BAYERISCHE BLÄTTER FÜR DAS GYMNASIALSCHUL

WESEN

KP

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THE UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY

370.5

1 L

KAU

Blätter

für das

Bayerische Gymnasial-

und

Real - Schulwesen,

redigiert von

W. Bauer & Dr. A. Kurz.

Eilfter Band.

München, 1875.

J. Lind an er' sehe Bachhandlung.

(Schöpping.)

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Inhalte - Verzeichniss.

a) Abhnndluupen.

Seile.

Aus der Schulmappe, von A. Kur« . . .18 (vgl. 91). 12t. 269. 415

Aus der Turnschule, von Id. Miller 455

Bemerkungen zu dem Obm'schen Gesetze, von van Beb her . . 279

Bemerkungen zur Theorie des Keiles, von Hielmayr . . . . 153 Beziehung zwischen Bild und Gegenstandsweite bei sphärischen

Linsen, von Bender 421

Der deutsche Unterricht in der I. Lateinklasse, von Miller . . 74 Der Unterricht in den neueren Sprachen an den Gewerbschulen,

von E. Walther 263

Die bayerischen Gewerbschulen pro 1874,75, von L 71

Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fQr's Deutsche in

der reorganisierten Gewerbschule, von Schricker . . . . 217

Die Hyksos, von Preu 295

Die nachteiligen Folgen der Verwechselung von Logik und Syntax

für die Lehre vom einfachen Satze, von Wirth . . . . . 347 Die schlechte Aussprache des Deutschen u. die nachteilige Wirkung

derselben auf den fremdsprachlichen Unterricht, v. Dreser . 59 Ein Beitrag zur Bestimmung von Approximationswerten der reellen

Wurzel etc., von A. Miller 350

Einige geometrische Satze, von Hügel 125 (vgl. 190)

Einiges über Kegelschnitte, von Greiner 461

EngUsh Schools, von Wallner . . . .' 332

Handschriftliche Nacbweisungen zu Cic. d. Oratore I. 3, II v. Thenn 201

Homerisches Allerlei, von Riedenauer 49. 97. 156

Horat. Od. I, 3 und Sat. I, 7, 9, von Hann wacker . . 410 u 414

Kleinigkeiten, von Stadel mann 211

Kritisches, von Hammer 198

Kritisches zu Phaedrus, von Zorn 1

Liier, von Zehetmay r 343

Lionis V, 26, 10, von Geist 207

„Mensa est rotunda", von Wirth 16

Neue Konstruktion der Kogelschnittslinien, von Bender . . 457

Ophir und Tbarschisch, von Preu 193

Optimus, von Zehetmayr 253

„Owe war sint verswunden", von Falch 440

Schriftliche Uebungen im Deutschen für Sexta, von L.Mayer 220 u 451

, von M. Mil ler . . 315 in der deutschen Grammatik für Sexta, von

L. Mayer 317

Severus, serenus und sermo, von Zehetmayr 164

Stilistische Aphorismen, v. Scbiessl u. Götz 227. 258. 324. 399. 443

Ueber den Hellespont, von G. Gebhardt 389

Ueber den Umfang des historischen Unterrichtes auf Schulen,

von Hang ' 1

Ueber die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen,

von Falch 266 (vgl. 331)

Ueber die Gedankenarmut der Gewerbschuler , von Krallinger 275

Ueber Differeoztöne, von Bender 145

[Jeher Mamma, von Heel .450

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IV

Seite.

Vorschlag zur praciseren Fassung der Regeln über das Wesen

und den Gebrauch des französischen Subjonctif, von Dreser 165 Wer sind die „heimischen Fürsten" in dem Spruche Walthers von

der Vogelweide ,,«»e fr Agent mich vil dicke etc"., von Falch 214

Xenoph. Bell. II, 3, 48, von Geist 4°6

Zu apas, von Zehetmayr 306

Zu Caesar de bell. civ. II, 17, 2, von Soergel 311

Zu Ciceros Briefen an Atticus, von Fr. S chm idt 109

Zu Demosth. Ol. 3, 12, von M. Miller 174

Zu einigen Stellen im Dion und Chabrias des Com. Nepos,

von Rubner 243

Zu Lionis VII, 6, 2, von Geist 70

Zu Lysias und Demosthenes, von E Kurz 435

Zum Foucault'schen Pendelversuche, von 8 c h e l le 60 (vgl. 95 u. 143)

Zum Geometrieunterricht, von Rudel 120

Zum Lehrprogramm der Gewerbschule für Trigonometrie, v. Rudel 76

Zu §§. 1 und 2 der praefatio des Livius, von Soergel . . . . 307

Zur Aussprache des Lateinischen, von Meiser 225

Zu Theokrit, von Zettel 206

b) Literarische Anzeigen und Recensiouen.

(Die nicht mit * bezeichneten Werke sind unter den „Literarischen Notiien"

aufgeführt.)

Abbehusen, C. H., Tht First Story -Book 381

♦Abi cht - Dittmar, Die Weltgeschichte im Umrisse 179

•Adelmann, Prakt. Lehrbuch der franz. Sprache, angez. v. Zeiss 378 *Altum und Landois, Lehrbuch der Zoologie, ange/. von Dr.

Fleischmann 185

Am eis Hentze, Homers Odyssee 43 u. 385

Arendt«, Dr. C, Spanien und Portugal. Schulwandkarte 479

Auras und Gu er lieh, Deutsches Lesebuch 291

•Bardey, Dr. E., Aufgabensammlung aus der Algebra, angez. von

Dr. van Bebber 281

Bartsch, K., Kndrnn. Schulausgabe 339

„, Walther von der Vogelweide. Schulausgabe .... 430

•Baum gart, Dr. G., Aelius Äristides, angez. von C Hannner. . 130 Baumstark, Dr. 0. , Erläuterung des allg. Teiles der Germania

des Tacitus 428

Beetz, Dr. M., Leitfaden der Physik 431

Benseler Rieckher, Griechisch- deutsches Schulwörterbuch . . 477

Bertram, W., Grammatisches Uebungsbuch zum franz Unterricht . 384

Beule Döhler, Titus und seine Dynastie 188

•Blume, Das Ideal des Helden und des Weibes bei Homer ... 137

Bock, Dr. K , Lateinische Metrik und Prosodik 478

Boehme, Dr. G., Uebersetzungsaufgaben ins Griechische .... 43

•Breitinger, H , Die französischen Klassiker, angez. v Jent . . 338 * „, Die Grundzüge der franz. Literaturgeschichte bis'

1870, angez. von Jent 235

Bielmayer, Grundlehren der Geometrie 341

•Brunner und Kraus, Deutsch-lat. Elemcntarb., angez. v E. Lange 371

Buchholz, Dr. E., Anthologie aus den Lyrikern der Griechen . . 188

♦Büchsenschütz, Dr., Xenophons Hellenica, bespr. v. Kurz 31 (s.S. 39 f.)

Buschmann, Dr. J., Deutsches Lesebuch 478

, Leasings Laokoon für den Schulgebrauch . . 141

Castres de Klautzsch, L'art poetigue de Boileau- Desjireavx . 91

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V

Cholevius, Dispositionen und Materialien 479

Christ, A., Einfache nnd doppelte Buchführung 93

, Das Conto -corrente 291

C lassen, J., Thucydides 139

Cosack, W., 'Leasings Laokoon 141

Crapelen, C, Leitfaden für den botanischen Unterricht .... 431

Cron, Chr., Piatons Verteidigungsrede des Sokrates 187

Der Mentor, Notizkalender pro 1876 430

•Der Realnqterricht in Preussen und Bayern 286

Die Naturkräfte 141 u. 340

•Dietsch, P. - Richter G. , Grundriss der allg. Geschichte, angez.

von G. Kraus 281

Di hie, Dr. A-, Materialien zu griechischen Exercitien 386

•Draegcr A., Ueber Syntax u. Stil des Tacitns, angez. v Eussner 83

Düntzer, H, Erläuterungen zu den deutschen Klassikern .... 94

, Homers Odyssee. Schulausgabe 339 u . 428

Dziatzko, C-, Komödien des P. Terentius Afer 90

•Ebener -- Strome, Franz. Lesebuch, angoz. von Dr. Wallner . 427

Eichert, Dr. 0., Wörterbuch zu Caesars gall. Krieg 44

Enger Gilbert, Aeschylos Agamemnon 43

Fick, Dr. A., Die griechischen Personennamen 291

•Fischer, Dr., Kleine deutsche Grammatik, angez. v. H Krallinger 424

Fraenkel Brunnemann, franz. Lesebuch, angez. v. Dr. W^llner 383

Fritsche, A. Th. H., Des Qu. Horatius Elaccus Sermonen . . . 237

Frohberger, H., Reden des Lysias 187

Gallenkamp. Die Elemente der Mathematik 44

tSenthe, Dr. H., Aufgaben für freie lat. Aufsätze 42

Groebel Götz, Uebersetzungsübungen a. d Deutschen in's Lat- 140

Grote fend Ringe, Materialien zum deutsch -lat. Uebersetzen . 290

Grube, Dr. A W., Alpenwanderungen 140

Grundt, Dr. Fr. 1mm., Hebräische Elementargrammatik .... 142 •Günther, Dr. S, Lehrbuch der Determinanten- Theorie, angez. v.

Friedlein 185

Haacke, Dr. A, Deutsch -lat. Uebersetzungsaufgaben 290

, Lateinische Stilistik 477

Halm, K., Cicero's ausgewählte Reden 42. 89 u. 386

•Härtel, W., Homerische Studien I III, angez. v. A. Riedenauer 375

Härtung, Dr. G-, Stichverse der lat Syntax 89

Helm, V., Culturpflanzen und Hausthiere 175

Heinichen, Fr. Ad., Griechisch - deutsches Schulwörterbuch . . . 477

Heinrich, A., Erster geographischer Unterricht 92

Ho ff mann, Dr. A., Sammlung planimetrischer Aufgaben . . . . 92

K., Sammlung von Musteraufsätzen 90

•Holstein, M. Tullii Ciceronis de fin. bon. et mal., angez- v. llubner 133

Hübner, J. G., Püanzenatlas 238

Hübschmann, Zur Casuslehre 42

•Hutzelmann, Dr. Chr., Hilfsbuch der Geschichte, angez. v. Hans 80

Jakob, Deutschlands spielende Jugend 94

Jan, Dr. K. v., Repetitionsübungen der lateinischen Sprache . . . 428

Jastram, J., Lebensbilder und Skizzen aus der Naturgeschichte . . 488 •Jartsch, Dr. H. , de Aristotele Ciceronis in rhetorica auetore

qnaestiones, angez. von C. Hammer .... 285

Jung, A., Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen 430

Kappes, K., Erzählungen ans der Geschichte 429

Keck Kallsen Sacb, Bilder aus der Weltgeschichte . . . 339

•Keller, L., Der zweite purische Krieg, angez von J. Pistner . . 138

Klaucke, P., Leitfaden zum Urbersetzen a. d. Deutschen ins Lat. . 428

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L I

VI

Seite.

•Kneiscl, B., Leitfaden der historischen Geographie, angez. v. Unger 132

Ko estler, H., Leitfaden für den Anfangsunterricht in der Geometrie 432

Kopp, Dr. W., Geschichte der römischen Literatur 140

Kramer, Dr. G., Karl Ritter, Ein Lebensbild 430

Kuenen, E., Die deutschen Klassiker . . . 386

Kurts, Fr., Geschichtstabellen 188

•Kurz A., Zum Bericht über die I.Generalversammlung des Vereines

der technischen Lehrer 293

•Kurz E. und Breiteubach L. , Xonophons Hellenica, angez. von

Hoeger 230 u. 232

Kurz, W., Transparente Tafeln aus dem Gebiete der Mikroskopie .. 430

Lattmann, Dr. J., Lateinisches Uebungsbuch 201

Lattraann - Müller, Kleine lat. Grammatik 290

, Griechisches Uebungsbuch 291

Lehmann, Dr. J. H., Handbuch der deutschen Literntur .... 90 Leuchtenberger, G.f Dispositionen über Themata zu deutschen

Arbeiten . . . .' 386

Liebe, Dr. 0, Methodische Grammatik der franz. Sprache ... 91

Linn ig, Fr, Der deutsche Aufsatz in Lehre und Beispiel .... 290 ♦Linsmayer, A. , Der Triumphzug des Germanicus , angez. von

Markhauser 422

Lise, A., Angewnidte Elnuentarmatberoatik, angez. v. Dr. van Bcbber 183 •Mann, F., Ein Votum, betr. die Reorganisation unserer Gewerb- schulen, angez- von A. Kurz 474

Martus, H. C-, Mathematische Aufgaben, II. Teil 341

•Meffert, Dr. Fr, Elementarbuch der englischen Sprache, angez- v.

Dr. Wallner 382

•Mehlis, Ür. Chr , Die Grundidee dps Hermes, angez v. Zehetmayr 384

Meier Hirsch Bertram, Sammlung v. Beispielen etc. a. d. Algebra 238

Menge, Dr. G., Repetitorium der lat. Grammatik und Stilistik . . 236 •Miller, M., Praktische Uebungen zum deutschen Unterricht, angez.

von Brunner 88

Müller - Frey, Titi Livi ab urbe cond. Hb. I 385

•Müller, L., Q. Uorati carmina, angez. von Eussner .... 81

•Naegelsbach Baumann, Uebungen d. lat. Stiles, angez. v. Seholl 180

Nicolai, A-, Lykurgos Rede gegen Leokratos 139

Nohl, C., Mängel und Missstände im höher n Schulwesen .... 93

Osterwald, K. W., Erzählungen aus der allen deutschen Welt . . 339

, W., Q. Horatius Flaccus Lieder 187

Paralleltabcllen zur griechisch - römisch en Chronologie 42

•Perthes H. , Lateiniscles Lesebuch für Sexta, angez. v. L. Mayer 1H0

Peter, C, Römische Geschichte in kürzerer Fassung 429

Pfundbell er, E., Les poetes francais 292

•Piderit, Dr. K. W., Cicero Brutus de claris oratoribus, angez.

von Rubner 467 cf. 237

•Plattner, PI., Die Räteis von Simon Lemnius, angez. v. Heiss . 136

Priebatsch, Allgemeiner Lehrmittelkatalog 478

Protokoll der westfälischen Dircctorenversaminlung von 1*73 . 340

Rchdantz, C, Xenophons Anabnsis 89

Rcmacly, H. Jos., Deutsches Lesebuch 339

Rettig, G. F , Piatonis Symposium 427

•Riedenauer, Dr. A., Handwerk und Handwerker in der homerischen

Zeit, angez. von Chr. Adam 23

•Roth fuchs, Dr. Jul , Syntaris ortiata, angez. v. L. Mayer . . 338

•Sanneg, F., Gramm. Vorschule der lat. Sprache, angez. v. L. Mayer 284

Scherer und Schnorbusch, Griechische» Uebungsbuch .... 43

Schick, A. H., Hebräisches Uebungsbuch 237

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Schilling S., Grundrisa der Naturgeschichte 340 tu 431

Schneider, Dr. 0., Isokrates ausgewählt« Reden 237

Schuetz, Q Horatius Flaccus 41

Schultz, Dr. Ferd-, Kleine lat Sprachlehre 89

, üebungsbuch zur lat. Sprachlehre 43

Schumann Gantzer, Lehrbuch der Planimetrie 44

Schuster, Lehrbuch der Poetik 91

Schuster Hofmann, Rhetorik für höhere Schulen 140

•Sickenber ger, A., Loitfaden der Arithmetik, angez. v. Himmer . 136

Siebentes Jahresheft des Vereines Schweizerischer Gymnasiallehrer 429

Sief er t Blass, Plutarcbs ausgewählte Biographien 237

Soller, H., Der höhere Lehrstand in Preussen 93

Sommer, Fr., Leitfaden beim ersten Unterricht in der Algebra - 92 *Sorof, Dr. G., M. Tullii Ciceronis de Oratore lib. tres, angez.

von Rubnei 465

•Spielraann, Dr. A., Die Echtheit des plat. Charmides, angez.

von Meiser 337

•Sprachwissenschaftliche Abhandlungen, angez. von Zehetmayr . . 235

8tein, Dr. H., Die Geschichten des Herodot 429

Stengel, Dr. G., Chemische Erscheinungen 341

*Steup, Lectures instructives et amüsantes und Pleasing Tales 382 f.

St oll, H. W., Erzählungen aus der Geschichte 42

, Handbuch der Religion und Mythologie . 386

Suhle und Schneidewin, Griechisch - deutsches Handwörterbuch . 238

Sfipfle Gruber, Anleitung zum Lateinschreiben 88

Temme, Dr. A. J., Leitfaden der Algebra 237

Teuffei, W. S., Aeschylos Perser 187

Thilo, Öhr. A., Kurze pragmatische Geschichte der Philosophie . . 478

Till mann s, Dr. L, Kurze Regeln der griechischen Syntax ... 90

Trappe, A., Schul -Physik . . , 341

Traut, G., Englischer Wortschatz 342

Trauth, Dr. H. Tb., Englisches Lese- und üebungsbuch .... 342

•Treu, A., Die deutsche Sprachlehre, angez. von Brunner .... 87 *U st rieh, Dr. F., Lehrbuch der Arithmetik und Sammlung von arith- metischen Aufgaben, besprochen von Schwager .... 239 cf. 293

•Vahlen, J., Aristotelis de arte poetica Uber, angez. v. Meiser 85

Venn, Jos., Deutsche Aufsätze 479

Wagner, Carolus, Florea et fruetus latini 140

Wagner, Dr. K-, Lehren der Weisheit und Tugend 479

Warschauer, Dr. H., Deutsch -lat. Uebersetzungsbuch 477

•Weck lein, N., Ausgewählte Tragödien des Euripides, angez. von

Bergmann 361

Weissenborn, W., Titi Livi ab urbe condüa libri . . . . . 291

*Wenz, G., Die Reform des geographischen Unterrichtes . . . 40

Woelfflin, E , Titi Livi ab urbe condita lib. XXII 385

*Wohlrab, Dr. M., Gymnasium und Gegenwart, angez. v. Friedlein 83

Wolff, C, Historischer Atlas 479

, G-, Sophokles Ajas . . 187

Worpitzky, Dr., Elemente der Mathematik 45

Wuensche, Dr. 0., Die Kryptogamen Deutschlands 431

Wunder Wecklein, Sophoclis tragoediae 38ö

•Zehetmayr S-, Lexicon etymologicum, angez. v. Autenrieth 470 cf. 89

•Ziegler, A., über seine Planimetrie, von A. Kurz 334

Ziegler, Chr., Illustrationen zur Topographie des allen Rom 188 cf. 428

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c) Verzeichnis* der noter der Rubrik „Statistisches" vorkommenden

Personennamen.

Seite. 292 342 190 388 388 94 388 46 388 190 388 240 388 94 432 46 342 46 432 388 94 480 n. 94 94 432 388 387 46 190 433 388 46 293 240 342 342 388 240 240 190 388 388 189 190 189 387 190 342 342 94 388 94 388 388 293 342

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Patin .

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Wollner ....

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Pfluegl

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Wolpert . . 94 u

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Pistner . .

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Zauner ....

Hausmann .

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Zehl

Hoiss . .

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Poehlmann .

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Zeitler ....

Hellfritzsch

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Prosclibergcr

387

Zink

Hellmuth Cl.

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Pumplan

388

Zipperer ....

Hellmuth Her.

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Putz . . .

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Zrenner ....

Helmreich .

. 388

Rapp . . .

293

Zucker ....

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Kritisches zu Phädrus. L

I. 2. 23: Inutilis quoniam esset qui fuerat datus.

So ist der Vers überliefert und so steht er bis jetzt in den Ausgaben, obwohl quoniam aus metrischen Gründen bedenklich ist. Phädrus hat nämlich (cf. Rhein. Museum XIII, p. 197 208 : Langen , über die Metrik des Phädrus p. 203 und Luc. Müller, de re metrica poetarum Latinorum p. 416 f.) sonst im zweiten, dritten und vierten Fuss den Anapäst nur' in vier- oder fünfsilbigen Wörtern, niemals aber so gebraucht, dass wie in quoniam esset die beiden Thesen ein Wort für sich bilden; in den früheren Ausgaben finden sich allerdings da und dort solche Anapäste; aber sie sind bis auf quoniam esset sämmtlich aus Unkenntniss obiger Regel durch Conjectur in den Text gekommen und in der bei Teabner erschienenen Luc. Müller'schen Aus- gabe mit Recht wieder beseitigt. Von Müller aufgenommen ist lediglich ein solcher Anapäst, das handschriftlich überlieferte quoniam esset. ich möchte, obschon Langen (p. 205) meint, er könnte damit entschuldigt werden, dass durch die Elision quoniam und esset näher mit einander verbunden werden, auch den noch beseitigt wissen und schlage de ss halb vor, quodjam statt quoniam zu lesen.

2.

I. 5. 10: Malo adficietur, siquis quartam tetigerit.

Auch hier bestimmt mich ein metrischer Grund zu einer Aenderung der handschriftlichen Ueberlieferung. Ueber die Elision, die bekanntlich von Phädrus mit grosser Sorgfalt angewendet ist, sagt nämlich Luc Müller auf S. X der Vorrede zu seiner Textausgabe: non licet elidi jambica sequente brevi nec magis copulari eadem cum acuta praeter imperativos quosdam ut puta hos: veni ergo III. 7. 15, tace inquit V. 9. 4, ave usque app. 21. 10. Diese letztere Erscheinung, das Vor- kommen der Elision bei einigen Imperativen, hat Ritsehl, wie Müller de re metr. p. 284 f. angibt, so erklärt, dass, da in der Umgangssprache die jambischen auf einen Vocal auslautenden Verbalformen mit ver- kürzter letzter Silbe gebraucht wurden, auch die jambischen Dichter da und dort diese Freiheit sich gestattet haben. Andere jambische Wörter werden also nicht so elidirt und aus diesem Grunde kann das obige malo adficietur nicht recht sein; ich halte desshalb male für

Blitter L d. Uyer. GymnMiAlw. XL Jahrg. 1

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das Richtige, wenn ich aach im Augenblick für male afßcere aliquem keine andere Belegstelle beibringen kann als Papin. in Pandect. XXXVII.12.5: filius, quem pater male afflciebat (Scheller s. v. afficere).

3.

I. 16. 2: Non rem expedire, sed mala vidcre txpttit.

Da mala vi der e, wie die Handschriften haben, auf keinen Fall richtig ist, so haben die Herausgeber durch Conjectur zu helfen gesucht. G ruters malum dare expetit, das Bentley und Orelli gebilligt haben, denen sich auch Eyssenhardt in seiner bei Weidmann in Berlin erschienenen Phädrusausgabe anschliesst, ist (cf. Langen p. 203 u. 208) desshalb unrichtig, weil Phädrus den Jambus im fünften Fuss überhaupt nur in ganz bestimmten Fällen und, wenn ein Amphimacer den Vers sch Ii esst, nüf so braucht, dass das vorletzte Wort auf einen Trochäus endet Sehr ansprechend ist auf den ersten Blick mala vitare expetit, wie Dressler bat. Allein Langen (p. 203) hat bewiesen, dass der Anapäst des vierten Fusses, weil die beiden Thesen ein Wort für sich bildent ein fehlerhafter ist, und Eckstein hätte in der von ihm besorgten vierten*) Auflage der Schulausgabc von Job. Siebeiis Dressler'n nicht folgen sollen. Metrisch richtig und dem Sinn angemessen ist Langens Vorschlag malum abigere expedit, wo dann malum auf das im vorhergehenden Vers stehende fraudator zu beziehen wäre; aber für leicht, wie Langen meint, kann ich die Emendation nicht halten. Luc. Müllers Conjectur malum augere steht zwar der Ueberlieferung nahe genug, gibt aber, wie mir scheint, nicht den rechten Sinn ; denn der Gegensatz von „rem expedire, ein Geschäft erledigen", ist ja doch wohl nicht „den Schaden vermehren", sondern etwa „Schaden zufügen'4 oder etwas ähnliches ; ich schlage desshalb vor zu lesen : non rem expedire, sed \ mala inferre expetit, was sich nicht allzuweit von der Ueberlieferung entfernt und den vom Zusammenhang geforderten Sinn gibt.

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I. 22. 10 ff.: Hoc in sc dictum debent Uli agnoscere,

Quorum privata servit utilitas sibi \ Et meritum inane jactant imprudentibus.

Der Inhalt der Fabel, zu der diese Verse als Nutzanwendung ' i gehören, ist kurz folgender: Das Wiesel, vom Menseben gefangen, bittet ihn um Schonung, weil es ihm das Haus von den lästigen Mäusen reinige. Dieser weist jede Verpflichtung zur Dankbarkeit zurück, weil es ja die Mäuse nur tödte , um sie sammt den Speiseresten, die jene

*) Ob auch in der inzwischen erschienenen fünften Auflage mala vitar e beibehalten ist, kann ich nicht sagen, da sie mir nicht vorliegt.

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benagen, zu verzehren, und tödtet das Wiesel. Dazu soll nun die Nutzanwendung lauten: Das geht auf die, welche nur ihrem Eigennutze dienen und Kurzsichtigen gegenüber (imprudent ibus) sich mit eitlem Verdienste brüsten. Unmöglich; denn der Mensch ist ja hier gerade nicht imprudens, sondern durchschaut das Wiesel. Luc. Müller liest daher imprudentius; ich denke aber, das Wiesel ist mehr als unklug, es ist unverschämt, und schlage also vor, impudentius zu lesen. Dass der Jambus im fünften Fuss zulässig ist, wenn ein fünf» silbiges Wort den Vers schlicsst, bedarf keines Beweises.

5.

IL 5. 16: Humum aestuantem, come officium jactitans.

So lesen die neueren Herausgeber mit Rigaltius , ein Beweis, dass diese Emendation als die besste unter den vielen gilt, die gemacht worden sind, um der gründlich verderbten Ueberlieferung jactans officium come aufzuhelfen. Der Zusammenhang, in dem die Worte stehen, ist folgender: ich brauche der Kürze halber die Worte des Phädrus mit Weglassung der Verse, die zum Verständniss nicht nothwendig sind:

Caesar Tiberius cum petens Neapolim

In Misenensem rillam venisset suam,

Ex alticincti8 unus atriensibus

Perambulante laeta domino viridia

Älveolo coepit ligneo conspergere

Humum aestuantem, come officium jactitans.

An come nehme ich Anstoss, weil ich bezweifle, dass man die geschäftige Dienstfertigkeit eines Sklaven seinem Herrn und vollends dem Kaiser gegenüber come („artig" lautet die Uebersctzung in der Ausgabe von Siebeiis Eckstein) nennen kann; da es vielmehr dem Sklaven vor allem darauf ankommen muss, sich mit seiner Geschäftigkeit in recht auffallender Weise bemerklich zu machen, so lese ich coram officium jactitans, sich offen (recht in die Augen fallend) mit seiner Dienstfertigkeit brüstend.

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II. 8. 11: Frondem bubulcus adfert nec ideo videt.

Nec ideo enthält einen bedenklichen Daktylus des vierten und einen falschen Jambus des fünften Fusses; in den neueren Ausgaben steht dafür nil ideo; das genügt nun wohl den Forderungen der Metrik, hilft aber nicht gründlich; denn ideo passt, wie mir scheint überhaupt nicht in den Zusammenhang. Der Stallknecht, welcher gegen Abend Futter in den Stall bringt, in dem sich der Hirsch versteckt hat, soll d css halb d. h. also, weil er Futter trägt, das Tbier nicht sehen. Allein er wirft ja doch seine Bürde im Stall ab; warum soll er denn

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dann den Eindringling nicht sehen können? Dazu kommt noch, dass der Knecht, wenn er den Hirsch nicht sehen kann, somit ausser Schuld ist, in die Fabel, deren Pointe die ist, dominum videre pluri- mum in rebus suis , gar nicht passt. Dem Dichter komme es ja vor allem darauf an, den Unterschied zwischen Miethling und Herr darzu- thun; er kann also den bubulcus nicht entschuldigen wollen. Auf dem rechten Weg, die Stelle zu heilen, scheint mir Langen gewesen zu sein, der p. 208 sagt: „Ideo ist vielleicht aus dem folgenden videt entstanden und hat das Richtige verdrängt. Ob sichs mit ideo nun wirklich so verhält, wie Langen meint, oder ob das Wort etwa als Glosse vom Rand in den Text gekommen, ist gleichgiltig; auf jeden Fall halte ich mit Langen daran fest, dass ideo ursprünglich nicht im Text stand und jetzt des Richtige verdrängt hat Dass es nec quic- quam geheissen habe, wie Langen meint, bezweifle ich und zwar desshalb, weil gleich weiter unten v. 14 nec ille quiequam sentit steht und diese Wiederholung lästig wäre. Der Wortlaut der Paraphrasen des Romulus (cumque foenum et frondes et omne genus pabuli bübulei stdbulo reponerent, cervum non viderunt) scheint mir darauf hinzu- weisen, dass der Vers ursprünglich frondem bubulcus adfert, nec cervum videt gelautet habe; damit würde auch die Objectsellipse y. 13 nemo animadvertit ihre Härte verlieren.

7.

II. ep. 12: 8% nostrum Studium pervenit ad aures tuas.

Die schlechte Auflösung der Arsis des vierten Fusses pervenit ad kann unmöglich von Phädrus sein; man liest desshalb vielfach ad aures pervenit tuas in den Texten, und Langen p. 208 meint, es liege auf der Hand , dass diess das Richtige sei. Aber pervenit wäre dann aus einem metrischen Grunde als Perfect zu fassen, was dem Zusammen- hang nach nicht wohl angeht, wenigstens hart sein würde: si nostrum Studium . . . pervenit ... et . . . animus sentit. Langen sieht das zwar, scheint sich aber nicht daran zu stossen. Luc. Müller hat dess- halb , um das Präsens zu retten , statt ad aures pervenit tuas seine Conjectur ad aures cultas pervenit in seine Ausgabe aufgenommen, was ohne Zweifel metrisch richtig ist und den vom Zusammenhang geforderten Sinn gibt, mir aber eine etwas zu gewaltsame Aenderung der Ueberlieferung zu sein scheint. Was Metrik und Zusammenhang anlangt, ebensogut als cultas und dem bandschriftlich überlieferten tuas näher stehend ist tritas, wesshalb ich ad aures tritas pervenit zu lesen vorschlage.

8.

II. ep. 17: Nec quiequam possunt} nisi meliores carpere. Die vier Kürzen mit dem Ictus auf der ersten Silbe nisi meliores enthalten einen argen Verstoss gegen die Metrik und können

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ursprünglich nicht so gelautet haben; denn da schon Plautus und Terenz vermieden haben, im Senaf einer aufgelösten Arsia eine aufge- löste Thesis folgen zu lassen, kann Pbädrus unmöglich so geschrieben haben, cf. Luc. Müller de re metr. p. 413: itaque LuciUi Varronisque et Phaedri studia metrica ea fere lege evenere, ut vitaretur his quidquid Plauto Terentioque displiceret, additis praeterea observantiis pleri8que, quas Uli mediocri vel nulla habuissent cura. Mit Bentley den ganzen Vers ohne Weiteres als unächt auszuwerfen, was die neueren Herausgeber Luc. Müller und Eyssenhardt tban, halte ich mit Langen für bedenklich, zumal sich durch eine leichte Aenderung, wie mich dünkt, das Richtige herstellen lässt; ich lese: nee quicquam possunt nisi majores carpere.

9.

IV. 6. 2 : Historia quorum in tabernis pingitur.

So steht, von anderen Ausgaben gar nicht zu reden, merkwürdiger Weise auch in der von Orelli, obwohl schon in der Editio princeps Pithoeana durch ein Sterneben zwischen quorum und in angedeutet ist, dasB etwas fehlt; die neueren Herausgeber haben, so viel ich sehen kann, Heinsius' Conjectur e t aufgenommen und schreiben historia quorum e t in tabernis pingitur. Da aber nicht recht einzusehen ist, wie hier et &o ganz spurlos ausfallen konnte, so vermuthe ich, es habe ursprünglich zwischen quorum und in omni gestanden, das ebensowohl bei der grossen Aehnlicbkeit der vorhergehenden und darauf folgenden Buchstaben dem Auge des Abschreibers, als beim Vorlesen dem Ohre des Nachschreibenden entgehen konnte; ich lese also historia quorum omni in taberna pingitur.

10.

IV. 18. 19: Odore canibus anum, sed multo, replent.

So schreibt Luc. Müller in seiner Ausgabe in Uebereinstimmung mit den Handschriften, obwohl die Herausgeber längst an sed multo AnBtoss genommen haben; aber Orelli wird doch wohl Recht haben mit seiner Anmerkung: Partie, sed impedit construetionem. Dass Bothe's Conjectur sedulo replent, was Dressler und Orelli billigten, zu verwerfen ist, weil sie einen falschen Jambus im fünften Fuss enthält, hat schon Langen bemerkt; die von ihm vorgeschlagene Um- stellung replent sedulo jedoch ist, obwohl er das bestreitet, wegen der Positionslänge in replent bedenklich, da plf soviel mir bekannt ist, beiPhädrus nirgends Position macht; nur in den fabulae Perottinae steht einmal (14, 2; Orelli 15, 2) locüples. Sed spurco, wie Eyssen- hardt mit Bentley liest, entfernt sich doch zu sehr von der üeber- lieferung, als dass es für wahrscheinlich gelten könnte. Mir scheint odore canibus anum tat multo replent, was bis jetzt meines Wissens noch von Niemandem vorgeschlagen ist, das Richtige zu Bein.

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V. 3. 11 —13: Hoc argumento veniam dari docet,

Qui casu peccat, quam qui consilio est nocens; Hl um esse qua (m) vi 8 dignum poena judico.

Der erste dieser Verse bat den Heraasgebern viel zu schaffen gemacht; ich will einige von den gemachten Verbesserungsvorschlägen hersetzen; es steht beiOrelli: hoc argumentum veniam ei dari docet;

bei Luc. Müller: hoc argumentum venia donari docet ; bei Eyssenhardt: hoc argumentum veniam dandam

Uli docet;

alle diese fahren dann fort

qui casu peccant. Nam qui consilio est nocens, illum esse qua(m)vis dignum poena judico. Diese Emendationsversuche haben, wie man siebt, das miteinander gemein, dass sie argumento, um docet zu halten, in argumentum und im folgenden Verse des Sinnes halber das bandschrifsliche quam in nam ändern. Ich vermuthe jedoch, dass gerade docet das ganze Verderbniss verschuldet hat, indem es durch das nicht verstandene und in hoc argumentum geänderte hoc argumento in den Text gekommen ist und dann natürlich etwas anderes verdrängt hat; das quam des folgenden Verses scheint mir anzudeuten, dass ein Comparativ ausge- fallen ist; ich lese also:

Hoc argumento veniam ei potius dari,

Qui casu peccat, quam qui consilio est nocens ;

Blum esse quavis dignum poena judico.

12.

V. 7. (Or.8) 13—15: Ut spectatorum mos est et lepidum genus,

Desiderari coepit, cujus flatibus Solebat excitari saltantis vigor.

Von den neueren Herausgebern hat meines Wissens nur Luc. Müller die handschriftlich sicher überlieferten Worte

Ut spectatorum mos est et lepidum genus, Desiderari coepit . . . (Wie dies die Sitte deB schaulustigen Publicums und wie dies ein spass- haftes Völkchen ist, Siebeiis Eckstein) geändert, wohl der Härte der Construction wegen und offenbar mit Recht. Was er aber dafür gesetzt hat

Ut spectatorum mos est, id lepidum genus

Desiderare coepit . . ., will mir nicht recht gefallen, weil das id, wie mir scheint, etwas gesuchtes hat. Anderen geht es wohl ebenso; denn es i3t ihm bis jetzt, so viel ich sehe, niemand gefolgt. Geändert muss aber, wie ich glaube, an der Stelle werden; vielleicht ist zu lesen

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Ut spectat nr um come est et lepidum genus, Desiderari coepit, cujus flatibus Solebat excitari saltantis vigor.

Bayreuth. Zorn.

lieber den Umfang des historischen Unterrichtes anf Schulen.

Der historische Unterriebt hat heutzutage fast überall die gebührende Würdigung gefunden. Es wird nicht leicht eine Schule geben, in deren Lehrplan er fehlt; man weiss ihn als ein wichtiges Bildungsmittel für Geist und Geraüth des Schülers zu schätzen. Aber darüber, welche Theile des grossen von der Geschichtswissenschaft gesammelten Stoffes für Schulen auszuwählen, welche Gebiete mit den Schülern zu durch- laufenseien, herrscht immer noch grosse Verschiedenheit der Ansichten. Insbesondere streitet man noch darüber, ob auf Schulen Universal- geschichte zu lehren sei, ob man die Entwicklungsgeschichte des ganzen menschlichen Geschlechtes an den Augen der Schüler vorüberführen müsse, oder ob man sich auf die Geschichte einzelner Völker be- schranken dürfe. Die berufensten Stimmen haben sich zwar für das Letztere ausgesprochen; aber man stösst mit dieser Ansicht immer noch auf Widerspruch.

Wenn man die Frage, ob auf Scholen Universalgeschichte zu lehren sei oder nicht, erörtern will, so darf man, wie ich glaube, nicht von abstracten Theorieen, von principiellen Forderungen über den Zweck des Geschichtsunterrichtes und ähnlichen Dingen ausgehen, die man sich vielleicht für den Bpecielleren Zweck selbst erst construirt hat, sondern man muss auf die gegebenen Verhältnisse Rücksicht nehmen, man muss die Sache vor allem vom praktischen Standpunkte aus ins Auge fassen. Die Frage wird sich also zunächst nicht so stellen: 8 ollen wir auf Schulen Universalgeschichte lehren, sondern: Können wir sie lehren? Es wäre ja freilich ein sehr schönes Ziel, dem Schüler einen Ueber- blick zu geben über den Entwicklungsgang des ganzen menschlichen Geschlechtes oder ihm das Walten Gottes in der Geschichte der Völker vor Augen zu führen, oder wie man sich sonst ausdrücken mag; es wäre sehr schön, nachzuweisen, wie sich der menschliche Geist1 unter verschiedenen Bedingungen verschieden entwickelt und zu verschiedenen Völkerindividualitäten ausgestaltet habe; aber die Frage ist nur, ob wir ein solches Ziel unter den gegebenen Umständen erreichen können. Und darauf ist entschieden mit Nein zu antworten. Oder können wir vielleicht mit Gymnasiasten denn von diesen allein könnte doch wohl die Rede sein , also mit jungen Leuten von 14 20 Jahren in einem 4 5jährigen Kursus bei einer ziemlich beschränkten Stundenzahl zu einer derartigen Kenntniss der Universalgeschichte gelangen, dass sich

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daraus wie von selbst nun vor ihrem Geiste das lebendige Bild eines geordneten, planvollen Ganzen entwickelt, dass sie die leitenden Faden erkennen, die sich nach allen Seiten hindurchziehen. Ich möchte fragen, wie viele Lehrer es gibt, die eine solche Kenntnis- der Universal- geschichte haben. Ich zweifle gar nicht daran, dass sich dieses Ziel scheinbar erreichen lässt. Man kann sich ja leicht eine Philosophie der Geschichte zurechtmachen, auch ohne die Geschichte gründlich zu kennen, kann seine Ideen den Schülern vordociren und diese sie dann gläubig nachsprechen lassen. Aber was ist damit erreicht? Wohl eben so viel, als wenn ich den Schüler Urtheile über ein Buch nachsprechen lasse, das er nicht gelesen, oder wenn ich Grammatik treibe ohne Leetüre. Alle Erkenntnis*, die nicht im Geiste des Menschen selbst geboren wird und aufwächst, die ihm nur von aussen so anfliegt, ist ein todtes und unsicheres Besitzthum. Und es ist ein treffliches Wort von Roth : „Welches noch so vornehm gewordene und selbstzufriedene Scbulmeisterthum vermag die Natur unseres Geistes umzukehren, die vom Besonderen zum Allgemeinen aufsteigen will, nicht im Allgemeinen das Besondere aufzusuchen begehrt". Das gilt besonders von der Geschichte. Will man hier lebendige Bilder geben, die das Interesse wecken, auf Geist und Gemüth wirken sollen, so muss man weder mit leeren Ab- stractionen noch mit todten Notizen kommen, sondern sich ins Einzelne und Besondere vertiefen. Wie will man aber das erreichen, wenn man Universalgeschichte lehren will? Denn das heisst nicht Universal- geschichte lehren wie es die meisten unserer Lehrbücher der allge- meinen Geschichte für die mittlere und neuere Zeit machen die Geschichte eines Volkes in den Vordergrund stellen, daran einzelne wichtigere Begebenheiten aus der Geschichte anderer Länder anknüpfen und diese unter sich durch ein paar Notizen verbinden. Ich habe an und für sich gegen dieses Verfahren nichts einzuwenden, wie ich später zeigen werde; aber man muss sich darüber klar werden, dass man damit nicht Universalgeschichte treibt, man muss die hohen Worte fallen lassen und muss den Schüler nicht zu dem Glauben verleiten, dass er wirklich das ganze Gebiet der Geschichte durchmessen habe und nun über alles und jedes aburtheilen könne. Wenn ich Universal- geschichte lehren will, dann muss ich von dem Principe ausgeben, das in den Vordergrund zu stellen, was für den Entwicklungsgang des ganzen Geschlechtes von Bedeutung gewesen ist, darein muss ich mich vertiefen; von diesem Gesichtspunkte aus kann mir leicht die Geschichte eines asiatischen Reiches wichtiger sein, als die Geschichte meiner Heimath. Das ist aber kein Gesichtspunkt für Schulen.

Universalgeschichte auf Schulen zu lehren, halte ich also zunächst für unmöglich. Die Zeit reicht nicht dazu aus. Und der Schüler des Gymnasiums ist vermöge seines Alters noch nicht fähig, ein so

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ausgedehntes Gebiet zu übersehen ; die Menge der ihm zufliegenden Tbatsachen wird ihn nur verwirren nnd an der richtigen Erkenntniss des Einzelnen hindern. Meint man aber, er gewinne auf diesem Wege wenigstens die Kenntniss einer grossen Anzahl von Daten, an die sich, was er später auf diesem Felde erwerbe, leicht anschließen könne, gleichsam einen Krystallisationskern dafür abgebe, so halte ich diese Hoffnung für sehr illusorisch. Man p'röfc einen Gymnasiasten ein Jahr nach seinem Abgange von der Schule über seine Geschichtskenntnisse, und man wird schwerlich über die Menge derselben erstaunt sein. Und das ist leicht erklärlich Denn nur das deutlich Angeschaute oder geistig Verstandene wird leicht und dauernd vom Gedächtniss bewahrt. Man wird also auch in dieser Hinsicht nur durch Beschränkung sein Ziel erreichen.

Universalgeschichte auf Schulen zu lehren, scheint mir aber auch unnöthig. Denn wenn man durch den Geschichtsunterricht auf das sittliche Gefühl des Schülers wirken, wenn man seine Urtheilskraft stärken, wenn man ihn auch im geistigen Leben auf das Walten gewisser Gesetze, auf den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung aufmerksam machen, wenn man Interesse für die Vergangenheit nnd geschichtlichen Sinn bei ihm wecken will, so kann man dies alles eben so gut, ja viel besser durch das Eingehen auf die Geschichte einzelner Völker, als durch ein oberflächliches Hinblicken über die Universalgeschichte. Weiter aber, bis zu einer Philosophie der Geschichte, bis zur Nachweisung leitender Ideen, die zudem oft nur im Kopfe ihrer Urheber existiren, soll die Schule nicht gehen, auch das Gymnasium nicht. Das Gymnasium soll ja die Bildung des Menschen nicht ab- schliessen, es soll nur einen tüchtigen Grund legen, Anregungen geben, die durchs ganze Leben nachwirken, und es soll für die Universität vorbereiten. Wenn man aber das Ziel des Geschichtsunterrichtes auf Gymnasien so hoch stellt, wie manche wollen, dann ist nicht abzusehen, was der Universität noch zn thun bleibt, und zu welchem Zw,eck auch auf ihr noch allgemein bildende Fächer gelehrt werden.

Wenn es nun feststeht, dass Universalgeschichte auf Schulen nicht zu lehren ist, welche Theile derselben sollen dann ausgewählt und auf den verschiedenen Unterrichtsstuffen gelehrt werden? Ich werde bei Beantwortung dieser Frage besonders die Volksschulen , die Gewerb- schulen, die Lateinschulen und die Gymnasien ins Auge fassen.

In der Volksschule wird man sich in Bezug auf den historischen Unterricht die möglichste Beschränkung auferlegen müssen. Man wird auf eine zusammenhängende Darstellung des Geschichtsverlaufes gänzlich verzichten müssen. Ja ich glaube, es werden überhaupt keine beson- deren Lehrstunden für diesen Unterricht anzusetzen, und noch weniger wird ein besonderer Leitfaden für denselben zu gebrauchen sein. Es ist möglich, dass das in den Ohren mancher Volksschullehrer wie eine

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Ketzerei klingen und dass man es für einen Mangel an pädagogischem Verständnisa oder an Eifer für die Hebung der Volksbildung erklären wird , wenn man derartige Ansichten ausspreche. Denn man ist ja in neuerer Zeit bemüht, die Volksschule möglichst hinaufzuschrauben und hält es für ein Zeichen pädagogischer Weisheit, ihr möglichst unerreich- bare Ziele zu stecken. Was sich in einzelnen, günstig situirtcn Stadt- schulen mit Mühe erreichen lässt, will man zur Directive für die Landschulen machen. Ich kenne eine Lehrordnung für Volksschulen, in der ein Geschicbtspensum vorgeschrieben ist, dessen Bewältigung jedem Gymnasiasten Ebre machen würde. Dabei kommt es aber leicht vor , dass aus solchen Schulen Schüler hervorgehen , die weder lesen noch schreiben können. In der Volksschule kann der Geschichts- unterricht keinen andern Zweck haben, als auf das sittliche Gefühl und den Patriotismus belebend zu wirken, Interesse für die Ver- gangenheit und ein Gefühl dafür zu erwecken, dass die Zustände, in denen wir leben, nach gewissen Gesetzen allmählich geworden sind. Das kann aber durch Aufnahme passender Stücke ins Lesebuch und durch gelegentliche Erzählungen des Lehrers, die sich an einen patrio- tischen Jahrestag anschliessen oder die Einförmigkeit des gewohnten Unterrichtsganges einmal wohlthätig unterbrechen, zur Genüge geschehen. Deswegen braucht übrigens dieser Unterricht, wenn er sich auch nicht an ein zusammenhängendes Lehrbuch anschliesst, doch nicht plan- und systemlos zu sein Der Lehrer kann bei dem Lesen und Erzählen eine gewisse Ordnung einhalten, und er kann auch, Boweit es möglich ist, zwischen den einzelnen Stücken durch passende Bemerkungen einigen Zusammenhang herstellen. Insbesondere aber wird er in der Geschichte seiner Heimath bekannt sein, aus ihr werden seine Erzähl- ungen vorzüglich entnommen sein müssen. Das wird ihnen Leben und Interesse geben. Wenn er dann das Einzelne mit der Geschichte des Ganzen so zu verknüpfen weiss, das?, die Schüler fühlen, dass auch ihre klejnen und beschränkten Verhältnisse in einem grossen, viel umfassenden Zusammenbange stehen, wenn sich das Einzelbild auf einem grossen und bedeutungsvollen Hintergrunde klar und deutlich abhebt, dann wird er seinen Zweck vollständig erreicht haben.

An den Gcwerbschulen und verwandten Anstalten kann der Geschichts- unterricht schon ein höheres Ziel erstreben. Aber es thut auch hier Beschränkung noth. Wir müssen uns an diesen Schulen auf die deutsche Geschichte beschränken. Aus der allgemeinen Geschichte können nur einzelne ausgewählte Partieen zur Darstellung kommen. Diese jedoch werden nicht zu entbehren sein. Es gibt ja eine Reihe von Begebenheiten, die so tief auf den Entwicklungsgang der ganzen Menschheit eingewirkt haben, dass wir sie bei der Geschichte keines Volkes übergehen können. Es gibt andere, deren Besprechung für das

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Verstündniss der eigenen Volksgeschichte unumgänglich nothwendig ist. Ich erinnere nur an die Stiftung des Islam, die Kreuzzüge, die Ent- deckung Amerikas, die Kegierung Ludwigs XIV. Aber auf die Dar- stellung der griechischen und römischen Geschichte werden wir an den Gewerbeschulen verzichten müssen. Es wäre ja freilich sehr wünschens- wert, wenn der Bildungsstoff, der in der alten Geschichte liegt, auch diesen Schulen zu gute kommen könnte. Und ich kenne recht wohl die Vorzüge, die der alten Geschichte gerade für den Jugendunterricht der neueren gegenüber eigen sind. Aber die Erfahrung lehrt, dass die griechische und römische Geschichte, wo sie nicht von der Leetüre getragen und unterstützt wird, vollständig in der Luft schwebt, dass es unmöglich ist, sie in solchem Falle zum Verständniss zu bringen, oder auch nur ein. tieferes Interesse für sie zu erwecken. Man sieht sich da auf eine anekdotenhafte Behandlung der Geschichte beschränkt, bei der doch ungemein wenig gewonnen wird. Man kann freilich auch geltend machen, es sei für die Anfänge der deutschen Geschichte und so manches in der späteren Entwicklung unseres Volkes die Kenntniss des römischen Reiches und der Art, wie dasselbe geworden, nicht leicht zu entbehren. Aber, was zu diesem Zwecke wirklich nöthig ist, wird sich doch auf wenige Grundzüge beschränken und in ein paar Stunden an der Hand der Karte sich erklären lassen.

Anders stellt sich die Sache natürlich bei der Lateinschule und dem Gymnasium Dass hier griechische und römische Geschichte und überhaupt alte Geschichte, soweit sie zu deren Erklärung nothwendig ist, gelehrt werden muss, wird niemand bestreiten wollen. Das Gym- nasium hat ja die Aufgabe, in das griechische und römische Alterthum einzuführen, und zu diesem Zwecke ist es natürlich nothwendig, dass die in der Leetüre zerstreut gewonnenen Kenntnisse in eigenen Geschichts- stunden gesammelt, geordnet und erweitert werden. Ausserdem aber dürfte auch hier die Beschränkung auf die deutsche Geschichte in dem oben angedeuteten Masse geboten erscheinen. Nur in der Geschichte der neuesten Zeit, von der französischen Revolution oder von 1815 an würde ich von dieser Beschränkung abgeben. Denn ich glaube nicht, was man zu sagen pflegt, dass diese Periode überhaupt vom Schul- unterrichte auszuschließen sei, dass man mit dem Jahre 1815 aufhören müsse, weil die folgenden Ereignisse noch nicht der Geschichte ange- hörten und wir zu sehr noch in diesen Bewegungen drinnen ständen, um uns ein unparteiisches Urtheil darüber bilden zu können. Was ist das für eine willkürlich angenommene Gränze zwischen Geschichte und Gegen- wart! Und wer wird behaupten wollen, dass wir den Bewegungen der Reformationszeit unbefangener und kühler gegenüberständen, als etwa dem Kriege von 1866. Es ist zum Verständnisse der Gegenwart ganz unumgänglich nothwendig, auch die Zeit von 1815 bis auf den heutigen

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Tag in den Schulunterricht hereinzuziehen. Es ist doch auch ein ganz unnatürliches Verfahren, bei einem bestimmten Jahre abzubrechen und den Schaler über die unmittelbare Genesis gerade der Erscheinungen, in deren Mitte er selber lebt, unaufgeklärt zu lassen. Er kann das freilich nachholen, aber wie viele thun es! Und bei wie vielen fehlt aus diesem Grunde ein tieferes Verständniss der die Zeit bewegenden Fragen. Zudem böte gerade diese Behandlung der neuesten Geschiebte, die besonders auch auf die Entstehung der gegenwärtigen territorialen Verhältnisse Europas einzugehen hätte, die beste Gelegenheit, auch die geographischen Kenntnisse im Gymnasium noch einmal aufzufrischen. Ebenso könnten bei dieser Gelegenheit die wesentlichen Formen staat- licher Einriebtungen dem Schüler einigermassen bekannt werden. Wir pflegen darin von der Schule gar zu unwissend gelassen zu werden. Wenn nun für die mittlere und neuere Zeit auch auf dem Gymnasium nur die deutsche Geschichte zur Darstellung kommt , aus der allge- meinen aber nur eine gewisse Anzahl von Begebenheiten ausgewählt werden soll, so fragt es sich, ob bei der Behandlung der deutschen Geschichte nicht wieder die Geschichte des Landes und Volksstammes, dem die Schüler angehören, also bei uns die bayerische Geschichte eine besondere Berücksichtigung verdiene. Es kann darüber wohl kaum ein Zweifel bestehen. Jeder Lehrer, dem es darum zu thun ist, das Interesse seiner Schüler zu erwecken, wird sogar die Geschichte der Provinz und der Stadt, in der er lebt, möglichst betonen, wird immer zu zeigen suchen, wie die grossen Ereignisse der Weltgeschichte auch in diesen kleinen Kreis ihre Wellen hineinwerfen. Und die Entstehungs- geschichte des Landes, dem man angehört, sollte einem doch billig nicht unbekannt sein. Aber vor einer Klippe wird man sich dabei zu hüten haben. Bei der Behandlung einer speciellen Landesgeschichte verliert man sich gar zu leicht in Einzelheiten ; man geht in Dinge ein, die ohne Werth und Interesse sind, die nur gemerkt werden, um wieder vergessen zu werden, und verleidet dadurch dem Schüler den ganzen Unterricht. Diese Klippe ist auf unseren Gymnasien nicht immer ver- mieden worden. Dadurch ist mancher Schaden entstanden und eine an und für sich gute Sache vielfach in Misscredit gekommen. Grosse Schuld daran trug vielleicht. die Vorschrift, die bayerische Geschichte in einem besonderen Cursus, getrennt von der deutschen zu behandeln. Dadurch wurde man unwillkürlich genöthigt, die vorgeschriebene Zeit mit Lehrstoff auszufüllen, auch wenn es an wirklich wissenswerthem fehlte. Glücklicherweise ist diese Bestimmung in der neuen Lehr- ordnung weggefallen ; die bayerische Geschichte soll nur im Anschlnss an die deutsche gelehrt werden. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass man diu aus der bayerischen Geschichte beigezogenen Thatsachen zu- weilen in besonderen Stunden bespreche und im Zusammenhang darstelle.

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Eine weitere Frage ist nun, in welcher Weise der geschichtliche Lehrstoff auf die verschiedenen Jahrescurse der Lateinschule und des Gymnasiums vertheilt werden soll. In dieser Beziehung haben wir, wie ich glaube, bisher schon die richtige Praxis beobachtet. Es ist die Aufgabe der Lateinschule, dem Geschichtsunterrichte des Gymuasiums einen planmässigen Vorbereitungsunterricht vorausgehen zu lassen, in dem die Elemente bewältigt werden und in dem eine Summe von Kenntnissen gewonnen wird, die beim spätem Aufbau des Geschichts- zusammenhangs gleichsam schon als fertige Bausteine vorliegen und nun sofort zur Verwendung kommen können. Es sind deshalb auf der Lateinschule dieselben Völker und Zeiträume zu behandeln, wie auf dem Gymnasium, was noch den Vortheil hat, dass dadurch auch die von der Lateinschule ins praktische Leben übertretenden Schuler kein Bruchstück, sondern ein Ganzes haben Ein derartiges wiederholtes Durchlaufen des gesammten Lehrgebietes, doch unter verschiedenen Gesichts- und mit verschiedenen Ruhepunkten ist von grossem Vortheil. Denn es weiss jeder aus eigener Erfahrung, wie nothwendig es gerade in der Geschichte ist, den Stoff, den man dem Gedächtnisse einprägen will, wiederholt dem Geiste vorzuführen. Die Gefahr, die man dabei vielleicht befürchten könnte, dass dann auf dem Gymnasium für den schon bekannten Stoff nicht mehr das volle lebendige Interesse vor- handen wäre, wie man es wünschen müsse, würde nur dann bestehen, wenn man die Sache verkehrt anpacken würde. Wenn man freilich auf beiden Unterrichtsstufen dasselbe Lehrbuch im Gebrauche hat, oder was unter Umständen noch verkehrter sein dürfte, auf der untern Stufe einen kürzern, auf der obern einen etwas ausführlicheren Leit- faden, und wenn sich der Lehrer vielleicht darauf beschränkt, diesen Leitfaden auswendig lernen zu lassen, dann ist es freilich nicht zu verwundern, wenn der Schüler nach der einmaligen Durchwanderung des Geschichtsgebietes vollständig genug hat und auf eine Wieder- holung dieses Vergnügens seinerseits gerne Verzicht leisten würde. Aber das liegt denn doch nur an der falschen Behandlungsweise der Sache. Nicht so soll die Lateinschule das Geschichtspensum durch- laufen, dass sie womöglich einen noch dürftigeren Auszug, ein noch nackteres Gerippe vor das Auge des Schülers stellt, als es dann auf dem Gymnasium geschieht; sie soll über ganze Abschnitte, in denen nichts für sie zu holen ist, mit einem Schritte hinwegschreiten, durch einige Jahreszahlen oder Daten sich gleichsam ein paar Merksteine setzen, dann aber in anderen Gebieten, die fruchtbarer für sie sind, um so ruhiger verweilen, um so behaglicher sich niederlassen, um so schärfer nach allen Seiten sich umsehen. Kenntniss der Geschichte gewinnt man nur durch eine derartige Vertiefung ins Einzelne und Besondere. Fragen wir uns nur selber I Wer hat denn jemals durch

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das Richtige finden. Mit diesen culturhistorischen Schilderungen könnte man schon auf den unteren Unterrichtsstufen beginnen. Man brauchte sie nur in die Form von Einzelerzählungen zu kleiden; statt allgemeiner Erörterungen z. B. über das Städtewesen des Mittelalters, die freilich für einen Knaben nicht passen mögen , müsste man eine Episode aus dem Leben einer Stadt möglichst anschaulich erzählen. Tiefer und umfassender aber würden sich natürlich diese Schilderungen auf den oberen Unterrichtsstufen gestalten. Und ich bin überzeugt, sie würden Geist und Oemüth der Schüler mehr anregen, dauernder ihre Phantasie beschäftigen, sicherer die Lust zu weiterem Eindringen in die Geschichte wecken, als es der dürftige Auszug von Feldzugs- und Staatengeschichte zu thun vermag, der uns oft allein auf unsern Schulen geboten wird. Es würde auf diesem Wege vielleicht auch gewonnen werden, was mir eines der wichtigsten Resultate des histor- ischen Unterrichtes scheint, Ehrfurcht vor der Vergangenheit, geschicht- licher Sinn- Es fehlt uns daran so sehr. Die Vergangenheit erscheint vielen nur als der dunkle Hintergrund, auf dem das Bild der Gegenwart um so heller sich abhebt. Wir vergessen, dass wir auf den Schultern unserer Vorfahren stehen, lachen ihrer Kleinheit und wundern uns über unsere eigene Grösse. Könnten wir diesen selbstzufriedenen Sinn in den Herzen der Jugend bannen, könnten wir ein Gefühl dafür wecken, dass es viel angemessener ist, in dankbarer Pietät zu unsern Vorfahren aufzuschauen, als in hochmüthigem Selbstdunkel auf sie herabzusehen, könnten wir überhaupt das Gefühl der Pietät in der Jugend stärken wir würden keinen geringen Beitrag geleistet haben zur Heranbildung eines besseren Geschlechtes.

Augsburg. J. Hans.

„Mensa est rotunda."

Bei der syntaktischen Erklärung von Sätzchen dieser Gattung pflegen zwei üngenauigkeiten vorzukommen, auf welche hinzuweisen der Zweck dieser Zeilen ist.

Die erste und hauptsächliche Ungenauigkeit ist die, dass man est für die Copula (Satzband) erklärt. Englmann führt sogar ausser dem Verbum «uro, welches als Satzband dient, noch gegen 20 Verba oder mehr an, welche auch als Copula dienen, nämlich: /<>>, evado, exsisto etc.; puturi, appellari, etc. Aber auch alle unsere anderen für den Schulgebrauch genehmigten Grammatiken haben diese oder eine ganz ähnliche Ansicht, und zwar die deutschen ebenso wie die lateinischen.

Diese Ansicht ist von Logikern bereits seit vielen Jahren als un- genau erkannt und nachgewiesen worden. So z. B. stellt Ueberweg in

Di^ÜHßd by Go

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seinem vielfach benützten System der Logik die Sache völlig richtig dar. Das est ist nicht ein inhaltsloses Satzband, sondern in ihm stecken ausser der logischen Copula auch noch die Begriffe des Seins, der Gegenwart und der Bestimmtheit. Es gibt überhaupt gar kein Verbum, das Mos Copula wäre, sondern in jedem Verbum steckt viel mehr als die Copula. Der grammatische Ausdruck für die logische Copula sind lediglich die Flexionsformen des Verbums und Nomeng. Jedes Verbum also, welches einer Flexion fähig ist, kann als Copula dienen. Diese Flexionsformen genügten der Sprache für die Bezeichnung der Copula in den einfachen nackten Sätzen, weshalb sie kein Verbum und überhaupt kein Wort zu schaffen brauchte, das sich dem Beruf eines Satzbundes ausschliesslich widmen müsste.

Die zweite Ungenauig eit, welche bei der Erklärung von Sätzchen wie mensa est rotunda vorkommt, besteht darin, dass man sie als einfache nackte Sätze bezeichnet, die blos aus Subjekt und Prädikat bestehen

Wenn das Verbum est nicht blos Copuladiensft verrichtet, sondern auch noch das Sein für die Gegenwart mit Bestimmtheit von mensa aussagt, also offenbar Prädikatsfunktion verrichtet, warum sollen wir es nicht auch als Prädikat anerkennen? Ich halte es daher für richtiger! den Satz folgendermassen zu konstruieren: Subjekt? mensa der Tisch ! Prädikat ? est er ist ! Erweiterung des Prädikats ? rotunda rund !

Diese Constructionsweise scheint mir nicht nur natürlich, sondern auch nothwendig, weil man durch andere Fälle genöthigt ist, das Prädikatsnomen als Satzerweiterung gelten zu lassen. Wer z. B. den Satz Cicero consul creatua est als einen einfachen nackten erklären wollte, müsste es sich gefallen lassen, wenn man den Satz equus celeriter currit auch für einen nackten erklärt. In beiden Sätzen sind ja 3 Fragen nöthig. Subjekt? Cicero. Prädikat? er latus est. Erweiterung des Prädikats? consul. Wollte Jemand auf die Frage: Prädikat? antworten : consul creatus est, so müsste er beim zweiten Satze auf die Frage: Prädikat? antworten: celeriter currit.

Wollen wir also nicht eine Begriffsverwirrung anrichten und den Unterschied zwischen einem nackten und erweiterten Satz verwischen oder doch dem Schüler unfassbar machen, so müssen wir das Prädikats- nomen bei den Verbis appellari, dici, putari, judicari, cognosci, nasci, fieri etc. als Satzerweiterung erklären und ebenso bei sunt.

Thun wir dies, so vereinfacht sich die Grundlehre vom Prädikat. In Englinann's lat Grammatik 8. Aufl. §. 151 Abs. 2 lautet sie z. B. jetzt folgendermassen: „Prädikat ist ein Verbum oder ein Nomen. Ist ein Nomen Prädikat, so werden Subjekt und Prädikat durch die Copula (Satzband) esse sein mit einander verbunden." Nach der richtigeren

Blätter t. d. b«yer. GynuuuUlw. XL Jahrg. 2

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Metbode lautet die Regel sehr einfach, nämlich: „Das Prädikat ist immer ein Verbum".

Die Regel in §. 157 der lat. Grammatik E.'s müsste dann ungefähr lauten: Folgende Yerba haben gewöhnlich ein Prädikatsnomen bei sich, das mit dem Subjekt congruiert: 1) «um, ich bin, fio und evado u. 8. w. 2) die Yerba, welche bedeuten genannt werden, heissen etc Durch diese Aenderung hätte die Regel jedenfalls keinen Schaden gelitten.

Vorher müsste man die Bemerkung anbringen : Die Verbindung zwischen Subjekt und Prädikat (Copula) wird durch die congruierenden Flexions- formen des Nomens und Verbums ausgedrückt.

Also den Satz mensa est rotunda möchte ich als erweiterten und est als Prädikat betrachtet wissen. Hiegegen könnte nun Jemand einwenden: „Die prädikative Bedeutung von est ist in solchen Sätzchen für unser Gefühl bereits so abgeschwächt, dass wir sie erst künstlich auffrischen müssten; dies ist aber nicht nöthig". Gegen diesen Einwurf- wird gelten dürfen, dass es immer noch an der Zeit sein könnte, einen angerichteten Schaden gut zu machen. Noch ist die Abschwächung nicht so weit gegangen wie in der Benützung des Verbums sein als Hilfszeitwort. Immer noch ist ein fühlbarer Unterschied zwischen „Er ist gegangen" und „Er ist schlank". Es wird nicht lange dauern können, bis in letzterem Satze das „istu wieder seine ursprüngliche Bedeutung als selbstständiges Verbum erlangt hat. Wenigstens scheint es der Mühe werth zu sein, hiezu anzuregen.

Wunsiedel. Wirth.

Ans der Schulmappe. Miscellen von Dr. August Kurz.

Meine Freude am Gewinne dieses Vereinsorgans für die techn Lehr- anstalten zu bethätigen, knüpfe ich diese Notizen an die math -phys. Sektionssitzung der letzten Wanderversammlung, letzte Ostern in Augsburg, an. Wenn ich dabei vorausschicke, dass jener Sitzung nur kurze Zeit zugemessen und auch nur eine geringe Frequenz beschert war, so geschieht es sowol um den Wunsch nach grösserer Berücksichtigung des Zweckes und Nutzens solcher Sektionsvereinbarungen auszusprechen , als auch um die ersten der folgenden Notizen als Ergänzung damaliger Trak- tanden zu motiviren

1) Ueber das Rechnen mit unvollständigen Zahlen.

Dasselbe findet in neuerer Zeit mehr Berücksichtigung. Aber der Einzelne vermag da dem Schlendrian und der Gedankenlosigkeit Vieler gegenüber nur wenig auszurichten; ein einiges Zusammengeben, eine Majorität sollte erzielt werden, die sich vielleicht auch auf manche Aeusserlicbkeit oder Förmlichkeit zu erstrecken hätte, wenn diese auch an und für sich gleichgültig, aber doch dazu nützlich befunden würden,

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dass eine Vielzahl ausser 1 ich er Menschen die Einheit und Notwendigkeit . begriffen und sich fügten.

Ich wiederhole hier vor grösserem Publikum, dass die Schüler in Ermittelung erster Annäherungen mehr geübt werden sollten. Als Beispiel diene, dass eine seebsziffrige ganze Zahl mit einer zweiziffrigen ein sieben- oder achtziffriges Produkt, oder welches zwischen 1 nnd 100 Millionen liegt, geben; der zweite Schritt ist dann das Einschränken des Resultates etwa zwischen 60 und 70 Millionen, oder die Angabe der Anzahl der ganzen Millionen, diese Angabe genau bis auf einen Fehler von höchstens % Million auf- oder abwärts.

Dieses Abschätzen, so kann man's nennen gegenüber dem voll- ständigen Ausrechnen, reicht hin beim Fehlerkalkul , welcher bei dem Rechnen mit unvollständigen Zahlen angestellt werden kann und häufig auch vor Beginn des Ausrechnens angestellt werden sollte. So ist z. B. allgemein (a/? -f- b«) der grösstmögliche Fehler des Produktes ab aus den beziehungsweise mit den Fehlern « und ß behafteten Zahlen a und b,

oder auch ab + welche Form ganz analog ist dem Fehler

(— + ^) des Quotienten der nämlichen zwei Zahlen. Es sei das

spezifische Gewicht * auszurechnen eines Körpers, welcher a = 24312 Milligramme in der Luft und 21916 im Wasser wiegt; diese beiden Zahlen sind mit dem Fehler « = 0,5 behaftet; die Differenz beider

b = 2396 mit dem Fehler ß = 1 ; der Fehler von s = ~ beträgt dann

10. h^oä oder 0»°°4 (indem " hier gegenüber £ nicht in Betracht

kommt). Man sieht daraus, wie sinnlos es wäre, die Division weiter als bis zur dritten Decimalstelle zu treiben. In üebereinstimmung damit steht auch dio zu befolgende Methode des abgekürzten Dividirens.

Dass hiegegen auch noch in neueren und sonst guten Büchern oft Verstössen wird, kann Jeder leicht finden; und dass das angedeutete Verfahren ebenso unterhaltend und bildend als das gedankenlose oder „mechanische" Rechnen langweilig und geisttödtend ist, brauche ich t nicht auseinanderzusetzen.

Ebenso steht fest, dass Vereinbarungen unter den Mittelschulen auch Fortschritte in den Volksschulen nach sich führen; wie ich mich erinnere, manches Hiebergehörige erst als Gymnasialscbüler, und dann kaum, erfahren zu haben, was man jetzt in den Primarschulen von Städten methodisch betreibt.

2) Zum Unterrichte in der Planimetrie. „Wenn man von der Spitze eines gleichschenkligen Dreieckes das Perpendikel fällt u. s. w." es käme eine den Schüler anziehende

2*

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Abwechslang in den Unterricht, wenn man das Verfahren bisweilen umkehrte und sagte: Setzt man zwei kongruente rechtwinklige Dreiecke mit den homologen Seiten zusammen, so erhält man entweder ein Rechteck oder ein besonderes Deltoid oder zwei besondere Rhomboide oder endlich zwei gleichschenklige Dreiecke. Auch erhält man, wenn man die Seiten rechtwinkliger Dreiecke so aueinanderstösst, dass je zwei homo- loge Winkel Scheitelwinkel werden, während die andern homologen Ecken durch je zwei Gerade verbunden werden: einen Rhombus, drei besondere Antiparallelogramme und zwei besondere Rhomboide (Vullst. Vierseit).

Statt diess Alles auf der Tafel erst zu zeichnen, manipulirt der Lehrer mit zwei aus Carton ausgeschnittenen rechtwinkligen Dreiecken; der Schüler macht das gerne nach und bildet dabei seinen Formensinn. Hier drängt es mich, des uns leider so früh entrissenen Collegen A Ziegler zu gedenken, der auf diesem Gebiete ebenso erfinderisch als auch beflissen war, seine Ideen der Collegenschaft mitzuteilen. Möchten die kleinen, aber doch so inhaltsreichen Büchlein, die er uns hinter- lassen, sein Andenken lebendig erhalten !

3) Das mathematische Pendel. Das Pendel, erinnere ich mich, war mir im ersten physikalischen Unterrichte als die erste Schwierigkeit entgegengetreten und wirklich gilt es auch ein gewisses Kunststück, wenn man die Formel

t = 2n ^/^— elementar entwickeln soll. Sparen wir darum das

Schwierige möglichst bis zuletzt, so können wir von der schiefen Ebene her die Beschleunigung g sin a entnehmen, die im Verlaufe der Viertel- schwingung bis zu Null abnimmt. Statt dessen werde als konstante

Beschleunigung der Mittelwert * g sin « benutzt und in die Formel *= $ (2« (j)f= \*ina

eingesetzt. So erhält man t = 4 y- , worin statt der Constanten n

f 8

allerdings die unrichtige 4 steht. Aber die Formel reicht hin, um die bekannten zwei oder vier Schwingungsgesetze (Unabhängigkeit von « und vom Gewichte, beziehungsweise der Masse) abzuleiten.

L&sst man die Maximalgeschwindigkeit aus der Formel v == Vifgh berechnen, wobei für h allerdings die nach den ersten zwei Gliedern

abgebrochene Binomialreihe hereinkömmt, so wird v s V/p Man

kann dann für eine halbe (oder einfache) Schwingung statt der von Null bis v variirenden Geschwindigkeiten die konstante Geschwindigkeit

^ einführen und erhält

L4* . :-.

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also wiederum die vorige Formel.

DieCon8tantenbe8timmung(7i) wird dann bekanntlich am schönsten durch die Substitution des den Kreisumfang 2s» mit konstantem v durchlaufenden Punktes ausgeführt (wozu die blosse Erwägung von zwei ähnlichen Dreiecken berechtigt):

4) Das physikalische Pendel.

Noch schwieriger steht die Sache, könnte man glauben, mit dem physikalischen Pendel, und ich will das Alter nicht verraten, das ich erreicht, bis mir seine Formel bekannt geworden. Es ist auch wahr: der Begriff des Trägheitsmomentes gehört dazu; dafür aber braucht man vom Mathematiker keine konvergente Reihe (wie oben die Binomial - oder die Cosinusreihe) zu entlehnen.

Nun zum Begiff des Trägheitsmomentes: Wer mit der Fallmaschine experimentirt, kann (ich möchte sagen soll) zeigen, dass Atwood die Fallbeschleunigung nicht bloss in dem Verhältnisse des Ueber gewichtes zur Summe der an die (gewichtlos gedachte) Schnur gebängten Gewichte verkleinerte man müsste dazu auch die Rolle gewicbtlos denken sondern dass im Nenner jenes Verhältnisses auch ein Glied auftritt, das von der Trägheit der Rolle herrührt und welches man das auf den Rollenumfang reduzirte Gewicht der Rolle nennen muss. (Statt „Rollen- nmfang" kann man hier auch „Rollenradius" sagen.)

Jetzt Substituten wir statt des physikalischen Pendels ein mathe- matisches Pendel von derselben Schwingungsdauer, von der Länge 1, und reduziren sowohl die treibende Kraft als auch die getriebene Masse auf diesen Radius 1. Erstere ist, wie im Unterrichte schon länger vorausgeschickt worden, das statische Moment und kann man sich das ' Pendel um 90° abgelenkt (horizontal) denken, damit der Schüler an (G. Zo) erinnert werde (G Gewicht des Pendeis, z0 Abstand seines Schwerpunktes vom Aufhängepunkt). Und die Masse am Radius 1 ist das Trägheitsmoment K und unterscheidet sich von dem vorher- genannten reducirten Gewichte nur durch den Radius 1 und wie sich die Masse überhaupt vom Gewichte unterscheidet, nämlich durch den Divisor g, die Fallbeschleunigung. Nennt man endlich p die Beschleunigung am Radius 1 (Winkelbeschleunigung), so ist

genauer im Kreisumfang vom Radius 1 (Beschleunigung gleich Kraft durch Masse).

am Radius 1 oder

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Um als belehrende Probe aus der Formel des physikalischen Pendels wiederum diejenige des mathematischen zu erhalten, nehme ich hier die, nächstfolgende (5te) Notiz voraus, und setze zu diesem Zwecke

K mV. Ferner wird dann z0 = 1 ut d t = 2n \^ ™^ j = 271 '

5) Das Trägheitsmoment noch einmal.

Ich knüpfte vorhin an die Fallmaschine an. Jetzt will ich diesen Begriff aus dem Princip der Aequivalenz ven Arbeit und Wucht0) ab- leiten, weil diese Ableitung, wie ich glaube, seltener verwendet wird und doch für den Anfänger näher liegt als eine andere

Um eine Welle vom Radius r ist ein Seil geschlungen, an dessen Ende das Gewicht 6 hängt; \ut dieses vom Zustande der Ruhe aus die Falltiefe h zurückgelegt und die Geschwindigkeit v erlangt, so ist

G. h =i mv' + * l p w«,

wobei m die Masse des fallenden Gewichtes, p irgend ein Massenteilchen des Cylinders vom Radius g und w die Winkelgeschwindigkeit vorstellt. Also ist auch v = rw, und man kann schreiben

2 m g h w* (m r* 1 p g)

Die eingeklammerte Summe stellt das gesammte Trägheitsmoment vor; m r* ist das Trägheitsmoment der im Umfange vom Radius r angebrachten Masse m, und nach derselben Idee ist die 2 p g* zu begreifen. Fällt letztere fort, so erhält man wieder die Formel des freien Falles v* = 2 g h.

Schliesslich erwähne ich noch, dass ich vor einigen Jahren in der mechanischen Werkstätte der hiesigen Industrieschule einen Apparat zu Schulversuchen über das Trägheitsmoment anfertigen liess, der sich auch mit der Fallmaschine verbinden lässt und dessen Beschreibung in Poggendorff s Annalen der Physik niedergelegt ist.

6) Ueber das Minimum der prismatischen Ablenkung habe ich gleichfalls vor wenigen Jahren eine elementare Auseinander- setzung in vorhingenannter Fachzeitschrift veröffentlicht Aber erst in jüngstem Sommer ist mir ein graphischer Beweis eingefallen, dessen erste Hälfte gewissermassen in Müllers Physik, (neueste Auflage) ent- halten ist Construirt man nämlich für einmalige Brechung des

Lichtstrais nach der Formel 1 = eine Curve , deren Abscissen

m// I £

die r und Ordinaten die Ablenkungen (i - r) sind, so bemerkt man, um gleich grosse Stücke der Abscissenaxe fortschreitend, dass die

Obiges kurze und deutsche Wort verdiente Verbreitung. Ausserdem ist „Energie" noch besser als die zur Zeit noch geläufigste, aber schleppende und wegen des letzten Wortes auch verfängliche „lebendige Kraft".

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Erhebungen (Differenzen) der Ordinaten nicht etwa auch gleich gross (wie bei der geraden Linie) geschweige kleiner , sondern immer grösser ausfallen. Die Curve erreicht ihr Ende und Maximum beim Winkel der totalen Reflexion (für Luft und Glas ist r1 nahe 42°) und, wenn der Prismenwinkel a kleiner als r1 , so braucht sie für unsern Zweck nur bis r a fortgesetzt zu werden. Man zeichne sie aber nochmal, auf dasselbe AbscissenstQck , nur mit Vertauschung von links und rechts. Dann schneiden sich beide Curven oberhalb des Mittelpunktes des

Abscissenstückes (in r = |-) und in dieser Abscisse ist offenbar der

tiefste Punkt oder das M i n i m u m der Ordinaten einer dritten Curve, welche aus den je zwei zusammengehörigen Ordinaten durch Addition derselben konstruirt ist und die Gesammtablenkungen vorstellt. Denn es ist bekanntlich die Gesammtablenkung gleich (i r -f i1 r1), wobei r r' = a sein muss. Dieser Beweis scheint mir, Rechnung und Zeichnung wirklich vorausgeschickt, nichts mehr an Anschaulichkeit zu wünschen übrig zu lassen.

Augsburg im November 1874

Handwerk und Handwerker in den homerischen Zeiten, dargestellt von Dr Anton Riedenauer, k. Studienlebrer am hum. Gymnasium in WQrzburg. Erlangen. Verlag von Andreas Deichert. 1873.

Die Fürstlich Jablonowski'sche Gesellschaft zu Leipzig stellte im Jahre 1868 eine Preisaufgabe auf, welche „eine quellenraässige Zusammen- stellung derjenigen Orte des klassischen Altertbums, wo gewisse Gewerbs- zweige vorzugsweise geblüht haben", verlangte.

Von den eingegangenen Arbeiten wurden zwei mit dem Preis gekrönt. Es sind diese die Schriften von Dr. Hugo Rlümner: „Die gewerbliche Tbätigkeit der Völker des klassischen Alterthums" und von B. Büchsen- sch ütz: Die Hauptstätten des Gewerbfleisses im klassischen Alterthum", die nach dem der Behandlung des Stoffes zu Grunde gelegten Eintbeilungs- principe gewisserroassen im umgekehrten Verhältnisse zu ihren Titeln stehen, insoferoe die erstere der Reibe nach die verschiedenen Land- schaften der drei Erdtbeile vorführt, wo gewerbliche Tbätigkeit geübt wurde, während die andere, auf Grundlage der Rohstoffe und der daraus verfertigten Fabrikate die gleichartigen Gewerbe zusammenstellt und bei jedem die Orte nachweist, an denen dasselbe besonders vertreten war. In demselben Jahre, in welchem eben genannte Preisschriften veröffentlicht wurden, erschien von Bücbsenschütz ein zweites umfang- reicheres Werk ähnlichen Inhalts: „Besitz und Erwerb im griechischen Alterthum", welches mit den anderen zwei den Verfasser des oben angezeigten Ruches während der Ueberarbeitung desselben überraschte. Abgesehen aber davon, dass jene Schriften wegen def ungleich weiteren Ausdehnung der zeitlichen und räumlichen Grenzen naturgeraäss dem homerischen Zeitalter nicht die gewünschte Ausführlichkeit widmen können, stellt sich unser Verfasser im Gegensatz zu Blümner und

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Büchsenschütz, welche die Geographie und das Material zum Leitfaden ihrer Untersuchung nahmen , auf den Standpunkt der Chronologie, indem er die allmählige Entwicklung des Gewerbes von den frühesten Anfangen bis zur nachbomerischen Zeit unter gewissenhafter Benützung der antiken Quellen und mit Beiziehung aller einschlägigen neueren Werke vorführt, ohne sich jedoch seines eigenen Urtheiles zu begeben, und dabei die rechtliche und soziale Stellung der Handwerksleute besonders berücksichtigt

Uebrigens hat sich die Arbeit des Verfassers auch nur vorläufig auf die homerische Zeit oder richtiger auf die Zeit jener Entwicklungs- stufe, welche aus dem rohen Naturzustande in die volle Kultur über- führt und ungefähr mit dem Ende des 7 Jahrhunderts abgeschlossen wird, beschränkt und soll sich möglicher Weise zu einer vollständigen „Geschichte des antiken Handwerkes" erweitern, wovon sie dann das erste Glied bilden würde. i

Mittlerweile ist im Jahre 1871 von Dr. E. Buchholz* grossem auf drei starke Bände berechneten Werke: „Die homerischen Realien" der erste, die homerische Welt und Natur umfassende Band erschienen, und wie Blümner und Bücbsenschütz das Thema wenigstens theilweise Riedenauer gleichsam vorweggenommen haben, so war es diesem bescbieden, einen guten Theil des zukünftigen zweiten Bandes von Bucbholz' Werk früher zur Darstellung zu bringen, da dieser nuch der übersichtlichen Disposition des Gesammtinhaltes in seiner ersten Abtheilung das öffent- liche Leben (Staatsverfassung, Kriegswesen, Handel und Wandel, Gewerbe, Künste und Industrie), in der zweiten das private Leben (Wohnung, Nahrung, Kleidung, Gesundheitspflege, Todtenbestattung) bebandeln soll. Darf man von dem vorliegenden Bande auf den folgenden scbliessen, dann wird es an Ausführlichkeit und Gründlichkeit in der Behandlung des Stoffes nicht fehlen, und dem eifrigen Leser nicht an Gelegenheit zu verfolgen, in welchen Punkten sich die Ansichten der beiden Verfasser begegnen und in welchen sie ihre Forschungen auseinanderführen.

Das Lob der Ausführlichkeit und Gründlichkeit kann der Arbeit Riedenauers, die den Herren Professoren Karl von Halm und Wilhelm Christ als ein Zeichen dankbarer Gesinnung gewidmet ist, ebenso wenig vorenthalten werden. Das Material ist mit grossem Fleisse zusammen- getragen und klar gesichtet, von den neueren Erscheinungen, insoweit sie dem Verfasser zugänglich waren, gewissenhafter Gebrauch gemacht, die Quelle, aus der geschöpft wurde, nebst sonstigen Anmerkungen, die nicht selten die treffendsten Gedanken enthalten , grösserer Ueber- sichtlichkeit wegen, und um von der Lektüre des Kontextes weniger abzuziehen, an das Ende des Buches verwiesen. Und zwar verfuhr der Verfasser, dessen überall zu Tage tretende Bescheidenheit ungemein wohlthuend wirkt, bei Angabe der literarischen Hilfsmittel und aller benützten Schriften mit einer solchen Akribie, dass er selbst fürchtet, hierin eher zu viel als zu wenig getban zu haben. Bezüglich der mit- unter sich widersprechenden oder wenigstens sich zu widersprechen scheinenden Notizen war er redlich bemüht, unter Aufwand von viel Scharfsinn und Gelehrsamkeit den Kern der Sache herauszuschälen. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass er auf dem Wege der Forschung und Vergleichung mitunter zu einem von Anderen abweichenden Resultate gelangte. Wenn man ihm auch hierin nicht allewegs beipflichten kann, so bleibt ihm doch sicherlich das Verdienst, manche herkömmliche Anschauung berichtigt, manche dunkle Stelle aufgeklärt und zu weiterem Forschen die Anregung gegeben zu haben. Die Darstellung selbst ist

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schlicht and fem von aller Sucht zu prunken, der Druck dentlich und leicht leserlich; die da und dort unterlaufenden Schreibfehler nnd Un- gleichheiten in der Wortschreibung hat der Verfasser selbst theilweise berichtigt, tbeils durch orthographische Meinungsverschiedenheiten der Korrektoren und seinen Aufenthalt im Auslande entschuldigt

In der Einleitung entwickelt der Verfasser nach dem Vorgange von Roscher und Rau den Begriff Gewerksarbeit, die vom Haus- fleiss zum Handwerke und von diesem zur Industrie fortschreitet. W&hrend von letzterer in jener Kulturperiode nicht gesprochen werden kann, trägt er kein Bedenken, die Frage, ob es damals ein Handwerk, nämlich jene Gewerkthätigkeit gegeben habe, „welche wesentlich mit individuellen, persönlichen Arbeitsmitteln zwar für fremde , aber nicht für allgemeine, sondern für individuelle Bedürfnisse arbeitet," ent- schieden zu bejahen und schliesst auf das Vorhandensein berufsmäs- siger Gewerksarbeit schon aus den Handwerksbenennungen , besonders aus den konkreten Namen mit dem Suffix*) et», sowie aus dem Um- Stande, dass nach dem Vorbilde des Hephästos und der Athene, welche den Göttern verschiedene Werke ihrer Hunde liefern, ebenso die Men- schen nicht bloss für ihren eigenen Bedarf, sondern auch für andere nnd zu deren Bequemlichkeit auf Bestellung gearbeitet haben.

Alle diese werden unter der Kategorie der StjutovQyoi, Gemeinde- arbeiter, Tusammengefasst, ein Begriff, der sich übrigens nicht nur auf die Handwerker in unserem Sinne, sondern auch auf andere noblere Dienstleistungen, wie die der Seher, Aerzte, Sänger und Herolde er- streckt. Wenn man bedenkt, wie nach homerischer Ansicht das Streben nach Erwerb nichts weniger als etwas Entehrendes hatte, und dass man wofür Riedenauer freilich keinen bindenden Beleg beizubringen ver- mag, da alle hieher bezüglichen Stellen einer anderen Deutung fähig Bind, geschickte Demiurgen aus der Ferne berief, so kann die Ab- lohnung der Arbeit wohl keinem Zweifel unterliegen. Diese scheint, wo es auf eigentliches Entgelt ankommt, unter dem Einfluss des phö- nizischen Barren Verkehrs im Zuwägen von Metall, namentlich von Gold- talenten, in dem letzten Theil unseres Zeitalters selbst in Bezahlung gemünzten Geldes, sonst aber gewöhnlich in blosser Verköstigung, in Verleihung von Haus und Hof oder eines Stückes Landes bestanden zu haben, das naturgemäss das Haupt der Gemeinde verlieh, soferne der Dieost der ganzen Gemeinde gegolten hatte. Wenn es nun aber auch Handwerker und Handwerksthätigkeit gab, wie schon die zahlreichen von dem Geschäfte selbst hergenommenen Eigennamen bei Homer be- weisen, so darf doch auf der andern Seite nicht vergessen werden, dass viele, selbst Fürsten, den berufsmässigen Gewerbsleuten gewissermassen ins Handwerk pfuschend eigenhändig ihren Hansbedarf besorgten, und dass von einer Durchführung der Arbeitstheilung keine Rede war, in- dem mehreren später getrennten Gewerkstbätigkeiten eine und dieselbe Werkstatt Raum bot.

Um den Stand der Demiurgen zu bestimmen, gibt der Verfasser eine von Wachsmuth und 8chömann theilweise abgehende Gliederung

*) Ob sich der geistreiche und feine Unterschied der homerischen Wörter auf evs und oc zur Bezeichnung einer zufälligen und dauernden oder berufsmässigen Beschäftigung aufrecht erhalten lässt, scheint doch als fraglich.

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der gesammten Staatsangehörigen in der ältesten Zeit und stellt den den Fürsten untergeordneten, in Edle und Gemeinfreie geschiedenen Staatsbürgern einerseits die Leibeigenen , anderseits die Fremden in ihrer Eigenschaft ah Gäste oder Beisassen oder Theten (?) gegenüber. Jeder der fünf Klassen konnten die eingebornen Demiurgen angehören, wenn es gleich in der Natur der Sache liegt, dass mit Ausnahme der Seher und Aerzte, von denen viele fürstlichen Geschlechtes waren, die meisten Demiurgen zu den Gemeinfreien zählen mochten. Bezüglich der aus der Fremde gekommenen Demiurgen nimmt Riedenauer an, dass sie als Gäste, £eVot, unter dem Schutze des Gastrecbtes standen und, wenn besonders brauchbar und beliebt, durch Grundbesitz belohnt wurden, ja damit zugleich die übrigen Rechte eines Bürgers, Gemein - oder Edelfreien, und nach der Analogie von Bellerophon, Pelops und anderen durch Heirat den Eintritt in eine Familiengenossensehaft erhielten Eine Bestätigung seiner Ansiebt von der persönlichen Freiheit aller Demiurgen, die erst in der späteren homerischen Zeit und zwar zunächst in Staaten mit aristokratischer Verfassung Einbusse erlitten zu haben scheint, findet er in der Vergleichung mit der altattischen Ständeeintheilung, der zufolge der Adelsklasse eine doppelte gleichberechtigte Gemein-Bürgerklasse, die der Geomoren und Demiurgen, Passivbürger ohne entscheidende Bedeutung in Staatsangelegenheiten, gegenüberstand.

Bezüglich der Achtung, welche die Demiurgen, beziehungsweise die eigentlichen Handwerker genossen, folgert der Verfasser mit Recht schon aus der Tbeilnahme der Götter und Fürsten an gewerklichen Hantirungen, dass sie im homerischen Zeitalter eine sehr ansehnliche und unbestrittene war; später bis zur historischen Zeit sei in Folge der Einwirkung aristokratischer Staatsformen und in dem Grade, als man hei der Arbeit vorwiegend den Lohn und Gewinn in Anschlag brachte, das Handwerk nicht nur in der Achtung gesunken, sondern es habe sich auch in der Demiurgia allmählig eine Scheidung in Demiurgen (öffentliche Diener, wie Herolde, Sänger, Seher) und Hand- werker im eigentlichen Sinne (Banausen) vollzogen. Uehrigens dürfte biebei das Arbeiten nach Lohn und Gewinn weniger zu betonen sein; denn das Stteben nach Erwerb und Besitz hatte auch in der früheren Zeit durchaus nichts Entehrendes und war ein stark ausgeprägter Zug der homerischen Helden und Personen.

Der folgende Abschnitt handelt von den wirtschaftlichen Bedingungen des Gewerbebetriebes, welche in der homerischen Periode, deren entferntesten Grenzstein Minos bezeichnet, als noch unvollständig entwickelt und mehr nur vorbereitet und angebahnt erscheinen. Der Gewerbsbetrieb bestimmt sich aber durch das Absatz- gebiet oder den Markt, dieser hinwiederum durch die Bevölkerungs- - masse und die Bequemlichkeit und Sicherheit des Verkehrs. Für die Uebervölkerung der griechischen Landschaften sprechen die zahlreichen Wanderungen und die von den Kolonien sowohl als von dem Mutter- lande ausgehenden Pflanzorte. Der Verkehr , zwar durch Räubereien vielfach gefährdet, aber doch durch die Heiligkeit des Gastrechtes bis zu einem gewissen Grade geschützt, wurde zu Lande, noch mehr aber zur See vermittelt; und wenn für den Landbandel hesonders Korinth den ältesten Stapelplatz abgab, so bildeten Jolkos und das an der Wasserstrasse der Kopais gelegene Orchomenos den Mittelpunkt des Verkehres zur See. Vollends über das europäische Festland hinaus lassen sich nach Imbros, Lemnos und Thrazien, sowie nach anderen

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InBein des ägäischen Meeres lebhaft befahrene Seewege verfolgen. Mochten auch von den Griechen im Gegensatze zu den industrielleren Phöniziern als Tauschobjekte Torherrschend Bodenerzeugnisse und Roh- stoffe in den Verkehr gebracht werden , so fanden doch auch schon Gewerksprodukte, namentlich Töpferwaaren, von Böotien, Euböa, Aegina und Korinth in sehr früher Zeit auf weitere Ferne Absatz. Dieser aktive Handel, welcher fast das ganse hellenische Mittelalter hindurch auf blossen „Eigenumsatz" beschränkt blieb, nahm, und mit ihm Gewerbfleiss und Handwerk, einen mächtigen Aufschwung, als seit dem achten Jahrhundert der Verfull der phönizischen Seemacht dem griech- ischen Handel freiere Bahn schuf, entstandene Gasthäuser und ver- besserte Verkehrsmittel in dem Reisenden das Gefühl grösserer Beruhigung erweckten, das Ansehen der delphischen Amphiktyonie, sowie schriftliche Gesetzgebungen eine zuverlässigere Rechtssicherheit begründeten und in den damals erstehenden grossen Städten , dem natürlichen Sitze technischer Produktion, sieb Tyrannen erhoben, welche durch Prachtbauten Veranlassung zur Anregung und Blüthe der mannigfaltigsten Gewprbe gaben.

Nach der hier in kurzem Auszug gegebenen Darstellung der allgemeinen Verhältnisse gebt der Verfasser im 2. Theil auf die homerische Gewerkthätigkeit im einzelnen über, welche er nach einer Vorbemerkung darüber, was die Griechen etwa aus der wenig fortgeschrittenen gemeinschaftlichen Kultur der Arier mitgebracht haben, in Geschäfte mit unentwickelter Arbeitstheilung und in entwickelte Gewerbe zerfällt.

Dorthin beziehen sich diejenigen Arbeiten, welche den notwendigsten Lebensbedürfnissen dienen, die Gewinnung und Zubereitung von Wasser, Holz, Fleisch, Brod, Kleidung, Beschäftigungen, welrhe, da sie sich als Hau8fleiss darstellen und auf den Hausbedarf und eigenen Verbrauch beschränken, verhälinissmässig kurz abgetban werden. Nur die Spinn - und Webearbeit, das eigentliche Tagewerk der homerischen Frauen, ist nach dem Gleichnisse der Spinnerin zu scbliessen , welche ihren Kindern damit das Brod verdient, wie es scheint., schon in alt- homerischer Zeit banausisch betrieben worden und läset so auch die blühende Wollenmanufnktur Milets gegen Ende der Periode verstehen. Das Färben feiner Wollenstoffe führt Riedenauer mit Curtius auf die Phönizier als Lehrmeister der Griechen zurück.

Von den entwickelten Gewerben setzt er den Tekton wegen seiner Vielseitigkeit voran, da er ebenso als Steinbauer wie als Zimmer- mann, als Schiffbauer und Wagner, ah Drechsler und Schreiner, als Elfenbein- und Silberarbeiter fignrirt. In späterer Zeit dehnte sich die Bezeichnung vollends auf alle Handwerker überhaupt aus. Mir aber scheint es, als habe rixrtov diesen allgemeinen Begriff schon in der homerischen Periode gehabt; denn da, wo nicht schon der Zusammen- hang unmittelbar ergibt, um welches Gewerbe es sich handelt, erscheint das Wort in Begleitung eines stofflichen Genitivs ((fovgwv, vnmv) oder Adjektivs (xepao$6of) , so dass man es mit unserem Meister" oder „Mann" (Schreinermeister , Zimmermann) vergleichen könnte, gerade wie auch Homer statt xixxwv das Wort ayfo in der Verbindung agfta- Tonqyos avtjQ substituirt. Ferner vermag ich es nicht, mich gegen die Auffassung der Scholien zu sträuben, welche den Tekton bei Homer auch als Baumeister bezeichnen. Wenn Paris seinen Palast selbst mit den besten Tektonen aufführt, so kann dieses wohl keinen anderen Sinn haben, als dass er bei dem Bau die Rolle des „Bauherrn" gespielt hat,

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nach dessen Wünschen und Ideen der Architekt die Pläne erat entwirft Und wie nahe berühren sich Architekt und Zimmermeister selbst in unserem modernen Zeitalter! In letzterer Bedeutung und überhaupt als Arbeiter in Holz tritt freilich der Tekton am häufigsten auf, ja selbst als Bildschnitzer (xixtüiv &m#ä%%uv). Weiter unten bringt Riedenauer selbst gewissermassen die Baukunst mit der Holzschnitzerei, also den dqxirixTMv mit dem rixrujv in Verbindung, insoferne er beide Kunst- gewerbe in den Dädaliden ihre Vertretung und älteste Bezeugung finden lässt. Dass die griechische Baukunst unter orientalischem Einfluss stand, der von Phönizien aus über Kleinasien den Weg nach Hellas gefunden, ist ein oft ausgesprochener Gedanke Sonst spricht der Ver- fasser den Tekton in seiner verschiedenen Berufstätigkeit von jeder fremden wesentlichen Beeinflussung frei mit Ausnahme der Elfenbein- arbeit, wozu der Orient schon den Stoff liefern musste. Wenn wir aber mit diesem entschieden on Ausspruche das zusammenhalten , was er nach dem Vorgange Brunn's Seite 124 bemerkt, dass nämlich in dem griechischen Kunstgewerbe der Metallurgie zwischen Aegypten via Phönizien und Assyrien einerseits und dem asiatischen und euro- päischen Griechenland andrerseits ein Zusammenbang unverkennbar sei, und damit den von Ikmalios aus Holz gedrechselten Stuhl, bei welchem Elfenbein und Silber zur Verwendung kam, in Verbindung bringen, so scheint es doch, als ob der Tixrtoy ebenso gut als der xakxevg, wenn auch der Natur der Sache nach in geringerem Grade, weil er verhältnissmässig weniger in das Kunstgebiet hinüberspielt, vom orientalischen Geschmack beeinflusst war

In dem langen Kapitel, welches dem Metallarbeiter gewidmet ist, gebt der Verfasser von der Ansicht aus, dass Bergbau auf Kupfer oder Erz, dem ältesten und am meisten gebrauchten Metalle im griechischen Lande, schon in vorhomerischer Zeit in Griechenland wenn vielleicht auch nicht von den Griechen, so doch von den Phöniziern betrieben worden sei. Von Kupfer sei der Name /«Axof zunächst auf das spröde Erz (Bronze), dann auf das Eisen und jedes andere Metall übergegangen, wie auch ^«Axft'« den Metallarbeiter Oberhaupt bezeichne. Qieser mit Hammer, Zange, Blasbalg und Schmelzofen nach dem Muster des Hephästos ausgestattet, tritt bald als Waffen- schmied auf, indem er den Helden glänzende Rüstungen aus Erz ver- fertigt und aus dem zu Stahl erhärteten Eisen Angriffswaffen schmiedet, oder zum Zwecke des Schmuckes und für friedliche Beschäftigungen Spangen, Arm - und Halsbänder, Haarnadeln, Messer, Beile, Sicheln und anderes Hausgeräthe liefert, bald als Zinngiesser und Blechschmied, bald als Gold- und Silberarbeiter, mag auch seine Fertigkeit in dieser Eigenschaft nur in der Herstellung des einfachsten Frauenschmockes und darin besteben, daas er zubereitetes Gold und Silber (Goldblech) auf anderes Metall, Holz, Horn, Elfenbein aufnietet oder aus geschla- genen dünnen Blättern Draht zu Troddeln, Helmbüschen und Netzen schneidet. Alle feineren Artikel, welche der dekorativen, mit dem Handwerk noch in enger Verbindung stehenden Kunst angehören und die damals wegen der Seltenheit des Edelmetalls sich wohl nur im Dienste der Fürsten fanden, verweist Riedenauer in ausländisches Gebiet, wie ja nicht wenige von diesen gefeierten Arbeiten geradezu als pbönizisebe oder ägyptische Produkte bezeichnet werden, und lässt sie durch Schenkung oder noch öfter durch den phönizischen Handel zu den Griechen gelangen.

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Nachdem er noch dem -/u/.xevs wegen Verarbeitung des nach Gold geschätztesten Metalles, nämlich des Messings, für die hesiodeische Hustung des Hercules die Holle eines Spänglers oder Gürtlers zuge- wiesen und die am Eude des Zeitraumes auftauchenden, für das Metall - gewerbe wichtigen Erfindungen des Metalllötbens und Erzgusses gewürdigt hat, stellt er, um zu bestätigen , wie das metallurgische Kunstgewerbe von Osten her gefördert wurde, alle diejeuigen Land- schalten und Städte zusammen, in welchen nach den Überlieferten Nachrichten die Metallurgik zu besonderer Bluthe kam.

Da, gelangen wir von Lydien und Phöntzien und besonders Karien nach Rbodus und Kreta als einem der ältesten Betriebsorte von Erzarbeitern , die dort sogar eine eigene Gemeinde, Cbalketorion, bildeten Auf dem griechischen Festlaude treffen wir Erzarbeit , und zwar überwiegend von den Phöniziern iKadmos) beeinflusst, in Böotien, wo ein Sohn des Minyerkönigs Albamas zu Urchomenos geradezu Cbalkos beisst, und auf der leicht zugänglichen Insel Euhöa, wo wir dem Berge und der Stadt Cbalkos, der ältesten dieses Namens, begegnen. Auf einem Theile der lns»*l wurde auch Kiseo gefunden und so trefflich behaudelt, dass in späterer Zeit die Schwerter aus den Werkstätten von Cbalkis und Aidepsos den besten Klang hatten. An Argos knüpfen sich die metallbelegten Wände der Tbolen und die nach auswärts zum Muster dienenden Waffen und Misebkrüge; an das durch Eisenberg- werke und Eisenhämmer belebte Lakonien der mit Erz getäfelte Tempel der Athene und die Sage der Erfindung von Helm, Speer und Schwert; an Elis der Goldschmied Laerkes und ebeufalls der Name einer Stadt Chalkis; Sikyon wird schon durch seinen älteren Namen Telchinia als Heimat uralter Schmiedeinnungeu bezeichnet; Korintbs blübeude Industrie aber, welche die Rohstoffe von auswärts bezog und diese namentlich zu empästisebem Gerathe verarbeitet zu haben scheint, spricht die durch Technik hervorragende Kypseloslade und die ebenso in späterer Zeit bezeugte Fabrikation weithin berühmter Helme. Attika, besonders Athen mit seinem uralten Volksfeste der Cbalkeen und seinem Hephä- steion auf dem Kolonos der Agora stand in Bezug auf Erzbetrieb wahr- scheinlich mit Euböa in Verbindung und lieferte nebst verschiedenen Schmuckgegenständen, unter welchen die Zikadeunadeln und Kleider- spangen die Hauptartikel ausmachten, gehämmerte und genietete Drei- füsse, sowie andere eherne Weihgeschenke in den Handel. Von den Inseln werden als Betriebsorte der Metallarbeit hervorgehoben Lemnos mit der sagenhaften Pflege des Hephästos durch die Sintier, Lesbos mit seinen später allgemein bekannten Krateren, Cbios, welches den Erfinder des Löthens, Samos, das die Urheber des Erzgusses zu seinen Mit- bürgern zählt. Das mit letzterer Insel stammverwandte Aegina beher- bergte Pbeidons Münzstätte, welche zunächst Silber, bald auch Gold prägte, und trieb später bekanntlich einen grossartigen Handel mit Galanterie- Waaren, der auch für frühere Zeiten schon eine ausgedehnte Industrie voraussetzt.

An den Metallarbeiter reiht der Verfasser noch den Leder er und Töpfer. Wenn auch die homerischen Leute für ihre gewöhnlichen Bedürfnisse das Leder selbst gerbten und verarbeiteten, gab es doch für die Anfertigung besserer Arbeiten, wie für Schilde, Sturmbauben, namentlich in dem durch Rinderzucht blühenden Böotien schon hand- werksmässige Lederer und scheint sich im Laufe des Zeitraumes auch die Schuhmacherei zu einem selbstständigen Gewerbe ausgebildet zu haben.

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Besonders interessant ist der die Töpferei behandelnde Abschnitt, für welchen Conze an die auf Melos gefundenen Gefässe anknüpfend äusserst schätzbares Material geliefert hat. Dieser lehrt uns, dass die schon im 2. Jahrtausend vor Christus von den Griechen selbstständig ausgebildete Kerameutik zur Zeit der Entstehung der homerischen Gedichte bereits in eine zweite Phase eingetreten sei und Thongefässe mit Malereien geliefert habe, welche an assyrische Produkte erinnern. Diesen Eintluss assyrischer Zeichnungen denkt sich Riedenauer veran- lasst durch Muster an Metallwaaren oder Webereien, welche phönizische Händler verbreiteten, oder selbst durch Ausübung des Töpferhandwerks und der Thonmalerei von Seiten der in Griechenland angesiedelten Phönizier. Dieses Handelsvolk habe Tbongescbirr nie nach Griechenland eingeführt, sondern imGegentheil aus verschiedenen griechischen Land- schaften exportirt.

