu nicht den Zwang anton, wie obigea Belaplel Henaela anfweiat, führen auoh nicht an der Konaeqaens, daß rieh Ober das, was sittlich ist, im GFmnde gar nicht disputieren läßt, daß man schließlich jede aus Überzeugung^ ausgeübte Handlung als sittlich gelten lassen muß. Mit obiger Rektifizierung kennen wir auch den Satz Honsels ruhig unterschreiben: »Wenn uns hier auffallende Verstöße gegen daa, was wir fOr aittUoh an halten gewohnt aind, entgegentreten, ahiä wir alabald mit Verdiohtignngen des aittliohen Gharakters dea Handdnden hei der Hand, und doch haben wir auch an dieaer SteUnngnahme kein un- bedingtes Recht.« (S. 60.)

Im weiteren stimmen wir auch mit Honsel überein, wenn er bei der Besprechung der Sitte, der positiven Rechtsordnung und Strafrechtes aus- fahrt, wie es vorkommen kOnne, daß ein sittlicher Charakter mit der Sitte» der Reohtaofdnnng nnd dem Strafkecht infiilge seiner hohem aittiichen Anffassung in Konflikt kommt» wie ein solcher aber dann die Stnfe ala von Rechtswegen verhängt zu ertragen habe in der Hoffnung, später viel- leicht sein Volk zu seiner höheren Sittlichkeit hinaufziehen zu können.

Im sechsten Vortrag ist für uns die Erörterung über den ethischen Wert des Altruismus von besonderem Interesse. Da He n sei uur die Idee der Obeneugungstreue kennt, muß die Idee dea Wohlwollena wohl oder ttbel an dem an eich aittUoh Indilfafenten gerechnet werden. Ihr kommt hOohatena pädagogischen Wert zu, indem sie zur Selbst- öbervs'indung, also zur Idee der innern Freiheit erziehe. Welche Ver- kennung der eigentümlichen 8 ittlichen Schönheit derldee des Wohl- wollens spricht aus den Worten (S. 74): »Es mag pädagogisch wünschens- wert sein, Kinder daran zu gewöhnen, von ihrem Kuchen an andere mitau- teOen, aber daa ethiach Wertvolle iat dabei nicht daa Lastgefühl der andern Kinder, ( selbstveratBndlich nicht, aber das behauptet auch niemand! ) sondern die Gewöhnung, welche dem mitteilenden Kind daraus erwächst, eine andre Norm für sein Handeln anzuerkennen, als das eigne Behagen.« Demgegenüber vergegenwärtige man sich doch, welch' eignen Reiz es auf den unparteiischen Zuschauer ausübt, wenn so ein kleiner treuherziger Locken- köpf adnen armen Kameraden von seinem StQdc Kuchen beißen Ußt! Hier wird einem so recht klar, welch feinen Griff Herbart tat, wenn er das ethische Qeschmacksurteil in enge Beziehung zu dem ästhetischen brachte! Nein, mein braver Junge, das war schon, das war gut von dir!

Gewiß eine rein altnÜBtischo Goineinschaft ist ein Unding. Aber wer sagt denn, daß das Wohlwollen das alleinige Prinzip der Moiui sein müsse?

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Besprechungen

Don meisten christlich -theologischen Ethikern gegenüber ist ein solcher Hinweis allerdings am Platze. Auch der Egoismus sensu medio, also besser, der natürliche Selbsterhaltungstrieb, oder Handlungsweisen aus Lust oder ünlQBt Bind an sioh nicht monlifloh mindenreitig, da Btimmen wir Hensel bei, sondern sitüioh indifferent

Heu sei sagt nun (8. 75): »Es können altraistische Handlungen höchst nnsittlich« ( indessen wohlgemerkt: nicht, weil sie altruistisch sind! ) »egoistische in demselbeu Grade sittlich sein«. ( indessen nicht deshalb, weil sie egoistisch sind! ) »Wenn ich mich krank fühle, und es als Pflicht empfinde, durch eine Badereise meine geschädigte Gheeundbeit wieder henustelton, und wenn ich alsdann das hierfür bereit gelegte Geld ans eofalsflinr Gntmütigkeit fttr einen andern dahingehe nnd niin diese Reise unterlassen muB, so habe ich ich eine selir altroistiache (?), aber zu gleicher Zeit hochgradig unsittliche Handlung begangen, c

Indessen ist diese Handlung keineswegs »sehr altruistisch«, denn Altruismus oder Wohlwollen ist nicht identisch mit »schlaffer Gutmütig- keit!« (vergL A Iii hns Ethik u.a.). Denn ich hätte bedenken müssen, daß ich meine Geeondheit fOr weitere soiiale Arbeit fOr andere erhalten mnA. Andrerseits hängt damit snsammen, dafi ich midi dmmh meine sohwaobe Handlungsweise einer Verletzung der andern Ideen & B. der Vollkommen- heit, der Billigkeit habe zu schulden kommen lassen. Denn ich bin ver- pflichtet, für meine Familie zu sorgen oder dem Vaterlande zu dienen, dem ich meine Ausbildung zu verdanken habe u. dgL Altruismus im Sinne von reinem Wohlwollen ist und bleibt immer gut. Eine, wenn anofa wirkUoh altraistisohe, Handlung aber unterliegt noch der Be- urteilung der flbrigen Ideen.

Des weiteren wollen wir noch Honsels Ausführungen über das Herabsinken früher ethischer Handlungen auf die Stute der au IJerethi sehen betrachten, ein Problem, das natürlich nur für eine auf dem PÜicht- begiiffe basierte Ethik in Betracht kommt »Es begegnet uns dauernd, daß Handlungen und Unterlassungen, die wir früher nur mit ftoBerster sitt- lioher Anstrengung von uns m erhalten in der Lege waren, die also im höchsten Grade sittlich zu bezeichnen waren, allmählich ganz ohne das Bewußtsein einer sittlichen Pflicht sich vollziehen. Nach dem, was wir über den Charakter der sittlichen Handlung ausgemacht haben, kann es kein Zweifel sein, daß sie damit auf die Stufe des Außersittlichen hinai^esunken sind, daß wir einen ethischen Wert für diese Handlungen uns nioht mehr zuerkennen können.€ Hensel lOet die Sohwietigkeit damit, dafi er sagt: Oleiohsdtig mit der suooeesiven Umwandlosg von sittliolien in anfienittliohe Handlungen treten an den Menschen neue bis- her nnerschlossene Aufgaben heran, neue Pflichten, so daß das außersitt- liche »Ideal der schönen Seele« niemals erreicht wird. Wir brauchen also nicht zu fürchten, daß die Sittlichkeit aufhört. Es ist richtig, wir rechnen es uns nicht nicht zur Sittlichkeit an, wenn wir einen zu- fUlig daliegenden silbernen IMk nicht stehlen, während ein früherer Dieb jedenfalls sittlich handelt, wenn er dieser Yersnohnng widersteht, ebenso wie ein Kind, wenn es die Versuchung des Naaohens flberwindet

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Doch sehen wir uns einmal nach andern Beisiüolen um, ob in der Tat alle jetzt sittlichen Handlungen später durch Wegfall der Bittliohen Anstrengung, also des PflicitbewiiAtseins, aufhOren, aolohe IQ sein. Denken wir an den barmbendgen Samaritarl Ist es fOr die Be- nrldhmg seiner Tat als einer sittlichen irgendwie von Belang, ob dieselbe seiner ethisierten Persönlichkeit entsprungen, gleichsam aus Neigung er- folgte, oder ob ein sittlicher Kampf mit den natürlichen Trieben voran- ging, in dem das Pflichtbewußtsein obsiegte? Jesus scheint nicht dieser Meinung gewesen zu sein, sonst hätte er einen angeblich so wichtigen Zng nidit aoAer acht gelassen. Oder denken wir an die Idee des BeobtsI

Findel Abrabam weniger unser ethisches Oebllen, wenn es ihm leiöht wurde, friedfertig zu sein nnd den Streit mit Lot beizulegen? Und verliert nnaore dankbare Gesinnung gegenüber unsern Wohltätern tatsächlich das sittliche Moment, wenn uns die Dankbarkeit als etwas Selbstverständ- liches vorkommt? Ich denke, das sittliolie Erfabrungsurteil widerle^'t die Verallgemeinerung Hensels. Ich glaube, nur wenn es sich um Unter- lassung gewisser Handlungen handelti wenn gegenüber dem kategorisdien: >Da sollst nichtl« nnsre Neigungen opponieren und dadnrcb das Fflioht- bewnfitsein erweckt wird, oder die Idee der Innern Freiheit ihr Veto er- hebt, ist die Beobachtung Kants und Hensola richtig; also bei dem kategorisch negativen: »Du sollst nicht stehlen, lügen, töten Ic usw., aber nicht bei dem kategorisch positiven: > Darum sollt ihr barmherzig sein, wie euer Vater im Himmel auch barmherzig istU usw. Solche Hand- hmgea bewahren immer ihren sittlichen Charakter.

Deshalb gilt uns auch das tideal der sohOnen Seele« nicht als aufier- tittlidk, sondern als das höchste Ideal der Sittliohkeit

Ob wir es allerdings jemals erreichen werden, auf Erden wohl nicht, aber im vollkommenen Reiche Ctottes» darüber kann man ja trotzdem versclüedner Meinung sein.

Aber wäre dieser nach unsrer Ansicht höchstsittlicbe, nach Hansel anfielsittliche Zustand wünschenswert? Hüren wir Hensell

»Orientieren wir uns nochmals an dem vorher verwendeten Beispiel des Tonkünstlers. Werden wir wirklich den Künstler für den vollkommen- sten halten, der gar keinen Willen mehr bei der Her vorbringung seiner Kunst in Tätigkeit zu setzen braucht? Ich glaube es nicht. Er würde uns wie ein vollendeter Automat erscheinen, und sein Kunstwerk würde uns durchaus kalt lassen. Schon auf dem ästhetischen Oebiet verzichten wir nicht gern auf Schwierigkeiten, die sich dem Künstler gegen- überstellen, und die er, obwohl siegreioh, doch mit Anstrengung überwindet Und so mag uns denn auch die sohOne Seele, selbst wenn wir sie nur ästhetisch betrachten, nicht als jenes schlechthin Höchste erscheinen^ als welches sie uns häufig genug angepriesen wird.« (S. 82 f.)

Dazu bemerken wir: Wenn ein Künstler mit vollendeter Kunstfertig- keit uns sein Stück, das gleichsam sein ganzes Seelenleben reproduziert, ▼orlülir^ so ist durchaus nicht einzusehen, warum uns das Stück kalt lassen, und uns der Künstler als vollendeter Automat erscheinen sollte. Sein

ZritadttUt fOr fUloiqpU» und PUagogik. 12. Jahiguf . 0

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Besprechimgen

Wille ist doch bd nooh so grate kfinstterisclier YoUkommenheit nicht

ausgeschaltet!

Oder stehe ich in Andacht versunken da beim Betrachten des Klinger- schen Beethoven, was kuninunt's mich in diesem Augenblicke des ästhe- tischeu OenieBeoB, ob Kiingor das Kunstwerk m ein paar Wochen oder in vielen Jahren gesohaiTen hat? Wir erinnern an das Wort Herbarta, eine Blume bleibe sohOn, auch wenn man nicht wisse, auf welchem Boden sie gewachsen sei.

Gründet man die Etliik wie Herbart auf das sittliche Urteil, dann bleibt einem der immerhin etwas widerspruchsvolle Oedanke erspart, daß auf der denkbar höchsten Stufe der Vollendung die Etliik ein überwundoner Standpunkt und dieses Ziel auch ein wenig wünschenswerter Zustand sei.

in der Eonaequenz dieser AuJhssuug mflAte man sich dann also auch Oott entweder als anfieraittlichea Wesen ▼orstellenf das sich in einem jedenfsUa von uns nit^t erstrebenswertem Zustand befindet. Oder aber mfißte man annehmen, daß auch für das liGclisto Wesen Widerstände zu überwinden seien, damit es für dasselbe eine Ptlicht gebe, und es im Be- reiche des Sittlichen bleibe. Beides müßte uns veranlassen, unsre Auf- fassung von dem Yerhältuisse der Moral zur Keiigion uud unsere Keli- gionsphilosophie zu leridieren.

Vom siebenten Yortiage fuhren wir noch die Übersohriflen an: Das Ge- wissen historisch entstanden; Bedeutung der Kultur für die Ethik; Das Sittengesetz als Vernunftinstinkt; Persönlichkeit und Sittlichkeil; Welt- abgeschiedenheit und lOtSiik; Willensfreiheit und Kausalitüt; Ein Ding mit mehreren Merkmalen ; Das Problem der Beuej Ethik und lieügions- phüusophie.

Wir sehen, die YortrSge sind bei der eng konientrierten FOlle dee Stoffes übenuis geeignefti aum Nachdenken Aber sittliche Probleme anso- ngUL MCgen danim die Erwartungen ihrea Yerfifisers erfüllt werdenl

JDr. Q, Burk

fteiehel, Dr. Karl, Ober den Größenkontrast. Eine experimental- psychulogische Studie. Öls in Schlesien, A. Ludwig. S. Ea ist bekannt, daß ein mittelgroßer Mann neben mehreren Zwergen gHJte, neben mehreren Biesen aber kleiner an sein scheint, als er ist Über solche Wirkungm des sogenannten Größen kontrastes hat der Yer- fasser mit sechs Personen durch Vorführung eines Kreises inmitten von vier kleinern und dann wieder unter vier großem eine wold vorbereitete, vorsichtig durchgeführte uud auch auf iuigrenzonde Erscheinungen aus- gedehnte Reihe von Versuchen angestellt, deren Einzelheiten die Schrift durch Besobrnbungen , Tabellen und graphische Darstellangen mitteilt Nach Ausscheidung der in einielnen Fällen eingetretenen stOtenden Neben- umstftnde gelangt der Yerfasser zu dem Ergebnis, daß eine Scheibe in der Umgebung kleinerer wirklich vergrößert, dacregen unter größern ver- kleinert scheint und daß diese beiden Kontrastwirkungen mit dem Größen- unterschiedo bis zu einem individuell verschiedenen Maximum wachsen, über das hinaus sie wieder abnehmen.

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I PhfflowpbiBolMB

8a

Die für dieso Erscheinungeu von H. Helmholtz, A. Thierjy Tb. Lipps TL a. gegeboMii Brkttrungen irafden amgdieiid beeproohen und zuletit im Anaohloft an Mfillers und Schumanns Theorio-

der Sofaltzung abwechselnd gehobener Gewichte die Ober- und ünter^ Schätzung der Große der Scheibe aus der Änderung der motorischen Ein- stellung erklärt, wolnho eintritt, wenn wir von der Auffassung der grOtfiom Scheibe zu der der kleinern oder umgekehrt übergehen.

So erweist sich die Abhandlung als ein ernst zu nehmender Beitrag war TOsensofaafUiohfln Beihandlong der Veigleiohnngsiirlefle, deaen die heotige FqyoholQgie mit Beoht ihre vone Anfrawksamheit sngswendst hat.

Ignaa Pokorny

Ricfcert, Heiorieb, Professor an der üniv. Freiburg i. B., Der Gegenstand der Erkenntnis. Einführung in die Transzendentalphilosophie. Der Verfasser geht aus vom BegrÜf der Objektivität, der auf dem G^genaate von Bewußtsein und Sein beruht und weist die 0nabhliigtgkeit des Erkenntnisaktes von der Frage nach einen psychischen Sein nach» laicht eine vom Bewußtsein unabhängige Welt von Dingen kann als Gegen- stand der Beweisführung betrachtet werden, sondern allein eine Unter- suchung über das Wesen des Erkennens. Die bisherige Annahme, der ErkenntnisbcgrifT könne nur auf dem Gegensatz des Seins und Bewußt- sems^ das durch Vorstellungen dieses Sein erkennt, aufgebaut werden, ist unhaltbar. Erkennen als VonteUen entiiilt nur die Besiehungen sweier Objekte aufeinander und schaltet das Snbgekt, das die Obereinstinunun^ des Abbildes mit der Wirklichkeit feststellen mUßte, vollständig aus. Bs folgt nun der Schwerpunkt der Entwicklung, daß das Urteil nach seinem erkenntnistheoretischen Wesen zur Lösung des Problems führt. Seine Ele- mente sind freilich auch Vorstellungen, die hinsichtlich ihrer VerknOpfungs- lähigkeit aufeinander bezogen werden. Diese kann bejaht oder verneint ^rerden. Bin logisch ▼nllkwimwnes Urteil ist ebne diese Biigahung oder Yemeinung undoikbar. Ba jede Erkenntnis einzig auf Urtäen beruht^ 80 muß beim Aiosei des Erkennens lu den Vorstellungen als Grund- elementen eine Bejahung oder Verneinung hinzutreten. Sie entspringen einer praktischen Betätigung der Seele, die sich gegen die auf sie ein- dringenden Vorstellungen nicht teilnahmslos verhält, sondern ihre Stellung- nahme im Billigen oder Mißbilligen bekundet. Die Veranlassung dazu hOdet ein GefOhl, das sich als Lust oder Unlust KuAert Seüne Bewertung ist demnsoh ausschlaggebend fOr den Erkenntnisakt, der sich so als An- erkennen oder Verwerfen darstellt. Dieses wertbestimmende Gefühl bat als Richter aller inneren und äußeren Erscheinungen dauernden Wert, da das im Urteil Anerkannte nicht bloß im Äugenblick der Herrschaft des Gefühls, sondern zeitlos gilt. Seiner Macht muß ich mich willig unter- werfen. Es bleibt mir nur die Wahl zwischen Bejahen und Verneinen. Diese Notwendigkeit, welche die Torbedingung ffir das Znstandekommen des Urteils ist» wird sls Urteilsnotwendigkeit bezeichnet So leitet uns beim Urteilen nicht das durch Vorstellungen abgebildete Sein, sondern das durch das Gefühl bedingte Sollen. Seine Anerkennung führt zur

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Bespreohimgeii

I

Lösung unseres Problems. Die irrige Annahme, daß sich die Urteile nach dorn Sejendea liöhteii, beruht inf Machet Vonnawteung. Das Boirafll» werden dee WirkUohea eetst Mhoa ein Urteilen Torans, da eich ja das

Urteilen als Anerkennen offianbart Seine Richtigkeit kann nur durch das Gefühl des Sollens gemessen werden. Das Urteil: »Der Baum ist grüne entspringt nicht dem Umstand, daß ich ihn als frrfm seiend vorstelle, sondern der inneren Notwendigkeit, die vorgestellte Beziehung des Baumes zur Farbe zu bejahen. So beruht also die Wahrheit des Urteils nicht auf dem Sein, sondern auf dem Sollen. IfOr dieaee SoUen kOnnen wir die Boheinhar paradox klingende Beieichnmig einee Qogenstandea inaofem bei- behalten, da wir unter Gegenatand das beaeidmen, waa dem erkennenden Subjekt gegenübersteht.

31it diesem Gedankengange sind wir dem Verfasser bis zum 4. Kapitel seines scharf durchdachten geistvollen Werkes gefolgt , dessen ganzen Beichtum man nur durch ernstes Studium ausschöpfen kann. £s wird im weiteren Yeriaaf der Ifaohweis geführt, daB daa SoUen als Gegenstand der Erkanntnia tranesendentBlen Charakter beaitsti ohne den ee der Objek- tivität entbehren würde. Durch Lösung dieses Hauptproblems hat dar Verfasser seine Aufgabe, in die Tzanssendentalphiloaophie einsufOliren, voll- kommen gelöst.

In einem umfangreichen 5. Kapitel: »Transzendentaler Idealismus und empirischer Realismus« wird das gefundene erkenntnistheoretische Gmndptinaip in seiner Bedentnng fOr daa l^atem der Erkfiontnistiieorie und der goesmton Philosophie bdeoohtet Letalere Ausführungen sind b^ sonders interessant und fesselnd. Es wird due Parallele zwischen dem sollenden und wollenden Menschen gezogen. Wie bei diesem die Pflicht der Leitstern seines Handelns ist, so wird joner durch das Gewissen, das im Gefühl der Urteilsnotwendigkeit zum Ausdruck kommt, beeinflußt. Die Begriffe Gewissen und Pflicht sind so gleichsam die beiden Pole, um die sich nnaer gesamtes Sootonleben bewegt Ihre abaolnte Geltung wird Mlioh bedingt durch mein peraBnlidiea Wollen, wie ja die gesamte Philosophie die Begriffe des absoluten Wertes oder SoUena und dea wert- anerkennenden Willens zur Grundlage hat.

Die erkenntnistheoretischen Untersuchungen besitzen unermeßliche Tragweite bei der Lösung der tiefsten philosophischen Probleme und haben ihre Grenze da, wo alles Wissen aufhört und nur noch geglaubt werden kann. Daa Problem der transaendentalen Bealittt iat aomit der Beligiona- philoaophie zu flberweiaen, die daa VerUUtnia dea denkenden sum ^übenden Menschen klarlegt

Mögen diese Darlegungen, die größtenteils mit des Verfassers eigenen Worten wiedergegeben sind, um einer schiefen Darstellung seiner Gedanken vorzubeugen, zu einer Vertiefung in das gediegene Werk anregen. Die Frage nach dem > Gegenstand der Erkenntnisc wird jeden nach Wahrheit Strebenden ematUoh beschäftigen. Der Verüuser hat una lu ihrer LOaung die Wege geebnet. Klare Beaeiohnang der Unterziele durch prftaiae Frage- stellung, ^Iftuterung der philoso^dschen Abstraktionen durch sinnliche APBohsuung, gründliche Widerlegung erkenntniatheoretischer Vorurteile und

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I FhikMophisohas

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zusammenfassende Rück- und Überblicke sind Vorzüge, durch die das Studium jene Erkenntnisfreude in uns erweckt, deren anregende Bedeutung:: nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. T^nd wenn der neu er- 'worbene Vorstellungsinhalt durch ein innerem Sollen anerkannt wird, so wild jeiMB WahrhdtqgefQhl gestärkt, das in eeinar wertbeBtimmenden Be- üwbaiag einen wichtigen Mafietob für die BenrIeUnng aller geistigen Er- schemongen bietet

Wilmersdorf W egener

liliillg) Hm Philosophische Probleme.

Durch "Wort und Schrift hat der bekannte dänische Professor der Philosophie an der Universität Kopenhagen einen weiten Hörer- and

Freundeskreis erworben.

Als weiterer AusÜuß und gewisser Abschluß seiner weitverbreiteten,^ teilweise in mehreren Sprachen erschienen, früheren Schriften auf philo- sophischem OeMek ist in jüngster Zeit Twliegendes Werkchen erschienen. Es ist diese Abhandlung als Qnmdlage mid weitere Fmoht von Vor- lesungen anzusehen, die der Yer&sser im Jahre 1902 an der Universltlt Upeala gehaltm hat

Hoff ding spricht hier zu Jüngern der "Wissenschaft, welche sich bereits in philosophischen Fragen klare Einsicht und entschiedene Selb- ständigkeit verschafft haben. Sclion in seiner »Geschichte der neueren Philosophie« hat der Verfasser historisch nachzuweisen versucht, daß es A Hauptprobleme der Fhiloeophie gibt: L Bas Problem von der Nator des BewuAtseinslebens (das pqrohologisdhe FtoUem), IL Das Problem von der Gültigkeit der Erkenntnis (das logische Problem), III. Das Problem von der Natur des Daseins (das kosmologische Problem), IV. Das Wertungs- probiem (das ethisch-religiöse Problem).

Wie Höffding selbst in seiner Einleitnne zu vorliegender Ab- handlung sagt, stellt er sich darin die Aufgalx^, den Innern Zusammen- hang zwischen diesen Problemen nachzuweiseiu. Schon in der äußern Anordnung wird er diesen seinen Prinzipien gerecht; wenn er als kri- tischer Phikei^ im AnschlnA an die Analogie swisch^i PerslbiliohlEeit und Wissenschaft, welche die Aufgaben stellt, mit dem psychologisdion Problem, - der Natur des persönlichen Lebens« beginnt, darauf zur Losung des KrkenntnisproVilems forTsehreitot, sowohl aus der Porsonliclikoit, >dio als ein einzelner Teil des ganzen Daseins dasteht«, als auch aus der Wissen- schaft, »deren Aufgabe es ist, zu einer Weltanschauung zu führen«, den Übergang nun 8. Problem, dem Bsseinsproblem, findet und mit den Wertongsproblem, welche» »wegen der Beaehnng, in welcher der Mensch als fühlendes und wollende sWesen zum Dasein steht«, erscheint, schließt. Die Reihenfolge, in welcher die Probleme auftreten, ist nicht von schlaggebender Bedeutung, sie richtet sich nach den Motiven, welche zum philosophischen Forschen führen. Es ist je nach der Voranstellung eines der Probleme nur darauf zu achten, jedem derselben volle Gerechtig- keit in teil wird. Auch hierin ist obige Behandlung mustergültig. Und

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Be8prechan|{9&

nun kommt Ilöffding bei Aufstellung seiner Probleme zu der wichtigsten Frage wohl der gesamten Philosophie: Lassen sich alle genannten Pro- bleme auf ein »durchgängiges« Grundproblem zurückführen? Verfasser findet die Möglichkeit hiena in der Bedeatang, welche das YerhAltideswieofaeii Kon- timiittt und DiakontinmtSt bei jedem der einwlnen FroUeme hat »Dieaea Ver- hältnis drftckt das tiefste Interesse sowohl der Persönlichkeit als der Wissen* Schaft aus. Keins der beiden Elemente erscheint Ton vornherein als das einzig berechtigte. Es wird von unstreitbarem Interesse sein, dieselben unter den vier von unsern vier Hauptproblemen angegebenen verschiedenen IJesichtspunkten in ihrem Verhalten zu euiander zu verfolgen«. Von dieaem Standpunkte ana wiU Verfaaoaar die vergleichende Flroblenilehre be- handelt wiesen. Wenn nna HOffding in dieser adhwierigen Materie mit konsequenter Logik teüweise einem »Excelsior« entgegenfBhrt, ao hat er erreicht, was kraft menschlicher Erkenntnis zu erreichen war.

Vor Phantastereien hütet er sich. Er kehrt zurück zu der Gedanken- strenge des Mannes, der gezeigt hat, daß es für metaphysische Fragen keine andere Lösung gibt als das immer schärfere Verstehen ihrer Un- lösbarkeit zu Kant.

Wilmersdorf-Berlin Bach

iips, Theaiar, Leitfaden der Psychologie^ Leipzig, Wilh. EDgelmann.

Nach dem Vorworte hat der Verftsaer seinen Leitfhden der P^cho- logie sunlohat fttr HBrer aeiner Vorleaongen bestimmt, hoflt aber, andi

andern damit zu dienen. Das Buch will »Orondlinien« geben nnd Ter> sichtet auf »historische und kritische Exkurse«.

Der Inhalt des Werkes (349 S.) bietet nacheinander folgende Ab- schnitte: I. Grundlegung (Das Bewußtsein, Bewußtseinsinhalte, Aufmerk- samkeit und Bewuiitsein, Assoziation und Gedächtnis), IL Die Apperzeption, in. Die Erkenntnis, IV. Der Wille^ V. Die Gefühle^ VL Besondere psycho- logische Zustande (Affakte, Temperamente, l^ypen, Sohlai; Fianen, Ifypnoas^ pathologische Zuatäade, Metaphysisches).

Der Verfasser geht nicht über die zu erklärenden Ersclieinnngen leicht hinweg. Es liegt ihm daran, sie seinen Lesern verständlich zu machen. Daher die vielen sprachlichen Wendungen für ein und dieselbe Sache. Die Bilder, durch die er die psychischen Vorgänge zu verdeut- lichen ancht, geben dem Werke einen gewissen populären Anstrich. Trota- dem redet daa Buch doch an emseitig die Sprache der Abatraktion, ent- wickelt die pfljychischen Gesetze und Regeln zu wenig ans Ansobauungs- stofifen, als daß es in allen Teilen gleichmäßig fesseln und anregrend wirken könnte. Kurz: Das Buch ist für Ijoser, die nach einem populären Werke der Psychologie mit Beziic:nahme auf Pädagogik suchen, nicht bestimmt. Es trägt mehr rein wissenschaftlichen Bedürfnissen Rechnung.

Wilmersdorf-Berlin Schals

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II PidogogiBohes

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II P&dagogisohes

lUUg, Peter, Welches sind die pädagogischen Anforderungen an einen Lehrplan fflr die bayritolien stftdtisohen Volksschulen? Nflrnbeig, Korn, 1904. 60 Pf.

Die kleine Schrift von P. Zill ig ist aus YortrSgen entstanden, die der Verfasser im Lehrerverein zu Augsburg gehalten hat. Den Anhängern der Herbartischcn Didaktik sind die Gedanken, die P. Zill ig vortiTip:!, geläufig, aber trotzdem sollte man nicht an ihm vorQbergehen, da sie hier in eigenartiger Auflassung und anregender Form vorgetragen werden. Immer mehr rflokt die Lehrplanfrage in den Yordergnind des Interesses. Neben der kleinen DSrpfeldsohen Sobrift über diesen Gegenstand sind daher die Zilligschen Ausführungen hoch willkommen nnd als Aus- gangspunkt für eingehende Betmcbtongen in Lehrerkreisen zu empfehlen.

Jena W. Rein

Uehea, Dr. Jolias, Über Yolkserziehung im nationalen Sinn. Mün- chen, Lehmann, 1904.

Dieeer Vortrag, der auf dem Yerfaandstag des alldenteohen Yerbandea

m Lübeck am 28. Mai 1904 gehaltm wurde, sei der Lektüre warm empfohlen. In kurzer, übersichtlicher Weise sind die Probleme scharf herausgehoben, die sich fHr die Volkserziehung im nationalen Sinn er- geben. Grundlegend ist dio Familien- und Schulerziohung; im Anschluß hieran muß die Yolkserziehung größere und weitere Aufgaben in bewußter Weise Terfolgen, wenn wir Deutaohe Ansprach erheben wollen, als Enltor- ▼olk in Torderer Reihe za stehen. Hit Reofat hebt der Verfasser henror, daß hier fOr die wissenschaftliche Betraohtang mn weitm Feld eindringender Forschung vorliegt, das bis jetzt leider nur zu wenig erforscht ist, um sichere Richtlinien zu geben, nach denen die Yolkserziehung in großem Stil sich zu richten hat Wenn man z. B. die Verwirrung betrachtet, die die Frage nach dem religiösen Charakter unserer Schulen immer wieder hervorruft, so kann man nnr anfe lebhafteste b(>daaeni, daß nicht von mafigebenden, wissensdhaftliohen ZentrslsOtten der Versuch zur Losung der Verwirrung gemacht wird.

Jena W. Rein

Filbrecht, Dr. Fr., Chor den Unterricht in der bildenden, Kunst am Gymnasium. Heft 1, Übersicht und Vorlage praktischer Ver- suche. e.-Prgr. Mstadt (Oberteterreioh) 1903. 44 8. Heft 2, in OemeinBchaft mit Frana Sommer, Architektur, 0.-Prgr. 1904. 36 S. 8«.

Als ich im Jahre 1877 das Schriftchen »Gymnasium und KnnBtf veröffentlichte, in dem ich dringend aufTorderte, die Schüler unserer huhoron Schulen mit den hervorragendsten Kunstwerken zunächst der antiken Weit bekannt zu machen, und zeigte, wie man so zugleich das Verständnis für die alteo Vülker vertiefen und unaeie Jugend ästhetisch fBcdem kOnntib

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Besprechungen

fand ich zwar recht viele Zustimmung, aber nur wenig- Nachahmung. Das ist im Tjaufo der Jahre anders geworden. Steht doch die »Kunsterziehung« heute mit in dem Mittelpunkte des Interesses. Aber die Frage, wie dieser üntemoht am beateo erteilt werde, ist trots des Tages in Draadeii noek nicht geltet

Im Freistadter Programm vom Jahre 1903 war Falb recht lobhaft dafür eingetreten, daß der akademisch gebildete Zeichenlehrer diesen Unter- richt an jedem Gymnasium erteilen solle. Aber dieser Plan wiixl sich vorläufig nur in recht seltenen Fällen verwirklichen lassen, denn die »duruii und durch künstlerisch gebildeten Männer« sind eben nicht zahl- reich« Aber Falbreoht hatte doch auch xngelaseeii, »dafi die Niohi- kUnsÜtt des LehrerkoUegiams alle Mitarbeiter aein konnten« ; nur d«r ab- SChlieBende Unterricht, der in Übereinstimmung mit meinen Erörterungen, Lehrproben Heft 38, S. 90, methodisch erteilt werden soll, müsse dem Zeichenlehrer zugewiesen werden. In Freistadt scheint ja nun auch wirk- lich ein Zeichenlehrer zu sein, Franz Sommer, der dieser Aufgabe ge- wachsen ist. Im Programm von 1903 war kurz angegeben, wie dieser in zehn Stunden die herrorragendsten HeiBterwerke der griechischen Plastik darcbgenoBunen hat. Das diesjfthrige Programm enthAlt in grOBerer Ans- fOhriiohkeit eine Anzahl seiner 15 Vorträge über die Architektur, und zwar von den Uranfängen bis auf die Gegenwart. Fast jeder Vortrag umfaßt soviel StolT, duß die Befürchtung nahe liegt, die Zuhörer hab^ sich ins Einzelne nicht genügend vertiefen können, es sei denn, daß sie aus dem vorbereitenden Unterrichte schon sehr viele Anschauungen mit- brachten. — Aber hier mnfi die Erfahrung entscheidea. ledenfalls ist es dankens- vert, Venn von kundiger Seite solche Proben vorgelegt werden. Yoraus- geschickt ist diesen Vorträgen eine kune Abhandlung von Falb reo h^ aus der wir erfahren, daß der zusammenfassende Unteriicht am dortigen Gymnasium auf drei Jahre verteilt ist. Anmutend ist der vom Verfasser gemachte Vorschlag, daß mit den Lehrer vortragen solche von Sciiiilern in Verbindung gebracht werden sollen, die das im Laufe des vorbereiten de u Unterrichts auf jedem Gebiete Qekmte ansammenstaUen sollen. Für diesen Torbereitenden Knnstnnterrioht scheint an der dortigen Schule seitens aller Lehrer vid au gesishehen. Daa -wird sich nicht überall erreichen laaaan.

Oldenburg i. Gr. Bud. Menge

Lemke, Lehrer und Organist, Universität und Volksschullohrer. (Päd. Abh. V. Bartholomäus IX, Heft 4.) Bielefeld, iieluuch. 17 S. 40 Pf.

Das Schfiftchen verficht die Forderang« dafi kfinftig jeder Yolka-

Bchullehrer seine Ausbildung auf der Universität zum Abschluß bringoi solle. Wie radikal es zu Werke geht, zeigt u. a. folgender Satz: »Inner- halb der philosophischen Fakultät müssen die Lehrerstudenten keine t)e- sondere viruppe bilden, sondern sie müssen die volle Lehrbefähigung als vollberechtigte und -befähigte Lehrer für alle Arten höherer Schulen ▼or der wissenschaftlichen Prfifnngakommission erwerben dflrfen.« Es scheint dem VerEuser sonach selbstverstAndlicb au sem, dafi trotz des von

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II PUagogisohM

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ihm anerkannten Mankos in fremden Sprachen jeder Seminarist jede Wissenschaft der philosophischen Fakultät bozw. alles, worin z. Zt. Ober- lehrerbe fähigunpen erworben werden, zu studieren verm 'li^o. Wenn der Ver- fasser jenen Mangel durch die vorhandene Ausbildung in Pädagogik, Ffeiychologie and Logik als »reichlich aufgewogen« aneieht^ so sind darüber die Herren üniTersititprofessoreD leider anderer Heinung. Man kOnnte aus diesem Anfsats einen ganzen BlütenstranA von Unklarheiten und Widersprüchen zusammenbinden, der von den grundsätzlichen Gegnern der Sache mit dankbarer Freude entgegengenommen würde. Nicht bloß über die von ihm selbst erhobenen Einwände, daß bei künftiger akade- mischer Ausbildung der Lehrer ihre künstlerische Erziehung die Zeche beuUen müsse und daß der Lehreretand nur ans dem Abfiül der besser sitoierten Kreise Zawaobs erhalten werden sondern insbesondere auch über die finanxielle Seite der Frage schreitet der Verfasser kühn hinweg, Kun^ die vorliegende Abhandlung liefert lediglieh den Beweis, daß der Bsdikalis- mufi das m Frage stehende Problem nicht zu lösen vermag.

Braonsohweig Qt. Hecke

Yeigt, "Prot Kfinigl. Provinzial-Soholrat in Berlin, Die Bedeutung der Herbartsohen Pädagogik in der Yolkssohnle. H. Aufl. Leipzig,

Vorlag der Dürr sehen Buchhandlung, 1901. 92 8. 1,20 M.

Ihis Neue und in höchstem Maße Anerkennenswerte und Erfreuliche des Schriftchens liegt darin, daß ein Kflnigl. Preuß. Schulrat einmal mutig aus der Reserve hervortritt und ohne Rücksicht auf die Staatsjnldagogik, die er amtlich zu vertri>ton hat, frei über die Herbart-Ziller sehe Pädagogik urteilt Im Übrigen bringt Voigt bekannte Gedanken, teils zustimmender, teils abweisender Art Er beleuchtet sie aber vielfach von neuen Gesichts* punkten aus so frisch, klar und übersichtlich zusammenfassend, dafi sein Schriftchen durchweg interessant und belehrend wirkt.

Voigt nimmt Stellung zum Ziel und zu den droi Grundideen der Herbart - Zillerschen Pädagogik, zur Idee der Fornialstufen, der kultur- historischen Stufen und der Konzentration. Außerdem spricht er vom Be- griff des Tielseitigen Interesse als der Brücke, die zum Ziele, führt und auch einen kurzen Exkurs über Herbartsche Psychologie bat er dem Scihriftchen eingefügt.

Der Scliwerpunkt dos Schriftchens liegt in den Ausführungen i\ber das Erziehungsziel, die Formalstufentheorie und den Begriff des Interesse. Hierbei kommt Voigt zu vollständig übereinstimmenden Resultaten mit der Herbart-Zilier sehen Pädagogik. Folgende Sätze, die in dem Schriftchen herausgearbeitet werden, mOgen die Übereinstimmung beleuchten.

L Ziel 1. £s ist einheitlich und gibt den letzten Zweck alles Unterrichts und aller Erziehung an. Es ist damit ein Prinzip gewonnen, das ebenso tief und umfassend als fruchtbar ist. Es ist damit der Schul- arbeit Weihe und Würde gewahrt. 2. Der Vorwurf, das Ziel sei nur formal, ist nicht stichhaltig; denn das Sittliche kann seiner Natur nach nur als Bestimmtes gedacht werden. 3. Desgleichen ist der Vor- wurf nicht berechtigt das Sittliohe als einzigen Dntemchtssweok su be>

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BesprechaDgan

trachten, sei einseitige Oberspannung; denn stellte man noch andere Zwecke in das Ziel ein, so könnte das nur dann geschehen, wenn es sich darum handelte, relative Werte miteinander zu vergleichen. Zu diesen Werten gehört aber das Sittliche nicht. Mit dem Begriff der Sittlichkeit ist €6 gegeben, dafi sie kein Ziel neben andern sein kann. Entweder ist sie Oberhaupt kein Ziel, oder es gibt kein anderes neben ihr. 4. Grund- los ist endlich der Vorwurf, durch das Ziel werde das religiöse Moment mehr oder weniger beeinträchtigt; denn a) Horbart fordert, daß der Ge- danke Gottes als das Älteste und Erste den Hintergrund der Erinnerung fülle, b) Es steht fest, daß die Sittlichkeit, zu der erzogen werden soll, bei Herbart als leligiOs begrOndet gedacht wird, c) Mau kann unter keinen Umstftnden nachweisen, dafi Herbarts Ideenlehre den Versuch be- seiofane, eine Sittliohkelt zu begründen, die nicht vom Geiste des Christen- tums getragen wäre. Herbart gibt die durch den Eudämonismus auf- gehobene Würde des Sittlichen dem Sittlichen wieder zurück. In seiner Sittenlehre ist die absolute Geltung und verpflichtende Kraft des Sittlichen nachgewiesen, und damit wird die Herbartsche Ethik dem christlichen Oedankenkreiae eingereiht

n Interesse: Das vielseitige, gleidhsehwebende Interesse kann mit Rücksicht auf die freie Entscheidung für das Gute a) die Voraussetzungen schaffen, b) die Grenzen festlegen, c) den Boden der Betätigung sichern. Die Herbartsche Pädagogik ist daher berechtigt, dem Interesse die ent- selieidende Stellung zuzuerkennen und vom Unterrichte als das Erste und Wichtigste zu fordern, daß gerade dieses Interesse durch ihn begründet werde.

m Formalstnfen: Znr Wecknng des Interasse bedarf der Ünter- tidit 1. Wechsel zwischen Vertiefung und Besinnung. 3. Kräftige An- regung zur apperzipierenden Tätigkeit. 3. Erzeugung zusammenhängender

milchtiger Vorstcllunii^sgebilde. Die Herbartsche Pädagogik hat aus diesen drei Elementen die Theorie der Formalstufen geschaffen, die nichts anderCB ist, als die genaue Einordnung dieser Elemente in das Ganze des Unter- riobtsbetriebsB und die deshalb in unanfenhtharer Weise den Weg be- schreibt, auf dem das Interesse gebildet und die YerwiiUiehung des letzten ünterrichtszweckes ermöglicht wird.

Neben den Übereinstimmungen fehlt es auch nicht an kleinem Diffe- renzen. Solche bestehen z. B. hinsichtlich der Glioderiing der ünterrichts- stoffo und der ümwendung der Lchrformen. Voigt gliedert in geschicht- liche, begriffliche und technische Steife. Das ist logisch falsch und steht su der anerkanntsn Stoffbehandlung nach den Fennalstufen io Widerspruch. Begriffliches Material muß jede »methodische Ebheitc ent- halten, wenn sie als solche gelini solL Den B^priff der methodischen Einheit faßt Voigt nicht scharf genug, sonst könnte er nicht so gliedern. Vor allem könnte er dann auch nicht die Anschauung haben, daß bei den begnfiiichon Stoffen (Mathematik) die Selbsttätigkeit der Schüler schon auf der Darbietungsätufe in Anspruch zu nehmen sei, während bei den ge- sohichtlichen StoiMi, die freie Mitarbeit der Sohlllar erst bei der Yer- tifl&ug hinnen liBnnte. Bine merkwflcdige und entschieden fdaofae

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n FldagogiaoliM

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Ansicht, um so merkwürdiger, da doch Yoigt das Woeeii des darstellend- entwickelnden Lehrverfahrens kennt und schätzt. Ganz ablehnend verhalt sich Yoigt zu den Ideen der Konzentration und der kulturhisto- rischen Stufen. Seine Ausführungen hierüber sind aber nicht wio früher beweisführeud , sondern nur aphoristisch gehalten. Sie umidi>^n nur 10 Seiten, enfbaltan aiehts Poaitives, und was sar Kritik der beiden Ideen gesagt wird, bernht entweder auf falscher Aafbasnng, oder kann nur auf alte Ansichten bezogen werden, die längst aufgegeben oder modifiziert worden sind. Ein Moment der Wahrheit «Ditb&lt die Konxentrationsidee nach Voigt auch. Welches? das wird nicht gesagt.

Eingewendet wird, daß 1. nicht aller Unterricht unmittelbar den Willen auf das Oute richten könne, 2. daß nicht jede Unterrichtseinheit die Gesamtheit der Interessen in Bewegung setzen könne, S. dafi nicht blofi ein Eonaentntionsmittelpunkt angenommen werden dürfe. Dazu muß bemerkt werden, daß die Eerbart-Zillersche Pädagogik die gerügten Mängel nicht oder doch nicht mehr aufzuweisen hat; denn adl. der unmittel- baren Beeinilussung des Willen.s auf das Gute dienen hauptsächlich die Üaßnahuicn der »Zucht«. Vom Unterricht wird vorwiegend nur mittelbare Wirkung auf die Charakterbildung erstrebt, ad 2. Wem kann es einfallen, ▼on jeder ünterrichtseinheit Pflege der Qesamtheit der Interessen au er- warten? Diese Erwartung kntlpft sicii an die Gesamtheit vom Unterricht, da allerdings im Sinne der gesunden Innern Konzentration, ad 3. Wir konzentrieren schon lange nach mehreren Mittelpunkten.

Zu den Einwänden gegen die Idee der kulturhistorischen Stufen sei kurz bemerkt: 1. Der Parallelismus zwischen Gesamt- und Einzelentwick- luDg ist nicht eine bloß imbewiesene Annahme, Zu den drei Eutwick- lungsstafen, die von Voigt in den ErUuterungen zum 16. Jahrbuch des Vereins fflr wissensehafttiohe Pädagogik gegeben worden sind, kommt man auch von naturwissenschaftlicher Seite aus immer mehr. (Vergl. auch den Vortrag von Dr. Hart auf dem W. Kunsterziehungstage. 2. Oar nicht wird beachtet, daß die kulturhistorischen Stufen in der Hauptsache ein Hilfsprinzip zur StolTauswahl sind, das bisher ungemein wertvolle psychologische Dienste geleistet hat und Toraussichtlich noch mehr in dieser Hinsicht leisten wird. 3. Es wird flberaeheni dafi die Idee für die Volksschule auf [den nationalen Rahmen besogen werden mufi. 4. Das Kind wunelt im gegenwärtigen Kulturleben nicht so tief und festi um es von hier aiis in fremde Verhältnisse einer entlegenen Vergangen- heit einführen zu können. Die Erfahrung lehrt unwiderleglich die Biohtig- keit des umgekehrten Weges.

Mit der am Eingang hervorgehobenen Empfehlung sei die Besprechung geeohloesen.

Jena H. Landmann

Mrlig^ Udwig, Die Anf Ange der deutschen Jugendliteratur im

18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Jugmid- literatur. Nürnberg, Friedrich Korn. Preis brosch. 1,50 M.

Jeder Zweien am Baum dos tleutpchen fleisteslebons ist etwas Ge- wordenes, jeder hat eine Entwicklung hinter sich und iniolgedesson seine

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92 Bespreohongen

eigene Geschichte. Bei den verechiedonen Disziplinen unserer pädago- gischen Wissenschaft ist es naturgemäß nicht anders und der Chronisten, die sich fOr dieses oder jenes Gebiet gefanden haben, sind gar viele. Die Geschichte der deutschen Jagendlitemtnr hat jedoch bis znr Stunde noch keinw geschrieben. Wir meinen eine wirUidie »Ctoscfaiohte«, nicht nur einen kurzen Durchblick oder einen Auszug, sondern eine nmfusende Dar- steliunt; all der vergeh iedenartif^en Erscheinungen, die sich deutsche Jugend- schriften nannten, und zugleich der mannigfachen Momente, welche das Neue bedingten. Und doch w&re uns eine Geschichte gerade diesee Wissenssweiges zur Zeit dringend nfltig. Speziell fttr den Pädagogen ist eine grOndlidie Kenntnis der deutschen Jugendliteratur, wenn wir das Augenmerk auf die praktische Vorwertbarkeit des Materials richten, so wichtig, wenn nicht wiclitiger, als die Einführung in unsre große deutsche Literatur. Die Hauptursache, warum wir noch keine eigentliche Geschichte der deutschen Jugenüliterdtur besitzen, ist in der großen Schwierigkeit zu erblicken, welche die Verabfassung einer derartigen Gesdiiohte mit sich bringt Der UmÜuig des Stoffes ist enorm; die alten Quellen sind schwer lugflnglich. Zudem ist erforderlich, daß der event Verfasser eine Art Doppclbildung besitzt; denn unsere deutsche Jugendliteratur ist ein Stück Literatur und ein Stück Pädagogik zugloich; wer ihre Geschichte schreiben will, muß in beiden Fächern gründlich beschlagen sein, um die Beziehungen herauszuspüren, welche allein eine befriedigende Erklärung der jeweiligen Entwicklung abgeben können.

»Die Anfinge der deutaofaen Jugendliterstnr im 18. Jahrhunderte ist ein Werk, das all diesen Anforderungen Genfige leistet und das wir des- halb freudigst begrüßen. Freilich sind es erst »die AnfSnge«, also gleich- sam der erste 140 Seiten starke Band, dem die andern noch zu folgen haben. Aber schon diese »Anfange« zeigen uns, mit welchem Püesenfloiß der Verfasser gesucht und geforscht, mit welchem Geschick er gesichtet hat GG bring gibt zudem keine trockenen Aufzählungen; er bemüht sich, jede literaiisohe Erscheinung »aus dem gesamten Geistesleben ihrer Zeit herana an wklfir^«. Dss liest sich wie eine Sammlung geistreicher Essays fiber deutsche Kultur, als deren sprechender Ausdruck uns die pädagogisch- literarischon Erzeugnisse der einzelnen Epochen erscheinen. Die zehn Kapitel um tasten außer den »ersten Anfängen« auch die Fortentwicklung der Jugendliteratur unter den Philanthropen und die Jugendliteratur im Aufkl&iungszcitalter. Als Anbang sind ausgefQhrte Skizzen Ober »Wilhelm Hey, Hoffimann yon lUlersteben und Friedrich Gflll« beigegeben, Bio- graphien, die fOr den, der zwischen den ZeÜoi zu lesen versteht, eine Art »Ästhetik der Einderlynk enthalten. Die vielen beigedruckten Bei- spiele ermöglichen auch für den wmiiger Bewanderten ein volles Ver- St&ndnis.

Wenn wir zum Schlüsse einen Wunsch hegen, dann ist es der, QOhring möge das im Vorwort gegebene Versprechen halten und uns im Laufe der Jahre die »Geschichte der deutschen Jugendliteratur« bringen, zu der die vorliegenden »Anfftngec in der Tat einen Torzfiglichen Anfang bedeuten. Damit dies m({gUoh werde, wflnsohen wir dem hilligen Werkchea

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II Fädagogisches

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eine weite Verbreitung innerhalb der deutschen Lehrerschaft; denn jeder Lehrer, der sich ernsthaft mit deutscher Jugcndlitei-atur befaßt, wird in Zukunft nicht nur seinen Wolgast, sondern auch seinen Göhring go- ieeen haben mflasem, will er ernsthaft mitreden kSnnen. Wir verkennen nicht die GrGfie der Arbdt, vir wissen, dafi es eine Lebensau^be be- deutet, ein derartiges Werk fertig zu stellen; aber der sie erfüllt, darf Bicher sein, dafi er damit seiner Zeit etwas Bleibendes hinterläßt.

lianchen Ernst Weber

Landsherg, Dr., SchaeU, Dr., u. MmAi, Dr., »Natur und Schule, Zeit- schrift fflr den gesamten naturkundlichen Unterricht aller Schulen.€ Leipsig n. Berlin, B. G. Tenbner.

Vor uns liegt der vollendete 2. Jahrgang von »Natur und Schule«, einer Zeitschrift, an der Schulmänner und Forscher eifrig mitarbeiten, und an deren Verbreitung beide das gleiche Interesse haben. Sie ist eine Zentrale, welche die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete der Didaktik, der Geschichte des naturkundlichen Unterrichtes und der wichtigeren Ent- deckungen und Erfindungen den Lehrern der Naturwissenschaften sller Schulen rasch und auf verstflodliche Welse snginglich nraohen solL Die 2ieit8chrift kommt allen berechtigten Ansprüchen vortrefilich entgegen. Die größeren Aufsätze verbreiten sich über die Fortbildung der Methode, über Lehrplan fragen , die Wechselbeziehungen zwischen Philosophie und Naturwissenschaft, Museen, Exivursionen, Schulgarten, Entwicklungslehre im Unterricht, Berlloksichtigung der Geologie, der Meteorologie, der Fflanfengeographie usw. Die Abhandlungen wissenschaftlichen Inhaltes sind den Bedürfnissen des Sohulnnterrichtes angepaßt. Erwähnt seien hier nur die Artikel Ober wilde und z^une Binder der Yorzeit, über den Begriff der Art , Reize und StofFleitungen bei Pflanzen , tiefe Temperaturen, Becquerelstralüen , Fortschritte der Chemie. Es kommen Freunde und Gegner der Theorien zu Wort.

Audi die kleineren Beiträge bringen viel des Interesssnten und Bxauoh- bsien. Wir nennen die »Ueinen Scäulversuche^ wdche die Experimente auf ihre einfachste und Idurreiohsto Form bringen wollen ; die »Lehrmittel- sehan«, welche einerseits geeignete Anschauungsmittel in Vorschlag bringt und Bezugsquellen nennt, andrerseits Anleitung zur Selbstanfertigung der- selben gibt. Die Rubriken »Selbstbeobachtetes«, »Irrtümer und Stroit- fragen« und der »Sprechsaal« regen zu Naturstudien und Meinungsaustausch an. Dssn kommen Besprechungen, Versammlungsbeiifihte, eine Progiamm- und Bflchersohau, die aus der groflen Fülle des Materials das fflr die Schule Bedeutsamste herausheben.

»Natur und Schule? verdient, den Fachlehrern, den Lehrern der Pädagogik und Methodik, pädagogischen Lesesirkein, Vereinen und Bibliotheken bestens empfohlen zu werden!

Hiidburghausen 0. Pfannstiel

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Aus der philosoph

Archiv fOr systematische Philo- sophie. 1904. Jonas Cohn, Psychologische oder kriti- sche Begründung der Ästhetik? Vin- cenzo Allara, Sulla quistione del Genio.

D. Adolf Müller, Die Eigenart des religiösen Lebens und seiner Gewißheit

Jahresbericht über sämtliche Erschei- nungen auf dem Gebiete der systemati- schen Philosophie. C. Bos, La Philo- sophie franvaiae 1902. 0. E. Moore, Jahresbericht über »Philosphy of the United Kingdom for 1902«. Die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete der systo- inatischen Philosophie. Zeitschriften.

Eingegangene Bücher.

Beiträge zur Psychologie der Aus- sage (Mit besonderer Berücksichtigung von Problemen der Rechtspflege, Päda- gogik , Psychiatrie und Geschichts- forschung. Herausgeg. von L. William Stern. 4. Heft. Mit 2 Einschaltbildern und vielen Textfiguren. 1904. Abhandlungen: Hans Schneickert, Die Zeugenvernehmung im Lichte der Straf- prozeßreform. — L. W. Weber, Ein experimenteller Beitrag zur Psychologie der Zeugenaussagen. C. Minnemann, Aussagevorsuche. Eigenbericht: H. Schneickert, Zur Psychologie der Zeugen- aussagen. — Mitteilungen: Bericht des

ischen Fachpresse

Herrn Rechtsanwalt X. Das Anssage-

problem auf dem Kongreß für experim.

Psychologie. Namenregister zur ersten Folge.

Mind A Quarterly Review of Psycho» logy and Philosophy. Edited by Dr. G. F. Stout New Series. No. 51. July 1904.

F. H. Bradley, On Truth and Practice.

B. Russell, Meinongs Theory of Com- plexes and Assumptions (II.). Prof. J. S. Mackenzie, The Infinite and the Perfect

H. G. Wells, Scepticism of the In.stru- ment T. M. Forsyth, The Conception of Experience in its Relation ot the Deve- lopment of English Philosophy. Critical Noticos. New Bocks. Philosophical Periodicals. Correspondence.

Revue de M^taphysique et de Mo- rale. (,M. X. Leon.) 12e annoe, No. 4. Juillet 1904.

G. Lanson, L'histoire littcrcure et la sociologie. Ch. Rist, ix:onomie opti- miste et Economic scientifique. L. Couturat, Les principes des math^mati- ques. ly. Le continu. ^^des criti- ques : A. Rey, La philosophie scientifique de M. Duhem. Enseignement: L. Weber, La question de TEcolo Polytechnique. Supplement: Livres nouveaux. Revues et Periodiques. Varietds. 2e Con-

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Fachpresse

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gfiß international do phiJosophie. 2e list» de Boiuoription n moaiunent Benonvier.

Bölcscleti Folyöirat Szerkeszti es kiadjft Dr. Ei98 J<no6. U.Fazet 1904. I. l^brtekezesek : Dr. Rott N&ndor, Darwinizmus ez kifejlödis. Dr. Gieß- wein Silnd'T, Mit tartsunk a spiritis- xtikas jelensögek objectiv vaiödisjigarol. » Xomärik Istvän S. I., Az idö 6z u drtttkevBlMg. Schflts Antsl, Az ertebni ismeretek eredet^nek föbb elm^- lateL II. B<3l( se!et;i niozpilmak, Tegyo- nki HL Irodalmi ^rtasito.

Conaiers Jahrbuch fOr Philosophie und spekttlmtive Theologie. XVIIL

4. Heft

Der theologische Glaube und seine nafcoiüchen VonniBsetsaiigeiL Ton Fkklat Dr. Michael Glofiner in Mftndieii. Zur

Lehre des hl. Thomas von "Wesenheit and Sein, f Bemerkungen zu S. Thoin.: In lib. Boethii De Hcbd. leet. 2. [al. 1]). Ton Dr. Franz 2igon, Professor aiu b. KlerikilBamiiiar In OSxs. Das Weiden im Snne der Sdiolastik. Ton P. Fr. Gundisalv Feldaw» Mag. Theo!., Ord. Praed. in Wien. Die Stolle Gen. II. 7 und die Deszendenztheorie. Von Dr. Engen Bolfes, Pfarrer in Dottendorf bei Bonn. De Oonoordia HoUnae. (Seqnitnr.) Scripsit Fr. Norbertus del Prado Ord. Pra»^l. . Professor üniversitatis Litor., Friburgi Il'^lvet. Literarische Be- sprechuuf^Lii.

XIX. 1.

Dokumente. Drei Breven Piu.s' X. Aus Theologie und i'hüo:>ophie. (L. Jans- aens. Seite. Iiqnieido. Desaoir o. Menaer. Llohtaeokert.) Von PriUat Dr. Ifichael Gloßner in München. Die natürliche Erkenntnis der Seligen nach S. Thomas von Aquin. Von P. Fr. Gundisalv Feidner, Magister S. Th., Ord. Praed. in Wien.

Zur Lehre des hl. Thomas von Wesen^ hflit und Bein. (B«nerknngen an 8. Ihom.: In lib. Boethü De Uebd. Ic t 2

[al. 1]). Fortsetzung von Bd. XVIll S. 3'M\. Von Dr. Franz Zigon, Professor am Klerikalseminar in Gorz. De Coq- cordia Molinae. (Sequitur, vol. XVH p. 301. 476. XVm p. 83. 284. 464.) Scripsit Fr. Norbertus del Prado Ord. Praed., Professor Üniversitatis Täter. Fri- burgi üelvet Literansohe Besprechun- gen.

Die Kinderfehler. Zeitsckrift für Einderforschung mit besonderer Be» rftckaichtignng der pidagogischen Patho- logie. Herausgegeben von J. Trüper, Direktor des Erziphnngsheimes und Kindersanatoriums auf der Sophienhöhe bd Jena md Cbr. Ufer, Rektor der lOdehenmittelschnleui Elberfeld. IX, 6. A. Abhandlungen : D. Hieronymus, Vererbung and erbliche Belastung in ihrer Bedeutung für Jugend- und Volks- erziehung. — Medizinalrat Dr. Engelhom, Welohe Bedentnng fär die Sdiulhygien» hat die Psychologie und Psydiopathologie der Entwicklungsjahrt"? B. Mitteilun- gen: Dr. Paul liiinsohburg, Der gegen- wärtige Stand der Heilpüdagogik in l'ngam.

Dr. med. Hennann, Srsiehung und Kxankheit Fiiedr. Xenl. Tom Kinde in der Kunst H. Dörreich, Ein Fall von motori-scher Aphasie. Frau Ileuny Bock-Neumann, Kinderlaunen. Über BettnSaaen. Das nmische Kind. An die Vereinigungen ffir Kinderpsyohologie und Heil Pädagogik und Freunde dieser Wisseuschafton. C. Ijteratur: »Schutz für Geistossch wache«. Von J. Trüper. Dr. C. Gutberiet, Der Kampf um die Sede. Ton Ufer. Dr. W. Ament, FortBohiitte der Kinderaeelenkunde 1895 bis 1903. Von Ufer. Th. Ribot, Psy- chologie der Gefühle. Von Ufer. Karl Kroiß, Zur Methodik des Uörunterrichts. Von 0. Danger.

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Neu eingegangene Bücher und Zeitschrilten

Neu eingegangene Bücher und Zeitsohiiften

B. Bnrokhardt, Über antike Biologie. Vortrag. Aann, Smeriliuier, 1904.

18 S.

Ders., Biologie der Griechen. Frani- fait a/M., Knauer, 1904. 26 8.

Ap«l, loMinid Kant, ein BUd seines Lebens und Denkens. Beilin, Mr^pnft, 1904. 102 8.

Brauer, Die Beziehungen zwischen Kants Ethik und seiner Pädagogik. Leipzig, WnndorHoli, 1904. 35 &

Goldschtnidt, Kant über Freiheit Un- sterblichkeit, Gott Gotha, ThieiMimann, 19(.)4. 39 S.

Bibot, Psyohol(^e der Gefühle. Deutsch m üto. Altsnburg, Bonde, 1903. 548 8.

M. Paul, Für Herz und Gemüt der Kleinen. 56 biblische Geschichten für die ersten 4 Schuljahre in erzählend dantellender Form an! Grand Wundt- seher Fsyohologie. Le^piig. Wunder- lich. 1904. 206 S.

"W. Bittorf, Methode des evangelischen KtdigioDsunterrichts in der Volksschule. Ebenda 1904. 176 8.

8. Bang, Zur Belonn des Xateebismus- nntsxfiolits. Ebenda 1904. 76 &

A. Eowalewski, Stadien snr Fbycho- logio des Pessimismus. Wiesbaden, Beigmann, 1904. 122 S.

W. Koppelmann, Kritik des sittlichen BewuAtoeinB vom phSosoplusohen und historischen Standpunkt Bedin, BevCher & Keichani, 1904. 385 S.

J. Baumann, Denifles Luther u. Luther- tum vom allgemein -wissenschaftlichen Standpunkt ans. tangensalsa, Hermann Beyer k Söhne (Beyer k Mann), 1904. 47 S.

Rudo, Methodik des gesamten Volks- schulunterrichts. Unter besonderer Bo- rncksiohtigung der neuen Bestrebungen. II. Bd. Osterwieok. Zitdcfekl, 1904. 498 &

Th. Fritssch, Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Leipsift Bedank

106 S.

Ph. Witkoj), Die Organisation der Arbeiterbüdung. Berlin, Siemenroth.

A. Gleiohmann, Über Herberti Ijehx» ▼enden Stolen deaUnterrichts. 4AafL Langensalza, Hennann Beyer & Söhne (Beyer & Mann).

P. Polack, Aus deutschen Lesebüchern.

6. Aufl. Leipzig, Th. liofmann. J. Norrenberg, Geschichte des natur-

wisaensohafüichen Unterrichts nsw.

Leipsi^ Teubner. H. Quensel, Geht es anfwflrts? Köln.

Schmitz.

A. Bausch, 8chülervereine, Erfahnmgen nnd Ofondsttse. Halle, Waisemhans.

Hilfsbnoh für den franiös. Untoiiiclii Kaihaig, Uwert

TVilk, Die Formengemeinschaften nsw.

Dresden, Scharabach. Ders., Pickels Geometrie usw. 25. Aufl. Ebenda.

Thr Andorf -Meitzer, Beligions - ünt 3. Anfl. Ebenda.

Tögel , Der konkrete Hintergxnnd an

150 Kernsprüchen. Ebenda. Regenor. Skizzen zur Geschichte der

Pädagogik. 2. Auflage. Langensalza,

Hermann Beyer k Söhne (Beyer k

Mann).

Reukauf-Heyn, Lesebuch z. Kirohen- geschichte. Leipzig, Wunderlich.

Mcyer-Markau-Goldschmidt, Duis- burg, Heimaftnade. Bnisbuig, Stein- kamp.

Dr. Monlin-Eckart, Deatsohland nnd

Rom. München, Lehmann, n. 0 0 ni p e r z , Die Lebensanschauung

der gicchischen Philosophie. Jena,

Diederiohs. Meyer-Rosin, Pädagogisches Jahrbuch

1903. Bexlin, Gerdes k HödeL

Bujm k SBfaM (Boyor k HMu) in

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Die Ansfolgernng nnd Ansdentnng allgemeiner Urteile mit positivem Subjekte nnd Prädikate durch Definition nnd Einteilung dieser Glieder

Von

Ignaz Pokorny

THnlailning

Es ist wohl wahr, daß manche Begriffe sich nicht definieren und manche sich nicht einteilen lassen, doch bleibt die Zahl der definierbaren und einteilbaren trotzdem so ^oß, daß die Angabe des Inhalts und die des Urafangs eines Begriffes in der Darstellung und Anwendung der Denklehre und der Wissenschaft überhaupt eine be- deutende Rolle spielt

Ebendarum aber dürfte es kaum überflüssig sein, in einer be- sondern Abhandlung zu erörtern, wie jedes allgemeine (d. h. nicht partikuläre) Urteil mit positivem Subjekte und Prädikate durch die Definition und Einteilung dieser Glieder eine eigentümliche und für gewisse wissenschaftliche Zwecke förderliche Umgestaltung erfährt. So ein Urteil (welches wir der Kürze halber zunächst nur mit U be- zeichnen wollen) wird nämlich, wenn man für sein Vorder- oder Hinterglied dessen Inhalts- oder Urafangsangabe einstellt, verwandelt:

entweder 1. in eine Ausfolgerung des d. h. in eine mit U gleichgeltonde Vereinung (Konjunktion) von Urteilen, die zu U unter- geordnet (notwendige Folgen) und untereinander bloß verträglich sind,

oder 2. in eine Ausdeutung des C7, d. h. in eine mit U gleich- geltende Wahl (Disjunktion) von untereinander unverträglichen Urteilen, von denen eines dem U übergeordnet ist

ZeiUchrin für Fhilosophio ani PUdsKOgik. 12. Jahigsng. 7

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Die hier eingeführten Ausdrücke Äusfolgenmg and Ausdeutung können vielleicht durch andere bessere Benennungen ersetzt werden, die Bildung und den Gebrauch dieser oder gleichbedeutender Wörter hält aber der Verfasser für unentbehrlich, wenn die durch eie be- zeichneten Umwandlungen gegebener Urteile erklärt und ihre An- Wendungen besprochen werden sollen.

Dabei wird der Folgerichtigkeit halber das am meisten gebräuch- liche Verbindungswort für die Glieder einer Veroinung von Urteilen, nämlich imd^ und dasjenig'o, weldies gewöhnlich die Glieder einer Wahl von Urteilen verbindet, nämlich oder^ auch bei Vereinungen, bezw. Wahlen von Begriffen angewendet werden, und zwar anch^ wenn sie im Vordergliede eines Urteils stehen, dann jedoch nur mit der zur Wahrung des Sinnes notwendigen Umschreibung: Was {iffer) A und B ist^ bezw.: Was {ircr) A oder B istJ)

Demgemäß hat auch, wenn eine Definition durch: B = G und I) ausgedrückt wird, dieser Satz die Bedeutung: B ist G und I)^ und was G u}id I) ist, ist B. Ebenso ist, wenn eine Einteilung; durch: B ==■ BDi oder BD^ ausgedrückt wird, damit der Gedanke aus- gesprochen: B ist BDy oder BD^, und was BDi oder BD^ ist, ist B.

A. Bildung der Ausfolgerungen.

Zu einem gegebenen allgemeinen Urteil mit positivem Subjekte und Prädikate {S ist P) bildet man eine Ausfolgerung:

entweder T. nur definierend, indem man für P eine gültige d. Ii. gewiß richtige Angabe seines Inhalts (/^ utid il,) einstellt, so daß da.s Ergebnis lautet: 5 ist JI^ und

oder II. nur einteilend, indem man füs 5 eine gültige An- gabe seines Umfangs {SD^ oder SD^) einsetzt, so daß sich ergibt: Was Sr\ oder SD^ isi^ ist P\ gewöhnlich ausgedrückt: SD^ und SD^ sind P\

oder III. definierend und einteilend, indem man für P eine gültige Inhalts- und für .S* eine gültige Umfangsangabe einstellt. Man erhält dann : Was SD^ oder SD^ ist^ ist 11^ und il^, gewöhnlich ausgedrückt: SD^ und SD^ si7id 11^ und Hj.

Daß das so gewonnene Ergebnis gewiß eine Ansfolgerung des gegebenen Urteils ist, erhellt aus folgender Erwägung:

t. ist es eine angezeigte Verein ung von Urteilen, da es mit einer ausgefOhiten UztailiTereinung gleichgeltend ist und swar:

') Ohne diese Umschreibunt; ist nämlich: A und B sind C der gewöhnliche ▲asdniok fiii: Ä ist C und B tat C und der Satz: A oder B ist C der gewöhnliche Audnok miAiatO odbr B «M C.

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PoKOBirr: Die Aosfolgenmg und AusUeutung allgemeiner Urteile usw. 9ft

bei I mit: 'S ist

wid S ist TL, : bei II mit: SD^ ist' P und SD^ ist P; bei in mit: SD^ ist il, {und) SDi ist 11^ {und) SIK ist und SJj't ist II,.

2. ist jedes Glied dieser ausgeführten Urteilsveremong dem gegebenen Urteil untergeordnet, da es mit diesem immer mift- gültig ist) w&hrend das umgekehrte nicht stattfindet

3. sind die Glieder der Urteilsvereinmng untereinander bloß ▼erträglich, weil sie entweder demselben Begriffe Prädikate bei- legen, die als Glieder einer gültigen Inhaltsangabe untereinander bloß ▼Qlträglich sind (so bei: S ist 11^ und: S ist II,, bei: SDi ist fl^ und: SD^ ist n,, bei: SD^ üt und: SD^ ist U^) oder mit Begnifen, die als Glieder einer regelmäßigen Einteilung untereinander unver- träglich sind, ein und dasselbe Prädikat verbinden (so bei: SD^ ist P und: Sn^ ist P, bei: SDi tat Iii bei: 8Di ist JI^ mid: 8J>^ ist J%).

4. ist die ganze Urteilsvereinniig eine ▼ollständige (er- schöpfende) Angabe^) der Folgen des gegebenen Urteils oder, was dasselbe ist, mit dem gegebenen Urteil gleicbgeltend, demi sie ist der Schlußsatz eines gültigen Schlusses aus dem gegebenen Urteil und einer gültigen Gleichong und hei jedem gültigen Schlüsse ist der Schlußsatz mit einem seiner Vordersätse (einer Prämisse) gleichgeltend, wenn die übrigen gültige Gleichongen sind. Der Schluß lantet nämlioh:

bei l : 8i8t P

P ^ und

8 ist Iii und 1^; bei II: iS2>| oder 8D^ -= 8

8üt P

Was SDi oder SD-^ i^t, ist P;

bei m: SD^ oder SD^ = 8

8ist P P ^ und Hkae 8Di oder SD, ist, ist und

*) Dies soll daB am* in Amfoigenmjf bewiohnen.

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Aufsätze

Zasatz. Die Ausfolgenmg ist wohl mit dem gegebenen Urteil gleiofagdtend, d. h. sie ist mit diesem und dieses auch mit ihr immer milgflltig, doch wäre es ToreiÜg, sie selbst (^a wie die zu ihrer Bildung verwendete Definition oder EinteQnng) fär eine Gleichung zu halten. Dies zu veibQigen, reichen die voiliegenden Schlüsse, bei denen von zwei Vordersätzen nur einer oder Ton dreien nur zwei gewiß eine Gleichung sind, nicht aus, dazu wäre yielmehr er- forderlich, daß jeder der Yordersätze, also auch das g^ebene Urteil, eine Gleichung wäre, während es nach unserer Voraussetzung nur ein allgemeines Urteil ist

Beispiele von Ausfolgerungen:

I. durch eine Definition.

So verwandelt sich das gegebene Urteil: Daa Quadrat ist ein regelniäfsiges Vieleck in die Ausfolp^ernnp:: Das Qtiadrat ist ein gleichseitiges gteichwinkUges Videek; desgleichen der Satz: Die Be- griffe *einfach<t wid ^xvsammengesetxt* sind xtteinander korUrü' düUorisch in das Urteil: Die Begriffe * einfach* und ^xusammen- ge,setxt€ sind miteinander unvereinbar und scfUiefsen ein drittes aus. Die Behauptung: Diese Erscheinung ist eine Farbenxerstreuung lautet ausgefolgert: Sie ist eine gleich xciti je ungleich starke Brechnng der verschiedenfarbigen Bestamltcüe des urifsen Lichtes. In der mittel- hochdeutschen Grammatik bedeutet der Satz: Das Wort »hoeren< ist cm nickumlantendes Zeitwort soviel wie: *Hoereti€ ist ein Zeitwort, hat nne lange Stamvmlbe, schwache Biegung und im Piiiteritnm irir int Mittelwort der Vergangenheit einen nicht umgelautetcn. da- gegen in der Orgcmcart einen ninrjclnfiteten StammsclbsiUuit. Wcun jemand ein Wort z, B. Imlt für eine Parenthoso (einen Sclialt^atz) erklärt, so meint er damit, es sei ein Hauptsatz, der in einon undem Satz (Mn^H'schaltot ist und diesen dem Sinne nach regiert, jedoch auf dessen Form keinen Einfluß übt.

n. durch eine Einteilunj;.

Der Satz: Jede relative Ztihl gihi xum Quadrat erhohen eine pusitii-e Zahl lautet ausfrefolgert : Sowohl jede positirr n ie jede nega- tive Zahl (jihf \ntn (^umlrnl erhoben eine poxitire Zihl. Ebenso ent- steht aus dem Urteil : Jedes iconrexe Viereck hat innere Winkel^ deren Summe vier Heehte hei ragt die Ausf olgerunp^ : Das J Parallelogramm, das Trape\ und das Trope \oid hohen innere Winkel, deren Summe vier Rechte beträgt. Aus: Jedes gleichseitige Parallclogratfnn hat Diagonalen, die aufeinander senkreeltt sfeheti wird: Soirohl das Quadrat als aarh iler Rfiombus haben Di/n/oualen, die aufeinamh r senkrecht steiien. Zu dem Urteil: Jedes allgenieiue kategorisdie Urteil

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PoKORKY: Die Aasfolgerung und Ausdeutung aligemeiuer L'rteiie u.sw. 101

ist glcirhfjeUfttd iiiii srliin' Kotilraposlllon ist eine Ausfolgorung:: N'uhi ufir jrdes jiosiiivv, soitdvrn auch jt-dcs //r(/ntir«' alUjrnifinf kai<- (jormhc Urteil ist (ileichgeltcud mit seiner Kofitrajjositiou.^) Aus: Jedt Ulfige Silhr ist für die Urhung de^ lateiniseheu daktglisehen Ihmineieri; geeignet er^bt sich: Soirohl jede ron Sntiir lange als Icdr tinreh sogenannte Pnsifion laiigr Sillir int für die Hebuiig des UUeinischen daktglisehen llesann ters geeignet.

ni. durch eine Definition und eine Einteiluno:.

Wenn das Urteil g^egeben ist: Jeder platonische Körper ist ein konvexes regelmäfsiges Polgeder, so lautet seine Ausfi^lperung: Das Tetraeder, Oktaeder, Ikosaeder, Hexaeder and Dodekaeder sind Poly- eder, die von lauter regelmäfsigen und kongruenten Flächen begrenzt sind und lauter reget nu'ifsigc, kongruente Ecken hohen. Oder es sei der Satz gegeben: Jede periodisehe Iknegung bringt ntuh Ablauf einer Periodr das lieuegte in die Pheise, in der es sieh unmittelbar vorher befand. Dann gilt die Ausfolfrerun;:: Sou ohl jede jxriodisehf Sehwinffung als auch jede periodi.^ehe {vollständig( } Drehung gibt nach Ablauf einer Periode dem Beuajten dieselbe ränndichc Lage^ dieselbe Betceffungsruhtung und dieselbe Geschwindigkeit, die es un- mitteUmr vorher hatte. Ebenso verwandelt sich das Urteil: Jedes grofse Leiden.^ in dem der Leidende sittlichen Adel betätigt, ist tragiech in den Satz: Sowohl jedes selbstverschuldete, als auch jedes niehi selitstverschtUdete grofse Leiden eines Menschen., in dem dieser siU' Ikhen Adel betätigt., erregt unser Mitleid und wirkt ofifime xugleick erhebend,

B. Praktische Bedeutung der AuBfolgerungcn.

L Jede Aasfolgerang ist, mag nun das gegebene ürleil (ü) an sich gültig sein oder nicht, jedenfalls eine verdeutlichende Zer- legung des in U ausgesprochenen Gedankens und da sie diese Yerdendichung durch Angabe einer gleicfageltenden Yereinnng Ton dem ü untergeordneten und untereinander bloB Tertrfiglichen Urteilen gewährt, so ist sie im Reiche der Urteile genau dasselbe, wie im Reiche der Begriffe die bei jeder Definition eines Begriffes (J3) ▼orkommende Inhaltsangabe {O imd P), die ja auch eine dem B gleichgeltende Yereinung Ton zu B abergeordneten und untereinander blofi yertriglichen Begriffen ist Daß die Definition au B Über- geordnete Begriffe, die Ausfolgerung aber au 17 untergeordnete Urteile angibt^ begründet swisohen diesen beiden Operationen keinen Unter-

>) Gemeint ist: Ä ist immer B mm Wo» nieht B ist^ iet imtmr Mi A «id: Ä üf immer meht B B %»t immer nidU Ä,

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schied, da bei beiden tatsächlich dasselbe geschieht, nämlich Gedanken vorgeführt werden, die mit dem gegebenen immer mitgültig sind, aber nicht umgekehrt; nur daß man diese zufolge eines (nicht folge- richtigen, aber) allgemein herrschenden Gebrauches, wenn es sich um Urteile handelt, unteigeordneti wenn es aber Begriffe betrifft übergeordnet nennt.

II. Überdies ist, wenn das gegebene Urteil gewiß richtig ist, auch jede regelrecht gebildete Ausfolgerung desselben ein gültiges Urteil, denn sie ist dann ein streng abgeleitetes, d. h. ein durch einen gültigen Scliluß aus lauter gültigen Vorder- sätzen gewonnenes Urteil. Als Beispiele hierfür dienen alle unter A angeführten Ausfolgerungen.

TIT. Wenn das gegebene Urteil nicht gewiß richtig ist so ist durch den zur regelrechten BUdung der Ausfolgening führen- den Schluß, weil einer der Yonlersiitze kein gültiges Urteil ist, die Gültigkeit der Ausfolgerung nicht verbürgt; so viel aber ist auch dann noch gewiß, daß das durch diesen Schluß gewonnene Urteil wirklich eine Ausfoigerung des gegebenen Urteils ist und daher:

1. mit dem gegebenen Urteil immer niitgilt, zu ihm eine notwendige Folge bildet. Und dies berechtigt, da mit der Folge auch der Grund aufgehoben wird, zu dem häufig angewendeten Vorfahren, daß man ein gegebenes Urteil widerlegt, indem man zu ihm eine Ausfolgerung bildet und dann zeigt, daß diese ungültig ist. Und zwar genügt zu diesem Zwecke, weil die Ausfolgerung eine Ver- emung von Urteilen ist, und weil nicht nur die ganze Ausfolgerung, sondern schon jedes einzelne ihrer Glieder eine notwendige Folge des gegebenen Urteils ist, auch schon der Nachweis der Ungültigkeit eines solchen Gliedes.

Zu dem Urteil: Diese Tat ist ein Diebstahl lautet eine Ausfolge- rung: Diese Tat ist Entxiehung einer fremden beweglichen Sache aus eines andern jßesitx^ ohne des Besitzers Einwilligung und in gewmnsüehüger Absiekt geschehen. Wenn sich nun auch nur ein Olied dieser tJrtoilsirereiiiung als ungültig erweist, ist diese und mit üv auch das gegebene Urteil ungültig. Daß dies auch toh einteilend gebildeten Ansfolgerungcn gilt, lehrt die ^btsaehe, daß der Satz: Äüe Plandm bewegen sich innerhalb der Grenzen des Tierkreises auf- gegeben weiden maßte, als man festgestellt hatte, daß die FkiUas diese Grensen übeiscfareitet Aach maßte man aafhöxen, alle Metalle für schwerer als Wasser m halten, als dies besilglich des Kaliams and Natrinms fttr nnzichtig erkannt worden war. Ebenso bildet der

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Pokobxy: Die Audfülgeruog und Ausdeutung allgemeiner Urteile usw. 103

Umlauf des Nephmmondes ein HiiKlernis für die Aufstollnn? des Satzes: AUp Umlaufs- und Rotationshr/rn/foigrfi So/inensy.steme erfohjiN. vom Polarsterm aus gesehen^ yu^u den Sinn df.f Uhr- xeigcr.s. Auch darf man unter die allgemeinen Eigenschsiften der Körper die Porosität nicht zählen, weil diese Eigenschaft dem Glase nicht zukommt

2. Da jede regelrecht gebildete Ausfolgerung mit dem gegebenen Urteil gloichgelteiid ist, so ist niclit bloß sie mit diesem immer mit- gültig, sondern auch das gegebene Urteil zu ihr eine not- wendige Folge.

In diesem Sinne bereitet man den direkten Beweis eines gegebenen Urteils oft vor, indem man aus ihm mit Hilfe einer Inhaltsangabe oder einer Einteilung oder beider eine Ausfolgerung bildet, um sodann, den Gedankengang dieses {Schlusses umkehrend, aus der Gültigkeit der Ausfolgerung (oder was dasselbe ist, aller Glieder dieser Urteilsvereinung) und Jener lülfspriimissen (der Inhalts- angabe, der Einteilung oder beider) die Gültigkeit des gegebenen Urteils zu erschließen. Dann geht, wenn die Richtigkeit des Urteils: S ist P vergewissert werden soll,

a) aus dessen definierender Ausfolgerung der sogenannte kon- janktive Schluß und Beweis hervor, bei dem die Inhaltsangabe des P der Mittelbegriff ist und der Grundgedanke lautet: <S ist P, weil 8 alle Merkmale des P hat.

So zählt man einen Menschen auf Grund der Kennzeichen: kxwiseB Haar, Tontehoide Eiefsr, mÜBtige lippen, stampfe Nase usw. rar ftthiopisohem Basse und ftberiiaupt jeden Natoiközper anf Gnind einer Gruppe von MerianaleU) die er besitst, sn einem gewissen Typus, m einer gewissen dasse, Esmilie, Gattung und Art Ebenso wird oft vergewissert, daß eine bestimmte Krankheit, daS eine Schenkung, ein Kauf oder ein Betrug, eine LOge Toiüegt In der- selben Art spricht Gioero in der Bede pro lege Manilia fttr die Wahl des Pompeius, weil dieser alle Bigenschaften besitse, die ein F^dherr haben mufi, tun den Eri^g der Börner gegen Hitfaridates glflckiioh zu Ende za führen. Hierher gehört auch jeder Nachweis, dafi zwei Be- griffe oder zwei Urteile in einem gc^vissen eindeutig bestimmten Yerhältnisse stehen, z. B. in dem des Widerstreits, weil sie mitein- ander unvertrSgiich smd und ein Drittes nicht ausschlieften. Dafi endlich das an bd anerkmnm in Sätzen, die die gewöhnliche Wort- folge eines Hauptsatzes haben, nach den Aussageformen (von erkennen) stehen soll, könnte in folgender Weise bewiesen werden: i^Jn€ ief Mer die nähere Beetimmung eines ZeShoorles^ hat einen dieses

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104

Anftifae

Überragenden Hauptton^ tat muh ah sMständiges Wort in der Sehrift- spraehe gebHiudiUchy üt mit dem Zeiheorte mekt fest xuMmmen- gesetzt {wie sich an der Form »anxtterkennen* xeigi) und das ganze

Verb ist auch mekt von einem bereits xuaanimijesetxUn Nomen {wie etwa >Änerkmniimg^) abgeleitet. Jedes BesHmmungsufort aber, bei dem alle diese Merhnale xidreffen, soll in $ätxm, die die gewöhnUdie

Wortfolge eines Han^tsaixes haben^ nach den Aussageformen stehen.

b) Die eintailende Ausfolgerong des gegebenen Urteils (Sist P) führt zum sogenannten induktiven Schiasse und Beweise, bei dem eine Einteilung des S den Mittelbegriff bildet und der Orond- gedanke ist: 8 ist P, tceil alle JBtÜle des S {d, h, alle seinem Um- fang angehörigen Einzelwesen oder Arten) P sind.

So wird der Satz: Jeder Peripheriewinkel ist gleich der Hälfte des Zentriwinkds über demselben Bogen bewiesen, indem man zeigt, dafi das Prftdikat dieses Satzes jeder von den drei möglichen Formen des Peripheriewinkels zukommt Daß das Volumen eines geraden Prismas gleich ist dem Produkte^aus der GrundfUiche und der Höhe, beweist man nacheinander für die lüle, daß die Grundfläche ein rechtwinkliges, ein schiefwinkliges Paiallelognunm, ein Dreieck oder endlich ein beliebiges Polygon ist Oft wird auch dargetan, daß ein Satz von den verschiedenen Arten der Zahlen gilt, um die Übet^ Zeugung zu begründen, daß er för alle Zahlen Geltung hat* Sbpplees erstes Gesetz der Planetenbewegung wurde von seinem Urheber und dessen Nachfolgern für den Mars, die Erde und jeden einzelnen der übrigen Planeten erwiesen. Daß es eine allgemeine Eigenschaft der Korper (z. B. die Undurchdringiichkeit) gebe, weist man immer an den starren Körper, den Flüssigkeiten und den Gasen nach. In der lateinischen Grammatik kann man mit Vorteil lehren : Die ^ur driUen Konjugation gehörigen Zeitwörter mit J- Stämmen sind capiOf eupio, fado, fodio, fugio, iado^ pario, qnatio, raino^ mpio, laeio^ speeiOy gmdior, ynrnior^ pafior. Alle diese haben einen kurzen Stammvokal. Alna iiaben alle der dritten Konjugation angehörigen Verba mit Stammen n'nen kurzen Stammvokal. Ebenso zeigte Sox>*enfels, daß die früher übliche Anwendung der Folter im str»^richtUchen Ver- fahren ungerechtfertigt sei, weil dies von allen einzelnen Fonnen ihrer Anwendung (zur Erzielung eines (Geständnisses, zur Bestrafong eines wahrscheinliclien Verbrechens oder zur Absclireckung anderer) sich nachweisen lasse. Ein Schachspieler endlicli erklärt sich auch erst dann für matt, wenn er sich überzeugt hat, daß dies wirklich für alle einzelnen ihm noch zu Gebote stehenden Züge gilt.

c) Die definierende und einteilende Ausfolgerung eines gegebenen

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Pommr: Die Aiisfolgerung und Anadentang allgemeiner üiteOe nsv. 105

Urteils {S ist P) wird, wenn man den Gedankengang umkehrt, zu einem einerseits konjunktiven und andrerseits induktiven S'cliluüse und Beweise, bei dem einerseits eine Inhaltsangabe des P, andrerseits eine Einteilung des S den Mittelbegriff bildet und der Grundgedanke Lst: S ist P, iceil allr Fälle des S alle Merkmale de^ P liaben.

In dieser Weise wird vorgegangen, wenn man den Satz: Edle MäaUe bilden Oxyde, die erhitzt in Satterstoff und Metall xerfaüen beweist, indem man vom Quecksilber zeigt, daß es ein Oxyd bildet und daß dieses erhitzt in Sauerstoff und Quecksilber zerfällt, dann aber dartut, daß diese Sätze nicht nur vom Quecksilber, sondern auch Tom Silber, Gold, Pktm und den Platiiimetalleii gelten. Ton gMcher Art ist der Beweis des Satses: Die Meiaäe sind gute Wärme- bUer, wenn man nacheinander yon allen einsselnen Metallen zeigt, daß sie Wftime schnell aufiiehmen, schneli in allen Teilen desselben Oegenstandes veibreiten nnd schneli an andere Körper niedrigerer Temperatur abgeben. Hierher gehört es auch, wenn der Satz: Die orgumseken Wesen atmen bewiesen wird, indem man einerseits von den Tieren, andrerseits aber anch von den Pflanzen zeigt, daß sie aus der Luft Saneistoff aofnehmen, durch Oxydation des in ihnen enthaltenen Kohlenstoffes Kohlensäure bilden und diese zeitweilig aus- scheiden. Daß die harten Tonarten sich von den gleichnamigen weichen durch den dritten nnd den sechsten Ton unterscheiden, «fbde induktiv und Konjunktiv bewiesen, wenn man zeigte, daß in der harten 0-Tonart E und A, in der weichen aber Es und As, in 0-Dnr H und E, in 0-Moll 6 und Es, in D-Dur Fis und H, in D-HoU aber F und B vorkommen usw.

Bemerkenswert ist, daß alle diese Beweisarten, welche durch die Auafolgemng vorbereitet werden, eine Eigenschaft haben, auf die bei der Beweisführung mit Recht besonders Gewicht gelegt wird. Daß man sich nSmlich bei jedem Beweise eines gültigen Schlusses bedienen und jeder von den Vordersätzen gültig Sern muß, sind wohl wesentlicfae ^ordemisse eines regelrechten Be- weises, es sind dies aber Forderungen, die auch bei andern An- wendungen der Schlüsse vorkommen und regelmäßig nicht schwer zu eiffUlen sind. Dem Beweise eigentümlich aber und eine Mahnung zu großer Vorsicht ist die dritte Forderung, daß kein Beweisgrund (Argument) verwendet werde, für dessen Gültigkeit die des gegebenen Urteils eine notwendige Bedingung bildet, widrigenfalls man in den unter dem Namen der petitio principii berüchtigten Beweisfehler ver- fallt Und gerade in dieser wichtigsten Beziehung ist bei unsem Be-

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106 Aufsätze

weisen ihre Regelrichtigkeit immer verbürgt, denn bei ihnen geht die Überzeugung von der Gültigkeit des gegebenen Urteils aus der Gültigkeit der einzelnen untergeordneten Urteile iiervor. Zu diesen ist aber das gegebene Urteil keine notwendige Bedingung, vielmehr sind gerade umgekehrt die zwei oder mehrern untergeordneten Urteile notwendige Bedingungen des zu beweisenden tSatzes. C. Bildung der Ausdeutungen.

Zu einem gegebenen allgemeinen Urteil mit positivem Subjekte und Piiidikate {S ist P) bildet man auch eine Ausdeutung entweder nur definierend oder nur einteilend oder definierend und einteilend.

I. Nur definierend geschieht dies, indem man für S eine gültige Angabe seines Inhalts {2^ nnd ^) einstellt, so daß das Er- gebnis lautet: Was 2^ und '^^> ^•

Daß dieser Satz eine Ausdeutung des gegebenea UrteÜs ist, er- gibt sich aus folgender BetraChtong:

1. ist er zwar unzweideutig, insofeni mit der Yeroiiiung von und immer P mitgültig ist, aber nicht hinsiohtlieh der Frage, eb dabei ein Glied der Tereinung für die Mitgöltigkeit des P ent> behrlich sei oder nicht Der in Bede stehende Sats ist daher eine angezeigte Wahl von Urteilen, da er gleichgeltend ist mit der ausfOhrliohen ürteilswahl:

P (1. Deutung) oder 2| ist immer P (2. Deutung)

oder was nidit nur Si sondern auch i^, ist immer P <3. Deutung).

Zur Teranschaulichung, wie sich die Wahl gestaltet, wenn die Angabe des Inhalts von S mehr als swei Glieder hat, sei hervor- gehoben, daß z. B. bei drei InhaltQgliedem ^) die aus- gefOhrte Ausdeutung lautet:

Entweder ist immer P (1. Deutung)

oder ist tmmer P (2. Deutung)

oder ist immer P (8. Deutung)

oder was nickt nur sondern aiu/eh ist, ist immer P <4. Deutung)

oder was niiAt fwr sondern awsh ist^ ist immer P <6. Deutung)

oder was niekt nur sondern auch ist, ist immer P <6. Deutung)

oder was nicht nur und 2^ sondern auch ^ ist, ist immer P <7. Deutung).

Bei n Inhaltsgliedem betrigt die Zahl der Deutungen (Kombi-

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Pokokny: Die Ausfolgeruog und Ausdeatong allgemeiner Urteile uäw. XOl

nationen ohne Wiederholung) n Unionen, Amben, Temen,

Quatemen, Qiiinteraen usw.

2. ist jedes Glied dieser Urteilswahl, wenn es überhaupt gültig ist, ein dem gegebenen übergeordnetes Urteil, da dann mit ihm das gegebene immer mitgüitig ist, aber nicht umgekehrt;

3. sind die Glieder jeder so gebildeten Urteilswahl iinterein- aader unvereinbar (so daß nur eines dem gegebenen wirklich

übergeoidnetseinkann), weil jedes vonihnen etwas für {uf^entbehiUcii}

eridärt, was nach den andern Urteüen {^^Swhplil^^l

4. muß, wenn das gegebene Urteil gUt, eines von den Gliedern der Urteüswahl gelten. Diese ist nämlich eine Tollständige (er- schöpfende) Anf zählang der möglichen EKlle,^) da die angeaeigte Ansdentong mit dem gegebenen Urteil gl eichgeltend ist und swar als Schloflsats eines gültigen Schlusses ans dem gegebenen Urteil und einer gültigen Gleichung. Dieser Schluß lautet nämlich, wenn J| und die Inhalteglieder sind:

Ji und S 8 ist immer P Was und ist, ist immer P, und wenn und ^ die Glieder der Inhaltsangabe sind:

S^^ und ^ 8 8 ist immer P

Was 2^, und ist, ist immer P. Beispiele. Wenn der Satz gegeben ist: Jedes Quadrat ist em Tangentenmereek und ffir das Yoideiglied dieses Urteils seine Inhalts- angabe eingestellt wird, lautet das Eigebnis : Jedes gUiekseitige recht- winklige Parallelogramm ist ein Umgentenviereßk. Dieser Satz ist allerdings insoweit unzweideutig, als er behauptet, daß alles, was zu- gleich ParaUelognunm, gleichseitig und rechtwinklig ist, auch ein TangenteuTiereck sein muß. Dagegen ist er eine (angezeigte) Urteüs- wahl, inaolsm er es unentschieden läßt, ob nicht jedes Parallelogramm oder jede gleichseitige oder jede rechtwinklige Figur ein Tangenten- Tiereck ist, oder diese Aussage erst einem Vieleck zukommt, das nicht nur ein Paiallelognumn, sondern auch gleichseitig oder nicht nur etn Fandlelognanm, sondem auch rechtwinklig ist, oder nicht nur gleichseitig, sondem auch rechtwinklig, oder endlich nicht nur ein Paiall^ogzamm und ^eichseitig, sondem auch iecht?rinkiig. Von

■) IMes 1011 das «MW in Autdeuiimg besdfibiMD.

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108 AniiBtM

dieser Urteilswahl ist aucli wirklich nur ein Glied gültie;, und zwar derjenige Satz, der (mit Auslassung eines Tiliedes der Iniiultsungabe) erklärt: Tfo« nicht nur ein Paralleloff ramm, .sondern auch ffleich- seitig isty ist ein Tangentenviereck. Aus dem Satze: Die Schwefel- säure färbt blaues Lakmuspapier rot geht, wenn man für dessen Yorderglied seine Inhaltsangabe einsetzt, henror: Diejenige Säure., die am Sulfai efUsiehi^ färbt blaues Lakmuspapier rot, eine Ausdeutung, Ton welcher nur ein Urteil wirklich gilt, nämlich: Alle Säuren färben hUmsB Lakmuspapier rat* Daß bisweilen in dem einen eich scUieß- Hoh als gültig erweisenden Urteil aach mehr als ein Inhalteiglied ans- fiUlt, zeigt sich s. B., wenn wir das Urteil ansdeuten: Jeder Würfel hai einander halbierende Diagonalen. Da eigibt sich: Jedes gleitk" seiHge und rechiwinldige Bmraüelepipcd hat einander haUierende Diagonalen, Yen den in dieser angezeigten Urteilswahl enthaltenen sieben Urteilen gilt da^enige wirklich, welches (mit Anslassung zweier Inhalt^lieder) behauptet: Jedes Poaraüelepiped hat einander halbierende Diagonalen, Damit wir aber andh solche Beispiele anführen, wo in dem schließlich sich als gültig erweisenden Urteil alle Inhaltsglieder des S vorkommen, sei auf den Satz aofmerksam gemacht: Jedes regel- mäfsige Vieleck ist ein Sehnen- und Tnmgenienvideek. Wenn wir hier den Inhalt des -Yordeigliedes zerlegen, so erhalten wir: Jedes gleich- seiHge und gleichwinklige Vieleck ist ein Sehnen- und Tangenten- vielem und dieses Urteil ist einer Wahl von sieben Urteilen gleich- geltend, von denen nnr dasjenige wirklich gilt, welches alle Inhalts- glieder des Begriffes regelmä feiges Vieleck enthält Ebenso wird: Jedes probtemaHsche Urteil ist unvollendet Terwandelt in: Jedes ürteH, das ni^ gewifs riehtig und nicht gewifs unrichtig ist, ist unwdlendet, welcher Satz nicht gfiltig bleibt, wenn man einen Be- standteil seines Yordergliedes wegläßt

n. Nur durch eine Einteilung bildet man zu: SistP eine Ausdeutung, indem man fOr P eine gültige Angabe seines Umluigs (Pi)i oder PD,) einstellt, so daß das Ergebnis lautet: S ist entweder PDi oder PD^,

Daß das so gewonnene Urteil wirklich eine Ausdeutung des ge- gebenen ist, ergibt sich aus folgender Erwägung:

1. ist es eine angezeigte Wahl von Urteilen, da es mit einer ausgefOhrten Urteilswahl gleichgeltend ist Diese lautet:

a) wenn S ein Einzel begriff ist:

Entweder S i.st (jpdrnfalh) Pr\ (1. Deutung)

oder S ist {jedenfalls) PD^ (2. Deutung).

Hat die Einteilung des F außer PD^ und FD^ noch ein oder

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PoKOonr: Die Ausfolgeroog und Aoadrataiig allgemeiner Urteile asw. 109

mehrere andere (Hieder, so wachsen aach in der ausgeffihrfcen Aus- deutung ehensoviele Deutungen hinzu^ x. 6. hei drei EÜnteilungs- gUedem: 8 üt {jedenfaUa) P2>,;

h) wenn aher 8 ein allgemeiner Begriff ist, so lautet die auQgeföhrte ürteüswahl:

Eniweier 8 tat immer PDi (1. Deutung)

oder 8 ist immer PD^ (2. Deutung)

oder 8 ist bisweilen PD^ und bisweilen PD^ (3. Deutung).

Zur Yeruischaulichung, wie sich die Wahl gestaltet, wenn die Einteilung des P mehr als zwei Glieder hat, sei hier noch hervor- gehoben, dafi sie z. B. bei drei Eünteilung^edem lautet:

Entweder 8 ist immer PDg (1. Deutung)

oder 8 ist immer PD% (2. Deutung)

oder 8 ist immer PD^ (3. Deutung)

oder 8 ist bisweilen PDi itnd Insweäen PD^ (4. Deutung)

oder 8 ist bisweüen PDi und bisweilen PD^ (5. Deutung)

oder 8 ist bisweikn PD^ und bisweilen PD^ (6. Deutung)

oder 8 ist bisweilen PDi^ bisweilen PD^ und bisweüen PD^ (7. Deutung).

Hier bedeutet das Wort bisweHenj wo es zum eisten Haie steht: XU einer gewissen Zeit, xu gewissen Zeiten oder unter gewissen Um- ständen, wo es nicht zum ersten Male steht: XU einer gewissen ü/ndem Zeit, XU andern Zeiten oder unter andern Umständeny am Schlüsse: XU aUen Übrigen Zeiten, unier aUen itinigen Umständen, in allen übrigen MUen,

Bei n Einteiiungsgliedem des P betrfigt die Zahl der Deutungen

(Kombinationen oline Wiederholung) auch hier /* Unionen ^'jj Amben,

^^j Temen, Quatemen, ^'^^j Quintemen usw.

Wenn 8 nicht nur ein allgemeiner, sondern auch ein Klassen begriff ist, so hat die Ausdeutung, mag sie wie immer sprachlich ausgedruckt sein,

a) bei zwei Einteilun^sf^liederu den Sinn: Entweder Alle S sh/d PL\ (1. Deutung) oder Alle S sind PIK (2. Deutung)

oder Ein oder rini<ie S sind PD^ und ein oder einige andere 8 nitid PD^ (3. Deutung).

Für Sätze wie die soeben angeführte 3. Deutung tritt oft ohne Änderung des Sinnes folgende kürzere Ausdrucksweise ein: Die 8 sind teils PD^, teils PD^ ,

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110 Auftttie

bei di«i BlnteüungsgHedeni {PD^, PD^ und PD^): Entweder Alk S sind PD^ (I. Deutung) oder AUe 8 and PD^ (2, Deutimg) oder AOe 8 wnd PD^ (3. Deatong) oder Die 8 sind teUa P17„ teile PD^ (4. Deutung) oder Die 8 sind teils P2>„ teüs PD^ (6. Deutung) oder Die 8 sind teils PD^, teils PD^ (6. Deutung) oder Die 8 sind teils PjD„ teils PD^, teils PD^ (7. Deutung). Analog bei mehr als drei Einteflungs^iedem.

2. ist jedes Glied einer so gebildeten ürteilswahl, wenn es Uberhaupt gültig ist^ ein dem gegebenen übergeordnetes Urteil, da dann mit ihm das gegebene immer milgültig ist, aber nicht um- gekehrt

3. sind die Glieder so einer Urteilswahl untereinander un- vertrfiglich (so daß nur eines dem gegebenen wiiMich ^beigeordnet sein kannX weü jedes Ftor dieser Urteile entweder allen 8 oder doch genau denselben einigen 8 unverträgliohe Prädikate beilegt^ und dies sind 8Di und 8Dt. bezw. 8Di, 8D^ und iSD, als Glieder einer göltigen Einteilung.

4. mufi, wenn das gegebene Urteil gilt, eines von den Gliedern der in vorstehender Weise gebildeten UrteUswahl gelten. Diese ist nfimlich eine vollstfindige (erschöpfende) Aufx&hlung der mög- lichen ItUle,') da die angezeigte Ausdeutung mit dem gegebenen Urteil gleichgeltend ist und zwar ab Schlufisats eines gOltigen Sdhlusses ans dem gegebenen Urteil und einer gültigen Gleichung. Dieser Schluß lautet nfimlich,

wenn PDi und P2>, die Einteilunggglieder sind:

Sist P

P PDi oder PD, 8 ist PDt oder PD^, und wenn PD|, PD, und PDt Äe Einteilungsglieder sind:

8ist P

P PDi oder PD^ oder PD^ 8 ist PDi oder PD^ oder PD^. Beispiele: a) Fälle, wo das Vorderglied des gegebenen

Urteils ein Einzelbegriff ist Eine Ausdeutung des Urteils: Diesels- Fädchen ist eine Nervenfaser ist der Satz: Es üt entweder {jedenfalls) eine sensible oder {jedenfalls) eine motorische Nervenfaser. Eboiso verhält sich zu: Dieses OdiUde ist ein Nervenstrang der Sats:

^) Damm «ißh hier das Wort am in Arndmim^.

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Pokobkt: Die Ausfolgemog und Auadeatang aUgemeiaer Urtöle usw. HX

Ef ist entweder (Jedenfalls) ein rein »msibler oder {jedenfalls) eifi rein ^notorischer rxler (jedeN falls) ein gemischter Nervenstrang, Zu: Diese an dar Tafel vcrxpiclnuiv Figur ist ein Dreieck p:ohört die Wahl: Sie ist enticeder (jedenfalls) ein ungleichseitiges oder (jedenfalls) ein ghiclischenkliges oder {jedenfalls) ein gleichseitiges Drrirrk Da ferner 101 eine von 1 verschiedene Zahl ist und jede solche Zahl entweder eine zusammengesetzte oder eine Primzahl ist. so ergibt sich: 101 ist rftfiredtr { jeden falis) eine xnsnmniengesetxte oder (jeden- falls) eine Prinr.ahl, zwei Möglichkeiten, von denen sich die zweite als gültig enveist. Auch können wir sagen: Der gan\r Wnt\)itan}i, jrie er in einem l)estinnnf('// Angenhliehe ist, ist ein (tehirgsstock, der entweder (jedenfalls) nolkenfiii oder {jedenfalls) )iich1 uolkenfrei i^t. Zu dem Urteil: Das Wort r Uifl^ in diesem Sat\< ri/f deidsehes Haupt irort lautet eine Ausdeutung: Ks ist eutireder (jedeufalla) nutan^ Uch oder (jeden falls) u-eihlleh oder {jedenfalls) sürhlieh.

b) Fälle, wo das Vorderglied des gegebenen Urteils ein allgemeiner Begriff ist.

Handelt es sich nicht um den Watzmann. wie er in einem be- stimmten Augenblicke ist, sondern um den AVatzmann überhaupt, so müssen wir zu den Sätzen: Er ist entweder jedenfalls nolken frei oder jedenfalls nieht wolkenfrei das dritte und dann wirklich zutreffende Urteil hinzufügen, er sei bisweilen wolkenfrei und bisweilen nicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Worte Qift^ wenn wir es nicht bloß an einer bestimmten einzelnen Stelle ins Auge fassen, sondern wie es überhaupt vorkommt. Dann hat die Ausdeutung: »6^//7« /,s7 ent- weder ein männlielies oder ein ireibliehes oder ein sächliches Ilanpt- wort nicht bloß den Sinn: Es ist entweder immer mäntdieh oder immer tveiblich oder imtner sächlich , wir müssen vielmehr hinzu- fogen: oder bis weilen männlich and bisweilen weiblich^ oder bisiveilcn männlich und bisweilen sächlich, oder bisweilen weiblich und bis- weilen sächUcli, oder bisweilen männlicJi, bisweilen weibUch und bis' weilen eäehUch, Urteile, von denen nur das letzte gilt, da *Oift* in der Bedeutung »Ärger* männlich, in der Zusammensetsnng * Mitgift* weiblieh und im Sinne von ^venenum* sächlich gebntneht wLrd. Während sich im ietztangefübrten Beispiel die 7. Dentung als gültig erweist, vetfaält ee sich anders, wenn wir an Stelle von Qift eines der (nicht als Bigennamen gebrauchten) Wörter ESnig^ Frauy Land, JEufiife, Schild oder Mofa setaen. Benn von den so für jedes dieser Wörter snr Wahl stehenden sieben Dentnngen gilt bei ESmg die erste (es ist immer männlich^ bei Ihm das zweite (es ist immer weiblich), bei Land das dritte (es ist immer sächlich^ bei Kunde das

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vierte (es ist teils männlich, teils weiblich), bei Schild da.s fünfte (es ist teils männlich, teils sächlich), bei Mafs das sechste (es ist teils weiblich, teils sächlich). Hierher gehört auch, daß man aswar einer und derselben Person für ein und dieselbe Zeit, für einen und den- selben Entwickluno:szustand nicht Prädikate beilegen darf, die unter- einander unverträglich sind, wohl aber für vorsoliiodone Zeiten und Entwicklungsstufen, weil in lotzterm Falle der Be^^riff dieser Person sicii einteilen läßt und also nicht mehr ein Einzelbegriff ist. Xicht nur Leute wie Alkibiades, wir alle ändern uns, wenn auch nicht geradeso wie dieser, im Verlaufe unseres Daseins und luibeu zu ver- schiedenen Zeiten nicht nui* verschiedene, sondern oft auch entgegen- gesetzte Eigenschaften.

Für Fälle, wo das Vordor^^lied des geirebenen Urteils ein Klassen- begriff ist, lassen sich folgende Beispiele anführen. Aus dem i^atze:

Erijcbvis ciucr Division ist ein Bruch und einer Einteilung des Begriffes Bruch erhält man die Ausdeutung: Das Ergebnis der Division ist entweder ei/t echter oder ein unechter Bruch und von den drei in diesem Urteil enthaltenen Deutungen gilt wirklich : Das Krfjehnis der Division ist fjisuei/en ein unechter timi l/isucihn ein echter Brurlt. Ebenso geht aus: Jeder d/ssonieretule Akkord enthalt {/renigstcns) ein dissonieretules Intervftll iiervor: Jeder dissonierende Akkord enthalt cntu-eder eine Sekunde oder eine Septime oder ein übermäfsiges oder ein rerniinderles anderes Intervall, eine Ausdeutung, von welcher nur jene Deutung gilt, bei der kein Glied der Einteilung ausfällt. Wenn ferner gegeben ist: Alle Fasern des menschlichen Trigeminus sind Nervenfasern, so lautet eine Ausdeutung: Kntweder sind sie alle sensible oder alle nwtorische Xerre/t fasern oder was wirklich dei' Fall ist teiLs sensibel teils motorisch. Während die bisherigen Beispiele mit einem Klassenbegriffo im Yordergliede des gegebenen Urteils von der Art waren, daß dasjenige Glied der Urteils- wahl wirklich galt, welches alle Glieder der Einteilung des Prädikates enthielt, zeigen auch hier viele Falle, daß dies nicht immer zutrifft So ist 68 z. B. wohl wahr, dafi jedes rechtwinklige Dreieck ein Dreieck und daß die Brdeeke teils gleichseitig, teils gleichschenklig teils an- gleichseitig sind, es gilt auch die nach der obigen Fonnel ge- bildete Wahl von sieben Urteilen, von diesen gilt aber nicht das siebente {Die redUwinkUgm Dreiecke sind teils gkkhseUig^ tat» gleichschenklig, ieHs ungleiehseitig), sondern das sechste {Die rscAI- winkUgen Dreiecke sind teils gleichschenklig, teils ungleiehsäUg). Oder es ist g^ben: Jeder voUsiändige deutsche Nebensaix ist ein 8atx mU einem aussagenden Zeitwort nnd es kommt hinzu: Jeder Satx

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Pokorny: Die AuüfolgeruDg uud AuiideutuDg allgemeiner Urteile usw. 113

mit einem aK.ssayendett Zcitirnrt ist entweder ivdihutiiiscJi oder koitjmikti risili oder ijiiperatiriscli . Hieraus folget: Jeder roll.sUindige deutsrhv XfheiLsaii ist entwedir indik/itivi.sch oder konjunktivisch oder impe rat irisch, von weicher Ausdeutung aber nur da-s Urteil gilt, welches wohl indikatirisch und kof?Ji(nktirisch festiiiilt, jedoch impera- tivi.seh w(\irläßt. Daß sich von den niehrern nj(»glichen Deutungen auch eine solche als gültig erweisen kann, von den Einteilungs- gliedeni des Prädikates nur eines festhält, zeigt folgendes Beispiel. Aus: Alle Alijrn sind krt/]tlo(/ame PfUin\e)i und: die Kri/pt(Mj<n/ten sind teils lAattlose^ tiils l/lattlntdende, teils Oefdfakrifpfof/nmcN geht wohl hervor: Die Alyen sind enttreder blattlose oder blatthildeude oder Oe- fdfskrjijdojiajiten. Aber von den nach unserer Formel in diesem Satze enthaltenen sieben Deutungen gilt nur die erste: Alle tilgen sind blattlose Kryptogamcn.

Bemerkenswert ist endlich, daß zu den Ausdeutungen eines Urteils durch eine Einteilung seines Hintergliedes auch alle Fülle gehören, wo Sätze wie: Irgendein 8 ist P scheinbar durch Einteilung des Vordergliedes ausgedeutet werden {Entweder^ SD^ oder SD^ oder SD^ ist F). Es ist dann nämlich P das wahre Vorder- und S das ffinterglied, welches sich als solches auch durch seine Betonung und den dem Hintergliede ToUkonunen angemessenen Znsatz irgend ein Terrftt Von dieser Art sind die Oedankenwege, die wir ein- schlagen, wenn wir zu der Oherzeugung gelangt sind, daß ein Hans-, ein Wohnungsgencsse^ ein I^cunilienglied, eines unserer Kinder, einer von nnsem drei Söhnen etwas getan hat, aber noch nicht wissen, ▼on welcher Einzelperson wir dies mit Becht behaupten können. Dann lautet das eigentliche Yordeiig^ed: der das getan hat, kurz: der lüter und z. B. einer wm unsem drei Söhnen das Hinterglied, dessen Umfang nnn behufs der Bildung einer Ausdeutung zergliedert wird (Der JUter ist entweder der älteste oder der mittlere oder der jüngste Sohn). Ähnlich ist auch der Satz zu Terstehen: Enttoeder JP. Ser- viUus Quea oder C. Serviliue Ctteea führte den ersten Stöfs gegen Caesar. Bekanntlich veischmäht es auch die Mathematik nicht, bei der Bestimmung der Wurzeln einer Gleichung in ähnlicher Weise Torzugehen z. B. wenn es gewifl ist, daß den in der Gleidiung ent- haltenen Bedingungen nur eine ganze Zahl entspricht, die größer als 5 und kleiner als 10 ist und dann versucht wird, ob diese Zahl 6 oder 7 oder 8 oder 9 ist

HL Durch eine Definition und eine Einteilung entsteht die Ausfolgerung des Urteils: S ist P, wenn man für S eine göltige

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AnfsStze

Angabe semes Ihhalis {Sg und S^) und fOr P eine gliltige Angabe seineB Umfange (PA oder PD,) emsiellt Es wiid dann der SohlnB gezogen

Si und mm 8

8ütP

P PDt oder PP, Was 2i und St ist^ PA i'A - Der eo gewonnene SchloAsaiz ist eine angezeigte ürteikwaH mit welcher gleichgeltend ist die atisgeführte ürteilswahl: Entweder ist immer PDi (1. Bentong) oder -2", ist immer PD^ (2. Deutung) oder ist bisweilen PD^ und bistoeüen PD^ (3. Deutong) oder ^2 PI^i Deutung)

oder -2 ist immer PD., (5. Deutung)

oder ist bisivcile)i PD^ und bieueilen PD^ (6. Deutung) oder Was nicht nur ^ sondern auch 2^ ist, ist immer PD^ (7. Deutung)

oder Was nicht mtr \ sondern auch ^ ist, ist immer PDf

(8. Deutung)

oder Was nicht nur 3, sondern auch ^ ist, ist bisweilen PD^ und bisweilen PD^ (9. Deutung).

Die Überzeugung, daß der so (und ähnlich auch bei mehr als zwei Inhalts- oder Umfangsgliedem) gewonnene Satz wirklich eine Ausdeutung des gegebenen Urteils ist, ergibt sich aus dem, was vorhin (unter C, I) über die definierende und (unter C, II) über die ein- teilende Ausfolgorung gesagt wurde. Gemäß den an den eben ge- nannten Stellen gemachten Angaben gilt auch hier:

1. Die :>., f). und die 9. Deutung entfällt, wenn das Yoideigiied ein Einzel begriff ist.

2. Wenn iS ein Klassenbegriff ist, nehmen die Deutungen mit immer den Sinn an: Alle sind^ die Deutungen mit imweilen aber den Sinn: die si)id teils teils.

Was endlich die Zahl der sich so ergebenden Deutungen betrifft, so ist sie gleich dem Produkte aus der Zahl der durch die Definition des S und der Zahl der durch die Einteilung des P ermöglichten Deutungen.

Beispiele. So ergibt sich zu dem Satze: Die ernstm iSchauspir/c endigen mit einem etiischcidrndcn Abschlufs die Ausdeutung: Die dichter/S/ h dnrgestrlliett Ilnn/Ihmgr?/, die dramatisch mid mitleiderregcyui sind^ eudige/f mit rinmt Siege oder einer Niederlage der Hauptperson, Bei jeder in diesem Urteil enthaltenen Deutung steht im Yordergliede

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PmcoHcrr: Die Auafolgarang und Aasdentung aUgemeiner Urteile qbw. 115

entweder blofi einer Yon den Begriffen: äiehtensiA dargesUUU Hand- lung^ dramaUaeh und wükiderregmd oder irgend eine Yereinnng ▼on zweien derselben oder eine solche Ton allen drei Begriffen, im Hintergliede aber entweder: endigm immer mit einem Siege der Baupipereon oder: emOffen immer mit einer Niederlage der Baupt- pereon oder: endigen teils mit einem Siege teile mit einer Niederlage der Hauptperson. Wirklich gültig ist aber nur die eine Deutung, welche sagt: die dich ferisch dargeeteüten Handlungen überhaupt (auch die epischen und komischen) endigen teile mit einem Sieije, teils mit einer Niederlage der Hauptpereon, Der Satz: Dir am Hopfen vor- kommende NutaHon (Jrr Fflanxengipfcl linrirkt die Uinschlingaiig einer vorhandenen eenkrerhlen Stütxe lautet definierend und fintoilend ausgefülgert: Die am Hopfen vorkommende durch ungleickmäfsiges Wachtum renjrsac/Ue bogenfürmige Br/regung der Pflanxengipfel be- wirkt die Urnsrhlingung einer vorfianäenr?/ scnkreehten Stütxe eni- n eder in der Richtung mwh rechts oder nach links. Von den in dieser Ausdeutun£i: enthaltenen Urteilen gilt nur das. ^N-elches sagt: Die durch ungleichfnäfbiges Wachstum vemrsachte bogenförmige Brn^egung der Fflayixengipfel Itcnirkt die Umschlingung einer vorhandenen senk- rechten Stütxe teils in der Richtung nach rechts^ (wie beim Hopfen und dem Geisblatt) feifs fn der Richtung nach links^ (wie bei der Mehrzahl der Schlingpflanzen). Oder es ist der Satz gegeben: Jede {t/?is hrh f fff/tdc) Srhindrhelei qt pilinlci dir Rieht if/keit unserer Urteile. Wenn wir in diesem rrtr-il für das Vonlerglied die LEinNizsche Definition des Begriffs der Schmeichelei einstellen und das Ilinterglied einteilen, so ergibt sich: Jede Anfserung^ dnrrh die ein anderrr mis lobt, uns gefallen uill und ftns xuglrirh hclät/t, gefährdet dir Rirtdig- krit unserer forteile entueder durch gan\ /nurahrr Aiigabrn oder durch solches die eine Mischung von Wahrhrif und Unuahrhrii sind. iJas dem gegebenen Satze wirklich übergeordnete Urteil lautet hier: Uie Änfserungen, durch die ein anderer uns belügt^ gefährde n die Hiehtigkeit nitscrer Urteile teils durch f/f/fr, unwahre Angaben, teils durch solche, die eine AMischung von Waftrhrii und Unwahrheit sind.

Zusatz. Xaehdcm wir nunmehr die Bildung der Ausfolgerung allseitig besprochen haben, wäre nur noch zu bemerken, djiß das, was oben (unter A. Zusatz) von jeder Ausfolgerung gesagt wurde, auch von jeder Ausdeutung gilt. Sie ist nämlich wohl dem gegebenen Urteil {U) gleichgeltend d. h. mit ihm immer raitgültig und U mit ihr, doch wäre es voreilig, sie selbst (etwa wie die zu ihrer Bildung verwendete Definition oder Einteilung) für eine Gleichung zu halten. Dies zu verbürgen, reichen die vorliegenden Schlüsse, bei denen von

8*

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Aulsätze

zwei Vordersätzen nur einer oder von dreien nur zwei gewiß Gleichungen sind, nicht aus, dazu wäre vielmehr erforderlieh, daß jeder Vordorsatz, also auch das gegebene Urteil eine Gleichung wäre, wäiirend es nach unserer Yoraussotzung nur ein allgemeines Urteil ist

D. Traktisclie Bedeutung der Ausdeutungen.

I. Jede Ausdeutung ist, mag nun djus gegebene Urteil ( IJ') an sich gültig sein oder nicht, eine Verdeutlichung derjenigen Gedanken, die in Betracht kommen, wenn wir nach einem Urteil suchen, in dem das gegelH'ne wie eine notwendige Folge enthalten ist. Und da die Ausdeutung dies tut, indem sie eine dem U gleicligoltonde Wahl von Urteilen angibt, die zu U mög- licherwc'is»» übergeordnet und unteroiiiander unverträglich sind, sc» ist sie im Keiche iler Urteile dasselbe, wie im Reiche dt r Begriffe das liinter- glied eines allgemeinen kategorisch-disjunktiven Urteils, z. B. des Satzes: Diese F/hufxf ist niiwetlpr eine Schniarotxcr - oder ei zw füiilnis- hnrohi/i oder eine P/lanxe, die ihre ganze Nahrung in Form an- or(janis< her Verhiudnnge}i ai(fni»nnt ; denn so ein Hinterglied gibt zu dem im Vordergliede aufgestellten Begriffe /? {diese Pftanxe) auch eine gleicbgeltende Wahl von ihm möglicherweise untergeordneten und untereuiander un vertraglichen Begriffen 7?Z)i, BD^ nnd BD^ an {eim Schimiroixcr-^ eine fäulnishetroJtnende und eine die ganxe Nahrung in Form anorganiseher Verhind/f/tym anfnehjnendr l'fiair.e). Daß man einem allgemeinen Gebraucht' zufolge diese Begriffe dem B unter- geordnet, die (ilieder der Ausfuigorung des Z7 aber zu übergeordnet nennt, macht wohl sj)rachlich einen Unterschied, nicht aber im Wesen der Sache, da in beiden Füllen Gedanken vorgeführt werden, zu denen der gegebene iioiner mitgiiltig ist, während das Umgekehrte nicht stattfindet

n. Wenn wir der Richtigkeit des gegebenen Urteils gewiß sind, maß auch die Ausdeutung ein gültiges Urteil sein, weil sie dann durch einen gültigen Schluß aus lauter gültigen Toidersiiien gewonnen worden ist

Da in jedem solchen EUle eine gültige Wahl von Urteilen, eine Urleilswahl, Ton der ein Glied gültig sein muß, Toriiegt» so spielen die gültigen Ausfolgerangen bei der Yeigewisserung der Richtigkeit von Urteilen eine bedeutende Bolle. 1£an bedarf ja bei jeder von ihnen, am dasjenige einzelne Urteil zu bestimmen, welchem die Gültigkeit sususprechen ist, nur noch eines oder mehrerer disjunktiven Schlüsse. Diese sind:

entweder 1. durch Setzung aufhebende, wenn man die Ans- dentung^ d. i. die Kenntnis der überhaupt mög^chen Ffille, so benutzt,

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Pncosxt: Die AuüfoJgeruog aud Ausdeutung allgemeiuer Urteile usw. 117

daß man eines von den zur Wahl stehenden Urteilen direkt beweist, woraus sich die Unp^tütif^keit der übrigen Deutunp^en von selbst er- gibt. In dieser Weise wurde vorgegangen, als man aus: Die Bahn dieses {fn'p a/lrr) Konietrii ist eine Kegelsc/mittsliiiie und der Ein- teilung^ des k'tzt<renannten Begriffes schloß: Die Bahn dieses Kometen ist (iitircder ri/ir Ellipse oder eine Parahel oder eine Hyperbel und Hallkv sofort den Beweis antrat, daß die Hahn des bestimmten Kometen eine Ellipse sei. Auch Kki-flekn scliwcliten betreffs der Planeten- bahnen melirere Moirlichkeiten vor. von <ienen sicii durch die Be- rechnuiiiron eine als gültig erwies, während die übrigen eben darum au^egL'bt'n wurden.

Weit häufiger wird aber die Ausdeutung benutzt, um

2. mittels eines ndcr mehrerer durch Aufhebung setzen- den Schlüsse eine Deutung (indirekt) zu beweisen, indem man alle übrigen widerlegt. So gelangt man hei der Hestimnuing von Natur- kürpern sehr oft zuerst (hircli AusseliiielJung mehrerer anfangs sich darbietenden ^rogliclikeiten zu einer festen Uberzeugung, in welche Gruppe der tiegenstand wirklich einzureihen ist und läßt dann den direkten Beweis für die Richtigkeit der Bestimmung folgen. Ferner ergaben sich aus den Sätzen: Die Alpen sind ein Gchirf/e und: Die (iihiriji sin/f enfiitihr diirrlt rnlkamsiJn' Krftehnmj oder durch fiori- xontdli Faltung der Erdohrrfldche i'ittstondcn , für die Entstehung der Alpen zwei mögliche Erklärungen, von dcMien nach Abweisung der ersten die zweite festgehalten wird. Bezüglich der Me'teore gibt noch Cm.ADNYs bezügliches Werk eine Reihe von Deutungen an (Entflanunung von Dünsten, Projektile aus Erd- oder Mondvulkanen usw.), die erst fiberwunden werden mußten, ehe man zur heutig<Mi Auffassung ge- langte, wonach in solchen Fallen Körper (von sehr verschiedener Größe), die nicht zum System Erde-Mond gehören, in die Atmosphäre der Erde eindringen.')

Übrigens sind auch die im nachfolgenden zu besprechenden Fälle Itater Beispiele von Schlüssen, die auf Grund einer Ausdeutung eine Deatang durch Widerlegung der übrigen beweisen.

Wir haben nämlich noch die praktisch wiehtige TktBaehe sn

') Derjenige indirekte Bewds «nee Stfacem der daroh die ÜDgülti^ceit dee kMtndiktnrisohen OegeoteUs geffihrt wiid, ist wohl mdi ein durch Aufhebung

setzender Schluß auf Grand einer gültigen Wahl von Urteilen (welche lautet: Bhit- vrdfr giU fh'r xti betceijtniflr Safx odf^r srin knntrnth'kfori.trhfs Gegenteil), unter- scheidet 8ich aber von den oben behandelten iadiiekten Beweisen dadurch, daß die gültige Urteilswahl, auf der er beruht, keine Ausfolgerong des zu beweieendea flatiee ist

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118 Anfdtie

beleuchten, daß bei solchen Schlüssen oft zwei oder mehrere Glieder der IJrteilswahl auf einmal widerlegt werden können. Und zwar f^eschieht dies

a) bei der (oben unter C l besprochenen) definierenden Aus- deutun|.( eines Urteils {S ist P):

a) wenn man von einem Merkmal des S z. B. von ^ nach- weist, daß es (weil alles, was und .2,, aber nicht ist, auch das PrSdikat P hat) für die Gültigkeit des Satzes nicht notwendig ist

Man ist daher berechtigt, in jeder definierenden Ausdeutung eines Urteils {8 ist F) alle Deutungen auszascheiden, in deren Tordier- g^ede ein Merkmal Ton S vorkommt, das für die Gültigkeit des Urteils nicht notwendige ist In dem angenonmienen Falle, daß nicht not- wendig ist, können in der siebengliodrigen UrteUswahl die 5^ 6. und 7., in der dreigliedrigen Urteilswahl, wenn ^ nicht notwendig ^ die ^ 2. und 3. Deutung ausgeschieden werden;

ß) wenn man von einem Merkmale des 8 z, B, nach- weist, dafi es (weil alles was und ^, aber nicht ist, das Mdikat P nicht hat) ffir die Gültigkeit des Satses notwendig ist

Man ist daher berechtigt, in jeder definierenden Ausdeutung eines Urteils {Sist F) alle Deutungen auaansdieiden, in deren Vorder^ ^iede ein Merkmal von 8 nicht yorkommt^ welches für die Gültigkeit des Urteils notwendig ist In dem angenommenen Falle, dafi 2^ not- wendig ist, kann in der siebengliediigen Urteilswahl die 2., 3. und 6^ in der dreigliedrigen aber nur die 2. Deutung ausgeschieden werden.

Bei den oben beispielsweise angeführten definierenden Aus- deutungen entfaUen daher, wenn man das dem gegebenen wirklich übergeordnete Urteil suchte einerseits diejenigen Deutungen, in deren Subjekte Inhalteglieder Torkommen, die nicht notwendig sind, andrer- seits aber auch diejenigen, in deren Subjekte notwendige Inhaltsglieder nicht Torkommen. Der Eürse halber führen wir, um dies ersichtlich m machen, im nachstehenden nur die angezeigten Ausdeutungen an und unterscheiden dabei die notwendigen und die nicht notwendigen Inhalts^eder, indem wir diese einklammem, jene aber nicht Jene Ausdeutungen lauten : Jedes gleiehaaHge {rechiwiiMige) Parallelogrufnm ist ein Tangentmviereek* Jede Säure {die ot» Stdphat enMeM) ßrbt blaues Lahnuspapier roL Jedes {gldekseitige) {jreektwmkU^) Parallelogramm hat einander halbierende Diagonalen. Jedes glei^ seiti/fe rechtwinklige Vieleck ist ein Sehnen- und TangefUenvielede, Jedes Urteil, das nicht gewifs riehiig und nicht gewifs unrichtig ist^ ist unvollendet.

b) Auoh bei der (oben unter CU bebandelten) einteilenden

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FoBoinrr: Die Amfolgemog und AiiBdeataiig allgemeiner üiteile vmr. 119

Ausdeutang eiiies ürteils (Sist P) können, Ms 8 ein allgemeiner BegiifiE ist, zwei oder mehrere Beutungen auf einmal widerlegt werden:

a) wenn man von einer Determination des P z. B. von P2>g nachweist, dafi ihre Tereinung mit 8 (s. B. wegen eines in ihr entiialtenen Widerspruches) ein ungültiger Begriff ist, weil es kein 8PD^ gibt Man ist daher berechtigt, in jeder einteilenden Ausdeutung eines ürteils {8 ist P) alle Deutongen auszuscheiden, in deren Hinteiglied eine Determination Ton P yoricommt, die nie i$isi

In dem angenommenen Falle, daß 8PDi ungültig ist, können in der siebengliediigen ürteilswahl die 3^ 6^ 6. und 7., in der drei- gliedrigen TJrteilswahl, wenn 8PDt ungültig ist, die 2. und 3. Deutung auggeschieden werden.

b) wenn man yon einer Determination des P, z. B. von PDi nachweist, daß ihre Yereinung mit 8 ein gültiger Be- griff ist, weil es ein oder einige 8PDi gibt Man ist daher be- rechtigt^ in jeder einteilenden Ausdeutung eines ürteils {S ist P) diejenigen Deutungen auszuscheiden, in deren Hintergliede eine Deter- mination von P nicht vorkommt^ die bisweilen «9 ist.

In dem angenommenen Falle, daß SPDi gültig ist, kann in der siobengliedrigen ürteilswahl die 2., 3. und 6., in der dreigliedrigen ürteilswahl aber nur die 2. Deutung ausgeschieden worden.

Bei den oben beispielsweise angeführten einteilenden Ausdeutungen entfallen, Avenn man das dem gegebenen wirklich übergeordnete Urteil sacht, sowohl diejenigen Deutungen, in deren Hintergliede ein Begriff vorkommt, dessen Yereinung mit S ungültig, als auch diejenigen, in deren Hintergliede ein Begriff nicht vorkommt, dessen Yereinung mit S gültig ist In nachstehender Aufzählung jener Ausdeutungen sind die gültigen und die nicht gültigen Prädikate dadurch unterschieden, daß diese eingeklammert erscheinen, jene aber nicht Die betreffenden Satze lauten: Der Watxmarin überhaupt ist etitureder wolkenfrei oder nicht wolkenfrei. Der Oaitumjstiame ^Gift^ überhaupt ist rnffrcdfr ein mänjiliehes oder ein weibliches oder ein sächliches Ilaitptirort, Der Gattungsname -iKönig* ist männlich {oder iceihlich oder sach- lich). Der Gattungsname »Frau* ist {männlich oder) /rrihlirh {oder sächlich), der Gattungsname : Lnndi ist {männlieh, neUA'u li oder) sächlich, der Gattungsname :> Kunde ist männlich oder weiblich (oder säehlich). Der Gattungsname tSehihU ist inäufdich (nrihlich) oder säehiich. Der Gatfuugsuanie ^M<ifs<L ist {mäuulieh) uvihlicii oder säehlich. Das Ergebnis einer Division ist eiiftreder ein rehter oder ein unechter Bruch. Jeder disso)tierr/{de ALLord enthält entweder eine Sekunde oder eine Septime oder ein übcrmäfsiges oder ein ver-

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120

Aufsätze

minderten anderes hitervaU. Alle Faseni des meiiscJdichcn Triget/i/ntis sind sensibel oder vioiorisch. Jedes rechtwinidiye Dreieck ist ent- weder fnff/Icichseitig oder (ileichsehoddig {oder glrirhsritii/). Jeder ro/lständiye drf/fschr Nrbensatx ist cntucder indikativiseh oder kon- jnnklirisch (oder itz/pcratirisch). Alle AUjru sind blatilose KryptO' gatnen {oder blatthildrndc oder Gcfäfskrf/piogamen).

c) Bei jeder Ausdeutung, die durch eine Definition und eine Einteilung gebildet wurde, kann man, eben weil itci ihr beide Bildungsweisen zur Anwendung gelangten, zum Zwecke der Ausscheidung von Deutungen sowohl wie bei der bloß defi- nierenden als auch wie bei der bloß einteilenden Aus- deutung vorgehen. Unsere Beispiele lauteren: Die dichterisch dar- (/cstcllfcft Thuidlungen [die dramatisch und mitleiderrrgc/td sind] rndigm mit cinein Siege oder )nif einer Xiederlage der Ihi/<jffpersoN. Die {am Hopfen rorkoininvudt) ditrili ungleichnidfsigc^ Muchs tum rer- urmrhte bogen för)nige Beirr gutig der Fjhur.eugipfcl beirirkl die Um- schiinguug ciuer rorhaudeucf/ smkn'cJifen Stiitw iu der Ririitung nach rechts oder nach links. ,frd< Aufserung, durch die ein anderer [utis U)bt, niLs gefallen will und) un^ belügt, gefährdet die Richtigkeit u/iserer Urteile enfueder durch gnnx u/nrahre Angttben oder durch solche^ die eine Mischung von Wahrheit find Unwahrheit sind.

III. Wenn das gegebene Urteil nicht gewiß richtig ist, so wird ilurcli den zur Bildung einer regelrechten Ausdeutung führen- den Schluß, weil einer von .meinen Vordersätzen kein giiltigos Urteil ist, die Gültigkeit der Ausdeutung nicht verbürgt; wohl aber ist auch dann noch gewiß, daß das durch diesen Schluß gewonnene Urteil wirklich eine Ausdeutung des gegebenen ist

Da diese als solche mit dem gegebenen Urteil immer mitgültig ist) also eine Folge desselben bildet^ so benutzt man sie häufig zur Widerlegung eines gegebenen Urteils, indem man zeigt, daß dessen Ausdeatimg d. h. alle Glieder derselben ungültig sind. Man nennt solche Widerlegungen gewöhnlich (di-, tri-, poly-) lemma- tiflohe a. B. Wärm Oedäckimwene Oeäiehte, so müfstm sie tnhpeder epische oder fyrisdie oder dramoHsehe Qedkhte sein. Da sie mm aber keiner ifon diesen Jrtett angehören, so sind sie itberhm^i keim Oediehie. Oder: Wäre der Angeklagte im ÄugenbUnke der ihm xur Last gelegten Tai strafreckUu^ xurechnungsfähig gewesen^ so hätte er entweder bewufsihs sein müssen oder in einem Zustande krank- hafter Störung seiner OeistestäHgkeit Nun war er eher damaXs weder bewufstlos noch geistesgestört, also war er strafreehtlieh xU' reehnungsflüiig.

FoKORinr: Die Aiufolgenuig und AaBdeutaiig allgemeiner VrteSle usw. 121

Anhang

Wenn der Verfasser in der vorliegenden Abhandlung nur Urteile mit positiTeiii Subjekte und Prädikate behanddt hat, so ist dies in der Absicht geschehen, die bei solchen Sitzen besonders hfiufig toiv kommenden und praktisch wichtigen Ansfolgerungen nnd Ausdeutungen möglichst ein&ch, klar und ohne diejenigen Komplikationen dansnsteUen, die unvermeidlidi werden, sobald man sich dabei auch auf negative Urteilsglieder einlfifit Wer jedoch diesen Schritt nicht scheut und ihn zur Herstellung einer gewissen Vollständigkeit der Theorie sogar für nnerläfilich erkennt, findet bei genaueim Eingehen folgendes:

L Eine Ausfolgerung wird gebildet:

1. SU einem allgemeinen Urteile mit einem Prädikate wie: igt (sind) niehi P, indem man ohne Veränderung des positiTen

oder negativen Subjektes für P eine gültige Umfangsangabe (PDj oder FD^) einsetzt Das Ergebnis lautet: ^ tat nicht {FD^ oder

xmd ist nicht FD^\

2. B. Aus dem Satse: VerträgHehes ist nieht mtgeyetKjvsetxt ent- steht duroh Einteilung des im Prädikate vorkommenden Begriffes: Verträgli^tes ist nicA^ kontradUdoriseh oder konträr entgcgengesetxi oder, was dasselbe ist, nidU lamtfadiktorisek und mtM konträr ent' gegengeaetzt.

2. zu einem allgemeinen Urteil mit einem Subjekte wie: oder, besser ausgedrückt: Was niehi 8 ist bildet man eine Ausfolgening, wenn man ohne Veränderung des positiven oder

negativen Prädikates für S seine luliuitbangabe (-\ utul ein- stellt Das Ergebnis lautet: Was nidU (^^ und 2,) ist, ist ^ ^ Was

p

eniwedsr nieht oder nieht 2^ ist, ist »

P

Was nicht Z ist. ist

P

p

und was nicht ^ ist. ist

z. B. Wenn gegeben ist: Was nicht tragisch ist^ ist kein Stoff für ein ernstes Drama, so ergibt sich duroh Definition des im Sub- jekte vorkommenden Begriffes: Was nicht dem Zuschauer Mitleid ein- fUffst und ihn zugleich erhebiy ist kein Stoff für ein ernstes Drama'^

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122

Was dem Zusduwer kein Mitleid einflöfst \ ist ifcetn Stoff für ufMf was dm Zuaehauer nidU erhebt, f ein ernstes Drama.

3. Es können surBUdnng einer Ansfolgening auch zugleich ausgeführt werden:

1. wenn beide ürfceilsglieder negativ sind, die soeben (Anhang. 1 1 nnd n2) angegebenen Einstellungen;

2. wenn ein Urteilsglied positiT ist, eine Einstellung für dieses nach Abschnitt A zugleich mit einer für das negatiTe ürteilsglied nach Anhang, II oder 12.

IL Eine Ausdeutung wird gebildet:

1. SU einem allgemeinen Urteil mit einem Prftdikate wie: ist (sind) nidU indem man ohne Yeriinderung des positiTen

oder negativen Subjektes für F seine Inhaltsangabe (üj und il^) einstellt Man erhält so: f ist nicht (il^ und 11^)

q

Entweder ist Hj, aber nicht (1. Deutung

o

oder ist i^, aber nicht (2. Deutung)

S

oder ist weder i/, noch lU (H. Deutung);

z. B. So entsteht aus: Das Deltoid ist kein Quadrat durch Defi- nition des im Prüdikat vorkommenden Begriffes der Satz: Das DeUoid

ist kei/i m/('lmäf.si(/es Vieref:k

ffi/frcflcr es ist rcgelmäfsig, nher kein l'lererk

otltr es ist ein Viereck^ aber nicht re(jelinäfsig

oder es ist irtdrr ein Viereck noch regelmäßig. Wirklich gültig ist hier die 2. Deutung.

2. zu einem allgemeinen Urteil mit einem Subjekte wie: Nieht-S oder, hesser ausgedrückt: W/is tnchf S ist l)ildet man eine Ausdeutung, wenn man ohne Veränderung des positiven

oder negativen Prfidikates für eine gültige Umfsngsangabe

(SIJ]^ oder 6D^) einstellt. Man erhält dann: Was nicht (SDi oder SD,) ist, ist ^ J^as nicht SDi und nicht SD^ iai ^ »

p

Entweder Was nicht SD^^ ist, ist (1. Deutung)

oder Was «icÄf 52), ist, ist ^ (2. Deutung)

oder Was nicht blofs niciii SD^ sondern zugleich auch nidU 8Df ist, ist ^ (3. Deutung);

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Pobobht: Die Amfolgenuig and AtiBdeatang allgememar Ufteite usw. 123

z. B. Es sei gegeben: Was nicht v'ui irarmhlütiycs Wirbel (/W ist, hat )(i(lit xirei vollständig yftrrnntc Ilcr^hannneni. Wenn man nun für den im Prädikate vorkommoiiden Bui^riff seine beiden Arten einstellt, so gewinnt man den Satz: Was nuht Siiugciicr oder Vogel ist. hat nicht zwei vollständig gvircnnte Ilrrxkaunncrn. Von den drei hier möglichen Deutungen gilt nur die dritte. Doch liißt sich letzteres nicht von allen hierher gehörigen Ausdeutungen behaupten. Wenn wir z. B. zn dem Urteil: Was kein Dreu-/-k iai, ist kein sym- metrisches Dreieck die Ausdeutung bilden : Was kein gleichschenkliges und kein nicht gleichschenkliges Dreieck ist^ ist kein symmetrisches Drei- ecL, so gilt nicht die 3. (oder die 2.) sondern nur die erste Deutung: Was kein glMu^enkliges Dreieek ist^ ist auch kern symmetrisches Dreieek.

3. Es können zur Ausdeutung eines allgemeinen Urteils auch xngleich ausgeftlhrt werden:

1. wenn beide UrteilsgUeder negativ sind, die soeben (Anhang, II 1 und 112) angegebenen Einstellungen;

2. wenn ein UrteiisgUcd pusitiT ist, eine Einstellnng für dieses nach Abschnitt C, zugleich mit einer für das ncgatiTC Urteil^glied nach Anhang III oder 112.

Schlieüich sei noch beaüglich der besondern Urteile die Bemerkung gestattet, da£ man wegen ihres bekanntlich geringem wissenschafüichen Wertes kein Bedürfois empfindet, sie zum Gegen- stände einer Ausfolgemng oder Ausdeutung zu machen. Auch fehlt ihnen, solange sie wirklich partikulfir sind, zu diesen Operationen die Eignung^ da die Umwandlungen, die bei allgemeinen Urteilen leidit und sidier zum Ziele fflhren, bei ihrer Anwendung auf be- sondere Urteile infolge der diesen Sätzen eigentämlichen Unbestinmit- heit und Vieldeutigkeit unwirksam werden.

') So gelangt man z. B. auch in dem günstigsten Falle, daß das Subjekt und das Prädikat de» besondern Urteils positiv sind, zu keiner Ausdeutung, wenn mau fir P dne gültige Angabe aaines Umfiogs einstellt und erhilt: Em oder einige 8 gimd entweder oder PD,. Da nämlich partilniläre Urteile auch bei (fürmoU) gleichem Suhjekic und unvereinbaren Prädikaten verträglich sein können, so kann man auf Grund des Satzes: Ein oder einigp S .<t'ii</ J'J)^ ttflrr PI\ nicht zwei (oder mehr als zwei) untereinander wirklich uuverträgliche Deutungen angeben, deren ITahi mit dem gefgebeDeo ürMl gleiohbedeatend wäre. Auch wenn man in einem beeondeni Urteil mit positiTem Snbjelcte oad Plftdikate fOr P eine gfiltige Angabe eeinea Inhalts einstellt, erschließt man wobl richtig: Ein oder einige S sind ^^ und 77. und kann daraus fol^'ern: Fitt of/rr riintfi- S sind Tl^ und: Ein f>dcr rinigr S xind 11^; ab«r da in den beiden zuletzt angefuluteu Urteilen die ^' voneinander ganz verschieden sein können, so ist die Vereinung dieser beiden Sttse darohina nicht gleiohgeltend mit: Ein oder einige S eind Iii und n; nnd daher anch gar keine Ansfdgennig des g^benen Urteila.

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124

H. St. Chamberlains Vorstellungen über die Religion der Semiten spez. der Israeliten

Von

Professor D. Baentscb-Jeiia (Fortsetzung)

n

Zweifellos hat sich Cbamberlain in den im I. Teil unserer Ab- handlung cfaarakterisieTtein AusfOhrongen über die Religion der Semiten and spezieil der Israeliten in mehr als einer Beziehung als ein scharf- sichtiger Beobachter erwiesen. Wem wären denn nicht schon ähn- liche Empfindungen und Gefühle gegenüber gewissen Erscheinungen gerade der alttestamentlichen Religion und besonders der Religion des Judentums aufgestiegen, wie Cbamberlain sie in seinem Werke zum Ausdruck gebracht hat, und zwar in einer Weise zum Ausdruck gebracht hat, daß man mehr als oinnuil sagen möchte: hier ist der Nagel wirklich einmal aiif den Kopf getroffen? So ist Cbamberlain denn für viele der Dolimetsch ihrer eigenen (bedanken und Emp- findungen und für manchen bisher L ti] laron und Unentschiedenen gewiß der Führer in das antisemitische Heerlager geworden. Aber auch der, welcher sich auf den extrem ariselien Standpunkt Chamber- lains nicht zu stellen vermag, der sich mit Händen und Füßen gegen den Antisemitismus sträubt, kommt von dem Bann, in den ihn die Lektüre seines monumentalen Werkes versetzt hat, und von der leb- haften Empfindung, daß in all seinen Ausführungen wenigstens ein sehr richtiger und gewichtiger Kern stecke, nicht so leicht los. Nament- lich die Art, in der Chumberlain die Willensenergie der Semiten und speziell der Juden als das hervorstechendste Merkmal dieser Völkergruppe zur Geltuiiii; bringt, und wie er z(Mgt. daß unter der neiTscliaft dieses gewaltigen, immer nur auf das Greifbare gerichteten, egoistischen Willens, der zugleich die r!rr>Bo der semitischen Kasse ausmacht die übrigen Seelenvermögen manche Beeinträchtigung er- fahren haben, hat für jeden, der die Geschichte der semitischen Völker und der Juden einigermaßen kennt, etwas so Überzeugendes, daß er von vornherein geneigt ist alle weiteren Ausführungen des Verfassers, die auf jenen Satz von der semitischen Willensenergie als auf ihre feste Grundlage gestellt sind, als durchaus oder doch in hohem Grade richtig anzuerkennen.

Gleichwohl wird nun aber der Leser, der etwas tiefer in das Wesen der israelitischen Keiigion eingedrungen ist und der das Alte Testament etwas genauer kennt, das Gefühl nicht los, daß Chamberlaia

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fiuRnoi: H. St CbamberiaiDs VorsteUangen äber die Keligioii usw. 125

wonigstens dem Allen Testamente und der Belig^on Israels, die darin ihren liiederschlag gefanden hat, nicht ganz gerecht geworden ist Denn diese Religion so sa^t sicii selbst der einigermaßen kundige Laie hat neben den manclierlei offenbaren und zura Teil auch abstoßenden Mängeln und Schwächen doch auch so viel helle Licht- seiten, daß eine Beurteilung derselben, die auch diese Seiten ohne VoreingenoniaiMiheit in Ansatz bringt, sich etwas anders ausnehmen wild als das im ganzen höchst absprechende Urteil, das Chaniberlain über sie gefällt, und das hei seinen Verehrern und oft gedankeniofien Bewunderem und Nachbetern ein so lautes Eciio gefunden hat

Schon aus diesen Bemerkungen wird der Leser entnehmen können, daß eine Auseinanderset;:un/]^ mit Chamberlain ihre besondere Schwierigkeiten hat. Einer total falschen Auffassung der Religion Israels könnte der Kenner mit Leichtigkeit eine richtigere Auffassung dieser Religion gegenüberstellen. Damit wäre dann der ganze Streit ia der einfachsten Weise von der Welt erledigt. Aber Chambeilains Auffassung ist ebensowenig total falsch als sie total richtiic ist. Denn in seinen Ausfiihning'Mi ist meist Falsches und Richtiges so innig miteinander verniejigt, daß es oft schwierig ist beides aiiseinander. zulösen. Dazu ist der Kritiker Chamberlain gegenüber in^ufcrn in einf'm gewissen Nachteil, als dieser es verstanden hat, sich eine Hintertür zu schaffen, durch die er just allemal in dem Augenblick entschlüpft in dem der Kritiker glaubt ihn gepackt zu haben. So ')ft näinli<-li der Kritiker ihm mit schlagenden Beweisen für eine höher geartete Religiosität innerhall) Israeds auf den Leib rückt ist jener flugs bereit von Entlehnungen, sei es von den alten Sumerern oder sonst wolier. als von der ausgemachtesten Suche der Welt zu reden, oder aber sich auf seine mit grober Virtuosität ausgebildete Rassenmischungs thoorie zurückzuziehen. Das aber gerade daß das Alte Testament so reich und überreieli an fremdesten Kiementen ist macht, daß es ist. was es ist. \\ Ubei auch die eigenartige Zusammen werf ung von Rassen, aus denen l.sraeliten und .luden hervorgingen, nicht ültersehen werden dart< M Damit ist <ler Kampfplatz aber auf ein völlig unkontrollierhares (iebiet verlegt und eine erfolgreiche Diskussion infolgedessen nicht mehr möglich. Denn daß die Ausführungen Chamherlains über diese Ra.ssen- zusamraenwerfungen auf S. 357 ft zum guten Teil hypothetischer Natur sind, darf nicht Ubersehen werden. *')

') DÜcttantisnins. Rasse, Mfnotheismus, Rom. S. 58.

') Natürlich wirJ kein vernünftiger Mensch (l.iran dpnkfn, eine soU'ho H.xssen- miacbuog za leugoeo. Auch gebe ich ohne weiteres zu, daU wir an bei den alten

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126 Aufrittze

Bevor ich nun in eine Auseinandersetzung mit Cuamberlaix ein- trete und zunächst das von ihm entworfene Bild von der Religion der Semiten und speziell der Religion Israels auf seine Richtigkeit prüfe, muB ich den Leser noch mit einer mehr allgemeinen Aus- einandersetzung Über den komplixierteo Charakter der Religion Israels (den sie fibrigens mit jeder einigwinaßea entwickelten Beligion ge- mein hat) behelligen. Wir gewinnen dadurch für die Aoseinander- setzong mit Chambodain einen festen Boden und erleichtern ans das Verstündnis seines Standpunktes wie seine etwaige Bekftmpfnng. DaA ich mich auf die Beligion Israels besohrfinke, hat seinen Onmd dazin, dafi wir diese Beligion in allen ihren Phasen am deutUcbsten kennen und daB sich unser Interesse begreiflicherweise am meisten auf sie konzentriert

Man muß, wenn man über die Beligion Israels redet, sich immer Tor Augen halten, daß sich im Alten Testament der Niederschlag einer religiösen Entwicklung ron mehr als einem Jahrtausend findet Bafi eine Beligion, die eine solche Entwicklung durchlaufen hat, auf Terschiedenen Stufen einen yerachiedenen Charakter trSgt, ist selbst- verstindlich und ist natürlich auch von Chamberiain im allgemeinen nicht verkannt worden. Gewiß werden sich ja in den verschiedenen Stufen oder Entwicklungsperioden gemeinsame und gleichartige Grundzüge finden, denn auf ihrem Vorhandensein beruht ja die Einheit einer Beli- gion. Aber diese Grundzüge treten uns in den verschiedenen Perioden do6tk immer ui eigenartiger Ausprfigung und in neuen Gedanken- Verbindungen entgegen, die oft eine eigentümliche Umwertung des Charakters der betreffenden Beligion zur Folge haben. Uan wird dem- nach nicht ohne gründliche Kenntnis der einzelnen Entwicklungsstufen an die Beurteilung der isra^tisdien Beligion gehen dürfen. Vor allem darf man seine Belegstellen nicht aufs Geradewohl ans dem oder jenem Buche nehmen, sie nach Gefallen auswählen, eine wie die andere würdigen und damit wohlfeile Trumpfe ausspielen. Es wird vielmehr alles darauf ankommen, die Zeiten auseinanderzuhalten und keiner Belegstelle eine über ihre Zeit hinausgehende Tragweite beizulegen.

Amontern in Noidkanaan mit dnero Volk enmiaohen UnpningM m ton haben.

Dafür sprechen die Abbildungen von Ämoritern auf ägyptischen Denkmälern, die sie Maiiiintrii; und spitzbürtig darstellen. Die Hethiter aber, die bei Chamberiain eine so groliu liollo spielen, lassen wir lieber aus duiu Spiele, da wir vun ihnen doch noch viel zu wenig wissen. Was wir über sie bei Chamberiain lesen, ist zum gaten Teil haltlose Phantasie. Wie es nno aber «noh um jene Bmweniiüachimgen stehen möge, jedenfalls ist die Ait, in der Cauunberlain mit ihnen operieit, nkdit einwandsfrei und sum mindesten übertrieben.

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BomBCH: H. St. Chamberlaina VontoUaDgen über die Religion vasw. 127

Difi Gbambeclnii diraer Fordemng mdit übeniU gerodit geworden ist, werden wir später sehen. Abet es gilt nicht bloß die Zeiten «Qseinanderzahalten. Innerhalb der einzelnen Zeitperioden sind wieder Terschiedene religiöse Richtungen oder Stränge zn unter- scheiden und streng voneinanderzusondem. Da ist zunächst der Strang der Volksreligion. Die Volksreligion schleppt sich von Jahr- handert za Jahrhundert mit altheidnischem Aberglauben und Dämonen* glaaben und polytheistischen Vorstellungen und hält unentwegt an ihnen fest, anch wenn die offizielle Religion längst Uber sie znr ÜBgesordnnng übergegan^'cn ist nnd dasFestlialten daran unter strenge Pön gestellt hat Die Äußerungen der Volksreligion sind also auf keinen Fall als klassische Zeugnisse für das Wesen der Religion Israels anausehen. Wer sie in diesem Sinne verwerten wollte, würde genau so verkehrt handehD^ als wollte er das Wesen des Christentums an der Religion unserer Bauern studieren, deren Christentum be- kumtUch eine reiche Fülle heidnischen Aberglaubens und heidnischer Sitte in sich aufgenommen und konserviert hat Da ist weiter der Strang der Priesterreligion. Hier erstarren die lebendigen reli- ^(ison Überzeugungen und Erfahrungsaussagen leicht zu dogmatischen Fonneln; hier herrscht überall das Bestreben, kultischen Brauch und kultische Sitte zu registrieren, zu rubrizieren, kurz die Religion zu legalisieren. Die Religion verliert ihren subjektiven Charakter und bekommt den Charakter des Statutarischen, das sich jedem Fortschritt hemmend in den Weg stellt. Speziell in den I'riesterkreiseii wird sich auch jene, allem wahren religiösen Empfinden widersprechende, Auffassung der Religion als eines zwischen dem Volke und seinem Gott geschlossenen Verti'ages herausgebildet hab(»ii. dessen Bestand an die Erfüllung gewisser Vertragsbedingungen ,<j:ckniii)ft ist (vergl. d. Deut). Da weiter den Priesterschaftcn die Pflegf des nationalen Kultus obliegt werden sich gerade iniicrhall» der Priesterreligion die Tendenzen auf nationale Beschränkung der Religion am deutlichsten and Zähesten zeigen, auch dann, wenn in den Prirstersriiaften selbst aufgeklärtere Anschauungen Platz gegriffen haben sollten, denn diese werden dann als esoterisehe Weisheit vor dem Volke geheim gehalten. Steht nun die Priesterreligion auch hoch über der halbheidnischen Volksreligion, so ist sie doch noch keineswegs der Ausdruck der wahren Religion, wie sie in einem Volke lebendig ist Sie ist not- wendig zu deren Erhaltung, Bewahrung und IJberlieferung. aber nicht mit dieser identisch. Wollte man die Religion Israels lediglich an den priesterlichen Dnkumeuten des Alten Testamentes studieren (so z. B. aus dem sogenannten Priesterkodex des Pentateuchs), so würde

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Aufsätze

das g^enau so verkehrt sein, als wollte man das wahre Wesen des Christentums aus alten Ap:enden, Kirch engesetzen und aus Kirchen- und .Synodahjrdnungen ergründen. Endlich haben wir noch den Strang der sogenannten prophetischen Religion, der in Israel seit der Mitte des S. vorchristlichen Jahrhunderts deutlich hervortritt (wenn auch siclier nicht erst seit dieser Zeit existiert, sondeni bis in die Tage ihrer l^egründung zurückreiclit). und in dem sich uns das Wesen <ier israelitischen Religion in seiner reinsten Ausgestaltung und seiner höchsten Vollondung darstellt. Hier liegen die fruchtbaren Keime der Entwicklung, von hier gehen die neuen Antriebe aus, lüer ist ein Geist lebendig, der alle starren Formen durchbricht, die natio- nalen Schranken lockert und in dieser und jener großen Persönlich- keit sogar ganz überwindet. Dieser Strang läßt sich, wie gesagt, seit der Mitte des 8. Jahrhunderts am denflichsten und in urkundlicher Belegung verfolgen; er reißt seit der Zeit auch nicht wieder ab, sondern zieht sich, wenn auch oft nur anter der OberfLfiche, doroh die Jahrlranderfce hindmx^, bis endUoh Jesus an diesen Strang an- knifft und ihn in die Religion, die seinen Namen trägt, hinüber- leitet Man wird, um der Beligion Israels gerecht zu werden, sich vor allem an die prophetisclien Aussagen zu nalten haben. Denn nur hier merken wir die Kräfte, die in der Religion Israels lebendig sind, nur hier fahlen wir den Pols ihres mächtigen schdpferischen Lebens. Daß die prophetische Beligion Israels in ihrer geschicht- lichen Erscheinung und Entwicklung durch die unverwUstliche Volks- religion einerseits und die starre Priesterreligion andrerseits vielfsoh beeinträchtigt, ja zu Zeiten sogar verschüttet gewesen ist, so daß sie sich ihren Lauf unter der Oberfläche hat suchen müssen, ist richtig. Aber das ist eine Erscheinung, die in ähnlicher Weise alle höher entwickelten Religionen, unter diesen vor aUem auch das Christentum, zeigen, und die uns auf kernen Fall verleiten darf, von der prophe- tischen Religion deshalb niedriger zu denken. Der Leser hat aber ans dieser Auseinandersetzung jedenfalls gesehen, wie verschieden eine Religion sich ausnehmen kann, je nachdem der Beschauer seinen Standort nimmt, und er wird gebeten, die hier gemachten Be- merkungen für den weiteren Verlauf unserer Dariegung recht fest im Auge zu behalten, da sie fflr die Auseuiandersetznng mit Chamber- lain von einiger Wichtigkeit sein werden.

Bei dieser Auseinandersetzung handelt es sich nun, wie schon früher angedeutet, zunächst um die Frage, ob denn das Bild, das Chamberhiin von den semitischen Religionen im allgemeinen und von der Religion Israels im besonderen entworfen hat, überhaupt auf

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BilKtscu: ü. ät Ghamberlains Vorstellungeii über die Keiigiou usw. 129

Richtigkeit Anspruch machen darf, oder nicht etwa Einseitigkeiteii und Verzcichniiniren aufweist, die der Korrektur bedürfen. Wir er- innern uns, daß Chamberlain diesen Reli^onen und speziell der Keligion Israels, auf die sich unsere Untersuchung besonders zu- spitzen soll, einen krassen Materialismus zum Vorwurfe machte. Diesen Vorwurf gründete er einmal negativ auf die Abwesenheit aller und jeglicher Mythologie, und dann positiv auf die durch und durch praktische Abzweckung der Religion, auf den grob- sinnlichen Charakter der Gottesvorstellung, der selbst im israeliti- schen Monotheismus nicht überwunden sei, auf die geschichtliclie Auffassung der Religion seitens Israels, auf die Herrschaft des Dogmas von der Freiiieit dos Willens und auf die materialistische Auf- fassung Vom (ilauben. Es waren das wenigstens die Punkte, die wir oben (s. S. 21 ff.) als die uns am wesentlichsten erscheinenden herausgehüben haben. Die Auseinandersetzung wird uns Gelegenheit geben, aucii noch auf den oder jenen Punkt (so z. B. auf die Auf- fassung der Sünde), der hier nicht mit aufgeführt ist, einzugehen.

Verhältnismäßig weit können wir Chamberlain mit Bezug auf den PTsten Punkt entgegenkommen, wenn uns auch manches in etwas aiidrit r Beleuchtung entgegentreten wird. Die Semiten haben, so weit wir bis jetzt sehen können, wolil keine Mythologie aus sich selbst hervorgebracht. Was sich wenigstens an mythologischen Ele- menten in den semitischen Religionen findet, trägt die Züge alt- orientalischer Spekulation und Denkweise, die schon lange vor den im unbestimmten Dämmerlicht der Geschichte liegenden ersten Ein- wanderungen von Semiten in das babylonische Tiefland zu hoher Ausbildung und weiter Yerbreitang gelangt war und deren Ursprünge hauptsächlich im babylonisdien TieÜand zu suchen sind. Als Schdpfer der altbabjlonisdiea Ealtar, Spekulation und Mythologie sieht man heute mit vollem Bechte die in ethnographischer Beziehung noch nicht ganz sicher bestimmten alten Sumerer an, die vor den Ih- yasionen der Semiten die dominierende Eultormacht in Yordenisieu reprfisentierten. Ihre Sprache, die in ihrem Bau an die Turksprachen erinnert, und das von ihnen erfundene Bilderschriftsystem bekunden ihre hohe Begabung gerade für das Gebiet der abstrakten Spekulation. Als die ersten Semiten von Ostarabien aus erobernd in die baby- lonische Tiefebene eingedrtmgen waren wann? Ifißt sich nicht mehr bestimmen, doch mufi es lange vor 3000 Chr. gewesen sein und sich su Herren des Landes gemacht hatten, wuchsen sie all- mfiUicfa in die sumerische Kultur hinein und übernahmen mit der

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AnflMtM

Zeit die sumerischen Spekulationen und Mythen. Das wiederholte sich in ähnlicher Weise, so oft neue Öemitenscharen aus Arabien er- obernd in das Zweistromland oder überhaupt in ein von der alt- babylonischen Geisteskultur beherrschtes Land eindranj2;en und sich darin festsetzten. Sic wurden politisch die Herren des l^andes, ge- rieten aber in Abhängi^^keit von der dort herrschenden altorientali- schen Geisteskultur. Nur übernehmen die später Gekommenen diese Kultur nicht mehr direkt von den alten Sumerern denn die waren unterdessen längst verschollen sondern von ihren früher ein- gewanderten semitischen Brüdern, unter deren Händen sie natürlich bereits mehr oder weniger semitisiert war. So erklärt es sich eben, daß, wo sich im Bereiche semitischer Religionen mythologische Ele- mente finden, diese überall dieselben charakteristischen Züge alt- oriontalisclier Weisheit und Spekulation tragen. Der phönicische Schöpf ungshericht des Sanchuniathon und die babylonischen Schöp- fungsmythen in ihrer alten Gestalt sowohl wie in der Überlieferung des Berossus sind Zweige von demselhen Stamme, und der bibli.sche Schöpfuugsbericht in Gen. 1 läßt die Verwandtschaft mit dem alt- babylonischen Marduk-Mythus (nach seinen Anfangsworten gewöhn- lich als Mythus inuma ihl bezeichnet) und ähnlichen babylonischen Schöpf ungsmjthen noch deutlich erkennen. Auch der zweite biblische Schöpfungsbäidit m Oen. 2 und die damit jetzt im engsten Zu- sammenhange stAhende biUische FmdieseB- und Sfinden&Ugeschiobte in G«n. 3 sind so xei<di an babjlonlsoiien Motiven, dafi es nicht sa gewagt erscheint, aaoh fOr sie babylonische Urbilder, oder doch wenigstens starken Binfloß altbabylonischer Denkweise anzonehmeii.

Wenn wir nadi dem allen Cbambklair auch gern sageben, daft die Semiten eine eigne Mythologie nicht hervorgebracht haben und ihrer gansen Art nach auch nicht für religiöse Spekulation angelegt waren sie stehen in dem Pmücte fraglos weit hinter den alten Sumerern mrttck so scheint uns Ghambeilain dodi viel su weit SU gehen, wenn er den Semiten jedes YerstSndnis für den Mytiius Überhaupt abspricht. Der Mangel an Produktionakraft auf einem Ge- biet schließt eine gewisse Beseptionsfittiigjkeit auf eben diesem Ge- biete keineswegs ans. Wenn auch nicht schöpferisch wirksam auf dem Gebiete der Mythenbildung haben doch die Semiten, apedell die in Babybnien eingewanderten, die sumerischen Mythen aufkommen, sich angeeignet und mit YerstSndnis weitelgebildet Es ist, wenigstens in der Allgemeinheit, in der es Chamberiain in engem Ansclilui an seinen Gewihrsmann Bxnan (S. 399) behauptet, nicht richtig, dafi der Mythus unter den Händen der Semiten (wohlverstanden, nicht nur

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BiJS2«TSCH: H. St Gbamberlaus Voratellaiigeii über die Eeligion oaw. 131

der Israeliten, für die die Behauptung eher zutreffen könnte) zu > historisch er Chronik« werde. Um sich von dem Unzutreffenden dieser so allgemein gehaltenen Behauptung zu tiberzeugen, braucht der Loser nur einen Blick in den I. Teil des 6. Bandes der von Ebekuard Schräder herausgegebenen Keili nschriftliclien Biblio- thek zu werfen. In diesem Teile hat der Assyrioloe: I^eter Jensen die wichtigsten assyrisch-babylonischen Mythen und Epen in Trans- scription und Übersetzung mitgeteilt Und zwar handelt es sich hier wohlgemerkt! nicht etwa um Mythen und Epen in ihrer sumerischen Crgestalt, die wir überhaupt nicht mehr besitzen, soiidom um Mythen und Epen in semitischer Bearbeitung und Ausgestaltung. Wie ist da doch aber übenill das Wesen des Mythus treulich be- wahrt und erhalten! Von einer Umsetzung in »historische Chronik« ist so gut wie nichts zu merken, höchstens hier und da etwas von Historisierung eines mythologischen Zuges, wie sie aber bei aDen Völkern vorkommt (s. iU)er diesen Punkt weiter unten). Man lese nur den Schöpfungsmythus inuma iliä, oder die Mythen von Zu dem Sturmvogel, von Nerigal und Ereükigal, von Istars Höllenfahrt oder schließlich den sinnigen Adapa-Mythus. Ob nun freilich die Mythen in ihrer semitischen Ausgestaltung hinter ihren sumerischen Urbildern zurückstehen, kann gefragt werden und ich möchte die Frage sogar bejahen. Wie groß der Abstand aber ist, läßt sich beim besten "Willen nicht exakt beantAvorten, da wir eben die sumerischen Ur- bilder nicht mehr besitzen und wir somit über kein Mittel verfügen, um auch nur annähernd bestimmen zu können, was an irgend einem Mythus sumerischen oder semitischen Ursprunges ist, vergl. dazu H. Zdocbui in Ebebuard Schräders Eeilinschriften und das Alte Dlestament 3. A. S. 349. Aber das ist schließlich hier aaöh Neben- sache; wonnif es hier ankommt, ist lediglich sa zeigen, dafi die alten sumerischen Mythen auch onter den Hlnden von Soniten nicht anf- hMan, Mythen za sein, daß also die Semiten nicht jeglichen Yer- ständniases ffir den Mythus bar gewesen sein können.

An einem besonders interessanten Punkte l&ßt sich sogar deut- lich naehweiBen, wie die babylonischen Semiten es auch Terstanden haben, einen Mythus in chaxakteristiscfaer Weise weiterzubilden. Der schon oben erwihnte Inumsrilil-Mythus ist in seiner uns bekannten Oestalt das Flrodukt eines längeren mythenbildenden Prozesses. Denn wShrend bestimmte Anzeichen dafür sprechen, dafi dieser Mythus in einer ilteren Gestalt bereits im 4. Jahrtausend t. Chr. bekannt ge- wesen ist (vei^^ dazu GmiDL in Schöpiong und Chaos S. 27 f), rOhrt die Qestalt^ in der wir ihn kennen, frühestens aus der Zeit des zu

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132 AjxmMO

Ende gehenden dritten vorchristlichen Jahrtausends her. Damals war nämlich die 6tadt Babel durch den bekannten König Hammurabi zur Hauptstadt des von ihm begründeten babylonischen Einheitsstaates geworden. Das hatte zur unmittelbaren Folge, daß der bisher in Babel verehrte Gott Marduk iiunmelii als König der Götter und Herr der Welt an die Spitze des babylonischen Tantheons trat Gerade diese Tatsache spiegelt sich nun aber in dem Weltschöpfungsepos inuma iÜS in sehr bezeichnender Weise wieder. Es wird nämlich darin sehr ausführlich erzählt, wie, nachdem ältere Götter sich teils geweigert haben, den ICampf mit dem Chaosungeheuer Tiamat aufsn- nehmen, o^er ohne Erfolg ans diesem Kampfe zurückgekehrt sind, der jüngere Gott Haidok sich eibietet, den Kampf gegen die lümat KU wagen, unter der Bedingimg, daß ihm das Beoht der obersten Schicksalsbesümmmig gewfihrt werde. Die Götter treten darauf m einer Versammlung zusammon und bestimmen, nachdem sie suvor an einem Uahle sich giUÜch getan und sich am W^e berauscht haben, Marduk zu ihrem YorkSmpf er und Bücher. Zugleich erkennen sie ihn als obersten ffimmelsgott an und bringen ihm ihre Huldigung dar. Diene ganse Scene, die &st homerisch anmutet wer denkt dabei nicht an die olympischen Götter, die sich beim Göttermahle an Nektar und Ambrosia laben? stellt, wie gesagt, eine jüngere Zutat SU dem filteren Mytiius dar, und zwar eine Zutat ans semitischer Hand. Diese Zutat ist nun aber so fein auf das Ganze abgestimmt und ist so im Tone des alten Göttermythus ge- halten, daß wir dem semitischen Teifasser ein feines Yerstfindnis flSi das Wesen des Mythus und tot allem au(di die gestaltende Straft der Phantasie nicht absprechen können. Wir sehen gerade an diesem Beispiele, wie wenig Chamberlain mit seiner so allgemein gehaltenen Behauptung, dafi jeder Mythus unter semitischen Binden zur histo- risdien Chronik werde, Becht hat Wird doch hier der Mythus nicht in Historie, sondern vielmehr die Historie in Mythus umgesetat oder genauer gesagt: dem historischen Ereignis wird ein mythischer Hinter- grund gegeben.

Wir fürchten nun freilich, daß diese ganze Ausführung auf Chamberlain wenig Eindruck machon würde. Er würde sich zur Bp- klärung des Vorganges einfach auf die Rassenmischung, die zwischen Semiten und Sumerern stattgefunden und den Semiten sumerisches Blut zugeführt hat, berufen und uns damit durch seine bereits oben gekennzeichnete Hintertür entschlüpfen. Oder noch wahrscheinlicher^ er würde uns vieUeioht gar nicht zugestehen, daß hier eine wirkliche echte Weiterbildung eines Mythus vorliege, sondern lieber von Ent-

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BABincB: H. St Gtiamberlains VontaUttn^ äber die Baügion usw. 133

Stellung und Zentönuig des Wesens des MyÜius reden. ^) Denn daß der Mythus ein historisches Element in sich aufgenommen hat, kann ihm nach seinen Yoraussetsnngen, nach denen die Religion überhaupt mit Geschichte nidits zu tun hat, nur als eine Ffilschung des Mythus gelten. Damit wäre die Frage nun freilich ganz und gar auf das leligionsphilosophische Oebiet hinübergespiclt, und wir sehen hier zum ersten Male deutlich, wie in der Auseinandeisetzung mit Ghamberlain schließlich alles davon ahhän^ wie man sich zu sdner AufiRSSung von der Religion stellt. Da wir, wie wir gleich vorweg bemerken wollen, Chamberlains Auffassung von der Beligion in keiner TVeise teilen, und jede Beligion für minderwertig halten, in der nicht alles irdische (reschehen und somit auch die Geschichte in Beziehung zu dem Göttlichen gesetzt wird, so würden wir uns jeden- falls nicht entschließen können, in dem von uns angezogenen Beispiel einen Beweis für die unter semitischen Händen sich vollziehende Degeneration des Mythus zu sehen, und müßten aUen etwaigen Ein- 'wendungen gegenüber an nnseier Auffassung, nach der hier eine echte mythologische Weiterbüdang eines filteren Mythus vorliegt, fest- halten.

Neben solchen "Weiterbildungen des Mythus fehlt es nun freilicli auch nicht an Historisierungen ursprünglicher Mythen, an Ver- quickung mythologischer Stoffe mit historischen Elementen. So spricht z. B. vieles dafür, daß es sich in der Sündflutgeschichte ur- sprüüglicii um einen Naturmythus gehandelt hat der den Lauf der Sonne am Himmel zur (irundlage hatte fvergl. H. Zimmern in Euerh. Schräders Keilinschriften u. d, A. T. S. 555). Aber schon in der uns bekannten babylonischen Gestalt der Sage ist dieser ursprüng- liche Himmelsmytlius bereits auf die Erde verlegt, ohne daß freilich die mythologischen Züge schon gänzlich verwischt wären. Der ur- sprüngliche Sonnengott, der in seinem Schiff über den Himmelsozean dahinfiilir, ist zum menschlichen Heros und der Himmelsozean zur irdischen Flut die ganz in der Weise einer Sturmflut geschildert wird, gemacht Oder man denke an das G ilgamea-Epos, in dem es sich ursprünglich um einen Sonnenmythus handelte, der den Jahreslauf der Sonne zum Hintergrunde hatte. In der uns vor- liegenden Gestalt ist nun aber mancherlei Historisches in den Mythus

') Vergl. z. B. Dilettantismus. T'asso, Monotheismus, Rom, S. 64 Zeile 6 ff., wo er sich dahin äußert, daß ein sohjluT Um- und Au.sbau alter Volkstraditionen, wie er innerhalb der babylonischen üiorarchie gewili stattgefunden habe, eine Ver- uBätaitong bis zur Unkenntlichkeit bedeute.

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Aufsätze

hinein verflochten ; ja der Mythus ist, wie Zimmern a. a. 0. S. 580 sich ausdrückt, geradezu auf einzelne historische Tatsachen und Ge- stalten übertragen. So ist die Gestalt des Sonnenheros Gilgameä mit der eines alten Königs von Erech verknüpft und wahrscheinlich spiegeln sich auch historische Kämpfe der Babylonier gegen die Elamiter in dem Epos wider. Aber ich frage: sind das denn Er- scheinungen, die sich nur bei den Semiten finden? Erscheint die Sündflut in den betreffenden Sagen der andern Völker nicht ebenso wie bei den Babyloiiiem und den Israeliten als ein auf der Erde sich abspielendes historisches Ereignis? Und zeigt nicht, um etwas, das uns besonders naheliegt, zu nennen, das Nibelungenlied eine besonders charakteristische Mischung historischer und mythischer Ele- mente? Welcher ungelehrte Leser denkt denn jetzt noch daran, daß es sich bei Siegfried ursprünglich um einen Sonnengott oder der- gleichen geiiandelt hat?

Es wäre für unsere Untersuchung sicherlich von nicht geringer Bedeutung, wenn unsere Kenntnisse über die Religion der in Bezug auf Kasse wohl ziemlich reinen Südaraber bereits zu einem be- friedigenden Abschlüsse gekommen wären. Immerhin verdanken wir den Forschungen Glasers, Hommkls u. a. die gesicherte Einsicht, daß die Semiten Südarabiens es schon im zweiten vorchristlichen Jahr- tausend zu einer respektablen Kultur man denke nur an den Staat der Minäer gebracht hatten und sich im Besitz einer reich entwickelten Religion befanden, deren ganzer Charakter das Yor- handenaein einer ausgebildeten Mythologie vermuten Ifißt, veigLdasa 0. Webbr, Arabien yor dem Islam (a. u. d. Der Alte Oiient, Jahrg. m, Nr. 1) S. 18. Oewifi ist «noh hier mit altbabylonisdieii Binüflssen rechnen, aber die Ton dort kommenden Anregungen sind hier augenscheinlich In so selbstSndiger nnd eigenartiger Weise yerarbeitet, daA wir nns jedenfsUs htUsn müssen, den Semiten in Bansoh nnd Bogen jede Empfänglichkeit und jedes Yerstfiadnis für my&ologische Gedanken ahsnsprechen.

Etwas anders scheint es ja nun freilich bei den Israeliten zu stehen. Obwohl die sahireichen mythologischen Anklänge im Alten Testament und die nicht seltenen Übertragungen mythologischer Züge auf Jahye (vergl. zahlreiche Beispiele bei GtjmatL, Schöpfung und Chaos, S. 29 ft) für das Eindringen mythologischer Gedanken und für die sehr weit gehende Geneigtheit, die altorientalischen Mytho> logien anzimehmen nnd sich zu assimfliercn, ein deutliches Zeugnis ablegen, zeigen gerade die (Tigeschiöhten der Genesis, die zum Teil direkt auf mythologische Vorbilder zurückgehen, und bei denen man

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Babubcb: U. 8t GhanboslaiiiB TantdlimKen fib«r die BeUgion usw. 185

daher die meisten mythologischen Züge erwarten müßte, einen auf- fälligen ilangel an solchen. Wohl schimmern sie durch die Ober- fläche noch hier und da hindurch, aber sie sind so vertuscht und Tcrhüllt, daß sie eigentlich nur dem religioüsgeschichtlichen Forscher erkennbar sind. So machen in der Tat die ursprünglich mytho- logischen und symbolischen Gebilde den Eindruck Ton Historien, die ▼OD Dingen und Ereignissen melden, die genau so geschehen sein sollen, wie dazin berichtot wird. Der für alles menschliche Begreifeii nnfiiBbare Yoigang der Wdtsohöpfung. über den man nur in Bildern und aadentottder Symbolik reden kann, wird hier zu einer wirklichen Historie, deren einzelne Akte sich in greifbarer Deutlichkeit vor unsem Augen abspielen. Der mythische Göttoigarten oder das Paradies wird anf ein bestimmtes Stück Erde veraetot^ und seine Tier Ströme werden abenteueriich genug mit vier irdischen Strömen identifiziert Aus dem bösen Schlangendimon, der die Plfine des Schöpfergottes listig durchkreuzt, wird eine wiikliche Schlange, ein Tier des Feldes, das sich von den fibrigen nur dadurch unterscheidet, daß es UOger ist als sie und reden kann. In diesem Sinne in jedem andern wäre es unsinnig redet Chamberlain nicht ohne Becht Ton einem massiTen Materialismus der biblischen Yorstellungen; wir würden es lieber nennen: Haterialisierung der ursprüng- lichen Mythen.

Stimmen wir nun soweit in diesem Punkte mit Chamberlain auch ganz überein, so möchten wir in der Beurteilung dieser Er- scheinungen uns doch auf einen etwas anderen Standpunkt stellen. Chamberiain suchte wie wir gesehen haben (& S. 22 dieser Zeitschrift) diesen Materialisierungsproaefi ans der BeschrKnktheit, ja einer ge- wissen Borniertheit des israelitischen Geistee heraus zu erklären. Denn darauf läuft es doch am Ende hinaus, wenn er S. 399 sagt: »Ton all den tiefen Ideen, welche sinnende und sinnige Gemüter in diese Erzählungen (gemeint sind die Erzählungen in Oen. 1—3) hineingeheimnifit hatten, merkten die Semiten gar nichts, so rein gar nichts, dafi die Juden z. B. die Vorst« llnng eines bösen Geistes, dem guten entgegengesetzt, erst während der babylonischen Gefangenschaft durch Zoroaster kennen lernten, bis dahin hatten sie in der Schlange ihrer Bibel eben lediglich eine Schlange erbhcktt Wir sind dagegen der Überzeugung, daß die israelitischen Pricstor, oder wem wir sonst die gegenwärtige Formulierung der Sündenfall- geschichte ▼«rdanken, um den ursprünglich diimonischen Charakter der Schlange recht wohl Bescheid gewußt haben. Wenn die Schlange jetzt als Tier des Feldes erscheint was ja in der Tat keine Yer-

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AnfBltie

bessenmg bedeutet^) so liegt das daran, daß man der Schlange des MTthus den dSmonisohen Charakter mit vollem Bewußtsein ab- gestreift oder doch abzostreilaii gesucht hat, weil nadi der isiaeliti- sehen Überzeugung für eine Scfalangengottlieit oder einen Schlingen- dSmon neben Jahve eben kein Baum war. Mag nun nach Chamber- lain diese Übeneuguug selbst wieder ein Zeichen bedauernswerter Beschrünkth^t sein, worauf es hier znnfiohst ankommt, ist, zu be- tonen, daß es sich in diesem Zuge nicht am eine ans Borniertheit entsprungene Veikennong eines mjthologischen Elementes, nicht um ein >Nichtm6rken€, sondern nm euie anf genanestem Yerstindnis desselben bemhende^ bewußte Pdemik dawider handelt Genau so yerhilt es sich mit dem Sohöpfungsbericht in Gen. 1. Es ist durch- aus einseitig und ungerecht, darin ledi^ch eine plumpe Terball- homisierang und phantasielose Mateiialisiemng des zarten mythisch- symbolischen sumerischen Urbildes zu sehen, wie es der Phantasie Chamberlains Torschwebt (8. 399). Ich sage mit Tollem Bewußtsein tder Phantasie Chamberlainsc, denn weder er noch sonst jemand hat ein irgendwie sicheres Wissen um den zu Grunde Menden sumeri- schen Kytlins. Wir kennen diesen Mythus nur in seiner semitischen Gestalt, wie sie nns in dem babylonischen Schöpfongsmythus inoma ilü erhalten ist Inmierhin werden wir aber annehmen dfiifen, daß diese semitische Gestalt, in der der alte sumerische Mythus gewiß auch den Israeliten erst bekannt geworden ist,*) wenigstens in den Grundzflgen (personifiziertes Wasserchaos, Theogonie, Kampf des Schöpfergottes mit dem Wasserungeheuer und Spaltung desselben in zwei Hälften, Reihenfolge der Schdpfungswerke) mit dem alten sume- rischen Mythus übereinstimmte, so daß eine Vergleichung des bib- lischen Berichtes mit dem babylonischen Mythus uns den Abstand dieses Berichtes wie von dem babylonischen Mythus so auch von seinem sumerischen Urbilde zeigen wird. Eine solche Vergleichung zeigt uns aber wieder auf das deutlichste, daß der biblische Bericht

') Diese Auffassung hat sich darum auch nie recht durdusotzun können. In 8ap. iSal. 2 v. 24 wird die Schlange mit dem Teufel identificierl, ebenso im N. T. (E7. Joh. 8 T. 44, Boo. 16 20, Apok. 13 t. 9 usw.), im spitonn Jodentom und in der ohiistUohMi Kivohe. Wir amd der Übeneagnogi daß auch aohon das alte Israel, das man nicht ohne weiteres nach dem Erzähler yon Gen. 3 beurteilen darf, hinter der Schlange immer etwas mehr gewittert hat als ein Tier dos F'oldes.

*) In Dilettantismus, Rasse, Monotheismus, Rom S. ü4 nimmt Chamberlain an, daß Om. 1 fast Wort für Wort auf den uralten sumerischen Bericht surückgehe. Das iat andh von andam aohon ▼emniiat, läßt aioh alwr nidht bawaiaeo« und iat aa sich nicht sehr wahrscheinlich, da die in Gen. 1 TOiÜegonde Oaatalt daa SohöpfungB- behohtea ztomlich jung iat (ca. 500 Chr.).