Bezüglich der bei Homer vorkommenden Gefässe unterscheidet der Verfasser mit Recht zwischen den Herrenhäusern und geringeren Leuten, indem er in jene vorzugsweise aus Metall gefertigte Gefässe für die innere Einrichtung verlegt, während er diesen ausschliesslich Thongeschirr einräumt, welches, wenn zum reinen Gebrauch dienend unbemalt, zum Zweck der Zierde aber bemalt war. Besondere Betriebs- orte für Töpferei vennutbet er von vornherein in denjenigen Land- schaften Griechenlands, welche Wein erzeugten, da dieser in grossen irdenen in die Erde halb eingegrabenen Krügen aufbewahrt wurde. Weil nun aber der Weiubau, wie tbeils bei Homer ausdrücklich bezeugt ist, theils aus den vielen Orts- und auch Personennamen mit dem Stammo /w, sowie aus den mitDionysoR zusammenhängenden Sagen und Kulten geschlossen werden muss, über viele Landschaften und Inseln Griechen- lands verbreitet war, so wird man nicht fehl gehen, wenn man eine ziemlich bedeutende Ausdehnung des Töpfergewerbes annimmt. Aehnliches mag von der besonders auf Samos, Chios und in Attika blühenden Oelbaumzucht gelten. An Stoff zur Verarbeitung fehlte es nicht; denn auf Melos und Samos, in Euböa, Böotien, Attika, Aegina, Korinth und anderen Orten gab und gibt es theilweise noch heute die herrlichsten Thonlager, welche die Bewohner von selbst zum handwerksmässigen Betriebe der Kerameutik einluden

Den Schluss der Gewerbe bilden die Beschäftigungen der Fischer und Schiffer, welche wohl nie, sicher nicht anfänglich getrennt waren, da das Wort dXttvg eigentlich nur den Bewohner der Meeres- küste bezeichnete und in Gegensatz zum Binnenländer stellte. Gleich- wohl hat es schon im homerischen Zeitalter gewerbsmässige Fischer und Schiffer oder Fährer gegeben. Jene übten ihr Gewerbe mit Angel und Netz, selbst mit der Harpune, holten durch Untertauchen Austern und fischten zum Zweck der Färberei an verschiedenen Küsten und im Euripus die Purpurschnecke. Für die Bedeutung der Fischerei schon in früherer Zeit sprechen die alten Münzen mit dem Fiscbsymbol, welches viele Inseln und an den Ufern des Pontus gelegene Städte ihrem Wappen beigeprägt haben, ja Curtius nimmt sogar an, da9S gerade durch die Gelegenheit reichlichen Fischfanges die griechische Kolonisationsthätigkeit nach jenen Gegenden gezogen worden «sei.

Der Fischer ist aber nicht nur mit Fischer-, sondern auch mit Scbiffergeräth ausgestattet; denn er übte am natürlichsten auch den Beruf eines Seefahrers. Neben ihm bestand eine zweite Klasse gewerbs- mässiger Schiffer, die Fährleute, welche zwischen näher gelegenen Punkten den Verkehr vermittelten. Weiter gehende Seefahrten werden

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beglaubigt durch den zwischen Itbaka und den Sikelern betriebenen Sklavenhandel, sowie durch die Unternehmungen der Minyer nach Osten und der Phokäer nach Westen. In Folge der räumlich und zeitlich immer mehr zunehmenden Seefahrten bildete sich ein besonderer Schifferstand, der bis zum Schluss des hellenischen Mittelalters zu einer zahlreichen Bürger- Klasse herangewachsen war.

Den Inhalt seiner Abhandlung resumirt der Verfasser in folgenden Worten: „Am Anfang des Zeitraumes erscheint auch der Haudwerker als etwas ausserordentliches; seine durch andauernd gleichmässige Beschäftigung erworbene Geschicklichkeit gegenüber den anderen berechtigte ihn dazu. Weiterbin steigerte sich diese, angeregt durch asiatische Vorbilder und dieselben selbstständig benützend, zur Kunst; da trat die einfache Handwerksleistung zurück, weil sie etwas gewöhn- liches wurde; der höhere Respekt blieb nur an der Kunst und dem Kunsthandwerk haften. Für das Handwerk als solches aber wurden förderlich die Erweiterung der Absatzgebiete, welche das aufblühende Seewesen bewirkte, und die Erleichterung von Kauf und Verkauf, welche die Münzprägung gewährte, und so bildete sich der üebergang zur Massenproduktion aus."

Indem wir hie mit von dem Buche Abschied nehmen, wünschen wir dem Verfasser aus ganzem Herzen, es möge sich sein Gesundheits- zustand dauernd bessern, damit die Fortsetzung seines Werkes, welches allerdings eine volle Manneskraft in Anspruch nimmt / keine Störung erleide. Denn von dem Marksteine der Entwicklung des Handwerks an, wo er uns verlässt, dehnt sich im Gegensatz zu dem eben behandelten in vielen Beziehungen mageren Zeitraum das Feld mit dem massen- haften Stoff unendlich aus, und wenn Büchsenschutz und Andere gerade in diesem Gebiete rüstig vorgearbeitet und Nachfolgern die Bahn geebnet haben, so erschweren sie gewissermassen diesen ihr Werk dadurch, dass sie die Mitwelt berechtigen, gesteigerte Anforderungen an dasselbe zu stellen.

Landshut. Adam.

Zur grammatischen Erklärung von Xenophon's Hellenika mit Rück- sieht auf die Ausgabe von Dr. Büchsenschütz.

Ehe ich die grammatische Erklärung, die Xenophon's Schrift durch die Ausgabe von Dr. Bücbsenschütz gefunden hat, näher beleuchte, will ich noch seine Erklärungen zu I, 3, 13; I, 4, 1 und 7 und seine Antwort auf meine Erwiderung bezüglich seiner ganz unberechtigten Kritik meiner Bemerkung zu I, 4, 7 besprechen, welche Stellen ein eigentümliches Licht auf die chronologischen Kenntnisse des Verfassers und das von ihm gegen mich eingeschlagene Verfahren werfen.

Während er I, 3, 13 in einer langen Anm. die im Ganzen gleich- giltige Form des Namens des völlig unbekannten Philodikes behandelt, erwähnt er kein Wort über Pasippidas, der nach seinem Text als lace- dämoniseber Gesandte aufgeführt wird, obgleich I, 1 , 32 dessen Ver- bannung aus Lacedämon berichtet ist Statt ferner aus der Erwähnung des Hermokrates an dieser Stelle zu ersehen, dass, wie dies auch aus andern Gründen ersichtlich ist, die von ihm (S. 9 der Einleitung) ange- nommene Chronologie, nach der diese Vorgänge ins Jahr 408 fallen, anrichtig sein mus9, wird die Beteiligung desselben an der Reise der

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athenischen Gesandten gegen das ausdrückliche Zeugniss Xenophon's unwahrscheinlich genannt- Kerner wird I, 4, 1 zu dem offenbar falschen, gauz unerklärlichen Zusatz oi iiXXot uyytXot, die Vermutung ausgesprochen, dass man dabei an Personen denken kann, die der König mit Aufträgen nach Kloinasien schickte (also in Begleitung des Cyrus, der als Stell- vertreter des Königs sich eben dahin begibt)! Zu I, 4, 7 ertenf», iviavtoi XQeis tjoav aber wird bemerkt, dass die Schwierigkeit der Zeitrechnung, da es drei Jahre später <im Herbst 40?») kein Heer der Athener mehr gab, auf Verderbnis» der Stelle schlieSM-n lasse Auch diese >chwierigkeit ist aber nur eine Folg« der falschen Zeitbestimmung des Hrn H., nach welcher der Anfangspunkt der angegebenen Zeit in den Herbst 408 statt 409 lallen soll ich habe darum ausdrücklich in meiner Ausgabe bemerkt, dass die Gesandten vom Herbst 409 jedenfalls bis zum Winter 407,6 oder bis ins Jahr 400 bei Pbarnabazo* gewesen sind, dass übrigens das dritte Jahr nicht als abgelaufen angenommen zu werden braucht, obgleich, seihst wenn man drti volle Jahre, also bis zum Herbst 406 annimmt, die von Hrn Dr. B. angegebene Schwierigkeit bei meiner Zeitrechnung nicht vorhanden ist Und doch bemerkte Hr. B. in seiner Keceusion iS. 282), dass von mir die chronologische Schwierigkeit mit dem Bemerken abgetbau werde, das dritte Jahr brauche nicht als abgelauleu angenommen zu werden. Als ich aber Hrn. Dr B. erwiderte, dass nach der von mir angenommenen Chrono- logie, nach der die Rückkehr des Alcibiades ins Jahr 406 (nicht 407) zu setzen ist (die Gesandtschaftsreise also in den Herbst 409 fällt), eine chronologische Schwierigkeit gar nicht vorbandet! ist, und in meiner Bemerkung daher die Verschiedenheit der Annahme, die bezüglich der Dauer der drei Jahre besteht, ausdrücklich als gleicbgiltig bezeichnet wird, antwortete Hr. B. in unbegreiflicher Weise: „Die iu Abrede gestellte Schwierigkeit ist doch da; denn am Anfange des Kapitels steht deutlich a. 406 und die Begebnisse des Juhres 408 können uicbt 409 geschehen sein; ausserdem bleiben drei Jahre doch drei Jahre". Hier weiss man wirklich nicht, hat man an verstellte und absichtliche, oder an wirkliche Unkenntnis der Sachlage zu denken. Hat Hr. Dr B. wirklich nicht gesehen, oder nicht sehen wollen, dass der Ausdruck i < ">)// 61 ivmvxoi TQcti ita«v nicht von dem Jahr 408, das am Anfange des 4. Kap. steht, sondern notwendig von dem Zeitpunkt ausgehen muss, seit welchem die Gesandten der Athener bei Pharnabazos verweilten, der im 3 Kap. § 13 angegeben ist und nach meiner Zeitrechnung mit dem Herbst 409 beginnt; und weiss Hr. B. wirklich nicht, oder stellt er sich nur, als ob er es nicht wisse, dass der Grieche bei solcher Zeitrechnung die Jahre, in die der Anfangs- und Endpunkt einer Handlung fällt, als voll mitzuzahlen pflegt, so dass, wo er von drei Jahren spricht, die wirklich verstrichene Zeit manchmal kaum anderthalb Jahre beträgt. Wie er nach dieser Bemerkung davon wirklich keine Kenntnisa zu haben scheint, so verwechselt er auch VII, 1, 1 offenbar den römischen und griechischen Jahresanfang, indem er zu vOtfyf Ire* bemerkt: „Es ist jedenfalls das Jahr 369 v.Chr., aus dem schon im vorigen Kapitel Vorfälle mitgeteilt waren, so dass die Beziehung des Wortes vartQov nicht klar ist". Da am Schlüsse des 6. Buches Ereignisse aus dem Winter und Frühjahr 369, also aus dem dritten Jahre der 102 Olym- piade erzählt sind, und das 7. Buch mit den Begebnissen des Sommers (Juli), also des vierten Jahres derselben Olympiade beginnt, istXeno- phon doch berechtigt, von einem neuen Jahre au sprechen, und wundern

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muss man sich nur, wie der Erklärer eines Werkes über griechische Geschichte so lange Jahre (seit der ersten Auflage) sich mit einem so leicht zu lösenden Zweifel tragen konnte.

Wer eine griechische Schrift für den Schulgebrauch zu erläutern unternimmt, sollte vor Allem in den verschiedenen Gebieten der griechischen Grammatik wol bewandert sein , um dem Schüler manch- mal die nötige Anleitung zu geben, wie er die Gesetze der Sprache, die er sich bereits angeeignet hat, zu einer richtigen Erklärung des Schrifstellers verwerten kann. Dies gilt vor Allem von der in der griechischen Sprache so fein ausgebildeten Lehre von den Zeiten , von deren richtigem Verständniss so oft das richtige Verständniss eines ganzen Satzes abhängt. Ueber die Kenntnisse nun, die Hr. Dr. Büchsen- schütz von dem griech Sprachgebrauche in der Anwendung der Tempora besitzt, gibt er selbst den besten Aufschluss in der Recension meiner Ausgahe (Berliner Zeitschr. f. d. Gymn - Wesen 17. Jhrg. 1873), wo er S 283 wörtlich sagt : „Sehr augenfällig ist das Bemühen, die Bedeutungen des Imperfects und des Aoristes auseinanderzuhalten, ein Bemühen, das bei unserer noch wenig befriedigenden Kenntnis* der Grundsätze, nach welchen der griechische Sprachgebrauch in der An- wendung dieser Tempora verfahrt, zwar recht dankenswert ist, aber doch in der vorliegenden Ausgabe wenig genug geleistet hat." Wie wenig befriedigend allerdings die Kenntniss der erwähnten Grundsätze bei Hrn. Dr. B. noch ist, beweist er selbst alsbald in augenfälliger Weise, indem er S. 284 in Abrede stellt, dass „das Imperfekt deswegen gesetzt werden könne, weil mehrere dasselbe thaten" und durch die Behauptung, „dass die längere oder kürzere Dauer doch nie auf die Wahl des Tempus von Einfiuss ist". Dies leugnet Hr. B. angesichts so klarer Fälle wie III, 1, 3, wo trotz seines Widerspruches an wieder- holte Aufforderungen, die von verschiedenen Städten Kleinasiens an Sparta ergiengen, gedacht werden muss und auch von allen Historikern und Erklärern Xenophon's gedacht worden ist, oder II, 2, 17, wo vou dem Berichte des einzelnen Theramcnes ttnqyyeiXs gebraucht ist, während II, 2, 22 von mehrfacher Berichterstattung mehrerer Gesandten anny- yeXXoy steht, oder IV, 1, 12, wo nach xuXiotopev avrov im Folgenden ixäXei gebraucht ist, weil der Ruf nicht nur an Spithridates, sondern auch an die andern zu ihm Gesendeten ergeht. Ich selbst habe allerdings in meiner Ausgabe nichts Neues geleistet und auch nichts Neues leisten wollen, da mich die in den Grammatiken aus den Schriften der attischen Schriftsteller gezogenen Grundsätze vollständig befriedigen und verweise der Kürze wegen nur auf die gute Zusammenstellung des bezüglichen Gebrauchs des Imperfekts in dem Programme von Prof. n D. Müller (Syntax der griech. Tempora, Göttingen 1874, S. 20 f.), wo derselbe mit genügenden Beispielen belegt ist Wenn übrigens Hr. B. findet, dass solche Bemerkungen für den Schüler unnötig sind, so rührt dies daher, dass unsere Ansichten von dem, was für denselben nötig ist, auch sonst himmelweit verschieden sind.

Nur eine Bemerkung zu I, 1, 19 muss ich gegen die schroffe Art, mit der sie von Hrn. Dr. B. ohne Angabe eines Grundes verworfen wird, in Schutz nehmen. Die Stelle lautet: ol dh Kv$ixrtvoi id ixovxo Tovs ' ASrivtilovs . 'AXxißuiifrjS cTi fAtlvas ttvxov i'ixoaiv rtutQitg xai YQtjuarct noXXtl Xrtßtov ntiQtl rtSiv [KvZixtjt'oiv ovdbv uXXo xaxov iQyaoa ptvog iv rjj noXet aninXevaev eis JlQOixopvtiaov. Unmittel- bar darauf aber heisst es von Perinth und Selybria: IUq(v&i<h piv

BUUter f. <L Uyer. Gymnamlw. XI. Jahrg. 3

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eloed 4$avT o eis ro aoxv ro arQttronsdoy. IriXvßQiavoi dh idi- Savro fii* ovy /(>>'tu<au de l&oaav. Hr. Dr. B. bemerkt zu dem doch jedem Schüler auffallenden Unterschied in dem Gebrauche der Tempora an diesen Stellen in seiner Ausgabe nichts, Ober meine Bemerkung aber sagt er in seiner Recension: Das Seltsamste finden wir I, 1, 19 „idifoyro > das Imperfekt scheint in Verbindung mit der folgenden Angabe ovdky iv xp noXei anzudeuten, dass Ale. die Stadt mit Einquartierung verschonte, um die Bürger sich und seiner Vaterstadt geneigt zu machen". Da Xenophon den allgemeinen Ausdruck avrov gebraucht, der sich auch auf die Umgebung von Cyzikus beziehen kann, und zu tQyaoafitvos mit Ergänzung des Objekts (avTovs) ausdrücklich iv rp noXet hinzufügt, so übersetze ich den Satz: Alcibiades aber blieb zwar 20 Tage daselbst und erhob hohe Kriegssteuern, fuhr aber darauf, ohne ihnen eine weitere Belästigung in der Stadt (durch Einquartierung) auferlegt zu haben, ab nach dem Prökonnese. Mit dieser Auffassung stimmt, abgesehen davon, dass an eine Zerstörung oder Plünderung der Stadt oder an eine Misshandlung ihrer Einwohner nicht leicht gedacht werden kann, ganz und gar der folgende Satz üto(y&i»i de eiaede^ayro eis t6 uatv ro axQttione&ov , wenn man den Gebrauch von &o~tv, wie er mehrfach (vgl. IV, 5, 1 u. 3) in Xenophons Geschichte erscheint, berücksichtigt, wo es stets die Stadt selbst im Gegensatze zu deren Umgebung oder dem zu ihr gehörigen Gebiet bedeutet, und wenn man ferner die Anwendung des Kompositums eiatdi^uyro im Aorist mit dem Imperfekt in idtfoyTo vergleicht =. „die Perintbier aber mussten das Heer in die Stadt selber zur Einquartierung aufnehmen" (vgl. über den Ausdruck arQaro.iedoy für Heer meine Bern, zu I, 3, 1 und 17). Ich glaube nicht, dass meine Erklärung des Imperfekts idixovTo, nach der die Einquartierung zwar angeboten, von Alcibiades aber, um die wichtige Handelsstadt wieder für Athen günstig zu stimmen, nicht angenommen wurde, einem Sachverständigen so seltsam erscheinen wird, wie sie Hrn. Dr. It. erschienen ist. Leicht ist es fürwahr, während man selbst über den Gebrauch der verschiedenen Tempora bei demselben Verbnm in einer und derselben Stelle nichts beibringt, die von einem andern nach den Gesetzen der griechischen Sprache gegebene Erklärung aus ihrem notwendigen Zusammenhange herauszugreifen und ohne alle und jede Begründung als seltsam zu bezeichnen. Viel selt- samer sind manche Bemerkungen des Hm B. über den Gebrauch der Tempora, wie die über das Particip des Präsens VII, 4, 5 lXe$ey öti ßotj&wy nttQeir, : „Das Particip Präsentis steht zuweilen in dem Sinne der Absiebt, indem der Beginn der beabsichtigten Thätigkeit in leb- hafter Darstellung in die Gegenwart gerückt wird." Das Richtige ist, dass die Thätigkeit, die im Particip des Präsens ausgedrückt wird, bereits begonnen haben muss, oder im Augenblicke wirklich schon beginnt Dass die Nichtbeachtung der Tempuslehre öfters Hrn. Dr. B. zu ganz falschen Erklärungen verleitete, habe ich schon früher (Bd. 10 S. 330) an zwei Beispielen dargetban ; das Unglaublichste und wirklich Seltsamste aber findet sich in der Bern. I, 3, 19 zu dtdovm: „Präsens bietorikum, welches auch in die indirekte Rede aufgenommen ist". Jedermann wird hier doch bei der Verwandlung in die direkte Rede in didoym daB Imperfekt edidov erkennen, nur Hr. Dr. B. lässt die widersinnige Erklärung in drei Auflagen unverändert stehen. Dabei findet sieb eine Verweisung auf I, 7, 5, wo zu uXioity gesagt ist: „der Optativ Präs. in indirekter Rede, wo man ein Imperfekt der direkten voraussetzt, findet sich auch II, 2, 17 und III. 3, b (es scheint darnach

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fast, als ob er sich sonst nirgends so fände 1). Man könnte vermuten, als sei dies ein Herübernehmen des Präs. histor. in die indirekte Rede. Vgl. zu 3, 19." Der Verfasser scheint in seinen Phantasien wirklich von dem historischen Präsens förmlich verfolgt zu werden, dass es ihm zu so absonderlichen Erklärungen der einfachsten, allbekannten Gesetze der Tempuslehre dienen muss.

Wie über das historische Präsens muss Hr. B. auch von einer Epexegese ganz eigene Ansichten haben, weil er 1,5, 9 TutaacpiQvovg Xiyovxog , antg avxog inolsi neioSeig vrt1 AXxtßtadov, exoneiv, öncog xöiv 'EXXqvtov fit)#i oi'rwtg ia/i<Qoi toaiv (T. sagte ihm, or möge das im Auge haben, was er selbst immer zu bewirken gesacht habe, nämlich dass kein Volk in Griechenland zu grosse Macht beritze) den Finalsatz mit 3 n OK-, den ich als Epexegese zu dem Relativ üneg erklärte, schlechter- dings nicht als solche anerkennen will und merkwürdiger Weise in seiner Antwort auf meine Erwiderung (S. 793) sagt: „Man mag den betreffenden Satz drehen , wie man will, so wird nichts daraus, als ein Finalsatz, där, sei es von inoiei, sei es von «xorr(»> abhängt; ein solcher ist keine Epexegese, vorausgesetzt, dass Hr. K. nicht unter Epexegese etwas anderes versteht, als andere, das aber kann ich doch nicht wissen". Was ich darunter verstehe, konnte Hr. Dr. B. erfahren, wenn er sich in griechischen Grammatiken iz. B. Kühner II §. 562, 2) oder bei andern F>klärern (z. B Frohberger zu Lys. 30, 28) darnach umgesehen hätte; ganz neu aber ist jedenfalls, dass der Finalsatz auch von inoiei abhängen kann. Es macht sich eben Hr. Dr. B. über Sätze mit o'jiwj überhaupt ganz eigene Gedanken So z. B. sagt er zu VII, 3, 11 xovxov £%oi xig ay i i:\ity ö.fwc ov dixaiov iattv ano9aveiv\ „Ein Satz mit outug steht zuweilen statt eines Satzes mit ort nach einem Verbum sentiendi oder declarandi." Es scheint nach dieser Fassung seiner Anm. Hr. B. nicht gesehen zu haben, dass dieser Satz (wie die andern in der Anm. aufgeführten) ein indirekter Fragesatz ist statt ;i«ic ov iLxmot icn xovxov «noitttvtiv ; Ferner heisst es zu II, 3, 33 nuig ov (<?$i) <fv'/M;r<ott(u} tag fÄfj xai i'uus xavxo tfvvaofH} noiijaai ; „nach Verbis der Furcht selten statt des blossen /ur,, häufiger Öruag m] mit dem Futurum." Die Worte enthalten eine seltsame Konfusion, da gpviUrrrM$a4 „sich in Acht nehmen" nicht geradezu zu den verbis timendi gehört, aondern ganz gewöhnlich die Konstr. mit wg (Ö.itog) u>'t und Konj. (oder Optativ) oder Indikativ Futuri nach sieb zieht. Umgekehrt sollte III, 3, 3 zu avXtt^aa9tti fxn bemerkt sein, dass hier der Begriff der Furcht, der in dem Verbum liegen kann, hervorgehoben ist.

Auch als Verbesserer der Grammatik tritt Hr. Dr. B. an einer Stelle auf, indem er zu IV, 8, 5 u. 6 xovxovg lays xov ixn$;/Xijx9ai auf Grund einer unhaltbaren , von Dindorf aufgestellten Theorie gegen alle Grammatiker und Handschriften des Xenophon, Thucydides, Plato, Isokrates, Demosthenes n. a. die Negation beim Infinitiv mit rov getilgt wissen will. Deshalb hat er wol auch 11,2,10 ivafiitov oy&eplav etvai ataxfiqittv xov [irj rtafkety r" ov xiuiogovfAiyoi inoirjoav, aXXa did rtjv vßQiy rlSixovv die entschieden falsche, weil unerklärliche Lesart ei fi>j naSeiv aufgenommen, hütet sich aber wolweislich, dieselbe auch nur mit einem Worte zu erläutern, und lässt so den Schüler rat- los vor dem unlösbaren Rätsel stehen, dem Satze einen vernünftigen Sinn abzulocken. Dr Breitenbach hat zwar in seiner ersten Ausgabe (Gotha 1853) einen Versuch der Lösung gemacht, in der neuen Ausgabe bei Weidmann aber denselben aufgegeben und gleichfalls rov tun geschrieben. In den Worten ö ov r i^uwo o v/x e vot ijiolrtc«y erkennt

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Hr. B. merkwürdiger Weise, wie er sagt, noch immer nicht trotz des Gegensatzes («') diu tijk vßqiv »/ii^tr und trotzdem dass das folgende ixtfoots auf die Lacedämonier hinweist, die Anspielung auf die Tötung der gefangenen Athener durch Lysander (II, 1 , 32), obgleich dort aus- drücklich Rache als Motiv dafür angegeben wird , gegenüber der §. 3 geschilderten grausamen Behandlung verschiedener Städte und Inseln von Seite der Athener, und macht es mir sogar zum Vorwarf, dass ich nach Andern, die das längst erkannt, in meinen Bemerkungen zu der Stelle darauf verwiesen habe, indem er S. 284 sagt: „Bedenklich ist die Erläuterung zu II, 2, 10, da nicht von einerjeinzelnen That, sondern von einem wiederholt beobachteten Verfahren die Rede ist". Mit dem Aorist inoinauv wird eben auf die einzelne Tbat der Lacedämonier angespielt, mit dem Imperfekt tjdixovy dagegen das wiederholt beobachtete Verfahren der Athener bezeichnet

Nichts ist so widersinnig, dass es nicht doch Xenophon von Hrn. B. zugemutet wird, wie z.B. I, 2, 8 ißotjfyany atpiaxv (wofür iß. *E<r»?<xfoic zu setzen ist) gegen die Grammatik und den Sinn heissen soll „sie halfen sich selbst1' , was dann so viel sein soll als „sie schickten sich zur Verteidigung der Stadt an"; oder VII, 3, 10 t( 4/uoi noXefmarsqog i,y f< vfiiy} wo xi heissen soll „um wie viel", während der Satz bedeutet: warum sollte er für mich ein gefährlicherer Feind gewesen Bein, als für euch? Das Aergste aber wird dem Xenophon dadurch zugemutet, dass er wirklich V, 3, 13 in dem mit xal yao beginnenden Hauptsatze statt avTip geschrieben haben soll: iavrw di (£iyoi rjoay) öl üucf i UqoxXecc, wozu es in der Anm. heisst : „iavrß, weil der begründende Satz aus dem Sinne des Agesilaus genommen und dieser dem Gedanken nach Subjekt des Hauptsatzes ist", wozu als Beispiel der himmelweit verschiedene Satz aus Anab. III, 5, 25 angeführt wird: oix «£<oV im ßaoiXei (Kjuiui rovg i(p* iavroy trrQarsvouirovs 1 Da darf man sich ireilich nicht wundern, dass Hr. Dr. B. kein Verständniss zeigt für die frehtige Auflassung des Pronomens aJro?, wo es als Pronomen des Gegensatzes an bevorzugter Stelle steht, und dass er mich darum tadelt, weil ich in meinen Bemerkungen darauf aufmerksam mache, wie z. B.

II, 4, 33 ol db Anxcdaifioytoi, inei ttt'r t&p noXXoi iriTQtooxoiTO , priXa nutofieyoi aiiextoQovy, nachdem unmittelbar vorher erzählt wurde, dass Pausanias mit den Seinen mehrere Feinde getötet und die andern heftig verfolgt hatte, wo aber trotzdem Hr. B (S. 247) den Gegensatz^ zu avxtSv nicht erkennen will, oder wenn ich I, 4, 16 zu rot? <f avrov f/ßgoig, wozu Hr. B. gar nichts bemerkt, auf die grammatische Regel (z B. Krüger 47, 9, 12) verweise, nach der der Genitiv avrov unmittelbar zwischen Artikel und Substantiv im Sinne von ipsius steht, so dass damit nicht die politischen, sondern die persönlichen Gegner und Neider des Alcibiades bezeichnet werden. Dass ich bei III, 4, 12 ini rov avrov oixiay auf diese Parallelstelle (I, 4, 16) verweise, ist doch gewiss nicht auffallend, wie es Hr. B. findet; auffallend ist nur, dass er bei dem ganz verschiedenen Falle VII, 1 , 20 ol aXXot avr<öv avfiua/ot auf

III, 4, 12 zurückweist und demnach nicht weiss, dass diese Stellung von avrov oder einem Personalpronomen statthaft ist und sich häutig genug findet, wenn das Substantiv noch ein anderes Attribut bei sich hat. So hat er auch, wie er es gewöhnlich macht, wenn er die Un- gerechtigkeit eines Tadels zugeben muss, nicht seiner Unkenntniss der Gesetze über die Wortstellung, sondern einer Unklarheit meines Aus- druckes es zugeschrieben , dass er die Bemerkung zu III, 1, 11 6 ayijo cot 6 ifxos nicht verstand, die doch verständlich und klar genug lautet:

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Die Stellung dos tonlosen Pronomens (aoi) zwischen die grammatisch zusammengehörigen Worte betont diese im Gegensatze zum folgenden sy<6.

Eine grammatische Kegel muss klar ausgedrückt und vor Allem richtig Bein. Von dem Reitergefecbt vor Mantinea heisst es VII, 5, 1? ovd'ty ovTüß ßQtt%v önXoy "/'"'» V ov%* i$i*vovvTo aXXyXtoy. Der Satz schildert die Hitze der Reiter, die nicht aus der Ferne mit den Lanzen kämpften, sondern so nahe aufeinander eindrangen, dass sie sich mit den kürzesten Waffen wirklich erreichten; ebenso besagt die Parallelstelle aus X. Komm. II, 2, 8 ovx ein« ovdey 4qpy w ßtr^vt-'h,. dass seine Mutter sich wirklich nie über ein von ihm gegen sie gesprochenes Wort zu schämen hatte. Hr. Dr. B. aber bemerkt zu ^ ovx i^ixyovyro: „Relativsätze an Stelle von Folgesätzen stehen, selbst wenn sie eine angenommene Folge bezeichnen, zuweilen im Indikativ" Mit dieser hegel weiss der Schüler nicht, was sonst nach der Ansicht des Um. B. stehen könnte oder sollte, und wird zu dem falschen Glauben verleitet, dass hier eine angenommene Folge bezeichnet ist. Dem näm- lichen Ausdruck „zuweilen" begegnen wir VI, 1, 5 nag1 iftoi ovdeig uia:t<,<f>(jn, öong fit} ixayog iany iuoi tau noyeiy „In Relativsätzen, die eine notwendige Bestimmung enthalten, findet sich meistenteils die Negation ov, zuweilen, wenn der Inhalt nur ein gedachter ist, /uif". Hier ist nicht klar, was Hr B. unter einer „notwendigen Bestimmung" sich denkt; versteht er aber darunter eine solche, wie sie in obigem Relativsatze enthalten ist, die notwendig vorbanden sein muss, wenn etwas anderes eintreten soll, so ist seine Regel falsch, denn in solchen Relativsätzen steht immer tf. Zu dem dem vorigen ähnlichen Relativ- satze II, 3, 12 öaoi avy^deaav iavroig [tri ovxeg roiovtoi, ovdiy »/jf^opro lautet die alle Grammatik förmlich verhöhnende Bemerkung des Hrn. Dr. B : „Das Particip nach ovvoida bat als Negation bald ov, bald p >?'". Ebenso gut und sogar richtiger konnte Hr. Dr. B. sagen : In negativen Sätzen setzt der Grieche bald ov\ bald pr,!

Nor in Kürze will ich so grobe Verstösse erwähnen, wie VII, 4, 8 die falsche Erklärung für das Fehlen des Artikels bei dem Prädikat vfiiitQoi tpiXoi; die falsche Erklärung von i;i«yeX9nSy IV, 8, 35, in welchem Verbum nicht d i(, sondern ttyd sich auf el$ rd Sq>j bezieht, bii aber den feindlichen Zweck andeutet; die falsche Beziehung der

VI , 1 , 7 zu ri gesetzten und bei gadlms zur Betonung dieses Wortes wiederholten Partikel dv zu dem hypothetischen oder kaussalen Particip qpoßovficyos oder VI, 2, 28 zu dem Particip inurrgetpae , das einen temporalen Satz enthält; die Verwechslung des Aktivs mit dem Medium z. B. in xaxaouandy und xuraaiatnaoSkii V, 4, 7; die mehrfache falsche Auffassung von wart oder tag mit Inf. als „unter der Bedingung dass" (z.B. III, I, 10; VI, 3, 17), während an den Sellen, wo es wirklich die Bedingung, unter welcher etwas gewährt wird, bezeichnet (V, 2, 38 u.

VII, 1, 42), dies nicht erkannt wird, aber was soll man dazu sagen, wenn dem Xenophon nur durch falsche grammatische Erklärungen solche Eigentümlichkeiten aufgebürdet werden, die bei keinem attischen Schriftsteller sich finden, ja geradezu gegen alle Gesetze der griechischen Sprache Verstössen? Dabin gehört die)Uebersetzung der Stelle V, 4, 20 <poßov/ieyoi, ei pqdeyec «XXoi jj avroi noXe^oiey Toig Aaxedai/noyioif „es möchte niemand anders als sie die Lacedämonier bekämpfen" , mit der falschen Bemerkung: „Die Verba der Furcht haben zuweilen ei und fi ur, statt pn und w ov> nacn Bich", während der Satz mit ei hier ein einlacher Konditionalsatz ist, sonst aber ein solcher Satz, wo er wirklich unmittelbar von einem Verbum der Furcht abhängt, nur ein

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indirekter Fragesatz sein kann; dahin gehört ferner VI, 3, 11 die Uebersetzung von iog „wie sehr auch", was diese Konjunktion niemals bedeuten kann, oder die ganz unglaubliche Verkehrtheit bei der Stelle VII, 5, 26, wo o Seog ovxwg inoitjoev, olorc mit folgendem Indikativ steht, auf VI, 5, 4 zu verweisen, wo uiare mit Infinitiv auf nouiv folgt, wornach Hr. B. offenbar von der nach allen Gesetzen der Sprache unmöglichen Annahme ausgeht, dass beide Folgesätze in gleicher Weise von noietv abhängig sind, während der letztere ein transitiver, der entere (im Indikativ) ein adverbialer Folgesatz ist, indem zu itoiqaev das Objekt (avro) zu ergänzen ist. Das sind Verstösse, die nicht in dritter Auflage noch in einer Ausgabe stehen sollten, die zum Gebrauche in Schulen bestimmt ist!

Schliesslich will ich, weil Hr. B. selbst mich dazu herausgefordert bat, noch das Urteil, das ich über seine Kenntnisse von der Lehre der Partikeln gefällt habe, rechtfertigen, und zwar sowol aus dem, was er darüber verschweigt, als aus dem, was er darüber sagt. Bei wirklich seltenem Gebrauche einer Partikel, wie IV, 8, 36 bei (6g uhv iXeyero, oder bei Partikelverbindungen wie <T ovr (z. B. VII, 4, 12), die der Schüler gerne falsch anwendet und selten richtig versteht, schweigt Hr. Dr. B , ja sogar in der Stelle V, 4, 55, wo er ovv in der Mitte einer Periode am Anfange eines Nachsatzes in den Text seiner Ausgabe auf- genommen hat, verliert er kein Wort über diesen dem Schüler gewiss weder aus seiner Grammatik, noch aus der Lektüre bekannten Gebrauch der Partikel; dagegen ist, wo er zu einer Partikel eine Bemerkung macht, dieselbe fast durchweg schief und verkehrt. So glaubt er z. B., dass III, 1, 5 fiiv nach owtjyays wol zu tilgen sei, weil vor dem Gegen- satz (yyana dt i der durch den erklärenden Satz unterbrochene Gedanke in neuer und erweiterter Form aufgenommen ist. Aus gleichem Grunde, weil der in anderer Form folgende Gegensatz von ihm nicht erkannt wurde, r d V , 1 , 10 avrog pir irriger Weise verglichen mit iycS fiiv

IV, \ 7. Auch wo nach stehendem Brauche die Partikel (xiv statt zu dem Gegensatze zu der diesem vorantretenden Konjunktion (ort) oder Kopula (tiai) gesetzt ist, bat er diesen in der Regel nicht erkannt wie

V, 2, 30, VI, 3, 15. So ist ihm auch in xai ovrot VI, 4, 25 die deut- liche Beziehung des xai nicht klar geworden (= sein Zweck war vielleicht, dass diese beiden Staaten gleichfalls wie die nördlichen Staaten Griechen- lands seiner bedürfen und dadurch von ihm abhängig werden sollten), und VI, 4, 30 ist aus Verkennung der richtigen Beziehung des xai in naQqyyetke de xai tig orQttrevaofAevoig in der Anm. eine falsche Satz- konstruktion angegeben, da xai von atQaxevaotidvotg nicht getrennt und vor QexxaXoig gesetzt werden durfte, ohne den Sinn zu zerstören. Während er ferner meine Erklärung von xai und zwar da, wo es wirklich so übersetzt werden kann, nicht gelten lässt, übersetzt er es selbst so an der Stelle II, 4, 2, wo es dies nicht heissen kann, weil es hier, wie vor ndw, nur zur Steigerung von pdXa dient. Zu der Stelle V, 3, 10 xai xtg av crrij SCxrj ehj\ wird zu xai auf die Stelle II, 3, 47 verwiesen, die mit jener gar nichts gemein hat, da in ihr xai in der Mitte des Fragesatzes Stent. Zu II, 4, 6 wird bemerkt: „xeü de' aber auch, dagegen dt xai und auch", während das Verhältniss gerade um gekehrt ist, da immer auf der voranstehenden Partikel der Hauptnachdruck ruht. Zu IV, 5, 9 dXX1 olda ut'v wird über die in attischer Prosa ungebräuchliche Partikelverbindung dXXd utr gesprochen und dieselbe mit dXXd fiyv verglichen, während aXXd die ganze Gegen- rede einleitet und (xtv nur zu otda gehört Zu VII, 1, 24 wird anter

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den Verbindungen synonymer Partikeln auch o^utuj (Aivxoi aufgeführt u. 8. w. Nach solchen Bemerkungen, sowie nach dem Abschnitt seiner Recension, in dem er sich über meine Bemerkungen zu einigen Partikeln äussert, wird jeder Kundige mein Urteil , dass Hr. B. offenbar für die Partikeln kein Verständniss besitzt, vollkommen gerechtfertigt finden.

Nach solchen eigenen Leistungen auf dem Gebiete sachlicher, sprachlicher und grammatischer Erklärung , wie sie sich aus der hier und im letzten Hefte des vorigen Jahrganges mitgeteilten, nichts weniger als vollständigen Auswahl aus einer Masse unrichtiger Bemerk- ungen ergeben, kann ich von Hrn. Dr. B. kein sachkundiges, unbefangenes Urteil über meine Arbeit erwarten, obwol niemand weiter, als ich, davon entfernt ist, das „unbedingteste Lob" dafür zu beanspruchen, wie dies Hr. B. mir in seiner Antwort S. 793 unterbreitet Wie wenig er dazu berechtigt war, beweist der Umstand, dass ich ein Urteil über meine Ausgabe im Lit. Ccntrbl- (1873, Nr 19) für ein anerkennendes erklärte und noch immer dafür halte, über das Hr. B. sich triumphierend äussert, dass er sehr befriedigt wäre, wenn noch mehr solche Urteile über mein Buch gefällt werden sollten. Es lautet dasselbe: „Geben wir uns nun Rechenschaft, ob die hier gebotene Erläuterung mässigen Ansprüchen der Schule genügt. Dies mag gerne zugestanden werden. Schüler der Klassenstufe, auf welcher sonst Xenopbons Anabasis gelesen zu werden pflegt, werden das Nötige zum Verständniss des Schriftstellers in kurzer Darstellung finden''. Wenn der vielleicht durch übermässiges Lob verwöhnte Hr. Dr. B. dies Urteil für kein anerkennendes hält, so erkläre ich, dass ich gerne mit der Anerkennung mich bescheide, dass in meinem Buche wirklich geleistet ist, was ich zunächst damit leisten wollte, was mir aber von Hrn. B. auf durchaus ohne Ausnahme haltlose und durch nichts begründete Ausstellungen hin in der Schluss- bemerkung seiner Recension völlig abgesprochen wird.

leb will mir nun zwar nicht anmassen, die Leistungsfähigkeit des Hrn. Dr. B. zu kennen, wie er das bezüglich meiner thut, wenn er sagt, ich habe jedenfalls in der Ausgabe das Beste geleistet, was ich zu leisten vermochte, sondern ich will im Gegenteil annehmen, dass er Besseres zu leisten im Stande ist, als er in dieser Ausgabe geleistet hat; die Fähigkeit aber, über eine Ausgabe Xenopbons ein voll gütiges Urteil abzugeben, muss ich ihm nach seiner eigenen Leistung auf diesem Felde, wie sie in dritter Auflage hier vorliegt, absprechen; weshalb ich ihm hiemit auch einen unbeschränkten Freibrief dafür ausstelle, über meine Arbeiten auf diesem Gebiete sich in beliebigen Aeusserungen zu ergehen, da ich dieselben fortan unerwidert lassen werde

München. Emil Kurz.

Erklärung.

„Auf S. 328 , 330, und 332 bat Herr Kurz bei Besprechung von Xen. Hell. III, 1, 23; IV, 2, 5 und VII, 2, 15 Bemerkungen gemacht, in denen jeder Leser, namentlich nach den Anfangsworten des Artikels und der Tendenz desselben, die Beschuldigung erkennen wird, dass ich Breitenbach's Anmerkungen zu Xen. Hell, ausgeschrieben habe. Ich mache darauf aufmerksam, dass der Theil von Breitenbachs Ausgabe, welcher jene Stellen enthält, im J 1863, meine Ausgabe bereits 1860

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erschienen ist. Von Herrn Kurz erwarte ich eine deutliche und bestimmte Erklärung, welchen Sinn jene von ihm gemachten Andeutungen haben sollen."

Berlin. B. Büchsenschütz.

Erwiderung.

Auf vorstehende Erklärung des Hrn. Dr. Büchsenschütz erwidere ich, dass ich „fleissige Benützung" früherer Leistungen auf dem Gebiete der Erklärung oder Textkritik eines Schriftstellers im Ernst als „Verdienst" anerkenne, wenn dieselben selbständig verarbeitet sind, dass ich aber Unselbständigkeit Hrn. Dr. Büchsenschütz nirgends zur Last gelegt habe. S. 330 und 332 wollte ich nur erwähnen, dass Hr. Dr B. bei seinen irrigen Erklärungen von IV, 2, h und VII, 2, 15 nichts als die gleiche Erklärungsweise des Dr l.reitenbach für sich hat, ohne dass ich dabei die Priorität derselben betonte, die ich allerdings bei diesen Stellen und auch bezüglich der Stelle III, 1, 13 irrtümlicher Weise annahm, da der erste Teil von Breitenbachs Ausgabe schon im J 1853 erschienen ist. Ich will Hrn. Dr Büchsenscbütz keinen Vor- wurf machen, den ich selbst als ungerechtfertigt anerkennen niüsste, und hätte als Bearbeiter einer ähnlichen Ausgabe seine Arbeit, wie seit den vielen Jahren, in denen ich mich mitXenophons Hellenika beschäftige, so auch jetzt ganz unbesprochen gelassen, wenn Hr. Dr. Büchseuschütz mich nicht durch die Art der von ihm an meiner Ausgabe geübten Kritik und durch seine Antwort auf meiue Erwiderung dazu genötigt hätte.

Emil Kurz.

G. Wenz, die Reform des geographischen Unterrichts in Schulen, Seminarien und anderen Unterrichtsanstalten. München, Theodor Ackermann. 1874.

Mit dem Motto: „Ohne Kartenkenntniss kein Verständniss für die Erd- und Völkerkunde", ist in der vorliegenden Schrift auf 28 Seiten ein Vortrag veröffentlicht, welchen der Verfasser der Hauptsache nach in einer der Sektionen der 21. allgemeinen deutschen Lehrerver- sammlung zu Breslau gehalten hat. Der Zweck des Vortrags geht dabin, zu erörtern, dass mit der bisher noch mehrfach üblichen Methode des Geographie -Unterrichts nach Lehrbüchern ohne Karten und Karten- kenntniss, oder unter geringer und irriger Benützung derselben ge- brochen werden müsse, und dass, wenn anders die Geographie als Bildungsmittel des jugendlichen Geistes in den Schulen Erfolg haben soll, ihr die Kenntniss und Zugrundlegung guter und geeigneter Karten vorangehen und zur Seite stehen muss.

Dass die Geographie eine Wissenschaft sei, stellt der Verfasser an die Spitze seiner Erörterung. Wir können nur wünschen, dass dieser Satz auch allgemeine Geltung erhalten möge. Es wird sodann die wahrhaft stiefmütterliche Behandlung dieses Lehrgegenstandes in allen Unterrichtsplänen von der Elementarschule an bis zur Universität hinauf wegfallen. Wenn man die herrlichen WTorte Herders über den Wert und die Stellung der Geographie unter den übrigen Wissen-

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schalten liest, so muss man in der That staunen aber die geringe Beachtung, welche gerade in den manschenden Kreisen des Schul- wesens die Geographie findet, wie aus den verschiedenen Schul - und Studienordnungen klar hervorgeht. Wir stimmen darum mit dem Ver- fasser vollständig darin Uberein, dass eine Reform des geographischen Unterrichte« eintreten muss, und zwar nach Innen und Aussen. Nach Innen besteht diese Reform darin, dass vor Allem diejenigen, welche später Geographie zu lehren haben, also die Lehrer der Elementar- schulen, die Realienlehrer an den technischen Schulen und die Studien- lehrer auf eine andere Weise als bisher in das umfassende Gebiet der Geographie eingeführt werden, damit durch sie dann der bisherige Mechanismus in der Behandlung der Geographie in den verschiedenen Schulen beseitigt nnd eine lebensfrische und wahrhaft bildende Unter- richtsweise in diesem so ergiebigen Lehrgegen Stande an deren Stelle gesetzt werde. Nach Aussen aber hat, und damit wird der Verfasser uns sicherlich beistimmen, diese Reform darin zu bestehen, dass man dem Unterrichte in der Geographie die gehörige Zeit und das dem Alter und der Fassungskraft der Schüler entsprechende Material zu- weist. Es wäre sehr sehr leicht, in dieser Beziehung eine bunte Blumenlese der verschiedenartigsten, oft diametral entgegengesetzten An- and Verordnungen zusammenzustellen.

Was nun speciell die Kartenkenntniss beim geographischen Unter- richt betrifft, so hat der Verfasser gestützt auf eine Reihe von Aus- sprüchen competenter Männer ganz recht, wenn er sie als Grundbedingung eines gedeihlichen Unterrichtes erklärt. Die Art und Weise, wie er diese seine Behauptung durchführt, indem er sieben Stufen des geo- graphischen Unterrichtes annimmt, bat hauptsächlich Bezug auf die Elementarschule, bietet aber auch für Real- und Lateinschulen eine Reihe von guten Anhaltspunkten und Bemerkungen. Jeder Lehrer der Geographie wird die Schrift mit Interesse lesen und, wenn er auch nicht Alles geradezu als notwendig unterschreibt, doch manchen nützlichen Wink darin finden, besonders bezüglich des mehr mathe- matischen Teiles der kartographischen Darstellung, wozu die beige- gebenen Tafeln die Anleitung geben. Wir empfehlen deshalb die Schrift allen Fachgenossen zur Durchsicht und Beherzigung. L.

Literarische Notizen.

Q. Horatius Flaccus. Erklärt von Herrn. Schütz. Erster Teil: Oden und Epoden. Berlin, Weidraann'sche Buchhandlung. 1874. 395 S. in 8. Preis 3 M. Die Ausgabe, die neben der Nauck'schen und Düntzer'schen gewisB von vielen ersehnt wurde, führt sich auch als Schulausgabe ein. Sie beginnt mit einer (leider sehr klein gedruckten) Einleitung, das Notwendigste aus dem Lehen des Dichters und eine gedrängte metrische Uebersicht enthaltend. Der Text beruht grössten- teils auf der kritischen Ausgabe von Keller und Holder, die Ortho- graphie fast durchweg auf den Grundsätzen Brambachs. In den Erklärungen ist das Bestreben nach Klarheit ersichtlich; den Gedanken- gang der Gedichte überall darzulegen, hielt der Verf. mit Recht für unnötig; es ist das eine Arbeit, die der Herausgeber nicht für den Schüler machen soll. Besondere Berücksichtigung hat die Feststellung der Zeitverbältnisse gefunden. Wird man mit all dem sich gerne

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einverstanden erklären, so darf man doch wohl fragen, ob sich der ausgedehnte Gebrauch, welcher von der Text- Kritik teils in den Noten , teils in dem 82 Seiten umfassenden kritischen Anhang gemacht wird, in einer Schulausgabc, und wenn sie auch ihrer Natur nach für die obersten Klassen bestimmt ist, rechtfertigen lässt N&heres Ein- gehen auf Einzelnes soll spaterer Gelegenheit vorbehalten bleiben.

Ciceros Reden für S. Roscius und über das imp des Cn. Pompejus. Erklärt von Karl Halm. 7. verbesserte Auflage Berlin, Weidmann. 1874. Es wurden 7ur Rede für S. Roscius aus der fünften Aufl der Orationes selectae von Mädvig und aus den Lectiones Tullianae von . Alfr. Eberhard mehrere Berichtigungen und Zusätze entnommen, ausser- dem für die Textrevision derselben Rede eine neue Vergleichung des cod. Par. n. 6369 benützt.

Griechische Geschichte von Ernst Curtius Erster Band. Bis zu den Perserkriegen. 4 verbesserte Auflage. 664 S. Pr. 7 Mk. Zweiter Band. Bis zum Ende des pcloponnesiscben Krieges. 4. Aufl. 841 S Pr. 9 M. Dritter Band. Bis zum Ende der Selbständigkeit- Griechenlands. 3. verbesserte Auflage. 816 S. Pr 9 M.

Aufgaben für freie lateinische Aufsätze und für Uebungen in lateinischer Versification Aus Fr. Ellendts Nachlasse mit Vorwort und Einleitung herausgegeben von Dr. Herrmann Genthe. Berlin. Weidmann'. seht' Buchhandlung. 1874. 36 S. in 8. Die Themen sind zahlreich (244 für Aufsätze, 127 für Uebungen im Versmachen) und gut gewählt, aber es bat fast den Anschein, als ob die Einrichtung unseres altsprachlichen Unterrichtes immer mehr von der Möglichkeit solcher Uebungen abführte.

„Zur Casuslehre" von Dr. H. Hübsch mann München, Acker- mann. 1874. Das gelehrte Werk bespricht im ersten Teile die Geschichte der CasuBlehre und zwar in der alten Grammatik; dann die Casuslehre unter dem Einfluss Humboldt'scher Sprachwissenschaft, drittens die Casuslehre in der modernen Grammatik. Im zweiten Teile wird eben so gründlich und anziehend behandelt die Lehre von den Casus in der Sprache des Avesta, dann die Lehre von den Casus im Alt persischen , hierauf die Präpositionen im Zend und Altpersischen, schliesslich die Casuslebre im Mittel- und Neupersischen. Das Werk wird sicherlich den verdienten Beifall des gelehrten Publikums finden.

Erzählungen aus der Geschichte für Schule und Haus. Von H. W. Stoll. Erstes Bdchen: Vorderasien und Griechenland. 2. Aufl Zweites Bdchen. Römische Geschichte. 2. Aufl Leipzig, Teubner. 1874. Pr. ä 1 Mk. 50 Pf. Was von der 1. Aufl. dieser Erzählungen S. 227 des IX. Jhrg. dieser Blätter gesagt wurde, dass sie sich besonders für Schulbibliotheken unterer und mittlerer Klassen eignen, gilt auch von der neuen Auflage.

Drei Erzählungen aus dem griech. Altertume für reifere Schüler der Gymnasien und Freunde klassischer Bildung von Dr. C. G. Wilisch. Leipzig, Teubner. 1874. Pr. 1 Mk. 20 Pf. Entspricht dem auf dem Titel ausgesprochenen Zwecke.

Paralleltabellen zur griech. -rumischen Chronologie. Leipzig, Teubner. 1874. 54 S. in 16. Pr 75 Pf. Sehr geeignet, um die Zahlen einer Chronologie Bchnell in die der andern zu übersetzen.

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Uebungsbuch zur lateinischen Sprachlehre, zunächst für die untern Klassen der Gymnasien bearbeitet von Dr Fried. Schultz Zehnte, verbesserte Ausgabe. Paderborn, Ferd. Schöningh. 1874 . 294 S in 8. Ohne wesentliche Aenderungen ist die neue Auflage lediglich im Einzelnen berichtigt.

Uebungsbuch zur griechischen Sprachlehre für die Quarta und Tertia der Gymnasien bearbeitet von Scher er und Scbnorbusch. Paderborn, Ferd Schöningh 1875. 284 S. in 8. Pr. 20 Sgr. Das Buch , welches sich an die griech. Grammatik derselben Verfasser an- schliesst, dient zum Uebersetzen in das Griechische und aus dem Griechischen. Begonnen wird mit ganzen Sätzen, die notwendigen Vokabeln sind für die ersten 36 §§. aus einem am Ende des Buches angebängten Vokabel nverzeichniss, des weiteren aus dem deutsch. -griech oder griech. - deutschen Wörterverzeichniss zu erholen. Kurze An- merkungen unter dem Texte sollen nicht bloss die Uebersetzung erleichtern, sondern auch die wichtigsten syntaktischen Regeln allmählich zum Bewußtsein bringen. Schon in den früheren Uebungsstücken sind griech. Hexameter und Trimeter zur Einübung der Formen und zum Memorieren mitgeteilt. Das eigentliche Uebungsbuch erstreckt sich nur auf 148 S., gemischte (deutsch -griech.) Beispiele fehlen ganz. Die andere Hälfte nehmen die verschiedenen Verzeichnisse ein, wobei wieder das griech. -deutsche überwiegt In syntaktischer Hinsicht dürfte schon früh den Schülern zu viel zugemutet sein.

Homers Odyssee. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. A meis. Erster Band. Erstes Heft Gesang I VI. Sechste berichtigte und vermehrte Auflage, besorgt von Dr. C. Hentze. Leigzig, Teubner. 1874. Pr. 1 Mk. 30 Pf. In lexikalischer Hinsicht sind Kürzungen eingetreten ; dagegen ist die Ausgabe erweitert in Folge einer grösseren Berücksichtigung der neuen Untersuchungen über die Einheit der Odyssee. Zweiter Band. Zweites Heft. Gesang XIX XXIV. Fünfte, vielfach berichtigte Auflage, besorgt von Dr C. Hentze. Pr 1 Mk. 30 Pf Die vorgenommenen Aenderungen betreffen, abgesehen von Einzelheiten der Erklärung, besonders den Zusammenbang der Erzählung, in dessen Auffassung Ameis durch das Bestreben die Einheit der Darstellung möglichst festzuhalten zu mancher unhaltbaren Er- klärung geführt wurde; ferner die Fragen wegen der Lokalitäten des homerischen Hauses in X, in welcher Hinsicht sich der Verf. fast durchweg an Gerlach (das Haus des Odysseus, Philol. XXX p. 603 ff.) angeschlossen hat.

Herodotos. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. Abi cht. Erster Band. Erstes Heft. Buch I Nebst Einleitung uuil Uebersicht über den Dialekt. Dritte Auflage. Leipzig, Teubner. 1874.

Aufgaben zum Uebersetzen ins Griechische Für die obern Klassen der Gymnasien. Von Dr. Gottfr. Böhme. Fünfte, verbesserte Auflage. Leipzig, Teubner. 1874. 307 S. in 8. Die neue Aufl. bietet keine weit gehenden Aenderungen, weder methodisch noch rücksichtlich des Materials; doch zeigt sich überall die nachbessernde Hand. Ein paar Nummern (213, 214) sind durch neue ersetzt worden

Aeschylos Agamemnon. Mit erläuternden Anmerkungen heraus- gegeben von Robert Enger. 2. Aufl., umgearbeitet von Walther Gilbert. Leipzig, Teubner. 1874. Der neue Herausgeber hat unter

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Einhaltung der von Enger aufgestellten Graodsätze namentlich dem grammat. Verständnisse des Schülers etwas mehr nachgeholfen Auch sonst sind die Abweichungen von der ersten Aufl. sehr beträchtlich, da die grossen Fortschritte der Aeschyloskritik in den letzten 20 Jahren nicht unberücksichtigt bleiben durften. Ausserdem bat die Ausgabe einen kritischen Anbang und ein Verzeichniss der noch von Enger für die nene Aufl. vorgenommenen Aenderungen als Beinahe erhalten. Der langsame Absatz der ersten nicht ungünstig aufgenommenen Aus- gabe zeigt schon, dass wenig« Lehrer sich entschliessen, Aescbylos mit den Schülern zu lesen ; ob trotz der Erleichterungen, welche die neue Ausgabe vielfach bietet, fortan ein häufigerer Gebrauch davon gemacht wird, mu8s die Zukunft lehren.

Vollständiges Wörterbuch zu den Commentarien des Cajus Julius Caesar vom Gallischen Kriege. Von Dr Otto Eicher t. Mit einer Karte von Gallien zur Zeit Caesars. 4. revidierte Aufl. Breslau, Kern's Verlag (Max Müller) 1874 478 S. in 16. Pr. 12 Sgr. Das Büchlein ist bekannt; die neue Aufl hat keine nennenswerten Ver- änderungen erfahren.

W. Gallenkamp, die Elemente der Mathematik, 4. Aufl.: 1 Tbeil (Arithmetik und Algebra, 1. Abthrilung Planimetrie), Iserlohn, Verlag von J Baedeker 1874. Logische Anordnung des Stoffes und wissenschaftliche Strenge in dessen Behandlung sind von dem bekannten Verfasser in erster Linie berücksichtigt. Dies gilt insbesondere von der Planimetrie, in welcher die Kapitel der Kongruenz, der Grössen- und Formenvergleichung geradliniger Figuren, dazu der Abschnitt vom Kreise in durchsichtiger Darstellung besprochen werden, die eine glückliche Gabe des Verf. zu sein scheint und das Verständniss ungemein erleichtert. Wie bei K. Snell ist in lichtvoller Weise z. B. die Frage erörtert, durch wie viele und welche Stücke ein Dreieck vollständig bestimmt ist, von welchen Elementen die Grösse, von welchen die Form eines geradlinigen ebenen Gebildes abhängig wird; mit grösster Sorgfalt aber ist das Verbältniss der Kreisperipherie zum Durchmesser eingeleitet und festgestellt. Der ganze Stoff, in dessen Bereich auch die Aehnlichkeit, Polarität und Potenzialilät der Kreise gezogen ist, wickelt sich auf 140 Seiten ab, und die Art, wie er verar- beitet erscheint, ist für Lehrer beachtenswert.

Dr. H. Schumann, Lehrbuch der Planimetrie, 2. Aufl. bearbeitet von Dr. R. Gantzer. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. Von dem vorigen weicht dieses Lehrbuch sehr wesentlich ab. Es ist breiter gehalten, die Beweise sind fast sämmtlich ausführlich gegeben, die Schüler auf das eigene Nachdenken und Nachschlagen weniger angewiesen; den einzelnen Abschnitten ist zwar kein Uehungs- material beigegeben, dafür jedesmal auf die Sammlung von Gandtner und Junghans hingewiesen Den Schluss bildet eine Anleitung zur Lösung geometrischer Aufgaben mit Hilfe algebraischer Analysis, illustriert durch sechs Probleme. Zu dem sei die Bemerkung erlaubt, a* -+- s*

dass sich x = eleganter und einfacher konstruieren lässt, wenn man auf AB = s die BC = a senkrecht errichtet, wodurch x =

AC 2 s

oders: AC= ^ AC : xwird. Zieht man jetzt durch

s

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die Mitte 0 der AC die OD I AC, so ist x AD und A DBC das ver- langte. Im übrigen empfiehlt sich das Buch durch eine naturgemässe Anordnung des Lehrstoffes und durch präcise Form im Ausdruck.

Dr. Worpitzky, Elemente der Mathematik, drittes und viertes Heft (Planimetrie). Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. Diese Arbeit tritt als Versuch auf, der Mathematik die Berechtigung zu ihrem sprüchwörtlich gewordenen Ruf wieder herzu- stellen, nachdem die erziehlichen Wirkungen des mathematischen Unterrichtes durch die Erkenntniss beeinträchtigt worden sind, dass die Euclidischen Axiome keinen ausreichenden Unterbau der geo- metrischen Wissenschaft bilden. Die Abweichungen von dem her-

gebrachten Wege sind daher mannigfach und betreffen nicht allein die inführung der Bewegung in die geom. Betrachtungen, sondern vornehmlich die der Ebene und den Begriff des Winkels (jede aus zwei geraden Teilen bestehende Linie heisst Winkel), endlich die Aufstellung von Axiomen (z. B. es gibt kein Dreieck, in welchem jeder Winkel kleiner wäre als ein beliebiger klein gegebener Winkel); die Parallelentheorie folgt dem Abschnitt über die Kongruenz der Dreiecke, und es bedarf daher für die Winkelsumme des Dreieckes fast sechs Seiten, um bis zur Erkenntniss durchzudringen, dass dieselbe = 2R. Auf jeden Fall ist des Verf. Versuch , die peinliche Lücke in der Lehre von den Parallelen auszufüllen, der Beachtung wert, sein Lehrbuch selbst aber bei den streng durchgeführten Beweisen vor sehr vielen anderen geeignet, dem 8chaler das Lernen zu erleichtern.

Auszüge.

Zeitschrift für die Österreich. Gymnasien. 6. 7.

L Grammatische Unsersuchungen von J. La Roche. - Behandelt eine Reihe von Spracherscheinungen, über welche die griech. Grammatiken entweder stillschweigend hinweggehen, oder doch nichts vollkommen richtiges bieten. Kritische Studien zu Eur. Helene. Von K. Sehen kl. Teilt die Abweichungen des Cod. abbatiae Florentinae 2664 von Cod. Laurentianus mit. Poseidon als Sternbild. Eine Erklärung der Stelle llias XIII. 1 - 38. Von A- Kriechenbauer in Znaim.

8.

I. Ergänzungen zum lat. Lexicon. Von C. Paucker in Dorpat. Emendationes in Theodoro Prisciano. (Medici antiqui latini ed. Aldus. Venet. 1547). Von demselben.

IV. Bericht über die Innsbrucker Philologenversararnlung.

9.

I. Die Rede des Anchises bei Vergil. (Aen. VI. 756 853). Von Dr. Gebhardi in Posen. Beiträge zur Erklärung de* Vergil. Von Dr. Bentfeld in Salzburg. (Aen. I. 126 ist alto nicht Dativ; I. 181 ist pelago Ablativ; II. 8 ist caelo Abi). Zu Xen. An. I. 7. 12, 8. 22. IV, 7. 3. V. 1. 1, 2. 2, 4, 10-20. Von Henrych ow ski.

Der „Jahresbericht des philolog. Vereins zu Berlin" behandelt Xenophon I. Anabasis. (Referent Nitsche.)

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Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 9. 10.

I. Pädagogische Zankäpfel. Von Dr. Sanr in Darmstadt. Zur Frage der Reform des höheren Schulwesens (Abgesehen von den Vorschlägen ist die Begründung mitunter eine sonderbare). Scbulgrammatik und Sprach- wissenschaft. Von Dr. Wendt in Karlsruhe. Offener Brief an H. Dr. Jul. Jolly in Würzburg (Verf. will in der Einführung der Sprachwissenschaft in die Schulgrammatik nicht so weit gehen als Dr. Jolly). Catulls Lesbia. Von Dr. Schulze in Grünberg (Gegen die Aufstellungen von A. Riese in Fleckeisens Jahrbb. 1872 S. 747 ff. gerichtet). - Zur Erklärung des Ver- gilius von Dr Carl Nauck (Zu Aen. IV. 178. 193. 246). -

Statistisches.

Ernannt: Studl. Binder in Landau zum Subrektor in Ludwigs- hafen; Ass. Osberger in Erlangen (Konk. 1873) zum Studl. in Fürth; zu Assistenten: Lehramtskandidat Patin in Erlangen, Haupt in Würz- burg, Hellmuth und Hellfritzsch in Bamberg, Barthel in Passau, Georgii in Kaiserslautern, Heuberger in Amberg, Wilh. Meyer in Eichstätt, Hailer in Regeosburg, Pöblmann und Simonsfeld am Realgymn in München, Birklein und Deschaner am Realgymn. in AugBburg, Degenhart am Realgymn. in Würzburg, Kettler am Real- gymn. in Nürnberg; Grandauer zum Klassverweser in Weissenburg; Schleussinger, bisher Lehrer am Kolleg in Diedenhofen (Konk. 1868), zum Studl. in Ansbach; Putz, L. für Chemie und Naturg. , zum Rektor der Gewerbschule in Passau; Lehramtsverw. Lehmann zum L. für neuere Sprachen und Lehramtsverw. Götz zum L. für Realien an der Gewerbsch. in Kaiserslautern; Lehramtsverw. Neu zum L. für Math und Phys. an der Gewerbscbule in Landau; Lehramtsverw. Meyer zum L. für Chemie und Naturg. an der Gewerbschule in Zweibrücken; Lehramtsverw. Knörzer zum L für Realien an der Gewerbsch. in Amberg; Vikar Rosenhauer zum L. für prot. Rel. an der Gewerbsch. Regensburg; Vikar Herold zum L. für prot. Rel. an der Gewerbsch. in Fürth; die Lehramtsverw. : Ducrue zum L für Math, und Phys an der Gewerbsch. Bayreuth, Schlumberger für Zeichnen an der Gewerbsch. W ansiedel, Hartwig für Math, und Phys. an der Gewerbsch. Nürnberg; Lehramtskand. Micheler als Verw. für Realien an der Gewerbsch. Kaufbeuern; Gymn.-Prof. Dr. Hausmann in Speier.. tum Lycealprofessor in Dillingen.

Versetzt: Ass. Emminger von Kempten nach Augsburg (St Steph.).

Enthoben: Rector der Gewerbschule Bamberg, Dr. Schneider; Assistent der Industriesch. Nürnberg, Deibler.

Quiesciert: Subr. Dr. Stolz in Pirmasens; Studl. Hess in Nördlingen.

Gedruckt bei J. Gotteawinter * Mossl in München, The*tineritraMe 18.

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Homerisches Allerlei.

(3. IX. Bd. SS. 163 ff. and Wi ff.). III.

Vom Purpur.

1. Farben bei Homer überhaupt.

Farben werden in den homerischen Gedichten folgende erwähnt:

1) Aevxog vom bellen Lichtglanz (z. B. S 185; C 45), vom durch- sichtigen Wasser (V 282), von der Hautfarbe (A 573 u. in XsvxojXeyos), von der Milch (J 434), vom Mehle (2" 560), vom Schnee (K 437), vom Staube (E503), von weisser Wolle (r 103), von Geweben (2: 353; /J426).

2) Aeig loeis „lilienweiss" von der Hautfarbe des Aias (.V 830).

3) Jftflaf, xeXaiyos als Gegensatz des ersten obigen in verschiedener Verwendung: von der Farbe der Schafwolle (rl03; K215; x 527) und des Peches (J 277), vom Blut ( J 149) und von geröteter Haut (T 246; n 175), von Trauben (Z 502) und vom Wein (c 265), von der Asche (Z 25; f 488), oft vom Schiffe, vom Wasser und der Meereswoge (B 825; V 603), von der Erde (B 699; £ 97), von der Nacht (Z 486) und vom Abend 423), vom Tode (Ii 834; p 92) und häufig von den Keren, endlich von Schmerzen (J 117; 191). 4) „Pechschwarz" J277. 5) .-liSaXoe *.<;, eigentlich „russig" vom rauchgeschwärzten Saal ufld vom Staub (I 23). 6) floJUo? heisst das Haupthaar der Greise (X 74; J2 516), der Wolf (K G34), das Meer {J 248; M 284; T229; J580; * 410), das Eisen (l 366). - 7) Sftv&oi sind die Haare verschiedener Personen und einmal der Rosse. 8) Nach der Pflanze xQoxof (S 348) sagt der Dichter xQoxo.ienXos von der Eos d. h. von der Farbe des Morgenrotes (ft I ; T, 1 uud sonst). - 9) AfqXa>\p „apfel- farbig" vom reifen Weizeu. lOJ^-ß/pos ist die bleiche Farbe eines Erschrockenen (r 35; X 529), ebenso - 11) /AupoV K 376 ; 0 4, und daher von der „blassen" Furcht selbst gesagt (H 479); sonst: „blassgrüu, grüngelb" (vgl. Düutzer in Kuhn's Ztscbr. f. vgl. Sprachf. XIV, S. 183*): von der jungen Saat (n 47), vom Honig (A 631; x 234) und darum vergleichsweise als Zeichen der Frische (t 320 ; 379). Hie- ber ist auch etwa zu stellen 12) otVwi/' vou der Farbe d^s unru i i^en Meeres (¥> 316; « 183; ß 421) und gewisser Stiere (N 703; v 32). 13) H t q o 1 1 d i\ i von Punkten der Fernsicht (41 770 1, vom M^ere 16 3) von Grotten und Bergspitzen tu 80 , 233 und sonst). 14) 'Yariv- Sivov Sy&oc C 231 ; i// 158; vgl o v«xiy9oS S 348. - 15) 'lo\ is, letA&nst iofyffpqc, das ist veilchenblau, veilchendunkel (s. Düntzer in Kuhn's Zeitschr. a. O.XIV, S. 184), 8cbw»rzblau (vgl. Böckh, Explic.

Blätter f. d. b*yer. OymnMialw. XI. Jahrg. 4

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ad Pind. Ol. VI, 30) beisst das ruhige Meer (A 298; e 56) und das stürmische Meer (* 107), das Eisen (<P 850) und Schafwolle in natür- lichem Zustande (* 426 und darnach auch & 135). 16) Kvavcos von dichten Wolken- und Menschenhaufen (E345, <P188; </282, 1166), von Kopf- und Barthaaren und Augenbrauen (H 176, X 402, n 176; ^528, 0 102 und in verschiedenen Zusammensetzungen,), dann von der Erde (u 243, daz. Ameis Anhg.), ferner, mit f*4Xag erklärt, von dem xdXvuua der The tis (£93) und von dem Bug der Schiffe (Ob93 u. 6.); dabei gedenke ich der xvdveot dgaxorrts an Agamemnons kyprischer Rüstung und der xvuvin xanerog auf dem Schilde des Achill mit Be- wusstsein nicht, kann mir aber nicht versagen, auf die vortreffliche akademische Abhandlung von Lepsius : „Ueber Metalle in den ägypt- ischen Inschriften" (Berlin. 1871. Phil -bistor. Abt. S. 27 - 143) aufmerksam zu machen, wem dieselbe etwa noch nicht zur Hand gekommen sein sollte. Endlich, um alles zu übergehen, was blos den Lichtglanz hervorhebt, ist zu nennen 17) die Rosen färbe, welche auffallender Weise nur an der (ioifo<faxTvXo( 'tfw'c erw&hnt ist, und 18) anderes Rot.

Die meisten dieser Namen habe ich absichtlich nicht verdeutscht. Denn was Göthc in seiner Geschichte der Farbenlehre von den Farben- benennungen der Griechen und Römer im allgemeinen sagt, dass sie nicht fix und genau, sondern beweglich und schwankend seien, das gilt noch in ganz besonderem Grade von den Bezeichnungen in den homerischen Gedichten. Ich weiss nicht, wie es anderen geht;; in mir steht diese Ueberzeugung immer wieder fest, so oft ich die obigen Farbebezeicbnungen für sich und im Vergleiche unter sich betrachte; dieser Ansiebt kann ich mich nicht erwehren trotz A. Schusters Dar- stellung in seinem zur Darlegung eines ästhetischen Stilgesetzes ausge- führten Aufsatze: „Homers Auffassung und Gebrauch der Farben" (in Berlin. Zeitschr. f. Gyran.-W. [1861] XV, S. 712 ff ). Ich finde mich darin noch mehr bestärkt, nachdem V. Hehn (Culturpflanzen und Haus- siere S. 164 f. ; 176 f.) uns wahrscheinlich gemacht hat, dass vielleicht wol der Dichter, nicht aber auch seine griechischen Zeitgenossen einzelne dieser Farben, wie die der Rose und der Lilie, des Veilchens und des Safrans aus eigener Anschauung kannten. Indes ist es nicht meine Absicht, diese sämmtlichen Farbennamen des näheren zu untersuchen; ich bedarf des obigen Verzeichnisses nur beiläufig als einer Musterkarte, woraus ich nur die letzte Nummer mit noch unbestimmt gelassenem Dessin zu einer genaueren Prüfung ausgewählt habe.

Noch einer anderen Beobachtung wegen halte ich diese Zusammen- stellung für notwendig. Alle die oben aufgeführten Farben ausser der letzten Nummer sind (und das ist eben der Hauptgrund der schwan- kenden Bezeichnung und kreuzweisen Verwendung) überall nur als

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natürliche Farbeerscheinungen (subjektive Farben) erwähnt; die Art und die Menge des einfallenden Lichtes, dann der Standpunkt des Beschauers ändern die Erscheinung nach der einen oder andern Seite hin zum üebergange ins Dunklere oder Hellere, mit mannigfachem Schüler. Dieses war schon Aristoteles und Theophrastus klar. So ist hier besonders beachtenswert, dass Rot und Schwarz in einander spielen und eines für das andere insoferne zu stehen kommt, als mit beiden das Dunkle herhorgehoben wird. Beispiele dafür hat Döderlein im „Homerischen Glossar" Nro. 2151 und 2464 besprochen, während H. Düntzer (in Kuhn's Zeitschr. XIV. B, S. 183 ff.) unter dem gemein- schaftlichen Begriff „dunkel" folgende homerische Wörter zusammen- stellt: atäakeoi, (ti9otftj dyoq>SQogf ij«0o£t<fjjff jioeidijg, ioBigy xvttveog, xeXaivof, fittag und auch noXiog. „Homer liebt es eben", sagt Düntzer, „oft die Farbe nicht bestimmt zu bezeichnen, sondern nur ihre Dunkelheit hervorzuheben, woneben der schimmernde Glanz wol bestehen kann".

Unter den homerischen Farben macht hievon vielleicht eine, aber nicht unbestrittene Ausnahme die xvavonet« rQuneta. (Vgl. Lepsius a. a. 0. S. 56 ff., u. „Handwerk und Handwerker in den homerischen Zeiten" S. 93 nebst Anm. 126 [S. 197] und 187 [S. 205 f.]). Ganz gewiss wird das Kot nicht blos als Farbeerschein ung von den Gedichten genannt, sondern auch als objektive Farbe, als Färbestoff und als künstliche Färbung, nur auch da wieder nicht jedes Rot. Erstlich fehlt das den Uebergang zum Blonden bezeichnende hvqqos noch ganz, und nur sein Zwillingsbruder nvQoog bedeutet dort als Substantiv den Feuerbrand. *Eqv&q6s ist mir nur von natürlicher Farbeer- scheinung z. B. des Blutes, Weines, Nektars, Kupfers erinnerlich (* 21 = £484; (93, 165; T38; I 365 u. a.), wie das schon vorhin erwähnte Rosenrot und das Blutrote: q>oiyiog , <poiy6gt tpotvqeig, datpoiyeog und datpoivos (IJ 159; 2 538; a 97), auch von der Haut der Schakale (A 474), Löwen und Schlangen, wobei es teils mit aioXog wechselt {B 308 und M 202 ; 220 neben M 208) , .teils mit aX&uv zusammensteht {K 23). In ausschliesslicher Verwendung als Färbestoff kommt der fiiXrot vor und dieser, vielleicht nicht zufällig, nur oder erst in der Odyssee (*, 125) und im Schiffskatalog (B 637). Endlich stossen wir auf die Bezeichnungen yoiyixi, yotrixoeig und noQ<pi>Q sog.

Es ist wol rasch gesagt: Das ist der Purpur; und Commentare, wie Lexika, soweit ich sie kenne, setzen das einfach ein. Aber es ist meines Erachtens nicht ebenso leicht zu erweisen, vielmehr nur eine Präsumption aus dem späteren Sprachgebrauch. Von wie vielen Wörtern ist aber der Begriff ein anderer in der homerischen, ein anderer in der späteren Zeit! Geht mau von der letzteren und ihren Schriftstellern aus, wie Sam. Bochartus in seinem opus grandis eruditioni*,

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Hierozoicon sive Bipartitum opus de animalibus 8. Scripturae (Lon- din. 1663. Francofurt. 1675) P. II, l. V, c X et XI thut, welcher, für seinen Zweck genügend, sich fast ausschliesslich auf die Lexieo- grapben stutzt; wie Pasc. Amati in seinem Libellus de restitutione purpurarum (Lucae 1781), welcher zumeist an Aristoteles sich anlehnt und nur 2 homerische Stellen nebenbei benützt; wie J. N Bischoff in seinem „Versuch einer Geschichte der Färberkunst" (Stendal 1780), welchem es um die Manipulation zu thun ist; so musste man entweder die homerischen Stellen ignorieren oder den späteren Sinn kurzweg hinein» tragen. Wir wissen ja aber, dass wir Homer zuvörderst aus sich selbst erklären müssen. Diesen Grundsatz wird die übrige ebenso alte Litera- tur, in dem sogleich zu nennenden Werke verzeichnet, aber mir bis jetzt nicht zugänglich, auch nicht befolgt haben. Dem besten Buche über Purpur, das wir haben, der musterhaften Schrift von W A Schmidt: „Forschungen auf dem Gebiete des Alterthums. I " (Berlin. 1842.) lag ihrem Zwecke nach das homerische Gebiet fern. Dazu kam seitdem, was C. W. Lucas in seinen prächtig geschriebenen und inhaltlich von Ddderlein schon belobten, in unserer Frage aber ungenügenden Quaes- tionea lexilogicae (Bonn. 1835) p 153 sqq., Göbel in der Berliner Zeitschr. f Gymnasialwesen (1855) IX Bd. 8. 532 ff und Döderlein im Homerischen Glossar III S. 329 - 32 Ober die Materie sagen , und das macht eine weitere Untersuchung nicht überflüssig.

2. rf-oivixi, tf ot v ix o 1 1 ( in sprachlicher E ntw ickel ung.

Für diese Ausdrücke ist es zu meinem Zwecke glücklicherweise nicht notwendig, die strittige Frage der Etymologie von qpoiVtf end- giltig zu entscheiden, ob also +oiWx<j das „Palmenland" benenne, wofür sich Movers (Phönizier II, IS. 3 ff) entschieden hat, wobei aber freilich gar nicht wahrscheinlich ist, dass die Griechen die Palme zuerst in Pbönizien gesehen hätten*), oder ob Phönizien das „rote Land", „das Land der Roten" bedeute, welche Ansicht Movers unter den ihm ent- gegenstehenden für die wahrscheinlichste erklärt, und Schegg in seinem „Gedenkbuche" II S 220 durch Vergleicbung des ägyptischen Namens Ta-dsr ~ „das rote Land" wieder aufgenommen hat, oder ob 4>oiyixes ägyptischer Parallelname mit kanaanitr-chem Ka dm onaim in dem Sinne von „Alte, Urbcwohner" sei, wio P. Tarquiui in seinem Vortrage Deila iscrisione di S. Marco e della origine de1 Fenici (Roma. 1868) wahrscheinlich zu machen sucht, oder welche der sonstigen Deutungen, von Movers a 0. verzeichnet, den Vorzug verdiente. Nur das eine ist uns hier von Bedeutung und das steht fest , dass die Bezeichnung

*) Döderlein (Glossar III Nro. 2213) leitet daher richtiger die griechische Bezeichnung für Palmbaum von Phönizien her d. i. „phönizischer Baum"; s. jetzt auch V. Hehn, Cnlturpflanzen und Hansthiere S. 182.

■Htyixt) nach dem Zeugnisse Sanchuniatbon's bei Eusebius (Praep- ev. I, 9t 10) älter ist als die Sage des trojanischen Krieges, und dasB in jener Zeit, wo die Griechen auch noch nicht eine ungefähre Gemein- schaft in Europa bildeten, jenem Schiffervolk Chanaans nicht wol durch die Griechen und noch dazu an den verschiedenen Orten des griechischen Landes, wo ihre frühzeitigen Spuren in Orts-, zumal Hafennamen erhalten sind«), als Jonien, Karien, Lykien, Kreta, Jos, Kythera, Korinth, Epirus, Böotien, Messenien und Sicilien, ebenso auch im fernen Arabien, nicht gleichmässig derselbe Name beigelegt werden konnte oder beigelegt worden wäre, wenn jenes Volk denselben nicht schon mitbrachte. Dem steht auch der Umstand nicht entgegen, dass die llias ausser zwei jüngeren Stellen die Phönizier gar nicht erwähnt, sondern nur die Sidonier, während V t 743 und in der Odyssee (denn J5f, 321 verdient als offenbares Einschiebsel gar keine Berücksichtigung) Phönizier und Sidonier unbefangen als Gattung und Species neben- einander aufgeführt werden. Genauer betrachtet ist eben die Sache so, dass die Sidonier ••) genannt sind, wo er sich um die Urheberschaft industrieller Kenntnisse und Produkte, die Phönizier *•*), wo es sich um deren Vertrieb und Einfuhr, um Handel und Verkehr überhaupt handelt. Zumeist erhellt dies aus ¥f, 743: (xp^r^a) JttfoVet nokvdaiduXot et rjffxqoay, <£o«V»xf c d" ityov ttv$Qt$ in1 tjSQOnSäa novxov arijorty d' iv

Xifiivecai. Und die yvypj <Poiyi<xaa (o 417) in des Eumaios Vater- haus sagt von sich (v. 425): ix phy £i<f<öyos noXvx*kxov sü/o^uat eZva*. Also, wie es der Natur und der Geschichte der Verhältnisse gemäss ist: Die Phönizier im allgemeinen waren und galten für Händler, aber nicht alle für Handwerker und Kunstverständige; der letztere Ruf haftete nur einem Teil der Phönizier, speciell den Sidoniern eigentümlich an. Es ist aber vielleicht nicht ganz überflüssig, zu erinnern nicht nur dass diese homerischen Erwähnungen, was bekannt ist, aus der Zeit der sidonischen Vorortschaft (also von 1600 1100 v. Chr.) 'stammen oder ein Nachklang daraus sind, sondern auch, was ich wenig oder nicht beachtet finde, dass ebenso wie in den unmisverständlichen biblischen

•) Ich habe bier vor allem die Namen *<nvixovqy <f>oiyixtj (= Karien and Jos), Gowixatoy, Gowixioy, 4>otytxig) 4>oivixuv im Auge.

••) Z 289 ff. f 743. cf 618. v 285 (i. e. Itdoyü} als Endziel der Handelsreise), o 425.

[S 321.] V 743 f. v 272. { 288. * 415; 419; 425 coli. 417. <f, 83 f. erwähnt *otWxi? und £t<toytoi rein als geographische Begriffe nebeneinander; ebenso steht y 291 4>tnyixri.

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Berichten*), so auch bei Homer „Sidonier" als Stammesbezeicbnung zu betrachten ist, welche die Alt-Tyrier mit einschloss. Nun aber ist beim Zusammen treffen eines naiven Volkes mit fremden Kaufleuten die erste Frage naturgemäss nicht: Wer hat Eure Waaren fabriziert?, sondern: Wer seid Ihr? Der Name Phönizier musste folglich den Griechen eher bekannt werden und näher liegen als „Sidonier".

Also die Etymologie von 4-oiyixeg ist für meine Untersuchung irre- levant Der Name selbst aber war den, Griechen früher als jede Phöni- zisebe Stammesbenennung, somit vor Abfassung der Ilias bekannt, ja, wir dürfen wol sagen, vor Niederlassung der Achaier, der ältesten im Peloponnes, welche etwa um das 14. Jahrhundert geschehen sein mochte (s Kouge in Rev. archeol. (1867) tom. XVI, p. 93) Nach dem Er- örterten ist (poivixi f f/ei n 6g) in den homerischen Gedichten einfach die „phönizische" Farbe, eine Lokalbezeichnung, wie deren im Handel zu allen Zeiten vorkommen, z. H. Mokka, Kaschmir u dgl. (Aehnlich Wolf ad J, 141; Lucas U. p. 211.) Nach einer andern Seite hat dieselbe ihr Analogon in der Phoinix als einem musikalischen Instrument, wovon Her. IV, 192 und Athen. XIV p. (537, b sprechen. Unwillkürlich werden wir an das „türkische Garn" erinnert, womit ebenfalls nicht der Stoff, sondern nur die Farbe qualifiziert zu werden pflegt. Diese phönizische Farbe" ist nun, ausser dem einmal in der Odyssee erwähnten Mennig, die einzige, welche in den homerischen Gedichten und das zweifellos deutlich, als Färbestoff, als künstliche, als aufge- tragene Farbe vorgeführt wird, wie auch Büchsenschütz (Hauptstätten des Gewerbefleisses S 83, 2) in kurzer Andeutung hervorgehoben hat Es ist ein roter Färbestoff in den Händen der Frauen von Karien undMäonien, welche Elfenbein damit färben oder, wie der Dichter noch es ausdrückt, „beflecken" ((foiyixi ptpvp J, 141) Das Beflecken ist ja die ursprünglichste Färberei. Wir sind darum nicht nur berechtigt, sondern genötigt, die gleiche Vorstellung von dem nämlichen Färbestoff vorauszusetzen, wenn der Dichter Z 219 einen „phönizisch glänzenden" Leibgurt dem Grossvater des Diomedes, H 305 dem Aias zuschreibt, dann einen „phönizisch glänzenden" Hombusch dem Troer Dolops (0 538*») beilegt, ferner einen derartigen Rindsledergurt am Ehebett

*) Ueber diese s. Movers, Phöniz. II, 1 S. 86 f.; 92 f.; man vgl. von den dort gesammelten Stellen bes. 1 Mos. 10, 15; 49, 13. Jos. 13, 4; 6 Eicht 3, 8. 1 Kön. 5, 6 vgl. mit 2 Samuel 5, 11 Wenn Movere * 0 S. 93 dieses richtige Verhältnis in dem Schol. v 285: Zitfoyitjy, tijV rijg Ii&iovog xajQttv, rrjv 4>oivixriy angedeutet findet, so mnsa ich sagen, dass ich damit vielmehr die nämliche falsche Gleichstellung von Itforlq und <f>oty(xrj in Homer hineingetragen sehe, wie ich die Noten bei Suid. und Hesych. Sidoviog' *o*Vt£ für homerische Mis Verständnisse halte.

**) Von Aristarch wegen des viov tpoivixi <paetv6y mit der Diple versehen.

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des Odysseus (tp 201) anbringen lässt und dies jedesmal durch <po(ytxi tpaeiyoy ausdrückt (an allen 4 Stellen am Verschluss, wie auch qpofrtxi pipyp)- Drei Mal, gleichfalls zu Ende der Verse (A 133; f 500 und <p 118) wird je eine ^A«»*'« q>otyix6eaocc vorgeführt, getragen von Nestor, von dem Aitolerführer Thoas und von Telemach. Nur in dem Gesänge von den Leichenspielen, welcher ganz oder doch grossenteils jüngeren Datums ist, findet sich cpoiv^ und yoiyaoeig als blosse Farbeerscheinung, jenes auch formell ein homerisches «n«S BlQufxivoy*) als Adjektivum zur Schilderung eines Pferdes (lP 454 : (Vnnov) öq to fthy aXXo xocoy qpotVtf tjy, iy dk fieTto7i(pXevx6y oijp' irdTvxTo), dieses zur Versinnbildung blutunterlaufener Striemen der Faustkämpfer (<P 717: ayntopytc «i'futrt cpoiytxoeaoai). Endlich an der ebenfalls jüngeren Stelle X 424 \f. 271 bietet das Heiwort ffotytxonaQpoi von den Schiffen im Zusammen- halt mit fjuXronaggot t, 125 eine Verwendung für Mennigrot.

Dies der homerische Sprachgebrauch in 8, beziehungsweise 12 Stellen. Was ist daran zu beobachten , und was lehrt er über das Wesen der phöniziscben Farbe? Und hiebei selbst wiederum haben wir wol aus- einander zu halten die Fragen: Was dachten die Griechen sich unter der „pbönizischen Farbe" und: Was erhielten sie thatsäcblich von den Händlern unter jener Etiquette? Denn nur darnach, wie sich ein Volk einen Begriff denkt, entwickelt sich dessen Sprachgebrauch, und lässt sich umgekehrt aus dem letzteren nur schliessen auf die Volksvorstellung von einer Sache. Mir fiel Viererlei auf: Diejenigen Stellen, welche, man msg über den oder die Verfasser der Gedichte denken was man will, als die ältesten unangezweifelt dastehen, enthalten die Bezeichnung tpoivixh nur jüngere Stellen die Adjektivform (poiyixoeooa , zweitens jene nämlichen ältesten Stellen und eine der Odyssee reden von gefärbtem Elfenbein, Leder und Ko'shaar, nur die Odyssee und K von gefärbter Cblaina; drittens wurde mit „pböniziscber Farbe" bereits ausserhalb Pböniziens von Karern und Lydiern gefärbt, wenigstens Elfenbein ; viertens alle diese Stellen in ihrem Zusammenhalt meinen einen bestimmten Färbestoff, welcher aus der einen Stelle J141 als rot erkennbar ist, und nur die zwei Stellen aus sowie die eine aus X verwenden den Ausdruck für eine Farbeerscheinung, die letzte speciell für die des Rötels. Dies kann nun aber die Grundbedeutung nicht sein; denn Mennig ist keine eigentümlich phönizische Farbe. Als solche kann auf Grund der biblischen Ueberlieferung, wovon später, nur Scharlach oder Purpur in Frage stehen. Von Scharlach versteht es das

•) Auch sonsther habe ich nur Simon C frg 17 (Bergk*): (*n ßaXp olvixaq ix ^eiguiy luaytag; Eur Hell. 181: <po(yixae ne'./Äovf, Uerc.

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geringwertige Schol. Villois. z. J 141 und Eust. ibid. (vol. 1, p. 456), dann Schmidt a 0. S. 100 f. und Büchsenschütz (Hauptstätten S. 84, 8), beide veranlasst durch die nur von der späteren Zeit geltende Glosse des Hesych. v. xo'xxof ov r6 opoiyixovy ßanrertu. Das Richtige wird sein: Das Wesen der „pbönizischen" Farbe kannten die althomerischen Griechen gar nicht; denn an der einzigen Stelle, wo er der „phöni- zischen" Färbung als Handlung gedenkt (./ 141), lässt der Dichter diese nicht durch phönizische und doch auch nicht durch griechische Hände vollziehen. Die einzig zutreffende Uebersetzung im Sinne Homers ist darum „phönizisch". Freilich dürften die homerischen Griechen, wie wir am Schluss sehen werden, in den meisten Fällen nur Scharlach von den schlauen Phöniziern eingetauscht haben, aber gehalten haben sie die „phönizische" Farbe, als sie darüber zu reflektieren anfingen, für Purpur. Gegen die Vorstellung von Scharlach in den damaligen Griechenköpfen tritt entschieden der ältere und der gesammte Sprachgebrauch auf, welcher, wie oben dargelegt ist, schon in den homerischen Gedichten das Wort zu der Vorstellung „rot" überhaupt verallgemeinerte. So einmal verallgemeinert hätte das Wort nicht bald nachher einen neuen Spezialbegriff , den von „Purpurrot'« an sich fixieren können, am allerwenigsten einen solchen, für welchen in der nämlichen Zeit ein anderer Spezialausdruck aufkam. Wenn also jenes diesen Begriff irgend einmal gehabt hat, wie aus der späteren Zeit leicht zu erweisen ist, so muss dies der ursprüngliche gewesen Bein.

Der naebbomerische Sprachgebrauch bestätigt zunächst die zu- vor erst spurweise beobachtete Verallgemeinerung und Verflachung des Begriffes. Lassen wir die ijV«a qoivixoevra Scut. Herc. 95 (von Thiersch verdächtigt), die <poiyixox(t6xu £wV« Find. Ol. VI» 39, die tpoivix6ß(t7iTu taS-tifuae. bei Aisch. Eum. 982 und den xi&üya <potvixeov des Persers Massistios bei Her. IX, 22 und viele andere Stellen, wo Purpur wahrscheinlich, aber nicht direkt erweishar ist, ausser Ansatz, so sehen wir das Gesagte an der zu tfoivixi gebildeten Femininform rpoivioat}-vjux«o't Sim. fr. 109, 2; (foiviaaa tpX6$ Pind. Pyth. I, 24, <foivioaa SQrtixitüv (tyeXa rcrvpw Pyth. IV, 205, dann an ( * Aq^s) uiuutt (füinxoe«; Scut. Herc. 194, an xoqv$uXX«s (f oivixeiuoyaq Kpicharm. bei Ath. IX p. 398, d, an tpoiytxoneStt (jr^w'trjQ) Pind. Ol. VI, 94, wozu Böckh nachzulesen, an (potyixooreQourjs Z$v( Ol. IX, t>, an dem </ <>trixür$i um- riQ Pyth. IV, 64, an den tpoiyixiots qoöois Jsthm. III, 37, den <poivixo- Qo(fot( Äc//iwVffffft frg. 95, 2, dann aus Aisch. ÜQofi. Xv6u. frg. b. Strab. I p. 33: (potvixoneSov r* eQvfr(>äs Uqov ysvfia ^uXtcaa/jg. Von Späteren sei nur noch erwähnt die bildliche Redensart Arist. Acharn 319 f.: ri tfet&6fi€<x9a litjy Xi&wv fit] ov xuxu^aivtiv roV Hv6qu tovtov ig (poiyi- xiöa (vgl. dazu Schol.); Aristot. Hist An. VIII, 3: (poiyixoCy Xoyov

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l/wv (aiy&aXog) und Polyb. XII, 2, 4: 6 <fi xaQrtog (xov Xuxov) av£ttv6fievoc ifh xtp f*ky YOtSfUtTt yiyyexai tfoivixovg. Uebereinstimmend damit bedeutet IqpojWffao* i. e. (foiyixjw, welches in den homerischen Gedichten ganz fehlt, später wo es sich findet, wie Her. VIII,, 77; Soph. Ai. 110; frg. 462, b, 2 nur allgemein: „rot färben".

Und dorh sind wir wieder genötigt, wenn Her. I, 98 von (powixitp el'fitcfi in gottesdienstlicher Verwendung bei den Aegyptern spricht, dies speziell von Purpur zu verstehen, noch mehr Xen. An. I, 2, 20 den Ausdruck rpoiyixtaxijg von den Persern, welche ganze Purpurkleider tragen durften, zumal wenn man Cyr. VII, 1, 2 xiT("°l <potyixotg von des Kyros Umgebung und VIII, 3, 3 vergleicht: ovdey (peid6tueyog ovts noQ<pvQt<fu)v ovxe oQtfvivtüv ovxe tfotvixititav ovxe xuQvxivtov luaxitjy (8. dazu Weiske), vollends sind von Purpur zu verstehen in dem Berichte des Chares bei Athen. XII p 538, d, welcher das Hochzeitsfest Ale- xanders des Grossen beschreibt, die Worte: xaxeaxevaaxo cf* 6 oJxog noXvxeXüig xui fieyaXongentSg luartotg re xai n&oviotg itoXvxeXioiy, vno de tavttt TioQtpvQois xai <poiyixoig' xQvaovtfiot. Und wem das alles nicht genügen sollte, der wird nimmermehr Aber die Worte des Ktesias (frg. 57 Müll, aus Phot. Bibl. und frg. 77 aus Ael. v. h. IV, 46 ) hinwegkommen. Leider muss ich mir des Umfanges wegen versagen, die wichtige Stelle im Wortlaut hieherzusetzen Ktesias spricht dort von dem indischen Baume, welcher die Cochenille- Schildlaus trägt; dafür hat es Delaval und Beckmann und Heeren genommen und nach ihnen Bäbr ad CteB. p. 323. Davon gebrauchte, wie aus den verschiedenen Exzerpten zweifellos hervorgebt, Ktesias die Ausdrücke ay$og (noQ<pvQovy) , ov noQtpr'Qtt oder nootpvQÜ Ifxuxia ßänxexai. Die Inder zerreiben nämlich jene Insekten xai ßaniovaty iuuxia tfQiyixii oder xdg cfoivixidug xui xovg vu cviuig /huj> ag, Ferner nennt Ktesias jene Tierchen iyv&Qa äaneg xtvydßugi, um einen anderen Passus: <poiyixovy iotiy, igv&Qoy nayv, nicht zu betonen, und nennt den daraus bereiteten Stoff, welcher selbst dem Perserkönig überreicht wurde, besser als den ein- heimischen persischen, ovdiy yrtoy xyg 'EXXrtyix!}g (noQtpvQug) und xwv (ctfoftiytay xvSy Zaqfutyixuiy o£vx£qu xai xyXavyeoxe\>a. So könnte die Ausdrucksweise von Ktesias nicht gewählt sein, wenn ihm nicht <fotvt- xovg als Purpurfarbe festgestanden hätte. Und so wurden alle die persischen Scharlachgewänder von den Griechen als Purpur aufgefasst und betrachtet. Wenn wir also hier jedes Verständnis für Verschieden- heit von Scharlachfarbe als solcher und von Purpur fehlen, vielmehr nooxfvou und tpotyixeog zur Bezeichnung des ersteren abwechselnd für einander eintreten sehen, wie kömmt es ferner, dass Aristoteles, wo er diese beiden Begriffe in der Farbenlehre als Gegensätze behandelt (8. nach- her im 3 Abschnitt), zur Bezeichnung des hellen Rot statt yoiyixeog nicht vielmehr geradezu xoxxtyog wählt, während doch sein Zeitgenosse, der

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Komiker Dromo bei Ath. VI p. 240, d mit den Worten iQvÖQoreQov xoxxov das Scharlachrote im Sprichwort kennt, gleichzeitig der Komiker Eubalos bei Ath. II p. 66, d den xCxxov Krtdiov hervorhebt, und Kalli- xenos Rhodios ib. V p. 196, b (im 3 Jahrb.) von einem ovQavioxy xoxxtvoßaq:Ei ncQiXsvxot spricht? Ks ist nur so erklärlich, dass qpotWxto; noch Dicht mit xoxxivos identisch galt Noch von einer andern als der oben geltend gemachten Seite her erbellt aus dieser Darstellung und Ausdrucksweise des scharf beobachtenden und distinguiert nden Philo- sophen, dass ffotvixoeis noch im 4. Jahrb. nicht schlechtweg gleich xoxxivoc war. Aristoteles konnte diesen Ausdruck gar nicht gebraueben wollen. Die Naturbeobachtung in dem beschriebenen Falle zeigt gar keine Scharlachfarbe, sondern eine mildere Nuance, wofür absichtlich tpoiytxoeis gewählt ist. Es ist also nicht nur an sieb wahrscheinlich, dass „phönizisch - rot" die den Phöniziern eigentümliche d. h. von ihnen zuerst auf dem ägäiscben Meere verbreitete Kunstfarbe, den Purpur in seiner roten Nuance bezeichnete; der Sprachgebrauch lehrt die Ent- wickelung des Begriffes qpoiVixi, tfotytxoeis vom Speziellen (Purpurrot) zum Allgemeinen (Rötliches i , worin noch tpoiyixeog rieh anschliesst, während für das zum Palmbaum gehörige nur tpoivixtios , und als Topikon im geographischen Sinne <t>oivixix6e, #oiWxtos, 4>otvixeios} 4>ot- vixijws in Gebrauch kamen. Endlich haben wir noch eine ganz besonders lehrreiche Bemerkung von Theophrastus, welcher Hist. plant. III, 16, 1 (ed. Schneid.) sagt: tptqei <fc (o jiquos) xai nagd ijjV fluXavov xoxxov riva cfniiixuCy. Die Worte: „eine Art pbönizisebroten oder Purpur - Scharlach4' sind eine direkte Spur, dass man anfieng, roten Purpur und Scharlach im Sprachgebrauch in Parallele zu setzen, noch später wurden wirklieb beide für identisch genommen (s W. A. Schmidt, Forschungen auf dem Gebiete des Altertbums I. S. 101 coli. Hes. s v. x6xxo{ <poLvixovv /pujjua und anderen) Die Vergleichung von „Phöni- zisch-Rot" und Scharlach, die Prüfung des ersteren auf Scharlach oder Purpursaft fiengeu die Griechen im täglichen Leben naturlich viel früher an. Um jetzt nur auf dem Boden der Sprache zu bleiben, haben wir dafür ein sehr hübsches Beispiel an Simon, fr. 54: tpotvixeov laxiov (des Thetens) vygt^ 7t«fvgtueyoy npuo's ay$ei . . . iQ&aXXov Wie man dieses Bruchstück auch übersetze , bestätigt es das oben Dargelegte. „Scharlachsegel" gibt eine unerträgliche Tautologie, ist also falsch „Purpurrotes" oder, was ich für das richtigere halte, „phönizischrotes Segel mit der Scbarluchblüte gefärbt" beweist aber nur: jenes, dass man im 5. Jabrh. Scharlach mit rotem Purpursaft identifizierte oder confundierte, dieses, dass man das „phönizisch Rote" nicht mehr leichtgläubig hinnahm und doch auch nicht ausschliesslich Scharlach darin sah.

(Fortsetzung folgt )

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Die schlechte Aussprache des Deutschen und die nacht heilige Wirkung derselben auf den fremdsprachlichen Unterricht. Mit wahrer Freude ist es zu begrüssen , dass nun endlich einmal

die technischen Anstalten so weit gekommen sind, ein Organ zu besitzen,

in welchem wir das Interesse unserer Schulen , die an Lehrer und Schüler gestellten Anforderungen, die Vor- und Nachtheile der einen oder der anderen Metbode, überhaupt das noch Wünschenswerte besprechen, und das ßewährte gegenseitig austauschen können. Wollte man dies früher thun, so musste man sich entweder an ein im engeren Vaterlande erscheinendes politisches Blatt wenden, was nicht immer rath- sam ist, da gewisse Dinge nicht für das grosse Publikum passen ; oder man musste seine Zuflucht zu einer, in einem anderen Theile Deutschlands herausgegebenen pädagogischen Zeitschrift uehmen. Im letzteren Falle war anzunehmen, dass der Leserkreis in Bayern nur ein beschränkter sei, dass unsere inneren Angelegenheiten den Betheiligten nicht zur Eenntniss kommen, mithin der Zweck ein verfehlter seiu würde.

Auch ist es uns allen, die wir an technischen Anstalten thätig sind, gewiss erwünscht, eingehendere Nachrichten von unseren Schwester- anstalten, den Gymnasien und Lateinschulen, von den dort gepflogenen wissenschaftlichen Bestrebungen und Forschungen zu vernehmen und Nutzen daraus zu ziehen, so wie dann mancher Kollege jener Anstalten bei uns einen Gegenstand finden wird, den er seiner Beachtung für würdig hält

Wenn ich am Eingange der an Lehrer und Schüler gestellten Anforderungen Erwähnung gethan, so hatte ich allerdings die zuweilen etwas „hochgestellten" Anforderungen im Auge; jedoch soll in dieser, von mir aufgestellten Behauptung, die allseits getbeilt wird, wie sie denn auch schon zum Gesammtausdruck geworden ist, durchaus nichts Gehässiges liegen. Lesen wir ja auch von Reformvorschlägen für Gym- nasien und Realschulen von vielen norddeutschen Schulmännern in Folge der Verbandlungen, die im preussischen Unterrichtsministerium über die Reorganisation der Mittelschulen gepflogen wurden. Dass überall, gleichviel in welcher Branche, Verbesserungen vorgenommen werden können und müssen, da wir es nur annähernd zur Vollkommen- heit bringen, ist eine anerkannte Wahrheit; dass durch öftere Besprech- ungen und Vorschläge gar Manches geklärt und Verbesserungen wesentlich gefördert werden, bedarf keiner näheren Beweisführung.

Nach diesen digressiones , die dem Rev. Lawrence Sterne, M. A. gemäss, „unbestreitbar der Sonnenschein, das Leben, die Seele des Lesens sind," komme ich zur Sache. Neben meinen Leidensgefährten, den Lehrern der neueren Sprachen, ziehe ich die Realienlehrer noch in Mitleidenschaft : je grösser das Kontigent, desto leichter die' Kriegs- führung, unter der Bedingung natürlich, dass dasselbe gut einexerziert

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ist. Vorausschicken muss ich noch, dass die Aussprache des Franzö- sischen in der Pfalz, nach früheren Aeusserungen zu scbliessen, von den Herren im jenseitigen Bayern für excellent gehalten wird. Ganz falsche Ansicht! Zur kleinen Genugthuung für unsere Pfälzer kann ich eben so wenig verschweigen, dass man seiner Zeit hier eine Gesellschaft Herren mit dem Beinamen „Mitglieder des französischen Casinos" bezeichnete Erstaunt, neu- und wissbegierig zu gleicher Zeit, etwas derartiges in Speyer zu finden, besuchte ich das öffentliche Lokal, in welchem die Gesellschaft ihre Niederlassung hatte, um, wenn thunlich, mich als Mitglied aufnehmen zu lassen. Eitel Täuschung! Ks waren Herren, die den vollklingenden, alt -bayerischen Dialekt ausgeprägt sprachen.

Nun könnte wol der in Sterne's Tristram Shandy bewanderte Leser, dem Lessing, Götheetc. hohe Anerkennung gezollt haben (Tristram natürlich nicht, auch dem Leser nicht, sondern Sterne), denken, es bestehe der ganze Artikel nur aus digressiones , ohne welche er sonst nichts wäre, wie die Geschichte von Tristram, die in der That nicht zu Ende geführt ist: dagegen müsste ich mich feierlich verwahren, da ich jetzt wirklich „ad rem1'- komme, und zwar mit dem Wunsche, der Leser möge ein wenig „moelle", wenn nicht scienttfique , so doch „pratique" herausfinden, wie Rabelais, der lustige Pfarrer von Meudon, seligen Angedenkens, ähnlich sagt.

Die meisten Fehler werden bei der Aussprache der Vokale gemacht. Bei sehr vielen Leuten ist das Aussprachegefübl, wenn ich mich so ausdrücken darf, ausserordentlich schlecht ausgebildet. Das findet sich nicht nur in den unteren Schichten der Bevölkerung bewährt, wo es einiger massen zu entschuldigen wäre, sondern auch in den Klassen der Gesellschaft, die eine gediegenere Schulbildung genossen, bei vielen Lehrern sogar. Bei den letztern ist durchaus kein Ent- schuldigungsgrund geltend zu machen. Wenn wir uns nicht Mühe geben, uns einer reinen Aussprache zu befleissigen , wer soll es denn eigentlich thun? Viele Leute sind geneigt, eine gute, reine Aus- sprache geradezu für affektirt zu erklären. So wird der Süddeutsche oft den Norddeutschen der Ziererei schuldigen, der st, sp, etc. am An- fange eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht. Welches das richtigere ist, bleibt immerhin eine noch zu lösende Frage, obgleich einige Grammatiker, Heyse unter andern, sich für einen leisen Anflug von sch vor t und p entscheiden. Nun frage ich ganz einfach, was ist denn der Gegensatz von einem leichten Anfluge von sch? Etwa wie das französische j? Das letztere bringen die meisten Deutschen vor Vokalen kaum richtig heraus, geschweige denn vor t oder p; es ist in der That ganz unvereinbar. Wenn wir z. B. im Plattdeutschen anstatt waschen (mit dem Zischlaute) was-chen (ch k) aussprechen hören, so müssen wir nicht vergessen, dass es im Altdeutschen toascan, im Altsächsischen

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toaskan hiess, und dass sich diese Aussprache im Volksmunde fort- gepflanzt hat

Ich komme auf die Vokale zurück. Wenn manche Leute kaum einen hörbaren Unterschied zwischen a und o machen, (quod guidem quäle sit, etiam in multis discipulis animadverti potest t , und dann einen Laut mit dem andern verwechseln, so ist es wahrlich nicht zu erstaunen , dass es den Meisten wie ein böhmisches Dorf vorkommt, wenn ich behaupte, dass der Vokal a schon an und für sich zwei Laute hat, eine Behauptung, die nicht vereinzelt dasteht. „Jakobi und später auch R. v. Baumer (Ges. sprachw. Sehr. p. 165) machen darauf aufmerksam, dass bei den langen Vokalen häufig nicht blos die Quantität, sondern auch die Qualität des Vokals eine andere sei, als bei den entsprechenden Kürzen. Das a in Vater sei nicht blos ein längeres, sondern aueb ein lautlich anderes als in Gevatter.'* (Das natürliche System der Sprachlaute von Dr. H. B. Rumpelt.) Ebeuso verhält es sich in Schwan und Satz; so wie sich denn derartige Beispiele noch gar manche anführen Hessen. Das erste ist das tiefe, das zweite das hohe a. Dasselbe ist im Französischen noch ausge- prägter der Fall. Keinem, nur einigermassen gebildeten Franzosen wird es einfallen, das a in vase, base, hasse f las, ohne der a mit accent circonflexe zu gedenken (päte, äme, male, äne), so auszusprechen wie in glacet datte, ami, lärme. Um diesen Unterschied den Schülern bei- zubringen, muss man sich unsägliche Mühe geben, selbst wenn sie nur in wenig Fällen mit Erfolg gekrönt ist. -- In den französischen Nasen- lauten klingt der a-laut etwas tiefer als in dem Deutschen. -

Das deutsche e bat wenigstens zwei verschiedene Laute, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass „ehe, wehe, stehen, Schnee, Thee, kennen" etc anders ausgesprochen werden als „er, der, Lerche, Erbe, wessen" etc. Das französische £ (mit accent aigit) , die Endungen er, es und ed, sowie die Präfixen ef, es, ex haben wol alle den geschlossenen c-Laut. In den Wörtern aller, allies , pied, the, de" klingt das franzö- sische e wie in kennen, ehe. Was die Wörter anbelangt, die mit ef, es, ex etc. anfangen, gibt freilich Prof. Sachs in seiner Aussprache- bezeichnung einen etwas offeneren e- Laut für diese Präfixen an, während Prof. Mätzner den des i (mit accent aigu) annimmt. Soviel ich mich jedoch erinnere, habe ich während meines Aufenthaltes in Paris - die französische Schweiz oder Belgien kann ich nicht wol als massgebend anerkennen eine Nuance nicht unterscheiden können. Ich glaube demnach auch annehmen zu dürfen, dass es nicht falsch ist in effarer , essai, exaucer etc. ef, es und ex mit demselben Laute auszu- sprechen wie in den angeführten Endsilben. Das e in er, wer ent- spricht im grossen Ganzen dem französischen offenen e (ohne accent grave) mit darauf folgendem, zu derselben Silbe gehörigen Konsonant.

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Dieses e wird demgemäss in beffroi, bec, blessure, netteti etc. denselben Ton haben wie in den Wörtern wer, er Das französische e am Ende einsilbiger Wörter wie in le, me, te, se, que ist keinem deutschen Laute analog.

Von dem deutschen t kann angenommen werden , dass es durch das Hinzutreten von verschiedenen vokalischcn und konsonantischen Lauten in seiner Aussprache keine Aenderung erleidet. Zwar glauben auch hier Jakobi und R. von Räumer, dass ein lautlich qualitativer Unterschied zwischen dem t in binnen und Bienen bestehe; meiner Ansicht nach ist die scharfe Distinktion nicht nöthig, was auch von dem französischen t geltend gemacht werden kann.

Von dem Vokale o lässt sich vielleicht ein kleiner, lautlich quali- tativer Lautunterschied aufstellen , jedoch soll derselbe nicht mit den Haaren herbeigezogen werden. Hat das o in Wohnung, loben, wollen denselben Laut wie in morgen, Sorgen, offen? Immerhin gehört ein feines Sprachgefühl dazu, um einen nur merklichen Unter- schied hervortreten zu lassen. Was das Französische anbelangt, so ist der Unterschied etwas merklicher: Das lange, geschlossene o in doser, gros, mot klingt etwas anders als das sonore o in. corps, 8 ort, mot.

Das deutsche u hat keine zwei verschiedene Laute , ebenso wenig das franzosische ou, das demselben entspricht.

Nun zu den Umlauten. Das deutsche ä wird in den einzelnen Theilen der Pfalz „abscheulich" ausgesprochen, ganz plärrend, während in andern Strichen die Leute kaum im Stande sind , es von e zu unterscheiden. Einen zweifachen Laut hat ä ganz gewiss: in plärren, Närrin, ist der offene ä-Laut deutlich zn erkennen; in Läden, Mädchen, Gläschen, der halboffene. Im Französischen bestehen auch die beiden Laute, die auf verschiedene Weise entstehen: entweder durch e mit darauf folgendem, zu derselben Silbe gehörenden Konsonant, durch e mit accent grave und circonflexe, oder durch ai, aiey ay, aye, ey, (ai auch theils wie t mit accent aigu) Das offene e wird dem deutschen ä ziemlich analog in personne, verger, acces, peche, faire, eile, palette, verre gesprochen; das halboffene wie in peine, baieine, etc. Die entsprechenden französischen Nasenlaute sind schärfer, halten desswegen keinen Vergleich aus.

Das deutsche ö hat zwei verschiedene Laute: öde, tödten, klingen anders als Oerter, Förster, Mörder, Rösslein, öffnen. Das erste ist das geschlossene, das zweite das offene ö. In meunier, vcut, peut finden wir das geschlossene ö repräsentirt; in moeurs, fleur, pleure das offene.

Der Umlaut n hat im Französischen denselben Laut wie im Deutschen.

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Ich gehe nun zu den einzelnen Lautverwechselungen des Schülers bei der Aussprache der Vokale über; nur diejenigen Lautverwechsel- ungen, die in den beiden Sprachen analog gemacht werden , werde ich berühren und Beispiele anführen.

I. Verwechselung von e und ä.

Wie bei der Aussprache folgender deutschen Wörter oft schlecht unterschieden wird zwischen * und d in gebe, gäbe; bete, bäte; sehe, sähve; redlich, räthlich; Beeren, Bären; Ehre, Aehre; Meere, Mähre; Rheder, Räder; Seele, Säle, so werden vor allen Dingen von den Schülern die Verbalendungen im Französischen ganz schrecklich verwechselt, dass einem manchmal die Galle dabei überläuft. Die Endungen er, es, e werden wie die Endungen ais, ait, aient gesprochen und umgekehrt. Das e mit accent grave und circonflexe wie e mit aigu; die Substantiv- und Adjekiv- Endungen eile , enne, erre, esse, ette wie e mit accent aigu gesprochen. In Folge dessen werden verwechselt : fallumai mit j'allumais ; parli mit parlais ; je serai, je serais-, ße, faxt; m&t, mais\ de (digitus), dais (vom deutsch. Dach); hi, haie; ite", itait; piche (peccatum), pechi (piscatum); pe (Anhaltestein), paix ; mailler (macula), maillet (malleus).

II. Verwechselung von e und ö.

Deutsch: beschweren, beschwören; flehe, flöhe; hehre, höre; Lehne, Löhne; lesen, lösen; Sehne, Söhne. Französisch : ble, bleu; de, deux; fee, feu; Uez, Heu; tief, neuf; nez, noeud; seiet, cieux; pet, peu. (Die Verwechselung der beiden letzten Wörter ist wenig ästhetisch und wird, sollte sie in einer Töchterschule vorkommen, eine allgemeine Entrüstung hervorrufen).

III. Verwechselung von * und ü.

Deutsch: Biene, Bühne; ßiebel, Bübel (Bübchen); Kiefer, Küfer; Kissen, küssen; liegen, lügen; missen, müssen; riechen, rügen; viele, fühle. Französisch: cri, cru (credere)', giron (vom deutsch, ger), juron (jurare); lit, lue (Hefe), Zu; mit (mied), mue (mutare); ni (nee), nu (nudus); pie (pico), pu\ scie (secare), «u; qui, cul.

Nun blieben noch einige Konsonanten zu erwähnen, die in beiden Sprachen gleich schlecht ausgesprochen werden; es sind dies b und p, d und t, s in seinen verschiedenen Nuancen und g und k (frz. c).

Die Erfahrung, dass b sehr häufig wie p gesprochen wird, auch zuweilen umgekehrt, machen wir alle Tage; ebenso verhält es sich mit d und t, und ähnlich mit g und k (c). i'ann kommt noch das Widerliche mit der p- und t- Aussprache hinzu, dass, wenn die jungen Leute den einen oder den andern Laut im Französischen gut aus- sprechen wollen, man immer einen Holzhacker zu hören glaubt, der

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sich anschickt , ein knorriges Stück Holz mit Wucht zu spalten. Vor den flüssigen Lauten ist p und t am schwierigsten auszusprechen. „In Norddeutschland finden wir diese Verwechselung nicht; in Mittel« deutshiand (Sachsen, Thüringen, Franken) verschmelzen beide zu einem Mittelpunkte.44 (Dr. Rumpelt, d. natürliche System etc p. 55) Aus eigener Erfahrung kann ich dieser Aufstellung vollkommen beistimmen. Wörter, welche mit b und p anfangen und gleichklingend sind, wird es nur wenige im Deutschen geben, während das Französische mehr aufzuweisen hat.

I Verwechselung von b und p.

Es fallen mir von b und p nur die Verwechselungen zwischen babbeln und Pappeln, Briefe uud prüfe ein; dagegen stehen mir im Französischen mehr zu Gebote, die ich anführe: balai, palais ; bain, pain; battt (battre), patte; beau, peau; belle, pelle (pala); biere, pierre; beurre, peur; blanche , planche ; boeufs, peu; bon, pont; bu, pu etc.

Einige Sätze, in welchen die Verwechselungen noch augenschein- licher hervortreten, lasse ich folgen: j*ai achete un balai (palais); tu as pris un bain (pain); il a bu un peu ipet) de biere (pierre) etc.

II. Verwechselung von d und t.

Im Deutschen erinnere ich als gleichklingend an Dose, tose, Daal (Seeroannsausdruck) und Thal. Französisch: da, in oui-da! und tas; dard, tard; dam er , tancer {tentu;,; de, the; dalle, thalle (Lagerstamm der Flechten); dent, tant; don, ton; d'oü, Thou (president de); dos, tot; droit, trois.

III. Verwechselung von g und k, französisch c.

Wenn ich behaupte, dass g in Grieche, Greise und Gnade beinahe gerade so gesprochen wird wie k in Kriege, Kreise und Knabe, wird es schwierig sein, das Gegentheil, zwar zu behaupten, aber nicht zu beweisen. Der Unterschied dieser zwei Laute wird erst dann merklich werden, wenn der Aussprechende darauf aufmerksam gemacht worden ist, und sich einige Male in der Aussprache der beiden Wörter geübt hat (ohne einige Versuche ä la Holzhacker wird es für manchen Schüler kaum gehen); leichter wird es mit der Aussprache von „im Lande Gosen kosen sie," sein. Aus dem Französischen führe ich einige Wörter an, die leicht in der Aussprache verwechselt werden : gage, cage; gland, clan (schottisches Wort); glose, („schwer zu er- klärendes Wort"), close; gout, coup ; grager (mit dem Maniok -Reib- Eisen zerreiben), cracher; grain, crin [crinis); gris, cri (quiritare); grosse, crasse (beide von crassus); ongle, oncle. Einige Sätze zur Illustration: II a deux oncles (ongles) qui <mt toujours mal ä la tete.

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II Im a dontU un bon coup (goöt) de bäton. Vagriculteur shme le grain (crin). Cette annee il y avait beaucoup de glands (dam) dans la foret. Que cette femme est grosse (crasse)!

Zum leidigen * als Schluss ! Sehr lehrreich ist, was Dr. Rumpelt über den s- Laut 3agt, jedoch kann ich hier nicht Alles anführen, da sonst mein Gegenstand noch einige weitere Seiten in Anspruch nehmen würde, uud ich befürchte, dass der Andrang der Schreibenden ein grosser sein wird. Beiläufig empfehle ich allen Kollegen den Artikel über 8 (p. 69) nachzulesen. Ueberhaupt bietet das Buch, das in Halle, im Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses erschienen ist, für Linguisten vieles, sehr schätzenswertbes und die Sprach - Wissenschaft wesentlich förderndes Material.

Dr. Kumpelt: „Hinsichtlich dieser jetzt üblichen Aussprache des Buchstabens s in Deutschland sei Folgendes bemerkt: Anlautend wird derselbe vor Vokalen in ganz Norddeutschland als f gesprochen (d. h. weich, oder milde), also fand, ßlber, fonne, ßn (filius), fauer, fer (valde)) ebenso in Holland, nur dass hier der Laut auch graphisch fixirt wurde: zand, zilver, zon. In ganz Süddeutschland dagegen gilt s, also wie bei den Engländern und den romanischen Völkern, so dass die obigen Beispiele: sand, silber {s = scharfes s) lauten. Was den Inlaut betrifft, so gilt hier vor Vokalen in Norddeutschland durchweg der milde Laut^), alsoi2o/e, leife, Haifa in Süddeutschland gilt vielfach hier auch der harte Laut, doch vermag ich dabei keine landschaftliche Grenze anzugeben1; in manchen Tbeilen Mitteldeutschlands tritt ein schwan- kender Laut ein. Vor Konsonanten (p, t) wird inlautend im ganzen Norden und auch im Südosten reines s gesprochen, also Last, Fest, ist, Kost.11

Nach meiner Erfahrung ist die Aussprache des s am Anfange der Wörter vor Vokalen hier zu Lande und noch weiter südlich sehr schwankend: bald hört man den scharfen, bald den milden Laut; manchmal ein widerliches Zischen. Bei der Aussprache des Französischen wird der Unterschied am merklichsten; nur sehr wenig Schüler sind im Staude scharfes * am Anfange eines Wortes vor Vokalen richtig auszusprechen, wodurch dann oft sehr ungereimte Begriffsverbindungen entstehen. Ganz besonders ist dies bei der Bindung der Wörter der Fall. Nous avons, nous savons; vous avez , vous savez; ils ont, ils sont; les arts, les Czars (cz s habe ich in Frankreich t heil weise aussprechen hören); les o, les eaux, les sots\ les Honneurs, les son- neurs; les o», les sauces; les ondes, les sondes; les ours, les sources; baiser, baisser ; poison, poisson.

Auf die sonstigen Fehler, die bei der Aussprache des Französischen noch gemacht werden, gehe ich nicht näher ein, da das Deutsche keine Ana- logie mehr bietet; was das Englische anbelangt, so hielt ich es für zweck- mässiger, mit demselben und dem Deutschen keinen Vergleich anzustellen.

Blätter L d. b*yar. QymiMuialw. X. Jahrg. 5

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Nachdem ich nun auf die Hauptfehler bei der Aussprache des Deutschen aufmerksam gemacht, und die sich daraus nothwendiger Weise ergebenden Konsequenzen für den fremdsprachlichen Unterricht nachgewiesen habe, gehe ich auf den Ursprung des Uebels zurück, das in der Elementarschule seinen Sitz bat. Sie ist es, welche die Grundlage zur richtigen Aussprache legen muss: dass dies jetzt noch in geringem Massstabe geschieht, wird uns durch unsere Schüler am deutlichsten bewiesen. So lange in der Elementarschule nicht mit aller Macht der schlechten Aussprache des Deutschen entgegengetreten wird, haben wir eine sehr schwierige Aufgabe; doch kann dem Uebel einigermassen dadurch gesteuert werden, dass alle Kollegen an unsern Anstalten, vor allem aber die Realicnlebrer, ihr Scherflein zur Hebung einer erträglichen Aussprache im Deutschen beitragen, damit unsere jungen Leute, in der Schule wenigstens, anderwärts mögen sie reden wie ihnen der 8chnabel gewachsen ist, es dahin bringen, ein lautlich reines Deutsch, wenn auch oft in unbeholfener Satzverbindung, sprechen. Dass dann der Unterricht in den fremden Sprachen gefördert, uns manche Stunde, die wir auf fortwährendes Korrijiren der vitiösen Aus- sprache verwenden mQssen , erspart wird dass in Folge dessen die gewonnene Zeit, die wir so nötlüg haben, da unser Pensum, wie alle andern, ein sehr grosses ist, besser verwerthet werden kann, brauche ich kaum zu erwähnen. Schliessslich arbeiten wir ja doch nur für das bessere Gedeihen unserer Schulen, wenn wir, Einer dem Andern, so viel als möglich in die Hand arbeiten.

Speyer. Dr. Dreser.

Zum Foueaulfschen Pendelversuche.

Unter diesem Titel bringt Herr Collega Dr. Bielmayr in dem 8. und 9. Hefte des 10. Bandes unserer Vereins - Blätter eineu Artikel, in welchem behauptet und nachgewiesen wird, dass die in mehreren Lehrbüchern aufgenommene elementare Ableitung des Ablenkungs- winkels des Foucault'schen Pendels als auf unrichtigen Voraussetzungen beruhend nicht den berechtigten Anforderungen entspräche, und gelangt zu dem Urtheile, dass der elementare Beweis für die betreffende Formel aus dem Unterrichte auszuschliessen sei- So gerne ich mich damit einverstanden erkläre, dass überhaupt jeder unklare Beweis und jede unhaltbare Theorie vom Unterrichte ferne gehalten werden solle, so halte ich es in dem gegebenen Falle dennoch nicht für geboten, dass das von Dr. B. gefällte Urtheil vollzogen werde, und ich befreunde mich um so weniger mit dem Vollzuge, als ich vielmehr die Ueber- zeugung trage, dass dann auch noch eine Reihe anderer Beweise und Darstellungen, die wir in dem elementaren Unterrichte der Mathematik und Physik nicht gerne vermissen würden, dasselbe Urtheil treffen müsse. Ich erinnere in dieser Beziehung nur an die elementare Com-

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planation und Cnbatur der Kagel, an die Fall und Wurfgesetze, an die elementare Entwicklung der Schwingungsdauer des mathematischen Pendels u a. Es lassen sich allerdings diese Aufgaben nicht in jeder Beziehung mit dem Foucault'schen Pendelversuche vergleichen , aber sie stimmen doch in dem einen Punkte damit überein, dass wir uns bei denselben Voraussetzungen erlauben, die in der Wirklichkeit nicht bestehen, so dass wir gegenüber den Ergebnissen der elementaren Ableitungen kaum den Verdacht des Mangels an Genauigkeit und mathematischer Strenge unterdrücken könnten , wenn uns nicht für die bezügliche Richtigkeit derselben die höhere Mathematik die evidentesten Beweise liefern würde.

Und nun zur Sache- Ich möchte in dem Folgenden gegenüber dem Urtheile des Hrn. Dr. B. darlegen, dass die elementare Ableitung der Gleichung /* = «nintp für das F. P. sich in demselben Grade evident und streng führen lasse als diejenige bei den oben bezeichneten Aufgaben, und bemerke vor allem nur, dass ich den jenseits beanstandeten Paralle- lismus der Schwingungsebenen ebenfalls als gänzlich fehlerhaft verwerfe.

Gesetzt, es werde das Pendel aus der Ruhe -Lage gebracht, und zwar so, dass die erste Schwingung die Richtung xy annimmt, so wird, wenn der Aufhängepunkt während der ersten Schwingung von a nach b bewegt wird, das Pendel resp die horizontale Tangente der Gegen- schwingung die Richtung yz anneh.uen, und während der folgenden Schwingung, indem der Aufhängepunkt von b nach c vorrückt, die Richtung zu u. s. f., wobei vorausgesetzt wird, dass aom einen Theil der auf die Horizontalebene von a abgewickelten Kegelfläche vorstellt, welche die Verbindungslinie ao zwischen dem Aufhängepunkte a und dem Durchschnitte des Horizontes mit der verlängerten Erdaxe während einer vollständigen Umdrehung beschreibt Die Schwingungsrichtungen des Pendels lassen sich also durch die Zickzacklinie xyzu .... dar-

die Geraden xy und zu. Hiernach gestaltet sich die elementare Ableitung der Gleichung für das F. P. etwa in der folgenden Fassung. Es seien ay || cu die

stellen , deren Schwer- linien als senkrechte Gerade zur Ebene der abgewickelten Kegel- fläche parallel sein müssen. Hieraus folgt, dass je zwei Schwing- ungs - Richtungen nach Ausschluss der Gegen- schwingun ebenfalls pa- rallel sind, in der Figur

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Richtungen der Tangenten zu zwei aufeinander folgenden Pendel- schwingungen; dann gibt offenbar die Differenz der Winkel

ocu oay aoc ß. die in der Ebene aom nachweisbare Ablenkung der Schwingungsrichtung. Man erhält also durch Multiplikation mit der Anzahl der während einer vollkommenen Umdrehung des AulhängepunkteR stattfindenden Pendel- Schwingungen einerseits als Summe aller Bogen ac den abgewickelten Parallelkreis, anderseits als Gesammtablenkung den Winkel der abge- wickelten Kegelfläche. Bezeichnen wir den Halbmesser des Parallel- kreises mit q und die übrigen Grössen mit Rücksicht auf die Figur, so ergibt sich der Ablenkungs - Winkel des Pendels bei Annahme einer 24 stti ml igen Beobacbtungszeit aus der Gleichung:

ß _ 2 p 71 Q

Gleichung ß = 360° sin <p folgt Nach dieser Ableitung erweist sich die Azimutbewegung des Foucault'schen Pendels als eine Summe von kleinen Ablenkungen, die nicht etwa annäherungsweise, sondern voll- kommen genau den Winkel der mehrfach erwähnten Kegelfläche bildet.

Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses, mittelbar also auch für die Zolässigkeit des bei der Ableitung angewandten Verfahrens sprechen merkwürdiger Weise auch die von Dr. B. erkannten aber nicht gelösten Widersprüche zwischen dem von Hullmann ebenfalls ausgesprochenen Satze bezüglich der Azimutgeschwindigkeit des F. P. und den Folger- ungen aus der von demselben angegebenen Gleichung

sin rt sin q>

sin ß

^Xl *in* 2 <p sin ~

von welcher mir Hr. Rector Dr. Fricdleir. seine einfache Ableitung gütigU mitgetbeilt hat. Schon bei oberflächlicher Discussion erweist sich diese Gleichung als unbrauchbar, wenn man « == 180° setzt. Dies gilt ohne Ausnahme für alle Orte zwischen Pol und Aequator, und nur ausnahmsweise, ich möchte sagen, zufällig, nicht für den Pol selbst. Zudem ist es klar, dass die Gleichung, wenn man darin nach und nach a = 90°, 60° und 30° setzt, bei beispielsweise gleichbleibendem <p = 30° verschiedene Ablenkungsgeschwindigkeiten geben muss, Geschwindig- keiten, die sich jener aus der Gleichung ß « sin y um so mehr nähern, je kleiner « genommen wird. Unter obiger Voraussetzung berechnet sich z. B. die 9tündliche Ablenkung bei a 90° auf ß = 32'

« = 6(1° /J=6°46' « = 30« ß-V 17,' während sich aus der einfachen Formel der Grenzwerth von 301 berechnet. Es zeigt sich also, dass die Formel für sin ß bei unver- änderlichem;©; verschiedene Ablenkungs - Geschwindigkeiten gibt, je nach-

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dem der Versuch auf kürzere oder längere Zeit ausgedehnt wird, was doch gewiss als absurd erscheint; zugleich aber auch, dass die Grenze der constanten Ablenkungsgeschwindigkeit uur unter der Bedingung aus der Formel hervorgeht, dass der Winkel a verschwindend klein genom- men wird. Ist dieses nicht der Fall, so erkennen wir zunächst aus der Rechnung, dass sich der aus der Gleichung für sin ß ergebende Winkel dem ebenen Winkel aoc nähert (ac als Sehne des Parallelkreis- bogens genommen), und erst bei unendlicher Verkleinerung des Parallel- kreisbogens ac dem Kegelflächenelemente über demselben Damit dürften sich denn auch die von Dr. B. angedeuteten Widersprüche gelöst haben, und es rechtfertigt sich die Vermuthung, dass die von Hullmann ausgeführte mir zur Stunde nicht bekannte Ableitung der Formel für «in ß, der die Bewegung des Aufbängepunktes des Pendels in 2 zu einander normale Drehungen zerlegt, an die Bedingung geknüpft ist, dass der Ablenkungswinkel des Pendels dadurch entsteht, dass der Aufhängepunkt in der Sehne und nicht in dem Bogen 06 sich bewegt.

Es erübrigt mir noch einigen Bedenken vorzubauen, zu welchen meine Ableitung der einfachen Formel Anlass geben könnte, und die in Dr. B.'s Artikel zum Theil bereits ausgesprochen sind. Die Ableituug wurde vorgenommen unter der Voraussetzung der vollkommenen Kugel- gestalt der Erde und der Unveränderlichkeit der Rotationsgeschwindig- keit des in verschiedeuen Breiten schwingenden Pendels. Nachdem Dr. B. nichts gegen die erste Voraussetzung einzuwenden scheint, so erlaube ich mir nur die Zulässigkeit der zweiten Annahme besonders zu betonen. Zunächst wird man annehmen dürfen, dass die Differenzen der Rotationsgeschwindigkeiten des Pendels verschwindend klein sind, weil man das Pendel so kurz annehmen kann, dass der während der Schwingung durchlaufene Bogen ac beliebig klein ausfällt; denn die bei dem Foucault'schen Versuche aussergewöhnliche Pendellänge bleibt hier ausser Betracht, weil diese Länge nicht durch die Theorie bean- sprucht wird, sondern nur wegen des praktischen Vortheiles, die unver- meidlichen Widerstände bei den Schwingungen möglichst zu beseiügen. Abgesehen davon wird man jene Differenzen vorzugsweise da in Betracht zu ziehen haben, wo deren Einfluss auf die Richtung des schwingenden Pendels am bedeutendsten ist. Dieses ist aber unstreitig am Pole der Fall und zwar in der Art, dass, wie Dr. B. ganz richtig anführt, jene Aenderungen bei hinreichender Länge des Pendels zuerst elliptische und später sogar kreisförmige Centrifugalschwingungen erzeugen würden. Da wir, um eine derartige Abweichung hervorzubringen, nicht mit dem Meter, sondern nach Mondfernen zu messen hätten, so scheint Dr. B. geneigt, auch von dieser Abweichung am Pole Umgang nehmen zu wollen. Aber, warum soll man denn von derselben nicht auch Umgang nehmen, wenn es sich um Orte handelt, die zwischen Pol und Aequator

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ocu oay aoc =: ß. die in der Ebene aom nachweisbare Ablenkung der Schwingungsrid Man erhält also durch Multiplikation mit der Anzahl der wahrend vollkommenen Umdrehung des Authäogepunktes stattfindenden l»i Schwingungen einerseits als Summe aller Bogen ac den abgewic Parallelkreis, anderseits als Gesammtablenkung den Winkel der wickelten Kegelflache. Bezeichnen wir den Halbmesser des Pa kreises mit g und die übrigen Grössen mit Rücksicht auf die so ergibt sich der Ablenkungs - Winkel des Pendels bei Annahme 24stündigen Beobachtungszeit aus der Gleichung: ß 2 q n q

360 ~~ 2~ao n ~ ^ = 8in woraua die Gleichung ß - 360° sin <p folgt Nach dieser Ableitung erweis die Azimutbewegung des Foucault'schen Pendels als eine Summ kleinen Ablenkungen, die nicht etwa annäherungsweise, sondern kommen genau den Winkel der mehrfach erwähnten Kegelfläche Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses, mittelbar alBo auch I Zulässigkeit des bei der Ableitung angewandten Verfahrens ipi merkwürdigerweise auch die von Dr. B. erkannten aber nicht p Widersprüche zwischen dem von Hullmann ebenfalls auagespr batze bezüglich der Azimutgeschwindigkeit des P, P. und de., ungen aus der von demselben angegebenen Gleichung sin ß **n a *»'» <P

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en Schulen und Kreise ist aus der n zu ersehen.

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liegen, da dort deren Grösse und Einfluss doch mehr and mehr abnimmt, je* mehr mau sich dem Aequator nähert?

Wenn Dr. B. mit den von ihm genannten Autoren behauptet, dass die Entwicklung der Gleichung für die Ablenkung des F. P nur durch die höhere Mathematik ausführbar sei, so hat derselbe vollkommen recht, soferne er zugleich die Anforderung stellt, dass alle die oben berührten Abweichungen in Folge secundärer Wirkungen in Rechnung gezogen werden müssen, weil sie unter allen Verhältnissen einen bemerkbaren Einfluss auf das Ergcbniss des Experimentes ausüben würden. Sind aber diese Einflüsse von der Art, dass sie in allen uns zugänglichen Verhältnissen durch die unvermeidlichen Fehler der Instrumente und der Beobachtung selbst überwogen werden, so scheint es mir durchaus nicht unzukömmlich , eine so interessante und für die Wissenschaft so ruhmvolle Entdeckung, wie das Foucault'sche Pendel, von dem Nimbus der höheren Mathematik entkleidet auch den gelehrten Mittelschulen zugänglich zu machen.

Kempten. Schelle.

Zu LIt: VII, 5, 2.

Capit consilium rudis quidem atque agrestis animi et, quamquam non civilis exempli, tarnen pietate laudabile, möchte ich at statt et vorschlagen.

Um seinen Vater von der drohenden Gefahr zu befreien, geht der junge Manlius, ohne dass es Jemaud weiss, in die Stadt, begibt sich augenblicklich zu dem Hause des Tribunen, lässt sich anmelden, wird zu ihm in sein Schlafzimmer geführt, zieht seinen Dolch und droht . ihm, er werde ihn ermorden, wenn er ihm nicht schwöre, dass er seinen Antrag zurückziehen wolle.

Vergleichen wir nun mit dieser Situation die citirte Stelle. Durch et wäre offenbar rudis quidem atque agrestis animi und laudabile verbunden. Da das Adjektiv eine Eigenschaft bezeichnet und der Qua- litätscasus (Gen. oder Abi.) ebenso eine Eigenschaft ausdrückt, so können sie natürlich mit einander verbunden sein. Also gegen die Verbindung der beiden Begriffe kann man Nichts einwenden; nur können sie nicht copulativ, sondern sie müssen unbedingt adversativ verbunden werden. Dass zwischen beiden Begriffen ein direkter Gegensatz besteht, sagt nicht blo8 der Gedanke, sondern auch das beigesetzte quidem. Der Gegensatz ist also schon grammatisch durch die Sprache ausgedrückt. Laudabile bildet offenbar einen doppelten Gegensatz: einmal zu rudis quidem atque agrestis animi, angedeutet durch quidem at; dann zu civilis exempli, bezeichnet durch quamquam - tarnen. Et halte ich für unmöglich.

Geist.

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Die bayerischen Gewerbschulen pro 1874/75.

L Im Nachfolgenden geben wir eine übersichtliche Zusammen- stellung des Standes der bayerischen Gewerbschulen bei Beginn des Schuljahres 1874 75. Nach dieser Uebersicht , für welche uns die Notizen durch die Freundlichkeit der k. Rektorate zugegangen sind, zählt Mayoni im Ganzen 39 Gewerbschulen, nämlich

in Oberbayern 4 in Oberfranken 4

in Niederbayern 3 in Mittelfranken 7

in der Pfalz 5 in ünterfranken 5

in der Obperpfalz 4 in Schwaben 7.

Von diesen 39 Schulen sind 2, Neumarkt und Eichstätt, welche erst mit dem laufenden Schuljahre in's Leben traten, und Kissingen noch nicht vollständige dreikursige Anstalten.

Es wirken an den Gewerbschulen im Ganzen 357 ordentliche Lehrer und Lehramtsverweser, sodann 193 Hilfslehrer und Assistenten, so dass sich eine Gesammtzahl von 450 Lehrkräften ergiebt. Neben der gewerblichen Abteilung haben

22 Schulen eine Handels- Abteilung, 2 Schulen eine landwirtschaftliche Abteilung, 2 Schulrn eine mechanische Abteilung, 1 Schule eine baugewerkliche Abteilung und 9 Schulen einen Vorbereitungskurs.

Ausserdem bestehen an mehreren Anstalten Fortbildungsschulen, welche die Sonntagsschule vertreten.

Die Gesammtzahl der Schüler beträgt 5321; bievon kommen

2512 auf den gemeinschaftlichen I. Kurs der gewerblichen und

Handels - Abteilung, 1420 auf den II. und III. Kurs der gewerblichen Abteilung,

(952 II. K. 468 III K.) 725 auf den II. und III. Kurs der Handels - Abteilung,

(525-11 K. 200-111 K.) 28 auf die landwirtschaftliche Abteilung, 31 auf die mechanische Abteilung, 83 auf die baugewerkliche Abteilung,

136 auf Hospitanten der gewerblichen und Handels -Abteilung, 386 auf den Vorbereitungskurs.

Die Verteilung auf die einzelnen Schulen und Kreise ist aus der nachstehenden Tabelle des Näheren zu ersehen.

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2 a. 3.

Schalerzahl der abrigen Abteilangen.

Vorschule 39

Vorschale 34 Landw. Abtlg. 9

Vorsch. 74, ldw. Abtlg.19 Vorschule 65

Vorschule 51

Vorschule 26 Vorschule 24

| 2. Schalerzahl.

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Der deutsche Unterricht In der 1. Lateinklasse.

Zu den wichtigsten Neuerungen, welche die Schulordnung vom 20. Aug. d. Js. gebracht hat, gehört die Errichtung eines 5. Kurses an der Lateinschule, in welchem Knaben vom neunten Jahre an regel- mässigen Vorunterricht in den Fächern der Lateinschule erhalten solleu. Dieser Unterricht hat sich enge an die Anforderungen der 4. Klasse der Volksschule anzuscbliessen und in innigem Zusammenhange mit den Anforderungen der nächsten Klasse der Lateinschule zu stehen Es ist klar, dass durch diese Einrichtung die Knaben unter der Leitung eines Fachmannes tüchtiger für die Studienlaufbahn vorbereitet werden, als das bisher der Fall sein konnte, da diese Vorbereitung häufig durch mangelhaften Privat- oder sogenannten Vorunterricht von Berufenen und Unberufenen gegeben wurde Aber nicht minder klar ist es, dass jene Lehrer, welchen der Unterricht und die Erziehung dieser jungen Anfänger anvertraut ist, ein schweres Stück Arbeit zn bewältigen bähen. Denn die Erfahrung aller Jahre hat bewiesen, dass die Knaben von der Volksschule leider nur zu häufig mangelhaft vorbereitet in die Lateinschule (auch in die Gewerbe- und Präparandenschulen) eintreten, arm an Begriffen und Anschauungen, verlegen im Ausdrucke und mit sehr wenig Sinn für Ordnung und Disciplin. Diese betrübende Wahrnehmung macht sich natürlich jetzt im Vergleiche zu den früheren Jahren, wo der Eintritt vor dem vollendeten 10. Lebensjahre nicht zulässig war, noch fühlbarer.

Wenn nun schon bisher von einsichtsvollen Pädagogen auf die Leitung des Unterrichts und die Handhabung der Schulzucht in der 1. Lateinschule, als der grundlegenden und für die Folgezeit einfluss- reichsten, das grösste Gewicht gelegt wurde, so gilt dieses selbstver- ständlich in noch höherem Grade von der nunmehrigen I. Klasse.

Diesem Umstände gegenüber haben sich schon von verschiedenen Seiten und zwar nicht von solchen, welche der Lateinschule abge- neigt sind oder blos dem Scheine nach urteilen laute Zweifel erhoben, ob „Philologen" im Stande seien, Knaben dieser Altersstufe zu unterrichten und zu erziehen Man berief sich hiebei auf „die oft gemachte Wahrnehmung, dass die gelehrten jungen Philologen weder Lust noch Geschick hätten, mit den Anfangsgründen sich herumzu- schlagen; dass sich die gelehrten Herren nicht darein finden könnten, von der Höhe ihres Wissens herabzusteigen, sondern meist zu doktrinär und deshalb den Kindern meist unverständlich wären. Dies aber komme vorzugsweise daher, weil die Philologen zwar viele Kennntnisse sich zu erwerben gehalten wären, in Bezug auf die Praxis der Schule aber beim Antritte eines Lehramtss keine Vorbildung hätten". Daran wurde sogar dio direkte Forderung gereicht, den Unterricht im Deutschen denn darauf beziehen sich namentlich jene „oft gemachten Wahr*

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nehmungen und Erfahrungen" und wo möglich auch im Rechnen einem „praktisch gebildeten" Manne, einem Volksschullehrer zu übertragen.

Diesen Zweifeln und Behauptungen gegenüber müssen wir nun zwar einräumen , dass sie allerdings hier und dort als gerechtfertigt erscheinen dürften, und dass gerade im Bezug auf den deutschen Unterricht hier und dort vieles zu wünschen übrig ist. Denn es ist richtig, dass zwar in den alten Sprachen die Wege durch die Erfahr- ungen mehrerer Jahrhunderte nach allen Seiten geebnet sind, so dass . der junge Lehrer nur dem erprobten Wege mit sicherem Auge für die praktischen Bedürfnisse im Einzelnen zu folgen braucht; dass es aber anders ist mit dem Uuterrichte im Deutschen: hier muss der Lehrer, blos das vorgesteckte Ziel vor Augen , den eigenen Weg einschlagen und die Mittel selbst schaffen, wie er seine Schüler zu einem Ziele führen und bringen soll Gleichwol liegt die Möglichkeit, auch in diesem Unterichtszweige dem jungen Lehrer gewisser Massen den Weg zu ebnen und somit ihn in den Stand zu setzen, auch in diesem wichtigen Zweige des Unterrichtes schon gleich von vorneherein im Besitze einer festen und sicheren Methode Erspriesliches zu leisten, nicht so ferne. Man gebe nämlich nur den Candidaten der Philologie Gelegenheit (oder vielmehr lege ihnen die Verpflichtung auf) sich neben ihrer theoretischen Ausbildung auch praktisch für das Lehrfach vorzu- bereiten. Dies aber würde durch Errichtung einer praktischen Uebungs- 6cbule am Sitze der Universität ermöglicht, wo die angehenden Lehrer, gleichwie dies bei den Seminarscbulen des Volksscbulwesens der Fall ist, in Bezug auf die Methodik des Unterrichtes praktische Anleitungen erhalten. Der junge Lehrer würde sich dann ungemein leichter in der Schule zurecLt finden können , namentlich beim deutschen Unter- richte, und wäre nicht der Gefahr ausgesetzt, erst durch jahrelanges Experimentiren sich bestimmte Grundsätze für seine Methode zu bilden.

Dass aber dadurch sowol die Sache des Unterrichtes gefördert würde als auch die oben berührten Zweifel und Klagen über die mangelhafte Erteilung des deutscher. Unterrichtes an Knaben von neun und zehn Jahren gründlich beseitigt würden, ist wol nicht in Abrede zu stellen. Und im Interesse des Ansehens der Lateinschule wäre das sehr dringend zu wünschen. Denn die Substituirung eines Nicht- philologen schiene ein Unding Denn warum sollte sich nicht ein „Philolog" bei seine«- wissenschaftlichen Durchbildung auch jene Ge- wandtheit im Unterrichten und Erziehen neun- und zehnjähriger Knaben verschaffen können, wie ein methodisch gebildeter Lehrer der Volksschule? Ja, ich gehe noch weiter, und behaupte, dass gerade der „Philolog" einzig und allein im Staude sei, Knaben dieser Altersstuffe in methodischer und pädagogischer Beziehung in einer für »eine weitere

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Ausbildung entsprechenden Weise in die Bahn der Studien einzuführen

wenn er die nötige Begabung und Umsicht besitzt; dass dagegen ein Nichtphilologe, so tüchtig er auch sonst in seinem Wirkungskreise sein mag, auf diesem Felde zu wirken nicht berufen ist. Für diese Behauptung sprechen schon jene oben angedeuteten Mängel der in die Lateinschule Neueintretenden. Ferner möchte ich einen weiteren Gedanken zu erwägen geben, der mir nicht minder dafür zu sprechen scheint, und der die eben ausgesprochene Behauptung so zu sagen ex consecutione beweist. Ich führe nämlich die Worte eines auf dem Gebiete der Pädagogik sehr bekannten und geachteteu Mannes an, der mir über diesen Punkt wörtlich folgendes schrieb: „Ich bilde mir immer ein, dass der Satz: .An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen'

auf unsere Schulen die beste Anwendung findet. Wenn wir einen Vergleich anstellen könnten zwischen Schülern, welche nach einer bestimmten Zahl von Jahren an die Lateinschule gegangen und ein Jahr bei uns , gesessen* sind, und solchen, welche dieses Jahr noch an der Elementarschule zugebracht; ich glaube man dürfte alles darauf wetten, dass diejenigen, welche dieses Jahr bei uns zugebracht , die andern im Deutschen um ein Gutes überflügelt haben. Zu dieser Probe wäre ich jederzeit bereit; so sicher vertraue ich auf den wirksameren Unterricht bei uns. Mögen auch die philologischen Lehrer teilweise viel zu wünschen übrig lassen wie denn in der That die Verwendung unerfahrener Lehrer in der I. Klasse zu beklagen ist - so thut hier schon die ganze Einrichtung des Unterrichtes, die Verbindung mit einer fremden Sprache, das Systematische und Geordnete in Methode und Zucht das Ihrige." Die Grundlagen und Ziele des Unterrichts und der Erziehung an der Lateinschule sind eben andere als an der Volks- schule, und wie für das gedeihliche Wirken an dieser durch besondere Uebungsschulen vorbereitet wird, so sollten auch für das gedeihliche Wirken an jenen durch eigene Uebungsschulen die Candidaten der Philologie vorbereitet und eingeübt werden

Straubing. Miller.

Zorn Lelirprogranim der Gewerbschulc für Trigonometrie.

An der Gewerbscbule sind laut Programm die Elemente der Trigonometrie zu lehren, demnach Aufgaben nur über des rechtwinkelige Dreieck zu lösen; alle anders eingekleideten Aufgaben sollen stets auf rechtwinkelige Dreiecke direkt zurückgeführt werden, ohne Benützung irgend welcher Formeln lösbar sein und gelöst werden. Aus diesem Grunde ist von der Entwicklung goniometrischer Sätze Umgang zu nehmen , dafür aber die Bedeutung und den Gebrauch der Funktionen

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an thunlichst viel Beispielen zu zeigen. Sollen nun diese Beispiele das Interesse für die Sache stets rege erhalten, so dürfen sie sich nicht lediglich um die rein geometrische Figur des Dreiecks oder selbst des Vielecks bewegen, sie müssen aus allen Gebieten der Anwendung gewählt werden. Eine reiche Abwechslung zu finden, ist auch nicht schwer. Wenn aber solche Aufgaben nicht immer die einfachsten Lfigenverhältnisse von Strecken in ihren Bedingungen enthalten und dadurch wieder eintönig werden Rollen, so liegt es im Wesen derselben, sie meist auf verschiedenen Wegen lösen zu können. Die Endresultate sind dann zuweilen in der Form verschieden und ihre Identität ist nur durch goniometrische Gleichungen zu erweiRen.

Dieser Missstand trat mir zum ersten Male praktisch entgegen, als ich den Schalern die bekannte Anfgabe zu lösen gab, die Höhe einer Wolke zu bestimmen aus der Höhe h eines Hügels oder Tburmcs über einem See, dem Elevationswinkcl a der Wolke und dem Depressions- winkel ß des Spiegelbildes derselben. Die Aufgabe ist gerade im Sinne obigen Lebrprogrammes sehr geeignet, zu zeigen, wie man auf ver- schiedene Weise rechtwinkelige Dreiecke herstellen, trigonometrische Funktionen einführen kann. Man gelangt nun beispielsweise hier auf

zwei Wegen zum Ausdrucke h. K - * auf einem dritten zu

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h. + Die drei Lösungen sind gleich einfach, kurz, direct

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zum angegebenen Ziele führend und sollten meiner ücberzeugung gemäss, desshalb den Schülern nicht vorenthalten werden. Wird die Aufgabe im Unterricht bearbeitet, so müssen doch die Schüler auf diese verschiedenen Wege aufmerksam gemacht werden und damit nothwendig auch auf die verschiedenen Resultate ; Ifisst man die Arbeit als Haus- aufgabe oder Probearbeit fertigen, so ergibt sich bei einem Theil der Schüler ohnehin von selbst eine andere Lösung als bei den übrigen; jedenfalls muss dem Schüler gezeigt werden, wie die eine Lösung in die andere übergeht, warum sie nur in der Form verschieden sind. Dazu sind aber die goniometrischen Funktionen der Summe und Differenz zweier Winkel nöthig, etwas ausserhalb des Programmes Liegendes, hie und da eben dess wegen geradezu Verpöntes.

Es sei ferne von mir, etwa einer Erweiterung des Lehrstoffes das Wort reden zu wollen ; bei der Uebcrfülle, dem Vielerlei, worunter wir mit den Schülern leiden, wäre dies wahrlich unverantwortlich. Ich möchte nur dem Lehrer das Recht gegen den Buchstaben gewahrt wissen, als Excurs eine derartige Entwicklung durchführen zu dürfen, ohne dass der Schüler die Resultate als solche sich zu merken hätte. Bei der geringen Zeit, die auf Trigonometrie verwendet werden kann, haben wir ja keine Gelegenheit, diese Gleichungen durch den Gebrauch

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einzuüben, sie worden als todter Formelkram dem Gedächtniss eingeprägt ; dass dieses Schlimmste bei Aufnahme der Goniometrie in das Lehr- programm heraufbeschworen worden wäre, das ist nicht zu verkennen. Jedoch ergibt sich die Grundlage der Goniometrie, die im oben ange- führten Falle genügt und aus welcher ertorderlichen Falles Ableitungen als vorübergehende Uebungsbeispiele zu zeigen \>äreu, auch so einfach, so naturgeraäss und zwingend Man darf nur mit Pfaff („Die ebene Trigonometrie" Erlangen, Deichert; als Schulprogramm in Broschüren- form nur wenige Seiten umfassend) die ganze trigonometrische Drei- eckslehre als die algebraische Aufgabe auffassen, aus 3 Gleichungen 3 Unbekannte zu bestimmen. Zwischen den Seiten und Winkeln des Dreiecks ergeben sich durch Projection je zweier Seiten auf die dritte jene 3 Gleichungen. Hier muss nun die Frage auftauchen, wie sich der scheinbare Widerspruch zwischen Algebra und Geometrie löst, der entsteht, wenn die 3 Winkel gegeben, die 3 Seiten zu suchen sind. Und damit ist dann die oben geforderte Grundlage gewonnen, ohne ein neues Gebiet betreten zu müssen, gerade als notwendiger Abschluss des betretenen.

Diese kurze Notiz soll andeuten, wie manchmal über das gegebene Programm hinaus kurze Abschweifungen nötuig werden. Wenn aber das Programm für den Lehrer absolut bindend sein soll, so kann dies bei aller sonstigen innern Güte desselben auch im betreifenden Punkte doch der Sache seihst Eintrag thun.

Augsburg. Rudel.

Bibliotheca philologica classica. Verzeichniss der auf dem Gebiete der classischen Alterthumswissenschaft erschienenen Bücher, Zeitschriften. Dissertationen, Programm -Abhandlungen, Aufsätze in Zeitschriften und Hecensionen. Beiblatt zu dem Jahresberichte über die Fortschritte der classischen Alterthumswissenschaft von Conr. Bursian. 1874 1. Semester, gr. 8. (88 S .) Berlin 1874, Calvary & Co. Einzelpreis Mark 2.

Die bekannte Verlagshandlung von Calvary & Co. hat sich ent- schlossen, der neuen von Bursian geleiteten Zeitschrift über die Fort- schritte der classischen Alterthumswissenscbaft eine bibliotheca philo- logica beizugeben, die, sonst der von W. Müldener bearbeiteten ähnelnd, vor dieser den Vorteil voraus hat, dass sie die Recensionen über die in ihr verzeichneten Bücher mitteilt. Begrüssen wir auch das neue Unternehmen mit lebhafter Freude, so kann uns das natürlich nicht abhalten, offen die vielfachen Mängel und Versehen des vorliegenden Heftes etwas näher zu beleuchten, in der Hoffnung, dass in der Folge der Bearbeiter auf die Zusammenstellung der künftigen Bändchen eine grössere Sorgfalt und Akkuratesse verwenden werde.

Wir können zunächst der bibliotheca den Vorwurf bedeutender lnconsequenzen nicht ersparen. Wurde einmal bei Angabe der Recen-

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sionen der Verfasser derselben genannt, weshalb geschah es nicht durchweg? Es scheint, als habe der Verfasser hier seinem Belieben völlig freien Lauf gelassen. Bekanntlich sind die Recensionen in der Jenaer Literaturseitang regelmässig mit dem Namen des Recensenten versehen; der Verfasser der bibliotheca aber nennt denselben bald, bald nicht. Es fehlen z. B., um nur einige wenige Beispiele anzu- führen, S. 12 die Namen von Joh. Oberdick (Aeschylus von Timm) nnd Alfr. Eberhard (Apollodor von Hercher). Dasselbe findet bei anderen Zeitschriften statt. Ab und zu sind auch die Angaben weder genau noch vollständig. So hat E. Bährens nur Band 2 der madvig'schen Adversaria recensiort. Celsus' wahres Wort von Keim ist ausser den angeführten Recensionen noch besprochen von lloltzmann in Sybels bistor. Zeitschrift XVI S 1 12 und von J. J. M(üllcr) im philolog. Anzeiger VI 2. M. Hertz' Abhandlung über Ammianus Marcellinus zeigte Wölfflin in der Jenaer Literaturzeitung n. 23 an. Nicht selten sind noch Schriften des Jahres 1873, augenscheinlich der erst später erschienenen Besprechungen halber (mehrfach freilich auch ohne jeden ersichtlichen Grund), verzeichnet; nach welchem Principe aber dabei verfahren wurde, ist uns unklar, wenigstens ist nur ein kleiner Bruch- teil derselben registriert worden. Eine ähnliche Inconsequenz zeigt sich auch bei den Sammelwerken. Bisweilen ist, wie bei Krügers kritischen Analekten S. 7, der Inhalt genau notiert, bei anderen fehlt diese wünschenswerte Angabe ganz: man vergleiche nur S. 7 (Lösch- horn), S. 15 (Dissertationes), S. 80 (Baer) u. a.

Die eigentliche bibliographische Akribie fehlt dem Unternehmen noch in hoiieni Grade. So werden S. 28 beide Abhandlungen über Ammian Adolph Kiessling zugeschrieben, obwol die letztere von Gustav Kiessling herrührt. S 11 lesen wir T (für F) K. Hertlein, S. 13 A. (für R), S. 32 S (für Jul.) Arnoldt, S. 14 B (für Rud ) Schmidt, S. 16 J. (statt Otto) Carnuth, S. 21 A. Ludwig (für Ludwich ) und Dechert (für Dechent), S. 23 C. (für Emil) Schnippel, S.33 E. (für Ad.) Eussner, S. 36 C. (für Emil) Bährens und C. (statt Ed ) Wölfflin. Delbrücks Recension des lexicon etymologicum von Zehetmayr ist in No.,15 nicht 21 der Jenaer Literaturzeitung abgedruckt, die von Hertz über Occioni's literarische Dilettanten nicht in No 21 , sondern 30. Der Verfasser von „Ein Missverständniss des» Tacitus;< heisst Kaufmann nicht Kau finan. Den Lucrez zu edieren begann Bockemüller nicht Bockmüller. S. 50 ist Savelsberg nicht Savesberg zu lesen. S. 51 fehlt bei Schröter die Bezeichnung des Druckortes, und ebenda ist Trnsta nicLt Trusta die Chiffre eines Pseudonvmus. Menge's Programm de auetoribus cominen- tariorum de bello civtli qui Caesaris nomine feruntur besprach nicht Hertz, sondern Hartz. Sauppe's Abhandlung Ober die Lebenszeit des Lucrez ist unseres Wissens bis jetzt noch nicht gedruckt Meiser (S 23) schrieb nicht über den Gorgias, sondern über den Kriton Piatons. Käsebier, de Callimacbo umfasst nur 18 Seiten, S. 19- 32 enthalten eine mathematische Abhandlung von Hütt. S. 44 ist gedruckt L.Meyer, zur Harmonie des Tacitus: es ist natürlich Germania zu substituieren, und ebenda wird Hirschfeld's Elogium des M' (nicht M ) Valerius Maximus ohne Weiteres unter Valerius Maximus gesetzt. S. 6 » steht E Döhle, Caesar und seine Zeitgenossen. Mnn ahnt kaum, dass damit, „S. Delorme, Caesar u. s. Z. Eine Betrachtung der römischen Sitten gegen das Ende der Republik, deutsch bearbeitet von Ed. Döhler" gemeint sein könne. Ja, S. 16 wird eineMiscelle Ungers zum Panegyriker Eumenius dem griechischen Autor Eumenes unterstellt. Lorey's Programm über

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die Schwierigkeiten der Anwendung de» griechischen Metrums auf die lateinische Spruche ist nicht in Hannover, sondern in Hameln erschienen.

Auch in Betreff der rein bucbl.ändbrischen Seite df*r neuen Biblio- thtca müssen wir den Bearbeiter iiitten, sich einer genaueren Sorgfalt zu befleissigen. Es ist im höchsten Grude unangenehm, dass eine grosse Anzahl kleiner Gelegenb< iisschriften hier oft zu bedeutend höheren Preisen angesetzt sind , als bei den eigentlichen Verlegern. So die Schrift C. Jacob) 's über Dionysius von Halic, Rebdantz' (S.2I) de Ttntlyfitt vocabclo apud oratores atticos, Dinse's Beitrage zu Plutarcb, Pohle's und Vollbrecht's Schriften über Xenophon, Wacbsmuth's de Zetwne citiensi, l'rocksch's consecutio tetnporum bei Caesar, Schüssler's de codice Curtii oxoniensi, A. Kinke's über Horaz, Bursian's emendatioties hyginianae u. a. m.

Gera, Mitte November 1874. R. Kluszmann.

Hülfsbuch der Geschichte für Mittelschulen von Dr. Chr. Hutzel- mann, kgl. Lehrer an der Gewerbschule zu Fürth. 2. Thlr. Nürnberg. Verlag der Friedr. Korn'schen Buchhandlung. 1874

An Lehr- und Hülfsbüchern der Geschichte haben wir keinen Mangel Es scheint vielmehr die Produktion derselben sich von Jahr zu Jahr zu steigern Und mit der Zeit wird jeder Lehrer sich selbst seinen Leitfaden schreiben. Ich will auf die mancherlei Gründe dieser Erscheinung nicht naher eingehen. Es kann sie jeder ohne Mühe selbst finden. Nur darauf will ich hinweisen, das* diese massenhafte Leit- fadenproduetion , neben den schlechten, doch auch manche gute und berechtigte Gründe hat. Es ist nämlich auch der beste Leitfaden nur für einen bestimmten Kreis von Schulen tauglich. Sobald man ihn in einem anderen Kreise anwendet, wird er zwar nicht absolut schlecht, verliert aber eine grosse Anzahl seiner Vorzüge. So glaube ich z. B., dass es einen vortrefflichen Leitfaden für Lateinschulen geben kann, der für Gewerbschulen durchaus unpraktisch ist. Denn es hat eben jede Art von Schulen ihre besonderen Bedürfnisse Und ich glaube, dass ein Lehrbuch der Geschichte für norddeutsche Schulen unüber- trefflich sein kann , dem doch wesentliche Mäugel anhaften, sobald wir es in Süddeutachland gebrauchen. Denn die Auswahl der Ereignisse darf in beiden Fällen keineswegs die gleiche sein. Ich kann es des- halb durchaus nicht tadeln, wenn man in jedem einzelnen deutschen Lande sich besondere Lehrbücher zu schaffen sucht. Und ich wünsche nur, dass wir für Bayern ebenso vortreffliche Bücher besässen, wie deren Norddcutschland schon mehrere besitzt. Aus einem Gefühle des Mangels in dieser Richtung mag auch das vorliegende Buch ent- standen sein. Aber wenn es auch manche Vorzüge hat, so können wir ihm doch nicht nachrühmen, die bestehende Lücke schon ausgefüllt zu haben. Der Verfasser war offenbar von dem lobenswerthen Streben beseelt, den Geschichtsunterricht möglichst anschaulich und lebendig zu machen. Er hat zu diesem Zweck eine grosse Anzahl von Notizen beigezogen, die man in den gewöhnlichen Lehrbüchern zu vermissen pflegt. Und er hat damit dem Lehrer manchen dankenswertben Wink für seine weiteren Ausführungen gegeben. Man könnte zwar sagen, solche Notizen, wie z. B. die über die ägyptischen Bauten (1. Th S. 17)

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seien vom Lehrer mündlich zu geben. Allein ich halte es doch für

St, menn man sich mit den mündlichen Ausführungen an den Leit- ion anschliessen kann, und ich bin deshalb für solche Dinge stets dankbar Nur möchte in der Herbeiziehung dieser Notizen Dicht überall das rechte Mass gehalten sein ; etwas Beschränkung hätte der Verfasser sich auferlegen sollen. Oder was soll, um nur eines zu erwähnen, in einem Hülfsbuch für Mittelschulen die Bemerkung, dass Aristoteles der Schöpfer der Logik sei? Ueberhaupt scheint mir, dass in der Auswahl des Stoffes eine grössere Beschränkung hätte stattfinden sollen. Auch in den grossgedruckten Partieen des Buches, die doch das Wichtigste enthalten sollen, was der Schüler sich merken muss, findet sich manches, was füglich hätte wegbleiben können, wenigstens wenn man sich das Buch für Gewerbscbulcn bestimmt denkt.

Der Verfasser war ferner bestrebt, sich möglichst kurz zu fassen, in möglichst wenig Worten möglichst viel zu sagen. Und es ist ihm das in einzelnen Partieen recht gut gelungen. Aber zuweilen hat er sich durch das Streben nach Kürze verleiten lassen, auf die Correctheit und Klarheit des Ausdrucks zu verzichten. Das sollte in einem für die Hand der Schüler bestimmten Buche nicht der Fall sein. Ueber- haupt darf da die Rücksicht auf die Kürze nicht zu weit getrieben werden. Man darf da nicht Sätze bilden, wie „Nun Arbeit" (11,36) oder „Durch Einwanderer macht sich fremder Einfluss geltend; pbönizischer Einfluss sicher, ägyptischer unsicher, oder erst später " (1, 49) Das macht den Eindruck, dass man das Concept des Lehrers vor sich hat, der sich für seine mündlichen Ausführungen einige Notizen gemacht hat. Aber ein Leitfaden, den die Schüler in die Hand bekommen, muss sorgfältiger stilisirt sein. Störend war es mir noch, dass der Verfassser in den erzählenden Partieen mit dem Präsens und Imperfectum ganz principlos wechselt Man lese nur folgenden Satz: „Karls Abwesenheit veran- lasste wiederholt einen furchtbaren Aufstand. 779 und 780 schlägt er ihn nieder; viele licssen sich taufen; Sachsen nnd Slaven erkennen Karl als Schiedsrichter an".

Weiter auf einzelnes einzugeben, verbietet mir der mir zugemessene Raum. Ich glaube, dass das Buch recht brauchbar werden wird, wenn es der Verfasser noch einmal gründlich umarbeitet und mit Sorgfalt darauf achtet, die einzelnen Abschnitte sowohl in Bezog auf Auswahl des Stoffes, wie auf Stilisirung gleichmässiger zu gestalten. Die dem Buche beigegebenen Kärtchen sind nicht sehr gelungen. Die Verlags- handlong möge sich die Karten ansehen, die dem Grundriss der Welt- geschichte von Andrä (Kreuznach, Voigtländer) oeigegeben sind, dann wird sie ein Muster dafür haben, wie derartige Beilagen beschaffen sein müssen.

Augsburg. J. Hans.

Q Eorati Flacci cartnina. Lucianus Mueller recognovit. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri. MDCCCLXX1V. 2 Bl. & 362 S. kl. 8.

In geschmackvoller Ausstattung liegt die niedliche Ausgabe des Horaz von Lucian Müller vor, deren ganze Erscheinung an die bei S. Hirzel in Leipzig verlegten Ausgaben des Catullus, Tibullus und Propertius, des Vergilius und des Horatius von M. Haupt oder an die zierliche Ausgabe der cartnina amatoria des Ovidius, die L. Müller bei

Blätter f. d. b»yer. GymnMialw. XI. Jahrg. 6

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Gärtner in Berlin besorgt bat, erinnert Das Titelblatt ist mit einem Stiebe nacb einem in der Solitudc bei St. Petersburg aufbewahrten Sardonyx geschmückt, den L. M. auf den Rath des Archäologen L. Stephani gewählt hat. Dem sauber gedruckten Texte folgen als willkommene Zugabe C Suetoni Tranquilli vita Q. Horati Flacci, ein Index der horaziseben Diebtungen nach den Anfangs worteu , dann auf vier Seiti.u Schemata der Metra Horatiana und eudlich nach eiuer kurzen Bemerkung des Herausgebers ein Verzeichniss, welches Doctorum ex arbitriis not ata enthält.

Der Text ist im Ganzen nach der von L. M. in der Bibliotheca Teubneriana 1869 besorgten Recognition wiedergegeben. Ausser den dort bezeichneten Interpolationen in den Oden finden sich in der neuen Ausgabe noch zwei Strophen nach Peerlkamps Vorgang athetiert, aem- lich I, 22, 13 16, wo auch Meineke ein Einschiebsel annimmt, und II, 4, 9 12. Von den in der früheren Aasgabe stehenden Kreuzen der Kritik sind die I, 2, 21 der Vermuthung von Bäbrens iaeuisse ferro statt aeuisse ferrum-, I, 12, 31 der von den Itali S XV gebotenen Lesart di sie voluere statt cum 8. v.: III, 4, 10 der Emendation von Bährens limina pergulae statt Urnen Apuliae gewichen, mit welcher sich die von Göttling, Madvig und W. Herbst gefundene Aendernog limina villulae nahe berührt Die übrigen Discrepanzen der neuen Recognition von der früheren sind: I 6, 2 aliti nach Passerat statt alite\ 20, 10 tu Uqucs nacb G.Krüger statt tum bibes; 31, 9 Calenam nach Bentley statt Calena', II 8, 3 unco turpior ungut nach Horkel statt uno\ 19, 24 horribtlisque nach Bentley statt horribilique ; III 4, 46 umbras nach Bentley statt urbes\ 9, 9 regit Chloe nacb Peorlkamp statt Chloe regit ] 10, 8 duro nach Bentley statt puro; 16, 7 risisset nach Bentley statt risissent] 19, 12 miscentor nacb Rutgers statt miscentur; 24 , 39 polo nach einem ungenannten Urheber statt solo; 27, 41 quam porta nach Sanadon statt quae p.; IV 1, 16 militiae signa feret tuae nach Meineke statt signa feret militiae tuae; 10, 2 bruma nach Bentley statt pluma. Eigene Aenderungen hat Müller nur HF 29, 7 contempnatur statt contempleris ; IV 1, 9 in domu statt in domum (domo) und II, 28 Bel- lerophonten statt Belleropfiontem neu in den Text gesetzt. Diese wenigen Mittheilungen über das von L. Müller in den Oden befolgte kritische Verfahren mögen als Probe genügen, mit welchem Tacte die Textkritik überhaupt in dieser elegantesten Taschenausgabe des elegan- testen römischen Dichters geübt worden ist.

E u s.8 n e r.

Ueber Syntax und Jstil des Tacitus Von A. Dräger. Zweite, verbesserte Auflage. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1874. XV & 120 S. 8

Seit dem Erscheinen des ersten Heftes der „Untersuchungen über den Sprachgebrauch der römischen Historiker" (Güstrow 1860) ist Dräger unermüdlich auf dem Gebiete der lateinischen Syntax thätig gewesen, indem er einerseits seine Studien in concentrischen Kreisen bis zu dem Umfange erweiterte, dass sieb daraus das kühne, noch unvollendete Werk einer „Historischen Syntax der lateinischen Sprache" gestaltete, andrerseits dieselben innerhalb eines enger umgrenzten Gebietes zum Abschlüsse brachte. Als Programm des Pädagogiums zu Putbas wurde

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1866 „die Syntax des Tacitus" herausgegeben; vervollständigt und ergänzt erschien diese Arbeit 1868 als selbstständiges Buch „Leber Syntax und Stil des Tacitus". Indem Referent dem Wunsche der Redaction dieser Blätter entsprechend Ober die vor Kurzem erschienene zweite Auflage dieses Werkes berichtet, darf er sich eines allgemeinen Urtbeils tut halten, da Drägers Leistung nicht nur beim ersten Erscheinen von der Kritik mit Beifall aufgenommen wurde, sondern inzwischen auch durch den Erfolg sich in selteucr Weise bewährt hat, so dass eine neue Autlage schon nach verhältoissmässig kurzer Zeit nötbig geworden ist. Wenn der Verfasser dieselbe als eine verbesserte bezeichnet hat, so kann er dies sowohl im Hinblick auf die Umarbeitung einzelner Paragraphen des syntaktischen Theiles, als auch auf die aberall einge- fügten Nachträge " und Veränderungeu begründen, welche nach der Angabe des Verfassers nach Tausenden zählen. Dadurch ist auch der Umfang der neuen Ausgabe gegenüber der ersten hei gleicher Aus- stattung um ein volles Neuntel gewachsen. In dem zweiten Theile des Buches, welcher den Stil des Tacitus behandelt, beträgt die Zahl der Abweichungen von der ersten Ausgabe etwa hundert, welche zumeist in kleineren Zusätzen, namentlich in nachgetragenen Beispielen bestehen. Hiebei sind übrigens Aenderungen untergeordneter Art z.B. der Ortho-

Sraphie bei cum statt quum (aber nicht S. 100) nicht mitgerechnet, lanche Abweichung der neuen Auflage ist auch durch Weglassung einzelner Bemerkungen oder durch bestimmtere und vorsichtigere Fassung derselben (vgl. S. 84, 86, 102, 103, 104) entstanden. Selten war es nothwendig, ein Citat zu berichtigen; ein Mal ist ein richtiges durch Auslassung irrig geworden, nemlich S. 102 sind die Worte formam ac figurata nicht aus Germ., sondern aus Agr 46 entnommen. Von den neu aufgenommenen Stelleo ist die aus Gell. XVI 11 (nicht 10), 3 S 87 hinter „dann u. s. w." zu setzen Eigentliche Irrthumer zu berichtigen ist der Verfasser nur ausnahmsweise veranlasst gewesen, wie wenn nunmehr S. 88 von der Anastrophe der Präpositionen gelehrt wird, dass sie „in den kleinen Schriften und den Historien noch selten" sei, während die erste Auflage S. 77 diesen Gebrauch den kleinen Schriften abgesprochen und erst den Historien zugewiesen hatte. Während die erste Auflage unter den Wörtern, die zuerst bei Tacitus vorkommen, S 96 auch intectus (unbedeckt) und guggredi aufgenommen hatte, gibt die neue Ausgabe S. 108 richtig an, dass sich dieselben schon bei Sallustiub finden. Während früher S. 98 die Phrase flumen transcendere ann. 4, 44 als <r//a£ slQnpivov bezeichnet war, werden jetzt S. 110 noch weitere Beispiele derselben aus test. 5, 24 und Liv. epit. 105 angeführt. Manche Aenderung ist durch neue Erscheinungen der Tacitusliteratur z. B. S. 85, 100 und besonders (durch Wölfflins ausgezeichnete Jahres- berichte im Philologus XXV, XXVI und XXVII) S. 116 hervorgerufen worden; doch scheint die betreffende Specialliteratur von dem durch umfassendere Studien beanspruchten Verfasser nicht vollständig ausge- beutet zu sein

Münnerstadt. Adam Kussner.

Gymnasium und Gegenwart. Von Dr Martin Woblrab. Separat- abdruck aus der II. Abth. der N. Jahrbücher für Philologie 1874. -

Der Verfasser beabsichtigt mit diesem, im wärmsten Interesse für die Sache veröffentlichten Schriftchen eine Revision der für das

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höhere Scbulw eaen giltigen Principien und betrachtet dazu das Gymnasium im 1. Theil in seiner Beziehung zu den andern höhern Schulen, im 2. für sich. Die Vertiefung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kenntnisse und ihre Anwendung auf das Leben, sowie der gesteigerte Verkehr der Culturvölker haben nach dem Verfasser Fachschulen und Realschulen, letztere als Concurrenten mit den Gym- nasien ins Leben gerufen Ohne näher auf die Fachschulen einzugehen, stellt dann derselbe die Realschulen als die Schulen hin, in welchen vorzüglich Mathematik und Naturwissenschaften betrieben werden, die Gymnasien als die, in welchen dies von Latein und Griechisch gilt, während die modernen Sprachen beiden gemeinsam seien *). Letzteren vindiciert er eine allseitige Entwicklung der geistigen Kräfte, findet aber, dass sie dem Leben gegenüber langsam ihrem Untergang sich zuneigen, ersteren miest er einseitige Verstandesbildung und Schärfung der Sinne bei und zweifelt nicht, dass ein mächtiger Aufschwung ihnen beschieden ist. Darum ist es für ihn nur eine Frage der Zeit, dass die Mediciner ihre Vorbildung in den Realschulen suchen, aber er steht auch nicht an, den zunächst vorhandenen Realschulen eine solche Leistung noch abzusprechen. Als sichere Besucher des Gymna- siums betrachtet er die Theologen, Juristen, Philosophen, Historiker, Philologen, und ein Jahr in Prima einer Realschule nach dem Maturi- tätsexamen könne auch zur Mathematik, Naturwissenschaft und Medicin führen •*). An dem also doch wohl noch eine geraume Zeit fort- dauernden? — Gymnasium sei der Hauptlehrer der Philologe, der Verwalter des geistigen Erbes von Generation zu Generation, und zwar der altclassischen, der an den einfachen, jugendfrischen Verbältnissen der Alten am bessten die Jugend zum Verständniss der menschlichen Dinge hinleite. Die hiebei gewonnene Bildung bestehe in richtigem Sprechen, Schreiben, Lesen. Aber diese werde auch in der Muttersprache nur durch den Betrieb einer fremden Sprache und zwar am Bessten des Lateinischen mit Beiziehung des Griechischen gewonnen. Es müsse aber Lateinisch und Griechisch geschrieben und gesprochen werden. Das Vorwiegen der Lektüre sei die Bresche der Neuzeit in das früher segensreicher wirkende Gymnasium, von dessen Classikern freilich die Zeit immer mehr abfalle wegen der Blütbe der eigenen deutschen Literatur und der bedeutenden Rolle der französischen und englischen Literatur. Endlich gebe das Gym- nasium nicht bloa im allgemeinen mehr brauchbare Durchschnitts- menschen als es früher gegeben habe, sondern die gelehrte Bildung

•) Nicht uninteressant ist, dass für Bayern diese Charakteristik nicht gilt. Bei uns bat das humanistische Gymnasium das Griechische für sich, das Realgymnasium die Naturwissenschaften, Religion, Latein (bis auf die Privatlektüre) , Deutsch , Geschichte , Geographie haben beide gern ein, und endlich bat das Realgymnasium ein .1 ehr in Mathe- matik, Französisch, Englisch, Zeichnen! Wir haben also bereits einen mächtigen Aufschwung als Thatsache!

•*) In Bayern muthet man den humanistischen Absolventen doch nur einen uro ein Jahr längeren Besuch des Polytechnikums zu. Aber ist nicht auch damit ein Zurückbleiben nm nicht zu sagen Herabsinken der Leistungsfähigkeit des einst zu allen Berufen in erster Reihe und in kürzester Zeit vorbildenden Gymnasiums handgreiflich gegeben?

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sei besonders eine Anleitung zur Wahrhaftigkeit, Selbstverläugnung, Uneigennützigkeit, den bessten Eigenschaften für Diener des Staates wie der Kirche. Es verdient Beachtung, was der Verfasser sagt und man stosse sich nicht an den Sparen matter Hoffnungen» für das Gymnasium. Möge vielmehr das Hebel in seinem wahren Grande bald erkannt and das Gymnasium mit den frischen Quellen des Lebens zu freudigem Hoffen verbunden werden!

Hof. Friedlein.

Arittotelis de arte voetica Uber. Iterum recensuit et adnotationt crifc'ca oim* /oÄanne* FaAlen. BeroZin« aptid Fronct>ct*m 7aA- lenwm MDCCCLXXIV. XV und 246 S. 8.

Mit Spannung wird jeder Freund des Aristoteles die neuerschienene Ausgabe der Poetik von Vahleo in die Hand genommen haben. Von diesem Gelehrten, der dieser schwierigen Schrift des Aristoteles ein vieljäbriges Studium gewidmet, der in seinen „Beitragen" den Gedanken-

fang des Buches in klarer, nur allzu breiter Weise verfolgt und im iinzelnen entwickelt und schon früher den Text durch eine ausgezeichnete Emendation (c. 18 xQareio&ai Btatt xpore?<r£a*) bereichert hatte, war eine gediegene Leistung zu erwarten. Und wer möchte nicht an der Hand dieser hübschen, glänzend ausgestatteten Ausgabe dieses kurze aber einzige Werk des grossen Philosophen mit doppeltem Eifer studieren?

Vahlen ist von dem Plane seiner ersten Ausgabe (1867), der, wie er selbst bekennt, auch bei wohlmeinenden M&nnern keinen Beifall fand, abgegangen und bietet in dieser zweiten gänzlich veränderten Auflage den Text nach der besten Handschrift, die Varianten, die für die Erklärung nötigen wichtigsten Belegstellen und eine ausführliche mantissa adnotationis grammaticae (S. 85 241 ) Dieser gramma- tische Anhang hätte nichts an seinem Werte, wohl aber viel an seinem unverhältnissmäs8igen Umfang verloren, wenn die fortgesetzte Polemik gegen Spengel, die ja in einer solchen Ausgabe am wenigsten am Platze war, unterblieben wäre. Es macht keinen angenehmen Eindruck, wenn ein so besonnener Kritiker and Aristotelesforscher wie Spengel bei jeder Gelegenheit geschulmeistert wird. Was soll es auf dem so schwierigen Gebiete Aristotelischer Kritik heissen, wenn Vahlen sich stolz in die Brust wirft und, als wäre er sich eigener Unwandelbarkeit und Unfehlbarkeit bewusst, das instabile Judicium Spengeiii (S 232) tadelt? Ist es nicht derselbe Vahlen, der heute anders urteilt, als er früher arteilte? Hat er nicht, am nar ein Beispiel anzuführen, „zur Kritik Aristotelischer Schriften" S. 6 über eine Stelle von Cap. 5 bemerkt: „Gleich irrig ist die Meinung derjenigen, welche die Worte t*iXQl porov (a£tqov pcyaXov als Interpolationszuthat aas dem Texte zu entfernen heissen, wie derjenigen, welche dieselben als keiner Aenderung bedürftig in Schutz nehmen" und hat er nicht jetzt dennoch diese Worte als keiner Aenderung bedürftig in Schutz genommen, indem fiixQov /ueyaXov bedeuten soll spatium magnum sive fine* ampli ? 1 Vorher hatte er dafür jMttffi rot? piTQt? xa&6Xov und Beiträge III, 326 auch noch f*exQi f*oyov u4qovs /xeyäXov vermutet! Und was ihm früher unmöglich erschien (Beiträge IV, 393: „Es leuchtet schon jetzt ein and wird aas der folgenden Erörterung noch deutlicher

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werden, dass mit Xiav drjXov ort unmöglich der Nachsatz zu dem vorangegangenen beginnen, sondern dass darin nur ein weiteres Glied des Vordersatzes enthalten sein kann, daher ich, im Uebrigen der Ueberlieferurg treulich folgend, ein <fi vor SiiXov eingesetzt habe"), das scheint ihm jetzt in der neuen Ausgabe möglich. Es soll dabei nicht verkannt werden, dass Vahlen eine hervorragende grammatische Begabung zeigt, ein feines, überaus sorgfältiges sprachliches Beobachtungs- talent, ein Hauptvorzug seiner Ausgabe, dessen er sich selbst gar wohl bewusst ist (vgl. den Schluss seiner praefatio) Aber es ist zu bedauern, dass ihn diese seine grammatische Richtung in der Kritik, wie in der Erklärung auf eine falsche Bahn geführt hat. Er, der früher selbst nicht wenig an dem überlieferten Texte gerüttelt, sucht nun jeden Buchstaben der Ueberlieferung, als wäre er unmittelbar von Aristoteles geschrieben, mit pedantischer Gewissenhaftigkeit und bis zum Absurden festzuhalten, und sollte der gesunde Sinn des Lesers sich dagegen sträuben, so überschüttet er ihn aus seinem grammatischen Füllhorn mit einer Menge von Beispielen, dass sich derselbe im ersten Augen- blicke genötigt sieht, der grammatischen Autorität sich blind zu unter- werfen. Sieht man aber näher zu, so wird man gar bald finden, dass die Beispiele oft trügen und was dort möglich ist, deshalb nicht auch hier erlaubt ist. Der Beweis hiefür kann hier nicht in eingehender Weise geführt werden , fast jede Seite fordert in der Kritik wie in der Erklärung zum Widerspruche heraus

Mit dem allgemeinen Princip, das der Herausgeber in der Kritik befolgte, uns ein möglichst getreues Abbild der besten Ueberlieferung zu geben quasi quoddam simulacrum (S. VIII) kann man sich völlig einverstanden erklären und es verdient dies unsere volle Anerkennung, denn was soll aus den Klassikern werdeu, wenn es erlaubt ist, sie so zu bebandeln, wie etwa G. Andresen den dialogus de oratoribus des Tacitus, der in einer Schulausgabe in 42 Kap. seine 78 Emendationen, wenn ich recht gezählt habe, ohne weiteres in den Text aufgenommen hat? Auch das ist im Interesse der Klarheit und Durchsichtigkeit nur zu loben, das der Leser nicht mit einer Masse wertloser Varianten geplagt wird, woran ja so viele kritische Ausgaben leiden, wiewohl Vablens Behandlung der Apographa für den nicht genügt, der sich über den Wert und das Verhältnis* der einzelnen Handschriften näher unterrichten will. Aber wenn im Text nur die handschriftliche Ueberlieferung gegeben werden soll so genau, dass z B. nach der Handschrift c. 14 arexytoregoy in den Text gesetzt wird, c. 16 aber areyroregai und von Textesverbesserungen nur das aufgenommen werden soll, was absolut sicher ist (S XIV: „jpo*ut autem in textu quae certa haberem") , so begreift der unbefangene Leser nicht, wie einige mehr als zweifelhafte Vahlensche Conjecturen ohne weiteres in dem Text erscheinen und mit der besten Ueberlieferung auf gleiche Linie gesetzt werden sollen, wie die Ergänzung von Öoa c. 11 und c 26 (S. 25 und 70) oder von Jjr«? dy c. 15 (S 32) u. a Mag man dies als eine menschliche Schwäche des Herausgebers milder beurteilen, so begreift man dagegen schlechthin nicht und kann sich dieses Verfahren nur als eine Schrulle oder als Versehen erklären, dass c. 26 (S. 75) x«i roiavr' airu not^ara in den Text gesetzt ist, die allein richtige Lesart der Vulgata ober xniroi rttvxn ro noijuaxu, die ja Vahlen selbst in seiner ersten Ausgabe in den Text aufnahm und auch in seinen Beiträgen IV, 402 als richtig anerkannte, nicht einmal unter dem Texte in den Noten erwähnt wirdl Die Vermutungen

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anderer Gelehrten werden nnr spärlich angeführt, so dass es nicht consequent erscheint, wenn c 22 (S. 54) zu dem Aeschyleischen Verse: <f>«yi6«ivtt JJ tuov oaQxas iaSiet nodos auf einmal drei Vermutungen (von Böckb, Hermann und Nauck ) zur Ehre gelangen, mitgeteilt zu werden: gerade un einer Stelle, wo jede Vermutung unsicher ist.

Von der Sucht des Herausgebers, alles zu halten und alles zu erklären, nur ein Beispiel. Am Schlüsse des 6. Cap. ist überliefert: i? 6*'e oxpig tf/v %aytoyix6v /UtV, tire^ytoraroy o*k xui tjxiartt otxeiov rrjs noiijrtx/,?, tos yttQ jrjs TQuytpöius dvvufits xai ityev uytöyos *«* vuo- xQirtov iaxty Hiezu macht Vahlen S. 115 118 eine lange An- merkung und sucht uns zu beweisen, indem er nach seiner Art acht Beispiele anführt, dass tos y«Q hier so viel sei wie das einfache causale tos. Ich kann hier nicht auf die Betrachtung der einzelnen Beispiele eingehen und bemerke nur so viel, dass mir diese Annahme durchaus verkehrt scheint. Die Stelle ist sicher nicht richtig überliefert, tos war aber nicht mit den Apographa in jj zu verbessern, sondern aus dem vorangehenden Worte noupixys war zu tos die Silbe *<r zu ergänzen und zu It-sen: tatos yttQ i*is TQttytpöins o*vyuf4is xai ayev uytavos xai vnoxQirtöy teriv. tatos y^Q steht in der Poetik selbst noch zweimal: c 25 tatos yttg ovxt ßiXxtov (S. 65) und tatos y«Q ov xoi's tjfnoyovs Xiyei (S. 67). Ebenso sagt Aristoteles Pol r 11, 1282a 33: opoltos dtj

TIS tty Xvoett xui xuvxqy xqy anoQtay' tatos y**Q *Z*1 xtti Tttvz1 OQ&toS-

Weitere Stellen finden sich bei Bonitz (index Aristotelicus), der über diesen bekannten Gebrauch von tatos bemerkt: „sed saepe tatos tum dubitantis est, sed cum modestia quadam asseverantis".

leb führe zum Schlüsse nur noch ein Beispiel an, um zu zeigen, wie Vahlen in der Erklärung dem gesunden Menschenverstand ins Gesicht schlägt, um ja über alle Schwierigkeit hinwegzukommen und überall die schönste Uebereinstimmung in der aristotelischen Darlegung zu entdecken. Aristoteles sagt gegen Ende des 25. Cap. ($.71): oXtos <fi to advyaroy fihy tiqos xtjy noi^atv ij uqos to ßiXxtov jj -iQos rijV äo£uv det äyayeiy. Er spricht daun der Reihe nach 1. von tiqos rtjy iioiqaty, 2. von dem ßiXxtoy und 3. von >iqos « tpnaty (— tiqos rijV 66^uv). Jedermann wird also hier drei Glieder erkennen, Vahlen aber besteht hartnäckig darauf, es sei hier nur von einer Zwei gliederung die Rede. Darüber lässt sich nun nicht mehr streiten; denn wenn die höhere Kritik ex cathedra decretieren darf, 1 |— 1 |— 1 sei fortan nicht mehr 3, sondern 2, dann hört alle Kritik und alle Discussion auf, dann beginnt auch hier das Opfer des Verstandes

' Der Druck des Buches ist musterhaft korrekt. Der Accentfehler peTQlaCoy statt f*£TQidtoy steht nicht allein in den kritischen Noten S. 57 und in der mantissa adnotationis gramm. S. 199, sondern findet sich schon in den Beiträgen III, 328. -

München. Dr. C. M eis er.

Die deutsche Sprachlehre als Grundlage zur Stilistik, zugleich ein Anfgabeoschatz zu Sprach- und Aufsatzübungen etc. von A. Treu. 2. Aufl. Tübingen 1874.

Ein Buch, dessen Anordnung unergründlich ist, empfiehlt sich wenig; noch schlimmer aber steht es, wenn eine solche tudis indige-

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staque moles ein Schulbuch sein will. Leider trifft dies bei Treu's Sprachlehre zu. Zur Begründung dieses harten Urteils mögen einige Andeutungen hier stehen. Das Kapitel über die Deklination ist eine lanx satura ohne gleichen; auf S. 12 ist die lledc von Befehl- und Wunschsätzen, aber erst S. 13 wird die Definition des Satzes gegeben; §. 7 folgen plötzlich stilistische Uebungen (meist Beschreibungen) und die Analyse eines Gedichtes ; an die Fürwörter schliessen sich Briefe an und eine Kaufmannsrecbnung; bei den begründenden Binde- wörtern wird der Stabreim erwähnt und dgl Auf S. 8 ist zu lesen, dass die meisten Hauptwörter (männl. und sächl. Geschlechts) auf el, er und en in der Mehrzahl meist unverändert bleiben ( Also Dat. PI. den Stiefel?) Der unparteiische Beurteiler darf übrigens nicht ver- gessen zu erwähnen , dass die Beispiele meist sehr treffend sind und die Analysen (cfr. §. 44) und stilistischen Kapitel (z. B. §. 7 A.) Lob verdienen. In der Hand des Lehrers kann das Buch manches Gute stiften ; es einem Schüler in die Hand zu geben, wäre bedenklich.

München. A. Brun nur.

Praktische Uebungen. Methodisches Hilfsbuch zum deutschen Unter- richt an den unteren Klassen der Mittelschulen von Max Miller (Straubing im Selbstverlag 1874. *)

Das Büchlein enthält zunächst 20 Kabeln von Lessing mit Anmer- kungen, welche Fragen teils über den Inhalt der Lesestücke, teils über grammatische Dinge enthalten; ob mit den Fragen letzterer Art alle Lehrer einverstanden sind, steht dahin. An die Lesestücke schliesst Bich ein mit grossem Fleiss bearbeitetes Wörterverzeichniss an, welches sehr verwendbare Erklärungen der in den Fabeln vorgekommenen Wörter bietet. Ein Anhang gibt „Beiträge zur Behandlung der Redeteile". Der zweite Teil des Werkebens enthält eine „Anleitung zum deutseben Aufsatz". Schon in ihrer jetzigen Gestalt werden sich die „Praktischen Uebungen" dem Lehrer als brauchbar erweisen; die Bedeutung des Scbriftchens liegt übrigens darin, dass es den Keim zu einem brauch- baren Lesebuch für die unterste Klasse unserer Lateinschule enthält Möge der Verfasser, der mit so richtigem Blicke den für unsere jüngsten Schüler passendsten Lehrstoff herausgefunden hat, diesen Gedanken nicht aus dem Auge verlieren I

A. Brunner.

Literarische Notizen.

Praktische Anleitung zum Lateinschreiben. In zwei Abteilungen bearbeitet von Karl Friedr. Siipfle. Zweite Auflage bearbeitet von Professor von G ruber. Erste Abteilung Karlsruhe. Ch. Th. Groos. 1874. 229 S. in 8. Die vorliegende erste Abtbeilung umfasst die Lehre vom einfachen Satz. Die neue Auflage ist keine durchgreifende Um- arbeitung, vielmehr bat der nunmehrige Herausgeber unter Festhaltung des bisherigen Planes sich darauf beschränkt, die zum Teil etwas weitläufig gehaltenen Auseinandersetzungen zweckmässig zu verkürzen, immmerhin ein Fortschritt.

*) Mittlererweise unter die gebilligten Lehrbücher aufgenommen-

Kleine lateinische Sprachlehre, zunächst fOr die untern und m itt 1 e r n Klassen der Gymnasien bearbeitet von Dr. Ferd. Schultz. 14. verbesserte Ausgabe. Paderborn, Schöningb. 1874 274 S. in 8. Pr. 1 Mk- 75 Pf. Die neue Auflage hat einzelne Berichtigungen uud Zusätze, teilweise auch eine grössere Uebersichtlichkeit in der An- ordnung erhalten.

Stichverse der lateinischen Syntax aus klassischen Dichtern gesam- melt von Dr. Gustav Härtung. Leipzig, Teubner. 1874. 64 8. in kl 8. Pr. 75 Pf. Eine hübsche Beispielsammlung, von der wohl ein Teil beim Unterrichte mit Auswahl verwendet werden kann; ein anderer Teil freilich bedürfte m viel Erklärung, um auf der Unterricbtsstufe, auf welcher die lateinische Syntax gelehrt wird, und aus dem Zusammen- hang gerissen, verstanden zu werden

Lateinische Grammatik für Gymnasien und Realschulen von Dr. Johannes von Gruber. Erster Teil. Formenlehre. 5. Aufl. Leipzig. Teubner, 1874.

Zebettuayr's Lexieon etym. (Wien, Holder) ist im Nro. 41 des „literarischen Centraiblattes" besprochen. Dasselbe hebt namentlich den „grossen Flciss" hervor, mit dem der Verfasser seiner Aufgabe, nach Wurzel und Suffix die Wörter etymologisch zu erklären , gerecht zu werden gesucht hat und , seine Arbeit", wird dann noch angefügt, „ist ohne Zweifel dankenswert". Als „Fachmann" führt Hr. Recensent als wenigstens zweifelhaft Zehetmayr's Erklärung von Severus , sere- nus an*). Ein Zusammenhang von ä-pcm mit wird dann namentlich in Abrede gestellt. Die Analogien seien in „geradezu verwirrender Menge beigebracht". „Die Verfolgung der einzelnen Wortstämme bis herab in die neueren Sprachen und Dialekte füllten das Buch mit zwar interessantem, aber überladendem Stoffe' Nach seinen Ausstell- ungen schliesst der Recensent: Gleichwol ist das Buch, zumal da es mit sorgfältigen Indices ausgestattet ist, recht brauchbar. Niemand, der den Forschungen auf indogermanischem Sprach- gebiete ferner steht, wird in ihm nachschlagen, ohne reiche Belohnung aus ihm zu schöpfen.

Cicero's ausgewählte Reden erklärt von Karl Halm. V. Bdcben. Die Rede für T. Annius Milo, für <^u. Ligarios und für den König DejotaruB. Siebente, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1874 Wie jede Auflage, so weist auch diese neue Verbesserungen im Ein- zelnen auf.

Xenophons Anabasis. Erklärt von C. Rehdantz Zweiter Band. Buch IV VII. Dritte, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1874. Die methodische Einrichtung dieser Ausgabe darf als bekannt vorausgesetzt werden. Die Verbesserungen beziehen sieb auf Einzel- heiten. Nicht unerwähnt kann bleiben, dass der Notendruck in den neuen Ausgaben der Weidmonn'schen Sammlung fast bedenklich für die Augen ist.

Herodotos erklärt von Heinrich Stein. Dritter Band. Buch V und VI. Dritte, verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1874.

*) Der Verfasser des „Lexieon" wird uns vielleicht eine kurze Be- gründung seiner Erklärung zugehen lassen D Red.

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Ausgewählte Komödien des P. Terentius Afer. Zur Einführung in die Leetüre der altlateiniscben Lustspiele erklärt von Carl Dziatzko. Erstes Bändeben. Phormio Leipzig, Teubner. 1874. Die Ausgabe scbliesst sieb nach Zweck und Einrichtung an die anderen zu dieser Sammlung gehörigen an. Eine Einleitung gibt das Notwendigste über die Vorgeschichte der alt klassischen Komödie, über das Lehen und die literarische Tbätigkeit und Bedeutung des Terentius. über die Aufführung der Stücke, endlich die Prosodie. Angefügt ist eine Ueber- sicht der Metra und ein kritisch -exegetischer Anhang. Möge die Aus- gabe dazu beitragen, dass ein auf den Gymnasien einst viel gelesener, seit längerer Zeit aber ganz ausser Kurs gesetzter Autor wieder reak- tiviert werde, der dem Schüler nicht bloss das antike Leben näher rückt, sondern auch das historische Verständniss der lateinischen Sprache vermittelt.

Kurze Regeln der griechischen Syntax, zum Gebrauche in oberen Gym- nasialklassen, zusammengestellt von Dr. Ludwig Till mann s. Teubner 1874 8. 56 S. „Die Ueberzeugung, dass die griechische Syntax von Schülern des Gymnasiums aus kurzen Regel Sammlungen besser gelernt wird, als aus ausführlichen Grammatiken", die sich nach dem Vorworte des Verfassers immer mehr zu verbreiten scheint, dürfte kaum jemals die Mehrheit der Lehrenden für sich gewinnen Wie schwierig es ist, mit der in solchen Regelsammlungen notwendigen Kürze auch die nötige Verständlichkeit und Richtigkeit zu verbinden, beweist auch dies Büchlein des in allen Gebieten der griechischen Syntax wolbewanderten Verfassers; denn neben manchen treffenden Bemerkungen finden sich darin doch auch viele Regeln, die nur zu halbem Verständniss und damit zu verkehrter Auffassung führen müssen, z. B §31: Genitivus qualitatit wie im Lateinischen, §81, 86, 121, 134 Die wichtige Präpositionslehre ist auf nicht ganz zwei Seiten doch etwas gar zu kurz abgefertigt. Aufge- fallen ist die auch § 114 wiederholte Regel in § 13<\ dass Nebeusätze nach Nebcntemporibus aueb Optative mit «V in den blossen Optativ (ohne«»') verwandeln können, und die Aufnahme der rein dichterischen Ausdrücke oiingreiy und fuvecttvtw in §§ 36 und 38. Die Beispiele sind meist gut gewählt; ganz ungeeignet scheint nur das zweite Beispiel in § 121. Der Druck ist ziemlich rein ; nur findet sich ötterB ov statt ov und in § 127 dreimal tag statt a»c Für Schüler, welche die griechische Syntax schon kennen gelernt haben, dürfte sich das Büchlein zur Wiederholung der wichtigsten Regeln trefflich eignen

Sammlung von Musteraufsätzen für die mittleren Klassen der Gymnasien, Keal- und höheren Bürgerschulen herausgegeben von Dr. K. Hoffmann. Berlin, 1874. Verlag von Wilb. Schultze 230 S. in 8. Die „Musterstücke" sind unverändert aus verschiedenen Werken von ungleichem Werte herübergenommen und nach den Gebieten, aus denen sie entlehnt wurden, geordnet. Unter der grossen Anzahl befinden sich immerhin viele, die sich zur Reproduktion eignen; andere dürften besser in einem Lesebuch Platz finden.

Handbuch der deutschen Literatur. Eine Sammlung ausgewählter deutscher Dichter und Prosaiker, von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart, nebst literargesebichtlichen und biographischen Notizen für höhere Unterricbtsanstalten und Freunde der deutschen Literatur herausgegegen von Prof. Dr. J A. Lehmann Zweite, unveränderte Auflage. Zwei Teile in einem Bande. Leipzig, T. 0. Weigel 1874.

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Preis 1 Tblr 15 Sgr. Der erste Teil enthält die Poesie (577 S ), der zweite Teil die Prosa (512 S) Das Ganze ist geeignet, die Entwicklung der deutschen Literatur durch Probestücke von der ältesten bis auf die neueste Zeit zur Anschauung zu bringen und das Interesse an der deutschen Literatur und dem deutschen Vaterlande zu fördern. Der Inhalt ist sehr reich , der Preis im Verhältniss dazu sehr mässig. Kurze literarhistorische Notizen vermitteln gleichsam den Zusammen- hang zwischen den verschiedenen Perioden, die einzelnen Autoreu sind mit den wesentlichsten biographischen Daten eingeführt. Wenig Wert haben in solchen Sammlungen die aus Dramen mitgeteilten Bruchstücke.

Lehrbuch der Poetik für höhere Lehranstalten. Von Dr. Chr. Fr. Alb. Schuster. Clausthal. Grosse'scbe Buchhandlung. 1874. 83 S. in 8. Das Büchlein schliesst sich eng an die in demselben Verlage erschienenen trefflichen Hoffmann'schen Lehrbücher für den deutschen Unterricht an. Der Verfasser stellt sich auf den Standpunkt, den auch unsere neueste Schulordnung einnimmt, dass die Belehrung über Fragen der Poetik auf unseren Schulen nicht systematisch, kursusmässig zu behandeln, sondern zunächst und vorzugsweise aphoristisch, gelegent- lich, an die Lektüre der klassischen Dichter geknüpft sein soll. Er verlangt aber, und das gewiss mit Hecht, dass das gelegentlich Erörterte zu einem Ganzen znsammengefasst werde, in welchem der wissenschaftliche Zusammenbang des Einzelnen dem Schüler zum klaren Bewusstbein gelange; er verlangt eine abschliessende Belehrung über gewisse Begriffe und Gesetze, auf denen der Unterschied der verschie- denen Dichtungsarten beruht. Lassen wir die Frage dahingestellt, ob die Poetik besser auf aphoristischem oder systematischem Wege bebandelt wird: das Büchlein ist im einen wie im andern Falle mit Nutzen zu gebrauchen. Es beschränkt sich auf das Wesentliche, berücksichtigt stets das praktische Bedürfniss des Schulunterrichts und empfiehlt sich durch gedrängte Form der Darstellung, übersichtliche Zusammenstellung des Lehrstoffes, Hinweis auf die Quellen und Betonung des ästhetischen Momentes.

L'art poetique de Boileau-Despriattx, avec des notes explicatives, littiraires et philologiques par G. H. F. de Castres. Nouvelle edition soigneusement revue et corriqee par A. Klautzsch. Leipzig, C. A. Koch. 1874 . 63 S. in 8 Preis 10 Ngr. Die Noten (unter dem Text) sind französisch geschrieben, ziemlich reichlich, durchaus sach- licher, nicht sprachlicher Natur.

Methodische Grammatik der französischen Sprache. Elementar- kursus. Mit Zugrundelegung des Lateinischen bearbeitet und mit Uebnngsaufgaben versehen von Dr Otto Liebe, Oberlehrer am k. Gym- nasium zu Chemnitz. Leipzig, Druck und Verlag von B G. Teubner. 1874. Das Büchlein ist für solche Anstalten bestimmt, an welchen das Lateinische einen Hauptgegenstand des Unterrichtes bildet. Es enthält auf 103 Seiten die Formenlehre des Nomens und des regelmässigen Verbums, wobei die Beziehungen zur lateinischen Grammatik soweit berücksichtigt sind, als sich ein praktischer Nutzen daraus ergibt. Der Wortschatz aller zu lernenden Vokabeln Noten stehen nemlich unter dem Text der Aufgaben nicht - ist auf etwa 700 beschränkt, über welche am Ende des Werkchens ein Register mit Angabe der §§., in welchen sie sich finden, angehängt ist.

Collection of British and American Standard Authors, XII. A Stlection from Thackeray's „English Humorist*", „Miscellanies and

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Roundabout Papers". 1874. 131/, Ngr. Die Einrichtung wie bei übrigen Stacken dieser von Dr. Ahn herausgegebenen, bei E. Fleischer in Leipzig verlegten Sammlung

Dr. Franz Sommer, Leitfaden beim ersten Unterricht in der Algebra. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1874. Begreiflich ist es bei dem ersten Unterricht in der Mathematik vornehmlich der algebraische Lehrstoff, welcher dem Anfänger Schwierig- keiten bietet. Die Gesetze nun der 7 Operationen ausführlicher zu besprechen, als dies der enge Rahmen eines Lehrbuches gestattet, ist der Zweck dieser Schrift. Mit Recht hebt dabei der Verfasser zwei Punkte hervor, dass nemlich der Schaler bei den Beweisen methodisch verfahre und dass er eine algebraische Formel abersetzen lerne Er unterscheidet bei jeder einen algebraischen Satz aussprechenden analytischen Gleichung das formelle und das wirkliche Resultat der Rechnung; wie die Richtigkeit des letzteren jedesmal festgestellt wird, den Einblick in das zu beobachtende Verfahren legt er in so aber- zeugender Weise blos, dass dieses selbst auch minder Begabten ein- leuchten muss. Dieser Leitfaden wird daher aberall, wo er zur Ein- fahrung gelangt, nicht verfehlen Nutzen zu stiften.

Dr. August Hoffmann, Sammlung planimetrischer Aufgaben, 2. Auflage, Paderborn, Druck und Verlag von Ferdinand Schöning h. I87;>. Sammlungen dieser Art kennt die mathematische Literatur mehrere, darunter vorzügliche, wie jene von Gandtner und Junghans. Meist jedoch entbehren sie einer durchgreifenden Methode, durch deren Eenntniss der Schüler befähigt wird, an die Lösung geo- metrischer Aufgaben mit Aussicht auf Erfolg heranzutreten. Die stets gleiche, leicht zu fassende allgemeine Methode, welche der Konstruktion der hier aufgenommenen Aufgaben zu Grunde liegt, bildet einen Vorzug dieser Sammlung, der nicht hoch genug ange- schlagen werden kann und noch durch das besondere Gewicht erhöht wird, das der Verfasser auf die Determination legt, für welche allgemein giltige Regeln aufgestellt sind. Referent benützt gerade dieses Buch mit Vorliebe, und ist der Ueberzeugung , dass es auch seine Col legen befriedigen werde; es ist eine Frucht mehrjähriger Erfahrung und reicher Sachkenntniss.

Erster geographischer Unterricht. In Fragen und Antworten. Für die erste Klasse der Mittelschulen und für die oberen der Volks- und Bürgerschulen. Von Anton Heinrich, k. k. Professor am Ober- gvmnasinm in Laibach. Mit 68 in den Text gedruckten Figuren, Karten und Bildern. Wien 1874, Verlag von A. Pichler's Witwe und Sohn. 142 8. in 8. Den Schaler in der untersten Klasse der Mittelschule über die Gestalt der Erde und ihr Verbältniss zum Weltall in allgemeiner, aber klarer Weise zu unterrichten, ist gewiss keine leichte Autgabe. Daher verdient jedes Lehrmittel, das sich als Ziel setzt, den ersten Unter- richt in der Geographie in fasslicher Form zu bieten, Beachtung. Der Verfasser, der eine reiche Erfahrung im Lehrfacbe und eine richtige Erkenntniss für die Bedürfnisse und die Leistungsfähigkeit der Schüler besitzt, wendet in seiner kurz gefassten Darstellung über die Erdgestalt und die Erdoberfläche die katechetische Lehr- methode, wie es dem Referenten erscheint, mit Erfolg an. Im 1. Abschnitt handelt er über die Vorkenntnisse aus der physischen Geographie, im 2. Abschnitt über die mathematische Geographie, im

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3. Abschnitt über die Erdoberfläche und im 4. Abschnitt aber die topische Geographie. Beim ersten geographischen Unterricht erleichtern Abbildungen in der Hand des Schülers das Verst&ndniss ungemein. Die 68 in den Text gedruckten Figuren, Karten und Bilder dienen zum grössten Teil dazu, die Kenntnisse zu erweitern und zu befestigen, nicht aber die blosse Schaulust zu befriedigen. Die Genauigkeit in den statistischen Angaben dem ausgezeichneten „Lehrbuche der Geographie von Dr. H. Gutbe, 2 Aufl., Hannover 1872" entnommen und die schöne, zweckentsprechende Ausstattung dienen dem Büchlein zur Empfehlung

A. Christ, din einfache Buchführung theoretisch und praktisch mit wesentlichen Verbesserungen und Control -Einrichtungen 5. ver- mehrte Auflage. Elberfeld, Sam. Lucas, und

A. Christ, die doppelte Buchführung theoretisch und praktisch etc., unter besonderer Berücksichtigung der Actiengesellscbaften. Elberfeld, Sam. Lucas. Unmittelbar aus der Praxis hervorgegangen, geben diese Lehrbücher die einfache Buchführung in vervollkommneter Gestalt, sowie auch die Grundzüge der doppelten Buchhaltung, logisch geordnet, in sehr klarer, verständlicher Weise. Da sie den Stoff für sämmtliche Sparten des Geschäftsbetriebes eingehend behandeln, dürften sie sich sowol zur Einführung an Lehranstalten als auch zum Selbstunterricht bestens empfehlen.

L. Baum blatt, Buchführung für Gewerbe, Handel und Landwirt- schaft Zur Benützung beim Unterricht in Gewerbe - , Handels -, Industrie und Fortbildungsschulen. Mannheim L Schneider. 1874.

L. Baumblatt, Handelskunde für Handels-, Gewerbe- und Fort- bildungsschulen, sowie für Industrieschulen. 2. Auflage. Mannheim L. Schneider. 1874.

Der höhere Lehrerstand in Preussen. Culturhistorische Skizze von Herbert S oller. Berlin, Robert Oppenheim. 1876. 34 S. in 8. Preis 75 Pf. Die Darstellung macht zwar den Eindruck, dass die Farben etwas stark aufgetragen sind; aber wenn man auch einiges in Abzug bringt, bleibt immer noch so viel übrig, dass wir in Bayern mit Befriedigung auf die einschlägigen Verhältnisse bei uns blicken können. Denn manches von dem, was der Verfasser drückend empfin- det und darum bitter tadelt, haben wir nie gehabt, anderes längst überwunden. Man möchte fast glauben, dass man im Norden doch auch einiges von uns lernen könnte. Das Schriftchen wird namentlich solchen empfohlen, welche in dem Wahne leben, dass dort alles vor- trefflich sei.

Mängel und Missstände im höheren Schulwesen. Von Cl. Kohl. Neuried und Leipzig. Heuser'sche Buchhandlung 1874. Der Ver- fasser sucht den Grund der Uebelstände zunächst und zumeist in dem Mangel an tüchtigen Lehrern, den er hinwiederum damit erklärt, „dass l) unsere Philologen auf der Universität zu wenig das studieren, was sie als Lehrer dereinst lehren müssen, und 2) dass sie auf der Univer- sität nicht lernen, wie man lehrt und erzieht". Er verlangt daher, dass der Staat Gelegenheit biete, an der Universität auch Pädagogik und Methodik, und nicht bloss theoretische zu erlernen, und macht Vorschläge für die Einrichtung eines pädagogischen Seminars. Man kann nicht läugnen, dass das Schriftchen, das mit den Lehrern streng

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in's Gericht geht, viel beherzigenswertes enthält, wenn auch anderes, x. B was es über den ersten fremdsprachlichen Unterricht sagt, wenig Anklang finden wird.