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Baettsch: H. St. Chamberiatns Yorstellunjcen über die Keligion usw. 137

auf dem "Wofrc bewußter und konsequenter Ausstoßung aller poly- theistischen und mythologischen Elemente, die sich nun einmal mit dem monotheistisch gearteten Gottesbewußtsein des israelitischen oder jüdischen Erzählers nicht vertrugen, zu stände gekommen ist^ und zwar, wie ich hier gleich hinzufügen will, nicht etwa von heute auf morgen, sondern sehr allmählich, auf dem Wego eines langen reli- gionsgeschichtlichPH Prozesses zu stände gekommen ist. Wie dem nun auch sein möge, wir mü.ssen jedenfalls dabei bleiben : nicht der Phantasielosigkeit, der eingefleischten Vorliebe für das Platte, Greif- bare. Alttägliche und Massive ist das mythische Chaosungetüm und die bunte, in den Weltlauf verflochtene Götterwelt des babylonischen Mythus zum Opfer gefallen, sondern diese Dinge sind wie wesenlo.se Schemen vor dem Lichte der höheren und reineren (iotteserkenntnis, die wir trotz Chamberlain den Israeliten nun einmal zuschreiben müssen, in das Nichts vergangen, in das sie gehören, Mjig bei der Umsetzung ins Monotheistische mancher schöne poetische Zug, mancher tief spekulative Gedanke des alten Mythus verloren ge- ganjjen sein, so entschädigt reichlich dafür die viel höher und reiner geartete Religiosität, die den biblischen Bericht vom Anfange bis zum Ende durchweht und die ihn weit über alle Kosmogonien erhebt, die uns bis jetzt bekannt sind. Oder meint Chamberlain wirklich, daß auch nur eine dieser Kosmogonien dem religiösen Gemüt Be- friedigung gewähren und das Gefühl der Andacht in einem Menschen- herzen auslösen werde? Wir werden gewiß viele dieser Kosmogonien, darunter auch die sumerisch-babylonische, höchst interessant finden ab Denkmäler einer großen Vergangenheit, als Zeagnisse einer von den meisten bisher nicht geahnten EntwicUungshQbe, die der den- kende Mensehengeist schon vor Jahrtsosenden t. Chr. erUonunen hat, wir werden die Oedankentiefe und den wdtom&ssenden Geist, der sich in manchen von ihnen offenbart, rttckhaltslos bewundern, tber bei aller Bewnndenmg wird unser Hers ihnen gegenCLber kalt bleiben. Sie gehören fttr ans alle der Geschichte an. Die in ihrer Einfachheit majestfttische biblische Ensfthlung in Gen. 1 verfehlt da- gegen noch heute ihre Wirkung auf religiös empfindende Menschen nidit und wird sie behalten, solange es solche Menschen auf Erden gjbti) Und mag man femer über die vom ErsUüer von QetL 3 unter

') Natürlich darf man Gen. Ij dann aber nicht übersetzen wollen, wie es Qiamborlain in Dilettantismus, R^isse usw. S 02 f. petan hat, njimlieh folf^ender- Ba&ea: Als zu Beginn die Dämonen da» £rdreich und das LuftreicL ausschieden OiinM ans dem ünneerX da gesobah folgendes nsw. In dieser Übenetsong des iHliiiaohen Textee vom Gen. 1, boXL sich sn^eioh des eUsamensehe Oiiginal wider-

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138 Anftttie

die Tiere des Feldes gerechnete redende Schlange seine Glossen machen, die Sündenfallgeschichte mit ihren von bewunderungs- würdigem psychologischen Tiefblick zeugenden Ausführungen (vergL aamentUch Gen. 3, 1 6), die wir trotz der auch von uns an- genommenen Abhängigkeit von Babylon in Einzelheiten als Ganzes doch fOr des ianelitiflohen Erzählers ureigenstes Eigentum halten, ge- hört nun einmal sa den Perlen religiöser BisihlDngskimBt aller Zeiten nnd Völker. TTnd mögen, um andi das noeh zu erwähnen, die bib- lischen Berichte nach Abstreifiuig des mythisch- siymbolisdien Ge- wandes inmieriiin den Eindrack Ton Historien machen, die als so ge- schehen ^änbig hingenommen werden wollen IQr den Sohöpfongs- bericht in Gen. 1 hat das Alte Testament selbst diesen Schein ser- stört; denn indem es in Gea 2 dem eisten Schöpfungsbericht einen sweiten mit euier ganz anderen Reihenfolge der Werke und über- haupt mit einem ganz anderen Oharakter beigeseUte, hat es fOr jeden der sehen kann nnd will, den dorohaas subjektiTen nnd poetischen Ohankter beider ins hellste lacht gestellt und uns damit zu einer weitherzigen Betrachtung der Einzelheiten die Anleitung gegeben. Wenn spätere Eiferer sich auf den Buchstaben von Gen. 1 yersteift und jede Abweichung daron als fluchwttrdige Ketzerei gebiandmarkt haben, so ist das des Alten Testamentes Schuld jedenfslls nicht

So haben wir also mit Bezug auf den eisten Funkt gesehen, daft Ghamberiains Ausfahrungen mancher Einschränkung bedfiifen. Gewift sind die Semiten tou Hause aus nicht geiade spekulatiT beanlagt und Begründer einer originalen l^ythologie gewesen. Was wir an Mythologie bei ihnen finden, geht schHeSlich alles auf die altorien- talische Weisheit zurück, die ün babylonischen Tiefland seit unvor- denklichen Zeiten ihren Sitz hatte nnd von da aus schon früh sich nach allen Himmelsgegenden hin (sogar bis Indien, und wahrschein- lich auch bis nach China im Osten und nach Ägypten und Griechen- land im Westen) verbreitete. Aber es ist nicht so, dafi der über- kommene mythologische Besitzstand von den Semiten aus totalem Mangel an Verständnis in Grund und Boden verderbt und die Mythen in historische Chronik umgesetzt seien. Wenigstens die babvlonischea Semiten haben das mythologische Erbe der Sumerer behütet und in ihier Weise weitergebildet, und für die Südaraber wird das Gleiche anzunehmen sein. Ein ausgesprochen antimythologischer Zug läfit

spiegttfai ! Diese Übezeetnuig ist natariioh trots dae beigebrachten gelehiten Mato- riales gelinde gesagt leine 'WlUkflr und Phantasie. Der ebiiige Punkt, in dem ioh

Chaniborlain hier beistimmen kann, ist der, daß in Gen. 1, f. von einer Schöpfung der Welt aus nichts nicht eigentlich die Bede ist Das Chaos wird vonuugeeetzt

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WnTKBWAU): Das Schoiweseo des Kantona Baselstadt

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sich nur bei den Israeliten wahrnehmen, aber er erklärt sich hier nicht sowohl aus einem völligen Unvermögen, die Mythen zu ver- stehen, sondern aus dem tiefinnersten Wesen ihrer Religion, die bei ihrem ausgesprochen monotheistischen Zuge aUes Mythologische und Polytheistische von sich abstoßen mußte.

Freilich sieht ja nun Chamberlain g'erade im israelitischen Mono- theismus ein besonders charakteristisches Merkmal des Tiefstandos dieser Religion und wird demgemäß auch in der Polemik dieser Religion gegen Fulytheismus und Mythus nur ein Zeichen von Platt- heit und Borniertheit sehen wollen. Das erinnert uns von neuem daran, daß der Entscheidimgskampf auf einem andern Felde auszu- tragen sein wird. Ehe wir uns dazu anschicken, haben wir zuvor zu sehen, ob Chaniberlains Charakteristik der Religion Israels hin- sichtlich der nocfh nicht erledigten Punkte besser Stich hält, als mit Bezug auf den ersten. (Forts, folgt)

Das Solmlwesen des Kantons Baselstadt

Von

I>r. X. Wettcrwald-Baael (SoUnA)

AuAer den besprochenen staatlichen Schulen, die auf Ende Deiember 1902, abgesehen ron den EleinldndeianBtalten, 20641 Kinder unter 556 LehiMften sihlten, besltet fiasel noch eine Anzahl PriTatsehnlen ffir Kinder der TöUcBschule sowohl als fOr die reifere Jugend, ünter den ersteren ist die bedeutendste die freie eyan- gelische Yolksschnle, die im veiflossenen Jahr in den vier Pximap Uassen 99 Knaben und 99 Mädchen nnteiriohtete; in der daran sich anachlieftenden TSchtereohnle befanden sich in 6 Klassen 168 SchfUe- nnnen. Die flbiigen Ptivatschnlen, von Damen geleitet, nehmen nur Iffidchen anf nnd haben zum nur eine kleine Zahl von Schüle- rinnen. Die Schulen in den Hissionskinderhäusem werden vozzug»- weise von auslSndischen Kindern, Knaben und Ißidchen, besucht; die Oeeamtsahl betrug auf Ende des letzten Schuljahres in acht Jahr- gingen 50 Knaben und 41 Mfidchen.

Der Heranbildung tou Predigern und Missionaren dienen die evangelische Missionsanstalt (90 Zöglinge im Alter von 18—29 Jahren), die evangelische Predigerschule (28 Schüler) und die Pilgennission zu St Chriscbona (58 Zöglinge und 8 Hospitanten).

Eine besondere Erwähnung yerdienen die beiden privaten Taub-

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140 AufiriUxe

stumme 11 an stalten, von denen jede durch eine besondere Kom- mission orlialten und beaufsichtigt wird. Die altbewährte Anstalt in Riehen zählte auf Eude des Jahres 1902 21 Knaben und 22 Mädchen, die iu vier Klassen, jede mit zweijährigem Kursus, von vier Lehrern und einer Lehrerin unterrichtet werden ; das Alter der Kinder Tarüert zwischen 8 und 17 Jahren. Die Anstalt in Bettingen dieot der An»- bildung schwachbegabtear taabstnmmer Kinder; sie sfihlte 8 Knaben nnd 6 Ifidchen, die im Alter Ton 6 bis 17 Jahren standen. Für die Aasbildnng solcher Kinder, die so sohwadi sind, daß sie in den SpezialUassen der stidtischen Sohulen nicht fort kommen können, be- steht die Anstalt mr EofiEnnng, in der Stadt gelegen, in der sich anf Ende des lotsten Jahres 13 Knaben nnd 8 Hfidchen beiMiden.i)

Der weiteren Fortbildung in den fremden Sprachen Französisch, Bnglisch und Italienisch dienen die Sprachkurse ffir Jfbiglinge und Tochter, die Ton der Gesellschaft des Guten und Gemeinntttzigeii unterhalten werden und die sich eines sehr guten Besuches erfreuen.

Für die musikalische und kommerzielle Aus- und Fortbildung sorgen die der Gesellschaft des Guten und Gemeinnützigen unterstellte Allgemeine Musikschule, die unter einem besonderen Bektorate stehende Schule des kaufmännischen Yereins und die Wide- mannscfae Handelsschule; alle drei Anstalten sind privater Natur, haben eine bedeutende Ausdehnung und entbüten eine sehr an* erkennenswerte Tätigkeit

Der Besuch sämtlicher staatlicher Anstalten, also auch derjenigen, die über das schulpflichtige Alter hinausgehen, wie obere Realschule, oberes Gjnmasium und obere Töchterschule samt den Fortbildungs- klassen, ist unentgeltlich und zwar auch für solche Schüler, die in anderen Kantonen oder gar im benachbarten Elsaß oder Großherao^p- tum Baden wohnen. Die allgemeine Gewerbeschule erhebt von ihren Schülern nur eine Einschreibgebühr, die bei regelmäßigem Schul- besuch am Schluß des Semesters wieder zurückerstattet wird; nur solche Scliüler und namentlich Rchülorinnen, die den Unterricht nicht zum Zwecke ihrer beruflichen Ausbildung, sondern bloß als Diiettanteii besuchen, haben ein bescheidenes Schulgeld zu bezahlen.

Zu dieser ünentgeltlichkeit des Schulbesuches kommt für sämtliche Schulen des schulpflichtigen Alters, also auch für die untere Realschule, das untere Gymnasium und die untere Töchter- schule die unentgeltliche Abgabe sämtlicher Schreib- und

*) Diese Anstalt wird nun nach Biehen verlegt; flia NevlNni ist im Eattleheii begriffen und kann nAobstee Jahr beaogen werden.

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WsmawAU): Das Schulwesen des Kantons Basektadt

Ul

Zeichenmaterialion, sowie der Schulbücher. Außerdem können gut empfohlene Schüler der oberen Klassen Stipendien erhalten, die sowohl vom Staate als von Zünften verabfolgt werden. Die privaten Schulanstalten müssen natüi'lich ein Schulgeld erheben, da die Be- soldung ihrer Lehrkräfte vorzugsweise aus diesen Einnahmen be- stritten wird.

Man wird leicht einsehen, daß diese weitgehende Fürsorge des Staates für die Ausbildung der Jugend namentlich für die unteren Tolksklassen eine große Wohltat bedeutet und es jedem braven, fleiüigen und begabten Kinde ermöglicht., sich eine gute Schulbildung zu erwerben imd sich so die Grundhige für eine rechte Lebensstellung zu siehern. Wenn man außerdem nocii bedenkt, wie vom Staat, von verschiedenen Stiftungen und Gesellscliuften durch P>inrichtung von Ferien- und Abendhorten, durch Abgabe von Kleidern und Schuhen, von Milch und Brot während der Fcrioii, von Suppe in den Winter- monaten, durch Ferienkolonien für arme Kinder gesorgt wird, so wird man vielleicht auch darin einen (»rund für den Zug nach der Stadt und besondei^s nach der durch ihre private Woldtatigkeit bekanuteu Stadt Basel erkennen können.

Den Schlußstein in den Unterrichts- und BildungsansUüten des baselstädtüschen Gemeinwesens bildet die Universität Sie erfreute t^ich von jeher der besonderen Förderung imd Pflege von Behörden und Bürgerschaft, und eine lange Reihe von Professoren, die aus alten Basler Geschlechtern hervorgegangen sind, förderte den Buhm und die wissensduifüiche Bedeutung dieser Bfldungsst&tte. Im Winter- «emeeter 1901/02 haben in den vier yeiBcfaiedenen lUraltiten 91 Dozenten in 813 wöcbenfliohen Stunden zusammen 201 Kollegien gelesen; im Sommetsemester 1902 waren es 87 Dozenten mit 955 wdehentlioben Standen und 211 Kollegien. Das Mazimnm der Zu- hdrer in einem Kolleg betrug 87 bezw. 73 nnd fiel auf die matfae- matisch-natnrwissenschaftliche Abteilung der philosophischen Fakultät Die Zahl der Stadierenden betrug im Wintersemester 1902/03 560, •daninter 10 Damen, und zwar entfielen anf die theologische Büraltät 40, anf die juristische 00, auf die medizinische 147 (5 Damen) und auf die philosophische 313, worunter 5 Damen. Ton diesen 560 Studierenden waren Basler 189 (3), weitere Schweizer 223 (7) und Ausländer 148, wovon 96 auf das deutsche Reich fallen. Außer den Voiiesungen dienen der praktischen und wissenschaftlichen Aus- bUdung die Kliniken, Seminarien und Laboratorien. Im Dienste der Universität stehen femer das naturhistorische Museum, die ethno- gn^htsehe Sammlung, das historische Museum, die Kunstsammlungen

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Aufsätze

und die Bibliothek mit 242219 Bänden ohne Manuskripte und Dissertationen , die in einem prachtvollen Neubau neben dem Bemoullianura (Institut für Physik und Chemie) untergebracht ist

Zum Schlüsse erwähnen wir noch das Basler Lehrerseminar oder die Fachkurse zur Ausbildung von Piiniarlehrem, wie der offizielle Name der Anstalt heißt. Zum Eintritt in diese Bildungsstätte ist der Besitz des Maturitätszeujinisses notig. In drei halbjährigen Kursen werden die Kaiuiiduton auf das Primarlehrer- Examen vor- bereitet. Auiier den speziellen pädagogischen Fächern und Übungen besuchen sie nach freier Wahl Vorlesungen an der Universität, wo sie als ordentliche Studenten immatrikuliert sind.

Die Aufsicht über alle öffentlichen und privaten Schulen und die Ausführung des Schulgesetzes liegt dem Erziehungsdepartement ob. Zur Orientierung für niobtschweizerische Leeer sei beigefügt^ daß die oberete d. h. die gesetzgebende Bebttrde des Eanim Bind stedt der Große Bat ist Diejenige Behörde, die mit der YoMehDiig der Gesetie betrsat ist, also die nach Departementen abgegrenstm Gesdiäfto des Gemeinwesens besorgt, ist der ans 7 Mitgliedern be- stehende und alle drei Jahre vom Volke gewählte Regierungsiat Siner dieser Begierungsräte ist Yorsteher desEniehungswesens; ihm ist der vom Großen Bat aof eine Amtsdauer von drei Jahren ge- wählte Eiziehungsrat beigegeben, den er präsidiert Der Ersiehtmge- rat wirkt mit beim Entscheide aller aof die Oiganisation des ünter- riehtsweeens beEflglidien Fragen; es eriäßt mit Genehmigung dee Begienmgsrates die zur AnsfOhrung des Sohulgesetses eifordeilichen Ordnungen und Be^emente; er trifft die ihm durch das Gesets «!• gewiesenen Wahlen und macht die gesetzücben WahlvorsehUige. Eemer bestimmt er die Besoldungen nnd bewilligt die Besoldungsechöhungen innerhalb der gesetslichen Grenzen und stellt die geeigneten Anträge an den Begierungsrat beztiglioh Erleichterung, Pensioniening nnd Ent- lassung von Lehrern; er bestimmt auch auf Antrag der unteren Be- hörden den Gebnmdi der obligatoxischen Lehrmittel.

Fär die besondere Beaufidohtignng der einzelnen Schulanstalten wählt der Begierungsrat für jede derselben eine Kommission oder Inspektion ron mindestens fünf MitgUedem. Nach einem kürzlich erfolgten Beschluß des Großen Bates werden in Zukunft für die Mädchenschulen auch F^uen in diese Behörden gewählt Außerdem wählt der Regierangsrat auf eine Amtsdauer von sechs Jahren für jede Schulanstalt einen Vorsteher; für die Primarschulen heißen die- selben Inspektoren, für die mittleren und oberen Schulen Bektoren. Die ScholTorsteher wohnen den Sitzungen ihrer Inspektionen mit be-

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ÜNIVEKoiTY

OF

TSTinTiswAU): Das Sobnlwieaen de» Kantons Baselstadt

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ratender Stimme bei und besorgen das Sekretariat : sie ordnen und beaufsichtigen (ien Schulbetrieb, besorgen das Kechnungswesen, machen Schulbesuche bei den ihnen unterstellten Lehrkräften, leiten die Lehrerkonferenzen und besorgen die internen Schulgeschäfte, wie große Schulanstalten sie mit sich bnngen. Jode lns})ektion leitet in Verbindung mit dem Schulvorsteher die ihr untei'stellte Schule nach Vorschrift der Gesetze, der Schulordnungen und der Beschlüsse des Erziehungsrates, sie berichtet über Anstellung. p]rleichterung, Pensionierung, Entlassung der Lehrer an den Erziehungsrat; sie stellt nach Anhörung der Lehrerschaft Antrage an den Erziehungsrat über den Gebrauch der obligatorischen Lehrmittel. Sie überzeugt sich von der Beobachtung der Schulordnung, der Einhaltung des Unterrichts- planes und der Erreichung des Lehrzieles; sie ist befugt, dem Er- ziehungsrat Vorschläge über Veränderungen im Gang ihrer Anstalten zu machen. Alljährlich hat sie dem Erziehungsrat über den Gang ihrer Anstalt sowie über die Verhältnisse der ihrer Aufsicht unter- stellten Privatschulen Bericht zu erstatten und die Schulrechnimg zui' Genehmigung vorzulegen.

Es mag auch von Interesse sein, etwas über die Lehrer- verhaltuisse zu erfahren. Lehrer und Lohrerinnen werden auf Grund eines Gutachtens bezw. Antrages der betreffenden Inspektion oder Schulkommission durch den Erziehungsrat ernannt und zwar auf unbestimmte Zeit, d. h. tatsächlich auf Lebensdauer angestellt- Die zu besetzenden Stellen werden in der Regel zur freien Bewerbung ausgeschrieben; die Besetzung kann auch durch unmittelbare Be- lufang erfolgen. Kein Lehrerkollegium der ganaen Sefaweiz hat amen so mterkantonalen Chaiakter wie dasjenige von Baselstadt Die Anssdueibiuig der LebxBtelleii hat gewöhnlich die Anmeldung einer grofien Zahl ron Bewerbern aus aUen Teilen der Schweix zur Folge ; ans den meisten Kantonen, die ein gut geleitetes Seminar oder sonst gute Bildungsanstslten besitEen nnd daher ihren Lehrern eine rechte BildoDg geben können, sind Lehrkräfte nach Basel gewühlt worden nnd swar ohne dafi sie noch ein besonderes Examen hätten machen mftosen. Da das Unterrichtswesen von jedem Kanton nach seiner be- sonderen Geseti^bnng geordnet wird, schreibt er anch die Lehrer- prOfong vor nnd macht in der Begel die definitire Anstellang ab- hängig Ton dem Besita des betreffenden kantonalen Patentes. Die Behörden von Baselstadt aeigen in dieser Beziehnng eine wellgehende liberalität, indem sie fost ausnahmslos die von anderen Kantonen anagestellten Patente für die betreffende Schnlstnfe ohne weitere Prfiüang anerkennen. Bei der Anstdlang wird in erster linie auf

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Aufsätze

Tüchtigkeit der Bewerber gesehen ; die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei, zu einer bestimmten Konfession fällt dabei nicht in Betracht.

Die Lehrer an den PrimarschuJen die 4 ersten Schuljahre haben ihre Bildung meistens in einem Seminar erhalten, einzelne auch an (lymnasien oder Realschulen und an der Univei'sität. Die Lehrer der Sekundai*schulen die 4 oberen Klassen der Volksschule haben ihre Volksbildung zum größten Teil an Seminaiien er- worben und dann nach kürzerer oder längerer Schulpraxis sich an der Universität die zum Examen erforderliche wissenschaftliche Bildung angeeignet; die Ausbildung in den neueren Sprachen erwerben sie sich gewöhnlich im beh-offenden Lande selbst Andere Lehrer der Sekundärschule hal)en nach erworbener Keal- oder Gymnasiiü-Maturität gleich die Universität bezogen und sich hier die für das Lehramt er- forderliche wissenschaftliche und pädagogische Bildung geholt. Seit dem Bestehen des Primarlehrerseminars wird es immer mehr Übung, daß wenigstens die Real -Abiturienten, die Lehrer werden wollen, zuerst diese BÜdungsanstalt besuchen und gleichzeitig, sowie nioh Absolvierung des Seminars noch an der üniYeraitSt fflöh wiBSeii^ sohaftliGlien Stodien widmen. Alle diese Kandidaten sohliefien ihie wissensohafiliolie Bildung mit dem Mittel- oder Obedehrer- oder auch mit dem Doktor-Examen ab. Den gleichen Bildungsgang Bealschole oder Gymnaalnm und üniTersität haben andi die Lehrer am Oynmasium und an der Realschule durchlaufen, doch finden sidii anoh unter den Lehrern der letsteren Anstalten sdohe, die zuerst ein Seminar besucht nnd dann an der üniversltfit ihre wisseur schaftliche Bildung sich erworben haben.

Was die Besoldung betrifft, so richtet sich dieselbe, abgesehen Ton der Zahl der Dienstjahre, auf allen Schulstufen nach der Zahl der von der betreffenden Lehilaraft wöchentlich erteilten Unterrichts- stunden. Für die Lehrer der Primarschule betrügt dieselbe 90 bis 120 Fr, fOr Lehrerinnen 70—100 Fr, fOr Arbeitslehrerinnea 60 bis 70 Fr für die wöchentliche Lehrstnnde im Jahre. Dazu kommen nach 10 Jahren 400 Fr, nach 15 Jahren 500 Fr jährliche Alters- zulage. Die meisten Primailehrer haben 32 wöchentliche Untemchts- stunden, so dafi sich ihr Beeddungs-Mazimnm auf 4340 Fr beliiift Yen 3 zu 3 Jahren wird die Besoldung um 5 Fck. pro wöchentliche Jahresstunde erhöht, so dafi das Maximum mit ungefilhr 18 bis 20 Dienstjahren erreicht wird oder da den ans anderen Kantonen nach Basel gewühlten Lehrern nur die Hülfte der dort Terbrachten Dienstjahre angerechnet wird und da bei den Abiturienten des Basler Seminars die Jahre der proTisorischen Anstellung bei der Besoldnngs-

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WcCTswAU): Das Schulwesen dee Kantoos Baseistadt

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zamessung nicht mitzählen in einem Alter von 40 45 Jahren. Die Lehrennnen erteilen in der Regel wöchentlich 24 Unterrichts- stunden, woraus sich ihre Besoldung mit fünschlofi der Alteiszolage leicht berechnen läßt

Die Besoldungen an den Sekundärschulen, dem unteren Gym- nanum. der unteren Realschule und an der untoren Töchterschule also für das 5. bis 8. Schuljahr betragen für Lehrer 100 140 Fr, bei besonderen Leistungen bis 160 Fr, für Lehrerinnen 80 120 Fr, für Arbeitalehreiinnen 50 80 Fr für die wöchentliche l^ehrstunde pro Jahr; die Alterszulagen sind die gleichen, wie an der Primar- schule. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden beträgt durch- schnittlich 29 30, in einzelnen Fällen bis 32. so daß das Besoldungs- maximiun, wenn der Ansatz von 140 Fr iil)t'rs( liiiften wird, wie eS tatsächlich geschieht, sich auf ungefähr 5ÜÜÜ Fr ht'läuft.

Die Besohl URf^ der Lehrer am ol)oron (lymnasiuni, an der oberen Realschule und an der oberen Tt chrerscliule beträft 1:^0—250 FV, die der Ijohrerinnen 100 140 ¥i\ der Arbeitslehrerinnen 00 bis 00 Fr für die wöchentliche Lehrstunde im Jahr. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden variiert zwischen 20 und 2S; das Besoldungvniaxiniuni kann GOOO F^r und aueli darüber hetragen. Die Schulvorsteher beziehen eine Jahresbesoldung von 0000 F'r Vor weni^'^en Wochen ist \om Ctroßen Rat ein neues Besoldungs- gesetz in erster Lesung durchberaten und angenommen worden ; nach demselben würden vom 1. Januar 1904 an die Besoldimgsansätze für die Primarschule betragen: für Lehrer 100 130 Fr, für Lehre- rinnen SO 110 Fr, für Arheitslehrerinnen 00—80 Fr: für die mittleren Schulen: für Lehrer 120 160 Fr, für Lehrerinnen 100 bis 130 Fr, für Arbeitslehrerinnen 60 90 Fr; für die Schulvoistehor 6000 7000 Fr; für die oberen Ixihranstalten für tlie Lehrerinnen 120 150 Fr, für die Arbeitslehrerinnen 70 90 Fr; für die Lehrer bleiben die Ansätze die bisherigen. Die zweite Lesung des Gesetzes wird im Oktober staltfinden, und nach der schulfreundlichen Stimmung, die sich bei der ersten Beratung gezeigt hat, zu schließen, wird das Gesetz jedenfalls angenommen werden,

Aus diesen Angaben kann man ersehen, daß der Kanton Basel- stadt für seine Lehrkräfte in erfreulicher Weise sorgt. Seine Für- soi^e erstreckt sich aber auch auf ältere Lehrer und Lehrerinnen; es

') Da.s (losptz wunlo vom Großen Rat in zweiter Lesunp angonommen und vom Volke stillsi-hweifrond satiktinuicrt. Seit 1. Januar 1904 werden die Besol- dungen nach dem neuen Ge.setz ausbezahlt.

giitMhlM llr nOoMpkl* oad Fldagogik. 12. Jahiguf . 10

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AoMtze

kann nämlich der Regierungsrat auf Antrag des Erziehungsrates ältere Lehrer um einen Teil ihrer Stunden erleichtem und ihnen den Fort- genuß des bisherigen Gehaltes einschließlich der Alterszulage ganz oder teilweise bewilligen.

Wenn eine Lehrkraft nach Vollendung von 10 Dienstjahren wegen Krankheit aus dem Schuldienst entlassen werden muß, hat sie Anspruch auf eine jährliche Pension auf Lebenszeit. Dieselbe beträgt 2 % der bisherigen Jahresbesoldung einschließlich der Alterszulage für jedes vollendete Dienstjahr seit der Anstellung durch den Er- ziehungrat; sie soll jedoch den Jahresbetrag von 1.500 Fr nicht über- steigen. Zudem ist der Regierungsrat ermächtigt, in Fällen, wo die Festhaltung der gesetzlichen Normen für die Berechnung der Pension einen offenbar ungenügenden Betiag ergeben sollte, über denselben innert den Grenzen des Gesetzes hinaus zu gehen. Es zeichnet sich BO Baselstadt in der Fürsorge für die alten Lehrer vor den meisten Kantonen vorteilhaft aus, indem das Gesetz eine aasreichende Pension Toisieht und dem Lehrer von Rechts wegen anch in den alten Tagen ein Auskommen ächert^ was anderawo von wenigen Kantonen ab- gesehen — meist eist durch einen Qrofirats- oder Gemeindebeschlnß als ein Akt der Gnade in keineswegs hinlänglicher Weise oder anch gar nicht gewShrt wird. In Erkranknngsfifllen wird der Stellvertreter ans der Yikariatskasse bezahlt, die znr Hülfte durch jihriiche Bei- träge der Lehrerschaft, znr HMlfte durch Zuschttsse des Staates ge- spiesen wird. Bei länger andauernder Ejankheit übernimmt der Staat die gesamten Yertretnngskosten. Für die Hinterlassenen des Lehrers, für die Witwen und Waisen sorgt auch Baselstadt nicht» wie man denn in der Schweiz das Institut der staatlichen Witwen- und Waisen- Pension übeihaupt nicht kennt Da hat sich die Lehrerschaft durch GrOndnng einer freiwilligen Lehrer -Witwen- und Waisenkasse selbst geholfen. Durch Mit§^iederbeitr8ge seit einigen Jahren jfihiüch 80 Erk. und durch Schenkungen ist die Kasse im Laufe eines halben Jahrhunderts auf eine halbe Million Franken angewachsen und ge- wahrt der Witwe oder den Kindern, bis das jOngste 20 Jahre alt ist» eine jährliche Pension .von 720 Fr.

Eb mag wohl auch von Interesse sein, etwas über die Schnl- hansbauten und über die Auslagen des Kantons Baselstadt für das Schulwesen zn erfahren. In den letzten dreißig Jahren sind 16 gidfiere Schulhftuser erbaut worden, die ohne die Bauplätze ungefiQir 9 Millionen Franken gekostet haben; inegesamt sind in diesem Zeit- raum für größere und kleinere Schul-Bauten und die dazu gehörenden Bauplätze zirka 11 Vt Millionen Franken Tcrau^gabt worden. Das

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Wrrrwaii»: Dm Sdralweflaii des KaDtoos Baaelstadt

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neoeste und zugleich eines der größten Scholhäaser ist die Obere Bealschule, die im letzten Frühjahr ToUendet und bezogen wurde. 810 floliiSlt 31 Klassen m 24, 32 und 33 Schüler, saBaiiim«n Flals ffir 948 Schfller; aofierdem finden sich in dem Gebäude eine Aula, swei Zeichnongasfile, Lehrsäle für Physik, NatiiigeBchichte, Chemie und Geographie, femer noch dreizehn Lehier- und Sammlnngsonmier, sowie fOnf Klassen fOr den Handarbeitsunteirichi Die Korridore haben eine Breite von 4 m; die dreiarmige Haupttreppe besitit swei SeiteDÜufe von 2,4 m and einen ICitteUanf von 3,6 m Breitew Die m mmiittelbarer Yerbindung mit einem Seitenflügel des HaiqitiMnies stehende Tomhalle ist 24,4 m lang, 12,2 m breit und 8,8 m hoch. Die Baukosten belaafen sich mit Bänschluß des Mobiliars auf 1140000 Fiic.

Für die Frimanchule Knaben und ICftdchen wurden in den Jahren 1899/02 drei Neubauten Bosentalschulhaus, Schulhana am Rhein und Sdhulbaus am Gotthel^latz mit je 23—24 Klassen SQ 52—64 Kukdem erstellt; aofierdem besitEen diese Neubauten je einen Examen- bezw. Singsaal, einige Lehrersimmer, eine Schul- kfiche, ein Brausebad und eine Anzahl Handarbeitsklassen. Heizung und Ventilation erfolgt bei allen drei Gebäuden durdi eine Warm- wasseriuftfaeizung; die Klassen sind in der grofien Mehrzahl nach Osten und Süden gerichtet Die Kosten der Gebäude betragen un- gefihr 27, 29 und 30 pro Kubikmeter oder 25 800, 24 700 und 21800 Fr pro Klasse; die Gesamtbaukoflteii beliefen sich auf 595000 Fr, 740000 Fr und 665000 Fr ~ Bei jedem Schulhaus ist eine Turnhalle und eine Abwartwohnung.

Schon wiederholt haben die jeweüen Yorhanden gewesenen Schul- gebäade nicht genügt, um alle Schüler unterzubringen; daher haben sich die Behörden genötigt gesehen, ausnahmsweise auch sogenannte Schulbaracken zu ersteUen, d. h. ebenerdige Bauten mit je drei Elassra in den üblichen Dimensionen. Diese Bauten sind in Holzkonstrulction mit Verwendung von Gipsdielen aui^geftthrt worden, haben pro Klasse 5 6000 Fr gekostet und können somit als rentabel bezeichnet werden, sofern sie etwa fünf Jahre an gleicher Stelle benützt oder mit relativ geringen Kosten an einen andern Ort Terlegt werden können.

Zum Schluß mögen hier noch einige Angaben über die finanzielle

NShens Abar die Bader SdhidbaiiBbeateii siehe H. Beese, Die aeoeien Bohalhaaser der Stadt Bisel mit 21 Trfdn tuid 2 TebeUeiL Zilzioh, Zfiidier tt Fäirer, 1902.

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Au&ätze

Seite des Basler Schulwesens Platz finden. Im Jalire 1902 be- trugen die Ausgaben des Staates für Schreib- und Zeichenmaterial 49 042 Fr, für die Lehrnüttel der sohulpflichtigen Schüler 45565 Fr. Dio Gesamtauslagen betrugen

f ii die Knaben- und Mädchenprimarschule Fr 503 559.63 Rp; für die Knaben- und Mädchensekundarschule Er 552 456.15 Rp; für die Schulen von Richen und Bettingen . Fr 52 421.20 Hp; für die Volksschule also zusammen .... Fr 1 108436.98 Rp Ferner betrugen die Auslagen für das Gymnasium Fr 120 092.34 Kp, für die obere Realschiüe Fr 96318.29 Rp, für die imtere Real- schule Fr 119 435.85 Rp, für die Töchterschulo Fr 167 400.94 Rp, für die allgemeine Oewerbeschulo nach Abzug der Rundessubvention Fr 952.14 Rp, für die Fraueuarbeitsschule ebenfalls nach Abzug der Rundessubvention 46 586.34 Rp, für die Universität mit all' ihren Sammlungen und Anstalten Fr 333 S49.65 Rp, für die Klein- kinderanstalten Fr 99 772.50 Rp, für Reinigung, Heizung, Beleuchtung und Abwartdienst in sämtlichen Schulgebäuden Fr 226 853.20 Rp. üie gesaraten Auslagen für das Erziehuugswesen beliefen sich im Rechnungsjahr 1902 auf Fi' 2 635 414.92 Rp, d;il.ei sind die Kosten für Schulhausbauten, für Unterhalt der Gebäude, für Schulmobiliar und Reparaturen nicht mitgerechnet.

Dieser Überblick über das Schulwesen des Kantons Baselstadt zeigt uns, daß Behörden und Bürgerschaft dieses Gemomwesens der Jugend- und Volksbildung eine große Bedeutung beimessen, alle Nüttel zur Förderung derselben gerne und in reichlichem Mal^e be- willigen und stets den redlichen Willen bekundet haben, die heran- wachsende Generation für das Leben tüchtig zu machen und zur Mitarbeit an den großen Kulturaufgaben zu befähigen.

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1. Anschein nnd Wirklichkeit

Ein Scherflein zur Lehre von den ürteilsformen, geliefert von Dr. Ernst Friedrich

zu Stolp in Pommern

Auf eine unbeachtete ürteilsform, welche iu einer Bezugsriehtung be- jaht und damit zugleich in einer andern Bezugsrichtung verneint, habe ich öfters aufmerksam gemacht, zuletzt ausführlich in meiner Abhandlung »Lehre von den Ürteilsformen in Prima«, welche gleichzeitig in der Braunschweiger Zeitschrift »Pädagogisches Archiv« erscheint. Die gemeinte ürteilsform heißt dort apotatisch, ihr Aussageband araegepäisch und ihr Sperrspruch regional. Denn die Bezugsrichtung, in welcher ein Ding vom andern gilt, dürfen wir Referenz-Region oder anaphorische Apotasis nennen imd das griechische Nebenwort araegepe = aliqua quidem ent- spricht unseren Neben Wörtern: inirgend wiefern, einerseits, eineswegs = in einer Art, im Vergleich mit, im Verhältnis zu, in gewisser Beziehung, in einer Richtung verbunden und damit zugleich in einer andern Richtung getrennt. Beispiele: Du Imst in einer Art Recht. Ein Mann von 40 Jahren ist einerseits alt. Das im stillstehenden EJimor wallende Wasser ruht inirgendwiefem. Der Berg Gaurisankar bewegt sich in gewisser Be- ziehung. Dieses Gemälde befriedigt uns weder inallewcge, noch keines- wegs, sondern eineswegs, nämlich insofern, als seine Farbengebung schön ist. Die Angabe, inwiefern es uns befriedigt, ist eine regionale Klausel oder ein die Bezugsrichtung anzeigender Sperrspnich, zu welchem die am^epäische Kopula entfaltet worden. Obenhin vermerkt, lautet dieses Aussageband »ist inirgendwiefem«, eingehends vermerkt aber »ist insofern, als . . . derhalben. daß . . . dafür, daß ... in Anbetracht dessen, daß«. Noch weiter entfaltet erscheint die amegepäische Kopula, wenn wir urteilen: »Dieses Gemälde befriedigt uns insofern, als seine Farbengebung schön ist, und befriedigt uns insofern nicht, als seine Zeichnung und Gruppierung viel zu wünschen übrig lassen.« Endlich urteilen wir disjunktiv oder bündig sondernd: »Dieses Gemälde befriedigt uns einerseits und be-

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Mitteilungen

friedigt HOB andraradts niclitc Die apatatisobe ürleilBfonii Ifttt also daa Brldikot yom Subjekt einerseits gelten und audierseits nicht gelten, bejaht

nnd verneint zugleich, spricht zu und spricht ab, stellt mithin einen wohl- gereimtcn Widerspruch (contradictio concinna) dar, wie auch einige andere ürteilsformeu tun, welche ebenfalls das zwiefach beschaffene Aussageband (oopula anoeps) haben. Wir versteheu unter »Bezugsiichtung« die ein- aeitige Geltung dee Pkfidikals vom SnljekL

Hier wOl ich nun eine Abart der aftolatiadhea ürteüaform TorfQhren, wo das Aneaageband immer die Bezugsrichtung auf einen Anaohmin bin verrat, welcher nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt, sondern von ihr abweicht. Diese amegepäische Kopula offenbart die einseitige Geltung allemal als Abweichung eines Anscheins von der Wirklichkeit, erklärt ihn dem eigentlichen Stattfinden gegenüber für ein gleisendes Stattfinden und lautet »ist quantaireiae« d. b. nur zum Schein, gleiaend (gleidiaend), UDaigentlicb, bloB zum Yorwande, angebliobt einem Gerede nach, nur scheinbar, bloß anscheinend, griechisch: pioapupoe, lateinisch: specioBa tantum (pro forma), italienisch: speziosamente, quasiraente, französisch: par feinte, qiusiment, burschikos bei uns: quasimativ. Solche ürteilsfällungen beanstanden jedesmal ein gleisendes Stattfinden, indem sie mit £h> irlhnung desselben seine Nichtigkeit, Hinfälligkeit, Unwahrheit, bezw. Haibwahrheit mitvermerkeo. Dieae Beanataodimg geaohieht bald durah die einschrftokeDden Eopelverben: aohelnen, dOnken, vorkommen, aoUen z. B. in folgender Anwendung: »adieint nur ZU sein, dünkt uns nur zu sdn, kommt uns lediglich so vor, als ob , . ., soll bloß einem Gerede nach seine bald durch Boklcidung der nackten Kopula entweder mit einem einschränkenden Nebenwort (Adverb) z. B. »angebliche oder mit einem einschränkenden Nebensatz« welchen wir Sperrspruch (Klausel) nennen, s. B. »wie der Vorwand läutete

Nachstehende ßeispiele zur gemeinten Abart der apotatiacben ürteils- form sind einem Proben - Sortiment entnommen und werden vorstehende Angaben bestätigen: Der Kaiser von China ist, wie or dort genannt wird, ein Sohn des Himmels. Die Ordnung ist, wie Schiller sagt, eine Tochter des Himmels. Scheinbar bewegt sich die Sonne um die Erde in Wirk- lichkeit aber die Erde um die Sonne. Die Erde aoheint eine kreiarande Scheibe zu adn ist aber eine KageL Der Vollmond aieht aus, ala ob er ein menschliches Antlitz habe zeigt aber Bergen welche von der Sonne beleuchtet sind, und Täler, welche zum Teil von ihnen beacbattet sind. Der Kibitz umflattert Menschen, welche seinem Nest nahe kommen, scheinbar flügellahm, als möchte er sich greifen lassen sucht aber eigentlich ihre Aufmerksamkeit von seiner Brut abzulenken. Karl soll einem Gerede nach ins Aualand entflohen aein befindet aich aber in Stialannd und gedenkt binnen 8 Tagen heimzukehren. Dieser junge Mann besucht quantsweise den Bruder einer jungen Dame will aber eigent- lich Gelegenheit haben, dessen Schwester wiederzusehen. Mancher Ein- brecher fragt ([uantsweise an einer Wölmungstflr, ob nicht Herr Dingsda im Hause wohnt will aber eigentlich Gelegenheit haben , einen Blick in die Wohnung zu werfen und sich das Türschloß zu besehen. Zwei

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1. Anschein und Wiikliciikeit Xöl

Mänoer schafften morgens Betten aus einer Wohnung, w ie ihr Vor wand lautete, im Auftrage der Hausfrau zum Sonnen auf dem Bleicbplatz iD Wahrheit aber war diebiBchen AoeigDUDg. Dieser Freiwillige hat sich qnaDtsweise krank gemeldet hat aber eigentlich Zeit gewinnen woUen, um seine schriftstellerische Arbeit fertig zu schaffen. Jene Fran ist an- geblich am Herzschlag gestorben hat sich aber vergiftet Sie betrieb unten quant.sweise ein Ladengeschäft oben aber ein unzüchtiges Ge- werbe. Dieser Meister tadelt quantsweise seinen Lehrling meint aber seinen Qeseiien, welcher zugegen ist, den Tadel verdient und ihn sich annehmen soll. Jene Xfinner worden qnantsweiae ro einem Gastmahl Un- geladen, audi gnt bewirtet hinterher aber ermordet Dieser Feldherr fsriangte quantsweise das ünm(S|^iche von seinen Soldaten woUte aber nur das ihnen Mögliche erreichen. Jener Verkäufer forderte quantsweise einen überaus hohen Preis wollte aber bloß einen ziemlich hohen Preis erschwingen. Kaufmann Öchwindclineior, Schwiegersohn des Herrn Pleite- geier, hält sich quantsweise eind t^uipage besitzt aber nur eine Kredit- Equipage, welche eben nooh nieht von ihm beanhlt ist und Yertnnien tu ihm erweoken soU. Die mit Beieig, Basen und Kllder flberdeckten Fall- groben, worin Bftren, LOwen, Wolfe und andere vierbeinige Menschenfresser sollen gefangen werden, sind anscheinend massiver Erdboden in Wirk- lichkeit &heT anscrehöhltor Erdboden. Der Pantoffelheld regiert quantsweise wird aber von seiner Gattin regiert, ist *e\n willenloses Werkzeug in der Hand einer Tyrauniu«. Ein weiüer Hund, dessen Kopf schwarz is^ dflnkt HOB in dunkler Nacht beim eisten Anblick kein ämpt su haben hat aber sein Haupt, wie am hdlen Tage, und braixdit nicht IQr ein Gespenst angesehen zu wei-dcn. Der Fechteode sieht oft eine Finte d. h. macht oft einen Scheinangriff, indem er quantsweise nach einer Stelle seines Gegners hin schlägt, bo/w. st^^ßt und sofort nach einer andern Stelle dosseü^en hin ernstlich zuhaut, bezw. zusfr»|Jt. El)onBo trügerisch ist der Sciieinangriff im Kriege und die scheinbare Flucht, um die Ver- folger nach einem Hinterhalt hinzulocfcen. Scheintote sind quantsweise gestorben leben aber noch, haben nur Starrkrampf und müssen qualvoll umkommen, wenn derselbe verkannt wird und sie irrtümlich dem Lcichon- b«?tatter nborgeben werden. Der scheinbare Ort eines Planeten ist nicht sein wirklicher Ort; ein solcher Himmolskörpor befindet sich qiiantswoise noch hier eigentlich aber schon dort. Die scheinbare Größe eines von unseren Augen weit entfernten Körpers ist nicht seine wirkliche Grüüe, wie denn dnem sohon der Fuß am eigenen Leibe kflrzer vorkommt, als der ünterarm, obwohl beide Gliednuifiea gleich lang su sein pflegen. Dem- zufolge urteilen wir wieder mit Auwendung der amegeplischen Kopula: Meine Füße sind quantsweise kürzer, als meine Unterarme.* Hier be- rührt sich die I/ehre von den TIrteilsfoniien (Diaii(>"tik) mit der Ijchre von den In-tumsartcn (Paralogismik), "welche zur Enttäuschung anleitet.

Unserem Nebenwort > quantsweise < entspiicht unter anderm das grieohisefae Adverb prospupos » zu wo wie d. h. in gleiseuder Weise zutieBend, nur scheinbar, bloA anscheinend, quasimativ. Adolf ist an* geUich der Dieb kann aber unschuldig sein, wenn es ihm unmöglich

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IGtAeiliiDgen

war, den Schein zu venneideD, welchen er jetzt gegen sich bat Ldder Iftfit sicli der falsche Schein nicht immer Termeideii. Kjunn denn s. E ein Dira8tt>ote etwas dafür, daß in seinem Spinde das yennifite goldene Armband vorgefunden wird, welches ein anderer lUenstbote gestohlen nnd

dort listig hineingesteckt hat? Doppelgänger wissen vom Qniproqno in Verkennungsszonen zu crzühlen; sie sehen ja täuschend ähnlich aus und werden daher ebenso leicht mit einandei' verwechselt, wie echte und unechte Diamanten, richtige und falsche Münzen, eßbare und giftige Pilze, Mllokenaohwinne imd Ranohaftiilen, das Geschrei eines Tiers und die ge- lungene Naohahmnng solcher Laute, das von einem Menschen und das von einen Fsfiagdi Oesprochene, gebratenes Kalbfleisch und gebratenes Fleisch von einem jungen Schwein usw. Wenn dagegen ein Gast in seiner Zuvorkommenheit eifrig die Scherl)en von einer kostbaren Yase auf- liest, weiclie ein anderer Gast soeben zerbrochen hat, so gibt er sich den falschen Anschein, als habe er selber diese Yase zerbroohen. Sin Booli- stapler gab sich den Anschein eines unveriieinteten GoldonkelB ans Amerika war abw ein Torbeirateter armer Schlucker aus der Umgegend fon Berlin. Er verantwortete sich mit der holdselig lächelnden Miene engel- reiner Unschuld Incr aber dabei das Blaue vom Himmel herunter. All- bekannt sind fnlp iKlo Hotnrnngsversuche : das Gebahren der Scheinbeiligen, das Getue waifeulähiger Männer, welche der Militärarzt Simulanten nennt, Krankheit vorschfltsen, Wohlwollen heucheln, Demnt heucheln Ohnmacht, Ladien nnd Weinen affektieren. Armut yorspiegeUi nnd Beidi- tum vorgaukeln; wer so etwas tut, verstellt sich in unlauterer Abdch^ zeigt eine zur Betßrung seiner Mitmenschen erkünstelte Außenseite und heißt Gleisner. Dngegen mögen wir weder berufsmäßige Nachahmer, wie die Schauspieler im Theater, noch vermummte Personen auf dem Maskenball Gleisner schelten; denn wir wollen uns ja zu unserem Ver- gnügen von ihnen täuschen lassen. Ebensowenig mögen wir das indirekte und zwar glimpftidi-nmBchweifige Verfahren jenes Meisters Gleisnetei schelten, welcher qnantsweiso seinen Lehrling taddt^ aber sdnen an- wesenden Gesellen meinte, überhaupt nicht das augenehme Betragen höf- licher lycnte. ihr gesohoitos Benehmen, ihr gewandtes Auftreten, ihre hübsch- zarte Sprechweise (Diskretion, T(»urnüre. Euphemismus); denn dieses an- genehme Betragen entspringt ja aus der Herzensgüte, welche aller Felu- sitte das Basein gegeben hat nnd erhAlt Die speziOse EootUDgeoz nun oder das gleisende Stattfinden bat meistens einen Anfing vom eigent- lichen Stattfinden, ähnelt ihm und stellt sich fälschlich ihm gleich, weshalb ursprünglich »gleichsend« benannt und geschrieteu. Täuschung durch An- schein hat manchen Justizmord, manchen Medizinmoni, manchen argen Mißgriff in der Erziehung zuwege gebracht, hat manchen Scliaden, manches üuhoil, Elend, Übel und Wehe augerichtet. Die amegej[)liiöche Kopula »ist qnantswdse (prospupos, specioee tantum, quadment)«, läßt also immer das Prtdikat vom Subjekt einereeits gelten, nftoftlioh in der Bezngsrichtung auf einen Anschein hin, und andrerseits nicht gelten, nämlich in der Bezngs- richtung auf die Wirklichkeit hin. Sie bezeichnet allemal einen Zwie- spalt zwischen Apparenz und Effektivität, eine Abweichung des Anscheins

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1. Anaoh^ und WirUiehkeH

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von der Wirklichkeit. Sie unterscheidet stetä die spezit^ Kontingraz uud die antlieiitiacfae KoutiDgenz oder das gleieende Stattfinden und das eigent- licfae Stattfinden. Jedes nmacbrlnkte Zeitwort (Terbnni finitam) drOckt ein Stattfinden anSf ad es ein Zustand oder ein Geschehen; die allen ürteilsformen gpmeinsame Kopula bezeichnet daher bald ein Sein, bald ein Werden d. h. Cbergang aus einem Soseiii iu ein Anderssein und lautet nicht bloß: bin, bist, ist usw., sondern auch: werde, wirst, winl usw. Vergl. Ich werde Arzt; du wirst Soldat; er wini Landwirt; sie wird Lehrerin; nnser Yaterhana wird banfllUg; wir werden täglich ftiter; ihr weidet eelbsttndig. »Ana Kindern werden Lente; ans lUddieD werden Bräute, f Aus einem Dorf wird maochmal eine Stadt. Solche Sätze be- kiiriflen keine Zustünfle, sondern mehrfoches Geschehen, Übergänge aus einem Zustand in den andern. Rulie ist ein Sinnbild des Zustandes und Bewegung ein Sinnbild des Geschehens.

Termutiich ist unser Nebeuwort »quantsweise« stammverwandt mit dem Banptwoit »das Quent, das Quentohenc, welches Mher V4 spiter i/jQ Lot ^ 1*/, Oramm, mithin ein sehr kleines Gewiäbt be- deutete. Nachgerade wäre der iUsohe Anschein verächHich als eine Sache von geringer Wichtigkeif, von winzigem Belang, kurzum als Lappalie gedacht, obschon das gleisende Stattfinden doch manchmal einen Irrtum erregt, zu WalmbedOnkungen verleitet und sogar zum Verderben führt. Weigand gesteht, die Herkunft der ersten Silbe unseres Nebenwortes >quantswei8ec nicfat m wissen; er veneichnet es swar in seineoi Deutschen Würterbnch, erkennt es aber nuht als ein hochdeutsches Adverb an. Da- gegen halten andere Lexikc^raphoi da88el)>e fflr bedeutsam genug zur Übersetzung in fremde Sprachen, so z. B, Thieme im deutsch -englischen Teil seines Diktionärs, wo es durch: as it were. for fomi's sako wieder- gegelen wird, ebenso Mozin & Peschier im deutsch - französischen Teil ihres Lexikons, wo es durch: par feinte, avec dissimulation gedolmetscht wird. Cbrigens kennt Thieme ein deutsches Beiwort »quant« » gewandt» luttg BS deztorous, cunning; sndem klonen Hozin & Peschier ein deutschea Hauptwort »der Quantc = Mumpitz, Flause, Finte, Schwindelei, Ver- stellung, Gleisnerei, auch der Schwindler, der sich verstellende Mensch, der Gleisner = la feinte, le finaud. Damit wird nun die Herkunft der ersten Silbe unseres Nebenwortes genügend aufgehellt und ich vermute, daß die beiden Hauptwörter »Quant und Quent« einer und derselben Sprach- wonel entstammen, welche etwa Tand, wertloeee Zeug, nichtiges Tun bedeuten mag. Schwerlich hat Verktlrsung unseres Beiwortes »gewandte TO »quant« stattgeftmden. Heutsutage ist unser Neben wort »quantsweise« aeines logischen Wertes wegen in di*» allgemeine hochdeutsche Mundart übergegangen: jetzt wenden es horhureliildete Volksgenossen gerne an.

Zwischen Apparenz und Effektivität d, h. zwischen Anschein und Wirklichkeit steht also oft eine Scheidewand, wie zwischen dem möglichen IUI und dem venotwendigten (nesessitierten) oder eingetretenen Fall, wie ■wischen Erstreben und Eirreichen, wie zwischen Solkaohe (Qebfihr) und Tatsache. Oft jedoch steht keine Scheidewand da; dann stimmt die Wirk- hchkfrit mit dem Anschein flberein, wie der yemotwendigte Fall mit dem

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Mittaaangezi

möglich geweseoen IUI, wie das Eixeiohte mit dem tetrebteo, wie die Tatsache mit der SoUsache. Der AnsdMio ist In vielen EUlen kein

»Quant«, kein Gleisen , kein falscher Schein, sondern ein zuverlässiger Schein, ein branchbaror Anzeiger, ein Wegweiser zur Wahrheit. I^ei- ßpiele: Das Wasser im Züricher See scheint blau zu sein und ist auch wirklich blau. Rudolf scheint reicli zu sein und ist auch wirklich reich. Jeder Rauch ist dn auf Feuer hindeutender Umstand. Der Sturm- wind namens »Eilnng« ist ein Yoibote des Blitses, wie der Donner asin Nachfolger. Eoflspnien im Sand und im Schnee, Fufistapfen im Basen und im Moos sind sichere Anseichen dafQr, daß ein Animal darüber hinweg gegangen ist. Dem Titel eines Buches entspricht gewOiinlich dessen Inhalt, dem Aashängeschild eines Handwerkers dcs.sen Arbeit, dem Programm eines Festes dessen Verlauf. Mutmaßungen nach dem Anschein haben oft das Richtige getroffen. Das günstige Vorurteil fQr ein Unter- nehmen wird oft durch dessen Erfolg gerechtfertigt VorlAofige Nach- richten vom Eriegsaohauiilatz werden oh spUer endgOltig bestitigt.

2, Ästhesiometer, Ergograph Ermüdung

Von Marx Lobsien-Kiel I

Bereits im Jahre 1808 hat Dr. R. Tümpel in dieser Zeitschrift den mechanischen Methoden zur Erforschung dor Enuüdung also der Ästhesio- meter- imd Ergographenmethfxle gegenüber eine ablehnende Stellung eingenommen. Eine größei-e Anzahl Forscher sind mit ihm gleicher Meinung. Ihnen gegenüber stehen viele Anhänger Griesbachs und Hossos, die auf Qrond eigener praktischer Versuche zwar die Yerbesse» rungsbedfirftigkdt des Apparats in manchen Punkten sagestehen, gleich- wohl aber der Methode als solcher durcliaus wissensohaftlidien Wert su- erkonnen. Dort handelt es sich g^r<")ütenteils nm akademische, hier um praktische Erwägungen und es kann nicht lanj^e fraglich bleiben, auf welcher Seite das größte Maß von Wahrscheinlichkeil liegt. Folgender Satz liegt den mechanischen Maßmethodeu zu Gründe: Nach geistigen Arbeiten zeigen sich gewisse Änderungen der Hautsensibilitit und der Muskelenergie, folglich haben wir in dem Maße dieser Veränderlichkeit einen Maßstab für die Große der geleisteten geistigen Arbeit. Man köiuite nun theoretisch beweisen, daß dieser Schluß falsch, daß die Umkehrung ohne weiteres nicht statthaft sei, etwa durch den Nachweis, daß die angenommene Ursache aus vielen einzelnen Komponenten bestehe, die in ihren Sooderwirkungen keineswegs genOgend bekannt sind, daB also die Wirkung durchaus nicht eindeutig bestimmt set Man kOonte femer darauf hinweisen, daß nicht wenig Ergebnisse dem Grundsatz widersprechen, daß also keineswegs erlaubt ist, ein Parallelitätsverhältnis anzunehmen (so Tümpel, wenn auch mit zu ge- ringem Vertrauen auf den Ausgleich durch Masseubeobachtuug). Man

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3. iaOieaiometer, Etigograph Snnfidimg 155

könnte anf Tersachstechoische YerfehluDgea aufmerksam machen oder auch den peychologisch iatowloolintim, doch kioht m erbriDgendeo Beweis IQhzen, daS nmal bei der Äetheeiometermethode eine Yoreingenommeiihdt, ein Vonirtell, n&mlioh daB dieses ParaUelitttSTerhältnis in Wiridicbkeit be- stehe, durch einige wenige Beobachtungen scheinbar gestützt, autosiiggestiv -wirkte, den Blick der Forscher trübte für die Wertung der nachfolgenden, oft wenig umfangreichen Untersuchungsresultate. Man könnte diesen noch «eitere Erwägungen hinzufügeu sie würden vielleicht im einzeloen Ab- itoohe am Wert jener Methoden im Gefolge haben, doch niemals ihre Stimme lant genug den uns eben tataftohlich gegebenen Resultaten gegen- über ertönen lassen kOmien.

Nun ist aber neuerdings eine Arbeit erschienen, die durchaus den Boden tadellos sorgfältigen wisvscnschaftlichen Experiments betritt, die obendrein begonnen wurde in dem festen Glaubeu , die Ei^gebnisse GrieabaohB und Hosso -Kellers bestünden zu Recht, die sonlobst nur eine Nachprüfung wollte und mit einer vollen Absage endigte Thaddens L. Bolton: Ober die Beziehungen zwischen Er- müdung, Raumsinn der Haut und Muskelleistung. ^) Sie bedeutet für die Methode Griesbachs in ihrer vorliegenden Qestalt den Todesstoß und für die Ergographenmethode beinahe dassollje.

Ich weiß sehr wohl, daß Untersuchungen über geistige Leistungs- fthigkeit und Ermüdung heute nicht entfemt dem Interesse begegnen wie Ter einem Jahrxehnt, trotsdem schemt mir die genannte Arbeit wertroll genug, an diesem Orte einer kmneii Darstellnng und kritischen Würdigung unterzogen zu werden.

n

Der Verfasser beabsichtigt, mit Hilfe möglichst genauer psychologischer Vereoche zunächst einmal Mzusetzen, ob und in wie weit sich wirklich ein gesetzmftBiger Zusammeohaog swischen geistiger und kürperlicher Er>

iDüdung einerseits, der IbnimschweUe , bezw. der Ergographenleistung andrerseits nachweisen lasse. Zu dem Zwecke führte er regelmäßig je an einer R^ihe aufeinander folgender Tage vor und nach oiiior orraüdonden Ar}>eit Bestimmungen der Kaumschwellen mit dem Ästhesiometer und der Muskelieistung mit dem Ergographeu aus. Als Enuüdungsai-beit wurde das foilBohreileiide Addieren einstdliger Zahlen nadi Oehrn gewählt *) Die Daser der Arbeiten wechselte swischen Y,, 1 und 2 StondMii spftter wurden immer zwei Stunden gewühlt Zum Vergleiche wuzden Tage eingeschoben, an denen zwei Stunden geruht oder spazieren gegangen wurde. Die Glabella war die für die Untersuchung der Raumschwelle ausgewählte Uaiitstelle. Das bei diesen Versuchen angewandte Ästhesiometer war nach den An- gaben Griesbachs in Basel angefertigt worden. Um Druckunterschiede ba dem Auftotaen zu yermeiden, wurden an Stelle der Spitzen zw^ Udne

FSyohologiaohe Arbeiten, herausgeg. ?on Kraepelin-H^detbeig. Bd. IV.

a 17,- ff.

*) Veigt D. VL, Szperim. Stadien zur IndiTidoalpeyohologie. Diese Ztsotax. 1903.

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lütteiloiigan

senkrecht abgebogene Plätlchen angeecliraubt, die je eine Dnrchbolinmg trugen. In diesen Lfkrhern spielten frei kleine, 5 mm lange, genau passende Metallstäbchen, die an ihrem imteren Ende eine feine Elfenbeinspitze, am oberen Ende dagegen ein kleines Gewicht trugen. Mit den Spitzen dieser Stftbe wurden die Bwunstieekeii auf der Haut abgegrenzt Bei dem Avf- aetsen derselben konnten die StKbohen fm in ihren LSoheni gleiten und drQcktffil daher immer nur mit ihrem Eigengewichte, das im ganzen 5 g betnig, auf die Haut. Trotz dios^'r Yrrsiclitsmaßregeln trat dennoch öfters das Gefühl verschieden stirkon Drucks an V»oiden Spitzen hervor. Bolton bediente sich des Verfahrens der Minimaländeruugen. Der An- fang wurde mit einem Abstände von 4 mm gemacht; dann wimlen die Spitzen immer om je 1 mm weiter voneinander entfernt, bis der Ab- stand 8 mm betrug. Nunmehr erfolgte fortschreitende Verideinemng der Berührungsstrecke um je 1 mm wieder bis zu 4 mm herunter. FQr die Messung der Muskelkraft benutzte er den Ergographen des Heidelberger Laboratoriums. Er ist nach Angaben Kracpelins angefertigt worden und zeigt gegen den Mossoschen Api^aiat besonders die Änderung, daß das Hauptgewicht mit jedem Hube höher steigt, so daß man die Gesamthöhe unmittelbar an einem Hafistabe ableseo koonta Das Gessrntgewieht, dsa bei jeder Bewegung gehoben werden mufite» betrug 5 kg. Die Hebungen wurden alle 2 Sekunden Torgenommeo, bis keine Hebung mehr möglich war. Nach einer Pause von 1 Minute wurde eine neue Ermüdungskurre gezeichnet, der nach einer 2. Pause von 1 Minute eine dritte folgte.

in

Bei genauester und ausgedehntester Prüfung der Beziehungen zwischen Baumschwelle und Ermfldungsgrsd stellte sieh hemus in drei Yersnchs- reihen, daB ein solcher ZusamsMnhaag in der ersten Reihe andeutung»- weise, in der zweiten kaum, in der letzten durchaus gar nidit erkennbar war, obgleich die Ermfidungsgrade sehr beträchtlich waren. Jedenfalls läßt sich mit Bestiinnithcit sagen, daß die Beeinflussung der Raumschwelle durch die geistige Ermüdiuig, wenn es Oberhaupt eine solche gibt, eine äußerst geringfügige und unsichere sein muß. Somit ist jede Möglichkeit ausgeschlossen» die Baumsdiwdle in Hassenuntezsuchungen als Maft der Ermfidung zu benutzen.

Ganz ahnUche Erfahrung«], wie mit der Raumschwelle hat Bolton mit der Ei^graphen kurve gemacht. Zwar ließ sich hier durch planmäßige Untersuchung der Nachweis erbringen, daß wirklich Beziehungen zwischen der Muskelleistung und der geistigen Tätigkeit zu bestehen scheinen aber sie wai'cu gerade umgekehrter Art, wie sie schon Kemsies voraus- gesagt und aufgefunden hatte. Nach sweistflndigem Rechnen erwies sich die Muskelkraft erhöht, obgleich eine recht erhebliche geistige Ennüdung ans dem Verlaufe der Rechenarbeit hervortrat. (Sic läßt sich ja unschwer aus Quantum und Qualität dor gelösten A^ifgaben ersehen.) Obwohl Verfasser weit davon entfernt ist, diesen Befund als allgemein gfUticr anzusehen, be- weisen seine Versuche doch mit vollster Bestimmtheit, daß es nicht angeht, aus dem Sinken der Muskelkraft iigend welche Schlüsse auf den Qiad

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2. Ästhesiometer, £i|{ogni>h Ennäduiig

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der £^eistic:en ErmOdun^' zu ziehen. Wahrscheinlich sind dio ^gegenseitigen Rc'ziohungeu sehr verwickelt. Bevor also Massen versuche angestellt werden, ist es unumgänglich notwendig, mit grfiliter Sorgfalt der Wechsel- wirkung zwischen geistiger Tätigkeit und Muskelleistung im emzeinen naclmgeheo, damit wir erat ein richtiges VerstfiodiUB dafOr gewinMo, im wir eigentUcb mooocn. Bei dem überall erkennbaren Ineimukler- greifen der verschiedenartigsten ISoflOflee muß es vorläufig als zweifelliaft bezdchnet werden, nh Ennudungsmessungen (mechanischer Art!) jemals in eine Form gebracht werden können, die sie für Massenuntereuchungen ge- eignet macht, wenn man sich nicht auf die allergröbsten Tatsachen be- schränken will. Wenn es aber doch gelingen sollte, so wird das sicherlich mir dadoroh eneioht werden, daB wir dnroh aoigftltige nnd pmfiMaende Voiprühmgen una die genaueste Kenntnis von den Wechaeibeaehnngen der yerschiedenstea Formen geistiger wie körperlicher Tttigkeit und Er« Bifidong verachaffen.

IV

Summe der Ergebnisse. 1. Das Griesbachsche Ästhesiometer ist fOr fernere BaamschweiUeirantersnchungen ungeeignet

2. Die Bestimmnog einer eioigeimafien snverUtesigen Banmaohwelle eriocdert eine so grofie Zahl planmäßig angelegter Einzel versuche^ daß sie in einer einzicren Sitzung wegen der bald auftretenden Ermüdangserschei- DOX^n unmöglich ist.

3. Irgendwelche gesetzmäßige Beziehungen zwischen Größe der Kaum- schwelle und Grad der geistigen ErmQdung haben sich bisher auch in woohenlang ausgedduten sorgffiltig ausgeführten Yersncbsreiben nioht nach-

4. Die Banmaohwelle ist in keiner Weise als das Mafl für die Er-

mÜdnngswirkuog einer geistigen Arbeit verwertbar.

5. Die Ergographenleistung wird duK:h zweistündiges Addieren er- höht, durch zweistündiges Spaziereu herabgesetzt.

6. £>ie Ergographenkurre liefert durchaus kein Maß für die Größe geistigen Ermüdung.

V

Das sind allerdings vernichtende Schläge gegenüber den bisherigen Versuchen, durch ein mechani.sch- physiologisches Maß geistige ErmQdung zu messen. Es drängt sich uuwillktlrlich die Frage auf: Haben denn Griesbach, Wagner, Kemsies u. a. so oberflfichlioh, so leiohtglAiibig gssrbeitet? Oder hat die oben erwfthnto Voreingenommenheit eine solche Ibflfat» daß sie auch Männern der Wissenschaft die Augen zu binden ver- mag? Wo ist denn die Wahrheit? Meinen und Erraten hilft hier nichts, entscheiden kann zunächst nur ein sorgfältiger Vergleich der näheren Ver- suchsnmstände. Zweifelsohne sind die Untersuchungen Boltons mit denk- barster Sorgfalt anstellt worden, sie konnten auch mancherlei versuchs- twAmauhe Mängel ihrer Yorgängerinnen ana^eidien; die DarstelluDg Gries- bachs aber nnd Hossos usw. läftt nach dieser Seite hin manoherlei

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Mitteilungen

Unklarhoitpn und Lücken. Bedenklicli bleibt bei den Cntereuchungen Boltoüs, daß sie nur au einer Person ausgeführt wurden zwar finde ich das nirgends bestimmt sasgedrOokt . So ist von TomlieraiD ein Veigleich leoht schwierig; min ▼eiS nidit - hüben, wie weit indiyi- dnelle Unterschiede ausgeglichen wurden, drüben, wie sehr die persCnlicha Eigenart das Ergebnis beRtimmte. Entscheiden kann darüber letzten Endes nur sorgfältigste und umfassende Nachprüfung. Vorläufig aber erseheinen die mechanischen Methotlen zur Messung geistiger Ermüdung, weno auch nicht unbedingt im Prinzip, so doch in ihrer heutigen Fassung, duToh die Untersnohmig^ Boltons stark eraohlttteit.

8. Die BtUtiBche Fortbildungsschule in DflBseldorf

besteht aus einer obligatorischen und einer freiwilligen Abteilung, anfiel dem sind ihr EnabenzeichenklasseD angegliedert, in welchen YoUaBchfller in den freien Nachmittagen einen erweiterten ZeicfaennnteniGfat eihalten, so daß sie bei ihrem Eintritt in die obligatorische AbteUnng sogleich mit den Elementen des beruflichen Zeichnens beginnen können. Die obli- gatorische Abteihmg umfaßt 3 1 Klassen jngendlicher Arbeiter, 62 gewerb- lich o und 11 kaufmännische Klassen.

Die Schulpflicht besteht bei wöchentlich 6 Stunden zunächst fflr 2 Jahre, \s egeu der Einffihning des dritten Jahres schweben Yerliandlnngen. Die erste Entlassung fand Ostern 1904 statt Als besonders beacblans- wert sei aus den Erörterungen des jüngst erschienenen Berichtes des Stadtschulinspektors Dr. Kuypers ühä die Organisation der obligatori- schen Schule hervorgehoben :

Bei der Gründung wurde nur der erste Jahrgang eingeschult; die Erweiterung erfolgte nach dem halbjährigen Zuwachs aus der Volksschule. Die Einsohulung geschieht nicht dwjh besondere Anmeldnng. Es eiliilt vielmehr jeder Schiller schon bei der Entlassnng ans der YoUnsdrale seine Zuweisung zu einer bestimmten Sammelkiasse. In diesen Klassen werden die Schüler einige Wochen geprüft; mittlerweile sind auch ihre Arbeits- verhältnisse soweit geklärt, daß ohne erhebliche spätere Umschulungen die Zuweisung zu einer Berufsklasse und Befähigungsstufe erfolgen kann.

Die Klussenbildung ist nach Berufen und Berufsgruppen und inner- halb derselben nach Befthigungsstufeii etfolgt, aufierdem sind mit BOoksioht auf die LehrplAne die Jahrgftnge geschieden. Die aus der HilfBsdhule entlassenen Schfiler und solche, welche in der Berufsldaase nicht folgen können, werden besonderen Vorklassen überwiesen, welche ohne Scheidung der Jahrgänge und der Benife in 4 Stufen aufsteigend gegliedert sind. In denselben wurden 3.21 % sämtlicher Pflichtschfller unterwiesen. Die Lehrpläne ächheiieu sicli dem Benifslebcn an. Qelehrt wird: Deutsch, Gewerbe- und Bembkunde (Handelskunde^ bei den ungelernten Arbeitern BQrgerkunde), Rechnen, Kalkulation, ' Buchführung und bei den seich- nenden Berufen: 2jeichnen unter Berücksichtigung der Zwecke des Berufes. Als freiwillige Kurse für Pflichtsohttler sind Stenogn^)hie und pmktiache

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Samariterkimde angegliedert. Sonntags wird keio obUgatorischw Uotei^ rieht erteilt, Werktags nicht nacli ^ Vhr al>on(l8.

Die Ausbildung der Lehrer orfülj^to außer durch Beschickung aus- wärtiger Ausbildungskurse und durch Konferenz- Vorträge im wesentlichen durch Aifalialtuiig yoa allgemeioen Zeiobenkiinai und betondeieo lusb- kvnen noter Leitung von ÜBcUeaten. Mit den Handwerksindsteni, Sjtuf- leiiten, WerksttiteD und Fabriken wird bestandig Fühlung gehalten. Probe- lektionen, welche die Methode des Fortbildungsschul - Unterrichtes veran- schauHchen sollen, sind in Aussicht genommeD. Für die Lehrer und für die Schüler sind Bibliotheken gegrümlot.

Umfangreiches statistisches Material ist über Arbeits- mid Lohn- veihlltinase sasammengetragen. Die Fortbildiingaechule se%t «oh dabei als Gdegenhfflt zur Ausbildung der noch wenig eotwiolrelten Lohostatistik Jugendlicher. Der Zweck der Umfrage^ deren Bearbeitung in den statisti- schen Tabellen vorliegt, war aber vor allem, den Umfang und die Gründe der Arbeitslosigkeit festzustellen, sowie ein Bild von den Lohiialtzüiirerj fQr die Zeit des Unterrichts zu erhaiteu, um auf die betreffenden Arbeit- geber einzuwirken.

Der Schulbesodi hat sieh nach den angeffibiteo FkDsentsfltEen der TenlniDiuBse sn einem fast gans regelmiftigen gestaltet Am meisten neigen die jugendlichen Arbeiter zu unentschuldigter Schulversäumnis. Pünktlichkeit und Saiib^rkfit sind nach vielen Anstrengungen erzielt. »Im ganzen fällt die erfreuliche Tatsache offenkundig in die Augen, daß dio juDgen Leute durch die unmittelbare und mittelbare Einwirkung der Fort- bildungsschule in hohem Orade zur Achtsamkeit auf ihren inneren und Inlereo Menschen enogen und und dafi daher die Neigungen der ülegel- jriue gana ivesentlich bei ihnen surQoktreten hinter einer geieifteren und gehaltvolleren Lebensanschauung, r

Lehrreich ist die Kontrolle der Fortbildungsschule über die Volks- schule. Es hat sich herausgestellt, daß viele Einzelkenntnisse der Volks- Bchule bald verloren gehen, und daß das Maß der Denk- und Sprach- fertigkeit im ganzen geringer ist, als man erwartet hätte. Desgleichen ist die groie Yerschiedenartigkeit dier BeflUiigung und der Leistungen auf- gefallen, 80 daB die Scheidung nach BefiUiignngBstnfen sich als gans un- ecUUUioh erweiet

Ein besonderes Kapitel ist den polizeilielu n Maßnahmen und der Fürsorge-Erz ieluing gewidmet. Falls der Sr-hülor aus eigener Schuld die Schule wiederholt versäumt, werden Geldstrafen gegen ihn verfügt, im Un- TensOgens&üle wird ihm Gelegenheit zur Ausfertigung eines Stundungs- gesnehes gegeben, und erst als letstes Mittel bei hartnftckigen Bummlern den Schulbesuch zu erzwingen, wird die Haftstiafe in einer besondereu Zelle des Polizei -Gefängnisses vollzogen. Es hat sich geseigt, daß die wenigen, welche der Haftstrafe verfallen, fast immer junge Ijcute sind, deren Lebensführung auch sonst nicht einwandfrei, und deren häusliche Erziehung gänzlich vernachlässigt ist Sie werden deshalb seitens der Sehnte beeonders sorgfältig überwacht. Wenn nOtig, wird FÜrsorge-Er- liehnng gegen sie beantragt, was in 10 lUlen mit Eifolg geschehen ist

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160 IGtleaaDgeii

In der letzten yemmniliiDg des Fürsorge' VerainB fOr katholische Ge- lADgene wurde bertohtet, dafi die Krimioalitftt Jogendlioher, soweit die StnufvollBtreokang im ZeUrageflDgniB zu Dflaaeldaif in Fmge kommt, auf

eiD Drittel des rrofanges früherer Jahre zurück c:oi^angen ist, was seitens des Anstaltsgeistlichon wesentlich auch der Fort bUdunf^ssch nie zugeschrieben wird, und zwar abgesehen von ihrer direkten Einwirkung der eben an- gedeuteten rechtzeitigen Aussciieiduug vuu solchen jungen Leuten, bei denen eine völlige Verwahrlosung zu befürchten ist.

Frne YenmataltoDgen zur Sammlung der adhulenflasaenen Jugoid in ihrer froen Zeit sind in erfreulicher Entwicklung: Es werden Tum- und Spielknrse, Skioptikon - Vorträge und Samariter- Übungen abgehalten und Schnlfoiern veranstaltet, bei denen die Schüler selbst mitwirksD. Mit Schülerausflügen ist der Anfang gemacht.

Die Schüler erhalten Ualbjahrszeugnisse und ein Enüassungszeugnis. Die EntlaaBong erfolgt auf Qnmd einer Prüfung; falls das Lehniel nicht erreicht ist, wird nach einer sehr beachtenswerten Beetioimung des Orta- statutes die Schulpflicht um ein halbes oder ein volles Jahr verttngert.

Die freiwillige Abteilung wird von Lehrlingen und Gesellen beeuoht, welche der Fnrtbi1dnnG:^schulpflicht entwachsen sind. Sie besteht ana vor- bereitenden Zeichenklassen und Fachklassen.

Von besonderer Bedeutung sind die Knabenzeichenklasseo, deren Zahl in den leisten beiden Jahren von 7 auf 26 geetiegen ist Sie eigftnaen die Volkseohulbildung im Zeichnen , sollen mit Huer Anlehnung an die Zwecke technischer Berufe eine Brücke schaffen zwischen dem modernen Volksschulzeichnen und dem bemflichen Zeichnen der obligatorischen Schule, und regen das Interesse der Schüler für einen »gelernten« Beruf an, so dali zu hoffen ist, daß sie zur Verminderung der Zahl der ungelernten« Arbeiter beitragen, welche durchschnittlich 34 ^/^ aller rflichtschüler auiä- macht

Dafi das Interesse der Gewerbetreibenden für die Schule geweckt ist, bewdsen die gestifteten Ooscbenke.

Die angeschlossene Übersicht für das Sommerhalbjahr 1904 zeigt einen Bestand von 1Ü4 obligatorischen Klassen mit 3074 Schülern, 35 frei- willigen Klassen mit 792 Schülern und 26 Knabenzeichenklassen mit 703 Schülern.

4. Universität und Volkssohiülehrer

Von W. Kei n-Joua

Den »Königsberger Sätzen« stelle ich folgende gegenüber:

1. Die Universitäten sind in ihrer gegenwärtigen Verfassung voll- ständig ungeeignet für die Ausbildung der Volksschullehrer, woiii aber er- BcheiDen sie als Zentialatitten wiseensdiaflttoher Arbeit dasn berufen, der Fortlnldung der Lehrer au dienen.

2. Jeder Lehrer soll auf Orund seines Seminarabgangszeugnisses an je<ler Universität immatrikuliert werden kOnn^, wie dies bereite an mehreren üniTersitftten geschieht

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5. Konferenz der Lt;hrer des muttersprachlicbeo Uoterhchts in Bulganen löl

Die Bcj^ründung habe ich in Lohmeyers Deutscher Monats- schrift (Augustheft) zu geben vei-sucht sei iiier in Kürze folgendes dazu bemerkt:

1. Naoh deo KöDigsberger Sitzen soll der gleidie BOdungsgaug dotoh- lanfen wsrdeo wie der der Oberlehrer. Dos ist eio Lüsches ZieL Der BUdnogogang der Volksschulldirer b(A\ zwar gleichwotig, aber nicht glach-

artig sein. So verlangt es unsere Volksschulerziehung.

2. Bei den Oberlehrern kommt das Seminar nacli der Universität, bei den Volksschuilehrern vor derselben. So soll es bleiben. Dies hat seinen guten Qrund in der Eigenart der Yolksschulerziehuug.

8. Die UniverdtfttoD lehnen die Ausbildung ab, da sie io ihrer jetzigen Yerfossang nur der Fortbildung der Volkssohaliehzer gerecht werden können.

4. Der Prozentsatz der Lohrcr. die ihre Fortbildung auf dor l'ni- versität suchen, wird von Jahr zu Jahr steigen. Dieser allmählichen Ent- wicklung auf gegebener Grundlage werden die Universitäten gewiß gern entgegenkommen, wie dies schon in Leipzig, Jena und Gießen der Fall ist

5. Eine Reform der Lehrerseminare, wie sie bereits in Proofien an- gebahnt worden ist, hat damit Hand in Hand su gehen, vor allem auf Orand eines gut durchgebildeten Lehrerkollegiums, das wissenschaftUldl nnd (>ädagogisch auf der Höhe stehen mufi, die man mit fiecht von Lehrerbüdnem verlaogea kann.

5* Konferenz der Lehrer des mutterspraolillclieii Unter-

riohts in Bulgarien^)

Vom 14. bis 17. Juli ds. J. tagte in Sofia unter dem Vorsitze des rnterrichtsminiHters Dr. Iw. Schischmanoff eine Konferenz der bulgari- schen Sprachlehrer, in der sehr wiclitigo Beschlüsse in B(>tioff der Er- teilung der bulgariseiiea Sprache an den höheren Schiüen gefaßt wuideu. Auf Grund der beiden Vorträge von Dr. B. Tzoueff, Professor au der Hochschule zu Sofia, Uber »Dialektenverteilung und Notwendigkeit einer Dialektenkaitec, und von Dr. N. Bobtscheff, Sektionschef in dem Unter- richtsministerium, Ober »Notwendige Maßregeln au einer besseren Er- teilung des litei-atuzgeschichüichea Unterrichtsc wurden folgende Fragen eiDgeheud erörtert:

1. Auf die Frage, welche Maßregeln getroffen wenlen müssen, um eine einheitliche Rechtschreibung zu stände zu bringen, antwortete die Konferenz: Es soll in nAohster Zukunft ein vollständiges Rechtsohreibungs- wQrterbuch ausgearbeitet werden mit Berücksichtigung der von der Konfe- renz au.sgesprochenen Prinzipien, die auf eine Vereinfachung der jetzigen offiziellen Rechtschreibung hinzielen.

2. Als Ursaciien des sehr geringen Erfulgs bei dem multer.sprach- licheo Unterriclite wurden gekennzeichnet: a) die I^'atui* des Faches und

Bericht nach eiser amtlichen ICttdlong. SSrftHhim lir FUloMvUe ODl Flteiaglk. t2. Jüttg^. 11

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llttteOimgen

seine zosammeogesetste und vielBeitige Aufgabe; b) das Fehlen einer ent- sprechenden JngendUtentar ; o) die nicht genan festgestellte ReditF schreibuDg; d) die fehlerhafte Sprache der I^ehrbücher und der Literator- werke; e) die EinNvirkun? clor Dialekte auf die Sprache der Kinder und oftmals auch der Lehrer; f) die schwere und überhäufte Arbeit der Sprach- lehrer; g) die sehr geringe Vorbereitung violer Sprachlehi-er; h) die all- zuhAiifige Versetzung der Lehrer von einer Schule in die andere; i) die unpassende Auswahl und Anordnung des mutterspracUichen Lsrastoifes in dem Lehrplan für die YoUnachale; j) die überfQllten Sohulklaasen.

Als Mittel zu einer möglichen Bessening wurden vorgeschlagen: a) der muttersprachliche Unterricht in der Volksschule und in den niederen Klassen der höheren Schulen soll einen mehr {iraktischen als theoretischen Charakter tragen, d. h. die Grammatik soll nicht Zweck, sondern Mittel bei der Erlernung der Muttenpndie sein; b) die LshibfidiBr aoUeo nicht allsuoft gewechselt werden und ihre Sprache muß lein und fehleiM sein; c) es muß eine allgemeingültige Rechtschreibung und Terminologie ein- geführt werden; d) es müssen für alle Klassen Chrestomathien mit gut ausgewählten Lesestficken ausgearbeitet werden ; e) der Charakter der schriftlichen Übungen muß näher bestimmt werden; f) es müs>tMi günstige Grundlagen für die Pflege der Uauslektüre und für die Entwicklung der Jugendliteratur gmfäußm weiden ; g) der muttersprachlioiie ünteirioht soll nur von Fadtmlnnem erteilt werden; h) die Arlidt der Spraohlehrsr muB durch Mindenmg der obligatorischen Schulstunden (18 24 in der Woche) für jeden Lehrer erleichtert werden i) für das richtige Sohroiben und Sprechen sollen auch die andern Lehrer mit größerer Aufmerksam- keit sorgen.

3. In Betreff des Lelirpians für die Gymnasien und der Ausarbeitung einer Dialektenkarte bat die Konferenz eine Reihe toq Beechltasen von SrHicfaem Interosae geiaBt und aufierdem ncoli folgende Wünsche aus- gesprochen: a) die bulgarische Sprache soll an den klassischen (Humanitäts-) und Realgymnasien im gleichen Maß erteilt werden; b) die Lehrer der Muttersprache an den höheren Schulen müssen sich mit der Dialekten- forscliuiig befassen, indem das Land in Diaiektenbezirke eingeteilt werde. Die gesammelten Rohmaterialien müssen von einer Kommision bei dem ünterrichtsministerium geprüft, geordnet und herausgegeben weiden; e) die Spraehdenkmiler müssen soig&ltig gesammelt, yedttfentliofat und den Schülern zugBnglidi gemacht werden.

Sofia Dr. W. Nikoltachoff

') Es ist schon geschehen. Nach einer MiaisterialverordDong sollen die Sprach- lehrer an den höheren Scholen nur 15 Standen wOohenthoh haben.

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I Philosophisches

Wudt, WilhelH. Völkerpsychologie. Eine ÜDtersuchung der Entwick- lungsgesetze von Sprache, Mythus und Sitte. 1. Bd. Die Sprache. 1. Tl. Zweite Aufl. X u. 667 S. Leipzig, Engelmann, 1904.

Diese 2. Auflage hat eine tiefer greifende Umarbeitung nur in dem Kapitel vom Lautwandel gebracht. Da ich das Werk Wundts bereits im 9. Jahrgange dieser Zeitschrift ausfflhrhch besprochen habe, will ich hier kurz nur auf dieses Kapitel eingehen.

Das Neue liegt darin, daß die beiden Umstände, welche, nach Wundt, die mannigfachen Formen des Lautwandels zur Hauptsache bedingen, näm- lich die mit fortschreitender Kultur sich steigernde Geschwindigkeit des Redeflusses und die Betonung, eine erneute sorgfältige Erwägung und eine umfängliche Begründung erfahren liaben. Die Bedeutung der gesteigerten Geschwindigkeit im Sprechen und Denken für den Lautwandel hat man zwar schon vordem ausgesprochen, aber nirgends finde ich eine so festgefügte Begründung.

Wundt erörtert zunächst die allgemeinen Wirkungen der Artikulations- geschwindigkeit. Zwar haben wir kein unmittelbares Zeugnis dafür, daß das Tempo der Rede in früheren Zeiten wesentlich langsamer war als heute ; doch können wir uns berufen: 1. auf ein Analogon aus der Musik. Bekannt- lich hören wir die Beethoven sehen Symphonien heute in einem schnelleren Tempo vortragen als in dem sie ursprünglich komponiert worden und das gilt noch mehr von Haydn, Mozart, Bach u. a. 2. Der StU, die umständ- lichere Form der grammatischen Konstruktion der schwerfällig -gravi- tätische oder plumpe Schritt der Rede weist auf ein gleiches hin. Aber abgesehen von diesem immerhin etwas unbestimmten Eindruck von Sprache and Stil, haben wir dafür ein wertvolles Zeugnis im Gebiet der Laut- formen selbst, nämlich in den Kontaktwirkungen der Laute, den sogenannten regressiven und progressiven Lautassimilationen, die alle auf eine Be- schleunigung der Rede hinweisen.

Die Sprache besitzt eine große Zahl von Erscheinungen, die dafür

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BespreohttDgen

eintreten. Zu erinnern ist an die Vokalkontraktion (die Verschmelzung von Vokalen), an die Lautscliwächung ara Ende der Wörter, Änderung dar konsonantischen Endlaute. Man ist ferner in der Lage, durch ein ein- faches Experiment nachzuweisen, daß bei boscbleuoigter Rede der Laut- ohankter vafindert wird. Man veifolge 2. & die Wuidliinge& der labialen ExplouTlante p und b. Es empfiehlt sich, aie mit a za kombinieren. Bs seien bezeichnet mit p^, die stark, mit p', b' die schwaoh aspirierten Laute, mit b die AfCrikata, mit b die tonende Media» mit p und b die

V

tonkieen Lippenlaute» dann ergeben rioh tagende Wandlungen:

p'^ä, p% äpa }^ bft* ba abil bft Sb Sb.

V

Denkt man sich ähnliche Wirkungen der Geschwindigkeit und Be- tonung über eine längere Zeit ausgedehnt oder gar durch hinzutretende Bedingungen Tentftrkt, so erkttien sich mancherld Veiändemngen besonden der harten BxpIoaiTlaute: 80 sehen wir p'unt in pfunt und fund über- gehen ; so war die unprflngliche Form für Apfel wahrscheinlich *ap'ul. althochdeutsch nebeneiniHider apful und afful, niederhochdeutsch Apielf niederdeutsch Appel.

Tempo der Rede und Wortbetonung sind vor allen Dingen wichtig für die Deutung des Gesetzes über die Lautverschiebung. Überblickt man zunächst die allgemeine Achtung der Lautänderungen sowie die Ab- weiohungen, die sie im dnzelnen bieten, so springt in die Augen, daß diese Erscheinungen in beiden Besiehungen im wesentlichen den Modi- fitarfionsn entsprechen, welche die drei Klassen der Vfflrsdüufilaote infolge der experimentellen Variation der Artikulationsbedingungen erfahren. In den Veränderungen, die sich in den oben dargestellten Reihen an den labialen Verschlußlauten hervorbringen lassen, wiederholen sich, wenn wir noch die unter bestimmten, länger einwirkenden Ursachen oder bei den Sprochversuchen des Kindes in beobaohtenden Obergänge in die Spirans hinzunehmen, beinahe Schritt fOr Schritt gewisse Erscheinungen der ImA- ▼ecsdiiebung. Sie entsprechen dieser sowohl in ihrer allgemeinen lUchtung als anch in vielen Einzelzügen: so in dor größeren Zahl von Stufon, welche die Media gegenüber der Tenuis durclüaufen kann, ferner in dem Emfluß, den die Stellung im Au-, In- oder Auslaut ausübt, eudlich in der Wirkung der Qualität, Dauer und Betonung der umgebenden Tokale. So haben sich im Anlaut, bei unmittelbar folgendem Yokal noch heute die aspirierlSD Tenues erhalten, während sie im Inlaut in AfErikatä oder wmtwhin in Spiranten und endlich im Auslaut in stumme Explosivlaute übergegangen sind. Die Media aspirate dagegen ist sehr frühe schon im Anlaut zur tönenden Media geworden, während sie im Inlaut Affrikata blieb oder durch diese in eine tönende Spirans überging, im Auslaut aber dem stimm- losen EzplosiTlaut mstrebte: hnter Verlndemngen, die im weaentHohan mit den obigen Reihen flbereinstimmen. Aua diesem Paiallelismus darf man wohl den Sohluft neben, dafi die im Germanisebeo in beaonderB

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n Pidagogisches

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weitem Umfang, in den andern indogermanischen Sprachen in engeren Oreozen, aber im ganzen in übereinstimmendem Sinne eingetretenen Laut- TerechiebuDgeo der Konsonanten Prozesäo eiod, die, ganz wie die vielfach gleichseitig mit ihnen erfolgten Yokalkontraktionen, BUaonen mid I^mt- schwSdniDgen, sowie in Übereinstimmung mit den EootaktSnderongen der Lante, zum größten Teil ak Wirkungen der beaohiennigten Artikulation lu deuten sind.

Auch der Wechsel der Betonung w irkt anf eine Änderung der Sprech- weise hin. Das zeigt sich besonders deutlich bei dem Vernerschen Gesetz, oadi dem die eingetretenen Lautverschiebungen in dem Sinne von 6i» Betnnuag abUngig sind, dafi die endgültige Yenchietning eine andere ist, wenn in der Zeit, da die Differems der Laute orfolgte, die dem YerschluA- laut vorangehende, eine andere, wenn die ihm nachfolgende Silbe betont war (z. B. zlhan, der dem betonten Vokal folgende Konsonant ist tonlose Spirans: zeigön, der dem betouten Vokal vorausgehende ist tönende Media. Beide gehen auf ein und dasselbe Wort wahrscheinlich ziu-Qck). Hierfür finden aioh besondeis vieile Beispiele im Gotischen. Durchweg reduziert der sinkende Tod eine Lockerung des vorangehenden Yeieoblussea, also stimmlose Spirans, die steigende Betonimg den tOnenden Yerschlußlaut, der durch den festeren Verschluß die folgende stärkere Exspiration und gleichzeitig durch die bereits in Schwinp:ung versetzten Stimmbftnder die oacbfolgende lautere VokaUsation vorbereitet

Kiel Marx Lobsien

II Pädagogisches

Laiam, Professor Dr. M., Pädagogische Briefe. Mit einem Vorwort herausgegeben von Dr. Alfred JLsickt Breslau, Schlesiaohe Verlags-Austalt von S. Schottlaender.

Das 1G5 Seiten starke Büchlein bringt 10 Briefe des kürzlich ver- slotbenen Pkvfessots Lazarus Aber wichtige Fragen der FSdagogik. Wie es in des Heransgebers Yorwort beiBt, sind nur die drei lotsten Briefe noch nicht veröffentlicht worden. Es handelt sich also mehr um eine Sammlung von bisher Zerstreutem als um eine erste Herausgabe. >Päda- gogi.sche Briefe« nennt Dr. Leicht die kleine Sammlung; aber wer sich nur eine leichte Unterhaltung über pädagogische Themen im Briefstil erwarten würde, der würde fehliaten. Es sind freilich meist nur An- sltse, oft nur Andeutungen , was Fkof. Lasar us hier gibt; aber es sind Oedanken, die bis su den Wuraeln slles pldagogischoi Lebens reichen.

»Sie die Briefe sollen Neues bringen c, fordert der Verfasser selbst im 1. Brief, »und doch wird aiif keinem Gebiete und auf keinem wiedenim weniger als auf dem der PAdagogik eine Wahrheit aus der Pistole geschossen«.

Für ihn beeteht nun das Neue nicht im vOllig ümvrllaenden ; denn »alle Yersnofae, die Welt oder irgend einen Teil oder eine Richtung der* selben von gestern anf heute von Qrund aus umsugestalten oder uranflnglioh neu ins Leben su rufen, sind entweder schon im Gedanken

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Bespreohongen

mlBgeborea oder lebensunfähig vor der Sonne der Wirklichkeitc. FQr ihn besteht da» Nene mehr in einer Bevirion der Qnmdbegriffe^ in dem >Be- wafitaein Aber das eigene Ton«, in dem bewnfiten Zusammenhang des Einzelnen mit dem Qanzen: »Die Bfleksieht auf das Ganse in allen seinen

Teilen muß maßgebend gemacht werden.«

Von diesem weiteren Gesichtspunkt aus sucht er nun einzelne hervor- springende Punkte im pädagogischen Blickfeld zu markieFen und da» be- schütz seiner Kritik richtig einzustellen.

Der 1. Brief bandelt in der Hauptsache von der »idealistisohen Stimmtinge, die darin besteht, daA der Endeher »überall unter den ge- gebenen Umstanden das YoUkommenste in erreichen bestrebt istc. ~~ »Diese Stimmung zu erfassen, zu heben ond zu verbieitenc, betrachtet Lazarus als «ein innig ersehntes Ziele seiner Briefe.

Der 2,, 3,, 4., 5. und 6. Brief befassen sieh mit der Staatserziehung und mit der Sc hui Verwaltung. Lazarus ist Anh&nger der Staats- Bchule. Die Schule steht über den Parteien.

>Der Dnterrichtsminister sollte kein politischer llinister, sondern ein pädagogisdher sein.c

Die geistliche Leitung kOnne weder ans pSdagqgisohen, noch ans religiösen, sondern nnr ans kirohenpolitiscbeii Ortlnden gefoidert verdea. Lehrer und Leiter des Schulwesens müssen Pädagogen sein, die »nur aus pädagogischen Gründen entscheiden und nach pädagogischen Normen trachten und wirken«. Der Staat ist in unserer Zeit rociitmäßiger Herr der Schule. Die alte Beschwerde, »die deutschen Fürsten haben die Schule säkularisiert«, ist falsch. »Der Staat hat die Volksschule säkularisiert, indem er sie geschaffen hat« Diese Herrschaft aber darf nicht snr lyiannei werden. Die Sehnte soU eine Schule der Freiheit sein. »Was wir im ganzen deutschen Stamm, in und außer dem Reich, in der großen und breiten Masse des Volkes an geistiger Freiheit und politischer Mündig- keit finden, ist der Volksschule zu verdanken, die der Staat geschaffea oder bei den Kommunen angeordnet hat.« Auch der Lehrer muß frei sein, wenn er segensreich wirken soll >£3 gibt keinen Cäsar über die Onmmatiker und auch nicht Uber die Schulmeister.« »Direktoren, Lehrer- kollegien, kommunale oder regionale SdhulrUe werden dem Staate niemals besser dienen, als wenn sie den Oehorsam vor allem ihrer wissenschaft- lichen Überzeugung und ihrem ethischen Gewissen leisten.«

Die Staatserziehung ist das Ideal ; aber sie darf nicht in Uniformierung ausarten. Dezentralisation muß eintreten.

Im 7., 8. und 9. Briefe, die an ein Mitglied des Abgeordnetenhauses gerichtet sind, befaßt sich Lazarus mit der Dauer der Schulzeit, mit dem achten Schuljahr und mit der Fortbildnngsschula

Am tiefsten in das Wesen des Yolkssohulimterrichts dringt der 7. Brief ein. Lazarus ist ein Feind aller zu weitgehenden Forderungea. Er unterscheidet erstens: -^gewisse Kenntnisse und Fertigkeiten, deren Inlialt und Übiuig niemals wieder vergessen worden darf,«

zweitens; »die Art von Kenntnissen, welche nicht wegen ihres sloff-

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II fttdagogisohes

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lieben Inhaltes, sondern wegen der Erleuchtung und I^Mfmg dee QeiflteB und wegen der Errepuntr des Gemütes überliefert werden.«

»Von alledem gehört in die Volksschule keine vollständige wissen- schaftliche Disziplin.« »Überhaupt keine Wissenschaft soll in der Volks- sehnle getriebon werden.«

Scharf irandet aiofa Lasarns gegen jedes bloia Oedloh tniswissen. »Die erlencbtende imd erweckende Kraft, der BUdungswert einer Gedanken- nihe ist um so großer, je mehr sie als eine freie Gabe empfangen wird.«

»Was nützt denn in allen ernsten und tiefen Dins^en, mit denen wir die Srole der Kinder befassen, daß sie ein Gedächtniskram und ein Li^jpenwerk sind?€

Mit besonderer psychologischer Feinheit wendet sich Lazarus in seinem 8. Briefe dem Apperseptionsprosefi sn, der Umbildang früherer Wissensecdiitie durch neu hinzutretende und dem Zwiespalt zwischen Scliulwissen und lebendigem Leben, zwischen Schriftdeutsch und Volks- mund, zwischen literarischem und natürlichem Denken. In der Yolks- sehnle soll man überall wissen und jeden Tag bedenken, daß die abstrakte Welt des Buchstabens den Geist zu töten, des Gedankens Blässe das Leben tniukränkeln im Begriff steht, imd daß man deshalb auf der Hut sein muß, den Qeist nnd das Lsben in seiner natOrliohen Frische m er^ liBltsn.«

Lazarus ist Anhänger der obligatorischen Fortbildungs- schule. Entgegen neueren Anschauungen fordert er, »daß die Fach- und Berufsbildung in die zweite, die allgemein menschliche Bildung in die erste Linie zu setzen ist«^. Einen großen Segen verspricht er sich von der Vertnndong von BeratHurbeit und Soholbesach. tloh sage nicht «nviel, wenn ioh behaupte: mir sind zwd Jahre Fortbildnngssohule lieber als nooh twei volle Schuljahre ohne Berafsarbeit.«

Der letzte, an eine Dame gerichtete Brief befaßt sich mit dem Wesen der Erziehung. Nicht die spozifischon Pädai^ot^'en, »die Dichter sind die Lehrer der Menschheit«, i Bei keinem Volke finden wir, daß die großen und berühmten Dichter unmittelbar mit der Erziehung im eigent- lichen Sinne besohftfligt hltten.€ Die Uassisohe Epoche der deutschen Nation macht hier die große Ansnahme. Wir verdienten eher das »Volk der Pädagogen« genannt zu werden als das der »Dichter nnd Denker«. In keiner Literatur spielt der Bildungsroman eine so hervorragende Rolle als in der deutschen. Durch Lessing hat der Begriff Erziehung eine Weite und Tiefe erhalten wie nie vorher. »Erziehung gibt dem Menschen nichts, was er nicht aus sich selbst haben konnte.« Wir müssen die Kräfte des Zöglings entwickeln, indem wir ihm den Cnltnigehalt flberliefem. »Von der tief eindringenden Unterschmdnng dieser beiden Orundelemente der errieherischen Tätigkeit und der darauf gegründeten Bssiehung beider «a- einander hängt das Gelingen derselben ab.« Und nun geht Lazarus in längerer Ausführung auf unsere pädagogischen BeirrifTe ein und zeigt, daß wir sie gebrauchen, ohne an ihre tiefere Beziehung zu denken. Schon die beiden Ausdrücke »bilden« und »entwickeln« welche Summe von Vocetellangeo von Fsrallelen, von Bildern n. a.! Wir denken in sprsoh-

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Besprechungen

liehen Fornaen, in Illu.stratinnen . um das Wesen zu erfassen dieses selbst bleibt uns ewig ein Rätsel.

»Das Ziel aller Ersiehmig ist die Ausbildung voUkommeoer * Humanit&t; der Weg m ihr ist die Erkenntnis and die Anwendung der

Vernunft Wahrheiten.«

Es ist oin Reichtum von pädagogi fachen Anrefrnncen, was hier ein weit und klar schauender Geist verkündet. Mau merkt aus jeder Zeile, wie roiflieh überda(!ht, wie wohl erwogen sie ist. Man glaubt dem Ver- fasser, wenn er als den großen Fehler seines Lebens den Umstand be- seicbneteb daA er cnviel in sieb bineingedaoht habe im Vergleioh m dem, was er geschrieben.

Was uns hier geboten wird, das sind Kristalle, die ein langjähriger Prozeß klar werden und anschienen ließ, Kristalle, in denen sich das Licht hundertfältig bricht und sjjiegelt. Mae^ auch mancher Stein etwas anders geraten sein, weil ihm dieses oiier jenes Ingrediens fehlte ich denke hier vor allem au des Verfassers Ausführungen über die allgemeine VdksBofanle, bei denen die praktische Erfahrung wahiadheinlich andrsr Anschanung huldigt im großen nnd ganaen sind die »Fidagogiaoheii Briefe« ein Werk, das in keines Lehrers Hand fehlen sollte. Wir empfehlen das kleine Buch aufe wArmste.

München £rnst Weber

Bcrüser, Dr. A.f Lehrbuch der Experimentalphysik in elementarer Darstellang. 10t 3 lithographischen Tafeln und 695 snm Teil farbigen Abbüdongen im Texte. Jena, 0. Fiacher, 1903. gr. 8^ XVI u. 857 S. Geh. 14 M, geb. 14,50 M.

Fruchtbar zu untornchten, ist scliwer. Man muß selbst etwas Rwhtos wissen, und man muß außerdem fähig sein, methodische Einsichten zu verkörpern. Doch nicht jedes Wissen frommt dem Lohrer. An Werken, die von Oelehrsamkeit strotzen, fehlt es uns nicht; aber es fehlt uns an Werken, die zu denkender Bearbeitung einee Qebietsa anrsgen, an Werken, die da zeigen, wie weittragend oft ein Bsgriff, wie sinnvoll diese oder jene scheinbar willkürliche Festsetznng ist, durch welches Ganze ein einzelnes Bedeutung erhält, wie man gerungen hat, diesen oder jenen Ge- danken zu verkörpern usw. Das ist auch der Grund, weshalb ich Berliners Werk mit Freuden begrüße.

Das Buch hat ganz wesentliche Vorzüge.

1. Berliner hat Abbes Gedanken Ober optische Instrumente ver- wertet. Hit Recht. Abbes Gedanken beherrschen asit geranmer Zeit die

optische Praxis. (Vor Berliner hat bereits Lummer im HOllersdhen Lehrbuch der Pliysik eine einschlägige Darstellung geboten.)

2. l?erliner hat die geliäuohliche Anordnung des Stoffes in mehr- facher Hinsicht verbessert »Es ist z. B. herkömmlich, die Polarisation des Liditea mit der Doppelbrechung des Lichtes zusammen zu bdiandeln, ein Fehler, der sich oft dadurch riUsht, daß der Lernende keine von beiden begreift und die Bemtlhongen nm ihre Beherrschung von vornherein als aussichtslos aufgibt Wenn man aber die Darstellung der beiden Yoiging«

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II F&dagogüH^es

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vollkommen vonojnnndor trennt (wozu man berechtigt ist, da die I^oiarisation ganz unabhängig von der Doppelbrechung existieren kann), und wenn man die Doppelbrechung unmittelbar im Anschluß an die einfache Brechung bdiandeltf so verschwindet ein großer Teil der Schwierigkeiten ganz von selbst. Erstens sieht man dann jeden dnzelnen der an sich nicht gans einfachen Yorgftnge ohne Vermengang mit dem andern, nnd zweitens wird die Polarisation des Lichtes sehr viel flbersichtlidier, weil man dann schon mit dem bequemen Hilfsmittel zur Polarisiening des Lirhtcs vertraut ist, das uns die Doppelbrechung in die Hände gibt.« (Vorrede S. IV.) Am Ende der Darstellung über die Wärmelehre (S. 349) heißt es: tüm das Wesen nnd die einzelnen Erscheinungen der Wärmestrahlung begreiflich so machen, mflßte der grOfite Teil dessen, was in die Lehre von dem Lieht gebArt, hier besprochen werden. Dies wtirde den Gang der Dar- stellung aber wesentlich unterbrechen. Es ist daher zweckmäßig, die Fortpflanzung der Wärme durch Strahlung und davS, was damit zusammen- hängt, nicht hier, sondern erst im Zusammenhange mit der Lehre vom I^cht zu besprechen.« (Vergl. S. 831 u. f.!)

3. Viele pbysikalifiche Erscheinungen beziehen sich auf R&umlidies. Wer die fflamlichen VerhUtnisse nicht durdisohaot, ringt ganz ▼ergeblioh, aidi die damit verbundenen Erscheinungen vorzustellen. Wie eifrig ist dämm Berliner bemfiht, den Lesern zu helfen! Yor allen nimmt er oft Bezug auf geläufige Bewegungen und Lagebeziehungen. »Man orhält das Bild der erif stehenden Weile aus dem Bilde der Wasserwelleu {F'ifj;. 232), wenn man das Buch vertikal auf die schmale Kante aufrecht stellt und sich dann die Kreise der Fig. 232 nm ihre vertikale Achse gedreht denkt, 80 daB sie also wie die MUnsen einer horizontal gehaltenen Geldrolle soeinander liegen . . .c (8. 866). »Man muß sich das ganze den Leiter timgebende Feld von solchen Fliehen durohsogen denken, die wie die Schalen einer Zwiebel einander umschließen ..." (S. 459). »Dreht man die Kalkspat platte um das Einfallplot in ihrer Ebene (wie ein Rad um seine Achse) herum, so . . (S. 686). Vergl. auch S. 797, Zeile 29 u. f., S. 814, Zeile 3 n. f.l Berliner bietet femer einschlägige Skisten; und wo diese nidit ansreiöhen, wird mit Elappenflgiiren, d. i. mit aufrichtbaren K]i^pen ans steifem Papier, die mit Figuren verbunden sind, hantiert.

4. Eine gewisse Anstrengung kann dem Leser sicherlich nicht erspart werden: aber man muß verhfiten, daß er seine Kraft unnQtz verbraucht. Aucli in dieser Hinsicht kennt Berliner die Bedürfnisse seiner Leser. Cr erinnert immer wieder an das, was erforderlich ist, das Neue zu ver- sldien. Br steckt da Wamungszeichen ans, wo er die Leser strancheln sieht, ünsiohere sprachliche Beziehungen nnd synonymische Bedeweisen sucht er zu ?ermeiden. Besonders behutsam geht er dann vor, wenn es Bich um sehr verwickelte Stoffe handelt. Hie und da konstruiert er einfache Fälle, um sie nach und nach der komplizierteren Wirklichkeit näher zu fuhren. Er macht darauf aufmerksam , an welcher Stelle eine IJnter- ßuciiuiig einsetzt, und faßt die Ergebnisse immer und immer wieder zu- sammen. Zuweilen bietet er Figuren mit Bandbemerkungen, in denen man ganze Oedankenmassen überschant s. f.

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fisqmdhttDgni

5. In der Pliysik feUt ee nioht an Festsatrangen, die Bohflinbar recht wiUklIrlioh sind. »Die Sttrke des magnetiBchen Feldes in tfgend einem Punkte wird dargesteUt duroh die Dichte der EiaMinien. Von

der magnetischen Menge u gehen 4 7r/u Kraftlinien aus . . So heißt es schlankweg in vielen Lehrbüchern. Berliner dagegen zeigt zunächst, woran man die Intensität eines maii^netischen Feldes erkennen kann, dann zeigt er, daß die Kraftlinien da am dichtesten sind, wo die Feldstärke am grOAton ist, nnd endlich zeigt er, wie es swar nicht notwendig, aber doch zweokmftBig ist, anzonehmen, you der magnetieohen Menge /u gingen 4»/' Kraftlinien aus u. s. f. Das nenneich eine Anleitung zu fruchtbarer Geistesarbeit. (Vergl. auch: F. Auerbach, Die Grundbegriffe der modernen Naturlehro. Leipzig, Teubner, 1902. S. 90—92.) Daß Berliner be- fähigt ist, schwierige Stoffe darzustellen, zeigt sich besonders in den Ab- schDitten über das Trägheitsmoment, über die Wellenlehre, über die Kraft- linien, über das Potential, Ober die Doppelbrediang nnd Uber die Polarisation.

6. Die Darstellung ist elementar, aber dardidmngen Yon wissenschaft- lichem Geiste. Hie und da wird eine Überlegung nur für besondere Fälle oder unter vereinfachten Bedingimgen durchgeführt, eine komplizierte Er- scheinung wird nur im großen und ganzen betrachtet, es werden selbst mathematische Beaidinngen verwertet, die nioht besonders abgeleitet sind. Alles das ist nnbedenUioh, weil der Leser immer nnd immer wieder auf die OnTollkommenheit und BesohrSnktheit seines Wissens anftnerksam ge- macht wird.

7. Hinsichtlich der Maße sind die gesetzlichen Definitionen verwertet.

Auch einige Mängel mögen angedeutet sein:

1. In der Wärme-, Licht- und Elektrizitätslehre ist manches als TatMohe dargestellt, was wohl nur hypothetischen Wert hat Namentlich für didaktische Zwecke scheint es geboten, den Standpunkt einsunehmen,

den Professor Dr. K Mach vertritt (VergL: Die Geschichte und die Mängel des Satzes von der Erhaltung der Arbeit. Prag, Calvesche üniv.- Buchhandlung, 1872. Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch und kritisch dargestellt. Leipzig, Brockhaus. Die ökonomische Natur der physikalischen Forschung. Almanach der Kaiserl. Akademie der Wissen- Schäften. Wien 1882. S. 295—319. Beitiflge zur Analyse der Emp- findungen. Jena, Fischer. Die Prinsipien der Wärmelehre. Leipzig, BbtAl. Populärwisaenachaftliche Vorlesungen. Leipsig, Barth. Leitfaden der Physik für Studierende. Leipzig, Freytag. Bemerkungen über die historischo Entwicklung der Optik in der Zeitschrift f. physik. u. ehem. Unterricht, herauBgcg. v. Poske. XI, S. 3 ^8. Vergl. dazu die einschlägigen Schriften von Stallo, Volkmann und Fetzoldtl) Erklären heißt danach nicht, Er- scheinungen auf hypothetische ürsachen surOokfUhren. ErklAren heifit yielmehr, komplizierte Erscheinungen auf einfhohe snrOckfOhren. Als Br- klänmgsmittel sind die Hypothesen sicherlich nachteilig, als Mittel der Forschung, der Darstellung u. b. f. können sie gnte Dienste leisten.

2. In der Physik haben wir matiche Bezeichnung (einarmiger TTebel, Zerlegung einer liewegung oder einer Kraft u. s. f.), die zu falschen Oo-

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II Fidagogisohes

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danken verführt. Diesen Übelstand sollte oamenüioh eine etoneataie Darstellung eingehend berücksichtigen.

3. Wie miiß ein Hebel beBchalTea sein, wenn man Kraft sparen will? Wie, wenn man niöht an Eiaft, woiil abor an Weg spaien -wiu? n. a f. Über Deraitigea anaflttirlioh Anakonft an geben, aeheint mir nicht flbarflflsaig.

4. Welch eine Fülle von wissenBchaftlioher Arbeit ist oft in den Dingen verkörpert! Die einschlägigen Darstellungen Berliners reichen in manchen Fällen (Thermometer, Roibungselektrisiermaschine u. a.) nicht aus, den licser zu der so nützlichen Einsicht zu führen. Vielleicht wäre es angebracht, bei einzelnen physikalischen Grundgedanken die Stufen in der YeridJrperung etwaa nSber an bdenditatt*

5. Mach hat geiaigt, dafi ea nnmdglioh ial^ die Gmndeinaiohten der Mechanik losgelöst von jeglicher Erfahrung su gewinnen. Wäre ea dann nicht unbedenklich, die abatiaktan Beweiae dar Qmndeinaiiditen etwaa geniiger zu werten V

6. Die neuem Ar leiten über Blitzschutz (z. B. Koch, Elektro- technische 2jeitschrift, lö99, Heft 16. Zechnor, Prometheus, Nr. 560 u. 561) Bind nicht verweitet Wer heutzutage einen BUfaali]fliter anlegen wilif mnfi die Brfiüimng verwerten, daß ein von einem Leiter umgebener Körper Tor dektrischen Entladungen geschützt ist (Faradays Versuch im Drahtkäfig; man denke auch an Prof. Artemieffs Schutzanzug für Arbeiter in Werken mit hochgespannten \Vj?chsGl,strömen!), und ferner die Erfahrung, daß bei osziLLatonschen Entladungen der Obmsche Widerstand nur eine geringe Bolle spielt

7. Die mathematiaohen Ableitungen auf den 8. 605, 571 n. 572 aind nicht aweckmifiig und nicht fehlerfrei. In dem KapUel Aber Doppel- breohnng (S. 688 u. 689) sind einige Versuche mit falschem Ergebnia dargestellt, mithin sind auch die Fipuren auf Tafel II verzeichnet. (Ver- wertung der Huygen sehen Konstruktion.) Die Figur G62 entspricht nicht dem einschlägigen Texte. Es kommen Gleichungen mit einseitiger Be- nennung vor. Druckfehler treten mohrfach auf ,; einige sinnstöreudo mögen angegeben aein: & 689 Zeile 22: 1,668 atatt 1,486. 8. 785 Zdle 17: fiewegnngaeradheinnngen atett BengnngaerBcheinnngeB. Auf den S. 771, 811 nnd 813 sind Hinwaiae anf Figuren ungenau oder falsch. Figur 658 ist verzeichnet. Kann man Lichten bergscho Figuren mit unelektriachei Mennige und unelektnschen Schwefelblumen erzielen?

8. Ist es wohlgetan, beispielsweise die Lichtenbergschen Figuren und andere Kleinigkeiten der Elektrostatik zu behandeln, dagegen die gewöhn- Bohe Telegraphie an ftbergehen?

Weimar M. Faok

fllieia, In Hiatoriaohe Bechenbflcher des 16. u. 17. Jahrhunderts nnd die Entwicklung ihrer Grundgedanken bis zur Neuzeit Ein Beitrag zur Öeischichte der Methodik dos Rechenunter- richts. Mit 5 Titelabbildungen. Leipzig, Dürr sehe Buchhandlung. gr.8<^. 183 S. Preis 3,60 M.

Was der Verfasser besweckt, hat er im Vorworte in aller Kürae lum Aoadmok gebrecht. »Die vorliegende, aeit Jahren vorbereitete Monographie

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will als ein Beitrag war Geeohiohte der Methodik des Beohenunterridifs gewertot sein, als eine Erglnsung der Darstellangea von Wildermntii, TreotleiD, Jftnioke, Unger, Hartmann, Sterner, Villicus, Cantor, Simon u. a. , , , Nachdem in der Einleitung die beiden die heutige Rechenmethodik beherrschenden Ideen [a) auch das Rechnen steht im Dienste der sitt- lichen Bildung, und b) ee trSgt vorwiegend den Charakter des Sach- reohnensj gekennzeichnet aind« gibt Teil I ein Bild Ton dem Stande des Becbenuntemobts im 16. imd 17. Jahrhnndert imter BerttckdchtigiiBg Sohulordnongen und Bechenbflohern. Teil II führt auf dieser Grandlage die interessanten historischen Rechenbücher des 16. und 17. Jahrhunderts, besonders die von Suevus, Meichsner und Hemeling (bisher von den Hechcnhistnrikorn über Gebühr vernachlässigt und weder bibliographisch noch pädagogisch zur Genüge gewürdigt), in charakteristischen Proben vor und sucht dieselben aus den jeweiligen Zdtomstflndoi ond den dieae Fsriode bewegenden idealen und aittlicben MAohten veistftndlioh su maoben. Es bedarf nidit der Versicherung, daß (der) Ver&sser sich durchaus auf OriginalqneUen stützt; es ist keine Mühe gescheut und kein Mittel un- versucht gelassen, dieselben auTzufinden und zu erlangoi. Die Fundorte der zum Teil seltenen Werke wurden genau angegeben.

Die Darstellung läüt zugleich erkennen, daß die Verfasser jener histi^ risohen Beohenbaoher bereits ohne darüber zur KMisit sn kommfla sowohl das reehenunterrichtliche Saobprinsip als aoch die Idee vom ethischen Zweck des Bechenuuterrichs in ihrem Aufgabenmaterial berfick- sichtigt haben. . . . Das Sachprinzip sowohl wie der Gedanke des sitt- lichen Bildungswertes des Reclinens zieht sich wie ein roter Faden durch die ganze Entwicklungsgesehiclite des Rechenunterrichts hindurch. Beide stehen in innigster Verbindung; jenes methodologische Prinzip wird in seiner praktisohen Gestaltung m einem pädagogisch-teleologischeiL FMblem. Eine entwioklungsgeschiohtUdhe Beleuofatnng jener recfaenimterriohtliidien Normen, die bis jetzt sohmenlich vermißt wird, erscheint für den weiteren Ausbau unserer Rechenmethodik von Bedeutung. Teil UI unserer Arbeit will jene Entwicklungsgeschichte, rcichond bis in unsere Tage, geben. Es ist eine Tatsache, daß man eine geistige Erscheinung erst dann wesenhaft kennen lernt, wenn man ihre Entstehung und Entwicklung verfolgt Die Kenntnis der Genesis jener Probleme fOhrt uns diese selbst nlher; denn sie lOsfc eine FOlle appersipierender KrSfte aus, die das YerstSndnis er- leichtern. Auch praktische Pädagogen werden daher der Studie, die mit der reichen Fachliteratur der neueren und neuesten Zeit bekannt macht, ilir Interesse zuwenden können.' (Vorwort, S. 3 u. 4.)

"Welch eine Fülle von Angaben bietet uns Grosse in seinem Werke! Wieviel Fleiß mag er geopfert haben, um all die Quellen zu erlangen! Wieviel Zeit^ um Texte m entsiffem, Texte su prflfen und sn kopieren, Aufgaben su vergleichen, zu sShlen und zu gruppieren! u. s. f. loh ver- mag nur einen kleinen Teil der Angaben zu prflfen ; trotzdem bin kh mit Rücksicht auf die literarischen Hinweise u. a. der festen Überzeugung, daß Grosse mit großer Sorgfalt und mit umfassender Sachkenntnis ge- arbeitet hat. Die Rechenhistonker werden ihm deshalb zu Dank ver-

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II FIdagogisches

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pflichtet sf'in; und gar mancher dürfte Gelegenheit gehabt haben, die eigene Darstellung zu erweitern und zu verbessern. In dieser Hinsicht hat sich Grosse offenbar ein Verdienst erworben.

Grosse hofft, mit seiner Studio aucii den Männern der Praxis einen Diflost geleistet wa haben. Ist diese Hoflhung berechtigt? Wer in der FhooB etwts leisten will, moB gewisse Einsichten (»SMchprinsip« n. a.) verwerten. Einsiobten vermag aber nor fruchtbar zu verwerten, wer sie vollkommen durchschaut und aus ihren ersten Gründen herleiten kann. Grosse berichtet in ausführlicher Weise über die Gründe, die den und jenen Autor zu senior Einsicht geführt haben. Aber er unterläßt es, zu zeigen, wie man diese Fülle von Anregungen dazu benutzen kann, um zu einer aUeeitigen nnd strengen BQgrQndung dieser oder jener Binsicht so gelangen. Er Ueibt also anf halbem Wege stehen. Üna Lehrern fehlt 69 in erster Linie an der philosophischen (der stolze Ausdruck mOge er- laubt sein!) Durchdrinq-unt^ der Gedanken, die wir verkörpern sollen. Grosses Schrift bereichert das Wissen des Lohrois ; abor zur VerwirJl- lichimg jenes höheren Zweckes tut sie woiil mchi genug.

Wer mathematischen Formen Leben einhauchen will, miifi »e auf Suhen beliehen. Aber soll man von komplisierten SaohverbAltnissen aas- gehen, nm die Formen su gewinnen; oder soll man erst an komplizierten SachverhiUtnissen sohreiten, nachdem man die Formen bereits an verein- fachten Sach Verhältnissen gewonnen hat? Hier ist dor Punkt, an dem einsetzen muü, wer uns Lehrern hinsichtlich des »Sachpriuzips einen Dienst leisten will. Um die Ijeregte Frage zu lösen, wird man am besten tun, zu zeigen, wie sich gemäß der einen oder andern Forderung der Reofaenanterrioht in seiner ganzen Ansdehnnng und in allen Binselheiteii gestaltet.

Philosophische Durchdringung der Gedanken und Anleitung zur Toll- ständigen V^erkorperung der ö<xlankon, das ist's, was uns Lehrern in erster Linie nottiit. In dieser Hinaicht findet uian nur wenig Uand- reichuDg bei Grosse.

Weimar M. Faok

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Aus der philosopli

Archiv für systematische Philo- sophie. X, 3. 1904.

Dv. 'Vk/tot Enft, Das Problem der Anfienwelt A. Levy, VorbedingUDgen einer jeden wahren philosophischen Er- kenntnis. — Julius Fischer, Zum Exiuni- und Zei^)robIem. Theodor A. Meyer, Dis Fnminuirip des SdiOnen. Jshres- behcht über sftmtUohe Erscheiniiiigen auf dem Gebiete d<>r systematisohen Philo- sophie. — Rudolf Goldscheid , Jahres- bericht über Erscheinungen der Sozio- logie 1899—1004. Die neaestm Er- sfliighwingwi anf dem Oelneta der ^sto- matischeii Philosophie. ZeitsduÜton.

Eingegangene Bücher.

Ontberlets Philosophisches Jahr- buch. 17. Jahrg. 4. Höft. 1. Abhandlungen: C. Gutberiet, Der 'Vnile ala Weltprinap. Panl Czaja, Welche Bedeutung hat bei Arestoteies die yiniUfth« Wahrnehmung und das innere Ansohauungsbild für die Bildung des BogriffesV Scheror, Sittlichkeit und Recht, Naturrecht uud nc htige-s Recht (Forts.). L. Baary Sabetansbegriff und AktaaUliisphaoaopbie (Schlag). Beek, Die Sittenlohre des Briefes an Diognet

R. Stölzle, Zwei IJriofe E. v. Lasaulx' zur (Charakteristik des i'hilüsophen Baader.

ischen Fachpresse

IL Besensloneii und Beferate: M. WsrtsDbeig, Das ideahstisohe Aigument in der Kritik des Msterialismos, von GL Gutberiet. K. Fahrion, Das JE^blrai der Willensfreiheit, von Deins. 0. Weininger, Über die letzten Dinge, von L. Baar. C. Friok S. J., Ontologia siTs Mstephysios gsasr., von J. Fkiss 0. M. I. J. Kiog, Ihe psychology of Child Development, von J. Wallenborn 0. M. 1. III. Zeitschriftenschau: A. Phüosophisohe Zeitschhiteu. B. Zeit- sohriftm yennisohten Inhalts. IV. Mis- sdien und Nsehriditen: Ehie neue Br> kUrong der Konsonanz und Diasonans.

Ein neuer Versuch zur Erklärung der Lebcnstätigkeit. Zur Neuroneolehre.

Das Yibrationsgefühl.

Kaatetiidleii. Henusg^ben von Dr. Hans VuIuDger und Baooh. Band IX.

Heft 3 tt. 4 1904. Bauch, Luther und Kant Riehl, Anfänge des Kritizismus. Renner, Reden zur Feier der Wiederkehr von Kante 100. Todestag. Aale. Zwei d&nisGh& Festgsben som Kantjolnttnm. Sitsler, Zur Blattversetzong in Kants Prolego- mena. Rezensionen. ^olbstsnseigeiu

Mitteilungen. B^gister.

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liudipresse

Commersjahrbuch fOr Philosophie und spekulative Theologe. XIX. 2. Heft 1904.

Oloftnsr, Ans TheoJogie mid Phflo-

Sophie. Josephoa s Leonissa, Diu ge- schaffenen Geister und das Übel. Franz Zij^on, Zur Lfhro des hl. Thomas von Wesenheit und Sein. literahsche Besprechungen.

Olfuibeii and Winea. VomDr. Dennert

IL 10. Hea 1904.

E. Wölffei, Gewohnheit. Pf. W. Römheld, Blaise Pascals Gedanken t. ~ Prof. Lic. R. Grützniacher, Alte Wahr- heit in neuem Oewsnde. Dr. med. BelkMa, Ist der Hase ein ItMeittaer V

Zeugen Gottes. Umsohsa in Zeit und Welt. Notizen. Antworten aaf Zweifelfragen (Frage 30. 40/. Apolo- getische Rnndschau.

Neue Metaphysische Rundschau.

Hersusgeg. Ton Psnl ZiUmsmi. 1901. Bend XL Heft 4.

Dr. med. F. A. Mesmer, Die 27 Lehr- satze vom animalischen Magnetismus. Dr. med. A. Marques , Die Aura der Magnete. Albert Kniepf, Der vierte Aggregstsostsnd (die Bsdio-Aktivitlt). Dr. Höh. von Lessei, Die metaphysische Grundlage von Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« (Kapitel III: Das flüssige Hheingold und das zum King ge- schmiedete Metall; Kap. IV: Erda und Wotsn, dw BsgNk dw Tragödie der Menschheit). Dr. med. J. D. Ruck, M3r8ti8che Maurerei (Kapitel V : Die Ge- heimlehre, Wissenschaft und Religion").

Ivy Hooper, Zwei Häuser (Kap. III).

RnndsdisiL Meherschaii. Por- trait: Fiiediidi Anton Mesmer.

Rcvae de MÜnphysique «t de Mo- ral e. (M. X. Leon.) 12e sanee, No. 5.

Septembre 1904.

L. Bninschvicg. La rcvoletion cart6- sienne et la notion spino/.iste de la sub- stance. G. Vailati, Sur une classe

remarquable de raisonnements par rcVluc- tion k l'absurde. L. Couturat, Les principes des msthkastiqiies. YI. La geomdtne. Istodes oritiqnss: 6. Lsdia- las, Une nonvelle tentative de refutatioa de la göoinötri»^ generale. Questions pratifjues: F. Maiguet, Surl'idöe de ratrio.

Supplement: La philosophie dans les Univeintte (1904-1905). livies noa- veanz. ~ Rsvnes et PdriodiqQes. KantgeeeUaofaaft

Die Kinderfehler. Zeitschrift f&r

Kinderforschong mit besonderer Be- rücksichtigung der pädagogischen Patho- logie. Herau.sgegeben von J. Trüjjer, Direktor des Erziehungsheimes und XinderBsnstoriums auf der SophienliAhs bei Jens nnd Chr. Üfer, Belrtor der Mädchenmittelschnle in ElVai-fcId. X, 1. A. Abhandlungen : Prof. Dr. F. M. Wfmlt. Zur Psychologie der Eltern- und Kindesliebe. Dr. phil. Franz Nietzold, Prnfung der sor VoUnaohnle angemeldeten Kinder, besonders im Oessng». B. Mit- teilungen: G. Fischer, Der XI. Blinden- lehrerkongreB in Halle a. S. vom 1. bis .'». August 1!K)1. Die Gründung eines llilföscbulverbandes in England. Neu- begründete Heileniehungsheime. Pfttde- pädagogik. Znr Frage «nes Kongresses für Kiiiiit rpsychologie und Ueilerziehiing.

VI. Versaininluiig dos Vereins für Kinderforschung am 14. Kl. Oktober lii04 in den GeseilschafLssälen des iieuea Zentrsltfaesteis am Thomaaringsn Leipzig.

An die Frenode nnd Mitglieder des Vereins für KindsifMBchnng. Vor- läufige Tagesordnung für den f). Ver- bandstag der Hilfs.scbulen Dout.sohlands in Bremen, Usturn 1905. C Literatur: Dr. A. &&ckinfer, Organisation groBer Volkaachnlkörper naeh der astfiriichen Leistungsfähigkeit der Kinder. Von Trüper.

Dr. med. Julius Moses, Das Sondcr- klassensystem der Mannheimer Volks- schule. Von Trüper.

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Neu wagugMigMift Booher und Zeiteohrifleii

Neu eingegangene Buolier and Zeitscliriften

6. Port ig, Das Weltgesetz dea kleinsten Kraftaufwandos in den Reihen der Natu?-

1. in der Mathematik, PhysÜL u. Chemie. 332 S. II. in der Astronomie und Biologie. 552 & Statigiui, KielinaDii, 1003 0. 1904.

A. Neumann, Jesus wer er geschicht- lich war, Froiburg i/B. und Leipzig, P. Waotzel, 1904. 204 S.

Jaquus Steon, Rechtsphilo»ophie und Rechtswissenschaft Berlin, Oattentag, 1904. 47 8.

Kowalewski, Kants Stellang mm Pro- blem der Außenweltexistenz. 39 S.

Achelis. Altriß der vergleichenden Reli- gionswi SSO Ii Schaft. Leipzig , Göschen. 1904. 1C3 S.

Idelberger, Die Entwiddong der kind- lichen Spnohe. Berlin, H. Weither, 1904. 87 8.

Doussen, Vedänta und Patonismu.s im Lichte der Kantischen rhilosophie. Comem US- Gesellschaft Berlin, Weid- mann, 1904. 25 S.

K. Adler, Tirnnaiwel Kant mm Oe- dSchtnis. Wien, Dentioke, 1904. 46 8.

Beck, Die NaohBhmong und ihre Be- deutung für Psychologie und Völker- kunde. Leipzig, Haaeke, 1904. 173 S.

Opitz, ruundriß einer Seinswi.ssensfliaft.

2. Bd. Wcsenslehre. £benda 1904. 233 8.

A. Bo the nbftoh e r , Oeaohiohte der Philo- sophie für Gebildete und Stndierende. Berlin, Walther, 1904. 330

K. Fahrion, Da.s Problem der Willens- freiheit. Heidelberg, Winter, 1904. 62 S.

W. Windelbnnd, Immanuel Kant und aeine Weltanaohaonng. Bede. Ebenda

1004. 32 S. Beiliwänger, Amos Comenius als Pan- soph. Stuttgart, Kohlliardt, 1904. 101 8.

Ascher, Ausflüge in das Reich des

Geistes und der Seele. Berlin, Its-

kowski. 60 S. K. August, Die Onindlagen der Natar-

wiasenaohaft Berlin, Walther, 1904.

61 8.

L. Busse, Immanuel Kant. Ansprache. Leipzig, Voigtländer, 1904. 11 S.

Castle, Wallenatein (Schiller). Leipzig,

Toubner.

Gaudig, Didaktische Ketzereien. Ebenda. Klein, Zeitgemäße Umgestaltung des

math. üni Ebenda. Obst, Kaiser Wilhelm IL Breslao,

Sehottländer, Thilly. The Univexsity of Missouri

Studies 1904. Knortz, Die amerikanische Volksschule.

TttlHogen, Laupp. Meitzer, Lesestücke aus den prophet

Schriften. Ausgabe A n. B. Dresden,

Sehambaeh. V. Sallwürk, Die didakt Normalformen.

2. Aufl. Frankfurt a/M., Dieaterweg. Harbe, Über den Rhytfamna d«r Proaa.

Oiefiöi, Bicker. Gutzmann, Die soziale Bedeutung der

Sprachstörungen. Jena, Fischer. Kühn, Die Bedeutung Montaignes ffir

unsere Zeit StraSbnig^ Heits.

Zill ig, Pädagogisdie Anforderungen an den Lehrplän naw. Nümbeig, Koni.

Kretzschmar, Polit FidagCgik. LTeil.

Leipzig, Schimmelnitz. Fr. Mann, Pädagog. Magazin. lieft 0. 33, 228. Langum»alza, Hermann Beyer & SShne (Beyer & Mum).

Staude, Präparaticnen IL IV. 3L Aufl. Ebenda.

Sohlegel, Präparat f. Kirohenlieder a.

Psalmen. Ebenda. Groth, Natur^tuiiiüu. 2. Aufl. Ebenda. Tews, Schulk**mpromill usw. Berhn-

8chöneberg, Hille.

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Kind und Kunst

Einige experimentelle Untersuchungen zu einigen Grundfragen der Kunst- erziehung

Von

Marx Lobslen, Kiol A. Einleitung

Die gegenwärtige Pädagogik darf sich zweifelsohne als Verdienst anrechnen, daß sie ein absichtliches Bemühen forderte, um die Kunst dem Volke nahe zu bringen. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Kunst im Bilde, sei es das plastische oder ebene, in zweiter Linie um die Kunst im Worte. Man verglich die Gegen- wart mit einer kunstsinnigen Periode des Mittelalters und mußte mit Beschämung eingestehen, daß die Gegenwart in Kunstsinn und Kunst- fertigkeit ungleich hinter joner zurückstehe. Verglich man das moderne bürgerliche Zimmer um nur auf dieses eine hinzuweisen mit dem jener Periode, so gewahrte man dort feineren Sinn für Farbe und Form, naives, aber doch sicheres Empfinden für das Zu- sammenstimmen. Dieses Zusammenstimmen bezieht sich sowohl auf das einzelne Zimmergerät, wie auf die Gesamtausstattung des Raumes. Wo sich Gelegenheit bot, unterließ man nie, ein passendes Zierrat mit geschickter Hand, d. h. niemals in aufdringlicher Weise, anzu- bringen. Die Aus^schmückung war nicht Selbstzweck, wie in einer späteren Periode der Übertreibungen und des Schwulstes, sondern ordnete sich bescheiden dem jeweiligen Zwecke des Gebrauchsgegen- standes unter. Ebenso war unmöglich, es sei denn, daß ein starkes Pietätsgefühl das so forderte, daß ein Gerät im Zimmer geduldet

Zdtschiift für Philosophie and Padagocrik. 12. Jahnnuig. 12

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178 Aufsätze

würde, das geeignet wfiie, den Oesamteindrack za stören. Tritt man dagegen beute in das Wohn- oder gar Prunkzimmer eines relativ wohl gestellten Bfiigers: welch ein tohnyabohn in Form nnd Farbe, welch traniige Geschmacklosigkeit und Oeschmackswiimis redet von diesen Winden, diesen Bildern, dieser Auswahl nnd Anordnung Ton Zicrgcgenstinden mannigfachster Art! Welch schreiende Mißtöne in Wahl nnd Anordnung der Farben! Und nun gar die Futzstube des Minderbegüterten, des kleinen Handwerkers, Beamten, Kaufinannes, an dessen Ausschmückung er seine Spargroschen wendet, jenes Zimmer, das der Hausfrau Stolz ist, das während des ganzen Jahres kaum betreten und sorgsam vor Sonne und frischer Luft bewahrt wird: es ist zunächst nichts weiter als ein Aufspeicherungskabinett der denkbar mannigfachsten Ramschware des nächsten Warenhauses

ein Warenhaus en miniature! Das ist nur ein Beispiel für viele. Ich erinnere aufierdem an das dicht besetzte Yarietö, das zweifelhafte Yorstadttheater, den Gassenhauer, die Easemenlieder, die elende Schmutz- und Hintortreppenliteratur, die gemein und schauder- bar illustrierton Witz- und Skandalblfttter, die alle zahlreiche Ab- nehmer finden usw.

Das mufite allerdings sowohl dem Pädagogen wie dem Künstler ans Herz greifen. Man fand auch Wege und Mittel, ^des Teufels Mißt« mit Luther zu reden, auszukehren, die Yolksseele zu säubern, sie zu veredeln, indem man ihr die besten Kunstschätze in Wort und Bild zuführte, sie so, wenn möglich, gegen die Ansteckung durch die Unkunst, das Unedle, das Unsaubere zu immunisieren. Es ward die Parole ausgegeben: die Kunst dem Yolke! und beide Interessenten verbündeten sich, um den Kampf auf der ganzen Linie au&unehmett.

Der Kampf muß offenbar nach zwei Seiten geführt werden, ab- wehrend und angreifend; abwehrend gegenüber der herrschenden Unnatur (wie das mit bemerkenswertem Erfolge auf dem Gebiete der Jugendschiifton versucht wird), gegenüber der Wahl- und Stü- losigkeit in Kunst und Kunstgewerbe, wie sie das Publikum be- liebt. Dann aber muß man vor allen Dingen Besseres als Ersatz schaffen zweifellos die größere und unvergleichlich schwierigere Aufgabe.

Dabei kann es sich selhstversändlich , will man Gesundes schaffen, nicht am einen Kampf von heute auf morgen handeln, etwa mit gewaltsamen Machtmitteln, wie mancher Heißsporn ver- meint Das ist bei allen denen von vornherein sicher, die da wissen, wie hart Meinungen, Neigungen, Wertschätzungen gerade solcher Art, wie sie hier in Frage stehen, sich einwurzeln. Wir haben logische

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Lobsikn: Kind und Kunst

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Tnliimpr, ja Walinideen allen gegenteiligen Zeugnissen zum Trotz Jalirhunderte überdauern sehen, l^nd doch kann man dort, wo es sich um derartige Verfehlungen und Falsohdeutungen handelt, die Masse, wie man sagt, mit der Nase auf die nbjektivc^n Tatbestände stoßen. Wie ganz anders, wo es sich um den (Jeschraack handelt; hier liegen die Verhältnisse viel schwieriger. Man kann derartig handgreifliche Beweise nicht geben, weil der Treschmack indis- kutabel ist. Nun soll nicht geleugnet werden, daß die erwähnten Irrungen aus logisch-sachlichen Gebieten' nicht allein gefestigt werden durch die Trägheit der blassen, sondern auch durch die diese Eigen- schaft naiv oder raffiniert ausbeutende Herrschsucht der Oberen starke Stützen gewann (Ptolemäus-Kopernikus). Dieser Herrschaft begegnen wir auf dem Gebiete des Geschmacks wieder in der mindestens ebenso rigorosen der Mode i. w. vS. Der Satz: der Geschmack ist indiskutabel, hat praktische Bedeutung nicht sowohl dem Individuum gegenüber, das sich in seinem Geschmack sein noli me tangere äußeren Ein- wirkungen gegenüber bewahrt hat, als vielmehr einer größeren oder geringeren Gemeinsamkeit gegenüber, die durch die Mode gebunden wird. Wir haben heute noch ihre Macht deutlich vor Augen, am deutlichsten in dem, was sie für die Kleidung vorschreibt Trotzdem ihre Macht durch den häufigen Wechsel stark gelockert ist, sehen wir das widersinnigste und bäßUcbste in Form und Farbe »modern« und »unmodern« werden aber wieviele wagen, sich zu emanzi- pieren. Denn und darin liegt snm großen Teile das Geheimnis beschlossen der Hauptbundesgenosse der Modo ist die Furcht vor dem »sieb lächerlich macben«, vor dem Spott. Die Waffe hebtet sich in TWschärfter Form gegen den minder Wohlhabenden, der zu- gleich seine Dürftigkeit getroffen fühlt. Welche Macbt aber dem Spott innewohnt, bezeugt die Eultuiigescbiobte zur Gen (ige: was emster Belehrung unmöglich war, das gelang den Volksfreunden, die die Geißel des Spottes und der Satire zu bandhaben wußten. Wie groß aber ist die Macht der M.ode in jenen Zeiten gewesen, da sie sieb in viel weitereu Z^Mfiünmen wandelte und sich obendrein mit äußeren Machtmitteln verbinden konnte. Sie wirkt stark uniformierend ein, nicht nur auf die Kleidung, sondern die ganze LebensfiUn tmg, die Lebenswertung und den Geschmack. Bedenkt man diese Macht, die auch heute wirksam ist, so wird man schon aus dem Grunde der Meinung entgi^;entreten müssen, daß in einigen Jahren, nd. r Jahr- zehnten, auch ernstes Bemühen von durcbgreifendein Erfolge sein werde. Es ist richtig, die Jugend »kann man leichter biegen und ziehen« und darum durchauB zu billigen, daß man »bei ihr anhebt«,

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aber das Haus, auch wo es keinen aktiven Widerstand leistet, hat durch 100 feine Fäden eine viel engere Beziehung zum Kinde, einen viel inteusivercn Einfluß.

Dazu kommen weitere hemmende Umstände, die in modernen volkswirtschaftlichen Verluiltnisson begründet liegen; ich erwähne nur einiges. Die modt rue Technik gestattet neben Herstellung vorzüg- licher Machbildungen künstlei'ischer Erzeugnisse, auch die minder- wertige billige Mas.senproduktion , die dann im Dienste der öden modernen Geschäftsdevise: Großer Umsatz, kleiner Verdienst (d. h. zu- meist schlecht aber billig), den Markt zu ül)ersehwemmen vermag Damals lautete sie: wenig, aher gut Das paßte vorzüglicn zu der bürglich-konservativen Behaglichkeit jener Zeit wie jene andere zu der nervösen Hast unserer Tage. Ein minderwertiges Vielerlei lockt den Käufer, geschmackverwirrcnd. Er nimmt sich nicht die Mühe, das Bild, den Ziergegen stand, das Hausgerät auf seine Schönheit hin zu betrachten, ja, er kann es nicht, weil ihm der Sinn dafür fehlt. Dieser ist auf das Nüchterne und Traktische gerichtet und für das Schöne abgestumpft; denn die Lebenshaltung steht großenteils unter der gleichen Devise. Weil das (Jeld gegen andere materielle Lebenswerte eine starke Kui-sherabminderung gegenüber früheren Zeiten erfahren hat, so gilt es ein Auskaufen der Zeit und ein An- spannen der geistigen und leiblichen Kräfte bis zu ihrem Maximum. Dazu verführt di<>se Hast schnell erreichbare oft verwerfliche Ge- nüsse zu erhaschen. Diese Rastlosigkeit in Arbeit und Genuß ge- stattet kein ruhiges Vorweilen, die Jagd nach dem Gdlde macht blind und stumpf dem kninstlerisclien Schauen und Genießen gegen- über. So hängt der Sinn für Kunst aufs engste zusammen mit der ganzen Lebenshaltung. Ungimstige wirtschaftliche Lage macht von vornherein das Bemühen: Die Kunst dem Volke, künstlerische Erziehung für alle diejenigen illusorisch, die darunter seufzen. Der hat nicht Sinn für Kunst den jeden Morgen Fi'au Surire grüßt Erst Brot, dann Kunst! Möglich, daß man in weichen Kinderherzen manch Samenkorn legen kann, aber es ist unweigerlich dem Tode gewiß. Schade um die verlorne Liebesmüh. So erfährt der Satz: die Kunst dem Volke schon aus äußeren Gründen eine Einschränkung.

Zu diesem Abstrich in der Breitenrichtung komtnt dann ein anderer in die Tiefe. Die äußerlich günstige Lebenslage gewährt noch keineswegs die Verwirklichung des gesteckten Zieles, mindestens ohL'nso wichtig sind bestimmte psychische Qualitäten, worüber her- nach genaueres ausgeführt werden soll. Doch mischte ich in diesem Zusammenhange auf einen Feiud der modernen Bestiebungen auf-

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Lobsien: Kind tmd Kunst

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meriraam machen, den man nicht immer genügend gewürdigt hat Man kauft das Bnch, das Bild, den Schmnc^gegenstand im Waren- banse billig ond damit macht man von 7omherein die Eonsession: ffir den Preis ist es doch ganz nett, da kann man nichts besseres ▼eriangen. Daß aber ein derartiges Eonzessionenmachen irgendwie geeignet sein sollte, einen etwa noch schlummeniden Sinn fOr schöne Form nnd Earbe zn beleben, wird nur der Unkundige einen Augen- blick erwfigen. ^

Die Fordenmg: die Ennst dem Volke, geht von der Yoraus- setEODg anS) daß das Yolk zum Eunstsinn nnd Ennstgcnuß erzogen werden könne. Diese Toranssetznng hat aber, meines Erachtens, yor> linfig nur den Wert einer Hypothese. Sie kann historisch nicht eifairtet werden (etwa durch den Hinweis auf jene hochstehende mittelalterliche Periode). Die Geschichte des fisthetischen Geschmacks den wir in den cfanaktenstisdien Ennsterzeugnissen der einzehien EntwicUungsstadien verköipert sehen zeigt ein Auf und Ab der Entfiiltung. Auf den Wellenborg folgt das Welleatal, je nachdem das Geschick hervorragende, bahnweisende Geister bescherte oder Yorent- bielt Diese bestimmten fiibalt nnd Richtong des Aufschwungs. Das Chaikteristische für den Psychologen liegt aber in den Zeiten des Kiedeigangs darin, daß nur von wenigen diese als solche erkannt Qod rerstanden werden, im Gegenteil, die Zeitgenossen sind mit dem, was geleistet wird, nicht nur ganz wohl zufrieden, sie stellen es über die Bizeugnisse jener Perioden, die hernach vor dem Richterstuhle der Eunstgeschichte als Höhen sich ausweisen. Das Selbstzeugnis der einzelnen Perioden ist das denkbar schlechteste sonst wäre das wechselnde Auf und Ab der Entwicklung ja unmöglich. Die historische Betrachtung zeigt dann weiter, daß dieser Wechsel im all- gemeinen zusammengeht mit äußeren Schicksalen und innerkulturellen Umwandlungen. Sie kann im allgemeinen auch mancherlei ürsach- Terhältnissc zwischen hüben und drüben nachweisen oder wahrschein- lich machen. Damit aber ist ihre Aufgabe erschöpft in der Beant- wortung dvT gestellten tYage: Sie kann auf Grund jener Registrie- roDgen und dieser Ziisammenhango im allgemeinen die Möglichkeit einer Erziehung zur Kunst wahrsclipinlich machen. Das unter fol- gender Begründung: Ein ursachloscs Geschehen ist ein Widerspruch in sich. Für die Wellenbewegung sind Ursachen verantwortlich zu machen, seien es peiNönlichc, Uniweltseinflüsse oder beide zusammen. Diese «laii man in ihrer (resanithcit als erzieliliche Kiiiwirkungen mit Fug Luid Recht bezeichnen folglicli ist Erziehung zum Kunstvor-

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stfindnis möglich. Entspreehend der Natur der Eüiiflflsse liegt ihr Erfolg in auf- oder absteigender Linie.

Der Sais, daß nrsaobloses Geschehen ein Unding sei, ist un- bedingt zuzugeben; er hat genau dieselbe Gültigkeit wie das aus ihm resultierende, dafi ein Geschehen, eine Zustuidsinderung not- wendig und notwendig in derselben Form statthaben mufi, wenn die ganze Summe der Bedingungen gegeben ist Dem Historiker sind aber nicht alle Bedingungen bekannt, er kennt nur die ftufieren, so- weit sie überliefert sind. Wo seine Au^be endet, da hebt die Arbeit des Psychologen erst an. Er erkundet das Verhalten der Seele, ihren Gesetzen entsprechend, jenen Einwirkungen gegen- über. Würde aber der Fsydidoge lediglich arbeiten mit den Mitteln der alten Eonstruktionspsyohologie, dann müßte er sich gleicher- weise begnügen, die Möglichkeit im allgemeinen und obendrein mit viel engeren, weil willkürlicheren Mittehi darzutun. Der Tollgflltige Beweis kann auf kürzestem Wege nur ei^erimentell erbracht werden, d. h. dadurch, daß« man planmäßig Ssthetisch auf eine bestimmte Schüleigruppe einzuwirken trachtet, um dann den Erfolg zu beob- aditen. Ich sage am sichersten und kürzesten, denn des eben ist das Wesen des Experiments, daß es die Bedingung nach Möglichkeit reinlich sondert und sie willkürlich varüert, trennt und yerbindet, um so dem Zu&U mit allen seinen Terboigenen Irrtümern zu ent- gehen. Dieselbe Angabe hat auch hier das Experiment, nur Tarüert dem neuen Anwendungsgebiete entsprechend. Er setzt Toiaus eine stete, der jeweiligen kindlichen Entwicklungsstufe angepaßte üsthe- tiscbe Einwirkung im weitesten Sinne und prüft dann in gewissen Zeiträumen das Maß der Immunisierung gegenüber der ünkunst Das alles ist aber rorläulig lediglich Zukunftsmusik, denn ee fehlt bis heute noch an jeglicher Vorarbeit dieser Art

Die ErziehuDgsmöglichkeit im allgemeinen ist zwar erwiesen, 80 widersprechend ihre Theori^ sind, die Erziehungsmög^chkeit zur Kunst soll erst erwiesen werden. Es soll erwiesen werden, daß für eine solche allgemeine Vorbedingungen Torhanden sind, denn nur dann ist berechtigt zu fordern: die Kunst dem Volke. Die Geschichte der Kunst läßt uns hier im Stiche, sie zeigt diese Allgemeinheit nicht, sondern redet nur von bestimmten, mehr oder minder abgeschlossenen Kreisen, die bald größere, bald kleinere Radien gehabt haben mögen.

Es muß also vor allen Dingua der Nachweis erbracht werden, daß ästhetische Qualitäten a gr. s. im Kinde schlummern, ob überhaupt Bedingungen bereits dafür Torhanden sind, die ein absicht- liches Bemühen berechtigt ersdieinen lassen. Dem ist hinzuzufügen.

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dftß hiervon Qualitäten natürlich nicht in dem Sinne eines VennÖgans geredet wird, eines Keims, der nur günstiger äußerer Bedingungen wartet, um sich zu entfalten, sondern als von Neigungen, ästhetisch zu werten, vorzoziehen und zu betrachten. Während im allgemeinen Kunstsinn, Kunstverständnis erst auf einer <:o\vi\sen, oft eigenartigen Oesamtbildungshöhe inteliektuelier und moralischer Art, möglich er- scheint, 80 ist (loch xonigoben, daß solche Neigungen oft eigenartig früh hervori)rn hon, andrerseits, daß es nicht, wie etwa auf mechÄ- nischem Gebiete bei dem Parallelogramm der Kräfte, lediglich dieser intellektuellen und moralischen Kräfte bedarf um unter günstiger Konstallation als Resultante die ästhetische Genußfähigkeit zu er- zeugen, beileil>e nicht Jene scheinen zumeist Voraussetzungen, ja gar die conditio sine qtui non aber das ästhetische Genießen ent- hält doch ein mehreres, das in jenen nicht vorhanden ist und aus ihnen allein nicht resultieren kann. Man mag, etwa im Sinne Uerbarts, die Ethik möglichst nahe an die Ästhetik heranrücken, man mag von einer Ästhetik logischer Konstruktionen reden u. a. man trifft damit immer nur Sondorf ornien, Abarten eines Grundwesens, das in ihnen nicht beschlossen liegt. Kurzum, die ästhetische Genußfähig- keit liat ihr Sonder wo sen. Daraus folgt weiter und lediglich das wollte ich durch diesen kurzen Gedankengang dartun , sie hat ihre Sonderentwicklung von niederen zu höheren Stufen iun, eine Entwicklung, die in ihrer Höhenlage, in ihrem Tempo nach der persönlichen Eigenart denkbar verschieden ist Hier liegt, wie mir scheinen will, eine Ftmdamentalaufgabe für die Be- strebungen auf dem Gebiete der Kunsterziehung, die noch lange nicht genugsam gewürdigt und nur ganz sporadisch in Angriff genommen worden ist, nämlich: die Entwicklungsstadien des ästhetischen Sinnes genau tsa TCifolgen. Die Au^be ist um so schwieriger, weil die Entwicklung, zunächst innerhalb der großen Gruppen: Bild- und Wortwhönes, dann auch innerhalb ihrer Unterabteilungen keineswegs parallel verläuft, weder innerhalb des Individuums noch breiterer Massen. (Genaueres werden die experimentellen Untersuchungen dieser Arbeit bringen.) Wie dem auch sei, ich bin zufrieden, wenn man mir jeet schon zugibt, daß wir es hier mit einer Angelegenheit der Entwicklung zu tun haben. Daraus ergibt sich weiter, daß, wenigstens im allgemeinen ein Unterschied ist zwischen dem Kinde und dem Erwachsenen einerseits, dem Gebildeten und der breiten Hasse andrerseits; femer, daß gewagt erscheint, die Kunst ohne daß die genannten Bedingungen erfüllt seien, der Masse, oder gar dem Kinde \anzttbieten. In gewissem Sinne haben wir ein Analogon

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in dem Religionsuntemohte. Ich glaube, es gibt keinen Untemcbte- zweig, der auf eine so lange und eingehende Pflege zorflcAbHeken kann wie dieser. Wie ungemein reich ist seine Literatur, wie groß die Zahl hervorragender Geister, die sich aufs ernsteste um ihn be- müht haben aber es gibt kein Unterrichtsgebiet, auf dem man sich ärger gegen die Psychologie versündigte, die kindliche Indi- vidualität so gründlich ausschaltete. (Die Ursachen sind zum Teil äußerer Art und interessieren uns hier nicht.) Man sah in dem Kinde den Erwachsenen nicht nur, sondern den mit einer reifen eigenartigen, elep:iscli- philosophischen Weltanschaung, unbekümmert um die eigenartige kindliclie Entwicklung. Man täuschte sich beim Unterrichte in unglaublicher Weise seihst; man wunderte sich über da.s, was im Kinde schlummore, was der Fragcküiisth?r herauszuheben verniot'lite wiiiinnid dem Psychologen nicht unkhir bleiben kann^ daß der »Mäeutiker« sich selbst fragt, sich selbst beantwortet Was in den Kiipfen der Kinder aphoristisch sich abspielt, ist weit ver- scliicdpn von den Vorgängen im Hirne des Katecheten. Das wollen wir auf dem Gebiete der Kunsterziehung doeli vermeiden. Die Ge- talir ist liier besonders groß, weil sich im ei-sten Eifer überaus viele und sehr viele unberufene Hände der neuen Angelegenheit heniach- tigten. Die Gefahr eigenes sei es tatsächliches oder imaginäres Erleben in andere fälschlich hineiuzuprojizieren wäciist unter solchen üjnständen ins Ungemcssene.

Hier liegt auch die Wurzel zu der Verstimmung zwischen Künstlern und Kunstenthusiasten, die schon auf dem ersten mit so großem Scenarium ins Leben gerufenen Kunsterziehungstago (ein stolzes Wort) deutlich hervortrat; sie hatte schon vorher eingesetzt und greift weiter um sich. Es bewahrheitet sich hier wieder, daß so subjektive Dinge, um die es sich für die Kun.sterziehung handelt, nicht durch äußeren Pomp oder gar gewaltsame Kraftanstrengung geförd(U't w(Tden können. Dils ist nur geeignet, den zarter Emp- pfindenden abzustoßen, dem Unbesonnenen aber, zumal in unsern stark auf äußeres und leider oft hohles Schaugepränge gerichteten Tagen, den Blick für das Wahre und Echte in der vorliegenden Sache zu trüben. Dabei sollte man schon aus (irunden der Klugheit die alte Erfahrung nicht aus dem Auge lassen, daß man sich den anfangs naiv Vertrauenden durch Enttäuschung zum ärgsten Feinde macht (und die Enttäuschung bleibt hier nicht aus). Die Ver- stimmung ist so begründet: Der Künstler ist als solcher Aristokrat. Sein Können ist ein Geschenk der Götter, nur wenig Auserwählte können sich ihm zur Seite stellen. Er kann zwar das Publikum

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nicht entbehren, hat diesem gegMiüber Tielmehr eine Hission zu er- ffiUen. Aber einerseits ist sein Publikum nur die immerhin kleine Gemeinde kongenialer Geister (passive Künstler)^ die durch bestimmte YemnUigung, LebensstellungyLebensführung, Lebensanschauung, befiUiigt ist, ihn und sein Schaffen zu wtlrdigen, nicht aber die breite Masse, die doch das schnell laut gewordene Schlagwort: Die Kunst dem Volke! im Sinne hat Man tttusche sich doch nicht, die Kunst läBt äob nicht demokratisieren. Die Kunst ist ein Agens, ist Rand- ▼ezzierung des Lebens. Man mag ihren nie zu bezweifelnden Wert ~ man reneibe den philiströsen Ausdruck noch so hoch ein- sehfttzen; das wird niemals abzuleugnen sein, dafi fflr ihre Wirkung zonSohst ein bestinmites Maß sozialen Wohleigehens nach unten wie nach oben unbedingtes Erfordernis ist (Von einzelnen Ausnahmen rede ich nicht) Die Sorge war noch niemals die Mutter des Schönen ond des weitverbreiteten Kunstempfindens. Erst Brot, dann Kunst! Den Backen gebeugt unter der Last des animalischen Lebens, Herz und Sinne erfCUlt Ton dem Oedanken: Woher nehmen wir morgen unser Brot? da kann doch nur Ificherlicher utopischer Idealismus oder TöDige Unkenntnis der tatsächlichen Yerhältnlsse die Hoffnung hegen, hier durch die Kunst und Kunsterziehung helfen zu können. IKe Kunst dem Volke bleibt für diesen Teil der Bevölkerung ein leerer Wahn. Hier gilt es, ganz andere Mittel in Bewegung zu setEen, um dem Bedrängten aufzuhelfen.

Dazu ein noch viel wichtigeres! Man vertauscht Ursache und Wirkung, stellt als Prinzip au^ was an dem Ende seinen Platz erhalten sollte. Das Oeschüft der Erziehung wurde schon lange als eine Kunst aufgefoßt, die in ihrer Fülle auszuüben nur dem Gott> begnadeten möglich ist Auch die Ausbildung der geistigen und leiblichen Krifte zu dem harmonischen Kunstwerke: Mensch, ist dem Kenner der Wandlungsgeschichte der Bildungsideale nicht fem. Hier aber hat das Eipitheton Kunst nur den Sinn eines Vergleichs gehabt, wenigstens ist es ans einer gewissen Kunstauffassung übernommen worden, diner Auffassung, die eben in der Ausgestaltung des Har- monischen das Orundwesen der künstlerischen Darstellung erblickte. Nun aber soll die Kunst in der Erziehung eine eigene aktuelle Bedeutung gewinnen. Die Kunst soll das Wesen des Endehungs- gescfaflftes neugestalten, neubeleben. Aber ein Beispiel heraus- gegriffen — was redet denn das Bild zu mir? Von ihm aus gelangen Itherwellen von festbgrenzter Länge und Gestalt an unser Auge nur als Beiz durch den nervösen Apparat zur Seele aber von dem Inhalte des ffildes, dem historisch-objektiven des Äußeren Geschehens

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AvMtse

und vor allem dem subjektiven, der Welt der Enipfincluniren wird nichts unmittelbar in die Seele des Beschauoi's hinüber/^etni^en. Diese Irapouderabilien vermag keine Ätlierwelle zu trairon. Auch das schiinste Gedicht bleibt dem eitel Schall und Druckei-schwärze, der keinen Hauch des Lebens in sich erfuhr, das jenseits dieser arm- seligen meehanisehen Außerungsmittel flutet. Das innere Erleben des Mitteilenden muß dem der Empfänger (innerhalb gewisser Grenzen) kongenial sein, wenn die Zeichen irgend welchen Wert beanspruclien dürfen. Denn ich selbst bin es, der aus eigener Innenwelt lieraus auf die Athei-schwingungen reagiert, der dem Kunstwerke seinen Inhalt verleiht. Meine Empfinrlungen, meine Stimmungen, meine subjektiven und objektiven Erfahrungen lege ich in das Bild hinein. Das Bild bleibt ohne jede Wirkung, wenn sein Inhalt nicht einen Teil meines persönlichen Erlebens bildet. Andernfalls wäre ja auch u. a. gar nieiit veiNtändlich, warum kaum zwei Beobachter einem Bilde gegenüber die gleiche Stellung einnehmen; auch wo sie sich im Vorziehen oder Verworfen begegnen, einigen sie sich nur auf ganz bescheidenem Gebiete der Gründe. Über den Ge^>chmack läßt sich nicht streiten. Und doch handelt es sich hier keineswegs um ein völlig Regelloses, das Verhalten ist deutlich bestimmt durch die Yerschiedonheit der Erfahrungswelten. Ein lyrisches Stimmongsbüd wird der niemals verstehen, dem ein adäquates Empfinden nicht durch die Seele gegangen ist. Es ist unmöglich, dem Bewohner des Hochlandes die intimen Schönheiten des Meeresstraades, dem fröh- lichen Südländer die eigenartige, den Rücken überschau emde, traaiig* schöne nordische Heidestinmiung vorzuzaubern. Ich erinnere als Beispiel an die altdeutschen Liedstäbe, die man hier und da versucht hat, auf die Nachwelt zu retten, jene Stäbe, in die hunderte rauher Kehlen einschlugen, deren Gewalt mit dem Heulen des Sturmwindes sich maß, deren Schmiegsamkeit andrerseits sich dem Säuseln des Abendwindes vergleichen ließ. Sind sie nicht zu vergleichen bald den knonigen Eichen, bald den wettererprobten Buchen des deut- schen Waldes. Vernimmt man in denselben nicht bald den Donner, wie er fem widerhallend rollt von den Waldeswiesen, das Zischen des Blitzstrahls, das Krachen der Stämme, berstend vorm brausenden Sturmwind? Man hört das Klinken und Rasseln der Speere, das Krachen der Schilde, getroffen vom Schwertfaieb, der die Loft sausend durchbeißt aber auch stilles sanftes Sausen, man spürt, der All* vater geht durch den Wald, hört flüstern und lispeln wundersame Märchen, trautes Kosen der Liebe, Keuchen und Klagen, spürt, in heiligem Schauem die Brust bewegt, tiefes Todesahnen, die letzten

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Sen&er eines dahinsterbenden Volkes: das war der Wald im deutschen Oemüte, ans dem des Sängers lied in tansend&chem Echo wider^ ballte. Aber was sagt uns die Alliteration in dem albernen »Roland der Riese am Rathans zu Bremen« u. ä. heute noch? Nichts! Es sind hihaltsleere Schallwellen|, die ihren Weg zum Ohre, nicht aber zur Innenwelt der Seele finden. Ich wollte dnrch dieses Beispiel nur be- logen, dafi die ganze, breite, dnrch Naturanlage und Umwelt bedingte Erfahrungswelt allein das Apperzeptionsmaterial ist, welches die Schöpfungen der Kunst aufzunehmen, oder besser, sie ihrem inneren Werte nach an der Hand der iufteren Zeichen nachzuschaffen vermag. Diese Yorbedin- gongen müssen erst geschaffen werden, und doch reichen sie nicht allein ans. Wie der Arzt, trotz aller Kunst, niemals ein Tollwertiges neues Glied schaffen, sondern lediglich der Natur zu Hilfe kommen, ihr seine Dienste anbieten kann, so kann die Erziehung auch nur Toihandene KrSfte fördern, ordnen, als Ursachen für ein bestimmtes Ergebnis zusammenstimmen lassen, aber nichts völlig Neues schaffen jenseits der psychophysischen Oesetzmäßigkeit Nur völlige Ver- kennung der individuellen Besonderheiten, das gleichbedeutend ist mit der Despotie der aui^zwungenen eigenen Art zu denken, zu emp- finden, zu wollen, kann zu solchem Dünkel verf&hren. Der für die Konst begeisterte Pädagoge wiU nun, in an und für sich gewiß lobenswertem Eifer, gleich ganze und gründliche Arbeit verrichten. Er versacht, dem Künstler die breiteste Gemeinde zu schaffen und hebt bei der Jugend an. So gewinnt der Künstler einen Interpreten, vor dem er Angst hat, von dem er im stillen denkt: Heinrich, mir graut vor dir. Er hat den durchaus berechtigtoa Wunsch, selber zu seiner Gemeinde zu {reden und weiß sehr wohl, daß der Weg durch das Medium des Räsonnements gefiUirlich ist, gefittizlioh schon deshalb, weil jegliche eigene beschauliche Buhe gestört wird. Diese Foicht vor dem Yerschulmeistem der künstlerischen Erzeugnisse wird, so fürchte ich, noch luiigc ein starkes Hemmnis gemeinsamer Arbeit sein und sie hat zweifelsohne ihre Berechtigung die aristo- kratische Auffassung des Künstlers und die demokratische des Pädsr gegen müssen kollidieren. Die Mittellinie greift der zu Konzessionen Geneigte drüben vieUeicbt zu hoch, hier gewiß zumeist zu tiet Wo- hin aber einmal die Geschichte unserer zeitgenössischen Kultur korri- gieren wird das theoretisch zu erwägen ist nicht Aul|gabe dieser einleitenden Zeilen.

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AoMtze

B. Versuchstechnik I. Ahrioht und Plan vorJi«g«nder Untaraoohiiiitai

Die stark aphoristisch gehaltene Einleitcmg sollte zeigen, daß ich weder mit übeigrofien Erwartungen noch mit munotiTierter Sk^sis, sondern nach Möglichkeit objektiv an die voriiegenden üntersacfanngen herangetreten bin. Nicht positiv oder negativ gefiirbte VororteilCf sondern die, wenn auch auf beschränktem Baume, gewonnenen Tat- sachen selbst sollten reden.

Meine Untersuchungen setzten sich eine doppelte Angabe. Sie wollten, auf experimentellem Wege, zunächst erkunden, ob übeihaupt ästhetische Qualitäten schon im Kindesalter auffindbar seien und dann, ob etwa eine Entwicklung, vielleicht im Sinne des Aufsteigens nachweisbar sei.

Entsprechend dieser allgemeinen Aufgabe gebot es sich, nicht ledi^^ch eine Seite, etwa nur das Bildschöne, sondern alle Formen der Kunst zu berücksichtigen, wie sie dem Kinde entgegentreten» Man wird doch wenigstens die Möglichkeit zugeben müssen, dafi das Interesse hier und da nicht gleichzeitig und innerhalb der Perioden nicht in übereinstimmendem Tempo sich entwickle. Weil aber ein derartiges Interesse, gemäß der kindlichen Natur, notwendig nicht nur ein passives bleiben kann, sondern sich zu betätigen drängt in mancherlei Spiel und Beschäftigimg, so war notwendig, auch diesen Spuren nachzugehen. Dabei war unumgänglich, daß manche Dinge berührt wurden, deren schon in mehier Abhandlung über »Kinder- ideale« Erwähnung geschehen war. Eine ein&che Wiederholung ist aber schon deshalb nicht zu besorgen, weil die Gesichtspunkte, von denen aus die Ergebnisse gewürdigt wcoiien, durchaus verschieden sind, dort allgemeiner, hier enger und bestimmter.

Dabei darf eine doppelte Sehwieiigktit^ die vorliegende Yersuchs- teohnik einschließt, nicht unerwähnt bleiben; scheint sie doch einer oberflächlichen Würdigmig geeignet, das Ergebnis nidit unwesentlich zu beeinflussen. Der Versuch nahm die Schüler wie sie sich boten. Eine stete Einwirkung im Sinne der künstlerischen Erziehung durfte nicht allseitig vorausgesetzt werden, ja, man mußte rechnen mit gegen- teiligen, nicht immer geringen Wirkungen. Manche Bildungsanstalten, die mch in den Dienst der zu behandelnden Fragen stellten, haben es an direkten Maßnahmen nicht fehlen lassen, andere haben die An*

') Ztsdir. f. päd. - psychologische Psychologie und Pathologie« hennsgeg. vob Ita». Kmun. Beilm 1908. fleft 5 u. 0.

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gelegenlieit keiner näheren Würdigun^^ luiterzoo-en. Trotzdem kann aus diesem Umstände nicht wohl ein sehworerer Einwurf hergeleitet werdiMi. Zunächst, wenn trotz dieser wenig günstigen Lagen, Spuren von Kunstverständnis irgend welchen (irades bei der Jugend nach- weisbar sind, so hat man in eigener Sache einen Beweis gebraclit, der nahezu gleichwertig ist dem, den die Ricliterspraclie die prQbatio diabolica nennt. Sehliitnmern Keime, so werden sie unter günstigen Wachstumsbedingungen sicii entfalten, ja mehr nocli, die Erziehung hat die Pflicht, an ihrem Teile mitzuhelfen bei dieser Entwicklung. Ferner muß man den Aufschwung der modernen Technik bedenken, soweit sie im Dienste der künstlerischen Darbietung, in erster Linie der massenhaften Vervielfältigung von Kunsterzeugnissen, steht. Sie ermöglicht zwar, daß Unkunst in Wort und Bild in großer Masse auf den Markt geworfen und gegen wenig Heller ihren Weg in das Volk nehmen kann aber denselben Dienst erweist sie der echten Kunst und sie macht davon reichlich Cn'brauch. Das Kind von lieute hat vielmehr Gelegenheit, mit der Kunst in BerühmDg zu kommen, als vor einigen Jahrzehnten möglich war. Ich erinnere, um nur eines zu erwähnen, an das, was die Illustrationstechnik auch in billigeren Zeitschriften leistet gegenüber dem, das man früher vor- fand. Deutlich erkennen wir das an den Anschauungsbildern, die in unsem Schulen verwendet werden, sie sind zum Teil Kunstwerke in ihrer Art. Kurz, das Kind hat reichlich Gelegenheit, zumal in dor größeren Stadt, mit Kunstschöpfungen in Berührung zu kommen.

Man könnte der zweiten Aufgabe, die es mit der Entwicklung des Kunstsinnes im jugendlichen Alter zu tun hat, gegenüber sagen, daß hier von Entwicklung nicht wohl geredet werden krume. Es wird nicht die aUmäblichr Ijitwicklung einer und derselben Kinder» gmppe über mehrere Jahre hinaus vei'folgt, sondern eine größere Anz^ibl verschiedener Klassen auf verschiedenen Altersstufen unter- sucht und verglichen. Alierdings muß mit der Zeit die vorliegende Untersuchung eine Ergänzung in jenem Sinne erfahren, daß einzelne Persönlichkeiten oder kleinere Gruppen in bestimmten Perioden dem VOTSUCh unterworfen werden, um daran zu erfoixchen, welche Wand- lungen im einzelnen zu beobachten sind. Hier aber handelt es sich um Ao^ben ganz allgemeiner Art, die ein möglichst reiches ßeob- achtungsmaterial zur Voraussetzung haben. Innerhalb dieses Kahmens, der individuelle Züge geflissentlich nicht umsclüießt, .sondern nur das AJlgemein-Charakteristi.sche, wie es die steigenden Altersstufen aufweisen, ist man allerdings berechtigt, von einer Entwicklung zu reden.

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n. Zahl und Art dar Frflflfaig«

Es wurden insp saint 1380 Kinder dem Versuch imterwurfen und zwar 99H Knaben und 384 Mädclien. Da notwendig war, die gestellten Fraj^en schriftlich zu beantworten, mußten die jüngeren Jahr^^iinge unberücksiclitigt bleiben. Die Kinder standen im durch- schnittlii'hen Alter von 9. 10, 11. 12, 13, 14 Jahren und besuchten die 9stufigen hiesigen Knahcnnütttel-, b(»zw. die 8 stufigen Knaben- Vdlkssehulen, die 8stufigen iliidchenmittel- und die 7 stufigen Mädchen- vvilkssehulen. Xatürlich mußten für die Wertung der Ergebnisse die betreffenden Alteivstufi'n korrespondiert werden. Ich erwog anfangs, ob eine Prüfung auf den drei Stufen, die die Schule gewohnt ist za unterscheiden, der Unter-, Mittel- und Oberstufe ausreichend sei. Doch zog ich den längeren Weg vor, weil ich die Hoffnung hegte, 80 möchten sich die Entwickluiigsstuleu deutlicher ausprägen.

m. der VmoqIm

riedes Kind mußte 22 Fragen beantworten, die daran ange- schlossenen Neberuiufgaben eingerechnet 32. Es waren also und dabei ist die Antwort auf die Frage: warum nicht eingerechnet

22 X 1380 30360, bezw.

32 X 1380 44160 Antworten zu bearbeiten. Eine ungemein mühevolle und zeitiaubende Arbeit. Trotzdem ist notwendig, daß sie allein durch die Hand des nc:ni>eiters geleistet wurde abgesehen von einigen mecbaiiischen Angelegenheiten im Interesse der Einheitlichkeit des Qanzen.

IV. Y«fnfihi«nordnoiig

Ich gebe nachfolgend die Aufgabe wieder, die den Schülern und Schülerinnen zur schriftlichen Erledigung gestellt wurden.

1. Welches Bild ist dir das liebste?

2. Nenne das schcinste Gebäude unserer Stadt!

3. Welche Farbe gefällt dir am besten?

') Ich will nicht unterlassen, dem Kieler Prüfungsauaschufi für Jugeod»

Schriften, speziell suinem jetzigen Voi-sitzenden, Herrn .IrvacLArs und seinem Vor- gänger üerrn Nib.sk.n für schätzenswerteste Uuterstützung meinen verbindUciistea Dank ansziuqiredien. D. V.

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4. Weiche form ssiehst du vor?

(18 8 4 ^ o, o, □,

(Bem.: Sie Vlgiiiett weiden vor der Beobaohtoog alle an die Wandtafel ge- Mjchnet, dann der Auswahl daigeboten. IMe vvngecogeiie Form wird dnrdi die darübergesetzte Ziffer gekennzeichnet, da die Namen anf den ftttheren ünterriohtB- etofen nicht bekannt sein werden.)

5. Wohin möchtest du einen Ansflng machen?

6. Welches Kleid (Anzng) wünscht du dir?

7. Nenne dein Lieblingsspiel!

8. Wie heißt dein Lieblingstier?

9. Die schönste Blnme?

10. Der schönste Yogel?

11. Nenne deine liebste Turnübung!

12. Welches Denkmal unserer Stadt ist das schönste?

13. Zeigen Ton Bildein. Ans der Sammlung von Kehr- Pfeiffer werden gezeigt die Bilder: Wandersmann und Lerche und Knabe und Vogehiest Welches Bild findest dn schöner? Warum?

14. Welches Bach hast du besonders gern?

15. Wieviele Bücher hast du gelesen? Wie heifien sie?

16. Weiches Gedicht hast du gern?

17. Magst da gern ein Gedicht hören?

18. Magst du gern ein Gedicht lernen?

19. Welches Lied singst du am liebsten?

20. Welche biblische Geschichte hast du besonders gern?

21. Yersnch mit Yort ragen von Gedichten. 1. Abseits (Storm). Wie findest du das? 2. Die Bache (Uhland). Welches von beiden ist das schönere? 3. Storch und Stier (Schneider). Welches von den dreien ^[efSUt dir am besten?

22. Rh y t Ii Iii u s. l'^s wird mit (iciii uiigi 'spitzten Bleistiftende auf den Pultdeckel geklopft. In Imu^^' kornnuMi: ' = a, - , e= b, w w = n- Tempo: Ein Metronom steht srhwerlicli zur Verfügung, daher bitte ich innezuhalten für a: Nächtlich am Busento lispein. b und c sind dem anzugleichen (natiirlich. daC) (h-r Dreiertakt den Zeitraum ausfüllt). Jeder Takt wird dreimal angeschlagen. Verglichen werden: a und b, a und c, b und c. Jedesmal wird ge- fragt: was gefällt dir am besten, das ei-sto oder das zweite Klopfen?

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192 AoMtse

T. Aoiwilil und AnordiiiiBg dar nagoii

Die Fni^jeii wurden mit Fleili so ausircwühlt, daß sie sich auf Dinge bezogen, die dureliaus innerhalb der Grenzen des kindlichen Verstehens liegen. Von den Elementen der Gestalt des Rhythmus und der einzelnen Farben stiegen sie auf zu einfachen Bildern und Gedichten, nicht weiter. Daneben hoUni dann die Fi'agen nach der Liebiingsblunie, dem IJeblingstier, dem Liebiingsgedicht usw., uameut- lich wo sie mit der ferneren Frage: warum? verknüpft wurden, weitere und oft überraschende Einblicke.

Im besonderen ist folgende Anordnung zu Grunde gelegt worden: (Bem. : Man wolle sich durch die regellose Anordnung auf dem Frage- bogen nicht täuschen lassen. Diese Umstellung geschah aus prak- tischen, d. h. versuchstechnischen Gründen.) Die erste Hauptgruppe bezieht sich auf die durch da.s Auge, die andere auf die durch das Uhr zu vermittelnde Kunst, natürlich innerhalb der Grenzen, die für die vorliegenden Untersuchungen gezogen werden mußten. Die erste Gruppe zerfallt wieder in das BUd- und Naturschöne. Auf die erste Angelegenheit l)eziehen sich die Fragen: 4. 3, 2, 12, IH, auf die zweite: 5. 8, fl. 10. Die zweite Gruppe zeiiidlt wieder in drei Unter- abteilungen, die sich sondern lassen nach den Stichworten: I. Buch, II. Gedicht. III. Lied: 1. umfaßt die Fragen: Welches Buch hast du besoudei's gern? Wieviele hast du gelesen? Wie hoißen sie? Auf 2. bezieht sich: Welches Gedicht hast ilu besonders gern? .Magst du gern ein Gedicht hören? Magst du gern ein Gedicht lernen? Allen drei Fnigen voraus geht Nr. 22. die ganz unabhängig von jeglichem poetischen Inlialt, ledigluh den Khythmus dem Vorziehen und Ver- werfen darbieten will. Dann wurden drei Gedichte vorgetragen. Ich wählto nach längerer Erwägung aus: ein Stinmiungsbild (Ab>eits), ein lebhaft-dramatisches, in dem Handlung sich schnell an Handlung fügt (Kache) und endlich ein zwar banales aber gleich ein brauch- bares mit stark ausgeprägter Situationskomik wußte ich nicht zu finden ausgezeichnetes Gedicht in der schnellen, wenngleich gesuchten Komik, in treffender, derl)er Erwiderung. Ich bemerke, daß ich mich auf die angedeuteten Rhythmen beschränkte, weil sie die populärsten zu sein scheinen, wenigstens diejenigen, die lediglich als solche, ein stärkeres Interesse bei jugendlidieii Beobachtern zu wecken Termögen.

VI. Die Frage: warum?

Durch ein Mißvei*ständnis veranlaßt ward die Frage: warum? nicht an jede der oben angeführten angefügt Trotzdem beklage icli

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T/)Bsn!N: Kind und Kunst

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das nicht ans doppeltem Onmde: 1. Ein stetes AnhSngen dieser Neben- an die Hauptfrage hätte bald ein ödes Gerede im Gefolge ge- habt, eingestreute Beispiele bewiesen das reichlich und

2. wie würde der reife Erwachsene schwer die Antwort finden, wenn es unmittelbar nach einer Beobachtung künstlerischer Erzeug- nisse darauf ankSme, die Frage: warum? emstlich zu beantworten.

3. Trotzdem gaben gerade diese Antworten ein so interessantes uid zuverlässiges Eigebnis, dafi^ wenn man eine vorläufige Erklärung dafür suchen wollte, nur die unmittelbaren, d. h. die bei Kindern durch keinen änfieren Zwang abgegebenen Urteile, als Produkt der Unbefangenheit intuitiv heraustreten. Es bleibt selbstredend nicht aos, daß banale Redensarten mit unterlaufen, doch überwiegen nicht anwesentlich Urteile, die dem Psychologen von Wert sind. Eigen- artig war, daß diese Urteile auch dort reichlich waren, wo, soweit memo Erkundigungen reichten, kein absichtlicher Einfluß im Sinne künstlerischer Erziehung stattfand, wo mithin der Kunstsinn der Gasse unverfiOscht zu Tage lag.

Wenn ich nun dazu übergehe, die Ergebnisse meiner Beob- achtungen zu zeigen, so tue ich das erneut mit der Bitte, einem Erstlingsversuch dieser Art und auf diesem Gebiete nicht mit zu hochgespannten Erwartungen zu begegnen. Man muß immer ein zweifaches bedenken: die natürlichen Grenzen des Experiments und die Eigenart des vorli^enden Gegenstandes. Es könnte die Meinung anfkommen, daß die gestellten Fragen überhaupt nicht auf dem Wege experimenteller Beobachtung, auch in der voriiegenden Form, gelöst wCTden können, daß also von vornherein eine Grenzüberschreitung stattfinde. Man könnte mit einem Scheine des Rechts darauf hin- weisen, daß das Experiment doch lediglich Elementarphänomene zum Gegenstande hat, daß es nur innerhalb dieser seinen Charakter zu wahren vermag: willkürlich zu variieren und zu vergleichen. Die experimentelie Psychologie ist in Bezug auf das »Wertgebiet indiffe- rent«. Für sie ist Seelenleben Objekt der Forschung, dem gegenüber sie keine andere Stellungnahme kennen darf, als eben die, es zu zer- gliedem und seine Phänomene in allgemeine Zusammenhänge hinein- znordnen, so wie es der Chemiker mit den Stoffen in seiner Retorte macht« >) Die Aufgaben, die die vorliegende Betrachtung sich ge- stellt haben, gehen aber auf Dinge, die unmittelbar in die Lebens- näbe hineingerückt sind. Hier wird ein unmittelbares Vorziehen und Verwerfen verlangt, ein unmittelbares Werten, eine unmittelbare

*) SnoDT, Beitrige zur Psychologie der Annage. I. 8. 11. Zaitidufft ür FUIoMphl* nii4 PlUagogik. VL Jahrgang.

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194 AafBltae

persönliche Stellungnahme, was O^netand experimenteller Fonchangeii ihrem Wesen nach nicht sein kann; denn das lloment der mathe- matischen Exaktheit kann hier nimmer gewahrt irerden. Demgegen- über ist zu erinnern an die eigenartige Form dbs Experiments^ die sich erst neuerdings von der exakten losgelöst hat Sie nennt sich »angewandte Bsjohologiec^) Entgegen dem »Bxaktheitsfanatismns« und der Lebensferne will die angewandte Psychologie: Lebensnähe. Sie ist sich wohl bewußt^ daß die Persönlichkeitftpsjchologie Asymp- tote der Wissenschaft ist und bleiben mufi, sid will aber in dem Sinne Lebensnähe^ daß sie Individnalpsychologie ist, d. h. sie stellt auf Orund umfangreichen BeobachtungsmateriaU Typen zusammen, die das Gemeinsame kleiner Gruppen in Bezug kuf GedSchtnis. An- schauung usw. enthalten. Ton diesem Gesichtspunkte aus ist aller- dings gestattet, experimentell an die Fragen, die hier erörtert werden sollen, heranzutreten. Das Werten, das Vorziehen und Yerweifen, bezieht sich auf Objekte und charakterisiert sich in dieser AuswahL Hier handelt es sich um Kunstschönoe. Soll der Kunstsinn reinlich zu Tage treten, so muß man solche Objekte zur Auswahl bieten, die ein anderes Literesse nicht, oder doch nur in geringstem Maße auf- kommen lassen: Wunsch nach Besitz, Genuß usw. Dann aber ist man wohl berechtigt, die ausgewählten Objekte nach übereinstimmen- den Gesichtspunkten zu ordnen und von da aus Schlüsse zu ziehen, die in der Richtung der gestellten Fragen liegen. (Pozte. fdgt)

Windelband über Herbart

Li WixDmAANDs Lehifouch der Geschichte der Fhiloeophie 1903, heißt es S. 466: »Bei Herbabt hat der Umstand, daß er die Dinge an sidi Reale nannte, in Verbindung mit der Tatsache, daß er aus ganz andern Gründen der KoBiv-HBaB.8ofaen Richtung Opposition machte^ zu der durchaus schiefen und irreführenden, durch alle Lehr- bücher der Geschichte der Philosophie laufenden Ausdruoksweise ge- führt, seine Lehre als Realismus und ihn im Gegensatz zu den Idee- llsten als Realisten zu bezeichnen.€ Unter Idealismus wird »die Auf- lösung der Erfahrungswelt in Bewuttseinsprozesse TerstMidenc (S. 465).

^) Ihr Weam hab^ ioh nkgaads so TortraffUch daigeetellt gefondflii. wi« in der Ailwit OUBHH«

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ütfasL: Wilkdelbftiid über HerUrt

19&

Hier wird zweierlei behauptet Erstens Hkrbart sei nicht Realist, sondern Idealist und zweitens, alle Lehrbücher der Geschichte der Philosophie hätten dies übersehen.

Haben wirklich alle Lehrbücher das übersehen? Ist keines, welches lehrt, Herbart sei Idealist? In Zellers Geschichte der deut- schen Philosophie 1873 heißt es S. 858: Daß Herbast viel tiefer im Idealismus befangen war, als er selbst wußte. Die Gründe, worauf sich Zeller beruft, sollen sogleich besprochen werden. Hier sei zu- nächst festgestellt, daß WnnmAAKD mit seiner Behauptung nicht allein steht und nicht der eiste ist

ZiLLBB bringt seine Behauptung in Zusammenhang mit seiner Ansicht vom Verlauf der Philosophie überhaupt Bekanntlich stammt Zbujbb aus Heoils Schule. Diese letztere konstruierte sich ein Schema, naoh welchem die Philosophie sich in der Geschichte entwickebi sollte und entwickelt habe. Man kennt ja die Willkür, mit der hier die philosophischen Systeme auf das Ftobrustesbett gelegt und passend for das im voraus festgestellte Schema gemacht wurden.^)

Zellsb bat sich im ganzen frei davon gemacht Allein Fetzen dieses leicht zerrissenen Spinnengewebes der apriorischen Konstruktion sind hier und da an den Fingern hängen geblieben. So meint er 8. 915, daß der Idealismus den Zustünden des deutschen Volkes zu HiBBABTs Zeit entsprach und so sei auch HnBABi selbst unwillkür- lich in den Idealismus zur&ckgefAllen oder darin geblieben.

Und worauf grOndet ZbiiBB diese seine Behauptung?

Einmal darauf daß Herbasts reale Wesen jeder Wechselwirkung anzngäng^ch seien; wenn also Hkrbabt meine^ auf solche Wechsel- iriiknng die ErUlrung der Erscheinungen zurfickführen zu können^ so irre er, die venneintliche Wecfaselwirbmg, wie alles Geschehen sei bei folgerechtem Denken unmO^ch, es sei nur m5§^di im Kopfe HiBBABn; er habe sich das so ausgedacht^ aber das sei doch eben nur etwas Gedachtes; also Eingebildetes, also Idealismus. Die ob- jektiTe Welt des Seins werde daron gar nicht betroffen.