Erläuterungen zu den deutschen Klassikern. Leipzig. Verlag von Eduard Wartig, 1874. Preis p^r Bandeben 75 Pf. 24. B&udchen. Klopstorks Oden 1. Von Heinrich Düntier. Zweite, neu durch- gesehene Auflage. Der Erklärung der Odeu geht eine längere Ab- handlung (82 Seiten) „Klopstock als lyrischer Dichter" voraus. Ausser diesem sind noch weitere 5 Händchen zur Erläuterung Klopstock'scher Oden bestimmt.

Deutschlands spielende Jugend. Eine Sammlung von mehr als 430 Kinderspielen, auszuführen im Ereien und im Zimmer. Herausgegeben von F. A. L Jakob. 2. vermehrte und sehr verbesserte Auflage. Leipzig, Eduard Kummer- 1875 4.10 S. in 8. Der Verfasser, ein alter Turner aus der L. Jahn'scben Zelt, hat sein reiches, wolgeordnetes Material teils aus andern älteren Schriften ähnlichen Inhalts, teils aus dem Volke geschöpft. Der Begriff „Kinderspiel" ist im weitern Sinne aufgefasst, so dass auch für Erwachsene etwas abfällt. Eltern, Lehrer und Erzieher können für alle Zeiten und Verhältnisse Passendes daraus schöpfen; in die Hände der Kinder gehört es schon deshalb nicht, weil diese sonst versucht sein könnten, das nur der Erholung dienende Spiel zur Hauptbeschäftigung zu machen.

Statistisc Los.

Enthoben: Der Lehramtsverweser für neuere Sprachen an der Gewerb- schule Landau, Eber lein.

Quiesciert: Auf ein weiteres Jahr Prof. Maurer an der Industrie- schule München; ständig der zeitlich quiescierte Rektor der Gewerbschule Zweibrücken, Marz all; Prof. Dr. Zaun er in Eichstätt.

Ernannt: Lcbramtskand. Friedr. Mayer (Konk. 1872) zum Studl. in Ansbach; Lehramtskand. Kühnlein (Konk. 1873) zum Studl. in Neu- stadt a H. ; Wolpcrt als Lehrer für neuere Sprachen an der Ge werb- schule Landau; Pfarrexp. Zeit ler als Lehrer für katholische Religion an der Gewcrbschule Wunsitdel; \ Lehraiutsverw. Lehert zum Lehrer für neuere Sprachen an der Gewerbschule Weiden; Studienlehrer Ferdi- nand Schöntag in Regensburg zum Gymn -Professor in Speierl; Ass. Krebs in Bamberg (Konkurs 1871) zum Studienlehrer in Regensburg; Ass. 6 eher er in Speier (Konk. 1871) zam Studienlehrer in Edenkoben; die Lebramtsverw. Schneider zum Lehrer für Chemie und Naturgeschichte an der Gewerbschule Traunstein, h Inländer zum Lehrer für Zeichnen und Modellieren an der Gewer bscbule Kissingen; Lehramtskand. Schmidt zum Lehrer für Zeichnen an der Gewerbschule Landshut.

Versetzt: Der Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerb- schule Lindau, Rietz, an die Handelsschule in München; Prof. Britzl- mayr von Speier nach Eichstätt.

Gestorben: qu. Professor Borscbt in Speier; Studienlehrer Heinrich Cron in Ansbach.

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B erich tigungeo. Seite 20 Zeile 10 v. u. lies t = 2. 4 l/i statt

-•Vi"

Seite 22 Zeile 17 v. o. lies Ipf statt 2>p.

Die in meinem Artikel über das Foucault'sche Pendel angegebenen Wertbe von ß ergeben sieb aus der in dem 8. nnd 9. Hefte des X. Jahr- ganges fehlerhaft angegebenen Gleichung für ritt ß, die ich nicht vertrete. Nachdem dieselbe berichtigt ist, ergeben sich natürlieh auch andere Zahlenwerthe für ß. Dieselben berechnen sich

bei a = 90° auf ß = 37', « = 60° ß 35', « ~ 30° ß = 15*. Im Uebrigen besteht keine Veranlassung zu einer weiteren Ver- änderung. Schelle.

Was Seite 45 unter 9 steht, gehört als 11 zur „Zeitschrift für das Gymnasialwesen", Seite 46.

Der Sterbkasse- Verein für die Lehrer an den technischen Unter-

ricbtsanstalten in Bayern.

Der Sterbekasse - Verein für die Lehrer an den technischen Unter- richts - Anstalten iu Bayern zählte am Schlüsse des Jahres 1873 in 39 Obmannscbaften 377 Mitglieder. Zu diesen kamen im Jahre 1874 noch 23 neue Mitglieder dazu, während 7, und zwar 4 durch Tod, 3 durch freiwilligen Austritt, abgingen, so dass der Verein das Jahr 1874 mit 393 Mitgliedern schliesst. Mit Ausnahme der Gewerbschule Mem- mingen sind sämmtliche Realgymnasien, Industrieschulen, Gewerb- schulen und Landwirthschaftsschulen , wenn auch oft nur durch einige Kollegen, im Verein vertreten.

Die Einnahmen betrugen im Jahre 1874 fl. 3099. 3 kr , die Ausgaben fl. 2425. 14 kr. Der Vermögensstand entziffert fl. 2578. 12 kr. Hieven sind fl. 617 45 kr. für den nächsten Todesfall reserviert, das Uebrige bildet den Reservefond, welcher nach Abzug von 78 fl. 12!kr Baarbestand der Kasse mit i960 fl 27 kr. verzinslich angelegt ist. Während seines nunmehr 9jährigen Bestehens zahlte der Verein für 42 Todesfälle die Summe von 37752 M. an die Hinter- bliebenen aus. L.

Gedruckt bat J. Gotte*winlM * MömI in München, ThcatiuerstraMe 18.

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Einladung

zur I. Generalversammlung des Vereins der Lehrer an den technischen Unterrichtsanstalten Bayerns.

Nach dem Beschlüsse der VI. Wanderversammlung der Lehrer an den technischen Unterrichtsanstalten Bayerns soll die I. Generalver- sammlung unseres Vereines in München abgehalten werden.

Da sich nun die Mehrzahl der VereinBmitglieder für die Abhaltung dieser Versammlung während der diesjährigen Osterferien ausgesprochen hat, so wird dieselbe von dem geschfiftsführenden Ausscbuss auf

Dienstag den 30. nnd Mittwoch den 31. März 1. J.

festgesetzt.

Die Vorversammluog findet am Dienstag, den 30. Marz Abends 8 Uhr statt.

Da unter anderem besonders auch die Berathung und Besch luss* fassung über die Vereinsstatuten einen wichtigen Gegenstand unserer Verhandlungen bilden werden, so legen wir ein Exemplar des von der letzten Versammlung provisorisch angenommenen Entwurfes bei.

Abänderungsvorschläge, sowie anderweitige Aufträge, die auf der Generalversammlung oder in den SectionsMtzungen zur Besprechung kommen sollen, erbitten wir uns spätestens bis 26. Februar.

Anmeldungen, sowie etwaige Aufträge hinsichtlich der Wohnungen wollen längstens bis 20. März an den Realienlehrer der Krei9gewerbschule München, Herrn J. Wollinger, Blumenstrasse 17, gerichtet werden.

Weitere Aufschlüsse über das Versammlucgslocal und dgl. werden in unserem Vereinsorgane bekannt gegeben, sowie sie auch Dienstag, den 30. März im Gebäude der Ereisgewerbscbule München, Damen- stiftsgasse 2/z bereitwillig ertbeilt werden.

Im Interesse der Sache hofft man auf möglichst zahlreiche Be- theiligung der geehrten Herren Kollegen.

Augsburg, den 26. Januar 1875.

Der geschäftsführende Ausschuss:

Pfeiffer.

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Homerisches Allerlei.

III Vom Purpur.

(Fortsetzung.)

3. noQtpvqeoq sprachlich betrachtet.

Schwieriger liegt die Frage bei noQ<pvQeog, dessen Etymologie ebenfalls nicht über allen Zweifel erhaben, aber für eine entscheidende Antwort unterzulegen ist. Dieser Stamm ist bei Homer 34, bezw. 30mal verwendet, in 15 Fällen von Stoffen, in 15 von anderen Verhaltnissen. Vergleichen wir zuerst die letzteren 15 Stellen der homerischen Gedichte, so fällt auf, dasB die nämlichen Gegenstände bald schwarz, ptXas, xeÄaivo'f, bald noQyvQeos heissen, so das frisch fliessende Blut xtXat- ve<pes (J 140) und piX** (ib. 149; vgl. auch A 303; n 441); die damit befleckten Gegenstände werden dann v 141 ff. dem phönizisch gefärbten Elfenbein verglichen, und die Erde wird davon (P 361) münzt nog- (fv^tio benetzt. Der Tod heisst II 834 und u 92 piXuc (s. Ameis z. d. St.), aber E 83; JZ 334; Y 477 ganz in demselben Zusammenbang 7ioQ<pvQios. Wird ferner P 551 von einer .logtpvQiQ yeg>^Xfj geredet, so £ 22 von einer ptXaiya. Und wenn ebendurt P 547 die Wolke der noQtpvqii} im; im Gleichnis gegenüber steht , so wird auch diese verführerische Epithesis paralysiert durch A 26 f.. wo an den Xqicow die xvayeot Squxoyrtq veranschaulicht werden sollen; dass dies der Farbe gilt, ist wenigstens die wahrscheinlichste Erklärung. Dem päXay xvfitt (daXdaanO V 693 (cf. n 64; 16) steht gegenüber xv/ut ;,og- <pvQtov SaXctootje (A 482 =^ ß 428; X 243; v 85), äXu noQtpvQiw {II 391), nupyrotov xifxa ziotafioto (* 326). Darunter Bind doch Verhältnisse, wie der Tod, die Wolke, das Meer, bei welchen an eine wirklich rote Farbe gar nicht gedacht werden kann ; es muss sich zunächst nur um das „Dunkle" bandeln. Düntzer's oben erwähnte Beobachtung war also auch auf das Wort noQfpvQw auszudehnen, und dieses ist in den obigen Stellen Ausdruck einer subjektiven Farbe.

Das Gefundeue stimmt sodann mit der wahrscheinlichsten Etymologie des Wortes. Nämlich: „Dunkel" als Grundbedeutung hatDöderlein im Homer. Glossar III S. 331 ebenfalls schon angenommen, wenn auch seine Ableitung von yoQvvsty unhaltbar ist. (Verwandtschaft besteht natürlich.) A. Fick im „Vergleichenden Wörterbuch der indogermanischen Sprachen" (Göttingen. 1870 S. 140), welchem G. Curtius (Grunds, der gr. Et. 8. 2843) zustimmt, erkannte das Wort richtiger als Intensivform ent- sprechend dem Skr. jarbhur, zurückzuführen auf die W. bhur mit der Bedeutung: „sich heftig bewegen". In der That gebraucht Homer das Verbum /io^upc"' »»r von der unruhigen, aufgeregten Beweguni? des Meeres (S 16) und vergleichsweise des Herzens, der Gedanken (* 551 ; BUtier L d. b»yer. GymnuUlw. XL J«hr». 7

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i 427 = 572; * 309). Das war auch Aristarch's Anschauung laut Schol. Villois z. S, 16: etta&ey öxtty «e/'i»' xiyqfiaxos ij

Xaooa, ur).( i tlfiv cfto ftexaipigei irxi xov( xaxd i/>»/jjV fiegifxyüyxaf xai TaQaoeofityovg*). Ebenso spricht sich Lobeck in Path. Elena. I p 160 aus; am ausführlichsten hat diesen Begriffsübergang, wenn auch von einem unrichtigen Etymon aus, erörtert und begründet C. W Lucas in seinen nach ihrem Princip so wenig beachteten quaestioms lexilogicae, wovon §§. 115 sqq. hieher gehören. Man vgl. noch A- Fulda, Unter- suchungen über die Sprache der homerischen Gedichte I S. 40 f. An eine Färbung dabei zu denken, ist nicht der geringste Anlass. Aber aus der unruhigen Meeresbewegung erklärt sich, wie noQ<pvQeoe zur Farbebezeichnung werden konnte. Die aufgeregten Meereswellen sind trübe und dunkel (s. oben Aristarch); werden die Wellen von Sonnen- strahlen getroffen , so gibt ihnen die Brechung des Lichtes, besonders der am Morgen oder Abend schwach einfallenden Sonnenstrahlen einen rötlichen Schimmer; das Dunkle schillert ins Rote. Zum Ueberflüss hat Aristot. d. color. c. 2 diese Beobachtung, welche man natürlich längst vor ihm gemacht hat , und welche die Reiseaden der Neuzeit wiederholt haben, bezeugt: <paivtrai ök xai i} »dXaxxa rropyrpoewfijf, oxav xd xvuaxu pex e ta g ifo' fxe v a x«r« rijV syxXiaiy axtuc&p »pof ydq xov xavxiji xXioudv aa&eveit al xov rtXiov uvyai TigoaßdXXovaat noiova <t an Fad et t6 /peu^« (tXovQyiq (über den letzten Ausdruck = noQqjvgeov gleich nachher ein mehreres) Ist das nicht dasselbe, was 200 Jahre früher Simonides mit poetischer Kürze angedeutet in den Worten noQyvQiag dX6( dfiyixagaoaofjt'vas (frg. 51)? (Vgl. Ameis £. ß 428. Oöthe, Farbenlehre §. 57. Lucas 1 1. p. 190 mit anderer Argumentation §§. 133 sqq). Das aufgeregte Meerwasser, xvpa nogtpvQeoy ist also, je- nachdem, beides: dunkel und rotschillernd

Aus dem Bisherigen ist soviel klar, dass noQ<pv(>$os zuerst und noch bei Homer keine bestimmte Farbe, und dass es, entgegen Fried - reich's Annahme (Realien S. 332*), keinen Färbestoff bezeichnete, sondern nur einr Farbeerscbeinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches bald ganz dunkel, bald rötlich schimmernd erscheint. Dieser Gebrauch bleibt bei den Dichtern, soweit die uns erhaltenen Reste ein Urteil gestatten , vorherrschend bis auf Aischylos , wie folgende Zusammen- stellung gegenüber den wenigen später vorzuführenden Stellen ausweiset. Man beliebe zu beachten: Allem, frg. 53: iiogyvgiag dX6s Theogn. v.

•) In gleichem Sinne Schol. E z ß, 428 und Schol. B, E, Q, Vulg z. <f, 427, desgleichen Eust. z. d St. und z. ß, 428, wo zu lesen ist xo de noQfpVQtoy yxeiwxiu xjj SaXdaafl, o$ey dXtnogopvga nagd xoig naXtuoig, aXixkvaxtt, aXovgyd, nog<pvgä (nicht nog<pvgd, b. Schweigh. z. Athen. XII p. 525, d.)

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1035: noQ(pvQirjq Xipvqq. v. 828: noQtpvoiovz ategxtvovs zum Kopf- schmuck bei Festgelagen, also von Rosen zu verstehen. Simon, frg. 51 (8. oben); frg. 72: nootpvQiov dJ dno axofjuttoi leiaa tpioyäy naQ$4vos. Pbrynich. b. Ath. XIII p. 604: Xa/unsi cP ini noQtpvQiutq nttQ^ai (pug iQtaros von der Schamröte. Anakr. frg. 2, 3: noQtpvQfy 'j(pQodiin gegenüber den .Vt/>gp«i uwummttt. Find. Pyth. IV, 183: nregoioiy noQ<pvQ60K, Nem. XI, 28: noQtpvQiois igveoiy, Ol VI, 55: u»y gay&ttoi xrti 7itt(jmoQ<fv<}<n$ ttxxiot. [Atsch. Suppl. 629: Xiina noQ<pvQoetdei.] Immerhin zeigen diese Stellen auch schon eine Verschiedenheit von dem erkennbaren homerischen Gebrauch ; die Verwendung von noQtpv- otoi verbreitet sich von dem dunkelroten Schiller der Meereswellen bis zur sanften Röte eines feinen menschlichen Antlitzes und dem Schiller der hellfarbigen Violen (vgl. über diese V. Hehn, Cultur- pflanzen und Haustiere S. 173). Den Zeitgenossen des Sophokles war dann die ursprüngliche Vorstellung von nogyroeos bereits entschwunden, und sie verstanden solche dichterische Stellen, wie die aufgeführten, lediglich als Vergleiche mit dem wirklichen Purpur. Darüber sind wir direkt belehrt durch die schlechten Witze, welche Athenaeus (XIII p. 604, a und b) aus den 'r.mdijfiiai des Dichters Jon aufbewahrt hat.

Wenn wir also den homerischen Gebrauch allein beachten, oder auch wenn wir jenen der ältesten Lyriker, wie wir ihn überwiegen sehen , danebenstellen und bedenken, dass in der Dias ausser einer einzigen Stelle alle Farbebezeichnungen nur subjektive sind, so recht- fertigt nichts, die spezielle Bedeutung: „Purpur" vorauszusetzen; keine einzige der 17 genannten Stellen hat diesen Begriff zur notwendigen Voraussetzung, im Gegenteil es wäre unnatürlich, wenn die Griechen, welche zweifelsohne das Meer früher kennen lernten als den Purpur, von diesem eine Eigenschaft auf's Meer übertragen hätten, und es wäre unerklärlich, wie aus dem Grundbegriff Purpur heraus das Wallen des Meeres hätte noQtpvgeiy genannt werden sollen. Wol aber ist in dem erörterten homerischen Gebrauch der Ursprung der späteren gewöhnlichen Bedeutung von nogyvQa ersichtlich und erklärlich; denn wol ist es natürlich, dass die Griechen, den Schiller des Purpurs kennen lernend, diesen mit dem längst gekannten Schiller der Meeres- wellen verglichen. Wie passend sogar zu einer solchen Begriffsent- wickelung dieser Stamm verwendbar war, kann nicht verkennen, wer sich gegenwärtig hält, was schon Bocchart 1.1. II p. 733 1. 30 ange- deutet, dann 1. 51 wieder aufgehoben, Schmidt (a.O. 8. 149 f., 127 und besonders 157) schärfer durchgeführt hat*), daas zum Wesen des Purpurs das Rote nicht gehört, sondern „das glänzende schillernde Farbenspiel"

*) Amati 1 1 c XXVH p 36 sq. erkennt in dem Schiller wenigstens einen Hauptvorzug des Purpurs.

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t 427 = 672; x 309). Das war auch Aristarch's Anschauung laut Schol. Villois z. S, 16: eitadey öxay «'p*'?*' XapßuvQ xiyrjfAaxog >} $ß- Xttooa , (AzXnyifciv' dto fAixatpiQBi ini xovg xaxii if/v^tjy (AtQifuvüvxttg *°* raQaaoo^iivovg*). Ebenso spricht sich Lobeck in Path. Elem. I p 160 aus; am ausführlichsten hat diesen BegrifFsübergang, wenn auch von einem unrichtigen Etymon aus , erörtert und begründet C. W Lucas in seinen nach ihrem Principso wenig beachteten quaestiones lexilogicae, wovon §§. 115 sqq. hieher gehören. Man vgl. noch A. Fulda, Unter- suchungen über die Sprache der homerischen Gedichte I S. 40 f. An eine Färbung dabei zu denken , ist nicht der geringste Anlass. Aber aus der unruhigen Meeresbewegung erklärt sich , wie nogipvgeog zur Farbebezeicbnung werden konnte. Die aufgeregten Meereswellen sind trübe und dunkel (s. oben Aristarch); werden die Wellen von Sonnen- strahlen getroffen , so gibt ihnen die Brechung des Lichtes, besonders der am Morgen oder Abend schwach einfallenden Sonnenstrahlen einen rötlichen Schimmer; das Dunkle schillert ins Rote. Zum Ueberflnss hat Aristot. d. color. c. 2 diese Beobachtung, welche man natürlich längst vor ihm gemacht bat , und welche die Reisenden der Neuzeit wiederholt haben, bezeugt: tpaivexai Sk xai i? &äXaxxa nogqivQoeiSijg, oxav Ter xvfiaxu fi er e <a g i ( 6 u e v « xaxri x*jy eyxXiaiy axiua&fj ngog yog tov xavxyg xmouov no&evetg al xov rtXiov avyai ngoaßaXXovoai notovai (faireaOat To xgaifja aXovgyig (über den letzten Ausdruck = noQtpvQSO?

gleich nachher ein mehreres) Ist das nicht dasselbe, was 200 Jahre

früher Simonides mit poetischer Kürze angedeutet in den Worten vogcpvgittg nXog d^rfixugaaao^iyng (frg. 51)? (Vgl. Ameis z- ß 428. Oöthe, Farbenlehre §.57. Lucas 11. p. 190 mit anderer Argumentation §§. 133 sqq). Das aufgeregte Meerwasser, xvua nogrfvgeoy ist also, je- nachdem, beides: dunkel uud rotschillernd

Aus dem Bisherigen ist soviel klar, dass nogyvgeog zuerst und noch bei Homer keine bestimmte Furbe, und dass es, entgegen Fried- reich's Annahme (Realien S. 332*), keinen Färbestoff bezeichnete, sondern nur eine Farheerscbeinung, nämlich die des unruhigen Meeres, welches bald ganz dunkel, bald rötlich schimmernd erscheint. Dieser Gebrauch bleibt bei diu Dichtern, soweit die uns erhaltenen Reste ein Urtfil gestatten, vorherrschend bis auf Aischylos , wie folgende Zusa: Stellung gegenüber den wenigen spater vorzufahrend» ; Stellen ausweiset Man beliebe zu beachten: Alkm. frg. 53: nogy vgt'ug tiXog Theogn v

•) In gleichem Sinne Schol. E z ß, 428 und Schol.

427, desgleichen Enst. z. d St. und z. ß, 428 7iog<pvgtoi> ojxeimrftt Tfj daXtiaafl, o$ey ttAuf aXixivox€<1 uXovgydj nogavga (nicht nogtr. p. 525, d.)

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1035: noQtpvQin Xifirn. v. 828: nootpvoiovs <ne<pavov< zum Kopf- scbmack bei Festgelagen, also von Rosen zu verstehen. Simon, frg. 5t (s. oben); frg. 72: noQyvoeov <P cm« oro>oro£ Uiaa pcoraV 7rap£<V<*. Phrynich. b. Ath. XIII p. 604: kirnst <P noQtpvQiuig n^tl SotoTog von der Schamröte. Anakr. frg. 2, 3: nootfvq^ '^oWi'r, gegenüber den tft^o?«» xw«#nuW*s. p»nd. PyfÄ. IV, 183: nreoofrtr nopojvpfotf, iVew XI, 28: 7ioQ<pvoiois Ipv6<ni/, 0J VI, 05; fer |«vS«J*« x«i nupnoQfpvQoig axviai. [Atsch. Suppl. 629: Up*, nop^ep^jii Immerhin zeigen diese Stellen auch schon eine Verschiedenheit von dem erkennbaren homerischen Gebrauch ; die Verwendung von nop«»- pco4 verbreitet sich von dem dunkelroten Schiller der Meereswellen bis zur sanften Röte eines feinen menschlichen Antlitzes und dem Schiller der hellfarbigen Violen (vgl. über diese V. Hehn Colfur- pflanzen und Haustiere S. 173). Den Zeitgenossen des Sophokles war danu die ursprüngliche Vorstellung von nopp/p* bereits entschwunden und sie verstanden solche dichterische Stellen, wie die aufgeführten' lediglich als Vergleiche mit dem wirklichen Porpur. Darüber sind wir direkt belehrt durch die schlechten Wit«, welche Athenäen* (XIII p. 604, a und b) aus den ' llntJ^ut«, des Dichters Job aufbewahrt hat Wenn wir also den homerischen Gebrauch allein beachten, oder auch wenn wir jenen der ältesten Lyriker, wie wir ihn fiberwiegen sehen, danebenstcllen und bedenken, dass in der Was anaer eiaer einzigen Stelle alle Farbebezeichnungen nur subjektive «üd, *> recht fertigt nichts, die spezielle Bedeutung: „Parpur" raranaaeiat* ; keine einzige der 17 genannten Stellen bat diesen BegrÜ aar im m jw, Voraussetzung, in. Gegenteil es wäre unnatdrüdi, wen dir ßiiedkM welche zweifelsohne das Meer früher kennen kram ah von diesem eine Eigenschaft auf's Meer fikraq wäre unerklärlich, wie aus dem Grundbegriff»* des Meeres hätte noQopvQety genannt werdet «te dem erörterten homerischen Gebraocn gewöhnlichen Bedeutung von nop^vft en wol ist es natürlich, dass die Gritthaa. kennen lernend, diesen mit dem Jitpr,

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und dass man nur iu Folge des geschichtlichen Ganges der Parpar- färberei an die irrtümliche Vermengung von Rot und jeglicher Purpur- sorte sich gewöhnte, statt dies auf den tyrischen Purpur xor* ifo/ijV richtig zu beschränken. Nun halte man noch daneben, wie Plin. IX, 38, 62 die Erscheinung des tyrischen Purpurs schildert, je nachdem man ihn von vorne oder von der Seite, zumal gegen die Sonne gehalten, besah.

Aus Homer heraus können wir hienach auch Stoffe und Kleidungsstücke, wenn ihnen das Prädikat togy vgeog beigelegt wird, für nichts anderes erklären, keine andere Eigenschaft daran erkennen als eine subjektive Farbe, die des Dunklen und ins Rote Schillernden oder einen Schiller überhaupt. Lucas 11. p 199 hat darum seine im wesentlichen gleiche Ansicht durch eine Zusammenstellung der sonstigen homerischen Bezeichnungen von „Glanz" an den Stoffen gestützt (Z 289; o 105. E 315; Z 295 = o 108. C 38; X 189; x 337. K 156: cf. Lucas §• 144). Die betreffenden Stellen sind r 126: dinXaxa nog<pvg£nv am Webstuhl der Helena in Troie; & 221: nog<pvgeov (*£yn rpdgog des Agamemnon; & 84 des Ody8$eus; I 200* xdnrt<si nogtpvgioiai über den xltopoi in AchiH'8Zelt; &796; ninXot zum Umhüllen des Aschenschreines; £644: tfyea nogyvgea bei Achill in die Bettstellen gelegt und mit ranijrff und *W<u überdeckt, ebenso & 297 f im Palast des Menelaoe; x350 über den #(>oVoi der Kirke; 115 (u. 154): x^alvttV nogyvgirjy des Telemacb, und t225: x*-aiv(tv nogtpvgfyy ovXyy äinXijy desOdysseus; vgl. v. 241 f.: dinXaxa xaXtjy iiogyvgsqy. S- 372: <S(patg«y nog<pvg£qy der Phäaken ; v 151 : xdnqxas nogfpvgiovg über die Thronoi im Palast zu Ithaka gebreitet. Vergleichen wir also diese 14, eigentl. 13 mit den obigen 17, bezw. 15 Stellen, so kommen wir mit unseren Schlüssen immer noch um keinen Schritt weiter als vorhin ; :togtpvgtog könnte wol an jenen 13 Stellen „purpuren" von wirklicher Färbung heissen; aber an den andern Stellen heisst es das entschieden nicht. Und da wir sonst keinen Anhaltspunkt haben, dass nog<pvgeog bei Homer einen doppelten Gebrauch habe, müssen wir diejenige Bedeutung als die alleinige annehmen, welche zweifellos ist Ja es wäre ein wunderlicher Zufall, dass das Substantiv 7i<>g<fvga, wenn es existiert hätte, bei Homer nicht zu lesen ist. Man wird, denke ich, nicht entgegenhalten die Namen J/on- <pvgovaaa und JIog<pvgig fürKythera und Nisyros. Denn wenn es heisst Steph. Byz. S.v. Kv&ygtf vrt<iog duo Kvdrjgov xov <f>oivixog' ixaXttxo cf* Jlogtpvgovaaa Sid 16 xdXXog ro nagd xtoy nogtpvguiv (1. xüv nag* avxft nog<pvg<Zy), <og * AgioxoxiX*ig, und S. v. Niovgog' ixaXsixo xai Uogtpvgig dno xiZv iv aJrjj nogtpvgwv, so folgt schon aus dieser Ausdrucksweise gar nicht, dass dies die älteren und jenes die jüngeren Namen gewesen seien. Im Gegenteil, wie Kythera zuerst eine phönizische Niederlassung war (s. Her. I, 105), so musste es auch zuerst einen

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pbönizischen Nainen haben, wofür Kythera so gewiss zu gelten hat als der Name des nahen Kothon (—„Klein", vgl. Movers, Pböniz. II, 2 S. 270 A. 32), uud Nisyros ist mit diesem Namen wenigstens B 676 schon genannt, also doch vor dem 8. Jahrb., in welches nach den sorg- faltigen Untersuchungen Niese's Uber den Schiffskatalog die Abfassung dieses homerischen Stückes fällt. Die Bezeichnung „Purpurinsel" wird darum gar nicht eine geographische gewesen sein, sondern nur ein Zuname, welcher für Kythera vielleicht gerade erst von Aristoteles herrührt. Indes kehren" wir zurück. Döderlein a. a 0. (III S. 331) hat daher mit Recht erklärt, dass, nach den homerischen Stollen für sich zu urteilen, es unentschieden bleiben muss, ob Homer's noQtpvqea ei'fiaxa, tpagea, rrm^ref, Qtjyt«, /Ä«**'«t schon gerade purpurrot oder überhaupt dunkel gefärbt waren". Nicht einmal d»s (iefärbtsein ist gewiss, geschweige eine decidierte Farbe. „Dunkel" waren sie, wie das aufgeregte Meer, sei es durch die natürliche Farbe der Wolle (wovon sogleich nachher), sei es durch einen dunklen Schiller, ähnlich dem Meere, sei es durch die Färbung in phönizischer Tuuke. Für Letzteres lässt sich anführen die parallele Ausdruckweise K 133 f.: xXaivav (poivixoeooay dmXijv, ixiaii^ otXq <P inevij*o$e hi^vn und r 225: x^u'yay noQtpvQi'riv ovlriv dmX!}»>, noch mehr aber die Be- zeichnung des Blutes als nogcpvQeov (P 361) und seine Yergleicbung mit dem phönizUcben Rot (J 141).

Der Gebrauch des Wortes noqtpvQeos ist durch alle Teile der Iii as und Odyssee verbreitet. Das gilt nicht von dem Ausdruck aXinoQtpvQot, welcher schon als Compositum für jünger gelten muss und auch nur zweimal in der Odyssee vorkömmt, einmal vom Gespinnste (^Xaxccra f 53 = 306) und einmal vom Gewebe (<paQea v 108) ausgesagt. Eine Veranlassung zu dieser Neubildung musste also vorliegen, and das war, soviel die Zusammensetzung selbst vermuten lässt, eine Verwischung des Grundbegriffes, welcher durch die Zusammensetzung wieder aufge- frischt wurde. (Zusammensetzungen mit «At hat Homer auch sonst einige). Aber auch diese Zusammensetzung bewahrte den Grundbegriff so wenig als etwa eine Fixierung der Bezeichnung des Purpurs darin nachweisbar wäre. Denn einerseits stehen die ^Xaxartt dXinoQfpvqa C53 gleich der r,Xaxuxq io$*>i(pts elgos l/owa« & 135 und diese wiederum den oteg <faevtuaXXoi ioöveykg elgog ixoyJB^ (* f., man vgl. ot* fjittaivav, nafAfiiXava K 21. , x 527; 525), daher ich oben annahm, dass unter nog<pvQeog auch die natürliche dunkle Farbe der Wolle verstanden sein konnte; andererseits treffen wir bei den ältesten Lyrikern wieder die Wendungen wie aXtn6(>q>vQog etctQog ogvtg Alkm. frg. 21 , 4 und ouffitt ttXinoQtpvQov Xifiyyg Arion. frg. v. 18, und erst bei Anakr. frg 138 ist uns abermals ein «XutoQipvQov qiyog überliefert, zu welchem sich

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dann wol auch unter den Anacreontea Nro 35, 2: dXi:toQtf>vQo^ td/itjaty ▼ergleichen lässt.

In dem Compositum nXmoQtpvQos liegt also einerseits selbst wieder eine Bestätigung dessen, dass noQtpvQcoe nicht von anfang an die wirkliche Purpurfarbe als solche benannte, weil man an uXi nicht zu erinnern brauchte, wenn man die Purpurschnecke zuvor kannte, und sie dem Stamm noQtptQ - den Namen statt umgekehrt gegeben hätte, andererseits allerdings auch eine gewisse Specialisierung des Wortes oder ein erster Ansatz dazu, insofern es eine Farbe, die nicht dem Meere gleicht oder nicht vom Meere stammt, als Gegensatz durchblicken lässt. Eine weitere Combination lässt sich leider daran nicht knüpfen; denn nun verschwindet das Wort so zu sagen ganz aus unseren Literatur- zeugnissen und daher wol auch so ziemlich aus dem Gebrauch, bis die Lexicographen und Scholiasten darauf wieder zu sprechen kommen, was natürlich gar kein Beweis eines fortgesetzten Lebens ist Wir können darum auch deren Deutungen keinen grossen Wert beilegen, auch wenn Poll VII, 58 von der persischen Kleidung sagt: 6 <fe xuv&vq 6 fihv ßaalXetof tlXinoqtpvQos , 6 <f 'e rtSy «XXtov /lOQyvQovs, welche Stelle vielmehr wie ein MisverBtändnis von Xen. Cyr. VIII, 3, 13 sich aus- nimmt. Gerade in dieser zeugnislosen Zeit aber geschah die Begriffs- wandlung des Wortes, seine erste bestimmte Verwendung für Purpur. Denn anstatt dXinogfpvgos erscheint vom 6. Jahrhundert an das, wie mir scheint, aus ihm abgekürzte dXovQytjs und dessen Sippe zur Bezeichnung des Purpurnen. Die Composition alt - egyo konnte doch diesen Begriff so wenig unmittelbar entwickeln, als ihn »aXaaaovgyo - <■ entwickelt hat; dieses hat immer vom 5. Jahrh. an, wo es zuerst bei Charon hist. frg 10: reif 9-uXnaaovQyuiv riytts (gleich ol tiXteif nachher) begegnet, bedeutet, was seine Bestandteile aussagen : die Arbeit des Fischers oder des Grosshändlers; so bei Ephor. fr. 60: iwy dy&pajnwv ^aXarxovp- yovvrtov i/xnogutwg, bei Xenophon, Polybius, Lucian. ' JXovQyqs dagegen finden wir zuerst im 6. Jahrh. bei Xenophanes frg. 3 (Bergk): nava- XovQyia g>agea von den tausend Aristokraten der Kolophonier (vgl. Theopomp. b. Athen. XII p. 626, c), bei Ätsch. Ag. 920 und zwar sogleich mit der Bedeutung: „purpuren", und so ist es doch nicht wol anders denkbar, als dass mittels des Durchgangs durch die Form aXtnoQ(pvgo( erst dem Worte tiXovoyijs und gleichzeitig dem Stamm noQtpvQ- die specielle Bedeutung „Purpur" gesichert wurde in noQ- tpvga, noQ(pvQeog und noQtpvQevat.

BoQ<pvQa in dieser Form und zur zweifellosen Benennung des Purpurs mittels dieses Stammes erscheint für uns zuerst bei Alkman, welcher von Geburt ein Asiatc war, im frg. 65: ov yuQ nog(pvga( xoeoq xooos, äar' afdvyaa^ai (ob man hier dpvyao&at in seiner genauen Bedeutung: „von 6ich abwehren" oder nach dem Grammatiker Aristophanes

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im Schal e. H. E 266 gleich dem einfachen atisfyaoSai zu verstehen habe, macht hier keinen Unterschied.) IIog<pvg« kann hier ebensogut die Purpurschnecke, als metonymisch die Purpurfarbe oder der Purpur- zeug sein, just wie die Römer mit purpura und wir im Deutschen mit „Purpur" uns gewöhnt haben Wie aher das auch zu verstehen sei, so steht fest, dass die Purpurschnecke ihren griechischen Namen spätestens im 7. Jahrb erhalten; denn nogtpvga ist gleich xdyxn noQ~ (pvQu, und eine andere Ellipse kaum denkbar. Wie zufällig und mangel- haft aber unsere Ueberlieferung ist, sehen wir daraus, dass die nächste evidente Spur der Purpur Schnecke erst durch eine Stelle des Aischylos (Ag. 959) und dann ein Fragment des Sophokles (Past. frg. b. Sc?wl. Ar. Equ. 1147): xrjfiolot nXexzoig nogq)vgct( eibalten ist. Doch lehrt uns noch aus der Zwischenzeit des 6. Jahrhunderts ein Zeugnis, dass noQyvQevetv vom Färben mit Purpur gesagt worden. 'AxovaiXaos cFc iy negi yeveaXoyiwv 7iog<pvgev9qyal (pqow vno tfc !h(Xda<ftjs (sc ro <tiga6 sive roV paXXdy): Schol. Apoll Rh. IV, 1147. Denn diese ungewöhnliche Ausdrucksweise soll nichts anderes bedeuten als wenn Schol Eur. Med. 5 sagt: Udyxgvaov (fegag' xai £ift<uyiJt]( dk iv loi etf xov flooEid'ioya i in u> (frg. 21 , Bergk.) dno xiCy iy rfj &aXda<jß nogtpvQüiy xf j>n<üu,'+ai avr6 Xiytt. (nogg>vgioy ist hier doch wol statt nog<pvg<ov zu lesen) Eine Bestätigung dessen liefert uns der Inhalt des sybaritischen Gesetzes (aus dem 6. Jahrh., worüber nachher mehr) bei Athen XII p. 521, d (Phylarch. frg 45), wodurch sie rot/V tijV nog- tfvgav xijy SuXaxxiav ßdnxoyxag xai xot>g sladyovxas dxeXets inoirioay, in welchen Worten wahrscheinlich der Gesetzestext verwendet ist. In diesen Worten Alkmans, des AkuBilaos, des sybaritischen Rechtes und des Sopkokles kann der Begriff nogtpvga nichts anderes als Purpur im eigentlichen Sinn, den Färbestoff oder damit Gefärbtes bedeuten. Dazu kömmt nun das Fragment Sappho's b- Ath. IX p. 410, e (Nro 44 b. Bergk), aus welchem, so schwierig die Stelle im ganzen ist, doch soviel hervorgeht, dass von /etpo'^ßxrp« nogtpvga oder nogtpvgas als Kopfschmuck asiatischer Frauen die Rede war, welche aller Wahr- scheinlichkeit nach als Geschenke aus Phokaia (anv 4>aixdac) der Aphrodite geschickt waren. Danach dürfen wir unbedenklich frg. 64 ebenfalls hieher ziehen, welches nogtpvgiav x^duvy dem Eros zuschreibt, ferner der Zusammenstellung wegen Bakchyl. fr. 28: ovxe /ptxrof otJre koq- tpvgeot xdnrtxe$ , Simon, frg. 37, 12: iy aogtpvgiq /AaWcf* des Kindes Perseus; und Pind. Pyth. IV, 114: anagydvoig iy nogtpvgiois von einem forstlichen Kinde. Endlich ist überaus deutlich und wichtig Atsch Ag. 910: nogtpvgoaxgmxog ndgos, 957: nogtpvgas naxeSy und 959: (SvXctoaa) xgitpovoa noXX^g nogtpvgaq iadgyvgoy xtjxiffa nayxaivittxov sl/Lidxtoy ßatpds. Beachten wir an dieser Stelle zugleich das iadgyvgoy , welches v.949 in den Worten dgyvgtoytjzovf vtpds betont ist, und die nur schwer

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überwundene Ängstliche Scheu des Königs vor der göttergleichen Ehre, Ober Purpur zu schreiten |v. 946 ff : xai toitrde iußaiyovr* oXovq- yt'otv &$d>y fiij Tif npöott&ey . ««reu»' ftdXot <p»6yoq- noXXrj yup aidatf tlftarotp&opeiy nooiv tp^eiqovia nXovxoy aQyvgtoyijrovs & v<pns): so drängt sich unwillkürlich eine Ahnung auf, welch' kostbares Gut noch Aiscbylos und seine Mitbürger um die Mitte des 5. Jahrhunderts (Auf- führung des Agamemnon Ol 80, 2) in dem echten Purpur erkannten. Denn ein andermal \Eum. 982) sieht derselbe nur etwas Herkömm- liches in den tpoiyixoßanra io&r^ttta an den Teilnehmern der Eume- nidenprozession.

Indes kehren wir vorläufig zur Geschichte des Begriffes toptpvpeos zurück. Nachdem wir dessen Identifizierung mit dXovpye'f soeben bei Aischylos (v. 946) gesehen haben, welche auch Aristoph. Equ. 967, Plat d. rep. IV p.429, d wegen der Zusammenstellung mit devoonotds, wozu Harpocratio s. h. v. zu vergleichen , und Bonst ersichtlich ist, erübrigt die Untersuchung, welche specielle Farbe jetzt noptpvpeos und dXovpyijg bezeichneten. Hinreichende Lelehrung gibt darüber Aristoteles d. color. C. 2: Kard ftky ro (jmXkov xai »jrror (^Qtoudrtay tpayraoiai\, äonep ro tfoiyixovy xai ro dXovpyiq' 616 ro /ue'Xay xai axiegoy rw tputi fttyvv/jsvov tpoiyixovy. ro ytip fiiXay fiiyyvfxeyov ry re rov tjXiov xai rtp rino rov nvpot (ptori 9eu>pov/*ey dei yiyvopevov tpoivixovv. ro o*' dXovpykf ev«y9is pkv yiverat xtti Xafjinpov, orav r$ ftcrpiy Xevxijt xai oxifQtp XQa»tZaiy do$eyeis al rov qXiov avyai. d"to xtti nepi dvatoXdg xtti dvatti 6 drtQ noptpvgoeidtjg loriv ore tpatverai, [nepi dvaroXijy xai dvaty ovtoq xov ijXtov] *). dodereis ydp ovaat rare futXiQra npdq axiegoy ovxa rov atga ngooßdXXovaiy. tpaiverai di xai »; 3«A«rr« nogtpvgoetdtjs, öray ro xvfiura fitreutgiZofieyu x. r. X. (wie oben s 98). Und etwas später: fjttXatyofiiytay (r<uV ßorgvuty) ro tpoiyixovy eis ro tuavgyes fteraßdXXei. Ueber- einstimmend hiemit ist die Beschreibung der Regenbogenfarben meteorol. III c. 4, woraus ich mich auf folgenden Satz beschränken will: ro de rov Xv%yov tpiZf ov Xevxov, uXXd nogtpvgovv tpaiverai xvxXm xai iguodeg, tpoiyixovy d' ov cor» ydg fj re btyis oXiyn j dvaxXoifxeyt) , xai uiXay ro ivonrpo*. Es lässt sich also mit Bestimmtheit sagen , dass tpoiyixoeis und uopipvpeos den roten Schimmer bezeichnen, aber jenes das Hellrote (o'fv, wie ffoirtxtd" o$eiay ndyv Arist. Pac. 1173), dieses ebenso wie dXovpytjf das Dunkelrote. Soweit es sich also um wirklichen Purpur bandelt, ist tpoiyixoetf, die rote, dem Scharlach ähnliche, aber mildere Nuance, nogtpvgeos die Sorte, in welcher das Dunkle das Rote überwiegt, oder mit Ktesias (s. 2. Abschnitt) zu reden, jenes ist igv&goy ndyv, äonep xiyydßaQt, o'ftf xai wXavyt's, dieses nogtpvga ßiAeiu (frg. 72 Müll., aus Ael. H. A. IV, 36).

•) Sind die eingeklammerten Worte nicht einer Glosse entstammt?

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Bis jetzt haben wir den Begriff nootpvoeoe in der Art sich ent- wickeln sehen , d.iss er vom Allgemeinen zum Besonderen übergieng (also umgekehrt wie bei q>oinx6eis), dass das Unbestimmte sich in einem engeren Kreise fixierte und präcisierte. Aus der Bedeutung: dunkel (wie das bewegte Meer), ergab sich: rötlich schillernd wie die beleuchtete Meereswelle, und diese Vorstellung wurde auf die ähnliche Erscheinung des Purpurs übertragen, keinesfalls später als im 7. Jahrhundert v.Chr., wol aber froher, v i e 1 1 ei c h t in der Zeit, da die Odyssee und Ilias K entstanden. Hier aber geschah diese Vergleichung und Uebertragung, wenn sie geschah, noch mehr unbestimmt und andeutungsweise, doch entstand daraus allmählich eine Benennung von Farbe und Färbestoff, welche bei Alknian und Sappho vollzogen und stehend erscheint sowol von der Purpurschnecke als von Purpurzeug: I. Phase der Begriffsent- wickelung; die Farbe dieses Purpurs, haben wir ferner erkannt, war ein dunkler Schiller, worin das Dunkle das Rote Oberbot. In einer II. Phase erhielt dieser Farbename eine Anwendung in verschiedenem Sinne, speciell nnd generell Soweit nämlich die Betrachtung eben geführt hat. haben wir aus dem anfangs ganz vagen Wort bis zum 7. Jahrh. v Chr. einen sehr speciellen Namen herauswachsen sehen, welcher einen Gegensatz zu <poivtx6eis, dem Hellroten, bildete. Um die Belege hiefflr nochmals in Erinnerung zu bringen, beliebe man ausser Alkman und Sappbo besonders Aisch Ag. 957 neben 946, und Arist. d. color. c. 2 zu vergleichen. Nun nehmen wir noch hinzu aus dem 5. oder 4. Jabrh Diokles com. b. Ath III p. 86, c. und Speusippos ebenda» welche beide ebenso wie Aristoteles selbst und viel später Strabo (III p. 145) die noQtpvoai als Sorte neben den xqovxes, den Spendern der hellroten, scharlacbäbnlichen Buccinfarbe, erwähnen; in gleichem Sinne stellten gleichzeitig der Komiker Plato und der Geschichtschreiber Chores noQtpvoovs und tpoivixovs zusammen, jener in dm Versen bei Ath II p. 48, b. : x«r' 4r xXivaig iXeq?ayr6noaiv xai ffrorifAitoi nootpvQoßanr<nc xtty y ot vir im attotiiavixaioiv xoo/jr^uuevoi xaraxeivrai , dieser in dem Fragment bei Ath. XII p. 538, d : xftreaxexaato 6 oixog {roxi AXeJ-avÖQov) - IfittTioig *e xai Ö9oviot<; v.oXvTtXioiv , vno de xavta HOQ (f i (jo xat qwtrunOe /ptHrot>eVi. Ebenfalls nur der echteste, dunkle Purpur kann verstanden werden, wenn Ephippos b Ath XII p 537, c erzählt, dass Alexander bisweilen rijV rotl "AfxfAuyog nooqtvoida angelegt und fast täglich xfapvö« re rruQtpvQtff xai /irtuy« (ieaoXevxov getragen habe. Der aisehyleiseben Zusammenstellung begegnen wir ganz wieder im 3. Jahrh. bei Phylarchos in Ath. XII p. 539, f.: iyompe de xai rote AXi^avdoog rais iv Itt>y(q noXeai xai nodHrots Xtois, fmwf avrip noo- rpvoay anoareiXiooiv %&eXe ydo tov( itaioovq ariayrag dXovoyd c ivdvcat, aroXas, ebenso bei TJieopompos im 15 Buch seiner Historien (Ath. XII p 526, c): /tAfot* tp^aiv aydoas (rtuy KoXo(p(oyi<oy) dXovoyeit

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tpoQovvrae axoXag a<rr%<noX$tv' öye xai ßaoiXevoi aixnviov tot1 tjv (nämlich im 6. Jahrh. ungefähr) xai neQurnovdaoxoy' iaoaxaoiog ya(t rjy q 71 o Q,op V Q€t 71QOS aQyvgoy i£ex afou«V»j. Und nicht anders erwähnt KUarchoa b. Ath. VI p. 25;'), e von einem Kinde noorpvQovv uutpixanoy auoQyivy (so fein nämlich, s. Schweighäuser ad h. 1.) xaXvpfiaxi ntQi- EtXqfAuivoy TtQoaxetfäXaitt d" c?/e tqiu f**y ßvaaiya naQaXovoyij.

Ein Teil dieser Zeugnisse von Alkman bis Aristoteles lehrt aber zugleich, dass noQopvga schon in dieser Zeit nicht mehr blos eine Species des Purpurs, die dunkle Sorte, benannte; es war daneben auch Gattungsname geworden. Ein Erklärungsgrund dafür mag sein, dass der dunkle Purpur nur von der Schnecke zu gewinnen war, also Schneckenpurpur, andere Schnecken aber auch hellen Saft geben. Dazu war qpoiyi^ t die ursprüngliche Benennung des hellen Purpurs, ein gar unhandliches Substantiv , welches man gerne durch vuQtpvQu ersetzen mochte. Und es ist vielleicht nur Zufall, aber es ist doch so, dass wir bis Ktesias nur uoQtfVQu, nicht auch nooyvQeog vom hellen Purpur, sohin generell gebraucht finden. Der Gattungsbegriff, wie ihn, rückwärts verfolgt, die Wendungen bei Diodor. XVII, 70: noXv- i f'/.fti ia&^res S « X « a a i « i c noQtfVQaiq h exoixilue'yai, bei Strabo XVI p. 757 : naoaiv q Tvgia xu XX io x y n o\q q> v q u, oder 1 Makk. 4, 23 : vaxivboy xai noQtpvnav &aXaottiav voraussetzen, tritt auch zu Tage in dem Fragment von Duris b Ath XII p. 535, f.: iftßan,g (xov .ItipijTQiov) niXqpa XufApävtoy xt\g noXvreXc<rr€tr*]g noQxpvQag und dem von Phylarchos (8. oben S . 103) : xovg r *o 4 $ay r $v 9aXax- Tiav ßduTovraq. Nun gehört aber dieses sybaritisebe Gesetz seinem Inhalte nach ins 6. Jahrh. r. Chr.; und dass Pbylarchos davon auch den Wort- laut bewahrt, ist wenigstens nicht um dieses Ausdrucks willen bedenklich, nachdem im b. Jahrhundert h'esias iv '\vSixoig (frg. 72) von nooqpvQq rp ßa&vTUTfl sprechen, ferner opotvtxovs, wie oben im 2. Abschnitt S. 57 zuer- kennen, als eine Art der jioQfpvqa behandeln, und (fr. 57, 21 aus Phot. Bibl. LXXII) schreiben konnte: nuqd 6h Tag n^ytig xovtov xov uora^ov (seil. tov 'Yndoxov) l<rr* uctpvxog av9og noQrfVQovy, ov noorpvoa ßdnxtxui, ovfhv jjrrov rrjg 'EAAfjvtxijc, aXXd xai noXv evay9e<rxe'()u liier lesen wir nicht nur nopopvQa, sondern auch noQfpvoeog als Gattungsbegriff in so weitem Umfang verwendet, dass es nicht bloss das Coccin der Trompetenschnecke einschlicsst, sondern geradezu den indischen Kermes für sich bezeichnet. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn anderswo die Conchylienaorten ebenso benannt werden, aber das ist beachtenswert, dass das Wort eine dieser Sorten, eine rötliche den andern, und ferner wieder die dunkelrote andern dunkeln Sorten gegenüber stellt, also in neuem und doch zugleich altem Sinn als Speciesname auftritt. Demokritoa von Ephesos lehrt uns das. Weil die Stelle für die Purpur- . frage überhaupt sehr wichtig und zugleich schwierig ist, möge sie ganz

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hier Platz finden *Ev itQorsQut neol tov it> 'Eytoip vaov bei Athen. XII p. 525, c. erzählt Demokrit: de xmv 'ituvcov (t/tax ut) toßa<pij xai noQffVQÜ xai xooxiva gofAßoig vtpavtä xai oaQtinets firjXtvoi xai nop- (pvooi xai Xevxoi, \ol <fi dXovgyeli]. xai xaXaaiqeie xoQiv9iovQysis' eiai de al [Akv ,ioQ<pvQui xovxtov, eil de ioßayets, al de vaxivSwai' Xdßot d1 av xai (pXoyivaq xai 9aXa<r<roeidete. Später: ol de xiy/Qoi y,i,uari nop- (f*'i>'i> Httvres eis f,V eioto uoiqav ap/Aar* i/ovaiv dvd tiiaov. Alle hier genannten gefärbten Stoffe, ausser vielleicht dem safrangelbenj, sind Purpur, worüber nach W. A Schmidt a. a. 0., diesen in einem Punkte berichtigend, H. Barth, de Coritithiorum commereio et mercatura (Dies. Berol 1844) p. 23 sqq. des näheren gehandelt hat Es kann nnn nach der Zusammenstellung der Farben im allgemeinen als sicher ange- nommen werden, dass das dreimal wiederkehrende noQtpvQovs jedesmal eine rote Purpursorte meine. Welche an erster Stelle, muss ich dahingestellt sein lassen. An zweiter Stelle ist zuerst Xevxoi mit den zwei andern Farben zusammen im Sinne von ueooXevxoi zu fassen; denn nach Ktesias d. r. Pers. fr. 43 (6. Hesych 8. v.) ist adQants tl ixos /iro/V tieodXevxos, und nach Poll. Onom p. 730: 6 de odgamg Mqdtav ti tpoQqfia, .loQtpvQovs ueaoXevxoq /ira>V. Es sind also bei Demokrit nicht dreierlei, sondern einerlei caodneis gemeint, an welchen je ein weisser mit einem gelben und roten Streifen wechselte. Was für Rot? Ist ol de dXov^yeis echt, so wäre schon durch diesen Gegensatz des tyrischen, dunkelroten Purpurs das noQyvooi als Hellrot fixiert Ich halte nun freilich die eingeklammerten Worte für Glosse zu dem misvertandenen noo(pvQoi; so zusammenhangslos stehen sie im Text, ja so widerspruchs- voll. Denn hätte der Autor selbst ihnen diese Stelle angewiesen, so könnten sie doch nicht das noQtpvoot allein variieren), sondern würden eine weitere Art ganz dunkelroter oaQanets aufführen, und das wider- spricht dem Begriff dieses Kleidungsstückes. Aber auch dann, nach ans- stossung der 3 Wörter, kann nog<pvQoi neben der hellen Conchylienfarbe Gelb an demselben Stoffe schwerlich etwas anderes als die rote Con- chylienfarbe bezeichnen d. i nach Schmidt: Blaurot'). Am sichersten fühlen wir uns an der dritten Stelle Derookrits. Denn Janthin und Hyakintb sind nach Schmidt- Barth zwei der 3 üblichen Blattapurpur- sorten. Was liegt also näher als dass nogqivQoi hier die dritte dieser Sorten, den blutroten = tyrischen lakonischen Porpur andeute, dass sohin, was uns sehr interessant ist, in Korinth gerade diese drei feinsten und gesuchtesten Sorten vorzüglich fabriziert wurden.

*) Die gleiche Zusammenstellt: ng der Farben erscheint bei Hippiaa von Erythrä, welcher (b. Äth. VI p. 259, c) den Tyrannen von Erythrä in des Ortygea Gesellschaft dtadt'^axa tu',Xiva xai noQtpvoä zuschreibt.

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Doch es ist notwendig und erlaubt abzubrechen mit der Bemerkung, dass, weil noQ<pvQeog zugleich Gattungsbegriff wurde, yotWxeof natürlich von da an seltener erscheint und zuletzt, aber kaum vor dem 3. Jahrb. wegen der Aebnlichkeit der Farben mit Scharlach identifiziert wurde. (S. Schmidt a. 0. S. 101 und oben 2. Abscbn. S.58) Dadurch mochte es auch veranlasst sein, dass no{i(f i\> < »j endlich sogar die hellrote Species echten Purpurs bezeichnete. Diese spätere Entwickelung ist von W A. Schmidt in der belobten Schrift dargestellt, welcher sozusagen mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit den verwickelten Knäuel der vielerlei Unterschiede von Purpursorten , wie sie im Laufe der Zeit aufkamen, nicht durch- gehauen, souderu glücklich gelöst hat. Den vorausgegangenen Sprach- gebrauch hat Schmidt nicht genau beobachtet (es kam für ihn nicht darauf an), und wenn er daher (S. 100) sagt, „das Altertum hielt Coccin- und Purpurfarbe stets auseinander; mit der ersteren ist die sogenannte Punische oder phönizische Farbe identisch", so ist, wie wir gesehen haben, das Gegenteil richtig und Schmidts Behauptung nur vom römischen Altertum giltig. Nichts weiter hat Amati 1.1. c. XVI sq. bewiesen Nach diesem späteren Gebrauch allerdings, sagt Schmidt richtig (S. 118), bezeichnet „noftyvQa zwar im weitereu Sinne jede Art von Purpur, und im weitesten selbst das Buccin (die Farbe der Trompeten- schnecke); im engeren Sinne aber die aus reinem Purpursaft bereiteten und daher dunkeln Farben, im Gegensatz zu den aus verdünntem Saft entstehenden und daher hellen ; im engsten endlich die mit Buccin präparierten im Gegensatz zu den buccinlosen. In den beiden letzten Fällen ist also noQcpvQtt der Gegensatz von conehylium, und überdies in dem engsten zugleich synonym mit blatta und äXovQyos, so dass nicht nur blatta und akovQyoc, sondern auch purpura, im Gegensatz zu conehylium, die beiden" (richtiger drei) „buccinierten künstlichen Haupt- purpurfarben , den tyriseben, den Amethyst oder Janthin- und (nach ßarth's Berichtigung) den Ilyakinthpurpur bezeichnet". Wie weit sich diese Unterschiede rückwärtB verfolgen lassen , habe ich , da es ander- wärts, auch im Thesaurus des H Stephanus nach der neueren Ausgabe noch nicht geschehen ist, nachzuweisen gesucht, und daraus eine Bestätigung dafür gewonnen, dass der Begriff tpoivixi sich nach und nach verallgemeinert und verflüchtigt, noQyvQeos aber sich verdichtet und specialisiert hat. Dieser Entwicklungsgang bezeugt sobin, dass es richtig ist in den homerischen Gedicbten einen engen Begriff von <po(vixi und einen unbestimmten von noQ<pv^eos anzuerkennen.

(Schluss folgt.)

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Zu Cicero's Briefen an Atticus.

Wenn irgend welche Schrift aus dem classischen Alterthum, so sind uns Cicero's Briefe, besonders die an Atticus, mangelhaft überliefert. Alt sind die Klagen darüber und alt die Versuche der Gelehrten , den Mängeln des Textes durch Herbeiziehung neuer Handschriften, oder wo auch diese den Dienst versagten , durch eigene Conjecturen abzu- helfen. Für uns scheint nicht blos die glückliche Zeit des Findens vorüber zu sein , aueh die von den Philologen früherer Jahrhunderte benützten Handschriften sind tbeilweise wieder verloren gegangen.

Von summt liehen auf uns gekommenen Handschriften ist es so viel wie ausgemacht, dasB sie aus einer gemeinsamen Quelle geflossen sind, als deren älteste Abschrift uns der Codex Mediceus erhalten ist; denn Stellen, die uns in einer Handschrift fehlerhaft überliefert sind, finden sich in ähnlicher fehlerhafter üeber lieferung in allen andern Hand- schriften. Von dieser gemeinsamen Quelle der Briefe an Atticus scheint mir dies festzustehen, dass sie nicht von einem vorliegenden Exemplare abgeschrieben, sondern dictirt worden sei. Denn der uns überlieferte Text enthält viele Fehler, die nur dnrch's Dictiren entstanden sein können. Wer vor sich Liegendes falsch liest, wird eben so häufig Vocale wie Consonauten falsch lesen ; wer Vorgesagtes nachzuschreiben hat, wird die Vocale, den laut klingenden Theil der Rede, nicht so leicht missverstehen als die Consonanten, den stummeren Theil. Wenn also häufig in irgend einer Schrift die Vocale richtig wiedergegeben sind und die Fehler in der Setzung von falschen Consonanten liegen, mithin statt der richtigen gleich oder ähnlich lautende Wörter gesetzt sind, dann werden wir schliessen dürfen, dass diese Schrift irgend wem in die Feder dictirt worden sei. Man beachte folgende Stellen.

IV, 6, 3: Sed ille non miser, nos vero ferri. Orelli begnügt sich mit der Conjectur von manus 2 des Mediceus: ferrei. Dies könnte nur: hartherzig bedeuten, was nicht in den Zusammenhang passt. Boot hat richtig vermuthet: miseri: Er, der verstorbene Lentulus, ist nicht schlimm daran, aber wir sind's. Statt miseri hat der Schreiber, dem nur noch die Endung des dictirten Wortes im Ohre nachklang, vielleicht auch vom v. rangehenden vero etwas beeinflusst, das sinnlose ferri geschrieben.

V, 11, 5: Sed ego harte, ut singuli dicunt, aV«£tav von Gronov richtig geändert in: ut Siculi dicunt

V,14,l: Antequam aliquo loco consedero, neque longas a nie neque Semper mea manu Hieras exspectabis; quum autem erit spatium, utrumque est dabo. Die sinnlosen Worte :

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est dabo sind sicher ein missverstaudenes : pr aestabo, wie Victorius corrigirt hat.

V, 21, 11: H<n tat us sunt; detivi etiam ist die ursprüngliche Lesart des M.; corrigirt ist: decium etiam; jüngere Handschriften haben: demum etiam. So ist der Fehler immer grosser geworden. Der gedankenlose Schreiber verstand and schrieb so statt: petivi.

VI, 1, 3: Quem ego omni studio de auetore s um com - plexus, quem etiam amare coeperam; sed dico revoeavi me. Dass dico fehlerhaft sei, kann Niemand bestreiten. Die alten Herausgeber Hessen es weg. Dass es aus dem von Wesenberg in den Text aufgenommenen illico oder vielleicht noch wahrscheinlicher aus dem von Orelli vermutheten cito entstanden ist, wieder durch ein Mis8vcrständniss des Schreibers, ist klar.

VI, 1,3: Noli enim putare me quidquam maluisse quam ut mandatis facerem. Ernesti und Schütz lesen :\quam ut mandarat is facere Doch was soll hier is'l Viel wahrscheinlicher ist Wesenberg's Vermuthuog: quam ut mandatis satisfacer em Wie leicht konnte der Schreiber nach mandatis das satis überhören oder glauben, der Dictirende wiederhole nur die Endung?

VIII, 12, 2: Nam certe neque tum peceavi, cum impa. ratam Capuam, non solum ignaviae delectus, sed etiam perfidiae suspicionum fugiens aeeipert nolui. Dass igna- viae delectus suspicionem recht schworfällig und unverständlich wäre für: negligentiae in delectu habendo suspicionem, ist längst erkannt ; man liest entweder: ignaviae delictum oder: ignaviae dedecus; letzteres verdient den Vorzug; denn das band- schriftlich überlieferte delectus ist weiter nichts als ein missver- standenes dedecus

IX, 15, 4: Mandata C aesaris quae rogas nulla habeo; et descripta attulit illa e via, misi ad te. Die editio Romana prineeps gibt für et descripta quae descripta. Beide Les- arten sind nicht zu erklären. Wir vermissen ein Subjekt zu attulit; dieses steckt im verderbten descripta. Das richtige fand Turnebus: quae Aegypta attulit illa, e via misi ad te. Dass Aegypta ein tabellarius des Cicero war, beweist VIII, 15: Epistolas mihi tuas Aegypta reddidit. Auch hierist et oder quae descripta ein falsch verstandenes: quae Aegypta.

X, 4, 8: Ejus int eritum finem Uli fore. Dass für Uli der Zusammenhang belli verlange: Curio's Ansicht geht dahin, dass der Bürgerkrieg blos mit dem Untergange des Pompejus enden könne und werde, hat schon Manutius erkannt. Da Uli leicht ein missverstandenes

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belli Bein kann, verdient des Manutius Conjectur den Vorzug vor Orelli's Vermuthang: mali.

X, 10, 5: Ego vero vellunt ridiculo, oder: velo ridiculo, sinavis non erit, eripiam me ex istorum parricidiis. Für das dictirte: vel lintriculo hat der Schreiber: vel ridiculo verstanden und velo und vellunt sind bereit« Verbesserungsversuche der sinnlosen handschriftlichen Lesart.

XI, 7, 7: Utinam Uli, qui prius illum vi debunt, me apud illum velint ad tu tum oder: actutum, letzteres natürlich ein Missverständniss für: adjutum.

XI, 14, 3: Ad Minucium parentum acribam. Das fehlerhafte parentum wurde bereits von Gronov in Tarentum verbessert.

XI, 24, 1: Quae du dum ad me et quae etiamadme visat T ulli am de me scripsisti. Richtig Victorius: et quae etiam ante bis ad Tulliam de me scripsisti Wer eine vor sich liegende Handschrift entziffert, kann schwerlich auf das sinnlose: ad me visat kommen, wohl aber ein gedankenloser Schreiber das dictirte : ante bis ad so verstehen und schreiben.

XIII, 20, 4: Quidquamne me putas curare in toto nisi ut ei ne desim Für das fehlerhafte: in toto liest Lambin : in vita; indessen ist kaum begreiflich, wie aus in vita die falsche Lesart: in toto hätte entstehen können. Hingegen vermuthet Orelli mit gröaster Wahrscheinlichkeit: in foro. Das folgende : id ago scilicet, ut judicia videar tenere, lässt vermuthen, dass Cicero auch hier von seiner Wirksamkeit als Redner gesprochen habe. Zudem konnte sehr leicht ein missverstandenes foro zu toto werden.

Es Hessen sich noch manche Stellen anfahren, an welchen der ursprüngliche Text dadurch hergestellt wurde, dass man an die Stelle der falsch überlieferten Worte ähnlich klingende, so ziemlich aus den näm- lichen Vocalen bestehende setzte ; indessen erachte ich durch die bereits angeführten den Beweis für erbracht, dass sich in der handschriftlichen Ueberlieferung der Briefe an Atticus Fehler finden, welche durch 's Dictiren entstanden sein müssen , und theile nur noch einige Stellen mit, welche ich selbst durch Anwendung des nämlichen Verfahrens zu verbessern suchte; mit wie viel Glück, mögen Gelehrtere entscheiden.

II, 4, 2. Clodius ergo, ut ais, ad Tigranem? vel im Syrpiae conditione. Syrpiae hat den gelehrten Herausgebern viel zu schaffen gemacht. Ein Syrpias ist uns nicht bekannt. Gronov vermutbete: Scepsii conditione und dachte an einen gewissen Metrodorus, natione Scepsius, den Mithridates der

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Grosse wegen einer Treulosigkeit, die er als Gesandter begangen hatte, hinrichten liess. Wenn es auch nicht dem mindesten Zweifel unterliegt, dass Cicero für seinen Todfeind Olodius den frommen Wunsch hegte, es möge ihm bei dieser Gesandtschaft eben so ergehen wie dem Metro Jörns, und wenn auch dieser eine so bekannte Persönlichkeit war, dass Cicero ihn mit Scepsius bezeichnen konnte, wie kann Cicero nach diesem Wunsche fortfahren: sed facile patior? „leb wünsche ihm den Tod; aber ich gebe es gerne zu"? Wo wäre der Gegensatz, den sed voraussetzt? Das nämliche Bedenken steht auch der von Wesenberg aufgenommeneu Lesart: Zopyri entgegeu. Metzger folgt Popma's Conjectur : l e lim surripi e a conditione, und übersetzt : ,,Es wäre mir lieb, in solcher Weise heimlich von daunen zu kommen ; doch ich lasse mir's gefallen" Was lässt sich Cicero gefallen? Was soll eaconditione? In gleicher Weise wie Clodius? Müsste dies nicht vielmehr cadem conditione heissen? So sind also auch durch diese Äenderung die Schwierigkeiten nicht gehoben.

Wie ist das sinnlose Syrpiae entstanden? ich denke, der scriba oscitans habe so geschrieben statt: acire quae, so dass also zu verbessern wäre : v e lim s cire quae conditio neu; denn con- ditione s, nicht conditione ist die älteste Lesart des Mediceus. Mit Annahme dieser Lesart sind alle Schwierigkeiten gehoben: Ich möchte gerne wissen, welches die Bedingungen seien , unter denen Clodius die Missiou an den Tigranes übernommen hat. Aber, obgleich ich dies nicht weiss, lass ich ihn doch gerne seines Weges ziehen; denn wenn er geht, brauche ich mich für jetzt uicht zu entfernen und mir ist es gelegner den Antritt der libera legatio für einige Zeit hinauszuschieben. Die Auslassung des 8 int oder fuerint wird niemand im Briefstile beanstanden dürfen; und dass Cicero ein Interesse haben musste, diese Bedingungen zu wissen, liegt auf platter Hand; denn sie konnten ja ihn selbst betreffen.

III, 12,3. Licet tibi, ut scribis, 8 i g ni f i c ar im, ut ad m e v enir es , s i do na tarn ut intelligo de r e i s ti c prodejse, hic ne verbo quidem lev ar e m e po s 8 e. So die sinnlose Lesart des Mediceus, welche jüngere Codices und die Herauageber in verschiedener Weise .zu verbessern suchten: ut ad me venire s Sidona, oder Dodona, tarnen intelligo . . . Zu Sidona bemerkt Schütz ganz mit Recht: nihili est; denn wie sollte Cicero, der jetzt seiner baldigen Zurückberufung aus dem Exil gewiss ist, an eine Reise nach Sidon denken? Und wenn Atticus ihn in Sidon besuchen sollte, musste doch vor allem er selbst in Sidon Bein. Ebensowenig beabsichtigte weder Cicero noch Atticus eine Reise nach Dodona; nirgends ist in den Briefen aus dieser Zeit davon die Rede. Popma's Conjectur: in Macedoniam und Tunstall's: id

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o mit tarn tarnen weichen so weit von dem überlieferten Texte ab, dass sie schon desswegen unwahrscheinlich sind Der scriba oscitans hat hier wieder ein grobes Versehen begangen; es wurde ihm dictirt: ut ad me Roma venire s: tarn en . . dafür bat er geschrieben : ut ad mc Dona venires; tarnen... So soll wirklich im Codex decurtatus des Bosius gestanden haben Sämmtliche Abweichungen der Handschriften erklären sich als Kmendationsversncbe des ihnen vorliegenden Dona. Zudem verlangt der Zusammenhang geradezu Roma : „Wenn ich in meinem vorigen Briefe Dir auch angedeutet habe, Du möchtest aus Rom zu mir kommen, so sehe ich doch ein, dass Du dorten mir thatsächlicb von Nutzen sein kannst, während Du hier ganz überflüssig wärest". Wo anders konnte Atticus dem Cicero nützlich sein als zu Horn, wo eben jetzt Cicero's Schicksal, seine Zurückberufung, sich entscheiden musste?

III, 20, I. Ego huic spei et exspectationi quae nob i 8 proponitur m a x i m a e, tarne n v olui pr aestolari apud te in Epiro Was soll hier tarnen? „Die Ansichten, die sich mir eröffneten, wollte ich dennoch bei Dir abwarten". Trotz welcher Umstände? Nirgends werden uns diese genannt. Dass eine significatio impatientiae , quo reditum exapectabatt in tarnen liegen sollte, halte ich mit Boot für unmöglich Diese significatio könnte nur in t andern enthalten sein. Und so ist eben für tarnen zu lesen: huic spei et exspectationi quae nobis proponitur maximae t andern, volui . . „Gern wollte ich die Aussichten, die sich mir endlich einmal mit grösster Bestimmtheit eröffnen, bei Dir in Epirus abwarten, aber ich kann jetzt meinen Aufenthalt nicht ver- ändern". Auch IV, 2, 4 ist von Hofmann das unpassende tarnen in tan dem verändert worden. Die Verwechslung der beiden Wörter war jedenfalls sehr leicht möglich.

IV, 1,7. Qui si sustulerint religionem, aream praeclaram habe bim u s; superficiem consules ex 8 e na tu 8 consulto aestim abunt; sin aliter. demo- lientur, suo nomine l o c abunt; rem tot am aestima- bunt. Eins von beiden ist möglich: entweder das von Clodius an der Stelle des eingerissenen Ciceronianischen Hauses erbaute Heilig- thum wird mit Genehmigung des Priestercollegiums eingerissen, der Platz an Cicero zurückgegeben und demselben eine Entschädigungs- summe für sein zerstörtes Haus stipulirt, oder wenn die Entscheidung des Collegium8 anders ausfällt, wenn das von Clodius errichtete Heiligthum nicht entfernt werden darf, muss area und superficies zusammen in Accord gegeben, eine Schätzungssumme im Ganzen festgestellt, Cicero für beides entschädigt werden. Dieser einzig möglichen Auffassung der Sachlage widerstrebt vor allem demolientur.

Blätter f. d. b»7er. OymnMialwr. XI. J*hr«. g

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Wenn die Entscheidung des Collegiums anders ausfallt, dann werden sie eben das von Clodius errichtete Heiligthum nicht einreissen. Wenn wir demolientur stehen lassen, sind wir geradezu genöthigt, vor dem- selben ein non in den Text zu setzen, was allerdings auch an noch andern Stellen ausgefallen ist. Ich glaube indessen, d&ss demolientur Oberhaupt zu streichen ist; es scheint mir aus dem an den Band gesetzten Citat aus dem folgenden Briefe: porticum Catult restüuendam locarunt ; illam porticum redemptores statim sunt demoliti, an falscher Stelle in den Text gerathen zu sein. Wir werden deshalb wohl ein Recht haben, das demolientur wieder zu entfernen. Suo nomine ist ein missverstandenes: uno nomine Nicht in ihrem Namen werden die Consuln die Veraccordirung bewerkstelligen, sondern beides, area und superficies, werden sie uno nomine als einen Posten, unter einem Titel aufwerfen und für das Ganze eine Summe festsetzen. Wenn Metzger glaubt, man könne bei demolientur und loc abunt als Objekt sich den durch Clodius Bau nicht in Anspruch genommenen Theil des Bauplatzns denken, so ist dagegen einzuwenden, dass Cicero sich nicht mit der Zurückgabe eines T heiles vom Bauplatze begnügt haben würde und dass für demoliri die Bedeutung: „aufräumen lassen" wohl nicht nachzuweisen sein wird: dass aber ein Einreissen, denn dies ist die einzige Bedeutung des demoliri, von irgend welchen Theilen des Cicerouianischen Hauses nicht mehr nöthig war, denn dies hatte Clodius gründlich besorgt. Mit der vorgeschlagenen Lesart: sin ali t er, uno nomine l o c abunt, rem t o tarn a c s t i m a b u n t, sind alle Schwierigkeiten gehoben.

IV , 18 , S : quae (epistolae ) tan tum habent my s teri- o r um, ut eas ne librariisquidemferecommittamus. Lepidum quo excidat: consules flagrant infamia. Lepidum quo excidat betrachtet Metzger mit andern als eine Art Einleiturg zum folgenden und übersetzt: „Das mag eine artige Geschieht e werden: den Consuln . . ." Das ist indessen aus zwei Gründen nicht möglich. Für's erste vermissen wir ein Futurum, da ja von dem Verlaufe, den die Sache nehmen wird, die Rede sein müsste; zweitens hat excidere nicht die Bedeutung vou evenire, sondern heisst eben nur: entfallen. Audere haben diese Worte zum vorangehenden gezogen und sie als verderbt zu verbessern gesucht: ne dictum quod excidat, oder : ne lepidum quid excidat. Indessen ist nicht ersichtlich, wie daraus die falsche Lesart entstanden sein kann. Viel wahrscheinlicher ist zu schreibeu: trepidi num quo ex ci d ant. Daraus konnte durch ein Missverständniss des Schreibers sehr leicht die falsche Lesart entstehen. Zudem geben sie den vom Zusammenhang verlangten Sinn: „Nicht einmal einem Schreiber vor-

"5

traue ich in der Regel meine Briefe an, ängstlich, sie möchten irgend wohin, in unrechte B&nde gurathen".

Auch an einer andern Stelle scheint mir lepide statt trepide geschrieben zu sein: VIII, 14, 3: De Domitio varia au4imus, modo esse in Tiburti hau d lepidt, quo cum Ltpidus acces si s 8 e ad urbem. Stürenburg ändert: modo esqe in Tiburti, haud lepide; modo j am lepidiua, accessisae. Aber dem Cicero, der sich in seiner Verlegenheit, ob er sich dem Caesar in Rom stellen solle oder nii bt, den Domitius zum Vorbild nehmen will, kommt es nicht darauf an, ob Domitius mehr oder weniger artig handle, sondern darauf, ob derselbe Muth genug besitze, dem Caesar ferne zu bleiben; denn dann ist er gesonnen, es auch so zu machen. Ks ist auch hier zn lesen : modo esse in Tiburti haud trepide, modo cum tr ep i di 8 ad urb em accessisse: „Bald höre ich, er halte sich furchtlos auf seinem Landgute auf, bald, er habe sich mit andern ängstlichen Seelen der Stadt genähert".

VII ,7,1. Illud putato non ad 8 er ib i s. Das sinnlose putato ist sicher aus profecto entstanden: illud proiecto non adscribis

VII, 11, 1. Unam mehercule tecum apricationem \n illo lucrativo tuo sole mal im quam omnia istius modi regna. Das unpassende lucrativo, wofür man auch Luc retin o schrieb, ist jedenfalls in matutino zu ändern, woraus es entstanden sein wird.

VIII, 2, -V Si qua erunt, doce me, quomodo esse ef fug er e possim. Das sinnlose esse ist jedenfalls durch ein Mißverständnis* des Schreibers aus dextre entstanden: wie ich geschickt loskommen kann.

VIII, 15, 1. Aut h e mo ni 8 fug am tendis, jedenfalls ent- standen uns : AI cm ae oni 8 f u g am t e n d i 8

IX, 5,3 Eo igitur si quid apud Homer um, ist zu ändern in : Ego igitur quid, si apud Ho me r u m . „Ich also, was soll ich tbun, wenn bei Homer Achilles, dem sein sicherer Tod für diesen Fall vorausgesagt war, doch keinen Augenblick zweifelt, den gefallenen Gefährten zu rächen?"

IX, 10, 6. Quod quaeris a me fugamne fidam an moram defendam utiliorem putem. Dnss defendam verderbt ist, wird niemand in Abrede stellen; aber auch fidam ist unrichtig. Für Cicero gibt es in dieser Sache nur ütilitätsrücksichten : utiliorem putem; an einen Abfall von Pomp ejus denkt er nicht; er ist Pompejaner, mag er in Italien bleiben oder nicht; desshalb ist nicht einzusehen,

8*

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wie sich in der Flucht eine besondere fides zeigen könnte. Fi dam ist sieber ein missverstandenes citam und dtfendam ein missver- standenes lentam; fugamne citam an moram lentam utili- orem putem. Die Antwort des Atticus im folgenden: Ego vero in praesentia subitum discessum et praeci pitem profecti' onem . . bestätigt die vermuthete Lesart.

XIV, 16, 4. Puto si quid in ho m ine pudoris est, prae- staturum eum, ne spero quodam modo despendatur. Spero ist schon in der editio Romano in sero corrigirt. Das unpassende quodam modo ändert Wesenberg in: cum damno. Indessen sollen ja nicht Rücksichten auf einen etwaigen Verlust den Flaminius bestimmen, sondern, ai quid in homine pudoris est, sein Ehr* gefühl. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass quodam modo durch ein Missverständniss des Schreibers aus Montano entstanden sei: ne sero Montano dep endatur. Im vorausgehenden ist er- wähnt, dass es sich um eine Angelegenheit des Montanus bandle; an diesen musste also die Zahlung geleistet werden.

XV, 20, 2 Oenus illud interitus, quo casurus esU foedum duces et quasi d enuntiatum ab Antonio ex hac nassa exire constitui. Da es sich nicht um ein Motiv des Atticus, sondern des Cicero handelt, ist Boot's Aenderung von duces in ducens zu billigen. Die unverständlichen Worte: quo casurus est, wurden von Popma geändert in: quo causae cursus est, wie mir scheint, nicht richtig. Die Art von Untergang, welche Cicero vermeiden will, kann nicht durch seine causa selbst bedingt sein, sonst müastc er ja die causa verlassen, um diesem zu entgehen; quo casurus est ist nichts weiter als ein missverstandenes: quod pas~ surus est: „Die Art von politischen Tod, wie sie Antonius gestatten will, halte ich für schimpflich und uns gleichsam von ihm angedroht". Gestatten und androhen schliessen sieb ja nicht aus; was Antonius als eine Concession an die Gegenpartei auffasst, ist dem Cicero bereits ein angedroltps Uebel. Antonius würde die Gegenpartei wohl nicht bekriegt haben, wenn sie dadurch, dass sie ihn in allen Stücken hätte gewähren lassen, freiwillig auf ihre Existenz verzichtet hätte. Daa ist wohl illud genus interitus, quod passurus est.

Nürnberg. Friedrich Schmidt

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Conjnicirte DnrchmegHcr eine» Kegelschnittes.

Haben zwei Durchmesser eines Kegelschnittes die Eigenschaft, dass der Pol des einen Durchmessers dem andern angehört, so heissen dieselben conjugirt. Da aber die Pole der Kegelschnittsdurchmesser unendlich ferne Punkte sind, so folgt schon aus der Definition für die conjugirten Durchmesser, dass die Kegelschnittstangenten in den End- punkten eines Durchmessers parallel seinem conjugirten Durchmesser sind und dass alle einem Durchmesser parallele Sehuen durch den conjugirten Durchmesser halbirt werden.

Obige Definition der conjugirten Durchmesser gibt nun ein einfaches Mittel, aus der Gleichung eines beliebigen Kegelschnittsdurclimessers sich sofort die seines conjugirten Durchmessers abzuleiten

Sei nämlich die Gleichung eines Kegelschnittes in homogenen Coordinaten ;

f (x, y, z) - a«, + an y* + a„ + 2 a,, x y + 2 a0, x z +

2 alt y z = o

und differentiirt man dieselbe partiell nach den Variablen x, y, z, so

erhält man die Gleichungen:

f1 W = 2 (aoo x + a* y + z) = o f1 (J) - 2 (a10 x -f an y + alf z) = o f1 (z) = 2 (a,0 x + a,, y -+• a„ z) = o. Löst man die Gleichungen V (x) o und f1 (y) o nach den

Grössen - und 1 auf; so erhält man bekanntlich die Coordinaten des z z

Kegelschnittamittelpunktes und demzufolge müssen die beiden letzten Gleichungen Durchmesser den Kegelschnittes darstellen.

Folglich stellt die Gleichung: P (x) - X P (y) = o bei veränder- lichem Werthe der Grösse X alle möglichen Kegelschnittsdurchmesser dar.

Seien nun x0, y0, o die homogonen Coordinaten des unendlich fernen Punktes irgend eines Kegelschuittsdurchmessers, dessen Gleichung nach Obigem : (a«, x + a01 y + a* z) - X (a01 x -f- au y + alt z) = o ist, so hat man die Gleichung: (a^ x,, a01 y0) X (a«, ,x0 -f- »,i y0) o oder: ^ (a«, - X a«,,) + y0 (a,, - X an) = o.

Die Gleichung der Polaren des unendlich fernen Punktes ist aber:

*o f1 (*) + yo f1 (y) = o oder: P (x) (a01 - X a,,) V (y) (a«, X a©,) = o, nachdem man

aus den beiden letzten Gleichungen die Grössen undy0 eliminirt hat. Somit stellen die Gleichungen :

(x) - X P (j) = o und P (x) - ^ P (y) = o (1)

»oi * an

zwei conjugirte Durchmesser des Kegelschnittes dar.

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Die zweite Gleichung kann man auch auf die Form [(a'o, - »oo »n) 7 - (»oo »» - »o, ao,}] + X [(a«01 - a^ au) x

(»11 »ot ~ »Ol = 0

»no » »00 »ll »*oi

und

Ol

bringen und da die Ausdrücke 12

»00 »II

bekanntlich die Coordinaten <r und ß des Kegelschnittsmittelpunktes sind, so geht obige Gleichung aber in:

(y - ß) + X(x - «) = o; 80 dass also auch die Gleichungen :

P (x) * P (y) = 0 und (y - ß) -f X (x «) = o . . . . (2) für jedem Werthe von / ein paar conjugirter Durchmesser repräsentiren.

Setzt man für die Grösse X insbesondere die Werthe o und ©Ö, so ergeben sich die Gleichungen :

P (x) o und j ß ~ o P (y) = o und x « o

Es entsprechen also den Durchmessern, welche durch die Gleich- ungen P (x) = o und P ty) = o dargestellt werden, als conjugirte Durchmesser die zu den Coordinatcnaxen parallelen Durchmesser des Kegelschnittes; folglich sind also auch die in den Endpunkten der Durchmesserp (x) = o und P fyj o an den Kegelschnitt gezogenen Tangenten parallel den Coordinatenaxen

Sind nun durch die Gleichungen: P (x) - X, P (y) = o P (X) A, P (y) = o P (x) - X3 P (y) = o

P (x) -

»00

^1 »Ol

P(y) -o P (x)

a~_Z_^»o,fMy)_0

»Ol »u

»Ol ^| »11

°0| "~ A3 "ll

drei beliebige Paare conjugirter Durchmesser gegeben und bildet man die Determinante :

X » 1 *1

»oo ^i »o

»Ol "~ »11 *i a00 ~0l *f

*1 +

-i- X

•oi

'11

so wird: kD

»00 *3 »Ol ^3*

»oi »ii X3

*3 +

»00

»Ol *1

»01

-- »ii V

»oo

»Ol *t

»Ol

- ».i V

»00

- »Ol ^

»Ol

- »,i V

, 1 , 1

'OH

*1 »Ol i »00 »11 »l'l »ll Xl

»00 At »Ol »00 »M »Ol »11 K

»00 *3 "~ »Ol X3?» »00 " »ll »Ol *'l *3

wobei der Faktor k == (a01 - an Xt) (a01 a„ Xt) (a*, a„ X3) ist.

Subtrahirt man nun die atlfachen Elemente der ersten Vertikal- reihe von den a01fachen der zweiten Vertikalreihe, so ergeben sich

Diqit

Googl

119

gerade die anfachen der letzten Reihe and somit ist die Determinante D identisch gleich Null, woraus der Satz folgt:

Die Paare conjugirter Durchmesser eines Kegelschnittes sind in Involution. £liminirt man aus den Gleichungen zweier conjugirter Durchmesser die willkürliche Grösse A, so erhält man bekanntlich die Gleichung des Doppelstrahlenpaars der Involution, welches offenbar nichts anders, als das Asymptotenpaar des Kegelschnittes ist.

So ergibt sich denn durch Elimination der Grösse i aus den Gleichungen (I) die Gleichung des Asymptotenpaares :

an P (x)« - 2 a* P (x) (y) + a* P (y)* = u oder in Determinantenform :

»OOI »o,, V (x)

»,0, ffr) =o (3)

P (x), P (y) o

Ebenso folgt aus den Gleichungen (2) für das Asymptotenpaar die Gleichung:

(z - «) P <x) + (y - ß) P (y) s o 4).

Unter den sämmtlichen conjugirten Durch messerpaaren gibt es . aber insbesonders ein Paar Durchmesser, die zu einander senkrecht stehen and welche die üauptaxen des Kegelschnittes genannt «werden.

Ihre Gleichungen werden also erhalten, wenn man die Gröase X so bestimmt, dass die Durchmesser, deren Gleichungen:

P (x) - X P (y) = o und P (x) - *°° ' * P (y) - o

»oi * »11

sind, auf einander senkrecht stehen, so dass also:

»oo * »oi 1

aoj A a,, A

ist, oder:

A, _ »oo ~ hfx-i=0 . . . (5). »•i

Sind x, und A, die Wurzeln dieser quadratischen Gleichung, so sind die Gleichungen der Hauptaxen:

P (x) - P (y) = o und f (x) - X, P (y) = o. Demnach ist die Gleichung des Hauptaxenpaares :

P (x)' -<*, + *,) f. (x) P (y) + A, A, (y)« = o

oder:

a., P (x)« + (a,, - aj (x) P (y) - a», P (y)« = o (6).

Diese Gleichung laset sich auch noch auf die Form bringen: P (X) [a01 P (x) - ^ P (y)] - P (y) [a,, P (y) - alt P (x)] = o er:

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Die zweite Gleichung kann man auch auf die Form [(»'o, ~ »oo »n> 7 - (»oo »« - »oi »ot)l + * [(»'oi

(»II »0! ~ »01 «i»)] = 0

»01 »lt »

M

»ll) * -

bringen und da die Ausdrücke

i^oj and »oi »ot r *™ hi

»00 a

11

Ol

»00 aii * Ol

bekanntlich die Coordinaten « und ß des Kegelschnittsmittelpunktes sind, so geht obige Gleichung Qber in:

(y - ß) + X (x - «) = o; so dass also auch die Gleichungen:

(x) X f (y) = o und (y - ß) -f X (x - «) =s o . . . . (2) für jedem Werthe von X ein paar conjugirter Durchmesser rep rasen tiren.

Setzt man für die Grösse X insbesondere die Werthe o und °S so ergeben sich die Gleichungen :

P (x) = o und y ß o P (y) = o und x a o

£s entsprechen also den Durchmessern, welche durch die Gleich- ungen P (x) ss o und f1 (y) o dargestellt werden, als conjugirte Durchmesser die zu den Coordinatcnaxen parallelen Durchmesser des Kegelschnittes ; folglich sind also auch die in den Endpunkten der Durchmesser P (x) = o und f1 (y) o an den Kegelschnitt gezogenen Tangenten parallel den Coordinatenaxen

Sind nun durch die Gleichungen: P (x) - X, P (y) = o P (x) - Xt P (y) = o P (x) - A, P (y) = «

P (x) -

t**—1^ P(y)^o P (x) - ^

K »oi

»Ol ^| »11

»Ol »11

P (y) = o

A3 »11

P (X) - "°° »o,

drei beliebige Paare conjugirter Durchmesser gegeben und bildet man die Determinante:

D

so wird:

»00 ^| »Ol *V

»oi »n "l

»00 »Ol V

L.2L 1

°01

»OU ^3

»,i K

»Ol V

»Ol »11 ^3

X3 + 3

»01

»oo

»Ol *1

»01

»11 *i

»00

»oi K

»0,

a,,

»oo

»Ol *s

aM A3

, 1 , 1 , 1

aoo ^1 »Ol ^l"' »00 »11 ^i*» »II

kD aon A, a0, A.,', a^, atJ A,*, a()l

»oo »oi Aj*> »00 " »ll ^j*> n"|

wobei der P'aktor k = (a01 - an A,) (a0l a„ Subtrahirt man nun die a„fachen Klei

reihe von den a0lfachen der zweiten

»„ K

Serade * -ÜL

^a^S""« -

<«> ia

»»ckBit^ r J/. & *******

1

"«•he» and S£* P«r iiarchnfe»«! *

Änf einander 8eilkrechf v

trecbt stehen, »o

*H oder: ^4^ =

(2> Är da, Atl

rl _

4)

^

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oder :

Sind wieder « und ß die Coordinaten des Kegelschnittsmittelpunktes, so folgt für die Gleichung des Hauptaxenpaares :

f* (x) ly - ß) ~ P (y) (* - «) = o x - a y ß V (x) f* (y)

Aus den Formen der Gleichungen (4) und (7) geht direkt hervor, dass das Hauptaxenpaar die Winkel des Asymptotenpaars halbirt und von letzterem harmonisch getrennt wird. Den Gesetzen der Involution zufolge wird aber auch jedes beliebige Paar conjugirter Durchmesser von dem Asymtotenpaare harmonisch getrennt.

RegenBburg. Max Greiner.

Zum Georaetrieunterriclit.

Erweitert man den planimetrischen Satz: „Die Mitten der Seiten und Diagonalen eines Vierecks sind Eckpunkte dreier Parallelogramme (Par.) mit einem gemeinsamen Mittelpunkt", für die räumliche Geometrie so kommt man zur Form: „Die Mitten der 6 Kanten eines windschiefen ' Vierecks Tetraeders (Tetr) sind die Ecken eines Octaeders mit paarweise parallelen Seitenflächen, also mit sich im Schwerpunkt des Tetr. hafbirenden Achsen". Untersucht man nun im weitern Verlaufe überhaupt die Schnittfiguren, welche parallel zu zwei Gegenkanten sind, ihren Umfang, Iuhalt, die Bedingungen ihres Auftretens als Raute, Rechteck, Quadrat, so kann das zuerst sich ergebende Resultat auch so ausgesprochen werden: „Beschreibt ein Par , welches parallel mit seiner ersten Ebene verschoben wird , mit dreien seiner Eckpunkte 3 Seiten von 2 Paar Gegenkanten eines windschiefen Vierecks Tetr. , 80 beschreibt sein vierter Eckpunkt die vierte Seite jener beiden Paare, während das dritte Paar Gegenkanten die Seitenrichtungen des Par. hat". Projicirt man ferner durch Parallelstrahlen auf eine dem Par. parallele Ebene, so ergibt sich der planiraetrische Satz: „Heschreiben 3 Eckpunkte eines Par 3 der Seiten von 2 Paar Gegenseiten eines Vierecks (dessen Diagonalen auch als Gegenseitenpaar betrachtet), so beschreibt der vierte Eckpunkt des Par die vierte Seite der beiden Paare; das dritte Paar Gegenseiten ist den Seiten des Par. parallel". Dieser Satz lässt sich dann zur Lösung der Aufgabe beuützen, einem beliebigen Viereck ein Par. einzubeschreiben, dessen 2 Seitenrichtun^en gegeben sind.

Dies zur Anregung, um Lehrer mit grösserer Erfahrung im Unter- richt zur Mittheilung weiterer Beispiele zu veranlassen, in welchen sich Sätze der ebenen und räumlichen Geometrie durch Proj ectionen, (Methode der darstellenden Geometrio, wie der Geometrie der Lage) in Verbindung bringen, aus einander ableiten lassen. Es ist dies für den Unterricht doch so fruchtbringend.

Bamberg. K. Rudel.

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Aus der Schulmappe.

Fortsetzung der Miscellen von A. Kurz*). Wenn ich diese Notizen fortsetze, so will ich nicht vergessen, dass die Mitteilung einer jeden nur durch einen wenn auch kleinen Oedanken, der auf eigenem Felde gewachsen sein soll, berechtigt wird Dieser Kleinheit soll auch der in diesen Blattern beanspruchte Platz entsprechen. Dann braucht der nichtinteressirte Leser nicht viel zu überschlagen und der Eklektiker findet unter den kleinen Absätzen leichter seine Ilaltpunkte. Die Sprachv*eise wag einem kurzen Briefstil oder dem Gespräche von ( ollegen nahekommen, die sich in kurzbemessener Zeit über mehrere vorgelegte Punkte verständigen wollen.

7. Vom Stosse.

Wenn die beiden ganz unelastisch gedachten Körper M und m mit den Geschwindigkeiten C und c auf einander stossen, so geht bekanntlich

an Wucht verloren die Grösse * . (C - c)*. Beim Ein-

rammen eines Pfahles m ist c o und das Verhältniss der verlornen

zur anfänglichen Wucht wird . ( Die verlorne Wucht kommt in

M -f- m

Erzitterungen, in Zersplitterungen und in Erwärmung, das sind nach neuerer Anschauung auch Vibrationen der Körpermoleküle, zum Vorschein) Autenheimer benützt diesen Ausdruck in seiner sehr empfehlenswerten Sammlung von ,. Aufgaben über mech Arbeit", Stuttgart Cotta 1871, zur Bestimmung des dem Einrammen sich widersetzenden Erddruckes W. Verbinde ich die Nummern «0 und 109 dortselbst, so wird die Arbeit des von der Höhe h herabfallenden Rammklotzes, für welchen P ^ Mg, während q := mg das Gewicht des Pfahles:

p.h = (p + «)t+ wt +4 •M5^m„1 c'-

wobei t die (geringe) Eindringungstiefe des Pfahles vorstellt.

A. vernachlässigt (P f q) t stillschweigend gegen Wt, und mit Benützung von C* 2g h wird

P. h = W. t + £± hi

Als numerisches Beispiel wird P =z 500 Kilogramm, q = 333 (3 Pfähle auf 1000), h 3 Meter, und t = 0,02 gesetzt, woraus W 5= 45000 Kilogramm resultirt

m

Dagegen ist nun einzuwenden, dass obiger Ausdruck y£~_£ m vor" aussetzt, die Masse m könne frei, ohne Widerstand, dem erhaltenen

*) 88. 18 - 28.

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Stowe Folge leisten, was nahezu beim ersten Stoss des Rtanamklotzes gelten mag, aber bei den folgenden Stössen immer unrichtiger wird Dann kann man für den ersten Stoss nicht (P -|— q) t gegen W t fortlassen, indem letzteres auch fortfallen möchte; und fnr die weiteren Stösse verwächst der Pfahl gleichsam mehr uud mehr mit dem Erdboden, und man müsate sich in der letzteren Gleichung ein wachsendes q denken. Wirklich sieht mau auch die Molekulararbeit zunehmen jedoch ich kann um so eher abbrechen, als auch die Elastizität herzu kömmt, die Erscheinung verwickelt zu macheu. Der Erdwiderstand oder die Tragkraft W ist einfacher und für die Praxis genügend auf statischem statt auf dem dynamischen Wege zu ermitteln.

8. Weisbach's Momentenfiäche.

So nenne ich letztere, da ich sie nur in der bekannten „Mechanik" von Weisbach gefunden zu haben mich erinnere und geneigt bin, ihm die erste Conception derselben zuzuschreiben. Wenn nämlich ein gewicht- loser Balken gedacht wird, der horizontal, von der Länge 1, an einem Ende eingemauert, am andern frei #und mit dem Gewichte P belastet ist, so nennt man P. 1 das Bruch moment (an der Einmauerungsstelle):

P. i ist das Biegungsmoment in der Mitte u s w. Alle diese Werte,

als Ordinaten auf den zugehörigen Punkten der Abscisse (von der Total- länge 1) aufgetragen, bilden die „Moment entfache" . die im gegebenen Falle als rechtwinkliges Dreieck mit den Katheten 1 und PI erscheint Wenn aber der Balken durch eine auf seine Länge 1 gleichmäßig verteilte Belastung G angestrengt ist, so ergiebt sich als Bruchmoment

1 G 1 und als Biegungsmoment am mittleren Querschnitte ^ Gl u. 8. w.

Man sieht leicht ein, dass statt der vorigen Hypotenuse nunmehr ein Parabelbogen die Momcntenfläcbe deckt und -zwar welcher seinen Scheitel am freien Ende des Balkens hat, während die Parabelaxe vertikal steht.

Während also die Momentenfläche von aussen gesehen konkav erscheint, ist nun aber bei Weisbach eine verkehrte, konvexe Curve gezeichnet; er versäumte wol die Curve um ihren Heimatschein zu befragen. Irre ich nicht, so hat sich das Versehen auch in der seit dem Tode W. erscheinenden (vielleicht schon ganz erschienenen) Neu- Auflage und Bearbeitung des mit Recht geachteten Werkes erhalten, von welchem ich vor einiger Zeit unaufgesebnittene Lieferungen kurz besehen habe.

9. Hydrostatisches und Allgemeines.

Damit der Schüler der spezifischen Vorteile, welche der Unterricht in den exakten Wissenschaften zu bieten vermag, teilhaftig werde, und

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zwar auch dchon bei der ersten ünterricbtsstufe, dazu bedient sieb der Lehrer erstens der Beschränkung auf das Wichtigste, was dann um so gründlicher nach allen 8eiten durchgenommen werden kann, und zweitens einer scharfen Gränzmarkirung, welche die entweder nach der gewählten Betrachtungsweise (oder überhaupt noch nach dem Standpunkte der Wissenschaft) unlösbaren (oder ungelösten) Probleme zu nennen nicht - unterlägst, so weit sie wenigstens dem Bebandelten und der Fassungs- kraft des Schülers genug nahe liegen. Als Beispiel diene der Seiten- druck des Wassers. Das vertikale Rechteck b h, b die Niveaulinie, kann da erschöpfend behandelt werden: es ist die Richtung des Druckes

horizontal; die Grösse des Druckes -5-1 weil u. s.w.; und der Angriffs-

b

punkt oder auch Mittelpunkt des Druckes ist in der Abscisse -^und

2

der Ordinate (Tiefe) ^ h, welch letztere bekanntlich aus dem Schwer- punkte des Dreieckes abgeleitet wird, das ähnlich wie die Momenten- fläche in Nr. 8 konstruirt wird (aber jetzt „Drnckfläche" genannt werden müsste). Andere ebene Figuren, oder auch nur, wenn das Rechteck die obere Seite b nicht mehr im Niveau aber noch diesem parallel hätte, fallen in ein besonderes collegium mechanictB, woselbst sie noch grossenteils auch auf sogenanntem elementaren Wege erledigt werden können; soweit diess nämlich mit den Triigbeits- und statischen Momenten der Fall ist. (Analogie mit der reducirten Länge des physikalischen Pendels). Reifere Schüler mögen etwa auch im ersten Physik - Unterrichte noch die Entwicklung der Formel vertragen z0 2 b z. J r. 2 b z.» J z. (z die variable Tiefe, z0 die Tiefe des Schwerpunkt« der vertikalen Wandfigur)

Um das stabile und labile Gleichgewicht eines schwimmenden Körpers zu zeigen, beschränkt man sich auch ausdrücklich auf das Rechteck. Am Schwerpunkte des Rechteckes und am Schwerpunkte des eingetauchten Teiles desselben wirken dann die beiden entgegen- gesetzt gleichen Kräfte (vertikal), welche nach eingetretener Störung des Gleichgewichtes ein Kräftepaar bilden. Dieses strebt beziehungs- weise das Rechteck wieder in die frühere Gleichgewichtslage zurück- zuführen oder noch weiter von derselben zu entfernen. (Für den Fall des indifferenten Gleichgewichtes ein schwimmender Baumstamm.) Das „Metacentrum" hat sich bekanntlich den allgemeinen strengen Anforder- ungen nicht stichhaltend erwiesen und ist auch im vorigen einfachen Falle mindestens überflüssig; seine Einführung kämi da schon gegen- über dem wichtigen Grundbegriff des Kritftepaars als Künstelei erscheinen.

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10. Zur Erklärung vou Foucault's Pendelversuch.

Gestern las ich im neuesten Hefte der in gedeihlichem Wachstum begriffenen Zeitschrift für math. und naturw. Unterricht von Hoffmann, Hand 6 Seite 46 48, Ausstellungen über den gewöhnlichen kurzen Beweis der Formel v =s w sin <jp, in welcher v und w die Rotations- gesch windigkeiten der Pendelebene und der Erde und <jp die geogr. Breite des Beob. Ortes ist. Indem nämlich der Bogen des betreffenden Parallelkreises, den man sich so klein als man will vorstellen darf, sowol als Mass von v als von w mit den bezüglichen Radien r cot y und reo 19 betrachtet wird : begehe man einen kleinen Fehler, welcher beim Uebergange von der unendlich kleinen auf eine endliche Zeit unendlich oft wiederkehre ; daher Bedenken und Aufforderung an die Leser um Mitteilung eines von solcher Bedenklichkeit freien Beweises.

Dieses Bedenken schwindet nun gleich vor der Formel n (a -|- «) = na-f-n«, in welcher n die Anzahl jener Wiederkehr, a das fragliche Linienelement, « der bei der Wahl des letzteren begangene Fehler ist; denn wer zugibt, dass « gegen a verschwindet, sieht ohne Weiteres, dass ebenso auch gegen na verschwindet. Das Uebersehen dieses Schlusses könnte durch (a -{- n«) fonnulirt werden.

Bei dieser Gelegenheit habe ich den a. a 0. citirten Aufsatz von Crahay in Popp. Ann. Bd. 88 Seite 477 - 4*1 durchgesehen; es ist da dasselbe Beweiaverfabren, dargelegt, aber sehr umständlich, was schon daraus erhellt, dass auf den vier Seiten von wesentlich Weiterem nicht die Rede ist.

11. Messende Schul versuche aus der Wärmelehre.

In dem gerade vorbin citirten Journalhefte sagt J.Müller Seite 26: „Wenn auch nicht die Rede davon sein kann, wirkliche Bestimmungen der spezifischen Wärme beim Unterrichte auszuführen -". Diesem Ausspruche gegenüber finde ich in meiner Schulmappe den Versuch vom Jahre 1872 notirt: 10 Gramm Messing (ein Stück aus dem Gewicht- satze) wurden aus siedendem Wasser (99° Celsius) in das Wasserqnantum von 20 gr. verbracht, dessen Temperatur hiedurch von 18 auf 21° stieg. Also

10 x (99 - 21) = 20. 1. (21 18) oder x = 0,08. Richtiger wäre 0,09; aber einen Fehler von 12 "0 darf man 'ich wol bei einem solchen Schulversuche gerne gefallen lassen (er kann sogar zur weiteren Belehrung der Schüler verwendet werden).

Auch ein doppelt so grosser Fehler, von 25%, darf noch nicht abschrecken , bei einem Apparate z. B. wie Lavoisier's Eiskalorimeter. Hierüber habe ich mir im Nov. 1874 notirt:

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Ein Stück Blei, 332 gr. 98° Celsius, gab 21 cub.cent m. Schmelz- wasser; also

392 x. 98 = 21. 80, woraus x .= 0,04 statt 0,03 sich berechnet.

In der Naturforschung, an der Gränze der Wissenschaft, gibt es Fälle, in denen man sich mit noch viel geringeren Annäherungsgraden wenigstens einstweilen begnügen niuss.

x

12. Das Exponentialgesetz y = a. b ,

welches im math. Schulunterrichte insbesondere unter dem Namen der Logarithmen einen grossen Bruchteil der Zeit in Anspruch nimmt, ist auch im Unterrichte der Mechanik und Physik nicht selten anzu- rufen. Zur Betonung seiner Wichtigkeit rekapitulirte ich öfters mit den Schülern die Fälle seines Vorkommens und fanden wir, mit dem Vorbehalte noch von Auslassungen, in der Mechanik: die Ketten- linie; Spannungen eines um einen testen Cy linder gewundenen Seiles, bei Berücksichtigung der Reibung; Querschnitte eines auf absolute oder rückwirkende Festigkeit angestrengten Trägers, bei Berücksichtigung des Eigengewichtes und gleicher Beanspruchung aller Querschnitte.