Dieser Emwuif ist sehr oft gemacht Auch Windbaand eriiebt ihn S. 479. Da ich mehrfach darüber gehandelt habe, so weise idi nur auf einiges hin.*)

Der andere Grund wird toh WiHDiiaAim darin gefunden, dal wenn audi die Beelen der inneim Zustibide^ oder des Geschehens fittDg wiren, so könnte doch keine Beziehmig zwischen den Bealen

Vei]^ 0. MuL, IMiimiiB und MitozialiamiiB der GwdhiohtBw & 51, 67» *> Ver^ Ztsohr. 1 enUs FhiL ZTL 8. 230. ZIV. & 60.

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sfaittfinden. Denn diese Beaehnng setze auch nach Hbrbabt Toiaus, daß die Realen zusammen und wieder auseinander treten. Allein Baum und Zeit seien nach Hebbabi »nur Produkte der Reibenbildung der Toistellungen, des seelischen Mechanismus und daher für HmBiirf in fast noch stSikerem Ghsde phänomenal als bei Xant« (3. 480).

Hierauf gründet WniUELBAND seine Behauptung vom Idealismus Hkbbabts. Weicht er nun hier von allen Lehrbtlchem der Ge- schichte der Philosophie ab? Garns dasselbe liest man weiter an»- geführt bei Zblldl Ich habe a. a. 0. ausfOhriich darauf erwidert ZbiLbr yerwechselt das, was tTibhiami empirischen Baum und was er intelligiblen nennt Der empirische Baum, unsere räumliche An- schauung ist allerdings ein Produkt ron ToistellungsreUien, ein p^cfaologisches Gewebeu Diese Anschauung ist heute unter den Forschem allgemein geworden, darin sind sie alle Nachfolger Hibbasis, daS sie die Yorstellung des EztensiTen aus intensiTen Seelenzuständen erklären. Der Torgeetellte (psychische) Baum ist selbst nichts Aus- gedehntes, nichts Extensives, sondern etwas ganz in uns Einge- schlossenes, Vorgestelltes. Das vorgestellte Drneck ist selbst kein Drei- eck. Die ausgedehnten Bildchen auf der Netshaut sind nicht die vor^ gestellten räumlichen Bilder. Diese sind etwas rein Intensives in uns.

Auch die Art; wie aus der Wechselwirknng dieser intensiven unräumlichen Zustände der Seele die Yorstellung des BäumHchen entsteht durch Assoziation, Hemmung, Beproduktion der intensiven Gesichts- und Huskelempfindung ist den Hauptgedanken nach Yon HiBBART auf alle Psychologen übergegangen.

Etwas ganz anderes ist das, was Hbbbabt den intelligiblen Baum nennt, ein unbequemes Wort, was er aus seiner 2Seit und namenlüdi Ton Kamt aufgenommen hat Nadi Kamt war die inteUigible Welt 4er Dinge an sich durchaus keine eingebildete Welt Sie war ffir ihn die eigentliche Welt des Beelen, nicht der Erschemung. Aus dieser inteUigiblen Welt kommt zu uns freilich nur der eine licht- strahl, nämüdi der intelligiblen Freiheit und vielleicht noch die sinn- lichen Empfindungen nach ihrer Ursache. Das war aber nach Kamt nichts Emgebildetes, sondern etwas sehr Beales.

Wer HsBBABfs intelligiblen Baum oberflächlich auffaßt; der meint, es sei damit ein eingebildeter Baum, ein Baum in unserm Intell^ bezeichnet So ist es nicht Intelligibler Raum heißt: der Baum in- telligibilium, der Baum, in welchem sich die Beelen, die Intelligiblen bewogen. InteUigible heißen die realen Wesen; weil sie, wie jeder von den letzten Elementen, Atomen lehren muß, nicht gegeben, son- dern nur erschlossen, also intelligibel sind. Aber was erschlossen ist;

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Flüoei<: Windelband über Uerbart

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das ist nicht emgebiidet. Die intelli^iblen oder realen Wesen müssen aber als real angenommen werden, weil ohne diese Annahme unsere Vorstellung einer Außenwelt nicht erklärbar wäre. Und wiederum rduniliche Verhältnisse müssen als wirkliche reale Verhältnisse des Naher oder Ferner, der Ruhe und Bewegung unter den realen Wesen selbst angenommen werden, weil ohne diese Annahme also etwa bei völliger Kuhe der Realen, unsere Vorstellung des Räumlichen nicht möglich wäre. Wir steilen die Welt räumlich vor, weil sie selbst räumlich geordnet ist. Unser psychologischer Raum ist der Er- kenutnisgrund des intelligiblen, d, h. aus jenem schließen wir auf diesen. Der intelligiblc Baum ist der Bealgnmd des psychologischen, d. h. er bewirkt diesen.

Daß dies Herbarts Lehre ist, habe ich ausfühi lich Zelleh gegen- über^) dargetan. Zeller hat sich darin stark geirrt und andre wie Pfleidkrer, Ostermann, Windelband nehmen das gläubig hin, oder sind auch selbständig in die vielfach abgewiesenen Irrtümer vei-f allen. Andre machen aus dem intelligiblen Baum gar einer intellektuellen, idealen Raum (Schwbgler). Windelband mag sehen, daß er hier nicht ohne Vorgänger ist Zu den früher angeführten Stellen aus Herbart möge hier noch eine aus einem Briefe (Hartenstein XTII, S. 43) hinzugefügt werden: »Sie können (betreffend die Bewegung) nicht weit fehlen, wenn Sie meine Elemente als LEUKffpische Atome mit ursprünglicher Bewegung betrachten. Denn in der Tat, nicht etwa bloß in unserer Vorstellung! würden sich die Elemente in dem Baum, den ich den intelhgibh n Viloß deshalb nenne, weil er nicht für eine KANrische Form der Anschauung, sondern geradezu für den nämUchen Kaum gelten soU, den andere den wirklichen Raum nennen nach allen Richtungen bewegen, wenn nicht zwei Um- stände hinzukämen, ein begreiflicher und ein unbegi'eiflicher. Der begreifliche Umstand ist die Attraktion und Repulsion der Elemente, welche ich (als Folge der Innern Zustände) nachgewiesen habe, und von welchen keine Atomenlehre etwas weiß. Diese Attraktion mußte die im Baome vorhandenen Elemente dahin bringen, sich in Welt- körper zu verdichten. Aber die Weltkörper würden nach aller Wahr- scheinlichkeit noch immer kreuz und quer durcheinander fahren, wenn nicht ein unbegreiflicher Umstand hinzukäme die Vorsehung die wir uns durch keine transscendente Theologie verderben wollen der wir aber die Ruhe des Fixsterahimmels zuschreiben müssen. Das bedeutet ungleich mehr als alle irdische mit irdischen

*) ZtMhr. t exakte PhO. XVL a 242.

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Zelt-Begebenheiten znsammenhfingendeund saSa Umveisam ohne Grund anqgedehnte Theologie mit ihren kosmologisohen Ansprüchen. Daft vorstehendes durchaus realistisch nnd nicht im alieigeringsten ide»- listisch lautet^ werden Sie einrftnmen. Es lantet aber nicht blofi so^ sondern es ist so meine wahre nnd definitiTe Meinung. Bnden Sie^ mem yerehrter Frennd! nnn irgend etwas in meinen Sdiriften, das Ihnen idealistiscb klingt, so sden Sie fest übeEsengt^ dieser dang yeifOhrt Sie. Den einmal vorhandenen realistischen Boden dfiifsn Sie, sofern Sie mich m. verstehen wünschen, sddediteidings gar nicht mehr veilassen. Wohl aber dürfen Sie meinen intelligibien Banm als die Erikenntnis des wiridicfaen Baomes betrachten. Es wird Ihnoa an dem gehörigen Stellen schon wieder emftJleni dafi ein Banm bloBer Banm doch eigentiich nichts Wiildidies sein könne; aber diese Bemerinmg darf Sie schlechterdings nicht som Sachen nach Idealismus bei mir verleiten. Und wenn Sie irgendwo in meinen Schriften lesen: Der gesamte Eealismns werde die nnvermeidliöhe Beate des Idealismos, so darf auch dieses Sie dorchaos nicht im ge- ringsten an mir irre machen, sondern Sie sind gebeten. Sieh sogleieh an erinnem, daft bei mir den Idealismus seine innem Widtt8{irüche plataen machen. Daraus folgt was sich von selbst versteht der Idealismus l&ßt die Beute, die er verschluckte, wieder fahren; und aus seinem Bachen geht der Bealismus völlig unversehrt und nnn auf immer gesichert, wieder hervor.

Soviel ich sehe, ist es allein der idealistische Eaden, an welchem gefaßt, sich mein ganzes Gewebe unbegreiflich kraus und bunt ge- zogen hat Schneiden Sie diesen laden dreist ab. Dann wird das Ganse von selbst ^att werden, und es wird Sie bald bedflnken, Sie haben in der ganzen Geschichte der Philosophie nichts so Glattes und SSn&ohes gesehen« ....

Nach solchen Eiidftrangen ist es gewiß gewagt, zu behaupten, HiuBABs sei Idealist, der intelligible Baum sei nur ein Gebilde in uns, WmAM» habe gegen den Idealismus Figbik und Hzens »aus ganz andern Gründen Opposition gemacht«. (Wdidiiaaiid S. 468.) Aus welchen Gründen denn? Hbrbibt hat sie oft auseinander ge- setzt: Der Idealismus muß behaupten, das Ich erzeuge ans sich selbst vermöge eines absoluten Werdens die Vorstellung der Vielheit und Mannigfaltigkeit der Welt Da dies ein Widerspruch ist, muß dar Idealismus aufgegeben und angenommen weiden, daß die Seele nur in Wechselwidning mit andern realen Wesen, mit einem Nicht-Ioh ihre Voistellangen erzeugt Damit ist der Idealismus widerlegt und der Bealismus begründet, wie es HiBBABf oben so drastisoh schildert

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ItQan: Wind^Ilaiid ttlwr Heriiui

T

T

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Warum nach andern Gründen suchen? Wixdelband spricht hier von »Xei^ng«. Das ist für einen Denker, wie Herbaht war, eine schwere Beschuldigung, wenn ea heißen soll: grundlose Willkür. »Herbakts Neigung zur früheren Philosophie besteht nun gerade darin, daß er die schöpferische Spontaneität des Bewußtseins leugnet und das Denken in dem Sinne wie die Assoziationpsychologen nach Form und Inhalt von außen bestimmt und abhängig findet« (S. 478). Hier hat nicht eine Neigung zur frühem Philosophie statt, sondern die Einsicht in die Widersprüche, die in dem Begriff einer schöpferischen Spontaneität im Sinne eines ursachlosen, absoiuteu Werdens liegen und also verworfen werden müssen.

Schon dies hätte Windki.haxi) bedenklich machen sollen, dem intelligiblen Raum IIkrüakt ideulistiscli zu deuten. Ich selber habe versucht^ den intelligiblen Raum anders als Herbart zu deuten, näm- lich so, daß die Verhältnisse unter den Realen nicht selbst räumlicher Alt sind, sondern reine intensive Verhältnisse nach Art unserer Vor- stellungsreihen. Ich habe jedoch auch die Schwierigkeiten dabei her^'orgehoben und daß man dabei nicht weit kommt ^) Allein auch 80 gedeutet wird der Realismus nicht angetastet. Es muß immer eine Mehrheit realer, vom Ich völlig unai)hängiger Wesen ange- nommen werden, die in bestimmten vielleicht nicht näher be- stimmbaren — Verhältnissen stehen.

Noch ein Wort über das, was Herbart oben über den unbegreif- lichen Umstand, die Voi"schung sagt. Wj.\delba>1) meint: da der intelligible Raum nur unser (Jedankenbild ist, so besteht er nicht für die Realen selbst. Nun sollen sie aber doch nach Hf.riku{t in Beziehung treten, wie können sie diis, wenn es für sie keinen Kaum, kein nahe noch ferne, keine Bewegung gibt? Auf die falsch ge- stellte — l^Vage lautet nach Windelband die Antwort S. 480: >ln diese Lücke der Metaphysik hat Herrart seine Religionsphilusopliie geschoben: denn da es keine P'rkenntnis des realen (iruiules der Beziehungen zwischen den Realen gibt, aus denen die Ei-scheinungs- wclt hervorgeht, so erlaubt der Eindruck der Zweckmäßigkeit, welchen der letztere macht, in theoretisch unanfechtbarer Weise an eine höchste Intelligenz als den Grund dieser JJeziehungen zu glauben eine sehr blasse Erneuerung des alten physiko-theologisclien Be- weises.« Ohne Seitenhieb geht es auch bei dieser ganz falschen Dar- stellung nicht ab. Schon aus den oben angeführten W^orten Herbarts geht hervor, daß nicht das Geschebea im allgemeinen die Annahme

FroUeme der Fhiloaopliie nod ihre Lösangen. Nr. 56.

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Aufsätse

eines Scluipfers nötig macht. Da reicht die Voraussetzung ursprüng- lich sich bewegender, zufällig ausammentroffender Realen hin. Dabei können Geschehen, Anziehung und Abstoßung und innere Zustände nicht ausbleiben. Aber daraus würde eine ganz andere Welt folf^en, als sie uns gegeben ist, nämlich ohne zweckmäßige, also auch ohne Olganische Formen. Nicht daß etwas geschieht, erfordert den Glauben an den Schöpfer, sondern wie es geschieht, daß es geradeso ge- schieht, wie es uns gegeben ist als eine geordnete, zweckniäßi<^ ge- bildete Welt Hat man diese Überzeugung gewonnen an der Hand der Organismen, so hindert nichts anzunehmen, daß auch die un- organische Welt sich unter Gottes Leitung gebildet hat, aber eine Notwendigkeit dieser Annalime, den Schöpfer zu einem Lückenbüßer für das Geschehen im allgemeinen in ITkubarts Metaphj-sik zu machen, liegt nicht vor. Das ist nur ein Lückenbüßer in Windel- bands falscher Ansicht, als seien Beziehungen zwischen den Bealen unmöglich.

Es wird nun noch ein Grund für Herbarts Idealismus angeführt: »Nimmt man hinzu, daß auch das ,Seiu^ der Kealen oder absoluten Qualitäten von Herbast als ,ab8olute Position* d. h. als eine Setzung definiert wird, bei der es sein Bewenden haben und die nicht zurück genommen werden soll, so eröffnet sich die Perspektive auf einen absoluten Idealismus« (S. 480).

Ob Yerfasser auch hier meint von »allen Lehrbüchemc abzu- weichen? Dieses Mißverständnis des Wortes Position oder Setzung ist unter den G^em Hbkbabis sehr gemein, um nicht zu sagen all- gemein« Es ist auch erklärlich bei jemand, dem der philosophische Sprachgebrauch namentlich bei Kam* nicht geläufig ist, denn diesen Ausdruck hat Herbabt von Kaot att%6nommen und beibehalten. Aber verwunderlich ist es, wenn man diese falsche Deutung auch bei Ünnt- WKO, Grundriß 1883, S. 373 liest Hier heißt es: »Herbart zieht das Setzen des Seins in den Begriff des Seins hinein. . . . Das Sein an sich hat aber in der Tat mit unsem Positionen nichts zu schaffen. Es ist gerade das von unserem Setzen Unabhängige. Nicht das Sein, sondern unser Denken des Seins ist Position und was außerhalb des Bereichs unserer Position liegt, liegt darum noch keineswegs außer- halb des Bereichs der Wirklichkeit«

Was hier als beabsichtigte Entgegnung gegen Hebbabt gesagt ist von der CTnabhängigkeit des Seins vom Denken, ist eben genau Hssbabts Meinung selbst, aber dem unabhängigen Sein tut es doch keinen Eintrag, wenn es gedacht wird. Das Seiende ist, mag es ge- dacht werden oder nicht; wenn man davon redete muß man den Be-

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Flügel: Windelband über Herbart

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griff doch denken, allein das Gedacht-werdcn ist docli nicht das Soin, noch tut es dem vSeiii Abbruch. Das sollte sich von selbst verstellen. HiRBABT fiiirt zur Erliiuterunp^ hinzu: »Setzen, ponere, heißt bejahend denken. JJiese Bemerkung ist durch Klai,^en über die vor^^el)liche FiCHTESche Spmchverwirrung nötipr j:e\sunleii, ()b<;leieh man von jeher gewußt hat, was das heißt: ich .setze den Fall.i) Setzen lieißt hier nicht machen, sondern voraussetzen, djts .Seiende als Unabhangi/.^es anerkennen. Übriirens gebraucht lh:Bi5.viiT die Worte Positioa imd absolute Position ganz im Sinne Kants.

Es wäre noch zu bemerken, daß Windei jjand auch die falsche Ansicht Zki lers über PIuruahts Lehre von den zufüiiigeii Ansichten anzunehmen und idealistisch zu deuten scheint.

Kann man nun sagen, daß Windelband, der seine ileinung von Herb.vrts Idealismus auf zwei soviel gel)rauchte Lehrbücher wie Zk!,i,kr und Überweg (ich könnte nocli Schweglers Abriß nennen, der Herbarts intelligiblen Raum zu einem intellektuellen, idealen macht) gründet, oder milder ausgedrückt, mit ihnen übereinstimmt: kann man sauren, daß er in dieser Hinsicht von allen Lehrbüchern abweicht und ihm diese ^[ißvei'ständnisse allein eigen sind?^)

Hinsichtlich der Psychologie teilt er gieichtalls mit vielen andern gewisse Irrtümer. So wird abermals wiederholt, djiß die St'ele nach Herhart »lediglich den inditferenten I5*)den« für die Voi*stel hingen abgebe (S. 480), als sei die Seele unbeteiligt an dem, was sie tnt, die (loch ganz wie sie ist, sich in ihren Zustünden betätigt. ')

Fenier wird bei den Vorstellungen deren Klarheir mit ihrer Intensität verwechselt, üie Intensität oder wie es Vei-fasser auch nennt, die Stärke verliert nichts durch die Hemmung. Es ist durch- aus nicht so, wie S. 4S0 berichtet wird. Durch die Spannung ver- hören die Vorstellungen an Intensität, und am Grade der Intensität hän^'^t ihr Bewußtsein.« So ist es nicht, üie (Qualität und Intensität >iiid unveränderlich und eben weil diese sich erhält gegen andere ent- gogengesetzte Vorstellungen , aber auch die entgegengesetzten sich erhalten, muß sich die Klarheit ändern. Ein Teil der aktuellen Energie oder Intensität muß potentiell werden, oder latent, so jedoch,

') Bei Kbhrbach TU. S. 208, bei Hartenstein IV. 8. 581.

*) Ztschr. für exakte Philos. XVI. S. 'J45. Ein Beispiel, wie Worte ÜERD.vnTa laläch angeführt und von einem Berichterstatter uiibesekens auf andere übergehen, «. diese Zeitschrift. IV. 1897. 8. 142.

*) WcnmiBAifD wiedofholt hier anoh sein alnpreehandes Urteil ftber Hxbbasis Niterphilosophie. Vei^gl. daza diese Zeitschrift 1901. 8. 476.

«) VeigL dieee Zeitsohiift 1904. & 359.

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AniBätie

daß bei jeder Vorstellung die Summe ihrer aktuellen und potentiellen Tätigkeit eine konstante Größe bildet, also die Stärke, die Intensität unverändert beharrt. Es gilt hier das Gesetz von der Erhaltung, der Energie in vollem Maße. Nur die ungebundene, aktuelle freie Wirksamkeit ist Klarheit oder im Bevs^ußtsein, aber was unter der Schwelle, was gebunden ist, ist nicht verschwunden, ist nicht ver- loren, ist auch noch Tätigkeit, die wider andere Vorsteilungen an- strebt, ein Streben vorzustellen.

Wer dem nachdenken will, wird sich sofort überzeugen, daß eine Verwechslung von Intensität und Klarheit jedes Verständnis der GrundbcLTiifft^ der Psychologie Herbarts völlig ausschließt. In dieser Lage befindet sich der Verfasser und in diese Lage versetzt er seine Leser.

Ferner hat er einen Satz aufgenommen, der sich auch in sehr vielen Lehrbüchern der Geschichte der Philosophie findet, nämlich: »Vergleiche über die willkürliche axiomatischc Annahme und die Verfehltheit des ganzen psychologischen Kalkids A. Lange, Die Grund- legung der mathematischen Psychologie 1S65« (S. 481). Höchst- wahrscheinlich nimmt dies ein Lehrbuch unbesehens vom andern auf; ich glaube kaum, daß das oft angeführte Schiiftchen Langes von vielen gelesen oder gar durchdacht ist. Jedenfalls ist ihnen un- bekannt geblieben, daß alle die Einwände Langes der Reihe nach von C. S. Cornelius widerlegt und als grobe Mißverständnisse aul- gedeckt sind.i)

Überblickt man diese Weiterüberiiefernng der so oft aufgehellten Mißverständnisse der theoretischen Philosophie Herbarts, so wird man sagen, daß Winoklbam» iranz und gar, wenn nicht allen, so doch sehr vielen Lehrbüchern der Geschichte der Philosophie gefolgt ist, deren Darstellung er selbst als eine schiefe und irreführende be- zeichnet

Noch viel kürzer als die theoretische kommt Herbarts praktische

Philosophie zur Darstellung. ,

Auf 20 Zeilen wird ül)er Herbarts Ästhetik, Ethik und Staats- lehre berichtet und geurtcMlt Auffallend dabei ist der Ausdruck: Die Geschmacksurteile beziehen sich auf die Verhältnisse des »Seienden« (S. 495). Was ist hier als das Seiende gemeint? Herbakt versteht unter dem Seienden nicht das Wirkliche, sondern was dem Wirklichen zu Grunde liegt. Das Seiende hat nach Herbart keine ästhetischen Verhältnisse. Gleich darauf heißt es: Die Geschmacks-

*) In dei Zeitsohiift üu exakte Philoe. VL & 323.

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FlOoh.: ITindelbADd ftber Heiiwii

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urteile ergehen über Yerliiltiiisse des menschlichen Willena Das ist richtig. Aber den Willen rechnet ffwmitp* nicht so. dem Seienden, sondern zu dem Geschehenden.

Verfasser yerspricht im Vorwort^ eine Geschichte der Probleme und Be^iffo zu geben und zwar seine Aufgabe nicht durch eine begriffliche Konstruktion^ sondern nur durch eine aUseitige, Yorurteüs- loee Durchforschung der Tatsachen zu lösen.

Von diesen Yersprechungen ist hinsichtlich der Darstellung HiBBABis nichts gehalten. Und man übersehe nicht, das ganse Bocii ist in erster Linie für Ani&nger geschrieben, für solche^ lÜe nicht in die Geschichte der Philosophen oder des Kultureinflnsses der Philo- sophie einsuftthren sind, sondern »in die Geschichte der Probleme und der sa ihrer Lösung emugten Begriffe,« denn darin stimmt er mit Herb ART überein, man dfiife über dem Historischen nicht das Philosophische oder wie Hboabt sagt über der Geschichte nicht yer^ geesen, wessen Geschichte sie ist

Was wird nun ein Anfibiger daraus über Hrrbabt lernen!

Jedenfalls wird niemand durch den Yeifasser in HnmAim Ge- danken und Probl«ne eingeftthrt Wihdblband rühmt dnmal Hbbbabtb historische Fehafflhligkeit für das metaphysisohe Motiv der platonischen Ideenlehre (S. 478). Diese Feinffihligkeit für Hibbasts Motire des Denkens geht dem Terfasser ab. Er yersteht nichts wenigstens weifi er die treibende Kraft nicht zu würdigen, durch die HimiBT yon den Widersprüchen der Erfahrung zur Ketaphysik gediftngt wurde. Was zur Zeit Hbbbabis und heute noch mandiem paradox klingt, daß nfimüch die Eifshrung d. h. die anftngUche Aufiassung der Natur widenprechend sei und cur Lösung derselben eine metaphysische Arbeit au^be, das versteht steh heute unter Forschem von selbst >TJnser ganzes p^chisches Leben, sagt z. B. Mach, so insbesondere das wissenschaftliche besteht in euier fortwfthrenden Korrektur unserer Tontellungen.« *) Warum bedürfen sie einer Korrektur? Weil sie widersprechend sind teils in sich, teils mit anerkannten Wahrheiten. Wiren sie nicht widersprechend, so brauchten sie nicht korrigiert zu werden. Wie lange müssen sie korrigiert werden? Bis sie wider- spruchsfrei sind. Hier hat man den Schlüssel zu Hibbabx8 Meta- idiysik. Aber davon findet man bei Wtkdeuujid nichts.

') Sonst nennt Windelband Hkbrabt »wenig histoiisch veranlagte. Yei^ data diese Zeitechrift 1904. S. 468.

*) Ihnlieh Hhjoolb, Hm o. a. 8. 0. liflraL, Die Bedaataag der UMa- phlA HeilNfftB für die Gegenwart 8. S.

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204

Im übrioren bin uh sthr einv^ r-tainieu mit der Aufirabc, die sich WiNDKi.BAM) für die Abfassuu^: diov- -^'Mnes L^i-lirbuchs der Ge- schichte der Phil<i«»phi<' p stellt hat, nämlich in »die Geschichte der Probleme und der zu ihrer L«)>unp^ erzeujrten Beirriffe« einzuführen. Das ist fast wörtlich die Aufpibe. die ich mir vor fast 30 Jahren gestellt habe in der Schrift: Die Probleme der Philosophie und ihre Lösuugea hiätonsch- kritisch, wovon jetzt die 4. Auflage er- scheint

H. St. Cliamberlains Vorstellungen über die Religion der Semiten spez. der Israeliten

Von

Pxofessor D. Baentach - Jena (FortBetnog)

in.

In der Prüfung; der \vcit»'n'n ^^l^\v^u•fc, die Chamberlain ^i^egren die Kcligi<»n d<'r Semiten und im verstärkten Maßstabe gegen die der Israeliten und dt r -Juden erhebt, folp-n wir am besten der Reihen- folgc, in der wir im I. Teil»" dicker Studie diese Vorwürfe dem Leser Vor Aup n geführt iial»("ii. l)anach liat Chamberlain dieser Religion V(»r allem vorzuwerfen, dal] >ie nur praktische d. h. aber nach ihm wesentlich materielle und egoistische /wecke verfolge, durch- aus keine ideale. Denselben Vorwurf kleidet er S. -401 in die Worte: Die Religion ei-sciieint gewissermaßen nicht als um ihrer selbst willen da, sondern als ein Mittel, als eine Handhabe, um das Gebiet des durch den Willen zu Erreichenden möglichst er- weitern zu kr»nnen.<c Man bedenke, was das bedeutet! Der Semit, und was von diesem g^ilt^ gilt ja vom Israeliten und Juden in noch vei-stärktem Maße, besäße danach also nur eine durch und durch interessierte, selbstsüchtige, egoistische Religiositiit. Kr wiire nicht religi'is aus dem iiineisteii Redüi-fnisse seines Gemütes heraus, sondern imnur nur aus JJerechnung, aus praktischem Sinn. Nicht die be- se'ligende ( iemeinschaft der Seele mit Gott wäre e.s, wa.s er am letzten Ende in seiner Religion suchte, sondern immer nur materiellen Vor- teil und greifbaren (iewinn, sei es nun, daß seine Religion ihm die Khifte geben soll, dic er braucht, um seinen Willen überall durch- zusetzen, sei es. daß er, auf Belohnung s(»in»'r Frömmigkeit speku- lierend, die Religion als Mittel zur Siclieistellung seines Wohlergehens im diu^ssuitigeu und (so wenigstens in der jüngsten Zeit) auch in

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Babitcoh: H. 8t Chamberlains VoisteUaDgen aber die fieligioii naw. 205

einem jenseitigeii Leben benutet W&re das alles richtig, gSbe es wiridich gar nichts darüber hinaus, so würe freilich die semitische mid speziell die israelitische und jüdische Religion eine der minder- wertigsten Erscheinungen auf dem weiten Gebiete des religiösen Lebens der Menschheit, und man begriffe in der Tat nicht, wie man jemals von dieser Religion soviel Aufhebens hat machen kömuean. Han begriffe vor allem nicht, wie die antike Welt im Zeitalter des H^enismiis dazu gekommen wäre, einer so rohen Religion, wie es namentlich die jüdische sein müflte, einen so großen Einfluß auf ihr eigenes religisräs Leben zu yerstatten.

Aber es handelt sich bei diesem Yorwuife doch wohl nur um eine der bei Chamberlain so hfiufig begegnenden allgemeinen Be- hauptungen, mit Bezug auf die er Tielleicht selbst voraussetzt, daß der Leser die nötige Einschränkung wie er selbst einmal bei anderer Gelegenheit sagt gleichsam automatisch vollzieht Denn jedenfidls ist der Yorwuif nur zum Teil berechtigt, und, wie ich {jleich hervorheben möchte, hier nicht mehr berechtigt, als er schließ- Uch auch gegenüber allen anderen Religionen bis zu einem gewissen Oiade berechtigt wftre. Wirklich getroffen wird von ihm, soweit es die alttestamenüiche Religion angeht, im Grunde doch nur die natio- nale Yolksreligion, in der allerdings, wie man es bei einer Tolks^ retigion anch gar nicht anders erwarten kann, die materiellen Inter- essen des Yolkee eine sehr bedeutende Rolle spielen. Getroffen wird weiter die aus priesterlichem Geiste herausgeborene Gesetzes- religion, zum Teil schon die des Deuteronomiums, vor aUem aber die des nachexilischen Judentums mit ihrem ausgeprägten Werk- heUigkeits-Standpunkte und dem für sie so charakteristischen Lohn- nnd Yerdienstbcgiift Getroffen wird endlich jene utilitaristische Frömmigkeit und Moral, wie sie sich vielfach in der Spruchdichtung, in den Froverbien und Jesus Sirach geltend macht >) Und selbst hier ist der Yorwuif, daß die Religion durchaus keine idealen Zwecke

') Man hüte sich ührigens, uberall, wo von Lohn die Rede ist, Sjjuren einer mindenve rügen Frönimif;keit scljen zu wollen. Hs ist immer zu uMtersi heideo, ob die Aussicht aui Lohn als da» eigentliche Motiv der Frönunigkeit gilt, uder ob der l/dmiedaoke nur nebenherlioft und eigentlich nur dem Olaaben an eioe sittliohe Weltoidiraog Aosdniok gibt Sb wiie z. B. verkehrt, ans dem Wortlaute des 4. Ge- botes folgern zu wollen, daß der Xsnelit in der Hochachtung der eltorlichon AutoritSt nur ein Mittel gesehen habe, um sich ein lanj-es nti l glückliches LebiMi im T>ande zu sichern. AVenn irgend ein (icbüt, ■^'> la^ .i.. st.> c, Imt der pieta-s dem Israeliten sozusagen im Blute, d. h. es hatte für liiii eiuu absolute Bedeutung. Durch die augefügte YerheiBnng soll nnr die hohe Bedeutung, die das Gebot für ihn hatte, gebährend herroigehoben werden, et Ephes. 6, 2,

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Aufsätze

verfolge, viel zu weitgehend. Denn, um nur dieseii einen Punkt hier herauszuheben, heißt es nicht Verfolgung eines hochidealen Zweckes, wenn die alte Yolksreligion 8ioh>zar Hüterin der Rechtsordnung aof- wirft und den Geist nicht nur der weltlichen Gerechtigkeit, sondern auch der Billigkeit, der freundlichen Rücksichtnahme oof den ^virt• schaftlich Schwachen, der Milde und Barmherzigkeit gegen Unter- drückte, Witwen, Waisen, Fremdlinfi:e imd Notleidende aller» Art in die Praxis einzuführen sndit? Wo aber bleibt für Chamberiain und mit dieser Frage setet unser Hauptvorwurf gegen ihn ein die prophetische Strömung der Religion Israels, wo die mancheiiei Äußerungen einer wahrhaft hohen, durch und durch selbstlosen, rein menschlich anmutenden, individuellen Fiömmigkeit» wie wir sie gerade aus den Kreisen der nachexilischen Frommen vernehmen? Oder stellen etwa die großen Propheten des achten Jahrhunderts die Religion in den Dienst praktisch-egoistischei- Interessen, wenn sie im Namen dieser Religion dem eigenen Volke den Untergang ankündigen, weil es sich gegen den Geist dieser Religion versündigt hat? Gilt ihnen tlie Religion jemals als Mittel zur Erreichung irdischer, politi- scher Ziele, oder ist sie ihnen nicht vielmehr Sache ihres innersten Herzens, ihres unbestechlichen Gewissens, eine Sache, um derent^vlDcu sie Gut und Veimögen, Stellung, Freiheit und Leben mutig in die Schanze sclilagen? Sagen sie ihren Zeitgenossen auch nur einmal: »ihr mtLßt Jahves Gebote halten, dieweil das Halten dieser Gebote eine sehr nützliche Sache ist«, oder haben die religiös-sittlichen Forde- rungen ihres Gottes für sie nicht eine durchaus absolute Geltung? (Veigl. z. B. Am. 5, 15, Mich. 6, 8,) Und wenn die Propheten aus ihrer Religion Kräfte geschöpft haben auch für ihre irdischen Kampfe und Nöte, ist ihnen deshalb ihre Religion etwa nur eine Handhabe ge- wesen, um sich in der Welt zu behaupten? Hätte sie ihnen diese Krfifte überhaupt spenden können, wenn sie nicht zuvor ihnen warn ümeren Erlebnis geworden, wenn sie, um mit Chamberiain zu leden, für sie nicht um ihrer selbst willen dagewesen wäre?

Und neben den Äußerungen prophetischer Frömmigkeit eteUe man sich jLufierungen individueller Frömmigkeit vor Augen, wie sie z. R in Fä. 73 enthalten sind. Der Dichter dieses PSahns freut sich der inneren Gemeinschaft mit seinem Gotte, auch wenn ihm Leib und Seele vezschmachten. Er fragt nichts nach dem Himmel und fragt nichts nach der Erde, wenn er nur Gott seinen Teil und seinen Freund nennen dazl Sind das nun etwa nur fromme Bedensarten? Oder steht der Dichter dieses Fäalms etwa nur gans vereinaelt da? Aber er ist doch nur einer ans der großen Schar von Zeugen

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Babhxboh: H. Sc Ghamtwiiaios YonteUuogon über die BeUgkni vsw. 207

lebendigster Erömiiugkeit, deren Seele nach dem lebendigen Gott schreit und dfizstet (Fä. 42), oder deren Hen ganz wunschlos und stille ge- worden ist in ihrem Oott, wie ein entwöhntes Kind, das die Matter Ton ihrer Brust abgesetzt hat (Fs. 131)? Es ist wahr, wir besitzen solche Eigässe reinster, im tie&ten Herzen wurzehider Frömmigkeit nur ans ezilischer und nachexilischer Zeit Sie zeigen uns dann eben, daß gerade auch auf dem Boden der von Ghamberiain so tief gewerteten jüdischen Frömmigkeit echteste Beligiositftt hat gedeihen kömien. Wir dtkifen aber getrost annehmen, daß eine soldie innere liehe Frömmigkeit auch schon in der filtesten Zeit vorhanden gewesen ist Denn das Mensdienherz und auch der Semit hat ein solches hat zu allen Zeiten dieselben Bedürfnisse, wenn vielleicht auch eine verschiedene Art, sich zu äußern. Man denke doch ja nicht etwa, daß der Jahve der alten Tolksreligion bloß ein nationaler Götze gewesen ist Für die religiösen Gemüter hat sich mit diesem Jahve schon immer die Ahnung von einem höchsten, allmächtigen göttlichen Wesen verbunden, und dem Herzen eines aufrichtigen Gottsuchers hat das Göttliche auch in der Gestalt des alten nationalen Jahve, wenn natariich auch unter mancher Verhüllung und Beschränkung, nahe kommen können. Daß wir so wenig Zeugnisse individueller Frömmig- keit aus alter Zeit besitzen,^) erklärt sich daraus, daß wir aus der fiteren Zeit eben nur Urkunden der nationalen Religion besitzen, in denen sich alles um das Volk und seüie Interessen dreht, und Indi- viduen nur insoweit zur Geltung kommen, als ihr Leben mit dem nationalen Leben verflochten ist

Nicht übergehen dürfen wir schließlich in diesem Zusammen- hange das Buch Hieb, das sich in seinem Prologe spez. mit der Ihigs^ ob es euie uninteressierte Frömmigkeit auf Erden gebe, be- schäftigt Der Dichter bejaht diese Frage, indem er uns in Hiob^ der auch unter den schlimmsten Schickungen und herbsten Verlusten, die ihm jeden Glauben an irgend welchen materiellen Nutzen der Römmigkeit ranben müssen, an seinem Gotte festhält, das Beispiel emer solchen Frömmigkeit vor Augen fOhrt An ihrer Möglichkeit zu zweifeln, bleibt nur dem Satan vorbehalten. Damit ist also jener Standpunkt, dem die Frömmigkeit nicht um ihrer selbst willen da ist, scmdem nur als Mittel zur Erreichung praktisoher Zwecke be-

*) Mau könnte hier allerdings an die Patriarchengesch iohten der Genesis er- iimera, vor ailem an die Abrabam-Oesohiohten. Bei dem iompliziertea Charakter dimr OssMtm glanbea wir aber von einer Yenrertniig denelbai an dieser Stelle tMen so mAMn.

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AufBütze

greifiich ist, geradezu als satanisch gekennzeichnet Kann es denn eine schärfere yenuteüung jenes trivialen, ntUitaristischen Standpunktes geben? Und daif es denn flbeisehen werden, daß gerade Ton israelitischein Boden aus jener von Chamberlain für spezifisch semitisch oder israelitisch-jadiseh ausgegebene Standpunkt die denk- bar schfiifste VerurteUung erfitturt?

Nun ist ja zwar das geben wir bereitwilligst zu diese höhere innerliche FMänmigkeit in Israel und im Judentum nicht zur allge- meinen Herrschaft gekommen; sie findet sich in welcher Religion würe das aber anders? immer nur bei großen Persönlichkeiten, die über den Durchschnitt weit hinausragen. Aber gibt uns das denn ein Recht, von ihren Äußerungen bei einer Beurteilung der israelitischen und jüdischen Religion ganz abzusehen? Sollen wir diese Religion denn immer nur nach dem Durchschnitt und nach ilam minderwertigsten, oft genug brutalen Äußerungen beurteilen und ihre schönsten, reinsten und edelsten BlCLten ganz außer acht lassen? Das kann Chamberlain von uns um so weniger verlangen, als er selbst die nichtsemitischen Religionen, die er zu den semi- tischen in einen Gegensatz stellt, immer nur nach ihren höchsten und reinsten Äußerungen beurteilt Oder meint Chamberlain etwa gar, daß es sich bei dieser höheren Religiosität gar nicht um Äuße- rungen des israelitischen Geistee, sondern um arische Infiltrationen handle? Wir filhlen uns nicht im stände, seine Rassenmischungs- theorie in alle ihre Einzelheiten hinein nachzuprüfen und zu be- urteilen, weshalb wir es last ängstiich vermeiden, zu ihr Stellung zu nehmen. Wir müßten aber gestehen, daß sie uns in dem Augen- blick im höchsten Grade gefiUurdet erscheint, in dem er den emst- lichen Tersuch machen sollte, sie als Handhabe zu benutzen, um alles Edlere und Höhere innerhalb der Religion Israels und des Juden- tums als. etwas dem semitischen Geiste total Fremdes aus ihr aus- zuscheiden.

Doch ehe wir von diesem Punkte scheiden, noch eine Rige. Wird denn von dem Vorwurfe, den Chamberlain speziell gegen die Religion der Semiten und hier wieder insbesondre gegen die der Israeliten und Juden erhebt, nicht jede Religion ohne Ausnahme mehr oder weniger getroffen? Denn wo vrir nur immer eine Religion auf Erden antreffen, da sucht der Mensch in ihr nicht etwa ausschließ- lich und in erster Linie BeMedigung seines spekulativen Bedürf- nisses, das seinen ahnenden Geist in weite dänmiemde Femen zieht sondern einen festen sichern Halt für sein irdisches Leben, da will er aus ihr Kraft und immer wieder Kraft schöpfen für die Kämpfe

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Baextscu: H. St Chainberlains Voretellungen über die Religion usw. 209

mit den Widcrwärtipkeifen und XiHen, die das Leben ihm aufzwingt. Ja ist OS im dniiide niclit der Trieb des ^lenseliPii nacli Sell)st- beliauptiing pep n über den ihn umgebenden und sein Leben beendenden Mächten gewesen, die die Religion, unbeschadet ilirer metaphysischen Omndlage, zum Ereignis iiat worden lassen? Warum also speziell der ßclifrion der Semiten zum Vorwurfe machen, wa.s sich In allen Religionen findet? Ich fürchte sehr, daß. wenn Chamberlain seinen Maßstab für das, was er Religion nenut^ mit derselben Konsequenz und Unerbittlichkeit an die übrigen Religionen anlegen wollte, wie er ihn an die Religion der Semiten angelegt hat, er sein Urteil über jene bedeutend heralistimmen müßte. Und wenn sich innerhalb der israelitischen Religion der materiell-egoistische Zug vielfach stark . geltend macht, steht es denn in jülen übrigen Religionen damit so sehr viel besser? Die breite Masse ist überall religiös aus Sitte und Herkommen und zugleich aus Berechnung. Selbst die homerischen Helden rechnen ihren Göttern die Hekatomben vor, die sie ihnen dargebracht haben, und han-en des wohlverdienten Lohns. Der arische hider envartet so gut wie der Semit für sein Opfer die Gegengabe des Gottes, dem der es daigebracht, und daß auch hier die Erwartung mh oft genug in recht drastische Formen kleiden kann, mag man bei Oldbmbiro, die Religion des Veda S. 308 ff. nachlesen. Und daß sich der von Chamberlain so hoch eingeschätzte Fetischanbetcr durch fidne tiefsinnigen Spekulationen, die er mit seinem Fetisch ver- knöpfen soll, jedenfalls nicht abhalten l&ßt, seinen Fetisch zu prügeln oder ihn wegzuwerfen, wenn er ihm nicht recht zu willen ist, ist zu bekannt, als daß darüber auch nur noch ein Woi't zu verlieren wäre« Nicht minder bedürfen Chamberlains Anschauungen über die semitische und speziell israelitische Gotte s Vorstellung (s. ob. S. 22. bis 24) der Einschränkung und Korrektur. Zwar in dem, wa.s er fiber die Gottesbilder sagt, findet sich manche gute und feine Be- merkung. Es ist richtig, daß das Volk seinen Gott mit dem Bilde, das es sich von ihm gemacht hat, oft geradezu identifiziert, und daß auch die Bestreitcr des Bilderdienstes sich im Gninde nicht von der Vorstellung haben loslösen können , daß ein Gottesbild unter allen Umständen ein verabscheu ungswttrdiges Götzenbild sei, dem man den Krieg erklären müsse. Zu der geistigen Höhe, ein Gottesbild unter dem Gesichtspunkte eines Kunstwerkes zu betrachten, haben sie sich in der Tat nicht empoi-sehwingen können. Und wenn .Männer wie Denterojesaias und (h'r Verfasser von Deut 4, 15 wohl auch nicht gerade eine (vom Boden gemeinsemitischer Vorstellungsweise aas an

ZaitMblft fOr Fhfkwflii» and Pldi«ogik. 12. Jabignff. 14

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dch b^feÜiiclie) abergläubische Scheu vor Gottcsbildem batton dagegen spricht bei einem Manne wie Beuterojesaias die überlcfrene Ironie, mit der er sich gelegentlich über die Götzenbilder äußert, cf. Jes. 44. 12—20 so kommen sie doch über das jede ästliotische und kimstlerischo Denkungsweise im Keim erstickende theologische Bedenken nicht hinweg, daß die Überweltlichkeit des unsichtbaren Gottes sich nicht mit einer auch nur etwa symbolisch gemeinten Darstellung dieses Gottes im Bildwerk vertrage. Jeder Versuch, Gott darzustellen, gilt ihnen als Antastung dos übenveltlichen Charakters der Gottheit, als oiu Herabziehen dorsoll)on in die niedere materielle Welt, von der die Gottheit für semitisches Denken nun einmal durch eine tiefe Kluft getrennt ist Mögen wir nun auch die Energie, mit der solche prophetischen Männer die schlechthinnige Geistigkeit und Lnniaterialitat ihres Gottes botonen, bewundem und schätzen, denn es handelt sich hier ja in der Tat um eine höchst wichtige theologische Einsicht und eine kerngesunde Äußerung religiösen Empfindens, so müssen wir doch Chamberlain zugestehen, daß diese ganze Betrachtongs- weise in ihrer Rigorosität und ihrer ertötenden Wirkung auf isthe- tisches und künstlerisches Empfinden eine herbe Einseitigkeit dar- stellt Die Chaiakterisiemng dieser Richtung als »abstrakter Hate- r.ialismus« gehört zu dem Feinsten and Treffendsten, was Chamber- lain über die Religion der Semiten geschrieben hat

Aber so weit wir Chamberlain in diesem Pankte entgegenkommen mußten, so energisch haben wir Widerspruch gegen seine Behanptang zu erheben, daß die Israeliten die einzigen wirklichen Götze n> anbeter auf der Welt gewesen seien, sofern eben nur sie die Bilder mit der GotÜieit selbst identifiziert hätten, wihrend alle anderen Völker und Menschen, wie die Hellenen, Eranier, die Eelten, die Slaven, ja selbst die Fetischanbeter sehr wohl zwischen der Gottiieit und ihrem Bilde unterschieden hätten. Namentlich dalh er die Eetisch- anbeter in diesem Punkte als den Israeliten himmelweit überlegen hinstellt, macht yon yomherein den Eindruck eines gewissen Übel- wollens gegen alles, was von den Semiten kommt, daß hier auch der Laie stutzig werden muß. Es sei uns daher eriaubt, gerade an diesem Punkte mit unserem Widerspruche einzusetzen.

Chambeilain behauptet, daß es sich nach den neuesten ethnogra- phischen Forschungen immer mehr herausgestellt habe, daß die Fetisch- anbeter nicht nur ihre Fetische nicht als solche anbeten, sondern so- gar höchst komplizierte symbolische Torstellungen mit ihnen tot- binden. Wir wollen hier nicht weiter fragen, was für TorstoUiingen denn das eigentlich seien, denn das würde uns in weitzdiweifige Ans-

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BmmaB: H. St Gbamberlains Vontellungan über du BeUgion vsir. 211

eiiuuideKBetzaiigen fiber das, was eigentilich unter Fetischismiis za Ter> stehen ist, hineinfahren, wosa nns hier kein Baum m Gebote steht Aber wir erkennen mit Ghamberlain die Tatsache an, daß der Fetisoh- anbeter prinzipiell zwischen dem Fetischgeist und dem Fetischobjekt d. h. dem Gegenstände, dee dem Geiste als Behausung dient, unter- scheidet An dieser Tatsache würde sich auch dann nichts ändern, wemi sich für den einzelnen der Unterschied zeitweilig yerwischt Hutten die Israeliten also in der Tat nicht zwischen der Gottheit nnd dem Bilde, das sie sich von ihr gemacht hatten, unterschieden und sogar nicht einmal unterscheiden kdnnen, so wttrde sich allerdings der Fetischanbeter im Punkte dieser Unterscheidung dem Israeliten und dem Semiten tlberhaupt geistig überlegen zeigen, wohlgemerkt nur in diesem einen Punkte, denn daB wir im ttbiigen nicht daran denken dOrfen, den Jahye Israels mit einem FetischgeiBt und ein Ton Menschenhand kttnstlich gebildetes Gottesbild mit einem be- liebigen Fetischobjekt auf eine Stufe zu stellen, bedarf wohl nicht erst der Versicherung.

Aber woher weifi denn nun Giambeilain so bestimmt, daß die Israeliten so gar nicht im stände gewesen seien, zwischen Gottheit und dem sie daistellenden Bild zu unterscheiden? Daraus, daß das Volk oft beide identifizierte, läßt sich das ebensowenig erschließen wie ans der Polemik der Propheten gegen den Bilderdienst^ die sich bei ihrem meist ironischen Charakter gern in grotesken Übertreibungen gefiUlt Vielmehr sprechen sehr deutliche Anzeichen gegen eine sdiledithinnige Identifizierung. Nach gemeinsemitischer Vorstellung, die sich genau so übrigens auch bei fast allen Naturftlkem findet und sich im ßemitentum nur mit besondrer Ztthigkeit bis auf unsere T^;e erhalten hat, geht in das Bild, das von iigend einem Menschen gezeichnet wird, etwas von dessen Persönlichkeit oder von dessen Seele über.^) Daher die Scheu bei den Ton der westlichen Kultur noch unberührten semitischen Beduinen, sich abkonterfeien zu lassen oder ihre Gestalt der photographischen Platte zu exponieren. Sie fürchten, daß wer sie abbildet, dadurch Macht über ihre Seele und fiber ihr Leben gewinnt Das Bild eines Menschen gilt (ganz fihnliöh wie sein Name) eben als eine Art Doppelgänger des betreffenden Menschen, der zu diesem in einer mystisch-geheimnisToUen Beziehimg steht und dessen Erlebnisse und Grachicke auf das lebendige Original

') Vergl. Ricu. äsdree, Bildnis raubt die Seele, in der Neuen Folge seiner ShiiographLichen Parallelen u. Veigieiohe. Leipzig 1888. lylor, FhmiÜye Kuitui. Bd. I, kap. Ü u. Bd. 11, Kap. 14.

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mit Notwendigkeit zorückwirken.^) Ganz ebenso steht es aber mit den Gottosbüdem. Auf ein Gottesbild ist nach semitischer An- schauung etwas von dem peisönlichen Leben der Gottheit ILbeige- gangen; es gilt als ein mit den Kräften der Gottheit ausgestatteter BepiSsentant derselben in der sinnenfttUigen Ersdheinungswelt*) Von der Gottheit selbst aber wird es prinzipiell ebenso genan unter- schieden, wie das Bild von dem Menschen, den es darstellte, nnteiv schieden worden ist

Eine solche Untsrsdiddang Ifißt sich nun gerade mit Bezog auf die heilige Lade oder die sogenante Bnndeslade, die ja eine gewisse Verwandtschaft mit einem Gottesbilde besitzt, auf das deot- lidiste nachweisen. Es ist nämüoh keineswegs so, wie Chamberlain annimmt, daß sich Israel seinen Gott in diese Lade ein&ch ein- geschlossen gedacht und Gott und Lade resp. das etwa in ihr ent- haltene Jahvebüd geradezu mitdnander identifiziert habe, wenn sich vieUeicht auch einzebe Stellen, die dann aber nur fOr die Auffatssong der naiyen Volksreligon beweisend sind, dafOr ausfindig machen lassen (vergL z. R L Sam. 47). Yielinehr haben sich gerade an die heilige Lade schon sehr früh höchst merkwQrdige Spekulationen geknüpft^ die vielleicht Ghamberlains Bewunderung hervoirufen wtteden, wenn er sie bei Eetischanbetem entdecken wOrda Die Grundstcdle fflr diese Spekulationen findet sidi in dem der jehovistischen Pentateuch- sohidit angehörigen Kapitel Exod. 33, das leider durch spitere Be- arbeitung und Diaskeuase so verunstaltet und TerSndert worden ist, daS der Laie, der dieses Kapitel in deutscher Übersetzung liest, die Pointe nicht ohne weiteres meikt*) Danach hat sich Jahve ge- weigert^ das von ihm abgefisdlene Volk auf seinem Zuge nach dem ▼dheiAenen Lande zu b^leiten. Aber auf das Dringen des ICoses Ufit er sich endlich dazu bewegen, dem Volke wenigstens ein Suxxogat seiner Gegenwart mit auf den Weg zu geben. Dieses Surrogat ist aber eben die heilige Lade. Jahre ist nicht etwa selbst in diese heilige Lade eingegangen, wohl aber hat er an die heilige Lade die PüUe seiner gewaltigen KrSfte gebunden, die bei Gelegenheit in teils

^) Römische and griechische Zauberinnen machten kleine Bilder von Wachs, die den zu Benabemdett daisteUen soUten; diese Bilder qiiilte man anf alle Axt ond gimMe der betreffende wftide den Sdunen ftthlen.

Diese VonteUnng verknüpft sich auch mit den Heiligenbildern in der nuniechen Kirche. Daher segnet der Zar die auf desk Kriefflsohanplalii abgehenden. Trappen mit einem Ileiliircnbilde.

*) Yergl. zu diesem Kapitel meinen Kommentar zu Exod^-Numeri. Güttingen

1903.

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BACTsca: H. St. Cluunberiams VontelluDgen über die Beligion wir. 213

furchtbarer, teils in segenbringender Gewalt aus ihr herauswirken. So stellt das Volk durch die beilige Lade in seiner Mitte mit dem unnahbaren Sinaigotte in einem mystischen Znaammenhang. Wo die Lade ist, da ist auch Jahve in irgend einer Weise gegenwärtig, aber er ist keineswegs als in die Lade eingeschlossen oder ausscbUeAlioh an sie gebunden vorzustellen. Er w«nlt zugleich auf dem alten Gottes- borge — so wenigstens für das Be\mßtsein der älteien Zelt und manifestiert sich zugleich hier und da im Lande TTanftan, Wir sehen daraus jedr nfalls, daß wenn sich etwa ein Jahrebüd in der heiUgen lAde befunden hat was ich übrigens keineswegs für erwiesen an-> sehe 1) das Yolk sicher nicht daran gedacht hat, Jahve mit seinem Bilde einfach zu identifizieren.

Die Ausführong über die heilige Lade veranlaßt mieh^ m diesem Zusammenhange zugleich auch einiger verwandter, ungleich höherer Spekulationen zn gedenken, die Chambeilains Behauptung, daß die Semiten sich nicht zu einer höheren Auffassung von der Gottheit hätten erheben können, auf das DeatÜchste widerlegen. Sb handelt sich um die eigentümliche Yoistelhmg von dem mal'akh Jahve nnd von den Paiiim Jahves. Beide Yoistellungen sollen dazu dienen, sich die Offenbarung und Erscheinung des fiberweltUchen, transcendenten Gottes in der Erscheinungswelt begreiflich und vorsteilig zn machen. Danach ist es nicht die Gottheit an sich, sondern immer nur eine Erscheinungsweise der Gottheit, eine Art Projektion der Gottheit in die sinnliche Erscheinongswelt hinein, welche die Menschen wahr- nehmen können. Biese Erscheinungsweise hat sich nach der einen Vorstellung zu der mystisch-geheimnisvollen Gestalt des mal'akh Jahve d. h. des Boten oder Engels Jahves verdichtet. Dieser mal'akh ist keineswegs als ein selbstiindiges himmlisches Wesen neben Jahve vor- zastellen. Er tritt viehnehr aus Jahve selbst heraus und zieht sich, nachdem er die Botschaft an die Menschen ausgerichtet hat, wieder m Jahve selbst zurdck. Nach der andern Vorstellung zeigt Jahve» wenn er sich offenbaren will, seme Panim d. h. wörtlich die den Menschen zugekehrte Seite seines Wesens oder sein Antlitz. Ein Ortsname wie Puiel oder Pnuel will besagen, daß die Gottheit an dem betreifenden Orte ihr Antlitz hat sichtbar werden lassen d. h. den

Die spitere Tiaditioii, nach der zwei steinerne Tafeln mit dem Ooaot« m

der Lade gewesen seien, läßt eher darauf schheßeu, daß sich Steine vom heiligen Kmiberge darin befanden. Jahve war nach aller Auschaunng so sehr mit dem heiligen Sinai berge verknüpft, daß jeder Stein dieses Berges als Träger seines Weeeae imd ab Mittel rar Hentelliuig einer dsnemdeiL Ben^mig za ihm gelten konnte.

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Menschen erschienen ist. Man sieht hieraus, wie man im alten Israel beflissen war, zwischen der Gottheit an sich und ihrer sinnen fälligen Erscheinungsform genau zu unterscheiden. Wir dürfen daher mit gutem Rechte voraussetzen, daß man in Israel dieselbe Unterscheidung hinsichtlich der Oottesbilder gemacht haben wird. Wenn trotzdem das Volk hin und wieder Gottheit und Bild miteinander identifizierte, 60 ist dafür nicht spezifisch semitische Denkweise, sondern eben nnz der Unverstand der breiten Masse verantwortlich zu machen.

Genau in derselben Weise äußert sich aber und das ist ein Punkt, den Cbamberlain mit keinem Worte berührt der Unverstand der großen Masse auch in allen andern Religionen bis in den heutigen rSmischen und griechisch-russischen Katholizismus hinein, indem für den einfältigen Verehrer der Heilige und das Bild, das ihn darstellt, in ungezählten Fällen zusammenfließen. Und auch innerhalb des alten Griechentums läßt sich eine volkstümliche Würdigung der Gottesbilder nachweisen, die eine Identifizierung des Bildes mit der Gottheit entweder geradezu bedeutet oder doch von einer solchen nicht gar weit entfernt ist. Es ist keineswegs so, wie es nadh Chamberlain scheint, daß die Griechen in ihren Gottcsbildorn immer nur Kunstwerke gesehen oder sie als Mittel seelischer Erhebung be- trachtet hätten. Von ihren großen Denkern und Philosophen mag das gelten. Aber die große Masso war in dieser Beziehung genau ebenso unreif wie bei den alten Israeliten. So. sagt einmal Heraklit: »Sie beten zu diesen Götterbildern, als wenn jemand mit Gebäuden Zwiesprache pflegen wollte; sie kennen eben die Götter und Heroen nioht nach ihrem Wesen.c^) Und was soll man dazu sagen, daß mau in Sparta den Kriegsgott Ares in Kotten angeschlossen hielt^ damit er nicht etwa enteile und das Kriegsglück daTontrage, oder gar dazu, daß man in dem an^Ufirten Athen der Siegesgöttin Nike die Schwingen gekappt hatte daher Wxt; anrf^oc um den Sieg dauernd an das große Athen za ketten? Sind solche rohen Manipu- lationen erkUtrlieh bei einer geläuterten üsthetisohen und religiösem Betrachtungsweise, die in den Gottesbildem immer nur hehre Kunst* werke und Mittel zur Entzündung der Andacht sieht? Und daß anoh bei den sonst so abstrakt denkenden Römern hinsichtiieh der Oottea- bilder nicht aUes in Ordnung war, Jftfit die Äußerung des M. Teren- üus Vano TerrnnteD, der sich einmal dahin ansspridit: »Der Mann,

>) DiMM ZHat TCidanke iidi dam Anteile von Bna. Nmilb flbw dM afftU- giBta FkoUam« in H. 8t Ghambedabt Onmdlagn 19. Muh. Meslaiileiihbili 1908. Ko. 29. 8. 232.

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Basntsch: H. 8t Cbamberlains Vorstellangen über die Beligiou usw. 215

der zuerst dem Volke Bilder von den Göttern machte, hat die Gottes- furcht vernichtet und eine Quelle des Irrtums geschaffen.« Wir sehen aus dem allen, daß Chamberlain bei den Semiten und Israeliten die niederen Formen der Frömmigkeit in demselben Maße ui^er^ als er bei den übrigen Religionen darüber hinwegsieht So wird es ihm allerdings leicht, die semitische Beligion als die minderwertigste Ton allen erscheinen zu lassen.

Ebensowenig wie in seiner Auffassung Ton dem Bilderdienst der Israeliten können wir Chamberlain in seiner Auffassung von dem israelitiscfaeD Jahve in jeder Beziehung folgen. Zwar, daß dieser Jahve im Gegensatz zu den arischen Gottheiten, die als im AU waltende Mächte und Kräfte vorgestellt werden, sich als menschlich vorgestellte Einzelpersönlichkeit über das All hinaushebt, wird von ihm ganz richtig betont. Ob diese Voi-steUung als minderwertig anzusehen ist, wird sich erst herausstellen können, wenn wir an Cbamberlains Reli- gioDsideal die kritische Sonde legen. Daß ferner der willensstarke Israelit in seinem Jahve die Verkcirperung eines überaus mächtigen, kraftvollen, nicht selten sogar brutalen Willens gesehen hat ist eben- falls nicht zu bestreiten. Aber eine bedeutende Einschränkung bedarf Cbamberlains Behauptung, daß der willensstarke Israelit sich seinen Oott geradezu als »Inkarnation der Willkür« vorgestellt habe. Wenn er sich dafür namentlich auf das Gesetz beruft, das die hetero- gensten und einander widersprechendsten Forderungen enthalte, so be- ichtet er nicht, daß die im Gesetz jetzt nebeneinander stehenden Forde- rangen aus den verschiedensten Zeiten stammen und daß die Tora in ihrer Gesamtheit den Niederschlag eines vielhundertjährigenrcligionsgeschich^ lieben Prozesses und das Produkt der verschiedensten religiösen Ström- ungen darstellt. Nur wer die Tora als eine Einheit auffaßt, kann sich über die Bontscheckigkeit der darin enthaltenen Forderunp:en wundern und daraus auf den willkürlichen Charakter Jahves 8cbliel)en. Das hieße aber den Schein mit der Wirklichkeit verwechseln. Daß speziell die kultischen Gebote auf uns vielfach den Eindruck des willkürlichen machen, liegt daran, daß wir Modemen den Sinn vieler Verordnungen, der in den religiösen YorsteJlungen einer uralten Zeit wurzelt, nicht mehr ohne weiteres verstehen. Viel eher als auf die Tora kann sich Chamberlain aber auf die Tatsache berufen, daß das Israel der ältesten Zeit sich seinen JahTu wirklich vielfach als willkürlich und launen- haft schaltend und wallend votgeetellt hat Aber neben dieser nie-

^) VeigL Oaooft Wibmwa, OMtnunelte Abhandtamgen rar lömischen BeligioDS- ud StadtReMOiicfata. Mfindieii 1914. B. 280 ff. (BfimiMdie OfitterbUder.)

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Aufsätze

drigen Vorstellung, die deutlich in dem alten Matterboden der Nator- religion, der Jahve namentlich als Wettergott galt, wurzelt, geht doch schon früh (sicher schon seit der mosaischen Zeit) die andere einher, die Jahvo als den Vertreter der Recbtsidee sehr energisch in An* Spruch nimmt, ihn also ethisch bestimmt sein läßt. Damit war aber för die Willkür Jahves von Tomherein eine sehr bedeutsame Schranke gezogen. Gelegentlich findet sich die niedere mit der höheren Vor^ Stellung in sehr merkwürdiger Weise kombiniert, so e. B. in IL Sam. Kap. 24. Jahve empfindet hier ein scheinbar ganz unmotiviertes Be- dürfnis, sich einmal an David gründlich zn reiben. Da haben wir also ganz den launenhaften, willkürlichen Jahve der Yolksreligioii. Da er aber als sittlicher Gott, der er sein will, das nicht ohne einen Anlaß seitens Davids tun darf, stiftet er den David zuvor zu einer Tat (einer Volkszählung) an, die ein gottliches Eingreifen nach anti- kem EmpGnden gerechtfertigt erscheinen Ififit. Es ist ein billiges Vergnügen, sich über derartige Stellen lustig zu machen. Aber es wfire verkehrt, auf Grand einer solchen Stelle ein Verdikt über die Beligion Israels selbst zu föUen. Es hieße das den komplizierten Charakter dieser Religion, wie wir ihn S. 126—128 dieser Zeitschrift, geschildert haben, gröblich veikennen. Denn derartige Vorstellnngen wie in II. Sam. 24 gehören durchaus der volkstümlichen Oberlieferung an und atmen darum den Geist der alten Volksreligion. ^) Wir müssen aber, um die eigentliche Seele der Beligion Israels zu spüren, vor allem den prophetischen Strang dieser Beligion ins Auge fassen. Innerhalb der prophetischen AnsprSgung der Beligion Is- raels ist aber von einer Willkür Jahves nichts mehr zn spüren. Jahve ist auch hier die Verkörperung eines mSchtigen Willens, aber ''dieser Wille hat hier den sittlichen Gedanken ergriffen und in sich aufgenommen in einer Intensivität und mit einer Folgerichtigkeit, wie es bis dahin noch nicht der Fall gewesen war. Jahve ist hier die verkörperte Gerechtigkeit und Heiligkeit im höchsten ethischen Sinne. Er trSgt das Sittengesetz in sich und könnte, ohne sein eigenes Wesen zu verleugnen, von diesem Gesetze auch nicht einen Fingerbreit abweichen. Sieht er sich doch um seines ethischen Cha- rakters willen vor die harte Notwendigkeit gestellt, sein eigenes Volk dem Gerichte der Vernichtung preiszugeben, weil es das göttliche Sittengesetz hartnackig unter die Füße tritt Auf dieser Stufe der Gotteserkenntnis es ist die höchste, die nach unserem Urteil die

*) Mau beachte, wiu diese Geüoliichtc iu I. Cliroo. 21 vom Scaudpuiii^te einer apileren Zeit umgemodelt ist

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Baehtsch: U. St Chamborlains Vorstellungen aber die Religion usw. 217

aatike "Welt überhaupt aufzuweisen hat kann von Jahve als von einer ^Inkarnation der Willküre schlechterdings nicht melir die Rede sein. Gewiß würde ja nun dieser Jahve als Verkörperung^ des sitt- lichen Gedankens bei Chamberlain rocht wenig Gnade finden, denn was hat nach ihm Religion mit Sittlichkeit zu tun! Aber mag er ihn deshalb von seinem Standpunkte aus immerliin einen idealisierten Götzen schelten, als Inkarnation der Willkür ihn zu charakterisieren, dazu hat er schlechterdiiif^-s kein Recht. Es rächt sich hier bei ihm wieder, daß er die prophetische Religion Israels für die Gesamtbe- urteilung der israelitischen Religion nicht zu ihrem gebührenden Becbte kommen und in dieser Gesamtbeurteilung sich nur die Ein- drücke auswirken liil5t. die ilim von der hallilioidnischen Volksreligion und der vielfach engherzigeu und beschränkten i^hesteireligion her zugekommen sind.

Aus diesem Grunde kann er auch einer solchen Erscheinung, wie sie der israelitische Monotheismus bietet, unmöglich gerecht ^vorden.^) Zwar fehlt es auch in den auf diesen Monotheismus be- züglichen Partien bei ihm nicht an sehr richtigen und feinen Be- obachtungen. So zeigt er ein feines Verständnis für den Unterschied zwischen dem israelitischen Monotheismus und dem monotheistischen Gedanken, wie er sich innerhalb der arischen Keligioneu heraus- gebildet hat Während in den arischen Religionen die eine Gottheit hinter den einzelnen Göttern als ihren Teilerscheinungen stehe, habe sich in Israel Jahve auf Kosten aller tibrigen Götter aus einem Yolks- gotte zum alleinigen Gott emporgeschwungen. Eine gewisse Be- rechtigung gegenüber einer gedankenlosen Überschätzung des israe- litischen Monotheismus als solchen im Oegensatse ztt jeder poly- theistischen Religionsform enthält auch seine Frage, was deiia die Arithmetik mit Religion zu tun habe. Denn höher als die Frage nach der Zahl der Götter steht bei der Abschätzung einer Religion ohne Zweifel die Frage nach der Qualitüt der Gottheit. Wäre z. B. der Jahve Israels wirklich die kümmerliche Gestalt^ für die Chamberlain ihn ausgibt, so wäre dieser Jahve in seinem monotheistischen Auf- putz allerdings eine wahre Karrikatur von einem Gott, die denkbar Uksheriicbste Ausgeburt des jüdischen Größenwahns, als die Chamber- liin ihn denn auch ganz folgerichtig in Anspruch nimmt.

Aber gerade diese kflmmerliohe, lediglich an der Yolksreligioii

1) Yeigl. zu diesem Abschnitt meine eiogehende AUiiiidluDg fiber »Eniatahang, iit und Otediiohte dm isnwlitisoheii Monotheisimu« im FrotestantenUatt, 1904 Hr. 46-51, 1905 Nr. 1 o. folgende.

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Aufsätze

und der PrieBterreliipoii orientierte Auftoniig Ton Jahve ist der Onmdfehlw in der ChamberlainsoheiL Argumentation, der ilim die richtige Einsieht in das Wesen des israeJitiBohen MonotheismiiB eil für aUemal yersperrt Wer die israeJitisohe Beligionsgescdiicfate in ihrem innem Zusammenhange kennt, der weiß, daß dieser Jahfe, der fflr das Bewußtsein der Israeliten nicht nur der mächtigste aller Götter war, sondern der auch durch seine inneren, ethischen Quali- tftten alle andern Götter überragte, von Tomherein darauf angelegt war, der Gott der Götter und schließlich der alleinige Gott zu werden. Es verstand sich unter solchen Umständen von selbst, daß hier der monotheistische Gedanke auf einem ganz andern Wege zu stände koDunen mußte, als in den polytheistischen arischen Religionen, wo er nur durch Reduzierung der vielen Götter auf ein in ihnen sich offenbarendes Göttliches gewonnen werden konnte. Auf diesem letzten Wege sind auch die monotheistisöhen Ansätze innerhalb der babylonischen und ägyptisdien Religion zu stände gekommen, was uns, soweit die babylonische Religion in Betracht kommt, beweist^ daß dieser Weg eben auch für semitisches Denken, sofern ihm in einer polytheistischen Religionsform dafür die Voraussetzung gegeben war, gangbar geiiiesen ist, und daß es demnach nicht etwa statthaft ist, den Gang, den die monotheistische Gedankenentwicklung in Israel genommen hat, aus irgend welcher Armut oder gar Bomiertiieit semitischen Denkens zu erklären. Ob jener andere Weg großartiger nnd des menschlichen Geistes würdiger ist, ist eine Frage, die hier, wo es sich um das Yerständnls historischer Notwendigkeiten handelt gar nicht mit hineinspielen darf. Wir haben einfach zu konstatieren, daß Israel diesen Weg nicht gehen konnte, weil es neben Jahve eben keine gleichberechtigten Qütter in Israel gab, die mit ihm in ein höheres Göttliches als ihren Generalnenner hätten aufgerechnet werden können. Und Jahve etwa mit den Göttern der benachbarten Völker^ an deren Existenz ja das alte Israel durchaus glaubte, auf eine Stufe zu stellen und diese Gottheiten dann alle als Erscheinungsforraeii des einen GöttlichcMi zu betrachten,*) ging für Israel deshalb nicht an, weil Jahve als ein in dem Korne seines Wesens ethischer Gott nicht mit den ethisch indifferenten Naturgottlieiten auf eine Linie gestellt werden konnte. Dieser ethische Jahve, der auf Erden nicht seinesgleichen liatte, war eben für Israel die Verkörperung des Gött-

') Eioen bemerkenswerten Ansatz dazu macht der Prophet Maleaohi (1, 11). Nach ihm dienen auch die Heidea unbewußt 4om oinea Ootte, den er allenUnf{B in Jahve verkörpert sieht

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Bjlkxsch: H. St Cbamberlaius VorstellaDgen über die Beligion osw. 219

liehen selbst. Das erkennen heiJit zugleich die Intoleranz dieses Oottes

begreifen.

Mit dem eigentümlichen Wege, auf dem die monotheistische Gedankenbildung in Israel zu stände kam, hängen nun aber weiter einige eigentümliche Erscheinungen auf das engste zusammen, die den Laien oder einen voreingenommenen Beobachter wie Chamberlain leicht zu den ungünstigsten aber auch ungerechtesten Urteilen über diesen Monotheismus veranlassen können und Chamberlain denn auch in der Tat veranlaßt haben. Während nämlich innerhalb der poly- theistischen Religionen der monotheistische Gedanke, sobald er nnr einmal geahnt ist, auch gleich in ziemlicher Schärfe erfaßt und in eine deutliche Formel gefaßt werden kann, vollzieht sich in Israel die monotheistische Gedankenbildang notwendig auf dem Wege eines sehr langT\'ierigen, oft gehemmten geschichtlichen Prozesses. Denn Jihve hat hier nicht nur die anderen Götter, sondern gewissermaßen loch sich selb&t zu überwinden. Die alteingewurzelte Yorstellung von Jabve als dem Nationalgotte Israels hängt sich wie ein schweres Bleigewicht hemmend an den emporstrebenden monottioisti sehen Ge- danken und sucht ihn immer wieder in die nationale Beschränkung zurückzuziehen. Das ist selbst bei den großen Propheten hin und wieder der Fall. Denn auch sie haben es noch nicht recht fertig gebracht, die Konsequenzen des monotheistischen Gedankens nach allen Seiten hin zu ziehen. Zwar fehlt es bei ihnen keineswegs an deodsofaan monotheistischen Bekenntnissen, aber sie setzen Jahve noch immer in eine zn ausschließliche, wenn freilich anch durchaus sitt- lich bedingte, also nicht unlösbare, Beziehung zn Israel und sehen die Heiden nicht als gleichberechtigte Kinder des einen Gottes an. Erst als im Exil die nationalen Schranken durch Aufhebung des jodäischen Staates gefallen waren, kommt bei einem Manne wie Deaterojesaias, dem daher auch Chamberlain alles Becht wider- fahren lifit, der monotheistische Gedanke mit seinen vollen Kon- sequenzen zum vollen Durchbruch. Deuterojesaias erwartet daß auch die Heidenvölker sich zu dem wahren Gott bekehren und mit Israel eines Heiles teilhaftig werden. Erst jetzt ist der israelitische Gottes- glanbe von seiner nationalen Basis losgelöst und damit die Möglich- keit zn einer Entwicklung der Beligion auf eine Stufe hin gegeben, anf der nicht mehr Israel und Jahve, sondern Gott und Mensch Gorrelata and. Dieser Höhepunkt ist auf alttestamentlichom Boden in nachexilischer Zeit annähernd in den Proverbien und in denkbar größter Vollendung im Buche Hieb erreicht, in dem nichts mehr an die alte nationale Form der Beligion erinnert Das zeigt sioh yor

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AvlBlise

allem schon darin, daß der vorbildlich fromme Hiob überhaupt nicht als Israelit, sondern als ein Ausländer vorgestellt wird. Wertvolle Zeugnisse dieses universalen Monotheismus haben wir außer in einer ganzen Anzahl von Psalmen namentlich noch im Buche Buth und

Jona zu sehen.

Freilich darf nicht verschwiegen werden, daß gerade in nach- exilischer Zeit, als die aus dem babylonischen Exil zurückgekehrten Juden sich zu einer ebenso fest in sich geschlossenen wie nach aulicn hin abgeschlossenen theokratischen Gemeinde konstituiert hatten, der monotheistische Gedanke in gewissen Kreisen aber, wie die eben angeführten Beispiele zeigen, durchaus nicht allgemein wieder eine räumliche Beschränkung auf eben diese Gemeinde erfuhr. Üiis nachexilische Priestergesetz, die Bücher Esra-Nehemia und die Chronik lassen von wahrhaft monotheistischem Geiste im universalen Sinne recht wenig merken. Darüber darf die öfter vorkommende Bezeichnung Jahves als >Gott des Himmels,« zumal sie sich fast nur in den Edikten des Perserkiiiiigs findet (!), zuweilen auch im ^lunde des persischen Beamten Nehomia, nicht hinwegtauschen. Die Propheten Haggai und Sacharja vertreten zwar einen gewissen universalen Monotheismus, aber er zeigt sich durch einen reichlichen Einschlag nationalen Dünkels und materialistisch-egoistischer Erwartungen so entstellt, daß wir nur wenig Freude daran haben. Dasselbe gilt auch von dem berühmten Kap. Jes. 60, das die Kirche zur Epistel-I^ktion für das Epiphaniasfest bestimmt hat. Und so oft sich in nachex iiischer Zeit gar politische Selbständigkeitsbestrebungen d. h. Bestrebungen auf Wiederherstellung des alten national(>n Königtums geltend raachteu ich erinnere an die Zeit Serubbabels und vor allem an die Makkabaerzeit da wird der monotheistische Jahve geradezu wieder zum alten Xationalgott, der die Ileidenvölker wie Töpfergeschirr zer- schmeißt und dem Könige Israels die Königreiche der Welt zu seinen Füßen legt (Ps. 2. und 110).

Man sieht: der israelitische Monotheismus ist eine überau«; komplizierte Erscheinung, innerhalb deren verschiedene Richtungen wohl zu unterscheiden und für sich zu würdigen sind. Dem, der diese Richtungen kritiklos ineinanderschaut, ergibt sieh notwendig ein wahr- haft schaudererregendes Zerrbild von einem Monotheisnms, der diesen Namen in Wahrheit gar nicht verdient. Wer aber die Richtungen auseinanderzuhalten versteht, der sieht in ihrem Widerstreit das mächtige, unserer Bewunderung niciit unwerte, Ringen des wahrhaft hohen monotheistischen Gedankens mit seinen nationalen und parti- kularistischen Entstellungen. Der monotheistische Gedanke ist in diesem

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Babitrch: H. 8t Chamberlains VoxsteUaDgen über die Religion nsw. 221

Kampfe nicht untergegangen, im (Gegenteil, dieser Kampf hat nur dasn beigetragen, ihn cur VoUendnng za bringen. Das Christentam hat in seiner Gottesvorstellung an ihn angeknüpft und ihn in seiner christlichen Vertiefung ond VeriDnerJiobang für alle Zeiten sicher- gestellt Für das innerlich bankerott gewordene griechische und rBmisohe Heidentum hat er, zumal in seinem helienistisohen Gewände, das ihm die giiechisdie Übersetzung der Septuaginta verliehen, und ia dem er noch viel abgeklfirter als im altteetamentlichen Urtext er- scheuil^ gewirkt wie ein befruchtender Begen für lechzendes I^d. Aach inneriialb des Judentums hat er fortgewirkt, wenn dort freilich aacb die einseitig partikularistische Ausprfigung dieses Gedankens, die den einen Gott in zu ausschliefiliohe Beziehung zu den Juden setzt, die Oberhand behauptete, wofür zum guten Teil freilich der Dmc^ und die Yerfolgungen, unter denen die Judensofaaft in der Folge zu leiden hatten, die Verantwortung trägt Wie dem aber auch sein möge, jedenfalls ist Chamberlain dem israelitischen Hono- thäsmus nicht gerecht geworden, weil er ihn ans Mangel an histo- lischem Verstündnis mit einem falschen Mafistabe gemessen hat

(SohlnA folgt).

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1. Kongeniale Geistesf&rsten

(Schiller u. W. v. Humboldt) Yoti Dr. Susanaa Kabinstein

Die Geisteswelt des 18. bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts hinein, war von dem äußerst edlen Zug, nach dem Erkennen an sich, nach dem Erforschen und Enträtseln, der den Weltprozeß und den Kiiltar- prozeß durchdringenden Gesetze rein um der Selbsterhebung willen beseelt Es war ein im Ästhetischen Sinne interesseloser und idealer Eultofl. Heate ist ee anders, heute lenken die großen ErruDgeoschata der NatnrwisBenschaft, den Fonofaertrieb auf Nutsbannaohnng der im Kosmos verborgenen Kräfte. Das Losungswort und Schibolet des modttnen Zeitgeistes ist: praktische Verwertung der physikaUechen Kräfte; sein Symbol ist das, die Sphären durchsausende geflügelte Rad. Dixs Bildungs- ziel jener stimmungsvoll gesammelten Zeit, war das Eindringen in das anthropologische Reich, und die Mittel und Gesetze zur Erhebung der Menschheit, über die Not und Niedrigkeit des realen Natura^ns, zu koo- stitoieren. In dieser Bichtnng, in der Bichtnng der auf der Mepachhmt interessierten Forschung, begegneten sieh swd Geister, auf die gegenseitig die Reinheit ihres Wdlens eine besondere Affinitit übte; diese swei Geister, die kaum oder nur von Vereinzelten zusammen genannt werden, waren Schiller und der um 8 Jahre jüngere Wilhelm v. llumboldt. Es war ein gemeinsamer erliabener Zug in den beiden Freunden, daß sie über das meüschlich Begrenzte lünausdrangen, und in ihrem Denken und Fühlen den Begriff der Menschheit, in der TotaUtlt seiner Entwioklungs- Au^aben, eifafiten. Die hohe Stimmung ihres Yerkehis yerwirküchte Humboldts Wort: »Das hOchste Ideal des Zusammenseins menschlicher Wesen 'wäre mir dasjenige, das jeder nur aus sich selbst und um seiner selbst willen sich entwickelte.« Der erste Teil dieses Ideals das sich aus sich selbst entwickelte traf allerdings vielmehr auf Schiller dem weitaus selbständigem zu. Diese Überlegenheit, die Humboldt unbe-

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1. JKongeiiiato OaBtMfüisten

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diogt anerkannte, trat für ihn auch cntschiedeii in dem doppelten Wissens- ffehiete hervor, der beide in Verbindung versetzte: in der Ethik und Ästhetik. In diesem Ausschnitt bestand zwisclion ihnen eine starke CoTii- cidenz, während im fil ripen die Magnetnadel dos (Joistos hei jedem nach anderer Richtung hinwies: nach Dichtung und Metai)iiy8ik beim einen, oadi ÜD^stik beim andern. Von Schiliers drei Freunden, die er sein »kritisehes KleeUattc nannte: SQrner, Ooethe und Humboldt, stand ihm der letzte am nächsten. Es mr nicht Uofi das glelobartige wissenschaft- liche Interesse, es war auch eine lebhafte persönliche Sympathie, was sie aneinander fesselte. Das Forsclien nach den Grundgesetzen des Sittlichen und den Prinzipien des Schönen. fCilirto sie in ihrer theoretischen Bahn zusammen, und die fein ziselierte Gefühlweise beider, wie ilir hoher idealer Sinn, nährte die persönliche Zuneigung. Der positive Gewinn war auf Hnmboldto Seite, er sog die Frflchte groß, die er auf Schillers Boden pflügte. SchilleTB Gewinn war ein theoretiscdi rektiver; Humboldt yet- half ihm seine eigenen Ideen sdineller und g^flcklicher zu entwickeln. Er war durch seine hervorstechende Feinfühligkeit und durch seinen kritischen Takt ungemein befähigt in den andern einzugehen und seine Eisrenart zu assimilieren. Schiller rühmte an Humboldt, daß er sciiarf unterscheide und vielseitig verbinde. Der Verkehr entfesselte in beiden die innersten Tiefen. Schiller äußerte, daß sie sich dort verstanden, wo flieh niemand Tenteht also in den snbjektiTsten und subtilsten Regionen, fii war in den Jahren von Februar 1794 bis Juli 1795, wo sie sidi in Jena im allabendlichen Verirahr durch t Geistesreibung elektrisiertent. Dieses hochgestimmte Zusammensein hatte später noch eine Fortsetzimg vrn November 179(3 bis April 1707. Noch im Jahre 1803 bezeiclmcte Schiller diese Epochen als eine ewig unvergeßliche Zeit; und noch kurz vor seinem Tode äußerte er, für ihr Einverständnis seien keine Jahre und keine liäume gewesen. Humboldt fand, daß Schillers Persönlichkeit sich am mlchtigsten und glinseodsten im Gespiache zeige und daB er in der WiMsnschaftlichen Diskussion nicht leicht von einem andern erreicht werden künae, ja daß er darin unvergleichlioh sei. Die sehr viel reichere und bewegtere Triebkraft besaß natürlich Schiller. Humboldt bewundert und sdiAtzto seine unabhängige Selbsttätigkeit hocli und erkannte mit großer Verehrung seine dichterische wie metaphysische außergewöhnliche Be- gebung. Humboldt mit seinen offenen, empfänglichen Sinn, strebte immer fnBck das Weltpanorama nach allen seinen Kichtungen in sich aufzunehmen. ÖMz besonders war aber sein Interesse auf das Heosohentnm gerichtet, sad m dieeem Interaese mag auch der SprungqueU seines linguistischen Arbeitens zu suchen sein. Schiller hingegen gab mch der angestrengtesten Prrxluktivität hin, der in ihm wogende Ideengang, die mannigfach reich gestaltende Phantasie, drängten ihn; das wogende Leben war wie ein be- legter Strom in ihm, den er nicht stauen konnte, weil er sein ganzes Sein fortriß. Die energische Kraft und der Reichtum von Schillers ScfaOpfoDgsfähigkeit gehört zu den seltensten Olanzerscheinungen im Menschentum. Das erkannte Humboldt sehr klar, und mit seinem welchen und subtilen Anempfinden, drang er durch Schillere Pers5nlicfakeit in die

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MHtefluDgen

innerlichste AV(>rkstatt, in das geistige Laboratorium seines Ai neilens. In den Vorerinueniugen zu Schillers Briefen, die Humboldt im Jalire 1830 herausgab, stellte er fest, daB Schillen »Diehtergenle auf das engste an das Denken in allen HOhen und Tiefen geknflpft gewesen«. Ib* sah in ihm den Meister des Lehrgedichtes und des idealen philosophischen Stils. Und fand, daß er die Eänheit der Idee von Philosophie und Poesie ver- körpern. Scliiller hingegen sprach seinem Freunde geniale Begabung ab; Humboldt war für ihn, wie für den gemeinsamen Freund Kömcr, eine >breite Fläche«. Diese Fläche war jedoch von einer außerordentlich fein vibrierenden Rezeptivität, und daher konnte sich Humboldt leicht in jeder fcemden Innerlichkeit orientiefen, iros der Nerr seiner loitisohen Begabung war. Seine Kritik mhte auf intnitives Erfassen der persflnlichen Indivi- dualitAt Es war etwas wie ein Zug weiblichen HeUsehens, übertragen auf das intolloktnollc Orlaet. Aber auch dos zarte Zaudern, mit dem Humboldt seine Kritik abgab, die Rücksicht auf das Selbstgefühl des andern, die dem Urteil Schmelz aber auch Mattigkeit verlieh hatte etwas weibliches, und unterschied sich von der keruliaft schneidigen Kritik- weise Körners. Humboldts feministische Verwandtschaft ging aus seiner lebhaften EmpfindungssphAre hervor. Das Register der EmpfindungstOne war bei ihm sehr reich, und da vibrierte und ritlerte es so nnansspreck- lich und so wcchselvolif dafi daraus ein eigenartiges Yerbalten, imd oft verschwebende Zustände von begrifflichw Unklarheit entstanden. Diese sensitive Richtung in Humboldts Wesen war so stark entwickelt, wie sie sein Freund Schiller bei seiner eigenen großen Besonnenheit nicht geahnt zu haben scheint Da aber Scliiller die sensible Konstruktion seines Freundes übersah, konnte er in ihm um so bestimmter den B^iiff der Totalität verkörpcart sehen. Dieser Begriff in dem SohiUar den Ausgleich von Denken und Ffihlen, von Vernunft und Sinnlidikeit snsammenfafite, war seiner Vorliebe für die beseligende hellenische Eintracht entlehnt Allei'dings kam Humboldt dieser harmonischen Friedlichkeit viel näher als der gilronde, rastlos treibende Ijcbensgeist Schillers. Und der starke Timbr seiner sinnlichen Empfindsamkeit war fast kein Hindernis für diesen Vergleich. In der Harmonie der Griechen war auch die Sinnesempfindung betont, nur war sie auf die Anschauung gerichtet, bei Humboldt mdndete sie in das OemQt Die innere Eintracht bedingt aber auch die inners »matte Flache«; die Totalittt« dieses hAchste Ziel der Kultur, nimmt sich fthnlich aus, wie eine fortgesetzte Sabatfeier, wie das pensionierte Greisen- tum. Es ist Schluß. Aus dieser feindlichen Windstille, erklärt sich Humboldts Mangel an Schaffonsfähigkeit , doch mochte sie sehr seine kritische Begabung fördern: denn zum sezieien. j>rüfen und verbinden, mag die gelassene Stimmung, bei hoher Intelligeuz, sehr geeignet sein. Nicht minder ergibt sich aus dieser ruhig Adlden Natur die Stfttigkeit und die Treue, die Humboldt nachgerühmt wird. Dieses lautere Oleich- gewicht war ihm von Jugraid auf eigen nnd blieb unverändert bis suletzl, weshalb das Wort der Rahel: »Humboldt ist von keinem Alters als so ti-effend galt. In seinen spRtern Loben steigen trat noch ein zweites Momeut 'AM soinem Qräcizismus hinzu, das auf den Bestand seines heitern Gleich*

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1. Kongeniale GeistesförBten

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jnaßo«? einwirkte, dieses war, der sich in ihm konsolidierende feste Ud- stcrblichkeitsglaube. llumholdt schHpfto den Glaubeu, an ein fx^rsönliches Fortbestehen, aus der großen Macht der Liebe. Daß er sicli ans einem gefühlsiouigen, psychischen Argument, den Schlüssel zuui metaphysischen Bitsalrcich drehte, tragt ebeo&IlB einen weiblichen Zug an sich. Auch in dieaer grofieo und dnoklen Wngd mst Schiller nnabhlogiger und reeo- luter, der Tod war für ihn ein undurchdringbares Gesetz, das man mit Fassung hiuzunehtnea habe. »Das Allgemeine ist kein Übel« sa^e er sterbend. Die innere Freiheit, die ihm im Sinne Itants das Funda- ment der Sittlichkeit war, d. h. das Übergewicht der Vernunft über die subjektive Empfindung, bewies er auch in seiner ganzen Lebensführung. Leben und Lehre war für diesen hehren Priester eins. Allerdings lag es iiidi in der üubenetnhlenden Fülle seiner Phantasie^ in dem wogenden quellenden Beichtnm seiner Innenwelt, daB er sich mOhelcB »in den heitern Kegionen, wo die reinen Formen wohnen« erhalten Iconnte. Cber Humboldts Inneowesen ist ein leichter Hauch des Mystizismus, wie ein ätherischer Silberschleier gebreitet; er besitzt eine Affinität zu allem, was erhebt und ins Unendliche führt, und möchte von den Sternen, den Blumen, insbe- sondere von den schaffenden Geistern, Empfindung und Genuß einsaugen. Schiller aber steht, wie olympischer Heros, fest auf sich selbst, mit «DeEgiscfaer Hand greift er in seinen innero Hord nnd teilt ans demselben den Jahrhunderten Besitztflmer aa& Der Unterschied in ihren Beschaffen- heiten, der produktive Begeistt'riir]f,^drang Schiliers und die rezeptive g^ nießende Empfänglichkeit Humboldts ist durch nachstehende eigene lußenmgen auf das prägnanteste charakterisiert. Bei Gelegenheit wo Schiller über den Plan einer Idylle redet, gilit or seine hoehgesi)annte Stimmung in den Worten kund: »lauter Licht, lauter Freiheit, lauter Ver- mögen, kein Schatten und keine Schranke« wie ein von seiner SohaABOskraft getragener Qott dnrchkreist er das Beich der ihm su Ge- bote stehenden MCgMohkeit, nnd wie hoch diese göttliche SohOpferlust ihn schwellt, das sagt der Zasatz, daß er um diese Aufgaben zu lösen, seine >ganze Kraft und den ganzen ätherischen Teil seiner Natur noch auf ein- mal zusammennehmen wolle«. Doch auch Humboldts unersättlicher rezeptive Drang drückt seine hohe Natur aus, die durch ihren heiligen Dienst im Tempel der Kultur die Schätze derselben der Menschheit näher bringt Er schreibt an Schiller: »Der Mensch scheint doch einmal dazu da an sein, allee, was ihn umgibt, in sein BigeDtum, in das Eigentum seines Verstandes su Terwandeln nnd das Leben ist Iran. loh möchte, wenn ich gehen mnA, so wenig als möglich hinterlassen, das ich nicht mit mir in fierübrong gesetzt hätte, c

In einem Punkte trafen aber die diverg-ierenden Geistosachsen innig zu- sammen, das war im Idealismus und im hohen Kultus für das sittlich und ästhetisch Geläuterte, in welchem auch die Aufgabe und das Ziel der menschlieitlichen Vollendung liegt. Humboldt war nicht minder Idealist wie sein Rrennd. Die Ideen waren ihm das Höchste in der Welt Dafi er diese transzendentale Urtypen höher stellte als jede Verwirklicbnng, buin sowohl als eine Platonische wie als eine Eantische Beeinflussung

ZMiiift ttr FUIoMpU« ttod FUiVog^ la. Jabigug. 15

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lütteiluiigea

gelten. Humboldt war tief ins Griechentum eingedrungen und mit Kants Oeisteswelt wohl vertraut. War ihm in letzter Richtung Schiller sehr Btark überlegen, so war er ihm dafür sehr zurück in der Kenntnis dei> Uaadacliea Hellas. Schiller schitste sehr Hnmboldis KenntnisBe des grieehiicheo Gdstes und fimd sieh dansh dieseLben lebhaft aageragt Dm war fOr ihn ein positiver theoretischer Gewinn aus dem Verkehr. Aob BeUaa schöpften und nährten sie den Sinn für das Element des Schöneo im nllgomeinen, für den ethisch -ilstheti sehen Begriff des Einklangs, der Harmonie von Denken und Fühlen, in seiner Anwendung auf iraraaneDte Verhältnisse. Doch auf der Basis von Kants Lehrgebäude entwickelte Schiller seine objektive Begründung des Sittlichen und des Schönen. Aus Eants antoDomen Maohteprooh: »Bestimme dich aus dir selbsU diesem Orundaxiom des Sittlichen deduzierte Schiller auch den objektiTeD onl tiieoretischen Grand des Schönen. Schönheit ist Freiheit in der Encfafli- nuDg; d. h. das schöne Objekt muß den Schein haben, als h&tte es aus sich selbst die Teile zu seiner Charakteristik bestimmt. Sohin ist «las Sittliche mit dem Schönen an seiner prinzipiellen \Vuizelfai;er identisch verbunden. Die Probleme des Ethischen und Ästhetischen waren Haupt- anregung in den Diskossionen der bdden Freunde. Und der Kompas der damaligen Forsdierwelt wies konstant nsch der Richtung Jan, wo Yer> einigung des Getrennten, Anslogie des Entgegengesetzten, zu sudieii ssL Es schwirrte ein Streben in den hoben Denkerregionen, die natni'philo- sopliisclio Gesetzeseinheit des empirisch Getrennten zu ergründen. In Schellings Identitäts])hilnsnphie tmt dies als Bezogenheit auf das ganze kosmische All hervor. Erlolgrcicher bewährte sich dieses Streben in ein- zelnen Abteilungen des Denkerreichs. Allen voran gab Schillers vereinigende Totalität diesem Problem die Wdhe eines scharfsinnigen Ideals. Auch Humboldts Denken war von diesem Ftoblem impifigniert, und tou seinen zwei berQhmteD, in Scfailleirs floren veEQffientlichten Abhaiidlungen, ist us- besondere die erste: »über den Qeschlechtsunterschied und deren EinfloS auf die organische Natur« davon getragen. Die beiden Schillerschen Grundbegriffe: Der Antagonismus und die Identität, sind die Bausteine dieser Schrift. Erst entwickelt er darin den Gegensatz in der Charakte- ristik der Geschlechter: Selbsttätigkeit ist die Signatur des männlicheo, und Empfänglichkeit die des weiblichen Geschlechts daianf wird pemllel diesem Dualismus ein geistiger statuiert Auch im Intellskt bestäie ein sweifiusher üntnsdiied. Und diese kOrperlicdis und geistige DupUzitit überbriUdtt dieselbe Gesetzlichkeit zur Totalität. Aus diesem Fundamental- gedanken spricht deutlich die Verwandtschaft mit Schillers I>ehrsatz: daß parallel der Zweckmäßigkeit der Naturordnung, walte das Gesetz der moralischen Weltordnung. Nachdem Humboldt mit duftig feinen Nuancen und mit i-eiclieo Empiindungstöneu wenngleich etwas zu weitschweifig und etwas zerEIosBen den Dualismus der GesoUediter in der Katar durofagefOhrt hat, schildert er das Widerspiel desselben im Intellekt In beiden von den nftmlichen Grundgesetzen behsctschten Gebieten ist die Doppelgeschleohtlichkeit die Triebkraft des Lebens. Die geistige Schaffens- kraft, die ^nen Abglanz der Schöpfungsmacht darstellt, ist das Qeoi&

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1. KoDgeoiale Qeiaieafüzsten

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Das Genie ist die Potenz, welche geistige Gebilde in die Welt setzt. Das formende Genie ist das Pendant zum ßelbsttiitip- männlichen Charakter, das stoffliche Genie ist Repräsentant des empfindenden weiblichen Wesens. Das Fornigenie wirkt freier durch Vorheri-schaft der Vernunft Das stoff- liche Genie hingegen ist leioher durah die FUle der anfnehmenden sIdq- liehen Eindrflcke und wkt. durah Übennacht der Phantasie. Die Beminis- lensen an Schiller häufen sich hier auf Schritt und Tritt So mahnt die Unterscheidung der dualistischen Genies, an den Menschen als »Person c und den Menschen als »Zustand« in den ästhetischen Rriofen. Noch markanter ist die Verwandtschaft von diesen zweifachen Genies mit Schillers Entwicklung des naiven und sentinientaiischen Genies, in der unvergäng^- lich gro&utigen Schrift über diese Dichtungsarten. Im Ausgangspunkt, im Besnmö der Anaführaog, widertOnt der Tersöhnlicfae Gedanke Tom teleo- iQgisehen Zusammenwirken des Entgegengesetsten. »Indem alles Mlan- liche angestrengte Energie, alles Weibliche beharrliches Ausdauern besitzt, bildet die unaufhörliche Wechselwirkung von beiden die unbeschränkte Kraft der Natur.« Ähnliches offenbart die Produktionsgabe des Genies. Jedes echte Kunstwerk ist die Frucht einer freien, auf sicii selbst ge- gründeten Kraft, dennoch kann erst die Vereinigung von männlicher Ver- nunft mit weiblicher Phantasie zugleich Tiefe und reizende Anmut ge-

Humboldts zweite in den Hören erschienene Abhandlung ist die »Uber

die männliche und weibliche Form«; somit ein analoges Motiv, Das Problem der Geschlechter übte offenbar eine lebhafte Anziehung auf Humboldts weiche und emitfängliche Natur aus. und er behandelte es auch hier teilweise stimmungsvoll imd teilweise abstrakt Es war in ihm noch ein Überschuß, ein Plus des auf die Menschheit gerichteten Inter- esses, was sich diesem Problem zuwandte. In der jetzigen Schrift ist SehiUem ISnfluA womöglich noch markanter, doch steht de auch unter HdhM Palladium. Für beide Richtungen kann der nachfolgende Aus- spruch von Schiller als verborgener Text der Durchführung gelten. >Dem Griechen ist die Natur nie bloß Natur, danim darf er nicht erröten, sie zu ehren; ihm ist die Vernunft niemals bloß Vernunft: darum darf er nicht zittern, unter ihren Maßstab zu treten. Natur und Sittlichkeit, Materie und Geist, Erde und Himmel fließen wunderbar schön in seinen Dichtungen zusammen.« (Anmut und Wflrde.) Die YeipersOnlichung der Ueen im Olymp ist Ausgangspunkt der EntwicUong; und ans ,diesem AiMgang blinkt griediisofae wto Sdiillerisohe Anregung, denn er mahnt staik an den sinnvoll mythischen Eingang zu »Anmut und Würde <, wie an die glänzende Schilderung der Inno Ludovisi (15. Brief über ästhe- tische Erziehung«). Dieses Volk, das »den verborgenen Charakter eines Wesens in seiner noch imentfalteten Knospe zu pflücken und in dieser Zartheit mit einer Gestalt zu umgeben« verstand, hat in der Venus daa Ueal der Weibliohkeit in allen seinen Einzelheiten aur Dantallung ge- biacht »Was unser dunUee GefQhl von der weihUchen Bildung erwartet, finden wir in ihr am leichtesten wieder.« Hingegen ist in keiner mythi- achen Gestalt ^in dieser Vollkommenheit das Ideal reiner MAnnüohkeit aus-

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Mitteilongen

geprägt. Darin liegt schon Humboldts resTimierender Gedanke von der größern Eignung des Mannes zur pemislosen Menschheit vorgebaut. Die b^te YerkörperuDg der Idee des Mannes ist der farnesische Herkules. Bei der SehOnheit de« W^bes »wird mehr QtfBhl durah die freie nUle des SloffeB und doieh liehUche Annrat der ZUge befriedigt«. "WUirad »bei der SchOnhett des Mannee mehr der Verstand durch die Oberherr- schaft der Form und durch die kiinstmäßige Bestimmtheit der Züge« in Betracht kommt. Die Unterscheidung der beiden Arten von Schönheit ist "von Blüten der hochgestimraten Schillerschen Schönheitslehre, wie man sie aas »Anmut und Würde« und noch ausgereifter aus den ästhetischen Briefen kennt durchwirkt Insbesondere ist Schülers analytische Untere eoohoog der eoeigiBciheii und Hchmeleenden SöhBuheit (16. 83. Brief) tiel beoetst Die üefBioiiige tranuendentale Foceohnng wbd aotfaxopokgisdi gewendet, das Abstrakte wird vermenschlicht Und angeregt daven, dal Schiller das Ziel beider Arten des Schönen in deren Vereinigung zum Idealschönen erblickt, findet Humboldt, daß die Konsnramation beider Ge- schlechter in eiuem geschlechtslosen Menschen der Höhepunkt des schöpfe- rischen Hervorbringens wäre. Docli wie nach Schillers Elrraessen. ein solches Gleichgewicht von Vernunft und Sinnlichkeit, eine solche harmo- niBohe Weohaelwirkung von IVeiheit mid Notwendigkeit, wie eie dee Id«d- •difine erfordert, nieoudB verwirklicht werden kann, ao kann nach Humboldt dieser Ausgleich von Selbsttätigkeit nnd EmpfÜnglichkeit, welcher den über alle Eigentümlichkeit der Oattimg stehenden geschlechtslosen Ideal- menschen begründen würde, nur in der Einlnldnnjjskmft vorgestellt werden. Dem Manne aber ist es durch seine innere Freiheit eher gestattet, sich dem Ideal eines geschlechtslosen Menschen anzunähern, als dem Weibe; dessen Charakter der Art nach zwar voUkommeuer als der des Mannes ist^ dooh dem Qrade nach stehe er gegen diesen sarOok.

In dem feinsinnig abgetOnton, tiefdmpohdaohten, doch etwas unebnen nnd weilsaihweifig auseinandergehenden Vortrag ist Hangel an plssljsnhff PMgnanz, an organisch festem Bau, fühlbar.

Diese zweite Publikation der Hören ist noch reicher als die frflhere von Schillers Gheistesblüten durchsetzt Doch aus ihrem Spiegelbild übten einzelne Züge eine rückwirkende Belebung auf Schiller aus, und Besultate dieser sind seine Gedichte »Würde der Frauen« und »Die Oeechleofater«. An venohiedeDSQ Stellen derselben sind Humboldts BekinchtungSD kUcper- haft sohfln ausmodeUktt So s. R »la der minnlidhen Gestalt ist Ob«^ gewicht der Knft ohankterisiert. Mit Schnelligkeit sehen wir sie daher die Muskeln anspannen. Mit Heftigkeit sich aller hindernden Masse ent- ledigen.« Und Schiller singt: »In der Männer Herrschgebiete gilt der Stärke trotzig Recht« Weiter sagt Humboldt: »Die weibliche Form be- 2aubert zuerst die Sinne durch ihre Anmut« Da aber »die Fülle sion- liofaflii Beiles nur Ausdruck zarter und feiner OeisUgkeit istc, so llisit die sinnlidie Empfindung« in unentweihter Reinheit in die geistige fiber«. Und dies gibt Schiller in der dichterischen ümbilduog. »Und in der Grazie züchtigen Schleier, nfthren sie wachsam das ewige Feuer sohOMr QefOhle mit heiliger Hand.«

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2. Baltaaar Oraoian nnd seine Philosophie

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Humboldt äußerte: es sei ihm »ein unbeschreibliches Gefühl gewesen, Dinpe, über die er so oft gedacht und die mit seinem Wesen verwebt seien, in einer so schönen and angemessenen Diktion ausgeprägt zu finden

2. Bftltagar Graoian und seine PliilOBophie^)

Von dem Leben Gracians ist nur wenig bekannt. Im Jahre 1C66 schrieb von ihm der Reisende Aarsens von Sommerdyck, als er den Qe- Imlsort des Philosophen, Calata^md in AragonieD, anf Beiner WandeniDg berflhite: »Ei ist ein SohrifisteUer unserer Zeit, welcher von den Spuiein

hochgeachtet wird. . . . Seneca und Tacitus haben in der Stilistik im Ter» gleich Z11 ihm nichts verstanden, und wenn man von ersterem behaupten kann, daß sein Stil ,Sand ohne Kalk' ist und von der geheimnisvollen Schreibart des andern, daß sie mehr enthält, als sie ausdrückt, so kann man vom Stile Gracians sagen: Seine Perioden sind so schlecht gebaut, nod in seioen Worten liegt soviel Zurückhaltung, daß der Gedanke sich dahinter verbirgt wie ein schledht gefoSter Diamant, dessen Licht und GlaDz nnr halb zur Geltung kommt.«

Etwas mißtrauisch muß man sich gegen die unzulänglichen Behanp- tongeu verhalten, welche der amerikanische Geschichtsschreiber Geor^ Tickuor über unseren Seliriftsteller aufstellt, in seiner »Geschichte der schönen Literatur in Si>anien<' - ), wf^lche bis jetzt das umfangreicliste, leider mit vielen Mängeln behaftete, liilismittel füi- das Studium der spanischen liteiatnr des 16. und 17. Jahrhunderts ist Obgleich wir schon in Kail Borinshys 9Baltha8ar Gradftn und die Hofliteratur in Deutschland«, Halle a/8. 1894, sowie in der Besprechung dieses Buches durch Artnro FarineUi in der Zeitschrift für vergl. Literaturgeschiclite, Neue Folge IX S. 369 ff. und in der Revista cn'tica de historia y litoiatnra esp., port. e hisp. am., Ma<Jrid, Enero de 189G, einen wesentlichen Fortschritt in der Forschung der Fraf^e zu verzeichnen haben, so wäre doch zu wfinFchen, daß ein Homauist dem Leben und den Werken des araguuischeu Jcäuiteu eine gnmdlegende Arbeit widmen mOobte.')

Eine Zusammenstellung des geringen biographischen Materials, welches bis jetzt über ihn Torhanden ist^ kOnnte nur wenig dazu beitcsgen, die-

') Entwurf zu oinetn Vortrag iui Neusprachlichen Verein Ilaniburg-Altona.

*) Deutsch mit Zusätzen herausgegeben von Nik. Ueinr. Julias. Leipzig,. Bpockhans, 1862. 2 Bde.; mit Supplementband, bearb. von Ad. Wolf. Ebenda 1867. 8. femer, als anderes Bebpiel der veisohiedenartigen Wertsdilltniig einer mid desselben Schriftstellers, Mr. Graut Duff's Miscollanies (1S78)

*) 8f'lbst nach dem Erstheinou des Werkes: D. Narciso Josö de Lifian y fleredia, Baltasar Gracinn (1601-1658). Madrid, Asilo de huerfanos, 1902. 102 pags. y 8^ bleibt obiger Wunsch bestehen, denn dieses Werk, welches vcsan der mdiaiistvollen Bosehreibong des Lebens OraaÜns und der Analyse des Gritioöiu nicht uaerwihnt bleiben darf, wUl nur ein Schritt anf dem Wege lom. ZMsaem.

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Mitteilnogen

wesentlichen Zöge seiner Philosophie zu erklären. Wir wollen hier auch nicht die sämtlichen Titel seiner einzelnen Werke aufzählen, die bei Ticknor (wenn auch nicht vollßtändig und chronologisch richtig) mitgeteilt sind Wir begnügen uns mit der Angabe^ daß von den alten Ausgaben eine aoUechter als die andere ist und daß die einsige oeae aUgemeiii m- gSngfidie (Büilioteca de Autoiee Espafloke de BivadeDeiyiB, tomo 65) im- voUständig und schlecht geordnet ist. Yorübergehend sei erwähnt, dat Schopenhauer die Agudeza y Arte de ingenio unter dem Titel »Baltasar (Jraciäns Handorakel und Kunst der Weltkhigkoit«, Leipzig 1862 (4. Ausg. 1891), übersetzt hat und daß er in einem Briefe an Keil (1832) die Ab- sicht ausgesproclien hat, auch »el Criticön« zu übersetzen, wenn er einen Verleger dafflr finden kOonte, was leider nicht eintrat^)

Der Fall Qraoi&na ist in Spanien nidit sdten: dn Mitglied der tatfadisehen Kirche und in dieser Kirche der Yertreter eukss OrdeoBf dor orthodox par exoeiUenoe sein soll, gibt \ms das Beispiel einer solchn Freiheit der Auslegung, einer solchen Unabhängigkeit des Urteils, daß man es eher mit einem jener Heterodoxen zu tun zu haben glaubt, welche die Inquisition auszuwandern nötigte, mit einem Luis Vives oder einem Juan de Yaides, als mit dem Rektor eines Jesuitenkollegiums. Unter seiner MOnöhskatte awdit man Tergebens eine kirchliche Seele: der Asketismos hat den Skeptiiiamus eneugt; in dem Mafie ine der Körper sich vom Stoffe befreit, bewegt sich der Geist freier und unabhängiger in dem Beicfae der Spekulationen. Mit mehr Recht als La Rochefoucauld h&tte Graciiin pagon knnnen: »Ich habe zwar Geist, aber einen Geist, welchen die Schwermut verdirbt.« Man hat in Graciun im allgemeinen nur einen Literaten, einen Conceptista sehen wollen, den Gesetzgeber einer Schule, die man nicht mit der gongoristischen Schule der cultos verwechseln darf, •wie es ninr in hSnfig gesHshieht Mancheemal bekimpfl er in seinem Critiofo die Anhänfong fader Allegoiien, unerhörte Ifetapbem nnd Tcopen, gekOnstelte Antithesen, nene und nngewohnt angewendete WOrter und Phrasen, wie sie bei der Sohnle der onltos vorkommeiL In dieaer Polemik liat er deutlich angegeben, was man unter KonzcptismtiP zu verstehen hat. Der Konzeptismus besteht nach Graciun in der intellektuellen Vision des harmonischen Zusammenhangs zwischen zwei oder drei Konzepten. (Agu- deza, Diso. 11^.) Während also das Bestreben der cultos dahin ging, die Wortkomplikaftion des Gedankena sn eneidien, besteht das der Koniep- tistsn darin, dafi sie eine intellektuelle Yersinfaohung des Gedankens be- absiohtigen. Sie versuchen immer, in möglichst wenig Worte einen mög- lichst grofien Sinn einzuschließen. Man darf also nicht den Namen GraciÄns mit demjenigen der Gesohmacksverderber jener Zeit verwechseln und nicht die Schule der Konzeptisten mit derjenigen der Pröcieuses in Frankreich, der Marinisten in Italien, der Euphuisten in England, noch mit den schlesischen Schulen in Deutöchiand.

Betr. die deatschen Überaetzungen des 17. Jahih. sisiie Adam Sohaeider, Spaniens Anteil an der dentiohen Utentar des Id. und 17. JahihnndeitB. StraS* bugi.B. 1808. 8. 163 ft

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2. Baltasar Oracian and seine Philosophie

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Aber Gracian hat überhaupt die Stilfrage mehr als eine Nebenfrage und nicht als Endzweck betrachtet Sein Endzweck ist die Erklätung des LelfCnsrätsoLs und die Verwirklichung des Glücksprobloms Was ist nun (las LeU'U nach Gracian? Es würde zu weit führen, auch nur die typischsten Gedanken hn Critic6n hier vollstfindig wiederzugeben, in denen die peseimistisobe LebenaanffaBsang des Jemiteo in ihrer bewtiAten nnd gefaßten Tnuirigkeit encheint Nnr ein paar der hervonteeliendaten aden hier fibersetzt:

»Alles in diesem T^ben geschieht im Scheine, noch besser gesagt: in der Einbildung; selbst das Wissen ist nur ein Phantom.«

»Alle Sterblichen sind Seiltänzer, welche der Sicherheit df^s dünnen Fadens eines zerbrechlichen Lebens auf Gnade und Ungnade anheimgegeben sind: Die einen iUlen heute, die andern morgen. Anf dieeeoi Seile er^ riohten aie nm die Wette hohe Bauten nnd nngefaenre Luftsdüfiaeer, welche ein Schlag des Schicksals umwerfen kann. Sie wundem sich Aber die Kühnheit ihrer Nachbarn, welche sich auf ein festes Seil wagen und vergessen dabei, daß sie s»^lbst in ihrer wahnsinnigen Hoffnung auf einem seidenen Faden fußen oder sogar nur auf einem Haar, was noch zu viel gesagt ist, vielmehr nur auf einem Spinnenfaden, aucii das ist noch zu viel gesagt, vielmehr nur auf dem Lebensfaden, welcher dünnei als alle andern llden istc

>In dieser Welt geht alles Terkehrt Die Wahrheit wird verfolgt, das Laster erhält Beifall; der Aufrichtigkeit wird der Hund versperrt, die Vedenmdiuig hat hundert MAuler.c

>Der Mensch stirbt, wann er anfangen sollte zu leben; unser Leben ist nur ein langsames tägliches Dahinsterben.«

tist diese Welt selbst etwas anderes als Wind? Nimm dem mensch- üdien Körper die Luft, und du wirst sehen, was davon übrig bleibte

»Das Elend des Heneoben macht sich aus seinem Elend eine IVophle.« . . .

In Wirklichkeit ist dieser Pessimismus, so ausgeprägt und kategorisch er anch sein mag, kaum etwas anderes als der alte Pessimismus der christlichen Mystiker und kfmnte nicht als oiiginoll golttM), wt im er nicht mit so starker Oberzeugimg und in so bündige Au^drucksweise abgefaßt wäre und zwar woniger als streng geordnetes System, als u zentreuten Sprachen. Was den Werken Graciins ihr eigentOmliches OeprSge gibt, ist der Umstand, dafi er neben jener negativen Theorie sich .bemüht hat, ein poeitivee Lehigebftude aufzurichten, um die zweite Haupt- trage des menschlichen Daseins zu lösen: Zugegeben, daß das Leben schlecht ist, wie soll man dann das Glück erreichen, die Grundbedingung der Existenz? Gracian hoixuügt sich nicht mit dem »Entbehren sollst da, sollst entbehren!« der Stoiker. Er hat ein positives materielles Glück nötig, und auf die Lösung des Glücksproblems richtet er die ganze Stärke •emer intelkiktoeOen BemAhung. Der »malicia« der Welt setzt er die »miliciac seines hfooe, seines poHtico, entgegen. Wir verzichten hier darauf, auseinanderzusetzen, was in dieeem wahrhaft positiven Teile seines Werine der VeiiMser seinen spanischen Yorlftufeim und den »trattatistic

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IGtteihingea

verdankt, jenen moralischen und politischen Schriftstellern Italiens, eines Landes, das während des ganzen 16. Jahrhunderts die Lehrerin und Er- ziehenn Europas geweseo ist Wir begnOgen uns vielinehr damit, in einigen Worten die Sanptsflge seiner Lehren snsammenimfaeson;

Der Weise, el poUtico, wird nie vergessen, daß das Leben ein Kampf ist. Dalier wappnet er sich gegen die Angriffe der Welt. Die Klnfrheit und die Vorsicht sind seine Lioblingswaffen. Auch ein Gran Kühnheit ist manchmal von großer Wirkung. Zeit und Raum beherrschen zu können, warten zu können, ist die größte Kunst Die Grundbedingung, um in djeser Kunst Heister su sdn, ist die »ospaddadc Wir mflssen Kenntnisse fiber Kenntnisse sammeln. Mso kann nie zuviel wissen. Wer am besten gerüstet ist, hat am mdsten Aussioht su geiwinnen. Daher hat König Ferdinand (Ferd. Y., der Katholische, 1452—1516) neue König- reiche zu erobern verstanden. Die wahre Kraft liorrt im Individuum; alle menschlichen Erfolsro sind das Ergebnis individueller Kräfte: Der einzelne Mensch, nicht die i^voWo Monge, ist Lenker des Schicksiils. Aber um Herr über andere zu sein, muß man vorher Herr über sich selbst sein können. Man mufi sidi verstellen kOnnen: Die Sanftheit der Taube mnfi beim h6a» gemildert werden durch die Klugheit der Schlange. Etwas wissen und sein Wissen zu seigen verstehen, heiAt doppelt gelehrt sein. Die Ver- achtung ist manchmal eine feine Waffe auf dem Wege zum Ziele. Man soll sieh jnonschlielipr Mittel bedienen, als ob es göttliche nicht gäbe. Wenn man ater einmal zu einem göttlichen Mittel greift, so muß man vergessen, daß es auch mensclilicho gibt. Zur rechten Zeit zu handeln, für alles den geeigneten Zeitpunkt zu ti-effen, seine Ware an den Mann SU bringen auch die Wahrheit ist eine Msrktware: todo es meroanda en el mundo, tambito hi verdad bei allen Dingen gersde das Passende SU treffen, alle Dinge im richtigen Augenblicke zu genießen: darin besteht nach Gracian der Geschmack (el gusto). Der Geschmack ist demnach eine Folge der Kultur und nicht eine angeVioreue Gabe. (El gusto y la cultura estan en reciproca relaciön.) Der Gipfel des Geschmacks ist der despejo, ein unübersetzbares Wort, welches dem »je ne sais quoi« der Ästhetiker eutspiicht, über dessen Ergründung man schon soviel Sdiwin auf Weiß gesetzt hat. Sobald el despejo existiert, ist die Seele schOn geworden, hat sie ihre volle Entwicklung erreicht Der hto» ist des Fußgestells wfbrdig, auf den ihn die Fama stellen will, und er kann dieses Leben verachten; denn er hat allen Saft daraus gesogen, und von nun an kann ihn nichts Wtkrdigeres mehr hienieden festhalten. Er ist reif ffir das Eniinroum. Camille PitoUet,

Hamburg, 1904 Agrege de l'üniversite de France

8. Zu dem Streit KonfesBionsBoliiile oder SinraltMi-

Boliiile

Professor Th. Ziegler in Straßburg schließt das Vorwort zu seiner Schrift über die Simnltanschule mit dem doppelten Schlachtruf: Los von Bom; los von Witteobeigl Wohin aber der W^ dann gehen soll, daiaui

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3. Zo dem Streit Eonleeaionaeohale oder Sunnltanachule

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eriudten wir keine Aotwoil Hur das Mittel wird empfohlen: Eiiiriditimp von SimoltaDSchuleo. Eine wunderbare Selbsttäuschung aber ist es, wenn man glaubt, durch die Simultan schule los von Rom und los von Witten- berg zu kommen. Äußerlich ja. Der katholische Priester nimmt den katholischen ReligioDsunterricht, der evangelische Geistliche den seinen. Die Sohule ist beide los; aber nur adiaiiibar. Denn die Lefaier bkiben. Und diese Bind teSlB kstholieoh, tesle eTangeliaoh. Oder sollen duofaweff Joden Schule halten? Dann wären wir Rom und Wittenberg loa; aber Moria mit dem Tempel Salomos hätten wir dafOr eingetauscht Oder sollen die Lehrer in ilirer reliLrinsen Wellanschauung durch das simultane Lehrerseminar so indifferent gemacht worden, daü auch niclit durch die kleinste Hitze ihi-es Unterrichts der leiseste Luftzug ein(»s religiösen Stand- punkUj durci» wehen dürfte? Ja, so objektiv sollen sie sein, solche Frosch- JMtoieD, solche Phonographen, die nur herplapperu, was in sie hinein- gebracht worden ist den Kindemi die in solcher ObjektiTitat er- frieren — und wehe den Lehrern, die vor lanter RQckfiditnahme kein kritftiges Wort sprechen dürfen.

Und trotzdem. Das Wort Siraiütanscfanle hat ffir Tiele etwaa gerade- za faszinierendes. Wanun wohl?

Ihr Oegensatz, die Konfessionsschule, hat dies vci-schuldet, Sie hat es gründlich verstanden, sich unbeliebt zu machen die oiihodoxistischeD Kidse ausgeDommen, in denen sie geliebt wird. Ihr dogmatischer BeligioDB- mtemdit, das beste Mittel, um Kindern die Beligioo anssntreiben, ane geradezu mephistophelische Erfindung, wirkt so abstoßend, dafi man dieses fach gern preisgibt, wenn auch auf Kosten des Charakters der Schule. Dur mittelalterlicher Standpunkt, der die jpeistliche Schuiaufsicht mit l>e- ▼undemswürdigcr Stairheit festhält und die Entwicklung der Schule im 19. Jahrhundert vollständig übersieht, treibt jetzt auch ixjsitiv kirchlich gerichtete Leute von ihr weg. Ihre engherzige Auf&usung in Bezug auf die Lehreriuldang, ihr Bestreben, am alten Lehrplan nicht au rfittsln, und msnches andere hat ihr Fdnde Aber Heinde angesogen. Der Name »Kon- intionsschule« genflgt heute, um bei nicht wenigen geradezu Abscheu her- vomnifen, weil man mit ihm alles Rückständige und Bescluftnkte, alles Unpädagogische, Widersinnic^e und ftottvcrlrv^sene verbindet.

Es kommt hinzu, daü starke politisciie Parteien mit aller Leiden- schaft sich für die Konfessionsschule ins Zeug werfen, das Zentrum und die Hochkonservativen. Grund genug für die liberale Gegnerschaftf da- gegen snfsutreten, nm ihnen diese Waffe, diesen Stützpunkt ihrer Welt- anscfaammg und ihrer Herrschaft ans der Hand su winden. Deshalb ihr lehbaftes Eintreten ffir die Simidtanschule. Sie soll in der Hand des Staates das wirksame Mittel werden zur Breciumg der finsteren Milchte, zur Hebung der Bildung, zur Verwirkliclniiif: echter Toleranz, zur Ein- leitung wahren Fortschritts, zur Abschw&chung der konfessioneiiea Gegen- Bätze im Volke.

So stehen sich zwei Auffassungen aufa sohlrfete gegenüber. IKe erste aeUiefit so: Keine Erziehung ohne Religion; keine Religion ohne Konfession. Die Pflege der letaleren ist Aniigabe der Kirche. Darum muB dieaslbe in

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liitWlQDgen

organischer Yerbindung mit der Schule stehen, und zwar 1. iu Bezug auf die Leitung des Religionsunterrichts nach Ziel und Umfang, Methode und Lehimittel; 2. in Bexng auf^die Inspektion liber den ünterricht und das Leben der Schule. Die sweite Auffassung steht der eisten diametnl gegen- über: Die Schule gehört dem Staate und nicht der Eirche. Sie ist des- halb nach staatlichen Bedürfnissen einzurichten, nicht nach kirchlichen. Ersterc verlangen eine einzige nationale Schule. Da aber das Volk kon- fessionell gespalten ist, muß auch die Schule da, wo es sich um Religion handelt, konfessionell geteilt sein. Sie ist ein Sjiiegelbild unsres nationaleo Lebens und leidet deshalb an denselben Mängeln und Fehlern.

Es gilt SU den beiden Auffassungen Stellung zu nehoMD, und svar Tom pidagogiaohen, nicht Tom politischen Standort aus. Lsliterer verwint die Angelegenheit und schiebt sie auf falsche Geleise. Der ersten Auf* fassung folgen wir nur im ersten Satz: Keine Erziehung ohne Religion; keine Religion ohne Konfession. Die woiteron Folgerungen lehnen wir ab. Dem zweiten Staudpiuikt geben wir ebenfalls recht nur in Bezug auf den ersten Satz: Die Schule gehOrt dem Staat und nicht der Kirche. Die weiteren Folgerungen weisen vir hier eben&lls znrQck.

Wie aber haben wir uns eine Yerbindung der beiden Fundamentsl- sflftae zu denken? Dem Staat gehOrt die Schule. Das heißt aber nicht: Der Staat hat als Sehulherr mit alleiniger Macht den Charakter der Schule zu bestimmen. Das kann er nicht und darf er nicht, ohne den wichtigsten Faktor im Erziehungsleben zu vergewaltigen. Das sind die Familien, die im Schidvorstand der Gemeinde ihre Vertretung besitzen. Wenn auf Ge- wissensfreiheit Wert gelegt wird und wer wollte heute sie gering achten? muA die Entscheidung über den Charakter der Schule dem Hanpttnteressenten der Erziehung flberiassen, d. h. den Eamilien und ihren Vertretungen in den (Gemeinden. Geschieht das nicht, so verfallen wir der Vergewaltigung, entweder, daß wir die Konfessionsschule oder die Simultanschule swaag»- weise einführen wollen. Beides ist eines Kulturvolkes unwünlig. Einzig und allein der Grundsatz: Laßt die Familien über den Charakter ilirer Schulen entscheiden, gibt Freiheit und Frieden. Wenn sie in gemischten Gegenden sich fQr die Simultan schulen entscheiden, gut, so gebt bie ihnen. Wo sie fOr die religiflse Ei^hdtsschule eintreten, soll sie ihnen nidit vor- enthalten werden. Letztere ist und bleibt das Sohulideal das ist für jeden tiefer blickenden Evangelischen unbestreitbar. Sie braucht nichts von der Engherzigkeit eines erstarrenden Eonfessionalismus zu wissen, nichts von Intoleranz gegen Andersgläubige, nichts von Überhebung; sie soll durchaus Staatsschule sein, ohne kirchliche Aufsicht und Bevormun- dung — aber sie muß allerdings fest verankert sein in dem Geiste echt evangelischer Freiheit und Wahrheit. Eine solche Schule, die wir nicht als Konfessionsschule bezeichnen mOchten, sondern als pädagogische Einheitsschule, steht wdt über der Simultanschule, die keine Notwendig- keit ist, sondern nur ein Notbehelf, die die kirchlichen Qegeasitie nioht aus der Welt zu sobaffsn, sondern in unseren Zeiten eher zu versohlrfen vermag.

Erst dann kann sie zum Ideal werden, wenn FMtestanten und Katho-

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4. Zar BebaDdlnog von Oediohton in nnfleren Scholen

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liken einen gemeinsamen Keligionsuntemcht ertragen gelernt haben; wenn die konfessionellen Gegensätze unter den Erwachsenen soweit überwunden sind, daß hoide Konfessionen ihre Jugend einer Schule anvertrauen, in der ein gemeinsamer biblischer Religionsunterricht die Grundlagen für die diuiBtliche WeltaDschauang legen darf. Aber wann werden diese Zeiten kommen? Wenn anoh auf evangeliaciier Seite die Hand bereit ist zum Bund an! der katholiechen regt doli mehr als je Unduldsamkeit nnd Feindschaft gegen das lutherische Ketzertum. Man denke an das Auf- treten des Metzer Bischofs. In solchen Zeiten wird die paritätische Schule nur zu leicht eine Städte der Verbitterung und des Kamj>fcs oder der Unterdrückung des schwächeren Teiles, wie man es in den Simultanschulen Österreichs erlebt hat. Warum lernen die begeisterten Lobredner der paritätischen Schule unter den Protestanten nicht von solchem Beispiel? Waram treten sie nicht lieber fOr die Entwicklung onseree evangelisdien SdinlweeeuB in Mera, eeht protestantiBohen Geiste ein, so daS es immer mehr Anziehungskraft auf die katholischen Familien ansQbt? Auf dieser Linie sehen wir den Fortschritt für unser Volk von dor paritätischen Schule können wir solche Früchte nicht erwarten. Aber trotzdem liegt es uns fem, sie zu unterdrücken, ihrer Ausbreitung; Hindernisse in den Weg ZU legen, wo die Gemeinden sie aus schultechnischen oder finanziellen Qrfinden haben wollen.

JSfvat dagegen wenden wir nns, daft wir die Simnltansohnle als Schnl- idesl ansehen und für sie eintreten sollen. Dagegen strftnbt sich unser pädagogisches Gewissen, das die Einheitsschule, einheitlich im Geist luid in der Wahrlirit, fordert; das sich dagegen auflehnt, daß man die Schule mit simultaner Einrichtung als ein Kampfmittel gegen rückschrittlichen Konser- vatismus im katholischen wie im evangelischen Lager benutzen will. Lafit der Schule ihren Frieden und der Jugend üir Paradies! Besinnt euch, ihr pdilMien Fsrleien, auf die Foiderungen echter Freiheit ond wahrer Duldsamkeit. Gebet den Eltern was ihnen gebflhrt, und wollt nicht Wohltaten zwangsweise anfdifogen, die ihnen zuwider sind!

4. Zur Bebandltmg von Gadiohten in unBeren Sohnlen

Herr J. F. Lichtenberger, Lehrer in Neuderben bei Ftoey an der Elbe, berichtete im »BtksheEfreondc (1904, Nr. 9) Ober eine Rezitstion, die ntnlein Holgers-Berlin gehalten hatte. In diesem Bericht heiAt es:

»Völlige Klarheit in dieser Frage (Kunst und Erziehung) ist mir aber eist durch Maria Holgers geworden. Sie hat mich die gewaltige Wir- kung der Kunst auf den Menschen, den reinen veredelnden Einfhiß onip- hnden lassen. Wie auch Kinder dafür cmi»f;inplich sind, das Aveiß jeder, der es schon einmal der Mühe für wert gehalten hat, Kinder daraufhin ZQ beobachten. Und es ist eine der grOßten Sünden der Pftdagogik, wenn sie den veredelnden, eihebenden SinflnA der Knnst auf die Bonderseelen nfadit ansnntzt oder ihn doroh versfeBodesmäfiiges »Zerpflücken« beein- tMohtigt oder gsr zerstört.

Jena

W. Rein

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Mitteilaogen

Zum Schluß miLß ich noch eine Klärung erwähnen, die ich Maria Holgers verdanke und die wohl, nach dem Vorhergegangenen, niemand erwarten wird: trotz alledem und alledem ist doch eine » Besprechungc des Stoffes möglich, die dem fiindruck des Kunstwerks keinen Ab- brooli tat.

lian hOre: als das Progninm des Abends beendet wtat, tnt die Kttostlerin noch einmal vor. Daß nodi etwas Besonderes kommen mflsäe, seigte ihre ganze Erscheinung: es war unvergleichlich, wie Jondlitdie Un-

befan<Tciilieit. wie sie nur der Kunstler sich bewahren kann, und zarte, echt weibliche Bcfanpronheit sich vereinten. Und dann bat sie mit kurzen Woiten, ül>er den frr.hlichen Darbietungen, die den Schluß gebildet hatten, doch auch das Ernste nicht zu vergessen. Sie wies namentlich auf »die beiden Taaben« und »Fremd und Feinde von Targen jeff hin und madite auf die ethischen Qmndsilge nnd ihre Bedeotang ffir nnaer Leben auf- merksam. Sie gab also, wenn man will: Zasaauneofttsong und Anwen- dung der Herbartschen Formalstufen.

Man mag dies Verhalten künstlerisch und auch mensclilich für bedenk- lich, ja für geschmacklos erklären aber wer's nicht miterlebt hat, der kann nicht darüber urteilen; denn es kommt dabei weniger auf das »Was« als auf das »Wie« an. Wie es Maria Holgers tat, war es groß und gut, nnfibertielßidL Und der BeiM, der duaiif folgte, schien mir der herzlichste und tiefete. FQr die KQnsUeiin muA er der WertvoDsle ge- wesen sein; denn er galt nicht nur ihrer Kunst, sondern auch dem grofiem und gaten Meeschen in ihr.

In jenen Augenblicken ist mir klar gewoiden, daß auch in der Schule eine solche »Behandlung« ])oetiseher Stoffe möglich ist, ohne den künstle- rischen Eindruck abzuschwächen. Sie ist sogar wünschenswert. Aber nicht jeder kann es. Nur der Lehrer mit feinem künstlerischem Empfinden wird es vennOgen; jeder andere lasse die Finger davon.c

5. Beiträge snr Weiterentwicklimg der ohiisttioben

Religion

Llhalt: 1. Wesen und Ursprung der Keligion, ihre Wurzeln und deren Entfaltung von Prof. Dr. L. von Schroeder, "Wien. 2. Das Alte Testament im Licht der modernon Forschung von Prof. D. H. Gunkel, Berlin. 3. Evangeliuni und Ur- chribteotuni (Das Neue Testament im IJcbt der historischen Forschung von Prof. D. JL Deifimann, Heidelbng. 4. fleilsglaabe und Dogma von Frol D. Dr. L. Dnnar, KSnigsbeig. 5. Religion nnd Sittliohkait m Prot D. Dr. W. Hemnann, llarimiir. 6. Christentnm nnd Germanen von Sup. D. F. Meyer, Zwickau. 7. "Wissenschaft und Keligion von Prof. D. Dr. R. Eucken, Jena. 8. Religion und Schule von Prof. D. Dr. "\V. Rein, Jona. 9. Die pcmcinschaftsbildende Kraft der Religion von Lic. ü. Traub, Doilrauud. ]ü. Das W esen des Christentums von Prof. Lic. Dr. Ü. Wdbbermin, Beilin. 35 Bogen gr. 8^. Pros geheftet 6 K, sohSn geb. 6 IL

Mfinohen, J. F. Lehmanns Tellig. Das Ringen nach einer dem Denken und Empfiodea gleicfaermaßen gerecht werdenden Weltanschauung ist ein unverkeDsbans und hoobhedevt-

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5. Beitrige sor WaateveiitwMUiing der ehiiatlidiAii BeUgton

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sameB Morfanal der Oegenwart Auf alles GeMeteD der Kultur haben foraohmigeD und ErCnlinnigeD derKeoseit omgestalteDd gewirkt; sollte da nicht auch anf dem Gebiete der BeügioD das Gesetz der »EDtwicUungc getten?

Der Weg von Abraham zu Jesaias, von Thomas von Aquin zu Kant beweist, daß die religiöse Weiterentwicklung im alten Testament wie im Hittelalter und in der Neuzeit stetig bestanden hat und weiter besteht.

Nicht immer freilich hat die Menschheit den führendeD Geistern willig Oefdgaehalt geleistet; sie ist anch su manehen Zeiten auf lange und breite Abwege geraten. Dal also die chiistHcfae Religion etwa mit dem Jahre 1904 die Höhe ihrer Vollendung erreicht uud nunmehr für alle Zeiten xmd für alle Völker in einer bestimmten Form als ausschließlich wahr und unanfechtbar zu gelten habe, wird im Ernste kein denkender Mensch be- haupten wollen. Ebenso falsch wäre es andrerseits, den Ewigkeitswert gewisser Wahrheiten des Christentums in Abrede zu stellen. In dem immerwährenden Yorwartatrebea, in dem nnennfldliohen Suchen nach Wihriieit und Erkenntnis mflssen wir unsere Aufgabe erUioken« Das ▼or ürstairung«

»Das Werdende, das ewig wiikt und lebt, ümfaft' eaoh mit der Liebe holden Schranken, Und was in schwankender Erscheinung schwebt. Befestiget mit dauernden Gedanken!«

Diese herrlichen Ooothe sehen Worte scheinen das Tjeitmotiv für alle zehn Mitarbeiter der vorliegenden Beiträge zur Weitt'rentwicklung der christlichen Religion« gewesen zu sein. Niclit bloß niederzureißen, son- dern auch aufzubauen, hat sich jeder einzelne Bearbeiter obiger Ab- handlungen snr Pflicht gemacht und gerade in dieser poeitiTen Tendens liegt der hohe Wert des vorliegeoden Buches gegenfiber so vielen andern BAohem, die sich auch mit diesen brennenden Fragen der Gegenwart be- &Nen. Wer kein Neuling auf diesem Boden ist, »der Suchende«, wird mit großer Freude wahrnehmen, daß sioli hier Namen ron bestem Klang vereinigt haben, um »zur Weiterentwicklung der christlichen Religion bei- zutragen«. Leider verbietet es der Raum auf die einzelnen Abhandlungen besonders einzugehen. Die Nennung der Mitarbeiter imd der einzelnen ▼on ihnen Terfkfiten Abhandiuogen wird aber genügen, um das Interssse unserer Loser in hohem Ifafie waohsurufeo. Der eine wird sich mehr diuch diese, der andere durch jene Abhandlung zu dem Work liingozogen Millen, soviel aber glauben wir voraussagen zu dürfen: niemand wird das Buch aus der Hand legen ohne eine Fülle von schätzenswerten Anregungen in sich aufgenommen zu haben. Die Wirkung dos Buches wird also dem Oeist entsprechen, in dem es geschrieen ist, es regt dazu an, das Er- fctschliche zu erforschen und das Unerforschliche ruhig zu verehren. MSge das ▼ortrefflichö Buch viele Leser finden und so in recht weiten Krisen dem Geist einer erneuten Reformation, deren Bauschen immer vflvnehfflbarer wird, den Weg bereiten helfen.

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UitteiliiiigSD.

6. Über das engUaolie Sclmlweseii

berichtet Professor Dr. Wilh. Dorn in der Beilage sum Jahresbericht der Oberrealschule in Heidelberg, 1903/04. Da dieser Bericht auf mehr- jähriger Erfahrung in England und auf verständigem pädagogischem Urteil beruht, empfehlen wir ihn aufmerksamer Lektüre. Dieser Hinweis wird um so willkommener sein, je mehr in Deutseliland das Interesse fQr die Schulen des Auslandes wächst und je mehr wir uns anschicken, eio- dringende Vergleiche zwiBohen imsereD und fremdeD Schulen anioBtellen, sowohl nach der Seite der Organisation wie des inneren Betriebes hin. Es ist eine erfreuliche Tatsache, daß die Zahl der Deutschen wächst, die im Auslcmd zu beobachten und zu lernen suchen, um die Ergebnisse dem heimischen Bildungswesen zugute kommen zu lassen. Yor allem sei auf die beherzigenswerte Schlußbetiachtung des Henn Prot Dorn mit allem Nachdruck hingewiesen. W. B.

7. Bio >P&dagogi8Glie Gesellsoliaft«»

btt Gelegenheit der Jenaer Ferienkurse im August 1901 von Prof. D. Dr. Zimmer- Zehlendorf und Prof. Litt. D. Dr. Hein -Jena ins Leben gerofeiit hat sich als Ziel die theoretische und praktische Fortbildung der Erziehung gesteckt. Sie darf nicht in den Dienst einer einzelnen pädagogischen, politischen, sozialen, religiösen oder sonstigen Richtung treten; sie bewahrt sich den freien, weitblickenden Standpunkt Ihr gehören daher auch schon jetst angesehene Qelshrte und Sohidmlnner vetsdiiedener Bidttmigea an. Im ganten ifthlt die Pid. Gea. Ins jetit gegen 1800 Mitglieder.

Als erste Aufgabe hat sie doh vorgenommen, aus der Anzahl der erschienenen Schriften fQr Schule und Erziehung diejenigen zusammen- zustellen und knapp zu charakterisiereni die suTerlflssig, branchbar and wissenschaftlich unanfechtbar sind.

Bisher erschienen zwei Hefte: Verzeichnis von empfehlenswerten Schriften für den evangelischen Religionsunterricht von Dr. Meitzer- Zwidna (3. Anfl. in Yorberaitnng) und für den deutschen Unterricht von Dr. Matthias*Zwlckaa. In Yorbersitang befindet sich: Yeneiehms ▼on empfehlenswerten Schriften fQr den Geschichtsunterricht

Es ist für jedes Jahr ein Heft in Aussicht genommen; von Zeit su Zeit werden Nachtrüge herausgegeben.

Der Jahresbeitrag beträgt 1 M. DafQr erhält jedes Mitglied die Drucksachen der Gesellschaft zugeschickt.

Schließen sich Vereine oder größere Kollegien der Fftd. Oes. an, 80 ennilBigt sich der Jahresbeitrag je nach der Zahl der hüuntieleiidea Penonen für die Person auf etwa 40 bis 60 Pf. Anmeldungen nimmt der SchriftfQhrer, Rektor Winzer in Jena, sntg^gen. Dieser ist niusii SU jeder weiteren Auskunft gern bereit

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8. Lehrer-Seminar uod üuiveisit&t 9. Coedukation

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8. Lehrer-Seminar nnd Universität

Professor Friedrich Paulsen - Berlin schreibt im Augustheft der »Deutschen Schulec : »Auf der einen Seite entwickelt sich die Seminar- bildung in der Richtung, daß sie für ein nachfolgendcR üniversitätsstiidiiira immer mehr eine ausreichende Vorbildung gibt. Dpp Kursus der nach dem jüngsten preußischen Seminarplan vom Jalire 1901 eingerichteteu Au- BteHen zeigt in dieser Abeiobt dnen grofien, ja erataiinlioheii Fortsobritt . . . ^ nun darf wohl sagen, der Absolvent des neuen, secbsjAhrigen Seminar- knrsus wird im ganzen eine gleichwertige, wenn auch andersartige Ans- bildiing mitbringen als der Absolvent einer neunklassigen höheren Schule^ dem nnd jenem Minus steht auch mehr als ein Plus gegenüber . . . Und von der andern Seite kommt die Universität entgegen, vor allem ist sie im Begriff, den exklusiven Charakter, den ihr früher die bei der Immatri- kulation geforderte Kenntnis dor beiden alten Sprachen gab, abzulegen. Nimmt sie Obenealsohfiler auf, so hat sie kaam noch dnen Grand, Absol- venten des neuen Seminars ansmschliefien.c Professor Rein-Jeoa, urteilt fthnlich in Lohmeyers deutscher Monatsschrift: »Jedenfalls seht soviel las^ daß die Seminarbildung auf Grund der neuen preußischen Lehrpläne twar nicht von gleicher Art wie die Oberrealschulbildung, aber ihr voll- kommen gleichwertig ist. Deshalb muß das größere Publikum mit den herrsclienden Kreisen sich nach und nacli daian gewöhnen, die Seminare in der Reihe der höheren Lehranstalten zu sehen und die in ihnen er» worbene Bildung Ar gründlich und nmftssend genug sn schStaeni um als Grundlage für das Univeraititastudium su dienen. 0ie Gegner inneriialb der ÜniversitAten seien aber vor allem darauf aufmerksam gemachtt daß die Hoohacbulen durch den Eintritt der Volksschullehrer nur gewinnen kennen.« Dagegen wendet sich ein üniversitätsprofessor in den »Grenz- boten« unter der Überschrift »Kultusminister bleibe hart« direkt an die oberste ünterrichtsbehörde und an die maßgebenden Kreise, um vor dem Universitätsstudium der Lehrer zu warnen. Ob diese Stimme Eindruck JBsobeii wild?

9. Coedukation >E8 gibt auf der weiten Gotteserde nichts so Verlogenes und Un* wahihaftigee, als unsere heutigen Ofbntliohen Sitten in Besug auf alles, was mit Liebe susammenbingt, also mit dem höchsten Glflok, mit dem

die Natur ihre Kinder beschenkte. Heißt es da nicht im allerernstesten Sinne, daß aus dem Ootteshanse eine MArdergrube gemacht ist? Fade, süß- liche Koketterie auf der einen Seite, in der keine Kraft nnd kein Saft ist, und eine Prüderie, wie sie Zimmermann nach ihren Ursachen und Wirkungen so wundervoll in der Emerenzia von Münchhausen schildert, die arbeiten sich in die Hände bei der Mädchenei Ziehung, um das gut er- zogene, sittsam unschuldige PQppchen su kneten nnd suzuriohten, wie die Oeoolloohsft es braucht für die Bedflcfiusse einer faulig sdhiUerndflo, doppelten Moral und ihrer Minderwertigkeiten ' fOr das gesamte Fnuien- leben.c ^aiie Martin hi der Ilgl. Bondsobaa, Nr. 298.)

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IGttoilu Ilgen

Wir wüßten ein gutes Mittel, um dem geschilderten Cbel kräftig entgegen zu wirken. Das Mittel heifit: Gemeinsame Erziehung und üiitar> rieht beider Geeohlecbter in unseren Offentlioben Sohnlen vom Kindeiguten bis in die ÜniversitSt hinein. (VergL Beins EncyUopidie, Art ton Palmgren, Gemeinsame Erziehung usw. und Palmgren, Erziehongs- fragen. Altenburg, Bonde, 1904.) Aber leider gilt es einen Berg von Vorurteilen za überwinden, ehe man zu diesem Mittel greifen wird.

Kein

10. Der moderne XatexialismuB als Weltansohairaiig

und Gescliiohtsprlnxip

Unter diesem Titel verOlfentliobt Dr. Hermnnn Sohwars, Privit- dosent der Philosophie in Halle a. 8., in der Dieterichsohen Verlags*

bnohhandlung (Theodor Weicher) Leipzig eine Reihe von Vorträgen. (Preis 2 M), die er vom 4. 6. Oktober d. J. in der Berliner Friedrich Wilhelm - Universität vor den Teilnehmern des apologetischen Inatnik- tionskursus, veranstaltet vom Verein für innere Mission, gehalten hat. Die Vorträge wenden sich in klarer, faßlicher Darstellung an das l^ach- denken aller Gebildeten. In diesen Tagen, wo Häokels neiiM Werk »Die Lebens wandere von neuem die matmalistiscbs Welt- und Lebenaanflhssnng für die Religion aller Gelnldeten aosgibt, Itthrt die Sohrift von Schwarz vornehm, ernst und überzeugend den Kampf um geistigen Lebensinhalt. Sie ist ein philosophischer Protest gegen eine bloße Popularphilosophio, die unter dem Schein der Moderne innerlich vot- altot und unmodern ist. Sie bringt das befreiende und werbende Wort kiitischer Wissenschaft allen denen dar, deren Denken sich gegen die unerträgliche Tyrannei jenes naturwissenschaftlichen Dogmatismus sn wehren wagt

11. Bericht tlber die dreisehnte Herbstvenammlnng des Vereins fdr wissensehaftliohe Pädagogik, Beilrk

Magdeburg und Anhalt

Von Fr. Förster in Magdeburg:

Unter roger Beteiligung wurde die letzte UerbstversammluQg am 22. Oktober 1904 in Magdeburg abgehalten.

Ans der Ansprache, die der Bevollmächtigte an die Teilnehmer richtete, seien folgende Gedanken herausgehoben: Wenn wir die widitigsten Er- eignisse, die sich innerhalb der Herbartscben Pidagogik in der letrten Zeit abgespielt haben, im Geists an uns ▼orOberaiehen lassen, so mQesen uns in erster Linie die AngriBe auffallen, die sich gegen diese pAdago- gischc Richtung wenden. An und für sich ist jede Kritik erwünscht, weil durch sie Veranlassunc: zur Fortentwickhuig gegeben worden kann. Leider können wir von den geführton Angriffen nicht behaupten, daß aia

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IL Bericht über die dreizehnte Herbetremmmliiiig d. Yenins 1 wias. FSd. 241

etwifi wissenschaftlich Beachtenswertes zu Tage gslOrdert hAtten, so daß vir die Kritiker aaf das Dichterwort aufmerkflam machen mflohteo:

»Das ist die beste Kritik von der Welt.

"Wenn neben das, was ihm mißfällt, Einer was Eig nes, Besseres stellt.«

Sind dieee Tatsachen nicht dazu angetan, uns in freudige Stimmung zu versetzen, so erwächst mir im Gegensatz hierzu die angenehme Auf- gabe, ein Ereignis namhaft zu machen, das uns aus mehr als einem Grunde mit ganz besonderer Freude erfüllen muß: es ist das Erscheinen der >Hauptpunkte der Pychologie« von Dr. Felscb. Nach meinem Dafürhalten mnfi ein Lehrbuch der Psychologie drei Bigenschaften besitzen, wenn es aeiaem Zwecke gani entsprechen soU. Es muß mnlohst einen festen philosophischen Standpunkt einnehmen, von dem ans die psychologischen Lehren beleuchtet werden. Es muß femer den verarbeiteten Stoff ein- wandfrei darstellen, wozu ein nicht geringes Maß philosophischer Bildung des Verfassers erforderlich ist, und endlich darf die pädagogische An- wendung an den geeigneten Stollen nicht außer acht gelassen werden, denn erst hierdurch erlangt die Psychologie für den Erzieher eine prak- tiaohe Bedeutung. Diesen Anforderangsn entspricht das erwfthnte Werk in herromigendem Jfaße. Wenn ich mir gestatte, an dieser Stelle auf das- selbe hinsuweisen, so geechieht dies, um dem Herrn Yerfluser, der sein henronagendes Wissen und Können seit Jahrzehnten in uneigennfltziger Weise in den Dienst der Lehrerfortbildung gestellt hat. fiir seine köstliche Gabe von Herzen zu danken und um unserer gomoinsamon Kreude darüber Ausdruck zu geben, daß der Autor eines solchen Werkes ein Mitglied Uüserer Vereinigung ist.

Kadidem die eingegangenen Zuschriften bekannt gegeben waren und «inige geschAftticbe Angelegenheiten ihre Brledigung gefunden hatten, trat man ein in die Besprechung der Arbeit des Rektors Sachse- Magdebuiig über »Apperzeption und Phantasie in ihrem gegenseitigen YerhftltDis«. (Pädagogisches Magazin, Heft 243. Sonderabdruck aus den »Deutschen Blättern für erziehenden Unterricht«, Nr. 50 52. Langensalza, Hermann Beyer & Söhne [Beyer & Mann], 1904.)

1. In der Einleitung entwickelt der. Verfasser folgende Gedanken: Den Standpunkte des metaphysischen Bealismus gemßß sind die TrSger des psychischen und physischen Geschehens einftudie, aber individuell Ter- aefaiedene Weeeo. Eins dieser Wesen, dessen Zustande uns bewußt werden, hf'int Seele; die Zustände aber, die durch das Zusammen der Seele mit anderen realen Wesen in ihr erzeugt werden, nennen wir allgemein Vor- stellungen. Die Seele kann mit vielen realen Wesen ein Zusammen ein- geben; daher hat sie auch die mannigfachsten Zustände oder Vorstellungen. IHe Vorstellungen zeigen eine eigentümliche Bewegung und einen be- stlndigen Wechsel. Die Bewegung der YorsteUcngen ist ffir das gesamte geistige Leben von großer Wichtigkeit, denn sie bedingt einen großen Teil denen, was den psychischen Mechanismus ausmacht, wozu auch Apper- Mption und Phantasie zu zählen sind.

ZritMittttt fSr FhOcMpUe und PMugogik. 12. Jahisai«. 16

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Mitteilungen

In der Besprechung wurde von einer den Herbart- Vereinen fem- stehenden Seite die Psychologie Herbarts als veraltet bekämpft und dafür diejenige Wundts emplohlen. Man erwiderte hierauf, daß es den Ajahängem der Herbartsoben P^ohologie fernläge, WondtB Verdienste iiigendwie la unterscfaatsen, da seine physidogisohen Untersoohangen dasa beigetragsD hätten, die Kenntnis d»r physiologischen Bedingungen des psychiadieii Ge- schehens bedeutend su erweitern, indes sei es Wandt nicht gelungen, die psychischen Prozesse so rein ao&ufassen und so genau m bestimmen, wie es bei Herbart geschehen ist.

Zur weiteren Begründung des metaphysisolien Kealismus wurde an- geführt: Diese Lehre ist keine absolute Wahiheit, sondern eine Hypothese. Eine solche hat Anspruch auf Beachtung, wenn sie dem logischen Denken entspricht und durch die Erfahrung bestitigt wird. Der metapbysisehe Realismus erftUIt die erste Bedingung, da nur aus zwei Prämissen eine Konklusio gezc^n werden kann. Er entspricht auch der Erfahrung, wie folgendes Beispiel zeigt. Aus einem Atom Sauerstoff läßt sich nichts Neues herleiten, aus mehreren Atomen auch noch nicht; kommt aber eine bestimmte Anzahl Atome Wasserstoff hinzu, so entsteht aus der Verbindung des individuell Verschiedenen ein neuer Körper, das Wasser. Nach dem Be^ff des Seins sind die sich in «nem Zusammmi b^ndliohen realen Wesen ihrer Qualitftt nach unveiflnderlich. Das aus dem Zusammen hervor- gehende Geschehen ist nicht als Qualitätsveränderung der Wesen anzu- sehen. Auf die Psychologie übertragen läßt sich daher folgendes be- haupten: Das erste psychische Geschehen ist ein Zustand der Seele, der durch das Zusammen derselben mit einem oder mehreren anderen Healen verursacht wird und dessen Qualität bedingt ist durch die Qualität alier sich im Zusammen befindlichen Realen.

2. Nach der Einleitung bestimmt der Verfasser zunächst den Be- griff der Apperzeption. Bei diesem psychischen Vorgänge bandeit es sieh im allgemeinen um das Verhältnis des wahrnehmend«! Subjektes snm wahrgenommenen Ohjekte. Das Subjekt der Apperzeption wird repiäseo* ticrt durcli einzelne Vorstellungen und Voretellungsverbindungeu, die durch eine neue Wahrnehmung veranlaßt werden, in das Bewußtsein zu steigen, während Objekte der Apperzeption alle Arten von geistigen Zuständeu sein können. Es findet also immer die Einwirkung eines psychischen Zustandes oder Vmgaoges auf einen andern statt Der Bsgriff der Apper- zeption schließt ein: a) den der Veisohmelsung nach vimu^g^gMigener Hemmung und b) den der Unterordnung einer Vocstdlung unter eine andere.

In der Debatte erklärte man sich mit diesen Ausführungen einver- standen und führte aus der Geschichto des großen Kurfürsten und Friedrich "Wilhelms I. einige Beispiele an, um die Tatsache zu bestätigen, daü der ApperzeptiuusproieB im ünteiriohte erst dann vollzogen sei, wenn die neue Wahrnehmung in einer psychologischen Bdhe ihre entsprechende Stellnng gefunden habe.

3. Im folgenden Teile spridit der Verfasser von der Bedeutung der Apperzeption für die geistige und sittliche Bildung. Nicht alles, was

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11. Bericht über die dreizehnte Herbetversammloog d. Vereins f. wiss. Päd. 24S

durch die äußere oder innere Wahrnehmung ins Bewußtsein steigt, wird spperzipiert. Häufig kommt es zu keiner Apperzeption, weil es an den tppenipierenden Vorsteilongsmassen fehlt Dieser Mangel macht sich bei KiDdem beaondera in Bemg auf OefaUmmtiade geltend. Wie die neuen ToESteUnngen dnrob iUere eine Veiflnderang erleiden kOnnen, so kann auch dss Umgekehrte itattfinden. Auf der Macht der yafinderten Ein- wirkungen des Neuen auf das Alte beruht die Hoffnung des erziehenden Lehrers. Wenn eine Änderung der einmal gebildeten Vorstelhmgsmassen unmöglich wäre, so besäße der Erzielior kt ni Mittel, falsche theoretische und ethische Urteile des Zöglings zu beseitigen. Die Umwandlung der iUaran Yoretellangnn dnroh die neuen hat jedoch auch ihre Grenzen. Alle Hiagel, die der Vorgang der Apperzeption nnt aidi Iwingt, laaeen tioh Bor dann entfenien, wenn die YenteUnngen klar sind und in ieste^ aber nullt starre Verbindnngen gebracht werden.

Die Besprechung, welche an den Satz der mangelhaften apper- fipieronden Vorstellungen bei Kindern in Rücksicht auf Gefühlszustäado aniinüpfte, drehte sich vorzugsweise um Auswahl und Behandlung der lyrischen Oedichte. In Bezug auf die Auswahl wurde die Ansicht ver- traten, daft Oedidite »Sdilfers Sonntageliedc oder »0 lieb, so lang du lieben kannst!« erst anf den oberen Stufen sur Behandlung kommen dflrflen, da hinrsicbend appendpierande VontaUungen in den mittleren Hassen nicht vorausgesetrt wenden kOnnen. Fehlen die erforderlichen psychologischen Vorbedingungen vollständig, so ist es besser, derartige Erzeugnisse der lyrischen I^ocsie vom Lehrplan auszuschließen. Veranlaßt durch die Bestrebungen der Kunsterziehungstagc ist in der letzten Zeit mehrfach die Ansicht geäußert worden, die lyrischen Gedichte nur vor- tolssen oder ihnen höchstens eine Vorbersitung voiantknsehioketi, auf eine eigeatlicfae Behandlung Jedoch su veniohlen. Diessm Vorschlage kann nicht angestimmt werden, weil man dadurch nicht die erforderliche Klar- hsit schafft. Man muß vielmehr zunflohst die nOtigen Vorstellungen als die primären psychischen Erscheinungen klarlegoiy damit dann audk die davon abhängigen Gefühle entstehen können.

Damit die Vorstellungen in feste, aber nicht zu starre Verbindungen gebracht werden, ist nicht nur ein beständiger Wechsel von Vertiefung und Bssiniiung erfordeilioh, sondern es erweist sich auch nOtig, die Wieder- kohmgen toh Terschiedenen Qesiohtspunkten ans eintreten su lassen.

4. Nach den Darlegungen über Wesen und Bedeutung der Apper- leiition geht der Verfasser näher auf den Bci^ff der Phantasie ein* Unter Phantasie versteht er die Verbindungen freisteigender Vorstellungen, die durch die Wirkungen des psychischen Mechanismus zu stände kommen. Es liegt im Wesen der Phantasie begründet, daß sie nichts Neues zu schaffen vermag^ neu sind nur ihre eigenartigen Verbindungen. Wenn msn die Tttigkeit der Phantasie auf das Gebiet der Areisteigenden Vor- Mellnngen besohtSnkti so muA die alte Einteilung derselben in eine ab> strahierende, determinierende und kombinierende aufgegeben werden, denn die B^iffe der Abstraktion, Determination und Kombination haben zu ihrer Voraussetzung eine Willenshandlung. Wenn z. B. die dichterische

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PbaDtado bettimrata Vertanale der WillkOr anfwdst, so ist sa tiedeiikeii, daB VM ihre PrcMlnkte nicht in vrsprflnglieher Fenn ▼orliegen, sondern den Gesetzen der Logik und Ästhetik gemAfi gestaltet wocden sind, ehe

sie der Öffentlichkeit übergeben wurden.

In der Debatte wurden einige hier nur angedeutete Punkte noch weiter ausgeführt. Es gibt keine allgemeine Phantasie, sondern die Phan- tasie ist von bestimmten Yorstellungskreisen abhängig. Daher ist die Phintasie des MatheoBttiken eine anders als die des Hnsikers, und die- jenige des Malen ist ▼eradiieden von der des Dichten. Uan konnte so Tide Arten der Phantasie unterscheiden als es verschiedenartige Yor- stellungsmassen gibt Ba die Vontelliuigeii, die das Kind zu Hause er- wirbt, vielfach ganz andere sind als diejenigen, welche in der Schule in Frage kommon, so erklärt sich auch die Tatsache, daß mancher Zögling an beiden Orten einen durchaus verschiedenen Eindruck macht Während er im Hause beim Spiel dem Zuge seiner freisteigenden Yorstellungen fidgt und daher lebhaft und heitsr enoheint, ist er im üntairiohte lanp- sam, saghaft vnd nnsicher.

5. Der Verfaeser geht eodann auf das Verhältnis von Apperzeption und Phantasie nfiher ein, indem er zunächst zeigt, daß die Phantasie eine Begleiterscheinung der Apperzeption ist. Die Phantasie ist auf die Ver- bindungen der alten Vorstellungen angewiesen. Diese Verbindungen sind zum Teil ein Produkt der Apperzeption, da sie bewirkt, daß das Wider- sprechende sieh hemmt und das Gemeinsame sich vereinigt Wenn man anf der Stufe des Systems eine wohlgeordnete Beihe gebildet hat, dann kann es wohl gesohehen, dafi sieh bei der Beproduktion neue Glieder nnd Terknftpfungen leigen, die das, was mit vieler Mflhe geschaffen war, wieder seretören. Diese Tatsache erklärt sich daraus, daß während des Entstehens der Reihe die freisteigenden Vorstellungen tätig waren, die sich bald aus dieser, bald aus jener Gruppe erhoben und sich im Bewußtöein zu Phan- tasiegebilden vereinigten, die immer den Vorgang der Apperzeption begleiten. Wenn die Phantasie vielfach auch Ungereimtes schafft, so muß man ihre Gebilde doch mit Beuden begrOßen, weil dundi sie Leben ond Beweg- lichkeit in die Yorstellungsmsssen hineinkommt Bs ist an bedanem, dal die SchlQer dem Unterrichte im allgemeinen nur wenig freisteigende Vor- stellungen entgegenbringen. Dieser Mangel zeigt sich namentlich auf der Stufe des methodischen Denkens und bei den Aufsatzübungen. Daß die schriftlichen Übungen vielfach mangelhaft ausfallen, ist darin begründet, daß man oft Stofife verarbeiten läßt, für die das Kind keine freisteigenden Vorstellungen besitzt Daher muß die Vorbereitung solange ausgedehnt werden, bis Inhalt und Form gelftuflg genug geworden sind. HierdwciL wild der Sdhfller rar Passivitit verorteilt üm dies m vsrhftteOf sollta man die schriftlichen Arbeiten solange versohieben, bis die fkeistsigendea Vorstellungen beim Zöglinge sichtbar werden.

In der Besprochunp Wirde die Richtigkeit des Satzes, daß die Phantasiegcbilde immer den Vorgang der Äpi)erzeption begleiten, bestritten; denn es sind Fälle denkbar, bei denen freisteigeude VorsteUungen über- haupt nicht anftreteo, und selbst wenn sich säche aeigen, so bmndien

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11. Bencht Uhu die droisahnte Herbtfcvenammlang d. Vereins t wies. PVd. 245

sie sich oklit unter aUen Umsttoden sa PlumtMiegelaldett snaammenza-

BchlieBen.

Die weiteren Ausfühninpen bezogen sich auf die Aufsatzflbungen. Man stimmte den Ansichten des Verfassei-s einerseits zu, andrerseits widersprach man ihnen. Der Lehrer kann nicht immer bewirken, daü sich freisteigende VorstelluDgeQ zeigen. Es ist nicht ratsam, die schriftlichen Übimgen so lange lunauazuachiebeD, bis freistägeDde Yontdlungen veraiugeaetst wer- den kCooen. Man mnfi zufrieden adn, wenn die Sohfller einen durchge- arbeiteten Stoff auf ihre Weise "wieder7.ugeben im stände sind. Dies wird nach der Meinung anderer Redner vielfach nicht erreicht. Der Grund da- für ist teilweise auch darin zu s\iclieii, daß num auf die formale Seite der Sprache, die Grammatik \uid Orthographie, seiion in den ersten Schuljahren ein zu großes Gewicht legt. Um die aus diesen Gebieten vorgeschriebenen Pensen za erledigen, ist viel Zeit erforderlich, und deshalb wird die Pflege des mllndlichen Auadrocka venaiamt Es iat den Kindern zu geetatten, flieh zonSchst in ihrer ihnen eigentflmlichen Sprechweiae auazudrOoken; erat aUmihlich kann der Gebrauch der hochdeutschen Schriftapracfae aogeatrebt werden.

6. Im weiteren Verlauf seiner Arbeit (Mörtert der Verfasser die Tat- sache, daß die Phantasie der Apperzeption wichtif;e Dienste leistet. Soll es zu einem genauen Apperzipiei'cu kommen, so muii dem in Frage kommen- den Objekte eine ungeteilte Aufanerkaamkeit zngevendet werden, die un- irillktlrlioh oder willkOrUch aein kann. Letztere wird ▼ielfaoh durch Er- mahnungen und Drohungen, durch Lohn und Strafe erzeugt Diese Mittel nnd jedoch bedenklich, da sie leicht Affekte hervorrufen kOnnen, die den Apperzeptionsprozeß unterbrechen oder ganz vereiteln. Vorteilhafter ist die unwillkürliche Aufmerksamkeit, die in eine primitive und eine apperzipierende zerfällt. Die apperzipierende Aufmerksamkeit verweist uns auf die frei- Steigenden A'orstellungen und damit auf das Gebiet der riiautasie. "Wollen wir bei den Zöglingen Aufmerksamkeit erzeugen, so mtlaaen wir dafür BQEgen, daft una die VorBtellungen freiateigend entgegenkommen. Daher ffloA anch die jeweilige Apperaeptionsatufe der Schaler genau berQcksichtigt werden. Dies geschieht, wenn man es sich angelegm aaua Ittti die ver- wandten Vorstellungen des zur Auffa.«Rung Daigebotenen in der erforder- Üchen Zalil. Stärke und Klarheit zu erwecken. Die praktische Pädagogik sucht (las zu erreichen durch die Aufstellung eines Zieles für jede unter- lichtliche Einheit.

Die Debatte über dieeen Teil drehte aiöh ansaohlieilioh um die ledtte Bsaofaaflenheit dea Zielee. Es iat Terkehrt, die Lektion mit der Analyae

zu beginnen und das Ziel nachfolgen zu lassen ; letzteres muß vielmehr am Anfange stehen, da ihm die Au^be zufällt, das Steigen der Vorstellungen zu bewirken. Die Analyse kann imter Umständen auch fehlen. Es ist schwer, das Ziel richtig zu formulieren, und die methodischen Werke zeigen, daß die in ilmeu aufgestellten Ziele den psychologischen Anforderungen htuiig nicht entsprechen.

7. Am ScUnaae apridit der Verfaaaer Aber die OefOhle, die durch die Qebilde der PhantMie entatehen, imd ihre Bedeotan; fOr die Appei^

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wefHiiOD. DuictL das Vorherrschen sehr starker Gefühle wild eine genaue Apperzeption verhindert, wflhrend eitie niliige Gemütslage vorteilhaft ist Die Wirkung der durch die Phantasie erzeugten Gefülüe ist jedoch nicht ausschließlich von nachteiligem Einflüsse auf die Lernarbeit. Es ist viel- mehr allgemein bekannt, daß jede Tätigkeit durch Lustgefühle gefördert irardoD kami. Daher erwiohst dtm Lehrer die Aufgabe, die Aeode den pidagogischeo Zwecken dienstbar in madien.

Wegen voigerfickter Zeit konnte in der Beepreohnng aof diese Ans- fflhrungen nicht mehr genügend eingegaogen werden.

Für die nächstjährige Herbstversammhing wiirde eine Arbeit Ober folgendes Thema in Aussicht gestellt: »Die methodische Gestaltung des enl- kundlichen Unterrichts mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschafts- geographie.«

12. Verein för Kinderforschung

Zum ersten Male hielt der Yerein für Kinderforschung seine Ver- sammlung in Sachsen und zwar in Leipzig ab. Die Beratungen, welche vom 14. 16. Oktober v. Js. in den iFestsälen des Centraitheaters statt- fonden, erfreuten sich eines regen Besuches aus vielen Berufskreis^ Leipzigs, besondeis ans dem Ijehierstande. EKMbiet wurden dieoolben dnroh Anstsltsdiiektor Trüper-Jena, der in einer Ungeren BegrOBanga- rede auf die kinderpsyohologisdhe Arbeit Leipziger Professoren Ziller, Strümpell und Wundt wie auch auf das rege Interesse der Stadt Leipzig für Erziehung und Unterricht hinwies. Nachdem noch Stadtschul- inspektor Prof. Dr. D. Müller-Leipzig und Anstaltsdirektor Piper- Dall- dorf die Versammlung begrüßt hatten, hielt der Mitherausgeber dieser Zeit- schrift Pfarrer Flügel- Wansleben seinen Vortrag: lÜber das Verhältnis des Öefühla anm Intellekt in der Kindheit des Individauma wie der Volker.«

Der Vortragende leitete seine interessanten Ausführungen damit ein, indem er zunächst darlegte, daß man nach Herbart das letzte Einfache der Seele als »Vorstellung« bezeichne, während Wundt es »Empfindung« nenne. Herbarts Ausdruck, welcher mit dem Sinn des heute so häulig ge- brauchten Wortes »Vorstellung« nicht gleichl)edeutend sei, habe nur als Not- behelf dienen sollen. Darauf zum Verhältnis von Vorstellung nnd GoflUd im allgemeinen Obecgehend, vertiat er den Heibartaohen Standpunkt, daB das Gefnhl ohne eüi vorher OeflOhlteB nicht vorhanden eein kOnne^ oiOge letzteres auch oft bis zur größten Unkenntlichkeit gegeben sein. Die Grenze zwischen beiden lasse sich nicht bestimmt ansahen; beide seien dah^r aufs innigste miteinander verbunden. Eins von ihnen sei jedoch stets vorherrschend. Das gelte im Kindesalter namentlich vom Gefühl. Dies führte Hedner an vielen Beispielen zuerst weiter aus, um danach das Analoge in der Kindheit der Volker nachznweiaen. In der Debatte •timmte Dr. Brahn-Leipzig den AnsfOhrangen des Vorrednen darin in, daS daa QefQhl bei den Kindern vorfaerrsehei erklärte sioh aber wie nooli

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12. VereiB fttr nndeifonohang

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Dr. Spitzner-Leipzig hinsichtlich der Ableitung des QefühU ^agcn dessen Ansicht imd «teilte dieser die Vondtsebe Auffiusung gegenüber, nsdi der das GefOhl vor der Vorstellang anftrete.

Am 2. Tag der Verhandlungen sprach znnaohst Geh. Hofrat Prof.

Dr. Binswinger-Jena Aber das Thema: tÜber den Begriff des moralischen Sch wachsinns.c In einigen einleitonden Worten hob Redner hervor, daß Lohrer und Arzte beim Studium des Kindes ztisiimraen arbeiten müßten. Das habe sowohl nach der praktischen wie tiieoretischeii Seite großen Wert. Im ersten Falle idt an die unge.^echte ßeuiteilung des Kindes tot Gericht au denken, die nur aas einer mangelhaften Kennt- nis der Kindesseele herrdhre, nnd im lotsten Falle an die Besnltato der Kindorforsohnng, die dadurch moJir an Sicherheit gewinnen. Darauf gab Prof. Binswanger die historische Entwicklung des Begriffs »moralischer« Schwachsinn. Die ersten Erklärungen desselben kamen in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts aus England. Damals sah mau diesen geistigen Defekt hauptsächlich in der Störung des Gefühls. Dadurch sei aber, be- merkte Redner f der Begriff zu eng gefaßt worden; man habe daher in neoerer Zeit auch die inteUektueUe Tfttigkeit in Betracht gezogen und ge- fimden, dafi diese bei derartigen Individuen infolge erblicher Beeinflussung bedeutend geschwächt sei Redner schilderte zum Schluß an awd klinischen Beispielen, wie moralisoher Schwachsinn in der Praxis su er- kennen und behandeln ist.

Der zweite Kedner des Tages Direktor Polligkeit- Frankfurt a/M. juristischer Mitleiter der »Centrale für private Fürsorge« in Frank- furt a/M., behandelte das Thema: »Strafrechtsreform und JugendfQr- sorgcc Er forderte 1. dafi in der Erziehung neben der intellektuellen Ausbildung auch der Entwicklung der moralischen Persönlichkeit der ihr gebührende Baum gewfthrt wird, besonders in Rflcksicht auf die vielfach vorkommenden Anomalien in sittlicher Beziehung; 2. daß in der Schul- erziehung eine starke Individualisierung nach sittlichem Empfinden und nach dem Grade der Empfindlichkeit für sittliche Beeintlussungcn stattfinde, auf Grund sorgfältiger Ermittelungen von psychologisch und psychiatrisch geschulten Jir^en und Ijehrem; 3. daB die BegrAndung von Sonderschulen uad Ersidiungsanstalten fflr die verschiedenen Grade sittlicher Befilhignng gefordert werde; 4. daß in der Einrichtting einer Berufs Vormundschaft ein Organ geschaffen werde, das als centrale Beratungs* nnd Auskunftsstolle der Eitern in der Erziehung ihrer f^ittlich minder veranlagten oder ent- arteten Kinder ratend zur Seite stehe und dem Yormundscluilisgoricht als Ermittelungs- und Aufsichtsorgan diene. Die Debatte über diesen und den vorigen Vortrag verbreitete sich besonders über die Altersgrenze der StiafmQndijeen. Diese sei mindestens ins 14.~15. Lebensjahr hinauf zu sohisben nnd wenn sich herausstelle, dafi ein Kind Aber dieser Altersgrenze äoh geistig nicht norrosl entwickelt habe, solle man es ebenfalls nicht W den Strafrichter bringen, sondern einer entsprechenden Anstalt über- weisen. Nachdem sich noch der Vorsitzende in warmen Worten fflr eine derartige Behandlung fehlerhafter Kinder ausgesprochen hatte, erhielt Hektur flemprich-freyburg a/U. das Wort zu seinem Vortrage: »Die Ergeb-

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Mittoilungon

nisse der Kinderforsohiing in ihrer Bedentmicr fflr ünterticht

und Erziehung.«

Redner behandelte vor allem das Verhältnis der pädagogischen znr physiologischen Kinderpsychologie sowie ihre Bedeutung in der Erforschung auf psychischem Gebiete und der pädagogischen Nutzbarmachung ihrer Kesultate. Es stellte sich heraus, daß die physiologische Richtung uns noch nicht viel Braaohbaree für die Praxis geliefert hat In der Be- epreohung dieses Eeferates traten die Gegenafttie swieohen der Herfaart* sehen nnd physiologiachen F^chologie abermals hervor.

Am 3. Tage der Versammlung stand als erstes Thema der Vortrag von Rektor Schubert- Alten bürg auf der Tagesordnung. Dieses lautete: >Einige Aufgaben auf dem Gebiete der künstlerischen Er- ziehung.« Aus den längeren Ausführungen dos Hedners möchte ich nur einige Punkte herausgreifen. Der Vortragende stellte dem produktiven Schaffen das Knnstgenießen gegenüber und betonte, daß letzteres wichtiger sei als das produktive Schaffen, da nur wenige Ellnstler wlfardea. Dem- nach folgende Mittel zur Pflege des ftsthetisohen GefQhls: Betrachten von Bildern, turnerischen Spielen, der e^fnen Körperform (auch aus dem Grunde, damit die Kinder ihren Körper reinhalten), der Natur sowie die Behand- lung von Märchen, die auch in späteren Schuljahren dargeboten werden können. Eine besondere Aufgabe fällt der Kinderforschung dadurch zu, daÜ sie nachforscht, wann der Zeitpunkt wirklichen ästhetischeu Genießens eintritt Ob die physiologische Einderpsychologie diese Aufgabe lOsea werde, sei fraglich, wenn man ihr auch schon mancherlei Anregungen la verdanken habe.

Oberlehrer Dr. Pappenheim-Grofilichterfelde, welcher den nun folgenden Voitrag liielt, vertrat in seinem Referate über »Die Beeinflus- sung d es Kunstsin ncs in der Naturkunde« gleichsam den entg»^c:en- gesetzten Standpunkt des Vorredners, indem er dem produktiven Schaffen recht viel Wert beilegte, in der Beziehung, daß das Kind dadurch leichter an der Anflkssung der Formen gelange, ohne die doch ein wahres Kmist* geniefien iricht mSglich sei Seine AnsfOhrungen wurden dmroh eine grOflen Zahl von Lichtbildern nnterstfitct, welche sehr interessante Kinderzeich- nnngen Tom dritten Lebensjahre ab und Modellierarbeiten aus dem Kinder- garten und anderen Scliulon vorführten. In der Debatte wurde die Verwertung der Zeichenschule für Kleine von Dyk als ein Rückschritt bezeichnet, da sie zur Stuhlmannscheu Methode hinführe. Sehr lebhaft wurde die Debatte bei dem Funkte betreifs des Betrachtens des nackten KGipers. Bine grOBere Zahl der Teilaehmer stimmte jedoch dem Befiareoten SU, der in dem geheimen Verstecken des Nackten geradein die aller» emstesten Gefahren erblickt.

Den letzten Vortrag hielt Rektor Dr. MänneUHaUe, welcher Aber: »Die Gliederung der Schuljugend nach ihrer seelischen Ver- anlagung und das Mannheimer System« referierte. Rektor Männel stand auf dem Standpunkte, welcher sich fQr die neue Schulorganisation ausspricht und deckte denselben durch eine längere geschichtliche Ein- kitong dieser Inge, Hierzu ist noch zu bemerken, dsA der Yortngende

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13. Bohule und Büoher

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die neue Einrichtung in Mannheim praktisch studiert hat. In der Debatte wurden hauptsächlich die Fehler dieses Systems berührt. Rektor Schubert- Altenburg nahm an, daü durch dasselbe die Lemscbule zu sehr betont weide. Dun ervthnte er, cUift es kaum mOglioh sei, die Sohfiler ras den IMerklaaeeii mit ihfem beeooderen Lehrplui in den der Klaesen mit NormalbeflUiigten hineinzufahren. Der Unterzeichnete gedachte des Verhältnisses zwischen Schule uod Elternhaus und fahrte aus, daß dieses durch die neue Einrichtung noch ungünstiger gestaltet werde. Die Unzufriedenheit der Eltern habe man durch so manches geweckt, so durch den heutigen unpsychologischen Lehrplan, der noch in fast allen Scholen eine Plage des Lehrers und der Schüler sei, und durch die Ein- richtung der HilfBSchnlen. Non wolle man die Kinder einer Familie noch weiter Toneinander trennen, nicht nnr in der Schale, aondem anoh in der Familie und im späteren Leben! Und nach welchem Dlaßstabe teile man z. B. die 4 5 Kinder einer Familie ein, so daß jedes eine be- sondere Schule nötig habe? Dazu habe man den Mannheimer Lehrplan gebraucht, den man doch für sehr verixjsserungsbedürltig gehalten habe! Damit werde die Zufriedenheit der Eltern gewiß nicht erreicht. Und dann aieherlich erat recht nicht, wenn die Eltern erfahren wOrden, d&fl man in der Kinderforeohnog selbst noch nicht dahin §;elaogt ist, nm eine gnte imd snfriedenatellende Einteilang der Kinder nach den ▼eredhiedensten BeAhigungsgraden vorzunehmen! Darum solle man noch lange warten, bis man die Mannheimer Schiilorganisation als etwas Musterhaftes einführe. Nötig sei vor allem, daß man die Eltern erst mit dem Gocrenwärtigen zu- frieden mache, und dazu gehöre zunächst, daß man .sie pädagogisch auf- kläre. Da seien die Elternabende eins der bestgeeignetsten Mittel.

Nachdem noch manoheriei GeeohiftlicheB eriedigt, unter anderem auch der Ort Ittr die nAchate Jahieereraammlung nimlich f lankf ort a/M. bestimmt worden war, schlofi der Voraitiende unter dem Danke an das Leipziger Ortsoomitö die übci-aus wichtii^n YerhandluDgen, die Ton dem größten Interesse aller Teilnehmer begleitet waren.

Nordhausen C. Geisel

13. Schule und Bücher

Von 0. Hamdorff-Maichin

Im Beibktte zu Nr. 10 des Bildungsvereins vom 16. Oktober 1901 macht II. Wolgast Yorschläge, wie die SchülerbOcherei für den Unter- richt besser ausgenutzt werden könne. ^) Die Frage ist wichtig, und es ßcheint mir darum nicht überflüssig, den Gegenstand noch einmal zu be- handeln au der Uaud eines Aufsatzes von A. Steenberg, Oberlehrer zu Honens m JütUDd,^) der dieeen Anbats venendet, mit der Bitte ihm mit- tnteUen, >waa in den TersdiiedeDen Schulen nnd iBchem geechehen ist

') über Einrichtung und Ausnutzung der ßchülerbihliothek. *) Skolen og Bögerae in »Vor Ungdom« and »Yaidandi« 1902.

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IfitteilttD^en

oder geschehen kann, um die Schuler zu einem verstilndigen Gebrauche der Bücher zu erziehen und das Lesen zu einem organischen Gliede des ünterriohts maoheihc Letzteres ist ja auch der Gedanto Wolgasts, deesen Aulsats Steenberg aoch aofOhrt Haaptsidilioh aber besieht sich d«r dlnische Schulmann auf die Venostaltnngen in den Yflr> einigten Staaten.

Znn.-ichst ein paar Worte über den g^;eiiwftrtigen Zustand« Auch bei uns trifft Georg Brandes Wort^) zu:

>eB gibt in luisrer Zeit nur äußerst wenigo, die überhaupt lesen können, lesen mögen und einen Nutzen vom Lesen liaben. Von 100 Per- sonen, die lesen kSnnen (in Dlnemark gibt es l&brigens &Bt gar keinen des Lesens Unkundigen), lesen 90 nichts anderes als Zeitungen: einen Lesestoff, der keine Anatrengnng kostet, in dem alle die Anfsilae, die Verstand erfordern, übersprungen werden, t

Ferner lelirt die Erfahrung in Volksbüchereien auch bei uns, daß die meisten Menschen nur sogenannte schöne Literatur lesen und davon wieder fast nur Erzälilungen und Romane, selten Schauspiele oder Gedichte. Voll- ständig fem aber liegt der überwiegenden Mehrzahl, nach einem Buche zu greifen, nm daraas etwas zu leinen.

Der Ormid hierfür liegt ja zun TeQ darin, daB das Leoen nnc lor Unterhaltung dienen soll. Aber warum wissen die meisten MffntftM" nicht, ein Buch als Onmdlage für Denkarbeit zu benutzen oder zu dem Zwecke, sich Kenntnisse zu erwerben? Antwort: die Schule hat ihre Zöglinge nicht gelehrt, das Buch als ein Arbeitwerkzeug za verwenden. Nicht für die Schule, sondern fürs Leben! Dieser Grund- satz (dem, nebenbei gesagt, unsere Schulen noch lange nicht entsprechen) sollte auch fOrs Lesen gelten. Denn dnroh das Lesen banptaiflhlich soll der Erwachsene nadi der Schulzeit in seinen freien Stonden nach der r^Imäßigen Berufsarbeit sich weiterbilden. Aufgabe der Büchereien, sagt der Führer der amerikanischen Bibliothekbewegimg Melvil Dewey, ist: die erforderlichen Bücher zu sohaflen, Sache der Schule ist es, Leser zu bilden.

Steenberg geht dann auf die l)eideu Arten von Büchern, welche die Schule benutzt, niher ein: die Lesebficher und die Lehrbücher. In Betreff der ersteien führt er Ellen Keys Worte an, die auch hier wiedelgegeben sein mOgen:*)

^Durch die landläufigen Losebßchor wird das Kind von einem zum andern geführt, nippt flüchtig hier und da, bekommt bald diesen, bald jenen Ausblick, der ihm aber rasch wieder entrückt wird, ohne daß es sich an etwas heften kann.

Das war iu alten Tagen anders. Da hatte man eigentlich kein ander Lssebuch als das ABC-Bnch mit einem kilhenden Hahne. Wson das dnrcfagearbmtet war, ging man über zu VoUnmflrohen, lor Bibel,

>) Oessmmelte fikduiften. Bd. 12. 8. 29. Kopenhagen 1902. *) Bamets Arfaundradet, Das Jahihnndert des Kmdas. Stockhoba 1900L 2. AbsohDitt; Bächer statt Lesebücher 1

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13. Sehlde und Bacher

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znm Rol)inson, zu -weltgeschichtlichen DarstelluDgeo tod Platardi und (ia SchweKlen) Fn^cell. Diese Bflcher "wiirden immer imd immer ge- lesen. Man bekam dadurch den Einilniek von etwas Großem, Unver- geßlichem, was Einbildungskraft und Verstand zu neuer Arbeit, neuer Freude anregte, wähi^end heute die Kinder nur verlangen, von Stück zu Stflok weiter m kommen, mn zu leben, ob niobt en^UUoh etwas Ergütz- Hohes kommt«

Und in diesem der Wirklichkeit entsprechend geschilderten Zustande findet Steenberg (wie Wolgast) den Grund, daß die meisten Menschen im Romanlesen nichte suchen als flüchtige Zerstreuung: sie betrachten das Buch nicht als Ganzes, verfolgen nicht die Entwicklung der eiuzelneu Charaktere; die Schule hat sie ja nicht gelehrt, mehr aus einem Buche m sieben. Und die Literaturgesohiobte der Schule? Der Zweck des üntemohtes in diesem Fache ist doch hanptsloblidb, den Schfilern für die AbgangsprOfnng eine Art Obeisioht Uber das beimisobe Schriftentum zu geben, statt sie dabin su bringen, daS sie an den Sobriiten der Dichter Gefallen finden.

Zweitens die Lohnbücher. Die mündliche Unterweisung allein ge- Dügt nicht; der Scliüler t)ekoramt dadurch keine Übung, das geschriebene Wort verstehen zu lernen, um daraus Nutzen zu ziehen. Andrerseits ver- vnidit das Lehibodi, dessen lobslt der Schiller seinem Gedlebtnisse einprtgen mnB, ihm Tiele Qualen und unterdrückt oft seine Selb- Btftndigkeit. Der mfihsam eingelernte Wissensetoff wird bald wieder vprgessen, mit den Schulbüchern aber, die nur dazu gedient haben, das Gedächtnis mit solchem Stoffe zn füllen, der fürs T;oben keinen Wort hat, werden gar leicht auch alle andern Bücher als unnüt/.or Kram verworfen. (Wem fallen nicht die zahlreichen Aufforderungen besonders in Studenten- hedem ein, wie jenes:

»Weg mit Büchern und Papieren! Weg mit jedem ZeitoDgswiaohl«)

Folgerung: die Schule darf nicht Iflnger ihre Aa|gabe yeroaohlässigen,

die Bücher zu Freunden der Schnicr zu machen, yreoD auch nicht in dpm Maße und das möchte auch ich besonders betonen daß wir Ober sie das Leben vergessen, doch so, daß wir bei ihnen Auskunft und Hilfe suchen, das Leben reicher und glücklicher zu gestalten.

Hierbei weist Steenberg auch auf den Wert der Bilder als ünter- riebtsmittel hin: Bilder kdonen selbstrersttaidlioh nicht die Gegenstände ersetzen (b. B. im natnrknndlicben ünterrichto). Anob müssen die Kinder erst angeleitet werden, aus Bildern etwas zu lernen. Wer eine Anzahl Kioder gleichzeitig ein oder mehrere Bilderwerke beschauen läßt, z. B. einen geschic-htlichen Bilderatlas, wird deutlich bemerken, wie verschieden die Fähigiceit ist, aus den Bildern etwas horans/tisehen : während einige von deo Kindern vor dem Bilde sitzen, es studieren, und dabei eine Einzelheit DMh der andern heraoBfinden, wcUen andeie das Bnch in der kflnesten Zeit dmehbUttem, denn sie kfkmen den Bildern nichts absehen.