In der Physik findet. mau: die Abnahme des Luftdruckes beim Er- steigen der Himmelsleiter; wie auch bei der Kvakuationspumpe (confer Compressionspumpe) ; die Tonleiter der gleichschwebenden Temperatur; Absorption überhaupt und z. B. des Lichtes; Leitung der Wärme ; angenähert und innerhalb gewisser Temperaturgräuzen auch die Spannung des Wasserdampfes; Intensitätskurve (Biot) bei einem Magnetstabe; Zerstreuung der Elektrizität.

Stoff genug dazu, dass sich der math. und physik. Unterricht einander in die Hände arbeiten. Auch erinnere ich mich biebei einer schönen Stelle aus der Vorrede zur „Theorio der Elastizität fester Körper" von Clebsch, in welcher dieser erfahrene Mathematiker es ausspricht, wie math. Fragen, unmittelhar angegriffen, oft fremdartig und dunkel erscheinen , aber uns befreundet entgegenkommen, wenn wir sie in dem farbenreichen Gewände physik. Anwendung kennen gelernt haben.

Einige geometrische Bitze.

Bei Verfolgung eines bestimmten Zieles gelangt man häufig neben- her zu ganz besonderen Beziehungen, welche vorher unsere Aufmerk- samkeit entweder nicht weiter beanspruchten , oder sich derselben vollständig entzogen hatten. Dieserart gelangte ich zu einigen geometrischen Beziehungen, welche vielleicht Manchem meiner Herren

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Collegen des Lesens werth erscheinen und dessbalb hier Platz finden mögen.

1) Bekanntlich tbeilen sieb die drei Mittellinien eines Dreiecks in dem Verbältnisa 2:1; weniger bekannt durfte sein, dass sich auch die drei Winkelhalbirungslinien , und ebenso die drei Höhen unter ziemlich einfachen Verhältnissen schneiden

a) Es seien AB = c, BC = a, CA = b die Seiten, AA', BB1, CC die Winkelhalbirungslinien eines Dreiecks, S ihr bekanntlich gemeinsamer Schnittpunkt, so ergibt sich unter Anwendung des Satzes: „Die Winkelbalbirungslinie eines Dreiecks theilt die dem Winkel gegenüberliegende Seite in zwei Abschnitte, die sich wie die anliegenden Seiten zu einander verhalten"

aus A CCA: 1) CS: SC1 = a : BC« aus A CC»B: 2) CS: SC = b: AC -

3) CS: SC» = a: BC1 b:AC und hieraus nach der

Proportionslehre

4) CS: SC (a -f- b) : (BC1 + AC) d. h. C3 : SC1 (a + b) : c

Analog erhielte man BS : SB1 = (a + c) : b und AS : SA» = (b + c) : a mit Worten: Jede W i u k el h a 1 b ir u ngsli n i e eines Drei- ecks wird von den beiden andern so getheilt, dass ihr vom Scheitel des Winkels ausgehender Abschnitt zum andern sich verhält, wie die Summe der ein- schließenden Seiten zur gegenüberliegenden Seite.

Es ist hier vorausgesetzt, dass sich die drei Winkelhalbirungs- linien in einem Punkte schneiden; ohne diese Voraussetzung könnte man folgenden Weg einschlagen:

CC & BB« sollen sich in S schneiden; daun wäre wegen CC

1) a; b = BC1 : AC woraus

2) (a + b) : (BC f AC) =: a : BC1 = b : AC1 oder

2) (a -f b) : c = a : BC b : AC ; aus A CCB ist aber wegen BS

3) CS: SC a:BC somit aus 2) & 3)

4) CS : SC = (a +b ) : c.

Hieraus Hesse sieb nun weiter beweisen , dass sich die drei Winkelhalbirungslinien in einem Punkte schneiden; denn ange- nommen, die Winkelhalbirungslinic AA' schnitte die CC1 in S> , so erhielte man analog CS1 : S'C ^ (a -fr- b) : c, welche Proportion mit der vorigen nothwendig CS CS', SC =: S'C1 zur Folge hätte.

b) Die drei Höhen eine|s Dreiecks theilen sich gegenseitig in Abschnitte, deren Rechtecke oder Producte ein- ander gleich sind.

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Sind wieder AB c, BC a, CA = b die Seiten, AA1, BB», C( 1 die sich in S schneidenden Höhen eines Dreiecks, so folgt ans der Aehnlichkeit der Dreiecke BC'S und CB'S: BS : CS - SC1 : SB1 oder BS. SB1 CS. SC1 ; analog erhielte man

AS. SA1 CS. SC1; der Werth dieses Productes ergibt sich

__ a' + b'- c' a'-b' + c* - a' + o' + c' JL 2 2 ' 2 ' Ai"

Für d ab Ycrhaltniss der Abschnitte fände sich

AS: SA» b. AB1 : A B. A'C = c. AC : A'C. A'B BS : SB1 c. BC1 : B'C. B'A = a. BA' : B'A. B'C CS : SC1 a. CA» : CA. C'B b. Cü' : C'B CA. „Während somit die Aufgabe, zwei Rechtecke von gegebenen Umfängen und gleichem Inhalte aber jeweils zu zeichnen, ver- schiedene Auflösungen bieten wird, gibt die Aufgabe: „drei Recht- ecke zu zeichneo, welche bei gleichem Inhalt gegebene Umfänge haben41 nur eine Auflösung, wenn die hier enthaltene Bedingung hinzutritt".

2) Fällt man aus irgend einem Punkte (der Einfachheit halber innerhalb) eines Dreiecks ABC Lothe auf die Seiten, so ist die Summe der Producte aus je einer Seite und ihrem ersten Abschnitt gleich der Summe der Producte aus je einer Seite und ihrem zweiten Abschnitt; diese Summe ist ausserdem constant, d h. sie ist gleich der halben Summe der Quadrate der drei Seiten. Sind C, A1, B1 resp. die auf den Seiten, AB, BC, CA liegenden Fusspunkte der Lothe, so hat man also:

AB . C'B BC . A'C -f- CA . B'A = AB . CA + BC . A'B CA . B'C

AB« -|- BC* -fr CA« 2

Für ein gleichseitiges Dreieck wird demnach die Summe der der

3

Reihe nach geraden oder ungeraden Abschuitte ^ a.

Die vorher genannte Summe ist demnach auch gleich der Summe der Producte aus je einer Seite und ihrem ersten oder resp. zweiten durch die zugekörige Höhe erzeugten Segment.

3) Legt man durch zwei Eckpunkte, etwa B & C, eines Dreiecks ABC Parallele, welche den umschriebenen Kreis resp. in D & E schneiden, und verbindet diese Schittpunkte mit den andern Eckpunkten des Dreiecks, wobei AD & BE sich in F schneiden sollen, so ist Dreieck AFE oc Dreieck BFD oo Dreieck ABC. Der Satz wird insbesondere einfach und hat eine bekannte Beziehung zwischen CD, AD & BD zur Folge, sobald Dreieck ABC gleichseitig ist.

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4) Wenn man aus den Endpunkten eines Durchmessers AB Lothe auf eine Sehne CD fällt, so schneiden diese Lothe nach entgegen- gesetzten Richtungen gleiche Stücke von der Sehne ah.

Man gelangt zu diesem Satze durch Aufstellung eines Sehnen- vierecks ACBD, dessen eine Diagonale ein Durchmesser, dessen andere Diagonale diese Sehne ist; stellt man nach Fällung der Lothe alle Proportionen auf, welche sich aus je zwei ähnlichen Dreiecken ergeben, vereinigt je zwei derselben und bildet aus diesen Vereinigungen wieder eine einzige, so lautet dieselbe, wenn wir mit BE und AF die Lothe bezeichnen, CE:ED DF : CF, woraus sich ohne Schwierigkeit CE = DF und DE - - CF ergibt.

5) Wenn man zwei Gegenseiten eines Sehnenvierecks AßCD, etwa AD & BC, bis zu ihrem Schnittpunkt E verlängert, entsteht ein dem Dreieck ABE ähnliches Dreieck CDE, so dass sich mit Hülfe dieser Aehnlichkeit sowohl die Verlängerungen CE und DE, wie auch die Inhalte dieser Dreiecke und damit der Inhalt des Sehnenvierecks selbst aus seinen vier Seiten verhältnissmässig bequem berechnen lässt. Gilt za gleicher Zeit für dieses Viereck die Bedingung, dass sich demselben auch ein Kreis einbeschreiben lasst, so 4cann dieser ein beschriebene Kreis kein anderer als der dem Dreieck ABE zugleich einbeschriebene sein. Erwähnenswert i scheinen mir folgende Werthe für den Fall, dass das Viereck ein Sehnen- und Tangenten- Viereck zugleich ist. Sind

nämlich a, b, c, d seine Seiten, so findet sich i 1/abcd ; r

l/(ab -f- cdM ac-hbd) (ad -|-bc) j Kabcd

4i : f a~+b + c + d U (Aaü"

gentenabschnitt der Seite AB gegen A gelegen) a . b ^_ d; tb b . a b . c

r+;5 fc = e r+-d5 to = d r+7

Als Abstand der Fusspunkte der aus den beiden Mittelpunkten auf eine Seite gefällten Lothe erhält man das Product der halben Soite mit dem Quotienten aus Differenz durch Summe der an- liegenden Seiten.

6) In einem mir zufällig zu Händen gekommenen Schrifteben (Taschenbuch der Geometrie von Hauptmann Bienenfeld, Stahel'sche Buchhandlung, Würzburg, 1869) ist die Aufgabe gelöst, ein gleich- schenkliges A in ein gleichseitiges zu verwandeln Die Lösung ist interessant; in der Beweisführung fehlt die Correctur. Diese Aufgabe und ihre Lösung lässt aber eine nicht zu unterschätzende Verallge- meinerung zu, die sich unter bestimmten Rücksichten selbst auf Vier- und Vielecke erstrecken wird. Nach dieser Verallgemeinerung lautet

••) hier also H=

a + c

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die Aufgabe: Ein Dreieck I in ein einem Dreieck II ähnliches Drei- eck III zu verwandeln. Die Auflösung wird lauten:

Zeichne Qber einer Seite des Dreiecks I als Grundlinie ein dem Dreieck II ähnliches Dreieck IV, ziehe in beiden die Höhe für diese Grundlinie, errichte über der grösseren dieser Höhen einen Halbkreis, welcher von der durch die Spitze des niedrigeren Dreiecks zur Grund- linie gezogenen Parallelen in E geschnitten werden soll, so ist die Ver- bindungslinie dieses Punktes E mit dem Fusspuokt der grösseren Höhe die homologe Höhe des gesuchten Dreiecks, d h. trage diese Verbindungs- linie auf der einen oder andern Höbe von ihrem Fusspunkte aus ab, wodurch C1 entstehen soll, und ziehe durch C1 Parallele zu den Seiten des Dreiecks IV, welche die gemeinsame Grundlinie in A' & B1 schneiden sollen, so ist A1 B1 C das gesuchte Dreieck.

Zum Beweise wende man die Sätze an: „Aehnliche Dreiecke verhalten sich etc." und „Wenn man aus einem Punkte der halben Peripherie ein Loth auf den Durchmesser fällt, so ist dieses Loth etc.".

7) Als ich mir vor einiger Zeit die Aufgabe stellte, die Grösse der Centrailinie des einem Dreieck um- und einbeßchriebenen Kreises zu bestimmen, fand ich die Bestätigung meiner Vermuthung, dass die Grösse der Radien die Länge der Centrailinie allein schon bestimme;

es ergab sich nämlich für diese Centrailinie JIM1' 2r Die hier ermöglichte Elimination der Dreiecksseiten weist einerseits darauf hin, dass diese beiden Kreise bei derselben Centrallinie zugleich mehreren (eigentlich unendlich vielen) Dreiecken gleichzeitig genügen, an denen jedoch je 3 einander congruent sind, andererseits wieder darauf, dass durch Angabe je zweier der Grössen MM1, r, r1 die dritte nicht mehr in unserem Belieben steht, dass also z. B. bei gegebenen Radien die Centrale eine bestimmte Grösse hat etc. Die obige Relation bietet Anlass zu mancherlei Schlüssen, z. B. für MM1 = o wird

r1 =: rr, d h. das Dreieck muss regulär sein ; für MM1 - V n (n-2) i n

wird r1 - . r ; für MM» = r gibt es kein Dreieck, da dann r1 o n

ist; je kleiner r1 gegen r ist, um so grösser wird mm1, d. h. der ein- beschriebene Kreis rückt um so näher an die Peripherie des um- schriebenen Kreises, je kleiner sein Radius ist etc.

Zieht man die Seiten in die Betrachtung herein, so wird ihre mögliche Grösse durch die beiden Sehnen des umschriebenen Kreises begrenzt sein, für welche das Apothem r* ± MM1 ist; im Grenzfalle selbst erhält man je ein gleichschenkliges Dreieck. Von einer dieser Grenzen ausgehend lässt sich die Zu- oder Abnahme der Grundlinie bei ihrer Wanderung um den innern Kreis leicht aus dem durch ihre

Blätter f. d. bayer, Oymn.- u. Real - Schul w. XL Jahrg. 9

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vorige und neue Lage eingeschlossenen Bogen des umschriebenen Kreises feststellen.

In nahezu analoger Weise bestimmt sich der Werth für die Centrale des einem Viereck um - und einbeschriebenen Kreises durch die Gleichung

MM1' = r' + 2r>8 - ^-f, unter e & f die Diagonalen des Vierecks

verstanden. Es müssen demnach auch dieselben zwei Kreise für verschiedene Vierecke gleichzeitig gelten; die Bedingung für diese Vierecke ist aber, dass das Product oder Rechteck aus ihren Diago- nalen einen constanten Werth hat, und dass zur Vermeidung einer Drehung der Centrallinie um den Mittelpunkt des umschriebenen Kreises die Schnittpunkte der Diagonalen in einen Punkt zusammen fallen. Eines dieser Vierecke ist ein Antiparallelogramm und kann somit den Ausgangspunkt zur Bestimmung der anderen Vierecke bilden. Die Frage aber, ob und warum diese Vierecke ein und denselben Diagonalen Schnittpunkt haben, musste ich bei der mir kurz zuge- messenen Zeit vorerst noch offen lassen.

Neustadt a./H. Dr. Hügel.

Baumgart, Hermann Dr., Aelius Aristides als Repräsentant der sophistischen Rhetorik des zweiten Jahrhunderts der Kaiserzeit. Leipzig. Teubner. 1874.

In dieser Schrift behandelt der Verfasser in eingehender und trefflicher Weise den berühmten Rhetor Aelius Aristides. In der Ein- leitung kritisirt er seine Vorgänger und weist im Gegensatz zu Bern- hardy's glänzender Schilderung von der sophistischen Beredsamkeit des zweiten Jahrhunderts n. Chr. und insbesondere von Aristides dem- selben die richtige Stelle zu, indem er zeigt, wie hinter der gesuchten Form Mattheit und innere Hohlheit sich verberge. Wenn aber der Verfasser die Lehrer des Aristides erwähnt, so wäre es wohl nicht unpassend gewesen, auch seine Schüler namhaft zu machen. Zu diesen gehörte z. B. Apsines , der ihn öfters in seiner rix^n anführt: Speng. p. 343. 10 bei Erwähnung von heiligen Reden, eine Notiz, die offenbar aus den Reden des Aristides herrührt; dann p. 348. 21. ola nokka 7taQy 'j4Qt<rie(dfi't p. 353. 1. w'c iv t<Z Iooxyuiei 'jyioreiäov u. s. w.

Im ersten Kapitel wird die Stellung des Aristides zur alt- griechischen Literatur und sein feindseliges Verhältniss zur Philosophie seiner Zeit besprochen. Indem nemlich Aristides annahm, dass Philosoph und Sophist im Grunde dasselbe sei, identirlcirte er die alten Sophisten mit den neuen und wendete seine Polemik an die Adresse der gesammten, eigentlichen Philosophie, namentlich der Platoniker. Gegen Plato selbst leitet er vielfache Verdächtigungen aus dessen Verkehr mit Diou her, wie er auch die Briefe überall mit Vorliebe als echt citirt und gegen Plato verwendet.

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In einem zweiten Kapitel behandelt der Verfasser das Wesen der sophistischen Rhetorik. Das Urtheil aber, dass die Sophistik als solche in feindlichem Gegensatze zu allen wissenschaftlichen Bestrebungen gestanden sei, ist zu strenge, wenn nicht ungerecht. Dasa bei der Ab- nahme des politischen und socialen Lebens im 2. Jahrhundert der Kaiserzeit ein solcher BlQtenkranz von geistigen Produkten wie in der klassischen Zeit nicht mehr möglich war, versteht sich von selbst. Aber sind denn die r^/*»/ eines Hermogenes , die ixQoyv^vuanata eines Theon, Aphthonios , die ausgezeichneten Schriften eines Tiberius, Demetrius, Menander gegen wissenschaftliche Bestrebungen gerichtet? Conseqoent mü^ste man dann auch die gleichzeitige römische Literatur verurtheilen. Ebenso hat der Verfasser Richtung der Zeit und Charakter der Person verwechselt, wenn er den Aristides als einen Menschen bezeichnet,* dessen Grundzug es sei, den Schein statt des Wesens zu verehren, und dessen Consequenz und Kraft darin bestehe, die Kunst, Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten, auf die Höhe zu bringen. Richtiger ist des Verfassers Urtheil im dritten Kapitel, indem er den Aristides als einen in der Weise seiner Zeit gläubigen Asklepiosdiener auffasst, der aus der Religion ein Feld für seine Rhetorik macht, woraus dann natürlich wie immer wunderliche Dinge entstehen. Man wollte eben damals auf den Boden des alten Götterglaubens zurückgeben; dieser genügte aber dem verwöhnten Gaumen nicht mehr, desseu Neigungen der Asklepios« und Serapisdienst in besonderem Grade zusagte. Dieser Pietismus entstand bei Aristides durch seini- lange Krankheit, in der er sich nach der Vorschrift der Orakel und Träume des Asklepios behandeln Hess. Auch bierin steht der Rhetor nicht vereinzelt, was der damals herrschende Neuplatonismus mit seinen Extasen beweist Im vierten Kapitel werden dei Aristidea Götter- reden behandelt, im fünften seine Krankheit und die heiligen Reden, die gleichsam eine Geschichte seiner Krankheit bilden Denn er stellt diese als Eingebungen des Gottes hin; den grössten Theil liefert ihm der Traumverkebr. Eine richtige Ansicht des Verfassers ist aurh die, dass Menander seine xixvn huftutturiSv nach des Aristidea Reden verfasst habe. Nur wäre zu wünschen gewesen , dass dieses weiter ausgeführt worden wäre. Im sechsten Kapitel endlich bespricht der Verfasser die äussere Form der Krunkheitsgeschichte in den heiligen Reden und findet den Schlüssel zum Verständniss der Geschichte des Rhetors in der Ergründung seines inneren Seelcnzustandes. In dem- selben Athcm freilich sucht der Verfasser den Schwerpunkt seines Charakters in dem beispiellosen Grade von Selbstbespiegclung und ausschweifender Ruhmsucht Es ist eben Aristides ein Kind seiner Zeit, und es ist ihm gur nicht zum Vorwurfe anzurechnen, wenn er bei der damals herrschenden Schwärmerei, die hei ihm sich durch seine lange Krankheit noch steigerte, Dinge zum Vorschein brachte, über die wir uns wundern bei der jetzt herrschenden Nüchternheit.

In der zweiten Abtheilung untersucht der Verfasser die Frage der rirrttt QrjToQixnC des Aristides, die er gegen Spengel u. a. diesem Rhetor zutheilt, indem er die ganze Schrift für einen Entwurf hält. Sehr scharfsinnig und richtig benutzt er dazn die Stelle p. 461 luvra f*ey ow iy jois Jwxovovm als eine Bemerkung, die der Verfasser zu seinem eigenen Gebrauche hinzugefügt habe d h. dies für die Zuhörer oder hierüber mündlich Näheres Damit stimmt auch vortrefflich der fragmentarische Charakter dieser Schrift.

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Wenn nun über das Ganze ein ürtheil gefällt werden soll, so stehe ich nicht an, abgesehen von einigen Mängeln, die Schrift als eine sehr gute Arbeit zu begrüssen und den Wunsch beizufügen, der Verfasser möge ähnliche dunkle Stellen, deren es besonders in der Literatur der Rhetorik der Kaiserzeit so viele gibt, mit demselben Geschicke und demselben Scharfsinne aufhellen. Denn dass das Studium der Technik der Rhetoren noch sehr wenig betrieben wird, sieht man schon daraus, dass der sonst so verdiente Rehdantz negi (xe&6^ov deivortiroe „von der Gewalt der Methode" übersetzt*) statt von der Methode der JeivoTqs: eine sonderbare Illustration für den Herausgeber des £ff«if dWoVffroff.

Günzburg. C. Hammer.

Leitfaden der historischen Geographie von B. Kneisel. I. Zur alten Geschichte. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. 1874. gr. 8. IV, 128 Seiten.

Mit vorliegender Schrift will Verfasser den Schülern der Secuuda einen auch ohne Lehrer brauchbaren Abriss in die Hand geben, welcher dem Lehrer verstattet, in der Klasse sich auf Repetition zu beschränken , dem Schüler aber anstatt einer statistischen Nomen- clatur ein territoriales Bild der alten Welt liefert, das die Oertlichkeiten durch Beschreibung der Lage und der Ueberreste seinem Interesse näher bringt.

Der praktische Werth dieses Planes ist nicht zu verkennen und vermissen wir in dieser Beziehung nur die Beigabe der modernen Namen; was die Ausführung des Planes anlangt, so darf die wichtigste Partie, der eigentlich geographische und beschreibende Theil, im Ganzen und Grossen als wohlgelungen angesehen werden. Die geschichtlichen Erläuterungen fordern hie und da zum Widerspruch heraus, z. B. (wir beschränken uns des Raumes wegen auf Griechenland) die Bemerkungen, dass der Achelous die Grenze zwischen Aetolern und Akarnanen bildete und dass Amphissa sich des lokrischen Namens schämte, sind bloss für die nachclassische Zeit richtig; Pydna war keine eigentlich hellenische Stadt, daher auch nicht mit Methone auf gleiche Linie zu stellen; bei Thessalien hätte schärfer hervorgehoben und einheitlicher zusammen-

Sefasst werden sollen, welchen Theil die Thessaler bewohnten und wie ie Perioekenvölker sich zu ihnen verhielten. Die Ableitung der feind- seligen Stellung von Orchomenos und Plataiai zu Theben aus der Ver- schiedenheit der Abstammung ist von zweifelhaftem Werth und enthält jedenfalls nicht den Hauptgrund; noch problematischer und daher für ein Schulbuch abzuweisen ist der Zweifel an der nationalen Identität der Thesproter älterer Zeit mit den späteren.

In formeller Beziehung, was die Schreibung der alten Namen betrifft, wäre strengere Consequenz, und überhaupt der Darstellung schärfere Durcharbeitung zu wünschen gewesen; man vgl. z. B. was über das geographische Verhältniss von Herakleia zum Oeta und den Thermopylen (S. 12), über Taphos und die Taphier (S. 13), über die

*) In der neuen Ausgabe berichtigt. D. Red.

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Frage, ob Megaris zu Mittelgriechenland oder zum Peloponnes zn rechnen (S. 27), gesagt wird; Lamia liegt nicht westlich vom Winkel des ma- lischen Busens (S. 12); das Citat S. 33 liefert einen hinkenden Ver- gleich zwischen Tegea und Uri.

Hof. Unger.

M. Tullii Cictronis de. ßnibus bon. et mal. I. V für den Schul- gebrauch erklärt von Dr. H. Holstein. Leipzig, Teubner 1873 (XI und 284 S. 8).#)

Die vorliegende Bearbeitung von Ciceros Werk über die Grundlage der Ethik will vorzugsweise dem Bedürfnisse der Schule dienen. Die Frage, ob sich diese Schrift überhaupt zur Schullektüre eigne, bei Seite lassend, wollen wir zusehen, was unsere Ausgabe insbesondere für die Schule leistet und in wie ferne etwa Aenderongcn wünschens- wert!) wären.

Die nur 9 Seiten umfassende Einleitung enthält in lichtvoller, der Fassungskraft des Schülers angepasster Darstellung so ziemlich alles , was zur Einführung in die Schrift zu wissen nöthig ist. Die Grundlage für den Text bildet die Zürcher Ausgabe von Baiter (1861) mit Beiziehuug des bei Tauchnitz (1863) erschienenen Textes. Die Abweichungen vom erstgenannten Text sind -im Anhange mitgetheilt mit Angabe derjenigen Autoritäten, auf welche sich die bezüglichen Aenderungen stützen.

Tritt schon bei einem Blick auf dieses Verzeichniss die überwiegende Autorität Madvigs (I. Ausg. 1839, II. 1869) vor Augen, so ist dies noch mehr in den Anmerkungen unter dem Texte der Fall. Es sind nicht nur sehr häufig die kritischen und erklärenden Bemerkungen aus Madvigs meisterhafter Bearbeitung entweder w.örtlich oder im Auszug wiedergegeben, sondern es ist auch viel häufiger Madvigs Auf- fassung vertheidigt gegen fremde Ansicht als ein Wort dagegen gesagt. Im allgemeinen kann ich mich mit diesem Standpunkt, den man den conservativen nennen kann, zumal in einer Schulausgabe einverstanden erklären; indessen scheinen mir da und dort die Beobachtungen anderer Gelehrter doch zu wenig berücksichtigt zu sein. So scheint mir H. ohne Notb I, 63 von dem hdschr. viam abgegangen, III, 7 inanem hinter vulgi dem Zusammenhang nicht angemessen und III, 11 quodni statt quod H geschrieben werden zu müssen, worüber Müllers observ. p. I. und II. nachzulesen Bind. Ferner dürfte I, 64 Bockel (Thurgauer Frogr. 1863) die handschriftliche Lesart ab eadem illa gegen Madvig's ab eodem Mo richtig vertheidigt haben.

Ebenau scheint mir Unger (Piniol XX) ganz recht zu haben, wenn er II, 27 quin rede cup. in qui rede cup. verwandelt, wenn er ferner II, 37 statt quam quaerimus schreibt quod quaerimus und II, 45 ratio hinter eademque streicht und natura als Subject ergänzt. Doch sind diess Punkte, die mehr in das Gebiet subjektiven Ermessens gehören. Wichtiger scheint mir ein anderer Punkt, den kürzlich Meusel (Z. f. G. W. XXVIII, Juli) anschaulich dargelegt hat. H. hat nämlich

*) Durch nicht zu beseitigende Hindernisse verspätet.

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sämmtliche kritische Bemerkungen, soweit sie nicht in das besprochene Verzeichniss Her discrep. scriptur. fallen, unter die fortlaufenden Anmerkungen eingereiht und damit, wie mich dünkt, der Brauchbarkeit des sonst mit vieler Sachkenntniss und klarem Urtheil geschriebenen Commentars einigen Eintrag gethan. Die meisten der Schüler freilich ■werden solche Bemerkungen unbeachtet lassen, mancher aber wird auch verführt werden, die Ansicht des Verfassers für ganz unanfechtbar zu halten und sich selbst in Besitz derselben besonders klug zu dünken, während der Lehrer gar manchmal sich versucht fühlen wird, die fragliche Ansicht zu verwerfen. Derartige Bemerkungen, namentlich wenn sie polemisirender Art sind, scheinen mir in einen besonderen Anhang verwiesen und für das Bedürfniss des Lehrers, der nicht immer die verschiedenen Zeitschriften, Programme u. dgl. zur Hand haben kann, eingerichtet werden zu müssen. Dann wird allerdings, wie M. bemerkt, am besten für die Schüler eine besondere Ausgabe ohne diesen Anhang veranstaltet werden. Ebenfalls im Interesse der Schule hätte II. vielleicht besser die häufigen Notizen über Personen, Oertlichkeiten u. s. w. in den index nominum aufgenommen, der bloss ein Verzeichniss der erklärten Personen- und Ortsnamen enthält. Nicht nur die Uebersicht über den betreffenden Artikel, sondern auch die Controle über den Fleiss der Schüler wäre dadurch erleichtert. Sehr einverstanden dagegen hin ich damit, dass H. die Inhaltsangabe einem jeden Abschnitte eines Buches unter dem Texte vorgesetzt und auf dieselbe besonderen Fleiss verwendet hat Es bleibt wohl dem Schüler immer noch genug zu thun übrig, wenn er an der Hand dieser vereinzelten Angaben sich den Zusammenhang eines ganzen Buches oder grösseren Theiles desselben zurechtlegen und präsent erhalten will.

Sachlich finde ich den Commentar, wie schon oben angedeutet, mit grosser Sorgfalt und Sachkenntniss ausgearbeitet. Im Umfange der Anmerkungen ist durchschnittlich weise Maass gehalten, und besonders wird es der Lehrer dem Verfasser Dank wissen, dass er nicht leicht die Gelegenheit zu einer feinen sprachlichen Bemerkung sich hat entgehen lassen. Eigene Conjecturen hat II. nur wenige auf- genommen, worüber Liter. Centraiblatt 1874, Nr. 25 zu vergleichen ist, so wie namentlich in Bezug auf Sprachliches Z. f. G. W. XXVIII, September und October.

Wenn ich hier noch einige Bemerkungen mittheile, so geschieht diess in dem Bestreben, ein ganz kleines Scherflein zur Vervoll- kommnung des tüchtigen Buches beizutragen.

I, 8 muss wohl das auf Brutus bezügliche Citat (Acad. I, 12) Graeca desideres statt Graecia desideret lauten. I, 19 ist die zu cum sitt tum efficit gemachte Bemerkung nach Madvigs Gramm, nicht recht klar, und im folgenden § wäre eine Bemerkung über die mangelhafte Kritik in Bezug auf Epicurs Ansicht über die Atomen - Bewegung am Platz gewesen. I, 38 muss wohl statt careret entweder carerent oder mit J. Müller careremus geschrieben und das cum II, 5 beigezogen werden. I, 50 ist nach den besten Handschriften turbul. est\ 8% geschrieben, während unten ein (nicht ganz genaues) Citat zu der verworfenen Lesart non potest non fieri gegeben und von derselben Stelle (III, 29) auf unsere verwiesen wird. In der Inhaltsangabe zu I, c. XIX steht in der ersten Zeile „zu Theil" statt „theilhaftig".

II, 5 scheint mir der Sinn nunc item statt nunc idem zu verlangen j denn Torquatus soll gleichermassen (— auch noch) den Begriff" seiner voluptas definiren {Handy Turs. III, p. 514.)

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Die Bemerkung zu quasi (qttasi vero) II, 70 wäre wohl schon zu II, 7 und 17 am Platze gewesen. 11,24 hatte man eine Bemerkung zu ut ne, auf das gleich ut non folgt, erwartet Ut non und <ut) ne sind selbst zu Ciceros Zeit noch nicht streng geschieden, wie Madvig Gramm. 456, A. 3 und 4 richtig andeutet; mit der Bemerkung zu ne noceret § 64 (vgl. auch de orat. I, 132) ist der betreffende Punkt, den Hand (Turs. III, 32 ff) unrichtig zu beurtheilen scheint, nicht erledigt. § 76 steht, wohl gegen den Willen H.'s, in der Anm. autem hinter profiteri, das im Texte mit den besten Handschriften fehlt. §. 81 ist die Erklärung zu optimum quidque doch wohl uunöthig. §. 87 ist die Erklärung zu neque enim in a. p. etc. ganz aus Madvig ausgeschrieben, der hinter omnino vita ein „beata1 einsetzt, wahrend es H. weglässt, so dass die Erklärung nicht vollständig zum Texte stimmt. Mir scheint Unger ganz recht zu haben, wenn er die Worte nemo igitur absoluta für ein Einschiebsel erklärt. 111,51 lässt sich wohl das Anakoluth in der angezogenen Stelle (de off. II, 88) viel leichter erklären als die Genitive a. u. St., wie auch earum rerum für eae res, (V, 37) weniger Anstoss erregen kann. Heine dürfte hier richtiger gesehen haben als Madvig, der gar zu gerne zu einem lapsus memoriae seine Zuflucht nimmt. Zu IV, 6 (nam quidquid quaeritur etc.) hätte gerade die Stelle deor. I, 138 nicht angezogen werden sollen, da dieselbe der gang und gäben Darlegung der Sache widerspricht (vgl. mein Gymn.-Progr , Hof 1874, S. 9 ff.). IV, 30 ist si autem jedenfalls auffällig, obwohl es durch die Handschriften beglaubigt scheint. IV, 73 ist wohl kein Grund, zur Ellipse von respondere und dicere Beispiele zu geben. V, 28 war eine Bemerkung zu der sonderbar geformten Periode : Neque enim quaerant, aut, ut illa etc. nothwendig. Madvig streicht bekanntlich ut vor ille. Die Erklärung zu der schwierigen Stelle V , 43 (aanoscit ille quidem incohata) ist ungenügend, da mit der blossen nonderung von tarnen in tantum (nach Madvig) die Worte per se s. t. *'. aus ihrer traurigen Stellung nicht erlöst sind. Scharfsinnig fasst Heine diese Worte als Erklärung eines Lesers oder Abschreibers zu vis naturac cemitur. Wenn ich übrigens recht sehe, so ist jener, der zur vollen Anschauung der Naturkraft kommt, nicht der animus , sondern der Philosoph, der vermittelst seiner ratio die Entwicklung derselben zu fördern hat, vgl. §. 55. In der Uebersicht der discrep. scriptur. heisst es zu II, 119: elicerem Baiter in d. T. A. 1863 ; indessen steht dort exigerem, während in der Zürcher Ausgabe elicerem vermuthet ist

Störende Druckfehler, abgesehen von der nicht ganz seltenen falschen Angabe des Textes in den Anm. (z. B. honesta statt honesta* natura S. 121), finde ich S. 4, wo es Z. 2 in den A. wohl müssten statt müssen beissen soll; S. 135, wo die Z. 5 7 in d. A. in einander verschoben sind, und S. 172, wo im Texte Academisque und in den A. Academicosque statt Academicisque steht. S. 122 steht am Schluss des II Buches cidat statt dicta. Möge diese tüchtige Arbeit, die ich besonders angehenden Philologen zum Studium empfehle, volle Aner- kennung und durch fleissige Nachbesserung eine immer vollkommenere Gestalt gewinnen!

Hof. Ruhne r.

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Sickenberger, Adolf. Leitfaden der Arithmetik nebst Uebungs- Beispielen. München, Theodor Ackermann, 1875.

Vorliegender Leitfaden behandelt in kurzgefassten Sätzen das Nothwendigste aus der Aritbroetik und zwar in 5. Kap. die Lehre von den unbenannten und benannten Zahlen, die Dezimal- und gemeinen Brüche, sowie die Verhältnisse und Proportionen und in einem Anhange die Reichsgoldwährung verglichen mit dem französischen Münzsystem. Trotzdem der Herr Verfasser die Zweckmässigkeit der vorgeschriebenen Bezeichnung der metrischen Masse und Gewichte anerkennt, hat er doch mehrere derselben anders bezeichnet, was für Schüler in diesem Alter, die an die vorgeschriebene Bezeichnung gewöhnt sind, nachteilig ist, wie überhaupt die neue Nomenclatur wie z. B. in §§. 78 & 34 Serie, multiplicativ und divisiv, Mischungsmoment etc. die Schüler nur ver- wirrt. Ebenso ist in §. 15 die Einteilung in Teilungsdivision, wenn eine benannte Zahl durch eine unbenannte , und Verhältnissdivision, wenn eine benannte Zahl durch eine gleich benannte Zahl dividirt wird, überflüssig. Die Formeln zur Flächen- und Körper - Berechnung

sehr. Im §.17 folgen auf die ganzen Zahlen sofort die Dezimalbrüche, wenn nun, wie hier geschieht, das Wort Bruch benützt wird, so wäre es doch wohl besser gewesen, die Lehre von den Brüchen vorauszu- schicken, da mit Hilfe derselben z. B. die Division der Dezimalbrüche ; leicht begründet werden kann, was hier §. 20 h nicht geschieht Welchen Vorzug der vertikale Strich vor dem horizontalen bei den Serien aus dem Producta der multiplicativen und divisiven Elemente haben soll, ist nicht recht klar. Durch die zahlreichen Uebungen, welche den ein- zelnen §§. beigegeben sind, bietet dieses Buch den Schülern Gelegenheit, sich mit dem Stoffe vollständig vertraut zu machen und wären dieselben wohl noch fruchtbringender, wenn die Resultate immer angegeben wären, da der Schüler dann von der richtigen Lösung sich sofort überzeugen könnte; warum diess den Schülern entschieden schädlich wäre, wie der Herr Verfasser annimmt, ist Referenten nicht einleuchtend.

Landshut. Himmer.

Die Räteis von Simon Lemnius, Epos in IX Gesängen, herausgegeben mit Vorwort und Commentar von Placidus Plattner. Chur 1874, Officin von Sprecher und Plattner.

Unsere Zeit ist vielfach thätig und nicht selten glücklich, wie in Ausgrabungen verschütteter Städte und Denkmale alter Jahrhunderte, so auch in Auffindung und Verbreitung von bisher nur handschriftlich vorhandenen Geschichtsquellen und Werken der Literatur. Ein solches Werk liegt hier vor uns. Der Verfasser, Simon Lemnius Emporicus wie er seine beiden Zu:- amen Lemm und Margadant *) = merca- dante, mercator humanisirte ein schweizerischer Humanist der t, Hälfte

*) Die meisten Encyclopädien , auch Oettingers Moniteur des dates geben als Geburtsjahr 1510 und bezeichnen Margadant fälschlich als Geborte ort.

in §§. 16 & 22

gewinnen durch

deutlichen Figuren

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I

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des XVI Jahrhunderts, -f 1550inChur als Lehrer an der etwa 10 Jahre, vorher gegründeten Schale, früher gebildet in München 1532*), dann in Ingolstadt und Wittenberg studierend bis 1538, war bisher fast nur bekannt durch seine Flucht aus dem letzteren Ort vor dem dräuenden Zorne Luthers, über den Lessing Werke II. Teil, Briefe, berichtet, durch seine Rachegedichte, Eklogen und Elegien, dann durch eine im XVI. Jahrhundert in 2 Auflagen erschienene Uebertragung der Odyssee in lateinischen Hexametern Jetzt wird uns der bisher fast übel berufene Mann, um dessen Ruf Lessing durch eine seiner Rettungen sich verdient machte, als Epiker bekannt durch seine Räteis, ein Epos in der Art des Vergilius oder besser des Lucanus, Sil ins Italicus, Statius, in welchem der Krieg des Kaisers Max I. und des Reichs gegen die Schweizer im Jahre 1499, der die Lostrennung der Schweizer vom Reich besiegelte, vom Standpunkt der Graubüudner und Eidgenossen episch behandelt wird. Schade, dass die überlieferten Handscbrifteu alle einer, vielfach unrichtigen und lückenhaften entstammt, die Herstellung eines correcten Textes fast unmöglich machten ; doch hat der Herausgeber durch eine sorgfältige Einleitung über Leben, Schicksale und Werke des Dichters, dann besonders durch die grosse Schwierigkeiten bietende Erläuterung der geographischen und historischen Eigennamen um das Verständniss und die Würdigung des Gedichts sich entschiedene Verdienste erworben, die nur einem mit der Geschichte und Topographie von Granbündten und der Nachbarlandschaften ganz vertrauten Manne erreichbar waren. Es wird wohl Niemand sich wundern, der andere alte und neue Epen in lateinischer Sprache kennt, hier dem alten mythologischen Apparat zu begegnen, der Juno als Beschützerin der Venosten, während Venus wie bei Virgil die den Tuskern, Römern, Trojanern entstammten Rhäter beschirmt, den Scenen in der Unterwelt mit den Furien, den Schilder- ungen von Schilden und Rüstungen der Haupthelden mit ihren Kunst- werken, hat doch der Dichter anderseits ein offenes Auge für die Schönheit und Erhabenheit der Alpennatur, für die Kriegsscenen, Belager- ungen und Schlachten, und versteht er es, an geeigneter Stelle ans dem Munde von alten Helden, den Nestoren dieser Zeit, den Ursprung und Ruhm der Geschlechter mitzuteilen und den trefflichen Sängern die Sagen von Teil, Melchtal, Baumgart, den Heldenkämpfen gegen Habs- burg, Frankreich und die Burgunder in den Mund zu legen.

Straubing. Heisi.

Das Ideal dos Helden und des Weibes bei Homer mit Rücksicht auf das deutsche Alterthum von Ludwig Blume, Prof. am k. k. aka- demischen Gymnasium in Wien. Wien, Alfred Hölder 1874.

Eine interessante Schrift. Dem germanischen Helden ist Leben und Kämpfen identisch. Im Gegensatz zum Germanen steht die Werth- schätzung des Lebeus im Mittelpunkt der griechischen Lebensauffassung ; im Ganzen kommt die Kampfesfreude bei Homer selten zum Ausdruck, und der Kampf bleibt für den Griechen mehr eine unangenehme Notwendigkeit.

*) Wahrscheinlich unter Wolfgang Winthanser, Änemoecius.

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Nicht minder auffallend ist der Gegensatz in der germanischen und hellenischen Auffassung des Weibes. „Man ist beinahe versucht zu sagen, das Grundprincip der griechischen Lebensanschauung sei im Weibe, das der germanischen im Manne repräsentirt; und das griechische Heldenideal sei von den vornehmlich durch das Weib vertretenen Motiven in ähnlicher Weise beeinflusst, wie das weibliche Ideal der Germanen etwas Heldenmässiges an sieb hat." „Es ist charakteristisch , dass das deutsche Weib den in die Schlacht ziehenden Helden waffnet, während die Griechin nur den aus der Schlacht zurückkehrenden Krieger entwaffnet."

Wenn auch der Schreiber dieser Zeilen mit dem Schlusswort des Herrn Verfassers nicht völlig übereinzustimmen vermag, so kann er doch nicht umhin, obiges Buch zu empfehlen, da es des Lehrreichen so Vieles bietet und besonders den Lehrern an humanistischen Gym- nasien Gelegenheit gibt, die beiden wichtigsten Völker der Geschichte Griechen und Germanen nach ihrer ethischen Auffassung des Lebens, rücksichtlich des Helden und des Weibes, bei der Lektüre des Homer mit einander zu vergleichen.

N.

Der zweite punische Krieg und seine Quellen. Eine historische Untersuchung von Ludwig Keller, Dr. phil . Marburg 1875.

Schon in seiner Inauguraldissertation hat Hr. Dr. Keller nachge- wiesen, dass von Appian und Cassius Dio die römische Geschichte des Köuigs Juba II. von Mauretanien als Quelle benützt wurde. Ist dem Verfasser dieser Nachweis gelungen, und man darf und muss ihn wohl für gelungen halten, so hat er das Verdienst, den bisher fast gänzlich unbeachtet gebliebenen Quellen dritten Ranges die gehörige Geltung verschafft zu haben und es ist der historischen Kritik ein neuer Mass- stab an die Hand gegeben, den sie an diejenigen Autoren, die mit den obigen gleichen Stoff behandele, anlegen wird.

In der oben genannten Schrift nun behandelt der Verf. die für die Weltgeschichte höchst wichtige Epoche des zweiten punischen Krieges. Durch Vergleichung wesentlicher Berichte des Appian und Cassius Dio über diesen Krieg mit Polybius und Livius weist der Verf. in sehr treffenden Stellen die numidische Quelle jener beiden Schriftsteller, die 'Ptopaixu loroQiu des Königs Juba, nach.

Von diesem Standpunkte aus ist es dem Verf. möglich, die römische Relation über die Vorgänge in dieser Zeit, die wir im Polybius und Livius haben, einer eingehenden Kritik zu unterstellen.

Sich stützend auf die bereits früher gewonnenen Resultate der wissenschaftlichen Forschung konstatirt er die Verwertung einer gemeinsamen Quelle durch Polybius und Livius. Aus der sich hieraus ergebenden Folgerung, dass die Tradition über den punischen Krieg im Wesentlichen schon vor Polybius abgeschlossen war, entsteht für den Verf. die Frage, welche Autoren auf die Tradition wesentlichen Einfluss ausübten und durch welchen Compilator oder Combinator die Tradition festgestellt wurde.

Durch die höchst wichtige Eruirung einer Doublette der Schlacht bei Baecula gelingt es Hrn. K. die Compilation von zwei Relationen

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nachzuweisen, die von entgegengesetzten Parteistandpunkten aus ver- tagst waren. Die Compilation, die sich durch die ganze Polybianiscb- Livianische Beschreibung des II. punischen Krieges hindurchzieht, zeigt, dass die eine Quelle das Scipioniscbe Parteiinteresse vertrat und Hr Dr E. glaubt, den Autor derselben in P. Scipio, dem gelehrten Sohne des Africanus major zu finden, während die andere Quelle auf einen anti- seipionischen Gewährsmann hinweist, wofür der Verf. den Fabius Pictor annimmt. In der Untersuchung, wer der Compilator der beiden Relationen gewesen sei, kommt K auf L. Calpuruius Piso Frugi, dewen Leben und Methode in der Geschichtschreibung er aus den noch vorhandenen Notizen im weiteren Verlauf seiner Abhandlung darzulegen sucht.

Mag man nun immerhin gegen die Feststellung der Namen für die Abfasser der beiden Partoirelationen und für den Compilator derselben einiges Bedenken haben, es bleibt dem Verf. der oben genannten Schrift das hohe Verdienst, Tbatsachen, die dem Philologen und dem Historiker gleich wichtig sind, eruirt und die Möglichkeit gegeben zu haben, den Kampf Koms und Karthagos um die Weltherrschaft richtiger und wahr- heitsgetreuer als bbber darzustellen.

München. J. Pistner.

Literarische Notizen.

Lykurgos' Rede gegen Leokrates erklärt von Prof Adolf Nicolai, Director des herzogl. Gymnasiums in Göthen. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. Die Ausgabe, welche für Schüler bestimmt ist, zeigt das Bestreben, möglichst auch die ethischen Gesichtspunkte her- vorzuheben. Der Kommentar ist kurz gehalten, notwendige Parallel- stellen meist Schriften entnommnn, die den Sekundanern bekannt sind, darunter auch lateinische. Der Verfasser empfiehlt, die Lektüre derselben mit der Rede de imperio Cn. Pompeji oder pro Mose. Am. zu verbinden. Zu Grunde gelegt ist der Text von Scheibe, doch sind an fehlerhaften Stellen auch Konjekturen aufgenommen worden. Voraus- geschickt ist ein „Leben des Lykurgos" mit den nötigsten Vorbemerk- ungen für dio Rede.

Thucvdides erklärt von J. Classen. Fünfter Band, 5tes Buch. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 1 M. 80 Pf. In gram- matischer und kritischer Beziehung in gleicher Weise wie die voraus- gehenden vier Bücher bearbeitet. Die Beschaffenheit und der Zusammenhang dieses Buches werden in den vorausgeschickten „Vorbemerkungen" (auf 28 Seiten) eingehend erörtert.

Sophokles erklärt von Schneidewin-Nauck. 3. B&ndchen. Oedipus auf Kolonos. 6. Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buch- handlung. 1875. 1 M 80 Pf.

Cornelius Tacitus erklärt von Karl Nipperde y. Erster Band. Ab exce8m divi kugusti I— VI. 6. verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 3 M.

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FU>re8 et fructus latini. Puerorum in usum legit et obtulit Carolua Wagner. Editio tertia, attctior et emendatior. Lipsiae. Fleischer 1875. 227 S. in 8. Das Buch bringt in ziemlich buntem Wechsel vor Memorierverse, Sentenzen, poetische und prosaische Lese- stücke nebst Wörterverzeicbniss. Mag man auch an dem ausgewählten Stoff Gefallen finden, so fragt man sich doch unwillkürlich: für welche Klasse soll das Büchlein dienen? Für die untern enthält es zu wenig Material, für mittlere greift man lieber zur nahrhaften Kost eines Klassikers, als zu solchen tutti frutti

Geschichte der römischen Literatur. Für höhere Lehranstalten und für weitere Kreise bearbeitet von Dr. W. Kopp. 3. gänzlich umgearbeitete Auflage. Berlin, Julius Springer. 1875. 120 S. in kl. 8. Enthält für Schüler das Notwendigste. Die eingeflochtenen Uebertrag- ungen aus Dichtern wären entbehrlich und könnte der Raum wohl besser verwendet werden .

Neue praktische Anleitung zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische, von Dr. Chr. £. A. Gröbel. Revidiert und erweitert von Prof. Dr. L. F. Götz, Konrektor an der Kreuzschule zu Dresden. 20. Aufl. Halle, Eduard Anton. 1874. 348 S. in 8. Pr. 2 M. Das Buch erstreckt sich bekanntlich auf die Formen - und Kasuslehre nebst dem Notwendigsten aus der Moduslehrc, wofür es den grammatischen Lehrstoff und die Uebungsbeispiele bietet. Die neue Aufl. unterscheidet sich nicht wesentlich von den früheren. Die Fassung der Regeln lässt trotz einiger Fortschritte noch viel zu wünschen übrig.

Dichtungen von Karl Zettel 2 Aufl. Mit einem Vorworte zur 1. Aufl. von Dr. Herrn. Lingg. Eichstätt und Stuttgart. Verlag der Krüirschen Buchhandlung (IL Hugendubel). 1874.

Rhetorik für höhere Schulen. Von K. A. J. Hoffmann. 2. Abteilung. Vierte Aufl , besorgt von Dr. Alb. Schuster. Clausthal. Grosse'sche Buchhandlung 1875. Die neue Aufl. dieses schon einmal (Bd. VII S. 102) empfohlenen Werkchens ist ein unveränderter Abdruck der vorhergehenden. Nur der im vierten Buche befindliche Abschnitt über die Rede (§. 48) hat mit Benützung von W. Wackernagels Rhetorik in einzelnen Fällen eine Umarbeitung erfahren, wodurch das Buch von 186 auf 188 SS. angewachsen ist.

Alpenwanderungen. Fahrten anf hohe und höchste Alpenspitzen. Nach den Originalberichten ausgewählt, bearbeitet und gruppiert für junge und alte Freunde der Alpenwelt, von Dr. A.W. Grube. Leipzig. Verlag von Ed. Kun.mer 1875. 9 Lieferungen ä 10 Sgr. Der durch viele geistvolle Sammelwerke bekannte Verf. hat mit dem vorliegenden Werke die Zahl jener Bücher, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, vermehrt. Die glückliche Auswahl und Gruppierung, wo es not that, die eigene Bearbeitung, der an sich anziehende Stoff, durch zahlreiche Abbildungen in Farbendruck illustriert , ferner die brillante Ausstattung empfehlen es zur Anschaffung für Schülerlesebibliotheken.

Friedr. Wilh. Jos. Sendling. Gedäcbtnissrede zur Feier seines Säkular- Jubiläums am 27. Jan. 1875 im akademischen Rosensaal zu Jena gehalten vom derzeitigen Prorektor Dr. Otto PI ei derer. Stuttgart. Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1875. 68 S. in 8.

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Die Naturkräfte. Eine naturwissenschaftliche Volksbibliothek. Anf das Erscheinen dieser, von einer Anzahl hervorragender Gelehrten im Verlage von Oldenbourg in München herausgegebenen Sammlung wurde schon S. 373 f. des VII. Bandes dieser Blätter empfehlend aufmerksam gemacht. Wir nehmen gerne Anlass, den erfreulichen Fortgang derselben zu konstatieren. Die ursprünglich in Aussicht genommene Serie von 10 Banden ist bereits fertig und erwähnen wir im Ansoh luss an obige Anzeige Band 7: Die vulkanischen Erschein- ungen von Dr Friedr. Pf äff; Band 10: Wind und Wetter von Dr. Lonimel Band 8 und 9 kämm uns nicht zu. Nach Vollendung der ersten Serie hat bereits eine zweite begonnen Band 11: Vorgeschichte des europäischen Menschen von Dr. Friedr. Ratzel (mit 92 Holz- schnitten); Band 12: Bau und Leben der Pflanzen von Dr 0. W. Thome (mit 72 Holzschnitten); Band 13: Mechanik des menschlichen Körpers (mit 69 Holzschnitten). Sammtliche Arbeiten entsprechen den seiner- zeit im Prospekt aufgestellten Grundsätzen und werden hiemit wieder- holt, wenigstens« mit Auswahl, zur Anschaffung für Schülerbibliotheken oberer Gymnasial - Klassen empfohlen. Die Ausstattung ist vortrefflich, der Preis 1 fl 24 kr. per Band der ersten, 3 M. per Band der zweiten Serie, ein massiger.

Lessings Laokoon. Für den weiteren Kreis der Gebildeten und die oberste Stufe höherer Lehranstalten bearbeitet und erläutert von Dr. W. Cosack Mit einer Abbildung der Marmorgruppe, Einleitung und Namenregister. Zweite Aufl. Berlin, 1876. Haude- u. Spener'sche Buchhandlung. 200 S in kl. 8. Der Verf. hat die gelehrten Anmerk- ungen und Excurse zum allergrössten Teile weggelassen, weil sie für die Hauptsache unwesentlich sind; er hat ferner mit Rücksicht auf das Publikum, für das er gearbeitet, alle in fremder Sprache angeführten Citate, Dichtungen etc in deutscher Sprache wiedergegeben. Die Ein- leitung belehrt in Kürze über die Entstehung der Laokoongruppe und ihre Geschichte, ferner über Zweck und Veranlassung der Lessing'schen Schrift, diese selbst durch sachliche Noten von mässigem Umfange erläutert. Das Büchlein, das in der gegenwärtigen Aufl. sorgfältig revidiert und vielfach verbessert ist, empfiehlt sich daher für die auf dem Titel genannten Leserkreise.

Lessings Laokoon für den Schulgebrauch bearbeitet und mit Er- läuterungen versehen von Dr. J. Buschmann. Paderborn, Ferd. Schöningh. 1874. 162 S. in Taschenformat. Pr. 1 M. 20 Pf. Auch diese Ausgabe eignet sich für die Schule. Sie enthält die Laokoon-

Sruppe in Holzschnitt, eine einführende Einleitung (20 SS.) und unter em Texte die notwendigsten sachlichen Erläuterungen. Der sprachliche Ausdruck ist, soweit er veraltet schien, modernisiert worden.

Zeittafel und Register zu Curtius' griechischer Geschichte. (I IH). Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. 107 S. in 8.

Laurin. Ein tirolisches Heldenmärchen ans dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Herausgegeben von Karl Möllenhoff. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1874. 78 S. in kl. 8. Eine hübsche korrekte Textausgabe.

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Rechenbuch für die Vorschule. Von Chr. Harms. 2 Aufl. Olden- burg, bei G. Stalling. 1875. Erstes Heft: Da' Rechnen im Zahlenkreise von 1 10; 1 20; 1 —100 42 S. in kl. 8. Zweites Heft: Das Rechnen im Zahlenkrcise von 1 JOOO; l - 10000; 1 1000000 etc.; 1-0,001. 84 S. in kl. 8.

Hebräische Elementargrammatik. Eine zur Einführung in das Studium der grammatischen Werke Ewald's und Böttcher's bestimmte Vorschule Mit vollständigen Verbal- und Nominaltabellen, syste- matisch geordneten Uebersetzungs- und Punktierübungen, sowie einem Wörterbuch von Dr. Kr. Imm. Grundt. Leipzig Hirt & Sohn, 1875. 256 S. in gr. 8. Praktisch angelegt und sehr schön ausgestattet.

Elementare Grammatik der englischen Sprache. Mit Bezeichnung der Aussprache und Accentuation für die Vokabeln. Von Dr. H. Th. Traut. 3. Köllig umgearbeitete Auflage. Leipzig, Verlag von Gustav Körner. 1875. 148 S. in kl. 8.

Auszüge.

Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.

9. 10.

I- Miscellen ans der alten Geographie. Von Wilh. Toraasche k Die Militärverhältnisse der sogenannten provinciae inermes des römischen Reiches. Von J. Jung.

11.

I. Kritische Betrachtungen über den philokrateischen Frieden. Von Jos. Rohrmo8er in Feldkirch. Die hier festgestellten Resultate weichen vielfach von den bisher ans Demosthenes gewonnenen ab. -•

Kleinigkeiten zu Tacitns ab exc. d. A III und IV. Von H. Cron. Behandelt werden vou unserem leider inzwischen zu früh verstorbenen Kollegen 3 Stellen, III. 44 (altitudine animi „das Bewnsstsein seines über den Pöbel erhobenen Ranges, das gesteigerte Selbstgefühl des Tiberius"); IV, 49 f. (C. nimmt sich der Schlossworte dieses Kap. an); IV, 57 (der Satz et Mhodi etc. wird nach locis occidtanlem gestellt).

HL Enthält die Besprechung mehrerer Schriften über das Realgym- nasium, namentlich das österreichische.

1875. 1.

L Beiträge znrKenntniss des attischen Theaters. Von 0. Benndorf. Interessant ist besonders die Erörterung der Ordnung, in welcher die Zuschauer sassen.

III. Schriften zur Gymnasialreforra (Forts.). Besprochen von K. Tomaschek.

143

2.

I. Beitrage zur Kenntniss des attischen Theaters IV. (Forts.). Von 0. Benndorf. Za Cic. ad att. I. 16, 3. Von A. Goldbacher.

III. Die k. bair Schulordnung für die Studienanstalten, I. Von K. Werner, Landesschulinspektor in Salzburg. Mit der österreichischen ver- glichen und dieser teils vorgezogen, teils nachgestellt. W. tadelt die Auf- nahme des französischen und Kalligraphie - Unterrichtes unter die obligaten Fächer, die Weglassung der Naturgeschichte, bei einzelnen Gegenständen die Verteilung des Lehrstoffes.

Zeitschrift für d Gymnasialwesen. 12.

I. Ueber griechische Schreibungen. Von Direktor Dr. H. Schiller in Constan/.. Sie werden empfohlen , im Anschluss und zur Förderung Jer Lektüre. Auch das Scriptum bei dt-r Maturitätsprüfung sei beizubehalten. Das negative Resultat der Ausgrabungen Schlieroanns auf Hissarlik und Beweis, dass der Sänger der llias Troja auf Baalih- dag erbaut angenommen habe. Von Dir. Dr. Hasper in Glogau.

IL Scblura des Jahresberichtes über Xenophon von Dr. Nitsche.

1875. 1.

I. Zehn Thesen zum Oberlehrerprüfungsreglement. Von Dr. H. G u h r - au er. Der Unterricht im Altdeutschen auf den höheren Schulen. Von Dr. O. Vogel und Dr. W. Wilmanns. Jener plädiert für, dieser gegen das Altdeutsche (im weiteren Sinne) an den Gymnasien.

III Bericht über die Innsbrucker Philologen Versammlung. Jahres- bericht des philologischen Vereins zu Berlin: Tacitus von Dr. Andresen.

Statistisches.

Ernannt: Studl M. Meyer in Bayreuth zum Sekretär an der Staatsbibliothek; Studl. Sbmid in Grünstadt znm Subrektor in Pirmasens; Ass. Driendl in Neuburg (Eonk 1873) zum Studl. in Dinkelsbühl ; Ass. Düll (Konk 1871) zum Studl. in Nördlingen; Ass. Widder am Wilh.-G. in München (Konk. 1871) zum Studl. daselbst.

Versetzt: Studl. Raab von Pirmasens nach Landau; Studl. Spalter von Hersbruck nach Bayreuth; Ass. Rummelsberger von Bayreuth nach München (Realgymnasium); Ass. Renn von Schweinfurt nach Bamberg.

Erklärung.

Um irriger Auffassung vorzubeugen, bemerke ich gegen den Auf- satz des Herrn Collega Schelle im 2. Hefte dieser Blätter, dass ich

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mich durch denselben nicht veranlasst finde, meinen von ihm erwähnten Artikel irgendwie zu modificiren. Besser dürfte es gewesen sein, wenn Herr Schelle einen Fehler in der Ableitung der Gleichung

sin ß =z «*» « *L*

Y 1 - sin 2 sin £

nachgewiesen, oder wenigstens Hullmann's kleine Brochüre gelesen hätte.

Aschaffenburg. Dr. Bielmayr.

Berichtigungen.

Seite 75 letzte Zeile ist statt seine zu lesen ihre. 76 Zeile 28 von oben aber statt und 30 jener statt jenen.

In meinem „Lehrbuch der Determinantentheorie" sind ausser den im Drucke angegebenen Unrichtigkeiten noch folgende zu verbessern:

von oben nach Zahler ergänze: und Nenner. statt § 2 1. 3. unten 1. permutirt. statt abcd 1. abdc. Btatt Weyrauch 1. Weihrauch. ist Faktor (na p) zu streichen. statt Axen 1. Axen e= Ebenen. oben muss es heissen: für sich m1, diezweite m11, die dritte etc.

unten statt X 1.

z z

oben statt A„ x, L Af) x,. statt An n xn 1. An n x,. fehlt vor b die Klammer.

Seite

7

Zeile

4

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123

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ii

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II

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M

153

Ii

21

196

Ii

6

II

210

»

3

II

214

8

II II

statt h'-r-q'-l- 1 i. (p? + q«-hl)2. statt df 1. d'f.

Durch diese Verbesserungen wird hoffentlich annähernde Korrektheit hergestellt sein.

S. Günther.

a

Oedruckt Ui J. Qotteswinter * MömI In München, The*Uneratr»*ieT8T

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üeber Differenzttfne.

Die Kombinationstöne waren in letzterer Zeit nur selten Gegen- stand der Bearbeitung. Seit den umfassenden Arbeiten von Heimholte ist mir keine Publikation hierüber bekannt geworden. Man konnte in der That auch hiermit mehr als zufrieden Bein und es würde schwer fallen, den Helmholtz'schen Arbeiten etwas absolut Neues hinzuzufügen. Dieses soll mit vorliegender Abhandlung auch keineswegs bezweckt werden. Das Motiv zu derselben ist in einer Notiz zu suchen, welche E. Külp in seinem „Lehrbuche der Physik1' (Darmstadt. 1858. Verlag von Johann Philipp Dichl) über die Bildung der Kombinationstöne gibt. Von dem Gedanken ausgehend, dass gerade die Lehrbücher einer Wissenschaft, soferne sie nur irgendwie mangelhaft constatirte That- sachen enthalten, dem Studium dieser Wissenschaft am gefährlichsten sind, erschien mir die Aufnahme des Gegenstandes um so mehr geboten, als seither sich weder eine Stimme für, noch gegen Külp erhob. Der Autor wird bei Erklärung der Kombinationstöne (a. a. 0. Bd. II p. 129) von folgendem Ideengang geleitet.

Sind m und n die relativen Primzahlen zweier zusammenklingender Töne und A und B ihre respectiven Schwingungszahlen, so findet jeden- falls die Gleichung statt:

m A , A B -TJ oder - = - n B m n

A B

Der Verfasser nimmt nun an oder repräsentiredie Schwing-

m n

ungszahl deä durch Zusammenklang der beiden Töne A und B ent- stehenden Kombinationstones. Wir sehen hier ein Anschmiegen an die Ansicht Seebecks, welche in der Einleitung zu der Helmholtz'schen Arbeit über Kombinationstöne (Pogg. Ann. XCIX p. 528) besprochen ist. Auch ist dieser Satz nur eine Reproduction des von Vincent*) citirten Tartin i' sehen Satzes: „Wenn zwei Töne mit den Schwing- ungszahlen u und «' gleichzeitig angegeben werden, so hört man ausser ihnen noch einen resultirenden Ton, dessen Schwingungszahl dem gemeinschaftlichen Masse von p und gleichkommt". Külp glaubte sich durch folgenden Versuch zu seiner Ansicht, welche nicht frei von Willkür ist, berechtigt

Bei dem Zusammenklingen zweier Töne, welche in dem Verhältniss 5 : 8 stehen, wird nach ihm ein Ton gehört , dessen Schwingungsanzahl

•) Ann.chem.ph*js.(3)XKVl,37. Jahresbericht der Chemie. 1849. p. 79.

Blittor t. d. b»y«r. Gymii.- n. Beal-Schulw. XL J»lwg. 10

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14G

dadurch berechnet wird, dass man mit 5 in die Schwingungszahl des

tieferen Grundtons dividirt So entstünde bei

5:8 c : as 128 : 204,8

nicht etwa der Ton Et 76,8 Schwing., sondern der Ton As = 25,6 Schwingungen.

Die Schwingungszahl des Tones As erscheint hierbei als Quotient von 5 in 128.

Wer mit dem Helmholtz'schen Werke „die Lehre von den Ton- empfindungen" und speciell mit dem Kapitel von den Combinationstönen (a. a. 0. p. 227) nur irgendwie vertraut ist, wird leicht finden, dass dieser Quotiententon, wenn man ihn so nennen darf, mit dem Differenz- tone übereinstimmt, wenn die beiden relativen Primzahlen um die Zahl 1 von einander abstehen. Ist aber dieser Abstand ein anderer t so erscheint die Schwingungszahl des Differenztones als Product des Quotiententones mit der Differenz der relativen Primzahlen und, wie hier gleich bemerkt werden mag, erscheint der Helmholtz'sche Sum- mntionston als Product des Quotiententones mit der Summe der beiden relativen Primzahlen.

Diese interessanten Verhältnisse schliessen Übrigens keinen neuen Satz ein, wie aus Späterem hervorgehen wird.

Um auf den beschriebenen Versuch zurückzukommen, welcher mit einer Violine angestellt wurde, möchte ich bemerken, dass der Differenz- ton , welcher jedenfalls vorhanden war , von Külp einfach übersehen wurde. Diess ist sehr leicht möglich, und wer nur irgendwie sich mit akustischen Versuchen beschäftigte, weiss, in welch hohem Grade ein sonst geübtes Ohr bezüglich bestimmter Töne mangelhaft erscheinen kann. So untersuchte ich beispielsweise eine Stimmgabel auf ihre Obertöne und konnte leicht ohne Hülfe einer Resonanz den 1. Oberton wahrnehmen, während einem mit mir experimentirenden ausgebildeten Musiker dieses selbst bei Anwendung des betreffenden Resonators nicht gelang. Ueberhaupt ist das Nichthören eines Tones nicht immer ein Beweis für dessen Abwesenheit. Es können Fälle von Uebermüdung eintreten, welche vollständig das klare Unheil stören, wesshalb auch als erste Regel bei akustischen Versuchen aufzustellen ist, dieselben öfter abzubrechen und mehrere Personen daran Theil nehmen zu lassen. Külp gibt übrigens noch einen Versuch an, bei welchem er den Differenzton nicht hören konnte. Beim Zusammenklingen von 4:9 c : d1 128 : 288

128

hörte er ebenfalls nur den Quotiententon C = 32 = . Es unterliegt

4

keinem Zweifel, dass die Differenztöne bei so weit auseinander liegenden Verhältnissen oft nur sehr schwierig gehört werden, aber vorhanden sind sie immer.

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Um zur Erklärung der von Külp beobachteten Quotiententöne zu gelangen, begnügte ich mich nicht mit den angeführten Beispielen. Mit Hülfe eines Appun'achen Obertöneapparates, dessen tiefster Ton C 32 Schwingungen in der Sekunde ausführt und welcher alle Obertöne dieses Grundtones bis zum 32ten einzeln enthält, suchte ich bei den verschiedensten Verhältnissen der relativen Primzahlen zu experimentiren. Einem solchen Obertöneapparat sind genau abgestimmte Resonatoren beigegeben und zwar besitzen diese mit den Tönen des Obertöneapparates correspondirende Nummern. Der Grundton ist mit No. 1, der erste Oberton, also derjenige, welcher doppelt so viel Schwingungen ausführt als der Grundton, mit No. 2 etc. versehen. Den einzelnen Nummern entsprechen also bei diesem Apparate folgende Töne.

C C G c e g b c~ d 7 f g ä ~b h ~c des d es 77 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Ii 12 13 14 15 16 . 17 18 19 20 21

f + /»* ■+* g gis a a b ais h h 0.

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 Einige der angegebenen Bezeichnungen stimmen nicht genau mit denen, welche die sogenannte natürliche Tonleiter vorschreibt, jedoch finden in einem solchen Falle sehr angenäherte Verhältnisse statt Für unseren Zweck ist eine Bezeichnung durch Buchstaben meistens gleich- gültig, da wir hauptsächlich auf die Schwingungsverhältnisse unsere Aufmerksamkeit zu lenken haben.

Bei meinen nunmehr näher zu beschreibenden Versuchen habe ich die Einrichtung getroffen, dass jederzeit der zu beobachtende Quotienten- ton durch denselben Resonator gehört wurde. Ich wählte hierzu den Resonator No. 4.

Beim Zusammenklingen von

No. 8 und No. 20 No. 8 und No. 28

12 20 12 28

16 28 20 28

No. 20 und No. 32 wurde immer der sogenannte Quotiententon deutlich gehört.

Beim Gebrauche der Resonatoren sind manche Verhältnisse zu berücksichtigen, deren Erwähnung hier nicht überflüssig sein dürfte, um so mehr, als in der Unterlassung bestimmter Vorsichtsmassregeln oftmals die Quelle negativer Resultate zu suchen ist. Man muss bei dem Experimentiren den Resonator schief nach oben halten und im Zimmer diejenige Stelle aufsuchen, an welcher der zu beobachtende Ton am kräftigsten resonirt Zugleich ist es nöthig den Resonator öfter von dem Ohre abzusetzen, einmal um den Unterschied der Klang- stärke zu beobachten, dann auch um das Ohr nicht zu übermüden.

10*

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£s ist vielfach beobachtet worden, dass das linke Ohr schärfer höre, als das rechte. Ich kann diese Beobachtung nicht bestätigen, denn ich hörte' manchmal mit dem linken, manchmal mit dem rechten Ohre besser. Weiter muss man bei dem Experimentiren sich überzeugen, ob nicht durch Geräusche, welche zum Beispiel durch Treten des Blase- balges entstehen, der eigne Ton des Resonators besonders deutlich auftritt. Endlich ist es nöthig, den Resonator schon an das Ohr zu bringen, wenn nur einer der beiden Töne angeblasen wird, da es möglich sein kann, dass bei anderweitigen Versuchen dem Resonator nahezu entsprechende Obertöne schon von vorneherein resoniren, in welchem Falle die Zunahme der Intensität des Eigentons des Reso- nators beim Zusammenklingen der beiden Grundklänge ein sicheres Merkmal für das Vorhandensein des gesuchten Tones ist. Selbstver- ständlich ist hierbei zu berücksichtigen, dass nicht etwa der zweite Grundklang denselben, dem Eigentone des Resonators nahe liegenden, Obertön besitzt, wie der erste. Das eben Gesagte gilt besonders für die Resonatoren höherer Töne, denn da die Länge eines solchen Resonators gleich ein viertel Wellenlänge desjenigen Tones ist, auf welchen er am stärksten resonirt und die Unterschiede der Wellen- längen aufeinander folgender Töne mit der Höhe immer kleiner werden, so werden sich die angeführten Unbequemlichkeiten besonders leicht bei den höheren Tönen zeigen. Bei dem Experimentiren mit grösseren Resonatoren kommt jedoch ein andrer Umstand in Betracht, welcher leicht zu bedeutenden Irrthümern Veranlassung geben kann. Hält man z. B. den Resonator 4 an's Ohr und bläst 8 an, so glaubt ein nicht geübtes Ohr den Ton 4 zu hören. Diese Täuschung hat ihren Grund in der Wirkung grosser Resonatoren als Hörrohr. Mitunter kann man aber auch No. 4 wirklich hören, wenn nämlich dieser Ton bei einem früheren Experiment nicht vollständig abgeschoben wurde. Ich erwähne dieses Umstandes besonders dessbalb, weil bei dem Ex- perimentiren mit einem Harmonium solche Verbältnisse nicht selten das klare Urtheil stören.

Nachdem ich mich mit den angegebenen Hülfsmitteln von der Existenz wirklich kräftiger Quotiententöne überzeugt hatte, suchte ich die Erklärung ihrer Entstehung auf die Obertöne zurückzuführen. Diese Idee ist keineswegs neu, denn schon Helmholtz bemerkt, dass die Differenztöne höherer und niederer Ordnung, bei irgend welchem Klangverhältniss die arithmetische Zahlenreihe nach 1 hin ergänzen, so dass, wenn beispielsweise 4 und 5 die relativen Primzahlen zweier Grundklänge vorstellen, auch noch Töne gehört werden, welchen die relativen Zahlen 12 3 zukommen, so dass man nicht blos 4 und 5, sondern auch

1 2 3 4 5

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sogar noch eine weitere Reibe von Tönen unter Umstanden hören kann. Um nun wirklich etwas beweisen zu können, massten möglichst einfache Tone zu Grunde gelegt werden. Ich bezog daher von Appunn in Hanau acht Stimmgabeln, welche die diatonische Tonleiter von

c 256 Schwingungen bis c = 512 Schwingungen gaben. Es bedarf kaum der Bemerkung, dass diese Stimmgabeln sehr rein gestimmt und mit Resonanzkästchen versehen waren. Sie gaben alle nur den ersten Oberton , aber mit sehr geringer Intensität. Diese acht Stimmgabeln erlaubten die mannigfachste Kombination, aber niemals konnte ein Eombinationston gehört werden, welcher mit Recht den Namen Quotiententon verdient Auch Heluiholtz hatte schon Versuche mit einfachen Tönen angestellt, aber bei der Schwierigkeit der Umschau in der Gesammtliteratur eines Gegenstandes, welchen die Abwesenheit einer Bibliothek mit sich bringt, habe ich davon erst jetzt Kenntniss erhalten *).

Bezeichnen wir nun weitergehend mit a und 6 die relativen Prim. zahlen zweier zusammenklingender Töne, und mit na und nb deren Schwingungszahlen, wobei wir bemerken wollen, dass nb > na, so hat die Frage einiges Interesse, welche Obertöne einen Differenzton geben, dessen Schwingungsanzahl = n ist. Diese Frage findet ihren Ausdruck in der unbestimmten Gleichung:

x(na) y (nb) + n

oder

l)xa-y6 = + 1 Bei gegebenem a und b wird diese Gleichung näher dadurch bestimmt, dass x und y ganze positive Zahlen sein müssen. Wählen wir

a 2 mit 6 = 5, so liefert Gleichung 1) Werthe für x und y, deren niedrigste sind:

x 3 y 1

oder

x 2 y = i.

Wir sehen daraus, dass schon der erste Oberton des tieferen Grundtones und der höhere Grundton bei dem vorgelegten Verhältniss einen Differenzton ergeben, dessen Schwingungsanzahl gleich ist der Schwing- ungsanzahl desjenigen Tones, welchen wir oben mit dem Namen Quotiententon belegt haben. Dieser Ton kann bei dem Verhältniss der Schwingungszahlen 2 : 5 also sehr leicht gehört werden. Schwieriger gelingt diess bei anderen Verhältnissen der Schwingungszahlen der zusammenklingenden Töne. Setzen wir beispielsweise noch

a = 6; 6 = 8,

*) Jahresbericht für Chemie 1856 p. 109.

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so bedarf man schon nach Gleichung 1) des zweiten Obertons des tieferen Grundtons und des ersten Obertones des höheren Grundtones.

Von besonderem Interesse sind die sogenannten Quoti e nte ntöne dadurch , dass sie zugleich diejenigen Kombinationstöne vorstellen, welche unter allen denkbaren Kombinationen der Grund - und Obertöne eines gegebenen Verhältnisses die kleinste Schwingungsanzahl enthalten; denn die Frage nach derjenigen Differenz, welche die Schwingungsanzahl n liefert, stimmt mit der Frage vollständig überein: „welches ist die kleinste Differenz zwischen allen nur denkbaren Kombinationen der Grund- und Obertöne".

Bilden wir die Differenz

x (n a) y (n 6) d, so finden wir, dass der kleinste Werth, welchen d annehmen kann, jedenfalls n ist, denn schreiben wir diesen Ausdruck :

x a yb ss -

so muss der kleinste Werth von nothwendig = 1 werden, also d = n.

n

Kombiniren wir weiter irgend einen schon gebildeten Differenzton mit einem beliebigen Oberton .: (na) und setzen wir: (x (na) y (nb)) s (na) = d, so lässt Bich ebenso zeigen, dass nur dann d seinen kleinsten Zahlen- werth erhält, wenn

d, = n ist.

Aus diesem Grunde würde es vielleicht auch practisch sein , den Namen Quotiententon beizubehalten, oder besser gesagt einzuführen, denn alle Kombinationstöne niederer oder höherer Ordnung sind ganze Multipla des sogenannten Quo- tiententones. Im Wesentlichen ist dieses jedoch nur eine andere Ausdrucksweise für den schon oben ausgesprochenen Helmholtz'schen Satz*), dass die Differenztöno der Grund- und Obertöne die arithme- tische Zahlenreihe nach 1 hin ergänzen.

Als ich meine oben angedeuteten Versuche mit den Stimmgabeln anstellte, versuchte ich auch unter Gebrauch der erwähnten Resonatoren die von Helmholtz entdeckten Summationstöne**) zu hören, aber es war mir und auch anderen Personen, welche ein scharfes Ohr besitzen, unmöglich, nur die geringste Spur eines Summationstones wahrzunehmen. Mir war diess um so auffallender, als Helmholtz a. a. 0. p. 619 3 mit Stimmgabeln ausgeführte Versuche angibt, in

*) Helmholtz, Lehre von den Tonempfindangen, p. 232. *j Pogg. Ann. XCIX, 497.

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welchen er die Summationstöne, wenn anch nur schwach, hörte. Ich mus8 hier bemerken, dass die Differenztöne erster Ordnung hierbei noch bis zum Verklingen der Stimmgabeln gehört werden konnten. Heimholte gibt in seiner interessanten mathematischen Ableitung über "die Theorie der Kombinationstöne bei dem Erklingen des Grundtons und der Quinte das Verhältniss der Amplitude des Differenztons zu derjenigen des Summationstons wie

"(2 + 3)1 : (3 - 2)» = 25 . 1 an bei der Quarte wie 49 : 1

Terz 81 : 1 und erwähnt damit übereinstimmend die geringe Intensität des Summationstones im Vergleich zum Differenzton a a. 0. p. 535. Andererseits erwähnt jedoch Helmholtz auch a. a. 0. p. 519, „dass es bei Orgelpfeifen und namentlich mit der Dvel'schen mehrstimmigen Sirene leicht gelingt, die Summationstöne ebenso stark oder stärker zu erhalten, als die ersten und stärksten Obertöne, so dass sie jedenfalls viel stärker werden, als die Differenztöne dieser letzteren". Aehnlichem begegnet man bei dem Experimentiren mit dem Appun'schen Obertöneapparat; so hörte ich beim Ziehen der Tasten 8 und 15 gut den Summationston 23, dagegen nicht so gut den Dif- ferenzton 7. Eine Verwechselung des Tones 23 mit dem Obertone 24 fand jedoch nicht statt. Bei dem Anziehen der Tasten 8 und 20 hörte ich jedoch den Summationton 28 nicht, den Differenzton 12 nur sehr schwach, dagegen kräftig den Ton 4. Bei dem Anziehen der Tasten 12 und 20 wurde wieder der Summationston 32 gut, der Differenz- ton 8 sehr gut und auch der Ton 4 gut gehört. Die erwähnten eigenthümlichen Verhältnisse, welche einmal den Summationston stärker, in einem anderen Falle denselben schwächer oder, gar nicht liefern, und dann das absolute Nichthören eines Summationstones bei meinen Stimmgabelvcrsuchen lassen es nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen» dass die Summationstöne mit den Differenztönen höherer Ordnung doch in Beziehung stehen. In diesem Falle müsste jedoch die Theorie der Differenztönc eine Aenderung erleiden und zwar wieder auf die Schwebungen und sogenannten Kombinationsstösse zurückgeführt werden. Wenn es auch Thatsache ist, dass Schwebungon und Töne ausser- ordentlich Verschiedenes Bind, so schliesst doch dieses die Annahme nicht aus, dass in Folge der Schwebungen neue Tonwellen gebildet werden, wodurch Differenztöne entstehen, welche bei dieser Zulassung die Grundlage complicirter Tonbildungen sein würden- Bekanntlich geht die Helmholtz'sche Theorie der Kombinationstöne von der Annahme aus, dass die repulsiven Kräfte, welche einen aus der Gleichgewichts- lage gebrachten Massenpunkt in seine Gleichgewichtslage zurücktreiben, nicht mehr proportional der Entfernung von der Gleichgewichtslage

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sind, sondern, dass hierzu noch die Quadrate der Elongationen kommen. Heimholte drückt dieses aus durch die Differentialgleichung:

?£=:az + ba? + frin (pt) + 9 sin (qt + c)

in welcher m die Masse des beweglichen Punktes, und x seine Ent" fernung von der Gleichgewichtslage zur Zeit t bedeuten, a und b stellen Constante und f sin (pt), sowie g sin (qt + c) zwei periodisch veränderliche Druckkräfte dar, welche in Folge zweier Schallwellen- zQge auf den beweglichen Massenpunkt wirken.

Die Voraussetzung, unter welcher Helmholtz die Differenztöne entstehen lässt, braucht nicht immer erfüllt zu sein, denn wie ich oben hervorgehoben habe, werden Differenztöne bei Stimmgabeln noch bis zum letzten Aufklingen derselben gehört. Nehmen wir nun die Differenz* töne als das Grundphänomen an und betrachten die Summationstöne als Differenztöne höherer Ordnung, so kommen wir zwar in Wider- spruch mit den von Helmholtz bei Stimmgabeln angestellten Versuchen, aber nicht in Widerspruch mit meinen Versuchen. Helmholtz experi- mentirte bei seinen Stimmgabelversuchen mit den Tönen b und fu fx undft,, b undd, deren Schwingungsverhältnisse sind respective 2:3, 3 : 4, 4 : 5. Es kann nun bei dem Verhältniss 2:3 der zweite Oberton des höheren Grundtones nnd der erste Oberton des tieferen Grundtones einen Differenzton höherer Ordnung geben, dessen Schwingungszahl dem Summationston gleichkommt, bei dem Verhältniss 3:4 hat man hierzu den 2ten Oberton des tieferen und den 3ten Oberton des höheren Grundtons und bei dem Verhältniss 4 : 5 den 3ten Oberton des tieferen und den 4ten Oberton des höheren Grundtones nöthig. Es ist nicht ganz unmöglich, dass die angewandten Stimmgabeln diese Obertöne besassen. Meine Stimmgabeln lassen nur den ersten Oberton hören. Es ist auch nach den Versuchen von Helmholtz eine bemerkenswerthe Thatsache, dass Klänge, welche besonders reich an Obertönen sind, vorzüglich hörbare Summationstöne liefern, und auch kann, wie meine Versuche zeigen, ein und derselbe Apparat einigermassen wider- sprechende Resultate geben. Es mag diess in den Intensitätsverhältnissen der einzelnen Obertöne liegen. Legen wir z. B. zwei Töne zu Grunde, deren Schwingungsverhältniss wie 3:5 ist, so wird der Summationston nach unserer Ansicht besonders stark hervortreten, wenn jedesmal der dritte Oberton des Grundtones von besonderer Intensität ist. Eine Bestätigung dieser Ansicht könnte durch Intensitätsbestimmung der einzelnen Obertöne erfolgen, aber hierzu fehlt es in der Akustik an geeigneten Apparaten.

Helmholtz hat auch noch einen Summationston zweiter Ordnung bei Sirenentönen gehört, deren Schwingungszahl gleich ist 2p -\-q oder ff + 2p, wenn p und q die Schwingungszahlen der primären Töne

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bedeuten. Offenbar lassen sich diese Töne auch als Differenatöne höherer Ordnung auffassen, wenn wir einmal annehmen, dass die Differenztöne überhaupt allein die Grundlage bilden eines weitergehenden Tonphänomens.

Nennen wir wie früher allgemein a und b die relativen Primaahlen eines Klangverhältnisses, so werden die Obertöne, welche den Differenz- ton ergeben, ausgedrückt durch die unbestimmte Gleichung:

a . x b . y dz (a 6),

diejenigen, welche die Summationstöne erster Ordnung liefern:

a . x b y zb (<*+&) und die Obertöne für die Summationstöne zweiter Ordnung werden gefunden durch:

a . x b . y = ± (2a b) oder: ^

a . x b . y ±(a-f 26).

Wenn wir die Resultate unserer Untersuchungen noch einmal überblicken, so sehen wir, dass die im Eingange erwähnten eigen- thumlichen Ansichten über die Bildung der Kombinationstöne sich zurückführen lassen auf Differenztöne höherer und niederer Ordnung.

Speier. C. Bender.

Bemerkung zur Theorie des Keiles.

Der Verfasser des unter der vorstehenden Aufschrift (S. 231 des VIII. Jahrgangs dieser Blätter) erschienenen Artikels hat zwar mit dem Titel eines intellektuellen Urhebers desselben nicht mich bezeichnet, dennoch aber muss ich mich als den ersten Anstifter bekennen und fühle mich desshalb auch verpflichtet, dasjenige mitzutheilen , was ich seitdem zur Lösung des dort erwähnten scheinbaren Widerspruches gefunden habe.

Ich kann nicht zugeben, dass dasjenige, was im erwähnten Artikel ausgeführt ist, den Widerspruch löse, und zwar schon desswegen nicht, weil Ringe , Stifte, Hacken etc. nach meiner Ansicht in das Gebiet der angewandten, nicht aber der reinen Mechanik, gehören.

Der erste Irrthum ist nach meiner Meinung in dem Satze enthalten : „Wenn zwei gleiche Gegenkräfte P und Q einen frei beweglichen Keil auf zwei Seiten in A und B angreifen, so dass APQB eine Gerade ist, und man verlegt in Gedanken den einen Angriffspunkt in den andern, so halten sich beide Kräfte Gleichgewicht, und es würde demnach die geringste dritte Kraft den Keil nothwendig in Bewegung setzen'4.

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, Ml

Dieser Irrthum besteht darin, dass hier von dem Satze Gebrauch gemacht wird: „Jede Kraft bringt dieselbe Wirkung hervor, wenn ihr Angriffspunkt an eine andere Stelle ihrer Richtung verlegt wird". Dieser Satz gilt nämlich nur für den Fall von zwei fest verbundenen Punkten (starres System), wird aber hier auf Punkte angewendet, welche diese Bedingung nicht erfüllen.

Es unterscheidet sich die Betrachtung des Keiles, wie jene der schiefen Ebeno, von welcher der Keil eine Anwendung ist, von den Betrachtungen der vorhergehenden Maschinen (Hebel, Rolle etc.) wesentlich dadurch, dass es bei den letzteren immer möglich ist, die Betrachtung der Maschine auf wenige starr verbundene Punkte zu reduciren, während diess bei jenen nicht der Fall ist, weil hier gerade der Umstand von Wichtigkeit ist, dass es sich nicht um die Wirkung auf einen isolirt gedachten Punkt handelt, sondern um die Wirkung auf einen Punkt, der von unzähligen mit ihm in einer gemeinsamen Ebene liegenden Punkten umgeben ist, und in Folge dessen nicht in jeder Richtung unter gleichen Bedingungen eine Bewegung ausführen kann. Es muss also (wie es auch durchweg bald ausführlicher, bald mehr andeutungsweise geschieht) vor allem festgestellt werden, wie sich eine Ebene gegen einen auf dieselbe wirkenden Druck verhält Es soll an dieser Stelle hierüber keine weitläufige Untersuchung angestellt, sondern die unbestrittene Thatsache festgehalten werden, dass jede Ebene nur einen Druck aufnehmen kann, welcher senkrecht auf dieselbe wirkt. Daraus folgt dann nothwendig, dass von jedem Drucke, welcher in einer anderen Richtung erfolgt, nur die senkrechte Com- ponente eine Wirkung auf die Ebene äussern kann, während der übrige Theil für die Ebene selbst verloren geht. Die Beantwortung der Frage, wohin dieser Theil komme, scheint mir nicht zur vorliegenden Untersuchung zu gehören, doch möchte ich erinnern, dass Weisbach, der den Druck als durch einen Stab ausgeübt annimmt , diesem Theile der Kraft das Bestreben zuschreibt, das Ende des Stabes in einer Richtung, welche auf jener des Stabes selbst senkrecht steht, zu verschieben, welchem Streben durch geeignete Vorrichtung das Gleich- gewicht gehalten werden soll. Statt einer Verlegung des Angriffs- punktes, welche nur bei einem starren System erlaubt sein würde, haben wir es also in Folge der hier vorhandenen Umstände mit einer Zerlegung der Kräfte zu thun.

Die von Weisbach entwickelte Gleichung

p - 2 Q sin

~ sin ß

gibt für unsern Fall, in welchem ß = 90° -f- «

P = 2 Q tang «,

s

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welche (entgegengesetzt der auf S. 236 des erwähnten Artikels ausge- sprochenen üeberzeugung) richtig ist, wogegen die (auf S. 234 und 235 abgeleitete) Gleichung

R = P sin 2a*)

unrichtig ist.

Die Gleichung, welche Weisbach für einen beliebigen Winkel ß gibt, lässt sich i'ür unsern speciellen Fall auch auf die folgende Weise ableiten, wozu ich die auf S. 234 des mehr erwähnten Artikels stehende Figur benütze, und die dort gewählten Bezeichnungen beibehalte.

Denkt man sich die in der Richtung FO wirkende Kraft Ii in zwei gleiche auf CD und CE senkrechte Kräfte, welche unter sich einen Winkel AOB 180° 2a bilden, zerlegt, und bezeichnet man jede derselben mit D, so ergibt sich nach dem Kräfteparallelogramm B1 2D* (l cos 2a) = 2D* X 2 sin «», also (1) B = 2D sina.

Biese Kräfte D aber dürfen, weil 0, A und B fest verbunden sind, beziehungsweise nach A und B verlegt werden. Dort sollen sie Kräften das Gleichgewicht halten, welche parallel DB in der Geraden AB wirken. Um das Gesetz für dieses Gleichgewicht au finden, muss man jede Kraft D in (zwei) Componenten zerlegen, von welchen die eine (X) den von aussenber auf den Keil wirkenden Kräften (Pund Q) Gleichgewicht halten soll, also den Richtungen derselben direkt ent- gegengesetzt sein muss. Die andere Componente darf dann auf dieses Gleichgewicht keinen Einfluss üben, was nur dann der Fall ist, wenn ihre Richtung auf jener der im Gleichgewicht stehenden Kräfte senk- recht steht, in, welchem Falle sie dann durch die Einrichtung des Apparates (bei Weisbach durch die Führung des Stabes, welcher den Druck vermittelt) aufgehoben wird. In Folge dieser Zerlegung erhält man die Gleichung (2) X = P = D cos a.

Die Elimination von D aus den beiden Gleichungen (1) und (2) ergibt

R = 2P tang a.

Diese Gleichung ist es aber, von welcher wir oben gesehen haben, dasa sie aus der Weisbach'schen sich für unsern speciellen Fall ergibt, und welche ich auch an anderen Orten gefunden habe. Freilich wird sie gewöhnlich dadurch abgeleitet, dass man einfach die Formel für die schiefe Ebene und zwar für jenen Fall benützt, in welchem die Kraft parallel zur Basis wirkt. Die Formel ist , wie wir jetzt gesehen haben, richtig, die Art ihrer Einführung aber entschieden unklar, was wohl daraus allein schon hervorgeht, dass ausserdem, weder der

*) Es scheint kaum notwendig zu bemerken, dass B in dieser letzteren Gleichung dem P in der vorhergehenden, sowie P dem Q entspricht

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mebrerwähnte Artikel , noch der vorliegende in diese Blätter Eingang gefunden haben würde. Dass man statt von B auszugehen, um schliesslich auf P zu kommen, ebenso gut den umgekehrten Weg einschlagen kann, ist wohl selbstverständlich.

Aschaffenburg. Dr. Bielmayr.

Homerisches Allerlei.

III. Vom Purpur.

(Schluss.)

4. Ergebnisse für die Geschichte des Purpurs.

üeber Alter und Ursprung des Purpurs ist, soweit meine Kennt- nisse reichen , noch immer die einzige Besprechung, welche wir haben, die durch Movers gegebene in Ersen und Gruber's Encyklopädie III. Sect, 24. Th. S. 367 —76 unter d. Art.: „Phönizier, Industrie". Und diese ist in ihrem etymologisierenden Teile unsicher, in ihrer Bezug- nahme auf die Griecben wegen Verwechselung des Quellen - Wortlautes zum Teil unrichtig. Ursprung und Alter des Purpurs sind uns also noch immer in sagenhaftes Dunkel gehüllt. Vor des- Moses Zeugnis ist der Purpur bis jetzt niebt nachweisbar; von Moses' Zeit an ist er bei mehreren Völkern zu finden als den Babyloniern, Madianiten, Hebräern, Aegyptern. Jünger wieder sind die Zeugnisse für Perser und Lyder, Etrusker und Römer, wie sie Amati 1.1. c. LH p. 65 Bqq. zusammen- gestellt hat. Scbliessen wir daran die Ergebnisse unserer obigen Unter- suchungen an.

Die althomerischen Griechen kannten (von Mennig abgesehen) nur eine objektive rote Farbe einigermassen und bezeichneten diese als „Phönizisches" , folglich erhielten sie dieselbe oder kannten damit Gefärbtes nur durch Vermittelung des phönizischen Handels. Es war entweder vor dem 15. Jahrhundert vor Chr. in einer Zeit, wo von den Phöniziern noch ausschliesslich mit Scharlach und rotem Purpur gefärbt wurde, oder es war sei es vor sei es wahrscheinlicher nach dem 15. Jahr- hundert unter Verhältnissen, da nur Scharlach und roter Purpur allein nach Norden exportiert wurden.

Im 15. Jahrhundert ist nämlich nachweislich nicht Mos roter, sondern auch blauer Purpur phönizischer Handelsartikel gewesen. Phönizischer Verkehr mit Aegypten war schon während der 18. und 19. Dynastie, also jedenfalls im 2. Jahrtausend v. Chr. im Gange; derselbe bewegte sich auf dem See- und auf dem Landwege, hier von Gaza nach Memphis. (Movers, Phöniz. II, 2 S. 179 ff. ; 184). Auch war im 15. Jahrhundert v. Chr. schon den Hebräern durch ihr Gesetz der Gebrauch des Purpurs in

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verschiedener Verwendung vorgeschrieben, als sie noch auf der Wanderung waren (2 Mos. 25, 4; 26, 1 nnd 31; 28, 5 und sonst) und zwar schon zwei Hauptsorten : der rote (argaman) und der blaue (th1 cheltt), ebenso wie der Scharlach {schaut), dessen Gebrauch noch weiter zurttck erkennbar ist (1 Mos. 38, 28 und 30; vgl. Bochart 1.1. II p. 628; Beckmann, Bei- trage zur Geschichte der Erfindungen III S. 35). Aegypten selbst hat aber keinen Purpur in den Handel gebracht, nicht einmal in der späteren Zeit, also noch weniger in der früheren; denn „mit der Industrie der Aegypter sind auch ihre Ausfuhrartikel stets dieselben geblieben" j Movers a. 0. II, 3 S. 316 f.). Die Israeliten konnten also, wie sie die feine Leinwand zu den Priesterkleidern und zum Privatgebrauch allezeit von Aegypten durch den Handel bezogen, so im 15. Jahrhundert den be- nötigten Purpur, fertig oder als gefärbte Robwolle, nur durch den Handel, durch phönizische Kaufleute (aber Aegypten?) bekommen haben. Denn auch hier erscheint der Rohstoff schon gefärbt, ehe er von den Frauen gesponnen und von Männern gewebt wurde (2 Mos. 35 , 25 und 35; Sprücbwört. 31, 19). •) „Und jede Frau weisen Sinnes spann mit ihren Händen, und sie brachten als Gespinst die purpurblaue und die purpur- rote Wolle, die karmesinfarbige Wolle und den Byssus".

Damit haben wir festen Boden soweit gewonnen, dass roter und blauer oder sagen wir heller und dunkler Purpur schon im 15. Jahr- hundert v. Chr. im phönizischen Handel vorkamen.

Wohin damit gehandelt wurde, das hieng einfach von den Tauseh- mitteln ab, welche die Käufer entgegen zu bieten hatten. Der Purpur, der echte, war teuer, sehr teuer. Im 7. Jahrhundert singt Alkman (s. oben S. 102) von demselben: wer solchen besitze, dem sei er nicht feil. Echter Purpur war also sehr rar. Noch im 6. Jahrhundert stand er auf der asiatischen Seite des Archipels (gemäss Theopompos, s. oben S. 106), im 5. Jahrh. auf der europäischen Seite (gemäss Aischylos s. oben S. 103) dem Silber an Wert gleich, wurde mit Silber aufgewogen. Und im letzteren Falle ist wahrscheinlich vom roten Purpur die Rede, dessen Saft allein in dem nahen „Meere" am Euripus und der lakonischen Küste sich fand (vgl. Arist. H. A. V c. 13 [15]), oder, wollen wir ea selbst allgemeiner fassen, so doch immer von einfacher natürlicher Purpurfarbe. Noch teurer (s. Schmidt a. 0. S, 113 f.; 125) musste der von der Bibel genannte dunkle Purpur sein, welchen die Interpreten

*) Wenn Amäti de restit. purp. p. 64 diesen Purpurvorrat der Israeliten auf Aegypten zurückführt, so ist das nur mittelbar denkbar. Seine Berufung auf 2 Mos. 12, 35 ist ganz gewiss ungerechtfertigt. Denn nach 2 Mos. 3, 22, worauf unter andern dankenswerten Aufschlüssen Herr Prof. Schegg mich freundlichst aufmerksam gemacht hat, ist dort nur an Gewänder, nicht an Stoffe oder Zeuee überhauDt zu denken.

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durchweg fflr „glänzen dbl au , wie der Himmel and das Meer", sohin für violetten oder Hyakinthpurpur nehmen. Denn solcher existierte gar nicht als Färbestoff, sondern nnr als Zeugfarbe oder als Parparzeug (8. Schmidt a. 0. 8. 114 f. and 126 f.), weil er durch eine Mischung von reifem Schwarzpurpur und Buccin (dem [roten] Saft der Trompeten- schnecke) hergestellt wurde. Wenn und weil aber das, so ist auch unter dem „roten Purpur" der Bibel nicht mehr die einfache natürliche Farbe, sondern der tyrische Purpur verstanden, wie auch die Erklärer an- nehmen, und dieser war ebenfalls nur ein Präparat, das Produkt einer doppelten Färbung, erstens in unreifem Schwarzpurpur und zweitens in Buccin. Also die Phönizier hatten schon im 15. Jahrhundert v. Chr. die zweite Stufe der Purpurfärberei erreicht; sie arbeiteten mit doppelter Färb- ung oder mit Mischungen und erzeugten dadurch dauerhaftere Farben, womit die Färbung in einfachem natürlichen Saft von selbst bei ihnen aufhörte.

Wir dürfen also, glaube ich, folgendos als Thatsachen annehmen. Am frühesten ist bezeugt die Scharlachfarbe; ihr gleicht zumeist und musste am ehesten das Auge bestechen das (für sich allein nicht halt- bare) Buccin und der rote Purpursaft. Mit diesen Farben überhaupt und insbesondere mit der roten haben die Phönizier bereits längere oder kürzere Zeit vor dem lö. Jahrhundert v. Chr. gefärbt. Auch W. A. Schmidt hält an dieser unleugbaren früheren Verwendung des roten Saftes aus andern Gesichtspunkten fest. „Zuerst", sagt er S. 148 f., „wurde offen- bar, was auch durch die bekannte Tradition vom Hunde sanetioniert ist, der rotfärbende Saft der kleinen Purpurschnecke entdeckt und angewendet; deshalb blieb die rötliche Farbe, weil sie die ursprüng- liche und auch später noch vielfach massgebend war, durch alle Zeiten hindurch mit der Vorstellung der Purpurfarbe wesentlich verknüpft".

Ueberlegen wir nun die Tauschmittel der damaligen Völker am östlichen Mittelmeer. Die Hebräer hatten ein Geldsystem mit Edel- metall, die Aegypter desgleichen oder doch annähernd. Die Tausch- mittel der Griechen nennt ans Homer: Eisen, Erz, Häute, Rinder und Sklaven. Gegenstände von Edelmetall und zugewogene Goldstückchen erwähnt er zum Handelszweck, jene nur vereinzelt, diese gar nicht. Die Folgerung ist daher, wie mir scheint, natürlich: Der echte Purpur wurde nur gegen Silber d. i. Edelmetall verkauft, dessen die Phönizier zu ihren Metallarbeiten dringend bedurften, ohne es im eigenen Lande zu finden. Die althomerischen Griechen besassen Edelmetall nur in geringer, zum Handel ungenügender Menge. Darum wurde der kost- bare echte Purpur bei denselben nicht abgesetzt, und weil der Absatz den Import bedingt, gar nicht zu ihnen eingeführt und verbracht. Der billigere Scharlach war es, was die althomerischen Griechen von den Phöniziern eintauschten und „Phönizisches" nannten, wie ja auch die Phönizier selbst kokkusfarbige Tuniken trugen and dadurch besonders

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auffielen (s. Movers, Fhöniz. II, 1 S. 3). Dass die Griechen diesen nachher für Purpnr hielten, zum Purpur rechneten, habe ich oben nachgewiesen. ,Wie sie dazu kamen, darüber sei eine Vermutung mir erlaubt. Es ist diese: Homer selbst bezeugt, dass die lydischen und karischen Frauen „phönizisch" färbten, ohne dass die phöni- zischen Händler den Griechen einen Namen dieser Farbe gelehrt, oder gar über das Wesen der Farbe ihn aufgeklärt hatten. Bei Karien aber, dessen Bewohner frühzeitig gewandte Techniker waren, hatte man Gelegenheit mit dem echten Purpur bekannt zu werden, aber mit dem roten; dort gab es die kleinen Purpurschnecken mit rotem Saft (Arist. H. A. II c. 13 [15]). Geschah dies wirklich, ehe man das Wesen des Scharlachs erkannt hatte, so masste man versucht sein, diese Farbe, welche man bislang nur als Farbeer- scheinung gekannt, und jene für die gleichen zu nehmen. Ob dies zur Zeit der Ilias schon geschehen? Mag sein bei den Karern; denn die Ausdrucks weise der Ilias (J 141) verrät deutlich genng, dasB die- selben in der F&rbekunst den Joniern voraus waren, diese Kunst aber ihrerseits wieder vor den Joniern geheim hielten, wie die Phönizier gethan. Hätten die Karer den Färbestoff roh von den Phöniziern bezogen, so wäre er den Joniern ebenso zugänglich gewesen. Dazu schloss die Karische Bevölkerung phönizische Elemente in sich. (Vgl. Höck, Kreta II S. 238. Movers, Phöniz. II, 2 S. 264. Schumann , griech. Alterth. S. 2, 2; 89). Die Griechen, auch die Jonier, scheinen damals in ihrer Farbenkunde entschieden nicht so weit gewesen zu sein. Denn nicht nur gab es noch keinen concreten griechischen Namen für Purpur, sondern so viel und so gerne die Ilias und Odyssee Bilder und Gleichnisse vom Fischfang entlehnen, keines derselben deutet auf Kenntnis oder Kunde vom Fang der Purpurschnecke. Aber was den höchsten Grad der Wahrscheinlichkeit für sich hat, ist, dass die alt- homerischen Griechen durch heimkehrende Schiffer oder redselige Händler oder angesiedelte und auch wol in die Verwandtschaft gezogene Phö- nizier oder Karer erzählen hörten, wie von Bosen und Veilchen als Wunderblumen (s. V. Hehn, a. 0. S. 164), so von Stoffen, noch prächtiger als die bei ihnen üblichen, von Wolle mit einer Farbe gleich dem dunklen Schiller des Meeres, kostbar über alles. Das musste eine doppelte Wirkung hervorbringen: auf den jonischen Dichter, dass er seinen Helden solche dunkelschillernde Prachtgew&nder beilegte und so eine neue Wendung des Wortes nog<pvQ6os im Sprachgebrauch an* bahnte; so diente noqtpvqeog als Quasi -Uebersetzung von W ekelet, in soferne dieses „blau—", jenes „dunkel wie das Meer44, (das Hebräische auch „wie der Himmel14) besagen. Der regsame, prachtliebende nnd gewinnsüchtige jonische Geist aber musste sich, wenn vollends noch etwa eine Andeutung dazu kam, dass jene Farbe aus dem Meere

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gewonnen werde, kräftig gereizt und veranlasst fahlen, der gerühmten Farbe nachzuspüren. Entdeckte er nun und entdecken musste er es selbst, weil die phönizischen Kauffahrer, noXvnalnaXoi rpc5xz«<, dncc- rnXta el&oTes wie sie waren, die Sache selbst gewiss nicht verraten haben, entdeckte er nicht nur den roten Purpursaft, welchen er nach dem ersten Kindruck der „phönizischen Farbe" verglich und darum ebenfalls noch „phönizisch" nannte, wie ja ganz gut zwar nicht überliefert, aber denkbar ist zu sagen cpoivixoeoaa xoyxit ~ sondern auch die dunkle Purp ursch necke mit schwarzem Saft bei Sigeion und Lekton (vgl. Aristot. H. A. V. c. 13 [15]), wo frühzeitig eine jonische Handelsstrassc, wie wir im I. Artikel gesehen, vorbeiführte, so lag ihnen doch nichts näher, als diese die „dunkelschillernde oder meer- dunkle" Schnecke zu nennen.