Die Frage ist nnn: wie soU man die Sinder an den Umgang mit Büchern gewöhnen, wie kann man ihnen aeigen, was die BOdher Chiles

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Ifitteilaiigea

enthalten, wio kann man sie lehren, zwischen den Buchern zu wählen und den größtmöglichen Nutzen aus ihnen zu ziehen; endlich: wie kann man die Kinder dahin bringen, die BQoher aach gut sa behandeln? AUe diese Fragen sind wohl nirgends ao eifrig erOrtert wmden wie in den Vereinigten Staaten von Nord-Araerika.

Im Jahre 1898 setzte die National Educational Association einen Aus- schuß ein zur Behandlung^ der Frage: wie die öffentlichen Büchereien und die öffentlichen Schulen zusammenarbeiten können. Daß nian die Frage so stellte, erklärt sich aus der großen Bedeutung, welche die öffentlichen Büchereien grade in den Vereinigten Staaten besitzen. Der AnsschuB nnteisnchte jedoch aooh daa VerfaSltnis der Sohnlen in BQchem im allgemdnen. Ein Bericht übw diese üntersnöhongen findet dch im Report of the Commissioners of Education for the years 1899 bis 1900 vol. I, Washington 1901. Auch in den amerikanischen Schulzeit- ßchriften und Biblothekzeitschriften wird die Frage eifrig erörtert. Das große »Library Journal« gibt in jedem Frühjahre eine besondere >Schul- nummer« heraus. Wenn auch selbstverständlich bei der Vei'schiedenheit der SchuleinrichtuDgen und besonders der Bibliothekyerh&ltnisse die Ycr- adhUge der amerikanischen Schnlmftnner wid Bibliothekare nicht mimitteUiar anf andere Länder llbertiagen werden kOonen. so sind sie doch sncfa fflr nns lehrreich. Stcenberg gibt daher das Widitigste daraus wieder:

1. Sobald das Kind lesen gelernt hat, kann man ihm durch Bilder- bücher Gefallen (Interesse) an Büchern beibringen. Eün Verzeichnis guter Bilderbücher ist das erste, wofür die Büchereien zu sorgen haben; auch müssen die Büchereien sich reichlich mit diesen Büchern Tenehoii nm sie ins Hans au ldhen.(?) Eine knrae ünteiadirift mter den BUdem dürfte das erste sein, was das Kind anf mgene Hand liest Hat das Kind erst die Ennst des Leeens erfaßt, so ist es erfiüunmgagemAft leicht, daa Kind zum selbstftndigeD Lesen zu bringen. Die Gewohnheit SU lesen entsteht meistens im Alter von 11 bis 16 Jahren.

2. Wenn die Kinder sich ans Lesen gewöhnt hal)en, gilt es die besten Bücher für sie zu beschaffen. Es müssen also Bücherver- zeichnisse hergestellt werden, die nicht nur nach Fächern, soudeni auch nach dem Alter der Kinder und der Lehranfgabe in den einselaeB Khwsen geordnet sind. Hieriiei ist ein inniges Znsammenwirfceo m Ldhrem und Bücberwarten erfoi-derlich. Auch ist zu ennittdn nnd dann zu berüoksiohügen, wie die Kinder selber Uber die einielnen Bdoher urteilen.

(Bei uns wirken in dem angegebenen Sinne die aus Yolksschnlehrem zusammengesetzten »Prüfungsausschüsse für .Tugendschriften«, deren Organ die »Jugendschriften -Warte« ins 11. Jahr getreten ist DaA die empfohlenen Bücher immer gut, die anrOckgewieseneQ Bfidier immer ao spottsehlecht sind, wie einxelne gemacht weiden, mMte ich besweüebL Unfafibar bleibt mir z. B. das Lob des »Fitzebutze« , das eine Zeitschrift meines Erachtens treffend als »dehmligen Quatsch« bezeichnet hat; auch die »Arche Noah« ist nicht einwandfrei. Andrerseits wird der gewiß etwas viel schreibende Bruno Qarlepp doch gar zu sehr herunteigemacht,

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13. Schule und Bücher

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QDd nicht viel besvser aber auch oft mit Unrecht erj^eht es dem waokern Tanera. Gern muß man aber anerkennen, daß die vom Hamburger Prüfungsausschüsse selber herausgegebenen Bändchen gut ausgewählt sind. Zu groß braucht die Mustenammlung nicht zu sein; denn wir woUeD die Kinder nicht sa YielleBern enielieDf aondem sa deokenden Lesern, und wollen sie auch doich das Bflöherlesen nicht absieben Ton der Natnr, die stets die eindrin^iohste Sprache sprechen soll. Ich finde es darum ni weitgehend, in Amerika einzelne Büchoreien auch in den öffent-

lichen Anlagen Bücherhallen einrichton, um die in den Aolageo sich auf- haltenden Kinder mit Lesestoff zu versurgen.)

3. Wie erzieht man nun die Kinder zum richtigen Gebrauche der Bflcher? Steenberg beginnt mit:

a) Ersähinngen nnd Romane, ffier fieffen die V<ffBchUlge der Amerikaner ungefBhr mit den Wolgastschen sosammen. Erste Fordening ist: man beginne mit kürzeren, aber stets mit ganzen EisBhlangen, ganzen Romanen, gebe keine Bruchstücke. Um einen Üt>ergang von der münd- lichen Erzählung herzustellen, die beim ersten rnterriclitc stot.s eine große Rolle spielen wird . erzähle man erst ein Stiic-k von einer Geschichte und lese dann ein Stück daraus vor. (Eine solche Verbindung von Er- sttden und Yoileeen hielte eine wichtige Bolle in Kristian Eolde Yolks- bochaohnle, wobei namentlioh Ingemanns gesohicbtliöhe Romane benntst worden. Und auf dieselbe Weise läßt Humpbiey Ward in dem viel- gelesenen Romane »Robert Elsmero« den jungen Geistlichen Shakespeare, Don Qnixote, Dumas \ind Walter Scott benutzen.) Weiter lasse man die Kinder etwa eine halbe Stunde lang für sich ein Stück aus einem Buche lesen und dann wiedererzählen: so gewohnt man sie, über das nachzu- denken, was sie lesen. Haben alle Kinder dasselbe Buch ausgelesen, so macfae man es som Qegenstude einer Besprechmig, lasse die Ghaiaktere dar Persooen nnd deren Handlnngsweise erUiren, die Umgebnog (Soenerie) sebildem. Dabei belehre man die Kinder über die Yerhftltnisse mit Hilfe aderer Bücher, Landkarten oder Bilder. Endlich mache man ihnen Mit- teilungen über den Verfasser. Diese Unterstützung setze der Lehrer auch später fort, wenn die Schüler Scliauspiele oder Gedichte lesen. Mittels dieser Hilfe und des Zusammenarbeitens in der Klasse werden die Schüler weit schwierigere Bücher lesen können, als wenn sie sich yon Anfang an gus ftberiaaaen sind.

b) Btkdier, weilebe Geschichte, Erdkunde, Naturwissenschaft bdisndelo. Diese mflseen sich an den Lehrstoff anschließen, der in der yiiooo durchgenommen wird. Die Bücher sollen dem Schült r weiter gebende Belehrung bieten über das, was das Lehrbuch bringt. Aber auch zu ihrer Benutzung muß der Schüler herangebildet, bei uns sogar heran- gezogen werden. (Wir haben gerade auf diesem Gebiete in den letzten Jshnehnten eine große Zahl vorzüglicher Bücher erhalten, aber der Nntaen ist bb jetst sehr gering, weil unsere Jugend nicht mehr selbständig sein nag. Die Zahl der Schiller einer höheren Lehranstalt, die m der obersten Klasse Gustav Freytags Bilder aus dor deut.-chen Vergangenheit, Riehls Land und Leute, die Familie, die bürgerliche Gesellschaft, Daanemanns Ge-

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MitteUungea

schichte der Naturwissenschaften u. a. durchgelesen haben, möchte sehr gering sein. Und dabei kann man tlem Schüler nicht einmal einen so groüeu VorwuH daraus machen. Er muü ja zur Prüfung t büffeln c, wie ei is dneoL alten Stadentanliede heifit:

»wie ein Ochs vor seiner Molda sitst er da vor seiooin Pulte;«

wo bleibt da Zeit zu freier Arbeit, wie sie dem trefflichen Scheibert Tonehwelylid? In seinem Bache aber das »Wesen te höheren Bfiiger- sohnlec, das s'war schon 1848 erschienen ist, dessen Gedanken aber noch

der Verwirklichung harren, in diesem anscheinend vergessenen Buche schlug der damalige Direktor der Friedrich- Wilhelms-Schule zu Stettin als Stätten pnicher freier wissenschaftlicher Arbeit Schul Vereinigungen vor, deren Mitglieder sich auf den verschiedenen Gebieten mit Hilfe voo Büchern und Vorträgen selbsttätig weiterbilden sollten. Aus meiner Ijehrer- t&tigkeit an einer höheren Schule in Schlesien, wo der alte Scheibert als Sdiukat waltete, erinneie ich midi eines sohdien Vereins, »litennac nannte er sich mid bescbSfÜgte sich mit schOner literatorf zog^eich aber auch und bald fast auBScUießlioh mit dem, was jüngst ein mit dem Zeug- niese der Reife enthissener junger Mann als das »edelste Lsster des 0«^ manen« bezeichnete, mit Enei|>en, und

»da war es natürlich vorbei, t

Es ist eben bei solchen Veranstaltungen durchaus nötig, daü die Schule die Obeiaufsicht führt. Dann können sie Großes leisten für die wisseo« scliaftliche Ausbildung.) Auf eines weisen auch die Amerikaner hin: Sohfller mnfi gewohnt werden, sich ans den gotooonen BUohem Anf- seichnnngen zu machen,

o) Wörterbücher und Konvenatioiislezika. Deren richtige Benutzung erfordert besondere Übung. (Bei nns gibt man viel^Kih anfangs den Schülern besondere »Prüparationen« in die Hände. Richtiger ist wohl, mit ihnen in der Klasse mit Hilfe eines nicht zu umfangreichen allgemeinen Handwörterbuchs den Schriftsteller zu losen, und sie dabei in den Ge- brauch des Wörterbuches einzuführen.)

4. Die Forderung, die ich vorhin schon in Betreff der freien Schüler- vereinigungen aufstellte, maohen die Amerikaner ebenfsUs in Bezug auf das Lesen geltend: die Schule mtifi wissen, was der Sohttler liest Der Klassenlehrer fahrt über das Lesen seiner Zöglinge Buch. (Dann wird er freilich um einige Unterrichtsstonden in der JUasse snt' lastet worden müssen.)

5. Eine weitere Forderung ist: die Schule muß auch die SchQler daran gewöhnen, die Bücher gut zu behandeln.

in einigen amerikanischen Städten liabeu die öffentlichen BQchereien Eindervereinigungeu für gute Behandlung der Btlcher gegründet Die IGt- glieder verpflichten sich, schonend mit den Bfichem rnnzogehen, nnd aooh andere EÜnder dafür sa gewinnen. Die Mitglieder haben besondere Ab- zeichen, versammeln sich zu VortrSgen über Bücher (vergl. »Literaria«!), versenden Buchzeichen, aof denen Hegeln über die Behandlung der

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13. Schale und Bücher

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Bücher, gntc Kntschhige für das Lesen and kleine fiflohei^ Terzeichnisse gedruckt sind.

{Daß bei uns die Behandlung der Bücher viel zu wünschen läßt, so- wohl bei Schülern wie bei Erwachsenen, weiß jeder Lehrer und jeder Leiter «ioer VolkBbOcherei. loh war daher freudig übemacht, ala ich in der ilfieotUchen Bücherei an Zwickan die aanber gehalteaeo Bücher eah, deren Schutzumschläge nach amerikanischem Vorbilde attfgedmckle Regeln enthielten. Das Verfahren scheint naciiahmenswert.)

6. Eine wosentlicho Vorbotlincrnncr für die r«>ehtt-> Benutzung der liuchcr durch die Kinder ist, daii der lx)hrer selbst ein guter Kenner von Hücliorn und Freund des Lesens ist. Dafür muß wieder das Seminar sorgen. Bb muß mit guten Büchern versehen sein und seine Zöglinge unterweisen, wie eine Bücherei einsoriehten nnd m leiten ist Die Seminarbücherei mat danim auch Jngendacfariften enthalten. -

7. Wie sollen die nötigen Bücher für die Schulen beschafft werden? In den Vereinigten Staaten sorgen im allgemeinen die öffentlichen

Büchereien dafür. In seinem trefflichen Buche üKer Volksbüchereien er- mähnt Stecnberg das Wort des Engländers Green wood: »in den Ver- einigten Staaten nehmen diese Einrichtungen eine so hervoiTagcnde Stelle iai Leben des Volkes ein, daB ihr Fehlen in einem Bezirke, besonders in den alten Staaten, diesen Bezirk als rückstSndig erscheinen IftBt« ^) Diese WenUiohen Bücheroieo lichten besondere Jugendbüchoeien, oft mit Lsee- nrnmern ein, senden kleine Büchersammlungen an die Schalen, laden einzelne Schulklassen zum Besuche in den Büchereien ein, um ihnen Ge- legenheit zu lieben, einen besonderen Gegenstand eingehend zu studieren. Sie erleiehtern den Lehrern den Zutritt zu dei Bücheij^minilung luid ge- statten ihnen, die geliehenen Bücher weiter au die Schulkinder zu ver- leihsn, irlhrend sonst das Weiterverleih«! strenge verboten ist

ISn groüer Teil der amerikamsohen Schulen besitzt aber auch selbst BAcbersammlnngen, z. B. Klaasenbüchereien von etwa 50 Binden, die mit besonderer Rücksicht auf das Alter der Schüler und die Lehraufgabe der Klasse ausgewählt sind. Ein Teil davon sind Handbücher zum Gebrauche an Ort und Stelle, andere werden nach Hause verliehen. Der iTciirer be- nutzt jede Gelegenheit, auf diese Bücher hinzuweisen, verlangt von einem Schüler eine kurze Inhaltsangabe von dem Buche, das dieser zuletzt ge- Iseea hat, usw. Si wird mcfat erwartet, daü alle Kinder alle Bücher lesen, da Geschmack und Neigong verschieden sind. Die Kinder dürfen viebnehr selbst auswählen, was aie lesen wollen, und ihr Urteil über ein neaes Buch wird berücksichtigt bei der Entscheidung, ob das Buch der KlSBaenbücherei einverleibt wenlen soll.

Aus dem Mitgeteilten geht hervor, daß planmäßig geordnetes Lesen eiu wichtiges Glied im Betriebe der amerikanischen Sch>den ist. Steenberg vergleicht damit den Zustand in den nordischen Ländern. In Sehweden hat der Lebrerverein Bficherlisten zuaammeogestellt, auch

0 Andr. Soh. Steenberg, Folkebogsamlioger, deres Historie og lodretaing. 8- 36 a. 37. Kopenhagen 1900.

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ICttaaniigeB

Mus torsammlungen eingerichtet und eine Jugendbflcherei >Saga< (Sage) in Heften herausgegeben. In Norwegen hat ein Verein für Einder- nnd Ingeiidbflolieraieii eben&Us BQobenreneiohmflse nnd Jogendblldier het- ansgiQgeben. In Dftnemark ist die I^age oft von Lehrerveranen und in

Lchrerversammlungen erörtert worden , zuletzt auf dem 6. allgemeiiMn Lehrertage (Skoleraöde) im August 1899 von Steenberg und Petersen. Aus den Erhebungen zu diesen letzten Verhandlungen ging nach Steen- bergs Worten hervor, »daß es mit den Jugend bQchereien rocht schlecht steht« Und es ist demnach aller Grund vorhanden zu erwägen, wie man am besten eine bessere uod umfassendere Benutzung der BOoher in den ScfaideD eireichjea kann, und ob diese umfiuseode Yerwendnog siofa mit dem bestehenden Lehrplane Teieinigen I&fit oder eine Umgestsltong des letsteren nötig macht, damit der Schulplan diesen widitigen Tal der Kldungsarlteit (durch BQcbcr) aufnehmen kann.

Da wird meint Steenberg sogleich der Einwand gemacht werden, daß weder die Volksschule noch die höhere Schule Zeit zu dieser Arbeit hat Und doch muß jeder zugeben: gelingt es der Volksscliule, die Kinder zum filldhertossD in bringen und zur liohtigen Benutzung der Blleher, so können sie sieh durch hinsliches Lesen eine grofle Menge m nfitclichen Kenntnissen selbstt&tig aneignen. Was aber die höheren Sohoko anbetrifft, so wird auch in Dänemark viel geklagt Ober die bisherige Art, das Gedächtnis der Schüler mit Wissensstoff zu überladen, der nur bei der Prüfung gebraucht wird. Eine Umgestaltung der Prüfuut;, meint daiier Steenberg. ist durchaus notwendig: eine Umgestaltung der Art, daß die Prüfung mehi- das Auffassungsvermögeu, die Fertigkeit und Reife zu zeigen hat als das Yorhandeasmn einer gewissen Menge von Kennt- nissen, die mühsam dem Qedlchtnisse eingeprigt sind und wovon flis großer Teil schon nach wenigen Monaten vergessen ist Daß Qbrigeas dio bestehende Prüfungsart (dio in Dänemark nicht anders ist als bei uns) durchaus keine Gewähr für die wirkliche »Reife« des Prüflings bietet, sagt sch'tn Scheibert in dem genannten Buche: er schreibt (S, 391), >daß bei dem vielen positiven Wissen, das die Abiturienten -Instruktion fordert, auch der Dummkopf sich für ein solches E:>camen reif machen kann, wena derselbe nur 'WiUeDskxBft und Auadauer genug besitstc Und der weife- blickende Schulmann schlug daher schon 1847 tot: »reif ist der, welcher in einer Wissenschaft und einer Kunst Tfichtiges leistet und dabei durch Darlegung seiner freien Tätigkeit (dargetan durch die selb- ständigen Arbeiten, die er w.ihrend der letzten beiden Schuljahre auf den verschiedenen Gebieten geliefert) gezeigt hat, daß er bis zu einer ge- eigneten und fruchtbringenden Selbstbeschäftigung in einem Gebiete mindestens vorgedrungen sei, und dabei von der Schule ein gutes Sitten- zeugnis erhalten hat« (8. 388). FQrs erste ist wohl nicht daran so denl^n, dafi die BeileprOfung in diesem Sinne umgestaltet werden, ob- gleich für die ISrteilung des viel begehrten Einjährigenscheioes das Zu- geständnis gemacht worden ist, daß als Ersatz für die »wissenschafthche (4huilifikation« hervorragende L(Mstungen auf dem Gebiete doj- Kunst oder lies Kunstgewerbes treten könneu. Das ist immerhin i^chon etwas, und

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14. StaatUoh oginisierte VoLkssohnlbibliotheken in Uogani

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die lu^ische Prüfungskommiseion hat eich sogar 80 «i^genkommend ge- zeigt, daß sie einem Knastfiabrer die BeieohtigiiDg zum einjShngen Dienste

erteüt hat. (!)

üm jedoch auf die Fragt? des Lesens zurückzukommen, so sclicint mir ein Grund für die unrichtige Benutzung der Bücher als Bildungsmittei TOD sehen der Schflier der su frühe Beginn des Lesens. Mit fiecbt klagt PeetBloizi, «daß man (durch das FeaeelD der Kinder an den Scbrdb- tiMdi und das Buch) die ganze Natur vor ihren Augen yereohwinden madit«. Und ^ie die Volksechule an den sechsjährigen Kindern sündigt, 60 später die höhere Schule an den neunjährigen, die ohne genugendo Kenntnis ihrer Muttersprache eine fremde Sprache lernen sollen, mag es nun Latein oder Franzosisch sein. Das rächt sich durch die offenkundige Unfähigkeit, die Bücher nützlich zu verwenden oder gar durch Oeriog- adiätgnng dieser BUdungamitteL

Steenberg BchlieBt mit einer kleinen Geechiohte. Ein Scbulinspektor» 60 schreibt er, erzihlte mir einmal: als die SdiulbAder in den Qemeinde- scholen eingeflUirt worden wasea, da frigtan die Kinder, wie sie von der Schule abgingen: »wo werden wir denn nun unsere Bäder bekommen?c Und Steenberg fälirt fort: »Wäre es nicht das Naturgemäße für unsere Schulen, die jahrelang die Schuler zwingen, Bücher zu benutzen, daß die Schüler nun auch beim Abgange kommen und fragen: wo werden wir iii Znkonft etwaa au lesen bekommen?«

14. Btaatlioh organieierte VolkMohiilbibliotliekeii in

Ungarn

Wir woUen in den folgenden Zeilen Uber die Entwicklung einer In- ititatioa Beriebt erstatten, die, sovfU wir wissen, keine diiekte Vorgingeria

im eoropäischen Bildungsweeen hat, nämlich über die staatliche Organi- sation der VolksschuUiihliotheken in Ungarn. Das Werk dieser Organisation ist vor einigen Jahren unter dem vorigen Unterrichtsminister Wlassics begonnen worden und vor kurzem imter dem jetzigen Unterrichtsminister Berzeviczy zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Die Kontinuität der DnrchfQhmng yerbOrgte die Person des Ministerialrates Haläsz, der adion asit einem Jahraehnt die Angelegenheiten der Volksschule im vngarisohen Unterriehtaministerium mit killtiger und sielbewufiter Hsad leitet.

Der Oedanke, die Volksschulen des Landes mit Jugendbibliotheken auszustatten . deren Inhalt von den Organen des Staates geprQft und approbiert werden sollte, geht schon auf das Jahr 1899 zurück.

Zuerst dachte das Unterrichtsministerium daran, durch den Landes- anterrichtsrat eine Liste jener Schriften zusammenstellen lu lassen, die in den Jogendbibliotheken Platz finden sollten. Die Ausfahrang dieses Ge- dankens erwies sich aber nicht als zweckentsprechend und da legte

aSMritl fOr FUknphi» vaA Fldagogik. 12. JahiKnag. 17

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Mitteiltm^n

Minister Wlassics, der seine Pläne vor ihrer Verwirklichung^ gerne eiiMr öffentlichen Besprechung unterwarf, die auf die Angelegenheit der Tneend- bibliothoken bezüglichen Fragen einer aus vorneiimen Vertretern des Unter- richtswesens, der Literatur und des Buchhandels bestehende Enq^ucte vor. Das Bflmdtat der hier gepflogenen Beratung war dann im Jahre 1902 das Anfetellen eines Gomitte xur Leitung des Volkascbiilbibliotheksweeens (N4pi8kolai i^üafigi k5ogot&rabka intOzö bizottafig) und das Herausgeben eines Statutes, das den Wirkungskreis dieses Comitös n&her wa bestimmen berufen war. Dieses Statut dürfte auf das Interesse weiterer Kreise rechnen können, und wir wollen dessen wichtigste Punkte hier mitteilen. Aus § 1. Der Minister für Kultus und T'ntorncht organisiert behufs Be- gutachtung der Jugendschni'ten und Kialiihruug der uui diese bezüglichen Angelegenheiten ein Comitö. Dieaee Comitö hat die Aufgabe die Jugend- literatnr au beobachten, an kontrollieren und zu lenken. Das Gomit6 be- steht aus einem Vorsitzenden, einem Referenten (Schriftführer) und 12 Mit- gliedern, die vom Minister auf 5 Jahre ernannt werden. § 2. Für die Jugendbibliothekeu der unter der Verfügung und Leitung des Ministers stehenden Volksschulen dürfen nur solche Jugendsehriften angeschafft werden, die der Minister auf die verantwortliche Empfehlung des Comites hin in den Katalog der Volksschulbibliotlieken aufgenommen hat. Aus § 3. Um die Aufoahme einer Jogendschrift in den ministeriellen Katalog hat der Verleger in einem an den Minister gerichteten und bei dem Comit6 einzureichenden Gesuche einsnkommen. § 5. Die eingereichte Jogend- schrift wird von dem Comite einem außenstehenden Rezensenten ausgefolgt, der die Jugendschrift nach folgenden Gesichtspunkten prüft: 1. ist sie nach Inhalt und Form wertvoll? 2. Ist in ihr nichts von patriotischem Gesichtspunkte aus zu beanstanden? 3. Ist sie frei von jeder Aufreizung gegen irgend eine Konfession? 4. Enthält sie nicht Ausdrücke, die dem Geiste religiOSpaittlicber Ersiehung widersprechen: 0. Entspricht sie in sprachlich -stilietischer Hinsicht den Anfbiderangen? 6. Taugt sie für Schüler der eigentlichen Volksschule (mit täglichem Unterrich) oder für die der Fortbildungsschule? 7. Sind Druck und Preis entsprechend? Zu bemerken ist, daß wenn die Jugendschrift in Sprache und Stil unzureichend ist, sie bei allen sonstigen Vorzügen in den Katalog nicht aufgenommen werden kann. Der Rezensent schickt sein Gutachten an den Vorsitzenden des Comitos. § 7. Auf Grund der Entscheidung des Comitös verzeichuet der Minister die empfuhlenen Jugendsehriften und Teröifentlioht das Ver- zeichnis in dem Amtsbktte des SCinisteriums. Aus § 11. Das mit der Leitung der auf die Jugendsehriften bezQglichen Angelegenheiten betiante Görnitz unterbreitet in jedem Jahre dem Minista einen zusammenfassenden Bericht, in welchem es die im vergangenen Jahre geprüften Jugendschriften im allgemeinen charakterisiert, auf die wahrgenommenen Milngel hinweist, die zu befolgenden Riclitungen bezeichnet, und spezielle Voi-schloge dar- über macht, was zu tun sei. § 12. An den unter der Leitung des Ministeriums stehenden Volksschulen haben die Lehrer, bezw. die Lduer- kollQgien aus den auf die oben bezeichnete Weise katalogisierten Werken mit BerOcksichtigung der lokalen Verhftltnisse das Verzeichnis der anzn-

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14. Staatlich organisierte Yolkäsohulbibliotheken in Ungarn

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schaffenden Jugendschriften zusammenzustellen. Diese Yerzeichuisse sind von den betreffenden Schulen alle Jahre bis zum 1. Juni den Schul- inspektoren behufs QntheiAuiig SQ anterMten.

Auf Gnmd dieses Statntei^ deesen Hauptpunkte wir hiemiit hervor* gehoben haben, wirkt nun aeit swei Jahren das beaeiohnete Comit6, das der Minisler ans hervorragenden Gelehrten, Schulmännern und Schrift- stellern zusammengesetzt hat, und das Comit«' weiß durch Herbciziehun£^ tüchtiger Rezensenten seine Wirksamkeit zu einer ersprießlichen zu machen.

Der erste gröliore zusammenfassende Bericht des Comitt's un das MiBiaterium wurde samt dem ersten grundlegenden Verzeichnis zu liogiuu des ktiten Sommors fertig und vor hunem TorilfliBniltQhto das Uinislsrium diese Arbeiten. Dieser Bericht ist tot allem ein auefOhrlicher Bseai flbsr den Zustand der nngarisohen Jugendliteratur ond auch dieser Essai hätte trotz seines ged&mpfteren Tones den Titel fQhren kOnnen, den der Ham- burger Wolgast seinem trefflichen Buche vorangesetzt hat: Das Elend unserer Jugendliteratur.^ Dieser Essai dient zugleich als Einleitimg und Kommentar zu dorn auf Grund der Arbeit dos Komitees zusammengestellten Katalogs. Dieser Katalog gibt vor allem ein fortiaufcudee Verzeichnis aller vom Gomitö geprüften und fOr gut befondenen Jugendsohtiften, dann aber noch ein zweites Yeneicfanis fOr die bei Nengrflndungen oder Neu» anschaflfongen in erster Reihe zu berfloksiohtigenden BQcher. Zeigt also das erste Teradohnis, was die SobOlerbibliotheken der Yolkssohulen ent- halten dürfen, zeigt das zweite, was sie enthalten sollen oder gar müssen. Jedes Verzeichnis bt^stoht aus zwei Teilen: einem für die Elementarklassen (6. 12. Lebensjahr) und einem für die Fortbildungs- klassen (13.— 15. Lebensjahr) und die sogenannten Jugendvereino (über die letstere junge Schöpfung des nngarisohen Bildungswesenst die jetst in ihrer ersten Entwioklang ist, will iob mit Erlaubnis der Sohriftleitnng bei einer nflohsten Msgonheit berichten, hier sei zum Verstftndnisse des Aasdruckes nur soviel wwähnt, daß die aus der Fortbildungsschule nach dem 15. Lebensjahre entlassene Jugend des Volkes sich in freien, aber Vom Staate unterstützten Vereinen zusammenfindet, in denen sie ihrer weiteren Solbstbildung lebt). Das zweite Verzeichnis, welches, wie erwähnt wurde, die unbedingt anzuschaffenden Jugendschrifteu aufzählt, baut sich in drei, der Wiohtigheit nach abwirtsgebenden Stufen an^ die Typen ge- Bsont werden. Nnr wenn eine Bibliothek den ersten^ das ist wichtigsten BiUioHiekstypus schon besitzt, kann sie den zweiten anschaffen, und nur wenn sie im Besitze beider ist, den dritten. Der erste Typus (der 72 Bände im Gesamtwerte von ungefilhr 110 M umfaßt) soll auch von den kleinen Volk^^scliulen mit 1 2 Lehrern angeschafft werden, der erste und zweite Typus (zum zweiten Typus gehören 81 Bände im Gesamt- werte vou ungefähr 120 M.) von Schulen mit 3 5 Lehrern und alle drei Typen (der dritte Typus slhlt 101 B&nda im Gesamtwerte von 175 H) von den grofien Schulen mit 6 oder noch mehr Lehrern. Die Veneicih- nisse, samt den auf sie bezüglichen Weisungen und einer Instruktion für d;*? Einrichtung und Verwaltung der Bibliotheken wurden im Juli v. J. vom Minister Berzeviozy in einer Verordnung den Volksschulinspektoren

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Mittflifauiigw

behufs weiterer Verffigiing mitgeteilt. In diMer Verordiniiig gab der Minister die Erlaubnis, daß in solchen Schnlen, in welchen die nach deft bestehenden Vorschriften zu Bihliotheksz wecken bestimmten Einschreibe- gelder eine ungenügende Summe ergeben, die Kosten der Jugendbibliotheken in das ordentliche Jahresbudget eingestellt werden dürfen, ja für den Fall, daß selbst dieaee nicht hinieichen sollte, verspricht der Minister, daß er bestrebt sein wird fOr die entspieobende Otganiaelioa die notwendige stMtlmhft UntentÜtinng herbeisnechalliBn. Was der Minister in dieser Te^ Ordnung in Aussicht gestellt hat, wurde von ilun vor einigen Wochen er- füllt. Nachdem der Minister in den vorhergegangenen Monaten aus den Meldungen der Schulinspektoren über die auf die Schülerbibliotheken be- züglichen finanziellen Verhältnisse Daten gesammelt und sich auf di^ Weise über die notwendigen Verfügungen Klarheit verschafft hatte, ver- ständigte er in einem Erlasse vom 2. Dezember 1904 sämtUohe Sdinl- inipektoien des Landes, daß er fSr die stantliehen und staatUoh subven- tionierten Yolkssohalen die betreffenden Bibliothekstypen snoh sehen be- stellt hat, so daß kurz vor Weihnachten die für die Bildung des Volkes sich interessierende Presse mit lautem Jubel verkündigen konnte, daß 2196 Volksschulen als Festgabe mit den besten Jugendschrifton ausgestattete Schülerbibliotheken erhalten haben. Ongefähr die Hälfte der Koston wird aus den EiDschreibegeldern bestritten, das übrige durch direkte Staatshilie. So ist das vor Jahren dmoh den Minister Wlnssios angebshnts Weik von seinem Nachfolger foilgoaotit und tn einem befriedigenden, mit all- gemeiner Freude b^grOfiten Abschloß gebracht worden.

Wohl dürfte die energische staatliche Bevormundung selbst der litera- rischen Seite der Volks- und Jugendbildung vielleicht nicht nach jeder- manns Geschmack sein lebte Hert^rt Spencer in Ungarn, er würde gewiß seine Stimme dagegen erheben aber wer da bedenkt, daß es mit der Jugendliteratur und der Lektüre des Volkes selbst in Ländern nUer und einheililioher Knitor nioht sn gnt bestellt ist» wird es gewü nir mit Anerheonung sehen, daß ein Staat, in desssn Lsnd die Kidtnr joag -nnd nach verschiedenen Nationalitäten und Zungen vielilltig aericlflftet ist, mit fester, aber freigiebiger Hand die Bildungsschätze unter dss Volk streut, die von an Geist und Geschmack hochstehenden Mftnnsn nnnittel- ■bar zu diesem Zwecke gesichtet und geordnet wurden.

Budapest J. WaldapfeL

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Pftdagogisohes

CMrg Schneider, Die Zahl im grundlegenden ReclienuDterricht. Entstehunp, Entwicklung und Veranschaiilichung derselben »inter Bezug- nahme auf die physiologische Psychologie. bammluDg von Abhandlungen ■DI dem Gebiete der pftdagogiachen Psychologie und Physiologie, heraua- gegeben toq H. Schiller und Th. Ziehen. III. Bd. 7. Heft fierlin» Eeuther & Reichard, 1900.

Eine oberflächliche Betrachtung dieser Abhandlung kOonte zu einem gflnstigen Urteil über sie führen. » Schon der Platz, an dem sie erscheint, spricht für ihren wissenschaftliclicn und praktischen Wert.« So urteilt Fr. Po lack in den »Pädagogischen Brosamenc (1901, 11). Ferner scheint den Ergebnissen der darin angedeuteten didai^tischen Experimente (8. 69 77) wegen ihrer nhleiinäßigen Qenanigkeit groie Überzeugungs- baft insokooimen. Prüfen wir die Sefarüt eingehender!

Der 'Verfuaer fordert in der Einleitung (S. 4), das Wesen des Zählens und Reohnens mOsse auf dem Wege der empirischen Forschung, nicht auf dem der Spekulation bestimmt werden. Dieser Forderung muß man bei- ptlichten, wenn man unter Spekulation ein Phantasieren versteht, das sich vom vernünftigen Denken entfernt. Wir befinden uns also auf dem Gebiete der empirischen Psychologie. Als empirische Psychologie beMidinet der Verfamw (S. 4) aber nur die physiologische und experl- MBtelle Peyohdogie und als die TutSMfae^ die für die empirische Psycho- logie grundlegend sei, die, dafi »alle geistigen Vorgänge mit einem gerade beim Menschen am höchsten entwickelten Organ, dem Oehirn, in engem Zusammenhang stehen«. Der Verfasser übersieht also, daß die empirische Psychologie auch ohne physiologische Untersuchungen und ohne Experi- mente zn ganz ansehnlichen und relativ sichern Ergebnissen gelangen ksan, femer, dafi der Zusammenhang swiscben geistigen Erzeugnissen «ad Vsrtnderangen im Oehim bis jetzt dorchans ifttsdhaft und fdr die Besofardbong von asslisdien Yorgingeii gsr nicht so wichtig ist. Denn

wir, wie s. a auch in der

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Besprechoogen

Physik, die der Verfasser zum Vergleich heranzieht, auch in der empi- rischen Psychologie (physiologische und experimentelle Psychologie einge- schlossen) nur Tatsachen beschreiben, nicht eigentlich erklären können. Angabe der empiriaohen Ftaiyishologie ist ee demnach, imBern Bewnßtseäns^ iotaalt SU zergliedern und die >geaet2m&Bigec Anfisimuiderfolge von Bewuft- seinszustfinden zu beschreiben. Und diese Zergliedemng unseres Bewufit- fleinsinhaltes zeigt uns keinen ursächlichen Zusammenhang zairischen Gd- himverändornnp:pn und soelischen Zustünden. Unsere Beschreibung der Entstehung von Zahlvorstcilungon kann deshalb ganz genau und richtig sein, auch wenn wir diesen Zusammenhang nicht berücksichtigen.

Und gründet der Verfasser seine Meinung über das Wesen der Zahl wirUicta auf physiologische Ergebnisse und auf Experimente? NeinI Dens in allen seinen grandlegendoi ErOrtemngen über »die Zahl in ihren vec^ achiedenen Erscheinungen«, Ober »die Wahrnehmung der ZahleindrQcke«) über »die Abhängigkeit der Zahlvorstellungen von den Empfindungseigeo- schaften«, über »die Anschauung als Grundlage des Zählens*' , über »den Zahlbegriff und das Wesen der Zahl« und wie die Kapitel iU>erscliriften des ersten Teiles seiner Arbeit alle heißen, in all diesen Erörterungen geht der Verfasser nicht vom Experiment aus. Erst im zweiten Teil seiner Arbeit, nachdem er im ersten das Wesen der Zahl dnrdb lein gedanWidie üntersoohungen festgestellt au haben glaubt, versocht er, dniäi »didak- tische Ezperimmitec etwas über die »Veranschaulichung der Zahl im Unter* rieht« zu erfahren. Der Verfasser darf also durchaus nicht den Anspnich darauf erheben, bei dem wichtigsten Teile seiner Arbeit eine besonders ausgezeichnete, etwa »naturwissenschaftliche« üntersuchungsmethode an- gewendet zu haben. Aber der Verfasser scheint tatsächlich sich in diesem Irrtum zu befinden. Leider ist seine > Bezugnahme auf die physiologische Psychologie«, die schon auf dem Titel angekündigt wird, nnr eine ober- faohliöhe, und deshalb kommt er zu oberfliofaliohen BehanpCnngen. Ober- flAdüioh ist s. B. seine Darlegung, wie Empfindungen an Vorstellungen w^en. Er schreibt S. 6: »In der Vorstellung sind die von den Objekten ausgegangenen und vom Gehirn festgehaltenen Reize unser •Toistieas Eigen- tum geworden.« Wie materielle Reize unser geistiges Eigentum werden können, ist doch recht merkwürdig. Wie denkt sich der Verfasser diesen Vorgang? S. 11: »Jeder Reiz läßt . . im Gehirn . . eine Spur zurück, so dafi er auch nach seinem Aufhören noch gegenwärtig ist und so sur Vor- stellung wird.c 8. Sl: »Die Vorstellung ist nur der Rest der Empfindung^ der noch vorhanden ist, wenn die Oligdcte nicht m^r einwirken. Daher kommt auch den Erinnerungsbildern ... bei weitem nicht die Lebhaftig- keit der Empfindungen zu. Sie sind quantitativ geringer.« Es seien nur wenige Ergebnisse der physiologisch -psychologischen Forschung (Ziehen, Leitfaden der physiologischen Psychologie, 4. Aufl., 8. Vorlesimg) angeführt, die da zeigen, wie oberflächlich die Darlegung des Verhssers ist psychischer FSiallelTorgang für das sogenannte Niederlegen des Brinnerongs- biidea im Gehirn fehlt vollkommen. Erst eine neue Ähnliche Empfindnag oder eine Ideenverbindung können das Residuum der materiellen Erregung ao ▼erändem, daß zu demselben wieder ein pq^cbischer FtoaUelToigsiigi

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rädogogisches

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das bewußte Erinnerungsbild, die Vorstellung hinzutritt. Ferner: Sinnliche Lebhaftigkeit kommt den Vorstellungen nicht in geringerer Intensität als der Empfindung, sondern überhaupt nicht zu. (Die Vorstellung des leisesten Biuscfaens und die des lautesten Donners zeigen gar keinen IntenaitSts- nntendüed.)

In seinen Darlegungen über das Wesen der Zahl verwechselt der Verfasser ständig Zählobjekt und Zahlbeziehung. (Vgl. auch die Be- fiprechung einer andern Arbeit des Verfassers von Th. Ooebol, Päda- gogische Warte, 10U4, Heft 22, S. 1223 f.)

S. 11 behauptet er, die Zahlen würden »nicht unmittelbar, sondern mittelbar in Verbindung mit Dingen empfunden«. Aber welches ist die Alt dieser Verbindung? Doch diese: Dinge, bestimoiter: AuBenperzeptionen, kflnnen ZOhlobjekte, Zftblmittel sein, kOnnen gesählt werden. Genaner: Dinge oder Bewegungszuständc, die in einer Reihe auftreten, werden ge- setsmäfiig den Gliedern einer bekannten Zählreihe, zumeist der zeitlichen Reihe der Zahlwörter, eindeutig zugeordnet. (Vgl. die Arbeit Facks: »Zählen und Rechnen«, Zeitschr. f. Philos. u. Pädag., 2. Jahrgang, S. 19G bis 213, 262—275, 346—351.) Daher ist der SchluB berechtigt: Wo kdne Dmge sind, kOnnen keine Dinge gezählt werden, aber nicht der Sdüuß des Verfassers: »Wo keine Dinge sind, gibt es auch keine Zahlen.« (8. 13.) Welche Ansidit hat der Verfuser vom Wesen der Zahl? Die Zahl ist nach seiner Meinung ^das Verhältnis der Dinge in Bezug auf ihre Menge«. (S. 55.) Daß die Zahlvorstellung durch irgend eine Be- ziehung zu Stande kommt, gibt der Verfasser hier zu. Aber was wird dabei aufeinander bezogen? Aus der angeführten Definition läßt sich das nicht klar erkennen. An einigen Stellen nähert sich der Verfasser der vorhin angedeuteten Ansidit vom Wesen der Zahl. Im VII. Abschnitt (»Dis Zustandekommen der ersten Zahlen«) fOhrt er das bekannte Beispiel von dem kleinen Knaben an, der s. B. 2 Kugeln hat Es wird ohne sein Wissen eine Eugel entfernt. Der Knabe sieht dann zu seinen Kugeln zurück. Er ist sich dessen bewußt, daß die Anzahl eine andere geworden ist. Man sollte ineinon, dieses einfache Beispiel hätte den Verfasser zu der Ansicht führen müssen, daß die Zahlvorstellung (hirch Vergleichen, Beziehen entsteht, hier durch ein Vergleichen der Emptindung des neuen Bildes mit der Vorstellung des alten Bildes. Aber der Verfasser kommt SB folgendem Erigebnis: »Zahlen werden im allgemeinen (I) genau so er^ kumt wie die Eigenschalten der Farbe, ChrOie und Ausdehnung« (S. 29), obwohl sie »nicht eine Qualität der Dinge wie die Farbe« bildm (S. 56). Oerade das genannte Beispiel zeigt deutlich, daß die Beziehungsvorstellungen ' aDdcTs entstehen als die Vorstellungen der Farbe und so fort. Auch an andern Stellen üb^^sieht der Verfasser, daß die Zahl zu den Beziehungs- vorsteUungen geiiürt, daher die ständige Verwechselung zwischen Zähl- ob[skt und Zahl S. 9 lespn wir: Wir kOnnen die gezählten Dinge sehen, hlhvn, fühlen. »Die Zahl kann, z. B. beim flinsufOgen einielner Einheiten, in Sntrtslien begriffen sein oder auch als abgeschlossenes Glanzes auftreten. Diher hat sie einen zeitlichen und räumlichen Charakter.« Also: weil die gssählten Dinge in räumlicher oder zeitlicher Reihe auftreten, deshalb

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B6^P90hnng8D

ist nach des Verfassers Ansicht die Zahl räumlich und zeitlich. Noch deutlicher zeigt sudi dieselbe Verwechselung S. 15. Der Verlasser spricht davon, vie die Schläge der ühr geiSblt werden, und hier identiflsiert er OehOreeindracke und Zahlen fast Tollständig. Was soll man erst mit

einem Satze wie diesem anfangen: »Die räumliche Darstellung der Zahl fibertrifft ihre zeitliche ¥o\\;e bei weitem« (S. 23). Und S. 3G red^t der Verfasser sogar von der zweiten uiul dritten Dimension der Zahl uuJ läßt diese seine eigene Erkenntnis, daß die Zahl drei Dimensionen habe, duich gesperrten Druck deutlich hervorheben.

Welches ist die Folge dieser Verweisthselung? Der VerCsaser redet gar viel von den zu lAhlenden Dingen und verliert sich dabei auf Gebiete^ die nur in losem Zusammenhänge mit dem Thema stehen. 8o redet er B. B. von musikalischen KombinationstOneo, von der Übertragung kalorischer Reize (!) auf das Gebiet der Farben, sogar von der Färbung der Lerche und des Laubfrosches aber vom Wesen der Zahl zeichnet er leider kein klare 1 Ild.

Der 11. Teil der Arbeit ist übersduieben: »Die Veranschaulichung der Zahl im ünterriehtc Wir würden ssgen: Von den Zlhlmitteln im ersten Bechenunterricht Aus dieser OegenOberstellung geht von von- herein klar hervor, daß der Veriksser su andern Forderungen komnea vrird als wir. Da er meint, man könne die Zahl veranschaulichen, so geht er ans von den »ForJerungen, die bezüglich der Veranschaulichtiiig der Zahl gestellt werden müssen €. Wer dagegen die Zahl Vorstellung als Beziehungsvorstellung betrachtet, der wird wie Fack (a. a. 0. S. 270 f.j nach geeigneten Mitteln suchen, die Kinder auf diese Beziehung von vorn- herein hinzuweisen. Die Beurteilung irgend eines Unterrichtsmittels riohtft sich gans nach dem Miaflstab, den man an dieses Mittel anlegt Deshelb wftre es unnütze Arbeit, auf die nun folgenden AusfQhrungen des Ver- fassers näher einzugehen, wenn wir seine grundlegende Ansicht Ober das Wesen der Zahl nicht als richtig anerkennen können. Nur ein paar Worte zu den »didaktischen Experimenten, c deren Ergebnisse wogen ihrer zahlen- mäßigen üoniiuigkeit überzeugen könnten. Der Verfasser stellt durch viele Versuche z. B. fest, daß bei momentaner Betrachtang eine Anzahl von Kugeln richtiger abgescbAtit wird als eine gleiche Aniahl von Strichen und so fort. Ist dies aber das Ziel des eisten BeohennnterrichtSi daS die Schüler momentan der Verfosser verwendet zu jeder Schätzung eine halbe Sekunde Anzahlen schitzen lernen? Nein, wohl auch nicht nach des Verfassers Ansicht. Aber er meint, solche Experimente könnten ihm am besten zeigen, "welches Veranschaulichuugsmittel die Zahl am besten wiedergibt. Ja, wenn die Zahl überhaupt anschaubar -wäre! Die Eiperi- mente zeigen bloß, an welchen Zählmitteln Kinder, die schon tShlen können (es waren Kinder des 3. 8. Schuljahres) gewisse Mengen tm schneCsten absohfttzen. Sollen solche Experimente nutzbringend sein, se müssen sie mit Kindern des ersten Schuljahres vorgenommen werdea und sich folgende Aufgabe stellen: Mit welchem Rechenmittel lernen die Kinder am leichtesten und sichersten zählen und rechnen? Daß der Tillicbsche Kechenkasten bei den Ergebnissen der Versuche sehr schlecht

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IldagogüiohM

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▼egkommen mußte, war von vornherein zu vermuten. Die Anzahl der Wfirfel, die eine Sfiule ausmachen, ist natürlich viel schwerer abzuschätzen als eine Ansahl von sjnimetrisoh angeordneten Pnnkten, sQmnl wenn die Sbüen keine denUidien Teilstriche hahen. Nur ist solches Afasohfttien von

gar nicht so großer Bedeutung für die Bildung der ersten Zahlvorstellungen. Der Verfasser Obersieht femer manche Fehlerquelle seiner Versuche. Die Versuchskinder kannten den Tillichschen Kasten vorher noch nicht; wenig- stens war ihnen die aufrechte Stellung der Säulen unbekannt (S. 70). Sie wurde ihnen vorher erst »erklärt«. £s ist deshalb durchaus nicht zu ver^ wnndern, dsA die Kinder im Schätzen der ihnen weniger bekannten oder doch in neoer Weise anfgeetellten Slnlen nierst sehr unsicher waren im Yeiiglaich snm Schitzen der »Punkte« anf dem Rechenbrett, das sie viel genaner kannten. Deshalb geben die Zahlen, die sich bei den Versuchen herausstellen, doch recht unsichere Auskunft, auch dem, der des Yerfassers Ansicht Ober das Wesen der Zaiil teilt.

Wenn man didaktische Experimente anstellen will, so muß man vor- her genau feststellen, welche l?'ragen diese Versuche beantworten sollen. Die genaue Fragestellung wird dabei häufig schwieriger sein als die Be- antwortung durch den Versnob. Wenn man duroh Experimente i. B. ein Bedienmittel priUlen will, so muA man sich vorher eine klare AuflMSong vom Wesen der Zahl bilden. Das p^ychologiache Experiment ergänzt dann die Üherlegnng, indem es eine gestellte Frage beantwortet oder ein rein gedanklich gefundenes Ergebnis durch die sinnliche Ei fahrung bestätigt. Psychologische Experimente sind aber dann gefährlich, wenn die Frage, die sie beantworten sollen, nicht richtig gestellt ist. Sie werden dann leicht falsch gedeutet. »Das erfahrungslose Denken nnd die gedanken- lose Erfahrung sind gleich ohnmächtig« (Wundt).

Jenn Paul Henkler

•le MS Bnisbmg

(8elb9tanzeige)

Die neue Erziehung. Elssays üler die Erziehung zur Kunst und zum Leben von Dr. Heinrich Pudor. 339 Seiten. Leipzig, Verlas ^ Hermann Seemann Nachfolger. Preis 5 M.

Die Eniehnng ist die Grundlage aller Beformfragen. Fast alles im Leben des Menschen ist Sache der Erziehung. Fast alle MSngel der Bildung und Sitte sind auf Rechnung fehlerhafter Erziehung zu setzen, das gilt nicht nur vom privaten, sondern teilweise sogar vom öffentlichen Lehen. Deutschland, nicht etwa nur Rußland steht vor schweren inneren £risen. Es hat zu wählen zwischen Reform und Revolution. Soll erstere in Frage kommen, so mnfi sie von 0rund aus erfolgen nnd die Eniehnng hat dabei das wichtigste Wort au sprechen. »Fangt es aber mit der Jugend an, und es wird gelingende sagt Goethe. Aber man wolle nicht denken, daB die Erziehung nur fQr die Jugend in Frage kommt. Das ist gerade der Krebsschaden unserer Zeit, daß die Erziehung der Regel nach mit dem achtaehoten oder vieiundzwanugsten Lebensjahr ihr Ende nimmt»

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Bespredraiigen

während nur das Ijobenseade ihr ein Ziel setzen sollte. Dazu kommt, dafi die Eniehung heute, wie von immer mebr Seiten sageefeanden wiid, eine einseitig formalistisohe ist, die sn viel Unterricht (Oediehtnis-Stiofl) und zu wenig wirkliche den Menschen bildende Eniehung gibt Sie ist

vor allem aber einseitig geistig verstandesmcißig, zu wenig ethisch und fast gar nicht leiblich. Diese harmonische Erziehung des Mensehen ist das Programm des vorliegenden Buches »Die neue Erziehung^. Der »Er- weiteruDg der Erziehung« gc'ten die Kapitel Jugendspiele, Handarbeit, Der Gartenbau in der Schule, Der Sport in der Erziehung und der ganze VIL Teil des Buches »Die Endehung des Leibes«. Als AutoritSten, die eine solche Erziehung in frOheren Jahrhunderten ▼ertreten haben, weiden im I. Teil Montaigne, Pestaloszi, Gomenius, Bembrandt als ERieher, Lagarde behandelt.

Eine fernoro, wesentliche, und notwendige Ergänzung der Erziehung ist >Die Erziehung zur Kunst«, die im IV. Teile behandelt wird. Der Erziehung zur Musik ist der ganze, dann folgende Teil gewidmet. Daran sohliefit sich ein Kapitel über Volkserziehung. Als Volkserziehung ist zwar die ganze nene Erziehung gedacht; hier ist aber im engeren Sinne ▼on Voliraerziehung, wie sie die nordischen YoUnhodhschulen schon ia fast idealem Sinne repräaentieieD, die Rede. Endlicli behandelt noch ein Teil verschiedene Lebensfragen und Erziehungsfarben, so die Erziehung des Weibes, die Selbsterziehung, die Erziehung zur Arbeit, vor allem al>er den Enthusiasmus als Erziehungsmittel, gerade an dem fehlt es in iiiisoror modernen großstädtischen bureaukratischen Erziehung, obwohl docii alle Welt wei£, daß ohne Enthusiasmus noch niemals etwas QroBes geleistet worden ist

Berlin-Wilmersdorf Dr. Heinrich Pudor

Aithe Kaatzsch, Versuche in der Betrachtung farbiger Wand- bilder mit Kindern. (Mit einem Beiheft, enthaltend 21 Nach- bildungen von Künstler- Steinzei&hnungeu). Leipzig, Teubner, 1903.

52 S. Preis?

Es ist gut, daß die Verfasserin in der Vorrede ausdrücklich betont, dafi ihre Kiedersohrift nur für den Ijehrer, nicht für die Kinder bestimnt ist, es konnte sonst doch dieser oder jener Lehrer auf den Gedanken

kommen, die 21 Versuche zur Grundlage seiner Betrachtung der Bilder roit Kindern zu madien, und das wäre weder für die Bilder noch für die Kinder gut. Denn obwohl die Verfasserin erklärt, »Anschauungsstunden dürfen nie daraus (aus der Betrachtung der Bilder) gemacht werden*, so verfäiirt sie docii im Sinne eines Anschauungsunterrichtes trockenster Art Die Betrachtung der zarten, stimmungsvollen Mondlandschaft von Kamp- mann wird mit folgenden Fragen angeleitet: »Was stellt dies für Land dar? Was haben wir für eine Jahreszeit? Woran seht ihr das? Was für eine Tageszeit? Wieviel Lichtquellen? Welches Licht überwiegt noch?« usw. Und im Verhuif der weiteren Betrachtung werden Fragen gestellt, wie: >Wie sielit der Mond aus? Was für Licht gibt er? Wie nennt man diese Zeit des Kampfes von Sonnen- und Mundlicht? . . . Warum sind weiche

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Pädagogisches

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verschwommene Linien und Farben besonders reizvoll? . , . "Welche Rolle spielt der Mond bei diesem 80 starken Eindruck? . . . Wieviel Erdwellen l^önnt ihr unterscheiden ?& und so fort Das ist nicht mehr das »leitende Wort«, das die VerfiMseriii fflr die Betnushtiing empfiehlt, sondern ein Krage- ond Antwortspiel gewOhnlioher Art Dabei fmgt sie ausdrOoklich (8. 6), daß sie kein Bild su terschOpfen« gesucht habe, obwohl der genannte Versuch fast swei Draokseiten solcher Fragen umfaßt. Zwar betont die Verfasserin, der Lehrer möge die Kinder nur durch gelegentlich gestellte Fragen dieser Art anregen, von den »Versuchen« selbst aber rühmt der Katalog der Verlagsbuchhandlung bei Empfehlung des Schriftchens, daü äe >aus praktischen Versuchen mit Kindern« entstanden, also doch wohl ao angestellt worden sind, wie sie Yorliegen. Dafi sieh die Versuche nioht anaialen mnstergOltig sn sein, wie die Yer&aserin im Yofwort versusfaert, ist wohl selbstrerstlndUoli« Wenn gelingt das wohl auf den ersten Warf! Immerhin wäre es gut gewesen, wenn sie dieselben mit Kindern wieder- holt und dann erst der Öffentlichkeit übergeben hätte, zugleich mit einer getreueren Mitteilung über die Erfolge mit den angestellten Versuchen, die immer wichtiger sind, als letztere. Der Wert des Heftchens liegt eben nicht in der Darstellung dieser »Versuche«, sondern in der Einfflhrangin die Technik des httnstleriaohen Sehens und in die EnnstspTbobe, die heate ■ooh sameist anbekannt sind. Diesem Zwecke wird die Schrift gewiB gute Dienste leisten, und kann jedem Lehrer zur kritischen Benutzung emp* fohlen werden, wenn auch wesentliche Punkte, wie die Auswahl der Bilder, die Stellung der Bilderbetrachtung zum Lehrplan, der beste Zeitpunkt der Betrachtung usw. ganz unberührt geblieben sind. Interessant wäre es gewesen zu erfahren, warum die Verfasserin nur die Teubnerschen Künstler-Steinzeichnungen für ihren Zweck Terwendet hat. Darin war liohtwark in seinen bekannten »Obungenc weniger inseitig.

POfineok E. Scholz

Keisiig, D., Zeichenlehrer in Mainz, 25 Wandtafeln und 21 Vorlagen für das elementare Freihandzeichnen. Mainz, Selbstverlag. Preis 12 M

und 6,50 M.

Seitdem der Zeichenunterricht als ein wichtiger Bestandteil der kunst- lenschen Erziehung angesehen und in ihren Dienst gestellt wird, wendet sidi ihm fiae erhöhte Au&nerksamkeit zu. Das Zeichnen will nicht mehr wie Msher eine Uoie Fertigkeit sein, sondern es will vor allen Dingen

Herz und Sinn des SohQlers zur kflnstlerischtti Genußfähigkeit erheben, tber den Wec: ^.u diesem weit in die Ferne gerückten Ziele gehen die Ansichten sehr auseinander. Große Unsicherheit herrscht auch in Bezug auf den Gebrauch von Wandtatoln und Vorlap:on. Im allgomeinen sieht man jetzt mit Recht von einer mißbräuchlichou Benutzung von Vorlagen ab oad redet Oberhaupt nicht mehr von Vorlagen im landlftnfigen Sinne. ISn Zeichenwerk der Neuzdt darf nicht wie seine vieleo Vorgänger zum Abzeichnen dienen wollen, sondern muß, nach Grundsätzen künstlerischer Srziehung bearbeitet, in erster Linie für die Hand des Lehrers berechnet sein. Es moA sich auszeichnen durch FQUe des Stofifes, aus der der

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268

BospuBohmigai

eiozeluü uach Belieben das für seine Zwecke brauchbare Material scböpfea kuiD. Oleiöhieitig moA es Lehrer und SöbUkr cuifllhiea in das QebiH der Farben und Teohniken. Hier gÜt ee durch aohOne Hubenhaimfloie, glaoUiohe BanmTerteilang, sinngeiu&ße Betonong irgend eines Pflanseo- . Charakters u. a. m. den Kunstsinn des Schülers zu pflegen nnd ihm ducb einfache Aneinanderreihungen, Anordnungen zu verschiedenen FflUungen uw. eine stete Anregung zu künstlerischem Schaffen zu j^eben.

Die uns vorgelegten Wandtafeln und Vorlagen von Heising bieten von alledem sehr wenig oder gar nichts. Sie mögen wohl wie viele ihres- gleichen infolge des methodischen Aufbaues einen zeichnerisch unerfahnneik Lehrer erfoJgreioh anweisen, aber den ▼eitaus grOAeren T«l der Zeiohen- lebrer Mnnen sie nioht befriedigen, weil sie ihm zu einem knnstkrisobfln Zeichenbetriebe so gut wie keine Anregung geben. Wir Termis3en die Vielseitigkeit des Unterrichtsstoffes, die dem Lehrer eine ttr seine V^- hältnisse entsprechende Auswahl ermöglicht. Wir vermissen vor allem auch das Zaubermittel Farbe, dem der neuzeitliche Zeichenunterricht mit Recht eine so hervorragende Stellung anweist u. a. mehr. Wie überflüssig erscheinen uns dag^en die auf vielen Tafeln beigedruckten VerauschaU' liofaungsmittel, die den Kindern doch so wie so in natura vorgeführt wentos mikssen. Unbedingt zu verwerfen sind aber die auf den Wandtafeln an- gegebenen Hilfsflguren, die die SohOler der Selbeltitigkeit voUstladig «il- heben. Alles in allem: Heisings Zeichenwerk ist nicht mehr zeitgemift und kann mit Neuerscheinungen auf dem Gebiete des Zeichenunterriolits nicht in Wettbewerb treten.

Jena £. Menge

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Aus der philosophischen Fachpresse

Archiv ffir systematische Philo- sophie. X, 4. 1904. Chr. D. Pflaum, Die Aufgabe wissen- schaftlicher Ästhetik. Richard Skala, Über die Verwechslung des sinnlich An- ^nehmen mit den Kunsteindrücken und einige andere Folgen der sogenannten empirischen Ästhetik. Bruno Stern, Gerechtigkeit. Dr. phil. Hermann Staeps, Das Problem der Willensfreiheit vom Standpunkt des Sollens. Jahresbericht über sämtliche Erscheinungen auf dem Gebiete der systematischen Philosophie. Rudolf Goldscheid, Jahresbericht über £rscheiaungen der Soziologie in den Jahren 1899—1904. Die neuesten Erschei- nungen auf dem Gebiete der sy.stema- tischen Philosophie. Zeitschriften. Eingegangene Bücher.

Revue philosophique. Octobre.

A.. Godfernaux, Le parallelisme pay- chophysique et ses consequences (ler artide).

Annalen der Naturphilosophie.

3. Bd. 4. Heft

Ludwig Fraunhofer, Über die Unbe- veisbarkeit des Parallelaxioms. J. Valdapfel, Grundbegriffe der Pädagogik in energetischer Beleuchtung. Hans Kleinpeter, Die Relativität aller Bewegung

und das Trägheitsgesetz. B, L. Wieties, Der Mystizismus and die Klarheit des Denkens.

Neue Metaphysische Rundschau.

Herausgeg. von Paul Zillmann. 1904.

Band XL Heft 5. Dr. Rieh. Wedel, Moliah Schah und der orientalische Spiritualismus. Hans Freiniark, Die bewußte Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen. Dr. Heb. von Lessei, Die metaphysische Grundlage von Richard Wagners »Der Ring des Nibelungen« (Kapitel V : Über die Götter- welt). — Helene Zillniann, Schad-Rossa, der Interpret der Psyche. Dr. med. J. D. Buck, Mystische Maurerei (Kap. VI: Die Geheimlehre : die siebenfache Natur des Menschen). Rundschau. Bücher- schau. Porträt: Goethe.

Revue de M^taphysique et de Mo- rale. (M. X. Leon.) 12e annee, No. 6. Novembre 1904. H. Bergson, Le paralogisme psycho- physiologique. P. Boutroux, Sur la notion de correspondance dans l'analyse mathömatique. H. Delacroix, Sur la structure logique du rove. L. Colonel Hartmann, Definition physique de la force.

Xavier L^on, Fichte contre Schelling.

F. Rauh, Sur la position du probleme

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Faohpiease

du libre arbitre. Comptes Rendas Critiquos: E. Chartier, Philosophie g6u6- rale (Seaaces de section et S^ance g6n6- rale). L. Contorat et F. Rauh, Logique et philoMphie des Sotenoee (Stooes de section et Bianca genersle). F. Raxih, Psychologie (Sdances de section et Seance generale"). A. Berthod et E. Halevy, Morale et Sociologie (Seances do section et Seance generale). A. Darlu, Histoire de ]ft lUIoBophie (SeaDoe g6ii&rale).

Mind A Quarterly Review of Fsycho- logy and Philotophy. Edited by Prof G. F. Stoai New Series. No. 52.

October 1904. "William James, Huraauism and Truth.

A. E. Taylor, Mind aud Body in Ke- cent Psychology, B. Russell, Meiuoog's Theory of Complexes tnd Aflsnmptions (HI). F. & a Sohiller* la Defenoe of Humanism. T. K. Abbott. Fresh Light on 3£olyneux' Problem Dr. Ramsay's CSase. Critical Xotices. New Books.

Philosüphical i'eriodicals. Notes and CoRespondenoe (Letten by Norman Smitb, A. Sidgwick and H. Bashdall). BÖIcseleti Folyöirat Szeiieszti

kiadja Dr. Kisa Jänos. m.Füzet. 1904. I. Ertekezösek : Dr. Hanauer A. Istvsui, A termeszettudoniiinyok az ukaratsza- badsag. Dr. Werdenich Eadru, A let teljessege. Dr. Stackner Jftnos, As drs^kek megbizhatösiga. Flodozovios Zsigmond, A modern kultura es a sdiO- lastika. II. Bölcsoloti mozgaluiak, vegy- esek: Bulcsoleti eloailäsok a budapesti egyetemeu az 19U4/5-ikiiskola^v I. feieben.

BiUoselettndomAnyi tanfolyam Saiz- bnigban. Beodelet a ssentmisdk kece- lesöröl es a szerkesztö kerelme. IV. Irodalmi (' rtcsiti): BanghaBöla, Dr. Pauler Akos. Az ismeretelmck'ti kategoriük pro- blemäja. Kozüry üyula, Dr. Hajos Endre. Altalänos psyohopathologia. Hiidetesi rovat elöfisetBk uyugtatäsa a boritekon. 1

Meumanns Archiv fflr die gesante Psychologie. H>03. III 4.

L. Treitel, Haben kleine Kinder Be- griffe? — Jung, Das hysterisobe Ver> lesen. Hahn, Über sinnvolles Yoiieeeo.

Peters, Die Farbenempfindung der Notzhautperiphorie bei Dunkeladaptiott und konstanter subjektiver Helligkeit.

BarthsVierteljahrsschriftfQrwissen- schaftliche Philosophie und So* ziologie. 27. Heft 3. OieBler, Der Einfloß der Donkeflnit auf das Seelenleben des Menschen. Hartmann, Die Orondlage des Wahr* scheinlichkeitsurteils. Barth, Die Ge- . schichte der Erziehung in soziologischer Beleuchtung.

Qfltberleti PMIotopliiMlies Jah^ buch. 1& Jahig. 1. Heft

1. Abhandlungen! Ad. Dyroff, Das Ich und der AVülo. Scherer, Sittlichkeit und Recht, Naturrecht und richtiges Kecht (Schluß). Paul Czaja, Welche Be- deutung hat bei Aristoteles die siaalidn Wabnehnning ond dss innere Anadun- uogsbild für die Bildung des Begriffes? (Schluß). A. Neher, Patritius Benedikt Zimmer. C. Gutborlot Der erste Kon- greß für e.xporimentello Psyrhologie. II. Rezensionen und Referate. UL ZeitschrifteosduHL ~ IV. HisseUea uaA Naohriohten.

Eo«. YiertaljabneohiiftfürdieBikaaiit-

nis nnd Bffhandinwg jugendlicher Ab- normer. Wien, Jannar 1905. 1. Jshr* gang. Heft 1. Zur Einführung. Wisseubdiaftliche Vertreter und Mitarbeiter. Vonuudge.

Abhandlungen: Dir. Dr. M. Bronner, Der Geist des tanbstnnunen Kindes. Selbstbeobachtungen von Luigi ÄDsaUti Das Seelenleben eines Erblindeten. Berichte: Die Füreorge f. abuurnia lunder in Ungarn. 1. Von Sektiousrat Dr. iJei» vonNiiay-Szabo. II. Von Ludwig Sdilon.

Aqs der Praxis. Bsspreohniigsn.

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Nea ebgogangene Böoher und ZaitBohriften

271

Nen eingegangene Bücher und ZeitsohTiflen

Fr. Jodl, Ludwig Feuerbach (Klassiker der Philosophie). Stuttgart, Fromoiaii, 1904. 133 8.

K. Gnenther, Der DarwinismiiB and die Probleme des Lebens. Zagleich eine Kinfülmincf in das oinhoimi.sche Tierleben. Freiburg i. £r., Fehüenfeld, 1904. 460 S.

B. Biohter, Der Skeptuismiu in der FbOoeophie. Leipsig; Düir, 1904. 3648.

Elsenhan», Die Aufgabe einer Psycho- loge der Deutung als Vorarbeit fiir die GeisteswissensohaEten. Gießen, Kicker, 1904. 2G S.

J. Trüpor, Beitrüge zur Einderforschung, l^cbopafthisohe M inderwerti^eiten als Ursache von Gesetzcsverletzongen Jugendlicher. Langensal2a , Hermann Beyer & Söhne (Heyer & Mann). 57 8.

M. Offner, Zurechnung und Verant- wortung. Leipzig, A. Baitb , 1S>U4. 50 8.

Fkobefithiten. EretüiogMrlwiteii ai» dem deatschen Seminar in Leipii^. Heraus- gegeben von \. Köster. L Die KudolstiklterFest.-^|tit le lOfJO- tJ7. Von C. Höf er. Leipzig, Voigtiäuder, 1904. 215 a n. Die Oriffin Dolorse. Von F. Bchnl s e.

1904. 101 S. in. E. Reclam, J. B. Mir haelis. IGO S.

A. Wernicke, Die Tlieorio deti Oegen- standes und die Lehre vom Dinge-an- sich bei Kant. Braunsohweig, fi. Meyer, 1904. 32 8.

Ortner, Kant in Ostermjoh nnd V-incenz Ed. Milde. Klagenfart, Heyn, 1904. 24S.

Sammlung naturwissenschaftlich - pädago- gischer Abhandlungen. Von Schmeil U. 6ch m i d t.

Fr. Lud w ig, Die Mflbenplage der UlToh- nmigen, ihre Entstehung und Bekämp- fung. Leipzig, Tenlmer, 1904. 20 S.

Dippe. AtomismuR, Dynamismns und Energetik als Prinzipien der Naturphilo- sophie. Soest, Nasse, 1904. IS S.

0. Weise, Unsere Muttersprache, ihr

Werden und ihr Wesen. 5. Auflage.

Leipzig n. BexUn, Teaboer. 264 8. W, Windelband, Über WOIenafteiheit

12 Vorlesungen. Tflbiogen IL Leipsig^

1904. 222 S. II. IJt'lart, Nietzsches Metaphysik. BeN

liu, F. Wunder, 19U4. 420 8. Graue. Selbstbewofitsdn und Willens-

freiheii Beilin, Sohwetzsohke, 1904.

189 S.

E. Ott, Die Ficligionsphilioeophie Heijels. Ebenda 1ÜU4. 12.". 8.

E. Ilorueffer, Piaton gegen Sukratefl. I^ipzig. Teubner, 1904. Ö2 S.

F. David, Das Problem der Willeiu- freiheit bei F. E. Boieke. Bedin» Mittler, 1904. 116 S.

Kurtz. Zur Psychologie der voroxilischen Praplieten in Israel. I^ölineck| Feigen- span. 102 S.

P. Natorp, Logik. MarboiK* Elwert, 1904. 57 8.

A. Schultze - Tigges, Philosoplüsche Propädeutik auf naturwissenschaftlicher Grundlage. 2. Aufl. Berlin, Beimer, 1904. 221 S.

A. Seydel, TJnterricht in der ohiist- liehen Religion auf heUegeeduohtliofaer Grundlage. Leipiig n. Beilin, Tenbuer» 1904. 211 S.

K. Zwyniann, Ästhetik der Lyrik. L Diis (ieürgesche Gedicht. Berlin, K. Schnabel, 1904. 153 8.

J. Moses, Hygiene des Unterrichts. Mannheim, Bensheinier, 1904. 70 S.

Sickinger, Oiiganisation großer Volka- schulkörper nach der natürlichen Lei- stungsfähigkeit der Kinder. Ebenda 1904. 35 S.

M. Terwom, HatnrwiaBensohaft und Weltanschauung. Vortrag* Leipsig, JL Barth. 1904. 35 S.

Koppelmann, Kritik des sittlichen Be- wuiit.->eius. Berlin, Beuther & Beichard, 1904. 3Ö5 S.

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272

Ken eingegangene Böcber und ZeHsohrifteB

Blum, Der genuriattiiie Unterbau der

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Die nassauische SiinultaDschula. Biele- feld, Hdmioh.

Brewie, Des snk. YoUBsohidgeeets in Freofien. Ebenda

8ickinger, Der Unterrichtsbetlieb osw. Mannheim, Bensheimer.

Fr. Mann, Pädagog. Magazin 231, 235, 236. Langensalza, Hermann Beyer & Sohne (Beyer ft Xami).

S. Briebrecher, Leitbden f. d. ünt im a, Test. Hermannstadt, Michaelis.

K. Schewe, Zum Fachunt. L d. Volks- schule. Minden, Masowsky.

Tilger, Der grajumat Unt Langensalza, Henunn Beyer k BShne (Beyer &

MttlB).

Junge , Beiträge zur Method. des mtar- kundl. Unt. 4. Aufl. Ebenda.

Bauer, Urgeschichten, Mose und Josua- geschichte. Leipzig, Wunderlich.

Heyn, Gesoh. Jesu. 2. Avil. Ebenda.

Ddll, LdflhtCalUiohe Liteiponkluindehre. Ebenda.

Seyfert, I^hrplan für den dentscheii

Sprachunt. Ebenda. Mehnert, Über Sprachstörungen. Dres- den, Urban. Oomeniiis, Das einzig Kotwendige.

Jena, Diederiohs. Katalog von Bibl. für Fortfaildmigs-

schulen. Wittenberg, Herrose. Theorie u. Praxis des 8ekund. Unt

XIV. St. GaUen. A. Fnoha. Beitr. sw F«d. FirilieL Y.

Ofiterdoh, BertelBmann. A. Bonus. Vom Kulturwert d. dentooh.

Schule. Jena, Diederichs. 31. E. Sadler, Report on second. educ

in Liverpool. London, £yre and Spottis-

woode.

Bnbner, Unsere KahrongamitleL Stutt- gart, Moritz.

Ort, Auf^-aben, Zweck und Ziele der Ge- sundheitspflege. Ebenda.

0. Willmann, Aus Hörsaal «Bd Schal-

Stube. Freiburg, Herder. Charles McMurry, Special Method usw. New York, Mamillau.

Hoenig, Moderne Organisation d.

j^Mmliildiiiig. Png; Haase. Becker, Port Arthur anf dem Schnl-

gebiot. Wetzlar, Schnitzler. Bilharz. Mit Kant über Eant binaoa

Wiesbaden. Bergmann. Capesius, Abriß der astron. Erdkunde.

Hermannstadt, Klafft Zur Erinnerung an E. Kant Hille,

Tiraisenhans. "Wendt, Studium u. Meth. d. franxöi, a.

engl. Sprache. Leipzig, Dürr. Spieß. Mosterlektionen f. d. Iiaas. Unt

Ebenda.

Jochen, Theorie und Praxis d. H«mit- künde. Leipzig, Wondeifidi.

Herrman, Die sittlioheD VetsongBa Jesu. G&ttingen, Vandeohoeok BÖp-

recht

Troelt.sch, Polit Ethik u. Christentom.

Ebenda.

Viereck, Zwei Jahrhonderte deutschsa Untexiichti in den Verein. Slmtea. Bnmnaohweig, Vleweg.

Weit, Rais, Heininger, Zlahao,

Das Sachrechnen. Cannstatt, flopL Herder, Ideen. Jena, Diederichs. Schlegel, Fragniente. Ebenda. Singer, Soziale Försoige. Müncfaeo.

Oldenbuig. Weininger, OeeoUwdit und Gihfnklsr.

Wien, Branmftller. Doli, Gesch. a. d. Leben Jeao. 2. Asfl>

I..eipzig, Wundeilich. Holl er, Andeisen und seine Marcb^i^-

Ebenda.

Eiehler, Stoffe für den Anschaannp-

Untarriöht Ebenda. Ddll, Ihterirnktiondehra. Ebenda. Wagner, Ziffemtalel Ebenda. Traub, Ethik nnd KapitaliSDins. Hefl-

bronn, Saizer.

Druck TOD ilornMuin Beyer L Sütine ^Uoyor 4 Mann) in Languu^aiza.

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Kind xmd Ktuist

Einige experimentelle Untersuchungen zu einigen Grundfragen der Kunst- erziehung

Von

Marx Lobsien, Kiel (Fortsetzung)

C. Ergebnisse I. ürgebnisse, die sich auf das AkuBtiBoh-Sohöne beoiehen

1. Der Rhythmus

Hierher gehören die Antworten auf die Fragen: 16, 17, 18, 19, 21 und 22. Ich beginne mit Frage 22, die auf den Rhythmus sich bezieht Es handelte sich darum, zu erkunden, ob die Kinder auch dem von jeglichem Inhalte losgelösten Rhythmus wertend gegenüber stehen. Allerdings ist zu betonen, daß die Kinder zu solchem Werten veranlaßt wurden.

Ich ordne zunächst die Gesamtergebnisse ohne Rücksicht auf Unterschiede des Geschlechts und des Alters. Da ist zunächst auf- fällig, daß die Schüler sehr selten versagten, fast immer gaben sie ein Urteil ab. Die Urteile bezeugten, daß der Daktylus dem Jambus und Trochäus gegenüber stark vorgezogen wurde. Das Maß dieses Vorziehens und Verwerfens läßt sich bezeichnen durch die Daten: Trochäus 9 : Jambus : 13, zu Daktylus 18. Deutlich zeigen sich da- neben Unterschiede, die durch Geschlecht und Altersfortschritt bedingt erscheinen. Während die Gesamtwerte bei den Knaben bezeichnet werden durch die Daten:

8 : 8 : 23 berechne ich für die Mädchen:

10 : 17 : 13.

Zoitachiift für Philosophie und PädAKOgik. 12. JahrgAng. 18

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274

Aufs&tse

Die Daten haben keinen absoluten, sondern nur relaÜTen Weit und besagen, daß bei der Gesamtheit der Knaben, die Neigung, den bewegteren Daktylus Torzuzieheii ganz wesentlich st&cker war als \m den ICftdöhen, während Ton den letzteren je und je der Jambus grSfieres Gefollen fand. Die Altersunterschiede soll die nachstehende Tabelle aufweisen. Da die SdiOlersahl auf den einzelnen Altersstnfeii nicht fibereinstimmtei so war notwendig, die prozentualen Werte n berechnen, mit andern Worten, eine Sunmie von 100 für jede Stufe anzunehmen und innerhalb dieser Summe anzugeben, wie sich die Anzahl auf die verschiedenen Bhythmen verteilt

Tabelle 1

Unter 100 Urteilen eatscbieden sich

AltarsstufB

bei den Knaben fOr

bei den Midohen fttr

^

I

24

27

49

JI

22

22

56

18

44

38

m

29

16

55

19

19

62

17

17

25

58

24

26

50

V

8

22

70

26

55

19

VI

38

00

2

Ich bitte dio Daten der aufsteigenden Stufen sich als Kur\'en dargestellt zu denken. Man gewahrt dann deutlich, wie bei den Knaben das Interesse füi* >— ^ relativ stark einsetzt und dann allmählich abnimmt Gerade das umgekehrte ist bei den Mädchen der Fall. Die unterste Stufe zeigt ein verschwindend geringes Interesse für den Daktylus, der aber stark im Zunehmen begriffen ist, nur die oberste Stufe offenbart ein Abnehmen. Entsprechend dieser Zu- und Abnahme gestaltet sich dann die Kurve für die beiden andern Rhythmen. Sowohl für den Trochäus wie für den Jambus beobachten wir bei den Mädchen ein stetig abnehmendes, bei den Knaben ein im allgemeinen schwach wachsendes Interesse.

Dürfen wir liier von Typen reden? Lay hat nach dem Vorgange Sterns neuerdings versucht, durch die Methode des Fingerklopfens nähere Aufschlüsse zu gewinnen über die Periodizität, das Tempo, dio Geschwindigkeit des Arbeitens. (Die Methode bestand einfach darin, daß im Optimum mit der Zeigefingerkuppe eine Reihe von Takten geBcUagen wurden, deren Anzahl bemaob bestimmt wurde.) Leider

Experimentelle Didaktik.

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LoBBDDi: KtoA und EmiBt

27&

erfahren wir nicht, welche Taktart dabei gewählt wurde, ich vermute, ein Zweiertakt und doch hätte sich in der freiwilligen Wahl der Taktart der natürliche Rhythmus der Bewegung, der Arbeit, des Denkens zweifelsohne ebenso deutlich ausgeprägt, als in dem Optimum allein. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Stern recht hat, wenn er von einem natürlichen Rhythmus redet. Nicht nur ist der Nordländer darin von dem Südländer gänzlich verschieden, der Romane von dem Germanen, auch der Städter von dem Be- wohner des Dorfes, das weibliche (»eschlecht von dem männlichen, sondern die Erscheinung differenziert sich noch weiter, so daß für jede Persönlichkeit, mindestens aber für kleinere unter ^ gleichem Charakteristikum zusammenfaßbare Gruppen, das Tempo als deutlich zum Wesen derselben gehörig angesprochen werden darf. Ähnlich wie bei dem s Fingertupfen« tritt auch in der Wahl des Rhythmus dieses Wesen zu Tage. Allerdings ist das Tempo gewiesen, doch tritt der ganz verschiedene Charakter der drei Rhythmen vom ruhigen Trochäus bis zum belebten Daktylus deutlich hervor. Die Zuhörer werden den Rhythmus iUs den ihnen am besten gefallenden aus- wählen, der ihrem natürlichen Tempo am nächsten kommt.

Trüft diese Yoraussetziing zu, so werden wir für die Knaben im allgemeinen als typisch ansehen, daß ihr natürliches Tempo ein schnelleres Ist als das der Mädchen, daß es aber mit sonehmendom Alter sich vermindert^ wShiend bei den Mädchen das umgekehrte ro beobachten ist

Ob diese Begründung zutrifft oder nicht, auf jeden Fall düifon wir konstatieren, daß das Kind auch dem leeren Rhythmus gegen- über nicht teilnahmslos ist, sondern sehr wohl zn werten veistebt Ob das mit dem erwähnten natürlichen Tempo zusammenhängt, oder ob man ron naiv-ästhetischem £mpfinden und Wählen reden will^ indert an der TatE»ehe nichts.

2. Versuch mit dem Vortrag von Gedichten

Dieser Yeisoeh bietet bereits größere Schwierigkeiten, als der eben erwähnte, trotsdem durfte er nicht unterbleiben. Ich hoffte taeh, durch die Answihl und Besohrinkung mancherlei Fehlem vor- gobeogt 2u haben. Zwar liefi eine FeUecqueQe sich nicht gänzlich Tentopfen: die Yortragsart war, da mehrere Tersuchsleiter tätig* wen, nicht übeieinstimniend. Wenn auch Schwankungen in d«r Au&sBung bei so einfachen Gedichten nicht gar su ^rofie Bnite bsben dürften und wenn ich auch im allgemeinen die Gewähr hatte^

276

Atifsätze

daß die Yersaehaleiter bei dem Tortrage nidit YOE ihrer snbjekUvMk StoUimg dem Gedicht gegenüber sich leiten liefien, sondem lediglich durch deesen Ghaxekter, so waiea doch Mängel sa befOrchteiL Min hStte dfeee fielleioht dadurch umifiglich gemacht, daft die ganie As- Gelegenheit nur einem yerBochsLeiter überlassen wurde, aber nun hätte 80 den Tenfel mit Beelzebub ausgejagt, denn der fremde Mann ▼or der fremden SSasse bedeutet eine Menge imponderabler Soggeslir* räkungen, die ehien gleich großen, wenn nicht einen sohwereiea Nachteil bewirkt haben würden.

Yer^eicht man die Oedichte auf ünen literarischen Wert hm, so wird man Abseits von Storx und die Rache von ühland als Meistor- werke ihrer Art bezeichnen: da die meisterhafte Heidestimmung, hier das anspruchslose von Handlung zu Handlung schnell forteilende er- zählende Gedicht Dort dagegen haben wir ein Gedicht, wenn man ihm die Ehre antun will, es so zu nennen, das einfach schauderbar ist Da- bei ist aber nicht zu leugnen, daß es für das Kind eine gewisse Wort- und Situationskomik hat, für die namentlich das jüngere gewöhnlich sehr leicht zu haben ist Die Wahl war aber beabsichtigt Denn es sollte erkundet werden, ob das Kind trotz dieser Gefahr für das literarisch Wertvolle sich entscheiden werde, sei es für jenes Stim- mungsbild, sei es für jenes mit bewegter Handlung, ganz entsprechend seinem Wesen; ob es naiv oder instinktiv aus sich heraus das minder- wertige ablehnen werde. Selbstverständlich wäre das unmöglich zu erkunden, wenn durch den Ycrsuchsleiter mittels irgend einer Be- merkung, einer Geberde, durch den Ton bei dem Vortrage oder ähn- lichem das Kind bei seiner Wahl beeinflußt wurde. Das mußte pein- lich vermieden werden.

Auch hier sollte auf Grund vieler Hunderte von Beobachtungen lediglich die Tatsache konstatiert werden: Sind Spuren ästhetischen Geschmacks bei dem Kinde nachweisbar, auch dort, wo es nicht be- sonders beeinflußt wird? In welchem Alter? Wie entwickeln sie sich? Jegliches ßäsonnement soUte vermieden werden.

Bevor ich die Ergebnisse, wieder auf 100 verrechnet, hierher stelle, bemerke ich bezüglich der Frage, die unmittelbar nach dem Vortrage des SruBMaohen Gedichts gestellt wurde: Wie findest du das? Wamm? daß sie mancherlei Antworten bekam, die wertlos, kon- ventionell waren. Stark dominierte die Antwort: schön. Etwas deut- ücber Stellung nimmt dann die Begründung: sehr schön. Daneben aber ergeben sich eine Reihe treffender Begründungen, die den Stempel der Unmittelbarkeit so deutlich an der Stirn trugen, daß ich sie nicht nnarwfthnt laasen louin. Der Zusammenhang bringt es mit mth.

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Lobsien: Kind und Kunst

277

daß ich die Antworten auf die beiden andern Warumfragen, die die folgenden Gedichte angingen, gleich mit heranziehe.

Bei den Mädchen las ich folgende Antworten. Stufe II: Ich sah den Kätner in der Heide. Die Antwort findet sich nicht oft; sie ist trotzdem bedeutend, weil sie ein eigenes Erleben konstatiert, das erst das Gedicht mit dem wahren Inhalte füllte und für die Auswahl be- stimmend ward. 2. Weil es einsam und so ruhig ist. 3. Alles ist 80 zufrieden. 4. Die Heide ist so schön gezeichnet 5. Ein Mädchen findet, daß es zur Fröhlichkeit aufmuntere Trauer ist nicht Sache des Kinderherzens. 6. Eine Kunstbanausin hält es für drollig. Scharfe Ejitik übt eine fernere (7.), die alle drei Gedichte für gleich schlecht erklärt Andere verfahren nach dem Rezepte Friedrich Wilhelms I., der laut bekannter Anekdote nach der Rede des Anklägers erklärt: der Kerl hat recht! und von der des Verteidigers so überzeugt ist^ daß er sagt: der Kerl hat auch recht! sie schreiben: schön, schön, alle drei schön. Sie greifen mithin nicht wertend ein. Die ab- weichenden Antworten sind stark in der Minderheit, die positiven bezeugen jedoch da und hier, daß die Stimmung erfaßt wurde. Die Begründung durch die Knaben lehren ähnliches.

Banausische Urteile finden wir nicht selten in Angaben wie: Er- greifend, still und feierlich, ruhig, eintönig aber doch schön, die Sonne scheint da so warm, die Zeit vergeht mir schnell (bei dem Vortrag) die Begründung für die Wahl der andern Gedichte lehrt nichts Neues. Obendrein sind sie stark in der Minderzalü vorhanden, weil, wie wir gleich sehen werden. Abseits weitaus die meisten Liebhaber fand. Die Begründung bestand zumeist in dem nichtssagenden: hübsch, fein oder ähnlich. Nur einmal wurde die Rache als: ernst charakterisiert, Storch und Stier mit der Begründung vorgezogen: weil die Tiere so fein »schnacken« können, weil die Frösche so quaken.

Welches Gedicht wird bevorzugt?

Tabelle 2.

Knaben

Mädchen

Altersstufe

Abseits

Kache

Storch

Abseits

Rache

Storch

und Stier

und Stier

I

73

25

2

U

72

22

8

90

10

m

53

33

14

80

10

4

IV

53

15

32

79

16

5

V

38

20

42

70

6

24

VI

39

6

55

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278

AniBlIae

Insgesamt wurden mithin durchschnittlich vorgezogen von den Knaben:

Absdfs 56 : Bache 23 : Storch und Stier : 19, Ton den Hlddien:

Abseits 72 : Rache 11 : Storch und Stier : ISmaL

Faßt man die Daten für die beiden ersten Gedichte zusammen, sie dem dritten Gedichte als dem literarisch wertlosen gegenüberstellend, so darf man sagen, daß kein wesentlicher Unterschied besteht liüben und drüben, daß naiver Kunstsinn bei Knaben und Mädchen sich ün Vorziehen wie im Verwerfen annähernd in gleichem Umfange äußert, daß aber überwiegend, nämlich etwa im Verhältnis 4 : 1 das literarisch AVertvoile vorgezogen wurde. Tra besonderen zeigt© sich bei den Iklädchen eine nicht unwesentlich stärkere Neigung für das Stimmungs- volle (Abseits) als bei den Knaben. Auffällig bleibt das relativ go- riage Vorziehen der » Rache auch bei den Knaben. Auf den unteren Stufen gewahrt man, bei Knaben wie Mädchen, deutlich ein Vor- ziehen des zu dritt genannten Gedichtes, dann aber zeigt sich schnell ein starkes Frävalieren nach der ästhetischen Seite hin.

Der Altersfortschritt macht sich deutlich in günstigem Sinne be- merkbar. Ganz besonders stark ist die Entwicklung von der V. zur rv., bezw. VI. zur V. Altersstufe. Die Mädchen zeigen sich dea ^leichalterigen Knaben gegenüber nicht unwesentlich im Vorteil.

Wir heben för die Beantwortung unserer Fragen als unzweifel- haftes Ergebnis heraus: Auch dieser Versuch hat gezeigt, daß 1. schon um das 9. 10. Lebensjahr herum sich in weiterem Umfange m Werten in ästhetischem Sinne nachweisen läßt und 2. daß mit steigen* •dem Alter das Interesse in demselben Sinne wächst Ob die deut- liche Neigung nach der Seite der elegischen Stimmung typisch is^ etwa für unsere nordische Landschaft, können definitir nur Yersofilie entscheiden, die auch in südlicheren Himmelsstrichen Toigenommen werden. Ein gewisses Beetitigen oder Verwerfen werden wir, so hoffe ich, aus den Beantwortungen der Frage nach dem Lieblings» jHedioht herauslesen können.

3. Magst du gern ein Gedieht höien mid lernen?

ISnen weiteren Prüfstein und das möge Torweg eriedigt werden dafür, ob das Kind in gewissem Grade kunstsinnig ist, haben wir in den Antworten auf die Fragen 17 und 18: Magst da gerne ein Gedicht hören? Magst du gern ein Gedidit lernen? Bas Memorieren ist eine Arbeit, die bekanntermaßen im großen und Hauen der Jugend nicht sonderlich gefiUlt Allerdings kommt sehr

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Lobsi£n: Kind und Kunät 279

hl Pra^, was memoriert wird und wie sie mit Gedächtnis bef^abt ist Wenn sie aber dieses Unangenehme in den Kauf nimmt oder bosser noch, wenn die Arbeit unter Einfluß des zu memorierenden Inhaltes als unangenehm gar nicht empfunden wird, dann darf man wenigstens ein besonderes Interesse für das Memorierobjekt fest- stellen, und ist dieses Objekt ästhetisch wertvoll, so ist der weitere Schluß nur zwingende Notwendigkeit: in der Jugend ist ästhetisch(»s Interesse zu wecken möglich, es muß in deiselben Kunstsinn im Keime vorhanden sein.

Ich stelle die Srgebnisse im lOO-Ansschnitt nebeneinander nach den Altersstofen.

Tabelle 3.

Knabea

Mädchen

Oodiobt hfirsn?

Gedicht lernen?

Gedieht hdran?

Oedidit lernen?

nein j

nein

ja

nein

ja

nein

I

97

3

88

11

n

100

100

93

7

85

15

m

100

64

36

96

4

90

10

IV

93

n 1

95

5

100

1

93

7

T

89

11

46

'A

100

94

4

VI

100

1 100

Ich hebe hier wieder die Gesamtwerte henna und berechne, dafi 96 o/o der Knaben dn Gedicht gern hörten, 4:% nicht, beew. 98% und 2^0 der ICIdchen. Das Memorieren eines Gedichts treiben 79 7o der Knaben nnd 92 % MUdchen gem. Ich gestehe^ dafi mieh das nicht wenig ubenaBchte.

Bezüglich des Altersfortschritts darf man ans Tabelle 2 einen günstigen Einfluß herauslesen.

Einige Bedenken gegen den Yersueh will ich nicht verschweigen. Zunächst wird hier ja lediglich eine Entscheidung im Sinne von Ja oder Nein verlangt. Der Kenner der Kindesnatur weiß, daß es auf neutralem Gebiete, wie doch liier, dann oft leichtfertig sich entscheidet, es ist schnell einer augenblicklichen Mühe überhoben und zwar gründ- hch, weil keine näheren Angaben verlangt werden; so bemächtigte sich seiner schnell das Gefühl der Erleichterung. Ferner : es war iintwendig, die Fragen ohne Rücksicht auf ein bestimmtes Gedicht zu stellen. Nun ist aber selbstverständlich, daß nicht jedes Geweht gern gelernt wird trotzdem geben nur wenig Kinder ihre Entscheidung

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280

^ufsätze

bedingt ab: wenn es liübsch ist, wenn es sehr hübsch ist, wenn es nicht zu lang ist oder älinliches. Gerade bei ernsterer Beant- wortung der Fragen wird wahrscheinlich das Lieblingsgedicht oft auf- treten und im Hinblick auf dieses, das obenein memoriert worden ist, wird die Entscheidung kurzerhand gefällt. Dieser Umstand fällt beschwert dadurch ins Gewicht, daß ein vorsuchstechnischer Mangel ihn begünstigte: die £*nige nach dem Liebling^gedicht ging den hier erörterten Fragen voraul Dazu kommen dann nodi mancherlei Lnpondorabilien, Tor allen Dingen Suggestiv Wirkungen durch den Versuchsleiter, dem zu Liebe man je und je die Frage bejahend be- antwortet, dann die Art der Behandlung im Unterncht, das Maß der Anforderungen usw. Die KfingeL sind unbedingt zuzugeben und sie werden auf den unteren ünteirichtsstnfen schärfer ihre Macht geltend machen. Die obigen Tabellenwerte mttssen auch als Kelativwerte eine Korrektur eiAihren, für die eine brauchbare Methode fehlt Dem gegenüber gebe ich zu bedenken: 1. Die Daten sind Prozentwerte ans einer großen Zalü von einzehien Beobachtungen; es kann somit nicht ausbleiben, daB manche Fehler ganz eliminiert, andere auf einen minimalen Best zurttckrerrechnet werden. 2. Die Berechnungen dienen ab ünteilage ffir Eragen so alJgemeiner Natur, daß ich toU- stftndig zufrieden bin, wenn die Tabelle zu einer Bejahung im all- gemeinen Sinne veranlaßt und das Yertrauen habe ich.

4* Wdchea Oedicht hast dn besondere gern?

Hier ist freie Auswahl gestattet unter den memorierten, nur ge- lesenen oder gehörten Gediditen. Da die Schüler zum größten Teüe wohl durch die Yermittlung der Schule mit wertvolleren Gediditen bekannt gemacht werden, so wird für die Art der Antworten dieser Einfluß nicht zum kleinen Teüe stark bestimmend sein. Trotzdem gestattet das Ergebnis einen Schluß auf vorhandenen Eunstsuin, denn einerseits ist das, was so vermittelt wird, keineswegs gleich wertvoll, auch nicht für das Eind, andrerseits sind die Sachen, die man auße^ halb der Sdiulwinde kennen lernte, kdneswegs von der Wahl aus- geschlossen. Auf mancherlei Mängel braudie ich nicht niber ein- zugehen, ich verweise auf den vorigen Abschnitt Obgleich diese Fehlerquellen sich nicht verstopfen lassen, halte ich doch für not- wendig, die von den Kindern notierten Gedichte, nach Stufen und Geschlechtem geordnet, aufzuzeichnen. Da eine prozentuale Verrech- nung sieh aus naheliegenden Gründen erübrigt, so bezeichne ich die- jenigen Gedichte, die oft, öfter und sehr oft als LiebÜngo genannt wurden, durch die Zeichen *, **,

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LooBDoi: Kiod und KoDst

281

Tabelle:

Stade

KnalwD

HUohflB

L

ülodke, nm Sdiiller.***

Kraniche des H^yklis, ▼on Schiller.**

Graf von Hal^buTg, von Bohüler.

Abseits, von Storni.

Der Knab vom Berge, von Uhland.

Die Auawanderer, von Freiligrath.

Die Uetle, Ton Sdiiller.

Der Taaoher, JWk Sohiller.

Frühlingsf^laube, von ühland.

Di(? Bür^ohaft. von Schiller.

Gudruns Klii^^e, von Goibel.

Eberhard, der Kauächebart v. Uhland.

Troja, von Sohülur.

PoetfllioB, Ton Leium.

Muttersprache^ Toa Schenkendoil

Johanna Sebus, von Ooethe.

Mein Johann, von (Iroth.

Der Tormann, von üiesebrecht

Jobn Maynvd, ymi Foniaiie.*

ArohÜMld Dooglas, rtm FootMie,

Gönn Orimmef ton Fontane.

Deutscher Rat, von Roinick.

Die Trompete von Haraktoar, Tom

Freiligrath. Der blinde König, von Uhland. Wo mtlmt der liebe Oott, wo Hey. Umns Reise am die Welt, v. Geliert-

L/U.

Onf von Habebugf von Sohiller. Herr Heiniidi dtst, von TegeL Wandersmann und Lerdie» ton Hey.

Vogelnest, von IToy.

Die Versuchung, von Heinick.

Der Bauer und sein iSohn, v. Geliert?

Ebeiliiild? Wandelndo OlooikOf von Goethe. Die TabakspMIe, von Goethe. Die Glocke, von Schiller. Es braust ein Ruf wie DonnerhaU, v. Arndt.

Der Schatzgräber, von ? Der Lotee, von Oieeehreoht Ebelhart, der Baotiohebnrt, Uhland.

Uhland.

Die Olooke, von Bohiller.*

Wmb, von Weber.

Gudruns Klage,** von Oeibel.

Sala y Gomez, von Chamisso.* Der Mai ist gekommen, von Geibel. Des büngers Fluch, von Uhland. Das Sohloi am Meer, von Uhland. Das Eritonnen, von VogL Mutterhen, von Kaolisch. Mädchens Klage, von Kauliaoh. Der Taucher, von Schiller. Die Kraniohe des Ibykus, v. Schiller.

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282

AuUtie

I

Stufe

Knallen

Mädchen

Grab im Busento, von Platen. Der getreue Eckard t, von Goethe. Wie KBoig Ead SoliiilviBiMion UOt, Ton ?

Klein Boland, von ühland.

Lef^ende, von Rückert. JohaDD der muntre Seifensieder, von Hagedorn.

iL/m.

Die alte Waschfrau, von ChamiUHft. Der Rabe, von IToy. Das Erkennen, von Vogl. Muttersprache, von Schenkendort Der alte Bulieioesa. von üUaad. Oloolieqgiift sa BrasUn, von Schiller. Die Bürgschaft, von Sdiiller. Es zogen drei Burschen, von Kerner. Schwäbische Kunde, von Uhlaod. Das üewitter, von Schwab. Der Lotse, von Qieeebxedit Preisend init viel aohfinea Bedeo, von

ühland. r neanoisgedaniLen. Über ein Stündlein. Die Katzen und der Hausherr, von

lichtwer.

Die Bürgschaft, von Schiller.** Die Glocke, von Schiller. Jobanna Sobus, von Goethe. Gudruns Klage, von Otib^*. Die alt» WaeoihfEaa, von CSbami»). Die Auswanderer, von nieiligratlu Das Grab im Busento, von Platen. Der Graf von Habsbuiig, von SchiUtL Der blinde König, von Uhland. Horgenwanderung. FÜedho&besnfA« Parabel, ven fiftokert Der sdÜalende Apfel, von BeinioL

fillliULIIg, \UU vJUcUlU.

Der Tauchor, von Schiller.

Die alte Mühle, von Schüler.*

MvttenpnKdie, von Bohewkflpdoif.

Der uä» Daner.

Der lÜRg von Düppel, von Fontane.

Des Btegera Flno^ von Uhland.

minr.

Kioinii&' stiller Abend, von

Morgenrot, von Hauff.*

Sedan, von Freiligrath

Der Hirtenknab, von Uhland.

Das Bieeenspielzeog, von Ghanüsso.

Tenree Yalniaod.

Der Lotse, von Oiesebrechi*

"Wandersmann und Lerche, von Hey.

Bs braust ein Ruf, von Arndt*

Von den grünen Vögelein, Rückert

Der Löwe zu Florenz, von Schiller.

Lob der Treue, m DndL

Die Xreniöhe dee IbyhUi BoUUer.

Hoffnung,* von OeibeL Da.s Gewitter, von Schwab.* Deutsc her Rat, von Reinick. Schwäbische Kunde, von Uhland. Zu Cauulottanbug im Qarlen. Rudolf von Habslraig, von Uhland.* Die Glocke, von Schiller. Der Knab vom Beive, von Uhland. Die Tanne. Guter Mond.

Das Bublem auf dem £ise, v. Gau. Der Tnioher, von Schiller. Üb' immer Treu« von Qandins.

Die alte Waschfrau, von Chaaias.

Der Lotse, von Giesebrecht. Klein Holend, von Uhland.

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Lobsixn: ikind und Kunst

283

Stufo

Knaben

Der Traeher, Ten SohiOer. Lütt Matten, von CL Orotti.

Erlkönig, von Goethe.

Der Storch und die Kinder, v. Hey.

Der Bauer und sein bohn, bchellert

Lütt Matten, von GxQftti.

Ich sende dich.

Die Rache, von Uhland.

Die Versuchung, von £einick.

Des fremden JCindes heiliger. Camst,

von Rflfikert Wandersmann nnd Lerche, von Hey. Die Rache, von ühland.** Siegfrieds Schwert von Uhland. SommerUed. von P. Gerhardt Yen lehltfaHlen Apfel, von Beiniek Wem Oott will raohte Onnat enraiseD,

TOD Joseph von Eichendorff. Die traurige Geschiebte vom dummen

Hänsohen, von Löwenstein.

Deutscher Rat, von Reinick. Hochzeitsgedicht von Reiniok.* Lütt Matten, von Groth. Gudruns Klage, von Geibel. Die yeiBQQhnqg« ym Beinitft. Der Lotse, von Gieeebiedhi Die wandelnde Glocke, von Goethe. Gänsegeschnatter, von FaUte.** Heiderose, von Goethe. Strangelchen, von Bläthgen. Das Gewitter, von Schwab. Kletterhabohen, von OiilL Die alte Waschfrau, von Chamisso. Und wenn meine Henne legen hano, von Groth.

V.

Erdbocrlied, von Goethe. Scl)laf, Weifchen, von LiÜencron. Gänsegeschnatter, von Falcke.** Sommeneit

De Mann wtul ligg^n, von Grotii.

Wandorsmann und Lerche, von Hey. Der Haupr und sein Sohn, v. Rückert Hund und Katze, von Lichtwer. Ach , wer das doch könnte , von

Blntfagen. Bei Ooldhihnobeui, von H. SddeL

£Sn erster Blick bezeugt, dafi zwar der Einfluß des Unterrichts klar zn Tage tritt, daB er aber nicht in dem Sinne zu nivellieren vennochte, dafi ledigHch das zuletzt memorierte Gedicht oder gar, besondere memoriertechnische Schwierigkeiten bestiDunend waren; es blieb vielmehr noch starke Bewegungsfreiheit, wie die relativ grofie Zahl der genannten Lieblingsgedichte beweist, die obendrein unter- einander starke Abweichungen zeigen. Allerdings ist fast nur die durch die Schule vermittelte Literatur berücksichtigt worden, aber sif ist ja keineswegs von gleichem literarischem Werte, und so bleibt noch Baum genüge Besonderheiten eingehender ius Auge zu fassen.

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284

Ausätze

Nun ist zwar ein nüfllich Ding, einen literarischen Staffeltarif an die gewählten Lieblingsgedichte innerhalb einer Altersstufe ann- legen, denn der Geschmack ist indiskutabel auch bei ästhetisch ge* sdmltcn Leuten, ich bcscheide mich daher, zwei große Gruppen zu unterscheiden, die ich bezeichne als wertvoll und minder wertvoll und dann in Ergänzung der oben angedenteten Angelegenheit, nur zwei inhaltlich gesonderte Gedichtarten zu unterscheiden, innerhalb deren die genannte Wertontersoheidang Bedeutung hat, nämlich solche Gedichte mit stärker ausgeprägtem lyrischen und stärker aus- geprägtem epischen Charakter. Der Ästhetiker wird vielleicht schwere Bedenken tragen, das hindert aber nicht, daß eine derartig grobe Bubriderung gar wohl am Platae ist in der voriiegenden Ange- legenheit

Einige Bemerkungen vorauf! AuffiUlig ist zunächst der starke Einfluß der Schule: fast nur aus dem, das sie vermittelte 2 bis 3 Ausnahmen ungerechnet wurden als liebling^gedichte beraichnet Ob durch die Weise des Versuchs, der immerhin in seinem Drum und Dran etwas schulmäßiges an sich hat, ob überhaupt der Einfluß des elterlichen Hauses gering ist, und, wenn vorhanden, ee sich den Bestrebungen der Schule angleicht das ist unzweifelhaft schwer zu entscheiden aber daß ein Einfluß der Schule hier nadiwelsbar ist in seinen IVüchten, ist unzweifelhaft Wie stark dieser iSnfluß ist (die Ställe wird sidi in erster JAxäe äußern in der Abkehr gegen SohundliteraturX läßt sich allerdings aus den Daten nicht entnehmen. Der Skeptiker wird geneigt sein, im Hinblick auf die Toriiebe für mancherlei Schunderzeugnisse, wie sie besonders während einer be- stimmten EntwicUungsporiode auffällig ist, diesen Wert sehr gering einzuschätzen. Er vergißt hier ein Zweifaches: 1. Daß die Immunir sierung unmöglich durch die Schule allein geschehen kann, daß ge- waltigere Einflüsse des Hauses, des Umgangs der ganzen Umwelt jenseits der Sehulstnbe, sich bemerkbar machen, und endlich, daß die Schule ans iiiaiiclierlei Gründen versagt, wo es sich um die letzte Quelle der Lyrik, die Liebeslyrik handelt Sie beschränkt sich auf einen engeren Kaum, und wenn nicht das Haus verständig einzu- greifen weiß, in ei-ster Linie die Mutter, so ist das Kind auf sich selbst angewiesen, steht es selbstratend am Scheidewege, wo die Bahn des Häßlichen, Unästhetischen, verdeckt durch den trügerischen Schein erfüllbarer Wünsche, die in dieser Entwicklungspiiase neu und stark auftreten, ungleich leichter beschritten wird als die andere. Und das schlimme ist, daß in der Fehlentscheidung ein gefährlich Tröpfchen Oift liegt, gefährlich, weil es, zumeist für immer, Herz und Sinnen

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Lombk: Kiad nid Kimst

▼ei^diibt für eineo freimütigai Genufi der KnnstBchöpfimgeiL Kiigonds tritt der Ziuanuneiihang zwischen Bthik und Ästhetik deutlicher la Tage als wihrend dieser Satwiddiiiigspeiiode. Hag sdn, dafi Heitet die Ethik ra weit in das Beleh dee Asthetiselien hineingezogen hat, trotzdem bleibt ihm das weitaus nidit gewürdigte Verdienst, tLber- haupt Ästhetik und Ethik in enge Beziehung gebracht zu haben. Seine Erörterungen sind Torwiegend theoretischer Art, aber auch heute sind wir nicht weiter gekommen, es fehlt ims durchaus un zu- verlässigem Beobachtungrsraaterial, das uns ermöglichte in ein ratio- nelles Studium dieser Angelegenheit einzutreten ^) möglich, daß ich hernach einiges Material beibringen kann.

Soviel darf aber den obigen Tabellen entnommen werden, daß die Bestrebungen derjenigen, die eine Erziehung auch in künstlerischer Hinsicht wollen, in der Voraussetzung zutreffend ist: Es ist möglich, durch absichtliches Bemiilicn das Kind für edlere Schätze unserer lyrischen Literatur zu gewinnen und wahi-scheiniich auch doch bedarf das der Unterstützung weiterer Kreise gegen literarische Schädlinge bis zu einem gewissen Grade zu immunisieren.

Ich will noch auf einige aufßülige Erscheinungen hinweisen: es wurde kaum ein Psalm, ein für preußische Schulen obligatorischer geistlicher oder weltlicher Liedertext genannt Bezüglich der Psalmen ist das leichter verständlich. Sie sind als poetische Erzeugnisse einer ganz andern AVeit entsprossen, sind in Bau, bildlichen Mitteln u. a. dem modernen Empfinden, insonderheit dem Kinde, ganz fremd. Leben vermag diese Literatur nur zu gewinnen in dem, der mit der Zeit, der Kultur, der Landschaft, der Geschichte des Volkes, dem sie angehört, innig vertraut ist und und das ist zweifelsohne das größere der mit der Fähigkeit ausgerüstet wurde, kongenial in seinen Empfindungen nachzu schaffen. Im Kinde wird man beides nicht wohl voraussetzen dürfen, wenn man nicht über dasselbe weit hmaus projizieren will, es fehlt hier der reale Hinteignmd. loh habe begeisterte Freunde der alten Psalmodie vor Kindern stehen sehen, sie haben in Frage nnd Antwort eine vorzügliche Unterrichtsstunde gehalten trotzdem konnte dem Psychologen nicht verborgen bleiben, daA hier ein Widerspiel herrschte: daß die Distanz zwischen dem, was in dem Hirne der Katecheten sich abspielte und dem in den Köpfen der Kinder unendlich groß war nnd im stillen notierte er, wie die Selbsttftnschnng des begeisterten Mfientikers auf so gebrech-

*) Wie weit umfingHflhe ünterswdrungen, die Siaiost Hall vorhat, dieee An- galegmheit berfibzea, bkibt absowaiten.

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AofBltse

liehen Kracken, "wie es einzelne herroigelookto Einderantwoiten nnd, 80 weite Reisen za machen yeratehi Die Psychologie des HineinfOhlens ist ein Kapitel, das lOr den piaktiBdien XJnteniohtsbetrieb yon eminenter Bedeutung ist nnd es liegt nicht einmal in den Windeln eingehender praktischer Dentnng. Man verzeihe mir die Abschweifong mag sein, daB man im stände ist, fttr einzelne äoftere Umstlnde durch Büd imd Wort bei phantasiekiftftigeren Schfllem den konkreten Hintergnmd dieses oder jenes Psalms lebendig zu machen, aber das ist ungemein schwierig. Selbst der beliebte 23. Psalm um ein Beispiel zu er- wShnen stellt hohe Anforderungen: Man muA die Schauerschlncht, die der Dichter im Sinne hai^ kennen; man muß wissen, wie sie bei dem Yolke, znmal den schwebenden ffirten, beleumundet war, nim- lich als die, deren Nennen schon TeranlaBte, daß eine Gfinsehant ttbeiUel Und dieses Wissen ist noch das Geringere, dazu kommt eine, dem Kenner zwar kunstroll angeordnete, dem Laien aber plu- und ziellos angehäufte Bilderreihe und zudem mit so eigenartiger realer Grundlage, daß und vor allem bei Kindern weder für die formale Anordnung noch fOr die Sonderbilder poetisches Te^ stSndnis und Empfinden erwartet werden darl

Aber die obligatorischen Lieder und Choräle? Warum sind hier die Erfolge so stark in der Minderzahl? Handelt es sich doch um einen Stamm von Gedichten, den die Schule nach Kräften bemüht ist, zu einem Tresor fürs Leben zu gestalten. Liegt die Ursache viel- leicht gerade in diesem liemühen? Der Kenner weiß, daß große Mühe und Arbeit erforderlich ist, um der berechtigten oder unberech- tigten Forderung: 1) präsent! gerecht zu werden. Übertrügt sich diese ödkultur mit dem inquisitorischen Drum und Dran auch auf die Wertschätzung der Texte? Oder ist es dieses: Ist endlich das Pauk- resultat vollkommen; dann ist das Hersagen zu einer mechanischen Angelegenheit geworden, die funktioniert, ohne je tiefere Ansprüche an Fühlen und Wollen und Denken zu stellen. Das beweisen zahl- reiche ^lißverständnisse, wie z. B.: Die hohe Wonnegans, Laß dich reichlich auf und nieder, Jesu geh voran auf der Lebensbahn u. a. m., Beispiele, die deutlicli beweisen, daß man sich an gewissen Klang- assoziationen genügen ließ, ohne je über den Sachinhalt scharfer nachzudenken.

Oder darf man zur Erklärung darauf hinweisen, daß manche der obligatorischen Oodichto das Anlegen eines ernsten poetischen Maß- stabes nicht vertragen?

FienSnlioli htlto ioh sie nidit anr fflr onbenohtigt, «mdem pMigoghoh in hSohBtmn HaBe bedenUioh.

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LoMDor; Kud und Kuoak

287

Oder endlich, Ist die Melodie daim schuld? Maa spridit das Gedieht lediglich als lied an » das soll hemaoh einen Moment er- wogen weidnL

Doch snrück zn der eingangs dieses Abschnitts au^woifenen Frage. Wie bereits erwähnt ward, Ist ToUkommen aasreichend, die baden genannten großen Gruppen zu unterscheiden, im einzelnen be- darf es dann zwar einer Sonderung. Diese darf nicht geschehen nach Kterar-ästhetischen, sondern nur nacii psychologischen Gesichtspunkten. Dabei empfiehlt es sich (ich bezeichne der Kürze werfen die Gruppe mit stärker betontem epischem Charakter durch h, die audere durch e) die Gruppe c zu sondern, je uaLlulcni das lyrische Moment an Per- sonen (j) oder an besondere Landschaften (i. w. S. geheftet ist Historisch, d. h. nach der Reihenfolge, in der sie dem kiudlichen Ver- stehen und Würdigen aufgehen, wird man sie ordnen: Oj und Cp Die Gnippe h läßt sicli am zuverlässigsten zerlegen im Hinblick auf die »kulturhistorischen Stufen«. Allerdings muß je eine starke Zu- sammenziehung stattfinden. Icli bescheide mich mit folgenden auf- stei^a^nden Gruppen: Märchen, Robinson, Sage, Biblische Gescliichte, Profangeschichte. Die Stufen sind im ganzen charakterisiert durch ein immer stärkeres Hervortreten des Objektiven, des Tatsäcli liehen und dementsprecliend ein gleiclischrittliches Zurücktreten subjektiver Momente, phantiistisclier Ausdeutungen. Das erste Glied kommt hier nicht in Frage. "Wohl aber ist zu bedenken, daß es sich um lyrische Stoffe handelt, so daß das subjektive Moment eine stärkere Betonung von vornherein erfährt. In der Gruppe h unterscheide ich Stoffe mit sagenhaftem, mit religiösem und profanhistorischem Chantkter. Man mag bedenklich finden, daß diese Einteilung nur mit Rücksicht auf den Stoff getroffen worden ist Demgegenüber ist zu erwägen, daß der Stoff in erster Linie der Dichtungsart den Charakter auf- drückt, daß er in starkem Maße die fonnale Gestaltung vorschreibt, daß es nicht wobl angängig ist, hier eine speziellere Einteilung zu Gründe zu legen and endUch, daß trotzdem die Slögliohkelt offen bleibt, solche Gedichte innerhalb der einzelnen Gruppen zusammen- zufassen, die einen ausgeprägten Charakter (Ballade, Romanze oder ähnliches) tragen sofern sich die Notwendigkeit zu solchem Vor- haben ans dem Beobachtungsmatenal ergibt Yorab nnteischeLde ich nur: e^ nnd e^ h^, h, and b,.

Ich werfe zunächst unbekümmert um den Inhalt der Ge- dichte -~ einen Blick auf die Zahl der als Lieblingsgedichte bezeich, neten weitvollen lyrischen Erzeugnisse. (Ich bemerke zwischenein, daß ich die oben angeregte Sonderang in wertrolle nnd minder wert-

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288

AufsätM

ToUe aus praktischen Gründen hier fallen lasse.) Ich berechnete auf den einielnen Altenstufea &>]gende absolute Daten:

Zahl der lieblingsgedichte

Stufe

bei

Gesamt

Knaben

liädcheu

I

26

26

n

20

12

16

m

13

20

16

IV

13

21

17

V

12

14

13

VI

10

10

Gesamt

B4

77

Es offenbart aiöb mitiim eine Zonahme ron unten bis oben hin, wie besonders deutlioh herroxgeht ans den Oesamtefgebnissen in dar leliten BobriL AnffiOüg ist das geringe Ergebnis fOr die Obentnb der ICIdohen. ffier dominiert die vierte Stofe, yon da ans liftt ach beiderseits ein Absteigen der Eure konstatieren. !bots der groiea Ansahl von FrQllingen lasse iob doch dahingestellt sein, ob hier ob allgemeingültiges Yeriialteii Toiliegt oder niöht^ ob in der Tat ein Kaddassen des Interesses für lyiisdhe Bnengnisse durch eneuto Versnobe wird naehweisbsr sein. Insgesamt kommt eine AuswaU ▼on 84^ besw. 77 Gedichten in I^age nnd swar bei £aaben 79, \m Midchen 72 Terschiedene. Genanere ünteradiiQde sind erst naob- -wMmiy wenn die genannten Gedidite in die erörterten S(lnde^ gruppen serlegt werden. Bemerken will ich aber noch einmal, diS der durch die Schule ausgeübte Zwang nicht immer dentliche Greni^ linien wird bestimmen lassen.

Eine genauere Durchsicht des Materials ließ als notwendig e^ scheinen unbeschadet der iül^araemen Natur der Grenzlinien nach drei Seiten hin eine Erg^änzung des Schemas vorzunehmen. Die Neigung zu Märclien und Fabel in gebundener Form erwies sich keineswegs als abgeschlossen vor der Altersstufe V/VI. Neben der Neigung zu historischen Stoffen fand sich jeweils eine solche zu patriotischen Stoffen (wenngleich hierunter keineswegs die obliga- torischen Lieder verstanden werden dürfen). Diese bezogen sich auf die Muttei-sprache, die deutsche Redlichkeit imd so fort. Endlich mußte eine ganz neue Kolonne eingerichtet werden für die so- genannten poetischen Erzählungen, die ihren Stoff dem tiiglichen Leben mit seinen niaimigfachen heiteren und tiaurigen Wechselfälleii entnehmen. Ich bezeichne die Kolonne durcli bez. h^a, h^a und b«.

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Lobrikn: Kind und Kunst 289

Xnr eines wollte sich dem genannten Schema nicht fOgen: Das Lied Ton der (Hocke. Ich will daher kurz Torwegnebmen, was in diesem Zasammenhiinge darflber zn sagen ist Natürlich ist von dem Laluphm der Schnle abhängig, wann, und von der Art der Behand- loDg, wie staik das Interesse ffir dieses Gedicht geweckt wird. Wenn aber eine grofie Zahl Yon Selbstzengnissen, von Beobaohtongen vor^ liegen, die eben durch diesen ümfimg den letztraen Eaktor stark eliminieren, so mnfi etwas mehr im Spiele sein als dieae änfieren Teranlassungen. Nun zeigte sich bei den Mädchen von der 3. Stole an steigendes Interesse bis zur ersten hin, wo ich, entsprechend dem verabredeten Berechnungsmodus, zwei Kreuze beifügen konnte. Bei den Knaben dominierte auf Stufe V das Interesse für die Glocke so stark, daß alle andern Gedichte dagegen weit in den Schatten traten.

Ich lege die gleiche Schätzung zu Grunde und berechne: die einzelnen Gruppen kommen vor in dem Verhältnis:

Stufe

Orappe I

Ofiippe n

K

b.a

K

K

. Kn. * M.

1

4

6

1

4

7

11^

2

1 2

4 4

6 1

1

6 3

2 1

1

5 7

1 4

1

4

5

vr ^

IL

1

3

4

2

1 4

1

4

3

1

1 6

y Kn. M.

2 1

5 4

1

1

3 7

71 M.

6

1

2

Orappe I steht der II. gegenüber stark im Nachteil. Faßt man die Gesamtwerte zusammen, so offenbart sich ohne Sonderwertung der Häufigkeit des Vorkommens im einzelnen als Verhältnis Ton

18 1 3*^

I: IIs= = 1,8 : = 13,2. Das Interesse für lyrische Gedichte

mit epischer Betonung ist der Stimmungslyrik gegenüber um mehr als das sechsfache überlegen. Der UnterscÄiied der Geschlechter ist auch nachweisbar:

UtKhrift Nr IVkwopUe and Fldi^oglk. 12. iahiB»«. 19

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290

Aufsätze

Knaben e = 4- Mädchen e = ^ o 0

Knaben h = ^ : Mädchen h = ^

O 0

Die Mädchen aeigen sieh den Knaben in der Wertung toh e übeilegen in dem Yeihältnia : 6 : 4, dag^n halten sie sich gegni- t&ber h nngefiihr die Stange. Bei beiden Geschlechtem ist das Int» esse für h stark vorhenschend g^nfiber e. Das Ergebnis scheint in stsikem Widersprach zu stehen mit der anffiUligen Bevonngniig Yon Storhs Abseits den andern beiden Gedichten g^genllber, doch nur der Schein ist hier wirksam, worOber hernach ein mehierBS.

Bs sei korz ein Vergleich der Gesamteigebnisse gestattet, sofern sie sich besiehen auf die einseinen Dichtimgsgruppun:

Diclituug "Wert

ei 7

e, 10

hl 35 \

hia 20 1

h, 6

hs 24

bja 3

44

Die sagen- und miircbenluiften, dann die histori^ichen und vor allen Dingen die poetischen Ei7:älüiiugen, die ihren Stoff dem täg- lichen Leben entnehmen, stehen stark im Vordergründe.

Im besonderen ist dann noch zu bemerken (Tabelle umseitig), daß e unten sporadisch nur bei den Mädchen gewünscht wird, sonst nicht Nach den oberen Stufen hin steigt die "Wertschätzung auch bei den Knaben beträchtlich, h^ und haia werden auf den unteren Stufen stark bevorzugt, dann schwindet schnell das Interesse für die h,a- Stoffe, auf Stufe I III werden sie nicht erwähnt. Hier stehen der Sage und Geschichte angehörige Stoffe im Vordergrunde. Sehr stark im Kückstande sind Oediclite religiösen und patriotischen Inhalts.

(Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, bemerke ich, daß die Daten der erwähnten Tabelle relative kleinste Werte bedeuten; sie sind aus den absoluten Gesamtdaten derart berechnet worden, daß die geringste Angabe jeweils nicht = der gefundenen Absoluten, sondern =s 1 gesetst wurde im Interesse einer bequemeren Übersicht)

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BiSHTBcai: H. St Ghamberiaias YmtktOmgtia fOm die BeUgion usw. 291

H. St. Chambarlains Vont«llii]ig«ii über die Beligioa der Semiten spei, der laraeliten

Prafenor D. BaentMh-Jena

(Schluß)

Ein weiterer Yarwni^ dem Cbamberiaiii spesieU g^gen die. isne- JittBohe Religion eiliebt, war der, daß sie einen bo ausgesproofaen ge- scbichtlichen Ghankter trSgt nnd anstatt auf Brhhnwgen des Gemfltes auf Ereignisse der Gesidüohte ond awar spesieU auf die matedeUe historische Tatsache der Befreinng ans Igypten gegründet sei Wir sind hier einmal in der lüge, Chamberlain nicht' bloß hinsicbtlioh der Eonstatiening der Tatsache, sondern bis za einem gewissen Giade auch hinsichtlich ihrer Benrteilnng beisnstimmen. TMsiohHch ist Israels Beligion im prinzipiellen Unterschiede Ton den Katar- nnd Astrakeligionen des alten Orients eine im eminenten Sinne gesehichtiiclie Beligion, sofern sie ihren Oott nicht nur rar Geschichte des Yolkes Israel in sehr intensiye Beraehung setzt, sondern geradeau auf ein geschichtliches Ereignis, eine geschichtliche Großtat des Gottes Israels, gegründet ist Denn wie man auch Uber die Exodus» Legende (Ex. 14 1) denken mag, es darf als gesichert gelten, daß die mosaische Religionsstiftung im innem Zusammenhang mit einer ▼on Erfolg gokrönten Erhebung der Israelstämme gegen die ägyptische Herrschaft stand. Es soll nun auch keineswegs geleugnet werden, daß die emphatische Begründung der Religion auf ein einmaliges ge- schichtliches Ereignis eine gewisse Einseitigkeit und Unzulänglich- keit bedeutet, die nicht geringe Gefahren für die Innerlichkeit der Rehgion in sich birgt Denn einem geschichtlichen Ereignisse als solchem haftet, auch wenn es sich für die Betrachtung der folgenden Generationen als providentiell erweist, doch zu leicht der Charakter des Zufälligen an; eine Rehgion aber will am letzten Ende auf einem ewigen, unerschütterlichen Grunde ruhen, der durch keine geschicht- hchen Ereignisse irgend welcher Art tangiert oder erschüttert werden kann. Von diesem Standpunkte aus können wir uns auch mit jener auf dem Boden rein geschichtlicher Betrachtung der Religion er- wachsenen, von Chamberlain meisterhaft charakterisierten, jüdischen Geschichtskonstruktion, die das jüdische Volk in prätentiöser Weise in den Mittelpunkt der Weltgeschichte stellt, nicht recht befreunden. Mag mau darin auch den Ansatz zu einer wirklich großartigen welt- geschichtlichen Betrachtung be wundem , mag man selbst zugeben^

19»

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292

daB diese Beteohtang nidit ohne eine gewisse innere Beiechtigmig sei, so erscheint hier doch alles so sehr auf die Oeschichte und swar in nationaljüdischem Interesse angespitzt, dafi der inneriiohe Cha- rakter der Religion gefittndet emeheint

Aber man wird, ehe man schilt, auch hier sich om ein ge- schicfatiiches YerstfindiniB der Tatsache an bemühen haben. Da8 Inad seine Religion ttt)eihaapt zu seiner Geschichte in Beziehnng setzte, war doch schliefilioh nnr eine notwendige Folge davon, dafi dieses Volk tiberhanpt eine Geschichte hatte. Direkt yerorteilen kann das nnr derjenige, der es überhaupt für nneriaubt hilt, die Gottheit m der Menschheitsgeschichte wirksam zn sehen. Aber gerade dieser Standpunkt widerstreitet ichter Rümmigkeit Auch eine Universal- religion wird nicht darauf verzichten können den Spuren des gött- lichen Waltens in der Uenschheitsgeschichte nachzugehen. Wenn sich bei den arischen htäm. nichts dergleichen findet, so liegt das zom guten Teile wohl nur daran, wdl sie es überhaupt nicht zn einem nationalen Leben und zu einer Geschichte gebracht haben. Fär eine Nation sind geschichtliche Erfahrungen dasselbe, was die Erfahrungen des Gemüts für das Individuum sind. Aber es stände freilich schlimm um eile Religion Israels, wenn sie tatsächlich nur an dem einen dünnen Faden eines einmaligen historischen Ereignisses gehangen hätte. Ein wie wankendes Fundament für die Religion Israels jene Befreiung aus Ägypten zeitweise gewesen ist, zeigt zur Genüge der Umstand, daß die Israeliten in Zeiten der Not, in denen die Rechnung nicht recht stimmen wollte, so überaus leicht den Glauben an Jahve verloren und sich den Göttern der gerade über sie herrschenden Völker, wie der Assyrer und der Babylonier, in die Arme warfen oder den Kult der alten über Jahve vergessenen Landesgottheiten wieder aufleben ließen. Und das war nicht nur in Israel, sondern auch in Juda der Fall. ^lan denke an ^lanasse, an Jojakim. Und wenn nun die Religion Israels aus all diesen Krisen immer von neuem erstand, wenn sie den Zusammenbruch des nationalen Staates, der die ägyptische Großtat Jahves ja geradezu annullierte, glücklich über- stand, müssen da nicht doch noch ganz andre Faktoren in ihr lebendig gewesen sein als jene mit einer allen Erfahrungen trotzenden Zähig- keit des Willens festgehaltenen Erinnerungen an die Großtaten Jahves in einer schöneren Vergangenheit? Es nicht sich hier wieder, daß Chamberlain die Tätigkeit der Propheten für die Gesamtbeurteihmg der israelitischen Religion so gut wie gar nicht heranzieht. Die Frömmigkeit der Propheten lebte wahrlich nicht allein von jon»'ni Ereignisse einer fernen Vergangenheit, wenn sie überhaupt von ihm

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Baxnisch: H. St Cbamberlaios VoisteUangea über die Religion usw. 293^

in ixgend einer Weise gelebt hat Die ältesten von ihnen argu- mentieren überhaupt nicht viel ans dei Geschichte. Ihr Gottes- glaube ankerte in einem ganz andern Grunde, in dem Gnindc persön- lichster religiöser Erfahrungen des innersten Gemütes. Die Propheten haben ihren Gott innerlich erlebt Sie stehen in einem fortwährenden Eontakte mit dem überweltliohen Gott Sie fühlen die Hand ihres Gottes t&ber sich, sie spüren das Wehen seines Odems in ihrem Herzen. Und diese Propheten sind es eben gewesen, die der Religion ihres Volkes von Zeit zu Zeit neue LebensstrSme zuführten und sie dadurch Tor dem Eingehen bewahrten. Und sie standen nicht allein. Sie hatten ihren Kreis Ton Gesinnnngsgenossen nnd von Nachfolgern bis weit in die nachexilische Zeit hinein. Ich erinnere nur an Männer wie den Dichter des 73. oder des 90. Psalms, oder den Dichter des Hiobbnches* Gerade solche llfinner sind aber doch die eigentlichen TriSger des religidsen Gedankens in Israel gewesen nnd haben die Beligion Israels dorch alle WechselfiQle nnd Krisen hin- dnrchgerettet Die grofie Hasse ist von diesen grollen Peraönlich- keiten immer nnr mitgezogen. Wftren sie nicht gewesen, so hätten alle historischen Erinnenmgen der Beligion nicht über den Bnin hinweghelfen können. So trifit Chamberiains Yorwnrf auch hier mehr die Schale als den Kern. Er trifft die nationale Yolksreligion in ihrem Durchschnitt nnd znm gnten Teile die theokntische Priester- religioii, ans deren Weisen ja gerade jene prätentiösen, an roh nationaler mid mechanisch-ntUitaristischer AnfCsssung der Religion kanm zu (Kbeibietenden Gescfaichtskonstraktioneii henrorgegangen sind, aber er trifft nicht die eigentliche Seele der Jahveieligion, wie sie in der prophetischen Frömmigkeit lebendig war.

Mit ähnlich gemischten Empfindungen stehen wir dem, was- Chamberlain über den Glauben Israels ausführt, gegenüber. Er hat über den Glauben, wie er in der Religion Israels lebendig ist, viel Treffendes, sogar sehr Treffliches gesagt, aber ilin doch in einer Weise beurteilt, die gerade vom religiösen Standpunkt aus beanstandet werden muß. Er wirft ihm einmal vor, daß er Tatsachengl aubo sei. In der Tat spielen ja historische Daten, materielle Tatsachen, vor allem die grundlegende Tatsache der Befreiung aus Ägypten fiir den Glauben Israels, wenn auch nicht als sein Objekt, so doch als seine- Grundlage^) eine sehr hervorragende Rolle. Wie sehr hier die Ge-

Chamberlain hält bddflS nicht scharf genug auseinandar. Der Israelit kennt lern Credo, das ihn zwänge, an bestimmte Tatsachen zu glauben. Er glaubt nicht >a die Aasfäbiuog aus Ägypten, vie der Giuist an Gott den Yater usw. im.

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294

Aafaätze

fahr einer YeräußiM-lichung vorliefet iiaben wir im vorigen Abschnitt ja selbst anerkannt. Wenn nun Cliamberlain an einer andern Stelle diesen Glanben Israels als das unerschütterliche Vertrauen zu einem persönlichen, unmittelbar gegenwärtigen, all- niächtif^en Gott charakterisiert, und ihn aus einem mächtigen Willen zum Leben und zur Selbstbehauptung ableitet, so können wir uns kaum eine bessere Charakterisienuig dieses Glaubens rorstellen und wüßten überhaapt nicht, "wie man den spezifisch religiösen Glauben, wie wir ihn veisteben, und wie ihn vor allem auch ein Luther, diese Verkörperung germanischen Geistes, verstand on hat, besser definieren könnte. Gewiß hat dieser Glaube in Israel unter mancherlei Entstellungen, die in dem nationalen Charakter seiner Reügion und dessen Nachwirinmgon ihren Grund haben, vielfach zu leiden gehabt Es ist z. B. eine Entstellung, wenn dieser Glaube Jahve in eine zu ausschließliche Beziehung zum Zion setzt, ihn geradezu auf den Zion herabzwingt, oder wenn er Jahres IQlfe sn ausschliefilich fOr Israel in Beschlag nimmt und darüber die aadem Yölker und Menschen Tergifit Yon solchen Bintstellungen, die übi^ens hin und wieder eine sehr bemerkenswerte Korrektor im Alten Tesfci- mente selbst erfahren (yeigL z. B. Jer. 7, 4), muß man natflilich ab- sehen können und den Glaubensakt als solchen zu wQrdigen wissen. Aber freilich hfilt ja nun Chamberlain einen Glauben, der sich ab Yertrauen zu Gott Snßert, ttberhaupt fOr minderwertig. Was er etwa »Glauben« nennt, das ist vielmehr jenes ahnende Eifusen tnnsoen- •denter Geheimnisse, unaussprechbarer Wahrheiten und unausdenk- barer Mysterien, in dem Chamberlain ja überhaupt den eigenilicheD Nerv der Religiosität sieht Je mehr der Mensch von diesen Dmgen eifaßt und sich symbdisch vorstellig zu machen vermag, desto mehr bat er Religion. Der arische Inder glaubt viel mehr als der Semit, •danun ist er nach Chamberlain auch viel religiöser als dieser. Er htt eben eine viel reichere religiöse Yorstellungswelt Ihm kommt es also außer auf die Intensivitftt, mit der der Mensch üi eme tnms-

apoetdlischeD Symboliim, sondern er glaubt, daß, weil Jahve bnel lat Ägypten

herausgeführt hat, er seinem Volke auch fürderhin helfen werde. Darum ist es üborhaupt schief, von einem israelitischen Credo zu reden (S. 4()9) und dieses Credo dann zu dem apostolischen Credo in einen Gegensatz zu setzen. Wenn übrigens Chamberlain 8. 409 sagt dafi die Hälfte der Sätze des Apostolikums keine Tiitttdiaii, soDdem imvonleinitn Hysterien heseo^

hier doch darohsns als Tatsachen aolgefafit und mit den von der andein Hilfte seiner Sätze bezeugten Tatsachen auf eine Dnie gestellt werden. Wenn irgendwo, 80 wird gerade vom Apostolikum ein Tatsacheoglsabe gefordert, vie ihn die israelitische Religion überhaapt nicht kennt.

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BiLKNTSGB: H. st Chamberkins Vorstellungen über die Heügion usw. 295

oendente Welt einzudringen vermag, vor allem auch auf die Menge der vom Geiste geahnten und erfaßten transcendenten Wahrheiten, auf den Reichtum des Giaubensstoffes (S. 406) für die Beurteilung des Glaubens an. Faßt man dagegen den Glauben als vertnnensvoUe Bezogenheit auf einen Gott, der helfen kann, so wird man viel- mehr in der EnfTirio, mit der sich diese Bezogenheit auf Gott geltend macht, sich auf diesen Gott konzentriert, einzig und allein den Gradmesser für die Höhe und den Wert des Glaubens zu sehen haben. Wir sehen auch hier wieder, wie es Cbamberlains eigentüm- hdie Aof&ssang Yon der Religion ist, die uns den Schlüssel zu seiner Benrteilnng des israelitischen Glaubensbegriifes (der übrigens ■ach ganz der christliche ist) liefert

Wie steht es nnn endlich mit dem »Dogma von der Frei- heit des Willens«, in dem Ghamberlain ein besondeis charak> teiiBtiBches Meilanal ffir den Tiefstand der israelitischen nnd jüdischen Frömmigkeit sieht? Es wird Ghamberlain ohne weiteres zuzugeben sein, daß er in diesem Funkte, der namentlich tOr die Anffossnng der Sünde Ton schwerwiegender Bedeutung ist, eine sehr schwache Seite der israelitischen Beligion und Sittlichkeit berührt hat Der Israelit und Jude ist im allgemeiuen von der absoluten Freiheit seines Willens zum Guten wie zum Bösen fest überzeugt »Liehet das Oute und hasset das Böse« sagt selbst ein Amos (5, 15), als ob liebe und Haß sich so einfach befehlen ließe. Yon der Gebunden- heit des menschlichen Willens, tou der Macht des Einflusses der Um- gebung und äußeren UmstSnde, von der Macht der Gewohnheit, der Macht der Yererbung hat er im allgemeinen keine lebhafte Empfindung. Darin liegt auf der einen Seite eine Wurzel seiner Größe. Er ver- liert nie den Glauben an sich selbst Mag er sich noch so oft ver^ fehlt haben und gefallen sein, er erhebt immer wieder das Haupt mit dem festen Torsatz nicht nur, sondern such in der Zuversicht^ kfinftig nicht wieder zu fallen. Aus diesem Glauben an seine moralische Kraft erklärt es sich ja auch zu einem guten Teil mit, dafi das israelitische Volk alle Katastrophen, die über es hereinbrachen und in denen es Strafen für seine Sünden sah, überdauerte und sich immer wieder daraus erhob. ^) Aber in jenem Glauben liegt auch ein erheblicher Maupel, denn er verspen't dem, der damit ausgestattet ist, die so nötige Einsicht, daß die Sünde eine furchtbare Macht be- deutet, vou der er aus sich selbst heraus nicht wieder loskommt Der

') Daft das HanptTerdieiist hieiaa den Piopheten gebfühxle, haben wir oben g^ehen.

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296

Aufsätze

Israelit und auch der Jude kennt eigentlich bloß einzelne Sünden "Und Übertretungen, die für ihn abgetan sind, wenn er die Stra/e dafür erlitten oder sie durch eine kultische Handlung abgebüßt hat, aber er kennt nicht die Sünde. ^) Darum hat sich die jüdische BeMgion auch nicht zur ESrlösungsFeiigion entwickein können, sondern ist Gesetzesroligion geblieben, oder yieLraehr je länger je mehr geworden, eine Oesetzesreligion die sich mit ihren zahlreichen VoiBchrifteii und Oesetzen an den Willen des Menschen wendet und seiner Schwach- heit nur insoweit entgegenkommt, als sie ihm für seine unTeimeid- lichen Einzelübertretungen in üuem Kultus einen bequemen Sfibn- iq»parat zur Verfügung stellt, dessen korrekte Handhabung alles wieder ins richtige Geleise bringt Und wenn die Urkunden der israelitisebea und jüdischen Religion auch die Onade Jahyes vielfach in den höchsten Tönen zu preisen wissen, so handelt es sich dabei doch immer um die Qnade, die izgendwelche Sünde vecgibt und die Schuld dafür nicht anrechnet, aber nicht um die erlösende Gnade, die ans dem sündigen Menschen eine neue Kreatur macht, indem sie seinen Willen aus der Sündenkneohtschaft befreit und dem also befreiteii Willen eine krSftige Richtung auf das sittlich Gute, auf die sittücbe YoUkommenheit hin gibt

Aber die Sache hat auch hier wieder ihre bedeutsame Kehrseite, die Ton Chamberlain gar nicht gewürdigt ist Es dürfen nimlich nicht die gewichtigen Aussagen im Alten Testamente übersehen werden, die ein sehr deutliches Bewußtsein yon der Unfreiheit des mensch- lichen Willens und zwar speziell von seiner Gebundenheit durch die Macht der Sünde verraten. Schon die Sintflutgeschichte, and zwar in ihrer älteren jahvistischen Gestaltung, betont Gen. 6, 5 and 8, 21 sehr geflissentlich, daß das Dichten und Trachten des mensch- lichen Herzens böse sei von Jugend auf. Indem sie freilich die mit der menschlichen Nutui gesetzte Siindhafiigkeit als eine uiiab- finderliche Tatsache hinstellt, der gegenüber selbst Jahve ohnmächtig sei, verrät sie eine pessimistische Denkweise, die religiös unfruchtbar bleibt. Aber, wie dem auch sein möge, es verrät sicli hier doch eine Auffassungsweise, die unendlich viel tiefer geht als der oberflächüche Glaube an eine unbeschränkte Willensfi'eiheit. Nun ist ja freilich die Sintflutgeschichte kein Prudukt des spezifisch israelitischen Geistes, und wir müssen daher mit der hoheu Walirscheiniichkeit rechnen,

*) Dem entspricht es, dat die DnndieohiiitlBreligion eigeatlioh anoh nur

einzelne gute Werke und verdienstliche Handlungen, aber nicht >das Oute« iMUii Anders steht es jedoch bei den Propheten , bei denen sich Annittlft sa einer ptil- zipiellen Ethik finden, cf. Am. 5, 15, Mich. 6, 8, Hoe. 6, 6.

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Bakntsch: H. St. Cbamberlains Yorbteiiimgen über die Religion usw. 297

daß die darin Tertietene Ansohaanng von der Unireiheit des mensch- lichen Willens nicht auf israelitischem Boden gewachsen ist Aher wir besitzen im Alten Testament und swar speziell in seinen pro- phetischen Schziften noch ganz andre, aus tie&ter Erfahrung hervor- gegangene Äußerungen über das Unvermögen des menschlichen Willens zum Guten. So hat der Prophet Hosea (7, 2 nach der Übersetzung bei Kautzsch) eine lebhafte Empfindung daför, daß Israel aus dem Banne seiner Sünden nicht so ohne weiteres wieder herauskann. Ein Jeremias, der ein Leben lang veigeblich an der reUgids-aittliohen Erneuerung seines Volkes gearbeitet hat, spricht unumwunden aus »Kann wohl ein Mohr seine Haut verwandehi oder ein Tstdei seine Becken? Dann würdet auch ihr gut zu handehi Termögen, die ihr gewohnt seid, fi^toes zu tunc (13, 23). Und wie Jeremias hier die Macht der Gewohnheit betont, so der Terbsser Ton Hieb 14, 4 die Macht der Yererbung, wenn er Hieb sprechen l&fit: »Wie könnte wohl ein Beiner vom Unreinen kommen? Nicht einer!« Auf denselben Oedanken kommt Ftelm 51, 7 hinaus, wo es heißt: »Bin ich doch in Verschuldung geboien und in Sünde hat mich meine Mutter smpfiuigen.« Man veigleiche dazu auch Stelleif wie Hieb 15, 4, 25, 5. 6. Und zwar bleibt ee im Kreise dieser Zeugen meist nicht etwa bei diesen pessimistjschen Bekenntnissen, sondern die Überzeugung ▼on der Ohnmacht des menschlichen Willens zum Outen drSngt hier weiter zu der Erwartung, daß Oott selbst hier helfend eingreifen und ein Neues schaffen müsse. So heißt es^Jer. 31, 33: »Ich will mein Oesetz in ihr Inneres legen und es ihnen ins Herz schreiben.« Und noch bezeichnender spricht der Prophet EzEomsL (U, 19 1 36 261): »Und ich (Jahre) werde euch ein neues Herz verieihen und einen neuen Oeist in euer Inneres legen und werde das steinerne Herz atis eurem Leibe entfernen und euch ein fleischernes Herz ver- leihen, daß ihr nach meinen Satzangen wandelt und meine Ver- ordnungen beobachtet und danach tuetc Und der Dichter des schon oben zitierten 51, Psalms schwingt sich in Y. 12 zu der innigen Bitte auf: »Schaffe mir, Gott, ein reines Herz, und lege in mich einen neuen, gewissen Geist.t Kann die Sehnsucht lu^cli einer Pirlösung noch deutlicher zum Ausdruck gebnicht werden als in diesen Stellen? Haben wir hier nicht Ansätze, die über das allgemeine Niveau der israelitischen und jüdischen Keligiun weit hinausweisen und mit aller Macht auf eine E rlös ungsreligion hindrängen? Daß die israelitische und jüdische Religion diesem Erlösunfrsbediii-fnisse nicht genügt hat, ist eine Tatsache, die uns zwar ihre Miuderwertigkeit bezeugt, die uuä aber nicht Uber das üewicht jener Zeugnisse einer über das

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298

Judentum Ii inausreichenden Frömmigkeit liin wegtäuschen und zu ihrer Ignorierung veranlassen darf. Und es handelt sich hier nicht etwa nur um ganz vereinzelte Stimmen, sondern um Außenmgen jener acht prophetischen Frömmigkeit, die sich wie ein nie ver- siechender Strom seit der Mitte des 8. Jahrhunderts das ist wenigstens ihr für uns erkennbarer Ausgangspunkt bis in das Judentum hineinzieht, und die dann endlich in der Erlösungsrplii:i'>n dos Christentums ihre volle Befriedigung findet. Damit }uii)en wir zugleich die historische Verbindung, in der das Christentum mit der Religion Israels und des Judentums steht, und die bei Chamberlain so gar nicht zu ihrem Rechte kommt, angedeutet. Das Christentum ist ganz gewiß nicht die Vollendung des Judentums als solchen, sondern, wie Chamberlain sehr mit Recht sagt, eher dessen Über- windung. Aber es ist Vollendung jener höheren Ansätze, die sich innerhalb der israelitischen und älteren jüdischen Keligion finden, und Erfüllung der Sehnsucht, die in ihnen zum Ausdruck kommt Also nicht erst das Chiistentam hat gegen das Judentum reagiert, sondern die Reaktion gegen das, was allmählich als Judentum in die ge- schichtliche Erscheinung getreten ist, hat bereits innerhalb des auf das Judentum hinauslaufenden Entwicklungsprozesses selbst eingesetzt Unser Urteil über das Judentum kann sich deshalb nicht ändern, aber um so mehr verdient jene höhere Frömmigkeit, die eine Überwindung des Judentums innerhalb des Judentums selbst bedeutet, gebührende Hervorhebung als Beweis dafür, daß auf semitischem Boden nicht bloß eine minderwertige Religiosität gedeihen konnte, weil etwa das Gehirn des Semiten bloß für eine solche oiganisiert war.

Wir stehen damit am Ende unserer Auseinanderaetsnng mit Chamberlain, soweit es sich um seme Beurteilung der Betigion der Semiten und speziell der Israeliten handelt Noch lügen uns viele einzelne, und darunter nicht unwichtige Punkte am Herzen, über die wir uns gern mit ihm auseinandersetzen möchten. Aber sollte unsere Abhandlung nicht an Umfang den Ausführungen, die Ghamberiain flpez. den Semiten gewidmet hat, mindestens g^chlrommen, so mußten wir uns schon auf die wichtigsten prinzipiellen Punkte beechrinken.') Aber ich hoffe, unsere Auseinandersetzung mit Ghamberiain hat Immerhin genügt, um uns ein einigennaBen sieheres Urteil über

Zur Ei^?änzung meiner AoBfOhrimgen sei auf den inhaltreichen Artikel von Eberhard Nestle: Das religiöse Problem in II. St. Chamberlains Grundlagen des 19. Jahrhundei-ts, i^rotestautenblatt 1903, Nr. 26—29, und auf die Abhandlung von Friedrich Otto Hertz, Das religiöse Leben bei Ariern und Semiten in der politisch -anthropologischen Bevue 1903, Bd. II, Nr. 7 u. folgende hingewiesen.

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Baihtsch: U. St Chambeilams Voistellaagen aber die Eeligion usw. 299

seine Stellung za der Kelip:ion der Semiten und speziell der Israeiitea zu emiöcrlichen. Und da können wir mit voller Sicherheit sagen,' daß Chamberlain dieser Religion nicht gerecht geworden ist. Er hat ein überaus scharfes Auge mehr für die mancherlei Schwächen und Unzulänglichkeiten dieser Religion als für ihre guten Seiten. Und was das Bedenklichste ist, er sieht diese Schwächen mit einem durch die ausgesprochene Empfindung des Kassen gegen satzes^) noch ganz besonders geschfiiftem Ange an. Während er allen andern Beligionen der Welt, selbst den am tie&ten stehenden, mit dem Ange der liebe gegenübersteht und jede auch noch so leise Begnng echtsr, höherer Beligiositttt, ich möchte oft sagen, aus ihnen heraos- fOhlt und mit einer Art fireudiger Oenngtaung begrOfit^ nimmt er die Religion Israels unter eine überaus scharfe Lupe, die ihre Schwächen in oft geradeza karikiertor Weise herrortreträi läßt Eben dadurch bringt er die semitische und speziell die israelitische Religion in eine künstliche Isolierung gegenüber den übrigen Beligionen, die doch alle mehr oder weniger dieselben Schwächen, wenn vielleicht auch in etwas andrer Tonart, zeigen, hinein. Unterschiede wachsen sich ihm so zu unüberbrückbaren Gegensätzen, blofie Nuancen zu wesentlichen Unterschieden aus. Der Hauptfehler aber ist, daß er seine Beurteilung Tie! zu sehr auf die Äußerungen der Volk»- und Friesterreligion stützt und den prophetischen Strang der Beligion viel zu wenig zu seinem Rechte kommen läßt Er ignoriert ihn nicht ganz, er kommt Öfter, zuweilen sogar unter dem Ausdruck einer unverhohlenen Bewunderung, anf ihn zu sprechen, aber für sein Oesamturteil läßt er ihn doch viel zu wenig ins Gewicht fallen. Die Flrophetie erscheint ihm fast nur wie eine flüchtige Episode, die mit dem Ganzen der Beligion in keinem Olganischen Zusammenhange steht Und doch handelt es sich hier am eine Strömung, die zwar eine kräftige Reaktion gegen die Durch- schnittsreligion bedeutet, die aber doch mit dem innersten Wesen des mosaischen Jahvisraus, der bei aller nationalen Beschränktheit einen energischen, auf die Durchbrechung der nationalen Schranken tendierenden ethischen Zug in sich trug, in wesenüichem Zusammen-

Gbamberlain ist kein Antisemit in dem gewöhnlichen Snne, daB er etwa die Juden zum Sündenbock für alle Laster unserer Zeit machte. Er nennt eine derartige Neigung sogar direkt >Iächerlich und empörend« (S. 17). Alicr es finden «idi bei ihm doch Äußerungen, die auf jeder antiseniiti.schen Radau- Versammlung Furore machen würden, so z. B., wenn er sagt: »und wir hinken als verkrüppelte Jndeokneokto hinter Jahves Bnndeelade her« (8. 18) oder: »Die FMtxe des Lesten stellt ekran «ob ibraf (der braelitan) Oeaohiohte mit anveihtUUer Nackheit an« 8. 47 Q. a. m. Wir httten in Chamheilalns eigenstem Interane derartige Bnt> ^etamgin gen vermiSt.

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300

Aufsätze

hange steht. Denn daran, daß es sich bei allen Äußerungen einet höheren Frömmigkeit und einer tieferen religiösen Binsicht etwi um arische Infiltrationen handeln solle, ist nach unserer Übeizeagong nicht 8U denken. Jeder Versuch, sie etwa als solche in Ansprach zu nehmen, würde nicht für Israels Religion, sondern für die Rassen- mischnngstheorie, deren relatives Recht wir nicht bestreiten, wohl aber ihre tendenddse Terwertnng, gefilhrlidi werdeii.^)

Aber freilich, wir dürfen uns nicht verhehlen, daß schliefilich auch die Religion der Propheten als Ganses genommen, vor Chamber- lains Augen keine rechte Gnade finden würde. Denn auch diese Religionsform entspricht ja bei weitem nicht dem Ideale, das Chambeilain sich von der Religion nun einmal gebildet hat

IV.

Das führt uns nun endlich zum letzten Teile unserer Aufgabe, nämlich, das Chamborlainsche Keligionsideal selbst d. h. den Maßstab, mit dem er die Keligion der Semiten und speziell der Israeliten und Juden in so strenger Weise gemessen hat, vom allgemnn reli- gionswissenschaftlichen Standpunkte aus einer kurzen Beurteilung la unterziehen.

Ist Chamberlains pantheisüscher Mystizismus, wie wir ihn im ersten Teile unserer Abhandlung zu charakterisieren versucht haben, denn überhaupt Religion? Dürfen wir es wirklich schon oder noch Religion nennen, dieses bloße Ahnen eines Unendlichen, dieses Schwelgen in dem Gedanken daran, dieses unausprechliche Sehnen, das den Geist in weite dämmernde Femen zieht und ihn zu der Sisjphus-Arbeit zwingt, ünfaßbaree fassen, IJnausdenkbaree denken zu wollen, Symbole zu schaffen, in denen er die geahnte Wahrhdt festzuhalten sucht, um diese Symbole doch immer wieder zu zer- brechen, weil sie doch nicht ausdrücken und nicht ausdrOcken können, was das Gemüt von ferne ahnt? Ja, ist es wirklich Rdigion dieses bloße Abgestimmtsein des Oemütee auf die Unendlichkeit?

Gewiß ist ein solches Gefühl für das Unendliche, das Bewußt- sein einer TeUhaberschaft an ihm, dem Chamberlain in so beredter Weise Ausdruck gegeben hat, die Yonussetzung für eine Religion,

') Die Oenohtigkeit veriangt, anadrfidUioh sv aagen, da8 ich eine deofUche

dahingdieiide Bemerkung bei Cbamberinin nioht gefunden habe. Er bezeii^net die Propheten sogar aiLsdrücklich als Jnden vom Scheitel bis zur Sohle. Um so mehr

hätte er die i>ropheti8che Religion dann freilich heranziehen müssen. Andrerseits lieguu aber Aotichaaungea, wie sie oben skizziert sind, bei Chamberlain in der Luft.

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BABmoi: H. St Ghambedainfl YonMlnngeii Aber die BeUgum luw. 301

der Boden, anf dem wirklich religidses Leben erstehen kann. Aber MD. sich ist es noch nicht Religion, denn Beligion entsteht immer und dbenli erst da, wo der Mensch nnd der liensch ist uns nicht nur der Arier, auch nicht etwa der Semi^ soudem der hinter den Bassen stehende homo sapiens, dessen Homogenitit uns nicht nur emen Thium bedeutet dem Unendlichen nicht nur nachjagt, ob er es erfassen und begreifen könne, sondern wo er das TTnendliohe, Ton dem er sich abhingig ffihlt^ 2U sieh selbst, bu seinen per- sönlichsten Bedürfnissen, su seines Lebens Nöten und seines Hersens Fragen in eine lebendige, klare und deut- liche Besiehung setzt Erst, wenn er das tut, tritt aus dem Unendlichen ihm der Gott entgegen, nach dem seine Seele sich sehnt, und der, im Glauben er&At, seinem Leben Halt und Kraft ▼erleiht und auf die Tieien Fragen, die aus seiner Brust emporsteigen, eme befriedigende Antwort gibt

Aber Chambeilain meidet es fast ftngstlich, semem Unendlichen eine sdehe pnktisdie Bedehnng au geben. Br setzt es nicht in Beziehung zu dem menschlichen Eausalitfttsdrang, der den ]f<aisdieit nun einmal zwingt, für alles, was er wahrnimmt, nach einer letzten Ursache zu fragen, und Aber die Mannigfaltigkeit der Ersdieinungen zu einem letzten Weltgrund durchzudringen. Denn allzulebhaftc Frage nach der Ursache, so belehrt uns Charaberlain unter Berufung auf einen Ausspruch Goethes (S. 407 Anm. 1) nach- drücklich, ist für die Religion d. Ii. für das, was er Religion nennt, sciiädiich. Er set^t sein Unendliches auch nicht in Beziehung zu den Tatsachen des sittlichen Bewußtseins, des Gewissens, die den Menschen überall auf Erden mit psychologischer Notwendigkeit zwingen, das Gebiet des Sittlichen in Beziehung zu setzen zu einem höchsten Wesen, das über die Erfüllung der sittlichen Forderungen (wie verschieden sie auch auf den verschiedenen Kulturstufen sein mögen) wacht, und dessen mahnende, warnende und strafende Stimme er in seinem Gewissen vernimmt. Denn nach Charaberlain (S. 222) hat Religion d. h., was er Religion nennt, zunächst weder mit Aber- glauben noch mit Moral etwas zu tun. Vor allem aber und das ist der bei weitem wichtigste Punk - setzt Charaberlain sein Unend- liches nicht in Beziehung zu dem tiefeingewurzelton, aus dem kräf- tigen Bewußtsein seines Rechtes aufs Dasein quellenden Bedürfnis des Menschen, den vielerlei ihn unigel)cnden Machten gegenüber, die sein AVohlerirehen und seine Existenz fortwährend hedrohen, in gläubigem Vertrauen bei einer liöchsten Macht Hilfe zu üuchen, die über diese Machte schlechthin erhaben ist und des

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Aufsätze

Menschen Wohl und Wehe in ihrer Hand hält Denn nach Chaniber- lain entspringt dieses Glaubensbediirfnis ja dem brutalen »Willen zum Lebent (ä. 246), der ihm den Tod aller wahren Religion d. h. dessen, was er darunter versteht, bedeutet

Daß nun freilich eine Keligion, die das Bedürfnis des mensch- lichen Hei*zens nach dieser dieifachen Beziehung hin befriedigt, den Menschen in oft schwere Konflikte mit seinem Natorerkennen bringt, ist sweifellos richtig. Über diesen Zwiespalt kommen wir auch mit allen Künsten nicht hinaus. Aber das bedeutet nicht den Tod dsr Beügion. Der religiöse Mensch wird diesen Zwiespalt immer in dsn Bewußtsein, daß unser Welterkennen doch nur Stückwerk ist und bleibt» innerlich überwinden. Doch hiervon ist in diesem Zosammeii- hange nicht weiter m reden. Worauf es hier ankommt, ist ledigUoh, 2u betonen, daß, wo wirkliche Beligion auf Erden voiiianden ist, immer der menschliche Eausalitätsdrang, der Trieb nach Settnt- behanptnng gegentlber dem blinden Ungefthr oder dem toten Natnr- mecbanismus und das sittliche Bewnfitseui bei ihrer Geburt betaüigt sind, und daß damit auch die dreifache Beziehung gegeben is^ m der der Mensch dauernd in der Religion seine Befinedigung sacht Man schneide der Beligion diese dreifache Bemehung ab, und sie leistet nidit mehr, was sie soll, d. h. sie hört aui^ Beligion zu sein.

Eben, weil Chamberlain, um die Beligion ttber alle Konflikt» mit dem Weiterkennen hinaus zu heben, es untezlassen zu müSBen glaubt, sein Unendliches zu den eben gekennzeichneten menschlichen Bedflifnissen in Beziehung zu setzen, kommt er auch nicht zu den Glauben an einen Gott, der dem Mensdien etwas seui kann. Br kennt wohl Götter, aber nur als Symbole kosmischer MIcfate, die nach ewig unvetSnderliohen Gesetzen wirken und darum jenseits von gut und böse stehen. Er kennt wM ein Göttliches, aber dieees Göttlidie ist ihm doch immer nur die abgrundtiefe Unendlichkeit, jenes unendliche All mit seinen nach ewigen Gesetzen wiikend« kosmischen Mächten und seinen geheininisTollen Stimmen, jenes alles gebärende und alles wieder verschlingende All, in das der Mensch sich mystisch versenken soll, um so an dem Unendlichen teil zu haben, sich als einen Teil des G«jttlichen fühlen zu lernen und sich dann selbst ui allen Dingen wieder zu finden. Mit dieser mystischen Versenkung verwisclien sich dann auch noch die letzten Schranken zwischen dem Goschupf und dem Göttlichen, mit deren Anerkennung alle wirkliche Religion steht und fällt.

Wir können demnach Chamberlains »pantheistischen Mystizismus i überhaupt nicht als iieiigion gelten lassen. Er stellt vielmehr eine

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IV\^v'-r:r: TT. ChamV-orlain«; Vorste]!iin£:'MT ül»pr dip Kt>!ipinn usw. 303

poetisch- speknlatire Weltansohauang dar, oder, wie er siob lelbst einmal 100) ausdrückt, »ein der Phantasie vorschweben- des Gesamtbild der Weltordnungc. Wir wollen dieser Welt- anachaaimg weder eine gewisse Eiliabenheit noch jeden moralischen Wert abqnechen, aber »Beligionc ist sie deshalb noch nicht Höchstens ein Surrogat der Beligion fOr solche, die an jeder wirklichen Religion Schifftroch gelitten habeo. Damit yerbietet es sich aber Ton sdbst, dieses Chambeilainsche Beligionsideal als Ifiafistab aar Betimmong des Wertes irgend einer wirklichen Beligion benutzen zu wollen.

Als blofies Surrogat der Religion aber kann diese »Religion» auch dem Menschen nicht leisten, was er überall auf Erden von der Religion erwartet Sie kann vielleicht wie eine stille Musik sein Denken und Tun begleiten, aber sie wird nie und nimmer eine Macht für sein Leben bedeuten. Den besten Beweis dafür liefert uns der arische Inder selbst. Denn imv^ seine Religion ihn auch zu den tiefsten Spekulationen angereiht mag sie für seine Poesie, IMiilo- logie, Mathematik und für, wer weiß, was für Dinge noch, die mit der Religion nicht das mindeste zu tun haben, den fruchtbarsten Mutterboden abgegeben haben, in Wahrheit hat sie ihm, indem sie ihn vom wirklichen Leben abzog und in das stille Dämmerland süßer und lichter Traume führte, das Mark aus den Knochen gesogen, seine "Willenskraft gelähmt und ihn so fürs Leben unbrauchbar, für die Weltgeschichte bedeutungslos gemacht. Dariun mülite jede Religion in dem Maße, als sie dem Chamberlain sehen Ideale angenähert wird, an innerer Kraft einbüßen und für den Menschen eher zum fluche statt zum Segen werden.

Wieviel mehr trägt da doch die Religion der Semiten und speziell die der Israeliten die Merkmale wirklicher Religion an sich! Wir glauben deutlich genug gezeiy-t zu haben, daß wir keine rückhaltlosen Bewunderer dieser Religion sind. Wir erkennen ihre Schattenseiten^ ihre Unvollkommen hei ten offen an, gestehen Chamberlain auch gern zu, daß sie namentlich in ihrer Ausprägung: als Volksreligion und Priesteneligion rohe, brutale, materialistisch-egoistische Züge trägt, die wir um des Himmels willen nicht in der Religion, die unserem Leben Kraft geben soll, wiederfinden möchten. Auch die oft über- triebene, im Gefühl der Scheu wurzelnde Art, wie hier (wie im echten Semitentume überhaupt) die für den wirklich religiösen Standpunkt im Gegensatz zu jeder pantheistischen Weltanschauung allerdings als Axiom feststehende Überweltlichkeit Gottes als abso- lute Weltferne vorgestellt wird, halten wir nicht etwa nur mit jedem Natnr- nnd WeLterkennen onyertifiglich, sondern anoh dem

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AnMtze

relip:iösen Bedürfnis wenig entsprechend. Wir bedürfen eines Gottes, i n dem wir leben, weben und sind. Wir wollen Gott nicht von außen her in magischer Weise in diese Welt und in unser Leben hineinagieren sehen, sondern sein Walten vor allem in dem gesetz- mäßigen Verlauf der Dinge selbst, in dem Gang der Geschichte, in dem Wirken großer Persönlichkeiten, die uns geschenkt sind, sehen, in der Art etwa, wie es das neutostamentliche Wort so schön z\ira Ausdruck bringt: »Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selberc II. Cor. 5, 19. So sind wir also keineswegs blmd für die Schwächen und Einseitigkeiten der israelitischen und jüdischen Religion. Aber die Merkmale einer wirklichen Religion, das müssen wir trotz alledem betonen, treffen selbst auf die altisraelitische Volks- religion mehr zu als auf das »der Phantasie vorschwebende Bild einer Weltordnung«, das Chamberlain als Religion in Anspruch nimmt Und wieviel mehr nun gar erst auf die prophetische Religion des alten Israel, die wir für die höchste Ausprägung der Religion in der antiken Welt überhaupt halten, und der ja auch Chamberlain, . wenn auch nur mit einiger Reserve, einen bleibenden Wert zu- gestehen will! Daß diese prophetische Religion sich nicht auf tief- sinnige Spekulationen über das unerfoischiiche Wesen der Gottheit eingelassen hat, halten wir gerade vom religiösen Standpunkte aus, wie wir ihn verstehen, nicht fflr einen Mangel, wie das ChamberiaiB tut^ sondern für einen nicht genug zu schätzenden Yorsog. Denn was ist in Wahrheit religiöser: daß der Mensch sich in veigelilichsr Mtthe aufreibt, in das ewige, unerforBchliohe Wesen der Gotflieit ein- zudringen und sich mit einem wenn auch noch so reichen, so doch ewig unnülnglichen religiösen Yorstellungsmaterial ToUsoladen, oder dafi er anbetend ror der uneiforschliofaen Gottheit stehen Ueib^ sicfa an den Schauem ihrer heiligen Kihe, die er in seinem Henen emp- findet, gentigen ULBt, und, wenn er doch von ihr reden muß, weil sein Inneres ihn dasu treibt, sich mit Jesaias begnügt, Ycm dem goldenen Saume ihres Eönigsmantels sn reden? (of. Je& 6). Oder was ist fOr den religiösen Mensdien wichtiger: daß er sich Uber die Allgegenwait der Gottheit den Eopf zeibricht und sich durch phantastische Sym- bole dieses Mysterium voisteUig su madien sucht, oder daß er die Allgegenwart seines Gottes alleaeit in seinem Gewissen empfindet, sich auf Schritt und Tritt, im Gehen, Stehen und liegen von dem allgegenwärtigen, Hers und Nieren prOfenden, Gotte umgeben weiß (wie es der Dichter von Psalm 139 so unveigleichlich schön und tief zum Ausdruck bringt) und in der Enft dieser Gewißheit ein Leben vor seinem Gotte führt? Kann da für einen wirklich gesund

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Bakbtsgh: H. St Ghamberhuns YorsteUaDgen über die Religion usw. 305

empfindenden religiösen Menschen die Antwort auch nar noch einen Augenblick zweifelhaft sein? Kann man da wirklich noch im Ernste Ton einer Bettelannut der israelitischen Beligion reden? Wenn aber nicht) Bittfi da, wenn Chamberlain von seiner Auffassung der Religion nun einmal notwendig zu diesem Urteil kommt, der Fehler nicht Bow<^ in der Religion Israels, ü]9. vielmehr in dieser seiner Auf- fassung der Religion, in seinem Religionsideal liegen? In der Tat haben wir damit den springenden Punkt getroffen, der recht eigentp lieh den Gegensatz maridert, in dem wir uns zu Chamberlain wissen. Wir gUmbea unsere g^nsätzliohe Stellung in dieser Beziehung oben genUgend begründet zu haben und halten damit unsere Angabe für eriedigt

Zum SeUufi können wir es uns nicht versagen, noch auf ein Wort des tou Chamberlain so oft zitierten und als GewShrsmann in Anspruch genommenen Gokibb hinzuweisen, das uns Torzfig^ch ge- eignet erscheint, in dieser so wichtigen Frage klärend zu wirken.^) Bb findet sich in einem vom 6. Januar 1813 datierten Briefe Goethes an Jacob! und lautet: »Ich für mich kann bei den mannigfachen Bicfatungen meines Wesens nicht an einer Denkweise genug haben. Als Dichter und Eflnstler bin ich Polytfaeist, PanOidst als Natur- forscher und emes so entsddeden wie das andere. Bedarf es eines Gottes für meine Persdnlichkeit als sittlicher Mensch« so ist dafür schon gesorgt*) Die himmlischen und irdischen Dinge sind ein so weites Reich, daß nur die Organe aller Wesen zusammen es erfusen m6gen.c Nun wohl, wir können nicht alle Dichter, Eflnstler, Naturforscher und Philosophen sein, aber ntÜiche Persönlichkeiten SU sein oder zu werden, das ist unser aller höchstes Lebensziel, auch dann, wenn wir etwa daneben noch Dichter und Kflnstler, Natnr- forsdier und Philosophen sdn sollten. Zur Eireidiung dieses Zides kann uns aber weder homerischer Polytheismus noch Ghamberlains pantheiBtlscher Mystizismus etwas sein. Es ist in dieser Beziehung auch für uns schon gesorgt Das Christentum leistet uns hierfür einen Dienst wie ihn keine andere Religion der Welt uns zu leisten vermag. Hüten wir uns nur, es durch eine alJzureiche Infiltration spezifisch arischen Geistes im Chambeilainschcn Sinne zu schwächen und es dadui'ch für uns unbrauchbar zu machen.

Die Bekaontsohaft mit diesem Worte verdanke ioh dem ToitreffKohen Auf- satie Ton LeopoM von Schröder über Wesen und ürspning der Religion in den »Beitragen zur Weiteientirickhing der ohiistUchen Religion«. Mflncfaen, Lehmann, 1905. S. 27 f.

^) Von uns gesiu,'irt.

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Aufsätze

Dem kritiklosen und eigensinnigen Festhalten an ererbtem Bnits soll damit nutürlich nicht das Wort geredet sein. Ais eine ge- schichtliehe Erscheinung muß auch das Christentum mit dem Strom der Zeiten gehen. Es ist unendlich anpassungsfähig. Eben dsiin und nicht etwa in einem absoluten Stabilitätscharakter, den man ihm so gern zusprechen möchte, liegt sein Ewigkeitswert Seine nnver- ginglichen Grundgedanken immer deutlicher heranszustellen, sie toh zeitgeschichtlichen jüdischen und sjnkretistischan Elementen und tou Entstellungen, die sie im Terlaufe des dogmatischen Ftoiesses er* fahren haben, su reinigen, sie in uns Leben werden zu lassen und ihnen immer neue Anwendung auf die immer neu und immer mannigfacher sich gestaltenden Yerhfiltnisse des Lebens su geben, das ist die Au%;abe, die heute gerade von den ernstesten Oeistam auf das dringendste empfunden wird. In diesem Sinne redet man heute (in freilich etwas mifiTerstftndlicher und für manches Ohr unfinmun klingender Weise) von einer »Weiterbildung der christlichen Religio nc. In diesem, aber auch nur in diesem Sinne, der eme Yerieugnung und Yeiftlschung der Frindpien der Religion Jesu tqU- kommen ausschließt, wollen wir gern das von Chamberiain als Motto gebrauchte Wort Zoroasters (S. 543) auch uns gesagt sein lassen: »Be- greifet wohl das Yorwfirtsdiiiogen der Religion, tut, was an endi ist, es EU fSrdem, und suchet hierin eure Pflicht au eif(lllen.c

Schulmonopol und ReligionBunternoht

Von

Dr. Thrindoff-Anexbaoh L S.

»Ißf^ch, daß die Leluw den Vo- fasser fär einen hassenswerten Feind er- klären, möglich, daß sie etwas sehr an- deres im Hintergrunde dieser Erwägungen erkennen , als Feindschaft gegen Ihne fitaiML loh möchte nu'« 4aB aie, ob feind- lich oder freondlidi« sich mügliohst inten- mr mit der Sache besohlftigten« die hier vertreten wird.« A. Bonns

Staatsschiilc, das ist jetzt das Zauberwort, von dem man in ,£;e- wissea Lelirerk reisen alles Heil für die Schule erwartet. Der Staat mit seinen großen Geldmitteln soll über die Not hinwcjj^lielfen. dio vielerorts die Schuluntcrhaltuug macht; der Staat soll die Schule dem

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Ihbähdobt: Sohnlmonopoi und Baligionsonterricbt

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Kampfe der religiösen Konfessionen und politischen Parteien entrücken und ihr eine stetige, dem wissenschaftlichen Fortschritte der Zeit ent« q>recbende Entwicklung sichern ; der Staat soll in das bunte Vielerlei der Lehrpläae und Lehrmittel, das beim Übergang von einer Schule zur andern oft so störend ist, Einheit und Gleichförmigkeit bringen, und der Staat soll endlich auch den Lehrern eine der Wichtigkeit ihres Berufes angemessene soziale und gesellschaftliche Stellung ver- schaffen. Das alles kann und wird er aber nnr tun, wenn die Schule ▼ölüg Staatsschule wird, was sie bis jetzt noch nicht ist Damm nmA die Lehrerschaft so meint man mit allen Kriiften dahin wirken, daß das Schulschiff möglichst bald in den ersehnten Hafen des staatlichen Sohulmonopols einläuft Ein Haupthindernis für die strikte Durchführung der staatlichen Einheitsschule ist der Religions- unterricht So oft man es auch seit der Zeit der Kirohenyisitationen Yorsucht hat, das religiöse Leben durch staatliche Behörden in eine einheiüiche Schablone zu zwingen, es ist stets mifilungen, und wir sind jetzt bereits soweit daß man es au%ibt, den Laien eine be- stimmte Beligion mit staatlichen Mitteln aufzunötigen, nur bei Geist- Mofaen und Lehrern wird noch dann und wann der Versuch gemacht, der Beligion des »Kirohenregiments« mit Zwangsmitteln Anerkennung zu verschaffen. Wenn aber von Staatszwang auf religiösem Gebiete im allgemeinen nicht mehr die Bede sein kann, so paßt entweder der Belieionsunterricht nicht in die einheitliche Staatsschule, oder der Stsatszwang paßt nicht für das Schulwesen.

Ein Teil der Lehrer und zwar besonders der, der noch unter der sogenannten > geistlichen Schulaufsicht« seufzt, ist rasch entschlossen und will, um die lastige Pastorenherrschaft los zu werden, lieber ganz auf Beligionsunterricht verachten oder ihn wenigstens zum &kultar tifen Siedle machen. Aber daneben gibt es doch auch noch weite Kreise in der Lehrerschaft, die sich den Beligionsunterricht nicht wollen rauben lassen. Es ist für sie Herzensbedürfnis, der Jugend, die man ihnen zur Kiterziehimg anvertraut hat, bei der fürs Leben wichtigsten, folgenschwersten Entscheidung ein väterlicher Führer und Berater zu sein. Wer solchen Lehrern den Religionsunterricht aus der Schule nimmt, der raubt ihnen die Sonne, die bisher leuchtend und wärmend über dem ganzen Schulleben strahlte. Diese Leute können natürlich nicht für staatliche Schablonisienmg des Schul- wesens sein. Ist ilmen aber deshalb der Weg zur Hebung der finan- ziellen Schwierigkeiten mid zur Besserung des Unterrichtsbetriebes versperrt? Ich glaube nicht Es gilt nur, sich klar zu machen, daß die Frage nach der Schulunterhaltung und die andere Frage nach

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AofsätM

^em Schulgeist nicht vermengt und in ein i&lsches Ahhängigkeits- ▼echältnis gebracht werden dürfen.

»Wer die Gelder aufbringt so heißt es auf der einen Seite , der hat auch den Geist zu bestimmen, in dem erzogen werden muß. Der Staat erhält die Schulen, also hat er den Geist zu bestimmen, der in ihnen walten muß.« Nun ist aber der moderne Staat nicht mehr konfessioiieU, daher darf auch die Schule nicht konfesBumeil sein. Bas scheint zwingeade Logik und ist doch nichts als ein ganz fauler Trugschluß, der nur den überzeugen kann, der sich das Wesen des Staates noch nicht klar gemacht hat Der Staat ist kein selbständig existierendes Wesen, das Geldmittel aufbringen und besondere Rechte ffir sich in Ansprach nehmen kann, vielmehr ist er eine zum Wohls der Untertanen geschaffene Sinriohtang, die durch Steuern er- halten wird. Diese Steuern werden aber dorohans nicht nur Ton denen ausbracht, die sie direkt bezahlen müssen, sondern das Steue^ zahlen wird nur möglich dnroh die Gesamtarbeit des ganaen Volkes. Der yenunnte Erfinder, der wegen seines minimalen Einkommens viel- leicht steneifrei ist, hat zur Anfhringong der Steuern sicher mehr beigetragen als der reiche Müfiigginger, der dnroh seine üntefgebenen die Sifindongen anderer aosnntEen lifit^ nm dann Ton dem Gewimi drei bis Tier Bment Stenern m aahlen. Der Staat bnngt also kerne Gelder anf, daher kOnnen ihm anofa ans den Znsohfissen, die er atmea Gemeinden für ihr Schulwesen gewährt, keine besondeien Beohte er- wachsen. Eine snne Yorortsgemeinde, in der lanter EsbrikaibeilBr wohnen, kann natürlich nicht soviel Stenem anftnngen wie die Stadt^ die die giöBten Kapitalisten an ihren Steoenahlem rechnet^ soll dadnrdi etwa ein Bechtsunterschied begründet werden?

Der Staat ist aber weiter anch seinem ganaen Wesen nach weder konfessionell noch konfessionslos. Von euier Konfession kann der Natur der Sache nach nnr bei Peisonen die Bede sein. Ein EOnig^ ein Hinister, ein Bürger oder Baner kann also eine Kontalon haben. Der Staat aber ist eine Eimichtnng, gleichsam eine Maschme, die wohl einer Konfession dienstbar gemacht weiden, s^t aber ksine Konfession haben kann. Wenn man früher Ton konfessioneUen Staaten spiedhen konnte, so war das nnr so wo. verstehen, dafi das ganse Volk oder wenigstens seine Leiter desselben Konfession an- gehörten und daß infolgedessen die StaatBmasohine in den Dienst dieser Konfession gestellt werden konnte. S^tdem aber infolge der MischuDg der Konfessionen dieser Fall nidit mehr möglich ist, kann man anch in diesem vreiteren Sinne von einem konfessionellen Staate nicht mehr reden. Man sollte aber auch nicht von einem konfessions-

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Trba5doef: Schnlmonopol and Beligionsonterrioht

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loeen Stute leden, denn die Leate, die frOher konteionell waxen« smd es heute noofa ebenso; also htben wir auch keinen konfessions- losen Stut, sondern Tidmebr emen Staat mit k<»iies8ioiie]l gemischter BevOlkernng.

Wie soll mm dieser moderne Staat mit konfesstonell gemischter BeTölkenmg sich der Schule gegenüber yeriialtea? Mit der alten Phrase: »Der Staat unterhält die Schale, also hat er auch den Geist der Sdiule wbl bestimmen,€ ist, wie wir sehen, nichts sa machen. Denn nadidem wir den Staat als Maschine, als Werkzeug kennen ge- lernt haben, kann auch von einem Geiste nicht mehr die Bede sein,, denn WeAaeage haben keinen Geist^ können also andi keinen Geist geben, wohl aber können sie in einem bestimmten Geiste benntst werden. In alten Zeiten gehörten in der Regel Regierende nnd Begierte sämtlich derselben Eonfession an, dämm war es nur natür- lich, wenn die Staatsmaschine ganz im Dienste dieser Eonfession be- nutzt wurde. Jetst ist das nicht mehr möglich, denn wenn man die Staatsmittel in den Dienst der einen Konfession stellen wollte, würden andere sich mit vollem Recht über Zurücksetzung beschweren. Was ist da zu tun?

Hören wir zunächst den, der den radikalsten Vorschlag macht, es ist Arthuh Bonus. In seinem sehr beherzigenswerten Schriftchen »Vom Kulturwert der deutschen Schule« ^) sagt er (S. G): Kach unserer Auffassung: ist es lächerlich, Kunst, d. h. Geschmacksunterricht unter Staatszwanr^2^ zu stellen, aber einfach unsittlich, den Zwang auf den Gesinnungsunterricht auszudehnen . . . Am seltsamsten dünkt uns die Lahinlioit der l^arteion, wolchc mr-iiicn, mit ein bischen Ab- schleifen und Vt'i-simultanieron sei es getan ... (S. 70). Die Schule als Massen iint^'rrichtsanstalt unter Staatszwang mit unifor- mierten Lehrplänen, deren Inhalt also von Individualität, Begabung, Gesinnung des Lohrers und erst recht des Schülers losgelöst i^t, kann diesem ihren Wesen nach lediglich technisches Können über- liefern. Sie soll sich damit begnügen. In erster Linie also und das könnte für die Volksschule überhaupt genügen Rechnen, Tjosen, Schreiben. Dazu kfinnte Turnen und Handfertigkeitsunterricht kommen und, wenn es durchaus sein muß, Begriff-sbildung, d. h. logisch deut- liches Sprechen, Auf den iKiheren Schulen fremde Sprachen. Diese technischen Fälligkeiten sollen an derben Stoffen geübt werden, welche die onTermeidlich etwas herbe Behandlung im Schulzinuner gai über-

>) Veriegt bei Engan Diedaiklia. Jena und Leipsig 1904. *) AH« Spammgan itthian tob mir her.

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Aufsätze

stehen, also vor allem an Aufgaben des geschäftlichen Lebens und allenfalls technisch -wissenschaftiichen Dingen, nie aber und unter keinen Umständen an religiösen, moralischen, ästhetischen Stoffen. Sätze wie des ewig weisen PlOtz »Meine Mutter hat einen FingeriuU, aber dein Bruder hat keinen Begenschiim,« sind vorzugsweise ge- eignet um nach Subjekten und Prädikaten darin zu fischen, nie aber und unter keinen Ümstindeii Ifitoshen oder Stücke mit Gemüts- werten. ^) ÜbergangsTorschUlge: Sollen oder mUssen Stoffe dery|ftB^ landsknnde^ Beligion, Kunst geboten werden, so soll jeder QesinnnngB- unterricht dabei vermieden und im höchsten Fall ein freier Yoitnf zugebssen werden. Wird er nicht yerstanden, um so besser! Bleibt eimsehieSi das die Phantasie besdiiftigt, gut! Wer aber das Geeinnuiic^ bilden und Seelerieohen nicht lassen kann, der sei yerfiucfatc

Yon dem in unsem Sdiulen herrschenden BeUgionsuntsriidit imd semen Früchten entwirft Bonus folgendes Bild: Der offiiielle Beligionsuntenicht treibt unauslöschlich den Abeij^uben in uns hinein, daß Beligion Lehre sei, die man für wahr halten mösse, wenn möglich auf Grund von Beweisen (K. 37*). »Bewufitec Ghnsten beifien die^ welche sich der theologischen Denkweise und der kirch- liehen Sprechweise bewußt sind, und »lebendige« die, weldie sich mit Anstand in diesen Dingen au bewegen wissen (R^) 7). Es gibt filr uns keuie Beligion als eine, welche gelernt wird, bis sie »sitstc (& IVj. Das Christentum ist für uns nicht mehr, was es in seiner Heimit war, Erlösungsreligion, aus schweren Entwicklungskämpfen e^ wachsen, von schweren Köten beMend, sondern es ist für unser Tolk ein Gesetz (R 9). Das eigentliche religiöse Leben besteht in den Bewegungen eines gewissen Abhängigkeitsgefühls von im Grunde etwas willkürlichen Mächten, mit denen man sich um so besser steht, je bescheidener man durchs Leben schleicht, sich sozusagen darunter durchdrückt, und je mehr man sich versagt. Erlösung besteht in der gehorsamen Annahme des Erlüsungsmythos (R 12). Wenn aber die Religion Lehre ist und man Erlösung nur erlangen kann durch Beugung unter das Lehrgesetz, so muß der Schulunterricht seinem Wesen nach Begriffsbildungsdrill sein (K. 41). Denn wenn er für das Annehmen des Lehrgesetzes vorbereiten will, muß er die Lehren, die angenommen werden sollen, vor allem klar machen.

*) Den lebten Oedanken hat Zilleb schon vor vielen Jahren tusgesproohan. indem er forderte, deft gnunmatiBohe und etiUetiMhe Übungen atets an SobiUer- arbdteo» nie an Dichtungen angeschlossen werden sollten.

») K. = Vom Kulturwert der Schule (Leipzig 19(M)b

') B. B Aeligion als Sohöpfong (Leipzig 1902)l

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IksSaDosr: Soünilnioiiopol und Beligioiisiinteiriolit

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Zwin^ er aber die Menschen, acht bis zwölf empfäng^iiehe Jugend- jahre lang die Begriffe einzuprägen, so müssen die Gefühle, die man gern erweckt sähe, kommen, sie mögen wollen oder nicht (K. 4()). Nun liegt aber dem Staat viel daran, daß seine Bürger zur »Gut- p'>iuntheit« erzogen werden, daher ist ihm ein Unterricht der die Erreichung dieses Zieles zu verbürgen scheint, sehr willkommen, und er gibt ihm durch die Gewalt der Gesetze die Möglichkeit, sich aus- zuwirken (K. 51). Der Kreisschiüinspektor kommt dann in regel- mäßigen Absätzen, um das Wachsen der guten Gesinnung abzulKuen. Die Seele des Volkes liegt dann da, wie das Griff- und Pfiffwerk der Lokomotive, und sobald Königliches Ministerium Reskript (M'läßt, so werden die Schrauben angezogen oder gelöst und wir fahren mit Dampf in die sonnenhelle Zukunft reinster »Gutgesinntheit« (K. 55).