Und wirklich lehrt uns der homerische Sprachgebrauch, wie wir ihn beobachtet haben, dass noQ<pvQsost dessen entsprechendes Substantiv nicht vorkommt, im Gründe eine allgemeine, unbestimmte, zwischen Schwarz und Rot schwankende Farbeerscheinung bezeichnete, dass aber diese auch von Wollenzengen, wo der Dichter Prachtstoffe: Gewänder oder Decken schildert, und nicht von Rohwolle ausgesagt wurde, doch ohne irgend einen Anhalt, ob der Dichter eine objektive Farbe und welche, darunter verstanden habe. Nur die jüngere Odyssee scheint zweimal (gegenüber achtmaliger Verwendung des Simplex noQtpvQsoe) eine concretere Beziehung oder Farbebestimmung hervor- heben zu wollen durch das neu gebildete Wort aXmoQyvQos , dessen (genau genommen) pleonastische Composition selbst wieder beweist, sowol dass daa Wort ein jüngeres, späteres, als auch dass das Simplex ein allgemeiner Begriff war. Also Purpurfarbe, zumal speziell dunkler oder blauer Purpur war für die Griechen zuerst und für die alt- homerischen Griechen jedenfalls nur eine ganz unbestimmte, wenn ich so sagen darf, märchenhafte Vorstellung, weshalb wir im homerischen Geiste noQfpvQBog nicht „purpurn", sondern „dunkelschillernd, mit dunklem Meeresachiller" oder dgl. übersetzen müssen. Wäre das nicht so, sondern dunkler Purpur den Griechen sogleich als bestimmtes, concretes Handelsobjekt entgegengetreten, so wäre in einer Zeit, wo der Handel zwischen Phöniziern und Griechen schon länger im Gang war (und nur in einer solchen war der Fall möglich, wie wir gesehen) eine oder die semitische Bezeichnung dafür in Gebrauch gekommen, wovon wir auch keine Spur entdecken können. Aber nehmen wir selbst einmal an, ohne dies freilich einzuräumen, dass durch das homerische noQtfvQBog bereits mit Bewusstsein und objektiv das „Purpurene" benannt werde, so steht doch nach allem Obigen das Resultat unerschütterlich fest, dass es in der althomerischen Zeit keine griechische Purpurarbeit gegeben hat. Pierson in

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seiner schönen, nur etwas kühnen Abhandlung: „Schifffahrt und Handel in der homerischen Zeit", welche ich erst nach Veröffentlichung meiner früheren Artikel aus dem Neuen Rheinischen Museum (1861) XVI. Jahrgang, S. 104 ff. kenneu lernte, geht darum viel zu weit mit seiner Behauptung: „die Kunst der Purpurfärberei sei den homerischen Griechen bekannt, wenn gleich natürlich auch hier Eenntniss und Uebung ungleich verteilt gewesen"; und: „gewiss sei, dass sie Purpur- arbeiten zum Teil einführten, zum Teil selbst machten".

Aber wann denn ging jene märchenhafte Kuude der Griechen in eine sichere Kenntnis über? Ja, das ist eine derjenigen Fragen, welche leichter zu stellen als zu beantworten sind. Der fragliche Uebergang geschah einfach in dem Zeitraum, aus welchem kein Wässerlein in die späteren Quellen unserer Geschichtskunde hinüberrieselt Gab es keine oder sind sie versiegt, gleichviel: Wir können höchstens von dem Worte ctXinoQtpvQoe ausgehen und gewinnen da nicht viel. . Das Wort ist gewiss nicht früher, sondern später als die dorische Wanderung, weil nicht älter als die Odyssee. Ja es ist nach Ausweis der Ver- gleichung des homerischen Wortgebrauches der jüngsten eines, sohin aus den jüngsten Stellen des Gedichtes, vielleicht aus der Zeit von Ilias K. Es steht wenigstens in keiner Rhapsodie, in welcher auch noQfpvgeog vorkäme, sondern nur in £ und v. Das Wort dürfte also aus dem 9., höchstens 10. Jahrhundert v. Chr. stammen. Suchen wir nun auch eine Zeitgrenze nach der anderen Seite.

In Karien trieb man nach homerischem Zeugnisse frühzeitig Färberei, eher als die Griechen hiezu kamen. Wir haben auch als wahrscheinlich annehmen müssen, dass sie den Färbestoff dazu selbst gewannen , und sie konnten an ihrer Küste roten Purpursaft gewinnen. Von Karien aber führt eine wichtige Spur, welche ich im „Homerischen Handwerk" nicht hatte übersehen sollen, nach Argolis. Aristoteles b. Strabo VIII p. 374 hat uns die Nachricht bewahrt, dass Epidauros und das dryopische Hcrraione (Herod. VIII, 73) von Karern kolonisiert wurden (xaraa^eiy uvir]y (Em'd'avQov) Kaytte wontQ xai 'Eqptova), zu welchen in Folge der dorischen Wanderung sich Jonier aus Attika ansiedelten. Waren die Karer oder ihre Frauen in der Heimat geübte Färber, wie die Ilias sie kennt, so blieben sie das gewiss an dem purpurreichen lakonisch- argolischen Golf, ja sie werden kaum eine andere Veranlassung zur Kolonisierung gehabt haben. Hermione ist nachweisbar und bekanntermassen eine alte Färberstadt, deren Fabrikat im G. Jahrhundert v. Chr. sehr gesucht und sehr solid und prächtig war. Indes werden auch andere Orte dieser Gegend allmählich die Naturgabe ihres Landes ausgebeutet und der Färberei sich zugewendet haben. Der phönizischen Arbeit im alten Korinth nicht zu gedenken, wird den Trözeniern ein besonderer Eifer in der Benützung des Kokkus,

Blittar f. d. bayer. Oymn. - u. Real -ßchulw. XL Jahrg. H

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anbestimmt in welcher Zeit, zugeschrieben. Eustathios nämlich (ad J, 141) erläutert: *o(vixa de Xiyei ro tpoifixovv /^a>/i« ro ix 1 xaonov (faoi ixqIvov, o /juXictu noXv Xiyoprai avXXeyeiv TgoiCnym. Ist dies Zeugnis auch schwach, und Eustathios ohne eigenes Ver- j ständnis, darum unsicher über die Art der Farbe (für Homer selbst I ganz wertlos), so darf es doch nicht ganz ausser Acht gelassen werden 1 Denn ein Wink von Aristoteles (Polit. V, 2, 10) mahnt uns an Bezieh- ungen zwischen Trözen und Sybaris. TgoiCnytotg, sagt er, 'j^atoi ew- I tpxfjoay IvßagiVy (eha nXelovt ol J/aioi yevofievot i^ißuXov rovf \\ TQotfyvfovg) In Sybaris haben wir ganz festen Boden. Der Purpur- | verbrauch war hier gross. Atbenaeus (XII p. 518, e) berichtet, Ter- 1 mutlich nach Timaios: iSog de nag* ttvroig xui rovs naidag Tiii Ttot> i<pfjß(oy tjXixiag aXovgyidag rfi tpogelv x. t. X. Daher (IvßaQitm) xal tovs rqy nogtpvgay tijV daXarxlay ßunxovxag xai rovg eitrttyontf «reXete inolnoay. (Phylarch b. Ath. XII p. 521, d) Dieses GeseU stammt spätestens aus dem 6. Jahrhundert, worüber der Kürze halber auf Dunker Gesch. des Altt. IV. B. 8. 548 f. verwiesen sei. E. Curtias 1 (griech. Gesch. I S. 239*) setzt die Blüte der Stadt, also auch das hier einschlägige Gesetz sogar schon ins 7. Jahrhundert Die Sybariten 11 hatten daher in dieser Zeit nicht nur zollfreie Purpureinfuhr, sondern I auch steuerfreie einheimische Färbereien, welche echten Purpur produ- I zierten. Die ausdrückliche und gesetzliche Unterscheidung echten und 1 unechten Purpurs ist der evidenteste Beweis selbstständiger griechischer Färberei. Nun war aber der vorzüglichste Handelsfreund von Sybaris Milet, wie Herodot VI, 21 berichtet: noXieq yag alrai paHera dj rdy tjpeig idpev aXXijXpat igeiytoStjoav man vgl. auch Timaios b. Atben. XII p. 519, b. Milet, dessen Ruhm in der Wollenmanufaktur ohnehin bekannt ist, hatte also vermutlich noch früher, jedenfalls im 7., viel- leicht im 8. Jahrhundert, bei sich die gleiche Arbeit der Färberei. Wir haben wenigstens keinen Anhaltspunkt, dass diese Arbeitssparte in Sybaris selbstständig sich sollte entwickelt haben oder gar entstanden sein. Pnrpurschneckcn gab es im tarentinischen Meerbusen (s. Blümner, die gewerbliche Thätigkeit S.123, 12). Diese zu einem blühenden Gewerbs- zweig zu benützen, in diesem Bestreben, das gelungen ist, wird nach dem Obigen das Wirken trözenischen oder milesischen Einflusses oder auch die beiden nicht zu verkennen sein. Steigen wir aber in Milet ans Land, so befinden wir uns wieder auf karischem Boden, von welchem wir ausgiengen, und finden uns abermals gemahnt, dass Karien in der Entwickelung der griechischen Purpurarbeit eine Vermittlerrolle und In der Geschichte des Purpurs überhaupt eine wesentliche Stelle eingeräumt werden müsse. Und die vorhin aus dem milesisch - sybari- tischen Verkehr schlussweise angenommene Purpurfärberei Milets hat nun kaum für das 8. Jahrhundert etwas, für das 7. aber gar nichts »

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in Unwahrscheinliches mehr. Möglich ist, dass nach dem oben erwähnten Zeugnisse Sappho's (fr. 44) auch Phokaia schon im 7. Jahrhundert Purpur färbte. Und unbedenklich ist nun zu behaupten, dass die «fr Purpurstoffe, welche in Ezechiels Zeit von Elisa's Inseln d. i. aus den .-: r westlichen griechischen Gegenden auf den Markt von Tyrus kamen r und nach dem Zeugnis des Propheten (27. 7) damals die besten waren, /a| karisch - hellenische oder noch wahrscheinlicher ganz hellenische u>\ Arbeit waren. Ei ne bedeutende Lacke in dieser Darstellung entgeht ftj mir selbst nicht; das purpurreiche Kytbera, die alte phönizische Nieder- lassung, hat darin keinen Platz gefunden; ich sehe bis jetzt kein e;, Mittel, ihm seine gebührende Stellung in dem obigen Rahmen anzu- weisen. Wenn Movers (Encyklopädie a. 0. S. 374) gerade von Kytbera die Übrigen Purpurfärbereien des Peloponneses ausgehen lässt, so muss ich gestehen, nicht zu wissen, auf Grund welcher Nachrichten er dieses thut.

Sehen wir von diesem noch dunkeln Punkte ab, so werden wir jetxt die Anfänge selbstständiger griechischer Purpurfärberei in der Zeit des 9. oder 8. Jahrhunderts v. Chr. zu suchen haben, somit auch dies in der Zeit, in welcher das phönizische üebergewicht auf dem ägäischen Meere durch die Griechen gebrochen und verdrängt wurde, was meine ganze Hypothese gewiss nur zu stützen geeignet ist. Die Annahme des Beginnes einer griechischen Purpurindustrie in damaliger Zeit steht nicht in Widerspruch mit meinen früheren Bemerkungen über den enormen Preis des Purpurs und die relative Armut der Griechen. Denn das Absatzgebiet für die griechische Pur- purarbeit war, wie für die phönizische, frühzeitig ein überseeisches überhaupt und nach dem reichen Syrien und den Euphratländern insbe- sondere; das ist aus den Quellen bemerklich. Die Griechen werden, so lange ihre Mittel nicht weiter reichten, mit Stoffen sich begnügt haben, welche nur zum Teil purpuren waren, sei es gestreift oder purpurumsäumt. Solche Stoffe blieben nicht nur in allen Zeiten neben den anderen im Gebrauch (vgl. z.B. Klearchos b. Athen. VI p. 255, e: nQt)9xe<pak€<ta (f'f^e rgia u'n- ßvaoiva naguXovQyij von einem vor- nehmen Ruhebette, und XII p. 521, b: iadrirag lOQCfvgüg fyot/ff«? naQvyas, welche den syrakusischen Frauen ausser den Hetären verboten waren). Vielmehr wenn Xenophanes b. Athen. XII p. 526, b von den Colo- pboniern, da sie die Ueppigkeit der Lyder angenommen hatten, her- vorhebt: fieoay eis ayo^v :iayaXovQyea tpaqs* t/wrec, SO drückt sich, seine Verwunderung in dem navuXovQyta aus und lehrt, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. ganz purpurene Kleider etwas Ausserordentliches, ja ein Zeichen der Ueppigkeit, also nur purpurverbrämte Gewände verhältnismässig üblich oder herkömmlich waren.

Ii*

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Nachdem wir das Alter der griechischen Purpnrfärberei annähernd bestimmen konnten, sei im Anhang noch zweier Farben gedacht, mit welchen am Schluss der homerischen Zeit gearbeitet wurde, ohne dass wir wissen, seit wann. Das eine ist der Thapsus. Wenn Sappho (frg. 167) diese Pflanze kurzweg als Zxv9tx6v £vXov erwähnt, so setzt . dies voraus, dass sie nach Griechenland eingeführt wurde, ehe eine Bolche metonymische Bezeichnung aufkommen konnte, Photius erklärt aber Sat/zo?, £vXov ^ lavSt'Cot'fft egtu xai rdg rgi%(ts.

Sicherer steht die andere Farbe. Wie Alkman (frg. 85) die Musen als xgoxonsnXoi begrüsst, so trugen wirklich die sy baritisch tm Ritter im 6. Jahrhundert Safrangewande (Tim. frg. 60 b. Athen. XII p. 519, b). Dass diese beliebt wurden, deutet Aischylos an, welcher dreimal (Pers 660, Ag. 239 und 1002) die xgoxov ßayug benützt.

Würzburg. A. Riedenauer.

Severus, serenus und sefmo.

Im „literarischen Centraiblatt" ist mein Lexicon besprochen. Der Recensent schliesst mit einer warmen Empfehlung des Buches, wofür ich meinen Dank ausspreche. In demselben sind aus meinem Buche als zweifelhafte Etymologien aufgeführt:

1) Das Severus, das ich in se- und verus, a, um auflöste. Dass aber die Herren Recensenten gar so kurz abfertigen 1 Wie dankbar wäre ihnen die gelehrte Welt nur für einen Wink, der auf die rechte Spur führte! Was mich anlangt, so kann ich für meine Zerlegung des Wortes Severus in se- verus mich auf sepelio berufen, das wenigstens Grimm (Wort. -B. S. 1253) auch in se-pelio zerlegen zu dürfen glaubt und dabei an so-luo i. e. soho, so-lutus f. se-lutus erinnert. Ueber das präfixe se- (aus se-) habe ich in meinem Artikel sepulcrum (Gymn.-Bl. 1868 von S. 297 305), ausführlich gesprochen. Benfey freilich (Kuhn, Zt. -Sehr. 8, 89), theilt in sev-erus, gibt aber über dieses „sevlt nicht die leiseste Andeutung. Walter (Zt-Schr. XI S. 429) stellt 8ev-eruß zu oiß-optu aus segv-erus =z gescheut, gefürchtet. Ich gehe gerne auf diese Deutung ein, nur ziehe ich segv - = aeß- ofxai zu skr. sag- hängen, sich anheften, hängen bleiben, woher segverus = skr. sakta, vjäsakta r= addictus, occupatus, also auch Severus, eigentlich festhängend an . ., zäh, perseverans, gravis bedeutet.

Ueber ß aus g wie sag = oeß- ist zu vergleichen Z-geßog- skr. rag'as (goth. riqis); ferveo, aus fergveo skr. bhrdg-. Weiteres steht über dieses g = gv v in meinem Artikel „vivo",

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(Gymn.-Bl. 1867 S. 71). Vorläufig kann ich mich nicht der Ansicht anschliessen , nach der ot->>uin zu skr. stv- colere , Honorare gezogen wird, selbst wenn diess Bopp in seinem Glossar S. 382 thut nnd Hintner („Kl. W. B " S. 212) beistimmt. Christ („griechische Lautlehre" S. 46) spricht entscheidend: In otßouai steht e nicht zu skr. c, denn siv- ist selbst eine spätere Entartung des ursprünglichen sap-,

2) Serenus und sermo habe ich als verwandt bezeichnet Fick thut das nicht. S. f>03 scheidet er 1. zwischen sver serere, woher sermo und 2. sver = leuchten, wohin serenus gestellt wird. Curtius (S. 485) stellt natürlich serenus auch zu svar- der Himmel . . Mit svar wird nun aber anderswo unser Wort sermo zusammen- gehalten. So z. B. sagt Leo Meyer: Sermo das Gespräch gehört zu svar- (s. Zt - Sehr. 6, 152). Und Bopp in seiner „Vergl. Gramm.*' § 901 S. 350 spricht sich wörtlich so aus: Auf svar stützt sich das lateinische $61, aus suol f. sudr; dann ceCQ, aus svez, ZaQijv, welches zum lateinischen sermo, zur Wurzel svar tönen gehört, wovon das vedisebe siirja, die Rede als gesprochene oder zu sprechende stammt. Ferners Benfey (Wurzel -Lex. II S. 7) sagt so: Sermo steht für svermo und gehört zur skr. svri, svar tönen. Benfey ver- weist auf p. 460, wo daff mit sermo verwandte „svarana" = serenus aufgeführt ist. Ich stehe also mit meiner Etymologie nicht allein.

Diese paar Gegenbemerkungen mögen genügen, um darzuthun, dass der vieljäbrige Mitarbeiter dieser „Blätter" sich's so ziemlich bewusst ist, was er niederschreibt, will aber damit nicht gesagt haben, dass er die Gegenbemerkungen des Herrn Kecensenten nicht dankbar anerkennt.

Zohetmay r.

Vorschlag zur präciseren Fassung der Regeln Uber das Wesen uud den Gebrauch des französischen Subjonctif.

In seiner correspondance generale, I. lettre 134 sagt Voltaire: „Si tnon ouvrage nyest pas aussi clair qü'une fable de la Fontaine, il faut le jeter au feu". Diesen Ausspruch scheinen entweder manche Grammatiker nicht zu kennen, oder wenn sie ihn kennen, so beherzigen sie ihn nicht genügend. Auch würde die Anzahl der neu- sprachlichen Lehrbücher wahrlich nicht so gross sein, wenn sich diese Herren den

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Dichter Francois Malberbe zum Vorbilde nehmen würden, der während der 11 fruchtbarsten Jahre seines poetischen Wirkens, wie uns Demogeot berichtet, drei und dreissig Verse im Durchschnitte per annum machte. Schliesslich wäre der Horaz'scbe Ausspruch „nonumque prematur in annum" auch anzuempfehlen.

Wie gross aber die Anzahl der stets neu erscheinenden Lehr- bücher auf dem neu -sprachlichen Gebiete ist, wissen wir Alle recht gut; eben so gut wissen wir auch, dass gar manchem dieser Produkte die Ehre nicht zu Theil wird, eine zweite Auflage zu erleben: theils ist das Produkt dieser Ehre nicht würdig, theils ist es für Manchen etwas unbequem, sich von dem alten Schlendrian, der süssen Gewohn- heit, der er Jahre lang gefröhnt bat , loszureissen, oder man hat in der That ein gutes Buch eingeführt und will, da kein triftiger Grund vorhanden ist, nicht wechseln. So kommt es dann auch zuweilen, dass das neue und gediegenere Produkt dasselbe Schicksal erlebt, wie sein mittelmässiger Verwandter, oder es findet seine Anerkennung erst nach Jahren.

1867 schreibt schon Dr. Gaspey, der Verfasser der englischen Konversations -Grammatik, die in ihrer Art und für |ewisse Zwecke gar kein übles Buch ist, das auch viele Auflagen erlebt bat, folgende wahren und desshalb von mir angeführten Worte: „Feto persona are awarc of the rast number of English Grammars that make their appearance in Girmany (French ones as well!). Although some dozens already exist, or rather do not exist, having been for the most part consigntd to oblivion, dozens of „New Theoretieal - Practical Grammars" incessantly issue from the press to suppig the places of those which have fallen, the majority being doomed to the same fate as their predecessors , or, at best, confined to some very limited circle, wearivg out existente in obscurity, and rardy venturing beyond the First Edition. They „come like shadoics, so depart".

Nun sollte man doch eigentlich glauben, dass die Verfasser der- jenigen Lehrbücher, die man zu den gediegeneren zählen kann, sich Mühe geben würden, alles das zu streichen und alles das zu ver- bessern, was eine Verbesserung erheischt. Aber nein! das geschieht auch nur in wenig Fällen. Zwar werden in der Vorrede die Herren Kollegen gebeten, Meinungen und Ansichten über Aenderungen mitzu- theilen, die jedoch, wie so manches Andere, ad acta gelegt werden.

Und nun zum Subjonctif!

Vor allen Dingen muss ich meine Herren Fachgenossen bitten, nicht zu erschrecken, wenn ich Ihnen sage, dass ich 27 verschiedene französischen Grammatiken um mich liegen habe. Dass starke Nerven dazu gehören, um sich behaglich in der Gesellschaft dieser Weisheits- quellen zu fühlen, brauche ich kaum zu erwähnen.

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Der Reigen werde nun mit Plötz, Schulgrammatik eröffnet, da ich wol annehmen darf, dass sie an vielen unserer Anstalten eingeführt ist.

Lection 50.

„Der Subjonctif ist der Modus der Ungewissheit (incertitude). Nach que dass haben den Subjonctif im abhängigen Satze:

A. Die Verben des W o 1 1 e n s (verbes exprimant la volonte).

B. Die Verben des Sagens und Denkens, wenn sie ver- neinend oder fragend gebraucht werden {verbes exprimant la parole ou la pensee, quand ils sont employes nigativement ou interro- gativetnent).

C. Die Verben der Gemüthsbewegung (Verbes exprimant un mouvement de Vätne).

D. Die unpersönlichen Verben (Verbes impersonnels), die nicht eine Gewissheit oder eine Wahrscheinlichkeit ausdrücken (gut n'expriment pas une certitude ou une vraisemblance)u.

Folgen dann die Verben und verschiedenen Redensarten. In seiner Syntax ist der Conjunctiv der Modus der Möglichkeit.

Ilirzel drückt sich ähnlich über die Ungewissheit und Möglich- keit des Subjonctif aus.

Bettinger: Ungewissheit.

Otto: Das Mögliche, das Ungewisse. Die mangelnde Wirklichkeit kann sich aber sowol auf etwas Seiendes, d. h. auf Handlungen und Ereignisse, als auch auf etwas Inneres, d. h. auf blosse Vorstellungen und Empfindungen beziehen.

Zandt: Der Subjonctif, die Aussage der Möglichkeit, der Ungewissheit oder des Wunsches, d. b. die Aussageform, welche ein Ereigniss als möglich, als zweifelhaft oder als wünschenswert angibt.

NoßletChapsal: Le subjonctif prisente Vaffirmation d'une maniere subordonnee et dipendante. i

Borel gibt keine Definition; er hat jedoch das Verdienst über den Indicatif zu sagen: Nous employons Vindicatif avec que, et non, comme en allemand le subjonctif, apris tous les verbes gui indiquent un acte de la pensie ou Vexpression de la parole, comme croire, penser, etc. Die weitere Ausführung breit, aber gut.

Booch-Arkossy: Der Subjonctif, die unbestimmte Art, stellt eine Handlung, ein Thun oder Lassen, ein Geschehenwerden als möglich, wahrscheinlich, aber noch nicht entschieden, also zweifelhaft, dann aber auch als wünschenswert dar.

Ahn: Das blos Gedachte, Mögliche, Wünschenswerte.

Boltz definirt nicht

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Mehrwald: Wenn etwas nicht als wirklich, sondern nur als möglich oder als blosse Vorstellung oder als Wunsch ausgedrückt wird.

Eisenmann: Daa Mögliche, das nicht wirklich Gedachte. (Beim Indicatif ähnlich wie Borel.)

Magnin und Dillmann: Nicht wirkliche, sondern mög- liche oder ungewisse Aussage.

Hölder: Der Conjunktiv ist der Modus der Nichtwirklich. - keit. Weitere Aasführung sehr reichhaltig und vorzüglich.

B. Schmitz: Der Modus des Denkens, durch welchen der Inhalt der Aussage vom selbstbewussten Denken abhängig gemacht oder mit ihm „verbunden" wird.

A. Benecke: Der Conjunctiv gibt eine Aussage als Vorstell - ung oder Annahme, so dass der Redende das Ausgesagte nicht zugleich für wirklich erklärt.

Girault-Duvivier: Le subjonetif exprimc Vaffirmation d'une moniere subordonnee et comme dependante cTun autre verbe, auquel le verbe au subjonetif est toujours lie par le moyen d'une conjonetion.

Voilä pourquoi le subjonetif exprime toujours guelque ctose d'ineertain.

Und nun zu unsern Altmeistern 1

Staedler: Dem Indicativ gegenüber bezeichnet der Conjunctiv nicht die Wirklichkeit der Handlung, sondern das Gegentheil davon. Dies Gegenteil der Wirklichkeit pflegt schlechthin mit dem Worte Möglichkeit bezeichnet zu werden. Man hüte sich aber vor dem sehr gewöhnlichen Missverständnisse, als ob eine mögliche Handlung eben desshalb notwendig eine nicht wirkliche sein müsste; vielmehr kann sie gerade darum, weil sie eine mögliche ist, gar wol eben so sehr auch eine wirkliche sein. Wenn wir eine Handlung eine wirkliche nennen, so meinen wir damit, dass sie der äusserlichen , uns um- gebenden Welt, dass sie dem Boden des demonstrativen, indi- cativ en Daseins angehöre. Das Gegenteil davon ist eine Handlung» welche sich in uns, in unserer inneren Anschauung und als Inhalt unsers Bewusstseins verhält. Der Indicativ weist demnach die Handlung als eine seiende auf, der Conjunctiv dagegen gibt sie als eine gewusste, als eine reflectirte zurück.

Und in einer Anmerkung: Der Indicativ verhält sich zu dem Con- junctiv wie ein mit dem Artikel gesetztes Substantiv zu einem ohne Artikel gesetzten".

Dietz: Der Conjunctiv, die Modusform der Möglichkeit.

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Endlich Mätzner als Urquell; ich werde nur das von ihm in seiner französischen Grammatik Gesagte anführen:

„Der Konjunktiv gibt der Aussage die Form der reflektirten Vorstellung; der Redende spricht den Inhalt der Vorstellung nicht unmittelbar als solchen, sondern mit dem Bewusstsein der Unter- scheidung seiner Vorstellung von dem Gehalte derselben aus. Der Gehalt der Vorstellung wird als Gegenstand der Betrachtung dar- gestellt. Insofern der Redende den Inhalt zum Gegenstand der Reflexion herabsetzt, tritt er aus der Gewährleistung derselben zurück, aber er spricht ihn darum weder als etwas blos Mögliches, oder Ungewisses, noch als etwas Unwirkliches aus, wenngleich das Unwirkliche, insoferne es vom Redenden vorgestellt wird, leicht (wenn auch nicht notwendig) die Form des Konjunktivs erhält. Der zum Gegenstand der Reflexion gewordene Inhalt kann ebenso in der Seele des Redenden, als durch die Vorstellung eines dritten entstehen. II tne semble que ce aoit wie crise (Mme. de Sevigni). Perfectum officium rectum, opinor, vocemus (Cic. Off. 1, 3. 8.). On pensait, ä Vitre, que ce fussent des Bohemes (Mme. de Sivigni)- Mi ... . quaerebant, per quem quisque eorum aditum commendationis habere* ad Caesarem (B. C. I. 74), oder der Inhalt kann durch die Natur der Sache gesetzt erscheinen: IShomme est le seul animal qui sache quHl doit mourir (B. de St. Pierre). Medio montium et palludum porrige- batur planities, quae tenuem aciem pateretur (Tac. A. 1, 6, 4). Der Träger des Konjunktivs jedoch ist stets der Redende, welcher dadurch dem Inhalte das Gepräge bewusster Reflexion aufdrückt".

Hätte ich von vornherein behauptet, dass der Subjonctif weder etwas Mögliches, noch etwas Ungewisses, noch etwas Unwirkliches ausdrücke, wie es zuerst meine Absicht war, so würde man sich ob dieser Kühnheit sehr gewundert, wol gar entsetzt haben. Schiebe icb aber unsern Grammatiker - König Mätzner vor mit seinem mächtigen Geschütz, das ich mit dem grössten, welches je aus der Krupp'schen Fabrik hervorging, vergleiche, und komme ich dann, etwa mit einem 12Ffündner nachgerückt, so wird man vor den Alles niederschmetternden Kanonen Mätzner's respektvoll den Hut abziehen, von meinem 12Pfündner vielleicht denken, dass er neben das Ziel schiesse.

Damit dies jedoch nicht geschehe, werde ich suchen gut abzukommen.

Dass in das Wesen des Subjonctif ohne eingehende Erklärung des Indicatif nicht eingedrungen werden kann, liegt sehr nahe; ich werde desshalb, wo der Vergleich der Deutlichkeit förderlich ist, beide nebeneinander bringen.

Der Subjonctif oder die abhängige Redeweise im eigentlichen Sinne setzt das tiefere Nachdenken, das reiflichere

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Ueberlegcn, die eingehendere Erwägung derjenigen Aussage, welche in dieser Redeweise enthalten ist, voraus, während durch den Indicatif, wenn er als abhängige Redeweise im Substantivsatze ange- wendet wird, einfach nur eine Bemerkung, eine Beobachtung, eine Anzeige ausgedrückt wird.

Die Bemerkung, Beobachtung oder Anzeige, die ich durch den Indicatif im Nebensatze ausdrücke, kann sowol von mir selbst her- rühren, als auch von einem Andern: geht sie von einem Andern aus, so wiederhole ich dann ganz einfach nur oder führe das an, was der Andere ausgesagt hat (Indirekte Rede). Ich frage nicht weiter dar- nach, ob seine Aussage wahr oder unwahr ist, ob sie richtig oder falsch ist Auch verbürge ich die Richtigkeit meiner eigenen Aussage nicht, eben so wenig die eines Andern. Wenn ich sage: ich glaube, dass er ein ehrlicher Mann ist , je crois qu'il est honnete komme, oder : mein Freund sagte mir, er glaube, dass sein Nachbar ein ehrlicher Mann sei, mon ami me disait qu'il croyait que son voisin etait honnete komme, verbürge ich nicht die Richtigkeit der einen oder der andern Aussage, leiste ich weder Gewähr für die Wahrheit meiner eigenen Aussage, noch viel weniger aber für die meines Freundes.

Der Subjonctif ist nur abhängige Redeweise, d. h. er kommt nur in untergeordneten Sätzen vor; in Heischesätzen (Befehlssätzen), in welchen er, dem Anscheine nach, von keinem andern überge- ordneten Satze abhängt, hegt der Sprechende stillschweigend einen Wunsch, verleiht diesem Wunsche jedoch durch Worte keinen Ausdruck. Es lebe der König, vive le roi! = je desire, je souhaite que le roi vive (longtemps, heureux, etc.). Plut au ciel je voudraia qu'il pliU au ciel. Die Formel ,Jc ne sacke pas" hängt wol auch von einem unausgesprochenen Vordersätze ab.

Anders dagegen ist das Yerhältniss des Indicatif im Hauptsatze: Der Sprechende verbürgt in demselben seine Aussage durch den Indicatif. Je pense, donc je suis. Dieu est hon.

Ob die Aufstellung, die Behauptung für einen Andern stichhaltig ist, ist ganz gleichgültig: ob sie wahr ist als solche, darauf kommt es gar nicht an, da Jeder für seine Behauptung eintritt, sollte er sogar von dem Gegenteil dessen überzeugt sein, was er behauptet : Je le vois bien, mais je ne le crois pas.

Die Bürgschaft oder Gewähr der aufgestellten Behauptung wird im Hauptsatze freilich abgeschwächt, wenn diese Behauptung in einem, gewisserraassen abgekürzten Nebensatze enthalten ist: ich halte ihn für einen ehrlichen Mann, je le crois honnete komme = je le crois etre honnete komme =z qu'il est honnete komme.

Nachdem nun aufgestellt worden ist, dass der Subjonctif der Modus der Reflexion par exctllence ist, wirft sich die weitere

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Frage auf, nach welchen Wendungen und Redensarten der Subjonctif auf ganz natürliche Weise eintreten muss. Der Schüler, welcher nur einigermas8en im Stande ist, zu denken, wird leicht darauf kommen; jedoch wird auch der weniger begabte Schüler ohne grosse Schwierig- keit darauf bingeleitet werden können. Aus diesem Grunde werde ich , im Gegensatze zu den meisten Grammatikern , mit den Verben und Redensarten beginnen, die eine Möglichkeit, einen Zweifel, eine Ungewissbeit ausdrücken. Denn sobald ich mich im Zweifel, in einer Ungewis8heit befinde, sobald ich mich nicht leicht entschliessen kann, eine Behauptung einfach nur hinzuwerfen, bin ich notgedrungen zum tieferen Nachdenken, zum reiflicheren Ueberlegen, zur ein- gehenderen Erwägung über das Objekt meiner Aussage gezwungen. Wenn ich sage, ich glaube nicht, ich zweifle dass Pierron Recht hat, wenn er sagt itPlaton, le plus beau parleur de Vantiquite, est aussi le plus grand des utopistes. Je ne crois pas, je doute que Pierron

ait raison en disatU , muss ich notgedrungen über die Behauptung,

über die Aufstellung Pierron's eingehend nachgedacht haben. Nehmen wir einen einfacheren Satz! Ich denke nicht, ich behaupte nicht, dass sich diese Farbe gut halten wird, werde. (Es ist ein grüner Kleider- stoff.) Je ne crois pas , je ne präends pas que cette couleur se conserve bien. Ganz anders dagegen: je pense, je pritends que cette couleur {grise) se conservera bien. In dem ersten Satze kann ich nicht umhin, in Erwägung zu ziehen, dass die Sonnenstrahlen» der Regen etc. einen ungünstigen Einfluss auf einen grün gefärbten Stoff ausüben muss, während ich im zweiten Satze schlechthin eine Bemerkung mache, eine Behauptung aufstelle, die zwar das Nach- denken nicht ausschliesst, jedoch in viel geringerem Grade hervortreten lässt. Die Gedankenlosigkeit wird noch mehr hervortreten, wenn ich sage: Je soutiens que la couleur verte se conservera bien

Der Subjonctif als Modus des tieferen Nachdenkens, des reiflicheren Ueberlegens, der eingehenderen Erwägung wird demgemäss angewendet:

1) Nach den Verben und Redensarten, die eine Möglichkeit» einen Zweifel , eine Üngewissheit ausdrücken : douter, niert desesperer, supposer annehmen, den Fall setzen; dann nach ne pas dire, ne pas assurer, ne pas af firmer; ne pas pretendre, ne pas soutenir, ne pas avouer, ne pas declarer, ne pas penser, ne pas croire, ne <pas s'imaginer , ne pas se douter , ne pas espirer, ne pas voir, ne pas savoir; nicht nnr nach den eben genannten, in verneinter Form vor- kommenden Verben, sondern auch dann, wann dieselben Verben in der fragenden Form vorkommen, d. h. nach allen Verben und Redensarten, in welchen der Sprechende eine üngewissheit, einen Zweifel

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vermittelst seiner Frage ausdrückt, und wenn er eine Antwort auf diese Frage erwartet, in welcher die entsprechende Auskunft enthalten ist (Jedoch muss sie es nicht sein). Inqui- rirende Frage im Gegensätze zur rhetorischen Frage; Mätzner nennt die erstere „die unbefangene Frage". Glauben Sie, dass er es thun werde (wird)? Croyez- vous qu'il le fasse? Ich weiss es nicht. Dagegen: Croya - vous qu'il le fera? Ich weiss, dass er es nicht thun wird. Ich gebe damit zu verstehen, dass, wenn der Andere es glaubt, er einen zu guten Glauben, zu viel Vertrauen auf die Ausführung hat Oder: si vous le croyez, vous vous trompez joliment. Ich selbst bin nicht im Zweifel darüber. Ebenso verhalt es sich mit der fragend - verneinenden Form : ne croyez - vous pas qu'il le fasse? Ne croyez -vous pas qu'il le fera? Der letzte Satz bedeutet: ich weiss ganz gewiss, dass er es thun wird: tont pis pour vous, si vous ne le croyez pas. „Der Fragende kann auch die Antwort unter seine Gewähr nehmen."

In dem Konditionalsatze kann auch ein Zweifel, eine Unge- wissheit enthalten sein. Dieser Zweifel, diese Ungewissheit hängt lediglich vom Sprechenden ab- Zur Illustration bringe ich einen Satz aus Moliere's Tartuffe, acte V, sehne III: Si j'avais su qu'en main il a de telles armes , je n'aurais pas donni mattere d tant d'alannes- (Elmire en parlant de Tartuffe). Elmire ist überzeugt, weiss, dass der Betrüger jene Waffen in der Hand hat ; Orgon hat ihr Alles mitgetheilt; sie kann also diese Thatsachen nicht mehr bezweifeln: der Indikatif muss stehen.

Hätte Elmire dagegen, ohne die Mitteilung ihres Gatten, nur nach dem allgemeinen Tun und Treiben des letzteren und Tartuffe geschlossen, wäre nur die Vermutung in ihr aufgetaucht, dass ihr Gatte solche kolossale Dummheiten hätte begehen können, so würde sie zum tieferen Nachdenken gezwungen worden sein und sie hätte sagen müssen: Si j'avais cru qu'en main il eilt (eüt eu) de telles armes.

Zu den Redensarten nun, die eine Möglichkeit, einen Zweifel, eine Ungewissheit ausdrücken, würden auch konsequenter Weise folgende unpersönlichen Verben gehören: il semble, il se peut, ü est possible, il ne se peut pas , il est impossible , il est rare, il est facile, il est difficile, il n'est pas vrai, il n'est pas vraisemblable , il n'est pas sür. etc. . est-il vrai, est-il vraisemblable, sür etc. . ., die ich nicht weiter anführen will.

Nun wird man vielleicht erstaunen, warum ich nicht von den verbis dicendi und sentiendi oder mit andern Worten von den verbes exprimant la parole et la pensee spreche, die zwar, bejahend ange- wendet, auch ein Nachdenken, jedoch in viel geringerem Grade vor- aussetzen. Ich habe einen sehr gewichtigen Grund dafür: denn diese, von beinahe allen Schulgrammatikern aufgestellte Kegel, dass der

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Sobjonctif nach den verbes exprimant la parole et la pensie steht, wenn sie verneinend oder fragend angewendet werden, trägt ganz besonders dazu bei und ist vorzüglich geeignet, die Schaler zu verwirren es bleibt eben nur der erste Theil der Regel am Gedächtnisse hängen, während der zweite verschwindet. Wundern sollte es mich, wenn meine Herrn Fachgenossen andere Erfahrungen gemacht hätten.

Seltsam ist es freilich, dass nach der Auffassung des Franzosen die Ueberlegung, das Nachdenken erst durch einen Zweifel, ein Schwanken, eine Ungewissheit hervorgerufen wird, während er, im entgegengesetzten Falle, oberflächlich, seiner Natur- anläge gemäss, eine Bemerkung nur hinwirft, eine Behauptung schlechthin aufstellt, ohne sich weiter über die Konsequenzen dieser Bemerkung, dieser Behauptung zu kümmern oder sich Rechenschaft darüber abzulegen: Je crois que vous avez raison.

Man darf daher noch weniger erstaunen, dass der Franzose in der indirekten Rede auch den Indicatif anwendet, unter der Bedingung natürlich, dass in der direkten Rede derselbe Modus gebraucht wurde. Städler nennt den Gebrauch des Indicatif in den beiden Fällen den Ausdruck „einer gewissen Anmassung oder Voreiligkeit".

Ebenso wenig ist die Folge der Zeiten in der indirekten Rede eine logisch richtige: sie beruht auf blosser Konvenienz. Z. B. Er sagte mir, er glaube nicht, dass Amyot mehr Verdienst habe als Montaigne, il me disaü quHl ne croyait pas qu' Amyot eüt plus de merite que Montaigne. Wird dagegen einer allgemeinen Wahrheit (einem Grundsatze) Ausdruck verliehen, so steht nach einer Vergangenheit das present: Louis XVIII disait que Vexactitude est 2a politesse des rois. Ich muss offen gestehen, dass ich nur eine Willkür in dieser verschiedenen Anwendung der Folge der Zeiten erblicken kann eine Begründung aber, trotz aller Anstrengung, nicht ausfindig zu machen im Stande bin.

Auf gleiche Weise wird das tiefere Nachdenken, das reiflichere üeberlegen, die eingehendere Erwägung hervorgerufen : *

2) Nach den Verben und Redensarten, die eine „affirmative oder negative Willensäusser ung, Billigung oder Miss- billigung" (Mätzner, 388) ausdrücken. Die verschiedenen Verben und Redensarten anzuführen, wäre unnötig, da die Grammatiker dies

entsprechend thun.

3) Ebenso, wenn in dem übergeordneten Satze eine Gemüts- bewegung enthalten ist, als: Freude, Trauer, Schmerz, Scham, Schande, Klage, Furcht, Erstaunen, Erbitterung, Unwillen etc.

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Zwar haben auch schon Aristoteles und Theophrast solche Verbreitungs- gesetze vorausgeahnt und fragmentarisch ausgesprochen; aber erst der weite Horizont der Gegenwart, welcher über alle klimatischen Zonen reicht, hat auf diesem Gebiete den Vergleich und damit eine Wissen- schaft ermöglicht. A. y. Humboldt steht auch hier an den Grenzen einer neuen Epoche. In seiner überaus gedankenreichen Schrift „Ideen zu einer Geographie der Pflanzen" (Stuttg. 1807) und in seiner späteren Abhandlung „de distributione geographica plantarum" (Paris 1817) hat er die Fundamente und Grundlinien des zukünftigen Baues gegeben, welcher dann von dem Franzosen De C ando Ue (Geographie bota- nique raisonrUe Paria 1855) und neuestens von dem Deutschen Grisebach (Die Vegetation der Erde Leipzig 1872) in meisterhafter Weise ausgeführt worden ist. Indess erstrecken sich diese Forschungen mehr anf den physikalischen Theil unserer Wissenschaft. Karl Ritter war es, welcher, wie überall in den Erdformen, «o auch in der Thier- und Pflanzenwelt die Beziehungen zum Menschen und seiner Geschichte wahrgenommen und erforscht hat. In einer Reihe von Abhandlungen, die seiner grossen Erdkunde von Asien einverleibt sind, benützte er zuerst historische Denkmäler, um die geschichtliche Ver- breitung von Gulturgewächsen und Hausthieren zu documentiren, und sprach zugleich die tiefsinnigsten Gedanken über deren culturgeschicht- licbe Bedeutung aus. Uebrigens haben diese Arbeiten Ritters eine Schwäche, und diese liegt in ihrem linguistischen Theile, in der Deutung und Verwerthung der Thier- und Pflauzennamen, wofür dem grossen Geographen die genügende sprachliche Vorbildung mangelte. Nun ist in jüngster Zeit auf diesem Gebiete ein Forscher aufgestanden, dessen Blick Natur und Geschichte gleichmässig umspannt und der zugleich mit seltenen linguistischen Kenntnissen, besonders in den slavischen Sprachen, ausgestattet ist. Wir meinen den Deutschrussen Victor Hehn, den Verfasser des oben genannten Buches, das unstreitig zu den bedeutendsten Erscheinungen der neuesten Literatur gehört*). Es werden hier in der Form von Monographieen die Namen verschiedener Thiere und Pflanzen als historische Urkunden benützt, um die Zeit und den Weg ihrer Verbreitung nachzuweisen, nach dem gewiss berechtigten Grundsatze, dass Name und Sache zusammen gewandert sind. Die linguistischen Resultate aber werden, gleich als hätte der Verfasser gefühlt, dass die Etymologie mit ihren Proteus- künsten nicht als vollgiltiger historischer Zeuge auftreten könne, durchgehends, soweit es überhaupt möglich war, durch anderweitige geschichtliche Zeugnisse gestutzt und erläutert. Die frappantesten Ergebnisse werden auf diese Weise gewonnen und man kann in der Tbat sagen, dass der Verfasser neue Perspectiven in die Welt- geschichte eröffnet hat. Wir versuchen es, in Folgendem eine nach allgemeinen Gesichtspuncten geordnete Uebersicht über den reichen Inhalt dieser historisch -linguistischen Skizzen zu geben.

*) Diess beweist schon der Umstand, dass das Bnch innerhalb drei Jahre die zweite Auflage erlebte. Die Naturforschung hat viel Notiz von ihm genommen, thcils um es stillschweigend auszuschreiben, theils um es zu widerlegen. Sie wurde in der Vorrede vom Verfasser in kaustischer Weise abgefertigt.

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Zur Zeit da die Graecoitaler als halbwilde Indogermanen auf ihren Wanderungen aus dem Innern Asiens in die Donauebene hereinkamen, waren sie noch von wenigen der späteren Culturpflanzen und Haus- thiere begleitet. Nur diejenigen, deren Name auch im Sanskrit über- einstimmend ist, dürfen als Culturbesitz vor der Wanderung, gelten aber auch diese nur zum J 'heil, da spätere Einwanderungen aus Indien hinlänglich bezeugt sind. Nach den Erörterungen Hehns über das Pferd (8. 20 54) ist es kaum anzunehmen, dass diese Horden auf kleinen flinken Rossen nach Europa hereinstürmten , wie nachmals die Hunnen; vielleicht aber waren bereits die Ziege und die Gans ihre zahmen Begleiter, und wo sie flüchtig sich niederliessen , streuten sie in die mit dem Pfahle aufgerissene Ackerfurche das schnellreifende Hirsekorn, ein Cereale, das später bei den classischen Völkern zurück- trat und nur von rooservativen Stämmen beibehalten wurde; so gelten die Lacedämonier als Hirsebreiesser.

Griechenland und Italien, das Ziel dieser Wanderungen, gehörten in jener Urzeit einem anderen Vegetationsgebiete au als heute. Dichte Eichen - und Fichtenwälder bedeckten die griechischen Bergzüge und Hänge des Apennin; ja Italien war zum grossen Tbeile noch in den ersten Zeiten Korns von undurchdringlichen Waldungen beschattet, wofür (S. 371) eine Fülle historischer Zeugnisse beigebracht wird. Cultivirte Gewächse gab es damals noch wenig Der Verfasser macht es (S. 212) sehr wahrscheinlich, dass in den Gärten der älteiten Griechen weder die Lilie glänzte noch die Rose glühte. Hesiod kennt diese Blumen gar nicht und auch bei Homer deutet nichts auf eine unmittelbare Bekanntschaft mit der Rose, denn sie wird nur in Gleich- nissen erwähnt, es werden Phantasiegärten damit ausgestattet in einer Weise, als hätte man von ihr nur wie von einem Wundergewächse des fernen Ostens gehört Fast alle Vegetationsformen, welche gegen- wärtig die Landschaften des Mittelmeeres charakterisiren , sind aus dem Orient iroportirt worden. Nur den Erdbeerbaum (arbutut unedo) mit seinen lorbeerartigen Blättern fanden wahrscheinlich die ersten Einwanderer schon vor; aber die Cy presse, als deren Heimath Karl Ritter die Gegend von Kabul an der Westgrenze Indiens nach- gewiesen bat, wanderte über Persien, wo sie als religiöses Flammen- symbol eine Rolle spielt und über Phönizien nach Cypern und von da mit ihrem jetzigen Namen nach Griechenland ; dann erreichte sie Sicilien und erst nach der Eroberung Tarents, wo hellenischer Geschmack das römische Leben zu beeinflussen begann, fing auch dieser Baum an, mit seinem düsteren Grün die römischen Villen und Gräber zu beschatten. Nicht minder sind Lorbeer und Myrthe erst mit dem Dienste des Apollo und der Aphrodite aus dem Osten eingewandert. Den K astanien- baum, diese wichtige Nahrungsquelle des heutigen Italiens, kannte Cato noch nicht; zum erstenmal wird er in einer Ecloge Virgils (2, 52) erwähnt. Die Pinie war zu Ovids und Virgils Zeit noch ein Gartenbaum und der berühmte Pinienwald Ravennas ist jungen Datums (S. 260). Limonenbäume und Orangenwälder trug Italien erst seit den Kreuzzügen, und die Aloe mit ihrem hohen Blüthenschaft sowie der Opuntiencactus, welcher mit seinen blaugrünen, fleischigen Blättern die Felsenküsten des Südens umsäumt, sind beide Kinder Amerikas und also erst in der Neuzeit ans Mittelmeer gelangt.

Abgesehen von der durch Hehns Forschungen constatirten cultur- geographischen Thatsache, dass die heutige Flora Südeuropas ein Resultat der geschichtlichen Bewegung , nicht der physikalischen

Blauer l d. b»yer. Ojmn.- V. Real Schul w XL Jahi-. J2

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Verhältnisse ist, wird es den Leser seines Buches auch intereasiren, die Wege kennen zu lernen, auf denen jene Einwanderungen statt- fanden, gleichsam das Adergeflecht, innerhalb dessen sich der Kreislauf der Culturströmung im europäischen Völkerleibe vollzog.

Der normale Weg war es, dass die Griechen vom Orient beschenkt wurden, die Italier von den Griechen; von Italien drang der Cultur- strom zu den Kelten, von da zu den Germanen und endlich zu den Slaven. Die Strömung aus dem Orient war eine doppelte, entweder semitisch - syrisch oder persisch- pontisch. Die erstere brachte weitaus die meisten und wichtigsten Culturobjekte z. B. den Wein, und in diesem Sinne ist der Occident „semitisirt". Doch gibt es Ausnahmen von diesem historischen Verbreitungsgesetz. Der Haushahn z. B. kam nicht Ober Italien, sondern über Russland oder den europäischen Südosten nach Mitteldeutschland (S. 277 291). Bei ein paar Pflanzen- und Thierindividuen, welche aus dem Orient eingewandert, aber dort irgendwie verkümmert sind, rinden wir sogar einen rück- läufigen Weg von Westen nach Osten. Dahin gehört unter andern die Apricose. Als die Römer des ersten christlichen Jahrhunderts diese Früchte in ihren Gärten pflückten, hiessen sie von ihrer Beimat persische oder armenische Aepfel, bei den Gärtnern wegen ihrer Früh- reife auch praecocia, praecoquet Davon kam die Benennung der spätem Griechen ngaixoxia auch tiqoxxoxhi, deQixuxa. Dieser Name klingt wieder im arabischen al-barqüq, und die Araber brachten Name und Frucht nach Sicilien und Spanien, daher albercocco. albari- coque, franz. abricot, deutsch Apricose

Die Erörterungen des Verfassers sind aber auch für die Cultur- geschichte überhaupt von grosser Bedeutung Insbesondere begrüssen wir sein Buch als Symptom einer gesunden Reaction gegen das krank- hafte Herüberwuchern der Naturwissenschaften auf das historische Gebiet. Wir wissen, mit welchen Fbantasiegemälden moderne Naturforscher, darwinische Farben benützend, die leeren Blätter der menschlichen Urgeschichte auszufüllen bemüht sind. Hehn ist kein Freund dieser historischen Luftgebilde und hat unsere Pfahlbauten - Historiker mit sehr treffenden Bemerkungen (S. 487 490) aus ihren Träumen aufzurütteln versucht. Auch sonst wird der Leser durch mancherlei Ausblicke in die allgemeine Culturgeschichte erfreut Das Alterthum besonders erhält nach vielen Seiten hin eine neue Beleuchtung. So findet der Verf. in einer trefflichen Betrachtung über deu Unter- gang der alten Welt (S. 419 ff.) den eigentlich schadhaften Punkt der antiken Cultur in „der unwirthschaftlicheu Construction des Staates und der Gesellschaft". In Bezug auf den jetzt so verwahrlosten Boden Griechenlands und Kleinasiens ist er übrigens keineswegs der herkömm- lichen Ansicht, dass diese Gegenden für immer ausgenützt seien, ein Urtheil, welchem „keine wittbschattliche oder naturwissenschaftliche Be- obachtung, vielmehr eine falsche geschichtsphilosophische Theorie zu Grunde liegt" (S. Ii 10) Die römische Kaiserzeit, die wir als eine Zeit des Verfalles zu betrachten pflegen, erscheint in diesen Skizzen vom volkswirtschaftlichen Standpuucte aus vielfach als eine Epoche des Aufschwungs. Für das Verständniss der alten Schriftsteller werden sehr schätzenswertbe Beiträge geliefert. Besonders sind es die homerischen Gesänge, die der Verfasser mit Vorliebe beleuchtet und für deren Compositionsart er manche neue Gesichtspuncte bietet.

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Schliesslich müssen wir auch noch der Darstellungsgabe Hehns rflhmend gedenken. Seine Diction ist durchaus sorgfältig und elegant; die farbenreichen Landscbaftsbilder, die lebendigen Naturbeschreib- ungen, die grossartigen historischen Umrisse machen manches Blatt dieses Buchen zu einem Kunstwerk. Wir möchten dasselbe überhaupt mit einer duftigen frischen Blume vergleichen im Gegensatze zu jenen dürren Herbariumspflanzen, die uns zuweilen von deutschen Kathedern herab gereicht werden •).

München. J. Wimmer.

Die Weltgeschichte im Umrisse von Dr. Heinrich Dittmar. Elfte Auflage von Dr. K. Abi cht. Heidelberg, Winter, 1874.

Hr. Dr. Abicht (jetzt Director des Gymnasiums in Oels), welcher nach Dittmars Tode die zehnte Auflage dieses Buches zu bearbeiten übernahm , hatte damals die Geschichte der neueren Zeit bis zum Jahre 1869 , die deutsche bis zur Gründung des Norddeutschen Hundes fortgeführt. Unsere Blätter haben im VII. Bande, p. 31 eine Anzeige des Buches von Herrn Prof. Butters gebracht; nun ist (im Sept v. J.) die eilte Auflage ausgegeben worden, in welcher die Geschichte der europäischen Staaten in den letzten Jahren neu hinzu- gekommen, das Ganze nach Versicherung des Herausgebers in Form und Inhalt einer gründlichen Revision unterzogen ist. Die Kapitel 93 bis 95 geben eine lebendige und übersichtliche Darstellung des französisch - deutschen Krieges. Dass diese (mit einigen Kürzungen) wörtlich aus der VII. Auflage der deutschen Geschichte von Dittmar- Abicht wiederholt ist, wird Niemand dem {Verfasser zum Vorwurf machen, zumal da die Geschichte der neuesten Zeit in keinem Fall so wie die frühere in der Schule bebandelt werden kann. Die Geschichte der nordamerikani6chen Union ist unverändert bei der Erwählung Grauts zum Präsidenten stehen geblieben: man vermisst hier bestimmte Angaben darüber, welchen Erfolg der Krieg für die Emancipation und die politische Stellung der Neger gehabt hat.

Das Lehrbuch von Dittmar ist zu bekannt, als dass es nöthig wäre, es hier nach seiner Eigenthümlichkeit ausführlicher zu cbarakterisiren. Der doppelte Zweck, welchen der Verfasser verfolgte (dass es ,,auch ausserhalb der Schule andern Bildungsbegierigen als belehrendes und unterhaltendes Lesebuch diene"), und der auch durch den Titel „für den Schul- und Selbstunterricht" bezeichnet ist, hat nicht ohne Eintrag für den ersteren bleiben können. Aber wir dürfen mit dem oben

genannten Collegen uns freuen, dass dem vielverbreiteten Buche durch ie zweimalige, im ursprünglichen Geiste fortgeführte Bearbeitung des neuen Herausgebers das Glück zu Theil geworden ist, auch nach dem Tode des ersten Verfassers seine Lebensfähigkeit zu bewahren.

S.

*) Als solches Gegenstück auf gleichem Gebiete liease sich z. B. die gründliche und gelehrte aber ganz gewürzlose Schrift von Prof. Brandes bezeichnen : Ueber die antiken Namen und die geogr. Verbreitung der Baumwolle im Alterthura. " Leipzig 1866. .

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Lateinisches Lesebuch für die Sexta der Gymnasien und Real- schulen von Hermann Perthes. Berlin. Weidmann'sche Buch- handlung. 1874.

Das Urteil, welches hier Ober vorstehende Arbeit ausgesprochen wird, erstreckt sich nicht zugleich auf die ohnehin erst im Werden begriffene Perthes'sche Methode. Was aber genanntes Buch betrifft, so OURS man wirklich staunen, wieviel da neunjährigen Knaben zuge- mutet wird. Die längsten und schwierigsten Yokabeln (z B. agrieola, bevor der Schaler nur ager, luxuriosus, bevor er luxus oder luxuria, consociare, bevor er socius kennen gelernt hat), sodann verwickelte Regeln der Syntax (z. B. schon im zweiten Kapitel TJebersetzung des deutschen „haben" mit esse, dann fernerbin Parti- cipialkonstruktionen , Infinitive mit dem Äccusativ, Sätze wie: Igno- miniosum est ignavum fuisse, et in der Bedeutung „auch", suus und ejus, praesens und absens und dergl mehr), endlich Sätze, deren sachlicher Inhalt weit über den Ideenkreis eines Sex- taners hinausgebt, sind da in rasender Eile aufgespeichert. Die zusammenhängenden Stücke, z B. No 11, sind geradezu monströs. Einer nüchternen Pädagogik ist in dem ganzen Buche des „dem Schüler Bewussten" viel zu wenig, dagegen des „ihm Unbewussteu" ein wenig zu viel entfaltet, und ihr muss der Gebrauch eines solchen Lehrmittels nicht nur nicht instruktiv, sondern destruktiv in hohem Grade erscheinen. Gäbe es keine anderen Sätze? Liesse sich nicht mit dem Einfachen, dem Regelmässigen, dem häutig Vorkommenden beginnen? Kurzum! Wenn sich die Perthes'sche Methode einen Boden erkämpfen will, dann muss so ein Lesebuch ganz anders eingerichtet werden. Es sei mithin dem Herrn Perthes ein freundschaftlich Festina hnte zugerufen!

München. L. Mayer.

Uebungen dea lateinischen Stils, bearbeitet von Carl Friedr. N ä g e 1 1 - bach. III. Heft. 5. verbesserte Auflage. Leipzig, Brandstetter, 1874.

Nägelsbacb's Stilübungen verdanken bekanntlich ihre Entstehung demselben Principe, welches derselbe seinem systematischen Handbuche, der lateinischen Stilistik, als einem sprachvergleichenden Versuche zu Grunde gelegt hat. Nägelsbach will, dass die Kräfte der lateinischen Sprache dadurch zur Kenntnisss gebracht werden, dass man dieselben an denen der deutschen misst. Daher sind seine Stoffe deutsche Originale nicht Stoß* mit deutschem nach lateinischen Originalen oder nach latei- nischer Anschauung bearbeiteten Sprachgewande- In dieser principiellen Originalität liegt einerseits der Vorzug der Nägelsbach'schen Arbeit vor andern verwandten, anderseits der Hauptgewinn für die Geistestbätigkeit, mit welchor die Schüler zu operiren haben. Wir erinnern abgesehen von den grammatikalischen Winken und der klassischen Phraseologie besonders an die Periodologie, welche an schwierigen deutschen Musterstoffen sicherlich besser zur Darstellung gelangt , als an Materialien mit lateinisch -deutscher Sprachform.

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College Baumann hat bereits Auflagen der beiden ersten Bändchen besorgt und verpflichtet sich neuerdings durch vorliegende 5. Auflage des 3 Bändchens Lehrer und Lernende zu grossem Danke. Die neue Auflage ist zunächst ein unveränderter Abdruck der vierten, jedoch unterscheidet sich dieselbe formell hauptsächlich in 2 Punkten von derselben Der Hauptunterschied besteht darin, dass die citirten Stellen fast alle ausgeschrieben sind College Baumann hat dies bereite bekanntlich in der letzten* Auflage des I. Bändebens gethan, damals zunächst auf den ausdrücklichen Wunsch vieler Schulmänner. Nägelsbach würde allerdings schwerlich von dieser „nützlichen Metbode, oft die Schriftsteller nur zu citiren , (statt die Redensarten aus ihuen auszuschreiben", abgegangen seiu; gleichwohl erscheint uns indess Baumann's Aenderung nach dieser Seite sachlich gerechtfertigt und zeitgemäss. Wer aus eigener Erfahrung weiss, wie diese Praeparationen meist gemacht werden, dem kann vielfach der aus dem Nachschlagen der Stellen gehoffte Nutzen nur illusorisch erscheinen. Dazu sind faktisch nur die wenigsten Schüler z. B. im Besitze eines ganzen Livius und gerade oft solche glückliche Besitzer eines completen Schriftstellers nicht auch immer diejenigen, die ihn gewissenhaft ausbeuten Geschieht dies aber von dem einen oder andern fleissigen Schüler doch, so steht am Ende doch der Gewinn, den die Schüler aus dem Selbstaufsuchen der Stellen gezogen, in keinem rechten Ver- bältniss zu dem Quantum der darauf gewendeten Zeit. Da wir ohne- dem in einer Zeit leben, in der mehr als je mit der Zeit der Schüler hauszuhalten ist, so dürfte schon aus diesem wichtigen Grunde in dem Herausschreiben der von Nägelsbach nur citirten Stellen eine noth- wendige Zeitersparnis» zu erblicken sein.

Der 2. Unterschied der vorliegenden Auflage von der vorigen liegt darin, dass die alte Orthographie anfgegeben ist. Ob dies im Nägels- bach'schen Sinne geschehen ist, muss allerdings gleichfalls bezweifelt werden. Gleichwohl sind es äussere und innere triftige Gründe, die zu dieser Aenderung den Impuls gegeben zu haben scheinen ; obgleich an den meisten unserer Gymnasien noch die alte Schreibweise herrscht, können wir daher Baumann's Vorgehen nach dieser Seite nur billigen. Englmann hat in seiner Grammatik die neuere Orthographie mit Mass durchgeführt; es ist nicht zu erwarten, dass man epistula, sttius , 8U8pitioy solacium statt epistola, secius, suspitio, solatium auf- genommen findet, wohl aber dürften Worter, wie autumnus, cena, comminus, conditio, conecto, conitor, contio (nicht concio), intellego, neglego , mercennarius , oboedio (nicht öbedio) in dieser evident beglaubigten besseren Schreibweise auch Elementarscbülern frühzeitig eingeprägt werden. Ueberhaupt ist in allen Anzeigen von neueren Schulbüchern in den letzten Jahren die Beibehaltung der alten Ortho- graphie fast durchgängig als Mangel bezeichnet. Der einzige, der für Beibehaltung der bisherigen Schreibweise plädirt hat, ist unseres Wissens Lattmann in der Berliner Zeitschrift. Aber seine Gründe scheinen nur für die in den untersten Klassen eingeführten Lehr- bücher Geltung zu haben, so lange in den Schulgrammatiken noch die alte Orthographie herrscht. Ganz anders stellt sich die Sache in den obersten Klassen , wo die Ausgaben der Schriftsteller, die die Schüler in den Händen haben, sämmtlich die neue Schreibung aufweisen. Bedenken wir endlich, dass Nägelsbach's Stilübungen an den nord- deutschen Gymnasien, an denen die neue Orthographie fast überall schon eingeführt ist, mit Vorliebe benutzt werden, so lässt sich wohl

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begreifen, wie College Baumaua zur Aufnahme der neueren Schreib- weise sich entschlossen hat.

Was den Commentar und die Uebersetzungsproben anlangt, 60 sei noch einiger vorgenommenen Aenderungen gedacht, die sich beim Durch- lesen der neueu Auflage aufgedrängt haben. Sorgfältig hat College Baumann erwogen, was Kratz im Württemberger Corruspondenzblatt (1862) besprochen und Neues hinzugefügt hat, so Agit und Cleomenetf 6, X, wo zu den Worten: „Soll ich aber, während mein Vater König in Sparta ist, fortleben in solchem Jammer u. s. w." statt egone ut nach Ter. Heaut., 4, 4, 36 zur Verwendung vorgeschlagen wird : Ov. Heroid. 13, 37: scilicet ipsa geram etc. Was von diesem trefflichen Kenner des lateinischen Stiles herrührt, ist im Commentare selbst angegeben. Uebersetzungsprobe VII, t am Schlüsse lesen wir nunmehr statt: et ad futurum tempus quum spem Lutum, tum nova afferant consilia, novam voluntatem industriae et cum spem laetam tum nova consilia, novam voluntatem industriae afferant ad futura; ferner Vj, 6, e: „reitet er durch sein kurzes Gesicht verführt zu nahe an die feindliche Linie vor" statt provehi nach Liv 23, 46, 13 obequitare. Eine glückliche Aenderung ist wohl auch ebendaselbst (sein ledig fliehendes Ross) die von (cquus) vagus errans in vaeuus errans (nach Weissenborn); ferner schlägt Collega Baumann No. 4 c statt proinde vor ergo.

Wir können diese und andere vorgenommene Aenderungen gewiss aeeeptiren, ohne die Originalität des sei- Verfassers selbst dadurch nur im Mindesten zu beeinträchtigen; lediglich als Interesse für die Sache selbst möge es daher gedeutet werden, wenn Anzeiger dieses Büchleins sich selbst noch einige Zusätze erlaubt, die wir hiemit einer freundlichen Beurtheilung empfehlen. I, 1, 2: „hatte er die Höfe der Patrizier niederbrennen lassen" Hst für „Höfe" praedia angegeben ; Hesse sich hiefür nicht „villae" verwenden, was unserm „Meierhof, Meierei" so nahe kommt? I, 2, t: „bat das hundertste Lebensjahr erreicht" dürfte neben dem citirten Cic sen. 17, 6U: vitam perducere ad annum auch das pervenit ad gleich gut zu gebrauchen sein. IV, 8 (Tod Conradins von Schwaben): „der König rechnete sieb aus dem Einziehen der Güter der Ermordeten einen grösseren Gewinn heraus" möchte ich statt subduetis calculis videt rationibus substituiren. V, 10 ist für „Reiterei des linken Flügels" sinistrae partis eques angegeben; warum nicht ala benützt? VII, 9: „im kommenden und in den folgenden Schuljahren" bietet sieb Gelegenheit, den Schüler an den Gebrauch von proximus zu erinnern. III, 3, g: „hat verschwinden lassen" schlagen wir statt sublatum est aliquid e vita vor: de medio. II, 12: „nur noch die Wahl zwischen Selbstmord und martervoller Hinrichtung finden wir angegeben: Liv. 8, 33: optio datur; sehr nahe dürfte für diese Alternative der Gebrauch eines aut out liegen, welcher der Redensart optio datur ents< hie den vorzuziehen ist

Möge unsere Gjmnasialjugend auch fernerhin aus dem Bucbe den geistigen Gewinn ziehen, den zu erzielen gerade Nägelsbach's Stil- übungen in ganz besonderem Masse geeignet sind.

Regensburg.

F. Scholl.

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Angewandte Elementarmathematik von A. Lise. Berlin bei Wilhelm Schulze.

Das Werkeheu ist bearbeitet „für die Zwecke der Volksschule", allein es ist geradezu zum Lachen, wenn Einer im Ernst behauptet, dass die Lehre von den Potenzen, Wurzeln und Logarithmen, die Gleich imgcn ersten und zweiten Grades mit einer und mehreren Unbekannten, die Progressionen der Volksschule angehören. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass die bei den Aufnahmsprüfungen in eine höhere Schule stets laut werdenden Klagen , dass der Rechenunterricht in den Volksschulen nicht gründlich betrieben werde, insoferne wenigstens begründet sind, als auf die ersten Elemente des Rechnens nicht die gehörige Sorgfalt verwendet und zu rasch zu Aufgaben über- gegangen wird, die dem Entwicklungsstadium des Schülers durchaus nicht angepasst sind - Das Werkchen gliedert sich in einen theore- tischen und in einen praktischen Theil Im ersten Theil finden wir eine Zusammenstellung von Lehrsätzen und Regeln zu allermeist ohne jegliche Begründung, jedesmal durch ein Beispiel in bestimmten und in allgemeinen Zahlen illustrirt Die Brüche erscheinen plötzlich wie ein deus ex inachina bei der Division und vier Regeln mit ihren Umkebrungen , natürlich ohne jegliche Erläuterung, vollenden die vier Species der Bruchrechnung Von einigen ungenauen Definitionen sehen wir ganz ab. Die Behandlung der negativen Zahlen bietet manches Originelle und Erbauliche. So heisst es z B. unter Anderem: „Wenn man z. B. 5 Schritt zurückgegangen und soll diesen Weg wieder dreimal zurückgehen, so muss man (- 5) (— 3) = -f- 15 Schritte voran thun". Und bei der Division werden wir belehrt warum

g = 2 ist. „Denn ist z B ein Thermometer 8 Grad unter Null

gefallen, so muss es zweimal 4 Grad unter Null steigen, um auf Null

16

zu kommen, also , 2". Bei den Logarithmen finden wir

o

durchgangig folgende Gleichungen, die man bei den Schülern nicht

t

dick genug unterstreichen kann: |/ 45 = = log 45 = . .; (52)*=:8 log 5 . .

Obgleich der Verfasser der Algebra für das praktische Rechnen wenig Bedeutung beilegt, so sucht er doch im 2. Theile die gewonnenen Resultate zu verwertben. Er behandelt im zweiten Theile die Decimal- brüche, die Quadrat- und Kubikwurzeln, die Zinseszinsrechnung und führt dann noch einige Tabellen an (Zinstabellen, Sparkassent , Mor- talitfttst., Rentent , Lebensversicherungst etc ) , mit einigen Beispielen erläutert. Die Beziehungen des zweiten Tbeils zum ersten sind unklar, namentlich weiss man nicht, wo die Rechnungen mit Deciraalbrüchen, das Ausziehen der Quadrat- und Kubikwurzel im ersten Theil ihre Begründungen oder besser ihre Regeln finden Obgleich die Lehre von den Deciraalbrüchen sehr breit geschlagen ist, entbehrt die Behandlung doch der notwendigen Gründlichkeit und Vollständigkeit Den Gleich- ungen ist schon im ersten Theil die praktische Seite abgestreift worden.

Kaiserslautern. Dr. van Bebber.

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Löhrbach der Zoologfe von Dr. B. AI tum und Dr. H. Landois. Freiburg im Breisgau, Herder'ache Verlagsband lung 1875. Preis 4,5 Reichsmark.

Dieses soeben in 3. Auflage erschienene, sehr hübsch ausgestattete Buch kann in jeder Beziehung mit bestem Gewissen empfohlen werden. Der naturgeschichtliche Unterricht gewinnt, abgesehen von seinem Werthe für Bildung und Erziehung, dadurch eine besondere Bedeutung, dass er in der Regel die Jugend iu die Naturwissenschaften zuerst einzuführen hat. Dabei ist es nicht leicht , die richtige Mitte zu halten zwischen zu weit gehender Popularisirung und zwischen der nötbigen Berücksichtigung der Systematik, sowie der wissenschaftlichen Seite des Gegenstandes. Das vorliegende Lehrbuch zeichnet sich nach meiner Meinung eben dadurch in sehr vorteilhafter Weise aus, dass es mit gutem Takt und richtigem Mass den passenden Mittelweg durchgehends einhält. Die Charakteristik der einzelnen Thierkreise und Thierklassen bis herunter zu den Familien ist kurz, scharf und klar, auch ist mit sicherem Griff überall das Wesentliche gut hervor- gehoben. Wenn es richtig ist, dass nur derjenige ein gutes Lehrbuch zu verfassen vermag, der den Gegenstand , über den er schreibt, völlig beherrscht und sich dem Studium desselben mit Liebe zugewendet bat, so muss man sagen, dass die beiden Verfasser der Aufgabe, die sie sich stellten, in dieser Beziehung -völlig gewachsen waren In vielen der hübschen, dem Texte eingefügten Holzschnitten manifestirt. sich eben so sehr ein gründliches Studium des Lebens der Thierwelt, als eine freudige Hingabe an den Gegenstand. Die Auswahl des Stoffes darf ebenfalls als eine glücklich gelungene bezeichnet werden, indem alle die Gebiete, welche einem sp&teren eingehenden Studium der Zoologie vorbehalten bleiben müssen , umgangen sind. Das Eingreifen der Thierwelt in den Haushalt der Natur und die vielfachen Beziehungen derselben zur Thätigkcit und dem Leben des Menschen haben überall die gehörige Berücksichtigung gefunden und zwar in der, wie mir scheint, sehr richtigen Weise, dass das Nöthige kurz angedeutet und die nähere Ausführung der Erklärung des Lehrers überlassen wurde.

Darüber, ob die getroffene Anordnung de9 Stoffes, d. h. die Beschreibung des Thierreiches in aufsteigender Ordnung für alle Fälle gleich zweckmässig ist, lässt sich streiten Die Verfasser behaupten auf Grund ihrer Lehrerfahrungen, dass auch jüngere Schüler viel leichter ein tieferes Verständniss der niedersten Thier- formen, als das der höheren Thiere erringen. Auf der andern Seite kann man dagegen sagen, dass sich, wenn der Unterricht mit der Betrachtung der höheren Thierformen begonnen wird, viel leichter Anknüpfungspunkte an selbst Gesehenes und Bekanntes finden lassen, und dass es aus diesem Grunde viel für sich hat, einen Lehrgang einzuhalten, welcher dem von den Verfassern gewählten, gerade entgegengesetzt ist. Uebrigens verbietet sich für keinen Lehrer, der die Ansichten der Verfasser bezüglich dieser Punkte nicht theilt, die Benützung des Buches; ja er findet in demselben sogar eine seiner Anschauung Rechnung tragende systematische Uebersicht über das Thierreich in absteigender Ordnung.

Die Sprache ist durchweg einfach und kbr Fremdwörter sind thunlichst vermieden und die technischen Ausdrücke alle deutlich

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erklärt. Die tbeitweise schematisch gehaltenen Abbildungen sind fast alle sehr instructiv entworfen und gut ausgeführt, nur haben einzelne Holzschnittstücke in Folge der vielfachen Benützung leider schon merklich an Schärfe verloren

Ich empfehle dieses wirklich gute, für Lehrer and Schüler gleich brauchbare Buch der Beachtung der Berufsgenoasen hiemit angelegentlich.

>

Lindau. Dr. Fleischmann.

Lehrbuch der Determinanten- Theorie für Studirende von Dr. Siegmund Günther. Erlangen 1875.

Müsste in diesen Blättern ein Urtheil über den wissenschaftlichen Gehalt des vorstehend genannten Werkes abgegeben werden, dann würde der Unterzeichnete die Anzeige einem dazu mehr Berufenen überlassen haben; dieselbe könnte aber auch dann hier nicht Platz finden , sondern gehörte in eiue Fachzeitschrift, da das Lehrbuch nicht für Gymnasien, sondern für polytechnische (und humanistische ?) Hoch- schulen bestimmt ist. Was hier geschehen kann, glaubt auch der Unterzeichnete leisten zu können, nämlich die Herren Collegen auf- merksam zu machen auf ein Werk, das nicht nur von dem immer ' mehr sich verbreitenden vortrefflichen Hülfsmittel der Mathematik, eine möglichst klare Theorie bieten will , sondern auch die historische Entwicklung desselben in einer bisher noch nicht gebotenen Darlegung enthält. Der Verfasser verfügt dazu über eine Belesenheit in der deutschen und ausserdeutschen mathematischen Literatur, wie sie kaum ein Zweitor in der Gegenwart besitzt, uud man wird zunächst von ihm lernen müssen, bis man ihn zu verbessern im Stande ist. Möglich, dass die S. 3 - 4 erwähnten Andeutungen und allgemeinen Bemerkungen von Leibnitz (vgl. S. 122 und 141) eine ähnliche eingehendere Behauptung verdient hätten, wie die von Laplace S. 16 18, und dass auch jetzt schon von Gauss und Jacob i mehr zu sagen war, als die kurze Erwähnung des Letzteren S. 18 und die zwar etwas längere Mittheilung über Gauss auf S. 24, die eben in keinem Verhältniss steht zu den Auseinandersetzungen, welche Bezout, Vandermonde, Laplace und Lagrange

gewidmet sind Zunächst muss man mit Dank die übersichtliche Darstellung annehmen, wie für ein zum Bedürfniss gewordenes Hülfs- mittel der Grundgedanke in dem idealer angelegten Leibnitz erwacht und die zuversichtliche Freude der geahnten künftigen Bedeutung in ihm erweckt, aber erst die Wiederfindung desselben durch den mehr der praktischen Ausnützung zugewendeten Gramer die rechte Lebensfähigkeit demselben gibt, wie dann immer noch längere Zeit die symbolische Bezeichnung fehlte, mit der Vandermonde einen anerkennenswerthen Anfang machte, bis sie nach neuen schöpfe- rischen Einwirkungen von Gauss durch Cauchy handlich wurde. Der Verfasser fügt sorgfältig die von ihm benützten Quellen bei und ebnet damit selbst der Kritik den Weg.

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Die an die historische Skizze sich anreihende Theorie ist hier nur in ihrem Anfange zu besprechen. Der Verfasser will in den ersten 4 5 Capiteln für Studenten des ersten Semesters schreiben und setzt als Norm der mitzubringenden Kenntnisse die bayerische Maturitätsprüfung voraus , wobei er freilich noch sogleich den Zusatz anfügt „wozu nur noch der so leicht zu erwerbende Begriff des partiellen Differenzialqnotienten hinzuzutreten hätte". Was fordert nun der Verfasser schon auf der ersten Seite der Theorie (S. 32)? Die Bildung sämmtlicher Produkte zu »Faktoren aus einem System von n* Elementen. Welches humanistische Gymnasium entlässt seine Schüler mit dieser Kenntniss? Man sage nicht, dass jeder nur halbweg mathematisch Gebildete Produkte aus »»Faktoren müsse bilden können; die Hauptsache ist, dass er wissen muss, wie er sämmtlicbe Produkte erhält, und wie kann er dies, wenn nicht die Determinantenlebre in ihren Elementen ihm mitgetheilt wurde? Die Combinationslehre mit dem binomischen Lehrsatz nnd den einfachsten Anwendungen, wie sie der bayrische Schulplan im § 14 nennt, reicht dazu nicht aus. Ausreichend ist katim die Erfüllung des im § 10 der Ordnung für Realgymnasien Geforderten und diesen Umstand hätte der Verfasser nicht unerwähnt lassen sollen. Absolventen der Realgymnasien können wobl sein Buoh verstehen und diesen mag es auch leicht sein, den schon auf S. 48 nöthigen partiellen Differenzialqnotienten zu erfassen; Absolventen der huma- nistischen Gymnasien müssen erst noch in die Schule gehen , und froh sein, wenn sie einen Lthrer, sei es auf der Universität oder der polytechnischen Hochschule finden In den meisten Fällen werden Bücher die Notbhelfer sein Eb wäre thöriebt, wenn wir Lehrer der Mathematik an den humanistischen Anstalten diesen Mangel verschweigen wollten Sagen wir lieher den Schülern, die einem technischen Beruf sich widmen wollen, wieviel sie nachholen müssen, wenn sie nur einigermassen ihren Coätanen vom Realgymnasium gleichkommen wollen. Wenn aber nun ein Mal der Verfasser soviel voraussetzt, so begreife ich nicht, warum er „von den an sich ungleich eleganteren Methoden der Combinationslehre völlig abseben" musste. Er scheint mir auch gar nicht so „völlig" abgesehen zu haben. Nur die Beispiele auf S. 33, 34, 37 u a und etwa Induktionen, wie sie S. 53 55 angewendet erinnern daran, dass er Anfängern unter die Arme greifen will. Er würde auch schwerlich für die Erklärung der Inversionen auf die doch keinen Falls vom Anfänger zuerst zu lesende historische Skizze verwiesen und den Beweis auf S. 34 35 80 kurz gefasst haben, wenn er nicht an solche Leser gedacht hätte, denen die Termini der Determinantenlehre nicht ganz unbekannt sind. Doch damit käme ich in eine Beurtheilung der Theorie seihst , die nicht hieher gehört. Ich habe nur noch anzugehen, dass das 2. Capitel die allgemeinen Eigenschaften der Determinanten behandelt, das 3. die Determinanten von besonderer Form, das 4 die eubischen, daa 5. die Eliminationsprobleme*), das 6. die Kettenbrucbdeterminanten , das 7. die geometrischen Anwendungen, das 8. die Functionaldeterminanten,

•) Referent will nicht unterlassen zu bemerken, dass die verdienstlichen Leistungen des Herrn Professor Nägelsbach dabei die gebührende Beachtung gefunden haben.

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das 9. die linearen Substitutionen. Die benützten Quellen sind am Ende von jedem Capitel angegeben.

Möge das Werk in der eigenen Praxis des Verfassers und iu der vieler anderer Lehrer bald erprobt werden und es ihm in einer 2. Auflage gefallen, auch die Elemente der Determinantenlehre in einen Wcurs aufzunehmen, und dadurch zwei Vortheile zu erreichen, namlieb auch den von humanistischen Anstalten kommenden Absol- venten sein Buch zugänglich und die höher gehende Theorie von den e ementaren Beispielen frei zu machen Schon jetzt aber sei dasselbe allen Herren Collegen aufs Besste empfohlen.

Hof.

Friedlein.

Literarische Notizen.

Quintus Horatius Flaccus Lieder. Nach dem Texte der Ausgabe von Monz Haupt. Deutsch von Wilh. Osterwald. Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhau.es. 1875. 2 M. Hübsch ausgestattet und auch im Ganzen nicht übel gelungen; aber die fremden Metra schauen uns eben doch immer fremd an.

Aescbylos Perser. Erklärt von W. 8. Teuf fei. 2 verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner 1875. Pr. 1 M. 20 Pf Der Flan der Ausgabe ist in der neuen Aufl. unverändert geblieben, doch ist im Einzelnen auf Grund der inzwischen erwachsenen Literatur und eigener Wahrnehmung des Verfassers nachgetragen und nach- gebessert worden.

Sophokles Ajas. Für den Schulgebrauch erklärt von Gustav vvoltf. 3 Aufl. Leipzig, Teubner 1874 Pr. 1 M. 20 Pf. Nach dem frühen Tode WolfPs bat L. Bellermann die Herausgabe dieser Auflage besorgt, wofür übrigens von Wölfl das Manuskript druckfertig hinterlassen worden war.

Piatons Verteidigungsrede des Sokrates und Kriton. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Chr. Cron 6 Aufl Leipzig, Teubner h « 1 Text un^ Anmerkungen sind sorgfältig revidiert,

benützt f wnrSf0*'*11 Er8cneinun8Pn der einschlägigen Literatur tieissig

Ausgewählte Reden des Lvsias. Für den Schul gebrauch erklärt JJB «Ml. F? oh berger. Kleinere Ausgabe. Leipzig, Teubner. 1WD. 411 8. Pr. 3 M. In einem Bande enthält diese kleinere Ausgabe die in die grössere aufgenommeneu Reden mit Ausnahme der ersten (über die Tötung des Eratosthenes), dazu die siebente (über den Oelbaum) und die zweiundzwanzigste (gegen die Kornbändler). W esentlich für den Gebrauch der Schüler bestimmt, wiederholt sie aus der grösseren Ausgabe die Einleitungen, jedoch mit thunlichster Uescbränkung der Polemik, und den dem Standpunkte der Schüler angepassten Kommentar, unter vermehrter Bezugnahme auf das Lateinische. Der Text ist unter sorgfältiger Vergleichung der neueren einschlägigen Literatur festgestellt, die Kritik aus dem Kommentar bis auf wenige Andeutungen entfernt

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Anthologie aas den Lyrikern der Griechen. Für den Schal und Privatgebrauch erklärt und mit literaturbistoriscben Einleitungen ver- Beben von Dr E Bucbbolz, Prof. am Joachimsthal'scben Gymn. zu Berlin. Zweites Baodcben, die melischen und choriscben Dichter und die Bukoliker enthaltend 2 grossenteils umgearbeitete Aurlage. Leipzig, Teubner. 1875 Pr. 1 M. 80 Pf Das Werk erscheint viel- fach berichtigt, in Hinsicht auf grammatische und Sinne6erklärung vervollständigt; die einschlägige neuere Literatur ist sorgfältig benutzt, die Zahl der Parallelstellen aus andern Dichtem, namentlich aus Horatius, vermehrt.

Ge8cbicbtstabellen. Uebersicht der politischen und Culturgeschichte mit Beigaben der wichtigsten Genealogien in synchronistischer Zusammen- stellung. Für Schulen und den Selbstunterricht bearbeitet von Friedr. Kurts, Rektor in Brieg. Zweite, vermehrte, bis auf die Gegenwart ergänzte Auflage. Leipzig, T. 0. Weigel , 1875. Die alte Geschichte erscheint auf 7 Tabellen, darunter eine mit Genealogien, die mittlere auf 6, wovon zwei Genealogien enthalten, die neue Geschichte auf 8 Tabellen, recht übersichtlich dargestellt Daran reiht sich eine Tabelle mit einer Gesammtflbersicht des Geschichtsfeldes und weiteren 5 Tabellen mit Genealogien grösstenteils noch jetzt regierender Häuser. In erfreulicher Uebersichtlichkeit ist ein sehr reiches Material gegeben, das freilich zu einem etwas kleinen Drucke nötigte. Jndes ist die Ausstattung sehr lobenswert.

Titus und seine Dynastie. Von M. Beule. Deutsch bearbeitet von Dr. Ed. Döbler. Halle, Buchhandlung des Waisenhauses. 1875, 147 S. in 8. Pr. 2 M. Der Verfasser behandelt zuerst in einer „Einleitung" die „Abenteurer" Galba, Otho und Vitellius und schildert dann die Kaiser des flavischen Hauses. So ist das Werk mit den vorausgegangenen Schriften. Beule's in Verbindung gebracht und in derselben Weise wie jene durchgeführt Nur hat der Uebersetzer hier soviel wie möglich die Quellen aufgesucht und unter dem Texte citiert.

Das Zeitalter des Perikles. Nach Filleul deutsch bearbeitet von Dr. Ed. Döhler. Zweiter Band. Leipzig, Teubner. 1875. 381 S. Pr. 6 M. S. S. 336 des X. Bl. dieser Bl.

Lebensbilder und Skizzen aus der Kulturgeschichte. Gesammelt und bearbeitet von J. Jastram. Leipzig, Teubner 1875. 443 S. in 8. Pr. 5 M. Das Buch dient den Lehrern zur Präparation, den Schülern als belehrende Lektüre. Die meisten Aufsätze sind aus Gescbicbts- werken oder Zeitschriften, wenige aus anderen ähnlichen Sammlungen entnommen. Der Verfasser bat stellenweise gekürzt oder einzelne Stücke aus mehreren Schriftstellern zusammengearbeitet. Der kon- fessionelle Standpunkt, soweit er hervortritt, ist ein protestantischer.

Illustrationen zur Topographie des alten Rom. Mit erläuterndem Texte für Schulen herausgegeben von Chr. Zie gier. Stuttgart, Verlag von Paul Neff. Das 1. Heft (Pr. 2 M.) enthält 3 Tafeln, das 2. Heft in seiner ersten (4 M.) und zweiten Abteilung (6 M.) je 4 Tafeln; dazu kommen 2 Heftchen Text. Die Reicblicbkeit des Inhaltes , die Anschaulichkeit der Ausführung , sowie die allgemeine Nützlichkeit solcher das Verständniss des Altertums unterstützenden Hilfsmittel, empfehlen das Werk zur Anschaffung für die Schule, wo es die Mittel erlauben, auch für das Haus.

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Auszüge.

Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.

8.

I. Fortsetzung der „Ergänzungen zum lateinischen Lezicon" von Paucker. Wörterregister zu diesen Ergänzungen nebst den Nachträgen- Beiträge eur lateinischen Lezicographie. Von J. W r o b e 1. (Die Samm- lung int ans Chalcidius, dem Interpret und Commentator des platonischen Timaeus). Lyoner Terenzhandschrift. Von W. Poerster in Prag. (7 Blätter Pergament, v. 522 909 des Heautontimorumenos enthaltend, der älteste Repräsentant der durch PCB (EF) vertretenen Gruppe).

Zeitschrift für d Gy m nasialwesen.

2.

I. Die Stellung der römischen Elegiker, vorzugsweise Ovid's, auf unseren Gymnasien Von Dr. Gebhard i. Der Verfasser will durch Beschränkung der übrigen Dichterlektüre Raum für die Elegiker schaffen. In der zu treffenden Auswahl müssen vor allem Catull, in zweiter Beihe Tibull, weniger Properz vertreten sein. In Sekunda seien Stücke aus Ovid's exilischen Gedichten und den Fasten, in Prima aus dem ersten Teile der Ovid'schen Dichtungen zu lesen. Die Sammlungen von Volz und Seyffert genügen nicht. Schliesslich nimmt sich der Verfasser des sittlichen Charakters obiger Dichter an. Zur Erklärung des Vergilius. II. Von Dr. Nauck in Königsberg. (Aen. IV. 381 416. III. 392. V. 289 f. IV. 328. Zur Gymnasialreform. Von Dr. Hollenberg (aus einem Vortrage von Prof. Baumann in Göttingen: „Ueber den wahren Grund des Wertes klassischer Bildung für die Jugend").

III. Jahresberichte des Philologischen Vereins zu Berlin: Cornelius Nepos von Dr. Gemss; Sallust von Mensel.

8.

I. Ueber die Prüfung pro facultate docendi. Drei ungedruckte Briefe von Joh. Heinr. Voss. Von Dr. Kohl mann.

III. Jahresberichte des philologischen Vereins in Berlin : Livius. Von Dr. H. J. Müller. (Madvig-Ussing [lib. I-V]; Wölfflin [lib. XXI]; Weissenborn [XXV - XXVIII. 2. Aufl.] ; einzelne kritische Beiträge).

Statistisches.

Ernannt: Ass. Obermeier in Regensburg (Konk. 1873) zumStudl. in Wei8senburg a/S-; Ass. Welzbofer am Realgyrn. in Regensburg (Konk 1873) zum Studl. in Schwabacb; Bei. -Lehrer Köhler in Würzburg zum Rel. -Prof. in Speier; Studl. Haubenstricker in Günzenhausen zum Subrektor in Kulmbach; die Lehramtskand. : Wehrle zum Lehramts- verw. für neuere Sprachen an der Gewerbschule Lindau, Gummi zum Lebramtsverw. für Mathematik und Physik an der Kreisgewerbschule

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Kaiserslautern; zum Lehrer der kath. Religion an der Kreisgewerbschule Augsburg Vikar Kästner; Assis. Schönlanb für Zeichnen von der Kreisgewerbschule München als Lehrer an der Latein- und Realschale Kahnbach ; Lehramt sverw. Fischer von der Gewerbecbule Kaufbeuern als Lehrer für Hundelswissenscbafteu an der Gewerbschale Kitzingen; der Lehrer für Mathematik nnd PLjsik Rudel von der Kreisgewerbschule Augsburg als Lehrer für Physik und Rektor an der Gewerbschule Bamberg ; die Lehramts kund. Düll und Weinberger zu Lehramt sverw. für Mathematik und Physik an den Gewerbschulen Lindau, bozw. Passau; die Lehramtsverw. Renz zum Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerbschule Ingolstadt, huber zum Lehrer für Chemie und Natur- wissenschaften an der Gewerbschule zu Rothenburg a/T. ; der Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerbschule Schweinfurt, Botz als Lehrer derselben Fächer und Rektor an der Gewerbschule Landshut ; der Studien- lehrer Priester Wagner als Lehrer für kath. Religion an der Gewerb- schule Dinkelsbühl.

Versetzt: Der Rektor und Lehrer für Mathematik und Physik Sperl von der Gewerbschnle Landshut in gleicher Eigenschaft an die Kreislandwirtschaftsschule Lichten huf; der Lehrer für Mathematik und Physik , Neu von der Gewerbschule Landau in gleicher Eigenschaft an die Kreisgewerbschule Augsburg; der Lehrer für Mathematik und Physik an der Gewerbschule Straubing, Geyer iu gleicher Eigenschaft an die Gewerbschule Amberg; der Lehrer für Chemie und Naturwissenschaften an der Gewerb- schule Neostadt a. II , List in gleicher Eigenschaft an die Gewerbschule Würzburg; der Handelsleiter Czeschner als Lehramtsverw. für Handels- wissenschaft an die Gewerbschule Kaufbeuern; der Ass. für Chemie und Mineralogie, Bachmeyer, als Ass. für Chemie an die Kreisgewerbschule Nürnberg.

Quiesciert: Der Lehrer für Physik an der Gewerbschule Bamberg, Herzogenrath auf 1 Jahr

Gestorben: Der Prof. für Zeichnen am Realgymnasium Nürnberg, Wolff; Prof. Gross in Passau; Studl. Dyrmeier in Hassfurt.

Berichtigung.

Seite 127 Zeile 7 von oben lies: -Vr statt -r4^

13 „Umfangen, aber jeweils gleichem

Inhalte zu zeichnen'' statt „Umfangen und gleichem Inhalte aber jeweils zu zeichnen".

Oedrackt bei J. Ootteiwinler 4 MömI in München, The*Üner§tr»M« 18.

Ophlr and Tharschisch.

Ueber die Lage dea Goldlandes Ophir besteht schon seit langer Zeit grosse Meinungsverschiedenheit; weniger Ober die von Tharschisch. Da nun Ophir auch in den Geschichtswerken häufig erwähnt wird, so lohnt es sich immerhin der Mühe, darüber noch nähere Nach- forschungen anzustellen.

Die Hauptquellen hierüber sind die Bücher der Könige und der Chronik, sowie überhaupt das alte Testament, dann Flavias Josephus.

Daraus geht nun Folgendes hervor: Javan ('/awaVvf), ein Sohn Japhets, von dem die Joner und alle Hellenen stammen (sollen), hatte als Söhne: Elisa ('EXiaag), wovon die Elisäer (Aeoler), Tharschisch (SaQooe), wovon die TharBcr (Cilicier), Chittim (X^t/4of), wovon Chetim (Cypern, Ktxiov) kommen soll (I. Mos. 10, 4; Jos. Arch. I, 6, 1).

Wir haben nun in Cilicien auch eine Stadt Tarsos, eine Colonie der Phönizier; dessgleichen finden wir im südwestlichen Spanien das Land Tarsis (Tarschisch) mit Tartcssus , das ebenfalls von "den Phöni- ziern kolonisirt wurde. Eben dieses Tarschisch in Spanien ist nun das in der Bibel so häufig genannte; denn ein anderes Tarschisch lässt sich nicht nachweisen. Die Fahrt ging von der syrischen Küste, z. B. von Joppe (Jon. 1, 3), aber auch von Ezjon- Geber, also vom rothen Meere aus, dahin (2 Chron. 20, 35 37).

Die Lage Ophir's ist, wie gesagt, schwieriger zu bestimmen. Doch wir gehen in den Quellen weiter. Cham's Abkömmlinge verbreiteten sich zuerst von Noe's Nachkommen in südwestlicher Richtung, nämlich über Syrien, Arabien, Aegypten, Aethiopien und Libyen (Jos. Arch. I, 6, 2). Diesen rückten nach Abkömmlinge Sem's. Sem's Urenkel, Arphaxad's Enkel, ist Eber (Jos. Arch. I, 6, 4). Dieser hat zwei Söhne: Phaleg, von welchem im öten Gliede Abram stammt, und Joktan (iovxras). Des letzteren Söhne, darunter Ophir COtpstgrjs), wohnen nach I. Mos. 10, 29 und 30 von Mesa bis nach Sephar, einem Gebirge gegen Osten , also etwa vom südlichen Arabien bis zum Pasitigris. Josephus dagegen lässt sie wohnen vom Kophen, einem von Westen kommenden Nebenflusse des Jndus, und dem ihm anliegenden Arien an (nach Westen) ano Kcoyijvos noxttpov xns 'ivdixfc xai xije tiqos «wry 'Jqias xivä xuroixovot. Allein da Arphaxad, wie Josephus seihst vorher sagt, über die Arphuxadäer (Chaldäer) herrschte, so hat I. Mos. fO, 29 und 30 ohne Zweifel das Richtige.

Wohl wegen dieser Stelle bei Moses suchen Einige Ophir in Arabien Aber da die Könige Arabiens und die Statthalter überall

Blätter f. d. b»j«r. Ojinn.- u. Real - Schul w. XI. Jahrg. 13

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neben Ophir und Thargcbisch erwähnt werden (1. Kön. 10, 15; 2 Chron.

ßaotteis eneft ioy ftvru dtoQetSy), so wird diese Annahme wohl nicht richtig sein.

Die Meisten dagegen verlegen es nach Indien. So schon die Siebzig, welche ZtoyiQ, SuiyeiQa, 2<6tptQtt übersetzen, d. i. nach koptischen Glossographen Indien. Man denkt dann an die alte Stadt lovnaQtt, OvnnuQtt (d. i. superior) in der Gegend von Goa auf der heutigen Malabarküste (Gesenius- Dietrich , liebr. und chald. Hand- wörterbuch, Leipzig, 1868, bei dem Worte Ophir). Dessgleichen thut natürlich auch Josephus (Arch. VIII, 6, 4: eis r/> unXui [üv Zi6tpet(>«v vvv äe XQvaijv y^v xftkovuiyriv (ryg h'Jtxrjs eariy avrq) %Qva6v tevioi xopiaui). Diesen folgen dann Bochart und Ileland, ebenso Ritter, Erdkunde VIII, 2, 348 ff, und Lassen, Indische Alterthümer I, 538 f, welche letztere auf Abhtra, einen Küstenstrich östlich von den Münd- ungen des Indus, verweisen.

Dass aber auch Indien nicht das Land ist, in welchem Ophir lag dürfte schon aus dem Nächstfolgenden hervorgehen. Bei Ezechiel 27, 12 - 26 wird nämlich der Handel von Tyrus mit denjenigen Völkern geschildert, mit denen es in Verkehr stand, dabei aber Indiens keine Erwähnung gethan ; dagegen werden genannt : a) Tarschiscb brachte Silber, Eisen, Zinn und Blei (12). b) Javan (die Jonier, Griechen), Thubal (Tibarener, ein Volk in Pontus in Kleinasien, nach Josephus die Thobeler [Iberer]), Meschech (die Moscher zwischen Iberien, Armenien und Kolcbis, nach Josephus die Kappadoker, Stadt Mazaka) gaben Menschen, Kupfergeschirre für Tyrus Waaren (13). c) Aus dem Hause Thogarma's (Armenien?, nach Josephus die Tbor- gamäer [Pbrygier]) brachte man Pferde und Maulthiere auf Tyrus' Märkte (14). d) Die Sohne Dedan's (Insel Daden im persischen Meerbusen, oder Volk in Arabien oder Aetbiopien) und viele Inseln brachten Horn , Elfenbein und Ebenholz (15). e) Syrien, Juda und Damaskus handelten mit dir (16 18). f) Wedan (in Arabien) und Javan? brachten von Usal (Jemen) verarbeitetes Eisen und gaben Kasia und Kalmus für deine Waaren (19). g) Dedan (wohl ein anderes als das obige, s. Gesenius- Dietrich, hebr. Lexikon) bandelte mit dir mit Decken zum Reiten (20) h) Arabien und alle Fürsten von Kedar (in Arabien) trieben Handel mit dir (21). i) Die Kauf- leute von Saba (Sabäer in Arabien und Aethiopien) und Raöma (Kuschiten) brachten Balsam, Edelsteine und Gold (22). k) Haran (in Mesopotamien) , Kanne (Ktesiphon?) und Eden (in Mesopotamien oder Assyrien?), die Kaufleute aus Saba, Assur und Kilmad (wahr- scheinlich bei Assur) handelten mit dir mit köstlichen Kleidern, blauen

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und gestickten Tüchern, etc. (23). -- Die Schiffe von Taracbisch beförderten hauptsächlich deinen Handel (25).

Sind auch für uns manche der angeführten Orte oder Länder nicht ganz bestimmt, so geht doch so viel mit Gewissheit daraus hervor dass sich der Handel von Tyrus, also wohl von Phönizien überhaupt* im erythräischen Meer* nach Osten hin nicht Ober den n»Nioni, ' ' Meerbusen hinaus, erstreckte.

Aber Ophir ist gar nicht erwähnt! Nun ich spreche hier einst weilen die Vermutung aus, dass es unter (25) mit einbegriffen ist dass es also auf der Fahrt nach Tarscbisch lag, und ich werde dieses im Folgenden zu beweisen suchen.

Wir haben vorher Joktan's Söhne, darunter auch Ophir, in Arabi wohnend getroffen. Es drängten aber weiter nach Süden, resp Arabien* hin Ismael, der zweite Stammvater der Araber, und seine Nachkommen' Kndlich breiteten sich die Söhne der Chetura ebenfalls nach dieser Richtung hin aus; Abraham selbst betreibt ihre Anaiedlung (anoixt^ atoXovs /u^«v«r«t Jos. Arch I, 15), und Bie nehmen Troglodytis und das glückliche Arabien bis zum erythräischen Meere hin ein- Enkel der Chetura, der Sohn des Madianes, Opbren, erobert /»ari Josephus) Libyen und seine Enkel nennen es nach ihm Afrika N h einer andern Angabe wird Libyen sogar- Schoo von Söhnen derCbetn von Aphera und Japhra, Afrika genannt. Jedenfalls zeigt sich n viel deutlich, wie damals die Völker vom Norden, vom Euphrat 7 nach Südwesten bis nach ^rabien hin und an die Ostküste von Afrikü' vordrängten Da ist es nun zum wenigen nicht unwahrscheinlich dass auch Opb.r oder se.ne KwhkoB.ee nach Afrika hinüber« ten und das Land nach ihm so benannt wurde, «««fizieg

Wie dem aber auch sei, so viel geht aus unsern Quellen un- zweifelhaft hervor, ass d,o Phönizier unter König Hiram von Tr",

rLtr W " d°S1König3 »» ^jon- Geber aus Z

rbarechisch fuhren , also um dag Vorgebirge der guten Ho«« herum, 1000 Jahre vor Christus: £, hJm /Ute" Ef%

„Denn d* Schiffe de, Königs (Salome) fuhren nach i^Zl kn«|taU3irams; einmal in drei Jahren kamen die Tbar*. MKd dachte, Gold ond Silber, und Flfe.*- Ij^ieselbe Fihrt ist gemeint I. Kön. JO. *

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'Silber, und Elfenbein nW i fȆet aber auch Jose/h*

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Schiffe

C

Silber gebracht wurde und viel Elfenbein und aethiopische Affen. Die Hin- und Rückfahrt vollendeten sie in drei Jahren". (noXXai y«g $<snv vavs, ä( 6 ßaoiXevi iv xg Tagaixfj XeyopivR »aXurxfl xaxaax^aag anuyav ti{ xd ivdoxiQU} xiov i&ytZy nuvxoiav iunoQtay nqoaixa^v atv i^Sfino- Xovfit'ytov tiyyvQOf xrti xqvoos ixofAtCeto xw , UcatXei xai noXvg iXeyas Al&iones xai nidijxoi. roV de nXovy amoioai xe xai £/iav£Qx6fieyin TQiciv execiy ijvvoy).

Dass in den angeführten Stellen die Fahrt von Ezjon- Geber an beginnt, geht deutlich daraus hervor, dass ja in allen Stellen der Bibel und bei Josephus, so viele nämlich hieber sich beziehen, nur von der Schifffahrt von Ezjon -Geber die Rede ist. Mit ausdrücklichen Worten aber wird diese Fahrt (vou Ezjou- Geber nach Tharschisch) erwähnt in der schon citirten Stelle 2 Chron, 20, 3j 37, wo es heisst: „Und Josaphat, König von Juda (reg 1)14 891 v. Chr.) ver- band sich mit Ahasja, dem Könige von Israel, Schiffe zu bauen und nach Tharschisch zu fahren ; und sie bauetcn Schiffe zu Ezjon - Geber. Und es weissagte Elieser , der Sohn Dedava's , von Marescha wider Josaphat, indem er sprach: „Weil du dich verbunden hast mit Ahasja, so hat Jchova deine Werke zerrissen. Und die Schiffe wurden zer- trümmert und vermochten nicht nach Tharschisch zu fahren". Dies geschah zwischen 897 und 895 v. Chr. , da Ahasja in diesen Jahren regierte.

Nach Josephus Arch. IX , 1 , 4 hätten Josaphat und Ahasja wohl im Verein Schiffe gebaut, sie wären aber nach dem Pontus und nach den Häfen von Thrazien gesegelt. Allein da Ezjon -Geber noch an einer andern Stelle genannt wird, worauf ich zurückkommen werde, so berichtet Josephus hier ohne Zweifel irrthümlich.

Die Phönizier scheinen aber schon vorher die Fahrt von Spanien aus in der Richtung nach Ezjon -Geber gemacht zu haben. Das deutet an 2 Chron. 8, 17 und 18, wo es heisst: „Darnach ging Salomo nach Ezjon -Geber, und nach Eloth am Ufer des Meeres im Lande Edonr Und Hiram sandte ihm durch seine Knechte Schiffe und Knechte, kundig des Meeres, etc.". Vergl Jos. Arch. VIII, 6, 4. Sie (die Phönizier) haben also schon vorher das Meer um Afrika herum gekannt, und Hiram scheint mit Salomo desswegen in Handelsverbindung getreten zu sein, um im Osten von Afrika in dem tüchtigen Hafenplatz Ezjon - Geber einen festen Stützpunkt für seinen Handel zu gewinnen. Das dortige Land gehörte nämlich damals den Juden (S. Jos. Arch. VIII, 6, 4: uvxtj yitQ ij Xt"dti T(y' nQiy lovd'aiiay qyi.

Diese Fahrt wurde aber, als die Handelsverbindung der Juden mit den Phöniziern aufhörte, unterbrochen, denn schon Josaphat konnte sie 100 Jahre nachher nicht mehr bewerkstelligen. Erst im Auftrage des Königs Necho von Aegypten wurde sie 600 v. Chr. von den Phöniziern

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neuerdings ausgeführt. Herodot beschreibt sie uus näher IV, 42: Die Phönizier brechen im rothcn Meere (ix rijs iQv9(>r^ »aXunaqs) auf, segeln nach Süden und halten im Herbste an, wo sie gerade sind, und besäen das Land ; nach der Aernte fahren sie weiter, so dass die Hin- fahrt zwei Jahre dauert. Im dritten kommen sie auf der Fahrt durch die Seulen des Herkules nach Aegypten zurück.