Die Rechnung meint Bonus sei hübsch, fast verschmitzt. Nur schade, daß sie falsch ist Alle starken Gefühle polarisieren nänilich in Lust und Unlust Derselbe »Vorstellungskomplcx«, der freiwillig und natürlich aufgerufen, die Seele in die lebhaftesten Schwingungen der Begeisterung versetzt, reagiert, zwangsweise herbei- gerufen, mit ebenso lebhaften entsprechend polarisierten Gefühlen des Abscbeos, des Widerwillens, des Gelangweiltseins (K. 40 u. 47). Und zwar wirkt die Polarisation desto stärker, je feiner der Zwang ver- stockt und eingewickelt ist Gerade dieses unaufhörliche innere Biegen, das in der neueren Pädagogik den geradeaus gehenden Zwang ersetzt macht die Seele müde imd überdrüssig (K. 5()). Aus dem fülen folgt der Schluß: Die deutsche Schule ist als Staatsschulo ZwangBanstalt, daher muß man in der Auswahl der Gegenstände, die man ihr zur Anzüchtung übergibt, mit diesem ihrem Charakter rechnen und dail ihr nicht Dinge anyertrauen, die wie die Religion unter dem Zwang nur verkOmmem können.^)

Es hat keinen Zweck, zu untersuchen, ob das Bild, das Bonds Tom Beligionsnntenieht entwirft^ heute noch den tatsächlichen Ter* hiltnissen durchweg entspricht Bin solober Beligionsuntenicht war das ist unbestreitbar noch Tor nicht gar zu langer Zeit der allgeniein herrschende, und er heiischt noch heute überall da, wo Katechismus und Olaubens- und Sittenlehre im Lehrplan die Haupt- rolle spielen. Darum ist es besser, die Beligionslelüer nehmen das

^) Noch härter als bei Bonus ist das Urteil über den Religionsunterricht bei Elle« Key. Sie beginnt in ihrem Buche »Da« .lalirhundort des Kindes« (7. Aufl. Berlin 1905) den Abschnitt über Religionsunterricht mit den Worten: »Das im jetzigen Augenblick demoraiisierendste Moment der Erziehung ist der christliche lUi|^oo8imtsniöht<

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Aufsätze

Laienzengius über den Erfolg ihres UntoiTichts emstlich zu Herzea und prüfen ihr Yerfahren gewissenhaft auf seine Berechtigung hin. Dabei wird es gut sein, wenn man nicht bei Bonus stehen bleibt, denn seine Kritik könnte leicht verbitternd wirken und so das Urteil trüben. Yiel besser ist es, man wendet sich an die Geschichte unsere« Unterrichtsfaches und sacht aus der Entwicklung, die der R< li^nni«- unterricht bisher genommen hat, die Richtung herauszufinden, in der der weitere Fortschritt voraussichtlich erfolgen muß.^) In einer solchen geschichtlichen Betrachtung liegt zugleich das beste Gegen- gewicht gegen den BoNusschen Radikalismus, der das Kind mit dem Bade ausschütten möchte.

Luäier war in seiner ersten Feiiode von allem Staatsswang ia Beligionssachen so fem wie nur irgend mO^ch. Das »Wort« aUein, die Macht der im Evangelium liegenden Wahrheit, sollte alles aus- richten. »Denn so heifit es in der Schrift ,Ton weltlicher Uber- keif über die Seele kann und will Gott niemand lassen regieren denn sich selbe alleine. Darumb, wo weltlich Gewalt sich Tenniaset der Seelen Gesetz au geben, do greift sie Gott in sein Regiment and yerfOhret und verderbet nur die Seelen. Das wollen wir so Uar machen, daß mans greifen solle, auf daß unser Junker, Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn sie die Leate mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, sonst oder so sn gruben.« Trotzdem hat derselbe Luther in der zweiten Periode seines Wirkens die Yisitationsordnung gebilligt und veriangt, daß der Katechismus emg^leut würde. Er war eben, wie man ans der Ein- leitung zum Kleinen Katechismus errieht, durch trübe Erfrimmgen zu der Einriebt gekommen, daß ohne aJle religiöse Erdehung der Jugend auch von religiöser Freiheit nicht die Rede sein kann, und daß religiös ungebildete Leute die äußerlich -rechtliche Freiheit, sich selbst auszuleben, wohl mißbrauchen, aber nun und nimmermehr sidi dadurch zu wahrer Freiheit entwickeln koinitn. Darum hielt er es für unverantwortlich, diese Bauerjungen und Bauermadciien ganz mit ihren »eigenen Gedanken und Phantasien, mit ihren eigenen Instinkten und mit ilirem eigenen Streben und Wollen aufwachsen und sich selbst eine Gesinnung erkämpfen« zu lassen. Vielmehr wollte er sie von den natürlichen niedeni Instinkten, kraft deren sie dahinlebten »wie das liebe Vieh und die unvernünftigen Säue«, frei machen, in- dem er ihnen Kenntnis und Verständnis des Evangeliums vermittelte.

*) Vergl. dazu des Verfassers Allgoineine Methodik des Religion suntenioht* (Langeiibalza, flexmaDn Beyer & Sohne (Beyer k üann]. 1903) S. 9—31.

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ItaBiMsow: Sohnlmonopol und Baügiomsantamobt 313

Wenn er dabei, weil ungebildete Mtem ilne Pflicht Toxatissiobtlich vers&amt hfttten, die staatlicfae HiUe in Ansprach nahm, wenn er 8ich in der Methode reigriff nnd vom Binpaoken fertiger Beikenntnisse einen Erfolg erwartete, so darf man ihm das weiter nicht zum Yor- wuif machen. Dafi er den Staat sn Hilfe rief, war eine geschidit- liche Notirendigkeit, nnd dafi er Ton der Eriöeangstheorie des Panlns alles Heil erwartete, war in seiner persönlichen Heilsei&hrung begründet An eine Hensohaffc des Staates Aber die Gewissen hat Luther nicht im Traome gedacht För ihn ist der Staat nnr der unter dem Worte Gottes stehende Diener, der dem Tolke die SegenskiSfte des E7angelimii8 Yennittelt^)

Im Laufe der Zeiten stellte sich aber herans, dafi das eingebleute Bekenntnis doch die MoÜTkxaft nicht besaß, die »den alten Adam tötet nnd machet uns ganz andere Menschen Yon Herzen, Mut, Sinn nnd allen Kräften«. Darum suchten die pietistischen Methodiker nach neuen Wegen, um die im Worte Gottes schlummernden KrSfte aus- zulösen und wirksam werden zu lassen. Wenn sie dabei auf die G^e- schiclite verfielen, so waren sie sicliei auf einem ganz richtigen Wege, denn nicht in ein für allemai fertigen Glaubensfonneln offenbart sich Gott, sondern durch »privilegierte Seelen« erzieht und entwickelt er die Menschen aufwärts. Der einzelne aber kann zu seiner indivi- duellen Vollendung und zur Ausgestaltung des Göttlichen, das in ihm schlummert^ nur kommen, wenn er die großen Führer, die Gott der Welt gesciienkt hat, lebenweckend auf sich wirken läßt.-) Freilich zur vollen Klarheit ist dieser Gedanke im Pietismus nocii nicht ge- k(»mmen, den Abei glauben, der in aufgezwungenen Bekenntnisfonneln und allgemeinen Lehrsätzen das Heil gefunden zu haben meinte, hat er nicht unschädlich machen kennen. Und so hat denn der Katechis- musunterricht seine verhängnisvolle Kolle weitergespielt, und die Ge- schichten sind von Aufklärern und Kunstkatecheten zu Illustrations- beispielen und Induktionsquellen verwandt worden und haben so die Frische des Lebens ebenso verloren wie die Pflanzen im Herbarium.

Die letzte Entwicklungsstufe des Religionsunterrichtes, auf der wir jetzt noch stehen, beginnt mit Pestalozzi und Schleiermacher, ihr jüngster Bußprediger ist A. Bonus. Keligion ist überhaupt nicht lehrbar! Mit diesem Satze scheint Schleiermaclier dem Beligions-

*) Jahrb. 28 des V. f. w. P. S, 62 ff.

*) »Jeder Meoscb, wenige Aoserwäblte ausgeDommen, bedarf eines leitenden und aofregepden AnfBhren, der seinen Sinn ffir BeUgion ans dem Sdüunmer fPMke nnd ihm seine eiste Kichtung gebe.c Schleiennaohsr (Elroliengesohiohtiiohes liSMbiioh von übbahdobt nnd MB.mB III, 57).

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Aufsätze

unterrichte ein für allemiil das Todesurteil ^^esprochen zu haben . und alles, was Boxrs in seinen Schriften vorbringt, ist eigentlich bloß eine ernste ^lahnung. dieses Wort des großen Theologen aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts besser zu beheraigen, als es bisher in <] -n Staatsschiilen geschehen ist. Wie notwendig diese Mahnung ist, zeigt ein Blick auf die Reügionslehrpläne unserer Gymnasien, Realschulen und Seminare. Sie nihen sämtlich auf dem verhängnisvollen Aber- glauben, der den Begriffen eine gewisse ZauberJa:!aft zuschreibt und nifMTit man könne religiöses Leben eixeugen oder wenigstens der Ent- stehung des religiösen Lebens einen wesentlichen Dienst tun, wenn man den Zöglingen ein System der Glaubens- und Sittenlehre bei- bringt Aber das Wesen der Religion besteht nicht in der Aneignung und dem Fürwahrhalten staatlich voigesohriebener Glaubenssätze. Daher sagt Bonus mit Recht: »Wer das, wms er in Religion lernt, für Religion hält, wird nie erloben, was Beligion ist«*)

Religion ist nicht eine Theorie sondern das fortgesetzte schöpfe» Tische Wirken Gottes in der Menschenseele und das Bewußtsein von diesem Wirken (B. 26, Bl, 47, 61). In jedem Hauptwendeponkt der BeligionsgesQhichte hat Gott die Menschheit gleidisam auf eine höhere Stufe der Schdpfong erhoben, er hat ihrem Geisteeleben neae Oigaiie und neue Erüfte gegeben. Darum heißt es auch im «weiten Korintfae^ biiele (5, 17): Ist jemand in Christo, so ist er eme neue Kreator. Diese Schöpfongsakte Tolhdehen sich sunSohst m einaelnen yon Oott erwihJten und besonders begnadigten Persönlichkeiten, und von da greifen sie tiber in alle, die steh liebend und glaubend von den neuen Lebenskiiften ergreifen lassen. Der Glaube ist eben nach dem be- kannten Worte Luthers ein göttliidi Werk an uns, das uns wanddt und neu gebiert und macht ganz andere Menschen aus uns nadi Herz, Mut und Sinn und allen Krüften.

Was folgt nun aus dem allen fOr die Brziehung zur Beligion? Ganz gewiß das Eine, daß Beligion nur da entstehen kann, wo die in religiösen Persönlichkeiten wirkende Schöpferkraft Gtottes lebeo^ weckend, werbend und gewinnend auf andere Indifidneii ftbeigieift- Darum sagt Schleiermacher mit Becht: »Nur durdi die natOriiehen Begungen des dgenen Lebens will der Fromme das Ahnliche anf- regen, und wo ihm das nicht gelingt, Tsradmiiht er Tomehm jeden

>) »Unzählige geben ridi der TKoschiing hin, daß die Ejnder durch den Reli- gionBunterrlcht erlebten, was sie im Katechismus lernten. Eigentlich sollte man eine solche Absurdität nur an den Pranger stellen, statt sie zu widoilei^eii.« (Job. Müller, Blatter zur Pflege persönlichen Lebens. V. S. 153.)

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ThhXmwrf: Schnlmonopol und Religionsunterricht

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fremden Beiz, jedes gewalttfttige Yei&hTen, beruhigt bei der Obeiv seogang, die Stande sei noch nicht da, wo sich hier etwas ihm Ver- schwistertes regen könnac^)

Wenn aber schon der Rronune, der doch Religion besitzt, es yot- sdimiht^ diese seine Religion andern anfiBnzwingen, wie viel mehr sollte der erst anf jeden Zwang vemchten, der Ton eigenem religiösem Leben gar nichts weiß! Hierans scheint sich nun ohne weiteres der ScblnB zu eigeben: Die Sdrale als Massenimtenichtsanstalt mit Staat fr- zwang mnß am dieses ihres Charakters willen anf Beligionsnntmicht Tsrzlchten. l^ehmen wir zunächst einmal an, der Schlafi sei richtig, nnd Tergegenwärtigen wir ans, welche praktischen Folgen sich ans einem solchen Verzicht ergeben würden.

Ängstliche (iemüter werden vielleicht fürchten, die Kirche könnte dadurch Schaden erleiden; aber das Beispiel Nordamerikas lehrt uns» (l;iß gerade das Gegenteil der Fall ist; denn nirgends blüht das kirch- hche Leben mehr als in diesem Lande, das in seinen Staatsschulen auf Zwangsreligionsunterricht verzichtet Ob aber auch das religiöse Leben durch die Isolierung des Religionsunterrichtes gewonnen hat, durfte fraglich sein, denn kirchliche Yielgeschiiftigkeit ist durchaus noch kein Zeichen gesunden religiösen Lebens, und bekehrungseifrige 8ektenleute sind nicht immer Persönlichkeiten, in denen Gottes Geist wirksam ist Auch darf man nicht wähnen, der Glaubenszwang und die Schablonenhaftigkeit sei in Freikirclien weniger zu Hause als in Staatskirchen. Im Geirenteil! Die Laienorthodoxie ist meistens noch unduldsainer als die der Theologen, und in den Schulen der Sekten wird den Kindern wenigstens genau soviel unverstandene alte Theo- logie beigebracht wie in den Staatsschulen. Also gebessert ist da- mit nichts.

Wollte man nun und auf diesem radikalen Standpunkte scheint Bonus zu stehen allen gemeinsamen Religionsuntemcht abschaffen und dem Elternhause und dem Zufall die religi<jse Er- ziehung überlassen, so würden die meisten Kinder ohne alle Be- rührung mit Religion bleiben, denn religiöse Persönlichkeiten von wahrhaft werbender, gewinnender Kraft sind ziemlich selten und wirken, wo sie sind, meist nur auf sehr kleine Kreise. Es fragt sich also nur, ob man es verantworten kann, die große Masse der Jugend unseres Volkes ohne alle Berührung mit Religion aufwachsen zu lassen und es Gott anheimzustellen, ob er Yielieicht einzelne durch besondere Führungen für sein Reich gewinnen will Luther hat, wie

0 dolieogeBdiiohtl. LMobooh. 2. Aufl., & 68,

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Aofsätse

wir bereits sahen, die Pflicht, etwas für die religiöse fiiidimg der heranwachsenden Generation zu tun, gefühlt und ihr nach bestea Kräften zu genügen gesucht Dafi der Staat, dem er das Erzieher- amt ülicrtriig, den rechten Weg zum Herzen der Jugend nicht fand, war weder seine noch der ausführenden Organe Schuld, sondern hatte seinen Grund in dem Mangel an pädagogischer Einsicht Aua demselben Gnmde wird auch in den vor Laien eingerichtetea Sonn- tagsschttlen Amerikas und den »Kindelgottesdiensten« unserer »Er- weckten« die Sache nicht wesentiich besser gemacht Die InstitatioiL ist eben nicht das Entscheidende, sondern der Geist, in dem sie ge- handhabt wird. Ob man also den BeUgionsnntemöht in den Staate- sohnlen beibehält oder ihn besonderen Yereinigimgeii übedäBt^ das ist für den Charakter des Unteirichtsbetriebes Ton untergeordneter Bedeutung. Auch im Bahmen der Staateschule kann eüie leligifise Persönlichkeit lebenweckend wirken, sobald man ihr nidit mmdtige^ dem Geiste des modernen Staates widersprechende Fessebi anlegt

Im Mittelalter war der Staat in allen religiGsen Angelegenheiten der Büttel der ffieraiohie, und da die einsige religiöee Tagend im blinden Gehorsam gegen die Kirche bestand, so hatte er die Auf- gabe, wenn Himmel und Hdlle nicht ausreichten, mit seinen Gewalt- mitteln dieeen Gehorsam su erzwingen. Der moderne, aus dem Gaste der Beformation geborene Staat hat in der Hieorie auf diese Bflttel- rolle yerzichtet, in der Praxis aber spielt er sie in der Schale ruhig weiter, indem er den Schulzwang dazu benutzt, die Kinder zum Ge- horsam gegenfiber den Lehrgesetzen der Qlerarc^ abzuiicfateD. 3fit diesem Beste kalliolischen Sauerteiges muß entschieden aufgeräumt werden, wenn dem Beligionsuntenichte der Öffentlichen Schulen die sittliche Berechtigung erhalten bleiben solL Der moderne Staat hat nidit die Pflicht, das Tolk in religiöser Beziehung auf einer früheren Stufe der Entwicklung festzuhalten; aber ebensowenig ist es seine Aufgabe, neuen Richtungen zum Siege zu verhelfen; vielmehr muÄ er seinen Untertanen die Freiheit der geistigen Entwicklung gewähr- leisten und die Jugend in stand setzen, sich selbst im Leben zu- rechtzuhelfen (K. 68).

Diese Freiheit der Entwicklung und dieses Instandsetzeii, sich

^) Es ist zn hoffen, dafi der Staat »die Idee des modernen Staates verwiit- liofat, der nicht mehr die FestBohinbiing des YoIfcM in ebe beatÜBmte wflnsohens- wert eiioheinende Kultur betreibt, wie es die Eiioh« für ihn Aviig*be hieU;

sondern . . . der für die einzige Todsünde, in die er verfallen kann, die Sünde wider das keitnt ndn I^ben Mit, die also, die er jetst systematieoh doroli seine 8ohale be- treibt« (K. ü3).

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ImuNDOur: SchnlmoDopol und Beligionsontemcht

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Mlbst zu helfen, iviid aber nicht schon dadurch gewährleistet, dafi man aieh aller gewaltsamen Eingriffe enthält, sondern dazu bedarf es auch positiver Veranstaltungen. Wenn das bloße Nichteingreifen an aich schon die wahre Freiheit verbürgte, dann müßten doch die Kinder, um die sich niemand kümmert nnd in deren Entwicklang niemand »Phantasie und Gedankenbewegong hemmend und umbiegende ein- greift, die freisten Menseben werden. Das ist bekanntlich nicht der Fall; darum tritt aach Bonus nicht fOr ein gSnslich unbeeinflußtes »Sudiaiisleben« ein, sendem er weiA offenbar sostimmend toh - Ettem IQ enShlen, die den Wunsch haben, »das, was sie in schweren Jahren, nachdem sie den Schott weggerftnmt hatten, sich enangen, mit aller der Zartheit und dem Ernste, von denen sie beseelt sind ihren Kindern . gegenflber, in deren Geist hinüber- saleitenc (E. 64). Wäre es nun so ganx ungereimt, anzunehmen, SS gibe Bltnn, die sich dieser Angabe nicht ganz gewachsen fflblten, und die daher geneigt wSren, die Hilfe der Schule anzunehmen und ihr enien Teil der Eräehung ansuverfanmen? Und sdlte es nicht Lehrer geben, die wiiUich bereit wiren, ihren Beruf in dieeem Sume aofiofassen lüs eine verstindnisvolle Erginzong der hftuslichen Er- Ziehung? Und wenn das beides der IUI wSie. könnte dann nicht der Staat dieser Geneigtheit auf der einen und dieser BereitwQli^eit anf der andern Seite entgegenkommen? Liegt es wirklich im Inter- ease des Staates, die Schule zu einer Dressieranstalt zu machen, in der »die uniforme Lehrmaschine ttber jede Generation von neuem hinwalzt und ihre Abweichungen zurechlpiftttet, so daß nichts Eigenes aufkommen kann«? Ich glaube, solche Eltern, solche Lehrer und ein soldier Staat sind recht wohl denkbar, und ich hoffe, dafi ans ihrem Zusammenwirken die Schule der Zukunft hervoigeht, die keimendes Leben nicht sertritt, sondern pflegt und entwickelt

Im Dienste dieser Schule der Zukunft steht schon heute die »moderne Pädagogik«. Von dieser hat Bonus freilich eine sehr schlechte Meimmg, er behauptet (K. 51): Sie läßt kein Plätzchen, kein Häkchen für eigene bedanken und Gefühle frei. Ihr ganzer Unterricht ver- läuft gerade in einem fortwährenden Zurückholen und Einstarapfen der freien Gedanken und Gefühle . . . Wo sie gewesen ist, da singt kern Vogel mehr, da wächst kein Gras mehr ... Alles ist bofxrifflich zerkaute (K. 57). Ob diese Beschreibung der modernen Pildai^ogik zutrifft. können nur die entscheiden, die unter ihren Einwirk unireu aufgewachsen sind, denn mit Hecht Bonus (K. 7): ^\Vai> die

Laienschaft nicht nur beiuteilLii kann, sondern sogar allein beurteilen kann, das ist, wie ihr diu zu ihrem Besten angestellten Bemühungen

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Au&atze

bekommen sind,« und (K. 18): »Wenn man uns zwölf Jahro lang malträtiert iiat, so sind wir die Sachvci"ständigon in der Fraire. '»H wir uns malträtiert fühlen.« Da aber Bonus meines Wissens nicht zu denen gehört, die während ihrer Schulzeit von Vertretern der modernen Pädagogik malträtiert worden sind, so dürfte er auch nicht Sachverständiger sem in der frage, ob sioh die Zöglinge moderner Pädagogen malträtiert fühlen.

Bei der Kritik der modernen Pädagogik wird (K. 45) eine Stelle meiner Allgemeinen Methodik des ReUgionsunteniGhtes^) wörtlich zitiert also darf ich mich wohl zu denen rechnen, über die Boxus (K. 71) sein Anathema ausspricht, weil sie das Qesinnimgsbilden nidit lassen können. Ks wird mir also nicht reraiigt werden können, wenn ich vom Rechte der Notwehr Gebrauch mache und neben das Zerr- bild, das BoNTs zu stände bringt, indem er Jesuitenpädagogik, Sokra- tik, Kimstkatechese und ähnüoheB mit modemer Pädagogik in einen Topf wirft, das wahre Bild setse.

Vor allem muß man Staatssohnle und StaatspSdagogik wohl ans- . einander halten. StaatsBchnlen sind Schulen, die vom Staate entweder ganz unterhalten oder wenigstens unterstützt und überwacht werden. Von einer Staatspädagogik würde man aber nur da reden können, wo den Schalen Geist und Methode aufgezwungen wird. Daß Staats- schule und Staatspidagogik nicht untrennbar zusammengehören, wird ohne weiteres klar, wenn man z. R das Gebiet der öffentliohen Ge- sundheitspflege zur Yergleiohung heranzi^t Auch hier hat es der Staat schon längst als seine Pflicht eockannt, fürsoigend einzugreifen; aber über das Wie? dieses Eingreifens entscheidet nicht der Stasts- mann als solcher, sondern hier wendet er sich an den Medizmer ab den Fachmann. Eine Staatsmedizui gibt es nicht, obwohl die Ana- bildung der Mediziner nur auf den vom Staate nntnbaltanen Uni- versitäten erfolgen kann. Wie mit der Medizin, so ist es anch den übrigen Wissenschaften. FOr alle sorgt der Staat, aber er hfUet sich wohl, ihnen den Gang ihrer Untersuchungen oder die Besoltite, za denen sie kommen müssen, vorzuschreiben.

Die moderne Pädagogik nimmt für sich dasselbe Becht in An- spruch, was der Staat den übrigen Wissenschaften anstandslos ge- währt; dafür ist sie auch bereit, mit dem Maße der Einsicht, das ibr im Laufe der Zeit zu teil geworden ist, zu dienen und sich den ihrer Hilfe Bedürftigen nützlich zu erweisen. Wie es aber dem

*) Allgemeino Methodik des Keligionsuntemohtes (Langensalza* Qeimanxi ß^ypr & SQhne [Beyer & Mann], 1903). S. Ö7.

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Thrakdort: Sohulmonopol und Beligionsunternoht

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FMienten, der die Hilfe des Antes in Anspruch nimmt» nicht ein- fillt, diesem Vorschriften sn maioihflii, welche Medizin er verordnen oder welches HeÜTef&hren er einznsdilageQ hat^ so sollten auch die Anftnggeber der Pfidagogen sich begnügen, die An4;aben und Ziele in beieiohneii ond die Wahl der Wege nnd des Yerfahrens der Wissenschaft nnd den Ikohleaten ttberiassen.

Wer sind aber die eigentlichen Anftraggeber der Schule, wer hat das moralische Becht, ihre Ziele leetsnaeteen? Nnn sicher der in SESter Linie, der am Gelingen des pidagogischen Experiments das grtAte Interesse hat Das ist unstreitig der ZO^^iag. Kann er auch ab ünmfindiger juristisch sein Becht noch nicht selbst geltend machen, sondern muß das seinen Yormttndem und Yertretem ttberiassen, so legt er doch moralisch seinen Endehem die schwerste Verantwortung aof (Matth. 18, 6). Jeder Lehrer, der nicht gana ohne sittliches Oe- fBU ist, weiß es aus eigener EifBhrang, daß er für sein Einseifen in den geistigen Werdeprozeß des Schttlers diesem moralisch yerant- wortlich ist Darum wird er jede Verkümmerung und Verbildung, die der Zögling nachweisbar durch die Schule und den üntendcht eifihrt, als sdne Sdiuld fohlen. Diese Schuld kann ebensowohl in Untedassungen, wie in Tei^ehrten Maßregeln bestehen. Wenn also auf irgend einem Gebiete dem jugendlichen Geist die Nahrung nicht geboten wird, deren er zu seinem rechten, gesunden Gedeihen bedarf, 80 ist das ebenso verwerflich, wie wenn man ihm falsche Nahrung rdcht Das bloß Gehenlassen befreit keineswegs von der Verantwort- lichkeit, vielmehr kann es unter Umständen zu einer ganz unver- aatwurtlichen Versündigung an der Seele des Zöglings werden. ^)

Das zweitgrößte Interesse am Kesultat der Erzielmng haben selbst- verständlich die Eltern. Sie dürfen von der Schule fordern, daß die- selbe als Ergänzimg der häuslichen Erziehung dem Zögling das bietet, was für sein geistliches Wohl notwendig ist und doch der Natur der Sache nach von den Eltern nicht geboten werden kann. Auf dem Boden des Gesinnungsuntemchtes würde das meines Erachtens be- sonders auf höheren Scliulen eine möglichst gründliche Einführung in die Geschichte des geistigen ijebens sein; denn nur aus der Ge-

') »Die Missions- und Erziehungsaufgabe der Kirche wird erschwert, wo . . . der oblii^jitorische Religionsunterricht in der Sta;itsschulü ah^^etaii wird. Es wird (iann wohl noch einzelne Bekehraogen ja entschiedene Erkluniugen zu Christus geben; aber wer mag veientworten, des Cadern vnaerer Froletaiier nnd OebOdelen 10 nuht mehr aUmlhUehee HineinmoliBen, anr noch Bmoh nnd Bekahrang von endemischem Heidentum offen za iMsen?« (BAUMOARZSir, Monatssohrift für die loxchliche Fnuüe, 1905. 8. 48.)

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Aufsätze

schichte ist die Gegenwart zu verstehen; darum muß jeder, der sich in dieser zurechtfinden und an der Lösung ihrer Au%abea beteiligen wül, mit jener vertraut sein.

Neben dem Zögling und dem Eltemhause haben Staat und Kirche an der Schule nur ein sehr beschränktes, einseitiges Interesse. Dem Staate ist es um einen Zuwachs an guten Bürgern, der Kirche um lebendige Glieder zu tun. Wollte man daher die Interessen des Staates oder der Kirche aUein für den Geist der Schule den Ausschlag geben lass^ so müßte notwendig das Geistesleben des Zöglings dabei verkünunem. Darum ist es richtiger, die Schule läfit sich vom Zögling und Tom Eltemhause die umfassendere Au%abe stellen und sieht dann zu, wie sie dabei auch den Anq^rüchen des Staates und der Kirche gerecht werden kann. Wenn man dabei be- denkt, daß Staat und Kirche doch nichts neben und außer den f amilien Bestehendes sind, sondern sich aus Familien zusammensetzen and eigentlich nur Institutionen sind, die zum Wohle der Familie ge- schaffen wurden, so kann der Ausgleich nicht allsuschwer sein. Staat und Kirche kdnnen ja, wenn sie ihrem eigenüicfaeii Zwecke nicht entgegenarbeiten wollen, nichts foidem, was mit dem wahren Wohl der Familie und des einzelnen imyereinbar ist

Wendet man das eben Baigelegte auf die Stellung des Beligions- ontemohteB in der Staatsschule an, so eigibt sich, dafi auch, wenn der Staat aus ZweckmftfiigkeitqgrOnden die Leitang und Yenraitang der Schule in die Hand nimm^ er doch daraas nidit das Bedit ab- leiten daE^ aosscfaließUcfa toq seinen Interessen aus Zweck und Auf- gabe der Schule zu bestimmen. Yielmehr bat er sich als Beauftragter der Eemilien und Yertreter der Beobte des Zöglings anmaehenf und mnfl daher seines Amtes so walten, daß die Interessen dieser beiden niebt gesobidigt weiden. Nun haben aber cbiisdicbe Familien sweilellos eis hohes Interesse daran, daß das religiöse Leben ihrer heranwaobsendfln Glieder durch den Schulunterricht gefördert wird, und noch mehr liegt es im Interesse des Zöglings, daft eme der wichtigsten SeHsn seines Geisteslebens nicht Tericfimmert Damm iU>eniimmt der Staat mit der Leitang des Schulwesens auch die Pflicht, fOr rechte Ffl^ der religiösen Entwicklung der ihm anrertrauten Jugend au sorgen.

Dieser Pflicht des Staates kann weder durch bureaukratiscbe^ noch durch hierarqhische Leitung des Beligionsuntemchtee genügt werden. In beiden Billen würde die Bücksicht auf die Haupti>eteiligten dem Trachten nach sohablonenmäßiger Gleichförmigkeit zum Opfur gebracht und der eigentliche Hauptzweck des Unterrichts verfehlt werden. Bo5us hat sicher nicht ganz unrecht, wenn er der Staatsschule in

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ihrer jettigen Gestalt Torwiif^ sie tOte das keimende Leben, and eine Methode^ die sich Lebhaftigkeit des Fohlens, Eneigie des Willens, Tlflfe des Empfindens und Sdifiife des Denkens zum Ziel sets^ alle bestimmte Tendenz aber vermeiden wollte, wfirde in ihr einfach ver- boten werden (E. 51). Der gleiche Vorwurf, den hier Bo5üs der finreankratie macht, könnte ancfa gegen die Hierarchie ertioben werden, die nnter Benutzung der Staatsgewalt in ihren Zwangskonfessions- sohulen allen Zöglingen dieselbe Art, religiös zu fahlen und zu denken, au&wingen möchte. Insoweit solche Yorwftife sich auf Tatsachen stfitsen, kann man ihnen nur zostimmen. Aber das Verfahren, das nach Bomis jetzt in den Staatsschulen herrscht, gehört doch nicht so «un Wesen der Staatssehule, dafi es da immer herrschen mtißte. Die üniveisitftten sind doch auch Staatsanstalten; aber es fiült den Staats- minnem nicht ein, das geistige Leben, das dort herrscht^ durch Oe- vattmittel zu töten. JLhnlidi könnte sich der Staat doch auch den Schulen gegenüber verhalten. Es wäre recht wohl denkbar, dafi den vom Staate beauftragten Leitern der Schale die Einsicht aufginge, dafi der Untenicht nicht zur Unterdrückung, sondern zur Weckung des geistigen Lebens da ist. Wenn diese Zeit gekommen sein wird

und sie wird sicher kommen , dann braucht man nicht mehr, wie es Boxrs jetzt tun zu müssen glaubt, im Interesse der Reli- gion Beseitigung des Religionsunterricii tes aus den Schulen zu fordern; sondern dann werden Elternhaus und Schule sich die Hand reichen, nm gemeinsam religiöses Leben zu wecken und zu pflegen. Dsm Eltenihaus wird seine Aufgabe lösen, indem es die Jugend ohne Zwang unter den Einfluß des religiösen Familienlebens stellt, und die Sehlde wird unterstützend mitwirken durch lebensvolle Vorführung der »Heroen« der Religionsgeschichte. ^) Diesen Weg hat die moderne Pädagogik und das verkennt leider Bonus vollständig

bereits beschritten. Sie will nicht Gesinnungen aufzwingen, son- dern sie will Interesse und das heißt docii wohl geistiges Leben

wecken. 2) Wo ihr das gelingt, wo sie also ihr Ziel erreicht, da müssen Vorwürfe, wie sie Bomis erhebt, verstummen. Wo es ihr

') »Der Unterricht muß ein strenf; historifscher sein, d. h. sich auf das be- schränken, was flurch die Geschichtswissenschaft jedem Forscher zupiinglich ist. Vüu AüttüiluDg einer Glaubenslehre irgend welcher Richtung anders aU m historisch bmchtender Weise faum ntoht die Rede sein« (Stimmen rar Beform des Beligioiis- nnteniditeB, Lingenaalza, Hermaim Beyer ft Söhne (Beyer ft Mann], 1904. S. 34).

*) Veigl. des Verfa-ssers Allg. Methodik des ReIi|^nonsuntorriditiB8 (Langensalza» Heimann Beyer & Söhne [Beyer & Mann], 1903). S. 41 ff.

ZetocUft nr fhiloMilii« und FUigocik. 12. Jahqwg. 21

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Aufsätze

aber nicht gelingt, da liegt es nicht am gaten Willen, sondern an der mangelnden Einsicht in die Bedingungen der Entstehung und Entwicklung geistigen Iiobens, darum sollte man die moderne Päda- gogik nicht durch ungerechte Vorwürfe in ihrem Streben hindern ond entmutigen, sondern durch verständige Mitarbeit unteistOtieiL Die staatlichen Leiter der Schule aber sollten bedenken, dafi der Staat nur dann ein moralisches Recht auf Beibehaltung des Beligioiis- nnteriohtes hat^ wenn er darauf verzichtet» fertige Systeme aa&n- zwingen, und wenn er statt dessen dem Beiigionslehrer den Auftiag gibt, für das religiöse Leben, wie es tatsächlich in den Yerschiedenaa EreiBen des Yolkes voriianden ist, bei der Jagend Inttnofloo n wecken.

Leitsätze für den biologischen Unterricht

Von

O. Pffannttiel, HUdburghaosen 1. Büdogi« md Bdbnlblldiuig im aUg^mtiim

Die Einführune: des biologisclion Uuterricht^s in die Schulen ist aus Rücksichten realer Sahir erfolgt. Es lag im Interesse des Staates, daß einerseits das Volk über die Gesetze des Lebeus und seiner Er- haltung bis zu einem prewissen Grade aufgeklärt, und daß es zu einem erfolgreichen Kampfe um das Dasein mit nützlichen Kenntnissen besser ausgerüstet werde.

Andrerseits hat die zunehmende industrielle Beschäftigung und die Konzentrierung der Menschen in Großstädten eine Entfremdimg von der Natur zur Folge gehabt, die der Lebenskraft eines Volkt.'S auf die Dauer gefährlich zu werden droht Dem gegenüber galt es, den Sinn für die Natur als einer unerschöpflichen Qaelie für die edlere Seite des Gemütslebens wieder zu wecken.

Endlich liefert die Natur die Vorbilder für die veredelte Be- tätigung des schaffenden Menschen. Die ei-folgreiche Aaswertung ibrer Kunstformen, Yor allem die freie Verfügung über die- selben setzt ein gewisses Interesse an den Trägem der Formen imd eine Kenntnis des inneren Baues als der Ursache derselben Tonns. Die großen Plastikcr und Maler des Altertums und der Renaissance haben beispielsweiee das Staditun der mensohliohen Aoft* tomie eifiig betiieben.

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Pfannsukl: Leitsätze für den biologischen UDterricht

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2. Biologie imd £!r2lalllingHl«l

Ziel der £i-ziehimg ist der zum sittlichen Handeln tüchtige Mensch. Die Sittlichkeit wurzelt in der Weltanschauung. Die A»<*''^ft""""g und Befolgung der ethischen Ideen genügt nur be- dingungsweise. Denn sie sind mehr oder weniger formaler Natur. Ihr Inhalt ist nicht absolut; er ist yielmehr durch die fortschreitende Vertiefung der Natoierkenntnis nnd der Entwicklung des soiialea Lebens der Wandlung unterworfen. Wahrhaft sittlich kann nar derjenige handeln, der mit seinen gran^sätalichen Ansichten nicht hinter der Zeit snrücksteht Em Wille, Ton rückstündigen Ideen geleitet, hat schon sehr oft großes Unheil angerichtet Beweise difOr liegen ans der Geschichte der Staaten und der religiösen Ge- meinschaften genügend aof der Hand.

Die sittlichen Prinzipien sind die obeisten aas dem gegen- seitigen Yeihfiltnis der Lebewesen abstrahierten Bemehongsvoistel- limgen (Begnffe). Sie sind somit der Ausdruck des jeweiligen Standes der Erkenntnis der Weltordnung. Fd^^ich ist die Lohre von den organisierten Lebewesen als den Erscheinungsformen des höchsten Weltgeschehens auf der Erde eine unentbehrlicfae Grund- lage der echten Sittlichkeit Das »Erkenne dich selbst« schließt die Iiikenntnis der Besiehungen zur ganzen Natur, insbesondere der lebendigen »beseelten« ein.

Neben dieser idealen Beziehung zum Erziehungszwedc steht noch eine andere, welche mehr realer Art ist Die erziehende Arbeit am Einzelwesen ist um so wertToUer, je mehr der Erfolg sich bewähren kann, d. h. je länger die Lebenszeit dea Zöglings dauert und je besser sein Körper sich zu tat- kräftigem Handeln eignet. Die hierüber möglichen Belehrungen zu geben, ist ebenfalls eine Aufgabe des biologischen Unterrichts.

y^'^}^>§fi9 und UiitoralohtMlal

Au^be des üntenichts ist es, die zur EiftUlung des Endehungs- zweckes nötigen psychischen Grundlagen zu schaffen, nämlich Kennt- nisse derart zu übennitteln, daß ehi lebendiges Interesse als Dauer» anstand der Faycfae aus ihnen henroigehe. Nach den Lehren der •Ugemeinfln Didaktik müssen die Yorstellungen zu diesem Zwecke im einzehien möglichst klar und in ftm Gesamtheit nach einem bestimmten Plane wohlasacziiert sein. Diesen Bedingungea hat der Mologisohe TTnteffricht zu entsprechen.

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AnfBÜse

Die daioh den biologiscfaen üiiteni<dit wo. yemuttehidea in- sofaaamigen sollen klar sem, d. h. der Wahrheit möglichst ent- sprechen. Diese Bedingong wd im allgemeinen nur dann exfüllt, wenn der Unterricht die Dinge der Natur im Sinne der wahren inneren Ih^eiheit ohne je^ches Yororteil ansdumen l&fit

Im besonderen gehört zum Eildiren die Aufspaltung des 2nr sammengesetaten bis zu seinen Elementen, seinem besonderen Abc der Anschauung. Die Elemente stellen das relatiy ein&chsie^ die AnfsDgsglieder von Reihen dar. Sie sind deshalb einer weiteren Erklärung solange nicht fittug, als nicht einfachere Glieder gelondeii werden, auf welche sie bezogen werden können. Die ein&chsten Lebewesen aber sind die freilebenden Zellen. Die Lehre von den- selben ist demnach die einfsche Besdirdbung der beobachteten Ttt- Sachen und die Herausbildung der elementaren Begriffe durch Vsf gleiche, z, B. die Begriffe Tier, Pflanze, Leben, Tod, Wachstnm, Yennehrung, Ernährung, Verdauung, Atmung, Bewegung, Ruhe, Fan-

Sohema der Sntwioklang des Wirbeltierauges.

sitismus usw. Bei den liühLien Organismen sind alle diese Begriffe verwickelter Natur und der Erklärung, d. h. der Beziehung auf das Einfache bedürftig. Ja die Beobachtung zeigt, daß der höhere Orga- nismus in allen seinen Teilen und Funktionen das Produkt einer umbildenden Entwicklung ist, die in jedem einzelnen Falle von dem lebendigen Elementanvesen, der Zelle, ihren Ausgang nimmt

Zur Erläuterung und zur Übcrleitunfr zum folirendon Punkte mögen zwei Beispiele aus rlcm (lebiet*» der Sinnesujirane ilieiien. Auge: Nachdem beim Embryo des Wirbeltieres am vorderen Ende des Rückennuirkrohres die drei Urgehirnblaschon hintereinander ent- standen sind, wachsen aus dem äuUersten Bläschen zwei Paar sekun-

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F^AKNBim: Leitsätze föi den biologischen Untenüdit

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Üie Ausstülpungen beiror. Das eine Paar entwickelt sich am vorderen Pole und wiid zum Großhirn. Das andere Paar dringt hinter dem ersten hervor und wächst schlauchförmig g^n die Ober- haut Unter dieser erweitem sich diese Ausstülpungen kugelig. Die Oberhaut antwortet ihrerseits mit je einer bläschenförmigen Gegen- einstülpung. Diese treibt die dem Gehirn entstammenden Bläschen ifickwfirts ein, so daß doppelbecher-ähn liehe Gebilde entstehen. Die zorückgestfUpte Schicht wird zur Netzhaut des Aoges, der zum Ge- hirn fahrende Schlauch mm Sehnerren, das Ton der Oberhaut her eingedriingene Bläschen nun linsenkdrper und die sich darüber wieder schließende Oberiiant sor dozchsichtigen Hornhaut Da das Bfickenmaik selbst der Oberhaut entstammt, so ist das Auge in allen seinen Hauptteüen ein Abkömmling derselben. Der Oberhaut ist aber ron Anbeginn ihrer Bntstehung an die Rolle des reizemp- finglichen Yermittlers swiscfaen der Innenwelt und Aufienwelt dea Tieiköipers sugeMen.

In andern Fällen finden sich di^ in der Entwicklung nur vor- übergehend auftretenden Zustände bei gewissen tiefer stehenden Oig»- nismen als dauernde Ausbildungsformen. Hierzu ein Beispiel aus dem Entwiddungsgange des Ohres: Die Gehörknöehelohen Hammer und Ambofi der Säugetiere sind bis zu einem gewissen EntwicUtmgs- Stadium des Embryos Teile des noch knorpeligen Unterkiefers. Dieser aber war vorher bei demselben Embryo ecSter Kiemenbogen. Dieser letztere Zustand ist der dauernde bei den Bundmftulem (z. B. Neun- auge), der erstere bei den Amphibien; ein Übergangszustand besteht bei den Fischen.

0. Ontogvni« und Ptiylog«iüe

Alle Teile des tierischen und pflanzlichei! Körpers höherer Ent- wicklung zeigen im Verlaufe ihrer Entstehung von einfachen Zellen aus ^eichsinnige Metamorphosen wie Auge und Gehörknöchel der Wirbeltiere bezw. Saugetiere. Solche Reihen von Umwandlungen möglichst lückenlos von ihren Anfangen bis zu einem liestirninten Endgliede darstellen, heißt, den kausalen Zusammenhang zeigen. Diese ilethode ist die vollkommenste Form des Natur- erklärens.

Beobachtung und Vergleich ergeben wie das Beispiel vom Obre deutlich zeigt zwei Reihen von Metamorphosen:

1. die ontogenetische, d. h. die Umwandlungen eines be- stimmten Lebewesens von der Eizelle bis zu seinem Dauerzustand (Zoologie u. Botanik);

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AnfUttM

2. die phylogenetische, d. h. die Entwicklung des gesamten Tier- und Pflanzenreiches, die zu den Klassen, Ordniing^ und Arten der Gegenwart geführt hat (Paläontologie).

Beide Reihen, die ontogenetische und die phylogenetische, sind ^eich bedeutungSToll für die Erid&ning eines Lebewesens oder dnes Oiganes desselben.

Ans alledem ergibt sich aber, dafi das gegenwärtige Welt- bild nur erklärt und yerstanden werden kann auf Grund seiner Sntstehungsgeschichte.

6. Die Biologie, ein Zweig der Kultargeschichte der Natur

Die physikalischen und chemischen Verhältnisse der Erde und deren Beeinflussung durch die Sonne sind die allein nachweisbaren Erzeuger und Gesetzgeber des Lebens auf der Erde. Beide sind in einem langsamen Erkaltungsprozeß he^niffen. der einei'seits die ge- samte Lebensenergie liefert, aiuirerseits die Existenzbedinf^ungen füi die Organismen beständig langsam verändert. Während iiifulge davon die Geschlechter mit mangelnder Anpassungsfähigkeit sowie du: der Entartung verfallenen ausstarben, entstanden aus den zur Variation neigenden Arten durch Veränderung einzelner Organe immer neue Formen. Unter diesen hatten nur die den veränderten Verhältnissen entsprechenden Bestand. Die Arten der Lebewesen erscheinen somit als das Produkt einer gesetzmäßig schaffenden Natur, und man kann in diesem Sinne von einer Kulturarbeit der Natur reden. Der Verlauf und die Gesetze derselben bilden die Kulturgeschichte der Natur. Die Biologie ist ein wesentlicher Zweig derselben.

7. Biologischer Unterricht und kulturhistoriBche Sttifen

Aus alledem geht, hervor, daß die klarsten und am meisten ver- tieften Anschauungen nur ein saldier biologischer Unterricht geben kann, der dem Schaffensgange der Natur folgt und die kausalen Be- ziehungen in historiscli -systematischer Reüionfolge darlegt Der Be- ' griff t Systematisch« bezieht sich hier auf das methodologische Prinzip, daß immer das vorhergehende Einfachere die apperzipierenden Vor- stellungen für das naclifolgende Verwickeitere liefere. Die Befolgung dieses Grundsatzes fillirt in letzter Linie auf die wesentlichen Züge dos natürlichen Systems der Lebewesen. Dies, ist ein Beweis für seine Richtigkeit; denn die Natur selbst schafft nach diesem Plane.

Für die Ordnung des Lehrplanes folgt daraus, daß das didaktische Grundgeset» von den kulturhistorischen Stufen auch für den biologischen Unterricht das einzige natur- gemäße ist und somit unumschränkte Geltung hat

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Ptankbuxl: Leitsätze für den biologifichea Unterricht

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8. KattarlitotoriMlM Btaftn und Zögling

Der TTnterricht hat aber nicht nur den Lehrstoff ziini Gegen- stand, sondern auch den Zögling. Dieser ist selbst der Entwicklung unterworfen, woraus für die Ordnung des Lehrplanes ein zweites Prinzip entspringt, nämlich das psychogenetische Grundgesetz: Der einzelne Mensch wiederholt im, Verlaufe seiner Ent- wicklung kurz die Hauptzüge der psychischen Bntwick- lang der Menschheit

Das psychische Leben des Einzelwesens hebt an mit dem Selb- ständigwerden der nervösen Zentralorgane, d. mit der leiblichen Lostrennnng von der Mutter. £s erhebt sich ans einer gSnzlioh ichiosen Zeit allmählich bis zum klaren Ichbewußtsein. Von hier aus schreitet es durch Kindheit und Jugendseit der y ollen Mündigkeit entgegen.

Dementsprechend sind die psychischen Yoigfinge zu Anfang sehr einfacher Art Die Beisempfib^chkeit der Sinnesorgane und die Beattionsflthigkeit der zentralen Gan^enzellen sind ftußerst gering, weil diese Gewebselemente noch unfertig sind. Nur sehr starke physikaUscbe oder chemische Beize TormOgen die Empfindungsschwelie Ba überschreiten.

Mit der zunehmenden anatomischen und physiologischen Aus- reifung beginnt ein der Beobachtung zugiingliches Torstellungsleben. Bs erscheinen zunächst zusammenhangslose Erinnerungsbilder, die Ton starken oder oft wiederiiolten Sinneseindrücken herrühren. Als Ursache der Assoziationen macht sich zuerst die Ähnlich- keit der Beize geltend.

Alhnählicfa Termag die Psyche auch auf sinnliche Eindrücke mitflerer Stttrke zu antworten, Üs schliefilich selbst schwache Beize die Empfind ungsschweUe überschreiten. Je mehr dieser Prozeß fort- schreitet, um so mehr ist die FSyche im stände, auch zusanmien- hängende Beihen aufEU&ssen und innerhalb derselben durch die er- kannten Einzelheiten den kausalen Znsammenhang herzustellen. Die zeitliche Assoziation, d. i das psychogenetische Grundprinzip der geschichtlidien Darstellung, ist somit die spätere.

Je mehr mit zunehmender körperlicher Reife das gesetzmäßige Spiel der Reproduktionen und Assoziationen ein von den sinnlichen Eindrücken unabhängiges psychisches Leben mit einer zentralen Ich- vorstellung entstehen läßt, um so mehr Zusammenhang kommt unter die psychischen Elemente. Komplexe und Reihen. Die geistige Beife bedeutet im formalen Sinne: die relativ vollendete asso-

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AnfB&tse

ziatiye Darohbildung der Psyche, welche nunmehr ein sentralisiertee einheitliches Ganze darstellt

FianJUtantwieklaiiff d«r bto]ogiBob«n Wlseanaqiutt

Parallel zu dieser kurz umrissenen Psychogenese des Indin- dumns ist der Entfaltong^gaog der Mologischen Wissenschaft tot- laufen.

Der ichlosen Zeit des IndiTiduums entspricht die Periode der absieht- und systemlosen Urbeobaohtang. Sie hat zwischen organisierten und nichtorganisierfcen Dingen keinea Unterschied gemacht, wie auch das kleine Kind seine Spielgeiile Hbr beseelt hält

Dem erwachenden Ichbewußtsein des Individuams ent- spricht die Periode der ersten bewußten Abgrenzung des biologischen Gebietes gegen die »tote« Natur. Dies hatte zur Folge eine einseitige, spezialisierte, systematische Beobachtong der Lebewesen, soweit dieselben sinnfällige Merkmaie an sich hatten. Das Ergebnis dieser Arbeit bestand im wesentlichen in der Zusammen- stellong dw fihnlichen Fonnen zu Gruppen, und der Gruppen nach ihrem Ähnlichkeitsgrade zu einem Systeme.

Der Periode der Vertiefung der rohen Vorstellungs- reihen durch die Beobachtung auch der feineren Merkmale und Vorgänge, die zur Erkennung kausaler Beziehungen und der schließlichen Zentralisation derselben führen, entspricht in der Biologie die Entdeckung der nicht aiigenf älli^^en, ja der Makroskopie verborgenen Dingo und Veränderungen. Dieser Teil der Forschung hat endlich zur Aufliellung der inneren Ver- wandtschaft der Lebewesen und zur Aufrichtung des historisch- kausalen Lehrgebäudes geführt. So ist der zälileuden und niesseuden Einzelbeobachtung eine zusammenhängende (beschichte der lebendigen Natur entsprungen.

10. IMe natflrliofaen Stufen des Mologisohen UnterriohteB

Der biologische Unterricht, auch wenn er sich nicht auf die ganze Entwicklungszeit des jugendlichen Menschen ersti'eckoü kann, muß diese parallelen Entwicklungsstufen der Psyche einerseits und der Wissenschaft andrerseits beachten. Sie bezeichnen den einzigen vorhandenen naturgemäßen Weg, der zum Verständnis der Einzel- ^ wesen und schließlich des Ganzen führt.

Die Zeit der unwillkürlichen und systemlosen Beobachtung und Sammlung der sinniäiligsten Eisckeinungen ohne Unteisdued iaU^

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TfA/mmL: Leitsätze für den biologischen Unterricht

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größtenteils in das vorschulpflichtige Alter. Sie findet ihren Abschluß in den ersten Schuljahren. Ohne den £influß des Unteirichtes würde weit länger dauern.

Alsdann folgt die Periode des ersten selbständigen biologischen Unterrichtes, die Parallelstufe des jugendlichen, noch unmündigen Ichbewußtseins. Die Beobachtung ist noch rein makroskopisch, aber sachlich sich vertiefend, so daß aus den Ähnlicbkeits- und Zeitasso- oationen die Hauptzüge des natürlichen Systems und die Prinzipien der örtlichen Lebensgemeinschaften gewonnen werden.

Die Oberstufe ist berufen, auch die jenseits der ein&chen sinn- lichen Wahmehmbaikeit liegenden Dinge und Erscheinungen mit in den Kreis der Beobachtung £u ziehen, namentlich mit Hilfe des Hikroskopes. Auf diese Weise werden störende Lücken in den. makroskopiscb gewonnenen Gruppen und Reihen der YorsteUungen ausgefüllt Die Hauptzüge des kausalen Zusammenhanges werden deutlich. Der große Oedanke von der Einheit des organischen Lebens auf der Erde leuchtet hervor. Nur insofern diese Lehrstufe, d. L die der Einführung in das Verständnis des Naturganzen in Betracht kommen kann, ist der Lehrgang auf genetischer Grund- lage am Platze. Ja, er ist alsdann, wie oben (§g 4 7) gezeigt, der einzige pädagogisch mögliche, indem er, dem Wege der Natur folgend, auf die kürzeste und sicherste Weise zum Ziele führt 1) Oofaloß folgt)

') Yeigl Basxuh ScBMmr, »Ein Beitiag mi Bebandliiiig der wirbeUoBOD Tiere,« in ÜDterriohteUltter fttr Math. u. Natorw. 1901. 0. Pfannstirl, »Der InoL Lehr- plan auf genet. Grundlage,« in Natar iL Schule, III, 253 ff. J. RrsKA, »Die Wirbeltiere,« Stattirart. Vorl. von Nä^rMe. A. \.\sr,, »Zum Programm des zool. and anthropol. rntfriii hts an den oberen Mittelschulen, Vortrag auf der Züricher Schulsyaode 19ü3. Tknkhoff, »Zum zool. Unterricht,« Ö5. Jahresber. d. K. 0. Pieodorianmn ni Paderborn 1880.

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1. Sache nnd Angelegenheit

Ein Überblick über die logikalischon Probleme. Von Dr. Ernst Friedrick za

Stolp in Pommern.

Schon die Vergleichung sinnverwandter Wörter in Büchern der Syno- symik weist manchmal auf den Unterschied zwischen Sache (chrema) und Angelegenlieit (metema) hin. Da ^rerden bisweOfln reiDsaoMiche imd aoge- legentliohe BeoenniiDgeii aaseiiiaDder gehalten. Entere deuten auf allee hin, was Dasein hat, besondere ab ein Staok imLaofeder Welt besteht oder geschieht; letztere dagegen deuten auf einen Gegenstand der Sorge hin, wolchor obon die Seelen lebendiger Wesen, auch den lieben Gott be- schäftigt. ; Nötig und überflüssig« z. B. sind reinsaehliche Benennungen (hajilüchrematibche Vokabeln), »erforderlich und entbelirlich* aber antre- legentliche Bcneouuugen (melematische Vokabeln) derselben Gegeusati- glieder. »HOglioh und notwendige sind reinsachliche Beiwörter, aber >^enk- bar, tunlicfa nnd unausweichlich, unvenneidlichc angelogentlicihe Behrttrler. Ebenso unteraoheiden sich: widitig und beMohtlich, grofiartig und be- wundernswert, erklecklich und ansehnlich, genOgend und befriedigend, miß- raten und erbärmlich, Zweck und Absicht, Betreff und Hinsicht, geschehen und sieh ereignen, Begegnis und Vorfall, Eigenheit und Merkmal, Tatsache und Wahrheit, Gesetz und Grundsatz, machen und handeln, dasein und vorliandeu sein, allerlei und allerhand, jeder einzige und jeder beliebige, ebendasselbe nnd das nämliche, verschieden uud unterscheidbar, zufäUig und von ungefähr, Unwesen und Leidwesen, »Gelbflhiend« unfOgUoh und statthafte sind haplochrematisohe VokabeUi, aber »befohlen, wboten und erlaubt« melematische Vokabeln. tOedeihlich und verderbliche sbd rein- sachliche Benennuogen, aber »erquüdEsod und Ubel tutichtendc angelegent- liche Benennungen.

Logiker oder Vernuuftlehrer nun tun wohl daran, die Vernunft der Sache, die denkende Vernunft und den Gemeingeist aller Gelehrten zu unterscheiden. Denn die ontologische Tendenz der realen Logik, die

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1. Sache und Angelegeuhttit

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p^yoliologiBche Tendenz der formalen Logik und die methodologische Ten- denz der induktiven Logik gehen auseinander. Offenbar Bind Sach- verminft. Denken und Kundigkeit Untersuchungs- Vorlagen, welche zwar ziisaramenhängeD, jedoch ihres abweichenden Irjlialtes wegen auch einer abgesonderten Fassung und Erforschung Ixjchirfen. So stellen sich denn Sachvernunftwissenscbaft, Donkungstheorie und Xundigkeitslehre als 3 diBpante Beginnen in der Geesmtwiaeensohaft dar. loh habe sie so be- feiohnet in meinem Werk: »Beitrige zur Forderung der Logik, NoOtik und Wisseaschaftslehre«, Leipzig 1864. Der Doktrintitel »Noötikc fQr die Theorie des Denkens war längst bekannt; ich schlug dort noch Utar die Wissenschaft von der Sachvernunft den Doktrintitel »Taonomik« vor, d. h. "Wissenschaft vom Gesetztuni des Laufes der Welt, weil chinesische Philosophen den Weltkuf Tao = Großweg nennen, und für die Lehre von der Knndigkeit den Doktrintitel »Idmik«, weil das griechische Hauptwort idme Kenntnis, Kunde bedeutet Hier will ich, kurz gesagt, taonomische, noetiBche und idmiscdie Probleme sondern, jedooh dabei nur die Namen der HanptBtfloke angeben, was wohl zum Oberblick Ober die Vorlagen ge« ndg^on wird.

Die ontologischen Kategori* en Prädikamente oder Aussagepunkte sind leineachliche Benennungen und bedeuten nicht Eigenm?lchte , sondern Wesenheiten, welche weder dem Xaturgebiet, noch dem Geistgebiet ange- hören uud doch beiden zugleich innewohnen, immanente Entitäton. Die allmählich anschwellende Reihe solcher Wesenheiten von der einfachsten bis lEur mwickeltsten zu entdecken und darzustellen, ist Aufgabe der Taonoroik oder Sachvemunftwissensobaft (sdentia de ratione guebus remm). Die KatBgorieen der realen Logik sind riso der KOrperwelt und der Per- sonen weit gemdnaam und keinem der beiden Oelnete eigentümlich; darum habe ich sie kom mnn-neutrale Prädikamcnte genannt. Ihre sillmählich anschwellende Reihe beginnt mit der Beschaffenheit (Qualität) \md endet mit dem All (Universum). An die Beschaffenheit reihen sich zunliclist Großheit (Quantität) und Maß (Moduius), fernerhin Wesensgrund, Erschei- nung und Wirklichkeit, sodann Behuf, Werkzeug und Erzielung, hierauf Ding, YeriiUtnis und Vorgang, auch Btwas, Stattfinden und Stelle, end- lich Erzanfuig (Bealprinzip), Verfolg (Konteztsequel) und AU. Damit habe ich aber Uofi gleichsam die Spitzen gestreift; denn eine Menge ontologischer Kategorieen, zu denen auch die im Eingang erwähnten gehören, umgibt die soeben horvorgehobenen Entitäten. Näheres findet man darüber in meinem oben angeführten Werk, S. 280 bis 405. Dem chinesischen Hauj>twort Tao entspricht der deutsche Ausdiuck: Lauf der Welt, der lateinische: cursus rerura, der französische: le cours des choses oder auch: le rapport entre tous les objets = das Einvernehmea unter allen Qegenst&nden und der neben wMiche Ausdruck im Englischen: of coursee=wie es der WeK Lauf mit sieh bringt, oder auch: wie es das Einvernehmen im groBen Weltgetüromel mit sich bringt, der Rapport im megakosmiselien Homados. Das ist die Vernunft der Sache, die unpersOnliobe Vernunft, la raison impersonnelle.

Dagegen sind die psychologischen und die methodologischen Kate-

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MitteiloDgen

gorieen angelegentliche Benennungen, weil sie in der Gemütskunde (Aniini- prudeaz) und in der Kundigkeitslehre (doctrina gnahtatis) ihre Heimat haben, mithin 'Wesenheiten des Geistgebietes oder der Personenwelt be- deuteD.

VaB nnn die Nofitik oder Theorie dee Deokeas (theoria oogitandi) be- trifft, BO ist sie unstreitig ein Teil der Psychologie und zwar dci-jenige, welcher den betrachtenden Geist als Verstand, Bedacht und Zaaamt- bot rächt darzustellen hat. Intellekt, Konsideranii und Spekulation sind Funktionen des kontemplativen Nous. Was diese Verrichtungeu zu stanäe bringen, das sind: Begriffe, Urteile, Schlußfolgerungen u n d Über- denkungen; soll fehlerhaftes Denken vermieden werden, dann müSv-eü alle 4 Gebilde den Gronds&tzen des richtigen Denkens Rechnung trageo. Die Eategorieen der formalen Logik lauten daher: Denkgesetz (noma oogitandi), Begriff (notio), ürteü (jndidnniX Schloßfolgening (illatio vd inferentia) und Oberdenken (synkephalaeoeiasssccnicapitulatio). Unter einen »Überdenken« verstehen wir eine Zusammenfassung der Hauptpunkte von Gedankengruppen. Mithin umfaßt dio Xor-tik außer Eif>rtening der Funk- tionen des kontemplativen Nous 5 Kapitel, nämlich: OithouoStik, Eunoßtik, Dianoi'tik, Syllogiötik und Synkephaläotik.

Das richtige Denken eines sich selbst überlassenen Gemütes schQtit aber nicht vor Irrtum, Tänschung und Wahn; die denkende Vernunft eine* Menschen (ratio oogitana) ist nicht unfehlbar. Wenn er sich dagegen ym Gemeingeist aller Gelehrten, wddien ich kurzweg Kundigkeh nenne^ teilen läßt, dann wird er die Walirheit nicht so leicht verfehlen. Denn der wahrheitsheflisseno Gemeingeist versteht sich auf die Kunst des Wis- sens und beaclitot die Geschichte der Wissenschaften. Die Kunditrkeit ist eine «"ffentliche Angelegenheit (melema publicum), wie Sittlichkeit, l^o- habigkeit, Sinnigkeit und Frömmigkeit. Hier kommt es darauf au, die Idee des Wahren zu realisieren; dort kommt es darauf an, die Ide^ des Guten, der Glflcksioherung, des SchOnen und der Heiligung zu realisieren, ffier haben wir es nur mit einer von den 5 Humamtita-Ideen zu toi. Methodologie nun heißt die Lehre von den Veiiahrungsweisen zur Selbst- überzengung und Nächsten Qberzeugimg, in weldien IfethodMi eben die Kirnst des Wissens Itosteht. Um die Selbst uberzeugimg zu gewinnen, ra(l.«seD wir uns vergewissern, enttäuschen und foi-schen ; um die Näehstenüberzeugung fertig zu bekommen, müssen wir beweisknlftige Grundsätze aufstellen^ unsere Mitmenschen tiberführen und Lehrgebäu liefern. Dies sind die methodologisdien Eategorieen; aber die induktive Logik d. h. die sor Kundigkeit anleitende Yemunftlehre geht noch wter, mdem sie aoUieft» lieh mit allen Wissenschaften und mit deren Qesdiichte obenhin Tettraot macht. Denn in der Idmik oder Kundigkeitslehre (doctrina gnaritatis) handelt es sich überhaupt um Erwerbung und Mitteilung der Kenntnisse, folglich nicht bloß um Wißkunst, sondern auch um Wissen- schaften, welche ja doch eben Schätze von Kenntnissen als Gemeingnt der Mensdiheit enthalten. Die Idmik umfaßt daher 3 Disziplinen, nämlich: 1. Aletliiologie oder Wahrheitslehre mit den Kategorieen: Gewißheit, Irrtum und Foraohung. 2. Apodeiktik oder BeireiafUiningaiehie mit den Eete-

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2. Ein Kapitel xur Enieiiaiig auf den höheien Sotmlen

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fwieen: Gnindsatz, Überführung und Lehrgebäu. 3. Epistemik oder "Wissenschaftskunde d. h. Encyklopädie und Historiographie der Lehrfächer, beides zur allgemeineQ wissenschaftlichen Bildung. Konversations-Lexika, was sind sie anderes, als Lehrbücher der Epistemik iu alphabetischer Beihenfolge? Wir werden der Wahrheit habhaft, wenn wir aus 3 Erkenntni»- qaeDen schöpfen; sie hdfien: Erleben, Erdenken und Erlernen; ge- wOhnlieh nennt man sie: Empirie, Spefailation nnd Tndiüon d. h. EMah- nmg, Hatterwits und Überlieferung. Jeder tüchtige Forscher erstrebt g^nseitige Bewährung zwischen den Ausflüssen aller 3 Erkenntnisquellen; Tomehmlich muß das Ergebnis der Schlußfolgerung dusch das Ergebnis der Beobachtung bestätigt werden nach der Versregel:

Erfahrung und Ziisamtbetracht. Wo beide eins, da Wissensmacht Das richtige Denlran eines sidi selbst Uberiassenen Gemtttes kann leidit die Wahrhdt Terfshlen; daher mnfi sich jeder Denker Gewißheit darüber TSischalfen, ob seine Urteile mit der Erfahrung übereinstimmen. Ist sein Ansatz falsch, dann wird sooh das Eigebnis seiner scharfsinnigstsn Anareofanoog ein falsches sein.

2. Ein Kapitel zur Erziehnng auf den höheren Scholen

Von Oberlehrer Dr. Willibald Kiatt, StegUtz-Bedin

Im aUgemeinen soll die Schule kein Kampfplatz sein. Den Tages- fragen entrückt, soll sie die gesicherten Elemente der Hauptwissenschaften der Jupend übermitteln, und oft wird sie ihr mit Bewußtsein manches ▼orenthalten, was die »neuesten Forschungen« bringen, eben weil sie auf der Vergangenheit, auf dem Historischen im weitesten Sinne des Wortes fußt Aber die erweiterte Teilnahme unseres Volkes au deu Welthäudeln, die IndostriaHsierang DeatsohlandSf die Forladiritte der Natorwissenachalten und die Notwendigkeit ihrer Kenntnis fOr nniSblige Bemfsarten haben BchoD längst daffir gesorgt, daB die hShere Schule immer mehr den An- forderungen der Gegenwart gerecht zu werden suchen muA» nnd ihr Lehr- plan ist heute übervollgepfropft mit allen möglichen Dingen, die die alte Lateinschule nicht gekannt hat. Und wenn auch der Kampf um den ^^'ert der verschiedenen Schulgattungen durch Einfühnmg der Gleichberechtigung an Schärfe verloren und die Zahl der Mitkämj>fer aus der Laienwelt wesentlich abgenommen hat, so ergibt sich doch die Notwendigkeit neuer Kämpfe soboo ans der blofien Tatsache, dafi das Gebiet des Wissenswerten sich liglieh enreitert nnd msn immer wieder yerlangsn wird, die höhere Schale solle ihren ZOglingen einen Grad von »allgemeiner« Bildung ins Leben mitgeben, die ihnen den Eintritt in jedes Fachstudium ermöglicht, map auch fQr die Gelt>lirton das Ideal der allgemeinen Bildung längst ein unem-eichltarcs Phantom gewoixlen sein. Trotzdem also der Lehrplan der höheren Schule schon längst einem vollgepfropften Sacke ploiclit, m fordert nian doch mit Kecht von verschiedenen Seiten, daß in ihm noch irgeud-

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Mittailungen

wie die Forderung einiger Belehningen üljor Hygiene eingefüg-t -werden soll; auch ist das ein Gebiet, auf dem die Sehlde einmal in der ange- nehmen Lage wäre, einen Sameo za streuen, der unmittelbar greifbare Frflohte bei alleD tragen konnte, die ihn gutwillig aofbihmeD, ganz gleich, ob es im Hbrigen begabte oder unbegabte Sohfller ivtien. Frälieh bliebe dabei Tonauasittetzen, daß die »verboi^enen Miterzieherc , d. h. die un- kcmtroUierbaren , aofierhalb der Schule auf die Jugend einwirkendem Ein» flflsse nicht bereits eine unheilvolle Macht über sie gewonnen haben.

Aber gerade die Wahrscheinlichkeit, daß bei allen Schülern mehr oder minder stark solche verborgenen Miterzieher am Werke sind, erschwert hier die Aufgabe gewaltig, macht sie allerdings auch besonders reizvolL Wie schwer und zugleich wie dankbar sie ist, kann man sich am besten an der Alkoholfrage Uannachen, die wistieitig ein hoehemstea Stflck der sonalen IVage ist, an deren LOsnng doch gende die ans der bfiherai Schule hervorgehenden Männer hoffeoüioh einst die tflchtigaten, fracht- barsten Kräfte liefern sollen.

Wie soll sich nun aber die höhere Schule zur Alkoholfrage stellen? Was kann sie tun, um Keime zu legen, die den kommenden Geschlechtem mehr und mehr zur Befreiung von der furchtbaren Sklaverei des Alkohols verhelfen sollen?

Hit ein paar Standen Hygiene im NatudnmdennteRioht isf s aieher nioht getan, wenn aaoh die Darstellnngen der gesunden Organe (Leber,

Herz, Niere) neben den durch AlkoholmiBbrauch entarteten, sowie einige besonders erschreckende statistische Angaben gewiß ihre Torfibezgehende Wirkung nicht verfehlen würden. Auch der Religionsunterricht wird nicht immer die passende Gelegenheit bieten; wollte man sie an den Haaren herbeiziehen, so wäre die Gefahr des »Salbadems« nicht ganz leicht zu vermeiden, und mancher Schiller würde nur einen neuen Beweis zu haben g^ben, daß der Religionslebrer eben »alles« für Sünde erklärt, auch das, was der Vater und tausend andere, sonst ganz >gute€ Menschen duoh ihr Beispiel als baimloa erweissiL Lnrneihm gibt die Beligionstande snoh ungezwungen manchen Anlaß, die Älkohcdsfinde nnd ihre mensdienDnwtlrdigeB Folgen zu betrachten.

Fruchtbar für unseren Zweck könnte auch der Geschichtslehrer wirken, wenn er, selbstverständlich ohne in tisum delphini die Geschichte zu fälschen, an einzelnen Persönlichkeiten und ganzen Ständen, z. B. im kaiserlichen Rom, oder an den durch Alkoholismus vernichteten N^Uur* Tfllknn die mheerende Macht des Alkohols su zeigen wflßte. Bei weitem vielseitiger denke ich mir die Möglichkeit, das dentaohe Lesebnoli anf den verschiedenen Ekssenstofen diesem Oedankeii dienstbar in maohen. Diesen verbreitetsten I^esebücher enthaltoi so viele Dinge, für die das Interesse mühsam erkämpft wonlen muß, warum sollte nicht auch hier und da ein packendes Ivesestück eingefügt werden können, das ohne aufdringlichem Moralisieren in einer der Altersstufe entsprechenden Form, d. h. unteu in Gestalt einer einfachen Erzählung (etwa in Roseggers Art), weiter oben in mehr wiBsenschaftlichem Cbwande die Folgen des Alkoholmißbrauchei fOr Leib wid Seele^ Vamilienglück, Staatawohl recht eindringlich darzusteUeo

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2. Eia Kapitel zur Erziehung auf den boheien Sdnihni

335

vtUHie. Ein geBöhiokter Leluer bnmdite Mi gewlA «och nidit sn sdieiieD» im YeilsBfe der BespreohoDg etwa too Uhlands »Glflck tod Edenhallc oder von Heines »Belsazar« ein kraftig-ernstes Wort über jenes I^aster anzubringen, ja, er würde hier auch im Sinne der Dichter handeln, da doch in beiden Fällen erst die Trunkenheit den Frevlem die Zunge löst und den Mut zur I^sterung gibt. Selbstverständlich das kann nicht genug betont -werden müssen die Schüler immer den Eindruck liaben, daß es dem Lehrer Ernst mit seinen Bemerkungen ist; wer sich also nicht zu- tnnt, hier den richtigen Ton za treffen, der sollte es lieber ganz lassen.

Und das fOhrt midi auf einen zweiten Punkt, der sehr wiolitig ffir die ganze Angelegenheit ist, die Persönlichkeit des Lehrern. ist gsviB nicht wünschenswert, daß man die Lehrer offiziell kontrolliert wie sie persönlich in Theorie \md Praxis zur Alkoholfrage stehen. Es ist auch gar nicht einmal nötig, daß ein Lehrer sich selbst durch Wort und Tat den Schülern als ein Muster absoluter Enthaltiiamkeit hinstelle und sie zur Nachahmung auffordere. Aber das ist selbvstvei-ständhch zu verlangen, daß Theorie und Praxis sich nicht allzu stark widersprechen; denn wenn am ibsnd nadi dem Xsiserdiner oder gar auf SchidausflCIgiMi hier nnd da Schfllsr ihre Lehrer Tertranlieh-geringsohltzig grOAen oder siöh Ober Enrs- Bchwankungen derer, die ihnen Führer sein WoUen, begründete Bemerkungen erlauben dtürlen, dann ist noch nicht alle.<^ ganz, wie es sein soll.

"Wenn nun aber, wie gesagt, den Lehi-cm zwar nicht völlige Entlialt- Bamkeit um des guten Beispiels willen, aber doch Vorbildlichkeit im Maß- halten zugemutet werden darf, so wii-d immer noch die Frage zu lösen sein, was die Schule tun soll, wenn ihr bei einzelneu Schülern eine ge- wisse Freundschaft zum Alkohol bekannt ist Ganz machtlos sind wir Bstfirlieh, wo wir sehen, wie Eltem ihre halbwfichsigen Kinder bis in die tiefe Nadit in heifieD, dami^igen Kneipen neben sidi sttnn nnd ein Olas nach dem andern trinken lassen, selbst wenn wir die Schlaffheit und Zer- streutheit am nächsten Tage mit aller Bestimmtheit auf diese Torheiten zurückführen können; und wenn Schüler gewöhnt sind, auf Spaziergängen und zu Hause täglich mit ihren Eltern Bier zu trinken, so rauben wir ihnen einen großen Teil des Vergnügens, wenn wir es ihnen auf Schul- tosflügen yerbieteo, natürlich weniger durch die Eutziehung des (Genusses als duoh das Yeibot selbBt Ter bieten wiid hier flberhaapt daa soUecfateste IGttsl smn Erfolge sein, wenn AnfUBmng, freondliofae Wamnng nnd gutes Beispiel keinen Segen stiften. Bis an einem gewissen Grade mflssen wir also den Verhältnissen Reohnnng tragen, um so mehr, als ja bis jetzt nur ganz vereinzelt einmal zu einem geringen Preise alkoholfreie Getränke zu haben sind und wir auf Schulausflügen immer wieder von den Schülern die Klage hören müssen, es sei keine Milch mehr zu haben, und die Fruchtwässer seien zu teuer. Cbrigens braucht ja auch gar nicht immer die Keigung zum Alkohol schuld zu sein, wenn ein paar Sohttler sidL biim Biere rasammeofinden, sondern yieiieioht nach gemeinsamem Spaziergang nur Dunt und Hftdi^eit, oder ein&oh das Bedürfois nach Oeseiligkeit. Und da die Schüler unserer Oberklassen &st alle so alt fiind wie riete Ungst der Schule entronnene junge Leute ihrer Bekannt^

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336 Mitteilungen

Schaft, so mu£ es ihDen unendlich hart erscheinen, daß sie sich in der Öffentlichkeit noch nicht als Erwachsene bewegen dürfen. Freilich, eine scharfe Grenzlinie wird die Schule immer ziehen müssen, denn außer harmlosen Wirtshäusern gibt es noch Orte, die sich gerade bei den jungea Hemn der »Lebeweltc grote Beliebtheit etbenea tmd toq denen irir imaere Schüler unter allen Umstanden fernzuhalten wünachen mtaeo. Ab&t sie ist auch sehr leicht zu ziehen : Geht mir an Orte, wo es an- stSndig heigeht, und wo ihr euch vor den Augen euer Mtam und Lehnr m<^t SU RohSmen braucht!

Ganz anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn Schüler sich heimlich zu Verbindungen nach studentischem Muster zusammentun, denn diese haben, soweit die Erfahrung reicht, immer nur dem Zwecke gedient, ödeste Kommeotreiterei und Wettrinkerei ku pflegen; in Berlin und anderen grofien üniversiUttBalfldteD kommt gelegeafUofa anch noch der Tecsnch hin- sn, mit Mütaen mnd BRndem nicht bloA im Sjieiplokal, aoodern nneh anf der StraBe mid sonstwo vor ünkondigen za paradieren. Auch Über studentisches Verbindungswesen denkt man heute glücklicherweiae schon viel küUer uud ablehnender als früher, und zum Idealbild des deutschen Studenten des 20. Jahrhunderts gehört zwar hoffentlich noch lange frisches, flottes Wesen, aber die ganze Bierseligkeit mit ihrem Stumpfsinn und ihrem merkwürdig äußerlichen, unter der Wirkung des Alkohols beeondeis reizbaren EhigefOhl wird sich wohl bald flberiebt haben. Und non sollten wir mit ansehen, wie unsere SdhfUer, die vir am liebsten auch in ihrer künftigen Studienzeit vor diesen BierduseldeB bewahren möchten, 1 2 mal wöchentlich nach solchen Kneipabenden schon am frühen Morgen apathisch und schlaftrunken erscheinen, sollten die Pflege dieses törichtsten aller Ideale, des Bierstudentenideals, nicht nach Kräften unterbinden, sollten die Mitglieder solcher Verbindimgen nicht energisch zur Ordnung rufen dürfen? Wieviel alberne Äußerungen gegen die rück- ständigen Freiheitstöter, die Schulphilister usw. hat ein solches Vorkommna noch jüngst in der Presse hervoigerofenl Der Humor der Qeaohichts war freilich der, daß die Mehrzahl der EUem ihre Beetflrzung und EntiMug über die Teilnahme ihrer Söhne an der Verbindtmg und ihren warmoa Dank für die humane Beurteilung dieser Kinderei ausgesprochen haben. Wo bliebe auch das so oft erstrebte Zusammengehen von Schule und Haus, wenn das Haus es hier an Verständnis fehlen ließe? Dabei also sollte es bloiben: Vereinigungen, die nur dem Bacchus dienen, kann die Schule nicht dulden. Dagegen mag sie gestatten, daß einzelne, bestiiumi namhaft ge- nuusbts^ anständige Lokale von Sohfllem der Oberldasssn bis zu einer gs- wissen Stunde besucht werden. Im flbrigen aber weiden wir darauf nuiea müssen, die künftigen Studenten auf jede mögliche Weise Aber die Schid- lichkeit des Alkohols zu belehren. Dies kann gelegentlich auch praktifldi geschehen, z. B. da, wo längere Schülerfahrten in den Ferien unter Leitung von Lehrern üblich sind. Schweizer Studenten haben vor einiger Zeit einmal auf einer Watiderfahrt die Wirkung de.s Alkohols experimentell verfolgt: ein Teil lebte abstinent, der andere trank, und am nöoiisten Tage wurde abgewechselt, während die MarschleiatungeD , Herztätigkeit nsw.

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3. «Die neue Sohnle«

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genau registriert wurden. In yereinfechter Form würde diese Methode auch den Sohulern einleuchten, wenn man sie einmal kneif)on ließe, ein ander- mal ihnen die Gelegenheit zum Biertrinken den ganzen Tag über durch Vermeidung der »Quellen*^ entzöge und dieses Ex]>eriment mehrfach ikiederholte. Vielleicht würden sie von selbst heraueünden, was ihnen au einem Tage milde Beine gegeben nnd ikt Inteiene fOr die Lmdscliaft aligeetampft hat, irfthreod sie am niofaaten Tage »moht toCsoknegenc waren, ünd ymaa auch die begleitBnden Lehrer mit gutem Beiapele Voran- giogen und ihren jungen Wandergenosaen aeigteo, daS ea rar Erzeugong von Stimmung und Gemütlichkeit durchaus nicht eines größeren Quantums Alkohol bedarf und daß nicht Bruder Straubinger, ja auch nicht einmal Viktor V. Scheffel die höchsten Muster des deutschen Wanderers sind, so dürfte auch hiervon mehr zu erwarten sein als von einem strengen Para- graphen in der Schulordnung.

lütt alao mit dem gedanhanloeen Hinnehmen der beetehenden Znatlnde imd Inacbaonngmi, fort mit der TeriMrriidiang der deotaefaen Trinkfeetig- kot! Biehten wir Elternabende mit freier Aussprache ein, und erörtern wir gemeinsam diesen und andere Punkte der Hygiene des Schülerlebens! Vermehren wir die Zahl der Turnfahrten und der Ausflüge zu natur- wissenschaftlichen, geographischen oder ästhetischen Zwecken! Begünstigen ■»ir, wo die Nei^run^ dazu besteht, die Bildung von Zusammenkünften der Schüler (in Schuii-äumeu), damit sie sich gegenseitig kleine wissenschaft- Me^ mmdkaliache eder deUamatoiiaohe Vertilge halten oder mit TerteUteo Böllen Sceoen ana guten Lost- nnd Tranerquelen einübenl Dann inrd vieUeioht daa heianwaehaeode Qeaohleoht mit anderen, geefinderen Idealen in die Studentenzeit hineintreten, als es heute notSi vielfach der Fall ia^ ohne daß dabei Jogendlust und fiOhliohkeit im geringaten Einbuße ra leiden hrsuchen.

3. »Die neue Schule <

Bb Beitrag zur Geschichte der neuesten l'uturrichts- und Erziehungsmethoden in

Fi'atikreich

Von P. Thiry-Vemeuil

Die Anagestaltung des Schulwesens in Frankreich, im Gegensatz zu den modernen Fordenmgen: »Fortschritt und Ausbildung des Individuums«, die in England und Amerika bereits so glänzende Erfolge zu verzeichnen haben, ist größtenteils noch heutzutage eine sehr veraltete und rückständige. Was bei näherer Betrachtung unseres Unterrichts- und ISnrf^iuigssystema am meinten anfBÜlt^ was geradezu befremdet, ist der geringe, dem körper- lichen, geistigen und aittlichen EntwieUnngegange dea Kindee ragewieaene ^ AntdL

Sehen vor einigen Jahren gab sich in Fraukrcicli eine Widorstands- b»e\vcgung gegen dieses alte Verfahren kund, und in fachmännischen Kreisen war iiiciit seiteu die Äußenuig zu vernehmen: * Warum könnten wir uns die englischen Erziehungs-, Untenicht.s- und Fortbildungsmcthoden nicht

ZflitKhriit (Or FhUoaophio aad Pldi^(ogil[. 12. Jahrgang.

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MitteiloDgen

aneignen, insofern sie xinserm nationalen Charakter, nnsern angeborenen Freiheits- und Selbständigkeitsgefühlen nicht widersprechen? Wanim wären wir nicht im Staude, uns jene wohleriin)bten Systeme anzueignen, die. ohne den intellektuellen Entwicklungsprozeß des Kindes, des Knabeu und des Jünglings zu beontiftchtigen, demselben eine allgemeine physische, intellektueUe und moraliaohe Bildung anzueignen vermOgeo, die ihn, eben* BQgut wie unter andern HimmelaBtrichen geeolneht, cum allein riohtigeB Endziel der jugendlichen Tätigkeit, d. h. zum Kampf uma Daaein vor- bereiten (qui le fasse bien armö ponr la vie)?

Geleitet von dieser Gnmdidee, die heutzutage in Frankreich zur all- gemeinen Losung geworden, und die noch folgendennaßen formuliert werden kann : »laisser une i^art plus grande a l'initiativc de l enfant et le preparer k la vie«, hat ein in pädagogischeu Ki'eisen vielbekannter und um die Sache der Einbflrgerung der modemsteo engliaohen Ernehungsmethoden ia VnxiSmick hocfavndienter Denker und Söhriftateller, Herr Edmond Demo- Ii ds, vor etwa sechs Jahren ein Buch^) verÜEJt, daa ykü Aufsehen e^ regte, das einem früher etachienenen Werke*) gezollte Lob noch übertraf, ja dem Verfasser einen geradezu riesigen Erfolg einbrachte. Ungeachtet des heftigen Widerspruches, den er bei den Anhängern der alten Unterriclits- und Erzieliungsmethodo, der sogenannten »metlKxle universitaire«, faul, führte Herr Demolius mit unerschütterlichem Eifer und ungemeiner Be- hairiiofakeit aeinen Kampf gegen das morsche, schablonenhafte Yocfdina weiter, und vor einigen Jahren (im Oktober 1899) gelang ea ihm endüdi, unteratfitst yon einer gr&fieien Anzahl von EunilienTilem, die Saofae Toa der theoretischen Seite in eine praktische und realiatiache umzugestalten, durch Gründung einer unweit von Paris, dem Brennpunkte des geistigen Lebens in Frankreich gelegenen Schule, die den Namen »Eoole üouTdlec oder >Ecolo des Koches« erhielt

Es mag nun vielleicht auch für deutsche Leserkreise von einigon Literesse sein, diese Schulorganisation näher kennen zu lernen; darom mochten wir in kunen ümriaaen jenea hOohat xntereaaante SMahoagB- experiment^ duroh Schilderung «inea dem adhSiien Sehulheime »lea Botkm abgeatatteten Beauchee, dem gaoeigten Leaer genaner Uadegen.^

In der Nähe von Vemeuil, einem in der Normandie gelegenen Städt- chen, vnmle die Schule errichtet Die Absicht bei der Wahl dieser Gegend war eine zwiefache: ea aoilte ein Landerziehungsbeim gegründet

Rdmond Demolins, L'Ednoation Nouveile. L'Eoole des Bochm. Pkrii»

Firmin-Didot.

') Edmond Demolins, >A quoi tient la supöhohte des Anglo-SaxöOä?c Paria, Hmün-Didot

^ Im Laub des Jahna haft Herr Bt Leroux, in einer lllr Kinder be-

stimmten volkstümlichen Zeitaohrift »le Jomnal de la Jeonesse«, eme f^ibe Skizzen über die »Ecole des Rochesc erscheinen, unter dem Titel: »Une visite ä TEcole des Soohesc. Diesen Aofs&tzen verdanken wir den größten Teil dee Stoffes zu onseier Arbeit

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3. «Die neue Sohulec

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werden, das ziemlkdi weit von Paris (etwa 2^/^ Stunden) gelegen sei, um den Nachteilen vorzubeugen, welche die Nähe einer Großstadt mit sich bringt, und umgekehrt eine Stätte gewählt werden, die den Eltern, hin- sichtlich der Besuche ihrer Kinder, schoelle und leichte Verkehrsmittel er- möglichen könnte. Die Landschaft ist reizend und naturfrisch und bietet ia ihrem Charakter ein abwechselndes Bild beider Regionen »Beauce und KormaDdie«: Getreideföhler mit WleBeo, swd Fiafiohea, kvn und Iton; hier üppige FiehtenwOlder, dort lange Aplelbttiimereihen: aUee dies verleiht der Landschaft ein eigenartiges, malerisches Gepräge. In jener weiten^ Tom Seewind gefegten, und dadurch in hygienischer Hinsicht höchst ge- sunden Ebene, 3 km weit vom StAdtoheo, erstreckt sich das ca. 50 ha> zählende Gut >les Koches«.

Was dem Reisenden am meisten auffällt, bei flüchtiger Besichtigimg dieses Gutes, ist die vollständige Abwesenheit jedweder UmsAunung. Die Hecken, welche die lange und breite Nationalstiaße Ton »Paris nach Gran- TÜle« abgrensen, bUden keineBwegs eine fortwlhrende, nnimtsrbioobene Ein- friedigung: kein Eintaittstor, kein Portal, kein Gehege zeigt dem Ein- tretenden, daß er in ein den ZOglingen (den sogenannten »gar^ons«, nach dem Englischen »boys«) reserviertes Eigentum eindringt Hier nämlich^ ganz wie in England, herrscht überall das Regiment der unumschränkten Freiheit, ohne jegliche Schranke, außer derjenigen der Verantwortlichkeit, die der Schüler gegenOer dem Lehrer und gegenüber seinem Gewissen f füllen solL An Wochentagen ist die Straße leer; keiner der 150 Knaben^ die odi mitten in der nahen Ebene hemmtammeln, wagt sich auf diesen. Weg; an Sonn- und Festtagen hingegen, bietet das muntere Hin- und Her- fahren der Jangen im Tomehmen, praktischen Radfahrerkostflm (der Schul- uniform) ein ganz eigentümliches Bild dar; einige gehen zu Fuß, die meisten fahren mit dem Rad (kaum eine Schule in Frankreich zählt so viele Faiuräder!), um in dem nalieliegenden Yerneuil ihre Eltern abzu- holen oder irgendwelche Einkäufe zu besorgen; sämtliche Knaben haben ein sehr korrektes Äußere, grüßen freundlich im Vorbeigehen oder -fahren^ und alles dies gesddefat ohne iigendwslehe merkenswerte Au&ioht eines Lehrers.

Bsohts, am Beginne eines Weges, der zwischen einer Hedkenreihe'

dahinführt, tritt man in das eigentliche Gut »lee Roches« ; der grOAte Teil der Schul baulichkeiten läßt sich bald mit einem Blicke übersehen. An einem Abhänge des Plateaus erhebt sich ein räumiges Gebäude mit zwei TOrmchen in orientalischem Stil: es ist das sogenannte »bätiment des classes« (the coUege), der Mittelpunkt des geistigen Lebens der Schule,, der Ort des Zusammenlebens der Schüler, die sich hier alle einfinden, um gemeinsnhsfüicih mit ihren Lehrern m arbeiten, lu singen oder sn beiea (dem im Gebinde ist eine kleine KapeUe angebracht mäen). Bingsfaerum, in eii^ Entfernung von ungefähr 100 m bezw. 1 km befinden sich die verschiedenen Häuser (les maisoDs): links, mitten im Park des alten Schlosses »les Roches«, das Haus >le Yallon«; rechts »le Cotean« und *les Sablons« ; hinter letzteren > les Pins«, ein am Rand eines Fichtenhaines liegender eleganter Pavillon; weiter nördlich, längs der Bahnlinie »Paris-

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lüttaifautgeii

OianviUe«, mitten in einem Wäldchen geborgOD, »la Guichadidre«, ein Lind- gat des Gründers und Oberleiters der Schule, H. E. Demo lins.

Jede dieser l&ndlichen Baulichkeiten bildet sozusagen ein selbständiges Ganzes, einen vollständigen Organismus mit eigener Einrichtung und Ver- waltung, Trotz seiner Abhängigkeit vom allgemeinen »reglement de l'öcole«, besitzt ein jedes von diesen Häusern «eine Eigentümlichkeiten, seine Traditioueu, seioen Korpsgeist. Der Vergleich mit unsem alten Intemata- IwbMn, die ilixe ZOgiinge (alumni) ins I^yoeom sohjohen, wSre, mdiwr ^IVeii, hier wohl nioht nitreffend, denn hier za Hmue ist das Peoaonit an einem angenehmen Heime geworden, wo die Knaben eelten die Zthl 35 oder 30 überschreiten (was zur Folge hat, daA der >m)gesunden< Za* sammenpferchung der Kinder und Knaben, wie es die fiegel ist, mit Er- lolg vorgebeugt wird).

In jedem dieser »Häuser« hat der Direktor oder Leiter die Rolle eines selbständigen Verwalters inne, mit Hilfe seiner Gattin. Seine Pflicht besteht nämlich darin, angesichts der ihm von den Eltern anvertraiitea Kinder die Stelle eines Seelsorgers und Pflegevaters zu versehen. Zwar ist diese Aufgabe eine schwere, verantwortungsvolle, und fordert, seiteoB des Ebepeaies, eine unanfhOiliohe Anfopferong; denn sa jeder Stmide mflseen »ohef und maitresse de maison« den »gar<7X)nsc zur VezfOgm^ stehen; aber auch grofie Befriedigung kann die iBtigkeit des Leiters und seuier Frau gewähren : man bedenke dabei nur der ausgeübten wohltuenden Einflüsse, der erzielten Fortscliritte und guten Wirkungen auf Körper, Geist und Seele des Knaben! Die Aufgabe, fürwahr, ist eine anziehende, eine für jeden der sich diesem Beruf gewachsen fühlt, fesselnde; die Arbdt, unter solchen Umständen, ist ein ideales Werk förmlicher Entaagnng, bei weldier der Bireiklor Öfters, den »boysc za Inebei snf sein msterisDei Wohl, md die ihm nsheBegenden Eunilienfisudeo veniohten soll und ver» nohten mußl

In jedem Haus, wo zwei bis diei sogeosmite »professeurs assistantsc dem Leiter zur Seite und Verfügung stehen, wohnen, wie bereits angedeutet,

25 bis 30 Schüler, die ohne iVlters-, Standes- und Bekenntnisunterschied ein friedliches Zusammenleben fülircn. Die ältesten und besten, seit mehreren Jahren geprüften und von den verschiedenen iiausleitern er- wählten Schüler spielen im Hause die Rolle und bekleiden die Würde eines »capitaine« (Näheres darüber weiter unten).

In geseiliger, froher, trauter Gemeinschaft mit des Hausleiters Famihe, leben 8(Mler ond Lehrer mmter, efCeii vsA frei dm Momto huog xa- sammen. Die Mshlxeitsn werden an swei oder drei Tafeln (den sogenannten

englischen, deutschen und fraasOeisohen Tafeln) eingenommen. Als Schlaf- säle dienen helle, luftige Bäume, die selten mil mehr als 10 besw. 12

Schülern belegt sind. Die Aufsicht über Schlaf- sowie Studierzimmer liegt dem »capitaine« ob, im Gegensatz zu der Einrichtung in den »lyceos« und »collt-gcs«, wo noch immer die öfters mit Becht verschrieenen und be- rüchtigten »pions«^ das üegimeut führen.

Da nmi die Einfflhmng der Capitains-Charge eine ganz spezielle, neoe,

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3. »Di« neue Sohule«

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in Frankraich nooh nie clagewenoiio ist, bo irlien Tielleicilit einige nlhefe

Bemerkungen vonnOten.

Die Einrichtung ist eine englische, den berühmten »College wie Eton. Betlales und Abbotsholme entnommene; sie beruht auf folgendem, in Anwendung gebrachten Prinzip. Einige ausgewählte, auf ihren physischen, inteUektuelleii Eigenadurften und sittlichem Wandel l&ogst streng geprOfte SohlUer, die beraitB mf ihn Söhnlkamenden einen gewiaeen momliadieii BnflnA amsQflben Tennfigm, kon und gut, kemgeminde, stzebaune und diarakterfeete Schüler sind ohne jeden Zweifel im stände, vermOge eines eigenartigen »stillen« Konti-akts, eine Art Suggestion, eine Macht auszuüben^ die ihnen ermöglicht, im Falle der Abwesenheit oder Krankheit des Leiters oder Professors dessen Stelle zu vertreten. Ihr Wirkimgskreis kann ein vielseitiger sein, und sich, für die ältesten (die »capitaines genßraux«) nicht nur auf die innere Hausverwaltung, sondern auch auf die ganze Schul- oiguuaition eratredken. Sei ee wihrend der^reettmea«, der Sportsübungeo, dei Aasflüge, sei es im SpoBe-, Stadier- oder Sehleftwel: fiberall kann ein »tttflhtigei« Capitame mit Erfolg wirken.

Zwar stoßt man, bei nur fiachtigem Etnblidi in diese Eiorichtong, auf etwas Seltsames, Befremdendes. »Alles das, sagen die Gegner der Methode, widerspricht gänzlich der alten, herkömmlichen, mütterlichen französischen Erziehungsweise, »anscheinlich« auch den bereits angedeuteten demokratischen, freiheitlichen, gleichheitsdurchdrungenen Prinzipien, die bei 1108 seit so langen Jahien die aonalen VerhSltnisee behenschea« Zwar bedingt die Idee, imd am so mehr der Titel eines »capitainsc eine Überiegen- hflit, eine YonugssteUe Iflr denjenigen, irelcfaer derkl Amt nnd Wltode bekleidet: Der Titel räumt dem Tßtularen eine gewisse aristokratische- Stellung ein, die derjenigen eines gewöhnlichen Schulknabon nicht gleicht, nicht entspricht Die Frage ist aber, unserer Ansicht nach, folgende: Soll es ein Nachteil sein, daß die geistig- und sittlichül>orl« g. nt ii Knaben ihren Schulfreunden mit liat und Tat beistehen, ihnen behilflich seien, falls jene den guten Weg veilassen, und auf Irrwege gehen, oder den richtigen Weg einsasohlagen lOgem? Die Antwort wird gewiß eine Tsneinende sein. Übrigens, »in fMto«, nach fOnQBhrigen El^ierimenteD- ist man in der Schule »las Roches« zu fdgendem Resultat gekommen r Des Capitains Eingreifen in eines Schfilers Handeln ist von allen Zöglingen grundsätzlich gebilligt worden (und doch sind ungefähr 80 '^/q derselben Franzosen!), ja, man darf sogar behaupten, daß eine vom Capitaine getroffene Maßregel (guter Rat, Rüge, selbst Strafe usw.) in der R^el ohne jede Einwendung (geschweige denn Dag^nsträuben) angenommen wird; aus eigener persOnficiier dreijähriger Erhhrong darf Verbsaer dieser Zeilen behaupten, daB der gemaAiegelta ZOgling daa Ein- greifen eines Alteren Kamemden in sein Oebahren besser duldet, eich weniger sträubt, wie wenn letzteres von selten eines Lehrers käme. AfK^ wurde beol>achtet daß die Knaben don Capitaine sehr gern um Rat fragen, und umgekehrt daß jene sich gerne um das materielle, geistige imd sitt- liche Wohl des Mitschülers kümmern. Auch darf die dem Capitaine auf- erl^te Rolle nicht mit der eines gewöhnlichen Aufsehers (surveillant) Ter-

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Ifitteilungea

wechselt werden; die Auffassung ist eine davon ganz verschiedene, viel idealere. Der Capitaiue ist vor allem ein Ratgeber, ein Führer; falls er «inschreiten muß, so geschieht das nicht durch großes Schelten und Toben, soDdern durch ein paar rahige Worte, durch eine gesetste und zagleiG]i kameradüdie AnftnuDterang zur Arbdt oder zur Besaemiig: dank der Altersgleichheit, der Ebenbflrtigkeit, der Lebensgemeinscliaft wird ihm dieee Aufgabe leicht gom.K lit, dank auch des fortwährenden Kontaktes mit Letler lind Lehrer. Falls clor Schüler schlecht goliandelt, so ist es dem Capitaine nicht schwer, ihm einen Verweis zu gcl>cn, der nicht soviel Demütigende mit sich bringt, als seitens eines Direktors oder Professors. Vielmelu-, die O^^enwart des Capitaines im Hause ist für beide letztere ein sicherer Stutzpunkt, denn, falls jener bevorzugte Schüler eine offene Natur beaitit, falls er MmUtiig^ spricht und handelt, kaiz, Irils er das Herz am riohtlgen Fledk hat, so ist es ihm asAa leicht, ohne sich den Anaohffl'n eines Auf- sehers au geben, den Direktor oder Frofessor zu unterstfltaen, vermitteb Andeutungen, Bemerkimgen, zuweilen sogar Vorschläge.

Wns wird aber geschehen, wenn der Capitaine selbst sich ir^sn'l eines leichten oder schweren Vergehens schuldig gemacht (was natürlicli bei 14 18 jährigen Knaben auch manchmal vorkommen kann). In diesem Falle stehen dem >chef de maison« zwei Maßregeln zur YerfOgung: Kas- sierung, im Falle eines sohwerea Vergehens; Suspensierang anf beliebige Daner, im Falle eines leichten Vergehens. Ofteis beugt der Capitaine «elbst der Strafe vor, indem er die Schuld anerkennt und sein Amt in die Hände des Direktors niederlegt, oder sioh bereitwillig irgendwelche •Strafe unterwirft.

Vielleicht hätte diese Abschweifung das Thema zu einem eiger.oa Aufsatze liefern kennen, so wichtig ist die Frage. Für diesmal sei nur angedeutet, daß >la question des capitaines« auf das weitere Gedeihen d^ Schule, auf die noch zu erzielenden Erfolge dar »6duoation nourellec m stark bereits wirkt und wdter nooh wirken wird, daft die »UmTersitt« dies Verfahren mit regem Interesse verfolgt (die Schule steht, wie alle »Ötablisst monts libres« unter staatlicher Au&icht); übrigens sind in vier oder fünf Anstalten dergleichen Experimente fortgeführt worden seitens ehemaliger Leiter oder Professoren der Schule und weisen selbe gute £r- lolge auf.^)

*

Prtlfen wir nun die eigeuartige (rcsamtschulorganisation in Hinsicht auf ihre materielle Einrichtung, nehmen wir z. B. eines der wichtigsten »Hftnserc (mit ca. 4 Lehrern und 30 SchtUem) als Typus, so merken wir

*) Die Schale des Boches« hat den äUersssten AnatoB zu ihnliohea AnaHllBa gegeben, und nohon sind, im Laufe der f&nf leisten Jahre 4 solohe Tjadewiehaag»'

heimo gegründet worden: ao z. B. das »College de Normandie«, tmweit Konen; »1 Ecxjle de rile-de-Franoe«, im Departement Oise; »l'Ecole du Sud-Este, im Departe- ment Rhone; »rR^ole de l'Esterel«, nahe bei Cannes;. Alle erfreuen sich eines blühenden Gedeihens, und sind meistens von ehemaligen ächulkraftea der >£oo1a des Boohaat geleitet oder nntenüttst

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3. »Die neue Schule«

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folgendes: Gleich beim Eintritt in das nach dem Englischen »hall« be- zeichnete Vorzimmer, unrd mau durch die überall herrschende Bequem- lichkeit, durch das -comfortable« angeiiohm überrascht. Das Mittagessen ist zu Ende, und durch die großen Glastüren betrachten wir ein Speise- zimmer» das uns mit seinen hoben, hellen Fenstern, in ein »milieu« ver- setzt, das an das engUaohe »home« erinnert Anf allen Tischen stehen BlameoTasen; die Tischdecken sind sehneeweiA: Geschirr, Bestecke, alles gibt den Eindruck eines tadellosen Hauswesens. Die Schüler strOmen aus der »Salle a manger« (den in >lyc^s« und »ooU^s« üblichen Ausdruck »r^fectoire« kennt liier niemand) lärmend heraus. Zum Stil]s(;hweip:en im Sp>eisesaal ist niemand gezwungen; auch ist die herkömmliche klötiterliche Einrichtung der »lecture au n'feetoiref entschieden abgeschafft worden. Die Kinder tummeln sich im »hall« herum in buntem Durcheinander mit lehiem, Lehfarinnen und Haosleiterin; eine jede der letzteren sfädt die Bolle einer Matter nnd sorgt unter dem Regiment der »maitreese de maison« fOr das materielle Wohl der ZOgünge (sie besorgt die WAsche, fdhrt Anfaioht Uber Schlaf-, Speise-, Ankleide- und Badozimmer u. d. m.). Es sei bei dieser Gelegenheit noch bemerkt, daß in allen »Hausem« englisch- und deiitschsprochondo Ivchrknlfte vorhanden sind, und daß die meisten Unter- haltungen englisch o^ier deutsch geführt weiden.

Aus dem Speisezimmer treten wir in das Empfangszimmer des »chef de maison«, wo alles praktisch und einfach möbliert ist, dann in den »Salles d*6t]ide«, wo etwa 25 Schiller (die Capitaines wohnen in nahe- liegenden, eleganten, von ihnen selbst mOUierten nnd tapezierten Zimmern) an hölzernen Palten sitzen; es wird unter der ausschließlichen Aufsicht des Capitaines gearbeitet; nur selten mischt sich der Lehrer in die Arbeit des Schülers ein; falls letzterer einer näheren Erklärung über einen wich- tif^en Tunkt seiner Arbeit bedarf, so steht ihm der lychrer in .«leinem Ziramer zur Verfüguntr; tjowuhnlich werden die Lelirer in die vorschie- deaea Häuser derart einlogiert, daß jeder Schüler in allen i'öchern prompt© und meliefe Auskunft eihaäen kann; ein sehr gutes Uttel, das Zeitersparnis snr Folge hat Im erstsn Stockwerk befinden sich 2 oder S Schlaf- ihnmer, geiftumig, hell und luftig, mit Warmwasserheizung; neben jedem Schlafraum ein Lehrerzimmer. Falls sich während der Nacht ein Schüler "onwohl fühlt, so wendet er sich an den Lehrer; auch hat jode Hausleitorin eine kleine Hilfsapotheke; bei schwereren Krankheitsfällen nimmt ein un- weit des »Haus Valien«, in einem eleganten cottage» wohnender ^infir- mier« (Krankenwärter) mit seiner Frau die Pflege; jeden Tag, um halb zwei, kommt der Arzt des naheliegenden Verneuil mit dem Automobil ge- fahren, nnd behandelt die im Eiankenhanse befindlichen Knaben. Im Sohlafadmmer besitzt jeder SchtOer einen Wssohtisch mit mehreren Sdinb- laden und I1k;hem; das Bettgestell ist aus Eisen, das Bett selbst einfadl und ohne Federdecke; unten ein kleiner Fußteppich; über dem Bett hängen die Lichtbilder der Eltern und Angehörigen; jedem Schüler stoht die Wahl der Bilder frei; einige, die eine besondere Vorliebe für Iiadfalu*en und Automobilsport besitzen, klcl)cn große Plakate an die Wand; andere, die für Kunstsachen Interesse liabeu, errichten sich eine Ansichtspostkarten-

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MitteiluDgen

galerie; alles das gibt der sonst so nfichtern aussehenden ScklafsUtte ein frisches, originelles Gepräge. Über dem Schlafziinnior liegt gewöhnlieh das Badezimmer mit den Wäscheräumen, wo jeder Junge seinen sftezielleü Wandadnink mit Kleidern und Schuhen besitzt (Forts, folgt.)

4* De oonpionklijke »Ventjes«^) der AntwwpMbe

Bohoolkinderen

Unter diesem Titel TerBffentlioht der Leiter des » padologisoliMi Labmatoriume der Stadt Antwerpen in dem eben emohieaen 6. iBhibadh aufierordentlioh soTgwme nnd omfueeDde experimentelle üntennchiiiiign Ober das kindliche Zeichnen. Er kommt zu bedeotsamen BesuItateOt die

zweifelsohne das Interesse weiterer Kreise verdienen. Ich mfidits io aller Kürze seine Methode und seine Ergebnisse hier darstellen.

1. Methode. Ende Februar und Anfang März 1901 besuchte Schuvteo eine Anzahl Schulen und Klassen, um insgesamt 40 Serien von 100 ZeichiiuDgen meuschlicher Figuren nach freier Erfindung verfertigen za lassen. Es handelte sich nm Kinder (Knaben und lüdohen) im Aller tob 8— IS Jahren. Jedes Kind bekam ein rechteckiges StOck Zeiobenpspier, ^laßstab 16 X 10,6 und nun muBten sie vGllig nach freier Wahl eia» Zeichnung entwerfen. Die Untersuchungen fanden meist YormittagSi n* weilen auch Nachmittags statt im Lauf von 2 Wochen.

Die gewonnenen Zeichnungen wurden zunächst einer qualitativen Analyse unterworfen. Aufgal»o (iorselhen ist ein dopjM3ltes: 1. zu unter- suchen, üb alle Glieder des meosclilichen Leibes tatsächlich daigeöiellt waren und 2. ob anch die richtigen Lageverbfiltnisse uid Anfaeftungs- punkte beachtet worden waren. Der qualitstiTen Analyse iolgts die quantitative: die Zeichnungen wurden bis in ihre kleinsten Beeonde^ heiten gemessen. Das geschah mittels einer besonderen MeB Vorrichtung. Bei allen diesen Messungen bestand die Hanptabsicht darin, Größe und Breite der dargestellten Figuren zu bestimmen im Verhältnis zu ihren Unterabteilungen, dann ferner den millinietrische Proportionen zwischen den eiuzeineu Körperteilen unter sich nachzugeheu.

Der dritte Teil erörtert auf Grund dioöei' Messungen die EntwioklimK des Schönheitssinnes. Er behandelt: 1. Das YerhSUma too Kopf n Gestalt Terglicben mit dem idealen Yerhftltnis, das die meisten Sohfla» heitskanoos annehmen (1 : 8). 2. Das Verhältnis der versdiiedencD Kopf* teile untereinander (Kinn : Nasenbasis, Nasenbasis : Nasenwurzel , Nasen- wurzel: Beginu des Haarwuchses) und vergleicht sie mit der Typenziffer 0,333 (1:3). 3. Das Verhältnis zwischen der Länge der Arme und der ganzen Gestalt; Vergleichsziffer 0,375 (3:8). 4. Das VerhiUtnis zwischen Fuß und Gestalt : 0,lüG (1 : 1). 5. Verhältnis zwischeu Hand und FuÄ: Vergleiohazifier 0,666 (2 : 3). 6. Yerhiltnis swisöhai HNid und Angesicht:

*) lieblingsfigur.

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4. De oonpionkUike »VenQee« dar Antverpeche sohooUdndexea 945

Veigleichsziffer 1 (1 : 1). Die übrigen Koqierteile sa nifloseii erwies sich als unmOgliolL Die Wertung der Ergebnisse geschah nun so, daß die- jenigen Zeichnungen als die wertvolleren und zugleich als Zeugnisse ent- wickelteren Schönheitssinnes angesehen •wurden, die den von den Künstlern angenommenen Proportionen am nächsten kommen. Der 4. Teil zeichnet verschiedene Typen, der 5. vergleicht mit Untersuchungen an den SchOleni der Antweipeiier Anstalt fOr BcbwaohbeOlugte Kinder, der 6. Teil zieht •Ugemeine ErgeboiBBe und ScUflsBe.

VerenchsergebniBBe: Sie finden sich in einer großen Zahl na* gemein mühsame Arbeit verratenden Tabellen. loh beschade mich, die Hauptcrtrohnis-e kurz herzustellen.

I. Anfantrs wurden Vorderansichten des Konfes gezeichnet, dann kamen »gemengde koppen-^ an die Reihe, d. h. solche in Profil und Vorderan- sicht zu gleicher Zeit, endlich Profiltypen allein. Diese di-ei Formen, die auf den folgenden Altersstufen sich mehifKh kveuieii, sind trotadem ganz deutlich voneunnder zu sondera nnd es ist keineswegs gewagt, zn be- iHrapteD, daS sie drei EntwieUnngspsiioden bedeuten: eine erste, da die betreffenden Kinder alles zeichnerisch darstellen, was ihnen geffillt und doch ihre Eigenart in der Darstellung insofern bekunden, daß sie nicht alles darstellen, was die Wirklichkeit bietet, mit ihr sorglich über- einstimmt, sondern was »ihnen besonders zusagt'-. Eine zweite Gruppe ist die, in der die Kinder Nase und Mund in Profil zwar haben kennen lernen, die aber doch bei dem Zeichnen die gewohnte Sonderansicht schwer terlassen kann und die beiden DsrsteUongsweisen oft auf sehr ge- wandte Weise zu vereinigen trachtet. ISne dritte und letzte Gruppe ist dadurch charakterisiert, daß sie nahezu ausschließlich von dem Profil Gebrauch macht. Die Ifftdcfaen bleiben durchweg länger in der 1. und 2. PericKle stecken und errsichsn sooh in der dritten niefat die Ent- wicklungshöhe der Knaben.

n. Die quantitativen Messuntren lehrtn zunächst, daß die Maße des Leibes und seiner Glieder mit sioigeuUeui Alter auch in den Kiuder- seidmuDgeo wachsen. AufbUend ist eine bedeutsame Abweichung von dieser Begel: zwischen dem 6. und 7. Lebensjahr finden wir einen starken KurTenrflckschritt, dem dann eme weitere Steigerung folgt Dieser BOokschritt ftilt zusammen mit dem Aufenthalt iu der Schule während der ersten ftlnf Monate. Schuyten hält dieses Ergebnis ernsten Nachdenk^'ns wert gegenüber der durch seine Untersuchungen bekannten Veränderlichkeit der physischen Entwicklung allem Anscheine nach eine Wirkung der Schule.

Die Zeichnungen der Knaben waren im allgemeinen länger, die- jenigen der Madchen breiter.

Wnr dtfarüBn annehmen, dafi die Kinder denjenigen Leibesgliedem die größere Bedeutung beilegen, die sie im Bilde entsprechend am grr^ßten gezeichnet haben, und kOnnen dann feigende Ordnung in absteigender Linie herstellen :

L&nge: Knaben: Beine, Rumpf, Arme, Kopf, Füße, Hände.

M&dchen: Beine, Arme, liiunpf, Kopf, Füße, U&ade.

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llitteflnngen

Breite: Knaben: Kopf, Rumpf, Hände, Beine, Füße, Arme.

Mädchen: Kopf, Eumpf, Hände, FOße, Beine, Arme. In aoatomiacher Wertung sieht die Folge so ans: Lange: Beine, Arme, Romp^ FQfie, Eopf, HBnde»

Breite: Rumpf, Kopf, Beine, Hände, Arme, Füße.

Man sieht also» daß unsere KJeinen im allgemeinen öne aflmliok richtige Darstellung von dem Bau unsere« Leibes haben.

ni. Die Künstler haben sich von jeher eine Idealgestalt des mensch- lichen Leibes geformt und in bestimmten Proportionalzalüen das Verhältnis der einzelnen Teile desselben angegeben. Diese Verhältniszahlen habe ich eben sdion angegeben. Die ffindeneiefammgen offenbarten nun, daß das Verbaltnis von Kopf : Oestalt ss l : 8 von den Knaben mehr annibemd eneidht wnrde als von den Mädohen; die letzteren zeichneten durchweg größere Kopfe und kleinere Gestalt. Ebenso näherten sich die Knaben bei der Darstellung der Nase dem Verhältnis 0,333 mehr als die Mädchen, Das Verhältnis : Gestalt = 3:8 ward übereinstimmend bei beiden Ge- schlechtern nahezu erreicht, wenngleich die Mädchen oft kleinere Arme zeichnen als die Knaben. Bezüglich Fuß: Gestalt ist zu bemerken, dafi die Knaben näher an das Verhältnis 0,166 herankamen als die Ifidohen, "«tttaend aie bei dem Verhiltnia Hand : Fofi beinahe um ZehnüM^ mehr ▼on der Zahl 0,666 abweichen als die Knaben. Die Midohen zeiflhoen größere Hände und Gesichter, aber das Verh&ltnia Hand : Angesicht = 1 zeigt Übereinstimmende Beachtung. Veifolgt man diese Angelegenheit auf den verschiedenen Altersstufen, dann gewahrt man, daß im 6. Lebensjahre die Abweichung von dem theoretischen Quotienten am größten war, woraus Schnyten schließt^ daß auch die Entwicklung des Schonheitsgefühls einem störenden Einfluß unterworfen ist von dem Augenblick an, da das Kiud seinen eisten Gang in die Schule macht Im allgemelneii lelgen die aufeinander folgenden Alterastnfen eine allmählich steigende Annähenmg la die ideale Fh>portioo.

IV. Schuyten hebt jetzt einige typische Momente heraus, die ein sorgsamer Vergleich der Zeichnungen an die Hand gab: der Kopf ist im allgemeinen oval gezeichnet, kann aber alle möglichen Formen haben. Die Augen präsentieren sich als »krabbeis«. Striche oder Punkte, die entweder allein stehen oder umgeben sind von halben oder ganzen Kreisen, schwane Bälle, mit oder ohne Brauen. Die Nasen sind bei den Yorderaoeichtea senkrechte oder wageieehte Striche, Kraozeb Dreiecke, Bechteoke, Kreise Q.ai Bei den piofil geieichnelen KOpfen sind sie kreisfOnnige Anhängsel m verschiedener Größe, horizontal ausgestreckt oder herabhängend, nicht selten in eine scharfe Spitze auslaufend. Der Mund ist bei Vorderansicht dar- gestellt in 2 oder mehreren horizontalen Strichen, als rund oder Rechleck, in dem senkrechte Striche die Zähne andeuten ; die wunderlichsten Formen beobachtet man bei den Profilköpfen und den Mischformen. Die Ohren sind liakeülörmig, mitimter auch rund und mit einem Funkt in der Mitte daigeetellt, ihre Fonn variierte nnr iranig. Der Rumpf wurde daigesleUt sls fiediteck, bsllfOnnig, dreieokig, oval, Brost nnd Baooh iratden wM getrennt, oft beobachtet man sonderbare Yersohmelzongen von Leib nnd

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5. Fädagogischer Koogrefi in Athen

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Beinen. Die Qliedmaßen bestehen zuerst aus einfachen, später aus doppelten Linien und sind anfanglich nicht, doch später gegliedert; eigentümlich sind oft Kniee und Elienbop^en angebracht worden. Die FQße sind dargestellt in einzelnen Linien als Verlängeriuig des Beins, mitunter auch i-echtwinklich umgebogen, Dreiecke, Vierecke, Bälle, unregelmäßige Figuren. Wohlge- fonnte Fttfie finden eioli in spMeren Jahien an den doppelUnigen Beben. Die Zellen Bitzen in Terschiedensten Richtungen. Bei den Händen befindet sich das Sind in der größten Verlegenheit Sie werden Tielfdoh ganz fort- gelassen. Die jQngsten wie die ältesten Kinder fühlen am wenigsten sioh verpfhchtet, die ILlude mit der richtigen Anzahl Finger zu versehen, die enteren zeichnen zumeist z\i wenicr, die letzteren zu viele.

V. Von vornherein beal»sichtigte Schuyten Zeichnungen schwach- befähigter Schüler mit denen der normalen zu vergleichen. Das Ergebnis ist folgendes: Vom qualitativen Gesichtspunkte aus waren hQben und drtlben bei dem Zeichnen der lieblingsfigur wenig Unteraohiede zu spüren. Quantitativ zeichneten die normalen Knaben ftberali grOfier und breiter als die k orrespondierten schwachen. Merkwürdigerweise näherten sie sidl aber den Kimstproportionen mehr als die normalen Schüler, schienen also bezüglich der Kunstentwicklung höher zu stehen als diese.

Kiel Marx Lobsien

5. Pädagogischer Kongress in Athen

1. TIqiöxw tKkrivutov lunatötvxixc» ^i n\)Qioy . . . IgyMUtu SitV^ dvi^nr^g ^ EjiiTQonrjg-IlQaxTtxu xüiy ^vi'td()iunK0f-2/nXixr} ^'Ex&tatg. Athen (Verlag des dirigierenden Komitees) 1904, S. 300. Frcs (Drachmen) 6.

2. 0*.M. /. Mt/uloTto ih)v /If^i Ti]g iiQVT^QUQ dtudoaKog rtjg dr^uo- Ttx^g ixTiatSnoftitg xai jjtoi /uudttnuog rdif vTitQßt^riy.oT(oy Ti]y a/ohx^y ^Xuuay dyQuiijiiaKoy. Athen (Druck von Hestia) 1904, S. 58. Fr. 1.

3. K(jt,uxii RoXiTila: '^ymfya JiU^yaig xrfi IlmStia^ xal t% JotoMo^ytig: *H iv Kg/,rri ixTttäSitfOts, Canea (Druck der kretensisohea Ba- gienmg) 1904. 8. 32.

Ein sehr erfreuliches Ereignis fand voriges Jahr in Athen statt Zum erstenmal kamen Vertreter des gesamten Griechenturas vereinigt, um über das griorhischo T'nterrichtswcsen zu verhandeln. Das erste 'Ekki]yix6y hnaiön Ti/Mv ^vyti)oi(n' (Griechischer Kongreß für Unterrichtswesen) tagte in Athen vom 31. März bis 4. April (a. S.) und jetzt liegen vor uns die Proto- kolle der Sitzungen mit einer kurzen Beschreibung der Schulausstellung. Letztere bezweckte den Griechen die Fortschritte des Abendlandes in Lehr- mitteln nsw. zu vetansohanliohen; deshalb wurden auch Fremde zur TeQ- nahme zugelassen.

Der Gedanke ist ausgegangen von dem »Verein für Verbreitung nütz- Hcher Bücher«, der in Verbindung mit zwei älteren Vereinen (des »Ver- eins ftlr Verbreitung der griechischen Bildung- und des »Pliilologischen Vereins ,Parnassos'«) die Einladungen erlioü. Das Ministerium des König- reichSf wie dasjenige der autonomen Kreta, schenkteu dem Werke ihre

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Mitteilungen

Gunst. Der König der Helleneu eröffnete, in Anwesenheit der Könid. Familie, die Sitzungen des Kongresses; der Kultusminister, als Ehren- vorsitzender, begrüßte die Erschienenen durch eine lange und tschüne Rede; der loefensifldie DepartementBohef dm Kultus und te Rechtspflege (SififtovXos) wurde ate ordentiiciier Mndeiit erwihlt Die andeieii Mit- glieder des Yorstaades waren die Yertraler von KooBtantiiiopd, Qypem, XooaBtir (Macedonion), Chios, Smyma USW.

Der Kongreß wurde in 4 Abteiloogeo eingeteilt: 1. Das elementare Schulwesen, 2. das mittlere Unterrichtswesen, 3. die weibliche Erziehung und 4. die Benifsbiklung. Sie sollten über folgende Themata diskutieren: 1. Größere Verbreitung der elementaren Bildung und Verminderung der Zahl der erwachsenen Ungebildeten. 2. Pädagogische Bildung der Gymnasial« lehier. 8. Befarm des Lehiplaaes der Hldoheoadiuleii, duiit sie eine Er* nehung verbreitflii gem&B dar griedaadien TraditioD und dec Beatimmvig der Flau in der Familie und in der GeseUflobaft i. Tedmleohe Yo^ bilduDg und Fortbildung.

Als 5. Thema, bestimmt zur allgemeinen Beratung des Kongresses, wurde die Verbesserung der Schulbücher, sowohl was den Inhalt wie was die äußere Form betrifft, in Aussicht genommen.

Beferent der ersten Sektion war Dr. Themibtocles Mi chalopuloB, der in DeatBcliland beeonders in Jena seine pldagogische Ajb- bildung erhielt, wie flbrigens auob die swei folgenden Beferenten. Yen seinem ausfOhrlichen Referat liegt uns auch ein besonderer Abdruck lot. Dr. Hichalopulos bestreitet vor aUem, daß das einfache Lernen von Lesen und Schreiben von irgend einer erzieherischen Bedeutung sei und infolgedessen will er durchaus nicht zugeben, daß andere als in Lehrer- seminaren vorgebildete Pei-sonen Erwachsenen irgend einen Unterricht er- teilen dürfen. Es wurde nämlich den Mitgliedern des Kongresses vor- geschlagen, da£ für die vollständig ungebildeten Erwachsenen (Analpbf beten) in Dörfern, wo es keinen Lehrer aber einen Fsstor gibt, von den letsteren wenigstens das Lesen und Schreiben erteilt wird, und in der Armee von Unteroffizieren. Das will Michalopulos durchaos nicht nh geben; er vergißt aber dabei, daß das Lesen und Schreiben eine zu groSe praktische Bedeutung hat, die man nicht unterschätzen kam. Die ok'^>no- mischen Verhältnisse in Griechenland aiuliorseits, die eine äußere Sparsim- keit gebieten und der Mangel an I berscluili von Lehrern sollten ihn zu der Überzeugung bringen, daß jedentails eine Abhilfe goscliaffeu werdeo muA. Wie wire es übrigens mit den GiiedMD, wenn sie, vor hundert Jahren noch Tondeben sollten, ihren Kindern keinen Unterricht erteilen n lassen, weil es damals keine Lehrerseminare geben konnte? Gysis« der berühmte griechische Maler, der als Professor der Kunstakademie in Mös- chen gestorben ist, hat die -geheime Schule« verewigt, in der Nachts in der Kirche der Geistliche den jungen Griechen Unterricht erteilte. Und doch konnte dieser Lelu*er nicht einmal orthographisch schreiben! Wenn er aber das nicht tun durfte, mußte Lesen und Schreiben aus Ghechenlaud veriMunt seini

Die Sektion hat sich indessen im Sinne seines Yomdüi^ geäuleit

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b, FUMfogmku KongreA in Athen

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Sie empfahl außerdem u. a. 1. die von Seite von Vereine BegrOndimg Ton Fortbildungsschulen, deren Beench aber, womfiglich, verplichtend sein soll. 2. Die Koestitiiiening von Schiilgemeinden. 3. Verbesserung der Lehrerseminare, indem u. a auch eine fremde Sprache obligatorisch ein- geführt wird und Begründung von ^h^odiduaxuXuu (F'ostor- Lehrerseminare) im türkischen Griechenland für die ärmeren Gemeinden, damit es iimen gelingen wird, gebildete Flwtoien, die g^doliieitig Lehier lind, la bekommeii. 4. ZntaaBOD^ der AtdtuiienteD denelben mm UnhcnHtlaBtiidhiiii. 6. Er» weiterang der Sohnlpflicht 6. Begrttndimg von Schulen für TMibetiimmen, BMndeo, Idioten und schwach Begabten. 7. Obersetzung der besten päda- gogischen Werke des Abendlandes. 8. Besondere Berücksichtigung der praktischen Aufgabe der Schule, durch Erweitenmg des naturkundlichen Unterrichts usw. und schließlich 9. Beauisichtigung der fremden (von der Propaganda unterhalteneu) Schulen.

Die zweite Sektion, deren Referent Dr. Eapetanakis war, iofierte dfo Vnnflch, da8 die GjmiMfliaUefaier auch eine basondefe pSdagogischa YMSämig gemefien mOofaten, indem dem LehntaU der Fidagogik ein Normalgymnasiam angegliedert werde, in welchem die schon ihre wissen- schaftliche Prüfung bestandenen ein Jahr hindurch praktisch sich üben sollen. Für die auf Grund des jetzigen Gesetzes Angestellten aber soll ein hervorragendes pädagogisches Werk übersetzt, ein möglichst ausführ- liches Programm vei-faßt und eine pädagogische Zeitschrift vom Ministerium herausgegeben werden. Auch die Einbenifiiug von Konferenzen wurde «DipfoUen, wihrend der Yorschlag des Referenten, daß w&hrend der Ferien praktische pftdagogisohe Übungen in Athen so veraiMtelten seien, abgelehnt wordel Vor allem aber mai der Wimaoh Iftr die Stlndig^nit der Lehrer betont werden gegenüber dem überaus schädUehen allzn hiafigen Wediaell Aoch die Anstellung von G^mnasialinspektoren wurde empfohlen.

Aus den Wünschen der Sektion für das Mädchen Schulwesen ist zu erwähnen, daß die Begründung von Kindergärten unterstützt wunle, daß die Mädchenschulen einen praktischeren Charakter annehmen und daß besondere Schulinspektorinnen angestellt werden sollen, die unter der Oberleitung einer Obersdralinspektorin eteben. Befeieot war Br. Ariatotelea Kur- tidea. Ea sei erwibnt, daB aeift Jakren adum dne periodieohe Sohiil- iaspektion von Damen stattfindet

Die IV. Abteilung wiederholte und ferallgemeinerte den Wunsch, daß den Schulen eine praktischere Richtung zu geben ist und daß der Hand- fertigkeitsunterriciit eingeführt werden solL Qkiohzeitig empfahl sie die Begründung von technischen Schulen.

Zu der Frage der Lehrbücher deren Za\A in Griechenland sehr groß iat winde toq der Qeneraldtzung dea Kongreaaee angeooiameii, dal wahrend der errtan drei Jahra keiB Lehrbuch in den Volkaechalen zu gebcanohen iat, mit Auaoahme dea Leaebiiohea. Die Lehrbücher sollen für 3 Jahre voo dmr Regierung geneluniirt werden und für jedes Fach sollen 3 aein; die Bevorzugung eines von den 3 soll den Lehrern ül)crlassen bleiben.

Schließlich wurde die Konstituierung eines Bundes beschioBsen. Seine Aufgabe ist das Werk des Kongresses weiter zu verfolgen.

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MitteiloDgan

Der Kongreß wurde mit einem Gastmahl beendigt, was die Regierang den eifrigsten Mitgliedern des Kongresses angeboten hatte. Es fand dieses in Phaleron statt; der Kronprinz, der an ihm teilnahm, begeisterte die Anwesenden durch einen schönen Trinkspruch. Darauf folgte die Bekräa- zong des vor dem üniTenit&tsgebtede stehendea DenkmilB AdammtiM Eoiais, doB grofiea FMaoten und OelehiteD.

Dem Boreau d«8 Kongrogooc waten aofier Denkschriften anoh Be- richte von dem numerischen und sadilichen Zustand der Sdinlen ver- schiedener griechischer Länder zugegangen. Es ist zu bedauern, daß sie im vorliegenden Buche nicht mit aufgenommen sind. Einige von den erstereu wuixien in der *E&yi>crj uyioyri (Nationalerziehung) ver(3ffentlicht und andere in der Jr^^oxixi] 'Exnaidtvatg (Volksbildung). Von den Berichten aber wurde der Cypem betreffende in der Zeitung To K^dxo^ (Der Staat) ▼erClIentlioht, und der Aber lonien naw. in der Zeitsobriit 'J9üIi;kio/i/^ Dagegen lieft die kratiaobe Bagiemng ihren Bericht besondeta draden. Er wurde mit den Protokollen zosammen verteilt Mit Freude liest maa die kleine BroschQre, die ein so deutliches Bild der großen kulturellen Fortschritte bietet, die Kreta seit der Befreiung gemacht hat. Mit voll berechtigtem Stolz wird der Prozentsatz der die Schulen besuchenden Be- völkerung schon im ersten Jahr der Befreiung mit demjenigt^i au^l-'rer zivilisierter Länder verglichen: 35077 also ungefähr 11% gesamten BeviSkerung besochten die ünterriditaBnatalten ; ein Prosentaats» der lllNr dem Ton Italien und Foftagal steht nnd derselbe wie in Bdgiea ist Ei ist schade, daft die wiitschaftlichen Verhältnisse es nicht gestatten, dai Erfolge noch weiter geschritten sind. Aber Kreta erfreut sich oner väterlichen Regierung und allmählich wird sie w^ohl auch diese Schwierig- keiten überwinden! »Die Kretenser haben das Ehrgefühl, so schließt der Bericht, kulturell nicht hinter ihren Brüdern im griechischen Königreiche zu stehen, bis die göttliche Vorsehung ihre politische Einigkeit mit diesen gewähren wird, indem sie den heißesten Wunsch jedes Kretensers erfOlltc

Jena S. P. Stamulia

6. Znr KanBtpflege

in unseren Schulen veröffentlicht Herr Ernst Samter, Oberlehrer am Sophien-Gymnasium in Berlin, eine lesenswerte Studie in der Zeitschrift für das Gymnasialwesen (LIX. Jahrg. 1. Berlin, Weidmann, 1905), die in praktischen Vorsdüflgen gipfelt anf Onmd Ton Yenoohen, welche der Veifssser in Berlin aagesteUt hat Bs ist interessant ra hOren, daft er, wie aeineneit H. Qrimm, hierbei nicht den streng dnondcgischen Oaag eingehalten hat, sondern von Ilöhepunkten ausgegangen ist, ein Gedanke) der innerhalb der Herbartischen Pädagogik bekanntlich in numnigfadier Weise schon lange benutzt worden ist. Auch sonst ist der Aufsatz reich an guteo Bemerkungen, wenn auch einzelne Aussprüche den Widerspruch heraas- fordern, wie z. B. der Satz: »Daß in der Schule die intellektuelle Bildung stets die Hauptsache sein und bleiben wird, iat meine feste Überzeugoo^.«

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7. Verein für wissenschaftliche Pädagogik

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Bb entsprioht dies zwar dem gegenwirtigen Steod imseier Sohiileii, aber

als Ideal muß doch die PersSnlichkeits-Bildung angesehen werden. Des- halb EuDstpfiege, deshalb Zeichnen, Modellieren, Spiel und Sport und all das, was einer einseitigen Verstandespflege entgegenarljeiten kann. Weniger Unterrichtsdrill, weniger intellektuelle formale Schulung, dagegen mehr Ausbildung eines frischen und fiöhlicheD Schullobeos; das ist's, was unsere deutschen Schulen brauciieu.

Jena W. Bein

Verein für wissenschaftliche P&dagogik

Inhalt dM 37. Jahrlniohs (1905)

1. Schmidt, Wae iat'e ma Herberte Zucht?

2. Jetter, Zur Volksschulmethodik (Schluß).

3. Hemprich, Zur modernen Kinderforschung (Schluß).

4. Bitthaler, Die schulmfU^ige Entwicklung der Qruiidzahleabegnffe»

5. Fack, Lays Exjwrimeutclle Didaktik.

6. Fritsch, Briefe Heibarts an Drobisch (Schluß).

7. Wiik, Das Werden der Zahlen und des Rechnens im Menschen imd in der Meesohheit auf Qrand von Psychologie und Geechicfate.

8. Jnet, IfiATenOodoieBe und &Ieoher Gebiwich der Formaletafen des UntBiriohtB.

9. Hemprich, Rüdes Yolksschulmethodik. 10. Vogt, Die Konzentration des Unterrichts.

Die Haupt-Yereammlung dee YeieiDe findet zu Pfingsten in Weimar statt Th. Vogt

Verein der Freunde Herbartisoher Pädagogik in

Thüringen

Die diesjährige Hauptversammlung wird am 24. und 25. April im Preußischen Hof zu Erfurt abgehalten werden. Zm Besprechung gelangen folgende Themen: Der gemeinsame UnteiTicht von Knaben und Mädchen; das Mannheimer Schulsystem.^) Eeferenten sind; Direktor Trüper-Sophien- hBhe bei Jena und Dirdrtor Soholi-FQtBneok.

*) & No. 250 dflB »ndim^ M^SMiiie«. LugeoMda, Hemnmi Bejer SQhne (Beyer * Mann).

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I PhilosophischeB

Nablowsky, Joseph W., weiland o. Prof. a. d. Universität Graz, Aligemeine Ethik. Mit Bezugnahrae auf die realen Lebensverhältnisse prag- matisch bearbeitet. 3. Auflage besorgt von 0. Flügel, Veit & Co., Leipzig 1903. 281 S. 3 M, geb. 3,60 M.

An Bearbeitern der Herbartschen Ethik ist kein Mangel Die Namen Hartenstein, Allihn, Strümpell, Steinthal, Ziller, Rein, Felsch, Flügel sind bekannt. Neuerdings hat Flügel auch die dritte Auflage der Allgemeinen Ethik Nahlowskys besorgt Worin besteht nun das Charakteristische dieser Ethik, das eine neue Herausgabe wünschenswert erscheinen ließ?

Während die ältere idealistische Schule sich lediglich auf das Ethos des Individuums beschränkte, zog Herbart in seiner »Allgemeinen prak- tischen Philosophie« vom Jahre 1808 das Ethos der Gesellschaft mit herein in den Kreis seiner Untersuchungen. So steht Herbart in einer Zeit, in der sich der ethische Individualismus, die Ethik der autonomen Menschenwürde, zum Siege durchrang, schon gleichsam da als Prophet unserer Zeit, in deren Mittelpunkt die soziale Frage steht, und in der in allen Disziplinen das soziale Element betont wird. So wird auch mit Recht an eine moderne Ethik vor allem der Maßstab angelegt, ob sie im stände ist, den sozialen Problemen der Gegenwart gerecht zu werden. Da wir den ethischen Ideen allgemeine Gültigkeit zuschreiben, so müssen sich dieselben auch an allen Fragen des modernen wirtschaftlichen Lebens aus- weisen. Eine Ethik, die hier versagt, ist eben veraltet und kann nur noch liistorischen Wert für sich beanspruchen. Ja, sie beweist, daß ihre Fun- dierung von vornherein zu kurz geraten ist. Hier ist z. B. der schwache Punkt der biblisch-theologisch basierten Ethik: daß sie uns in so vielen Fragen des modernen Wirtschaftslebens einfach im Stiche läßt Zu welch' bedenklichen Konsequenzen aber eine solche ungenögend be- gründete ethische Anschauung führen kann, zeigen die Essays eines be- kannten Theologen uüd Politikers. Naumann kommt in seinen »Briefen über Religion < , die allerdings auf philosophische Begriffsschärfe keinen

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I FhikMopliiaoheft

B53

Ansprach machen, zu dem Schlüsse, dat die Ethik Jesu (die er zudem noch sehr einseitig auffaßt), im modernen Betriebaleben fiberliaapt leeiiie Stätte mehr habe; m. a. W. , daß es unvereinbar miteinander sei, ein moderner Mensch und ein rechter Christ zu sein. So proklamiert er geradezu eine doppelte Ethik, eine fürs Gescliäft und die Politik, die andere fürs Privatleben. Die erstcre ziert er mit dem modernen Namen: »SüÜidikeit (I) des EampfeB ums DaMÜK (warom nicht lieber noch etwBB daatiaolier: »die Ethik der gepanzerten FanstPc) oder ügois- mos und IntereesenpoUtik. Hier haben -wir wieder einmal ein graases Beispiel, auf welche Abwege die unselige Begründung der Moxml anf Religion und Offenbarungsbuch führen kann. Denn Naumanns Ausführungen kommen doch auf nichts anderes hinaus, als auf eine Bankerott-Erklärung i]er Ethik Oberhaupt und damit auch der christlichen Religion! Es ist wirklich betrübend: Ein evangelischer Theologe, weiß sich, weil er zugleich (und mit Recht) nicht darauf verzichten will, ein moderner Mensch zu eel&y nicht enden sa helfen als daduoh, dafi er die Ethik teilweiae Aber Bofrd -wirft nnd ihr nur ein flbenuiB dfliftigee Vegetieren nnd dne Winkel- enstenz innerhalb der vierPfiUiIe anweist und an ihre Stelle die nackte, brutalste Selbstsucht als »ethisches« Prinzip auf den Weltenthron setzt! In Wirklichkeit ist natürlich durchaus nicht die Unzulänglichkeit des Christentums für die moderne Zeit schuld, sondern die mangelhafte Funda- mentierung der Ethik auf biblisch-theologischem Fundament, das sich eben als zu schmal für die sozialen Verhältnisse der Gegenwart erwies. Wiederam hat der »alte« DOrfilBld recdit bekommen, der solche imzul&ng- liche Fbrschnngamethode anf dem monüiaohen Gebiete als schweree Obel beklagte. 1)

1) En seien hier einige der pilguantesten Aasspi-iiche Naumanns angeführt: Eb gibt aüeigTSfite xaA aUeraohwerBto mensddiQhe Probleme, die dorob das Neae Testament nicht wesentlieh berfikit werden. Nicht unsere «anxe SittUobkeit wurzelt im Evaogeliam, sondern nur ein Teil derselben, allerdings ein äußerst wich-

i'igQT und leicht mißachteter Bestandteil. Neben dorn Evangelium gibt es Forde- run<:;en der Macht und des Kechts, ohne die die mensohlidie <iesellsr-haft nicht existieren kann. Die Nachfolge des Weltgottes ergibt die Sittlichkeit des Kampfes ams Dasein, und der Dienst des Ysten Jesu Ohristi ergibt die Sitt- liehkeit der BsnnhendglEeii DaB der Ansdroek: »Esmpf uns Dssein« ohne Ab- schwSchung verstanden werden soll, ergibt sieh aus folgenden Worten: Im Wort Kampf nms Dasein liegt eine Weltanschauung. Der Kampf wird als Prinzip des Fortschritts gefaßt und zwar der ganz brutale egoistische Kampf. Das L.eben braucht beides, die gepanzerte Faust und die Hand Jesu, beides je nach Zeit und Ort Und sn wtaSB mid so fühlen, wann das eine und wann dss andere nötig ist, das ist die KnnsU aa der wir slle lernen. Theors- üadL bsbsn wir sile immer unrecht, denn theofetiseh müßten wir alle entweder ganz dem Cäsar oder gans dem Nazarener folgen. Ein theoretisch reiner Christ ist innerhalb der Welt nicht möglich. (Naumann, Briefe über Keligion, »Hilfe«, Berlin-J>cb6ueborg 1904, S. 31 55.) Man vergleiche demgegen- über 0. Flügel, Sittenlehre Jesu, 4. Aufl., Langensaka, Uerinann Beyer & Söhne (Beyer k JCsan), 1807 uid Dörpfeld, Zar Sthik, Gatefdoh 1885, 8. SOff.» 95 fL, 250 iL

ZAwhrUl fb FUloMvIue wid Fidacogik. 12. Jabisng. 23

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BaspreobuDgea

Wieviel besser besteht demc:of^enübcr Herl>arts Ethik die Probe aiife Ebcempel! Nahlowskj also greift die soziale Grundtendenz Herbarts aiif und läßt äicb, ^vie sclion der Titel besagt, uäher auf das Detail der sozial- ethischen Fragen ein, sucht die sittliche Bedeutung des Kultur^ und Wirt- schaftslebens allentbalbeD herronoheben, prOft die Tefsehiedenea fieckts- oidnüDgen und StiafkategorieDf widmet eadlich auch der Aibeiter- imi Frauenfrage die gebührende Aufmerksamkeit.

Nahlowsk ys Ethik zerfällt in drei Teile: der erste Teil befaßt sich mit der Gnmdlegung der praktischen Philosophie durch die Vorbegriffe der allgemeinen Ästhetik, der zweite mit der Lehre und Ableitung der ursprünglichen Ideen, der dritte mit der Lehre von den abgeleiteten oder gesellschaftlichen Ideen. Ihnen voraugesetzt ist eine Einleitung (8. 1 34) Ober Philosophie überhaupt, ihre Angabe und ihre Einteiluiig: in Logik, die es mit der bloBen Form der Begriffe zu tun hat, in Meto- physik (theoretische PhilosophieK die sich mit der spekulatitreD Beaibeitaiig der Be^iffe vom Seienden (dem Realen) beEafit und untersucht, wie die- selben widerspruchslos gedacht werden müssen, und in Ästhetik (jjraktische, Philoso]>hie), der die .sjvekulativt.' Bearbeitung des Seinsollenden (des Idealen) zufällt. Die Etliik ist letzterer unterzuordnen. Diese beiden \Viss*:'n- schaften gehen unabhängig voneinander ihre eigenen Wege. Die Meta- physik fragt wenig darnach, ob das, was ist, gefällt oder nicht gefillt, die Ästhetik, und damit auch die Ethik, hat nichts su schaffen mit der Frage nach dem Sein imd Niditsein dessen, was sie als sohleohthin bei- fiiiUenswert anerkannt hat Die £thik hat nun zuenfc die Aufgal)e, alle jene Verhältnisse, venn6ge deren das Wollen gefällt oder mi 15 fallt, voll- ständig zu konstruieren und daraus die ethischen MusterbogrifVe oder die ethischeu Ideen abzuleiten. Dieser allgemeine Teil heißt Ideeulehre. Der speziellen Ethik kommt es dann wieder zu, die allgemeiuen Muster- begriffe auf die besondereu Lebeusverhältnisse anzuwenden. Wälu^end nuQ zuerst gegenfiber falschem ISuheitssti^ben die fnndamentale ünabhlngigkeit der allgemeinen Ethik g^n&ber jeglicher Art von theoratiacher Phito- Bophie erwiesen wird, sei es der allgemeinen Metaphysik oder der besoa- sonderen mit ihren ünteiabteilungen : Psychologie, Naturpliilosophie und Bebgionsphilosophie (Theologie), weist darnach Nahlowsky die engen Be- ziehungspunkte und die Wechselwirkung der speziellen oder angewandten Ethik mit diesen Disziplinen auf. liier kommt auch die große Bedeutunsr der Religion als einer von anderer Seite schlechthin nicht zu ersetzeodeii Ergänzung der Moral zur Sprache, während vorher die. Begründung der Ethik auf dem Ootteeglauben ebenso scharf abgewiesen wird. Im letiton Einkitungakapitel wird auf den danligieilanden BUiflnS der Ethik als FOhnrin im wirklichen, konkreten Einzel- oder Staatdebeo hin- gewiesen, ferner auf alle die Wissenschaften, die mit dem praktischen Leben in engster Beziehimg stehen, wie Pädagogik, Rechtsphilosophie, Oe» schichtswisponscliaft, Theologie, auch auf die wahre Kunst, welche der sitt- lichen Weltanschauung, des Idealen, nicht entbehren kann.

Wie die Philosophie überiiaupt, so muß auch die Ethik von dem in der Erfahrung G^benen ausgehen. Sofadie Ikfahrangstatsachcn sind dia

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I PliiloflophisohaB

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WertnrteUa. Diese werden nun des näheren untersucht und miteinander verglichen. Als Grundlage der Ästhetik und Ethik bleiben die Urteile des unparteiischen, absohiten Vorzieheus und Verwerfens bestehen, welche nun auf ihre Grundtypen oder Grundformen zurückzuführen sind. Denn nur diesen Stammurteiieu kommt absolute Gewißheit oder Evidenz und AllgcmelDgQltigkeit zo. Aiutett nirn noch -weiter anf diese Grondfragen und epiterfain an! die Koostniktion der Ideen einzugeheD, . wodaroh nur bekannte Gedankengänge wiederholt werden müßten, will ich mich danuil beaduftnlten, kurz die Darstellungsweise Nahlowskys zu charakterisieren.

Vor allem hat Nahlowsky die Gabe, mit unübertrefflicher logischer Schärte sein System aufzubauen. Alle Möp^liclikeiten werden erwogen, die Un- möglichkeiten ausgeschieden, alle sich einstellenden P^inwände berücksichtigt und erledigt und die Ergebnisse gegen falsche oder einseitige Auffassuugeu sicher gestellt. Eine scharfe Disposition kennzeichnet das Buch. Wertvoll mnä auch besonders die kurzen Solilnfibetrachtangen, welche den oozelnen, entwickelten Ideen angefOgt * werden. Hier weist Nahlowsky das Vov^ handraBein letzterer in bekannteo Moralsystemen nach, in denen die be- treffende Idee gerade ^ne besondere Rolle quelt oder bringt Beispiele aus der Poesie und dem praktischen Leben , wo sie besonders anschaulich hervortritt. Aurh die Bemerkungen sämtliche fünf Ideen betreffend, in denen er einmal die Selbständigkeit jeder einzelnen Idee betont, andier- seits auf die Wechselwirkimg hinweist, in welche sie miteinander treten, sobald es sich um ihre Anwendung auf konkrete Lebensverhältnisse handelt, sind sehr beachtenswert An dieser Stelle mag auch auf die Udne, Uber- ans lehrreiche Schrift Nahlowskys aufmerksam gemacht werden, in wel- cher er gleichsam die Stichprobe anf die piaktisohe Brauchbai-keit der Ideen zur sittlichen Beurteilung gewisser Spezialfragen und Einzelfälle der angewandten Ethik macht. Sie ist betitelt: »Die ethischen Ideen als die walt4?nden Mächte im Einzel- wie im Staatslebcn, nach ihren verschiedenen Beziehungen beleuchtet.« (Langensalza, Hermann Beyer & Sühne [Beyer & MannJ, 1904. 2. Aufl.).

Von Teil m, der die Lehre von den geseltachaftlichen Ideen ent- halt, mochte ich besonders noch auf den Anhang des Verwaltungssysiems aufmerksam machen, welcher Andeutungen enthftlt über die Bedehungen, die zwischen dem Yerwaltoogssystem einerseits und der Rechtsgesellschaft und. dem Lohusystem andrerseits stattfinden. Hier nimmt als Zusatz die Erörterung Ober die soziale Frage einigen Raum ein. Selbstverständlich mußte sich Nahlowsky damit begütigen, auf dieselbe einige Streiflichter zu werfen und die wesentlichsten Gesichtspunkte, aus welchen sie aufzufassen ist, hervorzuheben. Er betrschtet sie vorwiegend von drei Gesichtspunkten aus: von dem des Arbeiters, der seine Kraft so günstig als mO^ich zu ver werten suchte von dem des Arbeitgebers ans, der seinen üntenehmer- gewinn im Auge hat und von dem der Regierung aus, welche auf die Gesamt- heit zu blicken hat und deshalb keine Vergewaltigung des einen gesell- schaftlichen Faktors durch den andern dulden darf. Die hier entwickelten Grundsätze sind bei dem gehässigen Partei- und Interessentreiben der Gegenwart wohl der Beherzigung wert Von selten der Ethik kann in

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jDMpfBflkmiigBii

der Tat nioht entschieden genng betont iracden, was Nahlowsky als Leitsatz yoranstellt: 9 Man hflte sieh nur vor jeder Einseitigkeit, nehme nicht ausschließlich in dem oder jenen Heerlager Stellung, halte nicht aus- schließlich bloß an der Forderung der einen oder der andern von den ge- nannten Ideen fest, sondern trachte, den berechtigten Interessen aller jener gesellschaftlichen Faktoren möglichst Kechnung zu tragen und die Forde- ningen aller eingcWftgigen gesellscfaaftliohen Ideen miteinMider in Buüdaiig m bEiogen« (8. 246). Auch die Kapitel: »Zur Befoim dm irdUicheo ünteniohftB- und Brziehnngawaaensc nnd »WaobadbesiehiiogeD swisoImd dem Kultursystem imd den übrigen gesellschaftlichen Syatenifln« enthalten •wertvolle Winke für die Sozialreform. Bei der Darlegnnp dos Kultm^ Systems selbst, welches das ganze Innenleben des Volkes auf den Gebieten der Wissenschaft, der Kunst, der sozialen Sitte und der Religion umfaßt, wird das Augenmerk auf vier Hauptpunkte gerichtet: 1. auf die intellek- tuelle, 2. auf die ftsthetisehe) 3. auf die moralische, 4. auf die religiöse Auabildmig dea YolkeB in alian aainaD Scahidtten.

Dem Yeriage ist es nodh sa danken, daft er durch bedeutende Henb- aetznng des nnprBngliohen Fkeiaee eine weitece Yertneitung dea BndieB ennfiglicht hat.

Auerbach i. V. Dr. G. Burk

n P&dagogisolLes

Seifert, Dr. Bkhari, Die Unterrioktalektion als didaktische Knnst- form. Fkaktiacfae Batoobllge und Fkoben für die AUtagaaibeit und fBr Lehrpfoben. Leipsig 1904. 341 a VreiB 2^0 M.

Das Buch zerfSUt, ine achon der Titel erkennen ULfit, in einen

theoretischen (»Allgemeines« S. 1 97) und einen praktischen Teil (»Praktische Versuchec S. 98 241). Unsere Besprechung soll sich auf den ersten, den gnmdlegenden Teil beschränken. Derselbe bietet in seiner ersten Hälfte eine allgemeine und spezielle Didaktik, und diesen prinzipiellen Darlegungen sind in den folgenden Kapiteln einige unter- geordnete, ja mm läl recht nebenaMofaHche Punkte Salerlich ganz gleioh- wertig angereiht Die AuafOhrungen adbat i^eiehen Aphoriamea. Aas dieaem Grunde mofi ein näheres Eingehen auf manche grundlegenden £^ Qrterungen hier unterbleiben, da letztere daiu nicht ansfOhrlich und tief genug sind. Andrerseits sind die darin zu Grunde gelegten Toraas- setzungen zu wenig bekannt und anerkannt, um so kurz und fragmentarisch behandelt zu werden. Das gilt u. a. von den » psychogenetischen Gesetzen« (S. 5) und von der B^ündung der 4 Lernstufen (S. 17 ff.), die im aÜ- gemeinen den Fennaiaiufea Herbarts entsprechen. Der Herr Verliuser lia> nennt die Stufen ala Binatininiung, Erarbeitung (dea Kenen), Binaibettaag (ina BewufitBeuugann) und (formale) Verarbeitung. Wcsn dieee asae Terminologie, die keineswegs zu grOfierer Klarheit beitragen dürfte; ist doch z. B. die Zielangabe, die in den nachfolgenden Lehrproben vorhanden ist, unter Einstimmung einbegrißfen? Auf S. 4 wird das Erziehungsziel bestimmt als Bildung einer »durchgeistigten Persönlichkeit«. Mag nuui

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n PidagogiHohea

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auch den Auadruok »PeraOnh'chkriU gelten Umb, das Attiflmt khiroii- geiitigtc ist doob auf den ersten Anblick zu unbestimmt und lelgt bei

weiterer Überlegung eine stark intellektualistische Richtung. Eine über- m&ßigc Betonung der Verstandeebildung ist auch an anderen Stellen nicht zu verkennen; so wird S. 14 gefordert, »auf der Unterstuto gewisse mecha- nische Fertigkeiten zum Abschluß zu bringen: das mechanische Lesen, das Schünscbreibeo, das Rechtsc hroiben, die gebundeneu Aufsatzformen, die QnmdreohniiqgBarten mit ganien ZaUen iL m.c Und von der UDtantnfe hdAt ea anaditloUioh: »Aeilich muA anoh hier die Zeit vor allem den Formfächern zur Verfllgung atefaeii.« Bei einem solchen Lehr- betrieb kommt die Schule doch in Gefahr, zur bloßen Unterrichts-, ja zur Dressuranstalt zu werden. Wenn S. 15 gar verlangt wird, daß »der Sachunterricht der Unterstufe geradezu gelegentliche Erzähl- und Plauderstunden (a. a. 0. gesperrt gedruckt) enthalten müsse, in denen die Kinder in ihrer Weise über Seibsterlebtes berichten, oder in denen der Lehrer enählt«, 80 möchte man darin eine bewußte oder onbewoAte Beaktion gegen den Intellektualiamiia mid den DiiU nnaerer Schalen er- Uieken. Wollen irlr nicht lieber inneihalb dea iJanmüBigen Ünteiriohts die Kinder in ihrer Weise über Selbsterlebtes berichten lassen? Über ö» Einteilung der Lehrf&cher in Religion, Realien und Formalien (S. 12) ge- nüge es zu bemerken, daß dieselbe weder tief genug gefaßt, noch in streng logischer Weise begründet ist. Die Bemerkungen zur speziellen Didaktik (S. 26 ff.) enthalten im großen und ganzen bekannte Forderungen.

Fragt man nun, was der eigentliche Zweck des Buches ist, so läßt lioh ana dem Vorwort vnd den AnafOhrongeD der eraten Blitter ent- nehmen, daB die Schrift auf Herrorhebong dea kflnatleriachen Homenta der Lehrtfttigkeit hinzielt : »Die Unterrichtslektion ist das Erzeugnis einer fM- schafTenden und freigestaltenden Tätigkeit, ein kleines Eunstwerk.c Auf S. 7 heißt es sehr richtig: »Das Künstlerische ist das Subjektive, das jeder Individualität Eigentümliche. Da der Unterricht ein lebensvoller geistiger Verkehr von Person zu Person ist, ist dem Künstlerischen ein breiter Kaum gelassen« wenn, so möchten wir hinzufügen, das freie Schaffen nicht in Fesseln gelegt wird. Aber S. 11 leaen wir zu unserer Ver- wuiderung: »Wenn aelbat der Stoff Ina aufis Tfipfdcfaen ▼orgeaohrieben wäre, auch dann bliebe noch ein weiter Raum für freiee persBnliofaee, alao künstleiiaohes Lehrverfahron«, und kurz vorher: »Wenn jeder sich darauf beschränkte, hierin seine Künstleraohaft zu betätigen, dann würden die Klagen über das übermäßige Normieren und Reglementieren bald ver- Btummen.« Also mit andern Worten: Wenn jeder mit der ihm gelassenen Freiheit sich begnügte, dann würden die Klagen über bürokratische Ein- zwängung aufhören! Alierdings würde schließlich alle Unzufriedenheit aus der Weh venohwunden sein, wenn jeder mit aeiner Lige sich zufrieden gibel Nein, wer daa kflnatleriaehe Moment der Lehrtitigkeit pflegen will^ muß in erster Linie fQr Freiheit dea Lehren eintreten, gegen daa fiber- mäßige Normieren und Beglemeotieren Front machen. Denn zweifeUo» leidet unser Schulwesen sehr unter dem immer üppiger wuchernden BürokratiMnus, der nicht lum wenigsten genährt wird durch kleinliche^

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Btiepreohaogen

kurzsichtige, engherzige Schulbeamte, die alles in ihre Schablone zwangen wollen; aber »sie spinnen Luftgespinste und suchen viele Könste und kommen weiter von dem Ziel«. Mit diesem bürokratischen Zuge hängt es auch zusammen, wenn manche Schulen zu bloßen Lern- und DriU- anstalteu werden. Dem Lehrer muß das freie Schaffen im Großen uad im Qaasen gewahrt Udbeii, natflrlioli innerlialb eines grofizOgigen Lehiphnei tmd gemftft dem feetbeetimmten Lehniele. Bb geoUgt nicht, wenn nur die Gestaltung dee Kleinen, der blofien einselnen Lektion oder Lehcetonde te Lehrer noch belaseen ist; dann hat er wohl die Teile in seiner Hand, es fehlet aber das geistige Band. Ein Haftenbleiben im Kleinen führt nicht zu wirklich kOnstlerischom Schaffen, nur zu Künstelei. Kann z. B. der Maler ein echtes Kunstwerk schaffen, wenn ihm alle Gegenstftnde saint ihrer Anordnung vorgeschrieoen werden?

Über die im 2. Teile des Buobes gebotenen Lektionen sei nur ge- sagt, dafi der denkende Lehrer msnebiBS daraus sich cunntn meohes kann, aber anderes für seine Person abweisen wird, ohne es sa vemrieiks, wenn ein anderer sich dafür entschddet. Denn nur, was der Lehrer siok selbst erarbeitet, selbst durchdacht hat, weckt Leben und macht das Lehren zum künstlerischen Tun, nicht aber das, was kritiklos übernommen oder gar reglementmäßig aufgezwungen wurde.

Jena Zahrenhusen

Shlger, Dr. Karl, München, Soziale Fürsorge der Weg zum Wohltun. München und Berlin, R Oldenbourg, 1904. Es ist ein Terdienstliohes Unternehmen bei der grofien Zersplitteniqg der WoUlitigkeitsbeBtTebmagen eine ZnssmmensteUong aUer der Eb-

richtungen mit den betreffooden Literatur -Nachweisen zu geben, die in das Gebiet der sozialen Fflrsoiige gehören. Dabei wird aooh auf wichtige Organisationen des Auslandes, von denen wir lernen können, hincr--''vrio<:en. Der Stoff ist so grujipiort, daß in den ersten Abschnitten die allgenieinec Fragen, dann die Schaffung der zentralen Organisiitionon erörtert werlen, während die weiteren Kapitel sich au die Hauptalterästufeu und die sozialen BedOrfnisse anschließen.

Wir kennen kein Werk, das eine Shnüohe, umfassende Überseht bOle. Diese ist aber deshalb wichtig, um die Zusammenhinge und Auf- gaben in ihrer inneren und änSereo Yersohlingong zu überschauen and auf eine systematieohe Omppienmg su gegeoseitiger Unterstatsong hinm- arbeiten.

Daß die einzelnen Abschnitte in ihrer Kürze nur summarische Be- trachtungen darbieten können, liegt in der Anlage des Buches begründet. Immerhin dürfte bei einer neuen Auflage eine Erweiterung desselben be- hnfs gründlicher Mitteilungen angestrebt weiden. Hierbei kOonen die EoqjrUopftdien von W. Bein (Langensaka» Hermann Beyer SOhne [09er A Hann]) und das Staatslexikon von Conrad u. a. (Jeoj^ fisdher) in dnai neoeD Auflagen gute Dienste leisten.

Jena W. Reis

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n PMugoginehee

S59

liisch, Dr. A., Rektor der liatina in Halle, Schfilervereine, ESrfiUiruiigeD und Grundsätze. Halie, Waisenhaus, 1904. 112 S. 1,50 M.

Wenn man immer ^neder hier und da von Auflösung lieiiulicher Schulerverbindungen mit den obligaten Bcstrahnigen hört, fragt man sich verwundert, ob denn die Direktoren und Ijolirerkollegien nicht <lie Schrift des Herrn Dr. Rausch studiert halben. Nicht als ob hier ein Allheil- mittel gegeben seif um derartige Dinge ein für aDemal «i verhüten, aber vortreffliche AoBfOhrongen rar Qefltaltnng eioeB frisoheii, ofifonen, gesnodea SchnUebens kann man in der Tat hier finden. Wo geheime Verbindungen ßich einnisten können, ist sicher etwas nicht in Ordnung. Eine Erziehungs- schule, in der Lehrer und Schüler kameradschaftlich verkehren und im Spiel, auf Spaziergängen, Schulreisen usw. einander näher kommen, kennt solche Verimingcn nicht Aber leider sind unsor»:^ liöheren Schulen oft von dem Ideal einer Erziehungsschule sehr weit entfernt. Sie brüsten sich nicht selten mit dem Wissen ihrer Schaler und wie weit sie daiin z. B. über englische Schulen erhaben seien sehr mit Unrechti da sie der Bildung der irerdenden Schfller-PersOnliohkeit gleichsam nur von weitem zusehen und sidi honlidh wenig darum bemflhen. Ei-zieher brauchen wir in unseren höheren Schulen heute mehr als ja Solange wir nur Stundenhalter haben, werden die heimlichen Verbindungen mit all' ihren schweren Ifacliteilen nicht aufhören, die beste Kraft unserer Jugend zu verzehren.

Jena W. Bein

01^, Chr., Die Ergebnisse und Anregungen des Kunsterziehungs- tags in Weimar. Altenbug; Bonde, 1905.

Der Yer&sser unterwirft die Verhandlungen des zweiten »Ennst-

erriehungstages« einer eingehenden, sachlichen, scharfen Kiitik. Man liest sie mit Gewinn; der »Kunsterziehungstag" aber kann sich l)eglflckwflnschen, daß er mit solcher Aufmerksamkeit von einem Fachmann, der in diesen Dingen zu ILiuse ist und sich auf Orund seiner Erfahrung mancherlei Ge- danken darüber gemacht hat, auf seinen inneren Gehalt hin geprüft wird. Kritisch betrachtet erscheint er dem Fachmann sehr gering. Er mag recht haben. Aber iriac sehen die Bedeutung der »Kunsterziäiungs- tsge« nach einer ganz anderen Sate hin. Wir betrachten sie unter dem Lichte der DOrpfaldschen '»Schulsynoden«: Erziehungs- und Unterrichts- fragen sollen auch vom lAienelement aufgenommen und beraten werd^ Denn sie sind eine gemeinsame Angelegenhr»it. nicht dio [)o!tijlne eines fachmännischen Kreises allein. Bei solchen Veriiandlungen tritt natürlicli viel Verkehrhcit, Halbheit und Oberflächlichkeit zu Tage, wie es aucli bei den Beratungen der Schulvorstände und der Parlamente unvermeidlich zu Sehl scheint Was z. B. gegen die »Formalstufen-Theorie« gelegentlich in Weimar vorgebracht wurde» konnte dem Kenner der Sache nur ein mit- leidiges Uk^ehi entlocken. Aber das mufi man mit in den Kauf nehmen, wenn man pädagogische Dinge einem weiteren Kreis vorzulegen und sie dafür zu interessieren, prinzipiell für eine notwendige Aufgal^e h&lt. Einige Vorzüge mögen besonders noch hervorgehoben wenlen z. B. : Auf welcher Versammlung sind denn so eneiigische imd gute AVorte gegen das büro-

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Bespreohongen

kratische Schulsystem, das jaDorpfekl auch so verhalk war, gesprochen worden? Wo hat man GtTentlich die Reform des Lelirplans für das erste Schuljahr kräftiger betont? Wo sonst finden sich Männer und Frauen der verschiedenälea LebeDsaoBoluMiuDgeQ und Berufe nuammeD, um Aber Bnieliiiiig und Ullte^ ridit Gedankeu auaiutBaBolieD? Die Arbeit der »Eunsteniehuogstag»« ist weniger eine adiOpferische, als eine aufkllnode fOr Kreise, die anfierhalb der Wissenden liegen. Dafi von letzteren eine scharfe Kontrolle geübt wird, ist notwendig und ersprießlich. Damm muA die Arbeit des Herrn Rektor XJtei dankbar begiüfit werden. W. Bein

Stektager, Dr. A., Der ünterrichtsbetriob in großen Volksschul- kOrpern sei nicht schematisch-einheitlich, sondern diffe- rensiert-einheitlich. ZuaammenfiMseade Darstellung der MannhaBier TolksBchubefonn. Mannheim, J. Bensheimer, 1904. 8^. Tm und 172 Seiten. Preis 3,20 M.

Der recht umstftndich klingende Titel der neuesten Schrift des durch seine Organ isationsvorschl.^e in den letzten Jahren rasch bekannt gewordeoea Mannheimer Stadts^chulrates Dr. Sickinger hat insofern sein Gutes, als er Ober das Wesen des hier zu besprechenden Buclies keinen Zweifel läßt Der Haupttitel kennzeichnet kurz den Grundgedanken des Inhaltes, der Nebentitel die Form des Buches. Der erstere ist insofern nicht gans la- treffeDd, als der Untenichts-Be trieb wmt mehr um&fit als die bloße Organisation großer VolksschulkOrper, auf die es dem Yeiftsser m allem ankommt. Doch ist das ohne Belang gegenüber der großen Be- deutting des durch den Titel angedeuteten Inhalts des Buches. Auf diesen hier kritisch einzugehen, verbietet der Zweck einer Buchbesprechung. Will man den zwar nicht neuen, aber vom Verfasser mit viel Geschick neu begründeten und mit großer Energie vertretenen und in die Wirklicb- keit umgesetzten organisatorischen Ansichten gerecht werden, so erforderte daa ane neue Abhandlung.^) Diese nach der Ansidit des YerfMsom is pidagogischer, hygienischer und socialer Hinsieht tief emsdmeideodea Pläne sind zudem den Leeern dieser Blätter seit der DnicklegUDg des Vortrages »Organisation großer VolksschulkOfp» nach der natürlichen Leistungsfähigkeit der Kinder, < den Dr. Sickinger auf dem I. intemation. Kongreß für Sciiulhygiene in Nürnberg gehalten hat, bekannt. Das Wert- volle des Buches ist in seiner Form zu suchen. Es Vinngt nämlich außer dem eben zitierten Vortrag alle bisherigen Arbeiten des Verfassers, aoA dto noch nicht im Druck erschienenen, in chronologischer Beihoiiolgi^ seigt zum enrfenmal saUeomäßig die Erfolge seiner bisherigen BemfUnmgeBi die man sonst aus den einzelnen Jshresberiohtsn der Mannheimer Tolks* schulen zusammenzutragen gezwungen ist, und bringt auf nicht weniger als 11 Druckseiten ein Verzeichnis der über die hier vertretene Or^- nisationsfrage bereits erschienenen literatur. So wird man in stand geseut,

') Diese ist niittlerweilo unter dem Titel: E. Scholz, Darstellung und Be- urteilung doH Mannheimer Schalsystems ab Nr. 256 des Pädag. Magw"»«! heraus* gegeben tob Fr. Mann^Iaageamlaa, ersohienen.

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II Pidagoguiches

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die Bewegung von ihren Anfängen an im Zusammenhange zu verfolgen. Besonders wertvoll ist die erste Arbeit des I. Teils, die Denkschrift »Zur Frage der Organisation der Volksschule in Mannheim« vom 1. Jan. 1899, welche Stadtscimlrat Dr. S. den städtischen Behörden überreichte. Sie bat die wichtige Angelegenheit in FluB gebracht. Besonders interessant Bind dum die AuseiiiMideEMfkzangen des YerCMsen mit aeinen Oegnern n. a. in dem Anfeats »Ein pidagogiBohes GntachteD HerbartB mid der tfann- heimer Schulorganisationsplan « und endlich die MitteiluQgra über die »StellungnahiDe des Mannheimer LehrerkoUegiumB« usw., welche die »Modifizierten Reformvorschläge des Schulleiters« zur Folfro hatten. Diese sind so verschieden von den ersten Absichten des Yerfassers, daß durch sie selbst heftige Gegner der Sache für dieselbe ^ewonueu wonlen sind. Diese Wandlungen zu verfolgen gewährt großes Interesse, wie es nicht minder interoosant ist, acli in die ersten Veisaohe, beaoiidece Stonden- nnd LehipÜLne fOr die Sonderi[]a88en abmfassen, zn vertiefen. Die bel- gegebenen Lasten, Erhebangsbogen, tabeHaiisohe Übersichten usw. werden besoDders denen gute Dienste leisten, die einen Verroch mit der neuen Organisation machen wollen. Aus den kurz hier zusammengestellten Gründen ist die Arbeit des Verfassers eine verdienstvolle, das Buch für jeden, der sieh über die einschlägigen Fragen ein sachliches Urteil bilden will, un- entbehrlich. Es behält auch dann noch seinen Wert, wenn der Verfasser seine im Yorwott kurz angedeutete Absicht vielleicht nach Jaliren der Erfahrung * znr AnafOhroog bringt, eine »snsammen&BBende Beaibeitung aller snf die innere nnd ftnfiere Orgamsation grofier Ydlnaohnlkfirper be- iQgliclien Fragenc m pnbliaeren.

POAneck i. Th. E. Scholz

GiBweatz, Prof. Dr., Die Hei m;it künde in der Schule. Grundlagen und Vorschläge zur Forderung der naturgeschichtlithen und geographisclien HeioQatkunde in der Schule. Berlin, Gebr. Bornträger, 1904. X und 139 S. 8<». Oeb. 2,40 M. Der YerfiBBer geh<irt nicht dem Sohnlfaohe an. Er ist Direktor des westpreoAiBofaen Pnmnrialmnseams in Dansig. Seine Yorstodien hat er aus freiem Antriebe in Lehrerkonferenzen, heÄ Sdralbesuchen im In- nnd Auslande, in der Literatur gemacht. Die Ansichten von Nichtfachmännern zu hören, ist interessant; sie enthalten Vorzüge und Fehler, aus denen man manches lernen kann. Zu den Vorzügen des Buches gehört die Frische, mit der es geschrieben ist. Ohne langes Theoretisieren bespricht der Verfasser auf Grund eigenei Anschauung das, was er in Schulen ver« sohiedenstar Art: YdkaBchnlen, PrAparanden» Senünaron nnd höheren Sohnlen in Besag anf die Behandloitg der naturkundlichen nnd geogra- phischen Seite der Heimat Torgehmden hat Leeebflcher nnd Lehrmittel- sammlungen, Bilder und Karten, Schulgarten nnd Sohulmuaeen, Schulans- flOge und Schulreisen unterzieht der Verfasser einer sachlichen, aber ziem- lich scharfen Kritik, die sic h besonders die Verfasser weitverbreiteter Lese- bOcber und Herausgeber von geographischen Bildwerken genau ansehen sollten. Den Maßstab hierfOr gibt ihm seine hohe Meinung von der

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Bespreohongen

Ueimatkenntnis, die zur Heimatliebe führt und die Forderung: »Eb mofi bei uns darohaus angestrebt werden, da£ der gesamte Dntenielit «in heimtlicbee Gepräge erhftltc (S. 3). Du ist meiaeB 'Vtoeos das Neoe an dem Booh, dafi es eine kritisdie DaistsUmu: dm gmmim ÜBtemolilS'

betliebes von den Anfingen der Volksschule bis an die Schwelle der Universität Rowoit es sich um die Heimatkunde handelt gibt Weil nach dem Urteile des Verfassers bei uns die Heimatkunde nicht überall in dem Maße gepflegt wird, wie es wünschenswert und notwendig ist (Vorwort), macht er praktische Vorschläge, die z. T. sehr zu beachten sind: den SohtUern sind ansgewflhlte heimatliöbe Bilder etwa in Oktav- giQle und Heimatkarten, womOglidi Absflge der Oeneralstabskarta in di» Hand zu geben; Aufsätze aus der engeren nnd weiteren Hdmat sollen den Grundstock der I^sobücher bilden; letztere sollen also landschaftliches Gepräge erhalten, so daß besondere heimatkundliche »Anhänge« nicht er- forderlich sind ; die Naturaliensammlungen sollen in erster Linie heimat- liche Naturkürper enthalten; für LehrausflOge und Schulreisen sind, wo nötig, Kosten beidt so stdleo; die Sdralwanderongen sind in den Lahr- plan anftnnehmen und sollen vor allem die Heimat snm Ziel haben; die Ortsohronik soll anoh eine Sehildemng der »nisprflngliöhen Natur« des Ortes enthalten; Lefarerkonferenzen konnten, mit entsprechenden Vorträgen verbunden, auch im Freien gehalten werden; die Fortbildungskurse für Lehrer müßten auch Vorträge über dio Heimat in ihr Programm auf- nehmen, wie für Neuphilologen sollten auch für die Lehrer der Geographie Beisestipendien, und zwar zur BrforBchung der Heimat, bereit gestellt «eidea; bei Neubanten ist für bOhere Schulen ein besonderes Lehnimmer Ar Naturgeschichte und Erdkunde einzurichten und dn »Aussiohtsturm« ania- bringen, fQr Naturgeschichte und Erdkunde wäre ein besonderer Oberauf- sichtsbeamter anzustellen und so fort. Und diese Vorschläge sind sehr oft mit charakteristischen Wendungen, wie ;^es ist darauf hinzuweisen;« »es ist in keiner Weise zu billigen«; »es müßte allgemein angeordnet werden« eingeleitet In der Tat hat auch bereits das Danziger Provinzialsobul- koUegium, und seinem Beispiele folgend der preuBisohe Unterriofatsminiiter eine Verfügung fiber Sohulreisen im Sinne des vom Verliussr snf dea S. 90 92 gemachten Vorschlages erlassen. VorsofaUge von Faohmlaaen pflegen in der Regel nicht so rasch zu wirken.

Schon aus den genannten Vorzügen ergeben sich für den Kenner aber eine Reihe von Mängeln, die das Buch an sich trägt Die Theorie wird soweit außer acht gelassen, daü jede Erklärung dafür fehlt, was llberbanpt unter »Htimatkonde« zu verstellen ist UmfiiJt sie die beimst- liehe Flur, den Besirk, die Provinz, dss Vaterland? Auf Ghrnnd der wth atrsüten Andeutungen kann man den Umfang des Begriffee ganz beliebig fap55en. Der Verfasser scheint wieder mnß man das aus Andeutungen schließen der Auffassung zuzuneigen, daß die Heimatkunde Prinzip, nicht Fach sein soll. Warum wird dann aber der historischen, wirtschaft- liohen, ästhetischen Seite der Heimat so gut wie gar nicht gedacht? Was soll in jeder Klasse In der »bestimmten Anzahl von Stunden fOr da» Heimatknndec behandelt werden? Die oben an^oHttirten praHisebes

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n Päda^ogiscbefi

363

Torschläge des Verfassers sind bis auf wenige alt Warum sind ihre geistigen Urheber oder doch wenigstens die Arbeiten nicht genannt, in denen sie ausführlich begründet zu finden sind? Neu sind meines Wissens die Vorschläge, daß die Direktoren und Lehrer höherer Anstalten ihre Pttne fOr FerienrnseD erat dem FkovinsuüaoluilkoUegiiim tnr Frflfüng vor- sulegen haben nnd daS fOr geogpnphisfdie und natnrknndliohe Heimatkunde ein besonderer Inspektor anzustellen sei! Sind unsere Direktoren, unsere Schnlinspektoren zu den Arbeiten nicht fllhig, die da kontrolliert %vorden sollen? Hier ist das Neuo nicht zugleich das Bessere. Reizt so das Buch stellenweise zum Widerspruch, so regt es doch auch wieder an und scheint an »mafigebender Stelle« beachtet zu werden. Bedeutet es also für die Didaktik auch keinen Fortachritt, so iriid ee innerhalb der Flut dar heunatkundliohea Literatur immerhin eine besondere Stellung behanptea und öfter genannt werden. (Die Auaatattuig des Buohea iat einftoh, aber voniehm).

Pösneck i Th. B. Sohola

rirster, Dr. Fr. W., Jugend lehre. Berlin, Verlag von Georg Reimer, 1904.

Dr. Förster ist uns als ein hervonagender Vertreter »der Gesell- sohaft für ethisohe Kultur« bekannt; er hat aioh als soloher in dem vor^ liegenden Werk in umfassender Weise um die Lösung sozial-ethischer Probleme verdient gemacht. Es ist als eine besonders verdienstliche Auf- gabe anzusehen, die allein wirksamen Hobel an die sittliche Erziehung der Kindheit und Jugend anzusetzen. Vorerst ist natürlich die richtige Art der Ziele sittlicher Erziehung festzustellen, dazu bietet sich den Einen der auf religiöser Orumüage gewonnene Sittenkodez, den Anderen die auf anthropologischen Studien und p^chologieohen ßr&hrungen beruhende Mensdienkenntnis. Irren wir nicht, so haben wir bereits unter anderem von Döring eine umfassende Arbeit über die Notwendigkeit, statt des herrschenden religiösen Prinzips als der alleinigen Quelle sittlicher Wert- urteile ein in sich ruhendes anthroiX)logisches zu fordern und davon aus- zugehen. Weil entweder unvollkommene religiöse Vorstellungen auch falsche moralische Begriffe und Ideen mit sidi Idingen, oder weil es in weiten Kreiaen des Volkes an jedem religiösen Bekenntnis, an jeder be- wußten Stellnng sur Religion mangelt und somit die OeAüir vorliegt, daB es SU gar iiier Normierung sittlichen Lebens kommen werde, hat man eine lediglich psychologisch begründete Ethik aufgestellt. Der Verfasser der Jugend lehre verwahrt sich zwar gegen den Vorwurf persönlicher Ablehnung jeglicher Religion: nur will er innerhalb der Jugend weit sitt- liche Wertuiteile und Forderungen zur Geltung bringen helfen, die su- Dicfast noch ganz unabh&ngig von einem religiösen Bekenntnis dastehen s^leo. Der Verfasser will grandsltslicfa eine Moral ffQr die Jugend bieten, die auch wirklich das qiezifisch von den Unmündigen zu Fordemde dar- legt und zwar den mannigfachen Lebenslagen und Verhältnissen gemUß, in welche Jugendliche gestellt sein können. Er hat es sich zu einer be- sonderen Aufgabe gemacht, Jugendmoral nicht etwa in der üblichen kirch- lich-katecheüschen Weise zu lehren. Wir begrüben die ins Einzelne kind*

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364

Besprechongea

lich-jugendlicher Pflichtgebote eindringenden und zumeist überzeugenden Ausführungen. Was der Verfasser dieser Anzeige seit Jahren von der moralischen Erziehung forderte: an die Stelle ganz allgemein gehaltener etfaiacher Yorscfariften eine den titBttohlichen LebeoBlagen der Jogwd ao- gepafite, mOglidiBl sadiliolie Belehnuig to Ineteii, du ist, nur ausführliohert in Försters Budi som Ausdruck gebracht Besonders sympAthisch berühren seine Ausführungen auf S. 642, wo unter anderem die sexueUe Pädagogik vom Standpunkt einer im besten Sinne vornehmen Gesinnung aus b> handelt wird. Försters Untersuchungen über die psychologische Behand- lung ethischer Aufgaben erinnert nicht wenig an Spiuozistische Dar- legungen psychologisch -pädagogisdiflr Probleme, indem er imter aadeMi Xnft gogen Kraft, Neignng gegen Neigung, Leidensohaft gegen LeidM- aobaft aufruft. Lebenskunde sollte der eigentliche Namo für M(»«l sein, da es ja gilt, dio heranwachsende Generation in die sdlseitige rechte Lebenshaltung und Führung einzuweihen. Wohl zn beachten sind die Auft- führuDgen über das vermeintliche Lernen durchs Leben und Beispiel (S. 6G9).

Ob zwar der konfessionelle Standpunkt im Moralunterricht abzulehnen ist, so will doch der Ymtnm die ettisoiie Belehnrng dnich eine tiefe xeUgiOee Bildung ergSast wiesen (8. 666).

Nächst der hfiobst beachtenswerten Begrandung der moralischen flda- gogik ist das ungemein reichhaltige (vielleicht nur hier und da etwas zu breite und an das Triviale streifende) Material an Beispielen lOr die Ib- dividualisierung der Jugendlehre rOhmlichst hervorzuheben.

Kelerstein

OMlig, Ftof. Dr., Didaktische Ketsereien. Leipzig u. Berlin, Yeriag fw

Teabner, 1904.

Gaudigs »didaktische Eetzereienc haben wir schon wegen dr Frische und Eigenartigkeit ihrer Konzeption mit lebhaftem Interesse ge- lesen. In kurzen bündigen Sätzen bewegt sich die Darstellung; nichts von ermüdender steifleinener Paragraphenweisheit. In oft überraschende, meist treffende Beleuchtung werden die aufgeworfenen methodisch-didtk* tischen Probleme gestallt; flbenll olfenbart sich der scharfe siohsre Bliok, die Selbständigkeit des Urteils, sowie das auf vieliachen Erfhhrungea be- mhende Verlangen nach neuen wichtigeren Wegen hinsichtlich alles des- jenigen, worauf es gerade im Madchenunterricht ankommt. Als vorzüglich beachtenswert begrüßen wir die in großen Zügen dargelegten Anschauungen des Verfassers über die Hauptziele des Mädchenuntorrichts, sowie über die noch viel zu wenig erkannten und beobachteten Hauptaufgaben der Frauen und Jungfrauen auf sittlichem Oebiet, siehe besonders die Ksptal: der praktische Zweck B. 188. Der WOIe aur Arbeit 8. 126. Der ittt- liohe und teligiDse Zweck; die Bildung dss Gemfits 8. 127.

ILeferstein

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Aus der philosoph

Neue Metaphysische Rundschau.

Heraosgeg. von Paul ZUlmann. 1905-

Band XII. Heft 1. P. Z., Der Mistelzweig als Symbol der "Weihnacht und seine Legende. Baronin Helene von Schewitsch, Das Seelchen, eine Geschichte von der Refnkamation. W. Andreas, Die Fremde, Gedicht H. H. Phelps, Der Meister von Akka. Bundschau: Geleitwort. Die Radio- aktivität und die Alchemisten. Homco- path. Krankenhaus. Der magnetische Mensch. Beilagen. Literatur: Die neue Paracelsusausgabe. Rosenthal- Katalog. Diederichs Katalog. Ro- segger, J. N. R. J. Die Schriften des Neuen Testaments. Textbibel des Alten und Neuen Testaments, Kautzsch - Weiz- säckar. Bleibtreu, H. P. Blavatsky und die Geheimlehre. Kerst, Beethoven im eigenen Wort Pfungst, neue Gedichte. PortrÄt: Paraoelsus.

Com mers Jahrbuch fflr Philosophie und spekulative Theologie. XIX. 3. Heft 1904. Dr. Michael Gloßner, Zum Kantjubi- läum. — P. Josephus a Leonissa, Seoti- stische Theologie. Dr. Franz ^igon, Zur Lehre des hl. Thomas von Wesenheit und Sein. Dr. Geoi^ Demku, Die

ischen Fachpresse

menschliche Freiheit und die Freiheit der Wissenschaft Aus dem Ungarischen über- setzt von Fr. Paul Paluscsäk. Litera- rische Besprechungen.

Glauben und Wissen. VonDr.Dennert UI. 2. Heft 1905. Prof. Dr. 0. Bertling, Das Wesen der Religion (Schluß). Sem. -Dir. Lic. G. Steude, Glauben und Wissen nach Hebt. 11, 1. E. Bruhn, Zum zweihuudert- jährigen Todestage Philipp Jakob Speners.

Umschau in Zeit u. Welt Notizen.

Apologetische Rundschau. m. 3. Heft 1905.

A. W. Fürer, Brot Dr. med. J. Fröhlich , Zweckmäßigkeit , Selbstzweck und Endzweck im Lichte der Entwicklungs- lehre. ~ Dr. E. Donnert, Die Stellung des Menschen *im Weltall. G. Petroff, Gedanken vor Leonardos »Abendmahl«.

Zeugen Gottes aus Wissenschaft und Kunst Umschau in Zeit und Welt.

Antworten auf Zweifelsfragen. Apolo- getische Rund.schau.

Mind A Quarterly Review of Psycho- logy and Philosophy. Edited by Prof. 0. F. Stout New Series. No. 53. January 190'». n. n. Joachim, Absolute and Relative

Truth. J. H. Leuba, On the Psycho-

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Fachpresse

logy of a Group of Christian Mystics. [ H. W. h. JosepU, Prof. Jaines on Huma- oiam uul Iknth. Alfred Sidgwickf AppBad Axioms. ~ B. A. P. B&gon,

Ihe Mcaning of the Time - Direction. H. MacColl, Symbolic KeasoninE^. Dis- cu&«?ions: .T. Rolomon. The Paradox of Psyuhologj'. Criticai Notioes. New Books. Fbiioaophioal Ffiriodkuda. Notes.

Revue de AUtephysique et de Mo- nle. (M. X. lAaa.) 13e snnde, No. 1.

Janvier 1905. Leibniz . Trois dialogues mystiques inetlits. Fragments publies avec une in- troductioa par Jeau Baruzi. G. Belot, Ea qnete d'nne moiale positiTe. F. l^Uin, La raisou etlesantinomies (Saite).

Stüdes Critiqups: J. Weber, Les theories biologicjiies de M. Ben6 Quinton.

(^uestioüs Pratiques: P. Lacombe, La leprteMitation proportionnelle ä propos du livie de M. P. Lachesosis. ^pple- ment: Ndcrologie. livres noaveanx.

Revues et Periodiqoes. ongres de Psychologie.

Die Kinderfehler. Zeitschrift für

Kinderforschung mit besonderer Be- rücksichtigung der püdagogischeu l'atlio- logie. Herausgegeben von J. Trüper, IHiektor des ünnslnmgihiiimes und Emdenanatorinms auf der SophieahBhe bei Jena und Chr. Ufer, Rektor der Madchonmittelschule in Elberfeld. X, 2. A. Abhandlungen: Schubert, Einige Aufgaben der Kinderforschung auf dem Gebiete der Enieluiiif . ^ B. Mitteflongen : W. Strohmayer und W. Stnkenbei^, Be- richt über die VL Versammlung des Ver- eins für Kinderforschung am 14. 16, Ok- tober in Leipzig. 0. Fischer, Der XL BUndenlefazer-XongreS in Halle t. 8. Tom 1.— 6. August 1904 (SehloB). Die Oründung eines Hilf sschul verband es in Eoglaiid (SohioA). Frans Frensel, £e-

[ rieht über die Verhandlungen der XL Konferenz für das £rziehungs- und BU- dangswesen GeiateeachwaoliBr am 6. Us 9. September 1904 in Stettin. Yer- einigong für Kinderfcrschung in Mann- heim. — Weiteras sor Xongreifn^se. C. Literatur.

Kantstudien. Philosophische Zeitschrift. Herausgegoben von Dr. Han.«? Vaihinger und Dr. Bruno i^uch. Band X. Heft 1 n. 8. 1905.

O. Oerisnd, Lnrnsnesl Esnt. ssine

geographieolien und anthropologischen Arlieiten. Franz Staudiuger , Der Gegenstand der AVahrnehmung. Ha^jo Kenner, Der Begriff der sittlichen Er- fahruDg. Dr. Tim Klein, Eamlet and der Melancholiker in Kants »Beobeähtungea über das Gefühl des Schönen und Er- habeneut. Bruno Baurh . Euckens philosophische Aufsätze. M. Ascher, Benouvier and der inrnsSsieohe Knti- lismas. Emst von Aster, Der IV. Bind der Berliner Kant-Anagabe. H. Vai- hinger. Das Kantjubiläum im Jahre 19')4. Dr. Franz Jünemaun. Kants Tod. seine letzten Worte uud boin Begräbnis. Besensionen. Sdbstanzeigen. Kt- teHungen.

Mitteilungen der Oesellschnft fflr dentodie Eniehungs- imd Schid- geMhichte. Jahiiang 190SL 1.

Alfred Heubaom, Die mittelalteriichen Handschriften in ihrer Bedeutung für die Geschichte des Untorrichtsbetriebs. Ludwig Weniger, Ein Schulbild aus der Zeit nadh dem Dreit^gilirigen Kriege^ Friediioli Wagner (f), Die lateiniiohe Grammatik von Johann Greußer aus Rothenburg ob d. Tauber, mitgeteilt von Oeoig Schuster. Außerdem Jahies- berioiitB «ler die IdsloiiBoh-pädagogisdMo Bnolieinangen ans der Zeit des Mittel- alters (Rieh. Galle), des Gbmanismus (Rad. WoUtan) and der Beformstion (0. Mertt).

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Neu ftingBesMigeae Baober und Zeitaolirifiea

36r

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ZnMunmeiihaiig dnxoh die Konliiiailit

der Weiterbehaftungon. Jena, H. W.

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Tm F. Hollkamm. 27. Aufl Leipzig

Bnmdstettar, 1903. K. Fnrrer, Das Leben Jesu. 2. AaiL

Leipzig?, Tlinrirh, H»«».-. 261 S. W 0 II D y , Moderne Kultur. Beriio. Simion,

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Bedin, Ttowitsscb, 1905. 63 S. 0. Hertwig. Sigebnisse and Probleme

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hell«n lichtstrahlong des Badiuma.

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von der Realität der Außenwelt Ber- lin, Schwötbchie. 19U4. 88 S. A. Btökl, Lehrbuch der Philosophie.

L Logik. & Aofl. Neabeuteitat von

Wohlmatli. Mains, Kiiolüwim, 1905.

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G. Simmel, Die Probleme der Ge- achichtsphilosophie. 2. Aufl. Leipzig, Boncke u. Humblot, 1905. 169 S.

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Köhler, Der Philosoph K. Chr. P. Krause als Geograph. Leipzig, Diete- zioh, 1906. 92 8.

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Gramzow, Geschichte der Philosophie aeit Kant 8. Heft: Sohelling. Ghar- lottonbug, Boikner, 1904. 93 a

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Baenaoh, Bamoh de Bpinoaa. Ethik. ÜbeneClt und mit Einleitung und Re- gister venefaen. Leipzig, Dorr, 190&. 311 S.

K. Vossler, Positivismus und Idealismus in dar Spraoliwiaaenaohaft Heklalbeig» Winter, 1904. 96 a

Dia heim, Goethes Balladen in Loewea

Komposition. Langensalza, Hermann Beyer A Söhne (Beyer A Mann), 1905. 39 S.

J. Banmnnn, Dlohteriaehe nnd wiaaen- aohaftliche WeltanaiGhi Mit beaonderer

Beziehung aal Don Juan, Faust u. die Moderne. Gotha, Perthes. 1904. 247 S. The university of Missouri studies by Frank Thilly, 1904. 40 S.

Digitiz)

368

Neu eingegangene Bücher and Zeitsohriften

A. Bilharz, Mit Kant über Kant hinaus. Wiesbaden, Bergmann, 1904. 61 S.

Zur Erinneraiiig in Inniainid Kant, her- wugtfjiitm. TOn der Vwavm&IMt KSiugi- berg. Halle, Wai^enhaas, 1904. 374 S.

A. Lohmen, S. J., Lehrbuch der Philo- sophie auf aiistotelisch- scholastischer Grundlage. L Logik, Kritik und Onto- logia 2. Aufl. Freibiug L Br., Herder, 1904. 446 S.

H. Dimmler, Aristotelische Metaphysik. Kempten o. Mönohen, Kösel, 1904. 103 8.

Fhiloeophisohe Bibliothek 60. Sohaar- sohmidt, Nene Abhandinngm Uber den menschlichen Vorstand vooLeibniz. rbersetzt und mit Einleitung und An- merkungen versehen. 2. AoiL Leij^ zig, Dürr, 1904. 590 S.

Fhiloeophisohe Bibliothek 43. W. Eink el, J. Kants Logik raerst heTuimigebe& TOD Jäsche. 3. Aufl. Neu herao^geg. und mit Einleitung und Register ver- sehen. Ebenda 1904. 171 S.

H. Offner, WlOensfreiheit, Zurechnung und YerHitwortang. Lripf^ A. Barth, 1904. 103 S.

V. Stern, Beitrüge zur Psychologio der Aussage. 2. Folge. L Heft Ebenda 1904. 8. 130.

WiDdelbftnd, Die IhOoeophie im Be- pnn des awaasigsteii Jahihunderts. Festeohrift für Kuno Fischer. I. Heidelberg, Winter, 1904. 186 S.

r, Jahn, Das Problem des Koniischen io seiner gesohichtlichen Entwicklung. Potsdam, Stein, 1904. 180 8.

H. Schneider, Die Stellung OtHeodb zu Deaoartea. Leipsig, IHlnr, 1904. ü7 S.

Weinel, Lebensfragen. Schriften und Beden.

Ot to, Katandistisehe und xeUgiBae Welt- ansicht Tübingen, Mohr, 1904. 296 8.

0. Oramzow, Geschichte d. Philosophie seit Kant LHoft: Kant. 69 S. II. Heft: Fichte. 69 8. Charlottenb.,Bür]aier,1904.

Ohorn, Auslagen. Mönchen, Lehmanns Verlag.

Lienhird, Banb BtnäbatgL Ebenda. Sehnlk, Heldenssgsn. Ebenda.

Hahn, Charakterköpfe. EKendiL Thoma, Gutenberg. Ebenda.

E. Contou, Ecoles Nouvelles et Land- Erziehungsheime. Paris, Vuibert et Nony.

A. Sohmieder, Der AnlsaUiuiierricht

Leipzig, Teabner. Chr. Ufer, Dio Erf^obnisse und An- regungen dos Kun.<iterziehungstagas in "Weimar. Altenburg, 0. Bonde.

0. Steinbrück, Deutsche AuMtce.

Laugensalza, Hermann Beyer & 89hns

O^yer k Haan). Fr. Linde, Über Phonetik. Ebenda. 8. Thurmann» Die ZahlTorstannogoBW.

Ebenda.

M. Schmidt, Das Prinzip des organ. Zusammenhangs und die allg. Fort* UUnngsacAule. Ebenda.

G. Heine, üiifeRiöht in der Bilde^ spräche. Ebendn.

J. Köhler, Die Yeranschaalichaog im

Kirehenliedunt Ebenda. K. Sachse, Apperzeption und Pbantarfs

nsw. Ebendn. V. Sallwürk. Die zeitgemäfle GestaKaig

des deutschen ünt Ebenda. E. Zeißig, Forraenkunde. Ebenda.

Ch. A. Thilo, Kants BeUgionsphiloaophi«. Ebenda.

H. Kielhorn, Der KonliimandeB-üat in der HSfmohnle. Ebenda.

Michel and Stephan, Lehrphu flr

Sprachübungen. Leipzig, Teubner. Hichel, Sprachübungen. Ebenda.

Kräpelin, Naturstodieu in Wakl ood

Feld. Ebenda. Pnlmgren, Eniehongsfragen. AUmh

buig, Bonde.

Schmeil -Schmidt, Sammlung natur- wissenschaftlich-padiu^ogischer AhhaDd« lungen. Leipzig, Teubuer.

Draok TW Hflnona Bqror * SOhoe {fiagm k Mna) la hmtmtOm.

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Kind und Kunst

Einige experimentelle Untersuchungen zu einigen Grundfragen der Kunst>

erziehung

Von

Marx Lobsien, Kiel (Fortsetzung)

5. Melodie und obligatorische Texte

Man muß von vornheroin zu^^cbon, daß die Schüler, auch in unserm engeren Vaterlande, von dem zu Unrecht das Wort kur- siert: Holsatia non cantat, in viel weiterem Uinfango mit der sing- baron Lyrik in Berührung kommen als mit der nicht singbaren. In manchen Landstrichen, besonders hei den Nordfriesen, ist der Ein- fluß des Hauses groß. Daneben ist der Leierkastenmann, der die ent- legensten Dörfer und (iohöfte aufsucht, der gegebene Triiger und Vermittler neuer Lieder. Ob freilich der Einfluß hüben wie drüben immer ein wünschenswerter ist, bleibt abzuwarten. Ich denke dabei natürlich nicht an obskure zweideutige Gassenhauer, sondern an jene Erzeugnisse breiter .Sentimentalität, aufdringlicher Geschwätzigkeit, oder wie man sie sonst charakterisieren will, die in gewissen Stim- mungen und Neigungen der breiten Äfasse einen günstigen Käsonanz- bodcn finden. Auf jeden Fall: kommt das Kind mit dem Liedc in reichere Bei-ührung, so bietet sich ihm für die Bestimmung seines Lieblingsliedes eine reichere Auswahl. Wenn es sicli für die Lieder mit obligatorischem Texte entscheidet, so wissen wir zwar auf Grund der Ergebnisse der vorigen Untersuchung, daß solches geschieht zumeist nicht um des Textes, sonduni um der Melodie willen, aber zugleich

Zeitschrift flLr Philosophie und PBdAfi^oi^'iU. IJ. Jiüir(r&ni;. 24

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370

AufBStse

dürfen ^vir darin einen Beweis dafür erblicken, daß trotz reioherait Einflusses in ungünstigem Sinne, danemde Übung gar wohl g^gea

Schädlingo zu immuni>ioren vermag.

Natürlicii fehlt uicbt hier und da die Vorliebe für den berühmt' berüchtigten »kleinen Eohnc und: Bort auf dem Baume, da hing ne Pflaume und was derartige Sachen mehr sind, im allgemeinen aber finden sich die eben ausgesprochenen Vermutungen bestätigt. Das möge die nachfolgende Tabelle zeigen. Sie gibt in Prozentualwerten an, wieviele minderwertige Lieder auf 100 insgesamt ausgewählte kommen, wieviele obligatorisch vorgeschriebene und wieviele religiösen und patriotischen Charakters. Die prozentuale Verrechnung ist not- wendig, weil naturgemäß auf den niederen Altersstufen die Aiusahi der bekannten Lieder geringer ist als bei älteren Schülern.

1

2

3

4

5

stufe

gesamt

minder- wertig

oUigar toriecli

religiös

patriotisch

l

Ku.

W)

9

22

8

9

n

Kn. M.

100 100

2 9

7 5

5 5

2

m

Kn. M.

100 100

10

7

29 3

6

6

6

IV

£n. M.

100 100

8

31 12

11

5

8

V

Kq. M.

100 100

4

11 24

24

VI

M.

100

6

19

Vergleicht man zunfiehst das Veriiältnis der Anzahl mind0^ wertiger Gedichte zu der Gesamtanzahl, so jBndet man das erfreuliche Ergebnis:

100 : ^ o. 100 : 8.

Durclnve^' ist da.<^ Verliältuis für Mädchen günstiger als für Knaben; ich bereciuic Kiuibin: 100 : 6,6, Mädchen: 100 : vS,2. Aus naheliegenden Gründen sind die niederen Altersstufen den älteren gegenüber stark begünstigt. Der Einfluß der Schule tritt besonders deutJicli zu Tage, wenn man folfrendos erwägt: Ks ist selbstverständhch, daß die Schule für die in Kolonne 2 aufgeführten Daten für mmder- wertige Lieder nicht verantwortlich gemacht werden darf, hier wiri^en

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Lobsien: Kind und Knnst

371

andere Einflüsse, aber von den wertvollen Liodern fallen nicht 1% auf die Einwirkung des Hauses; so stark ist die Macht der Schule. Das lehrt auch ein Blick auf die Kolonne 3; nur ist hier zu be- denken; daß die Auswahl ungleich geringer ist Unter 100 Liedern fanden sich insgesamt 157o obligatorische Lieder, im einzelnen be- rechnete ich für Knaben 20^ oi ^ür Mädchen 10%. Das günstio:ere Ergebnis für Knaben mag wohl damit zusammenhängen, daß die obUgatorischon Texte fast ziu" Hälfte patriotischen Inhalts sind und eine dementsprechende seh wuug\ oll-kräftige ]\Ielodie tragen; wie aber Kolonne 5 belehrt, ist der Knabe dafür die Stufe V ftUlt aus bedeutend empfän^^cher. Ich berechne die Werte:

25

Knabto: » 6,2 : Mftdchen 0.

Die Mädchen haben nicht ein einzig mal ein patriotisches Lied als lieblingslied bezeichnet. Anders ist das mit den feierlicheren getragneren religiösen Lietlern. Hier stehen die Knaben den Mädchen gegenüber in dem Verhältnis 6:14; währond der von den

Knaben genannten Lieblingslieder religiösen Inhalts waren, fanden sich bei den Mädchen 14%.

So belehrt aueh diese Betrachtuni: darüber, daß auch mit den heutif4:»'n ^[itteln niancht'rlei in der Kielitiinü: des Outen und Schönen eiTcicht wird, daß nicht unbedeutsame Immunisierungskriifte darinnen enthalten sind d. h. solanp' die Einflüsse wirksam sind. Hernach allerdings, wenn die steten Einflüsse aufhören, bemerkt man leider oft ein ersclircckendes Überwuchein widerwärtiger Literatur. Mau muß aber bedenken, daß hier Momente eingreifen, die einer Unkultur entstammen, für die solche Lieder nur sympti iniatisch sind. Nur wo (las ganze Sinnen und Denken des .Menschen unter stetem p]influß veredelnder Erziehung steht, kann solcher Abfall verinieden werden. Wir haben hier erneut einen Beleg für den engen wohl\ eistaiid-'uen Za>sanimenhang zwischen Kunst und Ethik. Der eciite Kunsisinn, diLS %\ahre Kunstgenießen ist nur in einer ethischen Persönlichkeit reinlich möglich.

6. Das Lieblingsbuch

Die Frage habe ich sciion vordem gestellt in der eingangs er- wähnten Abhandlung: Kinderideale.*) Dort geschah die Fragestellung unter einem allgemeineren (resichtspunkte. Weil sich mir bei dem vorliegenden Versuch willkommene Gelegenheit bot, eine dort in

0 S. 465 ff.

24»

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372

Allbitze

Aussicht gestellte notwendige und umfängliche Ergänzung vom* nebmen, 80 will ich zunächst in aller Kttize die dort gefundenen

Resultate resummieren.

Diese Untersuchung mußte, sofern sie sich auf Volksschüler bezog, mit dem Umstände rechnen, daß numche Kinder für Bücher nichts oder doch nur wenig »ansulegenc yermögen. Die Schäle^ bibliothek enthält keineswegs immer, was die Jugend besonders m- zieht 1) und die Leihbibliotheken, die manche jngendliche Finanzgenies aufzutun wissen, sind schwerlich geeignet, das In toresse für einzehie > Werke« zu fesseln. Man muß das Kind fragen, will man zu- verlässige Antwort erfahren auf die Frage : Wie heißt dein Lieblings- buch, nicht den Theoretiker allein, der, ich gebe das gern zu, mit psychologischem und starkem Uteraiisch- kritischen Verständnis am grünen "Ksche auswälüt

Ich verlang-to dort zunächst eine schätzungsweise Angabe über die Zahl der Bücher, die die Prüflinge gelosen liatten. AVeil ver- säumt wurde, unerwartet hornacli die Titel aufschreiheu zu lassen, so hatten die Angaben Weit weniger innerhalb der durch das Thema gewieseneu Aufgabe, als insofern sie zeigten, wie poß oder klein di'^ Schüler zu sciuitzen wußten. Während mancher Bube eine so gr^ße Anzahl gelesen hatte, daß keine Zahl ihm groß geuuir seinen, sie an- geben zu k(»uneu, waren die Mädchen groß im Untei-scliätzen: ihn.' Anpibtni waren nach unten ungenau, wenngleich nicht in dem Maß« wie die ins (Iroße hiueinprojizierteu Anjjaben der Knaben.

Bei der vorliegenden Untei"suehunjj: bot sich mir Gelegenheit, die oV)eu erwähnten Fehler zu vermeiden.

Zum fenieren Vergleich wiederhole ich hier folgende Tabellen. Sie ludx'u je ein Beobachtimgsmaterial von 250, insgesamt von 500 iSchülern zur (h*uiidlage.

(Siehe f.)l,-en(le Tabellen auf S. 373.)

Blickt man auf die ( iesamtAverte der letzten Kolonne (es handelt sich hier um absolute Werte) so erkennt man, daß MärclieulnichiT allen andern wesentlich vorgezoiren wi'rden. Bezeichnend aber ist. was sich aus dem Vergleich d^r Sonderkolonnen eriribt daß di-^ Literesse für .Märchen stetig: abnimmt. Bei den Mädeiien wuil das angedeutet durch die Zalileu: 2S, 28, 33, 17, 12, bei Knaben durch die Werte: 22, 25, 18, 13. 3. Die eigentlichen Märchenjahre lieiron also in der Zeit vom 9. bis zum 12. Lebensjahre. Dann erwacht deutlich das Bedürfnis zu kritisieren. Die eingehendere Beschäftigung

^) Selbstredend denke ich nicht au SchundUterator!

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LoMDor: £iiid und Kmisl

373

Knaben:

Stnfe

Name des Baches

Sornme

I

II

ni

IV

V

2

10

3

4

1

20

IndianeTgeschkihtB . .

16

11

7

3

2

39

Beclienlmch von Eahn-

meyer u. Schulze .

2

5

3

5

15

Naturkuodlichea Buch.

2

1

2

Bibel

1

3

2!

1!

4

Jiuruheubuch ....

3

13

25

22

81

Nansen: Im ewigen Eise

1

1

3

1

4

Burenkrieg ....

1

2

3

fiopa KpnfonAr

9 O

A

"Weltgescbichtsbuch. .

1

'i

2

Schullese buch . . .

4

7

1

1

2

1

X

Bnlenapiegel ....

1

1

Xfindhlunsen. . . .

1

1

Emhliingeii y. Sohmid

1

1

1

Mädchen:

Stofe

U ame des Boches

Somme

im.

I

lU

IV

V

Robinson

6

7

b

28

Bibel

12

12

l)RlMi^a(p|iiiok . . .

12

17

33

28

28

118

w etigeMiiionniioD

2

2

Pciiullcsobooll*) . . .

2

1

r,

9

Bi!it'rbuch ....

2

1

3

' ' '

1

1

mit der objektiven Welt diszipliniert die kindliche schweifende Phantasietätigkeit und macht dem Marchenglauben ein Ende, in- bonderheit bei den Knaben. Die Distauü zwischen Bild und Wirk-

'j Eb kauieu hier iu i^ragu: 1. Dor Kindorü'eund von K. F. Tu. Scukudkr lad 2. Das Vatoritodisehe Lesebaeh von Kacx und JcBAunna.

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374

Aufsitze

iichkeit wird geringer; der Drang zum Finden und Foracdien greift ein. Dabei bleibt aber das alte Kraftbewußtsein. So erwacht der Drang in die Ferne, wo die Phantasie noch walten kann: das ist die Periode des Robinson und seiner Kehrseite, der erbäimlichea Indianergeschichte. Der Burenkrieg interessier^ Nansens Fahrt ins nördliche Eismeer und mancherlei Seeabenteuer. Die eigentliche Robinsonperiode ist die Zeit vom 12. bis zum 13. Lebensjahre. Da- neben erwacht dann naturwüchsig das Bedürfnis einer objektiven Weitbeobachtimg: naturkundliche, weUgeschichtliche u. ä. Bücher er- regen ernsteres Interesse.

Noch will ich kurz erwähnen, daß das eingefühlte Schiillesebuch

man vergleiche die letzte Fußnote und die durch die Anstalten ernstlich unterstützten Bestrebungen der Jugendschriftenbeurteiler aal wenig günstige Beurteilung rechnen mußten. Ich nahm Gelegenheit eine Reihe von lieblingsbüchem einzusehen: elende Warenhausliteratur

und nur 8 von den Prüfungsausschüssen empfohlene Bücher wurden als Lieblingsbücher bezeichnet, 8 von 359! das soll meiner- seits kein Vorwurf sein gegenüber jenen Bestrebungen; man sieht aber wieder, wie schwer beste Absichten den Kampf mit 1 bis 2 FL, die man ersparen könnte, aufzunehmen vermögen.

Und nun die neuen Yoi*sucho und Beobachtungen! Ich gebe zum Vergleich zunächst die Ergebnisse, die sich beziehen auf die Frage nach der Anzahl der gelesenen Bücher, ohne Nennung Titels.

Das oben erwähnte Ergebnis bezüglich der Schiitzungsungenauig- keit konnte ich im allfrenieiiipn nur bestiitigen. Die Bestätigung i>t zuverlässiger, weil sie geschah im Hinblick auf die der ei*sten folgende genauere Angabe des Titels der gelesenen Werke. Allerdinirs hat auch diese ihre Mängel, weil gewiß nicht alle Bücher genannt ^\o^len sind, das (iedächtnis im Stiche ließ (das beweisen die nicht selten angefügten Bemerkungen: usw., und viele andere, o. ä., und man weiß nicht, ob diese einen tatsächlichen Gedächtnisniangel kon- statieren sollte, oder sich mit der eben vorher genannten Anzahl auszusöhnen bemüht war; sicher ist soviel, daß oft eine rückläufige Korrektur vorgenommen wurde und zwar in viel weiterem Umfange durch die Knaben als durcli die Mädchen). In einem Punkte war aber der Vergleich mit d(m vorigen Versuchsergebnissen stark er- schwert. Die Zahlenangaben waren bei den Knaben stark \erall- gemeinert; auf den oberen Stufen waren 7, ^4 ik'samtaiigaben charakterisiert: viele, sehr viele, o. ä. Bei dem Vergleich der Schätzungsdaten mit den betitelten gelesenen Schriften blieb mir

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Lobsibn: Kind und Kunst 375

daher nur übri^, durcligehcnds, den Durchschnittswert der be- stimmteren Schätzungen als Vergleiclisniaßstal) zu Mrunde zu legen. Ich fand:i) die Distanz zwischen Schätzungs- und WirkJiehkeit'^daten (c. gT. s.) bei Knaben weitaus gritßer als bei den Mädchon. Die Distanz war bei den Knaben um dtus 12. bis 13. Lebensjalir herum sehr groß; das späten' Alter machte vorsichtiger, auch kamen reich- hcher nachträgliehe Korrekturen vnr.

Wesentliciier sind die Antu orten auf Frage 14 nach dem Lieb- lingsbuch und eine Zusammenstellung aller Hücher, die für die ein- zelnen Geschlechter auf den besonderen AlteiNstufen als solche be- zeichnet wurden, die gelesen worden waren. Die letzte Zusammen- stellung erfolgte auf Grundlage der Antworten auf Frage 14c. Die erste Angelegenheit gestattet wieder einen Vergleich mit den Resul- taten der früheren Untersuchung. Ich stelle die Ergebnisse zunäciist ohne Rücksicht auf die früheren Beobachtungen hier zusammen.

Ich glaube am kürzesten verfahren zu können, indem ich zu- nächst die Titel der genannten Bücher verzeichne; im allgemeinen darf man sie mit einem Pluszeichen versehen, weil das Gedächtnis sie wertbetonte. (Zwischenein möchte ich nur noch bemerken, daß in sehr vielen Fällen unmöglich war, den Verfasser des Buches fest- zustellen, doch charakterisiert der Titel desselben den Inhalt mit hin- länglicher Deutlichkeit.)

Knaben

Stufe I

Schillers Werke, (foethes Werke, Im wild*Mi Westen, Die (ieier- Wally, Die Rose von Tannenberg. Sigismund Rüstig, Chaf Moltke, Waldferien, Ut Ilenhek, Reise um die Welt. Kapitän Jack. Hauffs Märchen, In der Wildnis, Odyssee, Lessings Werke, Märclien von Anderson, Grimm und Bechstein, Heidi (Bd. I u. II). Aus dem Leben eines Taugenichts. Marschall Vorwärts. Reuters Werke. Am Kongo, (refiederte Baukünstler. Tausend und i.'ine Nacht. Kriegs- novellen. Die Ahnen. Siegfiiedsage. Jägers Weltgeschichte. Der trojanische Krieg, i^lutterliebe der Tiere. Aus großer Zeit. Nil)e- lungen. üt Ilenbek. Schleswig-holst. Sagen. Fischeln Jugendgrüße. Ein deutscher Ritter. Die Kapelle bei Wolfsbühl. Das beste Erl)teil. Willielni Teil. George Wa.shingt(jn. Gudrun. Pole Poppenspiüer. Entdeckungen in Haus und Hof. Till Eulenspiegel. Wilhelm der Große. Brehms Tierlebeu. Onkel Toms Hütte. Münchhausen. Her-

loh gebe keine speziellen Daten.

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376

AviBltEe

mann und Dorothea. Als ich noch der Waldbauerabub war. Der Sohneider von Gastein. Das Knabenbuch. Die Fröschweiler Chronik. Babinson. Heimgarten. Erzählungen eines alten Hannes. Ledei^ strumpf. Eriminalroman. Vom Matrosen nun KflnsÜer. Enzt Jansens Abenteuer. Der Wildtötor. Lustige Oescbiohten. Der alte Dessauer. Bozen&milie. Nettelbeclc Auf der Pniiie. Wifimanns Beisen. Kapitän Hotteras (?). Quo yadis. Otoli, das Folenmidchen. Der kleine Oraf. Sine gefangene Nachtigall. Die Sohloßmutter. Im Dschungel. Eiautschau. Die Ditmaischer. Brave Leute. DasScheosai von la Orange. Entdeckungsreisen in Feld und Flur. Das Oeheimms * des Schreibtisches. Der Pfadfinder. Die Einder des Auswanderen^ Der Drache am gelben Heer. Emin Pascha. Hans Stazck. Der ietate Hohenstaufe. Die Bärenjagd. Der Ural. Die starke Hand. Eckehard. Verwehte Spuren. Das Yermächtnis des Inka. Auf dem Eriegsp&de. Die Diamanten des Peruaners. Ereua und quer durch Indien. Indianergeschichten. Das Giücksschift Wallenstein. Jugend- streiche. Die Waise 7on Lowood. Strandl&ufer. Yogelbuch. Ost- seesagen. Heinrich von Flauen. Im Feuer. Orkan auf Euba. Savo- jaidenbalL Das Erdbeben von Lissabon. Ein Flug ins Zauberreich. Der Skalpjäger. Der Rattenfänger. Der dentsch-finuuösische Erieg. Im Ooldlande. Tierschutzkalender. Die letKten Tage von Pompeji Gründung von Buffado. Die FrithjofB-Sage. Es war einmaL Heut» mir, morgen dir. Was Gott tut, das ist wohlgetan. Schwarze Galeeren (Babe). Die Ostindien&hrer. Die Belagerung von Eolbeig. Die Bache des Indianers. Vaterländisches Ehrenbuch. Eii^gsdironik 1870/71. Utmine Stromtid. Der Spion. Der Waldläufer. DerHensoh und seine Basse. Im Osten Asiens. Die Harine am Eongo. Der letzte Hohikaner. Heinz Treuaug. Onkel Titn& Im dunkeln AMa, Der Geizhals. Schloß Wildenstein. Friedrich der Qrofie und sein Bekrut Frösohweiler Chronik. Der Leuchtturm. Erzählungen eines alten Seemannes. Der kleine Lord. Gefunden. Marks Biff: Der Mulatte. Am Wegesrand. Geschichte eines Bekruten anno 13/14. Wilhelm Teil Götz von Berlichingen. Das edle Blut Träumeruea an fisnzösischen Eaminen. Amerikas (?) Befreiungskrieg. Die fnui- zdeische Bevolution. Schweizer Geschiditen. Geschichte der Erde Der Eampf in China (?). Prinz Heinrichs Heise um die Welt Das Volk steht auf. Die Entdeckung Amerikas. Das Volk steht aa£ Der gestiefelte Eater. Ein nordischer Held. Gefunden. 18 Jahre in Südafrika. Der weiße Häuptling. Deutsche Charakterköpfe. Allerlei Märlein und Schwänke. Tiermäichen. Die Hosen des Herrn V. Bredow. Lohn einer guten Tat Glückskindle. Deutsche Lands^

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Lobsien: Riad uad Kuost

377

knechte. Der kleine W alüsciiiunger. Der Elefautenjäger. Der ßatten- fiinger von Hameln.

Stufe II

Jack. Die Bärenklaiie. Der Goldsh-iimpf. Kurt Jansens Aben- teuer. Onkel Toms Hütte. Ein Seesturm. Der weiße Häuptling. Robinson. ImliaiuTbuch. Der Trapper. Inlichter. Der flie^rende Koffer. Waldnioisters Brautfalirt. Der Untergang der l^iraton. Der weiße Biber. Zt liu Jahre auf dem Eise. Eine Reise um die Welt. Indianergeschichten (viele!). Heinrich von Plauen. Robinson. Der Reiter ohne Kopf. Der Pfadfinder. Der Waldläufer. In der Wildnis. ' Unter deutscher Flagge. Der Wildtöter. Treu bis in den Tod. Kloin und groß. Aus dem deutsch -französischen Kriege. Die Woche. Deutsche Helden. »Ein ]ilärchenbuch c (sehr oft). Ziethen. J. Wullen Wewer. Atolle, die kühne (?). Der Sohn des Paschas. Rübezahls Streiche. Bechsteins Märchen. Der Wildtöter. Gauner- leben. Gespenstergeschichten. Hänsel und Grethel. Bobinson. Die Wilden Afrikas. Märchenbücher.

Stufe in

Faust ISÜi Eulenspiegel. Fiesko von Genua. Die Bäuber. Erichs Eerien. Heidi Ehre und Pflicht Mein ist die Rache* Bobinson. Ledeistmmpf. Der Skalpjäger. Sigismund Blistig. Unsere Karine. Max und Moritz. Ben Hör. Bheinlands Wunderiiom. Der Krieg in Transvaal Hauffo Mfirchen. Der Skalpjäger. Der Eährten- raeher. £arl Maj. GenoTeva. Heldenmut Die Goldgräber in Kali- fornien. Bismarck. Der rote IVeibeuter. Unschuldig zum Tode ver- urteilt

Stufe IV

Der rote Freibeuter. Kiibezahl. Tausend und eine Nacht. Schillers Werke (!) Das Flottonbuch. Münehhaiison. Till Eulenspie^el. Der Schneider von Jiiterbo^^ Gartenlaube. Rcinecke Fuclis. Die Zeitung (?). (nülivei-s Reisen. Rübezahl. Die Ody.ssee. Prinzeß Elisabeth. Das Knabenbuch. Der Waldläufer. Der weiße Falcke. Ka.spar Ohm und ick. Der kleine (iraf. l'iratenschiffe. ]\lüneli- hausen. Kämpfe mit den Rebellen. Ostindienfahrer. Miinchhausen. Volldampf voraus!

Stufe V

Kriegsbuoh 1870/71. Die Woche. Märchenbücher. Chinafeld- zug. Dentsch-Sadwestafrika.

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378

Mädchen Stufe I

Tküteköpfchen. Töchtenlbum. Atis Pension und Leben. lichten- stein. Susanne. Elthe. KmdSimationsjahr. Böse v. Higenow. WÜd- fang. Stiefanütteidien. Weite, weite Welt Goldelse. Backfischcheos Leid und Ireud.

Stufe ü

Kleeblatt Heidi. Irotaköpfohen. Was das Leben bringt Töchte^ Album. Pole Poppenspttler. Käthe. Märchen. Rosen und Domen. Maibliimon. Trostblümchen. In der Pension. Silberblicke. Die Jugend. Trotzköpf chen. Goethes Werke. Kriegshelden. Andersens Märchen. Bechsteins Märchon. Grimms Märchen. Kinderlust Robinson. Märchen. Bibel. Wat Giotmatter verteilt Geisha. Kinderwelt Die Rose von Tannenberg. Ans eigner Kraft. Kulen- spiegeL Schillers Werke. Irmgaid von Treuenstein. Bealienbach (Kahnmejer u. Schulae). Quickbom.

Rtufo III

Elisabeth. Im Mai des Lebens. Küthe. Prinzeß ürethe. Priiiz.'ß Ilse. Dalli. Lottchens Ponsionsbriefe. Ruth und ihre FreuDde. Provinzniädül. 50 Sonntage. Rose von Taunenberg. Robinson. Aus Nah und Fern. Der Arme und der Reiche. Klaus der Traunior. Hansel und Grethel. Als ich noch der Waldbauernbub war. Fritz und Franz. Kulenspie;j:el. Ta^^ebueh dreier Kiuder. Kathcliens Schick- sale. Seimas Unfall. Aus sonnigen Taften. Max und Moritz. LilÜ und Erna. Der .jugendheinigarten. Die zelin Gebote. Ein DraniÄ auf dem Meere. Mädcheugescliichten. Theresens Tagebuch. Henriette Köhler. Trostblümchen. Die schwarze und die weißo Braut Die Ostereier. Aus eigener Kraft Indianergescliichten. Das Häuschen am See. Wilhelm der iSiegreiche. Heldensagen. Tausend und eine Nacht Klein Maitlia. Das Erdbeben von Lissabon.

Stufe IV

Selige Zeit. Die kleine Wilde. Fräulein Dr. Die Heideiwe. In der Pension. Eva v. Rosenberg. Rose von Tannenbeig. Oiiaeldis. M ä r c h e n q u e 1 1. G ri nuns Mäichen. Bechsteins Märchen. BobinWi» Heinzelmännchen. Sagen.

Stufe 7

Einderreime. Bobinson. Struwelpeter. BoseuhÜtte.

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Loobiem: Kind uud Kunst

379

Die Stufen T und 11 der Mädchen enthalten lodifj^licli die ver- zeichneten Lieblin^biicher, das ausführliche Verzeiclmis hat ein un- glückliclier Zufall vernichtet. Hintenacli erwies sich als unpraktisch, die verzeichneten Liehliiit;shücher in der ohij^en Anj^ahe zu unter- streichen; zunäclist wegen der ^rrößeren Anzahl der «renannten Büclier und danu weil wohl veranlaßt durch die gewiesene Reihe der Fragen nicht immer die Lieblingsbücher in der allgemeinen Auf- zählung erwähnt wunlen. Ich sehe mich daher genötigt, bevor ich allgemeinere Schlüsse ziehe, die Bücher, die besonders bevorzugt wurden, hier anzumerken. Natürlich fallen Stufe I und II der Mäd- chen aus. Die Wertbezeichnung geschieht in derselben Weise duich Unterstreichen.

Lieblingsbücher

1. der Knaben

Stufe 1. Kampf um Rom. liliade. £ckehard. Zriny. Schillers Werke. Deutsches Knabenbuch. Seeromane, Im höchsten N(«iden. Himmelsknnde. Der Jugend üeimgarten. Sagen. Brehms Tierleben. Odyssee. Flottenbuch. Koblnson. Heiz. Der alte Fritz. Welt- geediichte. Waldbauernbub. Nibelungen. Burggraf und sein Schild- knappe. Fiiedrich II. und sein Rekrut. Der alte Derfflinger. Die deutsche Ruhmeshalle. Reuters Gedichte. Prinz Heinrichs Reise um die Welt. Grimms Märchen. Wat Grotmutter verteilt. Jöre ÜhL Teil. Die schwarze Galeere (Rabe). Schleswig-holsteinische Sagen. Lederstnimpf. Tausend und eine Nacht Der Seekadett Ein Kapitän von 15 Jahren.

Stufe II. Märehen. Indianergeschichten. Kaiser Wil- helm I. Leben. Höllenfcuer (Rosegger). Tausend und eine Nacht. Sigismund Rüstig. Gullivers Reisen. Heinz der Lateiner. Der Buren- krieg. Robinson. Das edle Blut. Kriegserlebtiisse eines Freiwilligen. Bibel SchuUesebuch (IX). Chinafeldzog. Teil

Stufe in. Urelieii. Indianergesohichten., Skalpjiger. Sigismund Rüstig. Max und Moritss. Entdeckungsreisen. Bobinson. Prinz Heiniichs Beise. Hanff. Witzbuch. EnlenspiogeL Jugend. Slottenbooh.

Stafe IV. Heinzehnlinnchen. Flottenbuoh zu 3,50 M. Nutzen der Geflügebsuchi Bobinson. Jugend-Gartenlaube. Kaspar Ohm und ick. Ledentarumpf. Ureheii. BttbezabL Der kleine Gral Tanzend und eine Nacht Httnsel nnd GreteL Gullivers Beizen. MOncfa- hanseii.

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380 AuMtze

Stufe Y. Märchen. Abenteuer. Onkel Toms Hütte. Der ge- stiefelte Kater. Der tapfere Schneider. Tausend und eine Xacht Emin Faschab. Die eiserne Hand.

2. Miidchon

Stufe in. MSrehen. Herzblättchens Zeitvertreib. Heimatlos. Töchteralbum. Heidi. Jugend- Gartenlaube. Wat Orotmatter ver- telit Erdbeben von Lissabon.

Stufe IV. Märchen. Max und Moiits. Märchenquell (Blütfa^).

Schwanke und Schnurren.

Stufe V. Märchen. Robinson. Goethes Werke (!). Rein äußerlich betrachtet, zeigen sich schon charakterisri>che Unterschiede der boidon (leschlechter sowohl bezüglich der Auzakl der ausgewählton Licbluigsbücher wie der Anzahl der genannten Bücher überhaupt. Unliorechnet die Häufigkeit einzelner Titelanpiben konnte ich folgende Anzahl verschiedener Titel der Lieblingslektüre auf den einzelnen Altersstufen verzeichnen:

Stufe JKnab«! Mttdobea

T 36

II 16 13

m 13 35

IV 14 8

V 8 4

VI 3

Insgesamt: ^ 17,4 ~ « 12,6.

n 5

Die Gesanittitel berechnete ich für die einzelnen Stufen:

Stufe Knabea Mftdohen

I 179

XI

m 28 -

IV 26 9

T 5 4

VI 3

Insgesamt: ^ 66,6 ^ 5,0.

Im allgemeinen sind die Knaben den Häddien nicht nnireeent- lieh überlegen m der Mannigfiedtigkeit der Gesamt- sowohl als der gewählten lieblingslektOre. Leider fehlen die Daten fflr Stöfs I and II

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Lobsuk: Kind und Kunst

381

der Miidchen über die Zahl der insc^csamt f^elesenen Bücher. Für Knaben läßt sich jedenfalls ein starkes Wachsen der Literatur- kenntnis von Stufe Y I knusratiiMeii in dem VerhiütnLs l : 16. Ganz besoudei^ stark beteiligt an dem Aufscliwung ist die Alters- stufe I.

Das p]ri;ebnis über die Auswahl der Lieblinirsbücher wird noch stärker beeinflußt durch die Wertbeton unir einztlner Schriften durch eine eri'ößere Schüleranzahl; darum mochte ich bei dor qualitativen Sonderwertune: arst näher darauf eingehen. Sie deuten an, welche Art Lektüre der Mehrzahl der ScliiUer besonders zusasrt. Im all- gemeinen zei'splittert sich das Interesse der Mädchen nicht über eine ei'iWjere Anzahl einzelner Schriften, man beobachtet bei ihnen viel- mehr weit größere l.'ljeremstimmung in der Wahl besonderer Lek- türe, zahlreiche Interessen vereinii;(»n sich auf ein Buch, eine Art Literaturerzeugnis. Das Interesse der Knaben geht auf das Viele, ganz besonders auf der Altei'sstufe vom 13.-15. Lebensjahre. Ich schließe daraus, daß die ^Krankheit«, fiie man selii' bezeichnend Lese- wut genannt hat, bei den Knaben natürlich auf den hier in Frage kommenden Altei"sstufen wesentlich häufiger vorhanden ist, als bei den Mädchen, ein Ergebnis, das auch durch meine sonstigen Beob- achtungen im großen und ganzen bestätigt wird.

Wie hat man sich diese Ei'scheinung zu erklären? Zunächst dai-f man darauf hinweisen, daß der Drang des Knaben ül)erhaupt ins Große und Viele hinausgeht, während das Mädchen mehr sinnend bei dem Einzelnen zurückbleibt. Ich erinnere an die Sammi^lwut des Jungen, die zumeist charakterisiert ist durch dio au.--gesj)i-ocheno Ab- sicht, es dem andeni zuvor zu tun ; ich erinnere zum Beleg ferner an zahlreiche Ergebnisse tius meiner ersten Untersuchung über Kinder- ideale. Dann muß erinnert werden an die ungleich grt>ßere Be- deutung .schweifender Phantasie in gewissen Knabeiijalireu, die in mancherlei Lektüre N\il!kommene Unterstützung erfährt. Vor allen Dingen darf man niiht vergessen, daß Mädchen ungleich stärker suggerierbar sind als Buben. In dieser größeren Suggestibilität liegt begiündet, daß sie vielmehr der Mode, dem ürteile der Umgebung^ auch seiner Genossinnen unterworfen sind. Der Knabe hingegen fühlt in sich den Drang jeweils diesen Umweltszwang zu durchbrechen, er ist auch im ganzen freier in seinen Entschließungen, findet keineB- wegs dies oder jenes Buch »schön«, weil sein Nachbar so darftber urteilt Der Knabe ist urteilsweiter, urteilsfähiger als das Mädchen in der Wahl seiner Lektüre das geht mit genügender Deutlichkeit aus den obigen Zahlangaben herror.

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882

AnlBitse

Freilich wurde nur die quantitative Seite des Ergebnisses m Auge gefafit Was man von diesem Gesichtspunkte aus bereohtigt ist als größere Urteilsfiihigkeit anzusprechen, ist keineswegs immer asuzugeben, wenn man qualitativ wertend herantritt Die ürteUs- filhigkeit ist nicht sowohl abh&ngig von der Urteilsweite als von der ürteüsqnalitfit Es ist also notwendig, die au4gewihlte LektOie auf ihren Wert hin au pröfen. Das ist deshalb nicht gerade einfsch, weil das Urteil ttber den Wert eines Buches stark variabel ist je nach dem literazästhetischen Standpunkte des Urteilenden und swar derart, daß die Anaahl der Bücher, die einstimmig als wertvoll be- zeichnet werden, verschwindend klein ist Es empfiehlt sich daher, nur eine Grenzlinie zu ziehen zwischen dem Wertlosen and WerU vollen und diese linie nicht gar zu hoch zu veriegen. In der Tit ist die linie, die das schlechterdings als ungeeignet zu Bezeichnende abgrenzt, ungleich leichter zu ziehen als jene. Wir ziehen diese Linie also so, daß oberhalb derselbcSn die mannigfachsten Werturteile mdgUch sind, die vielleicht oft nahe an die GrenzHnie herankommen in ihrer negativen Fassung, aber doch in der Gesamtfossung sie nicht nach unten zu überschreiten vermögen. Das auf die Gefahr hin, diß manchem der Maßstab zu niedrig bemessen scheint

In erster Linie konmien die bezeichneten Lieblingsbücher ia Frage, denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß unter den nU- reichen vordem genannten Büchern, von denen nicht wenige dea Eindem zufillig in die Hftnde kamen, manch minderwertiges enthaltea sein muß. Wenn trotzdem, wie bereits erwähnt wurde, schon in dem Umstände, daß der Titel des Buches vom QedSofatnis aufbewahrt wurde, eine gewisse Wertbetonung zu konstatieren ist, so sei ge- stattet, aus der Angabe dieser Bücher ein doppeltes zu konstatieron: 1. sie sind durch den Schüler erst in zweiter und dritter linie weit- betont; 2. wir lesen aus ihnen heraus, wenigstens zum Teil den be- stimmenden Einfluß interessierter Kreise, nicht zuletzt der Schule und des Hauses. Allerdings dürfte gewagt erscheinen, einen ge- naueron Maßstab anzulegen, ich bescheide miiJh daher, den Einfloß allgeniein zu behaupten oder zu verneinen.

Vorab jedoch noch eine Bemerkung. Nur in den seltensten F8Uen nannten die Schüler den Ver&sser des Buches und diese seltenen Fälle fanden sich nur bei der Angabe des Lieblingsbuches. Man wird offenbar daran erinnert, daß ein solches Verhalten volks- tümlich scheint £s gibt mancherlei volkstümliche literatnr in Poesie und Prosa, deren Verfasser bis auf den heutigen Tag unbekannt ge^ blieben ist Das Volk interessiert das Werk und nicht der VeifMser.

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Lmm: Kind und KoDst

38a

Aber für sehr bedenklich halte ich, wenn die Schule aus dieser Tat-^ Sache für sich das Recht lierloiten wollte, in gleicher Weise za ver- fahren. Sie hat die ernste Pflicht, hier ein übriges sa ton; sie muA Ton Tomheiein, wie zum Respekt vor dem Werk, so auch zum Bespekt Tor seinem Schöpfer erziehen. Das ist ein gutes Recht der Verfasser. Ich lese aus den obigen Angaben heraus, daß Haus und Schule ihre Pflicht in dieser Angelegenheit nicht in wtUischenswertem Maße erfüllen.

Blickt man die Reihe der verzeichneten Lieblingsbücher durch,. 80 kann man konstatieren, daB die erwähnte Grenzlinie nach oben stark überschritten ist besonders bei den Knaben. Jo weiter nach oben, desto günstiger ist das Besoltat Auf Stufe I der Knaben findet sich keine Angabe, die der Schondliteratar entnommen ist Auf Stufe n und HI beobachten wir zwar ein weit verbreitetes Interesse für die berüchtigten Indianerbücher. Daneben aber auf Stufe II V ein bedeutend stärkeres Interesse für Märchen. Auf Stufe I wird Robinson am häufigsten bevoizogt, ein neuer Beweis dafür, daß man auch auf . diesem Wege eine Märchen- und eine Robinsonstufe feststeilen kann; sie erstreckt sich aber weit über den Umfang eines Jahres hinaus. Die von den Mädchen genannten Lieblingsbücher tragen einen wrirbpren > mädchenhaften c Charakter, stehen auch an Wert den durch die Knaben gewählten oft nicht un- bedeutend nach. Da führt der Weg über »Seimas Unfall« zu »Back- fischchcns Leid und Freud«, da hören wir vom »Trotzköpfchen«, von Lottchens Pensionsbriefen, von Herzblüttcliens Zeitvertreib, auch die »Geisha« und das »Provinzmädel« darf niclit fehlen. Schon der Titol verrät hier, Mache, Absieht, wollte Kindlichkeit, die voranlassen, daß die Wahl sich sehr viel niihcr der (irenzzone bewc^;t und öfter über dieselbe himinterr.i^t. Dem Kimbon (liiifto man mit dieser süß- lichen Absichtliclikeit nicht kofnmen, sie widerstrebt ihm, während das Mädchen dadurch su<:^oriort wird.

In Snnima dürfen wir behaupten, daß das Gesamtergebnis der Erhebung durchaus als günstig l)ezeichiiet werden muß, daß diejenigen, die von großem Verderb und irroller Barbarei reden, keineswegs recht haben, soweit es sich um die vorliegenden Altersstufen handelt allerdings wie es dann femer ausschaut, wie weit die Kiiitiüsse der Schule und des Hauses dauernd wirken, ob und welchen Ein- fluß die kritische Zeit ausübt das liegt jenseits vorheizender Be- trachtung. Die traurigen Verirrungen mancherlei Art, die (Joschmacks- verderhnis aber das geht aus obiger Betrachtung!: auch für jene Zeit hervor hängt eng zusammen mit den veräuderteu ümwelts-

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Aufsätze

einflüssen. Berecliti^te erziehliche Maßnahmen kunstpädagogischer Art würden zweifelsohne eine starke Prophylaxis bedeuten.

Schiller ist Lieblingsdichter der älteren Knaben, die Miidchen neip:en zumeist zu r;o('tlu\ den sie vorwiegend aus seinen Gedichtet und den ersten Ürami'n kennen.

Die vcin den deutschen Prüfungsausschüssen für die Jugend insbesondere empfohlenen Bücher sind auch hier nicht zahlreich zu finden.

Das Schiülesebuch wird ganz vereinzelt als Lieblingsbuch be- zeichnet; etwa 5 mal unter den vielen tausend Angaben. Das Er- gebnis meiner ei'sten Uiitersuchung ist also erneut bestätigt worden. Ich kann erneut meine Verwunderung darüber aussprechen, daß das Lesebuch, diis Schulbuch, an dessen Verbesserung 100 tüchtige Köpfe arbeiten und gearbeitet haben, so geringer AVertschiitzung begegnet; das Krstaunen ist um so berechtigter als zu den dort in Frage kommenden Büchern: Schneiders Kinderfreund und Vaterländisches Lesebuch von Keck und Joha.nnsen hier die FECHNEKschen Bücher hinzukommen. Liegt die Ursache dieser Erscheinung in dem Lese- buch oder an der Behandlung? betrübend ist sie jedenfalls.

Auch das Verzeichnis der Bücher, die angeblicli insgesamt ge- lesen worden waren, zeigt deutlich eine Neigung zum Märchen in den Alti'i-sstufen II V. Weit stärker als bei den Märchen der Vorgang ist an der Hand des Verzeichni.sses sehr interessant zu ver- folgen — setzt die Neigung ein. in die Ferne hiiu\uszuschweifen: das Kol)insoninteresse es sei gestattet erwacht und wächst be- ständig. Die sehweifende Phantasie erfreut sich an den Indianer- geschichten, am Lederstrumpf, Sigismund Küstig. Doch sehen wir die Phantasie auch diszipliniert und ein nicht geringes Interesse an historischen Dingen greift ein. Daß den Kieler Kindern das Meer und die Kriegsflotte es angetan hat, ist ja nur sell>stvorständlich.

Naturwissenschaftliche, geographische u. ä. Bücher finden kaam Erwähnung: die Handlung packt den Schüler, nicht die Beschreibung und sei sie noch so lebendig. Krieg und Kampf fesselt den Knaben: die kriegerischen Ereignisse zur Zeit Friedrichs des Großen, 1870/71? im Osten, in Afrika, einzelne kriegerische Helden begeistern ihn. Dieser kindlichen Eigentümlichkeit muß der Unterricht Rechnung tragen. Das Vorhaben jeuer Neuerer, die Weltgeschichte ganz oder nahezu ganz in Kulturgeschichte aufgellen lassen wollen, ist Tom Standpunkte der Eindeeseele als unpsjchologisch zu verwerfen. ISn solches Verfahren teüt mit so vielen andern den schweren Naohieil, 4laß es das Kind als solches nicht wertet, daß es in demselben den

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LoBBODi: Eiiid and Kunst

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kleinen Erwachsenen sieht. Solange die Psychologie des Kindes nicht auf einwandfreiere Beobaclitiing, d. h. solche, die durch subjektives Meinen ungetrübt ist, gegründet wird, solange wird die gefährlichste Eigenschaft des Routiners, sich selbst, wenn auch hier und da mit etlichen Subtraktionen in den vor ihm sitzenden Zögling liineinzu- projizieren und dementsprechend Unterricht, Regierung und Zucht zu gestalten nicht als solche erkannt und verurteilt werden. Hier ruhen der experimentellen pädagogischen Psychologie meines Er- achtens die wichtigsten Aufgaben und der Kundige weiß, wieviel ernste Arbeit heute schon in dieser Richtung geleistet worden ist, allerdings auch, wieviel Mühe es auch offensichtlichen Walirheiten kostet, (las Trägheitsmoment gewohnter und bequemer Anschauungen zu überwinden.

Im Gegensatze zu den Knal)en, weist bei den Miidchon die Titel- anerabe — mit Ausnahme der unteren Stufen nahezu immer ins Haus hinein oder in dessen nächste Umgehung, sie weist auf eine Neigung zu stilien, geordneten, dem Zufall entrückten Verhältnissen.

7. Welche biblische Geschichte ist dir die liebste?

Die Frage steht m. dem Thema ansoheinend in lockerem Yer- bande, doch hoffe ich, zu der kurz voiher erörterten Angelegenheit mancheilei Ergänzung za finden. Ich ordnete die Antworten nach folgenden Gesichtspunkten: Jede Antwort erhielt eine Kennziffer, die die lelative Häufigkeit des Vorkommens andeuten sollte; Antworten die sporadisch auftraten, habe ich ander Rechnung gelassen.

Knaben Stufe I

Geburt Christi (6). Einzug in Jerusalem (1). Jüngling zu Nain (1). Gleichnis vom verlornen Sohn (1). Die Kreuzigung (2). SamueL Sturm auf dem Meere (1). Bergpredigt (1). Simsen (1). Geth- semane (1). Der Fischzug. Pauli Reisen (1). Daniel in der Löwen- grube. Die Schöpfimg. Die Himmelfahrt

Stufe n

Geburt Christi (5). David und Goliath (1). Kreuzigung (4). Bergpredigt (2). Jesus der Einderfrennd. Daniel in der Löwengrube. Joseph bei Jericho. Durchzug durchs rote Meer. Schöpfung. Sturm auf dem Meere. Joseph wird yerkauft

ZlitNlvUt f&r Fbik)«)phie and Ftdacogik. 12. Jahrgang. 26

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Anfaätse

Stufe m

Kreuzigung (9). Geburt Christi (6). Joseph wird verkauft (5). Jesus in Gethsemane (3). Der zwölfjährige Jesus im. Tempel

Stufe IV

Die Kreuzigung (5). Geburt Christi (4). Bergpredigt (6). Jesus segnet die Kinder (2). Petri Fischzug (7). Himmelfahrt, Hochz^-'it zu Kunu. Der Hauptmann zu Kapemaum. Jakob und £sau. Abrams Verheißung.

Stufe V

Geburt Christi (2). Kreuzigung (7). Mose Berufung. Naboth. Sauls Salbung. Schöpfung (2). Jakob und Esau (2). Die Sündflut (2). David und Goliath (3). Kain und Abel. Das Paradies. Adam und Eva. (Bern.: Die biblische Geschichte war hier nur bis Joseph be- handelt worden.)

Madchen

Stufe I

Christi Geburt (4). leiden Christi (10). Joseph im Gefängnis (5l Kuth (3). Hochzeit zu Kana. Der zwölfährige Jesus im Tempel Paradies. Jesus segnet die Kinder. Der Jüngling zu Nain.

Stufe II

Christi Geburt (2). Christi Leiden (6). Auferstehung (1). Hoch- zeit zu Kana. Jüngling zu Nain. Schöpfung. Der barmherzige Samariter. Die Waisen aus dem Morgenlande. Abram und Lot Speisung der Fünftausend. Die Jünger in Emmuus.

Stufe in

Geburt Chiuti (10). Beigpiedigt (1). Kain und Abel Tom ▼edomen Sohn. Hoohselt zu Kana. Speigiuig der 6000 Hann. Bio Sohdpfang. Die Kieuzigung. Der Sturm auf dem Heeie. Elias anf Horeb.

Stufe IV

Geburt Christi (7). Kreuzigung (3). Joseph wird TeEfanift (9). Hauptmann au Eapemanm. Die drei lünner im feurigen Ofen.

Stufe V

. Speisnng der 6000 Mum. Hoehaeit zu Eana. Jakob und Bnn. Johannes der Tftuler. Die Ezeoaigong. Die Schöpfung. Der Stom auf dem Meere. Der Jtbig^ing zu Nein. Eain und Abel

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LomiN: Kind and Kunst

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Man könnte tlie Erwartung hegen, daß das jeweiLß gewiesene Pensum für die Wahl der bevorzugten biblischen Geschichten maß- gebend gewesen sei. Der Eimvand darf nicht ganz von der Hand gewiesen werden. Aber doch belelirte eine Durchsicht der Pensen, daß dieser Einfluß nur gering eingeschätzt werden darf.

Ich vemachliLssige vor der Hand die Angaben, die keine Nummer erhalten haben und berechne aus den übrigen folgende Gesamtwerte:

Sonderwertbetont sind folgende Geschichten:

1. Christi Geburt,

2. Christi Leiden, ['). Bergpredigt

4. Joseph wird verkauft,

5. Petri Pischzug,

6. Joseph im Gefängnis,

7. Ruth,

und z^ar durch folgende Gesamtdaten: 1 = 5, 2 = 6, 3 = 1, 4 2, 5 » 1, 6 Y,, 7 0,3. Christi Leiden begegnet dem stärksten Interesse, wohl wegen der lebendigen dramatischen Vorgänge, in denen es sich abspielt.

Achten wir auf den Unterschied der Geschlechter:

Knaben

Clmsti Geburt ....

5

5

Chzisti Leiden ....

7

5

2

0,2

Joseph inid Terkunft

2

2

Petri lüsohzug ....

M

0

Joseph in Gefangenschaft

0

1,5

Rath

0

0,8

Eb offenbaren sich keine bedeutsameren Unterschiede.

Ein Blick über die Gesamtheit der genannten biblischen Ge- schichten bezeugt, daß sie überwiegend dem neuen Testamente und nur in wenigen Fällen dem alten angehören. Wir dtirfen daraus entnehmen, daß das neue Testament dem kindlichen Geiste nfiher liegt, als die Kulturwelt des alten Bundes und femer daß die- jenigen recht haben, die da yerlangeu, daß das nene Testament nnd das Leben des Heilandes weit mehr in den Yordergmnd des Beli- gionsuntenjehtes gestellt werden müßte als das bisher m geschehen pflegt

Für nnsere yorUegende Anlgabe aber entnehmen wir der Auf- zühliiDg: das Belebte^ das dramatisch Bewegte zieht die Kinder an

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AofrttM

und öffnot ihnen Herz und Sinn auck für schwierigere Gedanken- gänge.

Nicht unerwähnt will ich hier zum Schluß lassen, daß auf die Frage nach dem liebsten Unterrichtsfache von 500 Schülern nur 7 den Religionsunterricht nannten und zwar von den Knaben 2, von den empfänglicheren Mädchen 5 offenbar ein zähienraäßiger Nach- weis, daß trotz der ungeheuren Arbeit, die gerade diesem Unterrichts- zweige seit Jahrhunderten gewidmet worden ist, man immer noch nicht die verläßlichsten »neuen Bahnen« f^efunden hat. Denn dem Einwände gleich zu begegnen nicht etwa maugelhaftem Eifer der Lehrenden ist das in die Schuhe zu schieben: es hatten 10 Lelir- personen sich mir dankenswert zur Verfügung gestellt für die Samm- lung des Materials und ich weiß, daß die meisten von ihnen den Religionsunterricht mit Eifer und Wärme erteilten.

(SohhA fol^.)

Leitsätze für den biologisohen Unterricht

Von

O. Pfannstiel, Uüdburghauä6n (Sohlaft)

H, iPnitnffiiiitffrigfti^ HtiiftiB uBil BöobMiitmgvttlQStDlMtt

Der biologische Unterricht ist in erster Linie ein ünte^ rieht der Anschauung. Nur auf ihrer Grundlage darf das Lehrgebäude aufgerichtet werden. Die Technik des Qafal^ histoiisohen ünterrichtee ist aber nicht im stände, jede Oelegenheit zur Beobacfatong willkürlich in der Natur oder in Form Ton Ve^ suchen oder FMiparaten zu schaffen. In allen diesen EUlen mSam die Anschauungen in der freien Natur gelegentlich gewonnen werden. Die Objekte sind zeitlich und räumlich sehr sevstrent^ und die Gelegenheit ist oft sehr vom Zufidl abhängig. Bin mit Yoisiolit geleiteter Unterricht wird deshalb eine auf der Mittelstufe duroh d«i günstigen Zufiül gebotene Beobaditungsgclegenheit anch dann woU ausnutzen, wenn der Gegenstand derselben eist auf der ObentofB Terwertet werden kann. So wird umgekehrt der höhere Untsniolit das Material und die Eigebnisse der Mittelstufe bei jeder giknstigw Gelegenheit ergänzen. Die Natnr ist nirgends pedantisch; deshilb kann es auch die Naturbeobachtung nicht sein.

Für alle lUle gilt bezfiglich der Unterrichtstoohnik als oberster Grundsatz, daß Tor jedem andern Schritte ftli ein brauob-

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TwAxaiBnEL: Leitsätze tax dea biologüchen Untomoht

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bares und hinlängliches Anschauungsmaterial zn sorgen ist. Mit ihm steht und fällt der Erfolg, ja zum Teil sogar die Möglich- keit des naturgeschichtlichen Unterrichts. Eine besondere Sorgfalt ist den technischen Hüfemitteln auf der Oberstufe zuzuwenden, weil ihre Objekte wegen ihrer Kleinheit vielfach der Wahmehnibarkeit durch die freie Beobachtung entzogen sind, oder weil das für den Unterricht Wertvolle erst von einer Last von Beiwerk befreit werden maß. Mikroskopisches Pr&parat, plastische Nachbildung, schematische und naturgetreue Zeichnung und Experiment sind Dinge, ohne welche sich der Unterricht in einem beständigen YerhungernngsEnstande befindet.

12. BidogiMhar Untanloht and Koai— ntratioin*)

In den Abschnitten 4 bis 10 ist dargelegt worden, weiches Prinzip dem biologisohen Lehrgänge zu Grunde liegen muA, wenn klare Begriffe erzeugt werden sollen. Aber die sichere Fundamen- tierang des sittlichen Charakters yerlangt mehr: es kommt auch dar- aaf an, daß diese Begriffe untereinander planmäßig verbunden und fest auf die Ideengruppe Ton der sittliohen Tüchtigkeit des Menschen bezogen sind. Der Gedankenkreis einer Person muß ein durch und durch einheitlicher sein.

Daraus entspringt für die Lehiplantheorie em merkwürdiger Zwie- spalt Die Erzeugung klarer Anschauungen und sauberer Begriffe macht ihrerseits eine Spaltang des bunigearteten Lehrstoffes nach den inneren Verwandtschaften notwendig. Ja der Grad dieser Arbeits- teilung gilt als ein äußerlicher Maßstab für die Eulturhöhe eines Schulsystems. Somit wirkt die Terfeinerung der Unterrichtsarbeit an sich der Yereinheitiichung des Gedankenkreises gerade entgegen: denn sie birgt die Gefahr in sich, daß in dem Zöglinge ebenso viele Sondergewissen geschaffen werden, als Unterrichtsfiicher vorhanden sind.

Andrerseits fordert die Idee von der sittlichen Persönlichkeit, daß aller Unterricht auf ein Zentrum gerichtet sei, und daß alle Lehre nur eine Lehre seL Dem wäre am sichersten zu entsprechen, wenn es nur ein einziges, kosmologisches Unterrichtsfech gäbe. Dies kann in der Tat im ersten elementaren Unterricht bis zu einem hohen Grad erfüllt werden. Die Begriffebildung ist auf dieser Stafe noch

') YeigL BoniiiL, Über Beformbestr. anf dem Oeb. des natOri. Unteir., Statt- gart, Nägele, S. 76 fl Koblmeter, Dae Mol. Frinap, Dresden, Bleyi Kämmerer, 6. 37 ff PARTHm a. Frobsz, Die neuen Babneii dee natürl. Unterr., Deaam, Kahles Verl., Ö. 32 ff.

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Aufsätze

80 einlach, daß umfangreichere Vorstoll ungsgnippen nicht nötig sind. Auf dieser Idee von dem einen Fache benilien die Lösnngs versuche Zillers und Relns. Sie gestehen prinzipiell uui- einer einzigen Materie Selbständigkeit zu, und diese ist mit Rücksicht auf den Erziehungs- zweck der Stoff des »Gesinnungsuntorrichtos«, d. h. rehgiöser und geschichtiiclier Lehi-stoff. Die Notwendigkeit des naturkundlichen Unterrichts ist dadurch bedingt, daß er die Mittel und Wege zei^rt, von deren Kenntnis die Realisierung des sif fliehen Wollens abhäugL Dieser enger umgrenzten Aufgabe entsprechend, hat die Naturkunde den religiös-historischen Unterricht auf iSchritt und Tritt zu begloiieu. Der Lehrgang aller realistischen Fächer ist durch den Stoff des Gesinnungsunterrichts in nuce gegeben. Sie dienen der Er- ziehung zum sittlichen Wollen nur unmittelbar, als Hilfsstoffe des Oesinnungsunterrichts. Diese Stellung im Lehrplane ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn in dem Stoffe des Realfaehcs Werte, die in unmittelbarer Beziehimg zu den Grundsätzen der sittlichen Tüchtig- keit stehen, nicht vorhanden sind. In Betreff der Naturkunde spricht gegen diese Annahme schon die einfache Tatsache, daß pow .lil die Naturereignisse in ihrer stillen oder erschütternden Erhabenheit als auch jede ernstlich forschende Beschäftigimg mit der Natur von jeher den nachhaltigsten Einfluß auf das menschliche Gemüt hervor- gebracht haben. Diese Ereignisse sind es sogar, die den alles unter- jochenden Menschengeist seine schließliche Ohnmacht nachdrücküchst haben erkennen lassen und in seiner bangenden oder zu Dankes- äußening drängenden Seele das Bedürfnis nach einem Gottesglauben entfacht haben. Sind aber derart in die Augen springende, unmittelbar auf den Erziehungszweck abzielende Werte in einem Lehrstoffe vorhanden, so müssen dieselben er- schlossen und ausgebeutet werden. Das »Realfachc bekommt dadurch seine eigene gesinnungbildondo Aufgabe und muß. wie oben dargelegt worden ist, denjenigen Weg gehen, der in der eigenartigen Natur seines Stoffes begründet ist Es muß freie Bahn haben, so gut wie der ßeiigions- und Ge- schichtsunterricht.^)

M VergL E. ScHKLLKR, »Naturk. Exkursioneoc, in Deutsche Bl. f. erz. U. 1879, neu herausgeg. im l'ädag. Magazin (Langensalza, Hermann Beyer k Söhne [Beyer & Mann], 1905), Heft 205 (S. 12—16). Benelbe, »Über die Onodtendens nitQiigeeoli. V.«, Fttd. Stodhim Bein, 1883, HL Dereelbe, IV. fklniliilir, 3. n>

4. Aufl. Dr. H. ScHan), »Der Hildiiugswort dpr Xaturw. i. d. Realschule«, in Z«it- schrift f. lat- inli>.e höhere Schulen, XÜ. 161—160. - Derselbe, »Wert n. Zifii das natorwissenschafü. U. in der Sexta«, daselbst, 7. Heft, 201—204.

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Pfannstikl: Leitsätze für den biologiädien Untenioht

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So ist der Lehiplan in der Tat auf swei sich widerstreitende Ftinzipien angewiesen, die, wenn sie einander unter allen Umständen ansschüeßen, jede gedeihliche Unterrichtsarbeit im Sinne des einen oder des andern unmöglich machen. Soll daher der Unterricht seine gewichtige Mission im Erziehungsplane erfüllen, so müssen Maßnahmen getroffen werden, welche die Gefahren der Arbeitsteilung beseitigen, ohne dieselbe im Prinzip illusorisch zu machen. Diese Vorkehrungen werden von der Didaktik unter dem Namen der Konzentration des Unterrichts zusammengefaßt Je weiter die Arbeitsteilung geht um so notwendiger ist sie. Spezialisierung und kon- zentrierende ^laßnahmen müssen zueinander in geradem Verhältnis stehen.

Den Versuch, den beiden zweischneidifreu Schwertern die gegen- einander gekehrten Schärfen zu nehmen, ist von der Herbart-Ziller- schen Didaktik ernstlich und zum großen Teile mit Erfolg unter- nommen worden. Der enge Anschluß des Fomienunterrichtes an den Sachunterricht dürfte keinen emsthaften Widersacher mehr finden. Das Ideal der Konzentration, nämlich das gänzliclio Aufgehen des einen in dem andern, muß aber im Interesse der Sauberkeit der Arbeit dem Teilungsprinzipe weichen, aber nur äußerlich ! Ebenso ist das Verhältnis dos religiös-etliischen zum natioiuil-historischon Untemchte im Sinne beider Lehrplanfi'agen sichergestellt: beide Fächer liaiion äußerlieh getrennte Marschrouton, um innerlich vereint zu schlagen. Den realistischen Fächern dagegen ist nur eine Trabantenrolle ein- geräumt. Es ist aber schon dargelegt worden, daß diese Stellung eine unzulängliche ist; daß sie das Prinzip der kulturhistorischen Stufen nicht zur Geltung kommen läßt und somit die Vorteile der Arbeitsteilung wesentlich herabsetzt. Es ist deshalb zu erörtern, auf welcher (irundlago die Konzentration des biologischen Unterrichtes (und weiterhin aller Realfächer) mit dem >Gesinnungsunterrichte€ durchgeführt werden kann.

Zuvörderst ist klar, daß die Konzentration der bezeichneten Fächer aus psychologischen Gründen nur mit Hilfe ihrer gleich- artigen Bestandteile erfolgen kann. Der gesamte Stoff ist der ein- heitlichen Erdenwelt entnommen. Er ist nur zum Zwecke der sauberen Begriffsbildung nach der inneren Verwandtschaft der Dinge rubriziert, indem dieselben aus ihrem natürlichen Zusammenhange herausgehoben worden sind. Mag daher auch die Differenzierung des Stoffes noch so weit gehen, es sind immer natürliche Berührungs- punkte zwischen den Fächern vorhanden.

Dieselben köimen von einzelnen Gegenständen, die in vef-

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Aufsätze

schiedenü Sachgebiete hineinreichen, gebildet werden. 80 tritt z. B. das Krokodil in der jüdischea, der ägyptischen und der Natur- geschichte Ulli.

Die Verwandtschaft kann aber auch durch den wesentlichen In- halt höherer und höchster Begriffe hergestellt werden, die aus den verschiedenen Lehi-stoffen frei zu machen sind. >>o kann der Segen eines geordneten Staatswesens und der imponierende Erfolg gemein- samer Arbeit sowohl aus der ägyptischen Geschichte, als auch aus der Biologie der Ameisen und Bienen gewonnen werden.

Diese beiden typischen Beispiele sind auf ihre Konzentratiüns- fahigkeit zu untei'suchen.

DiLS Krokodil tiitt bei der Entwicklung der ägyptischen Kultur- geschichte als ein Punkt in dem großen Bilde auf. Nicht dieses Tier, sondern der altägyptische Genius soll zum Verständnis gebracht werden. Das Reptil ist gefährlich und deshalb vermuteten die Ägypter, daß unter seiner Maske feindliche Mächte ihr T\ esen trieben. Von dem, was heutzutage die wesentliche Aufgabe des naturgeschichtüchen Unterrichts ist, war dem Altertum so gut wie nichts bekannt. Die histo- rische Rolle des Krokodils ist daher ohne die moderne naturwissen- schaftliche Aufklänmg vollständig zu verstehen. Es bedarf dazu nur einer einfachen sachlichen Erläuterung, etwa unter Benutzung eines Bildes, wie eine solche jeder andere im Geschichtsunterrichte auf- tretende unbekannte Gegensümd auch erfährt. Ein besonderer Unter- richtszweig ist dazu so wenig nötig, wie die Technologie zur Erkläninir der Werkzeuge, die von den Ägyptern bei ihren Bauarbeiten gebrauclit worden sind.

Die Aufgabe, welche im Gegensaü^ zum liistorischon der biologische Unterricht mit Hilfe des Krokodils zu erfüllen hat, ist ganz anderer Art. Das Tier erscheint hier als ein hoch kompliziertes Gebilde der Natur, das in morphologischer, physiologischer und entwicklungs- geschichtlicher Hinsicht zu analysieren ist. Daraus soll der Genius der schaffenden Xatur erkannt werden, der sich in Fonn dieses Geschöpfes eine für die gegenwärtige Welt charakteristische Variante seines einheitlichen Bauplanes erlaubt hat Der altägyptische Aber- glaube, der die Denkweise des großen Nilvolkes so vortrefflich UlH- striert, liefert seinerseits zur Lösung dieser biologischen Aufgabe keinerlei belangreiches Material. Das Krokodil im ägyptischen Kultof- hilde und als Gegenstand naturwissenschaftlicher Analyse bedeatea nicht denselben Stof^ sondern zwei relativ verschiedene Dinge. Ans alledem folgt, daß weder das Auftreten des Krokodils in der Ge- schichte dem biologischen Unterrichte, noch die biologische Betowli-

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FFAirasoEL: Leitsätze für den biologischen Unteiiicht

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tung dem historischen Unterrichte Veranlassung geben kann, daß jeder sich in seiner Weise mit dem Gegenstand des andern befasse.

Aber es ist auch gar nicht die Aufgabe der Konzen- tration, die Wege für die Erweiterung des Anschauungs- materials zu zeigen. Diese Absicht befolgt vielmehr das anta- gonistische Prinzip, nämlich die Arbeitsteilung. Sie will dahin führen, daß der Genius der lebendigen Natur erkannt werde, und erst in Verfolgung dieses Sonderzieles muß das Tier eine erweiterte Betrach- tung erfahren. Aufgabe der Konzentration ist es dann, dafür zu sorgen, daß bei dieser notwendigen Spezialisierung des Aus^rangsmaterials die innere P^inheitlichkeit der gesamten Unterrichtsarbeit voll gewahrt bleibe. Dazu reichen aber unwesentliche Berührungspunkte, die durch einzelne Gegenstände der Darbietung gegeben sind, nicht aus, Sie geben wohl Gelegenheit zu Assoziationen innerhalb der Ausgangsmaterialien, die der Unterricht selbstverständlich nicht übersehen darf; für die Herstellung der höheren und höclisteu Einheit müssen aber umfadseudere Gesichts- punkte die Führung übernehmen.

Nach dem zweiten Beispiele können aus der ägyptisclien Ge- schichte der Segen eines wohlgeordneten Staatswesens und die alle Schwierigkeiten überwindende Kraft gemeinsamer Arbeit erkannt werden. Das sind wesentliche Faktoren: nicht einzelne Tunkte des Bildes, sondern sein tiefster Gehalt, die Ideen, die es am sinnlicher Erschoinuno: bringt.

Dieselben Uberbeiz:riffe ergeben sich aus gewissen biologischen Betrachtungen, z. B. des Ameisen- und Bienenstaates, Es liegt somit hier und zwar in den wertvollsten, unmittelbar auf das Erziehungs- ziel gerichteten Bestandteilen zweier Fächer eine wesentliche Deckung, eine Kongruenz vor. Durch dieso drei Eigenschaften: ihren hohen uineren Wert, ihre gerade Kiehtung auf die sittUcho Charakterbildung und die durch ihre Kongruenz bewirkte Ver- schmelzung des Mehreren zu Einem, zeigen die Ideen, daß sie die wahren, natürlichen Träger der Konzentration sind.

Dies führt auf einen allgemeinen (Gesichtspunkt: die Unterrichts- fächer sind am meisten voneinander unterschieden in ihrem Aus- gangsmateriale. Dies eben hat zur Trennung der Kosmologie in die verschiedenen Fächer geführt. Auch dasselbe Objekt, wenn es in mehreren Disziplinen auftaucht, zeigt sich von ganz verschiedenen Seiten, als ob es nicht derselbe Gegenstand wäre, ^tithin ist das Anschauungsmaterial am wenigsten geeignet^ konzentrierende Gesichtspunkte abzugeben. Die Associatiuneu, zu denen es reichlich

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AvfBttn

Material liefert, sind rein psychomechasische Vorgänge. Die £00- zentration hingegen ist eine der pädagogischen Theorie entsprongene Maßnahme zur Sicherung der einheitlichen Persönlichkeit. Sie hat ihren Angelpunkt in der Begriffewelt Je weiter sich daher der ünterrichtsgang von der Stufe der Darbietung entfernt und zu allgemeineren Gesichtspunkten gelangt, um so mehr stimmt das Material des einen Faches zu dem des andern, bis auf ihren Höhepunkten alle ineinander fließen. So haben selbst der Religions- und der Geschichtsunterricht in ihran Anschauungsmateriale kaum einen unmittelbaren Berülirungspimkt etwa den Kaiser Au;]fustus; Zeit, örtlichkeit, Personen und Taten decken sicli in beiden Reihen fast nirgends. Aber der Geist, der aus beiden atmet, ist derselbe, nämlich die Entwicklung der Menschheit von der Brutalität zur Humanität. Auf der Grundlage dieses Gleichsinnes ist die Konzentration beider Stoffe gelungen und in den »Scli uljahren « von Kein auch durchgeführt. Es ^rilt jetzt nur, die ganze Tragweite die.ses Prinzipes auszunutzen, um die noch beiseite stehenden Fäclier des erziehenden Unterrichts in den iireis der Kon- zentration einzuschließen.

In Betreff de.-^ biologischen Unterriclits wäre demnach zu- nächst die tYafi^e zu beantworten, ob er im stände ist. Ideen von universeller Bedeutung und insbesondere die Fundameufal- gesetzo von der sittlichen Tüchtigkeit des Menschen in zwingender Form zu entwickeln.

Die Biologie ist dazu nicht im stände gewesen, solange sie nur eine äußerlich beschreibende und systematisierende Wissenschaft w;ir; solange die Tier- und Pflanzenwelt nur als ein Museum von in- variablen IVpen galt, die durch ihre Mannigfaltigkeit oder Absonder- lichkeit unterhielten und deshalb gesammelt wurden. Ei'st als die äußere Beschreibung der schier zahllosen Formen sich zu erschöpfen begami und die WLssenschaft vergleichend anatomisch, physiolnirisoli und genetisch wurde, zeigte sich, daß in der Mannigfaltigkeit Methode steckt, und daß auch das Leben, das innere wie das äußere, sich nach »ewigen, ehernen, großen Gesetzen« bewegt Solche Lebons- gesetze sind z. B.:

1. Jedes Lebewesen wird und vergeht wieder.

2. Kein Lebewesen wird fertig in die Welt gestellt; jedes ent- wickelt sich.

3. Die Natur baut jedes Lebewesen von vom an auf: sie be- ginnt mit dem einfachsten Organismus, der Zelle.

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TräJxmraBL: Leitsätze lür den biologisohen Unterricht

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4. Das bedeutet für alles Leben eine beständige Verjüngung.

5. Auch das gesamte oi^nische Leben auf der Erde hat sich vom Einfachen zum Vollkommenen entwickelt. Die gegenwärtigen Lebensformen sind allmählich geworden und weiterhin der Verände- rung unterworfen.

6. Weder innerlich, noch äußerlich sind zwei Wesen einander vollkommen gleich (Variation).

7. Weder innerlich, noch äußerlich .sind zwei Wesen vollkommen verschieden (Vererbung).

8. Jedes Lebewesen kann sich durch die Fortpflanzung verjüngen.

9. Die Nachkommen steilen innerlich und äußwUch eine Mischung der stärksten elterlichen Charaktere dar.

10. Der natürliche Charakter der Völker, Geschlechter, Familien und Individuen kann durch Auslese {gezüchtet werden.

11. In der Variation liegt der Keim zur Entstehung neuer Arten und neuer Charaktere.

12. In der \^ersclüedenheit der Individuen liegt die Mögächkeit sozialer Gemeinschaften.

13. Alle Vervollkonimnuntr beruht auf den Prinzipien der An- passung und der Arbeitsteilung.

14. Jedes Lebewesen durchläuft die Beihe seiner Ahnen in ab- gekürzter Weise.

15. Die Natur unterläßt nidits, was zur p]rreichung ihres Zweckes nötig ist, schaltet aber alles lJhi'rfiiissi<!:o aus.

16. Die Natur geht immer auf ^^eradciii \V<\i;e zum Ziele.

17. Jedes Wesen muß sich den unabänderlichen Verhältnissen fleiner Existenz anpassen; sonst geht es zu Grunde.

IS. Die dauernde Abweichung von der j^aturgemäUheit führt zur Entartung und zum ünter^rang.

19. Die höchste Gesetzlichkeit ist die höchste Freiheit.

20. Jedes Lebewesen liat seine Konkurrenten und i'einde.

21. ^ht diesen muß es um das Dasein kämpfen.

22. Jedes Wesen braucht Verteidiirungsmittel.

23. Je besser dieselben im stände sind, um so größer die Sicherheit.

24. Geistii^o Tüchti«;keit liefert die besten Waffen: Voraussicht, Umsicht und Wachsamkeit.

25. Diese Eigenschaften haben ursprünglich die Form von Instinkten.

26. Der geistig und zugleich körperlich Tüchtigste hat die meiste Aussicht auf Erlolg.

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AuMtze

27. Die Sorge füi* eine kr>rperlich und geistig tüchtige Kach- kommenschaft ist der höcliste Zweck aller Lebewesen.

28. Mit der Arbeitsteilung und V^ermebrung der Oigane geht die Zentralisation durch das Xervensystem Hand in liand.

29. Das Interesse des Ganzen stellt die Natur immer über das des einzelnen.

30. Der Wert einer Gesamtheit beruht iu der Anzahl und Tüch- tigkeit der Individuen.

31. Die Natur fordert vom Individuum Aufopferung um der Erhaltung des (Janzen willen.

32. In allen Wesen lebt als stärkster Instinkt der Selbst» erhaltungstrieb oder Egoismus.

33. Er äußert sich am reinsten als Hunger, Liebe und Ver- abscheuung des Schmerzgefühls.

34. Aus der Liebe und der Verabscheuung des Schmerzgefühls entspringt der Altruismus.

35. Der ^Lensch ist mit den übrigen Lebewesen, insbesondere mit der höheren Tierwelt durch drei Bande verknüpft: den Körper- bau, die psychischen Funktionen und die ethischen Instinkte.

36. Die psychischen Funktionen stehen in Parallelabhängigkeit vom anatomischen Bau und den physiologischen Prozessen des zen- tralen Nervensystems.

37. Die ethischen Instinkte beruhen in den individuellen Be- ziehungen der vegetativen zu den animaien Nervenzentren. Sie werden in ihrer (Jesamtheit als das (iemüt bezeichnet.

38. Die wichtigsten ethischen Instinkte sind: Liebe, Haß, Eifer- sucht, Familionsinn. GeseUigkeitstrieb. Dankbarkeit, Mtgefühl, Edel- mut, Reclitssinn, Rachsucht, Kampf begier, Furcht, Stolz, Schönheits- sinn, Aufopferung.

39. Da.s zentrale Nervensystem ist ein Bild des Kosmos.

40. AUes Glück und alles Unglück sind relativ.

•4L Je größer die Gabe der Vernunft, um so größer die Fähig- keit zum Guten wie zum Bosen.

42. Die Natur erforschen, heißt: das Wahre, das Gute und das Schöne ergründen.

43. Die ganze Natur zeigt den Segen gemeinsamer Arbeit

44. Alle Lebewesen sind blutsverwandt. Das Leben stamm: immer vom Leben ab, und es ist nur ein einziges Leben auf der Erde.

45. Alle irdische Lebensenergie strahlt von der Sonne aus; jeder Pulssclüag, jeder Atemzug, jede iservenfunktion stammt von dort

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PrAKNSiXEL: Leitsätze für den biologisohen Unterricht

397

46. Wenn auch alle Lebewesen entstehen und yeigehen, so geht doch nichts weder vom t Stoff«, noch von der »Energie« veiloren.

47. Alles Organische ist aus Anorganischem aufgebaut.

48. Es ist nur ein Gesetz, ein Plan, ein Oeist, der im Welt- ganzen lebt

49. Die Natur in ihrer Gesamtheit wie in ihren Einzelheiten ist der menschlichen Erkenntnis nur als Vor stellang Tatsache, und aaBer den Vorstcllnngeu ist nichts gewiß.

.50. Der Werdegaiifj: des Lebens in der Erdgeschichte zeigt, daß der Genius der Natur und der des Menschen insbesondere ein und derselbe ist. Seine Wirkung ist: Entwicklung Ton der lirutalitSt zur Humanität. Denn wir sehen die Erde, indem sie in unahsehhar langer, wechselvoller Arbeit sich selbst und ihre Lebewesen umge- staltet, einem großen Ziele zustreben ; Aus der niederen Tierwelt, deren üaseiu ausschließlich den vegetativen Pol umkreist, geht eine höhere, durch psychische rrozesso beeinflußte hervor, und dieser ent- springt endlich infolge der Mutation ein Geschlecht, dessen Leben sich gleichmäßig um den vegetativen und aninialen Schweri)unkt bewegt: Der Mensch. Er hat sich in der Folge von der ererbten, instinktiven Moral ität des Tieres aus eigener Kraft emporgearbeitet zur pflichtbewußten, den Egoismus und Altruismus ausgleichenden sittlichen Persönlichkeit.

Die Abstraktion der angeführten Gesetze und Ideen aus dem Materiale der Biologie bedeutet nichts anderes, als daß auch in der Wissenschaft die Arheitstcihing schließlich zur Konzentration führt Auf die Isolierung des Stoffes aus seinem empirischen Zusammen- hang und die spezialisiorte rntei"suchun,ir folgt der Wiederanschluß an das Allehen im höheren .Sinne. Dieselbe Entwicklung sehen wir im ünteiTichte vor sich crehen. Solange die Naturgeschichte nur artbestimmend und artbeschroibend war, hat sie sich nicht zu univer- sellen Gesichtspunkten erheben können. Sie hat sich nur eine unter- geordnete, dienende Stellung zu erringen vermocht Denn der er- ziehende Wert eines Unterrichtsfaches beruht in der G^ewichtig- Iteit der leitenden Ideen, die aus seinem Stoffe frei zu machen sind. Durch die oben gegebene Auslese von Gesetzen ist dar-jetau, daß die in zeitgemäßen Bahnen sich bewegende Biologie reich an bedeutungsvollen erzieherischen Momenten ist. Ja sie schließt sich durch ihren idealen Gehalt aufs engste an den historischen Unter- richt an, dessen Ideen sie zu Weltgesetzeu erweitert. Indem so der Weg, der den naturgeschichtlichen Unterricht zur Loslösung vom Ganzen geführt hat, auf domiuiereuder Hohe wieder zu ihm zurück-

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398

AoMtM

lührt, wild den Anbrachen der Eonzentralion Genüge geleistet ffierndt ist miuSk für die andern »Beolfidier« das Prinzip ge- geben, von dessen Erfflllong ihre Kongentrationafthigkeit abhSngen wird.

Kaoh alledem haben die bisherigen EonMntrationsTersadie in Besag anf den Saohnnteirioht scheitem müssen, insofern sie an Stelle der nnmittelbazen Biohtimg des UntemchtB anf das Bisiehnngs- ael eine konzentrische Anordnung des Stoffes nm die historische Gruppe gesetzt haben. Zweifellos hat dieser Gedanke viel Bestechendes. Aber die Harmonie, welche er heimstellen im stände ist, fßadA derjenigen des Helotenstaates: die »BealjBtoher« mflasen auf das selb- stSndige Denken nnd somit aaf das Beste Tersichten, was sie an er- jBtehHöhen SU^ren hervorbringen können; sie müssen ihre lebendige Einheit zeneiBen lassen,, ohne doch, wie gezeigt worden ist, dem zur yormnndschaft emgesetzten Vaobß wirklich zn nttteen.

Es ergibt sich aber anch aus diesen ErwSgongen, dafi die bis- herige Besohrinkung des B^griiKes »Gesiunungsuntemöht« nicht anf- recht eriuüten werden kann. In der Erziehungsschule mufi jedes Sachgebiet das zwanglos in denBahmen derselben passen soll, sich unmittelbar auf das Er^hungs^el richten und kann es auch. Bi darf nur nicht auf dem abseits fahrenden Wegb der Aibeitsteilang Halt machen, darf nicht bei dem sogenannten objeiktiTen Tatbestuid stehen bleiben; Tiehnehr muß der Unterricht bis zum wieder eneichten Anscfalufi an das Ganze, d. h. bis zu den Ideen fortschreiten. Als- dann wird der Unteiridit beiden Eordemngen der Didaktik gerecht: er beseitigt die Ge&hren der Aifoeitsteilnng ohne ihre Yorteile auf- zuheben oder auch nur einzusohiSnken. Aller Unterricht ist nun- mehr wieder ein Unterricht, eine einzige Eosmologie, und alle Lehre ist in letzter Linie nur eine Lehre: die von der sitdidien Tftcihtig^t des Menschen. Erst dann ist es möglich, Ton allen Punkten des Gedankenkreises aus in gerader Elchtung zum domir nierenden Zentrum zu gelangen. Es ist nicht nötige Tom natnr- wissenschafüichen Yorstellungskreise erst den Umweg Uber den historischen zu suchen. So aber wird die erziehende Wirkung des Unterrichts erst auf ihren Höhepunkt gebracht Der Gegensatz zwischen Arbeitsteilung und Eonzentration be- steht nicht mehr. Bs ist der kulturhistorische Gang selbst, der tLber die Spezialisierung zum Ganzen zurückfahrt, d.h. konzentriert

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Ffannütikl: Leits&tze für den biologischen Unterricht

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18. Fmia d«r KooMatratiim

Es könnte nun versucht werden, ein System von Ideen in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen und den gesamten Lehrstoff um diese zu gruppieren. Diis wäre Katechismus- unterricht, Dogmatismus, Systematik. Ein solches Verfaliren würde ge^ren Psychologie, Logik und Ethik verstoßen; denn es achtet nicht der Entwicklung dos Kindes, zerreißt allen natürlichen Zusammenhang des Stoffes und erzieht nicht zur Unbefaugeuheit gegenüber der Wahrheit, sondern zum Vorurteil.

Auch der religiöse und der historische Unterricht bieten nicht alle gleichsinnigen Beispiele auf einmal dar (z. B. von der Treue, von der Elternliebe), sondern wie der historische Verlauf dieselben bringt. Infolgedessen kann auch an den biologischen Unterricht nicht die Anforderung gestellt werden, daß er zu jeglicher Zeit immer die qualitativ gleichen Ideen entwickle, wie die historischen Fächer. Die Konzentration ist schon genügend gesichert durch die Überein- stimmung in der Grundrichtung: den Weg von der Tier- heit zur modernen Menschlichkeit zu zeigen.

Da die Konzentrationsidee einen bestimmenden Einfluß auf die Stoffanordnung des einzelnen Faches nicht beansprucht so muß sie Sache eines besonderen Unterrichtsaktes, und bei weitergehender Arbeitsteilung eines besonderen Faches sein: der elementaren Philosophie. Diese Disziplin kann in jeglicher Schule ein- geführt werden, die auf sittlich untadeliger Grundlage steht, d.h. in der vorurteilsloses, vernünftiges, wahrhaftiges Denken eine Stätte der Wertschätzung und der Pflege ge- funden hat. Alsdann dürfen die einzehien Fächer auf ihrem engeren Felde stehen bleiben. Die Fortführung der Begriffe des religiösen, historischen und realistischen Unterrichtes bis zur harmonischen Ein- heit, d. h. die Konzentration, übernimmt der philosophische Unterricht Wo dieser fehlt, da muß dieselbe von Fall zu Fall durch einen be- sonderen Unterrichtsakt gesichert werden. Die Theorie der for- malen Stufen hat alle nötigen Vorkeii niugen dazu getroffen. Denn für jede methodische Einheit ist die Herausbildung von Ge- setzen und Ideen, sowie die organische Verflechtung derselben mit allen venvandten Teilen des Gedankenkreises zur Pflicht gemacht. Diese reduzierende und assoziierende Arbeit fiült den Stufen der Ver- knüpfung, des Systems und der Anwendung zu. Somit trägt die Theorie von den formalen Stufen die Lösung des Konzen- trationsproblems schon in sich. Denn auch der philosophische

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Aufsätze

Unterricht würde nur eine umfassende Asso^iatioas-, System- und Methodenstuie sein.

lAk B8KlliBkfllflilitisiiiiK dMP MlfBriffthiwi BoluuniiiSHi

Aus der einheitlichen Wurzel der Dinge erwächst die Möglich- keit der Kunzentration unbeschadet der Arbeitsteilung. Aus der schier unendlichen Verzweigung des Stammes infolge der Tariationen erwachsen die Schar ungen der Dinge und Kräfte zu Gruppen, innerhalb deren bestimmte feste Beziehungen bestehen. So heri-scht zwischen der Pflanzen-, Tier- und Menschen weit und den orograpliisehen, klimatischen und geologischen Verhältnissmi eines Landstriches eine streng gesetzmäßige Abhängigkeit; oder zwischen dem physikalisch -chemischen Wert der Kohlehydrate und der Lebensenergie der Pflanzen und Tiere.

Die Bearbeitung dieser Scharungen fällt je nach der Arbeits- teilung entweder ebenfalls besonderen Unterrichtsfachern zu oder bestimmten Abteilungen von solchen. Sie liefern den Lehrstoff fiir die Heimatkunde, die Geographie, die Geologie und die Physiologie.

Die biologischen Scharungeii werden als Lebensgemein- schaften bezeichnet. Der unmittelbaren Beobachtung zueuiiirhch sind nur diejenigen der Heimat Deshalb bildet der Anfangs- unterricht über die Scharungen der lebendigen Dinge einen Teil der Heimatkunde. Weiterhin aber werden sie zu verbinden- den Gliedern zwischen Biologie und Geographie bezüglich Geo- logie. Die liierher gehörigen Momente sind die charakteristischeil Besiedelungen der Meere und Länder mit Lobewesen, sowie die merk- würdigen Floren und Faunen der Vergangenheit einerseits, und dar variierende Einfluß der geographischen Lokalitaten sowie der allmih- lichen Oberflächen Veränderungen auf die Lebewesen andreiseitK. INe Physiologie verknüpft die morphologische, systematisohe und wt' wioUungsgeschichtlicbe Biologie mit Physik und Chemie.

In den Volks- und Mittolschnlen können Pflanxen- and Tie^ geographie, Geologie (mit Palftonto logie) und Physiologie gegenwärtig nur Unterabteiiangen der Geographie und Biologie bilden. Al>er schon auf den Ifittelsohnlen soJiten ihnen beeondeie Mi- stnnden in gewissem XFmfuige zugeteilt werden. Diese die SchanmgeB analysierenden Disziplinen werden anoh mit dem Namen der 9aa80- ziierenden Eteher« beselclmei

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Pfjlnnsxbl: Leitsätze für den biologischea ÜDterhcht

401

16. Zur Praxis des biologischen Lehrplans

Der Lehrplan der Erziehungssehiilo hat nach dea voisteheuden Erörterungen dreierlei erkennen zu lassen:

1. die Stoffverteilung,

2. die konzentrierenden Gesichtspunkte,

3. die Beziehungen z^vischen den spezialisierenden fächern einer- seits und den assoziierenden andrerseits.

Für die Stoffanordnung des biologischen Unterrichtes sind die kulturhistorischen Stufen maßgebend. Sie bezeichnen den Weg der Erkenntnis, den die Forschung genommen hat, und der zugleich der Entwicklung des Kindes kongenial ist.

Die Geschichte der biologischea Wissenschaften läßt schon äußer- lich drei Perioden unterscheiden:

1. die Periode der noch nicht gesonderten Beobachtung,

2. die Periode der zu einem Fache gewordenen makroskopischen Beobachtung uufl Forschung,

3. die Periode der Beobachtung und Forschung mit Hille des Mikroskopes.

Der ersten Periode entspricht der Anfangsunterricht Er enthält die Biologie noch nicht als gesondertes Fach. Sie be- schränkt sich vielmehr auf die notwendigen sachlichen Erläute- rungen des biologischen Materials, das in den Märchen, Sagen und dem sogenannten Anschauungsunterricht vor- kommt. (S. »Schuijalire« von Kein usw.)

Die zweite Periode beginnt mit der systemativSchen Durch- forschung der Heimat in der Heimatkunde, von der sich die Biologie bald als selbständiges Fach lostrennt Die Heimat bildet immer den Schauplatz für mind^'stons eine wohl charakterisierte Lebensgemeinschaft, Je nachdem der Beobachtungskreis ein Flußtal, ein Plateau, eine Gebirgslandschaft, der Strand, das Flachland, der Wald, das bebaute Land, die Stadt, das Dorf, eine Saudscholle, eine Kalkzone usw. i.st und je nachdem die orographischen, klimatischen und auch die politischen Verhältnisse mehr oder weniger günstige sind.

Die noch überwiegende frische Sinnlichkeit der Zöglinge ist leicht auf die bunte Mannigfaltigkeit der lebendigen Objekte zu lenken und findet in ihr volle Befriedigung. Das psychologisch Nächste sind solche Pflanzen und Tiere, mit denen das Kind in

einen gewissen persönlichen Verkehr treten kann.^) Hierher

.

Eine sehr empfehlenswert« Anlfitung findet der LolirtT in >M<)rsk, Anfangs- gründe der allgemeinen Zuolügie«. Berlin, A. Ötubenxauch. Die Methode ist leicht auf die Botanik zu übertragen.

irilHidtt Or fUtaMfUt wd fldagogik. 12. Jahig»«. 26

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AofBMse

gehören neben den Haustieren soldie Fflanaen und Here, wekshe daB Kind in Haue- oder Zimmerglrtea und in Aquarien und Temrien selbst züchten und beobachten kann (Insekten, Schnecken, Hoscheb, Krebee. kleine Fische, Amphibien) Eidechsen, die Maus). Weiteihin gehören zum p^chologisch nahen Ifateriale dieser Stufe solche Naturobjekie, mit denen das Kind infolge gewisser herYor- ragenden Eigenschaften sympathisiert, also die staiken, mutigen, fubenpiftohtigen oder gigantischen Tiere bezw. Pflanzen. Bs sind also das empirische und das sympathetische Interesse, mit deren Pflege der Anfang gemacht wird. Ihnen gesellen sich infolge der zusammenhingenden Beobachtungen an den ge- züchteten Lidividuen und den natfirlichen Scharungm das speko- latiTC und das soziale Interesse zu. Bas istfaeäsche und religiös- ethische Interesse erscheinen in den gröbsten Zügen.

Was die Erweiterung des Wissens auf dieser Stufe betrifft, so gewührt sie eine elementare Orientierung in der lebendigen Nator der Gegenwart sowohl bezOgUch des Systems als auch der aus dea Lebensgemeinschaften sich ergebenden Gesetze.

Bie zweite Periode schlieft damit ab, dafi der Zögling mit noch unbewaffnetem Auge die freilebenden Zellen ent- deckt Dieses Ereignis ist in der Geechiohte der Wissenschaft un- gefiUiT mit der Erfindung des Mikroskopes zusammengefadlen. Basselbe bildet von nun an em unentbehrliches Hilfsmittel für den weiteren biologischen Unterricht Gleichwie mit dem Mikroskope die an Erfolgen so reiche Epoche der neueren, zellularen Biologie anhebt, so beginnt auch mit seiner Einführung in den Unterricht der dritte Kursus. Er soll die Einheitlichkeit des Lebens auf der Erde begreiflich machen; infolgedessen muß seine Stoffanordnung die genetische, sein erklärendes Prinzip der Gang der Snt> Wicklung sein. Die durch denselben gegebenen Deutungsmomente lassen eimesk so tiefen und eindrucksvollen Blick in das geheinmi^ ▼olle Schaffen der Natur tun, daß ihr Bildungswert in jeder Be- ziehung hervonagend ist Auch die Volksschule darf an diesen durch die neuere Forschung gehobenen Schätzen nicht vorübergehen! Die allgemeinen Begriffe, mit denen die neneie Biologie ständig arbeitet, wie Pflanze, Tier, Leben. Tod, Em&hnui^ Verdauung, Ausscheidung, Vermehrung, Teilung, Konjugation osv^ sind Yon den einzellebenden Zellen unschwer zu beobachten^) und

') Weil diese Begriffe aa den niederen Tieren am leiehteaten m «r- arbeitco sind, wollen Vbxbkm und Liiowas» merkwfiiiiiicef weise die Behaadtug dtf* seihen in die Oberklassen veriegt wissen. Veij^ »Natur nnd 8ohnle«, nt

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Ptannsukl: Leitsätze für den biologischeu Unterricht

403

bilden den Grundstock für die Erklärangsweise des <?anzen dritten Kurses. Rhizopoden, Paraniäcien, Vorticellen, Euglenen, Chroococcaeeen, Yolvocineen sind durch Schöpfen aus einem schlammigen Teiche leicht zu beschaffen. 1) Ferner eignen sich gut zur dauernden Be- obachtung die Metamorphosen der Fadenaigeu, der Moose, der Gefäß- krj'ptogamen, der Insekten, Krebse, Schnecken und einiger Wirbel- tiere (Forelle, Salamander, Frosch, Hühnchen). Z\V()lfjähnge Zöglinge können im Yeriaiife des Jahres sehr wohl feststellen, daß z. B. die Haarnioospflanze aus ihrer Sporenkapsel nicht etwa junge Moos- pflänzchen, sondern einfache Zellen streut; daß aus diesen Organismen hervorgehen, die den Fadenalgen gleichen; daß dieselben schließlich Moosstäramchon entwickeln, deren Gipfelblätter Eizellen und geißel- tragende Teilungszellen hervorbringen; daß aus der Vereinigiing beider ein neues, auf der Mutterpflanze schmarotzendes Stämmchen hervor- geht, welches wieder eine Sporenkapsel entwickelt; oder daß beim sehr jungen Vogelembryo am Vordereade des Flügels ein wohlerkenn- bares Handskelett vorhanden ist, usw.

Das Material muß für die dritte Stufe des biologischen Unter- richts so ausgewählt werden, daß sich die »Hauptgedanken des Schöpfungsplanes« aus ihm entwickeln lassen. Insbesondere ist immer dasjenige zu bevorzugen, das der sinnlichen Anschauung zugänglich gemacht werden kann und sich dem einfachen Schema am meisten annähert.

Eine Stoffauswahl für mittlere Verhältnisse ist folgende (für Volksschulen nur das gesperrt Gedruckte):

Zdlen und Monlen:

A. Pflansen:

eine einzellige Alge (im Ansohlnfi: KieeeUdgenX

Spiralalge,

Yauoheria,

ein Schimmelpilz 1 ^.chiießend: System der Pilze, ein Hautpilz |

B. Tiere:

eine Amöbe (anschließend: BhizopodenX Bnglena viridis (Oeifielzellen, Protisten^ eine Pantoffelzelle (Paramaeeinm) eine Olockenzelle (Yortioeile)

^) Es muß Schlamm raitfjeschöpft werden, und es müäüen einige grüDe Wasser- pflanzen im Glase sein.

26*

Wimperzellen.

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Auäätze

IL Niedere Zelienstaaton:

A. Pflanzen: Chan oder Nitella,

Haarmoos, Folvtrichum (Moose).

B. Die zweikeimblättrigen Tiore: Süßwasserpoljp, Hydra (QuaUenpolTpenX Korallenpoljpen, Schwämme.

HL E9km ZeUenstMiteB:

A. Pflansen:

1. ohne Samenhildnng:

ein Lanbfarn (BlaiienX % ein Schachtelhalm (Schachtelhalme), ein Wasserfiun, SalTinia nataas, eine Selaginelle (Blilappe);

2. mit Samenhildnng:

eine gymnosperme Blütenpflanze (Gymnospermen), eine einfache angiosperme Blütenpflaaze, (s. E

nngef üUte Pf ingstroae), Hanptzüge derTariation

der Angiospermen nnd System.

R Die (drei- nnd) yierkeimblättrigen Tiere:

1. ohne reale Eörperachse:

ein Bingelwurm (im Binnenlande der Begenwnrm; bei demselben sind aber infolge des Landlebens die Fortpflanzongs- nnd EntwicUnngsrerhÜlausse so sivk indiTidualisiert, daß sie sich nicht znr Behandlnng eignen. Weitaus instrakÜTer sind diese YoigiDge bei Polygordins oder Sagitta zn beschreiben),

schmarotzende Faden- nnd Plattwürmer,

eine Muschel (Metamoiphooe nach der AnsterX

eine Schnecke,

ein EopffOßler,

ein Erebs mit Naupliusstadinm, z. B. Daphnia, ein Insekt mit vollkommener Yerwandlang (System

der tracheaten Arthropoden, Spinnen), Stachelhäuter: Seestem, Seeigel, System;

2. mit realer Edrperachse:

ein Haifisch (Ganoiden, Enochenfisohe, System)^ Frosch (Salamander, Amphibien), Eidechse (Eeptilien, Saurier der Jurazei^ Huhn (Ydgel),

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PrAKNBZiKL: Leitatttsa für den biologisohen Untenioht

405

J?*""^ . ] (Säugetiere). Mensch |

Das gesamte Material der zweiten Stufe wird auf der dritten in immanenter Weise wiederholt In den Yolksechalen sind ihr die beiden letzten Schuljahre sn widmen.

Die relativ größere geistige Reife, welche die Zöglinge dieses dritten Kurses haben, gestattet auch entsprechende Erörterungen über Form- und Farbenverhältnisse, sowie die Entwicklung ethischer Universalgesetze (v? 12). Es ist also eine nachdrück- liche Pflege des ästhetischen und des ethisch-religösen Intei^ esses gesichert.

Die konzentrierenden Gesichtspunkte läßt der Lehrpkn erkennen, indem er dieselben in besonderer Reilie neben der Stoff anordnung enthält Sie müssen mit Hinweisen auf die verwandten Stellen des iilirigon Unterrichtes versehen sein, z. B. bei Insekten: Lockwirkung der Farben und des Duftes, Schön- heitssinn, Wirkung der Massen, Förderung der Intelligenz durch Arbeit. Verminderung derselben durch Schmarotzerleben, Erhaltung der Art als höchstes Lebensprinzip, Kulturwert der Arbeitsteilung usw., wobei hinter jedem Begriffe Verweisungen in form von Buchstaben und Zahlen zu denken sind.

Dasselbe gilt bezüglich der spezialisierenden Fächer einerseits und den assoziierenden andrerseits, z. B. bei Farren: heiße Zone (Geographie), Steinkohlenformation (Geologie), Wurmfarn und Ein- geweidewürmer (Zoologie), gefiederte Blätter und Bosetten (Zeichnen).

16l Bor Staxls dM hiologifihm nnftanriolitM

ISne mOgliohst nmfangreiohe and grftndliche sinnliche An- Bchaanng ist die nnerläBliche Toraussetsang des Gelingens der biologisehen Unterrichtsarbeit Dafi die Schulen in der Begel nur nngentlgend mit YeEBnsohaiüichnngsmittehi ausgestattet sind, hat schien Haoplgnind im Gymnasialontemcht: er hat die Ge> set^geber nnd Regenten des Schnlwesens vcrbereitet und dieselben systematisch daaa ezzogen, alle Kenntnisse nnr ans Bflchem an hden.

Das biologische Experiment ist in den Ersiehnngsscfanlen anf die Züchtung gewisser Lebewesen und die Herstellung einfacher Präparate beschrSnkt Diese Arbeit ist möglichst Ton den Zflglmgen au leisten. tMan lernt selbst beim einfachsten Ex-

Za vergleiclien: V>:rworx, »Beiträge ZHT Frage des natarwissen- 8chaitlichen Cnteriiohtsc. 8. 6.

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AufBäts»

penment erst omsichtig, logisch und kritisch beobachten and bandeüi, wenn man es selbst ausführen muß.«*)

Die Schulen, in denen der gesamte Unterricht einer Klasse in einer Hand liegt, haben den nicht zu unter- schätzenden Yortoil, daß die Beobachtungen täglich, ja teilweise stündlich oder in uocli kleinereu Pausen an- gestellt und registriert werden können.

»Die Notwendif!;keit, daß die Schüler die Figuren (wenn auch noch so unvollkommen) auf Schiefertafel oder Papier nachzeichneUf kann nicht dringend genug hervorgehoben werden.« 2)

Auf der dritten Lehrplanstiife hat sich die Darbietung zu er- strecken auf äußere Gestalt, Anatomie, Physiologie, Ent- wicklungsgeschichte des Individuums und des Stammes, geographische und geologische Beziehungen und Kunst- formen.

Der neue Abschnitt beginnt immer mit der Monographie eines geeigneten Individuums (vorgl. »Höhepunkte« in der Geschichte). Aus diesem Materiale wird das Schema abstrahiert, und durch Variation desselben werden die Hauptfonnen der ganzen Gruppe ent- wickelt.

Was die Naturbeobachtung dem Lehrer als solchen sein kann und muß, hat der große Comenius in seiner Didactica magna gezeigt Dort hat er den Versuch unternommen (Kap. 13 18), die Gesetze des erziehenden Unterrichtes der Natur abzulauschen. Die Forschung in derselben gewöhnt daran, alles Geschehene als Ausfluß einer gleichwertigen Ursache aufzufassen, und alle Gebilde als nach bestimmten Gesetzen entstanden zu betrachten. Etwaige Mißerfolge werden den so Unterrichteten nicht verwirren oder erzürnen oder mutlos machen, sondern zum Nachdenken über die Quellen derselben veranlassen. Die beste Methode, die Natur eines Dinges zu erklären, besteht darin, daß der Arbeitsgang der Natur er- forscht und dieser durch den Unterricht rekonstruiert wird Damit ist das kulturhistorische Prinzip auch den methodisichen Ein- heiten zu Grunde gelegt.

Durch Absti'aktionen alsdann immer umfassendere Ideen ableiten, bis die Einheit der Natur im Mikrokosmus der Psyche zur Wirküch- keit geworden ist, heißt: die Konzentration zum beherrschenden Ge- setze des Gesamtunterrichtes erheben.

*) Ebendttelbek S. 11 und Him, »Zoologie an Seminarioa«, in An

Encyklopädie.

*) MoBsi, Aufangsgründe uäw. S. 1: Vorwort

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1. Ferienkurse in Jena Angnst 1905

(Sekretariat- Oartenstraße 2)

I. Naturwi88en8Chafliche Kuree

1. thtr Bas aid Leben der Pflaizei

mit besonderer Berücksichtigaog der für den botanischen Schulunterricht wichtigen Zweckmäßigkeitseinrichtungen in der Organisation der Gewächse

Professor Dr. Detmcr Einleitiuig

Der botanische Schulunterricht früher und jetzt. Aufgabe der Bio- logie. Typische, rudimentäre, reduzierte und metamorphisierte Pflaozen- organe. Goethes Metamorphosenlehre.

I. Ott BIttt

1. Funktionen des Laubblattes: Wasserkultur. Bau des Blattes. Neuere Forschungen auf dem Gebiete der Zellenlehre. Nachweis der Assi- milate. Wesen der Assimilation. Biologie der Assimilationsorgane. Be- deutung der Assimilation für den Haushalt der Natur.

2. Wesen der Transpiration des Blattes. Methodisches. Bedeutung der Verdunstung. Äußere Einflüsse. Biologisches. Xerophyten, Hygro- phyten, Tropophyten, Erfahningen des Vortragenden über diese Pflanzen- formen auf seinen Reisen im tropischen Brasilien, in Lappland, Turkestan und der Sahara.

3. Eiweißbildung im Blatt. Synthese der Proteinstoffe. Theorie des Prozesses.

4. Metamorphisierte Blätter. Blätter der insektenfressenden Pflanren, der Succulenten usw.

II. Die Wurzel

Bau der Wurzel. Wasseraufnahme derselben. Thorie des Turgors. Wurzeldruck. Metamorphisierte Wurzeln. (Luftwurzeln, Säulenwurzeln,

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Mitteilungen

Atemwiirzeln, die Knöllchen der Papilionacoenwnrzoln und die pticketoK- sammeiudeBBaktehea derselbeo, neuere forschungea über dieMycorrhizausw.)

^ III. Die StaiiMBebllde

Bau des Stammes. Mechanisches Gewebe. Neuere Theorien über Wasserleitung im Stamm. Metamorphoeierte Stammgebüde. (Cacteeo, AmeisenpflaDzea, RaakeD iisw.)

DanoB, Das Ueiiie pfUmsenphyriologieolM MMiknni. 2. Aofl. Jana 1906. H*anLAin»t, Fhysiolö|^che Pflanzenanatomie. 3. Aufl. Leipitg 1004.

Kernkr, Pflanzenleben. 2. Aufl. Leipzig.

SciiiMi'Kn. l'flanzengeographio auf physiologischer Grundlage. Jena 1898. &TUAhBüKO£it, Lehrbuch der Butanik. G. Aufl. Jena 1904.

1 Ailcttug n ttttriMh ■nrrtifctiiiilii AiMtM nl HMMVfe|iMHlMh«

faptilMitei

Prof. Dr. Dctner

Tersadie über AsrimilatioD, PflanzenatmuDg und TtirgorerscheLnungen, Filzkultiireo, Experimeote mit dem Klinostaten, üntamoGhungeo überBeia- TorgftDge und Wachstam usw.

3. Popol&re Astroioale

Prof. Dr. Knopf

Einleitang: Praktischer und ethischer Wert der Astronomie. FrOh- sdtiges BedQifiiiB der MeDsohhöt nach Beaotwortiiiig astioiioiniadher Fhigen.

Das Sonnen^tem: Die SoDoe, ihre GiQBe, Miusa und mittlero Didite; ihre chemische und physikalische Konstitutioa. Die Erscheinungen auf ihrer OberflJlche; die Reiskonistruktnr der Photosphäre, die Fleckon, Fackeln, Protuberanzen. Die Korona und diis Zodiakallicht. Die verschiedeneu Hypothesen zur Erklärung der Erscheinungen auf der Sonne. Die An- sichten von W. Herechel, Kirclihoff, Zöllner, Schmidt u. a.

Die Planeten, ihre BeTdution und BMation. Titius-Bodeeches Oooote. Ebteihing in grofie und kleine Planeten. Wahle und scheinbare Bdmen. Lücken im System bei rationalem YorUtttnis der mittleren Bew^ungen. Die Penlung der auf den Oberflächen von Morkur, Venus, Mars. Jupiter und Saturu sichtbaren Gobilde. Der Streit über die Kotatiouszeit von Merkur und Venus. Sehiaparelli, Brenner, Belopolski. Die Bewohnbarkeit der Planeten. Die Frage nach dem Leben auf anderen UimmelskOrpenL Der Erdmood mit seinen Ringgehirgen, TieEsbeDeii, Kistem, Streifn und Billett. Stellung des Mondes hei^SonnsD- und Mondfinstemissen. Die Monde der andern Planeten. Die Bestimmung der Lichtgeschwindig- keit aus den Verfinsterungen des ersten Jupiterraondcs. Der Satiimring aus lauter Monden bestehend; Teilungen des Ringes. Die starke Neigung der Bahnen der Uranusmonde und die Hückläufigkeit des Neptonmondes schwer mit der Kaut-Laplacescheu Kosmogonie vereinbar.

Die Kometen: ihre Balinen; ihre chemische Beschaffenheit; ihr Ur- sprungs ob kosmisch oder nicht; die Entstehung ihrer Schwelle» entweder

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1. Ferienkurse in Jena August 1905 409

durch elektrische Kräfte (Olbers) oder durch Lichtdruck (Lebedew) ; Richtung der Schweife, mehrfache Schweife, ob von stofflicher Natur oder bloße optische Erscheinungeu , drei Schweiitypeo nach Bredichiu. Kometco- Kystome; die gtofleo Kometeo ^ 1680» 1843, 1880 und 1882 früher jedenfidb einen eindgen Kometen bfldend. Zer&U der Kometen, besonder ' im Peiihel; ihre AufUJeung in Sternschnupponschwrirme. Bidiaiiten der letiteren. Die Meteore. Ihr zweifellos kosmischer Ursprung.

Das Newtonsche Oravitationsp^csetz. Zweifel an seiner Richtigkeit und universelleQ Gültigkeit. Über Naturgesetze überluiupt; sie dienen zur Beächreibiuig der Vorgänge in der Natur. Die Fulger uogen aus dem New> toDsoiien Chwvitaiioii^geaets bilden den OegeoalMid der Himmelumenhftnik. Die Keplereohen Ooootee. Die Librationsgeeetse bei den Jupiter- nnd Sntarnmonden.

Der Fixstemhimmel : Stemsysteme, Milchstraße, Nebelflecken, Stern- haufen. Doppelsteme, veränderliche Sterne, neue Sterne, Eigenbewegung und Entfernung der Sterne. Die Stellung unseres Sonnensystems in der fixstemwelt und seine Bewegungsrichtung. Besseische und Airysche Mettiode rar Bestimmimg dieser Richtung. Kosmogonie.

Besuch der Stemwaxte rar BetraohtoDg der Sonne, des Mondes, der zur Zeit gerade sichtbaren Planeten, ferner von Doppelatenien, Stemhanfea and Nebellleoken.

Llteratar

Ijttbow, Die Wunder des Himmels, bearbeitet von E. Wnss. Berlin, Dümmler. NswtxniB, Popul&re Astronomie, bearbeitet von H. C Vooel. Leipzig, Engelmann. W. Msm, Das WeMgebiods. Lslpsig, BibliogiapUsohes Institut.

Blochmavn, Die Stornkurult'. Stuttgart, Strecker & Moser.

MöBTüs. Die Hauptsätze der Astronomie, bearbeitet von CSbaux. 11. B&ndchan der

Sammlung. Stuttgart, Göscheu. * J. ScHKiNKR, Der Bau des Weltaiiü. («Aus Natur ond Geistes weit«. 24. Bändcheu.)

Leipzig, Teabner, 1901. K. KosnBsiiz, Die Spektralanaljas der ffimmslakSiper. Salbstveilag des Yereina

rar Yerbrciluqg natorwissenBdiaftlioher Kenntnisse. (^« Jshig., Heft 10.)

Wien 1902.

4. Zeit- aad OrtsbestiBsmag aiit praktlsehea Ohiagen

Prof Dr. Knopf

Die scheinbare Drehunf^ dos HiramelspewOlbes. Die Himmelspole, der Himmclääquator. Zirkumpuiaisterne. Htiktaszension und Deklination. StondenwinkeL Asimnt nnd l^e. Db Sonnenbahn oder Ekliptik. Yer- aduedeoe Bedentang der Worte »LSnge« nnd »Brsitec in der Astronomie nnd Geographie. Die Beziehungen zwischen wahrer Sonnenzeit, mittlerer Bonnenzeit, mitteletux)p&i8cher Zeit, Stenizeit, Zeitgleichung. Datumwechsel in 180^ Länge von Greenwich. Unterweisung im Gebrauch des Spiegel- sextanten, des Spiegelprismonkrei.ses und des Theodoliten. Bestimmung der Zeit aus Sonnen- oder Stemhöhen bei bekannter geographischer Breit^ oder aus korrespondierenden Sonnenhöhen (sogenannte Mittaga- nnd Mittel^ naditsverbeaaernng), wenn die geographiacbe Rreite nicht bekannt ist. Be>

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MitteiloDgeD

Stimmung des Azimutes der Sonne und somit auch von irdischen Ob- jekten bei gegebener Zeit Bestimmung der geographischen Breite aus ZirkommeiidianhöheD der Sonne und aus der Hohe des Polarstems. Be- «timmung der Zeit und der geographiacheD Breite ans swei BObea dea- flelbeo Qestimes iD verschiedeDem StaDdenwinkel. BestiminiiDg der geo- graphischen Lange durch Monddiatangen oder dmdi Moodhöhen. Bednktioa der Beobachtungen. Besprechung weiterer, im Kursus nicht zur prak- tischen Ausführuog gelangeoder Methoden der Zeit- und Ortsbestünmuiig.

Literatar

W. JoKDAN, Gnindzüge der astronomischen Zeit- und Ortsbestimmung. Berlin. Springer. W. WiäucRNus , Handbuch der gec^raphischen Ortsbestimoiungea auf Reisen.

Leipzig, Engehnann. fioiBaüB-OaLoicB, Naatiaoha Aatrononiie. Wiaa, Cl OeroMs Bohii.

Zaelfglai mit ProjektionsbUdern lebender und konservierter Tiere auttela

des Epidiaskops und des Projektionsmikroekops

Prof. Dr. H. E. Ziegler

Betrachtung der vnchtigsten Abteilungen der wirbellosen Tiere und einiger Wirbeltiere, unter Vorweisung von lebenden und konservierten Tieron mittels der Zeiß sehen Projektionsapparate. Die Beihenfolge geht im zoologischen System von unten nach oben;

I. IL 2. Protozoen (Kanuneriinge, Strabltieroheo und Bodere Wund- fflfior; An^oAtieroheo).

3. Sflßwasse r polyp und andere Ey droidpolypeOt Quallen, KönUentien.

4. Strudelwtirmer, BaadwOrmer, BondwOmier, Begonwurm ond ■andere Ringelwürmer.

5. Flußkrebs und andere Krebstiere.

6. u. 7. Tausendfüßer, Spinnen und Insekten.

8. Q. 9. Knaoheln, Sohneoken und aaden WeidiliBre. 10. Stachelhäuter (Seeigel, Seeatenie uadr.).

II. Amphioxua und Flache. 12. Amphibien.

Literatar

R. Ukrtwio, Lehrbuch der Zoologie. 7. Aufl. Jena 1905. O. ScHMXU., Leturbach der Zoologie. Stuttgart o. Leipzig 1904.

C Ihyiialagle Im MIns

mt Oemonatiationeii FkinMoieot Di. Noll

1. Ausbildung des Qehnna in der Tieneih& Ikitwiddnng dea nanaohp

liehen Hirns.

2. Das entwickelte menschliche Oehim. Bedeutung aeiner etiueinen Teile. Zusammensetzung der Gehimsubstanz.

3. B^rÜf des Neuion.s. Verknüpfung des Gehirns mit den Be- ▼egungs- und Empfindungsorgauen.

4. Physiologie der Nervenielle und NervenfiBer. 6. Die Befleze.

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6. Das Zustandekominen willküriidier Bew^:aiigeD.

7. BenehoDgeD iwiachen Beiz und fimpfiadoDg. Dm WebeiBGh«

Gesetz.

8. Die Haut- uod OigaDempfindungen. Geruchs- und (ieschmacks- empfiodiugeD.

9. OehiOi»- und Gesiohtsenipfittdungen.

10. LokalisatioDeD io der Oioihlnrindeu

11. Sprache und Sprachstönn^feD.

12. Der seiflkdie Yerlaaf der psychischen Promsae.

Utaratar

Die Abschnitte über Gehirn und Sinnesorgane in: Johannes Rajocb, Der Mensch (I. Band). 2. Aufl. Leipzig u. Wien 1893/94. SiEiNEBf Grundriß der Physiologie des Meni^üheu. 8. Aufl. ii^8. TtaannM, LahilnHli der Physiologie des Meosoiien. 8. Aufl. 1006.

Fbmsr:

Hklmholtz, Vorträge und Reden. Braunschweig 1884.

Flechsig, Gehirn uiid Socio. I^ipzig 1896.

ZoEHXN, Leitfaden der physiologischen Fsycholc^e. 6. Aufl. Jena 1902. 5 M. Dnaelbe, Über die aUgem. Beitehimgen swisohen Oehim- a. Seelenleben. 2. Aufl. IMS. l^M.

Kacb, Die Analyse der Empfindongen and das TexfailbiiB des Physisohen warn Bqr-

chiflchen. 4. Aufl. 1903. 5 M. Flügel. Die Seeleafrage mit Rücksicht auf die neueren Wandlungen gewisser nator» wissensch. Begriffe. 3. Aufl. 1902.

7. SMiigto !■ Mde Prot Dr. JobMiiict WaHher

Nadini. 6—6 abweohsehid (je nach der Witterung) mit kleinen KxkoisioneQ

Ton 5—7. Ek)nntag, den 6. und 13. August tagesexknrsionen

An (lor Hand von Beobachttiiißt}n im Gelände und einfachen Schul- versucheu solltm die wichtigsten g;eologischen Erscheinungen, die sich fast fiberall beobachten lassen, erläuteii: werden. Zur Besprechung kommen folgende Tatsacheogruppen (die Reihenfolge wird durch den Verlauf der Ausflüge bestimmt): Aufaohlflaae, Oeete^Dsnntenohiede, FoesOien, lüge- rangsformea, Scfaichtong, Elflfte, Tenrecfnngen, FalleOf Streicfaeii.

Verwitterung, BodenbUdung, Absinken des Oehftngeschuttes, Abhlng^ keit der Landschaftsform on vom geologischen Bau der Erdrinde.

Schichtenfolge, Profil. Lfitfossilien, topographische und geologische Karten (praktische Übung im Kartieren), Signaturen.

Queileo, Wasserhaushalt, Quollabsätzeu, Sinterbild ung, Tätigkeit des flieBenden WasBen, Taibildung, nnfitemasen, Auaiiiimung dee Lmdee, alte Ilnfilaafo.

Abtragende Tätigkeit des Windes, Deflation, Sandgebläse, Steppen und Wüstengebiete (an der Hand von Lichtbildern), Dflnen, Löß, Klimawechsel.

Discordante Lagerungi Schieferungf Abrasion des Zechsteinmeeresi Biff- bildung.

Schichtenbau, Profile, Verwei-fungen, Faltung.

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Mitteilongeii

Vei-^sandhing der Schichteofoige in eine Zeitfolge, Oeologische Epochal, FormatioDsoameD, Zeitbegriff.

Uteratur

J. Walibxr, Vorschule der Geologie. Eine gemeinverständlichü iuufuliruDg und Aniaitaiiig la BeolMKditiuigen in dtr EaittoL Jena 1006.

8. Aiwtiing fpflNhfr taitnmite zum Zvooke ohendsoher üntaisiioluiiigeD: SpektEilaiudyse, MUcroBkopie, PolariBatioii, Befaaktioa

Dr. Olnfe

1. Spektralanalyse. Weeen und Zweck deEselbea. Die Appnale und ihre Handhabimg. Zubereitung der Stoffe, a) BmitBioDsspektra.

Diejenigen der anorganischen Stoffe, welche in Gasflammen, solcher, welche im elektrischen Lichte erkennbar sind. V») Absorptionsspektra. Die- jenigen der anorganischen Stoffe in allen drei Aggregat zuständen. Die Absorption durch organische Stoffe, insonderheit die Farbstoffe, die Hot- irteine^ das gesunde und Tergiftefte Blut

2. Mikroskopie zur Erkennung aoleber Struktucformen anoEgamBolMr nnd OEganisdier Gebilde, aus welchen die chemische Natur derselben be- stimmt werdeu kann. Das PolarisationsmikroBkop. Das Spektralokular.

B. Pnlariaation, "Wesen derselben. Erkennung der Kristallsysteme. Interfcrenzfdrben. Achscnbilder. Cirkularc Polarisation als Mittel zur quantitativen Bestimmung lichtdrehender Stoffe. Saccharimetrie.

4. Befraktometer nnd ihre Verwendung, um ans dem Giade der lidhtbrechnng und FarbeoasKstreunng die Beinheit oder dem Oebalt an be- stimmten Stoffen KU ermitteln.

LHeiwIir

QIm>B, Angowandte Optik in der Chemie. Braonadiweig 18M.

Ders., Anleitung zur Spektralanalyse. I^ipzig 1888. Ders., Polarisation des Lichtes. Leipzig 1894.

Kbübs, Golorimetrie und quantitative Spekralanalyse. Hambuig u. Leipzig 189L

LftimAiTER, SpektndansfyBe. BrMunohwdg 1806.

FondooK, Qualitative SpektzabnalyBe aaoigMiisoher KBiper. Bedin 1900.

II. Pldagooltciie Kam

f. Ms LekSMaaicktaaDgeo der grettea PIdagogM seit 4m ImIhimi

Bivildonat Br. H. Leser-Briingen

Einleitung

1. Bedeutung anseres im Zosammenhang mit der je- weiligen Welt- und Leben sanschannng zu gebenden Durokp blicks darch die Geschichte der pädagogischen Bewegungen

für die gerechte Würdigung ihrer charakteristischen Ansj^mgiingen im allgemeinen und für ihre gegenwärtige Lage im besonderen. Emanzipation des ünterrichtswesens zu einem selbständigen Zweig der Kulturarbeit (ia Praxis uud Theorie) eine moderne Leistung; mit immer entschiedenerem Vorgang der Ideen, der Theorie: Selbstandi^mt der Fidagogik als Wissea-

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1. Ferienkurse in Jena Au£;uät 1906

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8chaft. Gründe für die Wichtigkeit des ZuflamineiiliaDgs mit der Lebens- aasohauimg. Bestimmung der Aufgabe.

2. Die allgemeiue geistige Situation der neuereu Zeit und ihre p&dagogisohe Bedeutung im GegenBats snm Hittelalter. Passiyitftt, Fertigsein, blofi BtofOiohes ÜBtecoBse Aktivitftt^ Uikrokosmoe- gedanke (formale Bildung). Begriff der »Bildung«. Erste Periode. Die Übun^zeit: Renaisaaooe ^amaniamus) und fiefor- mation. 15. bis Anfang des 17. Jahrb.

I. Humanismus

AllgemeitaeB. Positive Charakteristik seines Wesens im Verhält nis zum Mittelalter und zur Reformation. Wesentliche Merkmale des Bildungsideals: eigene Tätigkeit und Tendenz auf die rein meusohliche Seite unseres Wesens. Jedoch Abhängigkeit von fremder KüItDr (der Uassischen) und damit Scheidung zwischen Gebildeten und üngebOdelen. Wursel des gelehrten Schulweeens von heute. QegenBBti snr Befonnation.

Persönlichkeiten. Petrarca und Erasmus. Einseitige, sprach- lich-diditerifiche Auspr&gung dee Bildungsideals. Darstellung und Kritik.

II. ReKomation

Allgemeines. Fragen der Weltanschauung. Bedeutung und Schwäche tnr die Pädagogik, beleuclitet am Verhältnis und Gegensatz zum Humanismus: Abzweigung vom bisherigen weltgeschichtlichen Gang durch Aukettung ans Moralisch -Religiöse. Pädagogische Konsequenzen. Kulturau^be des Christentums; Erziehung eines jeden zur Selbständig- keit; Sinn f&r Yolksuntennoht Doch zuvial Spiachbildniig und religiSBeB, nicht allgwnein menBoUiches BildungsideaL

Persönlichkeiten. Luther. Entwicklung und Kritik BBiner |»äda- gogiBobcn Ideen. Historische, nicht psychologische Orientienmg ; Beispiel sein Katechismus. Melanchthon. Moderne Verschmelzung des Kiassi- ßchen mit dem Keformatoriscli-Christlichcn. Gnmdlage des modernen Gym- nasiums; Verhältnis zur moderneu Universität.

III. Anhang

Die Zeit nach der Reformation. Einiges über Schuiorganisation und

Persönlichkeiten. Pädagogik der Jesuiten.

Zweite Periode. Die Aufklärung. Erziehung auf reine Vernuufterkenntnis und reale Bildung. 17. bis tief ins 18. Jahrh.

Binleitung. Allgemeine geistige Art. Die neuen Oedanken über den Ifenschen, sein Wesen die Vernunft; Konflikt swisohen Yeraunft- Natur und Geschichte. Das spezifisch Moderne in der Emanzipation des persönlichen Individuums: Unabhängigkeit, Autonomie, Selbsttätigkeit nicht nur gegenüber der mittelalterlicht n Autorität, soudein auch gegenüber der geschichtlich-gesellschaftlichen Lebensführung (Frankreich) und Einsetzen einer eignen, selbst aufgebrachten realen Kultur (England). Hierfür swel ohankteristiBche AnfaogsfTpen: Montaigne und Bacon in ihrer geistifen und pidagogiBchen Bedeutung.

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MitteilfiDgOT

L Beginnende Bewegung

Ratichins. IntezeBsante und bedeutende PereOnfioUrait, in den aU- gemeinen modernen Konzeptionen (absolute! Konzentration, »Vemonftgemift«,

»nach der Ordnung der Natiir«) tiefer und origiAeller als Comeniua.

Dieser proßer in der systematischen Durclifühning und Organisation. Modern ist die Methode (Anschauung, Konzentration, Kontinuität der Erziehung wie der natürlichen Entwicklung), nicht so der Stoff (Sprache und Gehalt). Schola materna! Schriften. Organisationadaten.

II. Höhepunkt der Bewegung Sinken des klassischen Geistes im 17. Jahrh. im gelehrten Unterricht UDtercitützt das siegreiche Vordringen neuer Ideen. Die neue geistige und sosaale Atmo^lre und die Umeo entspreohenden charakteristiBoiiea Aua- pilgungen sn bestimmten BildnngsideaieD in England (der Me Bttiger) und Frankieich (der elegante Hofmann).

1. Locke. Die neuen Faktoren. Erste, wesentlich psychologiaclie Orientiening; Tndividualpsychogenese in ihrer geschichtlich -bedeutsamen Vereiüiginig mit den pädagogischen Fragen ; Individualerziehung. Beginn der Emanzipation der Pädagogik zu einer selbständigen wissenschaftlichen (Gedankenwelt Die pädagogischen Konsequenzen in ihrem Wert end in ihrer Schwache der Aofldftrnng.

2. Oer Zeitraum bis Bousseau: Pietismus, BealsdiulveBoii und Wieder- erwachen des Humanismus.

3. Wendepunkt in Rousseau. Geistiger nnd sozialer Hintergrund auf dem Rousseau steht, und von dem er sich abhebt: Frankreich und der moderne Kulturstaat. Leben, Schriften und Allgemeines seiner Lebens- anschauuDg. Worin liegt das Neue der mit Bousseau anhebenden Be- wegung? — Beziehungen und Gegensatz snr AulUlmiig, Ilataroptimismus radikaler Qeeellschaftspesumismus. Zentrale Stellung der Fidagogik als der Seele der Lebensarbeit zur Entwicklung des rein menschlichen Wesens im persönlichen, antisozialen Sinne. Schriften, besonders Emiif^. etwas genauer analysieren. Laisser faire la nature. Würdigung und Kritik. Was versteht Rousseau unter Natur?

4. Ausläufer der AufUftmng. (Basedow.)

Dritte Periode. Überwindung der Aufklärung; neues großes Uumanitäts- ideaL Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrit *

1. (Einleitang.) Orofie Benaissanoe des ElassisoheB, Nett- humanismus. Besonders Fr. Aug. Wolf und Goethe. Allgemeine

Lebeneanschauung und ihre pädagogische Bedeutung als charakteristische Zeichen der neuen Zeit. Schiller und die Kunst in ihrer Bedeutung f&r die Erziehung.

2. Pestalozzi. Leben. Geistige Fassung der Welt und des Lebens (»Abendstunden eines Einsiedlers«) im Zusammenhang mit dem nenklassischen Geist beleuchtet Natur imd Geist, Notwendigkeit md

Freiheit. Stufen der Seele. »Entwicklung der reinen Menschlichkeit« Charakteristik dieses neuen Humanitiltsideals und kritische Würdigung der daraus sich ergebenden pädagogischen Ideen (»Lienhard und (}ertnid«>

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1. FnienJcnrse in Jena August 1905

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i^Naohforschungenc, >Wie Oertmd ihre Kinder lehrt«). FaTnilienorziehtinig. Methfxlel Elementar-, formale, Herzens-Bildung. Dynamische Fassung dienende Tädagogik. Mißverhältnis zwischen seiner tiefen Intuitiün und dem Mangel an systematischer Kraft der Aoeffibniag. Verhftltiiis zu Rousseau einer^ und BertMurt andrwseits.

3. Herbart Der giofie plülosophische Pädagog. Prinzipielle wisBen- sohftftliche Inangriffnahme des Gebietes der Pädagogik und damit die- prinzipielle Entwicklung eines vom pädagogischen Gesichtspunkt gegebenen psychologischen Durchblicks durch die Wirklichkeit und das Leb<?n, einer eignen pädagogischen Gedankenwelt. In dieser pädagogischen Wendung,, welche hier die Philosophie (speziell die Psychologie) nimmt, liegen einer- seits die SohwAofaeii seiner Philosophie vom Stwidpuiürt der TendeDs auf eine abaddietoide Ansicht der Dinge (I^iilosophie ss pldagogische- Wissenschaft!), andrerseits die Gröfle seuier Fftdagogik vom Standpunkt ihrer weltgeschichtlichen Entwicklung zur "wissenschaftlichen Selbständig- keit Darstellung seiner Metaphysik und Psychologie, soweit sie in dieser Hinsicht in Betracht kommen. Problem der organischen oder mechanistisch- inteilektualistischen Auffassung. Worin besteht hiernach Freiheit? Begriff der »BUdsamkiitc. Veifatttnis sor Elthik, Weg md Ziel der Elndehnng« Dreiteilang der pidagogischen Aufgaben. »Erziehender Unteirichtc HOg> liehst ausführliche Analysis nod kritische Würdigung seiner Theorie des- >ünterrichts«.

4. Fröbel. Lebensanschauuug und pädagogische Bedeutung (»Menschen- erziehung«): Pädagogik des Spiels im histori.schen Zusammenhangs und sachlichen Wert Kindeigarten, Mutter- und Koselieder. Kritik.

SchluA. Ergebnisse und Emuigeosohaften im Kampf mit den Hem- mungen der Zeit (Diesterweg und Stephani). Yertiefong und methodisobe- Weiterentwiddung der wissenschaftlichen Pidagogik bis lur O^n- wart (besonders Ziller und Reiti). Konflikte in der heutigen geistigen Lage und entsprechende entgegengesetzte pädagogische iüchtungen der Gegenwart.

Literatur

Zuerst kommt es auf die an den betreffenden Stellen zu iienneuden Werke (sowohl diejenigen theoretischen IniuJts aiä auch die Schulbücher, Fibeln usw.) der großen FUÄgogen aelbsi an (vor aUem von Bafl», Oomenhu, Bouasean, FMtdoni, Heriiait, fittbel). ünaar hiatorisoher DordhUidt baaierC vie auf der Kenntnis der

Oonnhinhtn der Pidagogik auch auf der der allgemeinen geistigen und sozialen Be- wegungen, wie sie die Philosophie und Kulturgeschichte erforscht. In letzterer Hinsicht es fehlt an größeren, guten (lesanitdarstellungen seien nur beispiels- weise genannt: Jakob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Itahen, und ia pluloao|ilii8oher HJnaioht das güniende und tiefe Werk von Bnoiken, Die Lebens- aasohauangen der groBen Denker (bis zur Gegenwart). 5. Aufl. 1904.

Auch in der Geschichte der Pädagogik sehe ich YOn der sahlreiohMlf SUn Teil sehr guten Speziall iteratur ab und nenne nur:

K. V. Raumes, Geschichte der Pädagogik vom Wideraufbliiheu klassischer Studien bis auf unsre Zeit. 4 Bde. 5. Aufl. 1877. (Wenn auch teilweise etwas ver- altet, so doch für die groAen Persönlichkeiten [RousBean, Pestalosii] gut)

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IfittttluDgeu

Karl Schmidt, Oesohichte der Pädagogik iu weltgeschiohilioher EotwuMmig und im oigiDiMhen ZoBammeidiaiige mit dem Eultulebeii der YfSkat. 4. Aufl. ediert

von Lange. Bd. III und IV. 1890 Ä

S.. A. BtiiHii), Geschichte der Erziehung vom Anfang bis auf unsere Zeit. 1884 ff. Bd. U, 2— V, 3. (Sehr eiogebend uad besonders für die Üiganisatioa des Schulwesens gut.)

Th. ZnsuB, Lehibooh der [nenexen] FUagogit Mit beeonderer BfleiMioht auf du hfihAi» üntericii(Mroa<m. Iii Bmmeistaxs Himdlmdh deor ErwithwiigiWire. 2. Aufl. 1903.

H. Schiller, Lehrbuch der Qeschichte der Pädagogik. (Für Gomeoius and Fhilan*

thropin gut, neuere Zeit zu kurz.) 3. Aufl. 1Ö94. Fb. Paulsen, Geschichte des gelehrtea Unterrichts auf den deutschen Schulen und

ünivenitftten vom Anagang dee Ifittdatteis bis zur O^genwatt Mit beeonderar

Bäcksicht auf den idasaisohen üntraxioht 3 Bde. 2. Aufl. 1896. (Aoqgneioh-

netes Werk.)

Ders., Die deutschen Universitäten und das Universitätastudiom. 1902, (Popolir

geechriebea.)

fimr, Bncyklopädisohea Handbuoh der Pädagogik. 2. Aufl. 1902. (Kat- h&lt öber eine Reihe von PecBönHohkeiten gute Abhandlungen und ausffihifiohe litefatamngabe.) Lngenaalaa. Hwmatm Bayer Söhiw (Beyer k Miim).

2. Pidftgogik ond DidakUk

Prof. Ut. D. Dr W. Rein lüiileltende Betrachtungen

1. Die Bedeutung der Erziehung imd dos UaterrichtB für die Kultur- Arbeit des Volkes.

2. Aüflian der Sohnl^OigaiÜBatioii.

3. Die DidaktUE ein Teil der Fidagogik. Ihre SteUmig im Qyateai; ihr YerhSltniB siir Hodegetik.

I Teil

Grundlinien sor Ijohre vom Ziel der EndahiUip

1. Welches Erziehungsziel soll maßgel)en(l sein?

a) Die Geschichte der Erziehung zeigt .sieiien Hauptziele auf.

b) Die Analyse des Eiziehuugäbegriffs gibt keine bestiuiiute Antwort, o) Das Enidraogsael wird von der Btfaik bestimmt

d) Weldie Ethik soll fOr den Brneher maBgebend sein?

2. Formulierung des Erziehongs-Zielee: BUdmig dee sitütohai Chir rakters auf religiöser Onuadlage.

H. Tdl

Orrmdlinien mar Lehre vom TTnteniflbfc

1. Vom Unterrichtsziel

1. Das Unterrichtsziel muß abgeleitet werden aus dem Erziehungsziel.

2. Was kann der Unterricht zur Erreichung dieses Zieles beitrugen? Problem: Die Erziehung zielt auf die Bildung des sittlichen WillenSi

der ÜDtenicht auf Überlieferung dee Wisaens. kaim der Unterricht dnroh ÜberUefaning des Wiaeens znr'Kultivierong fißß Willens beitragen?

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1. FerieDkurse in Jeiu August 1906

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3. Psychologischer Exkurs: Unter welchen Bedingungen geBtaltet sidl das Wissen zum Wollen? Der Begriff des Interesses.

4. Formulierung des Unterrichts-Zieles: Bildung eines immittelbareo, Tielseitigen Latorcooco.

2. Lehre von den Mitteln des «ziehenden Unterrichts (Die Theorie des TohrplMB und die Theorie des Lehrreifabrans) XSnlätoDg: Begriff der Methode. IfsÜiode und FMnUohkeit Go- Bchichtlidher ROekblick.

A. Di« Theorie dee LehrpUns £ Fbf» Ar ÄMtmM der Xhiimfwkl%iUfffk

1. Die Nonnalitit dee Lehiplans.

2. Die gruppenweise Anordnung der Lehifleher.

3. Die Auswahl der Bildungselcraente.

a) nach dem Formal -Prinzip (Entwicklungs- Stufen des Kindflili Psychologie des Kindes: Organisch-genetischer Aufbau).

b) nach dem Material-Prinzip (Historisch-genetischer Aufbau, Kui- tmgeeohiohte).

4. Beispiel eines Lehrplans fdr eine aehtUasBige Thilringiaohe Y<d]w> söhnle. (Entwurf fOr die ubungB8(^ttle des FSdag. ünivezsitttB-Seminais SU Jena.)

5. Steilnng zu der Auswahl nach »koiueiitrischen Kreiaen«.

XL r<M» «tor Verhimiung dn- UMrfäeiur

(Koniceutratiou)

1. Geschichtliche Darstelliuig der Konzentrations- Versuche.

2. Die Fortbildung der Ziüerschen Konzentrations-Idee mit Beziehung auf den vorliegenden Lehrplan -Ekitwurf . (Konzentrations-Tabellen.)

3. IMerungen and Hindemisse bei der Durehfllhning,

B. Die Theorie des Lelirverf ahrens

1. Die psychologisohen Grundlagen: Appeneption und Abetaiktion.

2. Der Begriff der metbodisdien Binheit

3. Die Ziel-Angabe.

4. Besprechung der einzelnen Ünterrichts-Stufen : VorbereitUDg, Dar- bietung, Verknüpfung, Zusammenfassung, Anwendung.

5. Hinweis auf einzelne Beispiele (Fr&parations-Entwürfe).

6. Schlui^beti'achtung.

Utsratar

Zur EOiflc:

Kahlowbkt, AJBig. VMk. 8. Anfl. Leipiig, 1903. Ö IL Hütt, Glück. 3 Bdo. a 3 M. Fraaenfold-Leipzig 1899. Bebt, GznndriA der EthiL 2. Aull Osterwieok 1905.

Zw P^ydioiogie:

Lanok, Apperzeption. 7. Aufl. Leipzig 1902. 3 M. DöHi'FKLD, Denken und Gedächtnis. 5. Aufl. Gütersloh. 3 M. Diioiii.scii, Empir. Psychol. 2. Aufl. Leipzig 1898. 6 M. ZuBSN, FhysioL Psychologie. 6. Aufl. Jona 1902. 5 M.

SriMMil Hv FhOoMfU* nA FUitgogik. 12. Mogaar. 27

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IfitteOungeo

Pretkk, Die Seele des Kindes. 5. Aufl. Leipzig 1900. 8 M._ CoMPATBi-ÜFEB, Die EatwickluBg der Kiudesseele. Alteaboiig 1900. 8 M. YouDtum, HaDdbaoh der Psychologie. 2 Bde. OStlien*

Zur Pädagogik und Didaktik:

Ziller, Allf^emeino Püdiigogik. 3. Aufl. Leipzig 1892. 6 M. Dero., Grundleg\mg zur Lehre vom erz. Unterricht 2. AoiL Leipzig 1874. 8 M. WnuuNN, Didaktik als Bfldimgslelute. 3. AjüL Bmusohwe^ 1903. 2 Bde. 14 IL DoBFRLD, Oes. Sohriftan. Gflteidoii, BwManami.

"WiGCT, Die Fonnaistufen. 7. Aufl. Chur 1901. 2 M.

Bein, VicKzt, Schkllf.r, Tlieorie and Fnxis des VoUcseohulanteinolits. 1. Band.

7. Aufl. Leipzig 1903. 4 M. Bjos, Enoyklopäd. Handb. der Pädag. 2. Aufl. 8 Bände. Langanaalza, Hermaan

Beyer 9t Söhne (Beyer k Kann). 1901 ff. 120 X.

Rew, Pädagogik. 1. Bd. Ebenda. 1901. 10 M. Flügel-Rein, Zeitschr. für Philos. u. Päd. Ebenda. 6 M. Lay, Experimentelle Didaktik. Wiesbaden 1903. LiY-M£UiiAN.N, Die experimentelle Pädagogik. Wiesbaden 1905.

t. SpMielto BMakttk

Vorlesungen, Probelektionen, Oebatte

Seminar-(3berlehrer Lehmensick- Fraukenberg i. Sa. und Landmann-Jena

1. Das Problem der Aneignung des Lehrstoffes: Er soll ein Teil der FersöDlichkeit des Schülers werden. Geschichtiicke Stoffe. Politische und Knltnrgesobidite. WlxtscbaflQgeaoliiohid in der YoUnBohDleu J3m FtoUem der Aneignung von YeiUnogenem und VeigaDgenem. Gewinnung des Neuen durch Entwicklung des konkreten StoiEM aas dem Gedanken- kreise des ZGglings. Wesen und Zweck des entwickelnd - darstellenden Unterrichtsverfahrens. B«Mlin^ingen und FöideruDgen. Schwierigkeiten und Gefahren. Geltungsgebiet und Vorteile.

2. Die Dichtung als Bild des Lebens. Ihre realen Werte. Wirk- liche nnd gedachte Welt Die Dichtung als Spiegel dos Berxens. Duo idealen Werte. Die Literatnrknnde. Das Problem des Lehrplans. Auf- gabe. Auswahl Das Problem des Lehrveifthiene. Ausnutzung der an- schaulichen Knft des Dichtwerkes. Weckung seines individuellen Lebens. Anknüpfung an innerlich und äußerlich Erlebtes. Wege zur Verraittlnng des Inhaltes. Maß der Beachtung der innorn und äußern Formen der Dichtung. Das Dichtwerk als Bild des Dichterlebens und als Spiegel des Dichterherzens. Dichterschicksal und Dichterpersönlichkeit als Spiegel des ZeifgeiBtes.

3. IHe swei Hanirigedankengruppen: Menschenleben nnd Natorleben.

Die Hauptformen des Unterrichts. SiunenfälUge Unterrichtsstoffe. Heimat- ausflüge als Unterrichtsgrundlage. Die Anschaimngsstnfe. Eigentümliche Schwierigkeit der ErrcguDg von Interesse und der Erzeugung fnichtbarer Erkenntnisse bei Behandlung konkreter Objekte. Welche Veranstaltungen sind zu treffen, damit die das Neue verdeutlichenden Yorstellungen mit einem Schlage ine BewaAtsein dee ZOgUngs kommen? Die Ziehngri».

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1. Ferienlniree in Jena August 1905

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Der "wnagmAib Untemoht Seine beiden HatqDtloiteDngen: Denken nnd AnechaueD.

4. Anschauun^n ohne Begriffe sind blind. Denkende Naturbetrachtung. Die Vertiefung des Anschauuugsbegriffes durch die neuere Psychologie. Vorbereitungen der Begriffsbildung in den unteren drei Schuljahren. GeneÜBche Stufenfolge in den Begriffen des Zöglings: Typen, Individual- begnifo nnd YerdiohtongsBfttee, allgeineine Qeeetie. Notwendigkeit eineB TiBihrptanit der Begriffe. Der Weg, «nf dem Begriffe gebildet irercIeD: Entwickeln des Abstrakten. Bei^iele^ Vergleich, Verknüpfung, Heraus- stellung des Allgemeinen. Wie wild die begriff! inhe Arbeit eingeleitet? Das Abstraktionsziel.

5. Warum ist mit der Einprägung des anschaulichen Stoffes und der begrifflichen Ergebnisse die Unterrichtsarbeit noch nicht abgeschlossen? Die zwei Haaptziele: Wieeea nnd Können, Umwandlung des Wiesens in Können. Hacqpt-Formen der Anwendnqg: DnrahUnifen, Übertragen, pbanta- sierendes Handeln, Darstellen, Selbstfinden und Produzieren. Die drei Hoaptstufen des Unterrichts: Anschauung, Begriff sbildung, Anwendung.

6. Das "Wesen der Kunst. Psychologische Grundlage des Kunst- genusses. Kunst und Volk. Kunst und Jugend. Künstlerische Erziehung. Kunst und Schule. Die Kunst der Didaktik und die Didaktik der Kuust BQdeofamnok nnd Bildbetmobtang. Natmgennfi nnd KnnstgennA. Eflnat- lerieobee BmpfindeD nnd Eonslfertig^t Ennstontenioht nnd UntamcbtB- stofen. Der beste Dienst der Ennst.

Übersicht

Deonentsg

fieitag

Sonnabend

Montag

Mittwooh

10^-11

Vor. leeong:

Bnt-

wickelnd- darstellen- der Ünter- rioht

Debatte

Probe- lektion:

Dar- bietender Unttfriöht

Gedicht- behand- luüg

Vor- lesung:

Theorie

dorllaupt- formen des

Unter- richts und Lehre von der Bildung

der Begriffe

Debatte

Probe- lektion:

Anwen- dongsstofe

(Bild-Be- traohtimg)

11—12

Probe- lektion:

Anschau- UDgsstufe

(Ge- Boaiohte)

Vor- leeoog:

Problem

der Literator- konde

Debatte

Probe- lektion :

An- sohaonngs-

und Begriffs- biUnogB-

stofe

(Natur- konde)

Vor- lesong:

Tlieorie der An- wendung

und Problem der Kunst- erriehong

Debatte

27*

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420

liittaUiu^Mi

Binse lad Unten iohtsgebiete

1. Religion:

TVymftw m Mtj— ^ PiiptntBonen nm RBÜginnBimterriohi L Unterstufe: Jesus»

geechichten und Leben dnr Erzväter. 1,20 M. II. Mittelstufe: Moses bis Elias und Prophetismus. 2,10 M. III. Oberstufe: Leben Jesu. 2^ M* Apostel- geschichte. 2,50 M. Dresden, Bleyl & Kämmerer.

Bevkaut u. ükyv. Piäparationen für den ey. Eeligionsontemoht Untexstale III: JeBiii«esoliioliian u. BTsyMeigesehiehten. 2 M. lOttelstide DT: UigescIiiclitM, Moses, Josua. 3,20 M. V: Richter- u. Königsgeschichten. 3,60 M. VI: Leben Jesn. 4 M. Oberstufe YU: Gesch. Israels. 5 iL YIU: Oesofa. Jeso. 4 IL IX: Apostelgeschichte. Leipzig, Wunderlich.

DrämcLO, Enohiridion der bibl. Oesohichte. Zosammeniassende Fragen. Gütersloh, BsrtBlsmsiiB. 4011.

IQsK, ])er fambete ffinteigcnd SB 100 KsiB^siai^ DiisiMi, BIsaa* Ki— wwg.

2 K.

JrsT, Abschließender K^echismus-Uni Altenbnrg, Pierer. 1: 0,90 M. II: 1,35 M. MiLTZEB, Verzeichnis empfehlenswerter Bücher zum ev. Religionsunterrioht 1. Heft der Sohriften der Päd. Gesellächaft Dresden, Bleyl & Kämmeier. 0,70 M.

2. Gesokiolite:

Jmmma, DtolMlie OesohioUa. FÜptntioDan nad Mirflcfe. 2 Bde. Altabbm; FieMT.

Wboam) u. Tecelenbobs, DentBohe Oesohiohte ffic Sohnie uid Asna. Hsono««^

Prior. 1,20 M.

liBTTAO, Bilder aus dor deutschen Yürgaugenheit. Iieipzig, fiirzeL Dbtkb, Deotoohe Eottuigesoliiahte. Lsogensslss, Giesder. B3bB, Wirtsdhsltqgeschichte und Wirtschaftalehze. Gotha, Thieneosan. Jukob, Quellen md Hilfamittel snr duteehen Oesoliiolite. Beriin, Yahlsn.

3. Singen:

SzDEHLKB, Das Lied als GefälüsaaedmcL Altenbiu|^ Fieier.

4. Zeichnen:

InoBRiB, Ober kttasUsnisoha Bnwilinng. Langensalza, Hermann Beyer k Söhne (Beyer 4 Msan).

Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des ecstsn KlwntBfiiflhBngllt^plll '

Bildende Kunst. Leipzig, Voigtländer. 1 M. Götze, Zur Reform des Zeichen-Unterrichts. Hamburg, Boysen & Maasoh. SoEWARTz, Neue Bahnen für den Kunst-Unterricht Ebenda. 1,20 M.

5. Deutsch:

EaauBumi, Ym. Msohsn SpnduUnilatiiefat Lsipsig» EKnUitidi % IL LOmi, Bettrilee siir Iheozie n. PtniB des Spuok-UnteRkdiiB. Leonis, Vonderiieh.

Ders., Der stilistische Anschauungs-Unt Ebenda. I: 1,60 M. II: 2,40 M. SoBiLLEs, Der Aufssts in der Knttetagpitohe. Berlin, Beather k Bekshanlt I: 1,50 IL

ü: 1,80 M.

ScHMncDEit, Der Anfsats auf psychologischer Grundlage. Leipzig, lenbner. 1 M. LiT, mUiTCi dnreli te BeehisQlireilranteRiclii 'WissbsdSB, Neniiidh. 4 IL FoLxz, Anleitung soi Behsndtmig dentooher Gediofats. 6 Pfr'Affhr Bnsdfls,

Bleyl & Kämmerer. Aimats, Dichter und Sohuimeister. Leipsig, Yoigtltader. 0^ M.

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1. lerieakune in Jena Aogost 1906 421

Konsterziehnng. Ei^bnisse und Anregangen des zweiten KnnataxiiehiuigBtilgeB:

Deutsche Sprache und Dichtung. Ebenda. 1 H. Marbu», Verzeichnis empfehlenswerter Bücher zum dentsohen Unterricht. 2. Heft

<l«r SdhiifliM HU. eweÜBoiiBft Dmdw, Bleyl k KlmiBeror. 1 IL

6. Geographie:

ItezscHE, Handbuch für den erdkondüfllieo üntaiidbt LmgeiiMlni Hemaini

Beyer & Söhne (Beyer & Mann). fiiBMS, Vaterländische Erdkunde. Hannover.

IracBHiB, Lehrproben zur Landeskunde von Europa. Leipzig, Tenbner. FMix,H6jiiMttiuidel,20]L SMiisea 1,40 M. DenlSGUapd 1.00 X. liiNpal.MIL Himmels- ond IsaMmüM. Die anlemmplieoliflii IMIiile 2 U. Loipiig^

Wunderlich.

Kebp. MethodiHches Hapdbach einer begründend -Tergleichenden £nUronde. 4 Bde. Trier, Lint.

IbeuiBUKiitf, PräparatioDeii fSat den geogr. Unterridii Sadieeii 1,60 M. Denlsdh- lMidI2 1L ni3>]L liirapa2^1L AitorauoplMe BidMle 2.80 M. Rlfeiitf Anweisong zum Unterricht in der Heimtllniiide. gegeben an den Beiapol

von TVkinhkim. Berlin, "Weidmann. 3 M. Xippi.no, Das Sy.stem im geogr. Unterricht. Berlin, Genies & HödeL WaLTUEa, Vorschale der Geologie. Jena, Fischer. 3 M.

7. Natmkiinde:

SoBOOt Lehrlmdh der Bolaiiik. Stellgert, Nigele. 4^ IL Ders., Lehrbuch der Zoologie. Ebenda. 4,20 M.

GonuD, Präparationen für den PJtyeik-UntBRioht Dreedeii. Bleyl k Kttmmerer.

I: 3 M. II: 4 M.

SKTnai, Der gesamte Lehrstoff des naturkundL Unterr. Leipzig, Wunderlicli. 3 M. 'WiLBBB. Der Untoniolit in der NetafkiuidB. Leipzig, Halm. 3 Bindoheii. SiüBKB. Biologie der Pflaiiieii. Leipil^ Vimderiieh.

Pabtheil n. Pbobst, Natozkonde. Leipzig, Oerdes & HödeL I: 1 M. II: 1.20 M.

Sktfert, Arbeitsktinde. Leipzig, "Wunderlich. 3,f>0 M.

LaY, Mothodik dos naturkundlichen Unterrichts. Karlsruhe, Nemnich. 2.60 IL

8. Geometrie:

Uaxbk und Scdiii», Baomlehie nach Fcurmengemeinsohaften. Deeeao. Bnm-Wnx, Oeonetiie der TeUaBohiile. Dreeden, Blejl & XXmmeier. L Fonnen-

kunde 0,80 M. IL Formenlehre 1,80 M. Zmao, Präparationen für Fomienkunde. Langensalza. Hermann Beyer k Söhne

(Beyer & Mann). 1; 1,4Ü M. H: 2 M.

9. Kechuon:

Inmi^ HethodiBolie Lehrgänge für den Beehennnteniohi Ders^ Anleitong zur BQdong heimatlioher Bechenaofgaben.

HAHMamr. Rechen-Untemicht Hildbnrghausen.

EmuKo , Die natoigeniäfte Methode des Beohen-Unteniohts. Minden. OUenbonq;.

2 Teile 9 M.

DaxicK, Rechnen im ersten Schuljahre. Dresden, Huhle.

10. Turnen:

Iteiunne, Handbuch für Tnnlehrer. 2 Teile. Leipzig.

KoBLRAüscn, Bewegungsspiele. Leipzig, OSsohen. 0,80 H.

11. Praktische Beschäftigungen:

Bajoh u. NiXDKBLBr, Des deutschen Knaben Handwerksbuoh. Bielefeld.

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422

IDttefliwgBn

12. Sohnlgarten: UnsBME, Der SohvJgazton im Difliute dm YoUnaohnla. DeaM» 1800.

B. Das Gesamtgobiet:

Bbx, Picekl, Schellkr, IIiMzie null Fnads des VoHwohnl -Unteirichta. 8 Sdiiil-

jähre. Leipzig, Bredt,

C. Zeitschriften:

Praxis der Erziehuiigsschole. Altenbaig. Lahiproben vaaA Lehr^ge. Halle. Sehvlpraxis. Leipzig. Fädaf^ogischo Studien. Dresden.

Philosophie und Pädagogik. Langennalta, Hermaan Beyer & Söhne (Beyei & lUim). Deutsche Blätter. £beuda.

D. Bnoyklop&die: BandlHMli der FUagOKik. Ebeoda.

4. FMagtgiMhe MMtoig and Bebaidlojig der Hitbeagwebtobte Ttol ht, Thfftndorf-AnezbaolL L Offflad« und Volgen der BnrflokMtaiiqv

a) 0rflnde: 1. ÜberschAtzung des pftdagogisohea Wertes fertiger Be- keuDtiüsse. 2. Falsche Vorstellung von SchulMrchengeschichte. 3. Uli- geschichtliche Stellopg zur BibeL 4. VeckaniuiDg dea QeisteBlflhenB uuenr

Gebildeten.

b) Folgen: 1. Kein im eigenen Geistesleben wurzelnder religKiser Gedankenkreis. 2. Keine Vorbereitung fOr den Kampf um die Welt- aiiBohanpng und den Lebensinhalt 3. Kein Einleben in den geeohiohtliofa gewoidenen leligiOaen der Gegenwart

n. Bedeutting

a) Für die Gebildeten im allgemeinen: 1. Beweis des Greistes und der Kraft. 2. Fortsetzung der Offenbarung Gottes. 3. Scheidung das Weeenfliohen vom Unweaentlicben. 4. Ehitfaltang des Weeens in der Be- wiltigimg neuer Aufgaben. 6. Yecsnndnis der Gcgenirart 6. Bewahiung

TW orOiodoxem und radikalem Dogmatisniufl. 7. ESngliedening in den

Organismus des Geisteslebens der Gegenwart

b) Für die Lehrer an allen Schulen: 1. Rechte Begeisterung für die eigene Untorrichtsarbeit. 2. Gerechte Würdigung der verschiedenen Richtungen. 3. Bc\N'ahrung vor Überächützung der Systeme. 4. ErmOg- lichung rechter Konzentration.

m. Aui^be

1. Vorhält nis zum allgemeinen Ziele der Erziehung und zum Haupt- ziele des Religionsunterrichtes. 2. Besondere Aufgabe des Religionsunter- richtes in den Obcrklassen höherer Schulen, den Fortbildungsschulen und sonstigen kirchlichen Veranstaltungen zur religiösen WeitaveniehuDg der Jugend. 3. Nicht erschöpfendes, encyklopAdisdies Wissen über InBere Er- eignisse und zufiOUge Einzelheiten, sondern EinfQhrung in den inneren Werdegang und damit Weokung des Interssses fOr das Gettaeioli in

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1. Ferieukurse iu Jena August 1905

423

seiner geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen BetAtigung. Nicht ÜbersätüguDg, Boodero Aoi^gimg zum WeiterstrebeD.

rv. Behandlung

a) Kritik des frowohnlichen Verfahrens: Leitfaden, Diktat, Vortrag, Urteile Btatt Eiufühning iu das Verständnis der Tatsachen.

b) Psychologisches Verfahren: Anleitung zum Versenken in den Geist der Vorzeit an der Hand einer guten Auswahl charakteristischer QaeUeoflohnfleD. Weekung eigenen Lebens durah VorfOhnmg des fremden.

V. Stofifauswahl

a) Allgemeine Grundsätze: Typische Vertreter der Hauptwende- punkte in größeren Abechnitten der Hauptschrifteo mit Ausscheidung alles üpwoocntlicben. Nioht naoh theolegiBchen Oeeiobtsponkleo, sondeni mit Bilcksidit auf die geistige (Jesamtentwicklang.

b) Anwendung: 1. Gymnaden und Seminaie. 2. Beatoohulen. 3. Volks- und Fortbildongssohulen.

TL Miffpln

Nidii konzentrische Kreise, sondern Fortschreiten nach Apperzeptions- stnfen. Im allgemeinen historisch genetischer Gang, mit Profangeschichte und Literaturkunde verbunden. Dogmengeschichtliches höchstens Kot der letzten Stufe im AnschluB an philosophische Propädeutik.

Vn. Iiehrverfahren und Iiahrproben

a) Grundsätze: Weder Schablone, noch Willkür. Anleitung zur Selbsttätigkeit. Herstellung der Verbindung mit dem persönlichen Werden. Bedeutung des Systems.

b) Lehrproben: Katholische Kirche (Augustiu, Fi-auziskus), ßefor- mation (Luther), Anfkllnmg (Lessing), Romantik (SöUeiermaioherX Neoseit (Widiem, sosiide Gesetzgebung).

IteSinwBr, Allgemeine Methodik des BeligionBimteniohts. Uqgensslsa, Heimann

Beyer & Söhne (BLver &. Mann), 1&03. Sohriftf n der PädagogisQhen Geseilaohaft 1. Heft: Zom BeUgionsanteRioht 2. AufL

Dre.sdün 1905.

BouBSKi, Das Weben der Ueligiou, Uaigcstullt au ihrer Geschichte. Halle 1903-

HuouflK, Dis Wesen des Ghristeatoms. I^ipzig, 45—50. Tanseod.

Hamb vok SQHinna, Die heutige Aufteong und Behandlung der KirohengeBobiohte.

Tübingen 1902. "WETMiX, Jesus im 19. Jahrhundert. Tiihin^'on 1903. Hans \os Schubert, Grundzügo der Kircboiigoschichte. Tübingen 1902. Fb. Naümamn, Briefe über BeUgion. Berliu-Schöneberg 1903. Jahilmdher des Yetefais für wissensohafüiche Fldsgogik. Bd. 20-30, 34 und 36.

Dresden 1888-98, 1902 u. 1904. MlLTZF.R, Die Hehandlung dos Pieti'^mus, Methodismus und Quäkertums in höheren

Schulen. Zeitschrift für den ev. Religionsunterricht. Bd. 15. S. 227 ff. THBÄNDOBf, Die soziale Frage in Prima. Dresden, Bieyl 4 Kämmerer, 1905. Baas und JOms^ Xiiehengeschichlliches Leeebnoh. SobtUezansgabe. Tübingen 1904.

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424 Mitteflimgm

LUF und HiTN, Lesebuoh £ar lurchengeschichte. 1. Bd.: Bis 2ur HefonnAOon. Leipzig 1904.

ÜBBiMiNnr IL Mmam, TRwhaiigBBflhiohtlichflB LeMbaoh. HL Ibil: Ncaiaii Dmte 1003.

Ik Mb ni ft^Uwe 4m BflligiiMnteiitaUi Im ftflaiilik

IS Yortrige mit DidtiiaiioiMn von D. Bnuncb

1. Altes Testameot. a) Allgemeine Schwierigkeitea und Fofdetaiigen. b) Spezielle Stoffe: 1. Moa. 1 4, Psalmen, Propheten.

2. Neues Testament, a) Behandiunp: des Lebens Jesu. Schwierig- keiten. Aufgabe. Lösungsversuche, b) Behandlung der apoetoliscben Zeit Briefe und Apostelgeschichte.

8. KatoohkorasiwobleDie. a) Ika SohtüpenBiiBi (im YeriiUbiis EonfiiiDMidmiiiiteEnoht). b) Bdhandlanc^ eiueliier KateoliiBaMMtolfeb 4. Udbode und Lehrplan.

LüeratBT

Sdiziften der Pldi^ QeseUsohaft 1. Heft. 2. Aufl. Dreeden 1005.

t. Ukn ff im WUmg 4m rfMHckw

IMr. Prof. Dr. K. JiMt>Attaiibaig

1. Dm Zid der Erddiiing

Die verschiedenen Ziele der Erziehung, die das Leben stellt. Welches

Verhältnis unter ihnen ist herzustellen? Der sittliche Charakter als hfichfll«

Ziel der Erziehung. Ist seine Bildung möglich?

YezgL ILküXf (jhrondlegimg zur Metaphysik der Sitten. Fkim, Ihe fizsehoog doB Willens.

2. Dm Wesen des sittUdien Chankien

Worin besteht der sittliche Charakter?

a) Das Bestimmbare: Der Wille und die Vorstellung»- und Gemüta- zustäude, aus denen er hcrvorwlkli.st. Wie muß er beschaffen sein?

b) Das Bestimmende. Was soll es sein? Die praktischen Ideen für die Eiczelpersou und die QeselUchaft.

Znsanmienfiusung der aitlJiofaen Chaiakterttige io einer IdealpeitiBQ- lichkeit Kglnsong der SitÜichkeit durch die Bdigioo.

Yeim^. Hmr^bt, AUgememe praklisdlie Hiiloaophie. HjJUUHiaut^ Die Orand- begxiffe der ethischen Wissenschaften. Zihxr, iiigemeine philoeophische EdiiL FAmanr, System der Ethik. Iats, Die ethisohen Orondingon. Hbbkaiik. EttiL

3. Die Stafen der sittHchen Chanhtedifldnng

a) hinsichtlich der Bildung dM WUlena, \ obiektiven Charaktere,

b) hinsichtlich des Sittlichen im Chnmkter, j

c) hinsichtlich des subjektiven Cluirakters.

Veigl. ÜEitBAiiT. Allgemeine Padaijo'^ik. IIkrbart, Umriß iiädagopischer Ver- lesungen. Waitz, Ailgemeiue Pädagogik, herausgegeben von W'ujjia>.n. Ziu^iu, AUgemeine FUsgogik. Itttan., Das Idi nnd die sitHiohen Ideen.

4. Mittelbare und unmittelbare Charakterbildung. E)as Schulleben im allgemeinen Anteil des Unterrichts an der Charakterbildung. Vollendung durch die Zuoht Oeetattnng einM reehten SehnllebeDB.

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1. Feiienituxse in Jena August 1905

425

Vergl. ZiLi.F.R, Gnuidlaf^en zimi erziehenden ünterricht. Ders., Die Begienuig der Kinder. I-aiigcusaka, Hermann Beyer & Süline (Boyer k Mann).

5. Besondere Formen des Schullebens als Veranstaltungen der Charakterbildung T. Gruppe. Formen des Schullebens, welche als Ei'gäazuug des Unterrichts die Arbeit als Prinzip haben:

I. Sobnhranderungen und Schulreisen. 2. Tierpflege nnd TierschiitL 3. Sdholgarteo. 4. Sdralwerkstatt SohuUaboratariiim.

II. Gruppe. Formen des Schullebens, welche als Yeranstaltungeii der Zucht die Erhohing und Erhebung als Prinzip in sich tragen:

1. Das Spiel. 2. SchulaudAchten. 3. Nationale Sohulfeste. 4. Schui- feete individueller Art.

Vergl. Beybr, Die Naturwissenschaften in der Erzifhuugsschule. Leipzig. Rur, EncyUopädie der Pädagogik. 2. Aufl. Langenbaka, Hermann Beyer k Söhne (Beyer k Maim).

7. Sag MaaDkelaer SehiisytteB Stadtsehulnt Dr. A. SkfciwgtivMMinhifai 3 Yoxtiiee Tom ia->12. Augnit; Jikkmkia: Sonnabend, den 12. Alraft

L Yorgesohiohte der Mannheimer YolkBSchiilreform.

Die ifiohtigsteo Daten der iuoeien und Sufieren Entwicklung der Mamiheimer Yolksschule in der zweiten Hälfte des vorigeD Jahrhundc f . Abgangsstatistik der Mannheimer Volksschule in den Jahren 1877 1897.

Die bisherige Organisation im Lichte der amtlichen Inspektionsberiehte. Vergleiche mit den Verhältnissen anderer größerer Volksschulen (Exkurs über Wesen und Bedeutung der üblichen Volksschulsysteme). Keform- TonchUge des SdniUeiters vom Jahre 1890.

n. Die Mannheimer Yolkseohnlreform in den Jahren 1899 bis 1905.

1. Behandlung der Reformvorschlage des Schulleiters seitens der lokalen Schulbehurdo. Schulreise nach Basel und Zürich. Gutachten über den Wert und Fortbestand der Bürgerschule im Rahmen der Gesaintvnlks- schule. Ein pädagogisches Gutachten Herbarts und der Mannheimer Schul- erganisstionsplao. läeillungnahme der Mannheimer BeviOlkenmg, der Lehrer- Bcbaft, der Geeeltechaft der Irste, der etaatliohen ObersditdbehOide snr angeregten Frage.

2. Modifizierte Eeformvorschläge des Schulleiters betreffend: a) Die ünterrichtsverhältnisse der Gesamtschule, b) Sondereinrichtungen: Ililfs- klasseu, Fürderklassen (Wiederholungsklassen, Abscbluttklassen), französische Klassen, Sprachheilkurse.

3. Durchführung der beechlossenea Beformen in den Jahien 1901 hiB 1905.

4. Die Mannheimer Schuloiganisation auf dem 1. Internationalen Kon- greß für Schulhygiene in Nürnberg Ostern 1904. Erörterungen in der II. Kammer der badischen Kindstniide im April 1904. Aufnahme der durch die Mannheimer Volksschulreform angeregten Idee der Organisation großer Volksschulkorper nach der individuellen Leistungsfähigkeit der Kinder bei auswärtigen Behörden, LehrenereiniguDgen und in der Freese.

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Ibttoiliio^Ett

IIL Die wichtigsten gegen das Grundprinzip des Mano- heimer Solmlsystems erhobenen Einwendungen und Bedenken nnd deren kritische Würdigung.

1. Die Oruppiening der Schüler nach der individuelien Leistnnge- fShigkeit ist zu einseitig auf dem IntellektualisiDus aufgebaut

2. Sie ist mangels exakter Maßstäbe nicht durchführbar.

3. Sie heftet den betroffenen Schülern und Lehrern einen Makel an und führt zu Mißhelligkeiten zwischen Elternhaus und Schule.

4. Sie beseitigt die wertivoUen Wechselbeziehungen zwischen Beeser- begabten und IGnderbegabten.

5. Die vom BsUast befreiten Ncnnalkkssen wecden in in nadm Tempo fortschreiten.

6. Die neue Klassenor^nisation ist wegen der verschieden gesrt^en lokalen und gesetzlichen Schulvcrhältnisse nicht überall durchführbar.

7. Sie verursacht zu hohe Kosten.

8. Die Vorteile des FSrderklassensystems lassen sich besser und aioherer eneicfaen dnrdh mflglicfaste Besdhiftnkung des üntenicfatastolfeB, Dorcdifmining der Elassen nnd Herabsetzung der Klasaenfrequens.

9. Durch die vorgeschlagene Differenzierung des Unterriclitsbetriflbs

wird dem Prinzip der allgemeinen Volksschule entgegengearbeitet.

Zusammenfassende "Würdigung der nicht bloß durch vertikale, sondern auch durch horizontale Gliederung größerer Volksschulkörper bewirkten Individualisierung des Massen- unterriohts

1. vom pSdagogisdi-scfanlteehnischen Standpunkte!

2. vom hygienischen Standpunkte,

3. vom sozialen Standpunkte,

4. vom volkswirtschaftlichen Standpunkte,

5. vom politisch-nationalen Staudpunkte.

Litsrattir

Dr. A. SicDNOXR, Organisation großer VoU£S8chulköri)er nach der nalftiSolm Leistungsfähigkeit der Kinder. Mannheim, J. liensheimer, 1904.

Ders., Der Ilntenichtsbetrieb in großen Yolkssoholkörpem sei nicht schematisch- einheitlich, sondern differensiert-dnheitlioh. Znsamnienfasseade Dar- stellnng der Mannheimer YolksBohnlreform. Ebenda 1904.

Ders.^ Mehr Licht und Wärme den Sorgenkindern unserer VoikBeohnlel Bin Ver- mächtnis Heinrich Pestalozzis. Zürich. 0. Füßli, lOOfi.

Dr. med. J. Mosks, Da.s Sonderklassensystom der Maunlioimcr VolLsschule. Ein Beitrag zur Hygiene des Unterrichts. Mannheim, J. Bensheimer, 1901.

U. Lins, Wie die Usanheiner Sehnloiganisation auigcnommen vmde. JBa. FBhier dnrdh die literatar der Uannheimer Oigsnisatiensfrigs. Bbends 1005.

Die wichtigsten Einzelaufsätze fiber Hia Uatmliaimai» Bnliiilftt|pti8^^ frage sind in nachfolgenden Fachzeitschriften eiaohiensn:

Badiscbe Schulzeitung. Bühl, Konkordia, 1899 ff.

Neue Badische Scbulzeitung. Hannheim, J. Bensheimer, 1899 ff-

AUf^meine BeatBohe Lehrexaeitnng. Leipzig, J. KlinkhsnU« 1800 ff.

Pidaeggiadhe Zeitimg. Bedin, B. Scheibe, 1809 ff.

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]. Feiienkarae in Jena August 1905

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Deutsche Schulo. Leipzig, J. Kliukliardt, 1899 ff.

Zeilsciirift für Scholgesundlieitüpflege. Hamburg, L. Voß, 1897 ff.

Fidagogisch-peyohologisoiie Studien. Leipzig, E. Wondetliidi* 1903 ff.

8. Im PMagtgiei siIimi

ProfeSBOr Dr. Guex-LBUsanne

1. Les «'coles suisses avant la Keforraation. Ecoles latiues. Lea ccoles aprOs la Keformation, La Reforme dans la Suisse allemande. Zwingli. Les premieres ordoonanocs scolaires. La K^forme dans la Suisse frau9aiäe: a Geoeve, a Lausauue, ä Neuchätel.

2. Les procanears de Bonaaemi: X P. de Cronsu, J. (}. Salier. BonoooQii et r»Emile«. Les disoiiilee de Bonaseen od SoisBe, ä HaldeD- stein et k MarschJioB. A. 0. ChavanneB et eon EsBai aar Pöduoatioii intellectuelle.

3. Pestalozzi et sori infliieace 8ur le developpement de IN'KJole [»opulaire suisse. Le Kre Girard et s ni Cours 6duoatif de laogue maternelle. Fellenberg, a Berne, Iseiiu, u Bäle.

4. L'teole ndne aons la B6pnUiqiie helf^tique, l'Aete de MfidiatioQ et la BeBtanimtiGiL P. A. Stapler. Progrte de Tteole smsBe an XIX^. flidde. Le mouvement liberal L'6cole de 1830 k noe jeuiB. Le num* TemeDt froebelien et les jardins d'ea&nts.

5. L'6cole suisse eontemporaine. Les trois ordres de l'enseignement. Les Universites. L'enscignemeüt secondaire. classique et röaL Lea aub- veuliouö fedurales ä r6cole piimaire. GoDclusion.

IlL Psychologie und pädagonische Pathologio

1. Pfeyehtlagle des Hades Dr. Alfred SpitaacivLeipsig

I

A. EkriiHnde allHMiie OrMtami

1. Begriff and Aufgaben

a) Die Psychologie des Kindes als Wissenschaft von dessen geistiger BatwickluDg. Handelt es sich nur um die Erforschung des kleinen Kindes?

b) Das Verhäitni.s der Psychologie des Kindes zu den analytischen und synthetischen Autgaljen der allgemeinen Psychologie.

c) Der Anteil der Psychologie des Kindes am wissenschaftlichen Anf- hm der Pädagogik.

2. Methode

a) Beobachtung und Experiment der PayoliegeDeee als wiaeensohaft- liohe Forschung und als praktische Untersuchung.

b) Gibt es eine aeibatftadige pftdagogiache Forschung auf psycho- genetischem Gebiete?

c) Verschiedenheit und gegenseitige Ergänzung der pädagogischen und der medisinisoben Foreohungs- und üntenoohungsmethoden auf einem ^emeinBamen (binooiüaren) Aibeitefald.

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428

Mitteilungen

Lfteratnr

Spitzxer, Natur und Naturgemäßheit boi Eousslaü. Leipzig 1892.

TiKnuMAWK, Beobacht. über die EntwiokL der Seeleofähigkeiten bei Kindern. Ausg.

Um. lÜMibiuig 1897. Fmaumo, SduiftBii, Gott Aiugabe. 7. Bd. 8. 90 ff.

BiRBAST, Berichte an Herrn ton Oman nnd Ümnß pädag. Vorlesungen. Herbacts

pädag. Schriften. Ausg. von WiujCAim. 1. Bd. 8. 11 2. Bd. & S68 £L Fröbel, pädag. Schriften. Ausg. v. Seidel. 1 Bd. S. 27 f. Dabwin, Lebeusgeschichte eines Kindee, in der Zeitschrift Mind 1877. BmainniD, Kind und Welt Aiug. t. üfu. BUMinsohiralg 1807. Pbetkr, Die Seele des Kindes. 5. Aufl. von Eabl L. SobShb. Leipng 1900. Strümpell, Erziehnngsfragen. Leipzig 1869.

Ders., Die Geisteskräfte des Menschen, verglichen mit denen der 11616. Ein Be-

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Den., Psychologie als Lehre m der Bntwiddniis des Seelenlebene im MenecinB.

Leipzig 1884.

Hall, Kinderforschung: Die Grundlage der exakten Pädagogik. Übersetzt von

SmiPFL. Interuationalo Bibliothek für Pädagogik und deren fiilfswiasensohaften.

Bd. IV. S. 150 ff. 1902. AnsfGhitiohe YerseichniBse der kinderpsychologisohen Literfttur &

Beiks Encyklopädie, in üfbrs Xledemenn-Anegebe, in der Zeitaohxifk fax pld.

Psychologie u. Pathologie von Kemsies. 1. Jahrg. 3. Heft ff. Vei]^ iBner: Ament, Fortschritte der Kinderseelenkunde 1S95 1903. Leipzig 1904. Über die amerik. und englische Forschung vergL Tragt, Zeitschrift »Die

Snderfehlerc, herausgeg. von Tbüfkb, Ufer u. Koch. 2. Jahig. S. 33. Sininn., Zsitaofar. 1 pSd. Feyoh. o. Feth. 1. Jahxg. a Heft. Uao Donald, Ebenda. 2. Jidiig. 2. Heft

Rftn, »Aus dem päd. Univ.-Serainar zu .Jena«. VI. Heft. S. 138.

B&AHN, Fädag.-psychoL Studien. Beiblatt 2ar deutschen Scholpiaxis in Leipxi|(.

n

B. Dar Verluf der gelstr^eR Entwieklueg des Kindel uoh Art, ChriMligh mi kausalen ZosaMMihaH der EalmMüaageersoheiniageB

1. Die Epoche des entstehenden psyehiseiien Mecfaanlmu

Erstes Kindheitsalter (bis zum 4. Lebensjahre)

a) Der angeborene psychophysiologische Reflexmechanismos als Aus- gangspunkt der geistigen Entwicklung des Kindes.

b) Der auf gesunder Vegetation, Sensation und Motation beruhende AQftmi einer Vorstallimgs-, Stimmungs- nnd StrebuDg8meoliaD& im Beraidh

«) der Bewegungen, ß) der Sprache,

y) des Selbstbewußtseins des Kindes.

c) Die Geeetze, welche bei diesen Entwicklnngsvoig&ngen wirksam sind.

Literatur

Hart.hann, Psychische Alterstypoo, Ru.vs Encyklopädie. IL Aufl. 1. Bd. S. 50 iL

Strümpell, Psychol. Pädagogik. Anhang. Leipzig 1880.

IkACT, Psychologie der Kindheit Hennsgeg. v. Saum. Leipzig 1890.

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1. FonenkuM ia Jona August 1905

42»

CoKPATBi, Bm AktwioUmg der Tinilnwwnln HMHUpgehen von Um. Altnbug

1900.

Päjstbr, Die Seele des Kindes. 5. Aufl. Leipzig 1900. lüiDKXB, Aus dem Natoigarten der luiidüräprache. Leipzig 1898. AiiBir, Die Bntir. m Spiwliai vdA Denkaa Iwim Kiiid«, Leipzig 18M.

in

2. Die Spoche der erwachenden BUdoiigstrlebe. Zweites Kindheitsalter

(5.-8. Lebensjahr)

a) Du auf Grundlage des aoflgebildeten Selbstbewofitsdna des Emdes fiidi entwickelnde BUdnngsbedflifnis des Kindes im Berskihe seiner Triebe

und Interessen.

b) Differenzierung 5 fundamentaler BUdungstriebe.

o) Die Orondtataachen und die Grundgesetze ihrar Bildssmkait

Utiratn-

Fröbex, Pädag, Schriften. Au.sgabe von Seidbt-. Leipzig 1883. HiRBART, Ailgem. Pädag. und Umriß pädag. Vorlesongea. Stbümfxll, E^ehungsfrageu. Leipzig 1869.

T. Oousu, BByvbol. n. FUig. des ffindenpieh. Anqgibe t. Um. Altenbug 1000. Sollt, Untersuchungen Über die Kindheit 2. AnfL Ldpsig 1904. Isvonrani, KindenMwohnnngen. Leipsig 1905.

IV

3. Die Epoche der Namdstaa« der MldiBgtfaMa. Drittes Eindheits-

altev (9.— 12. Lebensjahr)

a) Die Oberginge vom mechanischen zum normierten Vorstellen und Handeln des Kindes, bezogen auf die Zwecke der jSrziehung, Das Qe- jfühlsbewußtsein als Entwicklungspotenz.

b) Die Differenzierung der Normierungsprozesse.

c) Die Grundtateachen und die Grundgesetze ihrer Biildaamkeit

LItaratw

aiBflni'UJ., Psych. Hdi^pigflL Leipzig 1880.

Ders., I^yofaoL als Lahrs ▼. d. Kbtw. d. Beeleiilebens im Manseheo. Leipsig 1884,

flcMMiDT, Anflisn und Entwicklimg des menschlichen Geisteslebens. Zugleich eine DarsteUnng der Psychologie Strümpells nach ihrer historischen Stellung und ihrem wissenschaftlichen und pädagogisohaii Werte. Langensalza, Hermana Beyer k Söhne (Beyer & Mann), 1905.