Ks ist nun noch zu zeigen, dass die Fahrt nachOphirin derselben Richtung ging und mit denselben Schiffen wie nach Tharschisch gemacht wurde: a) Schon der Zusammenbang von 1. Kön. 9 27 und 28 mit 10, 1 zeigt, dass diese Fahrt (nach Ophir) in der Richtung nach Afrika (Aethiopien) hinging. Denn vorzüglich durch Scbifffahrts- und Handclsverbindung konnte die Königin von Saba das Gerücht von Salomo hören Nun geht aber aus der von Josephus beschriebenen Fahrt ausdrücklich hervor, dass man an verschiedenen Punkten anhielt. b) Bei allen Stellen, die von Tharschisch -Schiffen sprechen, ist es das natürlichste, unter diesen nichts anderes zu verstehen, als Schiffe, die von Tarsis kamen und dahin gingen, besonders im sogenannten tarsischen Meere. Es heisst nun 1 Kön. 22, 49: „Josaphat machte Tharschisch -SchifTe, um nach Ophir zu fahren des Goldes wegen; aber man fuhr nicht, denn die Schiffe wurden zertrümmert zu Ezjon- Gebcr". Vergl. damit 1 Kön. 10, 22. c) Den deutlichsten Beweis aber für die aufgestellte Behauptung erhalten wir, wenn wir die zwei Stellen : 2 Chron. 20, 35 - 37 und 1 Könige 22, 49 mit einander ver- gleichen. In beiden Stellen wird offenbar dasselbe Factum berichtet, es ist von dersslben Unternehmung die Rede Die eine Stelle lautet aber: ,, Josaphat und Ahasja bauten aber zu Ezjon- Geber Schiffe, um nach Tharschisch zu fahren etc.", die andere: „Josaphat machte Tharschisch- Schiffe, um nach Ophir zu fahren etc.". Demnach war die Fahrt nach Ophir und Tharschisch (der Richtung nach) dieselbe.

Von den neueren gelehrten Forschern gelangten zwei zu dem fast gleichen Resultate. Movers nämlich (Phöniziscbe Altertbümer) und Roscher (Ptolemäus und die Handelsstrassen in Centraiafrika) suchen das Goldland des Alterthums in Westafrika; weil sie aber nicht zu der Annahme gelangten, dass die Phönizier damals schon Afrika umschifften, so nahmen sie einen Handelsplatz Ophir an der Ostküste Afrika's an, von wo aus man die indischen Artikel eintauschte. Indessen scheint dieses nicht nöthig , denn die genannten Artikel, als Gold, Silber, Edelsteine, Elfenbein, Algummi oder Ebenholz, Affen, lieferte Afrika insgesamrat, es müssten denn keine Pfauen dort ein- heimisch gewesen sein. - Nach meiner Ansicht ist Ophir entweder Afrika überhaupt (südlich von Aegypten, Aethiopien und der Sandwüste), oder speziell eben das Land im Westen, die jetzige Goldküste, die wahr-

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Bcheinlich noch jetzt daher den Namen trägt und wovon noch jetzt Gold und Elfenhein die vorzüglichsten Ausfuhrartikel sind.

Dass die Phönizier diese Fahrten nach dem Goldlande, besonders vor den Griechen zu verheimlichen suchten, ist wohl ganz natürlich.

Fassen wir nun das Resultat dieser Untersuchung zusammen, so dürfte sich ergeben:

1) dnss die Phönizier schon 1000 Jahre vor Christus Afrika umschifften ;

2) dnss Ophir oder das Goldland der Alten die jetzige Gold- küste (in Westafrika) ist, oder wenigstens dass man es jedenfalls in Afrika zu suchen hat;

3) daas Tharschisch- Schiffe solche Schiffe wnren, die von Tharechisch kamen oder dahin fuhren, namentlich im sogenannten Tarsischen Meere, das Afrika im Osten, Süden und Westen umgab.

Wenn endlich Diodor (Lib. V, capp. 19 und 20) erzählt, dass die Phönizier nach einer grossen Tnsel, mehrere Tagreisen von Libyen aus gegen Westen liegend und von schiffbaren Strömen durchschnitten, gekommen seien, so dürfte man kaum von der Wahrheit abirren, wenn man annimmt, dass sie auch nach Amerika gefahren sind. Wer sollte sonst die orientalische (Phönizische?) Cultur, wovon die in neuerer Zeit dort aufgefundenen Alterthümer zeugen, hingebracht haben?

Speyer. Prof. Preu.

Kritisches.

Bei der Lektüre von Autoren, die ich kürzlich vornahm, sind mir verschiedene Stellen aufgestossen , die mir einer Heilung bedürftig erschienen. Meine Versuche will ich im Folgenden dem Urteile geneigter Leser vorführen. Lysiaa or. 7. § 22. y,KaUoi el ynattg pHösiv Trjy uootuf dff c<yi{oyrv zovg ivvitt ayfoyTttg intjyayeg rj < Xlovg rivdg rtuy 4t 1 AqbIov iittyov, ovx av kri^ioy tifei ooi ^ictqrvQ<üyil. So Steht in den gewöhnlichen Ausgaben, während cod. Heidelberg „et (pyg ideiy" bietet. Da aber (ptjoag kaum eine attische Form ist, überdies hier ein bezeichnender Ansdruck mit Rücksicht auf die Anklage der <puoig ver- langt wird, so schlug Meutzner vor: <pnvag fSitieiv. Richtig bemerkte aber Kayser, dass dy? Construktion gpijV«? mit dem Infinitiv hier unzu- lässig sei, so dass Rauchenstein in der 4 Auflage seiner Ausgabe sich bewogen fand, nun auch idetv zu verwandeln in Mr. Dass dies keine methodische Kritik ist, dürfte wohl klar sein. Legen wir die Lesart der Heidelberger Handschrift <pf,s zu Grunde, so lässt sich wohl tfrtg als Sigel betrachtet, ebensowohl gsjaag als tpr^ag auflösen, welch7

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letzteres Wort unbedingt hier stehen muss, einmal als Anspielung auf den Namen der Klage (yuoig), und dann zur Bezeichnung, dass Siko- machus den Beklagten den neuu Archonten hätte zeigen sollen , wie er den Baumstamm herausriss. Mit dieser Erklärung habe ich auch zugleieh meine Vermutung gegeben: „qpjjV«? f*e ri?V fiogiav dipavlCorta xrk. Denn i&eiy ist ein Glossem, das ein Leser oder Lehrer deun dass Lysias in den Schulen traktirt wurde, ist bekannt - hinzu schrieb, um das dem Schüler oder ihm selbst fremdartige (ptjvag zu erklären. Solche Zusätze finden sich in allen Handschriften teils schon im Texte, teils noch am Rande. Ueberhaupt lassen sich bei Lysias solche und noch grössere Interpolationen in Masse nachweisen. Die Uebersetzung lautet also ungefähr: „Ja, wenn du die neun Archonten oder einige beliebige Mitglieder des Areopags hingeführt hättest, indem du auf mich wiesest, wie ich den Oclbaum vernichtete, so hättest du keine weiteren Zeugen nötig gehabt". Diese Bedeutung des Particips Aorist erscheint vielleicht bedenklich; aber wenn einem Aorist ein Particip des Aorist's angefugt wird, so bezeichnet dasselbe insofern jenem Gleichzeitiges, als es ausdrückt, wodurch, worin eben die Handlung des Aorist's sich äussert. Vergl. Krüger, gr. Spr. 53, 6. 8 und 56. 8.

Tac dial. c. 3 Halm: „Tum ille. Leges, inquit, quid Maternus sibi debuerit, et agnosces quae audisti"- Für diese so oft versuchte Stelle, von der ich wol diu vielen guten und schlechten Vermutungen nicht anzuführen brauche, glaube ich eine einfache Lösung empfehlen zu können. Kurz vorher nemlich bespricht Secundus eine Tragödie des Maternus, Cato betitelt, mit der jener so sehr Anstoss erregt habe; er spricht dabei den Rat aus - denn dieses liegt offenbar in der Frage , Maternus möge bei einer Umarbeitung dieses Stückes seinem Helden einen ruhigeren and nicht so verletzenden Standpunkt anweisen, dem er vorher mit Vorbedacht die gefährlichsten Acusserungen in den Mund gelegt habe (cf. c. 2 und 10). Darauf entgegnet Maternus: „Du wirst lesen, was er (der Held der Tragödie, Cato, nach seinem Charakter und seiner Vergangenheit) sich schuldig gewesen ist". Dass aber in diesem Satze und überhanpt an dieser Stelle nur von Cato die Rede sein kann, ersieht man schon aus dem Folgenden: „quod si quae otnisit Cato, sequenti recitatione Thyestes dicet". Eine Glosse ist also Maternus, sei es zu inquit, damit ebenso der Sprechende bezeichnet werde wie vorher Secundus, nachher inquit Aper, oder weil man fälschlich Maternus als Subjekt des Satzes quid sibi debuerit annahm. Denn soweit ich mich erinnere, gebraucht in diesem Dialog der Sprechende von sich die erste Person und setzt nicht dafür seinen Namen. Debere ferner in der Bedeutuug „sich schuldig sein, zu etwas verpflichtet sein" brauche ich wohl nicht nachzuweisen; es lehren das ja genug die Lexika. Dass endlich Maternus in solch' stolzem Tone von

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Beinern Helden sprechen durfte, erlaubte der bekannte Charakter dieses starren Republikaners, den Maternus sich zum Ideal genommen hatte. Dass aber nicht blos Eigennamen leicht interpolirt wurden, sondern auch ganze Sätze, hat besonders schön Kayser zu seinem Cornificius gezeigt. Alle diese Zusätze haben aber das gemeinsam, dass sie für eines Knaben Yerständniss förderlich und angemessen, für einen Mann überflüssig sind. Etwas Aehnliches glaube ich in den Topica des Cicero gefunden zu haben §. 17. Dort heisst es, dass auch vom Gegenteil ein Beweis erbracht werden könne, was man an dem Beispiele sehe: „non debet ea mutier, cui vir bonorum suorum usum fruetum legavit, cell in vinariis et oleariis plenis relictis , putare id ad se pertinere : usu* enim, non abusus legatus es?*. Damit dürfte wohl das Beispiel, als genug erklärt, abgeschlossen sein; denn es ist ja durch den Beisatz: „usus enim, non abusus legatus est" gesagt, warum die Frau nicht alles beanspruchen darf. Aber in den Ausgaben folgt noch nach: „ea sunt inter se contraria11, was gewiss nicht von Cicero geschrieben sein kann. Dagegen spricht auch nicht blos der ganze mehr aphoristische Charakter der Schrift, sondern auch die Art und Weise, wie die übrigen Beispiele eingeführt werden.

Fhaedr. I. 5. 10. Malo adficietur, si quis qnartam tetigerit.

Zu dieser Stelle hat erst kürzlich in diesen Blättern (1. Heft p. 1) Zorn aus metrischen Gründen vermutet: „male adficietur'1. Aber schlecht steht es jedenfalls mit dieser Conjektur, wenn er nur aus den Pandekten ein noch dazu dem Sinne nach verschiedenes Beispiel bei- bringen kann. Wenn wir nun bedenken, dass Phaedrus seine Fabeln meist aus dem Griechischen genommen hat, so dürfte wohl nicht unpassend sein mala patietur {x«x<5s neiaerm) ; und das scheint mir auch dem Charakter des Löwen zu entsprechen, wie er ganz kategorisch und ohne seine Würde in Mitleidenschaft zu ziehen, sagt: „Hebel wird es dem gehen, der den vierten Teil anrührt". Er spricht dabei nicht aus von wem?, noch wie? und das ist gerade recht bezeichnend für sein stolzes Selbstbewusstsein, während das bei malo adficietur nicht der Fall ist. Nach der Schreibweise und den Abkürzungen in den Handschriften dürfte das wohl keine Aenderung sein; für den Sprachgebrauch vergl. u. a. Plaut. Asin. 2. 2. 58 fortiter malum qui patitur, idem post patitur bonum.

Phaedr. I. 16.

Fraudator hominem cum vocat sponsum improbum, Non rem expedire, sed malum videre expetit.

Die vielen Conjekturen zu dieser Stelle will ich nicht erwähnen, da sie von Zorn erst hier angeführt wurden ; aber auch an seine eigene „mala inferre expetit11 wird Herr Zorn nicht mehr glauben, denn sie ist sowol allzuweit von der üeberlieferung entfernt, als auch gibt sie

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keineswegs den vom Zusammenhang geforderten Sinn. Dieser ist offenbar dieser. Wenn ein BetrQger einen schlechten Menschen als Bürgen stellt, so trachtet er darnach, nicht die Sache ins Reine zn bringen, sondern dem andern ein Uebel zuzufügen. Denn fraudator deutet schon durch seine Stellung an, dass es auch im folgenden Hauptsatze Subjekt ist, weshalb die Vermutung von Dressler „mala vitare" unmöglich ist, da sie eine Aenderung des Subjektes bedingt Aber was hat man gegen den Vorschlag einzuwenden: „mala indere expetit?" Diese unbedeutende Aenderung entspricht dem metrischen Branche des Phaedrus und schliesst sich genau an die Ueberlieferung an; denn war einmal in nach der Schreibweise des Mittelalters durch Undentliebkeit als ui = vi gelesen, so ergab sich die Aenderung des Abschreibers in videre von selbst. Einen ähnlichen Sinn haben wir Phaedr. L 19: Habtnt insidias hominis blanditiae malt und IV. 9: Homo in periculum simul ac venit callidus.

Reperire effugium quaerit alterius maJo. Für den Sprachgebrauch findet sich bei Curtius, dem Zeitgenossen des Dichters: faciem quam natura locis indidtrit, und bei Tacitus: pavorem, odium indere.

Günzburg. C. Hammer.

Handschriftliche Nachweigungen zu Cic d Oratore I, 3 § II.*)

Bei meinem letzten Ferienaufenthalte in München wollte ich nicht die Gelegenheit versäumen, den einzigen Codex ms er., welchen die dortige Bibliothek von Cic. de Oratore besitzt, persönlich in Augen- schein zu nehmen.

Vielleicht darf ich hoffen, dass es den Ciceronianern unter meinen geehrten Herren Collegen nicht ganz uninteressant sein werde, zu erfahren, dass gerade an 'der oben bezeichneten Stelle, welche im vorigen Sommer einen kleinen Meinungsaustausch zwischen Herrn Bub n er und mir veranlasst hat, der Münchener Codex zwei bis jetzt noch gänzlich unbekannte Varianten bietet.

Der ganze Satz lautet nemlich nach dem Codex Monacensis : Atque vero in hoc ipso numero in quo perraro exoritur aliquis excellens si diligenter et ex nostrorum et ex Graecorum copia comparare voles, multo et tarn paucidres oratores quam poütae boni reperientur.

Was nun zuerst das atque vero anlangt, so ist es mir absolut unbegreiflich, wie Ellendt, der den Müncbener Codex vollständig durchgearbeitet haben will, diese Variante übersehen konnte, da er es doch für wichtig genug gehalten hat, anzumerken, dass in dem unmittel-

*) Durch Umstände verzögert.

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bar vorhergehenden Satz der MQnchener Codex vor satt anstatt ver- sati liest! Dieses Ueberaehen von Seiten Ellend t's ist um so ver- wunderlicher, weil die Lesart des Codex Victorinus , so zu sagen, Wasser auf seine Mühle gewesen wäre. In seinen „Explicationes11 bemerkt nemlich Ellend t zu unserer Stelle: „Atque etsi non cohaeret cum insequente tarnen, ut Muellero visum, maiorem tarnen 8olita vim habet, pro atque etiam, atque adeo dictum« Die zweite Variante, das etiam anstatt des gewöhnlichen tarnen, wird nun freilich gerade Herrn Buhn er keine allzugrosse Freude machen. Denn er hat ja gesagt (Bd. IX p. 162 d. Bl.): „Die Anleitung zur richtigen Emendation gibt uns hier das tarnen im Nachsatze.'' Wie nun, wenn etiam die echte, ursprüngliche Lesart sein sollte?

Inzwischen bin ich unparteiisch und objectiv genug, um einzu- räumen, dass das etiam des Codex Victorinus möglicherweise von einem Kritiker herrühren kann, der zu dem überlieferten tarnen kein passendes „obgleich" herauszufinden vermochte; ganz abgesehen davon, dass es ja auch durch ein blosses Versehen entstanden sein kann.

Uebrigens muss ich mir bei dieser Gelegenheit erlauben, das gering- schätzige und wegwerfende Urteil Ellend t's über diesen Münchener Codex einigermassen zu rectificiren. In der praefatio zu seiner Ausgabe von Cic. d. Or. sagt nemlich dieser Gelehrte: „Ipse enim contuli codicem, qui cum olim P. Victorii fuisset, nunc Mo nach i i as serv atur , sed ex recen tioribus est, ut lacunis quidem careat, sed vario corruptelarum genere infesta- tus sit

Was nun das Alter dieses Codex betrifft, so hat Sch melier ihn dem 14. Jahrhundert vindicirt. Dass er durch einzelne Schreibfehler verunziert ist, vermag ich leider nicht in Abrede zu stellen; so steht z. B. §. 9 quot vixi anstatt quot viri. Allein gerade wenn der Schreiber des Codex Victorinus nicht lateinisch verstand, so gewinnen hiedurch selbstverständlich seine wirklichen Varianten nur um 90 mehr an Bedeutung, weil nemlich alsdann dieselben offenbar schon in jenem, doch wol weit älteren, Codex gestanden haben müssen, welcher dem Schreiber -des Codex Victorinus als Original bei Her- stellung seiner Copie diente.

Im übrigen jedoch jst dieser Codex ein wahres xeif*tjkios> : auf dem zartesten Pergament so schön und gleich mässig geschrieben, dass man auf den ersten Blick ein mit Lettern gedrucktes Buch vor sich zu sehen glaubt, um ganz zu schweigen von der Malerei und Vergoldung.

Ich habe mich ober nicht etwa damit begnügt, nur den Codex Victorinus einzusehen, sondern ich habe so ziemlich alle in der Münchener Bibliothek vorhandenen Ausgaben, sowol von Ciceronis Opera, als auch die Separatausgaben von Cic. de Oratore, be-

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ginnend mit den urältesten Incunabeldrucken, wegen der vorwürfigen Stelle durchgesehen. Ein Incunabeldruck von Cic. d Or. vom Jahre 1470 ist leider am Anfang verstümmelt, so dass er erst mit den Worten vmaiore delectatione" (cap. IV. init.) beginnt; ein anderer, noch um ein Jahr älter (1469), ist zwar gleichfalls vorn defect, beginnt aber doch schon mit „consiliorum meorum" {cap. I. §. bietet übrigens keinerlei Abweichung vom textus receptus

Zu meinem Schmerz muss ich nun an dieser Stelle das Bekenntnis niederlegen, dass von all' den mancherlei Commentaren, welche ich in gedruckten Huchem fand, auch nicht einer mir den Nagel auf den Kopf zu treffen schien. Die allerältesten Exegeten scheinen mir anzu- deuten, dass Cicero, streng genommen, sich hier einer kleinen Confun- dirung der beiden Begriffe poeta und orator schuldig gemacht habe; und mit einer auffallenden, offenbar auf eine sehr alte Tradition hin- weisenden Einstimmigkeit führen sie nun alle §• 70, gleichsam ah Parallelstelle, an: „Est enim finitimus oratori poeta, nu- merus astrictior paullo, verborum autetn Ucentia libe- rior, multis vero ornandi generibus socius ac paene par; in hoc quidem certe prope idein, nullis ut terminis cir- cumscribat aut de f in tat ius suum, quo minus ei liceat eadem illa facultate et copia vagari qua velit."

Dagegen verdient eine früher noch nirgends abgedruckte Erklärung, selbst wenn sie vielleicht nicht eigentlich richtig sein sollte, jedenfalls, in Anbetracht ihrer Scharfsinnigkeit und Originalität, eine ehrende Erwähnung.

Die Münchener Bibliothek besitzt nemlich ein sehr altes, von einem weiland Ingolstädter Studenten nachgeschriebenes Collegienheft, dessen Titel unverkürzt lautet:

Brevis Commentarius in libros de Oratore Ciceronis, sive, ut ita dicam, pulcherrimarum rerum Thesauros, a Reverendo et doctissimo Patre Reinero Fabricio So- cietatis Jhesu, Rhetoric es professore in alma Ingol- $tadi cns i Academia traditus et a me eiusdem Auditore conscriptus. 1590.

Für den ziemlich dunklen und verworrenen Charakter dieses oben- drein auch in kalligraphischer Hinsicht äusserst unangenehmen Collegien- heftes will ich in dubio lieber den, bescheidener Weise anonym ge- bliebenen Nachschreiber, als den Rev. et doctissimum Patrem verantwortlich machen. Soweit ich trotzdem daraus klug zu werden vermochte, so hätte Cicero an der Stelle „minimam copiam poe- tarum egregiorum sxstitisse" das Wort poetarum in einem ganz eigentümlichen prägnanten Sinne gebraucht. Es hätte ihm nem- lich hiebei die literarhistorische Thatsache vorgeschwebt, dass die ersten

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und ältesten Meister der sprachlichen Darstellung nicht etwa Prosaiker, sondern Dichter waren; und somit hätte er die po et as zugleich als Repräsentanten der Stylkünstlcr überhaupt aufführen können; mit einem Wort: es wäre aus dem poctarum egregiorum herauszu- nehmen: egregxt dicentium vel scrib entium, und dieser Ge- nitiv wäre alsdann zu dem nachfolgenden in hoc ipso numero hin- zuzudenken.

Der Wortlaut des mehrerwähnten Collegienhcftes z. u. St. ist folgender : „Primi apud Graecos eruditionis nomine celebres exstitcrunt poetae, quorum alii Musicae, alii medicinae, quidnm et Astrotiomiae erant periiissimit inter quos Homerus et Hesiodus omnium longe ccle- berrimi diu ante U. C. habebantur. Hinc fortasse posteriores solum poetam sapientem vocabant, et Cicero Tusculana antiquissimum apud Graecos e doctis genus fuisse poetarum, et 4* Tusc. Cicero poe- ticam vocat praeclaram vitae emendatricem , et Thenphrastus , ut est apud Fabium} poetarum lectionem vehementer esse utilem probat. Iii primi teste Aristotele (3° d. Rhct) autores fuerunt orationis confor- mandae, et teste Strabone et Eustathio po etae primi elocutionem c onf ormarunt et scribere coeperunt."

Das mühsame Ringen des Geistes nach einer auch nur annähernd haltbaren Erklärung steht in meinen Augen unerreichbar hoch über dem rein willkürlichen Streichen und Aendern.

Anhang.

Der grosse Florentiner Humanist Pietro Vcttori, gewöhnlich latinisirt Petrus Victor ins (1499 1585) hat eine Ausgabe von Cicero's sämtlichen Werken veranstaltet, deren Titel vollständig lautet: „M . Tullii Ciceronis opera , omnium quae hactenus excusa sunt castigatissima nunc primum in lue cm edita. Venetiis in officina Lucaeantonii Juntac. 1.557." (In fine: „Mense August o 1536.") In dieser Ausgabe finden sich nun aber die beiden oben von mir aus dem Codex Victo- rinus mitgeteilten Varianten nicht. Dessenungeachtet würde es ober- flächlich und voreilig sein, hieraus sofort ein Verwerfungsurteil von Seiten des P. Victor ins folgern zu wollen. Man musa nemlich wissen, dass der jetzt in München befindliche Codex Victorin us auf der Rückseite seines Einbandes ein zweizeiliges Notat trägt, wovon die erste Zeile lautet : Questo Lib r o he di Francesco di Serafino Zeffe." Die zweite Zeile ist leider nicht etwa bloss für meine Wenigkeit, sondern sogar für Autoritäten, wie S c h m e 1 1 e r und G. M. Thomas, absolut undechiffrirbar geblieben. Doch ist am Ende dieser zweiten Zeile mit vollkommener Deutlichkeit die Jahr- zahl 1583 zu lesen. Ilöchst wahrscheinlich war also dieser Codex dem

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P. Victoriu8 damals, als er den Cicero herausgab (1536 —37), noch gar nicht bekannt geworden; denn sonst hätte er doch wol die beiden in Rede stehenden Varianten, wo nicht in den Text aufgenommen, so doch wenigstens am Rande notirt

Ich habe mir nun sogar die Mühe genommen, eine Biographie des P. Victorius (Bandini: P. Victorii vita. Florentiae 1759) eigens daraufhin durchzusehen, um vielleicht hier Aufschluss zu erhalten über die im Besitze dieses Humanisten gewesenen Codices, speciell über denjenigen, nach welchem er in seiner Gesammtausgabe des Cicero de Oratore abgedruckt hat, sowie endlich über den in München von mir eingesehenen Codex Victorinus. Leider aber fand ich in dieser Vita nur die ziemlich allgemein gehaltene Notiz (p. 21): „Victo- rius igitur Tullii maculas, quibus inquinab atur , nec non fuliginem illam, qua ipsum longa dies adsperserat, ingenio suo ab ster gere molitus est, incredibili cura veteres Codices inquir endo , sine quorum ope nihil fere huic r ei utilitatis adf erri potest." - Der bereits vorhin von mir citirte#) Jos. ülivetus sagt lediglich: ifPetrus Victorius, qui Ciceronem e Florentinis codieibus ita expressit, cet.(t

Wenn nun der Münchener Codex Victorinus wirklich aus der Bibliothek des P. Victorius herstammt, so könnte er, da er noch a<> 1583 einen anderen Besitzer gehabt zu haben scheint, und da ander- seits P. Victorius bereits 1585 gestorben ist, offenbar nur noch ganz kurz vor des P. Victorius Tode in dessen Besitz überge- gangen sein.

Von ;i us serdeutschen Uebersetzungen der Schrift Cicero's de Ora- tore habe ich in der Münchener Bibliothek nur eine einzige, und zwar eine ziemlich alte italienische, vorgefunden: dialogo de IV ora- tore di Cicerone. Tradotto per M. Lodovico Dolce. In Vinegia Appresso Gabriel Giolito de Ferrari 1547".

Unsere Stelle (1, 3, 11) lautet in dieser üebersetzung folgendermassen :

„Certo a me pare poter dire con ueritä; che di quanti hanno giamai indrizzata la mente ä queste dottrine dt diseipline liberali, pochissima quantitä de Poeti nobili u'e sempre stata: <& fra questo numero, nel quäle si rare uolte ne risorge alcuno degno di lode\ se uorrai & i nostri dt quei, c'hanno i Greci, ridurre insieme : minor copia inner o ritroueremo di boni Oratori, che di Poet »."

Einem Cicero , durch Beseitigung des „egregiorum" die Be- hauptung aufzubürden: innerhalb der Sphäre der Geistesarbeiter über- haupt füllen die Dichter den allerkleinsten Raum aus, dazu wären die älteren Generationen von Philologen zu pietätvoll gewesen. Vollkommen

*) Das betr. Citat ist von der Redaction, aus Courtoisie gegen die H.H. Conjectural- Kritiker (?), gestrichen worden. A. Th.

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richtig betonen vielmehr Str ebaeus und Proust, welche beide Separatausgaben von Cic. d. 0 r. geliefert haben (Parisiis 1552 und Patavii 1751), die Vielheit der bereits dem Cicero bekannt gewesenen Dichter.

Strebaeus: Paucos in raultU laude f-erunt Graeci (sc- poetas).

Proast: Ante Ciceronis tempora multi quidem poetae, 8 e d pauci fnerant excellentes.

Annweiler i d Pfalz, Weihnachten 1874. Aug. Thenn.

Zu Tueokrit.

In der XXII Idylle, welche von mehrfacher Seite für eine schüler- hafte Jugendarbeit Tbeokrits erklärt oder irgend einem unbedeutenden alexandrinischen Rhapsoden zugeschrieben wird , ist vorwiegend der Charakter der Ilymne durchgeführt. Zuerst werden die hochherrlichen Dioskuren im allgemeinen gepriesen als Heilgötter, Rossebändiger, Faustkämpfer und göttliche Schutzherren für bedrängte Seefahrer. Alsdann führt uns der Dichter eine farbenfrische Episode aus dem Leben des Polydeukes vor, welche durch teilweise Dialogisierung an Anschaulichkeit und dramatischer Kraft unstreitig gewinnt

Hierauf beginnt die eingehende Erzählung einer heldenhaften Einzeltbat des Kastor, die in einem siegreichen Kampfe mit Ly accus, dem hochgewaltigen Apbaretiden, bestand. Zum Schlussse ruft der Dichter auch für sich und seine Sänger den freundlichen Schutz der liederschirmenden Tyndariden an. Wenn nun Notter nach dem Vorgange von Ahrens, Eichstätt, Reinhold etc. in seinen Anmerkungen die Mischung des Dialoges mit der Erzählung eine auffällige Eigentümlichkeit heisst, wenn er die einzelnen Partien dieses Hymnos nur in ganz losem Zusammenhange glaubt, so wird ihm hierin wohl kaum ein Leser des Theokrit beipflichten. Im Gegenteile ist gerade in dieser Dichtung mehr wie in andern stramme Koncinnität ersichtlich, und die Abwechselung zwischen Dialogform und Erzählung ist doch wahrlich bei unserm Dichter nichts Aussergewöhnliches. Ein besonderes Gewicht lege ich auf die in reicher Fülle von Fritzsche angezogenen Stellen aus andern Idyllen unsers Bukolikers, welche zur Genüge die gleiche Autorschaft für besagten Hymnus erhärten.

Ein Umstand aber ist meines Wissens noch nirgends erwähnt worden, ich meine die trotzige Derbheit im Zwiegespräche des Amykos und Polydeukes, welche namentlich in der IV. und V. Idylle eine geradezu frappierende Analogie findet- Und nunmehr zu einigen S teilen 1

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Die Verse 34, 35, 36 lauten :

Kttartap <P aioXontoXos ö r' oivtanog üoXvdevxnS Spcpu) iQripateoxoy ttnonXay /Serres irtUQtov, nttvroit\v kv oqet &nev(*evoi uyQioy vXtjP. Das Epitheton oiv<ono$ ist verschiedenartig erklärt worden; die einen glauben, es sei soviel wie evtQntptjc, andere übersetzen es mit roseus , wieder andere mit fuscus; Fritzscbe: „Color adustior faciei notatur, qualis est athUtae multum sub divo versati". Warum man nicht bei der ursprünglichen Bedeutung „wie Wein anzu- sehen, weinfarbig" bleiben will, ist nicht wohl abzusehen. Die Haut der Kämpfer ist nämlich in Folge der körperlichen Anstrengung weinfarbig d. i. gerötet. In den weiteren drei Versen: evQoy Ptiivaov xQtjvtjv vno Xiaaadt nir^y vSari nsiiXri&vinv uxtiqutui. al <T vniyeg&ev XaXXta XQvoniXXbi ijiF' tigyvQio ivddXXovro ix ßv&ov. etc.

ist XttXXui eine für den ersten Moment allerdings blendende Konjektur für uXXatf wie in den Handschriften und früheren Ausgaben steht. Aber so ganz unfehlbar scheint sie mir doch nicht. Ich bin nämlich von jeher der Anschauung gewesen, dass man von der Autorität der überkommenen Handschriften nur in unabweisbaren Fällen lassen solle, und so kann ich mich auch an unserer Stelle von der Dringlichkeit einer Konjektur nicht überzeugen. Ich erkläre nämlich diese Verse also: Und so fanden sie denn eine immerfliessende Quelle unter dem glatten Gestein voll lauteren Wassers; die übrigen (Quellen) aber, die unten aus dem Boden sprudelten, glichen, wie sie von'der Tiefe aufblitzten, dem Kristall und dem Silber. Fritzsche setzt allerdings bei: jyEmendationem Ruhnkenii probat glossa codicis r. tyntpoi, X&ot fttxQoi", allein was man auf Glossatoren nicht selten zu geben habe, ist ja all- bekannt. Schliesslich gebe ich gerne zu, dass diese meine Erklärung gegenüber der „emendatio palmaris" vielleicht etwas dürftig und gesucht erscheinen wird; aber möglich ist sie und dabei dio handschriftliche Uebe rli e fer u n g gewahrt.

Regensburg. Karl Zettel.

LIvius V, 26, 10.

Videbatur aeque diuturnus futurus labor ac Vejis fuisset, ni for- tuna imperatori Romano simul et cognitae rebus belltet* virtutis speeimen et maturatn victoriam dedisset.

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Die Erklärung der angeführten Stelle hat von jeher viele Anstände gefanden und ist, wie mir scheint, noch nicht im Reinen. Die beste Erklärung gibt bis jetzt immer noch Weissenborn, welche an der angegebenen Stelle des Näheren nachgesehen werden kann. Er nimmt nämlich specimen als Subject, durch simul et coordinirt mit for- tuna, wobei das e t bei maturam natürlich im Sinne von s o g a r genommen werden muss. Die Uebersetzung würde dann ungefähr lauten: „Die Arbeit schien eben so langwierig werden zu wollen, als sie zu Yeji gewesen war (wäre?), wenn nicht dem römischen Feldherrn das Glück und zugleich eine Probe seiner in kriegerischen Verhält- nissen erprobten Tüchtigkeit sogar einen frühzeitigen Sieg gegeben hätte.

Allein die Sache hat auch so immer noch ihre Schwierigkeit Dass im Vordersatze futurus mit Ergänzung von esse abhängig von videbatur futurus erat steht, kann wohl nicht beanstandet werden, da es auch sonst bei Livius vorkommt. Sehr auffallend aber ist der Conjunctiv in dem vergleichenden Nebensatze ac Vejis fuisset. Als Meinung eines Anderen wird er sich nicht wohl erklären lassen. Eher liesse er sich vielleicht noch erklären, wenn man bei futurus „fu i s s e" aus- gelassen denken und dieses als Conditionalis fuisset fassen wollte. Dann liese sich der Conjunctiv als eine Art Gräcismus im Anschluss an den Conditionalis vielleicht erklären.

Nach dem ganzen Zusammenhange erscheint die glückliche Been- digung des Krieges als das Resultat der Ehrenhaftigkeit des Gamillus. Man müsste also nach Weissenborns Erklärung die fortuna darin suchen, dass Camillus Gelegenheit bekam, seine Ehrenhaftig- keit zu zeigen. Ferner läset sich in das cognitae rebus bellicis virtutis specimen allerdings hinein legen, dass Camillus seine Tüchtigkeit, die er seither im Kriege gezeigt hat, nun auch in anderen Ver- hältnissen zu zeigen Gelegenheit bekam. Es wäre also dann for- tuna simul et specimen eine Art fV <f*a dvoiy eine durch das Glück gebotene Probe seiner seither nur im Kriege erprobten Tüchtigkeit. Allein ich muss offen gestehen, dass mir die Sache etwas gesucht erscheint

Der Fehler scheint mir bei allen seitherigen Erklärungen darin zu liegen, dass man, durch dedisset verleitet, das Ganze als 4. Fall nahm. Dürfte sich die Sache nicht besser machen , wenn man die Periode als zweiten Fall und dedisset also als Conj. Fut. exaeti nehmen würde? Dann wären, glaube ich, alle Schwierigkeiten gehoben und die Uebersetzung würde etwa lauten: Es hatte den An- schein (es sah aus, man glaubte), dass die Arbeit eben so lange dauern werde , als sie in Veji gedauert habe , wenn nicht das Glück dem römischen Feldherrn eine Probe seiner in kriegerischen Verhältnissen erprobten Tüchtigkeit und einen frühzeitigen Sieg verleihen würde.

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Wir hätten dann eine einfache indirekte Rede abhängig von vide- batur, der Infinitiv futurus (esse), sowie der Conjunctiv fuisset ständen ganz in gewöhnlicher Weise und auch alle Wörter ständen in ihrer gewöhnlichen Bedeutung. Freilich würde man dann einen Uebergaug zu der Erzählung in cap. 27 vermissen. Man vergleiche Liv. V, 41, 9.

Liviua V, 28, 1.

Camülus meliore multo laude , quam cum triumphantem albi per urbem vexerant equi, insignis justitia fideque hostibus victis cum in urbem redisset tacite ejus verecundiam non tulit senatus , quin sine mora voti liberaretur.

Die Herausgeber setzen nun ein Komma nach redisset und be- zieben tacite zum Hauptsatze. Weissenborn macht noch speciell die Bemerkung: Tacite tulit enthält einen negativen Begriff: ohne sich zu äussern, nnthätig ertragen, mit Schweigen übergehen und nichts thun; da dieser durch non aufgehoben wird, konnte wie nach non omittere, non sustinere u. ä. quin folgen.

.Da nun nach Weissenborn der negative Begriff durch non auf- gehoben wird, so wird er offenbar positiv. Nun liegt aber meines Wissens der Charakter des quin gerade darin, dass der über- geordnete Satz einen verneinenden Sinn haben muss. Quin ist nur dann möglich, wenn die Negation des übergeord- neten Satzes und die in quin liegende Negation eine Be- jahung geben. Facere non possum, quin ich muss. Daher kommt es auch, dass „dass nicht" nach non dubitare nicht zweifeln quin non heisst, weil in diesem Falle der ganze Gedanke ver- neinend ist. Ich zweifle nicht, dass er nicht kommt = er kommt sicherlich nicht. Es scheint mir also quin in dem von Weissenborn angenommenen Falle nicht an seiner Stelle.

Und was soll verecundiam hier sagen ? Weissenborn fügt freilich in Parenthese bei „in Bezug auf das Votum1'. Allein gerade in Bezug auf das votum möchte ich sein Benehmen nicht mit verecundia bezeichnen. Setzt er doch caput 25 alles mögliche in Bewegung, damit das rot um in der ausgiebigsten Weise gelöst wird, so dass er sich sogar den bittersten Hass der Plebejer zuzieht.

Ich meine, es wäre am Ende besser, wenn man tacite zu re- disset nehmen und also das Komma nach tacite setzen würde. Tacite stände dann allerdings recht auffallend am Ende, hinter dem Verbum, um den Contrast von Heiner Rückkehr aus dem Kriege mit den Faliskern mit seinem Triumphe nach der Eroberung von Veji recht hervorzuheben. Er kehrte ohne alles Gepränge, ohne irgend eine Auszeichnung zu verlangen, zurück. Dann erklärt sich verecundia ganz natürlich. Weil er trofz seines grossen

Blätter f. <L bayer. Gymn.- u. Real-8chulw. XI. JaUr^. 14

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t

Verdienstes keinerlei Auszeichnung in Anspruch nahm, so konnte es der Senat nicht über das Herz bringen , ihn nicht sogleich von seinem -> Gelübde frei zu machen. Man vergleiche Liv. V, 42, 7 und VII, 22, 10.

Verg. Aen. VIII, 65.

Hie mihi magna domus, celsis caput urbibus exit.

Unter Anführung des Turnus hat sich eine Menge von Völker- schaften zum gemeinschaftlichen Kampfe gegen den Aeneas verbanden and dieser ist desswegen in grosser Noth. Da erscheint ihm im Schlafe Tiberinus, weissagt ihm das Auffinden des Schweines mit den dreissig Jungen und sagt ihm , er solle sich an den Arkader Evander um Hilfe wanden. Am Ende nennt er dem Aeneas seinen Namen und schliesst mit den oben angeführten Worten.

Mihi wird wohl, analog dem Homer, auch hier im Sinne von mea stehen, wie ich dieses bereits für tibi statt tua Aen, V, 796 liceat dare tuta per undas vela tibi B. V H. 7 S. 227 der ph. Bl. nachzuweisen versucht habe und wie es auch sonst hautig vorkommt.

Besondere Schwierigkeit macht die zweite Hälfte des Verses. Da der Flussgott von sich, von seinem Laufe und seinem Bette spricht, 80 muss man offenbar nach dem ganzen Zusammenhange bei Caput zu- nächst an Quelle denken. Exire kann dann nur im Sinne von ent- springen stehen, wie es auch in dem unserer Stelle entsprechenden V. 75 gebraucht ist und wie sonst auch das gleichbedeutende excurrere z. B. Curt. III, 1 gesetzt wird. Cefous kommt bei Vergilius nur in der Bedeutung hochgelegen vor. So würde sich also der Gedanke er- geben, meine Quelle entspringt aus hohen Städten. Allein dieser Ge- danke scheint mir unmöglich zu sein.

Zur Zeit des Aeneas lagen sicherlich keine hoben, hochgelegenen Städte an der Quelle des Tiber, da auch heutzutage noch keine dort liegen und nie solche dort liegen können, weil der Tiber auf dem hohen Apennin entspringt. Auch ist der ganze Ausdruck „ein Fluss kommt aus hohen Städten" mindestens ungewöhnlich und auffallend.

Desswegen nehmen Andero exire im Sinne von praeterie, prae- terlabi. Allein einmal hat exire diese Bedeutung gar nicht und dann lagen damals sicherlich auch an seinen Ufern keine Städte. Wenn man aber auch an Antemnae, Fidenae, Crustumerium, Horta denken wollte, so ist das immer noch zu wenig , um celsae urbes als besondere Aus- zeichnung anzuführen. Auch widerspricht hier unbedingt caput.

Alles das scheint auch Heyne gefühlt zu haben, indem er caput im Sinne von Hauptstadt (Rom), exit im Sinne von exibit nimmt. Allein abgesehen davon, dass mir hier an dieser Stelle eine Prophezeiung nicht recht am Platze zu sein scheint, so ist dies schon desswegen un- möglich, weil es in dem unserer Stelle entsprechenden V. 75 ausdrück-

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lieh heisst: quocunque solo pulcherrimus exis, und weil ja hier von einer Stelle an der Mündung des Tiber die Rede ist, nicht aber von dem Platze, wo später Rom erbaut wurde.

Aus diesen Gründen glaube ich, dass man hier eine Verderbniss des Textes annehmen muss. Dies haben auch Andere gefühlt, und der Medic. hat desswegen die Bemerkung caesis statt celsis. Alltin ich glaube, dass man die Verderbniss in urbibus suchen muss. Alles andere passt, nur urbibus nicht Desswegen möchte ich areibua statt urbibus vorschlagen.

Arx kommt bekanntlich überhaupt nicht selten in der Bedeutung Berg und insbesondere bei Verg. selbst neunmal (G. I, 240; II, 635; IV, 461. Aen. III, 291; III, 553; VI, 784; VI, 831; VII, 696; IX, 86) so vor. Der Begriff Berge würde aber dem Zusammen- hange nach allen Richtungen entsprechen und areibus kann paläo- graphisch leicht in urbibus übergehen.

Dillingen. * . Geist.

Kleinigkeiten.

XVI.

Epigramme

in's Lateinische übersetzt.

0 Von Kästner.

Des Trauerspieles Zweck, den weiss er zu erreichen:

Das Mitleid mit dem Stück und Furcht vor mehr dergleichen.

Carminis, en, tragici fitietn bene novit Ofellus: Qui special, miseret, talia, plura timet.

Von W. Wackernagel. 1.

Auf Müllner und Raupach.

Aristoteles' Gesetze will ich nimmermehr vermeiden:

Erst erreg' ich Furcht und Grauen und entlass' euch voll Mitleiden.

Grandis Aristotelis ne laedam dogmata, primum Horrorem moveo deindeque vos miseret.

2.

Auf J. H Voss. Dass es die Nachwelt wisse, wie man jetzt Kaffe gemahlen , Wie Kartoffeln gekocht, macht er Idyllen darauf.

Quomodo olus trunces, Arabum faba rite coquatur, Nostri8 versiculis aeeipe, posteritas!

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Idem aliter.

XJt fdba, quam mittun t Ar ab es, nunc rite coquatur Utque paretur olus, discito posteritas!

Italienisches Sprücbwort.

Mit Geduld and Zeit

Wird ein Maulbeerblatt ein Kleid.

Exspectare diem patienter discito: facta Ex mori folio commoda vesiis erü.

Grabschrift auf einen Mineralogen.

Er suchte Steine durch das ganze Leben,

Er suchte nie sich satt; Hier hat man Einen ihm gegeben,

An dem genug er hat.

Nocturna lapides, lapides versare diurna Suerat Cotta manu nec tarnen hoc sat erat.

Jam scctattri lapidum lapis est datus unus, Qui pro nulle aliis, crede mihi, sat erit

Von David Strauss.

1. Galba.

Wie dir so schwer aus der Hand sich die blanken SeBtertien

lösten,

Zeugt um den grämlichen Mund, Galba, die Falte noch heut.

Quam tarde dederis nummos, o Galba, morosum Indicat os tristis quae tibi ruga secat.

2.

Vitellius.

Sei mir gegrüsst, Feinschmecker, du Glücklicher! Wie dir die

Austern

Mundeten einst, man sieht's noch an den Lippen dir an. Fortunate mihi salve tenerique palati!

Ostrea quam juverint nunc quoque labra docent.

3.

Venus von Knidos.

Hieher kommt und empfangt die heilige Weihe der Schönheit, Die ihr euch lauteren Sinns wisset und reinen Gemüthsl

Wehrt auch Profanen nicht ab: sie sehn liebreizende Glieder; Aber die Göttin entzieht sich dem besudelten Blick.

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Quanta venustatis sit vis hic discite sacrae, Mens quibus in puro pectore pura viget!

Turba profana simul veniat: videt aurea membra; Ipsa tarnen refugü lumina spurca Dea.

Am Eingang des Schlossgartens zu Baden-Baden. Wir bauen hier so feste,

Und sind doch fremde Gaste; Wo wir sollten ewig sein, Bauen wir so wenig ein.

Fidcnter hic fundamus,

Ceti nunquam discedamus\ Qua sempiterna sedes,

Cur non fundamus aedez?

Von A. Brandstettner.

Auf dem Malchen.

Hoch ob dem muhvollen Treiben der Menschen im niedrigen

Thale

Voller schlagt mir der Puls hier auf den grünenden Höh'n. Leben trink' ich und Lust; doch im Fluge verrauschen die

Stunden ;

Schatten wechseln mit Licht; also der Sterblichen Loos. Schwül ist mir worden der Tag und mühsam bestieg ich den

Malchen:

Sieh da, ein reizendes Bild zeigt sich dem staunenden Blick. Soll mich doch nimmer gereuen die Arbeit und Schwüle des

Tages !

Denn was erhaben und schön, wird nur errungen im Schweiss.

Hic hominutn supra strepitus convalle relicta

Quam mihi cor totum monte virentc viget! Laetus ego laetos fontes bibo: sed fugit hora;

Lux abit, umbra subit; sie, homo, vita tua est. Cdldus erat Phoebus; misere scandi MeUbocum -,

At mihi miranti dulcis imago venit. Nunquam poeniteat me operae calidique diei: ,

Nonnisi per salebras tangere pulchra datur.

Speyer a./Rh.

Heinrich Stadelmann.

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Wer sind die „heimgehen FUrsten" in dem Spruche Waith er s von der Vogelweide „sie frägent mich vil dicke et«."!

Unleugbar hat der Spruch Walthers von der Vogelweide „sie frägent mich vil dicke etc." (No. 161 in der Ausgabe von Frz. Pfeiffer) im Zusammenhalt mit dem Schwanenlied „owe war sint verschwunden etc." No. 188, eine grosse Bedeutung bei der Frage nach der Heimat Walthers, weil in beiden Sprüchen von heimischen Dingen die Rede ist Die Aasleger des Spruches gehen bei der Bestimmung der rheinischen fürsten" auseinander, je nachdem sie mit einer mehr oder minder ausgebildeten Meinung von der mutmasslichen Heimat Walthers an seine Auslegung herantreten. Da in neuester Zeit wieder eifrig nach der Heimat Walthers gesucht worden ist, da man mit einer Sicherheit, die jede andere Meinung als irrtümlich und ketzerisch ausschliesst , im Hof zur inneren Vogelweide bei Waidbruck in Tirol die wahre Heimat Walthers gefunden haben will, und zur Unter- stützung dieser Meinung die „heimschen fürsten" in unserem Spruche beizieht, will ich versuchen, die Meinung in Schutz zu nehmen, nach welcher unter den „heimschen fürsten" die fränkischen Herrn zu verstehen sind.

Es ist vorerst klar zu legen, in welche Zeit die Abfassung unseres Spruches fällt. Von der Hagen, Minnesänger, IV, 160, fixiert die Abfassung des Spruches auf den 1. Januar 1225, Wackernagel und Rieger, Giessen 1862, 60, 95 nach dem Juli 1224, Fr. Pfeiffer zu No. 161 und in Germania, V, 13, und M. Rieger (das Leben Walthers von derfVogelweide) pag. 31, auf den Hoftag am 23. Juni 1224; Uhland (Walther von der Vogelweide, ein altdeutscher Dichter 1822) pag. 88 ist schwankend, Lachmann (die Gedichte Walthers von der Vogelweide, Berlin 1827) 19.">, 84, 20 aber findet, dass der Spruch gedichtet sei auf den Hoftag im November 1225. R. Menzel (das Leben Walthers von der Vogelwcide, Leipzig 1865) pag. 298 setzt die Abfassung des Spruches zu Ende Juli oder Anfang August 1224, während sie Joh. Schrott (Walther von der Vogelweide in seiner Bedeutung für die Gegenwart, München, 1875, und Allgemeine Zeitung, No. 186, 1874) in den November 1219 verlegt.

Alle Germanisten also, welche sich mit dem Studium Waltbers beschäftigten, sind mit Ausnahme von Uhland, der schwankt, und von Schrott, einig in der Annahme, dass der Spruch nicht vor dem Jahre 1224 gedichtet worden sein kann, eine Annahme, die schon durch die Form des Spruches zweifellos gemacht wird. Er ist nämlich im sogenannten Engelbertston geschrieben. Nachweislich kommt aber dieser Ton nicht vor 1220 vor.

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Die Gründe, welche Schrott a. a. 0. zur Unterstützung seiner abweichenden Meinung beibringt, sind nicht stichhaltig. Er versteht unter den „heimschen fürsten" die Herzöge Ludwig von Bayern, Bern- hard von Kärnthen uud Otto von Mcranien, den Bruder Bertholds von Andechs, Patriarchen von Aquilea; Lachmann zu 124, 7 die „öster- reichischen" Fürsten. R. Menzel (pag. 20 39) weist den Irrtum Lachmanns schlagend nach, so dass ich nur auf die citierte Stelle verweisen darf, um sofort zur Würdigung der Gründe Schrotts über- gehen zu können.

Es wird behauptet, unter den „heimschen fürsten" könne schon desswegen nicht der fränkische Adel gemeint sein , weil „Fürst ein staatsrechtlicher Titel ist und kleinen Herrn nicht zukam". Diese Behauptung ist irrtümlich. Zoepfl belehrt uns in seiner Rechts- gescbichte (Braunschweig 1871) pag. 87, dass auch für kleinere Fürsten der Gebrauch des Titels „Fürst" zur Zeit Walthers staatsrechtlich giltig war. In der angezogenen Stelle heisst es nämlich: . . . hieraus erklärt sich zugleich, wie bald in der Bezeichnung ,Herrenstand* der Fürstenstand mitbegriffen (11) und umgekehrt auch, ohne den Begriff von Fürsten im eigentlichen (engeren) Sinne aufzugeben, in einem weiteren Sinne die Bezeichnung ,Fürstenstand' für den gesammten Herrenstand gehraucht werden konnte (12)".

11) „Deutlich zeigt dies der Schwabenspiegel (Lassb.) Vorrede, h, ,daz eint die vrien Herren, als fursten, und die ander vrien zu man haben?. Hier sind die Fürsten namentlich als ein Teil des Herren - Standes aufgeführt".

12) „Schon der Schwabenspiegel gebraucht oft den Ausdruck Fürsten für reichsständische Herrn überhaupt, da dieser gerade in den wichtigsten politischen Beziehungen Fürstongenoss (fürstenmässig) war, d. h. den fürstlichen Familien gleich stand. Glosse z. Sachsenspiegel III, 58: ,wenn brüdere teilen, wie (d. h. welcher von ihnen) dit forstendum beholt, die wert des rikes forste, und die andere ein slieht forste, den heiten (heissen) wir forste- genot.1

Der Ausspruch des Schwaben- und Sachsenspiegels scheint mir in dieser Frage, die allein staatsrechtlicher Natur ist, ausschlaggebend. Aber wenn dies auch nicht für alle und in gleichem Masse der Fall wäre, wie für mich, so sind doch von einem andern Gesichtspunkte aus unter den „heimschen fürsten" die fränkischen zu verstehen. Mit Un- recht wird in unserra Spruche der Nachdruck auf den Gast Leopold gelegt im Gegensatz zu den „heimschen fürsten". Schon der Sprach- gebrauch spricht dagegen. Der Gegensatz von gast ist wirt, aber nicht heimisch. Von heimisch (noster) ist der Gegensatz ellente (ahd. alilanti), in oder aus einem andern Lande, fremd (Schade, Wörterbuch pag. 8). Die „heimschen fürsten" sind im Spruche den fahrenden

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ein Erklärungsversuch, der etwas bestechendes hätte, wenn man nicht glauben dürfte, dass, wie viele Minnelieder Walthers, so auch Lieder aus der Zeit von 1204 1208 verloren gegangen sind. Ob übrigens nicht Walther, der jede Gewalttat verdammte, den Mut gehabt hätte, die seiner heimischen Fürsten zu brandmarken, mag dahingestellt bleiben. Entscheidend indess für die Bestimmung der „heimschen fürsten" kann das bis jetzt unerklärte Schweigen der Walther'schen Muse beim Tode Philipps nicht sein.

Nunmehr kann ich zusammenfassen. Die Zeit der Abfassung des Spruches und sein Inhalt lassen unter den „heimschen fürsten" nur die fränkischen Herrn verstehen Ueber die Heimat Walthers sagt uns der Spruch nichts, wol aber über seinen Aufenthalt auf seinem Lehen im Frankenlande.

Ob und inwieweit der Spruch: „owe tear sint verschwunden all in miniu jär" (No. 188) auf seine Heimat, die er bei der Reise nach Italien zum Kreuzzug des Jahres 1228 berührt haben soll, bezogen werden darf, will ich ein anderes Mal zur Sprache bringen. Vorläufig bemerke ich nur, dass mir die Teilnahme Walthers an einem Kreuz- zuge eine „Sage" zu sein scheint, wie die „von dem Walther, der in der Welt herumgezogen und ein berühmter Mann geworden ist". (Korrespondent v. u. f. Deutschland, No. 17, 1875 )

Landau (Rheinpfalz). Falch.

Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fUr's Deutsche In der

reorganisirten Gewerhschnle. •) Der Zweck des Unterrichts in der Muttersprache wird in der Regel so bestimmt, derselbe habe den Schüler in den Stand zu setzen, seine Gedanken richtig und gut darstellen zu können; Sprachfertigkeit ist es also, was vor allem erstrebt werden soll. Diese Auffassung ist inso- fern einseitig, als sie an einer zu starken Betonung der formellen Auf- gabe, des praktischen Erfolgs leidet Sie geht, wie mir scheint, von der Voraussetzung aus, dass der Grad, in dem jemand seine Mutter- sprache beherrscht, auch den Grad seiner allgemeinen Bildung anzeige. Es ist dies jedoch ein pädagogisches Dogma , das gar sehr der Ein- schränkung bedarf. Man vergesse nur nicht, dass Reichthum und Tiefe der Gedanken nicht selten mit einer gewissen Unbeholfenheit des Ausdrucks, mit einem Mangel an Gestaltungskraft und Formensinn verbunden ist, dass es hingegen eine Zungen- und Federfertigkeit gibt, die unter einer Flut von schönen Worten und schillernden Phrasen

*) Da dieser Antrag der Gewerbschule Passau in München wegen Mangels an Zeit nicht zur Verhandlung kommen konnte, so dürfte es nicht überflüssig sein, die Begrünbung desselben in diesem Blatte mitzuteilen.

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gegenüber der wirt, Leopold nur gast. Hierin liegt der Gegensatz. Auf der einen Seite stehen die begehrlichen Fahrenden, auf der andern die „heimschcn fürsten" und der gast. Als Gast aber ist Leopold von dem Wirte abhängig. ,Denn', sagt Walther, , Leopold ist so freigebig (liberalis), dass er gewiss gegeben haben würde, wenn ihm die hövische Sitte gestattet hätte, die Initiative beim Geben zu ergreifen*. Dies aber war hövische Sitte, wie R. Menzel, pag. 25 sagt: „Das Geben lag, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch in erster Linie den Wirten ob, und die Gäste konnten sich denselben wohl in untergeordneter Weise oder wenigstens erst in 2ter Linie als Gabenspender anschliessen , niemals aber die Initiative ergreifen und anstatt der Wirte die Pflicht der Milde übernehmen". In dem Ver- haltnisse eines Gastes aber zu den „heimschen fürsten" steht Leopold auch in dem Fall , wenn er auch als Heicbsfürst bei jeder curia so- lemnis zu erscheinen die Pflicht hatte.

Eine weitere Unterstützung der Meinung, nach welcher die „heimschen fürsten" die fränkischen sind, finde ich in der 2. Verszeile des Spruches

„«trenn ich von Hove rite". Schon „swenn (mhd. gr. Hahn, §. 351) = sxcenne, so oft als, deutet an, dass Waltber öfter an den Hof kommt. So oft er vom Hofe kommt, ist der Sinn der Stelle, fragen ihn die lästigen Neugierigen. M. Rieger, pag. 31, scheint mir das Richtige zu haben: „Die Worte ,swenn ich ect1 lauten vielmehr so, als ob er dem Hofe nicht angehöre, sondern gelegentlich Orte, wo derselbe gehalten wird, aufsuche".

Ist es nun möglich, die Zeit zu bestimmen, in der Walther nicht am Hofe Friedrich II. lebte , sondern an einem Orte und in einer Stellung, so dass er leicht die königlichen Hoftage besuchen konnte, so können wir mit voller Bestimmtheit die Zeit angeben, in welche die Abfassung unseres Spruches fällt, und damit auch, wer diu „heimschen fürsten" sind. Das können wir!

Nach dem Jahr 1223 war Walther nicht mehr am königlichen Hof, am allerwenigsten mit der Erziehung Heinrich VII. beschäftigt, wenn er überhaupt sein Miterzieher war (Vilmar, pag. 412, G. von Karajan, über 2 Gedichte Walthers von der Vogelweide, ein akademischer Vor- trag, Wien, 1851), sondern so situiert, dass er von Zeit zu Zeit ab- kommen konnte. Er befand sich auf seinem Lehen, das in Franken lag, worin alle Ausleger übereinstimmen. Noch keiner hat Walthers Lehen anderswo, als in Franken gesucht.

Will man endlich aus dem Umstände, dass kein Spruch Walthers auf den Tod Philipps vorhanden ist, schliessen , Walther habe zu dieser Greuelthat geschwiegen „aus zarter Schonung und schuldiger Rücksicht auf seine heimischen Fürsten" (Schrott, a. a 0.), so ist dies

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ein Erklärungsversuch, der etwas bestechendes hätte, wenn man nicht glauben dürfte, dass, wie viele Minnelieder Walthers, so auch Lieder aus der Zeit von 1204 1208 verloren gegangen sind. Ob übrigens nicht Walther, der jede Gewaltthat verdammte, den Mut gehabt hätte, die seiner heimischen Fürsten zu brandmarken, mag dahingestellt bleiben. Entscheidend indess für die Bestimmung der „heitnschen ßrsten11 kann das bis jetzt unerklärte Schweigen der Walther'schen Muse beim Tode Philipps nicht sein.

Nunmehr kann ich zusammenfassen. Die Zeit der Abfassung des Spruches und sein Inhalt lassen unter den „heimschen fürsten" nur die fränkischen Herrn verstehon üeber die Heimat Walthers sagt uns der Spruch nichts, wol aber über seinen Aufenthalt auf seinem Lehen im Frankenlande.

Ob und inwieweit der Spruch: „owe war sint verschwunden alliu miniu jar" (No. 188) auf seine Heimat, die er bei der Reise nach Italien zum Kreuzzug des Jahres 1228 berührt haben soll, bezogen werden darf, will ich ein anders Mal zur Sprache bringen. Vorläufig bemerke ich nur, dass mir die Teilnahme Walthers an einem Kreuz- zuge eine „Sage" zu sein scheint, wie die „von dem Walther, der in der Welt herumgezogen und ein berühmter Mann geworden ist". (Korrespondent v. u. f. Deutschland, No 17, 1875 )

Landau (Rheinpfalz). Falch.

Die Erhöhung der wöchentlichen Stundenzahl fflr's Deutsche in der

reonranisirten Gewerbschule. •) Der Zweck des Unterrichts in der Muttersprache wird in der Regel so bestimmt, derselbe habe den Schüler in den Stand zu setzen, seine Gedanken richtig und gut darstellen zu können; Sprachfertigkeit ist es also, was vor allem erstrebt werden soll. Diese Auffassung ist inso- fern einseitig, als sie an einer zu starken Betonung der formellen Auf- gabe, des praktischen Erfolgs leidet Sie geht, wie mir scheint, von der Voraussetzung aus, dass der Grad, in dem jemand seine Mutter- sprache beherrscht, auch den Grad seiner allgemeinen Bildung anzeige. Es ist dies jedoch ein pädagogisches Dogma, das gar sehr der Ein- schränkung bedarf. Man vergesse nur nicht, dass Reichthum und Tiefe der Gedanken nicht selten mit einer gewissen Unbeholfenheit des Ausdrucks, mit einem Mangel an Gestaltungskraft und Formensinn verbunden ist, dass es hingegen eine Zungen- und Federfertigkeit gibt, die unter einer Flut von schonen Worten und schillernden Phrasen

*) Da dieser Antrag der Gewerbschule Passau in München wegen Mangels an Zeit nicht zur Verhandlung kommen konnte, so dürfte es nicht überflüssig sein, die Begrünbung desselben in diesem Blatte mitzuteilen.

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die geistige Hohlheit verbirgt. Ich unterschätze die formelle, praktische Seite des deutschen Sprachunterrichts durchaus nicht; ich meine nur, man soll nicht die triviale Wahrheit übersehen , dass man erst Ge- danken haben muss, ehe man sie zum Ausdruck bringen kann. Dem Schüler Gedanken zu vermitteln, seinen geistigen Horizont zu klären und zu erweitern, dies scheint mir die wichtigere Aufgabe des deutschen Unterrichts zu sein. Freilich ist dies das Ziel überhaupt jedes Unter- richts, der nicht auf eine blosse mechanische Fertigkeit sein Absehen hat; aber das vorzüglichste Mittel allgemeiner Geistescultur ist für die Schüler der Gewerbschule doch wohl der Schatz vaterländischer Bildung, der aus den Meisterwerken unserer Literatur quillt. Die daraus zu treffende Auswahl soll einerseits dazu dienen, das Wissen der Schüler in Geschichte, Geographie und Naturkunde zu ergänzen und zu be- leben, andererseits aber auch geeignet sein, die Jugend in das deutsche Geistesleben einzuführen, nationale Gesinnung zu pflegen und sie zu erfüllen mit Liebe zum Land, zur Sitte und zur Geschichte ihrer Väter.

Es wäre sehr nützlich , wenn der neue Lehrplan diese Auswahl nicht ganz dem Ermessen des Lehrers überliesse, sondern für den 3. und 4. Ours ein Minimum der zu behandelnden Stücke namhaft machte. Die Lehrer der alten Sprachen empfinden es ja auch nicht als un- pädagogische Beschränkung ihrer Freiheit, dass ihnen die Lektüre der alten Klassiker spezialisirt vorgeschrieben ist. Nach meiner Meinung sollen im 3. Curs der reorganisirten Gewerbschule an der Hand eines guten Lesebuchs die besten Balladen von Uhland, Göthe und Schiller erklärt werden; im 4. Curs dagegen wäre den Schülern das Verständ- niss einiger grosserer Dichtungen zu eröffnen. Rudolf v. Ra u m e r schlägt für das Gymnasium deren 12 vor, worunter allerdings einige Ueber- setzungen sind. Es ist gewiss nicht zu viel, wenn man von einem Realschüler, der im 17. Jahr die Schule verlässt, die Vertrautheit mit mindestens sechs derselben verlangt. Für die geeignetsten halte ich : Minna von Barnhelm von Lessing, den Cid von Herder, Teil und Wallen- stein von Schiller, Hermann und Dorothea und Götz von Berlichingen von Göthe. Davon könnten Hermann und Dorothea und Teil der stata- rischen, die vier übrigen der cursorischen und häuslichen Lektüre zu- getheilt werden.

Wer in dieser Auswahl mit mir einig ist, der wird mir nun auch darin zustimmen, dass 3 Stunden wöchentlich für's Deutsche nicht hin- reichen. Jeder Rcalicnlehrer weiss, wie schwer es ist, bis zum Abso- 1 uteri um die Schüler so weit zu fördern, dass sie über ein etwas ab- straktes Thema einen halbwegs leidlichen Aufsatz liefern; besonders erfährt dies, wer in einer Gegend wirkt, wo in Folge der starken Ab- weichung des Dialekts vom Neuhochdeutschen die Knaben mit ziemlich unentwickeltem Sprachgefühl und mangelhafter Sprachbildung in die

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Gewerbschule eintreten. Kommt es ja doch häufig vor, dass man im 3. Ours noch mit groben orthographischen Fehlern zu kämpfen hat. Die 5 Stunden des jetzigen 2. Curs sind auch nicht viel mehr als 4 ; denn das leidige Anhängsel der gewerblichen Buchführung und Wechsel- lehre hat für die Ausbildung im Deutschen nur geringen Werth. Ich würde für den neuen Lehrplan für den ersten Curs 6, für den zweiten 5, für den dritten und vierten je 4 Stunden vorschlagen. In den beiden oberen Cursen könnten dann eine Stunde dem Aufsatz, zwei der stata- rischen nnd eine der cursorischen Lektüre zugewendet werden , ohne damit sagen zu wollen, dass diese scharfe Scheidung in jeder einzelnen Woche stattfinden soll. Es ist dies durchaus nicht zu viel. Ich bin kein Freund jenes Zerfaserns und Zerpflückens deutscher Dichtungen, wie es seit Hiecke vielfach in den Schulen geübt wurde; aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass man vollauf zu tbun hat, wenn man bei zwei wöchentlichen Stunden mit Hermann und Dorothea fertig werden will.

Es fragt sich schliesslich , woher die neuen Stunden genommen werden sollen. Der Antrag der Gewerbschulo Passau wollte durchaus nicht eine Vermehrung der gesammten wöchentlichen Stundenzahl vor- schlagen ; thut ja unsern Schulen viel mehr eine Verminderung als eine Vermehrung noth. Wenn die angestrebte Erhöhung der Stunden- zahl für's Deutsche eine Erhöhung der Unterrichtszeit überhaupt zur Folge hätte, so wünschte ich im Interesse der körperlichen Ent- wicklung ( der Schüler, dass es lieber beim Alten bliebe Von den Lehrobjekten der Gewerbschule verträgt nach meinem Dafürhalten am ehesten die Mathematik in den obern Cursen eine Einschränkung. Mir ist keine Schule bekannt, in der, wenn sie nicht vorwiegend Fachschule ist, die Mathematik einen so breiten Raum einnimmt, wie dies in unsern Gewerbschulen der Fall. Auf Arithmetik und Mathematik werden jetzt im zweiten Curs 8, in der gewerblichen Abteilung des dritten Curs ebenfalls 8 Stunden verwendet, also reichlich ein Viertel der gesammten wöchentlichen Unterrichtszeit. 8 Stunden Mathematik und 3 Stunden Deutsch, das ist in der That eiu Missverbältniss. Ich schätze den Bildungswert der Mathematik als beste praktische Logik, als unübertreffliche Geistesgymnastik sehr hoch; aber im Interesse einer mehr abgeschlossenen, allgemeinen Bildung der aus unsern Anstalten unmittelbar ins Leben eintretenden Schüler halte ich es für besser, wenn die Mathematik dem Deutschen eine Stunde abtritt. Bis jetzt ist durch jede Reorganisation der bayrischen Gewerbschulen ihr Charakter, Anstalten einer tüchtigen allgemeinen Bürgerbildung zu sein, mehr in den Vordergrund gestellt worden ; möge dies auch durch die bevorstehende geschehen !

Passau. Schricker.

I

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Schriftliche Ucbangen im Deutschen für 8exta.

Die schriftlichen Uebungen im Deutschen für die unterste Klasse der Lateinschule bildeten einen der Gegenstände, welche die IX- General- versammlung der Lehrer an bayrischen Studienanstalten (am 31. März im Saale des kgl. Wilhelinsgymnasiums zu München) beschäftigten.

Es wurden bei dieser Gelegenheit die sehr brauchbaren, nur für Sexta zum Teil etwas zu weitgehenden Ratschläge des Kollega Miller von Kollega Kraus und insbesondere von Kollega Brunner dahin beschieden, dass ausser den orthographischen Uebungen in Sexta höchstens noch Nacherzählungen, zunächst von Fabeln verlangt, Beschreibungen aber kaum mehr gewagt werden dürften.

Es erscheint diese Feststellung auf den ersten Blick so einleuchtend und so ausreichend, dass der Verfasser dieser Zeilen, selbst Lehrer in Sexta, vor der Versammlung keinerlei Einspruch dagegen erheben wollte, aus dem Grunde, weil seine Ausführungen zu sehr ins Einzelne hätten gehen müssen und weil subtile Deduktionen überhaupt sich mehr für schriftliche Behandlung eignen; dagegen fasste er sogleich den Entschluss, seine Ideen über das wichtige Thema in diesen Blättern der genaueren Prüfung seiner Amtsgenossen zu übergeben. Vielleicht, dass auch damit etwas gewonnen wird.

Wenn es überhaupt ein richtiger Satz ist, dass aller Unterricht mit dem Leichteren begonnen werden müsse, woran sich erst das Schwerere reihen kann, ein Satz, der auch in der heuen Schulordnung gebührend hervorgehoben ist, so dürfte nach meiner Ansicht die Frage nahe liegen, ob man nicht schon zu weit gehe, wenn man von Anfängern sogleich die freie Wiedergabe zusammenhängender Stücke fordert.

Wenn das Kind zu sprechen anfangt, lallt es zuerst einzelne Wörter hervor; wenn ein Knabe zu denken anfängt, vermag er noch nicht eine Kette von Vorstellungen zu überschauen, sondern es stellen sich bei ihm zuerst einzelne Sätze ein; die Aufeinanderfolge und der natur- notwendige Zusammenhang der Verhältnisse liegt ihm noch ferne. Wenn man ihn also zwingt, Zusammenhängendes nachzuerzählen, ist es zu verwundern, wenn er sich in seiner Verlegenheit erfahrungs- gemass mechanisch an den Wortlaut des Vorgelesenen oder Vor- gesagten anklammert?. Dabei aber arbeitet er offenbar mehr mit dem Gedächtniss als mit dem Verstände und versäumt somit nicht nur die Gelegenheit denken zu lernen, sondern verlernt sogar das richtige freie Denken überhaupt. Das Gedächtniss ist nur zu oft ein Feind des Verstandes 1

So handelt es sich im innersten Interesse der Jugend darum, ob es nicht eine noch tiefere Stufe, eine erste Stufe bei diesem Unter- richt gebe, die den Kräften eineB Sextaners entspricht und zugleich

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die passendsten Fundamente für die weitere Ausbildung bietet. Eine solche Stufe ist allerdings vorhanden.

Sie besteht darin, dass man den Schülern eine Erzählung vorliest oder vorsagt und zwar mit lebhafter Demonstration und dann den einen und andern auffordert, einen einzelnen Punkt oder Satz davon anzugeben. An den vom Schüler gegebenen Punkt knüpft sodann der Lehrer geeignete Fragen, die wieder vom Schüler beantwortet werden, bis zuletzt die Hauptsachen der Erzählung aus dem Knaben herausexaminiert sind. Ein solches Verfahren ist für die Schüler an- gemessen, sie werden wirklich nachdenken, dieses oder jenes glücklich auffinden und kundgeben.

Es sei verstattet, die Sache durch ein Beispiel zu erklären. Man erzählt etwa die Fabel vom Fuchs und der Weintraube in folgender Weise: „Ein Fuchs sah an einem Weinstock eine schöne 'blaue Traube hängen; er hätte sie gar zu gerne verzehrt; allein wie sehr er sich auch anstrengte und fort uud fort nach ihr emporsprang, sie hing zu hoch für ihn, er konnte sie nicht erreichen. Endlich gab er seine Versuche auf und ging mit den Worten weiter: „Sie wäre mir doch zu sauer!" Sodann ruft man einen Schüler und fordert ihn aut, aus dieser Fabel nur einen Satz zu sagen; er antwortet vielleicht in kindlich - naiver Weise; das verschlägt nichts, wenn er nur einen relativ selbständigen Gedanken produziert, z. B.: „Der Fuchs hätte gern eine Weintraube verzehrt". Man spendet dem Schüler Beifall für diese Antwort und wendet sich sodann an einen zweiten mit der Frage: „Der Fuchs hätte gerne eine Weintraube verzehrt; aber warum hat er sie nicht verzehrt?" Antwort des Schülers: Die Traube hing zu hoch droben". So hat der Schüler wieder selbständig gedacht, man lobt ihn und fragt einen dritten: „Suchte er sie denn auch zu erreichen?" Antwort: „Ja! Er sprang oft dazu hinauf". Frage: „Was that der Fuchs dann?" Antwort: „Er ging fort". Frage; „Gutl Und was sagte er dabei?" Antwort: „Er sagte, dass die Weintraube doch sauer wäre".

Oder aber der erstgerufene Schüler gibt die Antwort: „Der Fuchs sagte, die Traube wäre ihm doch zu sauer." Auch das kann man annehmen; man fragt dann einen zweiten: „Warum nämlich sagte der Fuchs so?" Antwort: „Die Weintraube hing ihm nämlich zu hoch droben4*. Frage an einen dritten: „Und doch wie hatte er versucht, sie zu erreichen?" Antwort: „Und doch war er oft hinauf gesprungen". Frage: „Was that er zuletzt?" Antwort: „Zuletzt ging er weiter."

Das alles wird freilich bloss mündlich verhandelt, wenn auch gleichzeitig sämmtliche Schüler die Feder in der Hand haben sollten, um die gegebenen und vom Lehrer richtig gestellten Antworten sofort

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ins lieft einzutragen. Nun könnte man aber die Fabel auch schriftlich bearbeiten lassen , indem man nämlich nach der Vorlesung derselben etwa folgende Fragen zur schriftlichen Beantwortung gibt (einzelne zur Gedankenverbindung dienende Wörtchen müssen, wie oben betont, so hier in der Frage unterstrichen werden, damit sie die Schüler in die Antwort mit hinübernehmen):

1) Welchen Gegenstand erblickte der Fuchs in der Höhe? (Antwort in einem ordentlichen Satze zu geben!) 2) Was wollte er damit anfangen? 3) Wie suchte er also seinen Zweck zu erreichen? 4) Aber kam er wirklich damit zu Stande? 5) Was tbat er zuletzt? 6) Was sagte er?

So wird der Schüler von Frage zu Frage nachdenken und etwa schreibe^: „Der Fuchs erblickte in der Höhe eine schöne Wein- traube; er hätte sie gerne verzehrt; er sprang also oft hinauf dazu; aber er konnte sie nicht erreichen; zuletzt ging er fort und sagte: Sie ist mir noch zu sauer/'

Freilich wickelt sich die Erzählung in lauter kurzen Hauptsätzen ab; allein sie sind folgerichtig an einander gereiht und vom Schüler selbst gefunden; damit er aber auch an den Gebrauch der Nebensätze und an Satzgliederung sich allmählich gewöhne (ein Ding, das sich nicht im Handumdrehen oder von selbst macht), so diktiert man nachträglich, nachdem die Arbeiten der Schüler korrigiert und durch- gegangen sind, die Fabel in der vorgelesenen Fassung.

Wenn meine Kollegen diese Vorstufe als gerechtfertigt anerkennen, so dürften sie mit mir es erst gegen Ende des Schuljahres einmal versuchen, von den Schülern eine einfache Fabel im Zusammenhang nacherzählen zu lassen. Kompliziertere Stücke sind aber jedenfalls in höhere Klassen zu verweisen.

Es wurde ferner in jener Sitzung als schriftliche Uebung in Sexta die Beschreibung von einer Seite (Kollega Miller) als empfehlens- wert, von einer zweiten (Kollega Kraus) als zulässig, endlich von einer dritten (Kollega Brunner) als gewagt erklärt.

Wenn man die in diesem Artikel bisher entwickelten Grundsätze auch auf die Beschreibung überträgt, so ist die zusammenhängende Beschreibung in Sexta ebenso zu vermeiden, wie die zusammenhängende Nacherzählung.

Die Sinne eines Knaben sind noch nicht so scharf, dass er sich einen Gegenstand in seine Teile zerdenken und zwischen den vielerlei Eigenschaften unterscheiden könnte; vollends wäre er aber nicht im Stande, seine etwaigen Einfälle in angemessener Ordnung vorzubringen. Man müS8te ihm bei jedem Gegenstand Satz für Satz vorsagen, wobei er leider das Gesagte weit weniger mit dem Verstände, als mit dem Gedächtniss aufnimmt und dann reproduziert ungefähr wie ein Papagei.

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Eine solche Methode will mir wenigstens nicht recht einleuchten! Dagegen ist aber auch der mitunter laut werdende Satz, als hätten Sextaner gar keine eigenen Gedanken, falsch. Man muss nur die Kunst verstehen, "ihnen die Gedanken zu erwecken und zu entlocken. Und so meine ich denn , es gebe auch für die Beschreibung eine Vorstufe, die für Sexta allein geeignet ist und etwa in Folgendem besteht:

Man ruft einen Schüler und fordert ihn auf, einmal Qber einen ihm voraussichtlich wohlbekannten (konkreten) Gegenstand, z. B. vom Schmetterling irgend etwas zu sagen, jedoch mit Ausschluss der Sätze mit „ist" und „hat" So antwortet er vielleicht einfach : „Der Schmetterling fliegt umher". Er hat hierait offenbar einen eigenen Gedanken aus- gesprochen. Nun setzt man das Gespräch weiter. Lehrer: Wo fliegt der Schmetterling umher? Schüler: Der Schmetterling fliegt auf der Wiese (oder: im Garten etc.) umher. Lehrer: Setze nun zu dem Worte Schmetterling ein passendes Eigenschaftswort! Schüler: Der schOne (kleine, nette, bunte) Schmetterling fliegt etc. Lehrer: Setze desgleichen zu dem Worte Wiese ein Eigenschaftswort! Schüler: Der bunte Schmetterling fliegt auf der grünen (blumigen) Wiese umher. Lehrer: Setze den Satz in den Plural! Schüler: Die bunten Schmetterlinge fliegen etc. Lehrer: Nun lass den Artikel bei Schmetterling weg und stelle den Satzteil „Auf der blumigen Wiese" an den Anfang! Antwort: Auf der blumigen Wiese fliegen bunte Schmetterlinge umher.

Ist das nicht schon eine kleine Beschreibung? Und doch hat der Schüler dazu eigentlich nichts erhalten, als nur den Titel Schmetterling. Das andere hat er selbst erdacht, ohne dass es ihm vorgesagt wurde. Solche Uebungen sollten positiv nicht umgangen werden; abgesehen davon, dass sie für die Schüler sehr erspriesslicb sind, gewähren sie auch dem Lehrer sowohl wie den Schülern eine Quelle der Unter- haltung durch das Vielerlei und Mancherlei, das dabei auf die Bahn gebracht wird.

Der so gefundene Satz wird alsbald zu schriftlicher Uebung von der ganzen Klasse ins Heft notiert.

Will man aber ja eine zusammenhängende Beschreibung verlangen und zwar geschrieben verlangen, so ist kein anderer Weg dafür offen als dass man dem Schüler eine Reihe von Fragen zur Beantwortung diktiert, z. B. der Fisch. 1) Wo lebt der Fisch? 2) Womit ist er bekleidet? 3) Das Pferd läuft, der Vogel fliegt, der Wurm kriecht; aber wie bewegt sich der Fisch? 4) Und zwar vermittelst welcher Werkzeuge (oder Organe) bewegt er sich? 5) Wovon nährt sich der Fisch? 6) Womit fängt man den Fisch? 7) Wodurch nützt uns der Fisch? - 8) Doch wovor müssen wir

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uns beim Genüsse desselben hüten? NB! Es sollen zu diesem oder jenem der vorkommenden Substantiva passende Adjektiva gesetzt werden!

So wird der Schüler vielleicht durch eigene Kraft jxtit folgendem Ela- borat zu Stande kommen: Der Fisch lebt im Wasser (der Flüsse und Seen) ; er ist mit glänzenden Schuppen bekleidet. Das Pferd läuft, der Vogel fliegt, der Wurm kriecht, der Fisch aber schwimmt, und zwar bewegt er sich vermittelst der breiten Flossen. Er nährt sich von Würmern, Fliegen und Wasserpflanzen. Man fängt ihn mit dem Netz oder der Angel; er nützt uns durch sein schmackhaftes Fleisch; doch müssen wir uns beim Genüsse desselben vor den spitzigen Gräten hüten.

Sollte hiebei auch die eine oder andere Aeusserung kindlicher Naivetät zu Tage treten, so halte ich es doch noch für besser, die Jugend selbst arbeiten zu lassen, als ihr Alles und Jegliches vorzu- kauen. Freilich, wenn die Aufgaben der Schüler korrigiert und durch- besprochen sind , dann kann man ihnen über das Thema etwas Mustergiltiges diktieren oder wenigstens vorlesen.

Es sei diesen Betrachtungen ein Wort über den deutschen Unter- richt überhaupt beigefügt. Wenn man verlangt, es soll dieser im engen Anschluss ans Lateinische erteilt werden, so ist damit (wenigstens in den untern Klassen, wo die Lektüre lateinischer Autoren gleich Null ist) offenbar nur der Unterricht in der deutschen Grammatik gemeint. Was sollte die Nacherzählung einer Fabel oder gar eine Beschreibung mit dem Lateinischen zu schaffen haben?

Es wird aber beim deutschen Unterricht noch ein anderes Ziel verfolgt, das seltener gehörig hervorgehoben wird, nämlich die Ver- standesbildung, die Gedankenübung, mit anderen Worten, der deutsche Unterricht ist zum grossen Teil auch ein logischer Unterricht. Da der Schüler nur in der Muttersprache denken und vermittelst derselben seine Gedanken äussern kann, so fällt allerdings die Gedankenübung mit der Sprachübung zusammen; wir wollen den Schüler aber gewiss nicht bloss sprechen, sondern auch denken lehren, ja wir sollen und wollen ihn vor allem denken lehren. Von diesem Standpunkte aus dürften sich meine obigen Ausführungen mehr empfehlen.

Zum Schlüsse noch die Bemerkung, dass in Sexta die deutsche Grammatik allein schon Gelegenheit zu so reichen, schönen und erspriess- lichen schriftlichen Uebungen bietet, dass man, vollauf beschäftigt, kaum nötig hätte, sich nach etwas anderem umzusehen, wenn es nicht aus andern Gründen wünschenswert wäre. Deren soll vielleicht in einem weiteren Artikel gedacht werden!

München. Ludwig Mayer.

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Zar Aussprache des Lateluischcn.

A. Spengel hat uns in einer akademischen Abhandlang: „Deutsche Unarten in der Aussprache des Lateinischen'1 (Sitzung vom 5 Dez. 1874) unsere Fehler in der Aussprache des Lateinischen vorgehalten. Es durfte nicht uninteressant sein daran zu erinnern, wie vor nahezu 300 Jahren 1586 der berühmte Lipsius in seinem Dialoge de recta pronuntiatione Latinae . linguae das gleiche Ziel verfolgte: mit welchem Erfolge freilich , hat die Zeit gelehrt. Die Gewohnheit und der Einfluss der modernen Sprachen ist hier stärker als alle ratio und es ist nicht daran zu denken , dass man je allgemein von einem Kikero und Kaesar, von eiuem römischen Konkil, von einer Kelebrität oder Kapakität, von Keremonien oder von den Kedern des Libanon reden oder in Zukunft einen kitieren, etwas explikieren oder multipli- kieren wird! Aber innerhalb der Schule, bei Erlernung des Lateinischen, lässt sich immerhin bei ernstem Willen etwas erreichen und desshalb sei hier auf die Ausführung der zwei wichtigsten Punkte, auf welche es zunächst ankommt die Aussprache des C und der Silbe ti in dem Dialoge des Lipsius hingewiesen. Im 13. Kapitel kommt er auf die Buchstaben C, K, Q, G zu sprechen und sagt:

Jungo quadrigam alt er am, quam trahent mihi equi non concolores

avium, sed gemelli, imo iidem. C K. Q. G iis nomitia. quos a vi aut

soni indole qui discrimines? aegre possis ex meute veterum, qui adeo

easdem censuerunt ut una vice omnium diu sint usi. C sola iis

locum munusque aliarum trium tenuit: donec natae invectaeque Mae,

vix ob neces8itatem sed ornatum. Videbo tarnen singulas et si quid

in aliqua eximium, dicam. C prima et vetustissima est. quam in locum

Kappa Graecanici venisse non est dubium: in locum sed et in sonum.

Plane pleneque ut K elata semper. Nec assertione res egebat. quis

enim Grammaticorum aliter umquam tradidit? nisi qw>d hodie pranus

et pertinax in eo error inolevit. Duplicem ei sonum dedimus, alterum

ut debuimus, alterum ut voluimus. Et cum a vocalibus quidem A. 0 U

.... aut diphthongo Au excipitur, suum et relmqutmus et priscum sonum;

efferimus enim Caput, Corpus , Cubitum, Caudam, cum ab E. I. Y.

Ae, Oe, nnrum ei damus et anteaevo inauditum. enuntiamus enim cum

crasso et molesto quodam {nec ambige, quin isti sibili a barbaris sint)

sibilo, Ceram, Cippum, Cyrum, Caenam, Coenum. effatu, quem littera

nulla habet, nulla hui mit. ad Z aut S accedere videtur , non attingit.

Quae haec perversitas? quis auetor? apex non est in veterum scriptis,

qui stabiliat, et mos ille taut um a mala quadam Ubidine peccandi.

Omitto Grammaticos omnes, qui C cum Kappa aequiparant clare; ratio

ipsa quam repugnat? Capio recte e/fers; Cepi ab eo, cur aliter?

cur Incipio? Eccum et Eccam audio: Ecce producis in alia soni

Blätter f. d. bayer. Qymn.- u. Kcal - Sobalw. XL Jahrg.

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veste. A Casto Incestum formari qui vox tua me doceat? et tntdta alia, quae labern- et ambiguitatum agmen invexere in Latinam linguam. Silicem aut Cilicem ex enuntiatu nostro aures non discertuwt: non Cyrum aut Syrum; Sepio aut Caepio; Cell am aut Seil am; Cervum aut Servum; Dissere aut Diacere et quae millena. Pudet non tarn erroris quam pertinaciae, quiq corripi pati- untur at non corrigi, et tenent omnes quod defendat nemo. Itali, Hispani, Germuni, Galli, Britanni in hoc peccato; a qua gente initium emendandi? Audeat enim mihi una aliqua et omnes audient. Sed de C satis.

Und er schliesst das Kapitel mit dem drastischen Ausruf: Mutemus aut vapulemus!

im folgenden Kapitel spricht er über D und T. Er erwähnt die Vertauschung dieser Buchstaben in Handschriften und Inschriften und fährt dann fort:

Effertur hodie utraque rede (nec praeitione mea ad sonum opus) excipio, quod peccant in T, quoties ea vocalem I. anteit et haec aliam Q. Papirius quispiam auetor et tutor huic culpac advocari potest ; cuius haec legiverba. ..Just it in cum scribitur, tertia syllaba sie sonat, quasi constet ex tribus litteris T. Z et I, cum habeat duas, T et J Sed notandum, quia in his syllabis sonus iste litterae Z inveniri tantum potest, quae constant T et I et eas sequitur vocalis quaelibet : ut Tatius, Otia, Justitia et talia. Excipiuntur quaedam nomina propriaf quae peregrina sunt. Sed ab his syllabis excluditur sonus Z litterae, quas sequitur littera I, ut Otii , Iustitii. Item non sonat Z, cum syllabatn ti antecedit littera S: ut Justins, Castiusu. O nugator! vere enim sie appello nebulam Grammatici, non Grammaticum et quem mihi certum nec esse quidem a pri-co aevo. Unicum hoc fragmentum hominis exstat nec aliud : cui ipsi utinam lumbi et renes diu fracti / At enim, Murete, inquam, etiam Ciceronis jocus in Art i um quendam id stabiliat; <?mi allusione nomitu's subjecit ~A$tos. Ergo ut Graecorum illud £ pronunh- atum T. In fronte, inquit, aliquid est; in re et inspectione nihil Allusio fuit, sed in propinquo sono non eodem. Et age, si ea pro- nuntiatio, cur nemo veterum de littera T tale aliquid prodidit? out quae causa cur sonum ante I magis quam vocalem aliam mutet? non di.i t ns et sperno audacter hasce ineptias vel uno argumento, quod nulli Consonantium (aliter quam in Vocalibus) sonus duplex.

Am Schlüsse des ganzen Dialoges, im 23. Kapitel, wendet er sich noch an die, welche die Sache zunächst angeht, an die Schulmeister, mit den Worten :

nec habeo quod addam, praeter monita aut verius vota. Utinam mens iis, qui instituunt iuventutem, haec docendi! non deesset r<*tt° aut via inducendi. In Graeca pronuntiatione id tarn pervieimu*1

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quidni Latina haec et cottidiana pariter nitescat ? Cuius usus cum latissimus [sit: imo cum necessarius ad commercia coniunctionemque tot gentium: de germana facie eius tarn exiguam nobis curam ease, iure mirer. In pronuntiatione autem illa est atque ut hominis fonnae vestis cultusque non parum addit aut detrahit: sie sermoni effatus. Communio quidem sermonum linguarumque et derivatio vocum non alia re magis illucescet, quam germano isto enuntiatu. ad quem legi- titnam viam tibi praeivi , Lipsi: tu eam meliorem mollioremque cal- cando reddes Dura enim pleraque initia videntur, conßteor: usus est qui mollit et consuetudo.

München. C. Meiser.

Stilistische Aphorismen«

1. Krankheitszustände der modernen Stilistik.

Wenn wir in diesen Blättern mit stilistischen Aphorismen hervor- treten, so sahen wir uns hiezu veranlasst durch die eigentümlichen Verhältnisse, in welchen wir die Stillehre vorfinden. Durchforschen wir nämlich die vorliegende stilistische Literatur und halten wir Um- frage nach der in unsern Mittelschulen üblichen Praxis, so stossen wir auf vieles , was uns zu dem Urteile führt , dass in der Stilistik so Manches faul sei.

Unseres Erachtens nämlich leidet dieselbe an drei chronischen Uebeln , die ihre Lebenskraft und Entwicklungsfähigkeit schwer beein- trächtigen : sie krankt an Empirismus, Dogmatismus und Stagnation.

Zunächst vom Empirismus! Die ganze moderne Stillehre ist grösstenteils ein Conglomerat von Regeln, welche eines beherrschenden Princips und der wissenschaftlichen Basis entbehren. Dieses können wir aus einer grossen Anzahl gerade der verbreitetsten stilistischen Handbücher, Leitfäden und Sammlungen leicht ersehen. Um nur ein Beispiel anzuführen: Was lehrt die Stilistik über die in der Einleitung verwendbaren Gedanken? Sie sagt uns: a) man geht von einem dem Thema entsprechenden allgemeinen Gedanken aus und geht zum Spe- cicllen über; b) man geht oft von einem Nebengedanken aus, von welchem man auf den Hauptgedanken übergeht c) man geht vom Gegen- teile des Themas aus d) man beginnt mit Erläuterungen des Themas, mit Worterklärungen und Begriffsbestimmungen , Aussprüchen grosser Männer, Sprüchwörtern, Bildern, Vergleichungen , Erzählungen, Anek- doten, Sitten, Erfahrungen aus dem Leben etc." Warum sagt man nicht lieber einfach: „Beginne ad libitum mit dem Gedanken, der dich

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gerade anfliegt 1" Wer vermöchte in diesen Regeln ein Princip zu erkennen? Sind sie nicht rein empirisch zusammengewürfelt? Und wer hemerkt nicht die handgreifliche contradictio in adjecto? Regeln für die Einleitung will man angeben; aber heben denn nicht gerade diese Regeln jede Regel auf? Das ist doch wirklich Empirismus 1

Doch es gibt noch drastischere Beispiele. Wie naiv empirisch ist folgende Anleitung! Wenn du eine Abhandlung schreiben willst, lehrt die Stilistik, so schreibe dir zuerst alles auf, was dir über den betr. Gegenstand einfällt; dann ordne die Gedanken und schreite zur Aus- führung. Dies heisst mit andern Worten: Schreibe dir zuerst alles Mögliche auf; streiche dann alles Mögliche aus und nachdem du durch diese Operation allmählich eine dunkle Vorstellung von dem bekommen haben wirst, um was es sich eigentlich handelt, dann fange von neuem an, die Gedanken zusammenzusuchen und zusammenzustellen, die du brauchen kannst. Wie kann man so tändelnd und planlos zu Werke gehen! Heisst das nicht, bei derjenigen Uebung, die am aller- meisten geistige Zucht erfordert und erzielen will, den Geist zum Irrlichteliren anhalten? Wissenschaftlich kann ein solches Verfahren jedenfalls nicht genannt werden.

Mit dem Empirismus hängt ein anderes Merkmal, welches die bisherige Stillehre kennzeichnet, zusammen: es ist der Dogmatismus. Bona ßde schreibt auf unserm Gebiete ein Schriftsteller dem andern die althergebrachten Regeln, ja vielfach auch die zu denselben ge- bräuchlichen Beispiele nach, ohne dass es ihm einfällt, dieselben ernstlich kritisch zu sichten! Es wäre freilich auch gar nicht voraus- ' zusehen, ob nicht bei einer solchen Sichtung am Ende die-- ganze Stilistik in Trümmer ginge ! ! Dieser Gefahr geht ja selbst die Rinne'scho Dispositionslehre aus dem Weg, die sich noch am meisten vom allge- meinen dogmatischen Schlummer losgerissen hat. Auch Rinne unterlässt es, die Kabinetsfrage der Stilistik zu stellen, sie einmal darauf anzu- sehen, ob sie überhaupt einer wissenschaftlichen Begründung und Behandlung fähig sei? Auch er stellt sein Princip dogmatisch auf, d.h. ohne es zu begründen, riskirend, dass ein Windstoss das ganze immer- hin schöne Gebäude wieder zusammenwerfe. Wie sehr überhaupt in der Stilistik noch alles schlummert, zeigt namentlich der Umstand, dass es viele Stillebron gibt, die ihren besonderen Werth darin zu suchen scheinen, dass sie fast die ganze Logik ausschreiben, während andere die Rhetorik exrerpiren. Aber, müssen wir fragen, ist für die Stillehre mit der blossen Applikation jener Disciplinen etwas Wesent- liches gewonnen? Was helfen dem Schüler die logischen Abstraktionen ? Was hilft ihm eine ausführliche Lehre vom Urteil, vom Schluss etc.? Helfen ihm diese Gedanken finden? Oder ist die Logik Pispositionslehre ? Wozu ferner dieser Schwärm von rhetorischen Regeln? Geht es da dem

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Schüler nicht häufig, wie dem Esel Buridans? Wenn z. B. die oben citirten Vorschriften sämmtlich Regeln für die Einleitung sind, was ist denn dann eigentlich die Regel?? Natürlich fällt es uns gar nicht ein, logische und rhetorische Erörterungen aus der Stillehre zu verbannen» aber wir tadeln das massenhafte und für die Praxis ziemlich wertlose Excerpiren und das Vermengen von Disciplinen, die, wenn sie sich auch in mancher Beziehung verwandt sind, doch eigne Gebiete repräsen- tiren. Nur eine Folge dieser kritiklosen Vermengung ist es daher, dass die Stillehre sich über Zweck und Ziel sowie über die Mittel, den Zweck zu erreichen, noch vielfach unklar ist, dass sie noch gleichsam ein traumhaftes Dasein führt.

Wir glauben nicht, dass sie aus diesem Traumleben bald erwachen wird, denn wir verkennen nicht das dritte charakteristische Merkmal der gegenwärtigen Stillehre, nämlich die sichtliche Stagnation, in welche sie seit langer Zeit gerathen ist. Sie hat sich bekanntlich aus der Rhetorik entwickelt; aber sie ist in derselben auch glücklich stecken geblieben. Kaum hatte sie sich als etwas, das zu selbständigem Leben bestimmt war, constituirt, so begann auch schon die Versumpfung, und die moderne Stilistik kommt fast nirgends über die Rhetorik hinaus. So finden wir die alte Rhetorik mit der Stagnation, in der sie selbst sich mehr oder minder befindet, in der Stilistik natürlich wieder. Die alte Topik, mit der man nicht zum Thema kommt, das herrliche Verslein Quia? quid? ubi? etc. prangt fast in allen Stillehren, und die Chrie, die kranke Frau in der Rhetorik, vegetirt auch in der Stilistik weiter und findet selbst heutzutage noch Verehrer und Lob- reduer. üeber l1/, tausend Jahre spukt diese arme Gestalt in den Lehrbüchern und Schulzimmern und nicht lässt man sie in die ewige Ruhe eingehen! Und warum wohl? Weil anderthalb Jahrtausende nicht im Stande waren, etwas zu finden, was die Chrie unbedingt entbehrlich gemacht hätte! Ist das nicht gründliche Stagnation?

Wenn wir diesen Stand der Dinge*) überschauen, so müssen wir erklären: die Stilistik ist noch ziemlich weit davon entfernt,

*) Natürlich partieipiren an den Krankheiten der Stillehre auch die stilistischen Materialiensammlungen. Wir stossen daher in solchen Büchern auf die unhaltbarsten Dispositionen und auf Ausführungen, die zwar unter dem Namen „Musterbeispiele" figuriren, aber in der Tuat oft uur Master von Willkür und Regellosigkeit sind. Dass ferner bei Herstellung solcher Sammelwerke dogmatische Behandlung des vorliegenden Stoffes und Bequem- lichkeit sich gegenseitig unterstützen, zeigt der Umstand, dass viele soge- nannte neue Materialiensammlungen zur Enttäuschung des Käufers grossentheils nur Excerpte der vorhandenen bieten. Aber dio neuen Auflagen des Alten werden doch die groben Fehler verbessern? Keineswegs I Um eine kritische Sichtung des Vorhan «lenen ist es den Sammlern gemeinhin gar nicht zu thun. Pietätsvoll überliefern sie das Althergebrachte so, wie sie es vorfanden. Eine gewisse Krystallisation des Vorhandenen tritt also auch hier klar zu Tage,

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eine Wissenschaft zu sein. Ja es ist überhaupt eine Frage, ob dieselbe jemals eine Wissenschaft werden könne. Denn es wäre bei einer eingehenden kritischen Beleuchtung der bisherigen Grundlagen und Regeln gar nicht unwahrscheinlich, dass man zu dem Satz käme: die stilistische Darstellung richtet sich überhaupt nicht nach Regeln oder Gesetzen, eine Stilwissenschaft gibt es daher nie und nimmermehr. Wir lassen dies dahingestellt, glauben aber, dass derartige Betracht- ungen vielleicht geeignet wären, die Stilistik aus ihrem Schlummer aufzurütteln. Und in der That .hat auch bereits vor einer Reihe von Jahren Rinne den Tagreveil geblasen; aber leider scheint sein Trom- petenstosB „Heuristisch - dispositionale Compositionslehre" an den Ohren der meisten StilistiK er wirkungslos verhallt zu sein. Krumen wir ihm auch in gar mancher Hinsicht nicht beistimmen, so begrüssen wir doch sein Werk als die Morgenröthe eines neuen Tages der Stilistik.

Hiemit schliessen wir für diesmal. Unser nächster Artikel wird den Begriff Stil und seine Definitionen einer kritischen Analyse unterziehen.

Kaiserslautern 1. März 1875.

1) Xenophon's griechische Geschichte zum Schulgebrauche mit erklärenden Anmerkungen versehen von Emil Kurz, k. Professor am Ludwigsgymnasium. Heft II. Buch IV - VII Schluss München 1874, J. Lindauer'sche Buchhandlung (Scböpping)

Dem 2. Heft ist auch eine Einleitung in das ganze Werk beige- geben, die ungeachtet ihres verhältnissmassig geringen Umfanges viel- mehr für Lehrer als für Schüler bestimmt zu sein scheint. Inderselben führt der Herr Verfasser aus, wie sich die von Xenophon erzählten Ereignisse (hauptsächlich V) um 2 bedeutende Persönlichkeiten gruppiren, in den ersten 3 Büchern (im 3. nur zum Teil?) um Lysander, in den letzten 4 Büchern um den (auch namentlich zu erwähnenden) Lieblings- beiden Xenophons. Sodann wird der Standpunkt entwickelt, auf welchem einzig und allein ein richtiges Verstand niss des Xenophontischen Geschichts- werkes möglich sei, dass nämlich Xenophon nur in der Hegemonie Sparta's das Heil seines Vaterlandes erkannt und von dieser Idee so- wie der Bewunderung für seinen Helden Agesilaus durchdrungen, Griechenlands Geschicke gezeichnet habe Der Herr Verfasser sucht diess sodann praktisch an einem Beispiele, der Schilderung der Schlacht bei Koronea nachzuweisen, die in ihrer Art ein Meisterstück und wahres Kunstwerk genannt wird. Von der Richtigkeit der Erklärung der Stelle im 3. Cap. des 4. Buches 17) konnte ich mich auch nach den Ausführungen des Herrn Verfassers nicht überzeugeu. Gerade die Parallele im Agesilaus II. §. 11 dürfte es als wahrscheinlich annehmen lassen, dass tug (wie im Vorausgehenden oaov) zum Zahlbegriffe gehört, wie diess auch die Stellung von ayte^'ifgauoy zu bestätigen scheint; indess wird vielleicht richtiger mit xai nttyref olroi ein neuer Satz

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angefangen (cf. Ages. I. c), wodurch wohl auch Breitenbach's Annahme, die Worte xrä nHrrts nvroi iyivavto xai seien eine in den T«xt geratliene Handbemerkung, überflüssig werden dürfte. Schliesslich bringt der Herr Verfasser nochmals seine Ueberzcugung zum Ausdruck, „dass wir d.is wirkliche, im Wesentlichen unverfälschte Werk aus Xenophon's Hand vor uns haben, das bei seinem reichen und mannig- fachen Inhalt uns alle Schönheiten und die ganze Anmut Xenophon- tischer Sprache zeigt".

Lie im vorliegenden 2. Heft enthaltenen Bücher sind mit derselben Umsicht und Sorgfalt, Lust und Liebe bearbeitet, wie die früheren, so dass wir uns im Wesentlichen auf das über jene ausgesprochene Urteil beziehen können Bei der Begeisterung für seinen Autor lässt der Herr Verfasser insbesondere auf dem Gebiete der Erklärung in künftigen Auflagen uns noch manche schöne Frucht seiner literarischen Thätig- keit erwarten.

Von dem Wenigen, worüber man abweichender Ansicht sein kann, sei Einiges hier erwähnt. IV. 1,3 ist zu y/Sey die Ergänzung von nc Xoyovg wol nicht nötig, natürlicher die einfache Erklärung. §. 5 befremdet: er begann eine Unterredung; es kann offenbar nur heissen : es eröffnete das Gespräch etc §. 19 fehlt im Texte nach xarsßaXoy «Je, das die Handschriften bieten, ohne dass die Auslassung irgendwo begründet wäre. § 21 dürfte aXXovg am einfachsten durch „eben" zu übersetzen sein. § 22 ist die Frage, welchen Nebensatz vertritt etc durch das hinzugefügte pera ro oeinvov wol überflüssig §. 24 konnte auf das Anacoluth aufmerksam gemacht werden; ibid. wäre die Bemerkung zu uXla dV xtitftata besser in deutscher Fassung gegeben worden (vergl. Breitenbach z. d. St.); ibid. Bemerkungen wie zu nqog de rovtois 7io '/Mi scheinen unnötig; die Erfahrung lehrt, dass gerade solche Abweichungen die Schüler selbst leicht finden §. 26 dürfte die ver- suchte Erklärung des Chiasmus Schülern schwer fassbar sein. §. 29 scheint die Erklärung zu avrtS vv gesucht; zu i,xovaey vermisst man eine Erklärung, wie etwa Breitenbach sie bietet. §. 30 ist auf 11.4,39 verwiesen, ohne dass dort Aufklärung zu finden; übrigens dürfte es sich empfehlen, vor iv&« Komma zu setzen, wodurch der folgende Gegensatz lebhafter hervortritt. §. 32 wäre, statt auf II. 3. 42 einfacher der Verweis auf die Grammatik, weil der Fall doch etwas anders steht, besonders wegen näyreg. §. 33 mit der Bemerkung zu itftste d1* werden Schüler wenig anzufangen wissen; zu tooneQra &r,Qta dürfte eine kurze Anmerkung am Platze sein; dagegen ist § 34 die Bemerkung zu ndyra ixe Ivnv wohl entbehrlich. §. 37 ist es fraglich, ob mit üXhw axqaxi\y6v auf Conon hingedeutet wird ; cf. Breitenbach z. d. St. ; die Bemerkung zu mtövrov ti dürfte für Schüler ebenfalls etwas klarer gehalten sein. § 40 scheint das Particip denn doch natürlicher als ein kausales gefasst zu werden und damit wäre zugleich die Frage, ob es sich um einen Kampf des grossen Knaben mit den Männern oder den Knaben handelt, entschieden. Widersinnig, wie der Herr Verfasser meint, ist erstere Annahme bei der Unbestimmtheit, wie weit der Umfang des v(cis gilt, durchaus nicht. Zu 'j&qyaiov, welches Breitenbach als Personennamen fasst, wäre zumal bei der Stellung des Wortes eine kleine Bemerkung angezeigt. *

Cap. II § 3 ist die Bemerkung zu xai o'tcjy für Schüler nicht wol verständlich. §. 4 die Bemerkung zu i^rtq>i<tayro und xaXdSs yivouo unnötig, jene zu Xaßoyreg zu wenig sagend. §. 5 die Erklärung von ajQUTiutttüy nicht deutlich genug; die Bemerkung zu iya dvyairo wol

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ganz entbehrlich. §.6 ist die i Ergänzung von ol xQirni auch hart; sollte nicht vielleicht o,rt ifei evxQweiv zu lesen sein? §. 7 konnte die Bemerkung zu roaovrtoy viel bestimmter gefasst werden vgl. Breitenbach, wo die erstere Erklärung gewiss die richtige. § 8 ist die Bemerkung zu Aaxttiaifioviwv zu modifizieren ; cf. Breitenbach §. 13 hat die Ver- mutung Breitenbach's sehr viel Ansprechendes. § 18 ist roig richtig als Mascnl. , wol fälschlich bei Breitenbach als Neutrum gefasst %. 21 die Erklärung zu uui&uvoy ttviuy ist zu unbestimmt. §. 23 liegt die Annahme Breitenbach's, dass man die Flüchtigen wirklich in die Mauern aufnahm, wol nicht im Zusammmenhange

Cap. III §. 2 das x«i in waneQ xai ist uns doch auch nicht über- flüssig? ibid. wird zu nugeytyov richtig rp vixy , weniger genau von Breiten nach uaxD ergänzt. § 7 ist die handschriftliche Ueberlieferung doch kaum richtig; durch die Beschränkung noXvx«Q(Aog pivroi wird wol das vorausgehende ol d" dviaroty/ttv unmöglich gemacht; übrigens setzte sich Polychai mos nicht allein, sondern mit den Seinen 'zur Wehr, wie die folgenden Worte zeigen. §^8 möchte iTuittQxü*' doch kaum kausale Erklärung zulassen; war er denn der einzige Befehlshaber? Zu der Partikel ovy wird (interessant!) auf 1, 38 verwiesen; dortselbst wieder auf III, 5, 19 und daselbst auf die Grammatik. §. 10 ist die AnmerkuDg zu f*rjyoeio*tjg sachlich zu mager §. 13 jene zu ovx Eivai nicht klar; zu (AtittjluXuiv vergl. Breitenbach, dessen Erklärung wol den Vorzug verdient; §. 23 wird zu dem zweiten ol &i eine kleine Bemerkung notwendig sein, cf. Breitenbach.