Jahn, PsyohoL als Onmdlage der PUag. IV. Aufl. Leipzig 1904.

WusBt, OrondiiJI der Fayolud. V. Anfl. Leipsig 1903.

V

4 Die Epoche der beginnenden aonaiertea SelbstbesUmmang. Viertes

Eind&eitsalter (18.— 15. Lebensjahr)

a) Die Ausgestaltung des Weitt)ewu8t8eios und dessen Verknüpfong

mit dem Selbstbewußtsein des Kindes. Zuiadmung, MsximeiiWidung, ob« jektive und subjektive Charakterbildung.

b) Die Znsammenwiikung der Normieningsproseaee in Form tteier

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430

Ifitteüaugea

c) Die harmonisch normierte freie Selbstbestimmung auf allen Ge- bieten der Hildungstriebe. Ihr Einfluß auf die Bildsamkeit des Xindes. Abschluß des KLadheitsalters, Überg:aDg zum Jugendaltei.

UteratHf

Veij^. die Angaiben tintor IV. Dtiu: HkRRiBx, Allgom. Pädag. und ümxü pädag.

VodeBongeii. FlDoil, Du loh vod die aittliöhen Ideen.

Yl

C. Dto VirioMiiiiüiH iir Uiiinilmi

1. Klamifikutifm EindeniatiiraQ nacb den Ketkmüai der nonialeD

Bildsamkeit.

2. Doppelsinnigkeit dos pädagogischen Fehlerbegriffs. Ihre Bedeutung für die Auf&88ung des P&dagt^giecti-Nonnaleii und des Pfidagogisch-Patho- logischeu.

Utoratar

HbubSi Briefe Aber die Anwendung der FbydioL ani die FUi^. Angßh& von

WüMIANN. S. 277 ff.

Strümpell, Die Verschicdpnheit der Kindornaturon. Leipzig 1894.

HüTHKR, Psycho]. Erziehungslehre. Anhang: Charakterologie. Bedin 189&

KicH. Bäbwald, Theorie der B^abung. Leipzig 1896.

QaßMPmj, o. SpRsiin, Die FIdag. FMihoIogie. 3^ Aufl. Leipzig 1899.

Bassm, Die pideg, Bedentong der Lelm yw. den peyohopttbiadhen ICndenrarllg-

keiten. Leim 1894. Ders., Die psychogenen Störungen der Sfhulkindor. Leipzig 1899. Ders., Die pädagogische Pathologie im Somiaanmtorrichte. Gotha 1902.

D. GeeoWoirtlioher RMMIoli

a) auf die ältere philosophisch-pädagogiBdie,

b) auf die biologisch-medizinische,

c) auf die neuere exakt-pädagogische Kinderforschuog. Das Verbfiltnis der drei Bichtangen.

unranr

Yei|^ die Angaben nnter A.

2. Ober die Irsackea, die ErseheiniDgei und die Weekselwirkiuig vea kirper- Uahcr ud (»yebepAtklMker MiiderwerUgkeit Mm iiade 6 Vertiige mit DemonstrationeD Dr. FieMfJeui LebenedgonHohaften und allgemeinfi FaUiologie d«8 ZeUorganiamas. Ernahnmgsfehler imd Vergiftong. Btwliitia (Schldel, ZShne, Sbolioee, Übeiemgbarkeitsnenrosen, Einnässen usw.). Skrophulose (adenoide Vega* tltionen usw.). Chronische und akute Infektionskrankheiten (Tuberkulose, S3rphi]is, Keuchhusten usw.). Endogene und exogene IntoxilLatioD (Base- dowsche Krankheit, Alkohol).

Mam, VortBchzitte der Kindexaeeleiikiinde. Leipiig, igngaimmii

Die betr. Artikel in XbOheb n. üm, Zeitschrift 1 Einderfnaoliiing. Langaasda»

Hermann Beyer k Söhne (Beyer & Mann). In EmsiuifN, Zeitschrift f. Schulgesondheitspilege. fiamboxs, YoB.

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1. Ferieolnine in Jena Angnat 1906

431

In Retx, Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik.

Nkümaxn, Über die funktionellen Nervenkrankheiten des Eindesalteis. DentBoha

Klinik. Bd. YII. Berlin u. Wien, Urban & Schwarzenbeiig. HoEU, ImbezUlitSt Bd. VL Ebenda. ScooBR» AUg. DiagnoBlik der OeistaabiiiUietten. Ebenda. Ckmbfy, Über Einderernälirung. Bd. VIL B?bendnf Zappkkt, Rachitis. Bd. VII. Ebenda. HocHsiNotR, Krämpfe bei Kindern. Ebenda. Solimann, ijkrophulose u. Tuberkulose bei Kindern. Ebenda. ZoPFBCt, Über einige, dem Kintomlter ejgenüunliohe Erkmkangen der Naae nnd

des Eachens. Bd. VIL Ebenda. ftiMnmiiwe, Über Psychosen im Zittammenhaiig mit ak. n. ohion. Lifektionflkrtnk-

heiten. Bd. VT. ElM-nda. Neisskr, Die Diagnose der Syphilis. Bd. VI. Etieuda. FufKELSTELN, Hereditäre Syphilis. Bd. VII. Ebenda. Iabbb, Die Teverbinq; der Syphilis. Bd. Z. Ebenda. EoumBVBG, Die Basedowsche Krankheit Bd. VI. Ebenda. Jhyaa, Über den Einflafi des Alkohols anf den Oiganismua des Kindes. Stattgart^

Enke.

KiuKPULLs, Über die Beeinflussung einfacher psjdh. Vorgänge darch einige Arznei- mittel. Jena, 0. Fieoher. Smhh, Alkoihol nnd geistige Arbeit Leipzig, Henken.

Hebt, Über den EinfhB des Alkohols auf das Nerven- xl Seelenleben. Wiesbaden» Bergmann.

3. Des Riades Sprache aod Sprsehstörnngei

6 Vorträge von Dr. med. Hermann Outzmann, Fn vatdozent a. d. Universität

Berlin

1. Das Seelenleben des Neugeboreoen. EntwicUnng, Übung der Sinne. SpiaoheDtwiekliiog: a) Sohiden, b) Lallen, c) Nachahmen, d) spontanes Sprechen. Die Kindersprache.

2. Kurzer Überblick über die Anatomie und Physiologie der Sprache des Kindes, a) Das Atmungsorgan. Physiologie der Atmung. Unterschiede zwischen der autonomischen Huiicatmung und der willkürlichen Änderung des Atemt^us beim Sprechen. Entwicklung dieser Sprechatmung beim Kinde. Änderung der Atmung zur Zeit der gesdileobtliohen Entwicklung (Pubertät), b) Aufbau des Stimmoigans. Physiologie der Stimme. Der Stimmumfang des Kindes. Die Hfihe der Sprechstimme. Uotmaohiede zwischen Brust- und Fistelstimme. Stimm- einsatz und Stimmansatz. Unterschiede zwischen der Stimme des Kindes und der des Erwachsenen. Worin besteht der Stimmwechsel? c) Das Artikulationsorgan, sein Bau, seine sjirachüchen Funktionen. Die Yer- findemngen des Artikulationsorgans während des kindlichen Wiachstoiiui: MnDdhllhle, Zunge, Ztime (Zalmwechsel), Nasen- und BaeheiiliOhle, Die BUdnog der Vokale (Formanten dee IQndes) und Konsonanten.

3. Aufbau der Kindersprache. Einzelheiten der Sprachentwick- lung. Bedeutung der Pubertät für die Si)rache. Kurzer Abriß der Psychologie der Sprache: a) Peripher-impressiTe Bahnen: Hören,

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Sehen, lierühriuigs- und Beweg^ungsempfindungen der Sprachwerkzeuge, b) Zentrale Bahnen und Zentren: sensorisches und motorisches Zentrum, ZnsMuneiihaDg dieser Zeatren mit den TeilToretelluDgen der B^riffe, AaeogSationflbahnen. c) Föripher-expreeeiTe Bthnen, ceDtrifugale und notri- petBle Leitung der Iimeratioa dieser Babneo. EDtwkliiiiig der «inaebfln Zentren und Bahnen beim Kinde.

4. Die Hemmungen der Sprachentwicklnng. Hemmung in den einzelnen unter 3 genannten Bahnen und Zentren. Parallelismus zwischen den sprachlichen Erscheinungen des Kindes und den Sprach- fehlern der Erwachsenen. Die Übergänge zwischen normalen Erscheinungen der SpiaofaeDtwioUiiiig und bleibenden SpiadifdilOTn. Exakte Begrfindung der prophylaktischen Ifafinahmen : Hygiene der Sprache im allgemeinen, Hygiene der Stimme (StOnmgen des StimmwechaelB). Erster Lese- nnd Oeeangsunterrichf .

5. Die liäufigsten Sprachstörungen des Kindesalters: Die verschiedenen Arten der Stummheit: Hörstummheit, Taubstummheit, Sprach- verlust (Aphasie) des £äudeti, psychische Taubheit. Stammeln und Stottern, üntersoheidimg dieser Spiaohlebier. Die h&nfigsten Arten des Stsrnmebs: Lispeln (Sigmatismus), E- Stammeln (Faragammaoismns) R- Stammeln (Pararhotaoismus). Das Stottern: Entstehung, YeiMtang, Wesen, Be- handlung. Der Agrammatismus. Die SpcaohstfiraqgeD eohwaohiBnniger und idiotischer Kinder.

6. Die Aufgaben der Mutter bei der sprachlichen Erziehung und Überwachung ilures iiindes. Die Aufgaben der Schule. Die Tätigkeit deg Lebra» nnd des SdfanlantaB: Knise für spraoligebmohlidis Xindw in Dentoohland. ISnriditnng, Oberwaobmig mid Besnliate der Kmm Die soziale Bedeutung der SpraohstiSrangen: Emflnfi auf die BembwaU, Ab- leiBtung der Dieantpfliobt,

Zor Yorbareitong anf die Voriesangeii, aowie snm Naohlflomi wid aar Yer-

vollstäudigung des Gehörten verweise ich auf:

n. GüTZMAiw, Des Kindes Sprache und Sprachfehler. Leipzig IS94.

Ders., Vorioöungen über die Störungen der Sprache. Für Ärzte und Lehrer. Verlag

voa FiscHEBS med. Bachhaudluog H. Kornfeld. Berlin 1893. (Hierin findet sich

ein aehr aaafBhiÜobn litexatmrrerzeiohnia.) DeiB., Die praktisdie Anwendung der SpnobphysMogie beim enten Jjmnntmktt

Sammlung ScmmcR-ZmHEy I, 2. Berlin, Reuther & Reidiard, 1857. I>en^ Die aosiale fiedeotimg der Spnwhatttnugen. Jana, Onstanr FiaoiMr, 1904.

IV. Kim» am dMi Mist dar FnuianMIdt

1 VaBaalMa

(mit besonderem Being anf Franenbildnng nnd Frauenarbeit)

18 Terieaaiigeii tod "Pnt Dr. theo!, et pbiL Zfflifliar-Beiün-ZaUeBdorf

Einleitung: Yolkspflege als Yolkserziehung und Wohlfahrtspflege. Ihre Bedeatnng fOr die Franenfrage nnd die der Franenfrage für sfeai

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1. Ferieakone in Jeua Augoät 1905

433

1. Die Organisation der Yolkspfleijo.

A. 1. Ihre Träger, a) MittelUir. Die Kulturgemeioschaften: Familie (soziale Aufgabe der Frau), Gemeiiido (Sozialpolitik der Gemeiude), Staat (Heimat und VoUffitam als Natuignindlage Volkspflcge; der Heom- dienst als MiUelt die konstitatioiielle Staatseinnohtiing als Antrieb, das Wohl des eigenen Volkes als Ziel der staatlichen Volkspflege; öffentlicher Dienst der Frau in der Wohlfahrtspflege? Die Stellung des Staats zur Frauenemanzipation), Kirche (Aufgabe der Kirche; Kirche und Fniuenfrage). b) Unraittelliar: 1. Der Beruf. Beruf und Geschäft; pci-süidiohe und allgemeioe Bedeutung des Berufs. Was sind Frauenberufe? 2. Zweck- gemeinsobafteD, untenchieden nadi Zweck (ErweibB-, gemeinnfitziger und WohitBtigkeitszweck), Yerwaltang (hensohaftliclie und genoflsensohirfUiche), Wirksamkeit (FQraoige oder Selbsthilfe), Subjekt (Barsonen, Yerbinde, Kapitale).

2. Ihre Mittel: Amtliche und freie. Anstalten und Einrichtungen, Ge- setze und Belülirungj gegeuseitiger Ausgleich der auieinauder augewiesenen Bedürfuiöse.

B. Soziale Fiaueabildung im ganzen (sosiale Fraueoschulen und soziales Element in der allgemeinen IWiuenbildung). Allgemeine soziale

Ftanenorganisationen.

II. Volksgesundheitspflege.

A. Die AufgaWn der Volksge>undheitspflege.

I. Erhaltung der Gesundheit: Volkshygiene. Hygienische Ge- wöhnung und Erziehuug. Gesuudheits-Gesetzgebiuig und -Polizei. Hygienische Maßnahmen der Städte. Sdmlhygiene. Oewerbehygiene. Verdne für öffentliche Gesundheitspflege.

Maßnalimen , je nachdem die Oesundheitsstörungen hervorgerufen woden durch:

a") Tbertragung: 1. Entaitung durch Vererbung. Entartung als Vr- saobe wirtschaftlichen und ^ittlicile^ Niedergangs. Krankheit oder Sünde V Die hygienische Bedeutung der Eliegesetzgebuug. Wohlfahrtspflege und Yeibenerung d«r Rasse. 2. Ansteckung: Der Kampf gegen die Ver- breitung der Volksseucben durch Isolierung. Tnberknloeenheime ; Regle- mentierung der Prostitution. Deutsche Gesdlsohaft zur Bekftmpfmig der Geschlechtskrankheiten. Desinfektionsanstalten.

b) Gefahren: Goburts- und Wuchenbetthygiene.

c) Lebensweise: 1. Wohnung: Wohnungspflogo durch Gesetz, Ge- meiniki, i'rivatliirsorge. Selbsthilfe. Wohuuugsiuspektiou. 2. Ernährung: Einderernährung und Säuglingssterblichkeit; Cnterernfihrung und Trunk- sucht Volksküchen und SpeisehSuser. Schulspeisungen. Speisentraosport Kochkiste. 3. Hautpflege: Volks- und Schulbftder. 4. Arbeit und Er- holung: Arbeits- und Ziellosigkeit als Ursache von Krankheiten. Der Militärdienst und ein Freiwilligenjahr für Frauen in ihrer hygienischen Bwleutung. Nnrnialarbeitstag. Beschäftigung und Unterhaltung. Volks- und .Jugendspi**le, Sport. Garten- und Blumenpflego. Schrebergärten. Volksparks. Schülerwanderuugeu uud üeidefahrten. Walderholuugsstätteu. rerieDkolonien. Stadtkolonien. ErholungshAuser.

ZaltMhiUt fir FbHoNpU» and ndigaglk. 13. Jahiguf . 28

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MitteiluDgen

2. Wiederhersteliuag der Oeeandheit: Kiaakenpilege uod Samahter- dienst.

a) Ki-aiikenpüege: Krankenhäuser. Volks- und Kindel heilstätteii. N€irfeii- imd TrioketheOslittien. Ineohdlanstalten. Hauskiaiikenpflege. BispensaireB. Oememdekiaiikenpflege. FQnoüge für Geoesende.

b) SamariteidieDSt: UnfiJi - BBttnogsdienst Rettnog SdnfftnUoluger.

Kri^krankenpflege.

c) Ergauzende Ffliaoige bei Knuikkeit und Unfall: Kiankenkflcheo.

Sanitätskästen.

3. Hilfe für Gebrechen. Bedeutung und Gionzo dieser Ililfe. Bildung und Pflege Bresthafter (Gebrechliche, Sieche, Krüppel), Viersinniger (Taubstummer, Blinder) und geistig Defekter (Idioten, Geiste^nrnker, Epi- leptischer).

B. Die VolkBgeBiuidlieitspflege und die Fnni.

1. Die IVaneobenife im Lidite der Hygiena Qenchtspankte; An- wendung.

2. Frauentätigkeit in der Gesundheitspflege. Die stillende Mutter und die Amtne. Die Wohnim^spflegeriii. Gesundheitspflegoriu, Fleisch- beschauerin, Zalintechnikerin , Kloinkinderpflegerin , Turnlehrerin, Taub- stummen- und Bliudenlehi-eriu, Hebamme und Wochenpflegerin, Ärztin, Enmkenpflegerin, Erankenbesudberin, Eriegskranken-Helfeiin und -Pflegerin, Samariterin, Heilgehilfinf Heilgymnastin, Masseaae, ApotMerin.

3. Organisationen für Krankenpflege- Ausbildung und -Dienst: Mattei^ häuser, Berufsgenosaenschaften, ErankenliAiiser mit eigenen Pflegerinnen- Bchulen.

III. Volksbildung.

A. Die Bildungsmittel:

1. Schulen: a) Der Kindertrarton , sein Verhältnis zu Kindei-stube und Sehlde, zu Bewahranstalt und Kleinkinderschiüe. b) Die Volksschule, c) Die höheren Schulen: Mittelschulen, Gymnasien, Realschulen, Real- gymnasien, ?ortbildung88ohalen. d) Die Fachsohnlen, UnivenitStieD and Institnte^ Oewerbesohnteo, Tedmiken, Technische Hodisohnlen. e) Hilf»- Bchulen für Schwachsinnige, BIMenanstalten, Hagged Sobods. Ziir Schulorganisation: Neue Erziehungsziele (Einheitsschule, gemeinsame Schul- erziehung beider Geschlechter. s«jziale und stiuilsbürgerliche Erziehung).

2. Die Weiterbildung Erv,achsener : Volksliochschulwesen. Ferien- kurse. Wissenschaftliche Vorträge. Bildungs vereine.

3. Volksbibliotheken, Lesehallen, SchriflenTertreibnng, Die Tsgea- leitong. Kdeen als Bildungsmittel.

fi. 1. lYanenbildnng. Das Hflddiensohnlwesen und seine Befonn. Höhere Mädchenschulen. Fortbildnngs- und Fachschulen für MAdcl^n. Gymnasial- und Realschulbildung und UniveiBitfltSBtiidiam der Vom.

"Wissenschaftliche Vm-lcsunt^en fflr Damen.

2. Frauen Inji-ufc in der VolksbiMnng nebst Vorbildung dafür: Kinder- gärtnerin und Kinderpflegerin; Erzieheriu und Lehrerin; Fachlehrerinnen; die Bibliothekarin.

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1. Ferienkaree in Jena August 1905

436

IV. Volkskii nstpflege.

A. Grundsatzliches: Spiel und Kunst; Kunst und Natur; Kunst- empfinden, Kunstmittel und Kunstwerk; Kunsttätigkoit und Kunstgenuß; Kunst und Handwerk; Kunst und Dilettantismus; Kunst uud Beha^n, Go- seUigkeit, ]n:otseiitiim. ünmittelbare und mittolbaiie Kfinsta KudbI- MtCfQhrangiQn und KuDstsammluDgen.

Die Kunst im Hause. Eunstbildung und EiuistAbiiDg durch die Schule. I^unlsf'hafts- und Gartenpflege. Verschonerungsvcreine. Denk- mäler. Volksunterhaltuugsabende mit künstlerischen Darbietungen, Volks- konzerte und Volkstheater. Yolkfimuseen und Museumsfühiungeu. Die Kirche und die Kunst.

B. KflngtlflriiKthe VmamhmdB: SchaoBpieleriu, Openis&Dgeriu, Tans- kUDBÜeriii (Bfibnenschnlen). SBngerin und Instnunentalkfinstlerin, Musik- lebrerin, BiMhauerin, Musterzeiohnerin und Photograpbin (Kunstachulen und Kunstgewerbescbulen). Zeichen- und Kunslgewerbelehierin.

V. Wirtschaftliehe Volkspflege.

Zentrale Organisationen dafür. Arbeit und Kapital als Quellen des Wohlstandes; ihr Verhältnis zueinander.

A. 1. Bewahrung vor Not durch -wirtacfaaftliohe Votsorge.

a) Die Sicherung der Arbeit: 1. Schutz vor Aiibeitsunfthigkeit: Forderung der Erwerbstfttigkeit durch höhere Bildung. Arbeiterversiche- mng. Arbeiterschutz. 2. Schutz vor Arbeitslosigkeit: Auskunftsstellen und Arbeitsnachweis. Arbeitsbeschaffung. Notstandsarbeiten. Ateliers nationaux. Auswandenmg. Äußere und innere Kolonisation. Arheits- losenfürsorge und -Versichei-ung. Beschaffung von Hilfskräften. Uaus- pflege. 3. Steigerung der Arbeitsleistung: Wettarbeit um Prämien und in Akkord; Yerbesserung der Arbeitsmittel und -Methoden, Herandehung der Arbeiter dazu. Entlastung von hftuslichen Pflichten durch Krippen, Bewahranstallen, Kinderhorte. Ferienhcwte; Unterkunftsräume an der Arbeits- stfitte. 1. SiflKTung des Arbeitslohnes und des Arbeitsverhältnisses: Ge- winnbeteiligung. Tarif gemeinschaften. Arbeitsordnungen. Arbeiterorgani- sationen und - Vertretungen, ßeciitsschutzstellen. Volksbüros und Arbeiter- Sekretariate. Gewerbegerichte, Einigungsämter.

b) Die Sicherung des Vermögens: 1. Lebens- und Todesfall- und Kapital -Veraichenmg. Volksversicherung. Spsrwesen; Scherls FrRmien- Sparsystem. Darlehnskassen und Yolksbs&ken. Hilfskassen für ver- schiedene Zwecke. Loilihäuser. Kampf gegon den Wucher. 2. Ver- billigung der LebenslM-dru Inisse: aj Die Wohnungsgenossenschaft, b) Ali- gemeines über Wohnuugspflege. Wohnungsgesetzgebtmg , Erbbaurecht, Bodenreform. Wohnungsfürsorge durch Arbeitgeber, durch Selbsthilfe, durch gemeinnatzige Vereine, durch die Frivitindustrie. Herbergen und Hospixs, Gewerksohaftshinser. Pendonate. Heime fOr Alleinstehende: Schjafgängerwesen. Ledigenheime für Männer, Frauen, Lehrlinge und Qe- sellen, Mägde. H'^imaten für Stoll'-iisMchende. Altenheirae. c) Nahrung und Gebraiichsgegenstäude: Volksküchen. Konsumvereine und sonstige < "renossenseliafteii. Brockensanindungon. Einkaufserleichtenmgen. d) Ver- wertung der Arbeit durdi Genossenschaften und gemeinnützige Vereine.

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AnfBfttM

2. Hilfe in der Not durch Armenpflege.

a) Orc:anisationen der Armenpflege: öffentliche und private, pcrfiön- lichc und amtliche, freie und g-enossenscliaftliche, bfirgerliche und kirch- liche Armenpflege. ZeutTdlorganisationen.

b) Formen der Armenpflege: Offene: Oemeindearmenpfl^ ; Elber- felder System. GeBcfaksseoe: ArmeD- und AibdtBhftnBer. Arbetterkolo- meuL Asylo für ObdaoUose^ Wltomestiibeii, Aimenspeianng.

B. Wirtschaftliche Frauentätigkeit:

1. Die privat- und Volkswirtschaft] iclio Hcdcutimf^ der Hausfrauenarbeit.

2. Die Ausbildung zur Hausfrau: Der wirtscliaftlicho rntorricht in Haus, Kindergarten und Schule. Hau.slialtungsschulen. Wirtschaftliche Frauenschulen. Zimmersche T6chterheime und Mädchenheime. Wander- kochkorse. HMidarbeitBnntewidit

8. Die fibUobfirao selbsttodigeii wirtsohafQiohfln FnmenbenifB unter Abgabe ihrer Vorbildung:, und ihres wirtschaftlichen Wertes (Arbeits- verhältnis, -ertrag, Überfüllung) in hauswirtscliaftlichen Diensten, in r.,and- wirtschaft und Gartenbau, in der Industrie, im Handel, im Verkehrswesen, in der Verwaltung.

4. Frauenberufe in der wirtschaftlichen Volkspflege: Haudai'beita-, IndnstDe-^ Zeidhen-, Hanshalt-, GartenbauleliieiiiL Annenpflegeiin.

VL Sittliche und religiöse Yolkspflega

Verhältnis von SitÜichkeit und IMmmigkeit Sittlichkeit und Aifaeit und Gemeinschaft.

A. 1. Die Familie, iln- Ersatz und ihre Ergänzung.

a) Die Familie, der Mutterschoü der Sittlichkeit Ihre Gefährdung und ihre Jilriialtuug.

b) Ersats der Familie: FindelhftDser. Sftuglingsheime. Hsltekinder- -weseo. Waisenpflfige, offene und geeohloesene. KinderBchtttz.

c) Ergänzung der Familie: VersoigimgsbiDser. Qeneralvormundschalt, Jugendschutz. Lehrlingswesen. FQrsorge für die weibliche Jugend; Für- sorge- und Zwanirserzielumg. Rettungshäuser. Erziehungsvereine. Für- sorge für Erw.K hsi no: für Ledige, für Gefallene, für entlassene Gefangene. Gemeiusciiaftspfiege ; Brüder- und Sachwestemschaften als Eraiehungs- und Gednnungsgemeinaidiaften: (Studmtenverbindungen. Frefantnverlogen. Der Heimgarten). SchwestemsehafHiohe BemfiBgftmflinBnhaften (Oiden, Mutterhäuser, Ev. DiakonieTerttn und Fraoendienstgenoaeensdiaft). Ober- wiegend gesellige Vereinigungen (Jünglings- u. Jungfranenyereine, Lehr- lings- u. Gesellenvereine, Arbeiter- u. Arbeiterinnenvereine, Fabrikvereine). Familienabende. Volksfeste. Jugend- und Frauenklubs. Gemeindehäuser. Volksheime und Vereinshäuser.

2. Kampf gegen Volkslaster.

a) Gegen Trunksocht: Entbaltsamkeitsbevegang. Trinkerheilgtälten Das Uaue Kreuz. Der GuttempleEOiden. MMigknitsbeiregang. Beform-

gasttiäuser, Volkskaffeehallcn.

b) Gegeu ün/.ucht: Sittlichkeitsvereine. Weißes Kreuz, Bund Ethos, Föderation abolitionniste. Internationale Bekämpfung des Mädchenhandels.

3. Die religiöse Volkspflege.

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1. Ferienkurse in Jena August 190,') 4M7

a) Die Kirche als religiOee Gemeiiuohalt und als YoDneczieliiinge- anstalt

b) Die Pflege der religi(5sen Gemeiuscliaft durch gemeinsame Be- tätigung des Glaubens im Kultus (auch im Kindergottosdienst) und der Liebe im bürgerlichen Ijeben. Religiöse LebensgeuK iiischaften (Klöster, Gtenosseuscliafteu). Gomeiuschaftäbewcgung. Heilsarmee.

c) Die Mission an anderen BeHgions- und EonfeesionsangehOrigen; die Evangetieation (direkte innere Hission) aa den nnlebendigen oder leinen Qemeindegliedem (StadtmiBsicm, Mission an EellDem, Soldaten, Wandernden, Schü&hrendon, Auswanderern, Reisondon). SchrippenkiiQfae. Veraamm* lungen. Bibel-, Predigt- und Scliriftenverbreitung.

d) ligiüsc Beeinflussung des Yolkslebeus: Kleiukinderschulen. Er- haltung der christlichen Volksschule. Konfirmandenaostalten ; kirchlich ge- leitete höhere Sohnlen und Alamnate. ESnfliift auf Presse und Qeeete- gebnng.

e) Diakonie als indirekte innere Mission.

B. Frauenarbeit in der sittlichen und religiösen Volkspflege.

1. Säuglingspflegerin. Gefangenaufseherin. Waisenpflegerin. Kirch- liche Gemeindepflegerin. Pastoralf^ohilfiii. Frauen im Missionsdienst.

2. Organisation und Ausbildung: Schwostemscliaften. Ev.-kirchiicher HillBverein. Instroktionakane fOr weibliche Ldebestätigkeit imd innere ICedon.

2. Iraft lad Schwaehhfit der Gesehleehter und deren Wirkoog ia 4er iiltar

() Vortrüge von Fräulein N. v. Milde-Weimar

2* I liOgik und Oemflt

3. OennA und Arbeit

4. Haus und Welt

5. Die Frau in der Literatur.

6. Die Fian in der Wissenschaft

V. Thaologitclie^ geicliiGhtlielis lüd pMlotopliische Kurta

i Im BfMg*B km !■ Uten der allgwulwi Um^usmOMt»

6 Vertilge von Prot lio. Dr. Wdnel

1. Die Quellen des Lebens Jesu. Niohtchiistliohe Quellen: TacituB. Sneton, PUnius: Josephus. Christliche Quellen: Paulus, die Evangelien: apokryphe und kanonische Evangelien, Johannes und die drei ersten Evan- gelien, Methode und Resultate synoptischer Vergleichung: die Quellen unserer drei ersten Evangelien, Markus und die Spruchquelle, Sonderstücke. Sicherheit und Unsicherheit der Oberlieferung von Jesus, üm die 6e- dentong des EvangeUams richtig su wHidigen^ mnA man es Tergleidben mit der Entwicklung der Beligtonen, die vor ihm gewesen und tqo ihm Uberwunden \\'orden sind.

2. Jede Religion ist charakterisiert 1. durch ihren Oottos- glauben (sehr selten durch die Ausschaltung des Oottesgiaubens),

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ICtteüongeii

2. dmoh die fligentflmUohe Stellung, die aie den Mensdhen sar Welt

gibt, 3. durch die Art der sie b^leitenden Sittlichkeit und ihrer VerbinduDg mit der Religion. An dem Gottesglaiiben insbesondere ist wieder ins Awv^ zu fassen der Weß^, auf «lern Gott mit dem Jfenschen uod der Mensch mit Gott verkehrt: die Gottheit offenbart sich dem Menschen, das ist die Grundüberzeugung und das Gnmderlebnis aller Beligion, wodurch sie eich von jeder andern Erkenntniaweise nnteEwIiiedfln fohlt Umgekehrt spricht der Mensch mit der Gottheit im G-ebet Die Gotthdt teilt sich den Meoaehen mit in geheimnisvoller Weise (Sakra- ment) und er bringt ihr als Dank und Mittel, sie für sich zu gewinnen, Opfer dar. In allen Gestaltungen und Entwicklungen der Religion sind diese Grundlinien des Aufbaues wieder zu erkennen und je nach ihrer Art sind die Religionen zu gnippieren in eine aufsteigende Entwicklimg von einem primitiven Geister- und Seelenglauben za den großen polytheistischen Religionen der Staaten, innerhalb deren dann wieder die hfthere Entwicklung zu sittlichen und zu ErlOsnngs- Beligionen anhebt. Diese smd in der Tendena Qemeinsohafts- nnd Welt- leligionen und lösen die Staatsrcligionen auf.

3. Aus der eic:enartigen Entwicklung des israelitischen Jahvekultus zu einer sittlichen Gesetzesreligion, die aber im Judentum nie zur Voll- endung kam, ist die sittliche Erlösungsreligion Jesu entsprungen. Sie seheint znnfichst nnr die Vollendung der sittlichen Religion des Judentums sa sein, indem sie endgOltig alles Natmliafte (Knltiadi- Heilige) ans der Religion ausschaltet, für heilig nur das Innerliche, das Fromme und sittlich Gute erklärt (Sabbath, Reinheitsgebot«; u. ä.) und das Tun des Gesetzes durch die Fordening einer einheitlichen reinen rit> sinnung vertieft. Dabei bleibt Jesus scheinbar vollständig in dem Seiiema der Gesetzesreligion von Lohn und Strafe befangen, wie denn die Erwartung des Weltendes und des Anbrechens eines Büches Gottes so stark ist, daft eine Sozialethik nur in gsns geringen Anfingen ausgebildet ist

4. In der Erwartung dies^ Herrschaft Gottes auf Erden drückt sich die Erlösnngssehnsucht und die Wertung der Welt charakte- ristisch aus. Die Erde ist keine Gottesherrschaft, sondern Herrschaft der Dämonen (Krankheit), der Gewalttätige im Staat, Rechts- und Wiitscliafts- leben und der blinden Blindenführer in det Religion. Von dem allen ist das Gottesreioh das Gegenteil, die Edfiaimg, und darum Seligkeit Dennooh kein lemer Pessimismtis und keine blofie ZukunftaieUgion: Gott der Vater, seine Fürsorge für alle.

5. Von hier aus winl das Chriatentnm als Erlösungsreligion deutlich wie von der sittlichen Fonlcnmg aus als sittliche Erlösungsreligion. Nicht durch » Werke c verdient man Gottes Liebe, sie ist da. Die Sitt- lichkeit als innere Reinheit und Liebesgesinnung kann nicht durch sittlichen Willen hergestellt werden: sie erwftchst aus dem Glauben, daS Gott liebe ist, »Yaterc, und vergeben wilL Schuld, Leid und Sorse verschwinden aus dem Leben dessen, der diesen Vater gefunden hat. Das Wunder als Offen1>aruug macht diesem Erleben Platz und das Gebet als Andacht bleibt allein als Mittel des Verkehrs mit dem »Vaterc.

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1. Ferieakurse iu Jeua Auguüt 1005

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<J. Man kommt zu diesem Erlebnis durch den Eindruck, den das Wesen Jesu aus der Fülle seines Lebenss mit Gott heraus macht (Jünger, >8lliid«rc). Denn wie in allen ErlOeungsreUgionen ist auch im ErBDgeliiim nicht die Lehre das Wichtige, Boodern die Gewalt der

PevsOnUchkeit ihres ersten Trägers und der Eindruck seines Lebens (SuiTOLTiit : ein Idealbild). Nur aus diesem Eindruck werden erst allmäh- lieh die tragenden Ge^laiiken herausgearbeitet. Aus seinen Wirkungen auf andere erwächst das Problem, swer« der erlösende Mensch war; eine Legende, die ihn über die Menschheit erhebt, bildet sich. Hat Jesus selbst seine >Gotte8solmschaft« schon in diesem Sinne aufge&ßt? Hat er sich fQr den MensohenBohn « Messias gehalten? Jeden&lls ist sein SeLbst- bewnßtsdn nadi die drei ersten Evangelien noch ein menschliches. Die Frage ist aus verschiedenen Qrflnden ncb«i8|ohlicher Art; an! den überragenden Eindruck seiner Person und auf seine Kraft, immer noch selbst in seinen wenigen erhalteneu ^\'ol•ten andern ein j Erlöser « zu '«erden in dem genannten Sinn, darauf ist aller Nachdruck zu legen.

Uteratar

Teztbibel des Alten und Neuen Testaments, herausgegeben von D. E. Kaütisoh nnd D. E. WibsXokbi, (mit den Apokryphen des A. T.). (KOige Ansgshe.) 1904.

HKVNFrKE, Die Apokryphen des Neuen Testaments. "SV. ßoussET, Was ^^iSvSen wir von Jesus? (Heft) l'J03. P. Wekkle, Die Quollen des Lebens Jesu. (Heft) 1904. P. D. GsAMBna ob S&main, Lehrbnoh der BeligionsgescbJdite. 8 Bde. 3. Aufl. 1906.

C. P. TiELE, Kompendium der Keligionsgescbichte. 1903.

W. BorssKT, Das Wesen der Roliuion. 1903.

0. l'KLKiifKiiKR. l\.eligionsphilosü|)lue auf geschichtlicher Grundlage. 3. Aufl. 189Ü.

J. WiixuiAusEiN, Israelitische und Jüdischü Geschichte. 4. AufL 1897.

W. BoüBBcr, Die BeUgion des Judentnms im neateetamentl. Zeitaltar. 1902.

W. Baldknspehgkr, Das Selbstbewußtsein Jesu im Lichte der messian. Hoffnungen

seiner Zeit I. Die roewianiach-apokalyptiaohe Hoffnung des Judentums. 3. Aufl.

1903.

0. Pvi.KTngpMi, Vorbereitung des Christentums in der griechischen Thilosophie. 1904.

W. BoüBSR, Jesus. (Heft) 1904.

0. IIoLTZMANN, lieben Jesu. 1901.

H. H. Wendt, Die Lehre J.'su. J. Aufl. \m.

H. Wkixfx, Jesus im 1!). Jahrliuiidert. 1903. 19u4.

O. rFLEiuKBEK, Das Urchristentum, seine Schriften und Lehren. 2 Bde. 2. Aufl. 1902.

Dem., Die Entstehung des Chnstentnms. 1905.

P. Wernlb, Die Anfänge unserer Rehgiou. 2. Aufl. 1904.

H. J. Hoi,TZM.\KN, liiliüsrhe Theologie des Neuen Testaments. 2 Bde. 1897.

DeiB., Die £ntstehuug des Neuen Testaments, (üeft)

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440

Mitteilungen

6 Vortilige von Adolf Damaidike-Beiiiii

1. Die liberale Schale.

Die wirtsohafüiche EntwicklaDg der Neuzeit Smiths »Untersuchungen über die Natur und die Ursachen des Reichtums der Völker«. Seine Stellung zur Grundrente. Die freie wirtsrliaftliche Entwicklung und ihre Grenzen. Smiths SteUung zu den Kaufleuten und Fabrikanton. Von s;e- rechter Besteuerung. Vom Gebrauchs- und Tauschwert Die Bedeutung der ArbeitsteiluDg. Das Bevölkerungsgesetz von Malthus. Seioe EoDse- quenzen. Seine BegrQndiing durch das Geeeti der aboefamendeD ErMgeu Das »Maoofaestertam«.

2. Das nationale System.

Die Kontinentalsperre und ihro Wirkung. Friedrich Li.'Jt. Seine Tätigkeit in Württemberg und Amerika. Der Kampf um die Entwicklung des Eisenbahnbaus in Deutschland. Erfolge und Enttäuschungen. Seio Tod. Die Stufen der Nationalwirtschaft. Forderungen für die deutsche Volkswirtsohsft

3. Der Eommonisrnns.

Der Weg der Dampfmaschine. Die Utopisten in England, Frankreich und Deutschland. Karl Marx. Das kommunistische Manifest. Der Ausgang des Kommunistenbundes. Die » Internationale FerdiniUid Lassalic. Das Arbeiterprogiainm. Das »offene Antwortschreiben«. Die Gründung des »aligemeinen deutschen Aibeitervereins*. Lassalles Ende. Sana Naofafolger. Bebel, Liebkoecht und der Verband deotsdier Aibeiter>- Terein& Die »Eisenacherc Der Gothaer ISnigungskongreA. Das Fh^gramm der sozialistischen Ärbeiter|iartei Deutschlands. Das tSosialistengeaetz« und seine Wirkung. Das P>fnrt6r Programm.

4. Die Anarchisten.

Die namhaften Vertreter. Ihre Lehre vom Staat. Die Verwerflich- keit des rarlamentarismus. Die Wertlosigkeit der Gesetzgebung. Die ^yereule von E^goisten«. Die freiheitBfBindliohe Tendenz des Kommoni»- mus. Der Weg sum Ziel. Die »Fkepaganda der Täte. Der paasiTe

Widerstand.

5. Die Bodenreform.

Hegels dialektische Methode. Der erste Vorläufer der engli.^hen Bodenreform. Die Bodenfrago in der Chartistenbeweguug. Englische Philosophen und Theologen über die Bodenfrage. Henry George und sein Werk. Yen der pieufitsoheD Banembebeiung. Die OemeinheitBteüuDgeo. . Die Bedeutung der Allmende^ Die irachsende Not und das Werk von Raiffcisen. Der unteilbare Stiftungsftmd als modexses Allmend. »Rodbertua« Rentenprinzip. Deutsche Staatsmänner zur Frage der Bodenverschuldnng. Preußens Ilypothekarbewegnng. Die Wohnungfsnot in den Städtou. Miets- steigerung und Arbeitslohn. Die Steuer nach dem gemeinen Wert. Die Zuwachssteuer. Gemeindegrundeigentum und Erbbaurecht. Vom Hyi-o- thekenweaen. Die Bauhandwerkeiftsgew Die ünteritonBomtion. Bergwerke und fliefiende Geiiteer. Die BodenAage in den Kolonien. Bodaueform

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1. Ferienkane in Jena Aogost 1905

44t

imd Parteipolitik. Die eisten OrganisationsTersuche. Die Afribie:qpedition. Der QnmdigedaDke der deatschen Bewegung.

unnrar

SkniH, »Xatur und Ursachen der Reichtümer der Völker«, dentaoll von LOwBr-

IHAL. 2. Bd. 2. Aufl. Berlin, K. Staudo, 1882. 10 M. List, »Das nationale System der politischen Nationalökonomie«, neu henMUKeg*

von Prof. WAjumo. Jena, G. Fischer, 1904. 6 M. B. BnamMBSt LaanOes Beden nnd Sohriften, Oeeamtansgabe. 3 Binde. Beriin,

Yexlag >y<HirirtB€, 1892. 11^ H. K. Mabx, >Das Kapital«. Kritik der politischen Ökonomie. Bd. 1. 4. Anfl. 188(h

Bd. 2. 2. Aufl. 180.i B<i. 3. 1891. 27 M. Max Stirxkh, »Der Einzige und .sein Eigentum«. I>eipzig, Reclam. 20 Pf. Henry Geobob, > Fortschritt und Armut«. 5. Aufl. Berlin, £. Staude. 3 M. DaKAflomOi »Die Bodenieformc. 3. Aufl. Berlin, Johannes BUe. 3,50 M. Dexa., »Oeacdiiehte der Nationalökonomie«. ESne erste TOnlühning. Zwdte duroh-

geeebene Auflage. Jena, 0. üspfaer, 1905. 2,50 IL

d. Dcntsehe Wirtsehansgeschichte Prof. Dr. O. Mentz 1. Einleitung: Begrenzung und Eiuteiluug des Stoffes. Be- grÜfsbeBtiiiimuDg. Keine Eisehöpfimg des Themas möglich, nm Behand- hng germsBoe Hanpigebieie. Obersicht über diese. Frage mwh einem BSoteilungsprinrip. Periodisierungsversuche von List, Ilildebrand, Bücher^ Sohmoller, Lampceoht, Sombart, ihre Widerlegung doroh Below.

Uteratar

Fr. List, Das nationale System der politischen Ökonomie. 1843.

Bb. Hildebrand, Natural-, Geld- und Jireditwirtschaft Jahrbücher f. Nationaiök.

u. Statist II. 18(34. E. BOoHBB, Die Entstehung der VolkswirtBohaft. 3. Aufl. TdUngen 1900. O, ScaniWHJB» Das Mettentflqratoni in seiner histoxiSQhen Bedeutung: stSdtisQhe,

territoriale und staatliche Wirtschaftspolitik (»Umrisse and Untersuchungen snr

Vorfa-^sungs-, Verwaltungs- nnd Wirtschaftsge.schichte«). Leii>zig 1898. Ders., Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre. 2 Bde. Leipzig 1900, 1904. £. Laufrecht, Was ist Kultiugeschichte ? (Deutsche Zeitschr. f. Geschiohtswissensch.

N. F. L)

W. SoMBAAT, Der moderne Kapitalismus. 2 Bde. Leipzig 1902.

O. V. Below, Über Theorien der wirtBobafttiehen EntiHoklung der YiMker. (Histor;

Zeitschr. Bd. 80. 1901.) K. Ta. V. I.\a:ma-Sterneuo, Deutsche Wirtschaftsgeschichte. 3 loile in 4 Bänden. Leipzig 1879—1901.

K. LuDSBORt, Deutsches Wirtsohaftsleben im Mittelaltar. 3 Tlnle iu 4 Binden.

Leipzig 1886.

AsHLEY. Englische Wiitschaftsgosch. übers, von K. Oppbnhbim. Leipzig 189G.

Th. Freiherr v. u. (Joltz. Geschichte der deutschen Lind Wirtschaft. Bd. I. Von

den ersten Anfängen bis zum Ausgange des 18. Jahrb. Stuttgart und Berlin

1902. Bd. n. das 19. Jahrh. 1903. O. SnnBAUSBir, Oesohiehte der deutsohen Kultur. Leipatg u. Wien 1904.

(Viele dies» Sdiiiften konmien andi f&r die folgenden Vorlesungen in BetrMht>

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MitteanDgen

2. Die Wirtschaft der Urzeit, Geiuei ueigeutum und Sonder- « igen tum. Die QueUen. Naohriohten des CBsar und TMUtos. Vieh- suoht Die GrandeigwtumsTerhftItmBse. Die Art der Benedelong. Die 'GewnnndSifer. Die PM>diikte des Ackeibause. Handwerk tmd Handel

Literatur

O. Uanssen, Auäichteu über das Agranvesen der Vorzeit (in seinen agrarlüstoriächdn

AbhandliQgeD. 2 Bde.). Leipzig 1880. 84. "W. Amwuif Anaiedelniigeii und Wandeningeii deatsohar Sttnu&a. 2. Aufl. 1881. An». UKDBKf TTanderangen, Anbau und Agiaireoht der Völker Eun^pas nSidlich

der Alpen. I. Abteilung: Siedelung und Agrarwesen der Wostgermanen und

Ostgeruiaueu, der Kelten, Kömor, Finnen und Slaven, 3 Bde. Berlin 1S9Ö. JoH. Ricu. MucKJC, Urgeschichte des Ackerbaues und der Viehzucht. Greifswald 18ÜS. B. HnjnDKAiiD, Beoht und ffitta auf den vexadiiedanaD wirteoliafüiehan Eidtanlnfeii.

Bratar Band. Jana 1896. Bachfahi., Zur Geschichte des Grunddgantima. (Jahibüohar fär Nationalofaniomie

und Statistik. Bd. 74. 1900.) KxAi'P. Gruudherrschaft und Rittergut Leipzig 1897.

3. Die großen Grundherrschaften. Streit über die Entstehung <ier ^oßen Gruudherrschaftcn. l^ewoiso für die herrschende An.sicht, -Charakterisierung der grolien Gnindherrscliafton. Ihre Organisation durch Karl d. Gr. Wirtschaftliche Bedeutung der großen Gruudhern>chafleD. Ihre Anflteang.

Utaratar

K. Tb. T. iRAiu-SiKBNaaQ^ Dia Analiüdnng der groBeo Onmdhanaoliaftan in Daataoli- land irthread der ^unUngataelt La^irig 1878.

O. Sekugeb, Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Grondherrschaft im

früheren Mittelalter. (Abhandl. d. sächs. Oes. d. Wissensch. XXII. I. 19<»3.) L. V. Maureb, Einleitung zur Geschichte der Mark-, Hof-, Dorf- and Stadtverfassung

und der öffentlichen Gewalt 2. Aufl. Wien 1896. Deia., Oeeohiohta der FnmbQfe, der Banemhttfe nnd dar Hotverfiaanng in Damaolh

land. 4 Bde. Erlangen 1862/63. Fr. Sekboh«, Die englische Dorfgemeinde, übers, von Tn. v. Büxpkn. Hoilolbort: IJ^sö. FrsTEL DE CouLANOEs, Ili.st. des in.stitution.s politiques de l ancienne France. Bd. IV.

i'aileu et le domaine rural pendant 1 epoque Merovingienne. Paris 1889. W. WmiaB, Die Omndhanaohaft in NoidwaetdanfaoUand. Leipzig 1884. K&nsoHxXf Die Gliederung der GaaaHaohaft bei den alten Deutaohen. (Dantaehe

Zeitschr. f. Gesohiohtawissenschaft. N. F. II. 1898.) Alft?. TlALnAN-BLüuiRBTOCK, Entstehung dea deatBchen Inunobütaraigantiutta. L

Innsbruck 1894.

GutRARD^ Explication du capitulaii-e de Viihs. Bibhoth. d. l'ecole des chartes 14. Paria 1853.

K. Oabbu, Dia Landg&terordnnng Keila d. Or. Bailhi 1886. -O. Wiiia, DeutBofae Verfasanngagaaoh. Bd. lY.

4. Rodung und EoloniBation. Die Quellen: OrtsnameD und Orte- «nlage. Die Rodung im Mutterlande; Die Eolonieation dee Ostens, ihze -virtschaftlicbe Bedeutung.

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1. Ferieokune in Jena Angnst 1906

443

LNmtar

A. Heitzkn, Die Ausbreitung der Deutschen in Deutschland und ihre Bosiedelung der SlavengAbiete. Jena 1879. (Jahrböober L Natioaaiökonoime and Btatistik

XXXU.)

K. 0. iScHULZK, Die Kolon iäiei-uug und Genuanisierong der Gebiete zwi^cheu Saale und Elbe. Leipzig 1896.

5. Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft. Dio Entfltehuog der Stftdte. Das Geld bei den Deataoheii in der Uaher behandelten Zeit Die »▼olkswirtsohaMche Beyolutiont Kwischen 1150 und 1800. Streit Uber die Entstehung der Städte. Dire wirtschaftlicho l^« deiitung. Schilde- mog der Stadtwirtachaft und der stftdtiachen Wirtsohaftspolitik.

Literatur

O. ScHMot.LKR, Straßbuigs Blüte and die Tolluwirtsohaftliohe Bevolution im 13. Jahrh.

Straßbur^' 1S75. O. ScuBÖDEU, Deutächo Kechtsgescliichte. 4. Aufl. 1902. £. HiiasL, lÜe Ibtsfeehung des deutsoiiea Sttdtowoeons. Leipzig 1898. 0. Bibow, Das iltsre dentBohe Stadtewea«i und Bfiigertnm. (MoBOgn^^hien aar

"Weltgeschichte VI.) Bielefeld 1898.

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8. RnncHiL, Markt und Stadl» in ihrem rechtlichen Verhältnis. Leipzig 1897. £. GoTHEiN, Wirtschaftageech. des Sehwanwaldes. L StcaBboig 1892. £. BücuEK, siehe unter I.

6. Handel und Gewerbe. Der Handel in der älteren Zeit, die Märkte. Die Entwicklung der Gewerbe. Büchers Theorie und Belows Einwände gegen äie. Das Handwerk in den Städten, die ZOnfte. Ge- Bellen- und Oeweri^everbbide. Der städtische Handel Die Eaufinanna- güden. StatistisoheB. Der afiddeatsohe Handel

Uüratir

£. Baxbobi, Die Entstehung der Märkte in Deatschhmd. 1881.

W. Stifp v, Artikel »Zunftwesen« im Handwörterbuoh der Staatswiaaensohaften.

2. .\ufl. 1902.

F. Kkutgkn, Ämter uud Zünfte. Jena 1903.

G. Schanz, Zur Oesohiohte der deutsohen GesellenTerbände. Leipzig 1877.

6. BiLow, OfoAhindler und EleinhSndlw im deutsohen IGttelalter. (Jahrbftoher

für Nationalökonomie uud Stati.stik. Bd. 7.'). HI. F. XX. 1900.)

F. Keutüen, Der Großhandel im Mittelalter. Han.sischo Geschichtsblätter. XXIX.

Al. Schulte, Gesch. des mittelalterlichen Handels und Verkehi-s zwischen West- deutschland und Italien mit AussuhiuÜ von Venedig. 2 Bde. Leipzig 1900.

H. SmoHsnu), Der Eondaoo dei IMeaohl in Tensdig nnd die daniaeh-Tenetianisohen

Handelabasiehnngett. 2 Bde. Stuttgart 18B7.

7. Die Hanaet Der Niedergang der Stadtvirtachaft Der norddentache Handel Die Entatehnng der Hanse. Lire Politik vor allem

Wirtschaftspolitik. Charakterisierung des hanaeattachen Handels. Der YerfoU der Hansa Die Ursachen des Niedergänge der Stadtwirtsohaft

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444

Mitteilungen

Die großen Gcldmächto des IG. Ja)u*huiiderts. Die FreisrevolutioD. Wirt- schaftliche StagoatioQ in Deutschland.

Literatnr

D. ScHÄym, Die Hanse und ihre Handelspolitik. Jena 1885. Ders., Die deutsche Hanse. (Monographien rar Weltgesch. XEL) Bidefeld ond Leipiig 1908.

In. LiKDKKR, Die deutsche Hanse, ihre Qeoohidite und Bedeutung. Leipzig 1899. 0. T. Bblow, Der Untergang der mittelalterlichen Btadtwirtadiaft (Jahrböchei für

Nationalök. und Statist. Bd. 76. 1901.) R. Ehrkxberg, Das Zeitalter der Fugger. Geldkapital und üi-editverkehr im 16. Jahih.

2 Bde. Jeot 1899.

0. Wim, Zur Oeaeh. der Pzdsrevoliition des 16. und- 17. Jthih. Lnpiig 1886.

J. Hartit.n'o, Die direikton Stenern und die Yemiögensentwicklung in Augsburg roa der Mitte dos 16. bis zum 18. Jahrhundert. (Jahrbuch für Gesetzgebung, Ver- waltung und Volkswirtschaft. N. F. XXII. 181)8.)

8. Der Osten und der Westen. Die Entstehung der Guts- herrschaft, Verschiedene Entwicklung der agrarischen Verlüütnisse im Sfuhvesten, im Noidwesten \md im Osten Deutschlands. Ghiindherrschaft und Gutsherrscliaft. Die Ursachen der verschiedenen Entwicklung.

Literanir

G. V. Bklow, Territorium und Stvlt (8. unter V.). W, "Wimm (8. unter HL).

0. F. EiTAFF (8. unter II). '

Tb. Knapp, Gesammeitc Beiträge zur Rechts- und Wiitsdiaflqgesohiolite Tomehmlich.

des deutschen Bauenistandos. Tübingen 1902. C. JoH. FucH.s, Der Untergang des Bauemstandes und das Aufkommeo der Guts-

henschaften. Nach archivalischen Quellen aus Neu- Yorpommem und Bogen

StraBbuxg 1888.

Den., Die Epoohen der denlsoheii Agraigesdhidite mid AgrupoUHk. Jena 1886b

9. Die Eotwioklang der bftnerlichen YerhiltiiiBseL RQck- Uiok. Einfliifi der agiaziBohen DreitoUuiig DeiitB6h]aDd& SohUdeniiig dm

bäuerlichen Verhältnisse in den drei Gebieten. Die Aufgaben der fimen- befreiung, ihre Durchfühznqg. Die Gemeinheit&teilaDg und die ZosamineB- legODg der QrandstOcke.

Literatur

Tu. LuDwiu, Der badische Bauer im 18. Jahrhundert Straßburg 1896.

0. F. Knapp, Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den

ilteren Men FteoBens. 2 Bde. Leipiig 1887. Ders., Die Landarbeiter in Knechtschaft und Freiheit Leipiig 1881. M. Lamuat, Freiherr vom Stein. Bd. II. Leip^g 1903.

10. Die Territorien, der Merkantilismus. Stadtische und teni-

tonalo Wirtschaftspolitik. Versuche, territoriale Wirtschaftseinheiten ru schaffen. Wirtschaftspolitik der anderen eurofväischen Staaten, das Mcr- kantilsy.stein. Schä<llicho Wirkung der Zersplitterung Deutschlands, seine ■wirtöchaftiiclien Verhältnisse im 17. Jahrhundert. Die preußische Wirt- achaftapolitik.

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1. Feriflidrane in Jena August 1905

445

Literatir

O. ScimuLLEu, Das Merkautüsyätem (siehe unter I).

DenL, Über die irirtBohafflidie Politik Friediiohs d. Gr. und Preofieiis übeihanpt 1680—1786. (Jahilmdh für OmetMg^ Yenndtmig und VoUenriitMliift. Bd. VIII,

X, XI.)

Acta Borussica. Denkmäler der preufi. Staatsverwaltung im 18. Jahrii. Berlin

1892 ff. Bis jetzt 1 1 Bde.

11. Freier Vorkehr und Kapitalismus. Die Gründung dos Zoll- verems. Der Liberalismus. Freihandel und Oewerbefreiheit. Aufschwung Ton Industrie und Technik. Streit über die Entstehung des Kapitalismus. Seine Wirkungen.

Uteratir

A. Zimmermann, Geschichte der preußisch-deutschen Handelspolitik. Oldenburg 1R02. H. V. Tkkitschxe, Die Aufaugo des deutschon Zollvereins. (Preufi, Jahrb. XXJL) W. SoMBAüT, Der moderne Kapitalismus. 2 Bde. Leipzig 1902. Den., Die denisolie Tolknrirteelitft im 19. Jahiit Beriia 1903.

E. LAmanD, Dentsohe OMohiohte. 2. Ergänwngsband. L Hftlfte. BexUn I90ß. T. Bbow, Die Entstehung des modernen Eapitahsmiie. Histor. Zeitschr. Bd. 91. Jacob Strisdks, Zur Genesis des modenien Eapitalismtis. Leipzig 1904.

12. Nationalwirtschaft und Weltwirtschaft. Deutachhmds gegenwärtige wirtschaftliche Lage. Die Exportindustrie. Vorteile der WeltvN'irtscIiaft: Die Arbeitsteilung unter den Nationen, die damit ver- bundene Bereicherung des Lebens. Wirkliche und angebliche Nachteile der Weltwirtschaft: Die passive Handelsbilanz, die Abhängigkeit vom Aus- k&de, settweiliger und dauernder Rflokgang des AnfienhaodeU, Yer- addebungen in den wiitachaftliehen YerbSltnieseii in den NationalslMAen, Kot der Landwirtoohaft. Die Angaben der deutschen Wirtsohaftspolitik.

H. DmzEL, Weltwirtschaft uad Volkswirtschaft. Dreeden 1900.

K. HKLrvKRicH, Handelspolitik. Leipzig 1901.

F. C. lIi HJiK, Doutscldand als Industriestaat. Stuttgart 1901. Die HaudelspoUtik des deutschen Reichs. Berlin 1899. Handels- nnd Maofatpolitik. 2 Bde. Stattgart 1900.

Oldkxberg, Deutschland als Industriestaat. 1807.

JvL. "Woi.F, Das doutsciio Reich und der "Weltmarkt. Jena 1901.

Pom.K. Deut.schlaiid am Scheidewege. Leipzig 1902.

Verhandlungen und iSuhrifteu des Vereins (ur äoziaipuiitik. Leipzig 1Ö73 ff. An. Wamhb, Agrar- und IndnstriestMt Jena 1901. Yenehiedene Sohxiften Bukuikm.

d. Oom, Yorleeongen über Agrarweeen nnd Agrarpolitik. Jena 1899.

4. WlUclie Literaturgeschichte seit üoeClies Ted

Privatdozent iJr. M. Scheler

1. Einleitung, Cber.'?iclit über den Gang der deiitscheu Literatur von Luther bis zu ihrer klassischen Blüte in Goethe und Schiller. Die allgemeine geistesgeschichtliche Situation bei Goethes Tod: Gemeinsames und innerer Gegensata in den UasaiBchen und lomanfiBoben Kunst-

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Hitteilungea

anschainingen. Was an der Romantik für die pewimte folgende Literator- entwicklnng typisch ist: a) Fortwahrende Revolution der Form, b) Reflexion, c) Individualismus. Die Stufen der Romantik: Altere, jüngere. Die schwäbische Schule: ühhind.

2. Die groAe InteresseDwendiing des deutschen Yolkes TOD Theorie und Spekulation zu Praxis und Tatsache. Der realistische Lebenstypus: Die exp^mentelle Natnrfinrschang; der politisdi« militärische Geist in Zusammenhang und im Gegensatz zu den inter- nationalen Mächten des Kapitalismus. Der Materialismus als Staatskirchea- tum und als Revolution: Feuerbach, Stiraer, Gutzkows Wally, Laube, Strauß. Annette von Droste^Haishoff. Heine als das lyrische Genie der Zeit Heines StU als Vorbild der Feniileto&istdn. Die neue literarische Form als Ausdruck eines gesteigerten Lebenstsinpoe. Jonmalist nnd Dichter, Tendenz und Kunst. Was dieser Epoche fehlt: Vomehniheit, Buhe, geistiger Oehalt, Universalität.

3. Die zwei großen Dramatiker der Zeit: Friedrich Hebbel urÄ Otto Ludwig. Charakteristik der Personen und Werke. Otto Ludwigs Shakespearestudien und sein Angriff auf Schillers Wallenstein.

4. Epigonen der Klassiker: IVatsg, Geibel, Heyse, Graf Schack, Bben, Bodenstedt Verdienst dieser Gruppe um Kontinnitflt und Aushan der Form. Das Professorale ihrer Art. Schwächung durch die Historie. Ihr Verhältnis zu Goethe. Goethe, falsch vei-standen als Gefahr. Scheffel und seine Freuudo: Die Poesie des Bummelns. Der ältere (romantiscbej und der neuere Begriff des »Philisters«. Scheffel und der deutsche Student

5. Vier bedeutende Ersähler: Gottfried EeUsr, Frits Banter, Marie ron Ebner. Fontanes Bedentoog;

C. Der Pessimismus gegen Ende der 50er Jahre: Der be- herrschende Geist: Schopenliaucr. Literarische Spielformen von verschie- denem Wert; Bobert Uamerling, W. HaabOi £. Qriesebach, H. Lonn, W. Busch.

7. Der Pessimismus als stärkster Xuustmotor der Epoche: Richard Wagner und Friedrich Nletasehe. Faiadozie dieser Tatsache und Versuch ihrer LOsung. Nietzsche als Stilist, Künstler und Denker. Was

hedeutet das "Wort: »»Decadeuce«.

8. Das neue Reich: Stimmung der großen deutschen Bii- dungsträtrcr. Freude und EnttÄuschung. Treitschkes und Wilden!>riehs Kunstvitrstflhingcn. Wildonbruch al.s Dramatiker und Erzillilor. Ixr.m als literarisches Zentrum. Literarisches Unternehmeitum : Lindau, Blumen» thal usw. Berlin mOehte Faria timeln. Beriiner und Pariser LustspieL Berliner uod Pariser Publikum. Berliner Literatnrkritik. liteiarisohe SpanuuDg zwischen Sflden und Korden. Die Zeitschrift »Gesellschaft«.

9. Fremde Einflüsse und Passivität des deutschen Geistes bei größter politischer Aktivität. Literarische Ohnmacht und Bni- talität des l>ewul5ton, reflektierten Nationalgefühls. Zola und andere Franzosen, die Norweger und Russen werden gelesea. Der Einfluß Ibsens, Doetoijewskys und Tolstois im besonderen*

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1. Ferienkoise in Jena August 1905.

447

10. Grflnde des Versuches, alle historischen Voraus- setzniif^en im Natiiralifimii s abzubrechen. Das relative Recht dieser Bewegung. Die Bewegung selb.st : Die Oebrüder Hart als Kritiker. Holz und Sclüaf; Max Kretzer. Die oeuo Lyrik: von Liiienkron. Be- dfifutoDg. Eklnere Leata

11. Hauptmann nnd Sudermann. Oemmere ChaiakteiiBtik der Pereonen und Werke.

12. Die Neuromantik als Symbolismus. Pan und Simplioissi- muB. HoffmaoQstbal und Stefan George. Die HeimsÜnustbestrebungen»

Literatur

P. M. Metbb, »Die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts«. Berlin 1900.

5. Eiafihnug io die histortecben GrundlageD und die f^egenwirtigea ttaipt-

riclitiuigeD der Ethik; Kritik ond Forderangei

Privatdozent Dr. M. Scheler

1. Begriff der iihiIosophi^;ehen Etliik (das Problem dos f?otrates). Be- streitung der Existenzbereclitigung derselben in älterer und gogoiiwärtiger Zeit a) durch den ethischen Skeptizismus; seine aggressive und quietistische Fonn nnd die Ufeaehen adner EncheinnDg. b) Durch die reinen Formen der Antoritllsethik. Ihre genetische Abhftngiglceit vom franzfidschen Skepti- zisrnns. Ein neaere^ Beieinel: J. Balfour nnd F. Bnmeti* ro. c) Dorch die populäre Gewissensraoral. d) Durch den radikalen Individualismus F. Nietzsches. Das VerfaAItnis des sittlichen Beformators zur Ethik als Wissenschaft.

2. Aufgaben und Methoden der Ethik. Verhältnis der sittliciien Normen zn den dttHchen Zwecken nnd Gütern. Kants Methode nnd die teleologische Ethik (Lotze, Fteolsen). Kann das Sittengesetz ans der »menschlichen c Natur

oder aus der Natur des »Lebens« entwidwlt werden? Entfaltung der sittlichen Probleme: 1. Verhältnis des Menschen zu sich selbst. 2. Zu ilem Göttlichen. 3. Zum Kosmos. 4. Zur Gemoinsrhaft. 5. Zur objektiven Kultur. Ist eines dieser Verhältnisse das grundiepv'ndp, so daß die anderen abgeleitet sind nnd welcheb? Die typischen Ant weiten der großen Ethiker auf diese Frage. Die SteQnng der EUük im System der Philosophie, besonders ihr Veili&lt- nis inr Logik, Ästhetik, P^hologie nnd Metaphysik: Der Primat der praktischen Vernunft in der gegenwärtigen PhÜOBoj)hie (Chr. Sigwart, W. Windelband, H. Biokert); der Psychologismus in der Ethik; Herbarts Ver- such, die Ethik zu einem Teil der Ästhetik au machen. Theoretisches,, praktisches und ästhetisches Urteil.

3. Die ethischen Richtungen der G^nwart. llir allgemeines Ver- hältnis zur antiken und christlichen Ethik. Ihre Wurzeln in der Eultnr der Nenzmi a) Der ütilitarismns nnd seine Entwicklung; Bacon, Hobbes, Loohek Hume, J. Bentham, J. St MiU, Vr. Ftaüsen. Kritik des Ütilitaris- mns. b) Der ethische Evolutionismus im allgemeinen, c) Der Evolutio- nismus in seiner individualistischen und spiritualistisclion Form (Leibniz). d) Der Evolutionismus in seiner universnlistischen, spiritualisti sehen Form (Hegel; Wundt). e) Der Evolutiomsmus in seiner universalistischen.

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Mitteiluugea

naturalistischen Form (Cli, Darwin, H. Si>eiicer). Die Verschiedenheit der Kulturbegriffe iu der Ethik des KulturevoiutioDismus.

4. Emgehendera Kritik a) des EvolutioDogedankeDS in te EtMk übeifaaapt, b) der TerscfaiedoDdii ergiqtionigtiaofaen Systenw.

5. F. Nietz8(dies Kritik des ütUitarisnrafi imd der obigen Eonnen deB JEiTolutiouismus.

G. Die rationale Gewissensethik und ihre gegenwärtigen Fortbildungen. Eingehende Entwicklung und Kritik der Ethik Kants und Horbarts. Ihr Verhältnis zur gcgcuwiii-ügeu Kultur. Cohen, Windelband, Natorp als For^ bildner der Kanttsobeii EÜiik.

7. Fotdenmg und kune BogirOndong des ntiooaleii, obfektiven Ideali»' muB als erkenntnistheoretische Qrandlage der Ethik.

8. Was folgt aus dieser Grundlegung für das Verhältnis von: Ethi- schem Emj)insmus und Aprioiismus; Gedonuugs- und ErfoJgsethik; Altruis- mus-Egoismus?

9. Die objektiven Formen des sittlichen Ijebens und der Wert der Persönlichkeit

10. Ethik und QeBdiiohtaphiloaophie.

11. Ethik und Beligioa in ihrer tiieistisohen und pantheiatiaoheo Fonn.

Utiratv

F. Jgdl, Geschichte der Etliik iu der neueren PhiioBOphia«. 2. Bd. Stuttgart 1882.

W. WuxDT, Ethik. 2, Aufl. 2. Bd. 1892.

F. Paülsen, System der Ethik. 6. Aufl. Berün 1903.

«H. OoHKN, System der Philosophie. Bd. II: Ethik des reinen WOlana. Berlin 1906. SooiiL. Eänleitang in die Moralinsseasohaft 2. Bd. (Anastatisoher Kendmol.)

Berlin 1905.

W. WiNDKLBAND, Piühidien. 2. Aufl. Tübingen. Mohr, 1905.

Zur ersten Einführung g\it geeignet: Paul Hk-n-sjo., llauptprobleme der Ethik. Leipzig, B. G. Teubaer, 1903. A. MnsBB, Kants Bthiki seine Binfühning in ihre Hauptprobleme und Beitiige n

deren LBsnng. Lsips^^ Yeit k Go., 1904. Th. tan. Die ethiaohen Oiundfrsgmi. Hambaig u. Jjeipng 1899.

6. lorlatti Pijikaliiie ui Ihn flegier

6 Voriesungen von O* Flflgel-Wandehen

1. Herfaarts Seelenbegriff im Qegensats sa Materialiamiifl^ Monismos»

Dualismus, Idealismus.

2. Die Vorstellungen als Kräfte im Gegensata zur VarmdgeDslehieL Mathematische Psychologie und ihre Gegner.

3. Vorstollen, Fühlen und Wollen. Intellektualismus und Voluntaris- mus, ludividuai- und Öuzialpsychologie.

Literatur

O. Ittton» Die Seelenfiage mit Raoksicht auf die neuem WandluDgcn gewteer natorwissenschaftlicher Begriffe. 3. Aufl. Göthen, Schuhe, 1902. 158 8.

Ders., Über das Verhältnis des Gefühls zum Intellekt in der Kindheit des lodi* viduums und der Völker. Langensalza, fiermann Beyer & Söhne {ßejv & Mann), 1905. 0,75 M.

Deis., Der Philosoph J. F. Herbart Leipzig, W. Wdoher, 1905. 1 M.

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1. Fbxieiüauw in Jena Augast 1906

4-49

VL Karte im dm fiaUele dar Kintt 1 ItlMflnItv

6 YorMge mit UehttdUam Fnf. Schaltee-Nannbarg in Suleok M KSmh

1. Hdmatlidie BuiwdM

1. Die Bedentoog der TMUtion in der Kirnst

2. Die bürgerliche Bauweise.

3. Die ländliche Bauweise

4. Ziele und Wege.

Literatar

Das Bauernbaas im deutschen Reiche, herausgegeben vom Verbände Deutsoher

Anbüelcten- und Ingenienr-Yereine. O. Fano und L. Lvck, Augen auf! Schweizer Btiuzt alter und nener Zeit Gro-ek, Die Doi-fkin liu im Königreich Saofaaen. GuRLiTT, Über Baukunst. MuTHSsius, Stilarchitektur und Baokiinst Mild, Volkakust Busow, Hefinatwchnti» SoBMBiT, Die Kunst auf dem Lande.

ScHrLTZE-XArMBüRO, Kulturarbeiten, bis jetzt erschienen: Band I, Hauabao« Band II,

Gürten. Iknd III, Dörfer und Kulonien. Band IV, Städtebau. Ders., Die Entütellung uiihere.s Leindes. Flugschrift des Bundes Heimatschatz.

2. Fraueaideidang

1. Die aDatomiachea Bedingungen des KOrpers, in Beeonderbeit des

Frauenkörpers.

2. Die sich aus ihoeu ergebendi ti Kuusequenzen für die Xieidong.

Literatur

ScuuLTze-NAUHBURQ, Die Kultur des weiblichen Körpers als Grundlage der li'raueu- Ueidung. ^

MidbxSdxiBi Die Befoim der Fnneiildeidaiig «of gewmdhflHüoiieit Onindlsgen.

2. Rifhard Wagner, sela Lehes «ad seia Werk

6 Vorträge mit Demonstrationen Superintendent Rieh. BQrkner-Auma

1. Das Leben. Jugendjahre 1813—1833. Waudeningen 1833 bis 1843. Kapellraeisterleiäcn 1843 1853. Irrfahrten 1853—1864. Von Münclieu über Triebschon nach Bayreuth 1864—1876. Der Sieger 1876 bis 1883.

2. Das Werk. Erster Zeitramn: Jngendwerka, Biena, Fliegender HollAnder. Zweiter Zeitraum: Tanntaftuser, Lohengrin. Dritter Zeitraum: Tristan und Isolde, Ring des Nibelungen, Meistorsinger, Parsifal. Der Musiker, Der Diciiter, Der rtiilosoph, Der Politiker, Das Oesamtkunst- werk. Der Gedanke von Bayreuth.

Uttratsr

Wfike und Briefe: Kicimid Waguerb gesammelte Schriften und Dichtungen. 10 Baude. Geb. 25 2L Biohiid Wagners inohgel— sene Werke.

UtMliriR Hr FküOMfU« u4 FMieotlk. 12. Jahigu«. 29

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Mitteiloogom

Briefwechsel zwischen W. und Liszt

R. W. an Mathilde Wesendoni, TagebndiliUtler nad Briefe.

Briefe yon W. an Otto Wesendonk.

Briefe von W. an EmU Heofcel, «D EliM Wille, an Aqgnsfe BSokel, aa Uh%

Fischer und Heine. . Biographien:

Cabl Fu. GLAaENAPP, Das Leben Richard Wagners, in sechs B&ofaeni. Leipzig, Breitkopf k BSrteL

HovsiOR StBWASD GBUnmLAiR, Biohaid Wagner. Zwei Ausgaben, eine grate mit saUreidien Abbildungen und «ne wohlfeile nur mit Text. München, Bmcbnann. WiLüKLM KrrNZT l^ichard Wagner. Die Oesamtkonst des 19. Jahrhonderin. Jlön-

chon, Kirchhoim.

Ocmo Adlkh, Richard Wagner. Vorlesongon gehalten au der Universität zu Wien. Leipzig, Breitkopf & Hirtel.

VN. SpracUamo

1. ieitiche SprMke 1. Sptaddaimia fiir Anfinger: Oberiehxer H. Landfliaiia Der Spraoh-EarBus stellt sich ab Anllgabe: lIQndliche und sdhrift- lidbe DaisteUnng der Oedanken. Zahlreiche nnd plaomStigr angeordnete

Sprechübungen sind das Hauptmittel. Alle Stunden tragen daher den Charakter der ausschließlich deutschen Unterhaltung. Grammatische Übimgcn schließen sich den gelesenen und besprochenen Stoff an. Gelegenheit zu schriftlichen Übungen. (( bungsstoff : Jena imd Umgebung.)

Der Kursus umfaiit 18 Stunden (vom 3. 9. August : 8 9, vom 10. bis 16. Angost: 8 9 und 10 11) und sechs Spaziergänge, die m dem ünteirioht in enger Beiiehnng stehen. (8. die WoehentafeL)

2. Sprachkursus für Fortgeschrittene: Seminar-Oberlehrer Fr. Lehmenaick Die deutsche Sprache der Gegenwart 18 Standen Tom 8. 12. August: 9^10 nnd 4 5 GrondzOge der deutschen Grammatik nnd des deutscheo Stiks abgeleitet aus deutschen Schriftwerken VorleBnngBn, Lektflie, Unterweisungen, Übungen

1. Deutsches Mttr<^n.

2. Deutsche Sage.

3. Deutsche Frzählung.

4. Deutsche Poesie.

5. Deutsche Kunst.

Anzuschaffen sind nnd benatzt werden: Ihälinger Sagen. Leipiig, Heinxidi Biedt, 1902.

Beiofae literatorangaben siehe in dem Hefte von HAxna&a, Zorn dratBoliaii

Unterricht (Verzeichnis empfehlenswerter Bacher für Lehrer und Lohrerinnen zur Vorbereitung für ihren Beruf wie zu ihrer wissenschaftlichen Fortbildung), das als 2. Heft der Schriften der Päd. Gesellschaft erschienen ist bei Bleyl & Kämmerer Dresden. 1 M.

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1. Fehenlnurse in Jena Angost 1906

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2. Eiglisehe Sprtehe

Pngtish Convenation and Literature Classes: Miss. Catherine J. Dodd, Ihe

Victoria Uuiversity of Manchester

1. Elementary Claas for begiouers

ThiB ooime indadeB rery easy oouverBaftioa, the zeadiag of easy proee and poetiy, fhe writing of easy oompositioii and dioCatioD.

Subject Matter, a) Prosa 1. A Fairy Tale The Sleeping Beatity. 2. Fables. The Town and Conntry Mouse. The fox and the Crow. Mercury and the Woodmao. The Goantry Maid and the Alilkpail. b) Poetzy for Children.

He was a rat

I oooe had a aweet litüe doli Kingsley Hie Chfld and tlie Lamb Blake

Lady Moon Loid HoughioD

The Violet Jane Taylor

Lullaby Sir Walter Soott

The Mountain and Squirrel Emerson The Montlis S. Coleridge

The YiUage Blacksmifh Loogfellow Hethod. Simple nanative, spoken dowly and distinotly, interapersed

with many queetionB and recapitnlations. Dictation and otfaer written

exercises will bo given daily, also exercises in reading and pronunciation.

Not less than two English walks will be arranged.

Bocks lequired. 1. Fairy tales. 2. Aesop's Fablee. 3. Selectioo

of Children 's poems. 4. Selection of Sehool poems.

2. Advanced Class for members who can speak and understand ea^y Engliah. Simple lectares on topioa ooimeoted irith litentme with psoses for oonvenation. Beading alond. Subjeot Matter. Seteetfons from Tennyson. Browning. Bunyans Pilgrims Progress. Shakespeare As you likc it. (All liookR will be providcd. Two English walke will beamngedi and a Shakesperiau reading in tho forest.)

Books required. 1, Pied Piper of Hamolin. Bro\sTiing. 2. Selec- tioüs from Browning. 3. Sclectioas from Teunysou. 4. As you iike it. Shakespeare. (Stead*s editions of the above books).

8. IlMniilachs 8|iMcks

MoBSieiir Jules Dietz, de Oeneve. Lehrer der französischen Spnohe am

Großherzogl. Sophienstift in Weimar

1*^ Revue genüiale de l'histoire de la litt6rature frau9aise, 12 Conferences.

Ddreloppement de la littfaatore fean^aise, du moyen age jusqu'A mos joora Les rapporls areo l'histoire de la oiviliSBtion. Oonp d'<Bil sor la formation et la transfonnation des genres: ^popte, loman, trag^diei oom6die, po6sie lyriqne.

Ouvrages recommandös:

Gaston Paris, Histoire de la litterature fran<;^ise au moyen Ige.

Maurice Bouchor, La Chanson de Koland, traduite en vers (1 franc).

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Mitteilongen

Le Bidois. La vio dans la trag^ie de Racino, Lenieat, La satire en France au moycn äge.

La Com6die aux 18e et 19e si^es. Rambaad, Histoire de k dTfliaiKtkHi fnm^aifle. Le Breton, Le Boman anx 17e, ISe^ 19e BiddeB. Branetidre. Evolution des f^tires.

Epoquos du Thöätro frantjais.

Evolution de la poesie lyrique.

Manuel de rHistoire de la iitt6rature feangaise.

Lanson, Histoire do ia Utt6rature fraoQaise. 2* Bxeroioes pratiques (aoasi poor las oommeDpants) 12 con- f6renoes.

Lecture, tEaduotioii, convanalioD, imptoviaation, rUaotioiL Sujets

TBiies, ohoses vues ou lu^.

Lccturo et traduction: Le Monde Ton s'ennuie pai* E. Pailleroa (Velhagon et Klaaing). Un choix de contcs et röcits faciles sera rais h la dispositioD des j|[>articipaiits. Des promenades dans les environs de Jena Bont adapt^ k oes amzs.

Ire promeiiade: Jeudi, 4 aoüt, SohwdierilBlie. Bende^-TOfna, Yolks- hsoB, 0 heuQB.

2. »Die nene Sohtilec

£ia Beitiag nur Oeadiiohte der neuesten Untemohts- und BnielHingiMnethodea ta

Frankreich

Von P. Thiry-yexneafl

(Fortsetzung)

Werfen wir jetzt einen flüchtigen Blick auf den in der Schule be- folgten Stunden- und Studienplan, so merken wir, daß manches vom neuer- dings in die »lyotee« und »odli^« eiiigefOhrtan Ftagramm abweiolit Ek> wedieelt z. B. der Stundenplaii mit jeder JahresMit; die Scbola beutst einen »boi&irc d'hivers »horaire do printemps« imd »horaire d'6t6« . M

TTm sechs oder halb sieben läutet die Glocke zum Aufstehen. Gleich macht sich der Capitaino geltend, der die Schlaf lustigen zu sofortigem Auf- stehen aufmuntert; gleich nach dem Morgcngobet (das joder Scluller frei für Bich verrichtet) zieht der Junge seineu Bademantel au und läuft zum Badesimmer, wo er eine BehnBekondeidange Dondie nimmt (dies geBohiebk sa jeder JahresMit); Bad mit Toiletbe nimmt hOdiateiiB eine halbe Stande in Ansprach. Darauf folgt eine halbe Stunde Vorbereitungsarbeit (sie be- trägt täglich, je nach dem Alter und der Klasse des Schülers 2 V, bis das Vesperbrot (das je nach der Jahreszeit aus Schokoladetftfelohea, aus

*) Das Schuljahr serfiült in drei »trimeetreec oder >tennes< ; »trimeatn

d'hiver«, vom 1. Oktober bis ziim 20. Dezember: »trirncstrc de printemps« vom 18. Januar bis Ostern: »triiuestre d'et^c, der nach 24tägigea Ferien aaülagt; die Heriatfeiien danem 2 Monate; aoBer der drei Trimesteiterien gibt es keiiM sck genannton ipctites vacanoes«, wie also zu Pfingsten, zu Fastnacht, am 14. Juli usw. Diese £inrichtiui£ hat zur Folge, daß der Schüler während 12 14 Wochen »on- untaibroohenc aneitai kann.

^ V

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2. »Die neue Schule«

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6 Standea). üm 7** Iftntet inederam die Glooike; dann wird das

englische »breakfast« eingenommen (aus Eiern, kaltem Fleisch, Schokolade, Milchkaffee oder Tee und ^pornd^c -Suppe bestehend). 20 Minuten vor acht worden, immer unter Aufsicht des Capitains, die Betten von den Schüleni selbst gemivclit. Dann werden die für die Klassen nötigen Schul- bücher oder »hefte gepackt Funkt 8 Uhr strOmeu s^imtliche »gar9ons« (die in der 1 km entfanrteo »Gnichaidi^« wohnenden benntaen meialai- teils das Fahnad) ins »BIftiment des oHasses«, wo mit respeIrtiTen Fensen von 5,20 und 5 Minuten die Elasaensfamden gilben werden. Also 4 Schulstunden nacheinander, was vom alten zweistündigen Ijehrsystem wesentlich abweicht. Die dem Unterricht gewidmete Zeit nimmt den ganzen Moriron ein (von acht bis halb eins). Den Rest des Tages füllen die S[)ortübungeu oder bogenaunteu vtravaux pratic^uos« aus. ^) Selbat- versttndHofa gilt diese anacheinKoh freie Zeit als Arbeitsseit Üm 12*^ kehrt jeder Schiller in sein Heim, mn das lüttageesen (das ans 3 Gingen und einem Nachtisch besteht und 30— 40 Minuten daniwt) ein- zunehmen. An diesem Mittagstisch nehmen alle im Hanse anwesenden Lehrkräfte teil; jetlermann darf frei roden: nur muß am Ilaupttisch französisch, am zweiten englisch, am dritten deutsch gesprochen werden; jeden Monat befinden sich die Jungen au einem dieser 3 Tische, was zur Folge hat, d&ß die Teradhiedenen »öhefis de table« d. h. Lehrer, den Zög- ling ebensogut wie in ihrem ZimmeTi in der Kkisse oder anf dem Sport* feldo kennen lernen und erproben kOnnra. Zwanglos herrscht die mimtere Unterhaltimg (an der öfters fremde Besuclier oder ehemalige Schüler teil- nehmen) imd natürlich wird auf korrekte Haltung des Schfllen sehr viel Gewicht gelegt.

Nach dem Mittagessen, während des darauffolgenden ^teraps iibi"e«, rflsten sitiii die Knaben zum Sportspiel; die gewöhnlichen ArbeltaUeider werden gegen die SportUdder gewechselt Punkt 2 Uhr fangen die Sportspiele an; diese Übungen werden von englischen, musterhaft dazu befiUiigten Lehrern geleitet; im Winter wird Fußball (»nigby« oder »aasociation ' ) gespielt; an regnerischen Tagen findet ein Rennen oder ein »rally-paper« statt; im Sommer spielt man >cricketf, »lawn-tennis« oder »hockey«. Während eine j>6qui[)e« derart beschäftigt ist, nehmen andere Boxe-, Fecht- oder Musikstunden. 2)

Üm 3'^ nach Beendigung der Spiele, kehren alle SchQler in ihr HfMis, um nadi einer Angenommenen Doudie sidi umzukleiden; dann folgt Konfekt (aus Nüssen, ÄpfeLi oder Birnen mit Brötchen bestehend); zwei- oder dreimal wöchentlich wird der englische »five o'clock tea« eingenommen;

*) CHiemie, Physik, geologische und botanische Ausflüge, Schreinerei, Buch- binderei, Bearbeitung des Holz^ mid des EiseiiB, Gärtnerei, Besuche von Bauoru- hüfen und Fabriken aller Art usw. In einem folf^cnilnn Aufsalze gedenkt der Verfa.sser über diese originelle Einrichtung des praktischen Studiums, sowie über spezielle 8]*ortül>ungen, Hasik, literarische oder wiasensohitfttiohe Yortrige und Abendversammlungen ein weiteres Wort zu sagen.

') Die Schule besitzt ein etwa 20 Schüler und Lehrer zählendes Streidl- orohester, das von einem in Paris wohnenden und einmal wöohentiioh rar Schule kommenden ber&hmten VioUnTiitaosen geleitet wird.

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4Ö4

MitteilangOB

jeden Tag nehmen die Capitains an der table ä the< mit Leiter, Lehrern und sonstigen llerron und Damen Platz. Um halb fünf treten die Knaben in den Studicrsaal , um unuutcrbnjchen 2 Ys Stunden lang zu arbeiten; die Oberleitung der »etude« liegt dem Capitaiue ub; streogeä SfiUaohireigflD inid beobachtet; taOa «in Sohfllfir & allgfwnmiw Stille unterbricht oder döh auf iigeod welche Weise sdiledht beoiinmt, ao wird Bein Name in das sogenannte »cahior d'6tade< geschrieben ; das Heft wird jeden Abend dem Hausleiter gezeigt und es erfolgt eine sofortige Maß- regelung. •) Um 7 Uhr klingelt es zum Händewaschon ; dann beginnt das Abendessen; eine hali)-tündige »r^'cr^'ation«: ; dann eme lialbe Stunde oder eine Stunde Vorbereit ungsarbeit; um 9 Uhr (resp. S^t Ulu* für die Kleioeren) wnd zun SoUafeDgehen geUntet; um 9 V4 Uhr, naoh eiAdgtem Lesen der Zensuren des Tages, nach kurzer Anrede über einen beUebigeo, wichtigen Punkt dos »r^glementc, und Lesung einiger Zeilen aus den alten oder neuen Testament, mit Kommentar, oder aus einem moralischen Werke, geht der Schüler, nach krj|ffip:em >f;hake-hands«, unter Anwesenheit des Leiters, seiner Uattin und der verschiedonen Lehrer, allein zu fiette. Um halb zehn ist alles still im Hause.

So nimmt der Schultag sein Bnde. Bb Bohfliut »tmmfiglichs den Schüler einen besser ausgefüllten und abwechBelungsreidieren Tageskuf la bieten, besonders wenn man ins Auge faßt, daß hier, Sonn- und Feiertage ausgenommen, von keinen Ferientagen (wie Donnerstag in den übrigen staatlichen und freien Anstalten) die Rede ist. Wahrlich, hier scheint mir die Frage der »Maximalarbeitc mit der »Maximalfreiheitc aufs glücklichste gelüst zu seini

*

Werfen wir nun einen weiteren raschen Blick in das ünteiriöhtaweaeii der Schule. Zunichst sei bemokt, dafi sämtliche Lehrer (der ftlteste aSUt

34 Jahre), mit Ausnahme der Ausländer, dem staatlichen I>ehr&ch an> gehören ; alle, mit Ausnahrae des katholischen und ]>rotestanti5chen Seel- sorgers, sind Laien (etwa 70 ''4 der Schüler gehören zum katholii^-hen Bekenntnisse, ca. 28^0 dem calvinistischen , lutheranischen oder angU- kaniscben, und ungefähr 2 % orthodoxen Eirohe an). Alle Lehrer be- sitzen die im Sekundaannterricht meistens eocforderliohe lioenoe-da-kttrea oder ds-sdenöes, oder das im Primanntevrioht nolwendige brevet &&- mentnire oder snjx'rionr. In gewissen Klassenabteilungen wird auf das bei den französischen Familien so beliebte »baccalanivat* vorbereitet: jenes baccalaurrat ist bekanntlich, kraft eines vor 2 Jahren erschienenen miui- sterieUen Erlasses, in 4 Sektionen eingeteilt worden, nämlich: >>latin-gTec«; >latin-sciences€ ; latin-hmgues« und »scienceb-iangues«. £s wird uiemaud Wunder nehmen, daB in einer nach gana modenen Begriffen eingerichteten Schule, mehr Gewicht auf die Praads als auf die Theorie gelegt wiid; auch sind demzufolge die beiden letzten Sektionen die von den Zöglingen bevorzugten; ja die eiste Sektion: die »kitin-greo Gombinationc (ein Über-

' ) t'her die vcrs( hiedeticu in der Schule verliängteu Strafen wird im späteren Auföatzo gesprochen werden.

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2. »Die neue Schule«

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rost des streng klassischen, d. h. ia mancher Hinsicht ganz unpraktischen früheren Untcmchtsvcrfahrens) existiert gar nicht in der Schule, was die > Abscliaffung des Griechischen« und das Aufblühen und (iedeihen des ueusprachüclieu Unterrichts zur glücklichen Folge hat

Bei nflherar Betrachtung des UntamchtssysteiiiB wird dem fremden Beeoeher am Bieisten auffallen, dafi der Eriemimg der Sprachen der Hauptanteil zufallt: in dieser ffindöht bietet die »Ecole des Roches< ein in Fi-ankreich noch nie dagewesenes und ganz eigentümliches Bild und führt zu ganz ausgezeichneten Ergebnissen. Dieses Resultat verdankt die Anstalt dem sogenannten >stage eu Angletene et on Allemagne«, d. h. der den Schülern, vom 8. bis zum 14. Jahie auferlegten, in England und Dentsohland aasubriDgendeD FlrobationBaeit; dieeer Aufenthalt im Aoalande dauert 0e nach den geistigen Befthigangen dee Knaben) drei, aechs, neim Monate oder ein Jahr, und findet in Eraehnngaheimen statt, die mit der Schalbehörde in direkter Verbindung stehen, und womöglich über eine der »Eoole des Rochesf ähnliche Organisation vei-fugen. Das Endresultat dieses Systems ist, wie gesagt, ein auffallend günstiges und in jeder Beziehung erfolgreiches.

Freilich, mit der Annahme dieses Prinzips des Aufenthaltes im Aus- lände hat die Schule eigentlich nichts Neues geleistet, insofern dieses ja schon in manchen »ljc6eac nnd »coUdgesc dnrchgefOhrt ist Aber Hot Demolins' Verdienst» bei seinem 96ystemati0ohen« Yerfshien, liegt darin: In Frankreichs meiaten Erziehungs- und Bildungsanstalten ist nämlich diese Maßregel nur eine ausnahmsweise, eine außerordentliche ; auch bleiben die meisten Schüler »lyceensc oder »collegiens« höchstens während der llorbst- ferien im Auslande, was ihnen, bei oft unüberlegter Walü des fremden Heimes, beinahe unmöglich macht, in so beschränkter Zeitfrist das fremde Idiom auch nur teilweise beherrschen su lernen. Hier dagegen Terfafllt flieh die Sache gans anders, und daa Endeigebnia ist darum auch ein gans TOESchiedenee. Die Schüler erwerben sich auf diesem Wege einen

gewissen Fond soliden Wissens, der ihnen später das I^esen moderner und klassischer Werke ermöglicht und sie zur Konvorsation in der betreffenden fremden Sprache befähigt. Dieser erste einiri lirachte Fond bildet nun ein nachlialtig kräftiges »substratumi, das sich dem Uedächtnisse desto fester und dcberar Mnprägt, je mehr die Kenntnisse bei jungen Jahren erworben worden sind. Bevor man in einer fremden Sprache schreiben lernt, kann man in derselben zunächst sprechen, eine Unterhaltung im Gange lialten und beinahe >fremdsi>rachlich denken«^. Und siehe! dies ist eben der Endzweck der olien erwähnten, vor zwei Jahren in Frankreich so glück- lich eingebürgerten und verfolgten Methode, genannt »methodo directe«, oder »muthode intuitive«. Aber, was bis jetzt in den »milieux universi- tairee« mit so großer Mfihe und dmeh S oder Satfindigen wöchentlichen Unterricht TerwirUicht worden, mit Hilfe der sogenannten »Glaasea de Converaationc, dies erzielt, auf tganz natQrlichem Wegec, ohne jedweden Zwang, und nur mit Hilfe >naturgemäßer« Mittel die Schule >les Roches«. ^

Übrigens beeint räelitigt diese Pmbationszeit im Auslande keineswegs den normalen Gang des nousprachlichen rnterrichts, der im l'ntemchts- zjkius immer eine kapitale, auf der unbedingten Notwendigkeit der Er-

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lliiteiliiDgeD

lemuog freuidtir Spraclieu beriüieude Holle spielt Auch hat jede KlaasQ swa Sektionen, die eine fOr die achirfldieren, die andere für die tfiohtigerai Schiller; wie in allen andem ünterriohtsfikäieni, seigt die Schule andi in diesem Fache ihre spezielle Eigenart: denn im Zusammenhaag mit den

Klassen, die hier seit »fünf« Jahren (in den übrigen Anstalten erst seit »zwei« Jahren) immer im fremdländischen Idiom gelialten werden, wobei des Lehrers Augenmerk besonders auf die Erlernung des Vocabiilars, der Biegungen iukI der einlachsteD Hegeln des Satzbaues gerichtet ist, müssen sidi die Zöglinge der »Eoole Nonvelle« anoh aafier der Klaflaenwit speziell in der Konversation flbeo. Und damit das beidts angeeignete Spndi^ material nicht verloren gehe, stehen den Schülern dentsche und englische Lehrer fortwahrend zur Seite; bei Spaziergängen, wie während der Sport- flbungen, während des Essens und während der Spielstunde, überall bietet sich da dem Knaben Oclegeulieit, das schon Erlernte zu vervollständigen bezw. zu vervollkommnen in iTorm leutseliger, zwangloser Unterhaltungen in fremder Sprache.

moht lange hat das Enderg^m'a dieser stieogen Schnlmig im neo- sprachlichen ünterrlcht auf sich warten lassen nnd die Folgen des Systems sind bei verschiedenen Prüfungen von unerwartet glänzenden Erfolgen ge- krönt worden. Im Abituriontenexamen , bei der »mündlichen« Prüfung, sind die meisten Schüler »des Koches < glänzend durchgekommen; einige haben, z. B. im Englischen die Zensur »sehi- gut' erhalten. Alles dies ▼erdanken sie ihrer Beherrschung der fremden Spmche (etwa 70% Schiller haben schon mit ihrem 12. Jahre einen mehrmonatigen Anientliatt in EngUmd zu verzeichnen). Für die meisten ist diese Obcädegenlieit von entscheidender Bedeutung beim Endresultate des Hauptezamens gewesen; nicht selten sogar wurden manche Schüler »cum laude« angenommen, dank ihrer Meisterschaft im Englischen oder Deutschen. Bedenkt man nun, daß sich etwa 90^0 ^^i' Schüler später verschiedenen Zweigen des Handels, der Industrie oder der Kolonisation widmen werden, so sieht man gleich, dn, von welcher Wichtigkeit fOr das wettere Leben diese Sprach- kenntnisse sein werden, und wie, dem Wahlspraoh der Schule entspraeheod. Jene Knaben in späteren Jahren wohlgerüstet sdn werden fOr das Leben (bien arm^s pour la vio !).

Soviel über dieäuüere und innere Ausgestaltung der Schule »les Boches«.

^

Werfen wir nun nochmals einen ROokUick auf das oben in den Orundrisseo und HaupÜinien Skiziierte, so kommen wir sn folgender Schlußfolgerung: Was die Schule »les Bodbes« von allen andem französi- schen Erziehnngs- und Tlntemchtsanstalten unterscheidet, was ihr das Ge- präge der Neuheit vcrleilit, kann in drei, von Ilerru D. in dem schon oben erwähnten Werke (»Tilducation Kouveile«) trefllich zusammengeiaüteo Hauptpunkten klai-gclegt werden:^) ^ 1. Das Leben im Freien: das eine geiadesn eEstannliche Wirkung auf die Knaben ansDbt, insofom es als natuigemftfles, eoeigisofaes Ab- leitungsmittel gegen alles BOse und Lasterhafte in Oedanken und Tat dient:

>) r^auoaüon Noavelle, Chap. II et IQ.

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2. »Die neue Sohnle«

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die Handarbeiten (Tischlerei, OärtDerei, Buchbinderei, Bearbeitung: des Holzes und Eisens), dio S|>ielo unter freiem Himmel, die verschiedenen Sportübungen, die gt'sundheitlichen Hilfsmittel (wie kalte und warme Bäder, tubs, Douchen): alles das übt einen ebenso kräftigendeu Einfluß «nf das Bändee Seele ans» wie die erteHten atüicheii fiateohUge (die UbrigeDS bei uns ebeneogat als moralieoher Faktor gebfandit -werdeo wie in ükn sich doee guten Bnfee erfreuendra andcn n Anstalten).

2. Das gemeinsame Arbeiten und Zusammenleben des Lehrers mit den Schülern: Dank dieser Gemeinschaft des Lehrers mit dem Zögling im Handeln und "Wandeln, erblicken die Knaben im Lehrer nicht (wie leider so oft geschieht), einen Hemi, der bloß da ist, tun Stunden zu geben, Arbeiten zu korrigieren, Zensoren zu erteilen, Stiafen m diktieren, sondern ▼ielmebr einen Freund, einen Batgeber, der alles mit ihnen gemeinschaftlich teilt und mitfühlt, der an ihren Freuden und Leiden innigen und uneigennütsigen Anteil nimmt. Der Lehrer ist es auch, der mit den lieben Eltern in regem Briefwechsel stellt, der sie gerne bei Schulbesuchen empfängt, mit ihnen über den ^jungen Wildfang« spricht ; kurz, der, soweit es ihm seine Kräfte erlauben, für das gemeinsame Vöhl des Kindes und der Familie mitarbeitet : mit einem Wort, »der Lehrer ist dem Sdifller ein Fiennd, d^ Eltera ein Mitarbeiter im Era^nngsgeechftft«.

3. Die Gegenwart des Weibes im Hanse resp. in der Schule. Die Idee, welche leider bis tot ^nigen Jahren als Grundlage des Erziehungssystems obwaltete, war diese: völlige Abwesenheit des Weibes von der Schule! In der »Ecole des Koches« dagegen führt die Frau (sei es die Gattin der Hausleiter oder Professoren, sei es die in niederen Klassen von den meisten Erziehern mit Recht bevorzugte Pro- fessorin) ihr mUtterlicfaes, mildes, wohltuendes Regiment; dank der Gegen- wart des Weibes in der Anstalt, dank seiner mütterlich eingreifenden "Wirkung wird das Schulheim zu eiiior wahren »Filiale« des eigenen Familienheime.^, des väterlichen Herde.s. Viehnohr: die Gegenwart des Weites gewöhnt den Knaben an bessere äußere Haltung, an höfliches, sittliches Reden ; sie bürgert in die Schule soziale Lebensverhältnisse ein, die denjenigen des späteren »offiziellen« Lebens gleichkommen; sie macht ans der Schule ein trautes Duniliennest^ verleiht derselben ein heimisches Aussehen, und widerspricht dem so sehr Tersehrieenen Gleichnisse der Internalsschule mit der »Kaserne ; sie beugt endlich einem wichtigen, dem Kinde beim Eintritt in das Ijeben vorkommenden 1 bei vor ; d^-r plötzlichen Entdeckung des Weibes, welch lefztf^re in moralischer Hinsicht SO schwere Folgen für den lebensuneriahrenen Knaben mit sich bringen kann!

So Tersteht man hier in der »Ecole des Boohesc die Aufgabe der Erziehung; so versteht man das ideale Werk des Lehrens und Lernens;

so versteht man die Wirkung des Lebens im Fr^en auf Körper, Geist und Seele; so endlich sucht Unterricht und Erziehung auf die soziale Zu- kunft des Kin<les Einfluß auszuüben, so bildet man vorurteilsfreie, stark individualisierte, charakterfeste und sitthch vollkommene Weltbürger. (Ecole des fioches, Verneuil [Eure] Ende Dezember 1904).

(Schluß folgt).

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I Philosophisches

Partsch, Dr. J., Mitteleuropa. Gotha, Justus Perthes, 1904. 463 Seiten.

Die Eigenart dieses vortreölichen Buches und der Reichtum seines Inhalts sind so groß, daß ich zweifle, dem Werke in nachstehender Be- sprechung voll gerecht zu werden; und gleichwohl meinte ich, die Leser dieser Zeitschrift und namentlich die Pädagogen auf dasselbe aufmerksam macheu zu dürfen, als auf ein vorzQglich geeignetes Hilfsmittel zur Be- lebung des geographischen (auch geschichtlichen) Unterrichts.

In uusenn Buche sollen *die Länder und Völker von den Westalpea und dem Balkan bis zu dem Kanal und Kurischen Haff« dargestellt werden. Ui-sprünglich als Einzelband eines großen Werkes gedacht welches unter der Leitimg von John Mackinder (Oxford) um die Jahr- hundertswende erschienen ist, und welches in 12 Bänden die Länder des ganzen Erdkreises dai-stellt, konnte die Arbeit des Verfassers in diesem Rahmen nur verkürzt aufgenommen werden; so erscheint sie nun tm- verkür/t und den Bedürfnissen des heimischen Leserkreises entsprechend neu bearbeitet; luid hierbei sind die Veränderungen berücksichtigt, welche der seit erster Abfassung verronnene fünfjährige Zeitraiun erforderte.

»Mitteleuropa« umfaßt nach unserm Buch das Deutsche Reich und Österreich - Ungarn , femer Bosnien, Serbion, Bnlgarien, Rumänien und Holland, Belgien, Schweiz. Die Orenze nach Osten liegt passend da, wo Ostsee und Pontus sich am meisten nähern (Königsberg Odessa) wnd hiermit fällt ja die Grenze Rußlands zusammen. Die Ausscliließung der drei großen sfldeuropäischen Halbinseln ist gleichfalls selbstverständlich. Bezüglich der Abtrennung FrankTeichs war dessen ganz abgesonderte Ge- staltung des Stromnetzes bestimmend. Es liegt wolü aber noch ein innerer wesentlicher Gnmd für diese ganze Begrenzung Mitteleuropas vor, welcher die Umschließung so verscliiedener Völkerteile rechtfertigt. Der Verfasser gibt ihm an anderer Stelle folgenden Ausdnick: »Wird der Kampf, der heute Mitteleuropa tief bewegt, sich beruhigen? ... 0 nein! Das Selbst- gefühl der Nationalitäten ist tiefer begründet. Die Zeit verschärft es. in-

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I Pliilo80i)hisches

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dem sie die Eigenart je<les Volkes zu voller Durchbildung brint^t. . . In dem Wettstreit so vieler Kulturen, die auf seinem Boden sich begegnen, liegt der Reichtum des geisligeu Lebens von Mitteleui-opa begründet, aber gleidueitig auch dio emsteBfee Gefahr für die Sidierheit seineB BestaDdes. BornblgeDd wirkt indes eioe Tatsache, weiche keine nfttfonftk LeidfiOBcbaft aua der Welt schaffen kann: das praktische Bedüifnis aller Lünder Mittel- europas nach einer dem Verkehr vermittelnden gemeinsamen Sprache. Ver- gebens gibt madjarisches Selbstbewußtsein oder rumänische Koketterie, die mit dem Fi-anzösischen liebäugelt, sich den Ausclieiu, als sei über die Wahl dieser Spnushe noch ein Zweifel möglich. Diese gemeinsame, von Galats und Sophia, von Triest nnd Antwerpen bis tief nach Rnfiland liiii i:i im Verkehrsloben heimische Sprache ist tatsächlich bereitB vor- banden: es ist das Deutsche. Nur die zurQckgebliebenen Länder, Monte* negro und Sorhion mögen jetzt noch eine Ausnahme machen. Das ganze übrige Mittelt'urupa gehOrt bewußt oder unbewußt, gern oder widerstrebend zum germauischeu Kulturkreis.«

Was greift doch alles in die Gestaltung des Relief eines so weiten Gebietes ein. Umlte VorgSnge und neues Geschehen bestimmen das- selbe: geologische Ablagenmgcn, Faltungen, Senkungen, plutonischo Erup- tionen, Erosionen vom Einfres!<en eines einzelnen Wassorlaufs bis zur Ab- rasierung eines ganzen, eiiiat hoch aufgericlitetfn Gebirges; da/.u das Wiiken des Meeres iu Zerstörung und Aufbau, und die tief eingreifende Wirkung der Gletscher und Bisseit ünd nicht nur das Belief imd die Geognode des Landes wird damit bestinunt, sond^ mit ihnoi zuglddh alle Lebensbedingungen der Bevßlkenmg: Fnichtbarkeit. Schätze des Berg- baues, Zugänglichkoit, materieller und g*^istigor Verkehr über Wege, Flüsse und Meer. In diesem weiten Zusammeuliange bespricht der Verfasser im ersten Drittel des Werkes cmgohend Relief und Landscluiftsbild der drei Abteilungen des Gebietes : Kettengebirge des Alpinen Systems, SclioUen- gebirge Mittelearopas, Norddeutsches Tiefland und Deutsche Heeie. Da sehen wir die großen teUweiae schon wieder abiasierten al^nen Faltungen aus der Tertiärzeit, reichend von den Seealpen bis Wien, sich fortsetzeud in den Karpaten und in Schleifenform zum Balkan, an dosson Ostraiul das Faltengel)irge, im Pontus versinkend, in Krim und Kaukasus wieder auf- taucht. Diese im allgemeinen nordwärts geschobene Faltung der vor- tertiliea SohiditeiL hat die gleichartigen nördlichen Schichten nur wenig berflhrt Zwischen den alten, teilweise bis zum Sockel abrasierten Oe- birgsmassiven Rohmens, des Ober^ und Niederrfaeins und Harzes gelagert, haben sie der Faltung halt geboten. Diese vortertiären Schichten sind in Mitteldeutschland stufenweise zum Teil bis zur Kohl>'nfoniiatirin bloßgelegt, in Norddeutschland aber von jüugerea Ablagerungen verschleiert

Wie in diesem Tsile des Buches ohne ROcksicht auf poUtische GrenieD, aber immer die Beriehungeo auf VolkawirtschafI, Yerkehr usw. im Auge, Belief und Geognosie duich das ganze Gebiet hindurch im Zu- sammeobange behandelt wurde, so werden wir auf weitem 120 Seiten

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Besprechungen

durch, das ganze Gebiet umfassende Darstellungen über naehstohenlo Wissenszweige unterrichtet: über das Klima, die Völker, die Staaten- bildung, das wirtschaftliehe Leben. Da sehen wir die Sttae der TUker vor and nadi der YOIkerwanderong nnd deren heutige Yetteihmg.

Wir erhalten einen kurzen Überblick über die Staatenentwicklmigeii und bis in die neue Zeit hinein Einblick in die politischen Stellungen der Einzelteile unseres Gebietes. Wir übersehen die Gaben der Pflanzenwelt, den Wald- und Ackerbau, die Viehzucht, die Schätze des Bodens an Erzen, Brennstofteu, Salzen und in Verbiodung mit dem allen das Wirken nnd den Erfolg menschlichen Fleißes.

Es folgt ein, dem dritten *M des BnclieB einnehmender Abschnitt fibersohiieben: tEnltnigeographiec Obgleidh hier die poUtisdien Ab- grenzungen nach GebQhr hervorgehoben werden, sind doch die Staaten ni- nächst zu 10 Hanptgruppen (Alpenländer, österreichische Sudetenländer usw.) zusammong-efaßt und in weiterer Teilung nach geog:raphischer Zugehörig- keit behandelt: sn z. B. zerfällt die eine liauptijruiipe Das mitteldeutsche Berg- und Hügelland c in 4 Eiuzelgebiete : Bergland des Niederrheins; Hessen, das Weserbergland und Wesiphalens Tleflandbodit; das Gebiet der mittleren Mbe; die Oberlansits nnd Südhftlfte Schlesiens. So er- hält man Aber jeden Gebietsteil einen kurzen kulturgeographisch^ Über* blick, in welchem namentlich auch die Verkehrslagen, Bedeutungen, teil- weise auch geschichtlichen Beziehungen der Landeshauptstadt und einiger anderer wichtiger Städte besprochen werden.

Der Verfasser hatte unsern Blick schon in früheren Abschnitten Niel- fach auf das Kulturelle gericlitct, deslialb möchte ich zur Unterscheidimg die Übeischrift dieses Kapitels in: »Enltoigeographie der Einaelgebiete« ergfinst wissen; vidleicht aber kennseiobne ich den &ihalt dieses Kapüsls

am besten durch wörtliche, etwas abgekürzte Mitteilung eines Beispiels, dnes kleinen unter den zahlreichen gleich lesenswerten:

Sfldhälfte Schlesiens: »Diese Provinz des preußischen Staates <lriTi_'^ wie eine Halbinsel zwischen Böhmen und Polen ein. Die Umfassung dim:h fremde Zollin'enzou erschwert die Entwicklung vieler Zweige ihres auf- strebenden wirtschaftlichen Lebens und gibt der erst in den letzten Jahr- zehnten su ansehnlicher LeistongsfiUiigkeit verbesserten Wasserstrafie der Oder . . erhöhte Bedentang. Dsa «ildxmdie^ aber keine grölten Erzlager- stätten bergende Gebirge ist der Sit« einer Industrie, welche an der Trirfh kraft der Gobirgsbächo eine Hilfe von wechselndem Werte gewinnt, solange nicht Sammelbecken ihnen eine stetigere Wasserführung sichern. Glas- hütten, Sägemüiilen und Holzstofffabriken zehren an der Waldung. Die Hand- ireberei fristet immer noch ihr Dasein. . . Aber unwiderstehlich volldeht sich in der ganzen Textilmdnstrie der Übergang su Msschinenbetiieb in großen Fabribsn. Ihre Entwicklung gehorcht der Anziehungskraft des Kohlenbeckens von Waldenburg, das einen Gürtel dicht b^iedelter Dörfer und rührig-er Werkstätten zwischen steile waldige Berge einflicht. . . Der Groiiverkehr hält sich seit alter Zeit an den Außenrand des Gebirges und

I PhflOMplliSOhBB

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emioht von Görlitz^) aus bei Lieguitz (57 000 Eiuw.) die fruchtbaren nuttelBoliMBolie Bbene bei Brodau die Oder. . . .

Im 14. und 15. Jidirliiiiidait lag Brealaii an der Oienae der euo-

pSischen Kultur. Auf seinem Markte begegneten flioh die Warenzüge aus den Niederlanden und Süddeutschland mit denen aus T"^n,t,'ani , Rußland, Poleu und Preußen. Mit den Erzengnissen des Westens und der eignen Industrie drangen die Kaufleute der Stadt weit nach Osteiux)pa vor und hatten andreneits Fühlung mit Venedig und Brügge. Die selbständige EntwiokliiDg Pdens entwertete im 16. Jahrhimderto die alten Handels- Tarrechtei . . Der neue Au&chwung der Stadt im 19. Jahrhondert Qetat 438800 Einw.) beruhte auf anderer Grundlage. Breslau war nmi det Mittelpunkt des Handelslebens einer großen erzeng'nisreichen Provinz. . . . Neuerdings aber beginnt sich mit steigernder Entwicklung der Verkehrs- mittel die Abhängigkeit der Provinz von diesem Zentrum zu lockern. Bio TTanaliBieruDg der Oder Ua anMrte nach Koeel verlegt dorthin den Hafen OberechleeienB ond Telegraph mid Telephon knüpfen immittelbar an das Zentrum des Belcbs den oberschlesisohen Indnstriebezirk.

Mitten in einem weiten Waldgebiet, das unter wenig große Grund- herron verteilt war . . . hat sich seit ErschlioBung der Kolüenlager, die selbst die westphälischen an Reichtum übertreffen, hart an den Grenzen des Beichs eine mächtige Industrie erhoben, welche die selteue Vereinigung -ven Kohlen, Eiaenefaen, Zink- und fileienen an achneller nnd vielaeitiger Entwioklnng beAhigta Die Zinkgewinnimg dieees Bevieia iat die stftrksto Europas. Der Eisenindustrie genügen die geringwertigen heimischen Ene nicht, aber der billige Kohlenpreis setzt sie ... instand, bessere Erze aus der FeiTie heran zu ziehen. ... In den Kreisen Tarnowitz, Beuthen, Konigs- hütte. Kattowitz, Zabrze, Gleivntz trägt ein Gebiet von 485 r|km 486000 Mensclieu. . . . Dicht nebeu diesem Gewimmel arbeitsamer Menschen liegen "weite Waldimgen, in denen anf Kohlenfeldeni dea Berghanea der Zn- knnft Magnaten ihre Wildparke abgrenaen.c

Noch einmal zum Schluß wird in zwei kleinen Abschnitten des Buchs das ganze Gebiet Mitteleuropas nach zwei Gesichtspunkten: »Verkehrsleben« und »Bedingungen der Landesveiteidigungc zusammenhängend bespmcheu. Ich kann auf diesen letzten, sehr interessanten Abschnitt nicht näher ein- gehen. Im allgemeinen sind diejenigen BefestigungaanJagen, welche frOher die Staaten Mitteleuropaa gegeneinander errichtet hatten, aSrntUoh gefallen. Nor Serbien und Bulgarien kehren Sicherheitsmaßregdn gegeneinander, und Österreich sichert sich die Bewachung Montenegros. Im übrigen liegen die wesentlichen Befestigungslinien an den Grenzen des Gesamt- gebietes nach Osten und Westen. Auch hierin zeigt sich das dunkle Ge- fOhl einer inneren Zusammengehörigkeit Mitteleuropaa*

Dem Werke iat eine grOfiere Ansahl ferbiger Karten beigegeben und auch dem Texte aud mancherlei Abbüdongen ebgedmckt: fXbm Oebirgs-

^) Der Verfasser führt uns von Westen her über Bautzen naoh Sohlesien.

462

Besprechangen

bau, TalnetiB^ rßmiscbe Grenzlagcn, Festungen, Fixichtarten, Kalisalze xisw. So oft man das Buch zur Hand nimmt, wird man durch den Beichtnm <los Inhalts, die manigfalti^^en Beziehimgen und die Darstellungsart ge- fesselt. Man hat stets die Empfindung, als ob der Verfasser das Be- schriebene selbst gesehen habe und genießt dazu den Vorteil der fort- fQhraQg dar DamteUmig bis in die alleitetzten Jahzen.

Boppard Julius Bedlich

II P&dagogiBohes

Ikyer-Markao u. Holdschmidt, Duisburg, die jüngste Großstadt des deutschen Heiches. Eine lieimatskunde als Volks- und Jugendschrift. Duisburg, Steinkampf; 1904. 100 &

Ea iat immer eise mi Wiche 8aohe, wenn man mit wenig ICtteln allzuviel erreichen will. Vorliegende Schrift will eine »Heimatkunde« sdn, die in der Regel für die Hand des Lehrers bestimmt zu sein pflegt. Sie soll aber auch als * Volksschrift« das reifere Alter interessieren und als »Jugendschrift •< durch Form und Inhalt die Kinder fesseln. Endlich ist das Buch auch als »Festschrift« zum 4. Februar d. J., an welchem Tage die Einwohnenabl Duisburgs auf 100000 gestiegen ist, gedaolit Daa iflt viel verlangt und konnte nidit gnt gelingen.

Dem Lehrer wird die Söhale, ans der er sich nach Bedarf den Kern herausholen soll denn es ist wohl selbstverständlich, daß er den Stoff nicht in der vorliegenden Form, einer Erzählung, verwendet wenig angenehm sein. Dem Erwachsenen dürfte die fingierte Handlung der aus Amerika zurückgekehrte Onkel Fritz durchwandert mit seinem Neffen Hein die einaelnen Teile Dniabnrga nnd bei dieaer Gelegenheit beapreohen Me aioh Uber Vergangenheii nnd Gegenwart der Vaterstadt anf die Dauer auch recht eintOnig werden. FQr die Kinder endlidi ist vieles interessant, vieles aber geht durchaus über ihr Fassungsvermögen, wie ja die Verfasser selbst ab und zu bemerken, daß Hein »von alledem wiederum nichts verstand« (S. 61, 67). Hoffentlich geht es darum den kleine Leeem nicht auch ao wie Hein, der zum Onkel, naohdem dieeer eben eise wobigesetale llogere Belehrung beendigt hatte, die denkwftrdigen Worte eagt: »Onkel, du kohlst, daß man es fühlen kann« (8. 10). Das wiie um 80 bedauerlicher, als die Denkschrift zur Erinnerung an den 4. Febrair 1904 von der Stadt an 11000 Volksschüler vorteilt worden ist!

Einen Gewinn für die Didaktik bedeutet diese erzählende Darstellung der Heimatkunde nicht; sie dürfte sich auch zur Nachahmung kaum empfdilen. Die BHkhrnng bat gelehrt, dai dsnrtig bdelmDde EnBhlnagen, wie sie beeondera aeit Campe nnd flalamann eine Zeitlang ala Jqgend- •fdniften aebr verbreitet waren, einen tieferen Einfluß auf die Jugend nicht anaflben, und Herbart hat mit seinem Worte: : Schon die Absiebt zu bilden verdirbt die Jugendschrift« recht behalten. Ob in Jem vor- liegenden Falle der heimatliche Stoff den Nachteil etwas abechw&cht, muß die Erfahrung lehreu.

Indea soll nicht unenvihnt bleiben, daft daa SehriftebflB auf grflnd-

U Pädagogisches

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]icher Sachkenntnis beruht, und der lohalt so geschickt angeordnet und dargestellt erocbeint, wie dies bei dem sprOden Stoffe nur mOgUch ist und stellenweise anob eines poetischen Anfluges nicht entbehrt. Nur soJlt» mit Ausdrücken wie >]^umenwdche (statt flaumweiche) Erumec, S. 61» »die Ene sohmilzen« (statt schmelzen), S. 68, vorsichtiger umgegangen werden. Ob wohl die Verfasser selbst die Schwierigkeit ihres eigen- artigen Unternehmens eingeselien haben, weil sie sich über dessen eigent- liche Absichten gar nicht äuüem?

PöBneok E. SohoU

Teufel . S., Lateinisohe Stilübungen aus dem Nachlasse des W. S. Teuffei herausgegeben. 2. Auflage bearbeitet von C. John. Tübingen und Leipzig, J. Mohr, 1903. 8o VIU, 147 S. 3,60 M, geb. 4,G0 M. Die vorliegende Sammlung ist zum größten Teile für die ent- sprechenden Übungen des philologischen Seminars zu Tübingen entstanden. IXe sm Sofalnsse beigegebensn AnmerkiuigeD bieten frQohten« und Hinweise auf Nlgelsbaohs Stilistik. Der Xhabag der litenr- geechichtlichen Studien von W. S. Teuf fei erkl&rt es, daft wir niobt etwa ausschließlich ciceronischem Latein und langatmigen Satzgefügen begegnen; sind die Übungen doch für angehende Philologen bestimmt, die sie nicht urteilslos benutzen worden ! Der Herausgeber der 2. Auflage hat sich be- müht, die Hauptmerkmale der Teuffelschen Übersetzungskunut, die scharfe FsssQSg und Ansscböpfung des Gedankens und die in(SgIiohst nnsweideutige, einfsehe und snsohlieiende Wiedergabe, unangetastet ta lassen, ebne jedoch darauf zu verzichten, den »öfter zu vennissenden Einklang mit Grammatik, Wörterbuch und den andern seither so namhaft verbesserten stilistischen Hilfsmitteln im Texte selbst vollends herzustellen«. Das Buch ist 80 gedruckt, daß wir auf der linken Seite die deutsche Vorlage, auf der rechten die Teuf fei sehe Übersetzung lesen. Die Proben sind zum grofien Teile Oesohichtssdhreibem wie Momnisen, Feter, Sofawegler usw. entnommen ; andere bieten Abrisse aus den LebenibUdem deutscher Fhilo> logen, wie G. Hermanns, Bfl^s u. s. f. Auch fehlt es nicht sn der "Wiedergabe von Briefen, Reden und philosophischen Abhandlungen.

Bei dem großen Gewichte, das infolge der geringen Anforderungen auf der Schule jetzt der Ausbildung des lateinischen Stils auf den Hoch- schulen soAllt, wird das Buch vielen Studierenden ein willkommener rauer sein. Glücklich, wer an der Hand eines solchen Meisters windeln kannl

Pforta Menge

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Neu dngegangtne BQoher und Zeitaohriften

Neu eingegangene Bücher and Zeitsohnften

B. Lhotzky, Religion oder Reich Gottes. Eine Geschichte. Leipzig, Hiniioh,

1904. 402 S.

J. Pokorny, Die AoBfolgeroag und Ans- doatnng «Ugeiii^iier üzteile. LBOgm- salsa, Hennann Beyer & SShiie ^Beyer k Mann), 1905. 27 S.

J. Kedlich, Ein Einblick in das Gebiet der hSlieven Geodäsie. Ebenda 1905.

0. 8ie1»ert, Der Ifenadi in seiner Be- ziehung auf ein göttUdLea Frinaip. Ebenda 1904.

V. Rein, Stimmen zur Koform dos Beligioas-Ünterrichte. Heft I. Ebenda 1904.

Benrubi, J. J. Bouaaeanu elliiadieB UeaL

Ebenda 1905. 141 S. J. Bahnsen, Wie ich wurde und was ich ward. Herausgeg. von Ii. Louis. Mfindiea u. Leipzig, 0. Mfiüer, 1906. 274 S.

A. Leicht, Lazarus, der Begründer der Völkerpsychologie. Laipqg, Dfiir, 1904. 111 S.

Rolfe 8, Aristoteles MetaphysiL Über- aetst und mit BiDleitiuig imd Anmei^

Iningen versehen. IL Hälfte. Philo- sophische Bibliothek. Bd. 3. Ebenda 1901. 2W S. Kunze, Metaphysik. Webers illustrierte Katechiamen. Bd. 249. Weber 1905. 424 S.

H. Gottschalk, "Weltwesen und Wahr- heitswille. Stuttgart, Streoker&Sohröber,

1905. 4G4 S.

X. Witte, Daa FioUam das Tragischen bei Nietaaohe. HaUe, Eaemmeier, 1904. 126 S.

A. Bichl, Philosophie der Gegenwart. 2. Auflage. Leipzig, leubuer, 1904. 274 S.

Kretsaohmar, Leaatng und die Auf- klärung. Leipzig, Richter, 1905. 172 S.

IL. Heim, Das Weltbild der Zukunft! Berlin, Sohwetzschke, 1904. 298 8.

'Jul. Ziehen, Der Frankfurter Lehrj^lai: u. die Art seiner Verbreitung. Leipzig. Kesselring. F. Lehmhaua. Moderner Zeiobeniutar- richt Langenaalaa, Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann). C. Schubort, Einige Aufgaben der

Kinderforsühung. Ebenda. F. Stande, PiSpar. t d. Relig.-Unt L

4. AnfL Ebenda. Baentsch. II. St Chamberlains Yoiit über die Religion der Semiten osw. Ebenda.

Thrändorf, Ein Wort zur Simultan- aohnifrage. Dresden, Bohambeeh.

Barchewitz, Neue Bahnen im haimit*

kund!. Unterricht Ebenda. Auffarth, Die religiöse Frage und die

Schule. 2 Bde. Tübingen, Mohr. Oehrig, Methodik dea Yolks- o. WM-

echulunt Leipzig, Teubner. Hahne, Präpar. f. d. Katechiamnsnnt

Osterwieck, Zickfeldt Sickinger, Mehr Licht u. Wärme usw.

Zürich, Fü£U. Wohlrabe, Der Lehrer in der LUMätn:

2. Aufl. Osterwieck, Zickfeldt Agahd- Schulz, Gesetz betr. Kinder- arbeit in gewerbl. Betrieben. 3. AufL Jena, Fischer. Bitthaler, Zur Iheorie und Praxia des gmndleg. Rechenunt. München, Gerber. Fick, Erdkunde. I. Teil. 2. Anfll^

Dresden, Kaeninierer. Aus Natur und üeisteswelt Leipzig, 6. Teobner.

Bnaae, Die Waitanaohaanngen dar großen Philo.sophen der Neuzeit.

Martin, Die höhere Midohenachoie in Deutschland. Ziegler, Allgemeine Pädagogik, ünold. Anljgaben nnd Ziele das Menschenlebens. Schirmaoher^ Die moderne Fman» I bewegnng*

Dwok VW HwMin Bift 4 SWm ifiym k Mmm) fn LmgiMilii

Mitteilung

Mit dem nSchsten Jahiigang soll die »Zeitsdirift ffir Philo- sophie und Pädagogik« eine Umänderung erfahren. Nicht dem Geiste und dem Inlialte nach, wohl aber in Bezug auf die äussere Foim und die Art ihres Erscheinens. Die Zeitschrift soll in eine Monatschrift umgewandelt werden. Dies hat den grossen Vor- zugs dass »Mitteilungenc und »Beurteilungenc zeitiger gebracht werden können als bisher. Auch ist dne grössere Oldchmässig- keit der Ausgabe damit gewährleistet und der Zusammenhang der Zeitschrift mit ihren Lesern wird dadurch dn engerer

Trotz des erweiterten Umfanges soll der Abonnementprds derselbe bleiben wie bisher.

So hoffen wir, dass die Zdischrift hi ihrer neuen Form die alten Freunde festhalten und recht viele neue Leser dazu ge- winnen wird.

Herau$gd)er und Verlagsbuchhandlung

UtMtatft Mr FUlowfU« vaA Ftä»togik. 12. Jakifu«. 30

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Kind nnd Ennst

Einige experimentelle Untersuchungen zu einigen Grundfragen der Kunst»

erziehung

Von

Marx Lobslen, Kiel (Schluß)

n. Ergebnisse, die sich auf das BUdschöne beaiehen

Die Fragen sind in zwei Hauptgruppen zu sondern: Haupt- und Nebenfragen. Zu den Hauptfragen rechne ich: 1, 2, 3, 4, 12 u. 13; Nebenfragen sind die Nr. 5 11. Die letzteren können eine wesent- lich kürzere Behandlung erfahren.

1. Welche Farbe ist dir die liebste?

Zunächst sollen uns die Hauptfragen beschäftigen, die sich auf elementare ästhetische Dinge beziehen, die Farbe als solche und eine Auswahl einfacher linearer Formen. Über Farbenkenntnis bei Schul- kindem habe ich umlängst eine Untersuchung angestellt, M sie unter- scheidet sicli aber von der vorliegenden dadurch, daß dort bestimmte Farbenkreise der Benennung und Wahl geboten wurden, während hier vollkommene Freiheit herrschte; ich hoffe aber, daß beide sich in vollkommener Weise ergänzen werden.

Die Werte berechne ich wieder prozentualiter.

Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Bd 34 Leipzig, Barth.

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LoHimr: JBad xaä Kongk

467

Unter 100 Angaben entfielen auf:

Tabelle

Q 1.

r»-

^^-^ , . ,

Altersstufü

Farbe

3 <-»-

blau

grau

orange

gelb

braun

weiß

violett

schwarz

I

24

52

14

3

1

100

U

30

62

17

1

6

4

2

100

m

37

52

2

2

2

5

100

IV

46

38

5

4

7

100>

V

30

33

7

18

12

100'

Mädchen

i

13

70

10

100

n

46

39

2

3

7

2

1

100'

m

42

39

4

4

4

6

1

lOO-

IV

54

27

4

4

8

3

100

V

60

20

15

5

lOO*

Da sich auf den ersten Blick deutliche Unterschiede in dem Verhalten der Geschlechter offenbaren, will ich die Geeamtwerte für beide zunächst gesondert berechnen. Ich finde

blau

grau

orange

gelb

braun

weiß

violett

schwarz

Knaben

33

47

8

0,4

6

0,3

1

0,3

4

100

Hidoben

43

39

1,3

4,6

1.4

6.8

3

1

100

Bemerkung. Kleinere Uagenanfj^ten Tutehen ridi Tom MÜwt, ich habe-

■ie dem Sinne nach korrigiert.

Meine früheren Untersuchungen habe ich lediglich mit Mädchen angestellt Ich konnte konstatieren: die verschiedenen Regenbogen- iarben sind den Kindern in sehr verschiedenem Maße interessant und bekannt Am höchsten steht in der Wertung da das Rot. Es wurde auf allen Altersstufen immer richtig aufj2:efaßt und benannt. Ilini fast gleich steht da das Blau, dann folgen Gelb und Grün, während Orange,. Violett und Indigo sehr ungünstig da.stehou (a, a. 0. S. 35 f.). Diese Untersuchungen erfahren hier zunächst insofern eine Er- gänzung, als sie auch auf Knaben ausgedehnt wurden. Eine weitere Ergänzung erfahren sie dadurch, daß auch Schwarz und "Weiß, die dort unberücksichtigt blieben, bei der freien Wahl eingefügt wurden^

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inMte

«ndlidi war mir hfer Megenhelt gegeben, eitie JJtersstafe obendzanf wa seten. Siebt maa won diaaeii Umsttnden ab, so beobachtet maii ToUe Beatstigang des eben veraeichneten BeanltatB. Für Bot und Blan eEjgeben aiob (unter Auaschlnfi Ton Stufe I) die prozentoalea Werte: 51% ™^ ^^-Vo* ^ daroh I beaeichneten Alteis- «tole findet ein Dmaäiwnng atatt, die Yediebe ffir Blaii übem^ ganz weaentlioh die fOr Bot

Bei den Knaben finden wir ebenfalla ein starkes FtftTalierai •des üntereaae ffir Bot und Blau, hier aber überwiegt, steigend mit mehmendem Alter, das Interesse ffir Blaxt.

Bern. 1. So erUftrt aioh anch Tenunffich der Gegensaia iwiachea jneinen XJnteisaohimgseigebnisBen imd denen Aabs^) auf, wiewohl Mer ancb etwa Unteiaehiede YoUdsefaer Art bestimmend sein kSnnen. $ehr inieresBani wftre ein Terg^eioh mit ihnlichen TTnteisachangsD, •die aber unter andern Qunmelsstriolien angestellt aein müBten. Bb ist wenigstens denkbar, dafi die in der umgebenden Natur ▼o^ bensdhende Faibe bestimmend wiifce in positlTem, wie negaÜTem Sinne. So beeteht sweifdlos ein ünteisohied der Binwiikang^ wenn •der Holländer unter seinem nebel- und regenschweren Hinumel be- müht isl^ in schreienden Farben Fenster und Türen zu streichen, die -Gartenbeete mit bunten Steinen einzufassen, als wenn der sorglose 'Südländer zwar in Lumpen aber gleichwohl in graziöser malerischer Anordnung sich kleidet Doch darüber l&fit sich füglich ein mehreres nur sagen, wenn weitere Versuche der angedeuteten Art vorliegen.

2. Interessant ist in diesem Zusammenhange auch die Beob- 4Uifatung, daß im allgemeinen das Blau die Farbe des Knaben, Bot die der ^lädchen ist: jenes bekommt als Wickelkind blaue Bändchen, blaue Schleifen, blaue Mütze usw. hier muß alles rot sein. Ob dann ein Zusammenhang mit dem obigen Ergebnis erblickt werden darf? Oder handelt es sich lediglich um Willkür oder Mode? Soweit meine Kenntnis reicht, ist die Weise sehr alt

Weitere Bemerkungen brauche ich den obigen Tabellen meines Erachtens nicht hinzuzufügen; Ei"«^^>*ftit^ lassen aioh aus denselhen mit gennger Mühe herauslesen.

2. Wahl unter ehdidien geometrisdiea Fonnea

Du der nachfolgenden Übersicht bezeichne ich die Figuren der Ktbae wegen mit diemelbeii Nummer, die sie oben edialtsn haben.

'} Ztsohr. t FsycL o. Path. Bexlin, Walth«r. Bd. L

LoBsmr: Und ond Kunst

Geschlecht

-

State

Form

1

2

3

4

0

6

aIhHMII

T X

81

64

6

6

2

1

u

86

19

19

5

5

16

TTT

11

33

29

3

24

IV

6

13

30

3

8

45

T

38

31

31

I

10

40

7

7

S6

10

n

28

48

8

4

12

m

25

21

41

9

2

2

IV

16

20

40

12

12

V

20

10

35

25

10

Aus dieser Übersicht berechne ich folgende Gesamtwerte:

1

2

3

4

6

6

Knaben . . .

24

30

17

9

3

17

100

Mädchon . .

20

28

26

6

9

100

0«Bamt . . .

22

29

21

10 i 5 1 13

100

UÜhm beromgai die Kmil«r an emlaoheii geometrischeii Vigaieit hervoncagend; Ereis, Oral und f^eushaeitiges Iheleoik:, am wendgaten Schöll finden sie daa Beohteok, ea handelte aich hier aUerdinga nm ein fidobee^ daa doppelt ao lang wie bieit wsr. Überiunipt worden die kmnunUnjgen lügozen den gendlinigen gegenüber TOigeiogeii «ntapreohend den Tecfafiltnianhlen:

kranunlinig 25: genuDinig 12, oder rund wie 2:1. In welchem Mafia rein iattiettaehe TJmattnde die Wahl beetimmien, bleibt hier fOgUoh nnbegrflndet; aioher aber iat nur, daß nicht lediglich daa Auge entsdheidety aondem mmal bei dem Hotoiiker anöh der komplex Idnetiaeher und kiniathe' tiacher Empfindungen nnd Yoiaiellnngen, der, ana mandieilei Be- wegnnga-, Spannungen Brodk-^ Beibangaempfindangen in Hand nnd Arm xeaiiltierand, die ala kinetischee Initial einen Aoadrock SwuoBHa an modifisieren die Angenbewegmigen mehr oder minder ataik betont b^g^eiten. Erwflgt man daan, dafi die nach- nnd mit* achafienden Bewegnngsempfindimgen in Hand nnd Ann alle mit*

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470

Aufsätze

«dnander xesnHiereii ans Helid-, d. b. ihrem Erfolge nach KreiB- bewegangen und fluen Konrekturatt an die ToirgeBobaäebeiie Bogai> «duM bd Soliieiben<) und Zeichnen, so wird ohne wetteres em.- lenohtend, dafi nicht ^e gende, aondeni die krumme IMe die natnr- gemftfiere isl^ die lekfaieve nnd deiom aneh die ieiöhter gefiülige nnd iuispreohende.

Demnach sind diejenigen Zeichenmeätodiker sweüelsohne im Unrecht, die, geometrisch konetroiennd, von gemdr sa krnmmlinigai lüguren fortschreiten wollen.

Unter den übrigen Hauptfragen stelle ich zunächt diejenige hierher (13), die sich auf das Zeigen bestimmter Bilder beiieht: Ans der Sammlung Eshr-Pfeiffeb wurden gezeigt: »Wandersmann und Lerchec und »Enabe und Yogelnest«. Die angehingten Engen Janteten: Welches Bild findest dn sohOner? Warum?

3. a) Welches Bild ist dir das liebste?

Ich gebe zunächst das rein quantitative Ergebnis, d. h. ohne Kücksicht auf die Antwort auf die Frage: Warum? geordnet nach (Geschlecht und Altersstufe und bemerke vorweg, 1. daß ich für über- flüssig halte an diesem Orte eine Reproduktion der genannten Bilder zu bieten, die künstlerisch hervorragend ausgestatteten Kehb-Pfeifpkii- sehen Bilder sind den Losem dieser Zeitschrift durchweg bekannt; 2. mit Fleiß wählte ich die genannten Bilder, weil beide durch einen bekannten Text gestützt wurden, das eine femer durch ein stark ausgeprägtes Stinmiungsmoment, das andere durch eine zwar einfache, aber den Kindern bekannte und spannende Handlung charakterisiert wird. In technischer Vollendung stimmen beide überein.

Knaben

HSdchen

Wandersmasn mid

Enabe nnd

Wandersmann nnd

Enabe und

Leiohe

Yogehi68t

Leioha

Vogelnest

%

•/.

•/.

•/.

68

48

68

48

M

06

48

61

46

65

65

85

37

es

60

40

e?

38

85

66

*) Ich bitte meine umfänglicheren Ilntersnchongen über »Schreiben«, dem- nSehst in »Deutsche Blätter f. erz. üaterrichtc (Hermann Beyer & Söhne [Bejar 4 Mann] in Lao^nsalza) zu vergleichen.

LoBsmi: Xind und Exaudt

471

Ah Gesamtwerte berechnete ich:

Knaben

Midohen

'Waadersmann und

Knabe und

Wandersmann und

Knabe und

Lerche

Vogelnest

Lerche

YogebuBt

%

%

•/o

48

62

52

48

Oesamt: WaademnanQ und Lerdhe Smibe and Vogelnest

50 Vt Ö0% Man beobachtet mithin zwar auf den einzehien Altersstofen oft nicht unwesentliche Unterschiede in der Wertschätzung beider Bilder, im Geeamtresultat aber sehen wir die Unteiscliiede stark ausgeglichen. Man kann höchstens sagen, daß ein etwas größerer Prozentsatz der Knaben das Bild: Knabe und Yogelnest boTOtzugt, während bei den Madchen das Stimmungsbild: Wandeismann und Lerche stirker ge- wertet wurde. Man darf aber nicht Teiges&en und dazu verleitet eine solche rein quantitative Betrachtung daß immerhin annähernd die Hälfte aller Schüler für das eine, die andere Hälfte sich fürs andere Bild entscheidet. Die Zahl als solche offenbart nicht, welche Gesichtspunkte für die Wahl entscheidend waren, ob lediglich der durch das Gedicht gestützte Bildinhalt, oder die Farbengebung oder die äußere Anordnung, oder die Beziehung zu der eigenen Erfahrung oder wie immer. Das näher zu erkunden bedarf es einer ein- gehenderen Wertung der Antworten auf die Frage: Warum?

b) Wamm?

Nun ist allerdings die Beantwortung disser Frage niofat leiidit und man wird von Tomheretn die nicht gana unbegründete Ter- rnntoDg hegen, daft sidi viele oberflfiddiclie, nichtssagende Antworten einstellen werden. Bs ist bekaimte Eifahnmgstatsaohe, daB in vielen raien auch der srastear yeranlagte Beobachter sich sohwezüöh aas sich heraus eingehend Bechensohaft darüber gibt, warum ihm dieses Bild gefidle, jenes aber nicht, er begnügt sich mit dem nicht nihsr m ehaxakterisierenden allgemeinen mehr gefOhlsmftfiig anftanchenden BewuBtsein: das gefiUlt mir jenes aber nicht Wie sollte man da erwarten, daß Kinder brauchbare Antworten geben werden. Ich selber hegte ähnliche Befürchtungen imi so mehr war ich über- rascht nicht nur durch die Mannigfaltigkeit der Antworten, sondern oft sehr bezeichnenden, treffenden Begründungen. Ich kann mir nicht ▼erssgen, emen BlmnenstraoA solcher Antworten herEUSteUen.

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472

i.a£aitze

Ich sondere sie wieder nach Geschlecht und Altersstufen. Selbst- verständlich yeizeichne ich die Antworten nur einmal

Knaben:

'WandnBmann und Lerche

Ibabe nnd Vogel

Staf e L

ireü ^9 Soul» ausgeht

Vta die Lnohe ilir LoUied singt

Die Landschaft ist schön.

Man lauscht dem Gesänge der Leiche.

Es ist so naturgetreu.

Sie Moi]genwanderang hah ich so gem.

Die Stille der Tanriiwheffc

Ei tat knnstreioher.

Der schöne Gesang.

Beiigen. Die Kttor ist so piiiditig.

Es ist einfacher.

Die Farben sind >passend«.

Die Lerche fesselt durch ihren Qesang.

£b herrscht freudige Stimmung.

Die Gegend ist lemanCsdi.

Wefl der Knabe dem Vogel niohis tat Weil der Knsbe sbitst, als er den Yopl

sieht

Weil der Knabe besser herroxthtt als

der Wanderer. Der geängstigte Bliolc der Hutfesr hindSEt

den Xjiaben (dem Yogel sin Loid sn

tun).

Weil der Knabe unartig sn nein aohsinL

Difl Muttpr hif+ftt ro

Das Bild ist schöner ausgestaltet als dm andere.

Der kleine Vogel verteidigt sich gegen den starken Knaben und läuft nicht davon.

Dos andere ist zu einförmig, hier int der Vogel so dreist

Die Hotieiüebe.

Das Erstannen des Kiaaben und die Angrt

der Mutter ist sehr hübsch gemalt Der Vogel schützt dreist seine Jungen. Es ist lebhafter.

Stufe U. Weil ich so gerne wandern mag. Muk hört den sohSnen Gesang, El ist »feiner« als das andere.

Die Wiesen sind grttn. Die Blumen blühen. Weil >er< Oott dankt

Wegen der jungen VögeL

Weil er ao toH ist

Wen der Xnsbs fieUicli tat

Weil er die Jnngen nicht wegnimmt

Weil er so verwundert guckt. Weil das Nest so spaßig aussieht Weil das Gedicht so hübsch ist (dl hab die Vögel so gem.

Stufe HL Der ITandexanann istfiShlioL Besser, weil (dorQ der Jungs die ¥5gel

nimmt.

Es ist »schön«, so früh zu wandeln. Der Vogel singt »schöne. Dae andere ist nieht deaüieh. Er hat sofaSne flarben. leli mag gern wanden.

WtSi der Yogel niofat fttttlliaet

Die niedlichen Vögel!

Der Vof,'el schimpft ihn aus.

Es ist schön, ein Nest zu betrachten.

»Weil die Alte nicht für den Koabm

bange istc Bi ist sohSn bont Der Yogel ist so aohwaoh.

LoBsns: Kind and Kunst

473

Wandexsmana und Laxohe

Knabe und Vogel

Stufe IV. "Wegen des Gesangs. Ei aiiid aohfiM BliuiMn am Wegi. Der Wanderar ist entMni Das Korn »blüht«. Es ist bunter.

Die Jungen sind so niedJiolL

Der Knabe tat UmeD mohli sa leidei.

Es sind Eier drin (im Nee^L

Das Gedicht ist so hübsch.

Der Knabe Uioktäe (die Jungen) liebend an.

Stufe V. Die Korubiumen blühen. Sb lind sohfin« fitnmsa dimt Dw Vogel rii^ tolifin.

£b ist ein Junge »drin«. Be iet hUMh gemali XiMfvalNint

h 0 n :

Wandemnann und Lerobe

Stufe I. Es ist einfach und anmutig. Die Landschaft ist schön. Wefl der Wanderer mit »fiegeiaterang

die Lerche sieht«.

Es hat einen tiefen Sinn.

Es macht einen tiefereu Eindruck,

Das Lob Gottes ist darin enthalten.

Weil der Wanderer bei dem Anblick der

Lerche so frohe Züge erhält Die Angst der Yogeimotter mag ich nicht sehen.

Knabe und Vogelnest

Der Knabe hat treuherzige Augen. Die liebe der Vogelmutter. Die Yonioikt dee Knaben.

Der Knabe tut den Vögeln nichts zu leide. Weil es einen tiefen Sindraak auf mioli

macht.

Die Umgebung ist so niedlich. Weil der Knabe so drollig anasiebi Weil der Knabe in seiner Fraodo ao

rührend aussieht Weil es so fein ausgeführt ist Weil der Knabe so klug dreinschaut, ^v, gen der Borge trai <fie Jtragen.

stufe IL

Der Wanderer lauscht so andiobtig.

Es ist so »natürUch gemacht«. Weil er sein Dankgebet verrichtet Weil er dankbar nach dem Himmel aiekt

Weil ich! selbst schon sinnud ao ge- gangen bin.

Er ist lustiger.

£b ist hübsch gemalt

Das Oedioht iat aUeiUebat

Weü ioh gern waodem mag and die Oegend ao Uebiioh ist

Es ist so schön dargestellt Weil das Gedicht so hübsch ist. Weil der alte Vogel so nach dem Knshen schaut

Der Ycgel sohaat den Ibrnben so lagst- lieh an.

Die »Alte« ist so besorgt.

Der Dichter hat's una näher vor die

Augen gestellt Weil der Knabe die Jungen nebmsn

wollt», es aber doch nioht toi Weil man die liebe an den Joagen aiabt

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474

AnfiBltw

Wandersinami und Lerche.

Xnabe und Togelnest

Dtt 0«dioht ist ldilMh«r. »Weil es sovisl Fnihfltt Int«

Er ist so fröhlich.

H^l* Of\ Qnr) a1i ^ifT

Xu lol oU aOUaCUui^.

Der »QiDsi ist hübeoher«. Um Vndanr iit to Teignügt Br iil duUar.

Die Muttsr soUttrt die Jungen. Der Knaibe eo gut

>WeiI ich V5gel gen mg,«

iüB ist SO naturiicu.

Das Gesicht des Knaben ist aohöner.

WtSi der Knabe gehorcht

Weil die MiitfcBr trau engt;

Weil der Vogel spricht

Die Jungen sind so niedlicL

Der Knabe ist so niedliob.

Stufe in. Das Kornfeld ist hübsch. Im suKi Boiioiio ninnien. Der Wanderer (1) singt SQii5n.

Er ist fröhlich.

Er ist frisch und mutig.

£8 ist hübsoh.

Weil »er« BChoD so fi^Blh auf ist.

Der Knabe ist sorgsam. Der JunM im fiOniiOB.

stuf« IV«

Es ist ein altes hübsohss BOd.

Da sind hübsche Blumen. Das Korn ist so schön. Der Wanderer singt.

Die Zweige sind hübsch genatt. Der Junge hat schlaue AqgeB. Weil der Vogel so bittet Der Knabe ist hübeoh.

Stufe V. Das KonfeU ist sohSn. Das Feld lenditet

Weü da kleine Vögel sind.

Der Bhuh ist htttsflh.

Xoli mag gerne VOgel Isldas.

Schon ein oberflächlicher Blick belehrt, daß die qualitatlTe "Wertung der Angaben ungleich ergiebiger ist als die quantative Schätzung. Selbstv^erständllch erfolgte sehr oft ein Yersagen oder die Antwort: Ich weiß nicht, doch nicht in dem Maße, wie ich er- wartet hatte. Ich zähle dieser Art Angaben auf etwa 1/3 aller Ant-' Worten. Die in der Übersicht gegebenen Antworten kamen in ver^ schiedener Häufigkeit vor. Ich verzichte jedoch darauf sie mit einer entsprechenden Kennziffer zu versehen und begnüge mich, sie nach Gruppen zu ordnen und für die einzelnen Stufen prozentualiter «u charakterisieren, wieviel dieser Gruppen. Selbstredend verbot sich ein fertiges logisclies oder ästhetisches System von vornherein anzu- nehmen und nun das gefundene Tatsachenmaterial, so gut oder so schlecht es geht, dem einzuschachtehiL Ich schlug deu entgegeo-

LoBsmi: Kind und Konsi

475

fgeaeMsa. Weg ein, ordnete eine Obeatoiht auf Gnmd der iroriumdeiLea Antworten. Ifan daif somit keine Yoltetfadigfceit in dieser oder jener Hinsicht erwarten.

Ich unterschied wieder zunächst zwei Hauptgnqppen: oberfläcfa- fiehe und wertbetonte Urteile. Zu der ersteren Gruppe redinete ich Aassagen wie: Weil es schöner ist; weil es httbscher ist usw. Die "wertbetontcn Angaben sind dann solche, die in einzelnen oder häufigeren Momenten yeiiaten, daß sie mehr sind als eine landläufige Bedensart NatttiUch ist eine scharfe Grenze nicht immer festzuhalten; die Angaben lassen sidi werten als besondere und allgemeine. Diese Einteilnng trägt cwir mechanischen Charakter, trotzdem halte ich sie in diesem Zusammenhange für ausreichend. Die erste Gruppe zer- legte ich in] 4 ünterabteilnngen: 1. Urteile die technische ümständCi 2. einzelne Schönheiten angehen, seien es solche der Stimmung oder der Landschaft, 3. solche, die sich auf moralische Qualitäten stützen, die angeblich oder sicher im Bilde zum Ausdruck gelangen, 4. Bevorzugung der zu Grunde liegenden HEYSchen Texte. Die all- gemeinen Urteile entstammen entweder 1. unmittelbarer eigener Er- fahrung, die durch das Bild wieder lebendig wird und es mit frischem Inhalte füllt, oder 2. sie gehen die Stimmung als solche, also die Innenseite des Bildes, oder 3. dessen Außenseite als Ganzes an.

Somit erp:ibt sich folgende Übersicht der Urteile rücksichtUch ihrer Veranlassungen:

I. Oberflächliche Urteile.

IL Wertbetonte Urteile.

A. Besondere in Bezug auf

1. die Technik,

2. einzelne Schönheiten

a) der Stimmung,

b) der landschaftlichen und persönlichen Staffierung;

3. einzelne moralische Momente,

4. den zu Grunde liegenden Text

B. Allgemeine;

1. aus eigner Erfahrung,

2. die Staffierung als Ganzes,

3. die Stimmung als Ganzes.

An der Hand dieses Schemas will ich die Übersicht durchgehen in der angedeuteten Weise: für die oberflächlichen Antworten habe es sein Bewenden mit der Bemerkung, dafi ihre Zaiil, die Yemeinungeii oder das Versagen mit eingerechnet, anf der Unteistiile etwa Vs be- Üiffif daB abo dss letite Drittel in irgend einer Weise wertbetont

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476

Aufsätze

ist Je weiter nacli oben, desto günstiger wird im allgemeineiL das Zahlenverhältiiis für die wertbetonten Angaben.

Im besonderen gestaltete sich das Verhältnis der wertbetontea

zu ledip:lich den oberflächlichen Antworten folucndcrmaßen :

fiiJd

Knaben

Madchen

Stufe

Stufe

I

n

in

IV

V

I

n

UI

IV

V

^1 1

25

15

20

16

16

33

20

20

11

10

75

85

80

84

84

67

80

80

89

90

3?

% ^ ^

25

20

13

16

10

40

23

15

15

15

oberfl.

Q und Inest

72

80

87

84

90

60

77

85

85

85

Diese Ptoaentaiigabeii belehren, dafi alierdiiigB ein Steigen in der AncaU der wertbetonten Angaben an erbUokea ist IKeses ist immev- bin gering; Keben dem Sünflnfi des Gesoblechts aeigt aidi dne interessante Büdwirknng. Im allgemeinen ist der Zuwachs bei den Mfidoben größer als bei den Knaben. Wihrend bei den Knaben sieh die grSßere Anzahl wertbetonter Angaben findet besü^^ch des enten Bildes finden wir ein deutliches Prä^alieren bei den Mädchen dem aweiten gegenüber, offenbar weil jenes den Knaben mehr an sagen und zu mehr Antworten anzuregen yermag.

Greifen wir nun die aliein wertbetonten Urteile heraus, um sie nach ihrem Sonderobarakter entsprechend der oben angedeuteten Einteilung zu ordnen. Die Werte rersteben sich wieder pio- zentuaiiter. (Die Numerierung bitte ich aus der Torauilgegnngenen Übeisicht zu deuten.)

(Siehe Tabelle a 477.) Wir finden hier wieder bestätigt, daB nicht nur Unteisefaiefc des GeschlechtB, sondern innerhalb desselben auch XTntersoluede der Bildforderung nachweisbar sind. Im allgemeinen ist nach oben lim ein Waohstom der Interessen zu konstatieren; das Bild spricht viel- seitiger an, es weckt mannigfaltigere Gedankenkreise. Dabei sind diejenigen Urteile dünn gesät, die auf die G^samtwirknng des Bildes gegründet sind, weitaus die meisten gehen Ain«Ain^ wohl oft duroh

Lobsdcn: laod und Eonst

477

Knaben:

Bild

Qualität des Urteils

AI

A2b

A3

A4

Bl

B2

B3

I

w.

19 20

19

24

HO

od

6

19 20

13 7

n

w.

14

20 13

40

37

19

25

11

21

in

w.

IL

14

43 44

14 56

29

IT

w.

K.

20

80 40

40

20

V

V. S.

100 100

Mädchen:

Stufe

Bild

Qadiat des ürteOs

AI

A2a

A2b

A3

A4

Bl

B2

B3

I

w.

E.

9

10

27

40 45

10

50 9

n

W. K.

18

25 60

25 33

8 11

17

7

ni

W. E.

100 100

IV

V. K.

100 100

V

w.

iL

100 100

den Zufall wertbetonte Bildelemente an. Dabei ist ferner deutlich ersichtlich, daß die Haupttendenz des Bildes der Ausdruck sei erlaubt auch in den Teilurteilen deutlich hervortritt: wir finden TL a. eine stärkere Betonung von A3 dort, wo durch das Bild eine stärkere Veranlassung geboten wird. Auf den unteren Stufen domi- niert A2b, d. h. es werden einzelne Momente, wie etwa: Kolorit (»fein bunte, grüne Wiese, hübsches Kornfeld usw.) zu Kriterien des Bildes gemacht. Die Mädchen zeigen sich den Knaben gegenüber rückständig) denn diese immerbin sehr äußerliche Seite der Bild-

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478

Wertung dauert bei jenen an bis zur Altersstufe III, bei den Knaben beschränkt sie sich auf Stufe V".

Die auf die Technik gehenden Urteile habe ich sehr |minder- wertig eingeschätzt sie tragen die Signatur AI . Die Stimmung femd im allgemeinen bei den Mädchen staikeres Entgegenkommen als bei den Knaben. Wo es sicli aber um einzelne »moniische IComentec bandelt, zeigte sich der Knabe den Mädchen gegentüber In der Weit- fidhitaung nicht nnwesenfliöh übeilegen. NatoigeiDifi mt in dieser Hinsicht das Bild: Knabe nnd Yogobiefit ataift betont Die Ifildehen kehrten nabeni ansnahmsloa das aentimentele Moment hervor. Sie sind gerCkhrt, weil der Knabe den Ydglein nichts m leide tat^ iwefl er sie so rfihrend anguckt, weil die Yogelmntter »so sehrc Uttels wegen des armen Jnngen, weQ sie »die Angst der Tcgelmntter nicht sehen mOgen«. Die Knaben begeistert mehr, daß der Ueme Vogel Mnt hat, daß er seine Jimgen dem großen Bnben gegenüber [reF- teidigt, daß er nicht »wegfliegte, daß er sogar wagt, den Angreifer »ansEosohimpfenc. Hier spricht sich die Eigenart der beiden Ge- schlechter nnd die dieser entsprechende BQdwirknng mit nnverkenn- barer Denflicfakeit ans.

Anffiülig ist, daß der sngehSnlge Text so ungleich gewertet wurde: nur Stufe H der Mädchen nnd Stofe H nnd 17 der Knaben kommen Uberbanpt in Srage mSg^idi, daß die Akostiker hier be- sonders stark betont erscheinen.

Die eigene Er&hrong wurde nur betont gegenftber dem ersten Bilde. Das ist auffällig, weil zweifelsohne auch das Bild: Knabe und Yogelnest in reichlichem Maße persönlicher Erfahrung begegnet Hier aber beschränken sich dio Urteile auf Einaelerscheinungen, Einzelwertungen, die zumeist das Verhältnis: »großer, starker Knabe kleiner, schwacher Vogel mit niedlichen Jungen, c in verschiedener Beleuchtung angehen, ^vährend dort aus der persönlichen Erfahrong und Erinnerung eines Morgenspavdergangs die Stimmiinj:: als Ganzes er&ßt und erlebt wird. Wie weit die Sonderwerte des Bildes durch diese Stunmung ergriffen werden, entzieht sicli allerdings nßherer Wertung. Kachzutragen ist noch, daß Bl bei den Knaben un- gleich häufiger sich wirksam erwies als bei den Mädchen.

32 und B3 ließen sich naturgemäß seltener feststellen und dann lediglich auf der Oberstufe. B3 steht bei den Mädchen ongleidi

Vena mau demgegeoIHMr an die giößern Btaik eiiimam woOta^ w int man; denn snnlohst bedeutet der Soontagaaasfhig, yor allen Diogeai hier aber die

reichliche Anfschließang städtischen Oel&ndes fttr Paobigirten anoh an mhider to> güterte Familien, eine heilsame fiexeiobeniiig.

Lobbiik: Kind und Kanst

47»

günstiger da und beschränkt sich für beide Geschlechter überwiegend auf die Wertung des Bildes: "Wandersmann und Lerche. Im be- sonderen berechnete ich die Häufigkeit von B2 gegenüber B3 auf das Terhältnis:

B2 : B3 Knaben 20 : 10 Mädchen 3 : 22. Rückblickend dürfen wir festhalten, daß das Bildschöne in der Wertung gegenüber dem Wortschöuen, nicht unwesentlich zurücksteht. Das mag zur Hauptsache wohl darin begründet sein, daß das Bild höhere Anforderungen stellt, daß es sich stumm passiv dem Be- schauer gegenüber verhält, während dort reichlicjier gegeben wird.

Eine wesentliche Ergänzung erfahrca diese Beobachtungen durch die Antworten auf die Fragen 1, 2 und 12, da die Kinder aus freier WaU

4. Das UebUngiUld, da* Ueblingsgebiwle md das UabUogadenkiiial

angeben. Die Jfngem sind insofern mangelhaft^ als did Antwoiten gebunden sind an den jeweiligen EkfaluningslawiB der Kinder. Dieser ist nidit nur xeöht ungleich groß, sondeni inid im allgemeinen be- scheidene Grenzen nicht fiberschniten, trotsdem liegt in der Wahl- freiheit immer such ein Moment der Bewegungsfreiheit, die nns einen Einblick in das Verhalten des Kindes dort gestattet, wo jeder schnl- mäSige Zwang anfhört

Die zweite Frage habe ich schon früher gestellt, die Antwort würde in diesem Zusammenhange mit einem lünnszeichen yersehen werden mtlssen, d. h. beweisen, daß das Eind bei der Wahl sich im allgemeinen nidit durch isthetische Badksiohten bestimmen IKßt Ich fand die Auswahl bei den Knaben gr5ßer als bei den Mfidchen. Das Auge der Mfidchen schien bei der Wahl etwas mehr durch Gesichts- punlrte der Schönheit geleitet zu werden; die Knaben wählen mehr das GioAe, das Übenagende. Tor allen Dingen schätzten sie das alte Kieler Schlofi. Es ist ein altes, graues, einförmiges Gebäude, soweit es sich dem Beschauer nach den Straßen hin präsentiert, kann es auch nicht den leisesten Anspruch auf irgendwelche Schönheit er- heben, — aber daß es die Wohnung des Prinzen Heinrich und zeit- weilig der Aufenthaltsort dee Kaisers ist, das macht es dem Knaben zum Ideal aller Gebäude. Nach dem Schloß folgt in der Wert- schätzung eine Kirche, hinter der die Schule weit zurückstehen muß auch bei den Mädchen, die dem Yexsnch unterworfen wurden, trotzdem ihr Schulhaus ein durchaus elegantee, modernes und schönes

»

480

Gebiade ist Hier nuseheii aicih offenbar hemmende GedenkenreiheiL anderar Art ein.

IGt diesem SrgebmSi das einer Untersnohnng von SOO Schfileni und Schalerinnen entnommen worden ist, wollte ich mioh fOr den gegenwirtigen Znsammenhaiig nicht begnügen; ich stellte erneut eine nmfibi^che Nachprüfung an.

Welches Bild ist dir das liebste?

Wie btt den Bflchem, so bereitete es aodi hier giOfite Sohwieiig- keiten, den Namen des Maleis oder Zdohnera m edahren, auch die Titel erwiesen sich sehr oft nngenan; trotidem erachte ich das ICateiial für die vorliegende Angelegenheit ansreichend. Ich beaohside mich, auch hier jinr allgemein ein Bild dessen sn geben, Kind interessiert ohne genauere aahlenmfiffige Sonderan^

Stufe I.

Photographie. Sixtioiscbe Madonna. WilitntiaiidMiiaft Abendmahl Jagd nach dem OlüdE. Wilhelm H Sohlaoht bei

T^'örth. Wilhelm! Friedrich II. Buchen- wald (Roß). Kaiserproklamation (Werner). Schlacht bei Bau. Bismarck (Lonbach). Morgenandacht (Jessen). Waid(Juhannsen). Oebngene Ttnloe. Teatobniiger WaM (Lohmeyer). Hagen an der Bahre Sieg- frieds. Hähoengrab (Bjeae). KMgia Laiso.

Stufe II. Wilhelm II. Mutter Gottea. Sommer- landsdialt fimg Hohenzollem. Schiller und Ooetfae. FhotoKnplii& Königin Loise. YesieiUlder.

Photographie. Ostermoigen. Abend- mahl (L. d. V.}. Rodolfa Bitt zum Grabe. Königiii lAiae. Die drei Ptosen. Heide> röslein. H^rmanmiimhlefiM Jean iüBi den Stonm

Photographie. Germaniscbos Bauem- gehöft Jerusalem. Kuichbtag zu Worms. Jesu Oebnit Sofawaigeii im Walde. Wilhelm IL Ootfaensohlaoht Jeeoa am Mer-r. Karl der Or. Jesus am Kreui. Frühling. Domrt^schens Erwachen. Abend- mahl. HohenzoUern. Schneewittchen. Der Tod als Freund (Bethel). BoofaenwahL Seeroaen. flchntaeagel. BheinftJl. Jeane eegnet die Kinder. Kfthe an derTMnk».

Stufe III. Abendmahl. Photographie. Eaiser- proklamation. Burg Hohenzollem. Her- mannadenknuL Gennaai ta the front Wahelmll. KyefhSnaerdenkmaL Über- schwemmung in Schleeien. Seeadiladit 8tarm auf lako.

Königin Luise. Die scböae Melusine (Schwind). Befiehl d. tn Herrn deine Wege (Richter). Waldkapelle. Die sieben Beben (Biohtei). Friedrich n. Fhoio- graphie. Jesu am Kreuz. Hanaaegen. Landschaft Der zufriedene Spiefibfuger.

Lobboh: Kind and Kmiat

4SI

Knaben

Midohen

Stnfe 17. DomrOeohen. HMMwmhun. Winter- landschaft KjrffhäaserdenkiiiaL Wil- helm IL Bergpredigt f!hin«Wi^, gtoU. verkbildex. Vogelbild.

Heimohen am Hera, wimalin II. Dia

sieben Raben. Die schöne MelasiDe. Knabe und Vogel. Der Vesuv. Der See Genezareth. Nordsee. Schwanwald (Jagend). SduMawittobea dtotstain). UlidMMnilileiui (Bwaa^ OiDsahiit (Voli-marin). Jesus segnet die Kinder (St.).

BtuU Y.

Ffexd an der Enppe (Lehinaiin). Enegs- bnd. Drachentöter. Ileimkchr aus dem Chiiiakrieg. Hünengrab. Kaiser Wil- helm II. Kittäiborg. lAndschaft Krea- slgug. HlDsel und OietiieL SohifL von dar Briae. Kube und Toge^

aast

Schneewittchen. Jesus. Wilhelm U, Bismarok (Leabaoh). BildTonderSoliwalbe.

Die Photographie eines Anverwandten wurde nahezu zur Hälfte aller Fälle als Lieblingsbild bezeichnet, sei es die eigene oder die des Vaters oder der Mutter.

Bilder bekannter Meister natürlich lernen die Kinder diese sumeist als Reproduktion kennen sind sehr stark in der Minder- zahl Trotidflin ist ein gtinstiger EinJElafi der Schale in der oben gegebenen Obersioht je nnd je deafjieh naohweisbar. Das gilt be- eondeis ron den lfäd<Äien, wo bier nnd da ein beoonderes^ aber Ter- stindnisYoIlee Bemühen, anoh edlere Ennst den Kindern vor Augen m bringen, wie ich beetimmt weiß, statt hattOe Man ist bereebtigt der Tatsache an entnehmen, daß beaonderes Bemüben auf Brfolg sBUen dari^ wenn es sich in TemOnftigen Bahnen bewegt Dasn gehört Tor allen Dingen, daß es sich mit feinem Takte dem jeweiligen Stande der kindlichen Entwicklung anpasse. Die Fordenmg: dem Kinde das Beste ist stark abgegriffene Mttnae geworden, matf Teigißt das eiste Dingwort stark sn unterstreichen und projiziert nur in zu Tiden Forderungen weit über den OesiohtBkreis des Kindes hinaus. Denn und das mdge hier erneut betont werden das Hinein- passen in die kindliche Gedanken- und Interessenwelt ist nicht zu- nftchst Sache absichtlicher ErwSgung oder logischen BisonnementS) sondern des Taktes.

Stark gleichgültig gegen künstlerische Ausstattung ist nach .'der Übersicht das jugendliche Alter, aber auch auf den oberen Stufen

ZiltMlBift Mb FUtoMplit* aad Pidivogik. 12. JakgtQs. 31

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AoMln

interessiert in erster Linie der Stoff, der Yorwurf des Bildes und zwar, entsprechend der stets regen kindlichen Neugier, der Vorwurf erzählenden Inhalts, entstamme er nun weitgeschichtlichen oder den kleinen Yorgäugen des alltäglichen Lebens. Das Stimmungsbild findet nur selten Erwähnung.

Nicht unerwähnt will ich lassen, daß nahezu anasohliftMich kolo- zierte Bilder als Lieblinge bezeichnet wurden.

Ein Altersfortschritt zeigt sich insofern als auf die völlige Wahl- und Kritiklosigkeit der unteren Stufen wie immerhin nicht undeut- liches "Wählen nach Seite des Besseren auf den späteren Altersstufen einsetzt; im großen und ganzen aber finden wir das Ergebnis der voraufgegaugenen Untersuchung bestätigt, daß das Kind der Büd- kunst gegenüber ungleich ungünstiger dasteht, (d. L hier ungleich hilfsbedürftiger ist) als gegenüber der Kunst im Worte.

Welches Gebäude unserer Stadt hast da besonders gern?

Bas Ergebnis der NaohuntmiGliung kann ich knis reneiehnea: im grofien und ganzen Mtigte siidi Obereinstimmung mit dem ein- gangs des Abschnitts gezeiehnelen Ergebnis frfiherer ünteisaöhnngen. Nur in einem bedaxf es einer Biginznng, sowohl bei Knaben wie bei UMehen leigte sich neben der starken Betonung des KOni|^ichen Schlosses, ein deutliehes SQnneigen des Urteils zn solchen Gebinden der Stadt Eiel, die durch herFomgende architd[tonische Sdhdnheit charakterisiert sind. Ich ▼endchte darauf die Daten hier au geben, bemeike nur noch, daß das Ergebnis gezogen wurde unter anadrfltck- lichem Teiadcht auf diejenigen Werturteile^ die ledic^ich znfiUigen Umstanden entsprangen, etwa der sufiOligen Neigung oder der Tigee- nenheit

Welches Denkmal ist dir das liebste?

Kiel ist an DenkmSlem keineswegs reich, somit ist die Wahl- möglichkeit beschrankt Tiotsdem bot sich Gelegenheit, Tocnehen und Yetwerfen der Kinder au beobachten, weil diese Denkmäler von sehr ungleichem künstlerischen Werte sind.

(Siehe TU>elle S. 483.)

Das Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. von Brütt nimmt den Löwenanteil des Interesse in Anspruch. Es ist ein Standbild, das dem Laien und zu denen gehört zweifelsohne auch das Kind nicht sonderlich verschieden erscheint von den besseren i^eioh- betitelten Denkmälern anderer Städte. Der Übersicht I kann man nicht entnehmen, welche Momente dem Kinde für die Bevorzugung insonderheit wertvoll waren. EsAt man aber die Gesamtdaten ins

Loasm: find wd Kunst

48»

Knaben:

ORIIIS

I

ü

m

IV

V

Kaiser inihelm I . .

76

84

60

67

70

71

4

6

10

16

7

8

Henog Friedrich . .

4

3

6

3

Kösfsitieuknial .

A O

o

Q O

Q O

3

Der große Xurfiirst .

2

7

4

6

A

\

9

7

17

10

7

10

4

0,8

2

0^

Mädch

en:

Stufe

2s&me des Deaknialt>

Souuue

I

n

HI

iV

V

Kter Wilhelm I . .

89

66

68

46

80

BSsmarck

16

10

19

5

13

Herzog Friedrich . .

8

6

4

5

6

Kriegerdenkmal , .

3

2

10

5

Der große Kurfürst .

5

1

8

26

32

33

2

JflSBB am Xieu. . .

1

o;8

Auge, 80 begegnet sweifeUoSi daß niöht sowohl kflnsflerisdheB Emp- findeo, als die EOUe OeschehniBse, die an diese Perafinlichkeit ge- heftet ist, das Kotiy des Yomehens beigibt Dem widerapdoht durdunis nidbt^ daß das Xroppdenkmal an sweiier Stelle gewertet wnxde. Znnficihst war die Binweibiuig desselben Tsgeseraigiiis» dann aber bedeutet der Umstand, dafi es ein Denkmal von stai^ betonten Ifinnsqnslititten kfinstierischen Schaffens darstellt, einen erneuten Be-- weis, dafi nicht beschauliches, passives Aufbissen künstlerische Kom- plexionen, sondern das Interesse am Leben, am Stoff des Bildes zum Yoniehen reiat Mithin werden alle diejenigen Bilder bevorzugt, di& erzählen, zumal aus der Gegenwart, ganz unbekümmert darum, ob sie künstlerisch besonders wertvoll sind oder nicht

£ine weitere £iginznng erfährt diese Angelegenheit durch dia Beantwortung Ton mancherlei Sonderfrsgen. Da sie nur Neben-

31*

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AulBitM

Interesse tragen, kann ich nur eine knue Behandlang derselben ge- statte n.

Die Sonderfragen beabsichtigen, einige Nebengebiete in dem Sinne zu beleachten, ob hier eine »Schönheitskonkoirras« oder Inter- essen anderer Art bestimmend waien.

5. Welche Blume hast du besonders gern?

Es erübrigt sich, hier genauere und umfängliche Zahlangaben zu "machen, einige allgemeinere Bemerkungen genügen. Erneut fand ich bestätigt, daß die Rose die ausgesprochene Lieblingsblume der Kinder ist, sowohl der Knaben wie der Mädchen. Erst auf den oberen Stufen konnte eine reichere Auswahl konstatiert werden. Zwar läßt sich für diesen Zusammenhang nicht ohne weiteres feststellen, ob der Duft, die Farbe oder die Gestalt der Rose für ihre Bevor- zugung bestimmend war, die Art der andern genannten Blumen läßt aber wahrscheinlich erscheinen, daß nicht der Duft, sondern in erster Linie Form und Farbe verantwortlich zu machen sind imd zwar mit starker Unterstreichung der letzteren. Denn die duftenden Blumen, die keineswegs immer die farbenreichsten sind, werden sehr viel seltener genannt als die andern.

Die größere Mannigfaltigkeit der von den Mädchen genannten Blumen läßt auf ihre stärkere Neigung schließen, sich mit Blumen zu beschäftigen.

& Wdcbet Tier, imbetondae wekben Vogel hatt dn beaoadcra fem?

Die Anzahl der genannten Lieblingstiere ist yerfailliiisiiiiSig gering, \ni den Eneben etwas grOAer als bei den Mldehen, bei Uteron Kfndem giOSer ab bei den jungem. Man moB aber be- denken, da0 die Stadtjugend den ]>(xifl>ewohneni gegentttier im Kaub- teile ist Sie leint nnr wenig Tieie kennen. So luid ich anoh nur Tiere genannt, die im Hanse äoh anihalten, sehr selten solohe, die draofien leben. Bs fehlt an der Gelegenheit xn nnmittelbarar Beob- aditong: Ich fand, wie in der frttheien XTnteisachnng, bei den Knaben Yoiliebe filr das Grofie und Staika Seine Lieblingstiere smd: der Hund nnd das Ffacd. Die Neigung der Uidcfaen geht mehr auf das Kleine, Zieiliche, Ißedlic^: das HUnddhen nnd die Katee. Im allgemeinen, so schließe ich unter Yeigleich dieser Tat> Sache mit den andern genannten Tteien läßt sich das Kind bei der Wahl seine Lieblingstiere oft weniger durch instinktiF wiikende ästhetische Momente bestimmen (obgleich kein hftfiliohes Her genannt wnrde), als durch TTmstinde, die entweder der Zufall bedingt^ der

LoBsnat: Kind und Kunat

485

ihm eben nur eine beschränkte Anzahl von Tieren zur Auswahl zu- weist, oder es greifen "Wünsche ein; so denkt sich der Knabe das Pferd zumeist als Reitpferd und als den Reiter niemand anders als sich selber, oder er denkt an das Vergnügen, das ihm der possiei- liehe Affe oder das drollige Eichhörnchen bereitet.

Bei den Mädchen fand ich durchweg eine größere Hinneigung zu den Yögeln. Bei ihnen dominiert wesentlich das Interesse für die Nachtigall, dann folgen Papagei nnd Kanarienvogel. Auf Stufe I bis ni beherrscht die Nachtigall, auf der IV. der Kanarienvogel und auf der V. der Papagei das Interesse. Hier kann nicht zweifelhaft sein, daß der Papagei seines Sprechens, der Kanarienvogel seiner Farbe und munteren Bewegungen, die Nachtigall aber ihres Gesanges wegen vorgezogen wird. Es ist interessant zu beobachten, wie die Vorliebe für den Gesang so stark ist, daß Vögel, die durch Gostalt und Farbe sich auszeichnen, kaum genannt werden. Interessant ist die Beobachtung besonders eines doppelten Umstandes wegen: 1. haben die Kinder eine ganze Reihe Vögel letztgenannter Art durch Ver- mittlung des Unterrichts im Bilde und in aasgestopftem Zustande kennen gelernt, 8. bin ich fibeneugt, dafi kaum die Hftlfke der ESndfir^ welcSie die NaolitigaU als üebüngsvogel beMiahneten, (trot> dat fOr unsere Stadt yeriiiltusmäßig günstigen Terbältnisse: gablreichfr stfidtisdie Paditgftrten) den Gesang des TogeLs gehört haben. Aber der Vogel ist nun einmal der erste Singer unserer bemiisdhea Vogel* welt^ alle Welt beaeiohnet ihn als solöhen und das wizkt sugge- xierend auf das Kind ein und zwar in dem eben genannten Msfie. , Bei den Knaben aeigen sich nicht unwesentlidhe üntersohiede. Zu- Hiebst beobaohtea wir keineswegs ein Yorhenscben der Neigung ffir die NabhtigaU mOglioh, dafi das damit susammenhingt, dafi der Knabe weniger suggestibel ist als das IQdcben , ferner finden wir eine bedeutend giöfiere Anzahl toh Vögeln genannt, endlich sind da» oahesn ausnahmslos Vdgel, die durch ihre Bubeniaacht ansgeaeiofanet sind: Pfau, Stiei^^ Paiadiesrogel, Buntspecht, Kolibri, BotkehlcheD, KanarieuTogel, Buchfink, Zeisig^ Gdd&san, oder solche, die dundi Oröfie und Stiiike ausgezeichnet sind» wie Stnnfi, Adler und Sdiwan. Der Fiqpagei hat auch Tiele Liebhaber. Daneben q;»ielt natoigemlß auch der Zufall in der Wahl eine Bolle, jenaehdem er diesen oder jenen Vogel in den Besitz des Kindes bringt

Wir erfahren mithin, dafi auch in der Auswahl der Lieblings- tiere Vorziehen und Verweifen der Kinder durch ästhetische Um* stfinde mitbestinmit werden.

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48«

iiiMHiii

7. Welchen Atmig wünschst du dir?

Die Ausbeute für die vorliegende Aufgabe ist gering. ISnerseits regen sich Wunschideale, die hier und da den elementarsten Bedürf- nissen entspringen. Die Zahl und Mannigfaltigkeit der Wünsche ist bei den Mädchen ungleich größer als bei den Knaben. Dort finden sich alle erdenklichen Farben und Modefoniien veraeichnet Bei den Knaben ist das anders. Da überwiegt der »Matrosenanzug<. Hancher wünscht sich einen Prinzen- oder einen Galaanzug, mancher modeme Quertaschen. Später kommt die Periode, da die langen Hosen mit Inbrunst gewünscht werden, sie absorbieren einen großen Teil des Interesse für die Kleidung.

A.nf den oberen Stolen kommt aadi der »junge Herrc in dem Vunscfae je tmd je snm Ansdrndt Bas Interesse daran, Mi so. pntaen tmd ra sduntloken finden wir bei Sindern allgemein, doch stUer bei den MSdchen.

8. Wohia möditeat da efaien kadtug nadiaa? Einen AnsfLng machen, der das Eineiiel der tSgüchen Be- -sohlftigimg onteibricht, gehOrt sa den Wonnen des Emderiebens. In diesem Zusammenhang soll erwogen werden, ob das Kind in «dnen Wünschen sich bestimmen läßt durch die Schönheit der er- wählten Gegend. Das Ergebnis der Umfrage bestätigte das in dnieh- ■ans befriedigendem MaBe sowohl für Knaben wie für Mädchen, so- wohl für die niederen wie für die höheren Altersstufen. Wo nicht Bedsenele gewünsdit wurden, die durch landschaftUohe Heise aus- :gefleiohnet sind, da griffen bei den Knaben Wünsche ein, die dem Drang in die Feme entspringen, da will der eine nach Afrika, der andere in die Schweiz, jener nach Frankreich, dieser nach Jerusalem, •der eine in die Rlviera, der andere nach Rußland, dieser nach Däne- mark, jener in den Harz, der eine nach China, der andere nach Mecklenburg usw. CBiarakteristisch ist, daß in diesen Wünschen dem Knaben keine Reise zu weit ist, während die Mädchen sich mit Ausnahme der unteren Stufe innerhalb der Grenzen der Heimat» provinz halten.

Wir dürfen dieser kurzen Betrachtimg entnehmen, daß die Jagend in reichlichem Maße auch für das Schöne in der Katar Hers und -Sinn haben.

9. Liebh'ng;sspiel und Ueblingsturnübung Diese letzte Fragestellung hatte sich zur Aufgabe gestellt, zu er- knnden, ob auch in Spielen und Tomen ästhetische Neigungen nach-

Loon: B&i «d Kamt

467

"wsaalicli aoiin, ob die Toiliebe ging auf solche Übungen and Spiele, die dnreh Hdtong und Ordxnmg, oder anf soldie die Gesdnok, Krafi und Gewandtheit in erster Linie Yedangen.

Hinsidhtliflli dee lieUingsspiels kaim ieh iManm Terweiflen auf meine Abhandfamg Über Ehiderideale, deren Brgefanis idi hier tqII- kommen bestttigt &nd. Die Liebliiigsspiele der mästen Kaaben sind FreUnft-, die der meisten HIddien Snunerspide. Weitaiis am hidfigsten wsd Ton beiden Gescfaleditfim das Ballspifil als Ide^^^ beseichnet Den Knaben ehttnücterisieren die Lanf- nnd Banfspiele, die Hnt^ Lnsi^ Gewandtheit nnd Eiaft eif ordern, das Hidchen die säaberiidi geordneten, wie Eieisba]], Fbngeball, Lottospiel nnd die Fnppe. Der Enabe will mit seinem Spiel hinans in I^eiheit nnd UngebnttdeBheit) das Hidchen mag ins Hm, snr Ordnung nnd Ge- sittung. Wenn wir also Ton tB&eliBdien Elementen reden wollten, so kann dies nnr beefigüöh derlttdchen geschehen, die sof Ordnung nnd Anmut bei ihren Spielen halten.

Ähnlichem begegnen wir bei dem Tumen. "Weil ich in »Kindeiv ideale« diese Angelegenheit nicht berührt habe, gebe ich hier die prozentualen Werte wieder, geordnet nach Alter nnd G^eschlecht der Kinder.

(Siehe TabeUe S. 488.) Ein Blick auf die beiden TabeDen belehrt wa^^ daß die Anzahl der beliebten Turnübungen bei den Knaben bedeotend größer ist als bei den Mädchen.

Scheidet man alle aus, die einen "Wert in der TabcUe unter haben, so kommen für die Mädchen nur zwei Übun^ren in Frage, der Kimdlauf und das Schweben in den Ringen. Für das Reck und die Kletterübung fand sich keine einzige Stimme. Bei den Knaben finden wir das Klettern durch den höchsten Gesamtwert ausgezeichnet, dann Sprungseil und Reck; die den Mädchen liebsten Turnübungen, Rund- lauf und Ringe finden bei den Knaben eine gerin^re "Wertschätzimg.

Auch im Verhalten auf den einzelnen Altersstufen zeigen sich bezeichnende Unterschiede: das Interesse der Mädchen bleibt während der ganzen Zeit annähernd auf gleicher Höhe, nicht so bei den Knaben. Deutlich fällt mit steigendem Alter das Interesse für Klettern, dagegen steigt das für Reckübungen und Spiingen. Der Umscliwimg in der Neigung findet auf det dritten Altersstufe statt, wie em Ver- nich.

Flu- die Aufgabe, die uns hier beschäftigt, ist wieder die Ans- beute sehr gering, die eingangs gestellte Präge läßt sich ans dem Tor» handeneu Material weder bejahen noch verneinen. Man mnß sdion

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AUWIB

Knaben:

Stafe

Name dar Tanfiboiig

I

n

m

IV

V

Beok

26

38

18

18

iv

SpringaeU

32

80

64

29

8

32

FoMlitftf .... *

7

11

8

11

20

11

Barrea

8

8

2

Tie J

rfcrd ......

3

Laufen

7

1

Klettern

7

19

16

32

44

BiDge

10

12

18

8

Summe

100

100

100

100

100

M&dchen:

#

Stufe

XIWDO Uw XllIllttDIIIIg

1

n

nr

IV

TT

V

Keck

~

Sprungseil

1

BUOdlMlf a «

38

29

28

40

Ott

31

fifexven

8

2

1

Heid

1

lAiifpn ......

7

*

4

2

Klettern

Bioge

50

65

68

60

75

63

Beigen

8

2

StaUUmiig

1

KralensclLwiiigen . .

1

Summe

100

100

100

100

xoo

«rwfigen, wie die Übungen von Knaben und Mädchen ausgeführt werden, dann allerdings wird man geneigt sein, den Ringangsgedanken zuzugeben.

D. Schluas

Wir abid am Ende ennes redit mflheroUen Weges angelangt Mancher wird geneigt sein, den Vnob fOr die Axbett sehr gering n nennen, jener gar behaupten, sie sei gani nnntttz gewesen, denn es seien grofienleilB Dinge sa Tige gefSidert worden, die nidit nea seifln.

Lmn: Kind und Emist

489

DemgegenUbfir möchte ich, scfaUfifiend, gans kon Stelluig nehmeiL 1. Der Sänwmf zeigt von starker üiünniitmB Yom Wesen des päda- gogisch-psychologischen Ei^»erimeni8. Es gehört za dessen Wesen, daß es ungemein mühselig und auch za. dessen Wesen, d&B der Er- folg oft nur bescheiden ist ISneiseitB eifoidert diese Arbeit^ die un- beikünmiert nm äußeren Eifolg, ledi^ich ans wissensohafflichem Inter- esse geleistet "wird, als solche sdion ihre Anerkennnng, andierseitB ist aber ein ganz fidscher Standpunkt^ nnr in der Erwartung, etwas dnichaiis Neues zu hören, an die ünteisudinngen heranzutreten. Das Experiment ist eine besondere Fonn der Erfahrung, das ist schon oft ansgeführt worden aber darin liegt doch zugleich ausgesprochen, daß es sehr oft la ahnttchen Ikgebnissen wie jene kommen muß. Aber und darin steckt der Wert dieser Beobaditungsweise die -Qbereinstimmenden Ergebnisse sind jetzt ganz anders fundiert, als das durch die bloße Beobachtung möglich war. Sie sind dem zufälligen Meinen und Scheinen entrückt und auf wissenschaftlichen Boden ge- stellt worden. Für das Experiment selbst aber bedeutet diese Über- einstimmung mancher Ergebnisse ebenso oft eine Bewährung, einen Beweis, daß es sich auf richtiger JB^ihrte befindet Sie gibt ihm das Bechl) nachdrücklich seine Stimme auch dann geltend za machen, wenn es zu abweichenden Reeoltaten konunt und Irrtümer nachweist Ich möchte sehen, wie diejenigen, die jetzt über die Unfruchtbarkeit des Experiments ereifern, dem Experimentieren zu Leibe gehen würden, wenn es tatsächlich nur Neues bringen würde.

In der vorliegenden Frage aber glaube ich, unter AVahrung mög- lichst großer Vorsicht und auf breitester Grundlage, nachgewiesen zu haben, daß allerdings im Kinde ästhetische Qualitäten schlummern und daß treffende Maßnahmen geeignet sind, diese zu entfalten und gegen unedle Einflüsse zu immunisieren. Das Wortschöne liegt dem Kinde ungleich näher als das Bildschöne. Femer: Die Voraussetzungen, welche die Förderer auf dem Gebiete der Kunsterziehung ohne weiteres vorwegnehmen, sind somit experimentell erwiesen: eine Kunsterziehung ist möglich.

Freilich: wie hoch die Ziele zu stecken sind, welche Sondermaß- nahmen notwendig sind, ob die gegenwärtigen Bestrebungen in ihrer Methode berechtigt sind das sind Fragen, die hier, wo die Absicht auf die Voraussetzung allein gelenkt war, nicht beantwortet werden sollen. Ich hoffe jedoch, daß Fingerzeige hier und da den vorliegenden Untersuchungen entnommen werden können.

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BUmmma ssr Rrtkmn des Beligioiifr¥niii(Hiinliti

(FortsetsiuDg) XIV

UtttUn zn IMI|iMt>UMin1olt

1. IMe Sohwierigkeit, mift dar der BeligionsnntBRiofat der Sokide dar Tolkssdrale wie der Meran Sdiole in gegenwirtiser Zeit an Umpfca hat, liegt mehi hloB dariiii daft es das Üssnetsto und HiBdoto dto Menachenlebeps isi^ wonim ea sich dabei handett; andi mclil bloft darin, daA die religideen Überaeugungen heute weiter anaemandeigehen vnd mehr in IhiB afaid, ala vielleicht' je aoror; aandeni darin, daft daa ganae YeihflltDis der Religion aa den llbrigen Ghfandb wtan dfaflen der durch die S<dnile dem jttaigeren Geaohlecht an ttberiiefamdsn natlonaleD nnd meDSofaheittiohea Kultur maoher geworden; daft die Taisache einea tiefgehenden Konflikte awiaefaen der ^betkommenan Jenaetterdigion nnd der homanen Wiaaenaohaft^ Sitlitol^it nnd Kunst vorliegt nnd ädä ttnger nicht verbergen 1SM\ einee KonflildB) der nodi weit entfernt ist von einer solchen Lösung, welche hotkn, dfirito zur gemetnsamen Überzeugung aach nur derer zu werden, die g^ willt und befiOiigt sind die Snige mit airf»elBngetter Wahriieitriiebe iaa Ange zu fassen.

2. Bei dieser Lage ist nur einer von zwei Wegen möglich. Das Eine wäre: völliger Vendoht auf irgend welche (Gemeinsamkeit leü- giliaer Unterweisung; strenge Ausschließung also der Religion aus dem gemeinsamen Unterricht der Schule, und Freigebung desselben aa die einzelnen Bekenntnisse, nnd zwar alle ohne Unterschied; denn keine einzige religiöse Überzeugung darf vergewaltigt werden, nicht die der kleinsten Minderheit, ja nicht die eines einzelnen; nicht die positiTe, aber auch nicht die ncG:ative. So erhielte die Kelipon eine ganz ab- gesonderte Stf'lhinfr nohon dem übrigen, durch den gemeinsamen Unterricht zu überliefernden Kniturinhalt; aus dem auf diesen ge- richteten Unterricht dag^en wäre das religiöse £lement ganz anaaa* scheiden.

3. Aber diese Losreißung der Religion vom Zusammenhange des Kulturlebens ist an sich nicht sachgemäß und würde nach vielen Seiten geradezu gefährlich wirken. Der Partikularismus des Bekenntnis- glaubens würde dadurch nur gefördert Bewiese dann die Reügion in dieser von der Kultur losgelösten Stellung überhaupt noch eine

stimmen zur Befoim des Beligioos-UntdrriohtB 491

-wirkliche Macht, m würde sie geradesn bedrohlich werden für die gemeinsame Eultorarbeit, deren Erhaltung und Fördemng die Schale dient: zoigte sie sich in solcher Absonderung ohnmächtig, so bliebe nur eine auch um den wertvollen Gehalt der Religion verkürzte, also eine verstümmelte Kultur übrig. In jedem Fall wäre der Konflikt Ä¥rischen Religion und humaner Kultur auf diese "Weise nicht be- Mltigt oder auch nur gemildert, sondern unabsehbar verschärft.

4. Und dabei wäre das, was man auf diesem gewagten "Wege retten wollte, die Freiheit der Gewissen, gerade so nicht gewahrt Der Staat zwar und die bürgerliehe Gemeinde würden aufhören einen Be- kenntniszwan^r zu üben; aber die Kirche würde ihn um so schärfer anspannen. Seilest wenn Dörpfelds Yorschlag Hoffnimg auf Verwirk- lichung hätte, nach welchem die Schule hinsichtlich des Inhalts des Unterrichts, besonders des religiösen, freien Verbänden religiös gleich- gestimmter Hausväter (»Schulgemeinden«) an erster Stelle verantwort- lich wäre, so wäre in Hinsicht der Gewissensfreiheit nicht mehr ge- wonnen, als daß an die Stelle einer oder zweier großer Rehgions- gemeinschaften ungezählte kleine träten, die in der so gewonnenen Freiheit ihre Sonderrichtung nur um so schärfer betonen und sich jeder Verständigung verschließen würden. Dem Gewissen der Eltern geschShe kein Zwang mehr; aber sie selbst würden ihn mit um so ummiBcliiinkterer Gewalt auf die Einder ausüben können, und ifaa auf ae anseattbeii dardi eine sololie Bfairielitung geradera angewiesen werden. Die walure Oewimensbeilieit iei aber die des Bidividnnms, nidit die irgend welcher, gleidkTiel ob weit oder eng Teistandenen KoiporaticiL Be daif tttierhaopt kein Tozmimdschafi^cheB OewisseD geben, aneh sieht der Ettem fOr die Einder.

Ik Ist also dieser Weg bedingongslos absnlehnen, mnfi Tiehnehr der leligidee ünteniöht gemeinsam mtd in Yerimulang mit dem gannu Unteniobt der Sehlde Teibleiben, so bleibt nnr eines ftbrig: die Sehnle bat nicht iigend welche, sei es alte oder neae, aOgemeine oder besondere, podtiTe oder gar n^gatire religiöse Übersengong, nidit irgend welches »Bekenntnisc als feststehend anrnmehmen nnd dem nachkommenden Gesddecht an flbeiliflieni, sondern sie hat allem die Tiilaacbe der BeUgion nnd ihre wiiUiche Bedentang im Oanaen der mcpashhsBtfiehsn nnd nationalen Enltar anaaerkennen und dem Ter- attndnis nahe zu bringen. Sie hat also enien inhaltlich allgemeinen, streng nndogmatischen Unterricht, für alle gemeinsam, zu erteilen, einen Unterricht nicht in, sondern über Reügion; das heißt einen Unterricht, der nicht bezweckt, iigend eine gegebene Religion dem Einde einsiipIlaDaeii, oder anch mir ihre hanptsttdilioh dnröh andere^

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AvfBlftie

Ürchliche oder EamilieiirSiiiflfisse bedingte BuUaltmig in üim an ihrem Teil sa befördern; sondem siofa streng darauf beechifinkt, diejenige Kenntnis nnd dasjenige Teistilndnis Ton Beligion mitEUteilen, welches ZOT Kenntnis und mm Terstündnis der ganaen, dem jüngeren Ge- schlecht doroh die Sohnle za Ubeiüelemden menschheitlichen nnd nationalen Enltor erforderlich ist Sie soll also ihren Zögling tot die Kage der Beligioa swar stellen, aber nicht irgend eine bestimmte Antwort auf diese Ebrage ihm aiitoritetiy aufdringen oder aiudi nur nahelegen. Die Antwort soll em jeder nach edangtsr Beife, also jenseite des Schnlalters, selbstBndig, rein nach dem eigenen Gewissen womfiglioh finden; er soll aber auch, wenn er kerne findet^ dordi den ünteniöht dayon einen Begaff bekommen haben, dafi es Beligioii fpb% und was sie im Gesamtleben der meosdilichen Kultur bidier be- deutet hat und noch bedeutet

6. Angabe des Eeligionsunterrichts der Schule ist also keines- falls »Aneignung der Heilstatsachent, wie z. B. die preußischen Lehr^ pläne für die höheren Schulen sagen. Eine solche Forderung ist an sich sinnlos in einer Zeit, wo die Übeaengcmgen der redlichsten und religiösesten Mensclien darüber, wo das »Heil« liege^ so weit ausein- andergehen wie heute: Aber selbst wenn hierüber gar kein Zweifel bestände, so würde es nicht die Aufgabe der Schule sein, die An- eignung dieses Heils in ihrem Zögling zu bewirken. Der Lehrer soll nicht den Seelsorger spielen müssen, der Schule nicht die Verant- wortung für das Seelenheil (im religiösen Sinne) aufgebürdet werden. Dagegen liegt in ihrem Bereich und gehört 2:u ihrer natürlichen Auf- gabe die Erschließung der Welt der religiösen Yorstellungen, als oin^ eigenen und "wichtigen Gebietes des seelischen Lebens der Menschheit; und zwar dieser Vorstellungen, soweit sie für unsere Nation liistorisch bedeutend gewesen und gegenwärtig noch in ihr wirksam sind; mit Verzicht jedoch auf jeden dogmatischen Anspruch. Es soll vielmehr der Religionslehrer bis zum tiefsten durchdrungen sein von der Ge- wissenhaftigkeit gegen die ihm anveitraute Seele des Zöglings, daß er nicht seine besondere religiöse Überzeugung ihm aufdringe, nicht bloß nicht durch äußeren Zwang, sondern auch nicht durch die Mittel einer feineren Suggestion, wie viele Geistiiche sie in der Gewalt haben.

7. So allein entspricht es dem allgemeinen pädagogischen Grund- satz: daß Bildung auf Selbsttätigkeit beruhen muß, die durch die Mit- tätigkeit des Erziehenden nur entbunden, gegen hemmende oder ab- lenkende Einflüsse geschützt und in ihrer eigenen, natürlichen Bahn gehalten werden, nicht aber unterbunden oder in eine ihr nicht natOrüche Bahn künstlich eingelenkt wecden soU. Selbst wer statt

Stimmoi sor Balona des Baljgkms-Uiitsniolifs

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der Autonomie die Theonomie behauptet, daif doch nicht im Unter- richt dem Zögling gegenüber den Gott spielen wollen, sondern muß vielmehr streben, die ihm anvertraute Seele aller menschlichen Autf)rität gp^eiiühor frei zu machen, damit sie der alleinigen Einwirkung »Gottesc offen stehe. Vollends ist es so gefordert, wenn und solango der frag^ liehe UnteiTicht wie es nach obigem auch sachlich bep^ndet ist im Auftrag: und unter der Verantwortlichkeit des Staats oder der bürgerlichf ii Gemeinde erteilt wird. Denn der Staat hat als solcher keine Konfession, noch darf er eine solche seinen Bürirem aufzwin^^cen, weder eine einzige, noch mehrere zur Auswahl; weder eine allgemeine noch eine besondere. Dagegen ist er, als berufener Ti-äger und Pfleger der nationalen Kultur, ohne jeden Zweifel befugt und verpflichtet, Religion, sofern und solange sie ein tatsächlich wirksamer Kulturfaktor ist, im Zusammenhang mit dem Ganzen der bis dahin errungenen Kultur der Kenntnis und dem Verständnis des jüngeren Geschlechts durch die Schule nahezubringen.

8. Man hat bisweilen gezweifelt, ob überhaupt ein Unterricht über Religion möglich sei, der nicht, auch ungewollt, zum Unterricht in Religion werde; weil in der religiösen Vorstellungs- und Gefühls- welt die suggestive Wirkimg an sich liege. Aber so sicher es mög- lich ist, die Tatsachen des religiösen Lebens imd Glaubens der Ver- gangenheit und Gegenwart, zwar nicht ohne persönlichen Anteil, aber doch ohne parteiliche Voreingenommenheit historisch festzosteUen und psycholegisch za ergründen, muß es auch möglidi sein, eben diese Iktsachen nach ihiem bistoriedieii und p^ohologischen Zusammen- hang dem YersiSndnis des Hemawaduenden scfarittweiBe näher an bringen, ohne dafi damit zugleich die Aneignung einer bestimmten leligiösen Übeneagong oder Gemütshaltuig sei es absichtlich ihm angemntet oder auch nnbeabsichtigterwease in ihm herrorgemfen wird. Hat schon Ungst die "Wissensdiaft diese freie Stellang aar Religion eingenommen, so wird die Fldagogik daraus die Eonseqnenaen za sehen haben, da sie doch, hier wie in allem, sich auf den Grund der 'Wissenschaft m. stellen die nnabweisbare Pflicht hat Damit würden die Schwiedgkeiten TüUig wegfallen, nnter denen die Schule in Hinsicht der religiasen Frage zor Zai leidet Diese Schwierig keiten bestehen in der TSat gar nicht für die UniTersität, soweit wenigstens sie die freie Foisdinng und eigene Übenengong als Prinzip aneitomt; sie würden ebenso wen^ für die Schule bestehen, wenn sie sich mit Entschiedenheit aof den gleichen Grund stellen würde, wie sie doch will nnd soll Eine Pädagogik jedenfalls, die nach den Prinzipien Pestalozzis xmd £aiits Entwicklang Ton innen, nicht

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Hinelnbfldimg von anfien als Angabe ^Aeant, darf tkh auch in dar religiSMm Frage nur im £^fii«di6n Sinne der llceiheit und unbedingten Achtung der Gewissen entscheiden.

9. Man fOrchtet Tielfaoh mit dem «oioritativen BeUgionsonter- rieht der Sittlichkeit eme unentiiehriidie Stütae an nahen. Aller- dings wflxde der antoritatire Beligionsonterricht» Toraiugesetaty daA er seine Absicht wiiUich erreifihie, allgemein den Geist der Aatorititt

' stütsen. Doch irird, wer sich nicht g^gen ofienkimdige Tatsachen TesBohliefit) angeben müssen, daft er diese Absicht schon lange nicht mehr und immer weniger, ja sehr oft das ToUe Gegenteil dayon erreioht Echte Sittlichkeit aber inzui überhaapt nicht auf Autorität, sondern nur auf Freiheit ruhen; eine Stütze der freien Sittlichkeit aber ist nicht eine Beligion, welche selbst in unfreier Weise beigebracht wird, sondern, wenn überhaupt eine^ dann allein eine solche, die in voller Ereiheit eigener Überzeugung erwächst Übrigens muß festgehalten werden, daß Sittlichkeit und Religion, bei aller innigen Berühnmg, doch dem wesentlichen Grande nach voneinander yerschieden und unabhängig' sind.

10. Der Stoff des Religionsunterrichts brauchte bei gedachter Zielbestininiung nicht ein wesentlich anderer zu sein als bisher. Denn natürlich hat auch der bisherige Religionsunterricht die für unsere Nation und die gegenwärtige Kulturstufe bedeutsamsten Daten der religiösen Überliefening in den Vordergrund gestellt Doch wäre eine sti'enge Sichtung auf der einen Seite, eine Ergänzung auf der andern durch freieren und weiteren Umblick auch auf andere als die traditionellen Stoffe geboten. Es wäi-en besonders die biblischen Stoffe, die eine gewisse Klassizität mit vollem Reclit erlangt haben und be- hiüten sollen, zu ergänzen durch Dai'steilungen des reÜgiösen Lebens der deutschen Vergangenheit und Gegenwart Es sei hier besonders auf ScHiELES gutes Buch »Deutsclier Glaube. Ein Lesebuch religiöser Prosa zimi Schulgebrauch im deutschen Unterricht« (Dürrs Deut^sche Bibliothek für Seminare, Bd. XII, T^eipzig 1905) hingewiesen; welches zwar der uliit^on Absicht insofern nicht entspricht, als es, mit Rück- sicht auf tlio tatsaciilich vorliegende religiöse Spaltung, das prote- stantische Deutschland ausschließlich berücksichtigt, und auch nicht für den Religionsunterricht, sondern für den deutscheu Uuterncht bestimmt ist; welches aber doch, schon durch seine bloße Existenz, hinreichen sollte, jeden noch Zweifelnden zu überzeugen, daß der Bruch mit der bisherigen ausschließlichen Bibel-, Katechismus- imd Kirchenlied-Tradition nicht den Bruch mit Religion und Ghriatentom zu bedeuten biaucht

StimoMD rar Beftm im Beligioiii-iriiiinioliig

11. Einer radikalen Änderung dagegen bedürfte die Behandlungs- weise. Schon längst hat Pestalozzi die Anknüpfung der religiösen Unterweisung an die immittelbaren Erfahrungen des Menschenlebens, an die »Anschauung« desselben gefordert Durch sie können dem Einde schon von der untersten Stufe des Schulunterrichts an die schlichten Orondgefühle und Grundvorstellungen, auf denen alle BeUgion beruht, nahegebracht werden, nicht in irgend einer kliT- lüilQii Farm, sondern rein als EE&hningen, ab Edfibmfiae menfioli^ IklHrter Art und Bedeatong, daam, der XJntenidit nnr das ebenso Bofalidite, dem Kind mid Volk versttiMUidie Wort hinxiuiifQgen bat Damit wird aber sugiaieh die Qnmdlage gewonnen fOr die weitere Testiafung, die, wie in jedem andam Gebie^ die eigene Eifidirung ergänzen muß durch die Sr&ifarangen anderer, der Mitlebenden so- wohl, ab derer, die eise Spur ihzea Lebens in der Oesdddite hinter- Jasaen haben. Hierbei ist in strenger Stufanfolge das den eigenen BrEahnrngen Terwandteate, also Ton ihnen ans Yeistindliofaste Tozanr- anstellen, und nur in stetigem Übergang zu dem femer und hoher Junanf liegendsn fartamschieiten; moht aber, wie jetrt vielfach, gleich anfimgs mit schwer läßlichem, dem eigenen TorsteUungskreise nnd eigenen Edeben des Kindes ganz Bemstehendem einzosetaen. Haben die biblischen Stoffe, wie ananeilrannen, fOr daa reUgiSse Oebi^ eine gewisse KhoslaLtflt mit Qnmd eriangt, so haben sie es nnr dadurch und nur insoweit, als sie wiiMich eio&che, elementare Formen reli- giösen Lebens in entsprechend elementarer Fassung zum Ausdruck bringen. Erst auf höherer Stufe tritt zum Selbsterlcbten und ge- schichtlich bekannt Gewordenen der religiöse Begriff; nicht als dog- matisch abschließend, sondern streng nur als Versuch, den Inhalt d^ Erlebten auf einen möglichst scharfen Ausdruck zu bringen; stets mit dem bestimmten Vorbehalt, daß kein solcher Ausdruck je als endgültig zu betrachten, sondern, wie dem religiösen Erleben selbst, so der begrifflichen Prägung des Erlebten der Spielraum unbegrenzt offen an halten seL

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TIMM8 fibar daa RaUiiaaaaBterriobt aa hötaeraa Soiiaita')

Oymnasialoberlehier Dr. F. Heuck in Berlin

1. Relif^ion ist das innere Verhältnis des Mensclien zu Gott, nach christlicher Auffassung das Kindschaftsverluiltnis. Wie der

1) Die AnafOhrangaa meiner Theaaa findeB sich in meiner Bnachfin »Zorn BaUgknsontexxioht an bfiliemn Sebnlanc. (Bariin, Aleiaader Danoker, 1904.)

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einzelne zu Gott steht, ob er sich als Gotteskind fühlt oder nicht, ob er Christ ist oder nicht, darüber entscheidet das Leben, nicht die Schule. Wohl kann die Schule durch Klärung des Denkens maochen Anstoß aus dem "Wege räumen und dadurch den Weg zu Gott viel- leicht hier und da ebnen, aber nicht kann sie es sich zum Ziel setzen, den einzelnen in das richtige Verhältnis zu Gott zu bringen; d. h. mit andern Worten: Religion ist nicht lehrbar.

2. So gewiß Religion selbst Sache des Gemüts oder trie nun sich nun ausdrücken wiU ist, so gewiß ist Beligion8imi0Eridit etwas anderes als Religion, und swar iHe jeder andere ünteDidit Sache des Teistaades. Indem der Beligionsimteiricht irie jeder andere IJntenidht sich zanlchst ansschlieflliöh an das logische Denken richtet,- wirkt er mittelbar auch a^ das Gemttb Das ist der einzige, durch die P^ofaologie gewiesene Weg^ Aufierdem ist es tSricht, Yerstandesbildnng als ethisch wertlos anzusehen: Gemttt ohne Yerstand ist genau ebenso nnmoralisoh wie Terstand ohne Gemüt!

8. Ebensowenig wie Religion kann der RaHgionsontemeht den Sdifilem Moral beibringen. Ob die ^der HebeToU, gehorsam, ver- trSg^lich usw. smd, hängt von der Behandlung ab, d&e ihnen sq teil wird, nnd von der Umgebung^ in der sie anfwadisen nnd ans der sie sich nnbewoflt ihre Yoriiilder wfiUen. Bs IfiAt sich keine Ge- dfinwiig in die Kinder hindnreden.

4. Klirung des Denkens darauf alelt der BeBgiottsnnterricht, wenn er nicht wertlos oder gar geOQiriidh sein soll, einzig nnd allein ab. Damit ist ihm eine sehr schwere, aber auch sehr dankbare gäbe gestellt; eine schwere, weil die Unklarheit in religiösen Fragen, durch die Jahrhunderte hindurch kirchlich sanktioniert, auch heute noch weiten Kreisen als der eigentliche Kern der Frömmigkeit er- scheint; eine dankbare, weil nur durch Aufklärung die Schüler die Fähigkeit erlangen können, dereinst dem Stormlaufen g^n die Religion einerseits wie dem angleich gefährlicheren scheinheiligen Pharisäertum andrerseits wirksam zu begegnen, zu eigenem sowohl wie zu der All- gemeinheit Nutz und Frommen. Der Religionsunterricht hat zu diesem Zweck dann einzusetzen, wenn die Reflexion erwacht ist; das ist der Fall in den oberen Klassen, hier ist der systematische Beligiona» Unterricht am Platze.

5, Die Frap:e, ob auch schon in den mittleren und unteren Klassen I{oli*j:ionsunterricht erteilt werden kann, will ich nicht rund- weg mit nein beantworten (ven^i. meine Broschüre S. S9 u. 40). Es handelt sich meiner Ansicht nach aber lüer um ein Problem, das

Stimmen zur Befonn des Religions-UnteniGhts

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noch erst seiner Lösung'- liurrt Daß der landliiufif^e Untcniclit ;nif der mittleren und unteren Stiife ein Nonsens ist, das allerdings scheint mir niclit mehr zweifeUuift zu sein.

6. Der Ridi^ionsunterricht in den oberen Klassen soll historischen Charakter tragen; darunter verstehe ich nicht eine trockene ^Mitteilung Ton einzelnen Tatsachen, sondern eine Einführunt; in das geschicht- liche Verständnis der christlichen Keligion und der Kirche. Eine Diskussion der allgemeinen großen Welt- und Lebensfragen kann dabei gar nicht umgangen werden.

7. Die Stoffverteilung auf die Tier oberen Klassen denke ich mir folgendermaßen:

1. Geschichte des israelitischen Gottesglaubens (Uli).

2. Jesus (OH).

3. Paulus und Johannes (ÜI).

4. Kirchengeschichte (Ol).

Bei Nr. 1 wäre die Babel- Bibel- Frage heranzuziehen, bei Nr. 2 ans der allgemeinen Religionsgeschichte Buddha und Mohammed, bei Nr. 3 griechische Philosophie und Philo, bei Nr. 4 Confessio Augostana und der LafheiBche Eatechismos ans der alten Zeit, ans der neaen Zeit Hamacks Wesen dee Cauristentiims und Aluiliolie&

8. Der Seligionsmitenicht an höheren Schalen ist ein wissen- schaftlicher Unterricht wie jeder andere, keine konfessionelle Unterweisung! Er dient nnd darin besteht seine Hauptaufgabe der allgemeinen Bildung. Daß aas konfessionellen Bflcksiohten nach den geltenden Bestinunongen aaf wissenschaftlichen Beligions- onterricht verzichtet werden kann, daft dadundi der ünbildang weit- gehende Eomsesslonen geoiaoht werden nnd der Denk-Eaolheit and Feiert Yorschab geleistet wird, mfissen wir wie die TerhSltnisse nun etomal liegen als ein Übel ertragen, nicht dürfen wir das aber als ein gates Becht Terteidigen. Im Frincip mofi Ton jedem Gebildeten, ganz gleich wie er persönlich au der Sache steh^ Ter- langt werden, dafi er ein Yerständnis für religiöse Fragen beeitat

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LiluTlaB-Ealwirf fir slae Mwr üiaHsIwli

Von

Dr. H. Lieti» Leiter des I^Anderziehungsbeims Schloß ßieberstoin (Ilaenbii]ig,Haabiiida)

Religionsgeschichte und ReUgioiislehre

I. Kursus (Rexta, Quinta, Quarta).

VI. Stufe der naiven kindlichen Vorstellunc:, df^r Freude an fischen Persönlichkeiten und charakteristischen Begebenheiten. Das

ZailMittift Mr lIiDoMiiU« lud FURfOgOc. 12. MiiRDg. 33

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AafB&tze

religiös-sittliche Leben der Yergaageuheit» Yeranschaulicht an leichen

die Phantasie fesselnden Stoffen.

Ausgang vom religiös-sittlichen und kirchlichen Leben der Gegen- wart — Rückgang auf seinen Begi'ünder: Jesus. Erzählungen über Jesu Geburt, Kindheit, Taten (Wunder), Tod, Auferstehung. 2. Die ältesten Zeiten des israelitischen Volkes (Patnarchen, Moses).

2 Std.

Y. Die wertvollsten Erzählungen aus der israelitischen Richter-, Königs- und Prophetenzeit. (Josua, Deborah, (iideon, Jephta, Simsen, Saul.) Einiges von David. Ahab und Elias. Elisa. Arnos. Bilder aus dem Leben Jeremias. Bilder aus dem Exil (PsaUn). Nach der Bückkehr (Haggai). 2 Std.

IV. Die einfachsten Bestandteile der Verkündigung Jesus (Berg- predigt, Gleichnisse). Die Schicksale seiner Jünger in der ürgenieinde. Charakteristisches aus dem Leben Paulus und wenige Bilder aus der Geschichte der altchristlichen Kirche. 2 Std.

IL Kursus (Unter-, Ober-Tertia, Unter-Sekunda).

Anbahnung zum geschichtlichen Verständnis der Entwicklmig der israeUtischeu Beligiou und der Eutstehung der christUchen Reli- gion aus ihr.

mb. Entwiclduug der isnelitisclieu Beligion im ZuBammenhang mit der Entstehung des alten Testamentes. Die Phasen der £nt- widdung: 1. israelitische Volksreligion, ältestes aus Pentatench, Bichtem, Königsblidieiii. 2. Prophet Religion (Propheten, einige FlBalmeu). 3. Gesetsesreligiou (Priesterkodex, Ssra, Nehemia).

2 Sti

nia. Ton Esras Tode bis zur AVirksamkeit Jesus: Ausbildung und Erstarrung der Gesetzesreligion und immer erneuter Kampf gegen sie bis zu ihrer schließlichen Überwindung durch Jesus. 1. Sb-enger Standpunkt der Gesetzesreligion. Vernichtung der lebendigen Pro- phetie (Sacharja II, Maleachi). 2. Reaktion gegen die Ausschließlich- keit und Härte der Gesetzesreligion (Ruth, Jona). 3, Der Kampf um die rehgiöse Eigenart unter Führerschaft der Makkabäer. 4. Die Ent- stehung der Weisheitsliteratur (Hiob, Spmche usw.). 5. Die Apoka- lyptik. 6. Die Wiedererstohung des Prophotismus (Johannes der Täufer). 7. Das Leben Jesu bis zum Einzug in Jerusalem. 2 Ötd.

üb. Der weitere Verlauf der Wirksamkeit Jesu, sein Kampf gegen die Gesetzesreligion und sein Tod. Der Sieg seiner Ver- kündigung nach dem Tode in der urchristlichen Gemeinde. Paulus. ~ Gründung der christlichen Kirche. Ihr Abfall vom fivangehuin

Stimmen zur Beform des Beli^ons-Unterzichts

Jesu. Versuche einer Erneuerung des Evangeliums Jesu in der Auf- fassung Pauli durch Luther. Die christlichen Konfessionen. 2 StcU

HL £ar8U8 (Ober-Sekunda, Unter-, Ober-Ftinia).

na. Allgemeine BeligiouBfeMdiiQhte. Tiefeies Yeisttndnis der ESgenart der toraelitiflchen und eiukdichen BeligioD, ihres ürsprong» und Weeens gefordert durch das Stadium der hanptslofaliobston ftbrigen

Religionen.

IIa. Allgemeine Religionsgeschichte bis zum Aufkommen des Chnstentums. Die indischen Religionen, die altbabjlonische und altSgyptische Hcli^non, die persische Religion, die griechische Religion, die germanische Religion. 2 Std..

Ib. IJrspnmg nnd Wesen des Christentums. (Die Quellen auf- gefaßt in iiuer religionsgeschichtlichen Bedingtheit, z. B. Der Zu- sammenhang zwischen der israelitischen und der babylonischen Ur- geschichte usw. Israelit Prophetismus und griechische Philosophie. Christus und Buddha. Die schmerigeren Teile aus dem Alten und Neuen Testament) 2 Std,

la. Die Entwicklung der christlichen Relip^ion: Ent-^tehunn^ der Kirche, des Dogmas, des Papsttums, sein Höhepunkt, Kampf gegen das Papsttum, Reformation. Die lutherische Orthodoxie, der Pietismus, der Kationalismus. Die neuere Theologie seit Schleiermacher. Ketzer und Sf kticier, die Teischiedene Auffassung des Christentums. Reli- gionsphiiosophie. 2 Std»

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L Zwei Pfingstversammlangen in Weimar

Von Hermann Itschner-Weimar

Verein für wissenschaftliche Pädagogik Allgemeiner Tag für deutsche Erziehung.

Ein tiefgreifender Gegensatz zwischen den beiden: Der eine erprobt in jahrzehntelanger emster Arbeit, der andere Repräsentant einer vor wenig Jahren zusammengefaßten geistigen Bewegung, die erst noch zum vollen Bewußtsein ihrer Ziele erwachen muß, deshalb sich noch im Pathos überstürzt, ihre Stärke in der Kritik findet, aber ebenfalls Großes gebären könnte, wenn ja wenn ihre Kraft durchhält und sie im Aufbauen ihre Mission vollendet

Der Berichterstatter befand sich in keiner beneidenswerten Lage: wollte er doch das Wichtigste sich sichern aus beiden Tagungen. Da pendelte er denn hin und her, immer im Zustand höchster Anspannung seiner Aufmerksamkeit Aber die Gegensätze machten auch sein Urteil unbefangener.

Im Verein für wissenschaftliche Pädagogik hörte ich die Ver- handlimgen über die Arbeiten von Wilk und Ritthaler, von Just und Vogt (Jahrbuch XXXVÜ, No. 4. 7. 8. 10). Die Verhandlungen über die beiden ersten Arbeiten, die zusammen besprochen wurden, drehten sich in der Hauptsache um das Wesen der Zahl. Prof. Vogt vertrat dabei den Stand- punkt, die Zahl sei ihrem Begriff nach eine Wiederholung des Identischen. Für die erste Auffassung der Zahl seien die zeitlichen Erscheinungen den räumlichen vorzuziehen, weil bei zeitlichen Erscheinungen leichter von der Qualität abgesehen werden könne: also die Identität von 5 Glockenschlägen oder Böllerschüssen sei leichter zu erfassen als von 5 Katzen oder Hühnern. Zuerst handle es sich auch immer nur lun die Auffassung einer un- bestinmiten Vielheit, die Einheit folge aus deren Negation. Pastor Flügel wies darauf hin, daß das Volk für die unbestimmte Vielheit sogar be- sondere Namen geprägt habe, man spreche von einer Koppel Pferde, von einem Volk Hühner, von einem Rudel Hirsche, von einer Herde Schafe,

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1. Zwei Pfingstversammlangen in Weimar

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von einer Schar Kinder usw. Fack warnt vor voreiliger Zustimmung zu diesen scheinbar so einleuchtenden Ausführungen über daa Weeea der Zahl, da bis heate nodi keine ÜbeieiiiBtimmimg bei den Fhiloeophen er- zielt sei Eb Beiern aaioh in der eiben stattfindenden Besprechung nur die Bedingungen ins Auge gefaßt worden, unter neu die Bildung des Zahl* begriffs erfolgen kann. Der Vorgang selbst fonlere ein Beziehen von Voretellungen, wie er es 1895 in Heft B ö dieser Zeitschrift dargelegt habe. Bei den großen Schwierigkeiten, welche sich der Darlegung solcher Aufibssungen sowohl dem Redner wie dem BOrer gegenüber «uftun, sei es ftberiumpt geraten, sidi duioli LektOre geeigneter Sohriften zu in- formieren. Faok hat darin zweifellos das Biditige getroffen, nur werden viele tlavor zurückgeschreckt, da, um zu einer solchen Walirheit vor- zudringen, meist ganze Bergo philosophischer Spitzfindigkeiten hinweg- geräumt werden müssen. Desluüb hat auch die, man möchte sagen elementare Auseinandersetzung des Prüf. Vogt solchen Eindruck auf die HSrer gemacht, und es ersdieint mir in dem AugenUick, wo idi dies- niederschreibe, ausgemacht, daB in der Eonstatierung, die Zahl sei ihrem 'Wesen nach eine Wiederholung des Identischen, schon auflgeq>rochen ist^ daß die Beziehung auf die erste Vorstelliuig eVven der Vorgang ist, der zu der Erkenntnis führt; es liegt eine Wiederholung vor. Nicht vergessen sei, daß Prof. Just seiner Genugtuung darüber Ausdruck gab, wie durch die Forschungen Wilks nele praktische Maßnahmen, wie Benutzung der Finger, Darstellung der ZaUen erst durch litanische Ziffern, Sachieohnen usw» eine Begründung er&hren h&tten.

In den Verhandlungen über die Formalstuf entheorie gab Fack einige wertvolle Erläuterungen zur Gestaltung der Analyse, da meist nicht genau genug ins Auge gefivßt wurde, in welchem Umfang oder ob überhaupt Altes herangezogen werden müsse; sogar B^riffliches gehöre unter Um- Sünden anl die 1. Stufe, etwa als LnperatiTe, die die AufmedBaaikett auf das Wesentliche des neuen Stofb eansteUten. Das IHedediolen und Ein- prägen gehöre aber entschieden nicht auf die letzte, sondern auf difr 2. Stufe, da es zur Klänmg des Neuen diene. Es wäre vielleicht er- wünscht gewesen, wenn die sonst so treffliche Arbeit Justs sich noch mehr auf Einzelfragen eingelassen hätte, vielleicht könnte ein andermal auch die Fi-age der künstlerischen Gestaltung des Stoffs innerhalb der formalen Stufen behandelt werden, eines der ersten Erfordernisse, um den alten Vorwurf, sie seien ein Mechanismus, zu beseitigen.

Konzentration als Lehrplanfrage ist eines der schwierigsten Oebieta^ der gesamten Pädagogik, hier gingen immer schon die Meinungen am meisten auseinander. Auch auf der Weimarer Tagung. Schmidt (Raguhn) vertrat den Standi)unkt, die Frage könne nur gelöst werden, wenn man sich rein Ton psychologischen Erwägtmgen leiten Ueße, die Ethik habe nicht mit- xusprechen, so hoch er auch von der Bildung des sittlidien Chaiakters als- dem Ziel der Erziehimg denke. Psychologische Erwflgungen aber zwflngen ihn, den Unterricht nicht sowohl auf realistischer Grundlage anfambanen,. als auch das Kultnrbild der Gegenwart zum Knnzentrationsstoff zu machen, also nicht die Gesinnungsstoffe. Diese seien dort einzustellen, wo das»

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Mittailnngen

Kulturbild der G^petnvart zu seiner Aufhellung: ihrer bedürfe, wcidurch natürlich der chronologische Gang aufgelöst wüi-de. Die Befürchtung, er würde durch einen so angelegten Lekrplan Materialisten erziehen statt nttüiche ChaiaiUero, er znrtlök, er sorge sogar nodli besser, da « ^ dtüidie Geshmiing nicht als ansreixdieod ansaerkennea vennllge snr Ausführung einer Handlung, dazu gehörten als integrierende Bestandteile Verständnis für die gegebenen Verhältnisse und die Beherrschung der zur Ausführung notwendigen technischen Mittel. Er ist gegen die Jächerung und alle systematische Anordnung, im Leben gäbe es ja doch 4raoh nur Eausalmben. Daß eine Entscheidung über die Schmidt schal Anregongeii nicht Inmeriisiid gebüffsn worden klhmo, empfmdcn alls und begrüßten deshalb den Vorschlag mit Freuden, Schmidt wolle fflis nächste Jahrbuch eine eingehende Darstellung seiner Gedanken geben. Sicherlich ist es noch viel schwieriger, die Gesinnungsstoffe den realistischen einzuordnen als umgekehrt. Immerhin würde der Versuch, einen solchen Lehxplan zu entwerfen, interessant sein, noch interessanter freüich die Begrflndmig dazu; sie wird sich suspitsen mUssen auf die Frage: Ssmi man im ReTigtons- und OeschichtBimteRicht die chronologisdie Reih» anf- .geben ohne der Ent^^-icklung des Charakters wesentliche Bildungsmomente entzogen zu liaVien? Die Frage der Konzentration -vs-ird noch viel Arbeit machen; aber maiichcs kann in dieser Frage heute schon in der PVaiis getan werden, ob man sich prinzipiell nun so oder anders entscheide. Prof. •Just faßte diese Gedanken dahin zusammen: 1. räumlich und zeitlich zu- sammenhängende Stoffe nidit durch EnisteUmig in Tersdhiedeae Bohiil- jahro auseinandersoreifiea; 2. die verschiedenen Zweige emer DisapUn (in Religion, Deutsch, Naturwissenschaften) nicht zu trennen; 3. Sachen und Zeichen zu verbinden; 4. beim Fachlehrersystem für Konzentrations- tabellen einzutreten; 5. dieselbe Elasso wenigstens einige Jahre dorch- zuführen.

Die Tersammlung war Ton etwa 60 Mitgliedern und einigen Gästen besncht Ahl Ort der nichsten Tagung wurde Nanmburg a/S. ins Auge

Nun die andere Versammlung: Ein Tag für deutsche Erziehung! Arthur Schulz, der Herausgeber der »Blätter für deutsche Erziohuiitr«, erläuterte im ersten der acht Vorträge, welche gehalten wurden, was man •danmter zu versteheoi habe. Er drQokte dies negatir so aus: Los tob Born, los von OriedieDland, los tqu Jndal Podtir forderte er: Dentsehe -Oes hif hte, deutsche Sprache, deutsche Kunst Hauptfeiude im Kampl um diese Güter sind die klassischen Philologen, die schwer belastet sind mit ILichmut und Stiunpfsinn, anderseits aber auch der Staat, der jede freie Regung im Erziehungswesen niederhält, statt geradezu hineiuzurufen ins Volk: Willkommen, wer neue Wege zeigt! willkommen, wer uns vom Joch der geistigen Kramdhemöhaft beCreitI Gefordert mufi weiden: eme Einhdtssdiule mit volhstOmHdiem ünterban. Es kostete mich t)ber> Windung, diese Ausführungen bis zum Sdilnfi anzuhören. Ghnade uns Oott» wenn wir einmal Männer dieses Schlages als Baonertriger deatsoher

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1. Zwai Ffingsbrenammlungen in Weimar 503

Kultur anerkennen müßten! Nicht wegen der Sache, die er vertrat, aber w^;en der Form, in der er es tat Wo war da die Würde des Mannes, der um heilige GHlter klmpftl Eb mr die Sprache emes UuineB, der einer senfiationslüstemen Menge za geEallen strebt

Berthold Otto, der Herausgeber des »Hauslehrers«, spndi flodana über den »geistigen Verkehr mit Kindern«. Er Weidete seine prinzipiellen Ausführungen in die Geschichte seines Lohrerl n^nifs. Sachlich ertrah sich: Kindern soll man nichts aufnötigen, man soll warten, bis sie fragen; denn dann eest Ist der Augenblick gekommesi, wo geistige Befmohtung sich 'ToDaieht Biese Angenblioke bleiben nicht ans, sobald die Hemmimgen beseitigt sind, zu denen in erster Linie die Schule mit ihrem üntenichts- zwanp gehört. Diese Fonlemng Ottos -^-ürde selKstverstftndlich eine völlige Umwälzung in der Stellung des Lehrers mit sich bringen. Kla.ssen mit 60 80 Schülern, die ja lientc solion kein Ideal sind. wRi-en nicht mehr möglich, ja nicht einmal äolchc mit 15 20. £s müßten nati'u-lich dann anch iBoUeniome erstellt Verden, damit ja von den ein Kind be- flchlftigenden Fragen die andern nichts yemShmen, oder es m Wen Yeroohlafi- stücke fBr die GehQig8nge der Kinder erfunden werden, damit ja keine Belehnmg aufgefangen werden könnte, um die sie nicht gebeten; denn das wäre Vergewaltigung. N(X.h besser, der Lehrer setzte, um keine Kivalität imter den Kindern aufkommen zu lassen, Sprechstimdo an. Dann wäre es aber denkbar, daß die geistige Spannung, welche eine Frage im Kinde tevofmft, abgeflant -wSTe, bevor der Lehier infolge seiner Tielseitigea Praxis sor Beantwortimg kSme; so bliebe als Endziel nur eine Ein- liditung wie die des Leibarstes bei einer Fürstlichkeit, Aber Scherz beiseite! Was Otto will, ist im Kern eine der hochston Angelegenheiten des Erziehoi"s: der Oetlanke von der geistigen Zeugung ist die letzte Triebfeder aller derer, die je Über Pädagogik nachgedacht haben, sogar solcher MBnner, die nun einmal sicfa damit abgefunden haben, daft man mit MBSsenerodiung einfach rechnen muB. Es ist eine gar einfedie Art zu korieren, wenn man sa?t: AV« mit der Schule! Bei Licht beeeheUf ist es aber ein Zeugnis der Ohnmacht. Gerade dort, wo aus dem Ge- gebenen heraus die Wandlimg angebahnt wird, dort stehen die Holden: es sind die Männer, welche rufen: Dennoch! Otto aber vei-schiebt die Sach- lage, für ihn ist die Lösung ein Abonnement auf den »Hauslehrer^, dem Organ seiner grundsteigenden Fidagogik.

Infolge der oben geschilderten Inanspruchnahme mofite ich anf die Vorträge 3 6, die dem Gymnaflinm, der Ausbildung des Leibes und der Erziehung zur dontsclieü Frau und Mutter goA\'idmet waren, verzichten. Um so gif»ßer war die Spannung, mit der ich dem Vortrag von Hermann Obrist entgegensah. Hatte doch Obrist schon auf dem Dresdener Kimst- erziehungstag Protest eingelegt gegen das, was geschehen war auf dem Gebiet der Eunstenddrang. Ldder hatte er damals sich nidit so an»- gedrückt, daS man wußte, welche Wahrnehmungen ihn eigentlich so bedrilct hatten. Nun schien er es nachholen zu wollen. Sein Thema hieß: »Falsche und richtige Wege in der Kunsterziehung.« Er ftlhrto aus: Wir bildenden Künstler konnten eine instinktive Angst von vornherein

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504

Uittsilimgtii

nickt los werden. Wie imsei-er Generation die Werke der Dichtkunst ver- ekelt wurden, so, fürditeten wir, werde es nun mit den Werken der fafldenden Eunst gehen. Unsere Furcht war nur zn. sehr begr&ndet: Die

Bilder werden »beliandelt«, pädagogisdi ausgebeutet. Das Beispiel einer Fühnmg in einer Münchener Gralerie stehe ihm für viele. Nim xs-ird den Kindern die subjektive Moinimg des Lehrcrs aufgedrängt, und diese Meinung wird fiist durchweg vom saclüichen Interesse bestimmt, nicht vom künstlerischen, wovon der Lehrer eben nichts versteht, seinem ganzen BÜdungsgang nach einfKh nichts Terstehen kann. Hat doch die Kunst selbst eben erst m. erwachen begonnen ans einem Bann, der Jahriranderte auf uns gelastet! Und nun, wo die Pfadfinder auf dem Gebiet der Kunst sagen koniit»-'ii: Hu' Jimgen, jetzt kommt, svir haben die ganze Tradition lünweggci äumt , die euch befangen machen könnte, jetzt kommt der Schulmeister mid stellt die ganze Entwicklung aufs neue in Frage, weil er nun die Stile durchhastet und darein das selbständige Sehen und Schaffen erstickt So seien die Lehrer die Sigsten Feinde der Efbustler. Non wolle er aber das Kind keineswegs mit dem Bade ausschütten, er wolle es baden. Das erste sei ihm: Anscluuung der Wirklichkeit, der Natur, der Dinge. Das zweite: Keine Rechenschaft verlangen über das Empfundene, denn das hieße die Keime des Erlebnisses tüten. Das dritte: Fini^er- übungen, Naturzcichuen, Schreinern, mit einem Wort Entwicklung des Technischen. Glflcklidi die Musik, die ihre Lehre abschlieBt mit der Lehre vom Kontraponktl Sie hat Vertrauen zur schöpferischen Kraft der Jungen. Die Kunsterzieliung von heute hat kein Voititmen. Früher hatte man'sl Da lernte der junge Künstler das Handwerkliclie beim Kleister, und damit war's getan. Deshalb: »Weniger, weniger, weniger!« Daß der Beethoven der bildenden Kunst einst komme, dafür lasse man den deutschen Genius sorgen! Soweit Obiist

Wer wollte nicht zugeben, daA diese ganze Kunateniehnngsbewegung die Schule Abenaacht hat, und wer kfinnte nicht die Gewissensnot disses ernsten Künstlers nachfühlen? Aber ist sie denn so ganz und gar be- rechtiu-t? Wii-d nicht, sobald die Mode eine andere Welle -wirft, der Lehrer, den Hermann 0 brist in der Münchener Galerie sich quälen sah, sofort ablassen von seinem Tim: hat er doch sicherüch mehr der Not gehorcht als dem eigenen Triebe. Alles, was so von außen kommt, trägt den Keim des Todes m sich. Ich g^be» Obrist bnnoht den KremBzog, den er für das Jahr 1910 ankflndigte, nSmlich um mit seinen 4 Gesinnimgsgenossen unter den bildenden Künstlern durch Deutschland zu ziehen und alle tot- zuschlagen, welche noch Kun?t ti-aktieren<', nicht zu unternelimen. Aber dessen können wir Obrist gleichfalls versichern: Das Problem der Kunst- erziehung ist damit nicht ausgerottet. Es gibt Köpfe bei uns, denen das ProUem mehr ist als em Wunsch von oben, und sie werden lüttel und Wege eigrilnden, die der Sache zum Heil geraiohen; sie werden aich trotz aUem Protest die Fahne der Kunsterziehung nicht aus den Händen winden lassen. Ahar allei-dinq^ wenlen sie diese Aufgabe, die Jugend genußfähig zu macheu, in die zweite Linie rücken, besser gesagt, sie werden dem Begriff »künstlerische Erziehung« den rechte Inhalt geben. Vorsicht, weiseste Vor-

1. Zwvi PIlugBtfoiBiiiiiiiiloDgea in y^thuu

505

Bidit gebietet das Haranfülireu der luiider aus Kunstwerk, aber früiiiicher Eifer tieibe uns, die kflnstlerisohaa Tinebe im Siiid zum SchafEea eiTiwilaitffln. Freilioh an die Form kOmien wir dabei nor geringe Ansprüche stellen, um

so mehr •werden wir aber überrascht weiden von der Kraft der Anscjhauung, die flas Kind uns in seinem Schaffen offenbaren wird. Und das müßte Christ fordeiTi, nicht bloß imgerübimgen, Natnrzeichnen. Schroinorn, nein viel, xiel mehr: Allenthalben im Unterricht Gelegenheit, die schüpferischen Kräfte zu betätigen. Allerdings heißt's auch hier: vom Keim noch nicht die Fracht Terlaogenl Bis diese Erkeimtiiis lebendig gewoiden ist, bat's noch gute Weile, aber unsere junge pBdagogisohe Qeneration drängt nadi, sie, die mit dem Gei5;t der Zeit getränkt ist Sie erkennt keine Fessdn mehr an. Es -winl noch wenden. Al»er auch hier Vertrauen, Hermann Ob r ist! Es kommt die Generation, die dazu ausgerüstet ist, die Warnung Nietzsches zu entkräften: »Alles fertige, Vollkommene wird angestaunt, allee Werdende irird unteischätit.«

Nun noch Fsstor Steudel (Bremen): »Unser Beligionsontemchtc Er lehnt den Religionsunterricht ab. ^) Oder lehnt er ihn nicht ab? Genau weiß man's nämlich nicht Es ist ebenso oft von Reformen die Rede ge- wesen, wenn auch von radikalen. Jedenfalls ist der Satz ausgesprochen worden: Das Wissen von religi«*jsen Persönlichkeiten kaim keine Religion er- zeugen. Das stimmt Aber wir können uns nicht denken, daß für Steudel die religUJee PenOnHchkeit überiiaapt irgend einmal Wert hat. Denn seine Auffassung rm Beligifln ist jedenfsUs eine solche, wie irir sie Ton den klassischen Helden auf dem Gebiete des religiösen Lebens nicht kennen. Er definiert nämlich: Religion ist jenes tiefe Ergriffeusein von der Un- endlichkeit der Welt nach Raum und Zeit. D'^nmach ist Religion also Stimmung, rein ästhetischer Natur. AVir danken. Uns ist die Religion das Organ der unstillbaren Sehnsucht nach Heiligung. Die »Ge- rechten« bedürfen dieses Organs freilioh nicht, wenn sie sich's auch hin und wieder einmal leisten, eich an der Unendlichkeit zu berauschen. Wir gelben Steudel darin recht, daß der Verbalismus gerade im Reli- gionsunterricht die größten Orgien gefeiert hat AV)er woran liegt das? Entweder ist der betreffende Stoff verfi-iilit aufgetreten oder fidsch behandelt woi-den. Dann darf man ihn selber aber keinesfalls ver- dächtigen. Steudel jedoch winnt die aUen SpiBe Uber die »Lügen« der alten Juden anüB neue snf das seist doch viele Uatsdiende HBnde in Bewegung und macht Front gegen sie: »Livius hat viel geschwindelt, aber er war noch ein exakter Geschichtsforscher gegenüber den alten Juden.« Wozu auch diese Geschichten! »Die Relit,'ion entzündet sich an der Wirklichkeit, am Leben.« Ja, sind denn diese alten Geschichten im 1. Buch Mose keine Wiikiichkeiten? 0, diese Neunmal weisen! Dort also sind sie gelandet^ wo man dichterisohe WirUiohkeit fObr »Lflgen« ver* sollt? Und, fthrt Steudel fort, es ist doch zum mindesten so »umständ- lich«, wenn man aus diesen Geschiofalan Religion gewinnen will, ja selbst durch die Person Jesu: Da muß man wissen, was Fhaiisäer, Sadduofter,

*) Siehe die Aosfilhmngen Steudeis in der »Christi Welt«

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BeaeBBCoe und was H&nner smd, dSe Heuadbreolm und wüden Honig essea (II) 80 mgt Steudel. Deshalb sdikskt Stendel die Jugend hinaus auf ^ Flur, in den Wald, hier in Weimar etw» ins Steri»ezimmer SohilleES,

und da sagt er dann: Ziehe Deine Schuhe aus, denn das Land, -worauf Du stehst, ist heiliges Land! Mit Verlaub, das ist ja ein Imperativ! Imperative gibt's doch im Religionsunterricht der Zukunft gar nicht, da gilt dodi: Jede Wahrheit hat nur dann Wert, wenn sie gesucht wiid? Und wie kann man von einem Sjnd verlangen, das in den Wald tritt: Sei ergriffen! Ich habe rechte Kinder immer nur jauchzen hören im Wald. Doch mit 14 Jahren kOnnte nach Steudels Meinung allenfalls religions- geschichtlich an die Gestalt Jesu heran getreten werden. So peführt wimle dann der junge Mann mit 18 Jahren, vielleicht auch spilter, dazu kommen. Bich ein neues Testament zu kaufen; dann würde es ihm zur Quelle der Beligiop. Diflse letetoXonseqnens winde tb&c wa gns fificihtig angedeutet Dafi Steudel aioli damit widospEidit, kttmmert ihn nicfat Oder meint er vielleicht: Bis zum 18. Jahr erzieht die Wirklichkeit zur Religion nnd von da an die Lektilrc des Neuen Testaments (?!) Nein, Steudel hat dieser hochbedeut&amen Frage einen schbxhten Dienst erwiesen, zumal auch er seinen Voi-trag auf einen Ton gestimmt hatte, der einfach un- erüüghch war im Hinblick auf die Würde seines Gegenstandes. Wäre loh orthodox, ich wHide seine Bede als ülngblatt analle diejenigen aendeD, die sich vor der AnfrdUang dieser Sache ffliohten: Sie vllrdien dann be* inhigt schlafen.

Eine Diskusaion Ober die beiden letzten Vorträge wurde abgelehnt Die Hauptge<lankcn, welche die Tagung herausgestellt hat, sollen in einer Petition verarbeitet und diese den Regierungen eingereicht werden.

Schade, daB man im ganzen nicht mehr Selbstzucht geQbt hat Ich wurde aOsiisehr an sosialdeniflikiatiache Taktik erinnert Im flbrigen: hatte wohl Ellen Key zu diesen Aufzügen gesagt? Es wurde gegeben »Die Anbetimg des Kindes« in 8 Bildern. Wäre nur das Kind ein IIoili£7erI Aber lassen wir einmal diese Auffassung gelten: Mit trinen<lon Phrasen und Kokettieren mit dem Publikum kommen die um Schulz nicht weit Im Gegonteü: Was an ihrer Sache gut ist, das wird mit der Verarteümig ihres Gebahrens fallen. Deshalb wire es ein Segen, wenn lOoner aofettOnden, die diese FtoUeme angreifen und sie vor der 6Kent> lichkeit mit Emst und Würde bespfeehen wollten. Sonst bshilt die Schiü<nihodoaae recht, auf lange Zeit

2. Haaptversammlung des Vereins deutscher Zeichen- lehrer

Von Karl ElssBor-Dvesdea

Am 12. 14. Juni d. J. tagte in Dresden die 32. Hauptversammlung des Vereins deutscher Zeichenlehrer,^) wohl die besuchteste aller UsherigeD.

') Der Verein deutscher Zeichenlehrer nimmt auch I^ahrer, die eine besondeie

Fachbildung nicht genosseo, auf.

2. HiQptfwiiiminlmig dm Tsniae dflatodnr Zdohanlehreg

607

Gegen 600 TeOndmier iiu aQtt TtOm Deatsolikncifl, Osterreidi-Ungamt Fhmland vsw, liatten sudi m die Listen angeieiohnet Die Tagesoidniing

der yersammlung und der aie b^leitenden Ycranstaltungen kann anBer» oxdentlich reich genannt werden, fast zu reich für einen Zeitraum von nur 3 Tagen. In Gecronwart zahlreicher Vertreter der staatlichen und etad tischen Behörden begannen am 13. Juni die Yeihandhmgen. Be- deutungsvolle Worte richtete Stadtschulrat Prof. Dr. Lyon an die Ver- sammlung. Hb mttase^ betonte der mit umsdhendem BdfaH bogittfite Redner, «neAannt ireiden, dafi der Zeiohenimtemcfat in kuner Zeit sidi an emer erstaunlichen Hohe und Bedeutung durchgerungen habe. Binat sei die abstrakte, -wesenlopc Linie das Aljiha uud Om^a des ganzen ünterrichtos gewesen, jetzt aber sei die bloße Korrektheit und mechanische Technik hinweggefegt ^^^e von einem Sturmwinde. Auch der bloße Naturalismus könne als überwunden bezeichnet werden. Das Zeiciinen sei der Trilger der Eanateraiehimg mid EnnstUMung geworden, ein Ans- dmekamittel für das Empfinden der Ktodeaaeele, gleichberechtigt mit Schrift tmd SpsBOhe. Man solle die Worte Knnstbildung und Kunsterziehung allerdings nur in beschränktem Sinne, als Geschmacksbildung und Ghe- schmackserziehung, gebrauclicu. Der Begriff sei zu hoch, so daß er durch zu weitherzigen Gebrauch leicht zur erblassenden Phrase herabsinken kannte. Die Tergaogene Zeit habe als Banptfoiderangen an die Bildung »Denken nnd Bedenc aufgestellt, die neue Zeit habe die Begriffe »Sehen imd Handeln« hinzugefügt. Die Sprache der Hand sei heute von ^eiober Bedeutimg wie die des Mundes. Der Schüler müsse erzählen lernen mit Stift und Pinsel. Alles Gezeichnete sei inneres Erlebnis. Der Blick nach außen, den mflsse miser A^olk lernen, nachdem es solangf den Blick mehr nach innen gerichtet Dies zu fördern, dazu sei der deutsche Zeichen- lehrer berufte. Wer davon flberseugt sei, dafi die Artieit am Tempel der Sonst gleichwertig aet mit der Axbeit im Dome der THaaensdiiit, der milssc aber auch bedenken, daß das Wesen der Kunst die FrcMheit sei Dem L(.'hrer soll diese Fn:»iheit, die Wahnmg der individuellen Persönlich,* keit im Zeichennnterricht gewahrt bleiben.

Über »Auffassung und Technik« sprach Paul Hermann -Dresden. Er -mea den inneren Zusammenhang zwischen der Auf&tssung des Kindes and ihres Ansdrocksmittels, der Tedmik nach, um su zeigen, wie efaie liditige Auffassung eigentUdi mit Notwendigkeit auch eine richtige Technik . bedinge» Nach einer Zeit starken naturwissenschaftlichen Yor^^ärtsdrängens sei nun eine Zeit gekommen, in der die Men9fiiheit Ruhe und Sammlung sucht in dem Reiche der Kunst Unsere moderne Zeit sei aber arm an Eigenkunst, die innere Wahrheit widerspiegelt Hier wie immer rufe man in erster Linie nach der Schule^ nach kOnstlerisoher Endehung. Sie will ja nidits anderes, als die schöpferischen Eritfte, die in jedem Mensdhen schlummern, wecken, sie will selbstlndig empfinden und schaffen lehren, vor allem aber eins vermitteln, was erste Vorbedingimg dafür sei: Die selbständige Auffassung. Das Kind stellt aber nur das dar, wa«! es inter- essiert und ist von seint^r nnvollkommenen Darstellung befriedigt. Die Klage, daß die heutige Jugend, mcht sehen könne, sei vollberechtigt Das

508

Ifittanmigan

liege au der von dor Beobachtung losgeUSsten Bildung, die meist durch BOoher vennittelt veictoi decen Äjakftm Tletfuh nioiit ehunal aäEbet an der QueUe aller Erkenntnu, der Natur geacbOpft liaben. Dorbh Seliea

muß sich der Mensch belehren. Die Kinderzeichnung bestätigt einerseits das Interesse, bestimmt den Umfang der Beobachtung und andrersoit> die Lust am Scliaffeu. Um mm das Zeichnen als Au.^drucksmittel zu erhalten, Lst es nötig, daß der ZeichenuntoiTicht von Anfang an die Kinder zu selbständiger Auffassung anhält Keine feston Formen, keine Typen, kein meohanischea Naohbüdenl das vHide za EMdilnldimg^ nidit za all- gemeiner BQdong ffihren. Sdhm yor Beginn der Sdudseit eignet sicii das Kind gewisse Formen an, die es beinahe gebrauchen lernt wie die Sprache. Diese heißt es in der Schule fortzubilden, indem man die Kinder zum freien und sicheren Gcl>raneh dieses Ausdrucksmittels erzieht. Die Zeichnung soll den Grad der Auffassung und die Stärke des Ausdruckes nachweisen. Ist der Wille geweckt, so wird die Darstellung von selbst ▼erhAltnismftfiig gut werden. Besondere technische Übungen sind deshalb höchstens als Willensübungen soiaeaig. Technisdie Eartigkeiten sa er- zielen hat zwar et-^-as ungemein Bestechendes, gereicht aber nur zum Schaden des Gesamtbildungszieles. Es ist nicht die Aufgabe allgemein bildender Schiüen, sondern die der Berufslehre. Zeichnen als Ausdrncks- mittcl des selbständig Beobachteten, des eigenen Innenlebens nicht nur anerkannti sondem aadi benutet zu sehen, das ist des Zeiohenlehieis Ziel Er kann es aber nicht allein erreichen, der gesamte ünterriolit mnB akdi seiner bedienen. Das mnfi Überzeugimg werden oben und unten und tll>erall. Dann ^v^rd man auch dafür Sorge tragen, daß der Zeichenunter- richt nicht abschließt mit wenigen Jahren; dann wird das Z&cbneD. als fester Bei>tandteil der ganzen Unterrichtszeit gelten.

Architekt Gabler-Halle behandelte in formgewandter Bede das Thema: »Der gnte Geschmack im Dienste des Eultuifertsofarittesc mit Blloksioht auf die FOiderang aDgemeiuer Qeistesknltnr und anf die Yeibesserang unserer wirtschaftlichen Yerhflltnisse.

Eine treffliche Paiullele zu dem ersten Vortrage bildeten die Aus- führungen von Fr. "Weißenborn-Leipzig: »Das Formen im Zeicheniuiter- richt.« Seine Thesen lauteten: »Das Nachbilden köqjerlicher Dinge in körperlicher Fonu (das Formen) ist das wichtigste Hilfsmittel zur Er- ziehung klarer und tiefer FormvorBtellmigen. Es legt den Grand za denjenigen ästhetischen Empfindungen, die durch Körpeifonnen ausgeltet werden.« Die Aussprache gestaltete sich besonders lebhaft Die Vorträge nebst den sii Ii daran anschließenden Debatten werden als Sonderbericht erscheinen. Derselbe wird auch die Verhandlungen aus der Deli'c-io rten- versammlung enthalten. Von fast allen Zeichenlehrerverbäudeu waren Ab- geordnete erschienen, um tiber den ZusammeosolduB der einselneD Ver- eine zn einem großen Verbände zu beiaten. Als Obmann fOr die Vor- arbeiten wurde Seminaroberleliier E. SlAner-Dresden geiwihlt Bereits im nächsten Jalire hofft man zu einem greifbaren Resultate zu gelangen.

Auch 25 Lehrervereine mid gegen 75 Ortschaften hatten für die Tagung Delegierte entsendet, ein Beweis, daß iu Sach£en auch in weiteren

8. Über das Waohstam der HoBkelknft bei Sohülem

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Kreisen ein tiefgehendes IntoitWDO an der Entwicklimg des Zdchenunter» lichts vorhanden ist

Eine besondere Bedeutung dürfte der Zeichenausstellung, bei der die versdiiedeasten Schulgattongen vertietea waren, zuzuschreiben sein. Sie fiefi die lebhafte Bewegung im Zdoheniinterncht der Gegenirart deatlidi erkennen und imterschied sich von gleichartigen Veranstaltungen haupt- sfichlich diu*ch die strengen Bedingungen, die man den Beteiligten auf- erlegt hatte. Es durften nur Arbeiten aus dem Jahre 1904/5 zni- Ans- ßtellunp gelangen. Gefordert wimle ein Lehrgang, der die vollständige Jahresarbeit mindestens einer Klasse (nur Arbeiten aus dem Massen- oder GrappenuBterridit) zeigte, und ans jeder Khase mindestens drei vollBttadige iniMiiHii1n!nlniigffli Anfieidem konnte jeder Aassteller noch ein von ihm besonders gepfl^ites Gebiet veranschaulichen. Zur leichten Orientierung in der Zeichen- und Lehnnittelausstellung diente ein mit hünstlerisohem Bnchschmuck vornehm ausgestatteter Führer.^)

Im engsten Zusammenhange mit der Tagung des Ycreins deutscher Zeichenlehrer stand eine Ausstellung »Einderkunst«, veianstaltet von dem Lehrerrereinsaiisedmß ffir Knnstpflego m Dresden. Sie nmfaBt roc allem freie, d. h. ohne den Zwang lehrender Beeinflussung entstandener Zeichnungen aus Schule imd Haus, die von Kindern versduedenen AlteiB gefertigt worden 9\n(\: außerdem ist eine kleine Sammhmg von Spielzeug und Bilderbüchern aufgenommen worden, die nur einige charakteristische Beispiele zeigen und den Vergleich der den Erwachsenen oft fremd an- mutenden Erzeugnisse mit der freien Kinderzeichnung und ihrer reichen Phantasie ennQgBoiieii soiD. Audi für diese AnssteUang ist ein Fahrer erschienen, der mehr ist als ein blofier Katalog. Es besteht die Absicht die AusstcJlimg ^wandern zu lassen. Anfragen sind an richten an: Lehrer B. Bfirckner, Dresden-A^ Hassestr. 7.

8. Über das Waohstom der Hnakelkraft bei Schülem wfthxend eines SohiUJalireB^

Von Iftrx Lobsien-Kiel

Li seiner ersten Mitteilung über diese Angelegenheit im 1. Bnd. Jaaitmek lud Sohnyten- Antwerpen, dafi die MoskelkEBft der Sdiflkr wihrend eines Sohnljahres nicht st^ag wachsend, sondern im Monat M&n einem Bückgange miterworfen ist Die damaligen Experimente wurden unter Anwendung von Stimulanz imd nur in zwei, den höheren, Volks- schulen für Knaben und Mädchen zu Antwerpen ausgeführt. Jedes Kind wurde um den 15. eines jeden Monats herum vom Oktober 1898 bis Juli 1899 swischen 2 und 3 Uhr nachmittags und immer unter denselben ümstlDden geprOft Die aUgemeinen Ergebnisse waren folgende:

*) Beide Föhzer sind ersohienen im KommissionsTeriag von A MüUer, Fröbel- hana-Dreedea.

*) Over de toeoame der Spierkracht bej kinderea gedurendel hat Sohooljaar. Iwaede nededeeling. Paed. Jaarb. 1904. Antweipen.

Digitizec uy ^^oogle

510

UitteiloDgen

Oktober

(1898)

Novembor

Dezember

Januar

(1899) !

Februar

S

April

Juni

C-i

46,9

48,7

49,1

51,0

49,0

51,5

53,4

55.8

58,2

Mädchen ....

4.3,4

43,6

45,2

45,3

48,6

48,1

48,1

48,3

48,8 j5'J,6

43,6

45,4

46,9

47^

49,7

48,6

49,9

50,9

52,4154,7»)

Schily ton hat die üntersuchungen erneut angesteUi Sr nnteisuchte Kinder, die zu Beginn der Untei-suchungen im Oktober 1901 genau 1 0 Jahre 9 Monate (1, VersuchsK-ihe), 10 Jahre 8 Monate (2. Reihe), 10 Jahre 7 Monate (3. ßeihej ait und über alle Schulen der Stadt verteilt waren. Hon aibeitete er aber ohne Stimulanz und suchte zu erkunden, ob andi jetzt unter den so verRnderten Bedingungen die frflheoren Besnltate Be- stätigung finden würden.

Er fmd folgeade aUgemeino Worte:

Oktober (1901)

November

Dezember

Januar

(1903)

Februar

März

April

e.

Juni

Knaben . . .

56,0

53,5

53,2

53,9

52,8

52,6

533

54,7

lOdohen . . .

46,2

43.3

42,8

43,4

44,1

4M

43,8

433

Oeatmt . . .

513

48,2

47,9

48,4

48,3

47^

4I»,2

Mithin ist der Monat März immer noch der niedrigste geblieben. Doch offenbaren sich anstatt der legdmftfiig anfsteigenden Kirre des Sduüjaliies 1899—1900 jetzt did »tansende« Kurven, die oCEeobar auf die neoeii Stimalosbedingniigen zurOckzuführen sind. Das frOhere Ergeb- nis aber ist im großen und ganzen bestätigt wonlen.

Die frülicren Vcrsnehc Schuytcns ergaben für beide Hände, wenn R 10 angenommen wiixl, als Yerliältniswerte für £inder von ö Jahren und 9 Monaten und von 9 Jahi'en 9 Monaten:

Knaben Mfidchen 10 : 9,2 10 : 7^

mit Stimulans, ebne aber fOr Eüader, die dem neuen Yenocli onter- irorfen worden:

Knaben Mfidchen 10 : 9,18 10 : 9,11

Es Hchcint somit, daß die Bedingimgen der neuen Yersuche keinen Einfluß goli;vl)t haben auf die Proportionalität zwischen den Zugkräften rechts imd links, auch reagierten jetzt beide Geschlechter übereinstimmend. Für Kinder ärmerer Eltern verlaufen die Kiurven zwar übei-eiustimmend,

1) Die Daten geben aa, wieriel Kilogramm der 601 noter 100 Sodem an d«i bekannten elyptisohen Dynamometer gedittokti benr, gengm hat

4. Die sdüeswig-lidateiDisolie llndliohe Voltohoohaohale

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doch zeigt sich sehr Idar, daft die aoaiil gut gestellten Eltern die kräftigeren Kinder habcu. Im allgemeinen verfflgen auch die iuteliektueli reicher bedachten Kinder Über eine größere Muskelkraft

4. Die sohleswig-liolsteinisclie ländUohe Volkshooli-

schnle ^)

Ton Fr. Lembke, Heide i. H.

Bio Anrpgimi? zn der BowcpiTig, die sich als Ziel gesetzt hat, eine ländliche Volkslioehschiüe in Schlos\\-ig--Holstein ins Leben zu rufen, kommt aus Dänemark. Aus dem Studium der dänischen Volkshoch^ichulen ist der Plan entstanden.

Die Idee, die Emricshtnng der Dliien nachzuahmen, ist seit dem Artikel in der »Gegenwart« 1895, 13 und 43, mohrfach in der deutschen Literatur mrogen worden, aber bisher mit negativem Erfolg. Wir halwn in Deutschland ja schon seit langer Zeit Yolkshochschulon ; sie befinden sich aber in den Städten und gleichen mehr oiler woniger don Einrich- tungen der englischen university extension, die mit der dänischen Ein- ricfatong venig gemein hat

Als idi TOT etwa swd Jahren mich Utaigere Zeit an den dftnisdien YoQDBhodhsdiulen aufhielt, wurde gesprächsweise mehrfach der Gedanke erwogen, ob in Deutschland eine Volkshochscluile ntich dänischem Muster möglicli sei. In meiner Schrift »Die dänische VoIkshtH-hschule« ^) habe ich den Gedanken etwas weiter erörtert und bin zu dem Ergebnis ge- kommen, daß die Möglichkeit vorhanden sei. Di^elbe Ansicht vertrat ich dann auch in mehreren Aufefttzen.

Unser kr&ftig au&trebender Yextand landwirtschaftlicher Genossen- schaften nahm den Gedanken auf. Er hatte erkannt, daß ein auch nur einigennaßoii vollständiger Ausbau dos ländlichen Genossenschaftswesens nur möglich sei, wenn tlie Volksbikhuig auf dem Lande gt^hoben wünle. Er setzte daher auf die Tagesordnung der vorjähiigen VerUmdsversammlung das Thema: »Genossenschaft nnd Bfldungsstreben anf dem Lande.« Die Yeiliandlungen fOhrten dahin, daß man allgemem anerkannte, daft die Oe- nossonschaften oiiistlich an der Volksbildung interessiert seien. Ein Aus- schuß wurde eingesetzt, der die Sache weiter verfolgen sollte.

Die ganze Lage der Sache brachte es mit sich, daß ich sowohl in meinem Vortrage als auch in der Vorlage für die erste Ausschußsitzmig die allgemeinen Gesichtspunkte in den Vordergrund stellte, ohne den Volks- hochschulplan ganz zu nnterdrOcken. Um so größer war meuie Freude, daß man mir in meiner ersten Sitzung alles andere stridi nnd nnr den Plan der Volkshochschule stehen ließ.

Dies Eigcbnis verpflichtete mich, emsthaft den Plan der kindlichen YolkBhochschule weiter zu verfolgen und einen genaueren Plan zu ent-

>) Yei^ die Zettnhiifk 1.

*) Zeitsohiift XL Kifli und Leipäg, lipaiv k aSsohar, 1904.

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MitteilaiigMi

werfen. Dabei war Rücksicht zu nehmen niclit nur auf den EntNvicklung»- gaDg, der eine eingehende Berücksichtiguiig der Verhältnisse des praktischen Lebens verlangte, aondem wach, auf die bereits bestehendeii landwiii- fichafüioihen Haobscihiilea und die ländlichen FertbÜdmigsBGhiileiL^)

Den Fachschulen konnte man nicht leicht zu nalie treten, wenn man allen Fachunterricht aus dem Spiele ließ, und somit die Schule zu einer Anstalt machte, die allen Schichten der ländlichen Bevölkerung zu dienen hat, die dalicr absieht von allem speziellen Fachwissen und dafür wirt- schaitliche und bürgerkuudliche Verhältnisse in den Vordergrund rückt, die alle in gleicber Weise inteiessieren.

l^t so leidit "war es, sieh mit der ländlichen Fortlnldangssdrale auseinander zu setzen. Vir haben in miseter Provinz beretts Uber 150 solcher Schulen, und es wÄre nicht nur unhistorisch gewesen, solche einfach zu übersehen, sondern es wäre bei solchem Vorgehen auch die Mithilfe aller Kräfte verloren g^;augen, die im Dienst der Fortbildongs- sdiule stehen.

Ein Ausgleich wnide gefunden, indem man eiDmal feetstelite, dsft Ijei der viel&ch recht zerstreut wohnenden BevOlkenmg in unserer Pro- vinz nicht alle G^nden lebensfiüiige Fortbildungssohiilen heben konnten,

und sodann, daß es den Schulen an Lehrkräften mangeln raüsse^ wenn man die Schulen nicht als einfache Fortsetzung der Volksschule gelten lassen wollte. (Jerade die Versorgung der ländlichen Fortbildungsschulen mit geeigneten LehrkrSftea erfordert, dafi ein Weg gefunden wezde, der es znlftfit, daS sich HXnner anssdhlieilich mit den emschligigen Aagen besehlftigen, und daß dann Anstalten erstehen, die eine besondere Schulung der nebenamtlich beschäftigten Lehrer besorgen können. Diese beiden FoiTlerimgeu können erfüllt werden, wenn ^viT ländliche Volkshochschulen haben. Ilire Lehrer leben ständig in den Fragen, die die ländlichen Fort- bildungsschulen beschäftigen müssen, und deshalb sind diese Anstalten auch wohl geeignet, dafi an ihnen Korse m Ansbfldmig von Lehrern an Fortbildangrachnlen abgehalten werden.

Können somit die Volkshochsdnilen enkeneits als eine gewisse Er- gänzung der Fortbildungsschulen angesehen werden, so lassen sie doch auch andrei-i^eits den Fortbildimgsschiden genügend Raum für ihre be- sondere Tätigkeit Selbst bei günstigster Entwicklung werden ^ir in absehbarer Zeit nicht dahin kommen, dafi wir alle BedQifnisse nach Fort- Inldnng auf den Yolkshoohsöhalen werden befriedigen kOnnen, und immer wird die Kostenfrage einen solchen ESnflnfi ansfiben, dafi nioht alle die Volkshochschule werden besuchen können.

Unsere Losung heißt danim Yolkshochschiüe und Fortbildungsschule.

Nach dem Vorhergehenden ist der Unterrichtsstoff aus der V^Iks- mid rrivatwirtschaftslehre und aus der Gesetzes- uud Bürgerkunde zu entnehmen, soweit dieselben fOr die breite Hasse der isnii^ow BenKSke- nmg Literesse haben. Übungen im Deotsohen und Beofanen sind an-

*) Yergl. »I^ndlicho ForlbildoogsBöhiils and ifr»<n*«>»a Yolkahoohaohids«. Siel TL Leipzig, läpaiiis & Xischer, 1905.

4. Die schleswig-holsteinische l&Ddlicbe Volkshochschule

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zuschließen. Der Unterricht ist anf keinen Fall in abstrakter systematischer Weise, sondern als eine Art Anschauungsimterricht zu erteilen. Nur auf solche Weise, iudem man sicli immerfort an Erscheinungen hält, die den Schfllem belaamt smd, dflrfte es geUngen, soweit Yentfndnis sa eniden, als erforderlich ist

Es kommt aber nicht allem danmf an, den Schülern ein bestimmtes Maß von Wissen und Können zu übermitteln, vielleicht durfte das nicht einmal in ei-stor Linie stehen, sondern die Schiller sollen vor allen Dinf^n Lust gewinnen, sich weiter zu bilden, weiter zu aibeiten in der Schule tmd vor allen Dingen auch im Leben. Wenn man die Arbeitsweise der dfinifiK^en Schulen betrachtet, so dürfte man Tom metiiodischen Standpuiikt an mehreren Stellen erhebliche Bedenken haben, die aber alle verschwinden» ■wenn man sieht, wie es ihnen gelingt, ihre Schüler zur ArbeitswiUig^nit und Arl-eitsfi-eudicrkeit zu erzielien. Dies aber dürfte sich durch einen yachuntt'irii ht reinster Fom nicht erreichen lassen. Will man lioi reinem Fachunterricht sich eine gewisse Gi-oßzügigkeit, die auch in kleinen Ver- h&ltnisseo nicht zn entbehren ist, bewahren, so muß man versuchen, dem rein Praktischen etwas Ideales an die Seite sa stellen.

Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, erh&lt der mystisch nationale Grundtvigianismus in den dänischen Schulen eine ungeheuere Bedeutung. Wollen wir die d,lTiischen Schulen nachbilden, so wciTlen wir versuchen müssen, die Schulen iiielit allein zu Vorbereitungsanstalten für die Praxis des Berufslebens zu miichen, sondern wir müssen üinen einen volkstüm- lichen idealen Inhalt geben. Das dflrfto doppelt notwendig sein, wo die Schalen nicht allein ffir einen Beraf arbeiten soUen, sondern allein Sehichten der ländlichen Bevölkerung in gleicher Weise dienen wollen, "Wir glanben dies ideale Moment in der Heimat gefimden zn haben. Allgemein ver- langt heute die Heimat ihr besonderes Recht; in imserer Nordmark, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch ilire eipene Gescliichte hatte, die auch in Kultur, in Handel und Wandel dalier manche Eigentümlichkeit aufzu- weisen hat, ist nicht nur das Heimatgefllhl besonders lebendig, sondern andL von hervomgender Bedeutung fOr die Yolhserziehnng. änd diese Yoranssetzungen richtig, so dürfte mit der Einfügung des Heimatunter- richts in weitester Form auch dem ganzen rnterriclitsbetriebe die erforder- liche Einheit ge,sichei-t sein, da ja auch Wirt^^chaftslehre und Bürgerkuude als Anschauungsunterricht l)etiieben wenlen sollen.

Nadi den vorstehenden Ausführungen dürfte die nachstehende Stunden- verteilung verstftndlidh sein:

Geschichte und Heimatkunde Deutsche Sprache und Literaturkunde Qeographie Natorkonde

Gesetzes- und Bürgerkraide Reehnen und Buchführung Leibesübungen

Zusammen 42 Stunden wOdhentlich.

ZaltMduUt fOr FliUowpUe and Pldigogik. 12. JahigM«. 83

6 Stunden wAohenthch, 10 2 4 6

8 „und 6

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5U

Mitteilimgen

Die Dauer der Kurse ist vorläufig nach dänischem Muster auf ö Monate fOr Jünglinge und auf 3 Mcmato fdr Jongfiaaen angenomman. Bgm Erfahnuigen werden uns lehren mflaoon, ob es bei dieser Festsetsmig bleiben kann.

Die Volkshochschule ist als ein Internat gedacht. Diese Form ist nicht nur deswegen erewählt. um allen Gegenden der ProNinz den Besuch in wenigstens annäliornd gleicher Weise zu enuOglichen, und imi die Kosten niedrig zu halteu, sondern vor allem um des erziehlichen Zweckes irillen. Wir vodea das gesteckte Ziel nur dann voUstftndig eiradm, irann wir eben nadihaltigen EinflnB auf die SdilUer ansllben klinnen. Darum milfi uns laran golegen sein, alle fremden Einflüsse nach M3g- lichkeit fem zu halten, imd zugleich die Schüler an ein (resollitTkeitsleben zu gewöhnen, das in ländlicher Einfachheit gesimde, den Geist kräftigoade Genüsse bringt. Das al)er ist nur dui'ch em Inteniat zu erreichen.

Es erscheint ferner notwendig, die ländliche Volkshochschule so ein- xoiiditen, daft sie in mfSglioliat enge Bedehnng zmn Volke ateht Des- halb ist wohl auf einen eriidblidien Znachuss dee Staates gerechnet^ dock soll die Sduüe keine Staataanstalt sein. Ein Verein, der die Sache fordern und den allgemeinen Balunen für die Organisation abgeben soU, ist bereits gegründet, imd schon zeigen sich die ei-sten Ansätze der Lokalvereine, die als Träger der Schulen auftreten sollen. Vereine, die die ehemab'gen Schüler sammeln, und in denen auch die Freunde der Yolkshochschnle ein Feld an lokaler Arbeit finden k(tainen, seUsn mdgliolist bald ina Leben gerufen weiden.

Die entstehenden Kosten werden nicht gering sein. Wir werden etwa 50 000 M für ein entsprechendes Gebäude anwenden müssen, werden auch jälirlicli zwischen 11000 imd 12 000 M aufzubringen lialieu. Die bisher gepflogenen Verhandlungen lassen uns aber frohen Muts in die Zukunft sdianen. Ist das Bedflifnia im Volke auch nur annlhemd so grofi, wie wir annehmen dürfen, und werden uns die Behörden ihr Wohl- wollen erhalten, so weixlen wir der Kostenfrage w^en nicht von unserem Plane abzustdien brauchen. Wir rechnen dabei nur mit den Beiträgen uns(:'rer ontreren T^andsleute, hoffen al)er aucli. daß ims aus dem großen deutsrlicn Vateriande Unterstützungon zugelieii wenlen. winl doch die Arbeit dem ganzen deutschen Volke zu gute komineu, wenn sie gelingt

Außer den Gesamfkosten för die Unterhaltung der Schule fiülen aber auch noch die Kosten wesoitBch ins Gewicht, die der Besuch der Schule dem Schider venu-sacht. Die Gesamtkosten, die der Schüler aufzubringen liat, sind auf 40 M im Monat voranselilagt, so daß ein Fünfmonatskursus auf 200 und ein Dreimonatskursus auf 120 M zu stellen k«ninnt. Diese Kosten sind im Voi-liältnis zu dem Aufwand, den andere Anstalten ver- ursachen, entschieden recht gering; sie werden auch von weniger be- mittelten Leuten sich erschwingen lassen. Wir halten aber dafOr, daS sie noch weiter enn&fiigt werdoi müssen, wenn der Besuch allen ermög- licht werden soll, wenn es wixkUch eine Volkshochschule werden solL Um eine weitere Ermäßigimg zu erzielen, ist beabsichtigt Mittel flüssig zu machen, die zu Unterstützungen für Schüler vervi'eudet werden sollen.

Das Frinxip der fieiirillj^att in dar Arbeit der hSheraii Sohnlen 515>

Ich nehme an, daß wir in der glücklidieii Lage sind, dabei nicht allein aiif öffentliche Nüttel angepriesen zu sein. Wir haben anf dem Lande- eine jranzc Reihe gut funtlierter Sparkassen und Genossenschaften, die alljührück eine sehr erhebliche Summe für gemeinnützige Zwecke aus- vafen, die anch zur Untentttteiiiig von joogea Lentan ans ihien Beiirlnn. gern ihre Beüstener geben weiden. "^eUetelrt wird es allein mit diesen Mitteln sich schon erreichen lassen, daß wir eine Summe zusammenbringen, die eine i-echt kräftige Unterstützung der Schüler ermöglicht. Wir lialten das Ziel für erreicht, wenn wir von Ausnahmefrillen abgesehen für die Hälfte (h^r Schüler die Kosten um Zweiilrittel ennäßigen können. VoUbtäüdig unentgeltlicher Untenicht erscheint nicht erwünscht, da das leicht die Wertsdiitzung der Sdudaibeit beeintrtiQhtigen kOmite.

Seher ist noch Tiele AAeit ro kistai, die nMiste vieHeidit ent dann, wenn die Schularbeit ndt all ihren Fehlem und kleinen Mißerfolgen einsetzt; der Anfang ist aber so, daß er zu der Hoffnung berechtigt, da^ ^ir bald die erste schleswig-holsteinische ländliche VolkshochRchule er- stehen sehen werden.

Nadtwofft

Nachdem der üntenelchnete vor etwa 10 Jahren wob. von dem aofier- oidentlichen ESufhüt^ den die dBnisohen YollEBhoGliscfaiilea auf die Ent- wicklung des dänischen Volkes ausgeübt haben und noch ausüben, sich

durch den Besuch Dänemarks selbst ültor^cngt liatte, schrieb er einen Artikel in die » Gegen wai-t« und schloß ihn mit der Frage: »Ob die Zu- kunft uns ähnliche Einrichtimgen in imserem Vaterlande bringen wird,, die wir es angeblich so herrlich weit in aller Bildung gebracht haben? Wir hoffen es, wenn diese Anregung auf froohtbaren Boden fUlt; wenn sieh Leute bei uns finden, die Hfihe mid Opfer nicht sdienen, um die dänischen Volkshochschulen zu studieren imd dann etwa mit Hilfe einiger Besitzenden, die die Zeichen der Zeit verstehen, den Versuch auf deutschem Boden wagen.« Nun, endlich ist die Zeit gekommen. Der Versuch wii-d in der Koulmai-k imtemommen. Das erfüllt uns mit großer Freude. UOgen die übrigen Landschaften, vor aUeni die Ostmark bald nachlolgenl Das ist wichtiger, als der Bau einer Bjdserpldz imd einer Bibliothek, so gute Dinge dies an sich sdn mögen. In der Gründimg von ländlichen Volkshochschulen liegt eine grolle^ für unser Volk höchst segensreiche Aufgabel W. Bein

6. Das Prinzip der Freiwilligkeit in der Arbeit der

höheren Schnlen

Mitgeteilt von Conrad Schubert- Altenburg

Das humanistische Gymnasiinn liat durch die Anfordenmgen, die Naturwissenschafton, GcrmanisLik und neuere Philologie erhoben und dozcib» gesetzt haben, ems Tedoien, das in den Zeiten FEiediieh Aogost WoUb, Gottfried Hermanns und Bitsdüs als ihr Chaiaktoristiknm gelten konnte^

83«

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•die Geschlossenheits seines Lehq^lans, die Gruppierung allen Cnterrichts um ^inen Konzentrationsstoff, die Antike. Das ist aus psychologischer Er- wägung heraus zu beklagen. Die Lelirpläne, sagt man, sind mit üirem ^cyklopSdiaolieii Streben inuiMr eddecditer geworden, der Dmok auf die •Schlllergeihinie iriid isimer grOAer, und gdienit -wirl in Snmmn immer Aveniger etwas Bechtee. Die klassischen Philologen rufen triumphierend: ^So mußte es kommen, daß ihr den einheitlichen Bau des alten humani- stischen Gymnasiums durch falsche Einbauten zei-stört und gelockert habt! Wir liaben gar nicht klassische Philologie und Altertumskunde deshalb getrieben, weil wir das Wissen von diesen Dingen für das Höchste und einzig Wichtige hielten. "Wir haben sie getiieben, um an eineni Xbcempel zur Methode m erziehen, aar idealistisdien HeHiode. Das Wissen ist vuH zu groß. Das kOnnen wir gar nicht übermitteln. So haben wir nns auf ein Symbol beschränkt, um an dem Methode beizubringen. Diesen Weg habt ihr aber leichtsinnig ganz verloren. Ihr stopft das Wissen selber heuschobeihaft in die Schule und erreicht nur, daß alle Methode darüber ziun Teufel geht und der Stoff doch nicht bewältigt wirdl«

Dagegen eadiebt nim ein Katoiforsoher seine Stimme nnd fragt: Haben wir im Jagendunterricht heute wiiUicih die Zeit, eine ganze lange Reihe der ftisdiefiten Jahre blofl einer Vorschule für Methode zuzuweisen? Wilhelm Bolsche^) ist es, der neue, beachtenswerte Vorschläge bringt, imi den Gymnasialjahren den Charakter schwerer Belastungsjahie, den sie •ohne Zweifel für viele jetzt haben, zu nehmen.

Er argumentiert so: Beim Lebensbenif wird der am meisten nnd am leichtesten etwas kästen, bei dem sich natfiriiohe Beanlagang und Berafs- Arbeit decken. Die Gabe erzeugt den Fleiß in logischem Zusammenhang. Es ist ein himmelgroßer sanitärer T'ntcrschit^d, ob ich eine schwere Arbeit gern tue oder ob ich sie als Zwang empfinde. Und dieses große geistige Gesundheitsprinzip, das Prinzip der Freiwilligkeit, muß in irgend •einer Form auch schon auf den Gymnasien zur Geltung gebracht werden. Denn auch hier gilt der Sats, dafi, wenn Schulstoff nnd Begabung zusammenfallen, gern und frsodig md imi^blidi intensiv ohne geistige SohAdigung gearbeitet vdrd. Die ▼ersohiedenen B^bungstypen werden je zur Philologie, zur Mathematik, zum deutschen Aufsatz die Galn? der Veranlagimg imd damit die Frei\\illigkeit hineinbringen. Wenn mm das alte humanistische Gymnasium bloß auf das philologische Feld eingestellt war, so konnte nur der Sdiüler mit keimender philologischer Anlage^ mit intmÜTem Sinn für das äbstiaikt Logische der Grammatik jenes geheimms- volle, geistig gesund haltende Plus empfinden, das aus der EongeniaÜllt des Schulstoffes und der Begabung hervorwftchst. Wenn aber das moderne Gymnasium in seinem falschen encyklopädischen Streben und mit seinem Ideal des Eklektischen von allem gleichmäßig etwas erstrebt, so leiden alle unter dem Zwang und leisten nichts Erhebliches.

fiisoism hat B9lsohe recht, daB in der Bntwiddnng des Jünglings

Welt blick, Gedanken sn Katar und Ennat Dvasdsn, Geil Baifiner, 190L

6. Bas Pmaof der nniwilUgkaifc in dei Aibeit dar hj&hM«n SobnUii 517

ein Zeitpunkt eintritt, in dem sich rin starkos Interesse nach irgend einer Kichtung, entweder der historischen oder der naturwissenschaftlichen cxler der tochuischeu, geltend macht. Da, wo eine Galx? ist, stellt sich auch ein unglaublicher Fleiß ein. »Was leisten Jungen mit technischer Ver- anlagung in dieser Hinsicht freiwillig Ton früh auf! Mit welchem FleiB bricht, wo de da ist, die Künstlergabe daiGh! Soll dieses migeheaie ge- gebene Kapital uibeniitKt Ueiben, bloß weQ IVeode darin ist?«

Auf diesen allgemeinen hier nur kniv. skizzierten Erwägungen baut Bölsche seinen die bisherige Organisation der höheren Schulen voll- ständig lungestaltenden Reform Vorschlag auf. Da sclion der Sextaner die Gnmdlagen der Hauptrichtimgstalente oder Methodeuunterschiede, die im intnitiTen Spiel der Aufmerksamkeit und der Assoaation liegen, mitbringt, 80 muß die Sdiule mit diesen Begabnngsdifferaiueii rechnen. Irgend eine- (Übe zeigt sich als eouditio sine qua non bei jedem Menschen, und in dieser Gabe liegt seine Lebenschance. Was nottut, ist, daß diese Gabe erkannt und entwickelt wnrd und daß alle übrigen Fähigkeiten nur um sie als den Seh werjj unkt gruppiert werden. B Öls dies höherc Sehlde soll jene finden. Die erste, unterste Klasse bildet die Klasse der Taleutpi-obe, Der Lehrer versnobt, durch adilichte Proben die Masse der ihm gegebenen Indhidnalititen auf gtOtere Bubriken nach dem Tilent an ordnen. BOlsckie denkt sich das meines Erachtens zu einfach. Selbst ein psychologisch, eminent geschiüter Pädagog würde hier dio größten Soliwici-igkeiten haben. Auch die einfachste Artgrnppierung dürfte nx-ht schwierig sein. Bölsche meint^ in zwei Jaliren wäre es möglich, die Schüler unter die immer wiederkehrenden Rubriken aufzuteilen. Er nennt als solche das mathe- matiscfae Talent, das Talent fttr den deutschen Aufsatz, das Talent für Zeichnen, das Talent für rein tedmisohe Fertigkeiten, das Spraefatalent. Wenn man sich mit der B^gabiiiigBliheorie genauer beschäftigen würde es ist das ein noch sehr wenig wissenschaftlicti V>oliainloltes Gebiet , dürften sich sehr bald große Schwierigkeiten in der rielitigen Klassifizierung herausstellen. Erst recht, wenn man diese so früh vornimmt, wie Bölsche wilL

Für alle, die mit Professor Zillera Sdiriftaa vertrant sind, ist der

BOlschesche Vorschlag nicht überraschend. Auch Zill er meinte,^) dafi* adum in der allgemeinen Erziehungsschule (als solche sah er auch die hf^here Schule an) die individueUo Seite des Zöglings, die dem Benife zu- gewendet ist, berücksichtigt werden müsse. Von dem Zeitprmkt an. wo der Zögling anfängt, sich seiner Individualität deutlich bewußt zu werden, woDte Ziller Nebenklassen fftr die Spesialriohtangen, denen jeder zuneigt, einfOhren. In den h(9ieren Sobnlen soDe dies aber spit ge» schehen, denn eine je reichere BOdoDg ein jeder in sich ansammele, desto spftter schüefie er ab^ desto langsamer reife er einem bestimmten Berufe

') Vergl. Dr. Biirwald, Tlieorie dor Begabung, psycholop.-päd. üntersuchuDg über Existenz, Elas.sifikation, Ursachen, Bildsamkeit, Wert and Erziehung mensch- licher Begabungen. Leipzig, Rei^land, 1S90.

>> AUg. PM. 8. Aufl. 1802. (Just) & 1B&

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JCittoümiigos

•entgegen. »Die Einrichttmg' ist aber deshalb allgemem notwendig: mn €0 weniger wiitl ciaiiu die Fa-hhildimg in die der Allgemeinbildung ge- widmeten Uaaptklassen der Erziehimgsscliule übergreifen und ihr Abbruch ton, um flo hem» tmd aber dort die sp&tere EMshbildiing ▼oiteteitotc Auoh Ziller hatte, wie BOlsohe eEtaumt» dafi die Last üntemoiili ^bdurch nicht vermehrt würde, weil die Individualität für ihre Tendeniai gar ieiner großen Nachhilfe bedarf. Es werden schon Anleitungen zur Betätigung der eigenen Kraft genügen. Der Unterricht auf diesen höchsten •Stufen der höheren Schulen soll überhaujit die erweckte und nach allen Seiten regsame Selbsttätigkeit dee Zöglings nur leiten, und damit ist auch der Baum und die Zeit fftr die KebrnMiiwen gfftcMhm. Ziller hat i. S. mskif mm er dieae BerOokakditignng der Begabaag im Ihtereaae der AB» Ipemembildung möglichst weit hmaoBiilBQllieben wünschte.

Bölsche gibt auch ein genauer ansgeführtes Beispiel, wie er sich Allgemein- und Talentbildung vereinigt denkt Bei ihm ist es umgekehrt ^ie bei Ziller. Die Tjüeutklasse ist die Hauptklasse, die Allgemeinbildung geht nebenher; in jener liegt der Schwerpunkt Aus der ProbekJasse <Seacte and Quinta) werden aehn KiOpfe anf die Gabe dee deotBohen Alf- «atzes gewählt, das aind die kftnftigen SoiuillBteiDer aUer Art, mit Bb- schluB der Poeten. Es ist die bevorzugte »deatsche Klasse«; sie bleibt -es bis hinauf zur Prima. Sie erhalten ihren deutschen Unterricht für sich, ihr deutscher Lehrer ist ihr Ordinarius, von dem alle Entscheidungen über Ansti^ in höhere Klassen abhängen. Hier könnte nuu das Vorzüg- Hohste geleiatet werden, weil die Begabung und der logisch aus ihr eQt> springende MwUIige Fleü Toriianden aind. Keben den Xfileatanden, die kontinuierlich durch alle Klassenstufen das eigentliche Lemaentram bflden, gehen die andern Lehrstunden, die aber jetzt ausgesprochen nur der All- gemeinbildung dienen. Also der künftige Benifsschriftsteller , Benifs- philologe, Benifszeichner haben auch gemeinsame Matheniatikstnnden nach einem Lehrplan mit geringeren Zielen, als die et^'a ausgesondert«3n zehn Begabongamaliiematiker; es aind mdir Anregungsstonden, aie aind von aekondärar Bedeatong. In diesen es kein Überhören, keine An»> wendiglenerai, keine Übersetzungen, keine HausanlgabeD, aondem viel Anschauung, yki gomsinaBme LektOie^ viel Anleitwig som TerstindigOB Lesen u. s. f.

Einen weiteren Vorteil hätte dies, meint Bölsche, weil dadurch auch solche Lehrer zu einer echten Ordinariusstelle kämen, deren Berufs- liflle jetat nur ein gednktetes Anhflngsel im Tiehrplan waren, s. B. der Zeiehwilehrer. »Was ist Zeicbnen für eine eminente Brofknnstt üad wie hat das humanistiaoihe Gymnasium sie und ihren Vertreter stets behandelt !c

Als l'T)ergang zu dieser höheren Schule der Zuk^inft könnte das schon jetzt durchgefühi-t werden, daß das Fach bei allen Zeugnissen imd Versotzmigen als das entscheidende Fach g^t, zu dem einer besondere Begabung hat Ausgezeichnete Leistungen in der Mathematik müBten alle spracUkhen Uankos kompensieren. In den Fbten, fOr die einar keine Begabang hat, mflßte einer mehr als HbepitMit gelteD, bei dem ge> nllgt» wenn er nnr vaHOigi und allgamem folgt JedenbUa kOnnto

5. Das Prinzip der Preiwilli^ttt in der Arbeit der höheren Scholen 5X9

aber nur vegon der Sch\neric:koit des gleichmÄßigen Fortschreitens des Gros der Schüler mit den Eliteschülem ein Übergangsexperiraeut sein \md würde in logischer Konsequenz zu Eliteklassen der einzelnen Fftcher fOhraiL

Die skizzierte Idee hat nach BOlsche zwei Yorteilei, einen fOr das ganz Reale, den Exiatenskampf, die BenilB- und Brotfrage, indem sie die

vorhandenen Bogabimgen zeitig nutzbar macht. Andrerseits hebt sie das ethische Niveau der Lernarbeit, indem sie eine ewige Quelle des Mißlichen. Unfrohen, Widerwärtigen verstopft. »Von den besten, edelsten Männern im späteren Leben hört man die ewige Klage: es hat miB nlolits genüM und es hat uns aufierdem so gequllt, dafi wir heute noch in der Bp- innenmg den Dingen von damals fluchen wie ein ohnmäditiger Sklave; das ist denn doch keine nüchtom-praktische und es ist ganz gewiß noch weniger eine ethische "Wirkimg. Nur wer an beiden Stellen bessern könnte, der dürfte hoffen, einen branclil lai^en Vorschlag l)€'igebracht zu haben. Öchliüßlich muß auch der kom>ervativste klassische Philologe zu- giebea: im Stadium des HienimdokleRis sind wir heute doch einmal, hier drucken wir uns nicht mehr voihei. So mag ein YotscUag mehr auf aUe EUle ohne Schaden m die Masse eingehen.«

So schließt Ische seine gewiß interessanten Vorscliläge. Wir sind weit entfernt davon zu glauben, daß dieselben schon reif wären, in die Pmxis umgesetzt zu werden. Al)er ein gesmider Geilanke liegt ihnen zu Grunde. Wie jetzt in der Volksschulorgauisation das Mannheimer System mit seinen mhigkeitHklafwen zu vielseitigen Überlegimgen in der Achtung geClUiit hat, daB man sidi emstlich ingte, wie man die biadi- liegenden Kräfte der Begabten besser molnl macban könne, so muß man auch auf dem Gebiet der höheren Schulen es nur mit Freude liegrüßen, wenn man den Gedanken des Prinzips der Freiwilligkeit ernstlich V>espricht. In Nordamerika kennt man bereits tlas Organisatiousprinzip der wahlfreien Fächer. Alan kann Bölsche darin beistimmen, dafi es fOr den FhiMogen wie fflr den Malhematiker eine Qual ist, mit unbegabten Sdhflleni zu arbeiten. Beide bedauern, mit denen das Ziel nicht erreichen zu können. Abel' e<5 erheben sich Frasr^^n aller Art, die so leicht nicht bcant«'ortet wenlen können. Zuerst die Hauptfrage: Ist wirklich eine einheitliche allirt iueine Bildung nicht mehr möglich und muß die Differenzierung schon auf der Schule beginnen? Diese Frage hat bekanntlich der fi-ühere Ein- heitsschulveiein (Homemann, Uhlig, Friek, EL Schiller, Ghistay Richter, Lothar Meyer u. a.) vemeini Dunsh die Bewegung der Beformschulen ist diese Frage wiederum lebhaft in den Vordergnmd gerückt und bejaht worden. Durch die Dreiteilimg der höhei-en Schiden in humanistische Gymnasien, T?'^a.lgyranasien und < )l.errealschulen soll den verschiedenartigen Begabimgen R'-clmung getiugen wei'den. Bölsche ist der Meinung, daß dies durch diese Organisation nicht in genügendem Mafie g^hieht Übrigens war auch hn Einheitssohulverein bereits vorgeschlagen worden, die Schüler später in ▼erschiedene dmch fakultativen ünterricht gebildete Abteilungen zu trennen, welcher Yoischlag aber als dem Einheitsschul- gedanken zuwiderlaufend iaUen gelassen wuide. (Yergl Bein, Encyklopfidie

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Mitteilungen

I, 779 und V, 777.) Dor pomoinsame Unterbau der 3 Schulgattimgen würde, wenn allgemein eiiigefülirl, eiue Artgruppierung iin Sinne Bölsches ennöglichen, aber nicht in der speziellen Alt, in& dieser will, sondem in einer mehr allgemeinea Bilferenaenmg. Soweit daxf die Saohe doch wohl kaum getrieben Verden, daß schon auf der höheren Schule für einen gani bestimmten Benif vorbereitet wird. "NVinl abor nicht bei dem Verfahren Bülsches das Niveau der Allgemeinbildung herabgedrüokt woixlenV Eher scheinen uns die Bestrebungen in der Bewegung der Refonuschulen dem gesunden Xern in Bölsches Vorschlag Rechnung zu tragen, die darauf hinansgelien, den gemeinsamen ünterbaa anf 6 Jahre anssndehnen. Dann würde nur der Oberbau sich gliedern in 3 Richtungen durch Aufnahme des Griechischen oder des Englischen oder duidi stirkere Betommg der mathematisch - naturwissenschaftlichen Fächer.

Bölsche genügt aber offenbar diese dreifache Abzweigung nicht, er verlangt Berücksichtigung der historischen, technischen, der scliriftstelle- lischen, der kflnstienschai ^eate. War liegen noch schwierige Probleme^ die aadi erst gelOst werden kOnnen, wenn die WertsohitKang der BfldangB- elemente eine andere geworden sein wnd. Vorerst sind wir noch sa sehr in den Vonirteilen befangen, die wir dnroh unsere eigene Aas- bildung aberkommen biUien.

6. Der euglisclie Unterricht in den Volksschulen

Hambargs

Von A. Schwieker

Als im Jalu-e 1870 der hamburgische Staat die Schulpflicht einführte und seine ersten Vollisschulen einzurichten hatte, bestimmte er durch das Uutenichtsgesetz, daJi in den Lehrphm der tnaljonschuleu auch die eng- Ii sehe Sprache als obligatorischer ünteEiichtsgegenstsnd an%€noiiimen weide. Durch diese Einiiehtong wollte er wohl in erster liafe die Be- dfirfnisse des Berufslebens berlldodchtigai, das in einer so bedeutenden Handelsstadt wie Hamburg auch von den aus der Volksschule abgehenden Schfiloni Kenntnisse im Englischen fonleit. Seit der Einfühnmg des englischen Unterrichts sind bei-eits Jalirzchnte vergangen. Wohl liat die Oberschulbehörde es für nötig beftmden, den Lehrplan der Volksschulen KU revidieren, dodi übenengt yon dem Werte des enc^isdhen üntemchts, hat sie dieses Each im Plane beibehalten.

Unsere Ejiabensohulen beginnen mit dem Erlemen des Englisdien im fönften Schuljahre und verwenden darauf in der dritten, zweiten, ersten Klasse imd der Sclckta je vier Stunden wöchentlich. Als Ziel des Unterrichts bestimmt der amtliche Lehi'plan: »Die Schüler sollea bef&higt werden, englische Lesestücke ins Deutsciie zu Qbeisetien, leiditere Sprachstoffe aas dem Dentschen ins Englische zn Obertragen nnd sich über naheliegende Dinge in englischer Sprache auszudrCkshen.« Was die Lehr weise anhingt, so hat seit einem Jahrzehnt an die Stelle der grara- matisierenden Methode die Anschauungsmethode treten dfiifen. Auch

6. Der englische Uutemoht in den Yolksschuleu iiauiburgs

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für den fremdsin-achlichen Unterricht ist der Oninds<atz niaßfz^ebond ge- worden: -»Alles Wissen wurzelt iii der Auscliauuiig.* AVälueud jene Methode tqh grammatiscben Hegeln ausging, werden jetzt, besondeis im eraten und zweiten üntemohtejalue, SpcaGhstHoke (BeBGhreibiuigen) anf- gebant Diee geschieht unter kräftiger Beihilfe der Ansohammg dnroh Bezeichnen der Teile imd Eic:cnscliaften eines Pin,c:es am •wirklichen Getjenstande fxler au einem Bilde oder einer Zeiclmimg und durch An- deuten der Iliindlungen nüttels Darstellung der Bewegungen, wenn nötig, unter Zuhilfenahme der Muttersprache.

Nach der EntwieUnng des SpraohatfloikeB werden die Benennungen fflr die TSti^eiten, die I^ge, die Eigenscthaften UBW. an die Wandtefel geedirieben nnd bei dieser Darbietung in Reihen gebracht d. h. nach den Woi-tarten geordnet. Erst nach diesen Vorbereitungen wird das Lehrbuch zui' Hand genommen mid das Stück gelesen und übersetzt.

Nachdem die Schüler im Lesen und Übersetzen völlig sicher sind, beginnen die Übungen, die auf ein grOndüohes Yeiurbeit^ des Stoffes a])nelen: RaokObersetzenf Abfragen des Inhalts, Wiedererzählen und Um- wandeln nach Person und Zahl und spftter nach Zeit.

Den Schluß bildet die ans dem bekannten Lesestoffe dem letzten und den finiheren Stdcken herauBgearbeitete grammatische Belehrung und ÜViung.

Eine erfrischende Abwechslung in den Sprachstoff bringen die Er- sählungen. Auch bei ihrer Beihandlung heiAt es, nicht vom Fertigen, wie das Buch es bringt, ausgehen, sondern den Stoff unter Anwendung der

entwickelnden Gesprächsform anfbauen. Neu auftretende Wörter sucht der Lehrer durch bekannte zu erkUren oder übermittelt nOtigeofsUs ihre Bedeutimg durch Verdeutschung.

Dem Unterrichte wird fast an allen Knabenschulen das von dem Ver- fasser dieses Artikels herausgegebene Lehr- und Lesebuch der eng- üsdien Sprache^) zu Onmde gelegt, ein Lehibuoh, das ans der Praxis an unseren Schulen hervorgegangen ist

Bd der Behandlung der Sprachstoffe wird auch dem Gnmdsatz Rechnung getragen: »Die Klarheit stammt aus dem Vergleich.« So oft wie möglich wird die sich häufig bietende Gelegenheit benutzt, auf die Verwandtschaft des Englischen mit dem Deutschen näher ein- zugehen. Dies geschieht, denn eine Yergleichung vermittelt ein tieferes Verständnis der Erscheinungen der fremden Spraohe, weckt im Sc&Hler ein lebendiges Interesse an denselben und untnstfttet in hohem Qiade das Gedächtnis für den erlangten Wortschatz.

Ein zweites Mittel, das sehr häufig Veranlassung zur Yergleichung gibt, wii-d von den meisten Kitllegen auch jetzt noch ziu- Anwendimg ge- bracht, es ist das Übersetzen aus der Mutterspiache. Wenn der Schüler

Lehr- uod Lesebuch der englischen Sprache naoh der direkten Ibtiiode. Mit mehieren Abbikhmgen und einem liedeianhaage. 14. AulL Him- bozg. Yerlag von Otto Meißner. 1,0011. > Hferm: »Methodische Anleitung« (die unent^tUch abgegeben wird).

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522

Mitteilungen

sowohl im Erkennen der grammatisrheii Können, als auch im selbständigen Bilden einzelner Formen nach durchgenummeucn Regeln geQbt woiilen ist, tritt das Übersetzen auf und rwar die Übertragung von Stöcken, die aiSff- Hchst sasBnmieiihBiigend and, aioli fluem Inhidte nach an die gegebensQ Stücke anschließen und den wa edemendea granmiatischen Stoff zur manniL''farhon Anwendnng bringen. Diese Übung ist ein sicheres Mittel zur EinüTnmg und Befustigimg der grammatischen Fonnen und Konstnik- tionen, wie auch dos Wortschatzes. Sic bietet eine sichere Kontrolle darüber, ob tlas zu Eiiernende richtig vei-stauden und sicher angeeignet wotdm ist und ist dämm als Prü&tetn zn echitawn.

»Die Ifeistenohaft entstellt diiroh Übung.« Dem Ziraeke der Übung dienen die schriftlichen Arbeiten. In der Klasse wird fMfiig naoh Diktat und aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Während man anfangs den Sprachätoff in der vorüegenden Fassung diktiert, bietet man ihn später in mannigfach veränderter Form. Als eine passende schriftliche Übung in der Klasse hat sich auch das Diktieren von Questions und das antworten deraelben erwiesen. Die hfaaliolien sduiftUohen Aibeiten sind recht mannigbcher Art Sie bestohsn in Abechreiben, Bilden von Wor^ reihen, kkintti Umgestaltungen nach Person imd Zeit, Beant^'orten von Fragen, Bilden von Fragen, Anfertigen leichtor Aufsätze nach Angaben, in in>ersetzen und grammatLschen Cbungen. Fih- die Uljei-stufe hat sich besonders das selbständige Bilden von Fragen im Anschluß an den be- luindeltea Lesestoff als wertvoll erwiesen. Die Schüler lernen die fremde Spiaohe fOr das Leben pzaktisch handhaben.

Da es sich bei dem in Anwendung gebraohtan Unternohtsver&Lhreii häufig um ein Aufbauen imd mn ein Mittim von seiten der Schüler handelt, so ilarf gesagt werden, daß sie mit Lust imd Liebe bei der Sache sind. Sie lernen hüivn und verstehen, wie auch die fremde Sprache selbst sprechen. Da der Stoff aus dem gesamten Anschauungsgebiet ge> wflUt ist, so werden sie mit dem fQr das pmktiaoiie Leben Notwendigen ansgerflstet. Wie anch andere EoUegen haben erfshran dflifen, nimmt ein Schüler von dniohschnitäicher Begabung, der es an dem nötigm FleiS niclit liat felilen lassen, ein gut Teil Englisch mit ins Leben hinaus. Er win-de befähigt, leichte Spnichstücke, z.B. Briefe, in denen es sich um die Mitteilimg eines Wimsches oder um die Darstellung eines Vorganges handelt, zu lesen und zu übersetzen und sich der fremden Sprache münd- lich und sdiriftlioh su bedienen, wobei es sich natOrlidi nur um be- scheidene Leistungen handeln kann. EaUs das Leben hOhers Anforderangen an ihn stellt, so kann er leicht aeme weitere Ausbildung veranlasse

Hinsichtlich der Anforderungen, die das Unterrichtsverfahren an den Lehrer stellt, ist zu bemerken, daß die Behandlung der Spcaohsfeoiffe eine gründliche Vorbereitung erfordert

Zu den wesentlichen Bedingungen für den Erfolg des ünter> ridits gehören, wie die ürfshiung gelehrt hat, die siohere Aneignung der behandelten Sprachstficke, femer die häufige Wiederhohmg des durch- gearbeiteten Stoffes und endlich die regelmäßige Übung in der schrift- lichen Darstellung, die wonLOglich am Schlüsse einer jeden UntenichtB>

6b Der en^isoho Unterzioiit in dea VidkasolralMi HambiugB

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sümde anznstellen ist. Es gilt, alte ErfahnrngssÄtze zn behor^it^n \m<\ fleißig zu befolgen: Eile mit Weile! Ropetitio mater est stadionim und NuUa dies sine linea! (Kein Tag ohne Federstrich!)

Der Erfolg des Untcnichts wird gänzlich in Frage gestellt, wenn die Klasse ans minderwertigen Scfafllem «wamtMingesetrt ist Darum sollte an einer Schule, die obtigstonsdiea üntemdii in einer fremden Spiaohe liat, von Klitöse za Basse scharf versetzt werden.

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß einige Kollegen auch die von dem Professor Gouin enlachte »Serienmethodo« in Anwendung bringen und bei ihrem Unterrichte die von dem hiesigen Koliken Höft heraus- gegebenen »Englischen Serien« benutzen. Bekanntlich handelt es sich bei der SenemneChode nm die Daiateillimg von Yorgftngen. Sie ledflgt einen Vorgang in EinzeUumdlmigen, reiht sie mit Rücksicht auf die zei^ liehe Folge aneinander und begleitet die T&tigkeiten mit subjektiTen Äuße- rungen des Wohlgefallens oder Mißfallens, der Zustimmung o<Ier Ab- neigimg usw. Auch bei dem Unterricht nach der Anschauungsmethode handelt es sich neben Beschreiben von wirklichen Gegenständen und Bildem manfhmal vm die Darstellung eines Vorganges. Für die Daiv Uetong eines soldien dOifte es sich empfehlen, naoh der Weise 0oninB Reihen zu bilden. Jedoch einng und allein Serien zu behandeln, dürfte nicht gut zu heißen sein ; denn auch in Bezug auf das Unterrichtsver&diren heißt es: Variatio dolectat. Die ganze Grammatik in fremder Sprache zu lehren, wcnleu gewiß die meisten Kollegen mit mir nicht für ratsam halten. Abgesehen davon, daß eine derartige Übermittelung zeitraubend und schwierig sein wflrde, hat andh die Kenntnis der fremden grun- madsofaen Boeiöhnangen für das praktische Leben gfr keinen Wert (Vg^ meinen Artikel an der Serienmethode: Pädagogische Befonn Nr. 2, 1901.)

Bisher ist nur von dem englischen Unterricht an unseren Knaben- schulen die Rede gewesen. Es gereicht mir zur großen Freude, mitteilen zu können, daß auch an manchen unserer Mädchenschulen die eng- lische Sprache gelehrt wird und zwar fakultativ. In einer Beurteilung meiner »Methodischen Anleitung« zu dem von mir herausgegebenen Lehr- bnche äufiertsich ein HiaapÜehrer einer hiesigen Mädchenschule: . . . »Isäi bedaure, daß das Englische dem Lchrplan der Midchenschulen fehlt Wenn auch die Resultate im Englischen bescheiden sind und sein müssen, so ist dabei nicht zu übersehen, daß einerseits dieser bescheidene Anfang sich später oft als recht nützlich erweist, daß andrerseits die geistige Schulung sowie der Gewinn für das Deutsche sehr wertvoll ist . . . (Hambnrgisdie Schnlaeitang Nr. 61, 1903.) In nSchster Zeit wird anoh die OberschalbehOrde sieh mit der Frage der EinfQhnmg des «ngliBAhnn Unterrichts an unseren Mädchenschulen beschäftigen.

Einige unserer Knal>enschulen bieten ihren guten Schülern in den It'tztt^n beiden Schuljahren auch noch französischen Unterricht. Tn uiiücrm Lehrplan heißt es: »Soweit es die Verhältnisse gestatten, hum anoh ünterrioht in der franaOsischen SpcMhe erteAt trecden, jedoch vi in jedem einaelnen EUle die aaadrfiokliQlie Oepehmignng der Obeiscliiil- behArde^ Sektion für daa Volkssohnlweeen, «rCoiderlioh.«

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Ifitteaviigea

Fragen wir uns, wius die AuinaJime tlieser Bestimmung in den Lehr- plfltt TenuüaSt bftben mag, so haben irir -wohl nicht aUein an den Kirtieii für das BeruÜBlebea zu denken, sondern auch an die andern grofien Vor« teile, die jeder fremd spi achliche Unterricht gewährt. Das Er- lernen einer fromtlcn Sprache fördert in hohem Maße die Verstandes- \hkI die Willensbilihmg und ist darum ein hervorragendes Mittel formaler Bildunpr. Es entsprielit auch dem lu^sonderen Cliaiukter der i^ehobenen Volkssclude j denn es hilft deren wichtige Aufgabe lösen, die Muttersprache za pflegen. Der Yorwnif, daft die Eilemong der fremden Sprache den ttbrigen Untenrioht beeintrfiahtige, mnfi sarOökgewiesea ireiden. Dmoh sie winl \-ielmehr ein Gleichmaß formaler und mateiialer Bildung herW- gefrdirt. Ziu- Bestätigimg des Gesagten mögen einige Urteüe dienen. Aug. Horm. Niemeyer sagt in seinen »Giimdsätzen der Erziehimg und des Unterrichts:« »Nichts beföi-dert und konzentriert die anhaltende Auf- merksamkeit und den unermüdlichen Fleiß so sehr und gibt soviel Ge- legenheit, scharf anzumerken und Schwierigkettsn dnroh Anadaner m fiberwinden, als die zur Erlernung emer fremden Sprache erforderlichea Übungen.« In seiner »Allgemeinen Pädagogik« führt Waitz aus: »Bei der Eilommig der fremden Sprache wird das Fremde fortlaufend an das angekni'nift imd mit dem verglichen, was die Muttersprache bietet. Da- durch tritt erst die Muttei-sprache selbst in ihre einzelnen Teile mit aller Dentlichhfiit aoaemander. IMeaer 6ewinn für die Hntterspracba ist nicht gering ansnacfalagen. Sie wird in ihrer EigentOmlichlrait erst durch das soigfältige Vergleichen richtig erkannt.« Und deshalb geht Palmers Meinung in seiner »Evangelischen Pädagogik« dahin: »"Wir halten es für unentliolirlicli. daß eine fremde Sprache gelehrt wird, weil an einer fremden Si)raciie am besten sich der Sprachverstand, am Übersetzen auch der Aus- di-uck in der Muttersprache bildet«

HOge dämm sich der Wimsoh TerwirUiGhen, dafi recht vieto ToÜDi- sdinlen gehohener Art eine fremde Sprache je nadi den YeriiUtniasen als ohligatorischen oder als &kultativcn Untenichtsgegenstand in ihren Lehr- püan einreiheD und sie mit gatem £rfo]g tarn Segen der Schfller khrenl

7. Bericht über die talgarisohen Lehrersemiiiare

(staatspfidagogisolieii Sohnlen) fflr das SohiUjalir

1908A904

Von Dr. W. Nikoltschoff, Sofia

AVio ich in meiner Abhandlung über das bulgarische Schidwesen (Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik, 2. Bd^ 2. Hälfte) ausführlich dargestellt habe, sorgen fOr die AnshOdnng der Volkssehnllehier in Bol* garien hanptsflchlich die seit Jahren besteh^den Lehreneminare (aMs- pldagogischen Schalen)^ Solche gibt es in dem ganzen Lande 5, und zwar 4 in Xord-BulLTirien (Küstendil, Schumen, Lom und Süistra) und 1 in Süd- Bulgarien (Kasanlik). Jedem Lehrerseminar ist angegliedert:

7. Bericht über die bulgarischen Lehrerseminare usw. 525

1. Eine Yolksschiile mit 4 jährigem Kursus, welche gewöhnlich »Übungsschule« genannt wird, da in ihr die Seminaristen hosjjitien^n und unterrichten. Jede Xlasse dieser Schule wird von einem besondci-en Lehrer geleitet

2. Eme daiaoffolgende dreiklassige Bürgerschule, welche als gemein- flame Gnmdlage aller höheren Sdhulen, also aodi dee Lehrerseminars, gilt Für die Schüler der Bfligerschnle besteht kerne Verpflichtung, imbedingt in das Seminar oiir/utreten; dieses rekrutiert aeme Zöglinge ans allen

Bürgerschulen lU's Landes.

Die Angaben für «las Schuljahr 1903/04, die ich den liCsem dieser Zeitschrift vorzulegen beabsichtige, beziehen sich wie auf das Seminar ebenso anch auf den Unterbau (die Volks- und BOigerschule), der mit ihm eine organisch verbindende ESnhdt darstellt

A. Nach dem Verlauf der grofien, zweimonatlißhen Sommerferien (Juli und August) hat das neue Sdiuljahr (1903/04) dem Gesetze gemflB am 25. August (alt. St) begonnen. Vom 25. August bis zum I.September

fanden die Anmeldimgen, um] die Aufnahme- und Wi(]^lorholimgs-(Besse- mnp>-)Pn'ifimgen statt. WiUiivnd dos ganzen Schidjalire^> ist dvr Tnlcr- richt in allen Lehrerseminaren regelmäßig und ohne jede Störung ge- gangen, und mit Hitie Juni abgeschlossen.

B. Am £nde des Schuljahres irirkten in allen LehreFseminaren 136 Lehrer, von denen 116 den üntemoht in der dreUdassigen Schule und in dem Seminar selbst erteilten und 20 die Klassen der Übungs- schulen leiteten« Dem Alter nach verteilen sich alle Lehrer, ^e folgt:

Jm Alter von 20 25 Jahren ... 4 Lehrer,

26 30 ... 36

II » » 3^ n ... 4.3

n n »1 n ... 26

40-45 ... 20

» jt 45 50 ... 4

über 50 p . . . 3

136 Lehrer.

Daraus ist ersichtlicli, daß die Mehrzalü der Lehrer sich in dem Alti^r vom 25. 45. Lebensjahi-e l^efindet imd mit einer frischen Tatkraft aua- gerüstet sind, die der Schularbeit zu gute kommt.

Als ordenüidie Lehrer an den Lehrerseminaren und den dazu- gehörenden Bfirgerschulen werden, wie auch an den Gymnasien, nur solche Personen ernannt, die eine höhere Schule (Gymnasium oder Lehrer- seminar) imd dann die Univei-sitüt absolviert, und nach einjUhnt^'ein Dienst das Staatsexamen abgelegt hal>en. Die onlentliclien Lehrer werden auf Gnmd der Dienstdauer in drei Stufen oder Hassen eingeteilt. Die Kandi- daten für ordentliche Lehrer, d. h. solche, welche das Staatsexamen noch nicht bestanden haben, heifien »neuemannte Lehrer«. Auflerdem gibt es nodi eine Aniahl »provisorische oder aufierofdenttichc Lehrer«, die ent- weder Obeibldbsel frOherer Einrichtung der höheren Schulen smd, oder

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52e

die geforderte Vorbildung nicht besitzen. Nacii dieser Teilung ordnen flioh die Lohrer: 1. OzdentUche: a) L (die hiOGliflto) Stofe: 28 IL St: 32 L., nL St: 15 L.; b) Neoeniaiinte 29 L; 2. FtomniBdie: 42 L. Ca. 13G L. DcrBüdung nach Btellen die Lehrer an den Lehieraenmiven.

folgendes Bdd dar:

1. YoUsttndige ahadomiBfihe and vollständige hdheie BQduag. . 53

2. unvollständige . . 9

3. Unvollständige vollständige . . 8

4. Vollständige imvoUständigo . . 3 6. M höhere (GymnaBiBl- oder Seminai^) . . 83

6. ünvQUsttadige höhere . . 5

7. Itehlehrer (Zeiofanen, Hooiidazbeit) Turnen) . 25

136 L.

Zirni Verständnis dieser Zusammenstellung mflssen inr bemerken, daß in ihr alle Lehrer, also auch diejoniiron an der Übiuigs- und Bürgep- Bchule inbegriffen sind, Cranz andern Eindruck bekommen wii-, wenn vnr nur die Tichi-cr an dem Seminar ins Auge fassen; dann treffen wir in der Regel niu- akademisch ausgebildete Lchi-er.

Die Mehnahl der Lehrer ecfreoen sich einer guten Schulpraxis, vie dies aus den iolgenden Zifiecn zn enMthen ist:

Unter 5 Diensfjahze haben. ... 29 Lehrer, 5—10 .... 35

10—15 .... 43

15—20 .... 20

20~~25 ,f )j . 8

Über 25 » 1

13G Lehrer.

Dem Gesetze nach muB jeder Lehrer 18 24, die Dii-ektoren 6 bis 12 üntenichtsstanden wöchentlich erteilen; doch finden oft Abweichungen davon (es werden gewisse Erleichterungen den Spiaohlehreni, den Auf- sehen und den Klassenlehrern gemacht), so daß die Duiubschnittszahl der

w5chcnthchQn Unterrichtsstunden, die jedem Lehrer zufallen, 17,6 Stunden beträgt. Trotzdem ist der Beruf m\cs bulgarischen Seminarlchrei"s nicht allzu leicht zu bezeichnen und deshalb hört man von allen Seiton Beschwerden und Verlangen nach einer Minderung der obligatorischen Unterrichtsstunden, die jeder Lehrer wöchentlich erteOen muA.

G. Über die I^uenz der SchiUer wShrend des Schuljahres 1903/04 in den bul tjmrischonTiohrprscminaren läßt sich folgende Tabelle zusammenstellen:

Ansahl der SdiQler

in der

Übungs- sohule

in der drei- klassigen Sohnla

in dem Semin&r

Zu- sammen

1. im Anfange des Schuljahres . . .

2. «m Ende des Sohnljahies ....

633 691

1316 1161

752 728

2701 2475

7. Bsriolit fibw dto UlgHiMlMii Lahranoninare usw.

527

Ana dieser TabeiDe eigibt sich, dsfi:

1. die Zahl der his znni Ekide des Sdraljahres geiblieibenen Sdilller 2475 oder 91,63% beträgt;

2. die Zalü der wShrend des Sohuljahies ansgeferotaneii Sohfllar

226 oder 8.37 7o beträgt.

Beti-achten wir von die^^er Seite die drei verseliiedenen Schnl- gattungen (Abteilungen) des Lehrerseminars gesondert voneinander, so be- kommen vir folgende Angahen:

1. Die Anzahl der Us som Ende des Schuljahres gebMebepen. Sdifller beträgt: a) in der Übiingsschule 591 (93,37%); b) in der dreiUaflsigeQ Schule 1161 (88,22%); c) in dem Seminar 723 (96.14%).

2. Die Anxahl der während des Schiüjahres ausgetretenen SchflJer beträgt: a) in der Cbungsschule 42 {6,33%); b) in der dreiklassigen Schule 155 (11,78); c) in dem Seminar 29 (3,86%). Die Ursachen, irdohe die erwähnten 226 Schüler Tecanlafit hieben, die Schule frahseitig za Terbasen, sind: Aimnt 68 Schiller (2y62%\ JütaoikbiÄt 27 Schiller (1%), ansgewif^sen aas der Sehlde wegen Übertretung der Schidoninimg 12 Schüler (0,44 7o)i versetzt in andere Sohulon 65 Sdinior (2,41%), gestorben 2 S<^'hnler (0,07%), unbekannte Ursachen 52 Schiller (1,93 7o)-

Aus der Vergleichung der An?iahl der Schüler mit denen der Klasseu und der Lehrer ergibt sich:

1. Die Dorchsdinittszahl der Schfiler in jeder Klasse beMgt 80,55.

2. Auf jeden Lehrer kommen 18,20 SchfUer.

Als Schüler in den Lehrerseminaren kutanen nur bulgarische Unter- tanen aufgenommen werden ohne Rücksicht auf ihre Nationalität und Konfes.sion. Doch bilden die Bulgaren, welche in der Rccrt-'l dor criechisch- kathoiischen Konfession angehören, die überwiegende MujuiiUit und geben diesen Sehnlen eän echt nationales Gepräge. Der Naticmalittt nadi verteilen sich die SohOler folgendermafien: Bnlgaren 2602 (96,84 7o); ^^^den 61 (2,26 7o); Armenier 16 (0,59 »/o): Türken 6 (0,22%); ariechen 6 (0,22%); Rumänen 2 (0,07%); andere Nationalitäten 8 (0,30%). Nach der Kon- fession: Griechisch-katholisch 2601 (96,30 »/o); römLsch - katholi.^ch 5 (0,18 7o); Protestanten 11 (0.41%): Juden 61 (2,26%); Gregorianer (Armenier) 16 (0,59 7o); Moliammc^laiicr 7 (0,26%).

Die QffentUchen PrOfungen am Ende des Sänljahres sind in Bal- garien beseitigt, doch spielen die Zensoren immer mehr eine viohtige Bolle bei der Bestimmung und Feststellmig der Endergebnisse von der Arbeit des Schülers. T'm dies zu erreichen, ist jeder Lehrer verpflichtet, im Laufe des Schuljahres mindestens 4 Zensuren zu stellen, von denen tliö arithmetische Mittclzalil als cntlgültige Zensui' gilt Hat der Schfller in jedem Fache genügend, wird er ohne weiteres in die nächste höhere Klasse Tersetzt, sonst muß er dieselbe Kiasse noch ein Jahr wiedelholen. Ansnahme wird gestattet, wenn der SchiUer höchstens in zwei Fächern luigenflgend hat; dann muß er nach den Ferien sich der Wiederholungs- (Bessenmgs-)Prüfimg unterziehen, deren Erfolg entscheidet, ob der Schüler in die nächste IQasse versetzt wei-den muß, oder nicht. Diese Klassi- fikation der Schüler kann uns als Maßstab zur Beurteilung des Erfolges

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lOttoflongm

und des lleiBeB der SdilUer dienen. In dieser Beiieluing weist das Sohiiljihr 1903/04 folgende Eiigelniisse anf : 65,67% veiden dme wettareB

in die nächste Klasse veisetzt; 2 7,36 % mflsaen nach den Forion sich der Wie(lerholimgs-(Bessenmg8-)Pr0fung imterzichen, niid 1G,97° (, bleiben in derselben Klasse. Der Kursus des Seminars winl mit einer Reife- prilfuüg, die unabhängig von dem Staatsexamen ist, geschlossen. Die Er- gebniase von dieser PrQfusg für 1903/04 sind: 153 SchQIer (62,45%) haben die PrOfong j^OcUich bestanden; 47 Schfller (19,18 7o) müssen Wiederholungsprüfung machen, und 45 Schüler (18,37%) sind durch- gefollen. Es wäre für manche Leser vielleicht interessant, wenn wir hier die Themata iiV>or Bidgarisch und Pädagogik angeben, welche die Abi- torienten seliriftlieh ausarbeiten müssen.

L Bulgarische Sprache und Literatur: 1. Iwan Wasoff^) als Lyriker nnd Iknelier der Hennwaehaenden (Lehierseminar in Ktetendil); 2. Chavalcteristik der periodiseihen Literator vShrend unserer National- kämpfe (Kasanlik); 3. Wir erziehen nnd lernen ims auch nach der Schule (Lom); 4. Cliarakteristik des Lehrers Tscliakaloff in dem Roman »Die Königin von Kasalar* von Iwan "Was off (Schumen); 5. Die Bedeutung Lüben Karaweloffs^) für die buljtrarisclie Literatur (Silistra).

iL. Pädagogik: 1. Das Beispiel als Erziehungsmittel (Kibteudü); 2. Der Lehrer ist ver^lklitet, inuner auf seine Selbstbilduug zu arbeite, welche Mittel nnd Wege stehen ilim aar Verffigung, und wie soll er sie ausnutzen (Kasanlik); 3. Vor- und Nachteile der privaten und QffenÜichen Erziehung (Tjom) ; 4. Mein Ideal als künftiger Lehrer (Schumen); 5. Cliarakterbildung durch Schule und Gesollsrhaft (Silistra).

Die Ordnimg in allen Lehrerseminaren i.>t \välireud des ganzen Schui- jalu-es aufrechterhalten, ohne jede Störung des Cuterrichts imd ohne wichtiges Übertreten der Soihulreglemeints seitens der Schflier. Die Lehrer und die Direktoren aber sind davon nicht ganz snirieden, denn es beziefat sich bloß auf das Betragen in der Schule, nicht aber auf die Gesinnung dt r Schüler und auf das Betragen außer der Schule, wo die ungünstige Einwirkung der rmpebnng immer fühlljaicr winl. Als Hilfe dazu wird von vielen Seiten, auch von manchen Direktoren, die Gründung der Internate und die Besserung des Lehrerpersonals empfohlen.

Alle Lehrerseminare samt den dazugehörenden Ubungs- und BQrger* schulen werden von dem Staate unterhalten; die Gemeinden beteiUgoi sich daran nur mit einem geringen TeiL Die Ausgaben für die Unter- haltung der Lehterseminare während des berichtenden Schuljahres be- ti^agen:

1. Für Gehälter der Lehrer und der Bedienung 342 754,70 Fr.; 2. fttr Beleochtong, Heizung usw. 6968 Fr.; 3. fOr M(Sbel usw. 4322,72 Fr.; 4. für Lehrmittel, Bflcher und Zeitschriften 6087,08 Fr.; 5. fOr Miete der Privatgebäude 3000 Fr.; 6. für Schullandwirtschaft 1000 Fr.: 7. für Unteriialtung der meteorologischen Stationen 690 Fr.; insgesamt364812,50Fr.

') Der angesohcndsto heutzutage bulgarische Schriftsteller und Dichter. *) Schhftstoller uad Dichter zur Zeit der Befreiungskämpfe.

8. Dritter Knosterziefaniigstag in flambaig

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Vergleichen wir diese Summe mit der Anzahl der bis zum Ende des Schidjalu-es gebliebenen Schüler (2475), so ergibt sich, daß für jeden Schüler 147,40 Fr. ausgegeben werden.

Der Besodi der ubungssdnild und des Seminais ist nnentgeltUcli, die beniittolten Schüler der dreiklaSBigen Schule aber besahlen jfihilich 8 Fr. Schidtaxe, von der ein Drittel zur Unterstützung anner Schiller, ein Drittel für Bücher und ZoitsdiHften und oin Drittel zur Fnrdenmg der Lehrer in ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit und für Schulreisen ver- "Ä'endet wird.

8. Dritter Ennsterziehnngstag^) in Hamburg

am 13., 14. und 15. Oktober 1905 Musik und Gymnastik

Zur Beratung gelangen folgende Punkte: Erster Tag: Freitag, den 13. Oktober 1905.

1. Musik und QjmDaslSk. Direktor TtoL Dr. Lichtwark-HiBmbiirg.

2. Musikpflege im Hansa Dr. Richard Batka-Prag.

3. Der Schnlgesang alB Bildungamittel des kOnBtteneohffli Geechmackea. ITeinr. Johannsen-Kiel.

4. I>i ' Jutr. nd im Konzert und in der Oper. Prof, Dr. Richard Barth-JJamburg.

5. Das musikalische Genießen. Prof. Dr. Karl Groos-Giellen.

Zweiter Tag: Sonnabend, den 14. Oktober 1906.

1. Der Einfluß der Gymnaetik auf die Entwiddung des KOrpers.

SanitÄtsrat Dr. F. Schmidt -Bonn.

2. Spiele und Tolkstflmliche Übungen. Lehrer Julias Sparbier*

Hamburg.

3. Schwimmunterricht in der Schule. Schuliuspektor H. Fricke- Eamburg.

4. Der Tanz. Referent noch unbestimmt Dritter Tag: Sonntag, den 16. Oktober 1906.

öffentliche Vorträge:

1. Musikalische Kultur. Prof. Dr. H. Cornelius-München*

2. Bedeutung der Leibesflbung in der tefhetisohen Erziehung. Tum* Inspektor Karl HGller-Altona.

3. Unsere Kunsterziehungstage. Lehrer und Redakteur des »Sfte- mann« Carl Götze-I^mbuig.

^) Über don ersten Kunsterziehungstag berichtet das "Werk: >Knnsterziehung; Ergebnisse und Anre^nin^en des Kunstorziehungstages in Dresden 1901,* Preis 1 M, über den zweiten Kuuäterziebungstag: >Kausterziehaug; Ergebnisse des zweiten Ennstorsiehiuigstages in Weimar 1903«. Ptetg 1,25 M. Leipzig, B. YoigUBnden Verlag.

ZrftMhilft fOr FhOoMplii« ud FIdNgogik. 12. Jikignff. 34

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Mitteilangen

9. Pftdagogisoher FMloiikiin in KlTolihnfm-Teok

7. Ut 12. ingut 1905

I. Die Selbst- und WiaUanschaiiimg des Emdes erwdtert und ver- edelt durch den Religionsunterricht, Pfarrer Jung in Olbronn.

n. Die Teclmik des Sprechens und deren Bedeutung fOr deaSdml- unterricht. Mittelschullehrer Wagner in Eßlincren.

HI. Die Naturgeschichte und die Pflege deü ISatursimis in der Vdks- «dudA. Sohnlldm Werner in TObingoii.

IV. Die Grondlagen eines entwickebid-eroeliflnden üntenidits. Sohid;- lehrer Jetter in Kirchheim.

V. Zur Methodik einiger Unterrichtsfächer (Geschichte, Rechnen, Aufsatz, Schflnschreiben) mit Lehiproben. Schullehrer Jetter.

J. L. Jetter

10. Der evaageüBche Religioiunmteniolit in den

VolkisohiilaiL

Ein liarfcee, aber beachtenswertae Urteil fiber den evangdioidien BeM-

gionsunterricht in den Volksschulen fällt ein Mitglied des badischen Ober- schulrats, Geh. Hofrat Dr. Weygoldt, in einer Broschüre, die jüngst unter dem Titel: »Die Katecliismusfrage in der evangelisch-protestantischen Kirche Badens« im Verlag von Gutsch in LöiTach erschienen ist. »Unsere Kirche,« so schreibt Weygoldt, »leidet an einer Art ünterrichtswut imd hat sich die Tatsache, dafi die Religion in entoc Beihe Sache des Ge- müt 8, nicht des Deiü^ena ist, piaktiadh anoh nicht im mindesten an- geeignet. Den Erfolg ihres Unterrichts schätzt sie, so feierlich sie offiziell vielleicht das Gegenteil versichert, tatsächlich nicht nach der Tiefe, sondern nach der Breite und dem Umfang; denn die einfache Wahrheit, ilaß der Mensch fi-omm leben müsse, um Gott wohlgefällig zu sein, läßt sie das Kind mit einer Anzahl von Gesangbuchversen, mit 300 BÜielaprflchen, mit 157 dogmatischen Thesen nnd mit einem didkeo Oeechichtsboohe er- kaufen, in welchem alle Details des Judentums und selbst moralisch an- rüchige Gestalten, wie ein Jakob, ein Simson, ein David, auf Kosten des Kindes sich der ausgiebigsten Berücksichtigung erfreuen. Sie packt eine Menge religin.ser Begriffe in die Köpfe sclion auf Ältersstnfeti, auf denen sie schlechterdings nicht geistig voll erfaßt werden können. Sie übt anch nicht die pädagogische Regel, daft man den Unteciicht mit Ab- veohselung interessant nnd spannend machen mttee; sie qnftlt das Kind vielmehr vom 6. bis 14. Jahr Tag für Tag mit dem gjeidien Katechismus, zieht ihre höchsten und heiligsten Aufschlüsse entgegengesetzt den alten Griechen und den ereteu Christen, welche dai-aus ein Mysterium, ein Arka- num machten, zum alltäghchen Geschwätz herunter und ist dann noch mehr erstaunt, wenn das Kind sich mit der gleichen Sache nicht noch weitere vier Jahre in der Chiistenlehie abqu&len will, oder wenn es von religiösen Yorstellnngen nicht hoch denkt, welche die Kirche selbst Ihm trivial gemacht hatc

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Xhnliclw Uitnle lind berats hAufig von nchTontiiMUger Seite ge- fiült worden, ohne daß es so ejner Inderung der bestefaenden Htfistände'

im Relij^onsnnterricht gekommen wftre. Die Enth«mdang namentlich, der arbeitenden Bevölkening vom christlichen Glauben und christlicher Ge- sinnung und die großen Erfolge der Sozialdemokratie in ihrer Hetzarbeit gegen die Religion sind zweifellos wesentlich darauf zurückzuführen, daß nur wenige Eioder in den TolkasdhTilen in ein TerhUltniiHnltffg innere» Yerlilttnis la den dnisüiolien HeUitatMMshen gelangen.

Innerhalb der Herbartlschen Pftdagogik ist seit Jahren auf die Heform des Religionsunterrichts mit allen Kräften hingearbeitet worden, aber die Machthaber in Kirche und Schule, und die Vertreter der Katechetik an den üniversiäten wollten auf sie nicht hören. Möchte es nicht zu spät sein, wenn man eich endlich auf eine durchgreifende Reform besinnt. (VergL Bein, Religion vnd Solinle. Mflnofaen, Tiehmann. Feiner die tStimmen zum Religiensuntemoht«. Langeoaaln, Hennann Beyer Söhne [B^yer 4 Mann].)

11. JMeWirkimgdmrFflnorge-OeBetigelniiiginFmis^

Der Statistik über die Fflrsorgeerziehang Minderjfthriger und über die Zirangeernelinng Jngendlioher, die im kOni^oh prenBisohen Minislennm

dee Innern bearbeitet ist, ^tndimen irir die Angabe, daß 20040 Zdg^ge und eine jährliche Ausgabe von 5089683 M das I^gebnis des Fürsorge- erziehungs-Qesetzee (vom 2. Juli 1900) am Ende des dritten Jahres seiner Wirksamkeit ist. »Von denen, die es auszufüiireu haben, keine Klage über die Lagt und den Um&ng der Arbeit, die es mit sich bringt, keine Hagen über die Koalen, die es vemi8aoht,c heitt ee in dem amflioheii YoiAeriöht »Die Sehiden, unfar der Ingend nnaerea YoUnSi die es ent- hüllt, dringen mehr dazu, eine Brweitemng, als eine Ebechrftokmig seiner Anwendung zu fordern.« "Wenn anch nach so kurzer Zeit noch keine großen Erfolge aufzuweisen sind, so wächst doch die Zahl derer, denen das Gesetz zum Segen gereicht, und die, wenn auch geringe Abnahme der Zahl der jugendlichen Verbrecher scheint auf die Wirkungen dieses Ge- aetiee larfldkgefflhit ^werden an kOnnen. JSb mnden in Fleoflen 1899: 27820 JügeodliefaeTerarteat, 1900: 28908,1901: 30007, 1902: .31002 und 1903: 30088 (vorläufige Mitteilung des kaiserl. Statistisohen Amtes). Die Abnahme gegen das Vorjjüir beträgt zwar nur 914, aber sie beweist doch zum mindesten, daß von einem ununterbrochenen Steigen der Ver- urteilungen Jugendlicher zunächst nicht mehr die Rede sein kann. Auch in den Gefängnissen hat sich eine Abnahme der Jugendlichen beoierkbar gemaoht.

Nach einer Zvsammenatellnng der eingangs erwähnten Statistik wurden der Fflrsorgeerziehusg überwiesen: 1901: 4949 männliche und 2838 weib- liche Personen, 1902: 4133 bezw. 2063 und 1903: 4359 bezw. 2164; d. h. auf 10 000 0—18 Jahre alte Personen entfallen Fflrsorgezögliuge 1901: 6,9 männliche und 4,0 weibliche, 1902: 5,8 männliche und 2,^ ▼eibliohe und endlich 1903: 6,1 mftnnliohe und 3,1 mihlioheb

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12. Demokratie nnd Kaisertum

ist der Titel eines Werkes von D. Fr. Naumann, das zum geleeensten politischen Buche der Gegenwart geworden ist Es ist soeben in 4. Auflage (15.— 25. TBiueDd) eredhieoea und findet nnn seinen We^ dnroh alle Teile DeutscUanda. Besonders von der gebildeten Jugend wird dieses Werk als ihr poUtisohfia Lehrbuch angesehen. Es ist für jedermann verständlich, in allen seinen Teilen interessant und für den Staatsbürgor, dor nicht blind durch seine Zeit gehen will, unentbehrlich. Auch entpcliiedene Gegner achten den von aller gewöhnlichen Polemik weit entfernten vornehmea Ton. (Der Preis von »Demokrrtia und XaiasKtomc iat sehr billig: Qe- brniden 2 nogebunden 1,20 M. Jede Bodih&ndliing nimmt BesteümigeB «ntgOgeo.)

IB. Preiwinfgabe der »EantgeseUsohftft«

Kants Begriff der Eilcenninls veigUdien mit dem des Aristotdet

BestimmiingeB: 1. AbHefianrngshist: 1. Oktober 1906. 2. Die Aibeitsn sind, als »FNiasn^be der fiuitgeBeUaQhsftc beieklmet, einzu- senden an das »Kuratorium der Universität HaUe«. 3. Die Verkündigung der Preisverteilung findet statt am 22. April (Kants Gleburtstag) des Jahres 1907 in der Generalversammlung der » Kantgesellschaf t « in Halle.— 4. Die gekrönte Arbeit erliält den Preis von 500 M. Wenn es die im Jahre 1907 verfOgbareo Mittel der »Kantgesellächaft« gestatten, kauu der Fkeia tob 500 H emtoell erbfllit veiden; auch kann dann eratnell ein sweiter nnd dritter Ptais gewlhrt irardeo. ^ 5. Jede Arbeit iet mit einem Motto zu yersehen. Der Name des Verfassers ist in geschlossenem Couvcrt l)eizufügen, das mit dem gleichen Motto zu überschreiben ist. 6. Jeder Arbeit ist ein genaues Verzeichnis der benützten Literatur, sowie eine detaillierte In iialtsan gäbe beizufügen. 7. Nur deutlich geschriebene Manuskripte werden berücksichtigt Es empfiehlt sich Herstellung dea MannslniptB doicii Kopisten oder dnroh Schreihmsanhine. 8. Die Arbeiten können in Deotsoher» EngUscher, EnnsOsisoher oder Italienisctw Sprache abgefaßt sein. 2. Als Preiariohter fungieren: Geheimer Rat Pro- fessor Dr. Max Heinz e in Leipzig, Hofrat Professor Dr. Alois Riehl und Professor Dr. Hans Vaihinger in Halle. 10. Die Retlaktiou der »Kantstudieuc ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, preisgekrönte Arbdten in ibrer Zeitschrift zu dem bei deieelben übUoheo Honorar abzudrucken. Bewerber nm den Preis branohen nicht Mitglieder der QeseUsdiaft an sein.

Halle tL den 22. Februar 1905.

Der Cteachftftsf Qhrer der »Eantgesell schalt«. Professor Dr. H. Vaihinger.

I Philosophisches

ToBbaeh, A. H., Rektor der höheren Stadtschule zu Cochem a. d. Mosel. Neue Beitrüge zur Fundamental-Philosophie. Buch II: Untersuchungen über das Wesen des Outen. Bonn, Hanstein, 1899. 1,50 M. Eigentlich hatte ich die wohlwollende Absicht, dem Herrn Terfasser sowie unsern Lesern eine Besprechung dieses Buches zu ersparen. In- dessen, da ich es in dem trefflichen »Führer im Lehramtec von Beetz (VI. Band des »BQcherschatzes des Lehrers«, Ostenvieck, Zickfeldt, 1902. S. 317) unter dem Verzeichnisse empfehlenswerter Bücher für die Fort- bildung des Lehrers erblickte, in das es durch, wer weiß welches Ver- sehen geraten sein mag, halte ich es doch für notwendig, das Buch zu charakterisieren.

Außer dem vielversprechenden Titel, der in der Tat manchen ver- anlassen kannte, sich das Buch zu beschaffen, findet sich kaum etwas Brauchbares in demselben. Vertrautheit mit den Problemen der Ethik, das Mindeste, was man eigentlich wohl erwarten dürfte, zeigt der Ver- fasser nicht. Die Sprache ist unerträglich durch die endlos langen Perioden, welche im Buche die Regel bilden. An Stelle philosophisch scharf ausgeprägter Begriffe treten bilderreiche Ausdrücke, um nicht zu sagen Phrasen, bei denen man sich wenig denken kann. Aus diesem Grunde ist es auch völlig unmöglich, sich Rechenschaft über die Grund- gedanken, die den Verfasser beherrscht haben mögen, zu geben. Einige Proben aus dem Buche werden dieses Urteil bestätigen. Über das mora- lische Gefühl läßt sich der Verfasser folgendermaßen aus:

»Demnach wohnt das moralische Gefühl in derjenigen Zone der Seele, wo das Licht des Verstandes und die Anmutimgen des Willens das Wacht- feuer erglimmen und auflodern lassen, das genährt ist von dem Herdfeuer der Königin, ich meine der Tugeifd, und darum fähig und stark genug, den Menschen für den Brennpunkt, das Gute selbst, anzufachen und zu "begeistern und die Liebe zum Guten zu bewahren, rein zu erhalten und immer mehr zu durchglühen. (!!) Das fein und zartbesaitete Gefühl für

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Beipxeohimgen

das Gute im Menschenwesen ist von Natur aus darauf angelegt, das HeraDDahea der Tugead zu vermeldeo und rasch in die Wege su leit^ waoD die HohdisvoUe auf dem Gefilde der Berabarbeit oder des gesell- sdiaftliolMii Verkeh» überhaupt die Hegge hiaeen oder anoh bloi lUwr die inoein EntschlÜBse der Seele das alte Szepter von neuem hochhtÜan inll: man vergleicht wohl die Menschenseele mit einem tiefen Gebirgssee: nun wohl, dann kräuseln sich noch am Ufer die mit dem Sande spielenden Wellen, die heranzuschweben scheinen aus der milchtig bewein Mitte, und tragen ebenso vom Ufersande die dort empfangenen lieblichen £&mme txtm Zentram lurOok: je im Zeotnui der Seele, in deo mmmneBbeieD Tiefen dee WUlene, da wohnt die Falle des Guten nas^siQadiioh, und euch am Bande nodi ist das Yibfierea der Tagend der Beflex ihfer Hoheit und Lebenskraft.

In diesem Stile geht es 105 Seiten lang fort! Auch, um die zu- sammenfassenden Schlußresultate wiederzugeben, ziehe ich es vor, den Verfasser selbst sprechen zu lassen:

»Fassen vir nunmehr die gewonnenen Besnltete zusammen, so bietet lidi nns dae Veeen des Guten in Gestalt der geordneten SsIIn*- liebe als der Inhalt einer innerlichen, Teraehmbaren, Gehorsam heischenden Proklamation dar, welche nicht nur uns unabweisbar nahe legt, daß der Mensch sein individuelles Ich wollen, also lieben soll, sondern auch, wie er es lieben soll, n&mlich so, daß er, iu ersprießlicher Wechselwirkung mit seineu Mitbrüdem, sich anstrengt, dasselbe auszustatten, zu erfüllen, eossugestalten mit all den kostbaien Vorzügen, welche dem Meosobeotom als dem vornehmsten sichtbaten 86h0pfung8g]iede die Xzone nnfaelaen, namentlich ui Erkenntnis, Herzensfriede, Willsnagitok mit dem Geprfige des hohen Seelenadels, dessen Ideal, dem Geiste vor- und voranschwebend, ihn mächtig zieht, in den Normen, auf welchen, wie auf ihren natur- gemäßen Bahnen, des Menschen Anlagen und Kräfte zu besagtem Ideale hinstreben. Indem aber die wohlgeordnete Selbstliebe, so anljBeiifit und xidhtig erseliaiit^ notwendig, wie oben dargetan, binwelBt anf den al^ miohtigen Spender der Existenz an das Ich, Denselben, der deehalb in don Ich und für das Ich Richtimg und Ziel markierte, erhält jene, so eben genannte, innerlich sehr deutliche, nie gänzlich verstummende Prokla- mation eine hehre Auktorität, bekommt die Stimme des Gewissens eine göttliche Sanktion. Wenn ich nicht irre, so befaßt diese Erklärung den berCLhmten jkategorieohen ImperatiT* des EOnigsberger Fhilosoplien schon in sich, (1 1) und wenn der Ruf den Bofer beaengt, wenn Esnt mit Hecht aus dem vernommenen Herrschenrcnt die Existenz des Herrschers, das Dasein Gottes, folgert, wenn er femer ganz richtig die Zeit als unzulänglich bezeichnet für die zu vollendende Realisiernng der Menschen- würde im Diesseits, die vornehmste Aufgabe, die der Lösung harret, und darum die endgültige Lösung ins Jenseits verweist, also die Unsterb- lichkeit des Gdirtes konstatiert: so gewinnt ja dnioh diese Gedanken die Eigenart des Gnten, die ta eothlUlen wir nns vorgosotit, eine neoe, kSst- liflbe Knanoe, (1) neu für die Betrachtung, köstlich für das Herz: nämlich: Das Wesen dee Gaten, als geordnete Selbstliebe, hat seine Basis in Gott,

n Pädagogische«

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stammt also von dem unwandelbar Ewigen, hat sein Ziel jenseits des Grabes, also bei dem Ewigen, hat, ob notwendiger Verwandtschaft seiner Bewegung zu seinem Ziele Ideal und Weihe aus dem Ewigen, aus Gott.«

Das Bind abo die Terspcoohflnea »Neaeo Beiträge sor Fandaauntal- FhiloBoipliielc npienti 9Bt\

Auerbach i Y. Dr. 0. Burk

Eitler, Dr. Radoir, W. 'Wundts Philosophie und Psychologie. Leipzig 1902. YI u. 210 S. Preis uügeb. 3,20 M.

Der Yerfeisser will allen denen einen Dienst erweisen, die durch innere oder ftuAere YeihlltniBae nicht in die Lage Irommen, die Sohriflen Vundts selbst zu atodieren, aber doch ein Gesamtbild von dem Schaffen und Denken dieses Philosophen haben machten, ferner für jene, die nicht dazu kommen, alles zu lesen, was Wundt geschrieben hat, endlich als YorbereituEg und Erleichterung für das Studium der Werke Wundts. Der Yer&isser hofft femer, manche Miüverständnisse, denen die Philosophie Wundta auBgesetzt ist, und die großenteila aus der unameicliendan und unvollattodigen Kenntnis der Lehren des Leipziger FhUosophen entefnlngeii, durch sein Buch zu beaeitigen.

Yon der bei Frommann eradiienenen Darstellung der Wundt sehen Philosophie durch E. König unterscheidet sich die vorliegende haupt- sächlich dadurch, daß sie sich enger an die Originaldarstellung anlehnt und genauere Details jribt. Besonders gilt das von der Erkenntnistheorie Vundta, die bei KOnig an knia gekoSmnen ist Daa vorliegende Buch urill daa EOnige «i^ien. lufiere YerhSltmaae swangen den Yerfasser, seine Handschrift um etwa ein Drittel zu kürzen. Deshalb zog er die Ethik Wundts nur soweit heran, ala aum Yerotändnia des phikaophiaohen Systems unbedingt nötig war.

Die Einleitung erörtert Aufgaben und Methoden der Philosophie. Die drei Hauptkapitel behandeln: 1. Psychologische, 2. erkeuDtnistheoretische, 3. metaphysische Prinzipien. Daa Sehhifikapltel enthalt eine sehr Uaie wiBammenfjwBcndo Darstellung der Philosophie Wundts.

Die DarsteUung ist nicht tiberall, den Absichten des Yerfassers ent- sprechend, gelungen, oft stört ein Zuviel der Details, mitunter ist die Dar- stellung so lapidarisch, daß ein eingehenderes Studium des Abschnitts im Origioal Yorbeilingung zu dessen Yerständnis ist. Gern hätte ich durch- gehende eine größere Popularität dee Auadraoks gesehen deren Schwierig- keit ich keinen Augenblick verkenne ea wSre damit anch einem giOfieren fttr Philosophie interessierten Ptthlikmn ein Dienst erwiesen worden. Im übrigen iat das Buch Eialera nur su empfehlen.

Kiel Marx Lobsien

II P&dsgogisolieB

WM, Wllhela, Zukunftapftdagogik. Berlin, Yerlag von G. Reimer, 1904.

Der hochgeschätzte Yerfasser hat uns mit einer neuen willkom- menen Arbeit beschenkt Seine Zukunftopftdagogik bietet auf varhUtnia-

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Begprechongen

mäßig kleinem Kaum des Anregenden und Belehrenden eine solche Fülle, daß wir uns durch dieselbe in reichem Maße gefördert fühlen. Während der 1. Teil seines Boolies sdiarf gezeicbiiete Einblicke in den beeonden ohankteristisohen Inhalt pftdagogiscfaer Schriften n. a. von Ellen E^, Paol Laoombe} Pierre de Coubertin, Edouard Demolins, John Dewey, Faul QAfi- feldt, Hugo Göring, Ludwig Gurlitt, Hermann Liotz, Julius Baumann, Fritz Schnitze, Paul Natrup bietet, crofTnot uns der 2. Toil praktische Aus- blicke in die ihm wesentlich erscheinoinion Grundideen und Probloine für eine äicli nach verschiedenen Richtungen hin ausbauende theoretische wie piaktiBohe Fidagogik. Der mit der dentsohen wie ftemdlftndiachen Be- formpSdagogik wohlvertrante Verfasser ▼ersteht es vortrefflich, uns mit dem weeentlichen Inhalt der von ihm vorgeführten Reformschriften bekannt zu machon, nicht minder aber nits das Auge für die anzubahnenden Fort- schritte auf dem Gebiet grundlegender Erziehungsideen zu öflfnen. Wie geneigt er ist, starre historische Standpunkte im Gebiete des Cnterricbts- und Erziehungswesens zu Gunsten einer weitherzigen und dehnbaren Jngendbildung mehr oder weniger auftugeben, sehen wir unter anderem an seinen Eoosessioneii im Interesse wie der gymnastischen Ertdohtigtmg so der technischen Geschicklichkeiten.

Das hygienische Element kommt bei Münch zu unserer lebhaften Genugtiuini; zu vollem Recht. Aber auch: was der Verfasser über weib- liche Bildung und die darauf gerichteten Forderungen der Frauen l)emerkt (S. 238), ist uns aus der Seele gesprochen. Auch wir haben uns unter anderem in der Schrift ^Fnaenbernf und Franenbildong« fttr das Fest- halten der dnroli die GesohleohtsdUfiBrens gebotenen natOrliofaen Orenseu erklären zu müssen gemeint und uns namentlich gegen das unbeseheue Horübemehmen der altklassischen Sprachen in die Mädchenschule erkl.irt. Besonders auch leuchtet uns ein, w^as Münch (S. 247) mit andeien Autoritäten über die neuerdings von vielen befürwortete akademische Bil- dung der Yolksschullehrer urteilt; wir sehen ihn auf Seite derjenigen, die auch mit Bücksicht auf das keineawegs in allen Stöchen musterglUtige ünivernt&tswesen abgesehen von manchem anderen auch hier Beform* bedürftigen auf den Universitäten kaum die besonders geeigneten Bildungsstätten für Volksschullehrer finden können. Im hohen Grade vor- bildlich aber ist auch dos Veif;xssers Urteil über dio wahren Berufs- aufgaben von Schulverwaitungsbeamteu (S. 260). Ilicr offenbart derselbe eine seltne und hOohst wohltuende Weite des Blickes und des Hsnemk

Eeferstein

irltte nnd vierte Scbwind-llappe. Herausgeg. vom Eunstwart München,

Georg D. W. Caihvoy. Preis je: 1,50 M.

Dio vom Kuuötwart bis jetzt herausgegebenen Schwind-MapiKjn I u. II haben in weiten Kreiseu eine freundliche Aufuahme gefunden, deshalb sollen sie durch drei weitere Mappen fortgeeetzt werden. Zunächst liegen uns die dritte und vierte Schwind -Mappe mit folgenden 14 Bildern vor. in. Mapi^e: 1. Die Symphonie. 2. Das Konzert. 3. Die Schöpfung. 4. Des Knaben Wunderhom. 5. Nächtliche Erscheinung. 6. Der Trsom

n Pädagogiscbes

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des Gefangenen. 7. Die sieben Schwaben. IV. Mappe: 1. Ritter Kiirts Brautfahi-t. 2. Dos Falkensteiners Ritt. 3. Hero und Leander. 4. König Krokus. 5. Endyinion. 6. Der wunderliche Heilige. 7. Die Schifferin.

Das Gemälde »Die Symphonie« (vollendet 1852), ist einer gefeierten Xflnohener Sängerin bei ihrer Yeriieintung gewidmet, als sie die Bfihne verliefi. ESb hat die Tier Teile einer Symphonie: unten die Probe eines Stückes auf einem Haustheater, darüber als Andante »ein Begegnen ohne Annäherung«, höher als »Scherzo ein Maskenball,« in seiner Mitte das Pärchen, das sich ausspricht; krönend als AUegro und Sclduß der Augenblick der H'X'hzoitsreise, \vo die Jungverniählten in der Ferne ihr Schlößchen schauen. Ornamente mit kleineren heiteren Darstellungen fassen diese Bilder in pompejanischer Weise znsammeii. Das »Eoniert« stellt noch einmal groB das untere Bild »Die Frobec dar. »Die SchOpInng« entstammt dem Fresken-Zyklus im Wiener Opemhause (1866). Adam nnd Eva, stark, keusch und schön wie der Morgen, erblicken wir inmitten der erscliaffenen Welt; Tiere spielen zu ihren Füßen, und die Chöre der Engel singen oben das Lob des Schöpfers. Auf dem Blatt: »Des Knaben Wunderhom« herrscht Sonunerwaldesherrlichkeit; in all dem Blühen und Grünen liegt der Siegfriedsknabe. »Und wie er das Horn an die Lippen hob, verstand er aller YOglein Gesang.« Das kleine, bisher wenig beaditete Bild aus der Schack-Galerio : »Nächtliche Erscheinung« versinnbildlicht das Locken des nächtlichen Waldes. Eine verführerische Elfengestalt lockt ein junges Menschenkind: »Komm tiefer hinein, daß du all die Waldes -Geheinmisso siehst, ehe der abnehmende Mond im Tagesdämmern erbleicht!« Ein feines Blatt ist »Der Traum des Gefangenen« (Schack-Galerie). Der Zwergkonig hilft ihm tren, er hAlt seinen wackoen kleinen Leuten selber die Sdiolter hin, daß sie einer auf den andern klettern und hinaufreichen und das Gitter durchsägen können, indes seine Tochter den Armen stärkt und ein anderer ausschaut, ob keiner stört ach, da weckt ihn der erste Strahl der Morgensonne! Ein an Charakteristik im einzelnen wie im ganzen köstlich humoristisches Blatt ist das von den »sieben Schwaben« (Original eine BOtelaeichnnng). Das Heer ist gerflstst, die Waffe gerichtet nun zittere da Ungetüm! Aber es verhUt sich beleidigend gelassen. Das Original von Ritter Kurts Brautfahrt (1839) wird jetzt in der Earlsmher Galerie aufbewahrt^ des Falkensteiners Ritt (1843/44) im Leipziger Museum. Die nächsten beiden Bilder »Hero und Leander« und »König Krokus« stammen aus der Schack-Galerie in München; das letztere zeigt tiefste Waldeinsamkeit, Weltentrücktheit Im »Wunderlichen Heiligen« (1828) hat Schwind ohne Zweifel die Leiden einer Jugendliebe ans sioh heraus- gemalt »Die Schifferinc stsUt eine junge Frau dar, wie sie stehend auf dem Gmundener See rudert

Es ist eine reine, deutsche und dabei im besten Sinne volkstümliche Kunst, die uns hier in den Bildern von Schwind geboten wird. Es ist darum zu wünschen, daß diese Schätze im deutschen Volk soweit als möglich verbreitet werden. Hoch erfeenlioh ist es, daß der Kunstwart jetst auch die sofaSnstsn der gröfieien Olgemtide Schwinde in Kaoh- bilduogen den minder Bemittelteo mgflagUch macht Schwiads Be-

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BMprechungen

deutung beruht nicht nur in seinen gefeierten Märchenzyklen, sondern in seinen selbstÄndigen Bildern, von denen manche wertvolle bisher n'»ch nicht einmal photographiert worden sind. Seine höchste künstlerische Kialt nigt aick tot alten in einidiieD »Bieiaelfaildeni« xmd aoostigen Ueiiien SadieD, mit denen der Meister unberührt Ten allen Xnnattlieorien aeiner- zeit ganz anapnudialoa und swan^oa niaderadhiiel», iraa in aeiner Fhantaaie entatandeD war.

Halle a. & H. Groaae

HeUager, Dr. L, Kehr Lieht nnd Wirme den Sorgenkindern

nnaerer Volksschule! Ein Yerm&chtnia Heimieh Feataloisia. Zürioii,

Oren POßU, 1905. 30 S. 0,50 M.

Ober daa vorstehende Thema hat der Verfasser gelegentlich einer in Zürich am 8. Januar d. J. von der PestalozzigoseDsclmft und dem Lehrer^ verein veranstalteten Pestalozzifeier gesprochen. Die Gedanken sind be- btont OOS aeinem in Nflznberg Uber die Organisation grofler Schnlkfiiper gehaltenen Vortrag nnd ana aeiner Sdhiift: »Der ünterriehtabetrieb in großen Volksschulkörpem sei nicht schematisch einheitlich, sondern diffe- .xenziert einheitlich« (Mannheim, J. Bensheimer, 1904).^) Neu ist der Versuch des Verfassers den Nachweis zu führen, daß der Geist, aus welchem die sogenannte Mannheimer Schulorganisation geboren ist, ein Vermfichtnis Pestalozzis sei. Wie Dr. Sickinger in seinem Vortrage »län pädagogischea Gutachten Herbaita nnd der Mannheimer Sohnlorgani- aationqplan« Herbart für seine Plftoe ins Feld ftlhrt, ao diesmal Peetaloza (a. S, 21^26). Die Zitate sind sehr gesohiokt gewihlt und verwertet Die zuletzt angefügten "Worte eines Augenzeugen über die Organisation der Anstalt Pestalozzis in Burgdorf: »Eine bestimmte Klasseneinteilung gab es nicht; dafür aber 5 6 Gruppen von Kindern, welche sich nach jeder Stunde auflösten und anders bildeten, je nachdem es ihre verschie> denen GetsteabedfiifDiaae erfordertenc aind indea weit mehr eine Wafie gegen als ffir Siokinger; man unteistreiohe nur, nicht wie der Ver- fasser den letzten, sondern die beiden ereten Sitae dieser charakteristi- schen Mitteilung. Diese Art der SchOlergruppierung kommt dem Grund- satz »jedem das Seine« sehr nahe, eine Lösung der schweren Frage ist sie auch noch nicht Wie weit davon entfernt ist die blo^ Zusammen- luBung von Repetenten an beaoodeien Klasaenl

PöBneck i. Thür. B. Scholz

Mlach, W., Geist des Lehramts. Eine Hodegetik für Lehrer hfihenr Schulen. Berlin, G. Reimer, 1903.

Das vorliegende Buch ist in erster Linie für Kandidaten des Gym- nasial-Seminars und Probejahres berechnet, um sie mit dem Wesen ihrer fiernfsaufgabe vertraut an machen; aber naoh der Vonede hofft der Ver- feaaer, dal anch fitere Eacfagenoaeen ana den daigebotenen Betrachtungen Gewinn ziehen werden. Die HoCbraqg iat keine trfigeriadie. Denn waa

') Letsteie ist im 4 Heft des XII. Jahig. dieser ZeitMhnft beiproohea.

n FSdagQgisclias

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Münch schreibt, trSgt den Stempel reicher Erfahrung und reifer Über- legung. Das Buch umspannt, ohne systematisch angelegt zu sein, den ganzen Umkreis der pädagogischen Probleme, die fragen der tlieoretischen tmd pzaktisolMD Pädagogik, die Aoigilwii um Zvdit und üntenkiit DiS die AnbiQger der PUiJgogik Herlierte niobt eetteii ein FrageieiGliea an den Baad schreiben, kann nnr an erneuter Überlegosg anregen. Das Buch ist eines eingehenden Studiums wert Für eine neue Auflage dürfte es sich empfehlen, einen sehr wunden Punkt, die Lehrplantheorie für höhere Schulen, eingehend zu behandeln. Hier könnte sich der Verfasser ein großes Verdienst erwerben. Freilich müßte er an die vorhaudeueu Ldstnngen ich nenne mv Hertiait, ZlUer, Vogt, Wlllmann, Ttixk, Kinnin anknüpfen und eine Aibeit lorlBeInn, die noch in den An- föngen liegt, aber dringend der FoltflUilxing bedarf, und zwar nicht vom Standpunkt der Tradition, sondern von prinzipiellen Erwägungen aus. Daß der Unterricht an unseren höheren Schulen nach den Kämpfen von äußerer Gleichstellung dringend einer inneren Reform bedarf, bestreitet heute kein Bintichtiger. Um so willkommener müssen Schriften sein, die hierauf ihr Angenmeik richten, mit TomrleikMeai Blick die vorhandenen tiefen Mingel des Lehrplana aufdecken nnd die lechten Wege aeigen. V. Mfincli wiro hiena berttlen.

Jen« W. Rein

Witthill; Dr. A, Geh. Oberregierungsrat, Die soziale und politische Bedeutung der Schulreform Tom Jahre 1900. Berlin, A. Danoker, 190&

Das vorliegende Schriftchen gibt einen klaren Überblick über die Entwicklung der Schulverhältnisse in Preußen während des 19. Jahr- hunderts und gipfelt in der Darlegung der letzten Schulreform nach ihrer individuellen, sozialen, nationalen und weltpolitischen Rodentung hin. Es durchzieht das Ganze der üeist einer freien, vorurteilslosen Auffassung. Man schOpH wieder Mut, daß unsere höheren Schulen, nachdem sie den Tiefstand ihrer Arbeit nonn^ flberschrittsn haben, mit giOfierer IMheit an der Erziehung der Jugend azbeiten werden. Ich betone mit Nachdruck die erzieherische Seite. Denn an Unterricht haben unsere Schulen über- genug geleistet. Hier liegt ihre Stärke, aber auch ihre Schwäche. Was liabeu sie getan zur Entwicklung eines regen, fröhlichen Schullebens? Wie weit stehen sie darin hinter den englischen höhereu Schulen zurück! Nachdem wir zu einem erwünschten AbechluA der Reförmbewegung ge- langt sind, gilt es jetzt alle Erifte anzo^annen, um den inneien Betrieb nach (lädagogischen Grundsätzen einaariditen. Diesem muß zunächst durch zwei Verbote freie Bahn geschaffen werden: 1. Vertreibung der Extempo- ralien aus der bisherigen Herrschaft; 2. Abschaffung der Abiturienten- Prüfung. Solange beides beibehalten wird, k§mi man trotz der bessern Oiganiaation auf innere Gesundung nicht ho^. Mochte Herr Dr. Matthias seinem wertveUen Sdhriftidien ein noch wectvoUerae in dem angegebenen Sinne bald folgen lassenl

Jena W. Bein

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Bespxeobiutgen

Treeltseh, E., Politir^cho Ethik und ChristeDtum. OOttingen, Yandeii- htieck & Ruprecht, 1904. 1 M.

Die vorliegende Studie kann das Interesse unserer Leser um so mehr in Anspruch nehmen, als das Problem »Ethik und Politik« forfigesetKt die Geister in der Gegenwart besohSftigt Die LOsong dieses Problems sehm w darin, dafi die Ethik ein PersOnlichkeitB- und ein Qemeinsohaftsidesl zu zeidinen versacht, an dem sich alles menschliche Handeln, das politische eintresclilnfisen, zu orientieren bat. Zwischen Ethik und Politik klafft ein großer und tiefer Riß, wie zwischen Ideal und Wirküclikeit. Der Fort- schritt in der Welt der Tatsachen bewegt sich durch Kompromisse hin- dnich, die swischen beiden gesolilOBsen werden. Aber das Ideal als solehea bleibt davon nnberflhrt und miiA als lestor Wegweiser dnrdi alle Schwan- kungen, Widersprüche and Yemeinungen bestehen bleiben. ÜB hat aUe Enlturvölker gleichmäßig nach und nach zu erfassen nnd m beseelen; dann wird die Zeit kommen, wo die Kluft zwischen Ethik und Politik sich schließt. Ein einzelnes Yolk kann diesen Schritt nicht vollziehen, ohne sein Dasein zu gefährden; nur die Verbindung der Völker kann ein 'VilSkeRedit auf etbisdiar Grundlage schaffen nnd durchsetsen. 8o wirft die Ethik weite Blicke in die Znkunft; dis Fditflc hfllt nns in der Gegen- wart fest Aber sie ist doch schon soweit gekommen, daß sie ohne Be- ziehung zur Ethik fürchtet^ auf Abwege zu geraten. Insofern kann be- reits von politischer Ethik gesprochen werden. Wenn dann die Wandlung in ethische Politik vollzogeu ist, können die beiden Faktoren des Völker- lebens, Recht und flacht, einen friedlichen Bund eingehen.

Jena W. Rein

UDIg, Peter, Welches sind die pidagogisohen Anforderungen an

einen Lehrplan für die bayrischen stftdtischen Yolkssohnlen?

ISiürnberg, Korn, 1904. 0,60 M.

Das vorliegende Schriftchen ist ein Abdnick der Vorträge, die von dem bekannten Würzburger Pädagogen gehalten worden sind. Es entbehrt darum nicht der Frische, Unmittelbarkeit und Eiudriuglichkeit Nach und nach scheint die »Lehiidanfrage« mehr in RnB za kommen. Seit D5rp- felds »Grundlinien einer Theorie des Lehiplansc war ja anf diesem Ge- biet wenig genug geleistet worden. Aus den höheren Schulen hörte man so gut wie nichts, weil eben in Dingen des Lehrplans alles höheren An- ordnungen anheim gestellt ist. Nun aber beginnt es sich zu regen. Und es ist hohe Zeit! Über Lehrverfaliren ist genug geredet und gedruckt w<nden. Aber ffir den Lebrplan gibt es noch viel zu tun. Deshalb mu£ die Schrift von Zillig willkommen geheiAen mid allen warm empfohlen werden, die sich mit der Ijehiplanfrage bezeita besdUfligen oder be- Bch&ftigen wollen.

Jena W. Bein

Aus dor philosophischen Fachpresse

Kantstudien. Philosophische Zeitschrift Herausgegeben von Dr. Hans Vaihioger und Dr. Bruno Bauch. Band X. 3. Festheft zu Schillers 100. Todestage. Gedicht von 0. Liebenau, In Schillers Garten. Eucken, Was können wir heute aus Schiller gewinnen. F. Ä. Schmid, Schiller als theoretischer Philosoph. J. Cohn, Das Kantischc Element in Goethes Weltanschauung. Bauch, Schiller und die Idee der Freiheit. Vaihinger, Zwei Quellenfuude zu Schillers philosophischer Entwicklung. Kunze, Karl Rosenkranz über Schiller. Windelband, Schillers letztos Bildnis und Schillers transzenden- taler Idealismus. Klein, Kant und Schiller. Mitteilungen.

Commers Jahrbuch ffir Philosophie und spekulative Theologie. XIX. 4. Heft 1904. Dr. Michael Gloßner, Das zweite Dezen- nium des Jahrbuchs. P. Joseph Gredt, Gleichartigkeit und Ungleichartigkeit der Teile in der belebten und unbelebten Substanz und die Wiederkehr der Ele- mente in der chemischen Auflösung. P. Fr. Gundisalv Feldner, Das »Werden« im Sinne der Scholastik. Fr. Norbertus del Prado, De Concordia Molinao. Literarische Besprechungen.

Qutberlets Philosophisches Jahr- buch. 18. Band. 3. Heft I. Abhandlungen : A. Dyroff, Der Ich- gedanke. — Beda Adlhoch, Zur wissen- schaftlichen Erklärung des Atheismus. J. Schmidlin, Die Philosophie Ottos von Freising (Forts.). ü. Rezensionen und Referate. III. Zeitschriftenschau. IV. Miszellen und Nachrichten: Die Ent- faltung der Seele durch Lebenskunst. Eine neue Lösung dos Wolträtsels.

Kritische Blätter für die gesamten Sozialwissenschaften. Herau.sgeg. von Beck, Dom und Spann. I. Jahrg. 1. Heft Januar 1905. Geleitwort der Herausgeber. I. Teil. Besprechungen: I. Encyklopüdien, Lehr- bücher und Bibliographien. Encyclo- pedies, Trait^s, Bibliographies. Cyclo- pedias, Compends, Bibliographies. II. Geschichte der sozialen Wissenchaf ten ; Biographien. Histoire de sciences soci- ales; Biographies. History of social sciences: Biographies. HL Allgemeine Soziologie. Sociologie generale. General sociology. IV. Soziologie der einzelnen Sozialgübilde (spezielle Sozial- wissenschaften) und allgemeine Ziistands- schilderuog. Sociologie speciale et Sociographie. Special sociology and

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iMlipraiie

polygraphy. V. Theoretische Sozial- ökonomie. Tböorio d'öconomie politique et sociale. Theory of political and ■ocial eoonotny. YL PnliiBdlie SosU- Skonomie (Spezielle WirtsduftBkonde n. -Politik der einzeloen Wirtschaftszweige).

Les parties speciales d'econoniie natio- nationale et leurs politique. Ihe special ptili cf tt» naSiiHiil mimmj and fteir pditioi. m Sorialpolitik. Politique sodele. Social poHtioa. TDL Finanz- wisseosohaft u. Finanzpolitik. Finances publique». Public finance. IX. Sta- üstiL Statistiqae. Statistios.

X. Bevittkenuigalalue und BevStkenrngs- Politik. Demographie. Demography.

XI. Sozialgeschichte, insonderheit "Wirt- schaftsgeschichte. — Histoire sociale. Social Hystory. XII. Hechtswissen- Bohait— Droü Law.— XIILHandel»- iriMaaaobaften und Yanmidtes. Seien- oes commerciales, Comercial Science.

XIV. Völkerkunde und Anthropogeo- graphie. Ethnographie. EthnQgraphy.

ZY. Wiitnhaft^eograpliie. XYL. PUloeophiadieDinipliBMi. Phfloeopliie.

Philosophy. XYIL YMSchiedenes.

Various. IMveiMi. IL leiL Bibliographie.

Archiv für vyteauMukt Philo- •opU«. XL 1. i90A.

Kurt OeiBIer, Über Notwendigkeit, Wirklichkeit, Möglichkeit und die Grund- lagen der Mathematik. A. Gure witsch^ Bewußtsein und Wirklichkeit Dr. B. Lemoka, De lege motu. Frani Oraf Uaranid, Dar eoezgetiaalie MutaaUamus.

Dr. James Lindsay, Theistic Idealism.

Jahresbericht über sämtliche Erschei- nungen auf dem Gebiete der systemati- schen Philosophie. C. Bos, La philo- BOphio an I^oe 1904. Die neoaeten Encheinungen auf dem Gebiete der syste- matischen Philosophie. Zeitaoludfton. Eingegangene Bücher.

Vlertcljahrsschrift für wissenschaft- liche Philosophie und Soziologie. XXYIU. Jahrg. 4. H. Job. Kteibig» Oter ein Paradoxon in

dar Lo|pk BftliaBflai

Archiv für die gyiiiiffi Pqrchologle.

4. Bd. 3. H.

Henry J. Watt, Experimentelle Bei- träge zu einer Theorie des Denkens.

Revue philotophlque. Janvier.

A. FouUl^ La raison pure pratiqno dolt^Ue Htn flritiqiida? O. S^iOor, De la methode dana loa reoiiawiiea doa kia

de l'ethique.

Annalen der Natnrpliiloeopliie.

4. Bd. 1. Heft Wilh. Ostwald, Zur Theorie derWissen- aohaft

ZeÜMlirifl für PUloeepirie nad philoM>piiiMiie Kritik. Baad 12S.

Heft 2.

Julius Bergmann, Das Verhältnis des Fühlens, des Begehrens und des WoUens sam Yoxatellni und BewoStBeiii.

Neue Metaplijtiache RundadM».

Haratttgeg. iwi FSanl 1905.

Band XU Heft 2. Geheime Figuren der Rosenkreuzer aus dem 16. u. 17. Jahrhundert (Sen- druok 1. I.j Dr. med. J. D. Buok, Mystiaehe Hanxeni (foita. Kapitel VI: Die Gehnmlehxe: die aiebenfache Natur des Menschen. Schluß). Dr. Heb. V. Lessei, Die metaphysische Grundlage von Richard Wagners »Der Bing des Nlbalnqgen« (Forts. Kapiiel Y: Über dia Göttarwelt). » Ivy Hooper, Zwtl Btear (Kapitel IV). Rundschau: Der Sieben- sortenflegel. — Radiumentdeckun«;, ein Produkt der Homoeopathie ? Vedanta* Universität. Boscggers J. £. J. Eünatliohe IGfigeataltoa durah Badfim. Literatur: Coli;-, Flita. CoUina, durch das goldene Tor. Oodliaa, die Qaaohiohte des Jahiea.

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Aqb der pftdagogischen Fachpresse

Scheibihuber, A. Cl^ £in pädago- gischer Konflikt Mg. D. Leluers.

1905, Nr. 13. 14.

Der Konflikt entsteht im Gocchichts- unterrioht, besonders im elementaren, und zwar auf folgende Weise: 1. Manche historiaohe Tataxdien weiden in den Qnellen niobt e&BohHilioh mid tnsKihrlich flberliefert; folgt der Lehrer genau diesen Quellen, so verletzt er die methodischen Anforderungen. 2. Andere Tatsachen weite mB eueohaaUoh xnA meflUtilioh beriobtet, aber die QueilMikritik findet viele Einzelheiten unsicher usw.; folgt der Lehrer diesen Quellen, so ist seine Darstellung nicht historisch getreu. Und gerade die mangelhaftesten Berichte so oder so fallen »regelmUig« in die erste Zeit des Geschichtsunterrichts, wo Anschaulichkeit und Ausführlichkeit dem Schüler am nötigsten sind. (Von den- jenigen Queiieu, weiche an sich nicht Ififlkenhaft in dem obigen Sinne, wohl aber ffir das Kind sa hoch sind, ist hier niobt die Bede.) <— Verfasser hält nnn die anschauliche, nach Dörpfeld auch »detaillierte« Darbietung als methodische Forderung fest and lehnt zunächst zwei Auswege 9b: 1. Die Schüler schaffen im darstellenden Unterricht gemeinsam ein anschauliches Bild. 2. Der Lehrer bietet den lückenhaften Quellenbericht und ge- winnt dazu im entwickelnd -darsteliendeu Unterricht mit den Sohttiem die lebens- vollen Einzelzüge. Denn in jedem ge- schichtlichen Vorgange liegen zweierlei Gedankenschichteu : das, was nur der be- treffenden Zeit eigentümlich ist, und das, was diese Zeit mit der Gegenwart gemein hat; nur ans dem letzteren kann das Kind Beitiflge geben« nnd znr Anschau- iickeit fehlen dann doch noch die »Zeit- und Lokalfarben der Vergangenheit«. (Trotzdem könnte es aber doch oft zweok- m&8ig sein, erst das der Jetzigen oder aooh einer irfibeien oder anderen be-

kannten Sphäre Gemäße angeben zu lassen und ihm dann das der betvaOeadea

Zeit Eigentümliche entgegensustellen.) Zar

wirklichen Lösung des Konflikts weist Verfa.s.ser hin auf die Entwicklung unserer Geschichtsschreibung: Sie hat mit poe- tischer Anffnwmng begonnen nnd Ist allnilhUoh cur kritischen Anflaiaang fortgesohiitten. Diesen Weg muB der Lehrer nachahmen und in einer Lektion mit mangelhaften Quellen beides bieten: zuerst die melxr poetische Ausfuiiruag der Details, »bald ersShlend, bald ent- wickelnd .. in behaglicher epischer Breite;« und dann die kritische Sichtung dessen, was historisch feststeht und was nicht überliefert ist; so durctigefuiirt in des Yezteen Booh: »Dentaobe Oeaobiohtek Bnihlnngen nach QoeUeiLc Ntbmbeig, Korn. Um diese methodischen Ge- danken näherzulegen , führt Verfasser Aussprüche an, weiche besagen, daß auch die kritiaehe Gaaobiidito die Uelneo Be- atimmungen^ wekbe an eingehender Dar- stellung nötig sind, niemals alle belegen kann (Lessing), daß sie also »immer eine wenn auch noch so spät geborene Enkelin der Sage« sein wird (Lamprecht), und da£ dem Volke andi »eigentHoh niohta an- gebracht werden kann, als was sich ihm auf dem "Wege der Sago vermittelt« (Grimm). Zum letzten Punkte vergl. Jahrg. 1 dieser Zeitschr. S. 217. in dem St&cke, welehea YerCueer aoa Leasings Duplik (II) anfährt, nennt er den Oe- schicht.sschreiber Vopiscus >einen von den alJergriindlichsten«, bei Lessing aber heißt er »einer von den allerpünktlichstenc, und ao paBt es beeaer anf die »Id^en Beatimuiangenc, welehe die ganse Arbeit im Auge hat ; denn zu Itessings Zeit hieß »pünktlich« punktweise, Schritt für Schritt hier: von einem psychischen Element zu dem nächsten, sich daran anschließenden!

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Neu «izkgegangtne Bttohsr «od Zataofariftaa

Neu eingegangene Bacher and Zelteohriften

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02 a

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E. M e 1 1 z 0 r, Luther als deatMher Hann- Ebenda 1905. 77 S.

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Reukauf-Heyn, Ev. Relig.-Untenicht 3. u. 5. Bd. 3. Anfl. Ebenda.

Draok TOD Haonann Boyci

& MaoB} in Iiiingw>»»laL

UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRARY

BERKELEY

Retum to desk from which borrowed. This book is DUE on the last date stamped below.

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