Cap IV § 1 ist die Note zu envitSy pi» ungenügend, teilweise falsch (Druckversehen!?) s. Breitenbach z. d. St. Nur dürfte rwa?, dessen Ausfall Breitenbach vermutet, doch zu schwach sein; ich vermute, dass vor dno&yijaxoyrug oder hinter eyyvg B&ttt . ovx oXiyovg oder rovg tivdoctg oder dergleichen ausgefallen.

Da ich den einer blossen Anzeige verstatteten Kaum bereits über- schritten zu haben fürchte, so schliesse ich mit dem aufrichtigen Wunsche, dass die Ausgabe des Herrn Kurz, die allen Anforderungen an eine Schulausgabe bestens entspricht und auch hinsichtlich der äussern Ausstattung durchaus nichts zu wünschen übrig lässt, die ver- diente Anerkennung und möglichste Verbreitung in unseren Schulen finden möge.

2) Xenophon's Hellenika, erklärt von Ludwig Breitenbach. Zweiter Band. Buch III und IV. Berlin, Weidmann'sche Buch- handlung. 1874.

Dem Bande ist eine 91 S. umfassende Einleitung vorausgeschickt, deren Inhalt sich übrigens auch auf die noch in Aussicht stehenden Bücher erstreckt. Aus Inhalt und Form wird darzulegen versucht, welchen Plan der Schriftsteller verfolgte und wie er ihn ausführte. Insbesondere soll auch hier wieder nachgewiesen werden, dass der erste (Buch I und II) und zweite Teil (Buch III VII) als besondere Werke anzusehen sind, wodurch häufig ein Rückblick und Vergleich mit jenem notwendig wird. Zuerst handelt der Herr Verfasser von der äussern Darstellung; „sie fliesst zusammenhängend wie in der Anabasis. Ausser 22 meist ganz direkt gehaltenen Reden und zahlreichen gelegentlich w die Erzählung eingeflochtenen Gesprächen belebt die Darstellung der von Xenophon mit besonderer Kunst verwendete Dialog. Die Erzählung is*

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durchweg lebhaft, anschaulich, oft energisch, voll regen Interesses für die Ereignisse, Zustände, Personen". Als Belege werden zahlreiche der interessantesten Partien zusammengestellt.

„Das Interesse des Schriftstellers kömmt bald in der Form des Lobes bald in der des Tadels, nicht selten durch Betrachtungen ethischer oder praktischer Art zum Ausdruck; selbst ein gewisser Humor, bald heiterer, bald ernster Färbung ist bisweilen nicht zu verkennen".

Der Besprechung der äussern Darstellung folgt die Betrachtung des Inhalts, die mit grosser Sorgfalt und genauer Sachkenntniss aus- geführt, den pragmatischen Zusammenhang der erzählten Ereignisse anschaulich macht. „Das Ganze zerfällt in zwei Abschnitte, deren erster so ziemlich in der Mitte der Bücher III VII endet; V. 4. 1 beginnt der zweite Abschnitt Aus dieser Inhaltsangabo wird ersichtlich, dass uns hier nicht eine allgemeine Geschichte Griechenlands (anter gleichmässiger Berücksichtigung von Sparta, Athen, Theben) geboten wird, sondern eine Darstellung, deren Hauptfaden die Geschiebte Sparta's bildet, was zur Evidenz im ersten Abschnitt hervortritt, weniger im zweiten. Dass Xcnophon Sparta handelnd und leidend mit Bewusstsein und planmässig, zum Mittelpunkt seiner Geschichtsdarstellung der Jahre 399 362 gemacht hat, lässt sich auch aus deren Einkleidung und Begrenzung, sowie vom Inhalte abgesehen, auch aus Xenopbon's poli- tischen Ansichten und besonderen Lebensverhältnissen ersehen. Jene bringt er in drei der bedeutendsten Reden zum Ausdruck. In der paritätischen ungeschwächten Machtstellung Sparta's und Athen's sieht er das Heil von ganz HellaB. Die Spitze der vereinigten Kraft Griechen- lands unter der Führung dieser beiden Staaten möchte er gegen die Barbaren gerichtet sehen Uebrigens haben so manche Begebenheiten in seinem Gescbichtswerke keine Erwähnung gefunden, weil an ihnen die Lacedämonier nicht unmittelbar betheiligt waren; dazukommt, dass ihn vorzugsweise die praktisch - moralische Seite der Geschichte inter- essirt, was der streng pragmatischen Entwickelung der Begebenheiten bedeutend Eintrag thut. Lebhaft und anschaulich wird die Darstellung überall, wo Xenophon sich für den Gegenstand interessirt, auch wenn er nicht Augenzeuge gewesen, so besonders als Soldat für Kämpfe und Schlachten. Diese sind daher auch mit besonderer Ausführlich- keit geschildert".

Von §. 55 an handelt der Verfasser von der Chronologie des II. Teiles, „die nicht in gleicher Weise wie jene des I. Teiles, mangel- haft erscheint. Seine Erfahrung, seine Beobachtungen und Lebens- anschauungen dienen ihm für die Schilderung der Zeitbegebenheiten als Anhaltspunkt " Nachdem der Herr Verfasser den Vorwurf der Un- vollständigkcit und Ungleichmässigkeit auf Grund genauer Prüfung des Inhalts und der bei der Ausführung leitenden Gesichtspunkte von dem zweiten Teile abgewiesen, folgt von §. 68 an eine interessante Be- sprechung der Anordnung und Verknüpfung der einzelnen Partien des Erzäblungsstoffes , die als geschickt gruppirt bezeichnet werden, „eine lange lteihe teils kleinerer teils grösserer Geschichtsbilder die, äusser- lich meist nicht ohne Kunst verbunden, nach ihrem inneren Zusammen- hange ein Ganzes bilden , das die Geschichte der Jahre 399 362 von dem Standpunkte, den Xenophon einnimmt und über den sich die Einleitung ausführlich verbreitet, in den wesentlichen Zügen an- schaulich darstellt".

§. 83 wird sodunn hervorgehoben, dass beide Teile zu verschiedenen Zeiten verfasst sind, der zweite Teil in der auf uns gekommenen Form

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erst nach der Schlacht bei Mantinea, wobei Dicht ausgeschlossen werde, das« das Material dazu schon früher gesammelt wurde. Von §. 89 an wird noch die Frage erörtert, wie man es zu verstehen habe, da»s der aweite Teil, obwol für sich bestehend, vom ersten Teil durch P\tu, Darstellung, Abfassungszeit weit getrennt, doch mit demselben ausser- lieb verbunden erscheine.

Der Inhalt von §. Ol bis 122 ist der Rechtfertigung XenojuWs gegenüber den unverdienten Vorwürfen, die ihm seine innere Beteiligung an den erzählten Ereignissen, besonders am Schlüsse der Schrift zuge «ogen, gewidmet Sein offener, ehrlicher Lakonismus, durchaus sittlicher Natur, macht ihn nicht blind für die Fehler der Lakedämouier, nicht ungerecht gegen deren Gegner. Wie wolthätig und für leidlich iften- liche Zustände im Peloponnes notwendig Sparta's Autorität und Macht, wenn nur mit Mässigung zur Geltung gebracht, von dieser Erkenntniss war Xenophon bei seiner Darstellung geleitet; nur der lakedämonische Staat, nieht etwa der thebanische war geeignet, die Ordnung im Pelo- ponnes und seine Interessen zu wahren. Gegen Athen zeigt er durch- gehends Wolwollen, milde Beurteilung, nirgends Bitterkeit gegen das Vaterland, das ihn verbannt. Seine Stimmung gegen Theben betreffend wird gezeigt, dass er an der gerechten Erbitterung des Agcsilaos gegen Theben Teil nahm, solange diese nicht ungerecht und unheilvoll wird; dass übrigens diese Teilnahme keineswegs nur auf seine spartaner- freundliche Gesinnung oder auf rein persönliche Motive, sondern auch auf die traditionelle Abneigung der Athener überhaupt gegen die The- baner schon seit den Perserkriegen, endlich den Gegensatz politischer Bestrebungen zurückzuführen, indem die Thebaner auf nichts weniger abzielten, als Sparta und Athen, in deren paritätischer Verbindung er das Heil Griechenlands sah, ohnmächtig zu machen, eine Präten&iou, über die jeder Athener uud Spartaner entrüstet werden musste Un- gerecht ist übrigens Xenophon auch gegen sie nicht, mithin glaubwürdig.

Nachdem noch bemerkt, dass die letzten 5 Bücher im Einzelnen und im Ganzen betrachtet als das , was sie sind, „Lebenserinnerungen aus den Jahren 399 3t>2" in jeder Hinsicht die Lobsprüche , die die Alten den Xenophontischen Schriften überhaupt gespendet, verdienen, schliesst das Ganze mit einer chronologischen Uebersicht der wichtigsten Ereignisse

Diess sind im Wesentlichen die Grundzüge der wertvollen Ein- leitung, in welcher alle in Betracht kommenden Fragen erschöpfend behandelt werden; ausserdem enthält das Buch in Noten unter dem Texte einen sehr umfassenden Commentar erklärender und, wo es nötig erscheint, auch kritischer Bemerkungen, ilie keine Seite der Erklärung unberücksichtigt lassen und so demselben auch praktische Brauchbarkeit in eminentem Grade verleihen. Und so stehen wir nicht an, unser Gesaramturt.il dabin festzustellen, dass die Hellenica Breit enbach's, zweifellos eine der schönsten Erscheinungen der Gegenwart auf dem Gebiete griechischer Literatur, sich nicht bloss als Schuliectüxe für reifere Schüler höherer Classen mit gröstem Nut/m - rwerten lassen, sondern auch für Lehrer i sowie für Forscher her Geschichte

eine höchst beachtenswerte und willkommene I Tin durften.

Landshut. : e r.

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Die Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersctzcn iu's Französische von H. Brei tinger. Zürich J875.

Vorliegendos Werkchen, welches das fünfte Heft einer Serie von Lehrmitteln zum Uebcrsetzen aus dem Deutseben ins Französische bildet, ist für die obersten Kurse einer höheren Lehranstalt bestimmt. Es enthält ausser dem Verzeichnis9 der vom Verfasser benutzten, viel umfassenden Literatur im Eingang und zahlreichen , die Neuzeit betreffenden bibliographischen Notizen am Schlüsse in 22 Kapiteln eine kurzgefasste Geschichte der französischen Sprache und Literatur. Der Verfasser hat es verstanden, ein klares, lebendiges, gefälliges Bild der literarischen Epochen und ihrer hervorragenden Vertreter in den engen Rahmen von 102 Seiten einzukleiden. Eine bündige, treffende Inhaltsangabe der Hauptwerke erweckt das Interesse für die Autoren, deren Biographie zuweilen durch pikante Züge und Anekdoten aus ihrem Leben gewürzt ist. Die allmälige Entwickelung des Neufranzös- ischen aus der lateinischen 'Vulgärsprache und dem Altfranzösischen wird durch passende Beispiele überzeugend veranschaulicht.

Die wenigen Druckfehler (von denen ich nur das idole encense'p.7i hervorheben will) sind leicht zu corrigiren und thun dem Gebrauch des nützlichen Werkchens keinen Eintrag. Die Anmerkungen zum Ueber- setzen stehen unter dem Text und sind hie und da etwas spärlich ausgefallen. Indessen das Büchlein ist für bereits vorgerückte Schüler berechnet, denen man schon etwas zumuten kann. Deshalb ist es mir aber aufgefallen, unter jenen Anmerkungen so Manches zu finden, was Zöglinge gedachter Lernstufe füglich längst aas der Grammatik wissen müssen, wie z. B. das Verbum finitum, Adverbien, Participe passe1 mit par u. dgl. Ungewöhnlich erscheint mir der Gebrauch des Zeitworts rufen mit dem Dativ in Sätzen wie: „Auch hat Villon's Testament offenbar einem ähnlichen Gedicht in neine's Nachlass gerufen" (p. 23) oder: „Die religiösen und politischen Fragen riefen einer Menge von Flugschriften" (p 26) und ebenso p. 45 und 71. Statt „an er boren" p. 53 und 60 dürfte wol angeboren zu setzen sein. Schliesslich würde ich in einem für die Jugend bearbeiteten Handbuch die ängstliche Aufzählung der sittenverderbenden Demi -monde- Stücke des «weiten Kaiserreichs gern vermissen.

Im Uebrigen verdient das Werkchen nicht nur wegen des an- ziehenden, gehaltvollen Ueber9etzungsmaterials, sondern auch als vor- treffliches Hilfsmittel in den Händen der Schüler beim Unterricht in der Literaturgeschichte alle Beachtung und sei biemit aufs beste empfohlen.

Würzburg. Jent.

lenschaftliche Abhandlungen, hervorgegangen aus Georg Itischer Gesellschaft zu Leipzig. Leipzig, Hirzel.

Seilschaft" besteht aus neun hoffnungsvollen idlnngen wahrlich unter dem segensreichen irbeitet haben. Wir müssen uns leider titonen nur in Kürze auf die schätzbaren

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erst nach der Schlacht bei Muntinea, wobei nicht ausgeschlossen verde, dass das Material dazu schon früher gesammelt wurde. Von §. 89 an wird noch die Frage erörtert, wie man es zu verstehen habe, dass der zweite Teil, obwol für sich bestehend, vom ersten Teil durch Plan, Darstellung, Abfassungszeit weit getrennt, doch mit demselben äusser- lich verbunden erscheine.

Der Inhalt von §. 91 bis 122 ist der Rechtfertigung Xenophon's gegenüber den unverdienten Vorwürfen, die ihm seine innere Beteiligung an den erzählten Ereignissen, besonders am Schlüsse der Schrift zuge- zogen, gewidmet. Sein offener, ehrlicher Lakonismus, durchaus sittlicher Natur, macht ihn nicht blind für die Fehler der Lakedämonier, nicht ungerecht gegen deren Gegner. Wie wolthätig und für leidlich fried- liche Zustände im Peloponnes notwendig Sparta's Autorität und Macht, wenn nur mit Müssigung zur Geltung gebracht, von dieser Erkenntniss war Xenophon bei seiner Darstellung geleitet; nur der lakedämonische Staat, nicht etwa der thebanische war geeignet, die Ordnung im Pelo- ponnes und seine Interessen zu wahren. Gegen Athen zeigt er durch- gehends Wolwollen , milde Beurteilung, nirgends Bitterkeit gegen das Vaterland, das ihn verbannt Seine Stimmung gegen Theben betreffend wird gezeigt, dass er an der gerechten Erbitterung des Agesilaos gegen Theben Teil nahm, solange diese nicht ungerecht und unheilvoll wird; dass übrigens diese Teilnahme keineswegs nur auf seine spartaner- freundliche Gesinnung oder auf rein persönliche Motive, sondern auch auf die traditionelle Abneigung der Athener Uberhaupt gegen die The- baner schon seit den Perserkriegen, endlich den Gegensatz politischer Bestrebungen zurückzuführen, indem die Thebaner auf nichts weniger abzielten, als Sparta und Athen, in deren paritätischer Verbindung er das Heil Griechenlands sah, ohnmächtig zu machen, eine Prätension, über die jeder Athener und Spartaner entrüstet werden musste. Un- gerecht ist übrigens Xenophon auch gegen sie nicht, mithin glaubwürdig.

Nachdem noch bemerkt, dass die letzten 5 Bücher im Einzelnen und im Ganzen betrachtet als das , was sie sind, „LebenBerinnerungen aus den Jahren 399 3t>2" in jeder Hinsicht die Lobsprüche, die die Alten den Xenophontischen Schriften überhaupt gespendet, verdienen, schliesst das Ganze mit einer chronologischen Uebersicht der wichtigsten Ereignisse

Diess sind im Wesentlichen die Grundzüge der wertvollen Ein- leitung, in welcher alle in Betracht kommenden Fragen erschöpfend behandelt werden; ausserdem enthält das Buch in Noten unter dem Texte einen sehr umfassenden Commentar erklärender und, wo es nötig erscheint, auch kritischer Bemerkungen, die keine Seite der Erklärung unberücksichtigt lassen und so demselben auch praktische Brauchbarkeit in eminentem Grade verleihen. Und so stehen wir nicht an, unser Gesammturteil dahin festzustellen, dass die Hellenica Breitenbach's, zweifellos eine der schönsten Erscheinungen der Gegenwart auf dem Gebiete griechischer Literatur, sich nicht bloss als Schullectüre für reifere Schüler höherer Classen mit gröstem Nutzen verwerten lassen, sondern auch für Lehrer \ sowie für Forscher griechischer Geschichte eine höchst beachtenswerte und willkommene Erscheinung sein dürften.

Landshut. Höger.

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Dio Grundzüge der französischen Literatur- und Sprachgeschichte bis 1870. Mit Anmerkungen zum Uebersetzen in's Französische von II. Brei tinger. Zürich 1875.

Vorliegendes Werkchen, welches das fünfte Heft einer Serie von Lehrmitteln zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Französische bildet, ist für die obersten Kurse einer höheren Lehranstalt bestimmt. Es enthält ausser dem Verzeichniss der vom Verfasser benutzten, viel umfassenden Literatur im Eingang und zahlreichen , die Neuzeit betreifenden bibliographischen Notizen am Schlüsse in 22 Kapiteln eine kurzgefasste Geschichte der französischen Sprache und Literatur. Der Verfasser hat es verstanden, ein klares, lebendiges, gefälliges Bild der literarischen Epochen und ihrer hervorrageuden Vertreter in den engen Rahmen von 102 Seiten einzukleiden. Eine bündige, treffende Inhaltsangabe der Hauptwerke erweckt das Interesse für die Autoren, deren Biographie zuweilen durch pikante Züge und Anekdoten aus ihrem Leben gewürzt ist. Die allmalige Entwickelung des Neufranzös- ischen aus der lateinischen 'Vulgärsprache und dem AltfranzöBischen wird durch passende Beispiele überzeugend veranschaulicht.

Die wenigen Druckfehler (von denen ich nur das idöle encensi p.7\ hervorheben will) sind leicht zu corrigiren und thun dem Gebrauch des nützlichen Werkchens keinen Eintrag. Die Anmerkungen zum Ueber- setzen stehen unter dem Text und sind hie und da etwas spärlich ausgefallen. Indessen das Büchlein ist für bereits vorgerückte Schüler berechnet, denen man schon etwas zumuten kann. Deshalb ist es mir aber aufgefallen, unter jenen Anmerkungen so Manches zu finden, was Zöglinge gedachter Lernstufe füglich längst aus der Grammatik wissen müssen, wie z. B. das Verbum finittun, Adverbien, Participe passe" mit par u. dgl. Ungewöhnlich erscheint mir der Gebrauch des Zeitworts rufen mit dem Dativ in Sätzen wie: „Auch hat Villon's Testament offenbar einem ähnlichen Gedicht in Heine's Nachlas* gerufen" (p. 23) oder: „Die religiösen und politischen Fragen riefen einer Menge von Flugschriften" (p. 26) und ebenso p. 45 und 71. Statt „an er boren" p. 53 und 60 dürfte wol angeboren zu setzen sein. Schliesslich würde ich in einem für die Jugend bearbeiteten Handbuch die ängstliche Aufzählung der sittenverderbenden Demi-monde- Stücke des zweiten Kaiserreichs gern vermissen.

Im Uebrigen verdient das Werkchen nicht nur wegen des an- ziehenden, gehaltvollen Uebersetzungsmaterials, sondern auch als vor- treffliches Hilfsmittel in den Händen der Schüler beim Unterricht in der Literaturgeschichte alle Beachtung und sei biemit aufs beste empfohlen.

Würzburg. Jent.

Sprachwissenschaftliche Abhandlungen , hervorgegangen aus Georg Curtius' grammatischer Gesellschaft zu Leipzig. Leipzig, Hirzel.

Diese „grammatische Gesellschaft" besteht aus neun hoffnungsvollen Männern, die in diesen Abhandlungen wahrlich unter dem segensreichen Einfluss der neun Musen gearbeitet haben. Wir müssen uns leider Beschränkung auflegen und können nur in Kürze auf die schätzbaren

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Frflebte der Detailstudien dieser „grammatischen Gesellschaft" auf- merksam machen. Herr Angermann eröffnet die Abhandlung mit „Bemerkungen über den Differenzierungstrieb auf dem Boden des Griechischen und Lateinischen", z. B repo und epnco, fliv&og und ßä&og, tausend Mann und tausend Männer, X&6ßoXos und Xi&oß6Xoc (S. 9), also wie &soroxo$ und Seoroxog. Der zweite, ebenso anziehende Teil behandelt die „formale Differenzierung**.

Nicht minder Gründliches und Anziehendes bietet Herr Merzdorf in seiner Abhandlung „über die sogenannten äolischen Bestandteile des nördlichen Dorismus".

Dann reiht sich würdig an Herr Fritscbe, der „über griechische Perfecta mit Präsensbedeutung" ebenso klar als gründlich spricht.

Gerade Detailstudien tragen ungemein ^zur Förderung der Sprach- forschung bei und darum muss uns ferner Uhle's gründliche Arbeit „die Vocalisation und Aspiration des griechischen starken Perfectums" willkommen sein. Viele Philologen von Fach, die den Sarcasmus von Grund aus verstehen, ahnten vielleicht nicht, dass da eine Perfectform dahinter steckt. S 54 stimme ich Herrn Uhle gerne bei und vergleiche mit ZaQtov die Bedeutung von 'Pfjyioy =z Spalt, Kinst.

Daran seh lies st sich das schöne Resultat der Detaitetudien Jolly's in seiner Abhandlung „vom Particip". Wir kennen ja den gelehrten Mitarbeiter der „Gymnasial - Blätter" ohnehin. Diese Leistung (unter Benützung der „Präsensstämme . . ." von Gustav Meyer) , liefert dem Leser reiche Ausbeute aus diesem Sprachgebiete.

Wie wichtig ist eine feine Ausscheidung verwandter Wörter in Schwestersprachen! Ernst Beermann liefert uns hier eine schöne Probe in seinem „Griechische Wörter im Lateinischen".

Anziehend im hohen Grade sind Wörner's Arbeiten über die Sub- stantiva auf -wfa, dann Cauer's Abhandlung über die „dorischen Futur- und Aoristbildungen der Verba auf - C w."

Schliesslich bespricht Carl Brugmann „die Geschichte der pr äBensstammbildenden Suffixe" und bietet die erfreulichste und nützlichste Leetüre.

Wir schliessen mit einem aufrichtigen: Floreat die „grammatische Gesellschaft".

Freising. Zehetmayr.

Literarische Notizen.

Repctitorium der lateinischen Grammatik und Stilistik für die oberste Gymnasialstufe und namentlich zum Selbststudium bearbeitet von Dr. H. Menge. 2. Aufl. Braunschweig, Grünbergs Buchhandlung. 1874. 485 S. in 8. Pr. 4 M. 50 Pf. Die zweite Auflage hat eine durchgehende Revision und damit eine wesentliche Verbesserung erfahren. Es sind einzelne fehlende Materien nachgetragen , viele Regeln bestimmter gefasst oder durch lehrreiche Sätze illustriert. Neu hinzugekommen ist ein Anbang, in welchem eine Anleitung zur Abfassung lateinischer Aufsätze gegeben wird. Separat erschien:

Kurzgefasste lateinische Synonymik für die obersten Gymnasial - Klassen, welche auf 104 S. (Pr. 1 M 50 Pf ) das Notwendigste auf diesem Gebiete enthält.

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Plutarch's ausgewählte Biographien. Für den Schulgebrauch erklärt von 0. Siefert und Fr. Blase. Fünftes Bändchen. Agis und Kleo- menes von Dr. Fr. Blas s. I .eipzig, Teubner. 1875. Pr. 90 Pf. Eine auf das Notwendige beschränkte aber ausreichende Einleitung fahrt in die Lektüre der beiden vitae ein. Der Kommentar ist ?on massigem Umfange und entspricht dem Standpunkt des Schülers.

Isokrates' ausgewählte Reden. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. 0. Schneider. Zweites Bändchen. Panegyrikus und Philippus. 2. Aufl. Leipzig, Teubner. 1875. Pr. 1 M. 50 Pf. Was Band X S. 297 dieser Blätter von dem ersten Bändchen gesagt wurde, gilt auch von diesem: der Ausgabe wäre bei all' ihren Vorzügen doch eine ein- gehendere Revision zu wünschen gewesen.

Aescbylus- Studien. Von Karl Frey, Professor. Beilage zum Osterprogramm des Schaffhausener Gymnasiums von 1875. Schaffhausen. Verlag von C. Baader. Auf 76 S. in gr. 8 behandelt der Verfasser

1. Prometheus (die Entwickelung und Behandlung der Sage). II. Aeschy- leische Licenzen. III Trajektion.

Cicero Brutus de claris oratoribus. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. W. Piderit Zweite Auflage. Leipzig , Teubner. 1875. Pr. 2 M. 25 Pf. Unter Benützung der neuesten Literatur sorgfältig durchgesehen und an einzelnen Stellen verbessert.

Des Qu. Horatius Flaccus Sermonen. Herausgegeben und erklärt von A. Th. H. Fritzsche, Professor an der Universität Leipzig. Erster Band: Der Sermonen Buch I. Leipzig, Teubner. 1875. Preis 2 M. 40 Pf. Der Text fusst auf Holder, nur dass an einzelnen Stellen den Blandinischen Handschriften der Vorzug gegeben ist. Die Kritik ist konservativ. Der Kommentar, reich an sachlichen und sprachlichen Bemerkungen sowie an Verweisungen auf die einschlägige Literatur, bietet nach den bisherigen Ausgaben manches Neue und Interessante. Eine umfangreiche Einleitung (auf 34 Seiten) behandelt das Leben des Horatius, Entstehung, Wesen und Geschichte der Satura.

Thukydides. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Gottfried Boehme. Zweiter Band, erstes Heft. Buch V VI. 3. verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. Pr. 1 M. 20 Pf.

Hebräisch - deutsches und deutsch - hebräisches Uebungsbuch, mit einem Vokabularium zum Gebrauche auf Gymnasien und zum Selbst- unterricht von Dr. Aug. Herrn. Schick, ev. Stadtpfarrer in Ingolstadt. Im Anschlüsse an Dr. Nägclsbach's hebräische Grammatik. I. Teil. Die Formenlehre. Erste Hälfte. 2. verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. 79 S. in 8. Pr. 1 M. Die neue Auflage ist wesentlich vermehrt, der Stoff auch besser verteilt, das Uebungsbuch nicht mehr'blos ein deutsch- hebräisches, sondern auch ein hebräisch - deutsches.

Leitfaden der Algebra für Gymnasien von Dr. A. J. Temme.

2. Aufl , Paderborn 1875, F. Schöningh'sche Buchhandlung. In gedrängter Darstellung gibt derselbe so ziemlich das Meiste, was Gegenstand des Unterrichtes auf Gymnasien ist; die Beweise für Sätze, deren Wahrheit unmittelbar erkannt wird, sind mit Absicht unterlassen, doch fehlt gar manche wichtige Regel, gegen welche vielfach gefehlt wird in der

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. . n . a .b sa\ , a a.c a : c /-a -\

Ai.endang, .. B. das, = . k, y = g-- =5^, (f) =

, etc.; auch scheint die Begründung des Verfahrens bei der b . c

Division komplexer Grössen nicht sehr durchsichtig. Eine besondere Sorgfalt hat der Verfasser dem Abschnitt §. 14 über die Logik zuge- wendet; die Darstellung ist hier besonders klar und auch erschöpfend.

Sammlung von Beispielen, Formeln und Aufgaben aus der Buch- stabenrechnung und Algebra von Meier Ilirsch. 16. Aufl. von Prof. H. Bertram. Berlin, 1875. Carl Duncker'sche Buchhandlung. In der neuen Auflage sind Thaler und Groschen auf Mark und Pfennige umgerechnet. In einzelnen Kapiteln, namentlich bei den Gleichungen, wurden die Aufgaben vermehrt.

Pflanzen -Atlas von J. G. Hubner. 4 Aufl. Auf 32 Tafeln ent- haltend: gegen 400 Pflanzenarten und 2000 Figuren. Nebst Begleit- wort- Heilbronn, Verlag von Gebrüder Henninger. Preis 5 Mark Empfiehlt sich durch Naturtreue, Reichtum und Mannigfaltigkeit der Abbildungen, sowie durch zweckmässige Auswahl (namentlich solche, mit denen der Landmann sich häufig beschäftigt, ferner ausländische, die in merkantilischer Rücksicht von Bedeutung sind). Die Stiel-, Ast- und Blatt -Teile sind verhältuissmässig verkleinert, die Blüten -Teile und Früchte (wenn nicht das Gegenteil besonders bemerkt ist) vergrössert

Uebersichtliches Griechisch - Deutsches Handwörterbuch für die

fanze griechische Literatur. Von B. Suhle und M. Schneide* in ■einzig Hahn'sche Verlagsbuchhandlung. 1875. 1928 (Spalt-) Seiten in Lex. -Format. Pr. 9 M. 75 Pf. Das Wörterbuch will mit der Hand- lichkeit dio Zulänglichkeit vereinigen; es hat deshalb den ganzen Wortschatz der griechischen Literatur aufgenommen, mit Ausschluss der Eigennamen, soferne sie nicht appellativisch gebraucht sind, und weniger ganz abseits liegender Wörter. Die Verfasser glauben manches Irrige, das sich in grösseren Werken findet, berichtigt zu haben, und waren stets bestrebt, das Zweifelhafte vom Gewissen zu scheiden, ferner nach dem heutigen Stand der Wissenschaft die Erklärung möglichst gründlich zu geben, so dass der Sinn des Wortes aus der Grund- bedeutung und der Entwicklung des Sprachgebrauches sich deutlich ergibt. Wo der Raum die Beschränkung auf das Notwendigste gebot, ist vielfach zu weiterer Information auf grössere Werke verwiesen. Die Ergebnisse der vergleichenden Sprachforschung kamen dem etymo- logischen Elemente zu gut. Ordnung und Uebersichtlichkeit ist durch geschickte Gruppirung und geeigneten Druck, sowie durch möglichst präcise Kürze erzielt. Dabei ist das, was in den Kreis der Schullektüre fällt, ausführlicher erörtert, als was nur reifere Leser angeht. An- gehängt iBt ein Verzeichniss der griechischen Verba anomala in alpha- betischer Reihenfolge, tabellarisch dargestellt von B. Suhle 27 S.

Auszüge.

Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.

I. Zur Kritik des Homerns latinus. Von K. S c h e n k 1. Der Verfasser teilt im Anschlüsse an die Ausgabe von L Müller ( 1857)den Teit desLaurentianus

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plut LXVlII 24 nach einer von Dr. Krose besorgten Kollation mit nnd knüpft daran eine nähere Besprechung einiger Stellen. Beitrag rar lateinischen Lexicographie Von J. Wrobel (Fortsetzung und Schluss).

5.

I. lieber die sprachlichen Eigentümlichkeiten im Syntipaa. Von Gust. Meyer in Prag. Zu Michael Psellos dem Jüngeren. Von Isidor Hilberg in Wien.

HL Fortsetzung der Besprechung der neuen bairischen Schulordnung für die Studienanstalten. (Die gemachten Ausstellungen sind grösstenteils nicht stichhaltig.)

Erklärung.

Im Laufe des Jahres 1874 erschienen im Verlag von Hopfner and Grammer zu München folgende zwei Schulbücher:

a) Lehrbuch der Arithmetik für Latein-, Real-, Gewerb - und gewerbliche Fortbildungsschulen von Dr. F. Ustri ch, Director der Widmanu'scheu Lehranstalt.

b) Sammlung von arithmetischen Aufgaben. Anhang zum Lehrbuch der Arithmetik etc. Von demselben Verfasser.

In dem Vorwort des Lehrbuches sagt der Herr Verfasser, dass die bekannten Werke von Hufmann, Dr. Hauck u. 8- w., die Scripten des Gymnasialprofessors Dr. Klein, sowie die des kgl. Hectors Miller in München seine Quellen gewesen seien. Eine Quelle aber, aus welcher Herr Dr. Ustrich ganz ergiebig geschöpft bat, ist nicht genannt, muss also wol unter dem obigen „u. s. w." versteckt sein.

Der Herr Verfasser hat nämlich die collegiale Aufmerksamkeit gehabt, in seinem Lehrbuche über 30 Stellen aus dem „Lehrbuch der Arithmetik von H. Schwager, kgl. Mathematiklehrer in Würzburg", 2«e Auflage 1868 und 3te Auflage 1874 , teils wörtlich , teils mit unbe- deutenden Abänderungen, zu entlehnen. Die bei den verschiedenen Kapiteln aufgestellten Aufgaben sind da, wo sie obiger Quelle entnom- men, auch mit der vollständigen Lösung abgedruckt. Hieher gehören namentlich die Zins- und die Terminrechnung. Bei diesem fabrik- mässigen Abschreiben sind in der Eile mitunter auch sinnstörende Fehler unterlaufen. So enthält z. B. die dritte Lösung, S. 55, eine falsche Schlussfolgerung, weil der Setzer in eine irrige Zeile geraten ist, ohne dass es der Corrector gemerkt hat.

Sehr naiv ist, dass, nachdem aus der 2ten Auflage des Schwager'schen Lehrbuches Seite 47 und 48 die beiden Beispiele über abgekürzte Multiplikation und Division abgedruckt worden sind, auch noch folgende Schlussanmerkung mit in den wolfeilen Kauf genommen wurde:

„Die weitere Ausführung der abgekürzten Multiplication und Division bleibt dem Unterrichte vorbehalten". I

Soweit das Lehrbuch.

Was nun die Ustrich'sche Sammlung von arithmetischen Aufgaben betrifft, so enthält dieselbe nicht weniger als 38 Beispiele, welche teils wörtlich , teils mit ganz geringen Abänderungen ebenfalls dem Schwager'schen Lehrbuch entnommen sind.

Bei den Aufgaben über die Terminrechnung, Seite 26, war der Herr Verfasser gar nicht mehr wählerisch, er nahm ungenirt gleich die

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sümmtlichen in seiner Sammlung befindlichen Beispiele 10 an der Zahl aus obigem Buche, wol desswegen, weil gegen das Ende der Sammlung die Zeit drängte.

Dass die beiden Schriften des Hrn. Dr. Ustrich vom kgl. Staats- ministerium empfohlen worden siud (Cultusministerihlblatt No. 36 vom Jahre 1874), war mir sehr erfreulich zu vernehmen; den Herrn Ver- fasser möchte ich aber gebeten haben, künftig bei einer etwa notwendig werdenden zweiten Auflage die vergessene Quelle, wie es Sitte ist, gefälligst anführen zu wollen *).

Würzburg, im April 1875. H. Schwager,

kgl. Mathematiklehrer.

*) Vgl. die Vorrede zur „Sammlung von arithmetischen Aufgaben von Steck und Bielmavr , 2. Auflage" , wo dieselben Klagen wie hier erhoben werden. D. R.

Statistisches.

Ernannt: Studl. Trenn er in Kulmbach zumSubrektor in Hersbruck; Ass. Hai ler in Regensburg (Konk- 1874) znm Studl. in Weissenburg; der Zeichenlehrer an der Kreisgewerbschule Kaiserslautern, Voltz, zum Prof. für dasselbe Fach am Realgymnasium Nürnberg; der Lehrer für neuere Sprachen an der Studienanstalt Schweinfurt, Voss, in gleicher Eigenschaft an der Gewerbschule Bamberg; zum Hilfslehrer für Realien an der Kreis- gewerbschule Augsburg der Lehramtskandidat D o t z c r ; zum Lehrer für Realien an der Gewerbschule Ingolstadt der dermalige Verweser dieser Stelle, £ d e r.

Gestorben: Prof. Schedlbauer in Straubing.

Der letzte Tag des Mai hat dem bayerischen Gymnasial -Lehrer- stande zwei schwere Verluste gebracht.

Schulrat P. Gregor Höfer, seit 27 Jahren Rektor des Ludwigs- Gymnasiums in München, wurde in einem Alter von 62 Jahren durch den Tod von langen Leiden erlöst; tadellos als Priester, ein gediegener Philolog und vortrefflicher Lehrer, dessen Brust der Verdienstorden vom heiligen Michael zierte.

Rektor Dr. Gottfried Friedlein in Hof, gleich tüchtig als Philolog wie als Mathematiker, die liebenswürdigste Persönlichkeit, der zärtlichste Familienvater, aufopfernd im Dienst der Wissenschaft und des Staates, dem er 22 Jahre in verschiedenen Stellungen seine Kraft mit anerkanntem Erfolge gewidmet, musste in dem schönen Mannes- alter von 47 Jahren von diesem irdischen Schauplätze abtreten. Sein früher Hingang ist besonders schmerzlich für diese Blätter, an deren Begründung er hervorragenden Anteil genommen und deren Redaktion er seit ihrem Bestehen mit ebensoviel Liebe als Umsicht mitbesorgt hatte. Sein Andenken sei gesegnet I.

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Dr. Joh. Gottfried Friedleiu,

geboren am 5. Januar 1828, war der zweite Sohn des Bürgers und Bäckermeisters Johann Friedrich Friedlein in Kegensburg. Schon in seinem 10. Lebensjahre verlor er den Vater und das Meiste von dem, was elterliche Erziehung an ihm that, verdankte er seiner trefflichen Mutter, Frau Christina Friedlein, geb. Wagner, welche aus Liebe zu ihren Kindern nicht wieder heiratete, sondern entschlossen die Führung eines grossen Hausstande« und Geschäftes in eigene Hand nahm und mit Sorgfalt über ihre vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter, wachte. Sie alle gediehen unter ihrer treuen Pflege, aber der Stolz der Mutter war Gottfried, welcher hohe Begabung und rastlosen Eifer für alles Gute, auch frühzeitig schon jene Bestimmtheit des Willens an den Tag legte, die ihn vor vielen andern ausgezeichnet hat.

Auf dem Gymnasium, welches er im Jahre 1846 mit der Note Vorzüglich würdig absolvierte, that er sich ausser den Sprachen besonders in der Mathematik hervor und widmete sich demgemäss nach einigem Schwanken , ob er sich nicht dem Bergwesen zuwenden solle, auf der Universität München dem Studium der Philologie und Mathematik. Er gewann bald das Wohlwollen seiner Professoren, welche bis an sein Ende freundschaftlichen Verkehr mit ihm gepflogen haben: wie denn in seinem ganzen Lebensgange zu bemerken ist, dass mit jeder neuen Bekanntschaft ihm ebensoviel neue Freundschaften erwuchsen, die sämmtlich zu pflegen er nicht müde wurde.

Der eiserne Fleiss, welchen er an die Bearbeitung einer Preisauf- gabe setzte, warf ihn auf's Krankenbett: eine Gehirnentzündung liess das Aeusserste für ihn fürchten und wohl nur der ausgezeichneten Behandlung , welche er unter besondern Umständen fand, verdankte er die Erhaltung seines Lebens. Hofrat Thiersch, der Regenerator des höheren Unterrichtswesens in Baiern, war durch seine Leistungen auf ihn aufmerksam geworden ; als er den jungen Mann nicht mehr an dem Platze, welchen er im Collegium einzunehmen pflegte, sitzen sah, erkundigte er sich nach der Ursache und wusste es dahin zu bringen, dass der Leibarzt des Königs ihn in besondere Behandlung nahm. Trotz dieser Erkrankung bestand er bereits nach dreijährigem Besuch der Universität 1849 den Konkurs für das Gymnasiallehramt, zwei Jahre später den für das Lehramt der Mathematik an Gymnasien, beide mit bestem Erfolge.

Im Frühjahr 1850 verliess er München, um an dem Gymnasium seiner Vaterstadt in die Praxis einzutreten und wurde, nachdem er inzwischen auch drei Monate Soldat gewesen, im November 1851 zum Assistenten an den drei oberen Klassen des Gymnasiums Kegensburg, im Herbst 1852 auch zum Assistenten des Lehrers der Mathematik da«elbst ernannt; im December 1853 erfolgte seine Anstellung als Studienlebrer in Erlangen, wo er nacheinander diel., II. und III. Klasse der Lateinschule unterrichtete. An seinen Aufenthalt in dieser Stadt schlössen sich schöne Erinnerungen: dort knüpfte er am 23. August 1858 mit Fräulein Wilhelmine Lammers, seiner jetzt um ihn trauernden Witwe, das Band der Ehe, welcher drei Töchter, jetzt 15, 13 und 1 1 Jahre alt , und zuletzt ein nach 10 Wochen wieder verstorbenes Söhnlein entstammten; dort knüpfte er viele freundschaftliche Verbindungen mit grossen Gelehrten an der Universität, welche damals geradein besonderer Blüte stand; auch er betrat jetzt mit Erfolg die literarische Laufbahn: nachdem er durch kleinere Schriften 1857 den Titel eines Doktors der Philosophie erworben und 1858 an der Jubelteier des greisen Thiersch sich beteiligt hatte, gab er 1858 und 18.;9 ein griechisches Lesebuch

Blätter f. d. bajrer. Gymn.- ti. Re»l-Schulw. XI. Jalirß. J6

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in 2 Teilen und 1861 Gerbert, die Geometrie des Boätius und die indischen Ziffern heraus. Leider musste er auch in Erlangen dem Tode wieder ins Angesicht schauen : eine Rippenfellentzündung warf ihn schwer darnieder und nur nach einem längeren Landaufenthalte in der Nähe von Regensburg kounte er unter treuester Pßege der Seinigen wieder genesen.

Am 1. Oktober 1862 wurde er zum Professor der Mathematik am Gymnasium Ansbach ernannt; ein Wechsel des Berufes, welches seine wissenschaftliche Thätigkeit immer mehr in eine bestimmte Richtung führte. Er wandte sich ganz dem Studium der alten Mathematiker zu und gab 186? den lateinischen Text der Schriften des Boetius über Mathematik und Musik heraus. Auch als praktischer Schulmann zeigte er grossen Eifer und Geschick, und wurde daher, als die vereinten Lehrer der bairischen Gymnasien eine eigene Zeitschrift gründeten, von seinen Kollegen zur Teilnahme an der Redaktion berufen, ein Amt, dessen er bis zu seinem Ende mit unverdrossener Hingebung zum Segen dieser Blätter und des bairischen Gymnasiallehrervcreins waltete. Seine wissenschaftliche Thätigkeit und praktische Lehrbefähigung, seine Geschäftsgewandtheit und Redegabe, seine tiefe Religiosität und Gewissen- haftigkeit, seine mit herzgewinnender Liebenswürdigkeit verbundene Festig- keit und Entschiedenheit, diese und andere Vorzüge wussten auch seine Vorgesetzten wol zu würdigen: es wurde ihm am 16. März 1868 das Studienrektorat Hof in Verbindung zuerst mit der Lehrstelle der Ober- klasse, dann seit dem 1. Oktober 1868 mit der Professur der Mathe- matikübertragen. Wie segensreich er hier gewirkt hat, wie er überall, besonders bei Lehrern, Schülern, Eltern gewinnend und vertrauen- erweckend auftrat, wie er die Studienanstalt in aller Art würdig vertrat und gedeihlich verwaltete: das kann hier des weiteren nicht geschildert werden. Bald ernannte ihn auch die Stadt zum Rektor der neu organi- sierten höheren Töchterschule, an deren Erstehen und Aufblühen er einen Hauptanteil hat: eine neue schöne Seite seines Wesens zeigte er in der Uneigennützigkeit , mit welcher er sowol das Rektorat derselben als drei Unterrichtsstunden wöchentlich ohne jede Bezahlung übernahm. Von der Annahme des höchst ehrenvollen Antrags an dem von König Max II. ins Leben gerufenen Werke, einer Geschichte sämmtlicher Wissenschaften, durch Uebernahme der Geschichte der Mathematik sich zu beteiligen, musste er wegen seiner amtlichen Geschäfte zurücktreten ; was er dafür vorgearbeitet hatte, veröffentlichteer 1869 in seiner Geschichte der Zahlzeichen der Griechen und Römer. Ausserdem schrieb er Recensionen und Abhandlungen in mathematischen Zeitschriften Deutsch- lands und Italiens und gab noch im Jahre 1873 den Kommentar des Prokies zum 1. Buche der Elemente des Euklides heraus. Daneben fand er unter vielem andern auch die Zeit mit Erziehung und Unter- richt seiner Kinder sich aufs Angelegentlichste zu beschäftigen. Leider wohnte, wie wir jetzt wissen, dieser feurige und frische Geist in einem hinfälligen Körper: im Frühling 1871 führte ein Blutsturz die dritte sein Leben bedrohende Krankheit herbei; im Herbst 1874 traten bedenk- liche Ohnmachtsfälle ein; vor 2 Monaten ergriff ihn die Lungenschwind- sucht, welche unter den schmerzlichsten Leiden endlich zur völligen Auflösung führte. Er starb an demselben 31. Mai wie 7 Jahre früher sein Amtsvorgänger Rektor Dr. Gebhardt, in demselben 48. Lebensjahre, das auch das letzte seines Vaters gewesen war. Sein Gedächtniss wird nicht erlöschen ; insbesondere werden diese Blätter, die er mitbegründen half und mehr als ein Dezennium wie ein sorgsamer Gärtner pflegte, sowie der bair. Gymna3iallehrerverein, an dessen Versammlungen er stets hervorragenden Anteil nahm, sein Andenken immer in Ehren halten.

Gedruckt UsJ j Qottoawinter A Wö.il in München, The»tmerstrai*e 18.

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Zu einigen Stellen im üiou uud Chabrias des Com. Nepos.

Es ist bekannt, welch grosse Verdienste sich der jüngst verstorbene Nipperde \ um die Kritik und Interpretation der wenigen erhaltenen Reste aus den Schriften des C Nepos erworben hat. Auf seinen Schultern steht zum guten Teil die weitaus beste aller Textaus- gabeu, welche wir von diesem Schriftsteller besitzen, die bekannte Halm'sche vom Jahr 1871 In der Ausgabe vom Jahre 1849 aber hat Nipperdey, abgesehen von der wertvollen Einleitung, eine reiche Fülle von stilistischen und sachlichen Bemerkungen zum Text niedergelegt, so dass jeder, der diese gründliehe und scharfsinnige Arbeit kennt, nur bedauern muss, dass es dein gelehrten Verfasser nicht gegönnt war, dieselbe „mit den Resultaten eigner und fremder Bemühung vermehrt aufs neue zu veröffentlichen, damit sie wieder, auf die Höbe der Forschung gebracht, jedem jungen Philologen zum Muster in die Hand gegeben werden kann, wie man einen Schriftsteller erklären muss" (Eberhard in der Zeitschrift f. d. G.-W XXV. Jahrg. II Bd. S. 667). Dass ferner seit jener Ausgabe ausser von Nipperdey seihst auch von einer Reihe anderer Gelehrten sehr viel für die Verbesserung und Erklärung des Textes geschehen ist, lässt sich leicht aus der erwähnten Ausgabe von Halm erkeunen. Wenn ich dennoch die Ausicht ausspreche, doss an «inen Ahschluss in dieser mühsamen Arbeit noch lange nicht zu denken ist, ja dass der Standpunkt jener verdienstvollen Gelehrten im Laufe der Zeiten noch manche Modihcatiouen erfuhieu wird, so liegt das eben in der Eigenartigkeit unseres Schriftstellers, von dem Eberhaid a a. O. S. 649 mit Recht sagt: „Bei eiuem so eigentümlichen Schriftsteller wie C. Nepos ist die Konjekturalkrii.k deswegen besonders schwierig, weil mau nicht sicher weiss, weder in historischen Dingen noch in der Logik noch in der Sprache, welchen Grad von Ungenauigkeit man ihm zutrauen darf".

Sehe ich nun recht, so ist Nipperdey in seiner Beurteilung der Leistungen unsers Schriftstellers nicht ganz seilen über das rechte Mass hinausgegangen und zwar aus zwei Gründen: erstlich, weil er öfters den abweichenden Berichten anderer Schriftsteller (wie Plutarch, Diodor u s. w ) mehr als notwendig beigepflichtet, und zweitens, weil er teils den überlieferten Text für zuverlässiger gehalten als er in der That ist, teils auch die richtige Auffassung desselben übersehen hat. Angedeutet bat den letzteren Punkt auch Eberhard a. a. 0. mit den Worten : ,„N. hat die grösste, man dar! wol sagen übergrosse Vor- sicht in der Aufnahme von Konjekturen gezeigt".

Hlitter f. d. bayer. Oymn.- «. Real-8chu»w. XI. Jährte. |7

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Indem ich bitte, mir für jetzt deii Beweis für die erste Behauptung zu erlassen, will ich schon aus dc;n äusserlieheu Grunde <Us Raum- mangels mich auf einzelue Stellen im Dion und Chabri«s beschränken, um teils durch Erklärung teils durch Nachweis der Tcxtverderbniss zu zeigen, wie sehr mau noch immer 1* rauche hat, mit dem Urteil über die schriftstellerische Bedeutung des Nepos zurückhaltend zu sein

Ich wähle zunächst jene Partie aus dem Leben des merkwürdigen Siciliers Dion , in der Nepos das Sinken und den Untergang seines Glückes darstellt. Gleich die ersten Worte des 6. Kapitels müssen Anstoss erregen, da im vorhergehenden Kapitel die vollständige Angabe jener reu tarn pronperae tamque inopinatae fehlt, auf welche offenbar Bezug genommen wird. Auffalleuder Weise konnte sich Nipperdey erst in seiner kleineren Ausgabe (mir steht nur die 5. Aurl. von 1808 zu Gebote) eutschliessen , eine Lücke vor dem Beginn unseres jetzigen ß. Kapitels anzunehmen Wenn man bedenkt, welch grosse Wichtig- keit Plutarch und Diodor den Kämpfen beilegen, die schliesslich nach mancherlei Variationen zur völligen Vertreibung des Dionys führen, so dürfte mau wol in der Anuabme nicht irren, dass mindestens ein ganzes Kapitel zwischen dem 5. und 6. ausgefallen ist, zumal gerade diese Partie Gelegenheit gab, das bedeutende Talent Dioos in der Heerführung iu klares Licht zu stellen. Die weiter in den Kapiteln G 9 folgenden Mitteiluugen sind offenbar aus andern Quellen geschöpft, als dem Plutarch bei seiner Lebensbeschreibung des Dion uud dem Diodor bei Verabfassuug seiner Geschichte zu Gebote standen. Während namentlich bei Plutarch Dion als unglückliche« Opfer des unerbittlichen Fatums erscheint, tritt bei N. mehr die Ansicht hervor, dass den Tyrannen von Syrakus das gewohnte uud verdiente Geschick erreicht habe. Ob an dieser Auffassung die persönlichen Ansichten und Neig- ungen des Republikaners N. mehr oder weniger Anteil haben, oder ober uur wiedergibt, was er iu seinen Quellen gefunden hat, lässt sich wol nicht mehr entscheiden. Ja selbst darin geht Nipperdey zu weit, dass er dem ruchlosen Mörder des Dion mit aller Bestimmtheit den Namen Callippua statt CaUicrates viudicirt. Wie dem übrigens auch sein mag, von dem Vorwurf des Mangels an kritischem Sinn wird N schon darum nicht gereinigt werden können, weil ein unver- dächtiger Zeuge aus dun Altertum selbst (Plinius N. H. V, 1, 4) ihn der Leichtgläubigkeit bezichtigt Sollte nun aber N wirklich iu Bezug auf den aus den Quellen entnommenen Stoff nicht nur vieles absichtlich übergangen, sondern auch ebeufalls absichtlich vieles gänzlich verdreht hauen, wie Nipperdey behauptet (A. von 1840, Einleitung S. XXXI); darf auch mit Kecht der Stil des N. ungleichmäßig und nicht lten auch nachlässig geuanut werden, so bin ich duch überzeugt, <lass Grasherger Recht hat, wenn er (Eos. I, 2, S 229 f.) sagt, mau dürfe

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bei einem Schriftsteller, der seiner Zeit einen nicht unbedeutenik ri* Namen hatte, dessen Schriften wenigstens gelesen wurden, nicht derartige grob« Fehler in der Darstellung annehmen, wie man sie auch, heutzutage weit eher einem sorglosen Setzer oder Corrcetor als dem Autor selbst zuzuschreiben geneigt sein würde.

Dass Nipperdey's Ausstellungen mitunter auf mangelhafter Inter- pretation beruhen, dafür gibt, glaube ich, das 7. Kapitel nnsers Dion einen interessanten Beweis. Dion hat nach der Ermordung des Hern- klides, um das Heer fester an sich zu knüpfen, die konfiscirten Güter seiner Gegner an die Soldaten verteilt und dabei nicht das verständige Mass walten lassen (licentius hat wol nichts mit dem Ueberscbreitcn der Gesetze zu thun, wie Nipperdey in seiner kleinen Ausgabe erklärt). Wie man mit diesen Mitteln fertig war (quibus divisis*), trat, da man auch sonst alle Tage tüchtige Ausgaben hatte, bald Geld- mangel ein, und so blieb denn schliesslich (wenn man so fortwirt- schaften wollte) nichts übrig, als den eignen Anhängern aus der Adelspartei ihre Güter zu nehmen.

Unser Text fährt uun fort: Id ejis modi erat, ut, cum milites reconciliasset, amitteret optimates In den' beiden mir vorliegenden Ausgaben nennt Nipperdey die^e Darstellung unklar und (in der kleineren auch) unrichtig Wenn ich recht sehe, bat aber Nipperdey selbst darin gefehlt, dass er eine Entfremdung nicht blos der Soldaten, sondern auch der Optimaten annimmt. Die Soldaten allerdings waren, als (nicht so oft, wie Nipperdey meint i die Gratificationen oder Zulagen aufhörten, nicht wenig verstimmt. Dass dies der Fall war, sagt N. bald darauf ganz deutlich : offensa in cum müitum voluntate, und im nächsten Kapitel glaubt Dion seinem Freunde Callicrates, der ihm vor dem Hasse der Soldaten bange macht Noch klarer drückt sich über diesen letzten Punkt Plutarch aus (Dion c 54), wenn er sagt: «fi yitQ nute (pitivuq iwj' OTQttTHot div ;i (joV ix( ivov tj k f k e y fj t ¥ ff g « X 9$ w < ttru- (ptQvjy 1}' 71 CA / ff aut vu g t:n' uviov. Von einer Verstimmung der Optimaten dagegen , auf deren Seite gerade Dion gegen Heraclides gestanden war (vgl. Plut. Dion c. 53), weiss auch N nichts. Hätte Dion auch die eignen Anhänger nicht geschont, was doch nicht klug gewesen wäre} so wäre ja auch die Verstimmung der Soldaten nicht denkbar. Dies bedeutet aber auch der oben citirte Satz gar nicht, sobald man den Sinn des id ejus modi erat richtig fasst. Dieses id schliesat sich unmittelbar an die vorhergehenden Worte in amicorum possessiones (manus porrigere) an und steht an Stelle eines hypothetischen Vorder-

*) Hier fehlt in der Hainichen Ausgabe das Komma, wie mir scheint, mit Unrecht

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satzes der sogenannten 4. Art: wenn pr auch nach den Gütern seiner Anhänger die Hände ausgestreckt hätte, so hätte er in Folge dessen [ejus modi erat, ut) zwar die Soldaten (die über die Unterbrechung der Schenkungen unwillig waren) wieder gcwounen, aber die Optimaten (d. h. so weit sie bisher zu ihm hielten) verloren. Der Indikativ des Imperfekts kommt bekanntlich auch sonst vor statt des Konjunktivs Plusquamperfecti (vgl. Zutnpts Gramm., 9. A S 510 b.), und zwar, wie mir scheint, besonders danu, wenn mau die Folge als unausbleiblich bezeichnen will. Da gerade in diesem Falle das av der Apodosis im Griechischen gerne wegfällt (vgl. Krügers Gramm. 3. A. §. 54, 10, I), so liegt die Vermutung nahe, dass N. genau sein griechisches Original nachgebildet hat, welches lautete: iovto ye ovruq wäre xrk Somit hat also Dion es nur mit den Soldaten verdorben, und diese waren es auch, von denen es im folgenden Satz heisst, dass sie über Dion sich schlimm vernehmen Hessen, während sie ihn vorher gar nicht genug rühmen konnten Darum ist auch eine Versetzung des Relativsatzes quorum laudibus hinter militum voluntate , wie sie im Pbilol. Anz. (Bd. IV, S. 93) verlangt wird, nicht nur unnötig, sondern sogar falsch, insofern ab Iiis, wie statt ab iis vorgeschlagen wird, von den Optimaten verstanden werden soll Ebenso falsch ist im §. 2 des 8. Kapitels die Umstellung in propter odium populi et offensionem militum , die an der gleichen Stelle verlangt wird, obgleich oben N. von der offensa militum voluntas spricht. Das -stärkere odium ist gewählt, weil Calli- crates, wie Plutarch's Mitteilung deutlich zeigt, gerade die Stimmung des Heeres als recht schlimm hinstellen wollte. Die Beziehung des folgenden quod aber auf das nachstehende odium ist darum nicht zu befürchten, weil der Satz quod nullo modo evitare passet einen zwar relativisch angeknüpften, aber an sieb selbständigen Gedanken enthält, so dass quod einem et id gleichzusetzen und vielleicht posset in posse zu ändern ist (vgl. Zumpts Gr. 9 A. § t>03, 3)

Dagegen ist rair's auffallend, dass man (meines Wissens) bisher keinen Anstand genommen hat an den Worten nisi in amicorum pos- sessiones im §. 2 des 7. Kapitels. Wir haben es hier mit einem sogenannten abgekürzten Satz zu thun , der durch Ergänzung de3 Verbums suppetere zu einem vollständigen Nebensatz gemacht werden kann. Die Konstruktion dieses Satzes aber rührt offenbar von der Ergänzung des Ausdrucks manus porrigere her, die nur danu richtig wäre, wenn zu suppetebat nicht der Atti ibutivsatz quo manus porrigeret, sondern ein Subjektsatz manus porrigere gesetzt wäre und gesetzt werden könnte. Mir acheint die Lesart falsch zu sein, sei es nun, dass in in Folge falschen Verständnisses hineinkorrigirt wurde, oder dass sie durch unrichtig gelesenes nisibi =. nisi sibi entstanden ist

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Ist im 7. Kapitel , wie ich gezeigt zu haben glaube, uur «las in im §. 2 anstössig, während son9t alles in Ordnung ist, so scheint mir dagegen im 9 Kapitel der Text übel verderbt zu sein Callicrates, der ein gefahrliches Spiel um den Thron in Syrakus trieb, möglicher Weise auch nur das Werkzeug der Feinde Dion's war (Plut. Dion c. 54 med), schreitet zum Abschluss des Unternehmens Nachdem er alle Massregeln zu seiner Sicherheit getroffen bat, schickt er einige der verwegensten und stärksten von den Söldnern aus Zakynth (vgl. Plut. Dion c. 22) geradezu in's Haus des Dion , der sich eben aus dem Tumult der Proserpinalien (Plut Dion c 56 tin.') zurückgezogen hat. Kr gibt ihnen den Auftrag, unbewaffnet dahin zu gehen, um keinen Verdacht zu erregen. Auffallend ist, dass der Auftrag, den Dion um jeden Preis zu tödten, gar nicht erwähnt ist.

Hi propter notitiam sunt intromissi beisst es weiter, und nun folgen die Worte at Uli, von denen das erste andeutet, dass etwas ganz Unerwartetes eintritt, während Uli offenbar im Gegensatz zu dem kurz vorhergehenden hi steht. Heide aber, die hi und die Uli, können ver- nünftiger Weise nur die nämlichen Zakynthier sein Dieses at liesse sich allenfalls vermittelst der Erweiterung des vorhergebenden Ge- dankens noch annehmbar machen: Da jene Männer wol bekannt waren, so schöpfte mau keinen Verdacht, sondern Hess sie unbedenklich ein. Die Sache ging aber ganz anders; denn dieselben u. s. w. Solche Kürze der Darstellung wäre bei einem Schriftsteller, der nur excerpirt, vielleicht erklärlich. Dass aber N. den falschen Gegensatz zwischen hi und HU nicht bemerkt haben sollte, i«t nicht denkbar. Um dem abzuhelfen, hat Arnoldt (Fleckeisen's N. Jbb. 109, H. 4) vorgeschlagen, hinter notitiam die Worte a custodibus einzuschieben, um so den Gegensatz zu Uli zu gewinnen. Aber man lese so die Stelle, und mau wird sich immer wieder an dem Uli gegenüber jenem hi am Anfang des vorhergehenden Satzes stossen. Möglich wäre ja at Uli nur dann, wenn es hiesse: custodes (oder Dion?) eos non dubitaverunt intro- wittere. At Uli etc. Dagegen scheiut mir so viel an dieser Konjektur richtig zu sein, dass an dieser Stelle N. etwas von den Leibwächtern des Dion gesagt hatte; darauf führt notwendig der Anfang des §. 6, wo durch tili, ipsi ausdrücklich auf eine frühere Erwähnung derselben bin« gedeutet wird. Dass N., wie Nipperdey in seiner kleinen Ausgabe meint, vergessen haben sollte, zu erwähnen, dass noch eine besondere nicht eingeweihte Wache im Innern des Hauses war, scheint mir ganz undenkbar, und wenn ich recht sehe, so haben uns unsere Handschriften ausser jenem Uli ipsi c. noch eine weitere Spur an die Hand gegeben, aus der die Korruptel zu erkennen ist. Denn das hinter Ii mm stehende ejus ist ein deutliches Zeichen, dass vorher von dem Zimmer, in welchem sich Dion aufhielt, die Rede war Oder sollte man Urnen

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ejus statt Urnen ejus conclaris , in quo Dion versabatur wirklich für lateinisch haiton dürfen ? Dass jenes ejus schon in früher Zeit Anstoss erregt hat, erkennt mnn daraus, «lass die Ultrajectana vom .Tahre 1 4J, die bekanntlich sehr wichtig ist, dasselho woglässt Kleckeisen dagegen vermutet statt dessen conclavis, und Nipperdey will schreiben (spicil II, 3 von 180'.») : limine tenus. Wie aber aus conclavis, das ja ganz klar wäre, ein rätselhaftes ejus entstanden sein sollte, ist unerfindlich, und der beschränkte Gebrauch von tenus in jener Zeit, sowie die Nacktheit des Ausdrucks ohne nähere Bestimmung des Urnen sprechen auch gegeD diese Konjektur. Wenn nun Halm, um den Hauptanstoss jenes Uli ipsi §. <• wegzuschaffen, dafür ipsius schreiben will, so ist das eine dem jeteigen Texte ganz angemessene Vermutung, aber auch nichts weiter; denn so leicht auch aus einem ursprünglichen iprius ein ipsi werden konnte, und so gerne man auch ipsius an dieser Stelle unter allen Umständen sehen würde, so bleibt doch immer rätselhaft, wie man, sei's durch ein Schreihversebeo, sei's aus Missver- ständniss (etwa um dc,m Leser das Verständniss leichter zu machen I) auf die Einschiebung dieses Uli kommen konnte. Wollte man indessen auch der Halm'schen Konjektur beistimmen, so müsste doch zum aller- mindesten noch jenes Uli im § 4 entfernt werden. Man versuche es aber auf irgend eine Art, mit der (ziemlich gewaltsamen) Streichung, oder mit Ersetzung durch iidew , oder mit Verwandlung in illum, immer wird man auf neue Schwierigkeiten stossen , die ich , um nicht allzu sehr zu ermüden, unterlasse aulzuzählen. Dies alles zusammen* genommen, erscheint es mir in hohem Grade wahrscheinlich, dass die Worte hi intromissi ihr Dasein einer ausbessernden Hand verdanken, welche die vorgefundene Lücke verdecken wollte. N hatte an dieser Stelle sowol die Leibwächter handelnd eingeführt, als auch das Zimmer erwähnt, in dem sich Dion aufhielt.

Im §. 4 heisst es dann von den Zakyntbiern weiter: colli gant (Dionem) Dass von einem eigentlichen Binden eicht die Rede sein kann, ist an sich klar; aber auch Nippcrdey's Erklärung in seiner kleinen Ausgabe: „sie pressen ihn zusammen, dass er kein Glied rühren kann", scheint mir unhaltbar. Denn angenommen, dass colligare \xn Sinne von manibus colligare die angegebene Bedeutung wirklich hätte, so widerspricht der weitere VerlHiif dieses Ereignisses, wie er nament- lich in den Worten (§. <») qund Uli vicum tenebant dargestellt ist. Denn aus diesen geht deutlich hervor, d«ss Dion sich so tapfer seiner Haut wehrte, dass seine Mörder ihm Dicht an's Leben konnten, üätten es aber die Zakynthier, deren wir wol drei annehmen dürfen (dgfyti tivi itHy Zux. iyxsiQidtov sagt Plutarch), his zu jenem Grade der Ueberwältigung gebracht, den Nipperdey annimmt, so wäre bis zur Erdrosselung ein kleiner und leichter Schritt gewesen. Den wirklichen

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Sachverbalt erkennt man am besten aus Plutarch (Dion c. 57): ol df Tiii Jton't TlQoa ifiJnt'T x«Tt%t:iv i:tfiQ(ofm xcti <svt'Tt)ip£tv aviov. «<r <)' ov&tf insQuirov, tiinvv ^iyoc. Wie man siebt, konnten sie ihn nicht in ihre Gewalt bekommen (xuri/eiy) , und man wird daher auch jenes tenere (§. 6 festhalten) als einen mehr allgemeinen und nicht eben klaren Ausdruck neben vivum (ohne ihn tödten zu können) ansehen müssen und in der Betonung zurücktreten lassen. Ueberhaupt ist der ganze Kausalsatz merkwürdig gebildet, da die beiden Hauptmomente', das Fordern der Waffe und das nicht tödten Können sprachlich eine unter- geordnete Stellung einnehmen. Offenbar kommt hier jene von Nipperdey mit Recht hervorgehobene Neigung zum „Zierlichen und Pikanten, zu Gegensätzen und Wortspielen" zur Geltung, da N. sich eine solche Zusammenstellung wie flagitantes vir un nicht entgehen lassen wollte. . Ist also, um zur Hauptsache zurückzukehren, meine Anschauung von dem Vorgang richtig, so ist colligant ein Fehler, der aller Wahrschein- lichkeit nicht dem N , sondern der Ueberlieferung zuzuschreiben ist. Wenn ich nun vermute, dass N. covfligunt geschrieben hatte, so 9iebt jeder, dass das falsche conligant durch üebersehen des Buchstaben f leicht entstehen konnte

Aber noch ein anderes Wort unseres Kapitels erregt Anstöss N erzählt nämlich am Schlüsse, übereinstimmend mit Plutarch, ein gewisser Lyco aus Syrakus habe den Mördern auf ihr Verlangen eine Waffe (Syxetpifhoi' , nicht ci'^oc nennt sie Plutarch) gereicht. Beide sagen auch übereinstimmend, dass dieselbe durch's Fenster (dt« rijc »vgiifoc) gereicht worden sei. Aber Plutarch lässt den Dion iv oi- xtjuuri xXlrtts rums lxnvtl sicn aufhalten, N. dagegen in conclavi edito Siebeiis bemerkt hiezu : „im oberen Teile des Hauses Dahin pflegte mau sich zurückzuziehen, wenn man ungestört sein wollte". Wenn man aber in Beckers (Iharikles (Bd. II, S. 83 f., 103) sich umsieht, 80 findet man, dass ein zweitos Stockwerk (vjisqiöov) in jener Zeit gar nicht allgemein war und, wenn es aufgesetzt war, am liebsten zu Sklavenwohnungen benutzt wurde, nnd noch mehr beschränkt finden wir das Vorkommen zweiter Stockwerke in Pauly's Realencycl. (Bd. II, S. 1335). Doch angenommen, der Tyrannenpalast in Syrakus wäre ganz oder teilweise zweistöckig cewesen , so liegt in dem Ausdruck conclave editum selbst eine Schwierigkeit, da angenommen werden müsste, dass N in flüchtiger Weise so geschrieben hätte statt conclave editae domus parti* (Tacit. ann VI, 21). Die grösste Schwierigkeit liegt jedoch darin, dass Lyco durch's Fenster die Watte gereicht hat Da man eine am oberen Stockwerk hinlaufende Gnilerie mit Zugang von aussen bei Dions Palast (vgl. Charicl. II, S. 103) wo! nicht annehmen darf, so bliebe nur noch der Fall denkbar, dass man eine Leiter herbeigeschafft hätte. Es hätte diess erst im Augenblick des Bedürfnisses geschehen

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müssen, da die Verschworenen, welche an Thürcn uml Fenster jiostirt waren, wie Plutarch ausdrücklich sagt, <loi:h unmöglich mit einer Leiter gegen den Pulast anrücken konnten. Ein solcher Umstand aber, wie die nicht ungefährliche Ilerbeiscbafl'ung einer Leiter, hatte erwähnt werden müssen. Diese Umstände machen das Wort edito sehr ver- dächtig und legen die Vermutung nahe, dass N. geschrieben hatte: ah dito , zumal da Dions Aufenthalt in einem hinten hinaus (in den Garten) gelegenen Zimmer den Verschworenen bei ihrem Unternehmen förderlich war.

Auch das Wort fettest ras wird wol, da f'enestrae mit der Bedeutung eines Singuhiris nicht nachzuweisen ist, mit dem codex Marcianus in fenestram zu ändern sein. Dagegen halte ich eine Aenderung in den; Satze qua fagcret ad salutein (§. 2) nicht für nötig. Wenn in Fleckeisen's N, Jbb. (Jahrg. 1872. LI. 8) vorgeschlagen wird zu schreiben: qua (tigeret saltem, so hätte N. nicht nur dieses sattem hier allein gebraucht, sondern ihm auch eine auffallende Stelle angewiesen. Da nämlich Callicrates wenigstens die Möglichkeit zur Flucht, nicht die Möglichkeit zur Flucht wenigstens sich sichern wollte, so hätte N. korrekt schreiben müssen : ut haberet saltem qua fugeret. Mir acheint der Ausdruck aus dem gewöhnlichen Leben genommen, ähnlich wie Cicero an Atticus (ep. III, 19) schreibt: sed et ad salutem libentissime ex tuo portu proficiscar.

Verlassen wir nun den unglücklichen Sicilier Dion und sehen uns um nach dem Athener Chabrias, der einen ruhmvolleren Tod vor Chios gefunden hat. Im 2. §. des I Kapitels hat Halm gewiss mit allem Hecht Lambin'ä Emendation ftdente summa duet Agesilao aufgenommen, zu der sich in der Schulausgabe auch Nipperdoy bequemen musste. Der Schluss des Kapitels aber ist eine ächte crux interpretum geworden Wenn ich nicht irre, so muss man dieser Stelle von eiuer ganz iiudern Seite beizukommen suchen, als diess bisher geschehen ist. Der überlieferte Text lautet nach den besten Handschriften: ex quo factum est, ut postea athletae ceterique artifices hiis oder his stantibus oder statibus Statuts \in Statuts ed. Ultraj.) ponendis uterentur, cum vic- toriam essent adepti. Ueber die Richtigkeit von statibus und in vor Statuts ist wol kaum ein Zweifel; aber die letzten Worte, namentlich das cum, haben viel zu schaffen gemacht, Da man von vornherein eine Beziehung derselben auf his oder iis (wie Halm auch hier schreibt) statibus angenommen hat, so wollte man durchaus an Stelle jenes cum ein Relativ haben und konjicirte daher in quibus, quibuscum, quibus und quomodo (Nipperdeyj Allein allen diesen Konjekturen steht für's erste schon der Konjunktiv im Wege, abgesehen von der uuerhörten Korrelation his quomodo; wenn aber Halm dadurch helfen will, dass er vor cum die Worte in quibus fuerant einschiebt, so ist dabei

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übersehen, dass man natürlicher Weise erwarten würde: üa statibus, in quibutt tränt, cum v. adiphcerentur [adipücebantur?). Für's andere stehen, wie ich glaube, einer solchen Korrelation wichtige sachliche Bedenken im Wege. Bekanntlich wird «SAijrr^ von den Schriftstellern huhl in eng« rem, bald in weiterem Sinne gebraucht, wie aus vielen Stelleu (vgl Puuly's Bealeneycl. Dd. 1, 2 S. 1992) unzweifelhaft her- vorgeht. Wäre es hier im weiteren Sinne von allen gebraucht, die mit andern um das a&Xov kämpfen , so wäre der Zusatz ceterique artißces wol sehr ungeschickt, Es müssteu ja dann unter den artifices alle Künstler verstanden werden, welche in den Nationalspielen nicht auf- treten konnten; bei solchen aber ist für gewöhnlich wenigstens auch .Ii: AutVellung einer Stiitue nicht zu denken. Ohne "Zweifel dachte sich N. uuter den athlctae die in den «;wec yvunxoi auftretenden Männer, besonders die Kiuger und Faustkämpfer ; denn dass das naXatiiv und das nvxrtxeir in Olympia wenigstens den Mittelpunkt bildete, zeigen die vielen Bildsäulen solcher nuXumtiti und nt-xrai, die Pausanias dort vorfand (Paus. Hell. Per. Buch VI) Wenn er nun weiter ceterique artifices hinzufügt, so will er damit zunächst wenigstens nur solche Künstler bezeichnen, welche neben den eigentlichen Athleten im Wett- kampf auftraten, d. h. in den «yone$ Inntxoi und fwvotxoi, und einen oder mehrere Siege gewannen.

Hält man au einer Korrelation zwischen his statibus und cum victoriam esuent adepti fest, so kann nur au eine dem Momente des siegreichen Kampfes eigentümliche. Stellung gedacht werden. Wird uuu aber eiue solche schon beim Läufer und Wagenleuker sich schwerlich verwirklichen lassen, so ist das in Bezug auf den mit einem musischen Kuustwerk siegenden Wettkämpfer geradezu undenkbar. Dann kommt, dass meines Wissens wenigstens in den Berichten des Tansanias sich keine Andeutung findet, dass die plastischen Künstler späterer Zeit ihre Athleten in dem Moment des Sieges darzustellen versucht hätteu. Dagegen findet sich uuter den wenigen Notizen dieser Art im 10 Kapitel des VI. Buches die Mitteilung, (ilaucias aus Aegina habe, mit der Fertigung eines Standbildes für den Faustkämpfer (ilaucus beauftragt, denselben dargestellt, als ob er Luftstreiche mache, weil Glaucus ganz besonders sich durch seine geschickten Handbewegungeu beim Fechten auszeichnete. So gut Chabrias, den jene Stellung zum Empfang des angreifenden Feindes berühmt gemacht hatte, gerade in dieser dar- gestellt sein wollte, konnten auch jene Agonisten, auch wenn es musische Künstler waren, ihre eigene, mit ihrer Kunstuusübung oder auch einer andern Eigentümlichkeit zusammenhängende Stellung sich selbst wählen oder vom Künstler ohne solche Bestimmung erhalten. Freilich fällt die Aufstellung jener oben erwähnton Statue sicher um SO Jahre vor die Zeit des Chabrias; allein ein solcher Anachronismus

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dürfte bei einem Römer, zumal hei Nrpos nicht so schwer wippen, besonders wenn man bedenkt, dass jene Individualisirung in der plastischen Kunst doch erst später allgemein geworden sein wird.

Alle diese Erwägungen machen es wahrscheinlich, dass jenes hiis oder his aus einem schlecht abgeschriebenen oder nicht verstandenen . suis entstanden ist. Was aber die viel besprochenen Schluss*orte cum etc. ar.lanL't, so erregen sie solchen Verdacht gegen sich, dass sie füglich als Glosse entfernt werden dürften; denn erstlich vorstößt ihre Stellung hinter dem Satz, dem sie als advrrbielle Bestimmung bei- gegeben sind, gegen alle Gewohnheit, und zweitens war neben den Athleten und den ihnen zu setzenden Statuen eine solche Beinerkunz höchst überflüssig, da diese Verhältnisse jedem nur etwas gebildeten Römer bekannt genug waren.

Auch im X Kapitel scheinen mir die Handschriften mehrere Fehler zu enthalten, die noch nicht vollständig erkannt sind. Mit Recht bat Halm das archaistische intuuntur, an dem Nipperdey besonderen Gefallen zu haben scheint, in das allein richtige intueantur »erwandelt ? haben doch auch die besseren Handschriften zum Teil intuentur. Ebenso hat wol Eussner Recht, wenn er (Fleckeisens N. Jt'b. Hd 107, p. 523) aus alienam opulentium (oder opulent um) fortunam konjicirt: alienam opulentiam fortunamque. Denn so anstössig opulentiam neben alienam ist, so ist doch der Begriff selbst nicU», wie Halm mit Scheffer will, zu entbehren, weil das folgende vieldeutige fortunam durch den- selben erst seine spezielle Beziehung erhält Der Ausfall des que hinter fortunam konnte leicht die falsche Schreibung veranlassen. Wenn ich recht sehe, so ist vielmehr in dem Worte pauperes eine Glosse zu erkennen. Da nämlich gesagt sein soll, dass der eine Fehler der Missgunst unter dem Volk der Freistaaten nach zwei Richtungen hin sich geltend macht, so erfordert der Parallelismus der Glieder, dass entweder in heiden die spezielle Klasse von d es (denu diese sind doch aus den civitatibus herauszunehmen) ausdrücklich genannt wird, oder dass die allgemeine Bezeichnung des Subjekts auch für den gegen die Reichen sich richtenden Neid bleibt Dass die taisehe Les- art intuuntur oder intuentur auf die Ergänzung des Subjekts paupercs führen inusstc, liegt auf der Hand Ganz tadellos ist übrigens die Periode auch so noch nicht; denn den Satz inridia gloriae comes sit hätte ein strenger Stilist dem angefügten (libcuter d. id ) untergeordnet

Betreffs des folgenden Satzes endlich sehe ich mich gezwungen, die Ansicht, welche Eberhard (h a. 0. S G58) mit Berufung aut Wölfflin ausgesprochen hat, entschieden zurückzuweisen. Derselbe meint nämlich, nicht quom „so oft" sei hier der richtige Begriff, sondern quoniam: ,,weil er in der Lage war, viel abwesend zu sein, benutzte er diese Freiheit sehr viel" Allein für's erste ist ja der Grund zu

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sein« r Handlungsweise in dem vorhergehenden Satze : quad et e ff tigere ganz klar angegeben, und zweitens kann doch plurimum abesse nirlit nur bedeuten: sehr viel (d Ii sehr oft) abwesend sein, sondern noch viel leichter: sehr fern sein, wie auch tnultum abesse synonym ist mW long* abesse. Dass aber N. nur die Grösse, nicht die Zeit der Entfernung zeigt der bald folgende Satz : qrod tan tum ofuturos, quantum nieinte, etc., wo doch wol jederman an die Grösse der Entfernung denken wird. Chabrias entfernte sich, sagt N., nicht bloss so oft, sondern auch so weit er konnte, von Athen. Somit haben Rinck nnd Klotz ganz Kccht, wenn sie das quo der besten Handschriften in quam korrigiren, nicht in quouiam ; konnte doch der Strich Aber quo gar leicht über- srbpn weden. Merkwürdig ist, dass Nipperdey selbst in seiner Schul- ausgabe das unbrauchbare 71/0 beibehalten hat, und es durch eine geschraubte Ergänzung von abesse zu' halten sucht.

Hof. R ubuer.

Oplimus.

Das Wort optimus lässt eine zweifache Deutung zu.

Dasselbe kann erstens von einem Verbum oder Suhstantivum abgeleitet sein. Die Form erlaubt dieses. Es ist niimlich dann optimus, optumus ein Derivativum wie aest-umo, autumo , victima% solistimum, lauter Ableitungen von einem Suhstantivum oder Verbum. So gleich das aest-umo ist verwandt mit dem goth. Verbum ais-tan achten, ehren, von weichem „an" das nltn. aer-a1) die Ehre; die Aestii sind die Ge-ehr-ten. S Grimm \V. B. III .'»4 Das zweite Wort, nämlich autumo deutet auch auf ein Substantiv autumus hariohis , (verw. zu auspex, a>igur*)\. Das dritte Substantivum , das seinen Ausgang mit op-timus gemein hat, ist vic-tima, (ans vig-tima eigentlich das wackerste, stärkste, beste Opfer; denn mV? - gehört zu vig-eo, veg-e-tus, skr. vag- ~ vy-ifc3)). Victima teilt darnach Endung und Bedeutung auch mit solis-timum victima. bestehend aus sn\ is , einer Com- parativ - Form wie mag-is, dazu dann - timu8 , a, um, also genau wie im Griechischen an die Comparativ - Endung -<? sich - mg ( - -timus) ansetzt, z. B. xqüt - is-roq 7- optimus; denn sol- in sol- is- timum gehört zu sol-idus fest, xnuieoos, skr vag-ra, vytfo-

Der der Superlativendunp auf - tumus gleichlautende Ausgang in op-tumus hindert al«i nicht, op- timus ;:uf ein Verbum oder Substan- tivum ,,o|>" zurückzuführen. Dieses vorausgesetzte „op" ist nun entweder zum Verbum zu halten und als solches steht op-to, an-, otpopta = sich ausersthen, wählen,' erkühren. K. 9,201. Und optimus hätte hienach die Bedentung von ,ie'X - naro* der beste, (verwandt zu vel-le, goih val-jan

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wählen), womit zusammen hängt das skr. var a optimus, notos *). In diesem Sinne hiess dem Kömer die beste Hausfrau femina lec- tissiuia - ^Xtiarn yvn], ein Gedanke, den wir mit „keusche Hausfrau" geben können, denn „keusch" heisst eigentlich Jzkttoroe, optimus, optatus, lectus „Keusch" heisst althd chusci TOD kiusan = er - kies - en, er-kur-en, exoptare ; s. Gr. 5, 654, d '*) - Wird aber zweitens das supponierte ,,o//' nicht zum Verbum „opu, sondern zu einem Substaotivum gezogen, so heisst dieses dann ops, op-es, woher op-ul-entus. Düntzer (Jahrb. XIII 18) setzt auch wirklich op - timus zu op - s, also in /usammonhuug mit skr. ap-nas der Besitz, die Habe, so dass op-timatts die opulenti, «q-vtioi waren

Und doch widerspricht Bopp („Vergl Gr." § 291, 296) und spricht seine Ansicht dahin aus, dass wir op-timus wie in -timus, ex-timut, ul-timus, 2>o<*-tumi<8 als Sprössling einer Präposition fassen dürfen. Schweiger -Sidler (Zt. -Sehr XIX 234) ist geneigt, sich derselben Ansicht anzuschliessen

Und zu welcher anderen Präposition werden wir- dann geführt werden, als zu skr. api- auf, über, iui (eine Bedeutung, die auch das Litauische erhalten bat Dort heilst ap- auch „über", z H ap-denkiu ich überdenke, ap- auksinu ich übergolde).

Die Sanskritspracbe bat ud oder ut mit -tamu, also ut-tama mit der Bedeutung optimus , der oberste, höchste, dann auch die höchste Stelle einnehmend, der vorzüglichste, beste. Diess die wörtliche Erklärung von uttama im Petersb. VVB. I. 88t>. Sie beleuchtet aufs Klarste auch den Inhalt von optimus.

Lautlich verdunkelte sich das a in api zu o in op-timus, wie aniaio aus u.iiauj umlautete, verwandt zu aif> , «nuttttv , «;i«rf(»of. Dieses apa nahm im skr. noch -aiic ( ~ dka) a\\ und wurde zu apdka

„ab'*endlich , „ab"wärtsgebend , althd. äp-ont sinkend, untergehend. Im Griechischen und Lateinischen aber trübte sich das a in o und der „Ab"end heisst dort „o%p"ia und hier updkas formte sich in opacus um, (cig. abendlich, dann dunkel)' ).

Nachdem nun einmal hei Besprechung von optimus die Rede auf das Präfix api ~ über, oben, skr. ut gefallen ist, wird ein Excurs gestattet sein, in dem die noch stammverwandten synonymen Sanskrit- präfixa andeutungsweise behandelt werden sollen.

Zunächst ati- auf, über, überaus, kurz! = api. Beide, api und ati haben das demonstrative a mit einander gemeinschaftlich, nur dass das erstere das Suffix -pi, (vergl. -pe in nem-pe), das letztere aber -Ii hat, (vergl. skr. a-ti - lat. ita).

Beispiele: ati-gö f. optima vacca, die beste Kuh; aticara sehr wandelbar, (vergl. bien sehr mit optime, Superlativ von bien, betu) Atiar.isht.i f. eine hohe Schöpfung'); ati-yiva überaus lebenskräftig; atipätin üb e rholeud ; atidäna n. grosse Gabe : atigara von hohe m Alter1)

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Noch ein Präfix übrigt, dem hier füglich Statt gegeben werden darf. Auch dieses enthält den Sinn des api und ati und hat ebenfalls das demonstrative a- mit diesen beiden gemein. Ich meine a-bhi. Ein paar Beispiele! A bhigit heisst Sieger im hohen Grade; abhi-gnan. höhere, übernatürliche Kenntniss; abhidharma tu. da« obere Gesetz, Metaphysik; abkibhava übermächtig.

Diesem abhi- (= api) entspricht ganz und gar das griech. duyt- z. B. tl fx q> i &(tXr'i<; opulentus , optime florens; <(u(pixvs<ptjc stock- finster, wie (p e r similis -~ .. eoi6uomg)\ «fiytnayijg festsitzend. Der Eigenname Afi(ptr{iiiit dürfte hier seine Deutung finden. Er besteht sicherlich aus diesem intensiven «u<pt - (— abhi), und rgitt}, ohne Zweifel verwandt zu Totruy, TinrnyivBtu und heisst im Femininum dasselbe, was im Masculinum '.tu(fituitQog, der Name eines Sohnes des Poseidon bedeutet, {-pttQog zu mare , s. Curtius „Grundzüge" 8. 298) Das TQirt) nun in 'J^ir^itti ist der Form nach zu vergleichen mit skr. tritija tertius, oder tritus, a, um von tero; denn TQTrti gebort zu trio- tar-ämi, von welchem „tur" im skr. tar-isha stammt und Ocean, das Meer bedeutet9). Amphitrite liesse sich mit einem thetischen Velsäkona, d. h optima Tritonia geben; denn mit ,,veV' wol, gut, hängt ßeX-riwv, pik-norog skr. var-a optimus zusammen.

Noch nicht genug von abhi ati, api.

Die celtische Sprache bewahrte dieses a/n<pt- ~ abhi als Präfix, auch um den Begriff von optimus, maximus auszudrücken, z. B. Ambi-o-rix = skr. ati -rag' an, optimus maximus rex; Ambigatus der hochweise, optime gnavus ; Ambibarii die Hochfahrenden, die ganz Zornigen (vergl. skr. abhi- ^ ganz in abhi-nava ganz neu, abhi-nita ganz geschmückt, bien pari10)).

Wollten wir dieses Präfix sogar noch weiter verfolgen, so stellt sich die verstärkende Vorsilbe tU-, ae- als entstanden aus ahi d. i. abhi heraus. Z. B At-yvnrog, wie der verborgene Flussgott Nil hiess, heisst in altindischer Form abhiguptas , dann ahiguptas , endlich aiguptas, aiguptas (gup-tas conditus, vergl Consus Conditus n) ). Die Entstehung des «*- wird augenfällig in skr. mai oder mae, mit lat mt, mihi (aus mi-bhi, wie von tu der Dativ tibi f. ti-bhi) S. das Uebrige in meinem Lexicon S. 6 Im Zend heisst dieses cti- (— abhi) : aiwi. Das griechische ui^ng jugendlich , um noch ein Beispiel anzu- führen, entspricht dem skr. abhijdva {jdva = juvenis, und ai-Ctji-og, ai-jdv-og heisst: in bester Jugend ")). Atokog zerlegt sich auch vielleicht in abhi- fokos = convolutor der Aufwühler, hochaufwühlende, in die Höhe wühlende (abhi = auf, api).

Wenn es mir gestattet ist, mich vom Begriffe, dum Gedanken noch weiter fortziehen zu lassen so erinnere ich, dass das so oft begegnende und vielleicht nicht verstandene persische Präfix arta- dem api- in optimus ganz gleich kommt ; es bedeutet auch hoch, erhaben, und ist das zd.

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areta = altus, z. B. Ar taxerxes v atirag an, Ambiorix '') ; Artabazus = hochbeglückt. Das Int afr«s ist sogar mit diesem arc/a verwandt. Bopp („Vergl. Gr." § 12'\ Anm ) sagt: Da ar sich erheben bedeutet, so kann auch das lat. al-tus als ein Passivpart, dieser Wurzel gefasst werden, mit 1. f. r, s. g. 20.

Schon in einem früheren Artikel wurde eine Verwandtschaft zwischen abhi; api- und dem goth Präfix bi* besprochen, letzteres nur verstümmelt wie das Grundwort zu op-timus, api im Sanskrit schon als pi- auftritt, z. H. pi-dhdna apidhdna der Deckel, eig. inidi'jxtj. Die Bedeutung von api, abhi, ati , nämlich: auf, über, ober liegt natürlich auch in bi- z. B. gotb. hi-auknan i m #i<f «V«i ; bi-faihon ü b e r vorteilen " ) , bi-laiban ü b r i g lassen , biqviman ü licr fallen Für uns wurde 6c-, z. B. Ambiorix Beherrscher, skr. abhigana u. Bekanntheit, abhidruh Beleidigung; mittelbd. be- mocJten = besorgen; inhd. benchuten überdecken S. C'urtius „Grundzüge" S. 230

Dem Grundbegriff dieser mit api lialbverwandton Prätixa kömmt hier ferners noch dus griechische Präüx uya» zur Sprache. Auch ayttp heisst eigentlich nur opfime, im hohen Grade, z B '.iyuftiuvuv der im hohen Grade Standhafte, (iiyuv fupir»***)). „Im hohen Grade", sagte ich, denn ity-u» hangt zusammen mit skr. ag-ra n. das Oberste, daher als Präfix z. B. in agrabhaga m der Oberteil, agravira der Hauptheld, der Überheros.

Das -ra in ag-ra ist nur Suffix und legt seinem Worte die Bedeutung des Part. Perf pass. bei, wie -rus im Lat., z B. pu-rua geputzt So ag-ra, (von ag-ämi ago, ich treibe), getrieben, (in die Höhe) getrieben, (vergl. getriebene Arbeit, bair. das Schiff treiben, das Schiff stromaufwärts ziehen; intrans. treiben, gähren ,* in die Höhe gehen). Unser Wort übertrieben =z nsQiooüig enthält den Begriff von ag-ra n. , das als Subst der Ueberschuss, als Adj. überschüssig bedeutet Eine Analogie bietet das lat celsus hoch, erhaben, f cel-tus, zu cello (d. i. celjü), = ich treibe, verw. zu skr. kalajämi ago, ich treibe, agito , ^dVw, woher ex-cel-sus emporgetrieben, aufgeschossen, dem Sinn nach ganz gleich dem griech. «x - qo ~ agra, optimus, z B. «x^oÄtVt« die Haupt- und Erstlingsgaben, das Beste. "Ax-qos, verw. zu ac-ies die Spitze, nicht aber zu ag-ra, mit dem es nur die Bedeutung teilt , steht ausser ttXQo&irta auch noch als Präfix in axQißtjs, eig. in Schärfe (Locat ) gehend, deckt also den Inhalt von nyav, denn ag-ra heisst auch acies, die Spitze, das Aeusserste, daher ag-re voran, an der Spitze. Zweimal ist «y- in uy«v- ux - t(m enthalten und bedeutet: aufs Höchste, aufs Aeusserste aufgebracht sein. Ich kann auch sagen: tief gekränkt sein, wie (lydvvufos tief im Schnee, dydaiovog tief aufseufzend bedeuten kann.

Diese beiden Prätixa, sowol «x - qo - t als ag - ra haben die Endung -ra mit einem Sankritwort gemein, das hier deashalb noch angefügt

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worden doli, weil es das Stammwort zu unserm „bester" . optima* ist. „Bester" geht nämlich mrück auf goth. batisla -~ optima*, batiza melior, besser; „bat1 aber entspriebt dem skr. b/iad-ra ~ optimus, bester, vom Verbum bhand- lustig zujauchzen.

Nacb dieser kleinen Digression kebren wir noch einmal zu uy-uy zurück, indem wir den Eigennamen AyuxXetrog mit Humbert vergleicben, weil das Hun - in Humbold , Humbert zu „hünu gebort, verw. zu reit. „c»/w" in Ar-cynia ~ sebr hohes Gebirge, eig aufgetrieben, geschwollen, zu skr. pt?» schwellen, in die Höbe gehen S. Zt. -Sehr. X. S 276")

Bemerkungen.

») Aera aus aesa wie goth mi* mir, gotb. t)«t> -~ wir; lat. aes aeris, honos fauoris, goth. vulf- 9 der VVulf altn. ulf-r.

*) Vergl. zu au- (aus avis) oüüii^otuui auguror, autumo.

') TJeber vag- ~rt vy- vergl. vad- the water un.l vJ -u>q.

*) Zu fieX- in fleX-iiwy ist auch verwandt mel-ior Das „mel" -~ ,,/ffi-" wie tioXety ~ ßXto-axio. „mW-" zu fiaX-a bien.

*) Kiusan eig sein (iefallcn haben, zu skr. yush-r bin vergnügt, woher gushta exoptatus, kost - lieb, kost - bar.

f) Wie skr. mfa dunkel eig. naebtfarbig bedeutet, /: m'p-Ja (m'p die Nacht).

7) Eigentlich „Guss", von «rp- effandere, wie räsht.ra n regftum, von rdp.

*) Verw. yeQ-tuy, der Grei-s.

•) EineForm wiepur-i«/*« t«. der Dunst, eig. der anfülleude, bedeckende.

w) ZVtfa eig geführt, skr ni-tha in. die Führung; analog dem bair. die Fuer der Anzug, fuerig schicklich, zu führen -~ w

") Dieses guptas steckt im indischeu Königsnanitii Saudrocottus, griech SuyÖQoxvnxos aus candra- guptas , candra = luna, eig. Candidus. Dieser candraguptas war es, der die Statthalter Alexanders des Grossen vertrieb. S. Pütz §. 9. cundraguptas , vom (Halb)mond Geschützter, gilbe ein passeudes Beiwort für türkische Sultane.

") Ueber C«j*o<r = jäv - vergl. tvyor - jöga, Ssia —java das Getreide.

,3) uyuy, ursprünglich iiyüv, wie XUtv ursprünglich Xiqy.

M) Brit celt cwoti altitudo',, cynu surgere; Zeuss-Ebel gramm. celt p. 92.

h) Xerxes, s. mein Lexicou S 27.

,s) Zu skr. pica noix-iXog.

Nachtrag: Das skr api kann auch ein Locativ sein von „op" ~ erlangen ^ verw zu ap-ere, ap-ud, ad „ip" - iscor und bedeuten: „in Erlaugung"; eiue schöne Analogie zu uq-iaroq optima*, von tig-yt -put ich erlange, Sfios apnas; Fick S. 491. 494. 3. Aufl

Freising. Zehetmayr.

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Stilistische Aphorismen.

II. Analyse des Begriffes „Stil".

Das Wort „Stil" leitet mau bekanntlich ab vou dem lat stüus, d. i. der eiserne Griffel, dessen sieb die Alten bedienten, um die Buchstaben in Wachs einzugraben Hieraus entwickelte sich sodaun die Anschauung, dass Stil so viel wie „Schreibweise" oder „Darstellungs- weise" bedeute, und seit Buffon den beruhtuten Satz ausgesprochen: „Le style c'e«< Vhomm&lf verstand man darunter insbesondere auch die charaktervolle Darstellung, „diejenige Form der Darstellung, welche auf gleiche Weise dem Inhalt des Dargestellten und dem Charakter des Darstellenden entspricht". Allein diese Definition deckt sich keineswegs mit dem erfahruugsmässigen Gebrauch des Wortes Stil und deshalb unterscheiden einige nun einen Stil im höheren Sinn die charaktervolle Darstellung (genus dicendi) und einen Stil im niederen Sinne den einzelnen Ausdruck (elocutio). Am verbreitetsten jedoch scheint heut zu Tage jene Auschauung zu sein, welche unter Stil den „Ausdruck" versteht. So nennt z. B. ein gegenwärtig vielgebrauchtes Stilbuch den deutseben Stil „den durch das eigentümliche Wesen des deutschen Volkes bedingten kun«tgcmässeu Ausdruck in ungebundener Rede" (warum nicht auch in gebundener?), und auch Wackernagel meint in seiner Poetik, Rhetorik und Stilistik (herausgegeben von Ij. Sieber, Halle 1873), Gegenstand der Stilistik sei nur „die Oberfläche der sprachlichen Darstellung, nicht die Idee, nicht der Stoff, sondern lediglich die Form, die Wahl der Worte, der Bau der Satze". Wieder andere endlich setzen den Stil als schriftliche Gedaukenmitteilung dem Vortrage als der mündlichen Gedankenmitteilung gegenüber und ver- stehen darunter „die Art und Weise, wie jemand seine Gedanken durch geschriebene Worte, mitteilt".

Schon diese kleine Blumenlese zeigt, dasa über den Stil noch sehr weitauseinandergehende Ansichten existiren, was eben beweist, dass dieser Begriff einer kritischen Analyse dringend bedarf.

Wir wenden uns zunächst gegen die landläufigsten Irrtümer. Es ist vor allem durchaus unrichtig , das Wesen des Stils aus- schliesslich oder vorzugsweise in einem einzelnen seiner Faktoren, etwa in der Sprachgewandtheit, im Ausdruck zu suchen. Ein Techniker des Ausdrucks ist noch lauge kein guter Stilist und die Qualität des Stils hängt nicht blos vom Ausdruck ab. Daher ist diese Anschauung durchaus einseitig. Doch lässt sich dieser Irrtum ent- schuldigen. Heisst man ja im gewöhnlichen Leben den Stil allgemein geradezu „das Deutsche" und denkt hiebei lediglich an den Ausdruck (z. B „N. N. schreibt ein gutes Deutsch I"), und anderseits liegt auch

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in dem Umstände, dass man das Wort Stil gemeinhin mit „Schreibweise" übersetzt, selbst eine einseitige Betonung des sprachlichen Gesichtspunktes.

Nicht minder irrig ist jene Anschauung, welche den Stil als das geschriebene Wort dem Vortrage als dem gesprochenen Worte gegenüberstellt. Diese Unterscheidung ist durchaus ungerechtfertigt. Eine stilistische Darstellung ist offenbar eine solche, die sich als Darstellungsmittel der Sprache bedient. Nun bleibt es sich aber natürlich ganz gleich, ob die sprachliche Darstellung uns geschrieben oder gedruckt vorliegt, oder ob sie in Form eines Vortrages erscheint. Auch der Vortragende kleidet ja seine Gedanken in Worte und hat sich bei der Gestaltung seines Vortrages sei dieser nun eine vorher ausgearbeitete oder eint improvisirte Rede an die Gesetze des Stils zu halten. Sein Vortrag hat daher so gut einen Stil, wie ein geschrie- bener Aufsatz. Die schriftliche Darstellung ist folglich kein wesent- liches Merkmal des Begriffes Stil.

Aber es ist auch leicht einzusehen , was jene falsche Ansicht begünstigte. Offenbar gab wol den ersten Anlass dazu der Umstand, dass man das Wort Stil von stiltis „der Griffel" ableitet; dann über- setzte man „Stil" gewöhnlich einfach mit „Schreibweise" und endlich mag man in jener irrtümlichen Ansicht noch dadurch bestärkt worden sein, dass man eben daran gewöhnt war, die stilistische Darstellung eines Gegenstandes entweder geschrieben oder gedruckt vor sich zu haben.

Dass es ferner gleichgültig sei, ob ein Stilprodukt in gebundener oder ungebundener Rede erscheine, dürfte aus dem eben Gesagten evident hervorgehen

Wenn man aber endlich auch gesagt hat, am Stil zeige sich der Charakter eines Menschen, so will dieser Satz doch cum grano salin verstanden sein. Er ist zu allgemein; denn unter Charakter darf hier keineswegs der moralische Habitus einer Persönlichkeit, sondern vielmehr nur die psychologische Qualität des Individuums verstanden werden. Man kann allerdings dann und wann aus einem Aufsätze Schlüsse auf den moralischen Charakter eines Menschen ziehen , allein diese sind durchaus nicht zuverlässig, da ja der Mensch die Sprache bekanntlich auch dazu benützen kann, seine wahren Gesinnungen zu verbergen Dagegen lässt sich jederzeit aus dem Stile eines Menschen ein ziemlich sicheres Urteil über seinen psychologischen Charakter fällen, d. h über seine geistige Reife, über den Standpunkt, auf dem er iu seiner geistigen Entwicklung angekommen ist. Scharf- sinn, klare Auffassung der gegebenen Verhältnisse, gediegenes und gereiftes Urteil etc. und umgekehrt unklare Vorstellungen, naive Auf- fassung der Umgebung und des Lebens überhaupt, Unfähigkeit, den Zusammenhang der Erscheinungen zu erfassen etc. all* das prägt sich im Stil aus und lässt uns daher einen ziemlich sicheren Blick in Blätter f. d. t»yer. Gymn.- u. Rcal-Schulw. XL J»hrg. 18

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den Geisteszustand des Stilisten thun. Daher wird auch der deutsche Aufsatz in der Schule mit Recht als ein ganz hervorragender Grad- messer für die geistige Reife eines Schülers betrachtet. Buffon's Aus- spruch darf also nur psychologisch verstanden werden.

Versteht man aber unter Charakter hier nur den psychologischen Habitus oder, wie Wackernagel den Begriff charaktervoll erklart, „die geistige Eigentümlickeit des Darstellenden", so wird jene Definition des Begriffes Stil hiedurch zu eng. Man identificirt alsdann den Begriff Stil mit seinem Ideale und es ist dann nur consequent, dass man einer „charakterlosen" Darstellung den „Stil" abspricht Allein Charakter- losigkeit ist ja doch auch eine Charaktererscheinung und ein „charakter- loser" Stil ist und bleibt doch auch ein Stil. Wollte man einer solchen Darstellung das Prädikat Stil absprechen, so hiesse das eben so viel, wie behaupten , das Nichtschöne und Hässlichc gehöre nicht in die Aesthetik Kurz es würde hiedurch ein Moment in die Definition dieses Begriffes aufgenommen, das als unwesentlich nicht in dieselbe gehört und folglich den Umfang dieses Begriffes erfahrungswidrig verengern würde.

Doch nach diesen kritischen Bemerkungen wollen wir nun aus- einandersetzen, welche Punkte man unseres Erachtens bei der Klar- stellung des fraglichen Begriffes besonders in's Auge fassen müsse.

Vor allem, glauben wir, ist zu beachten, dass der Stil nichts für sich Bestehendes, kein selbständiges Ding, sondern etwas nur an einem anderen Existirendes, genauer Coexistirendes ist. Es gibt nämlich keine eigene Stilvorstellung, sondern wollen wir uns das, was den Inhalt dieses Begriffes bildet, vorstellen, so müssen wir uns zugleich etwas anders m it vorstellen. Dieses Andere aber ist das stilistische Produkt, der Aufsatz im weitesten Sinne des Wortes. Unter einem Aufsatze verstehen wir jede sprach- liche Darstellung (Durchführung, Auseinandersetzung, Erörterung etc.) von logisch zusammenhängenden Gedanken über einen Gegenstand. An diesem Aufsatze nun - da coexistirt dasjenige, was wir Stil nennen. Der Stil ist nämlich nichts anderes als die Art und Weise der Behand- lung (Durchführung, Auseinandersetzung, Erörterung etc.) des einem Aufsatze zu Grunde liegenden Themas in Hinsicht auf die Composition, Darstellung und den ästhetischen Gehalt (s. den folgenden Punkt!). Daher können wir den Stil bildlich auch die Form, die Gestalt, die Erscheinungsweise, das eigentümliche Gepräge, den Habitus, den Charakter, die Physiognomie eines Aufsatzes nennen, oder subjektiv den Totaleindruck, den ein Aufsatz durch die eigentümliche Art und Weise der Behandlung des ihm zu Grunde liegenden Themas auf uns macht.

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Der Stil ist mitbin etwas, was sich vom Aufsatze gar nicht trennen lässt, also auch nicht getrennt vorgestellt werden kann, und wollen wir uns eine Vorstellung von einem bestimmten Stile machen, so müssen wir ihn als etwas an einem concreten Aufsatze Coexistirendes vorstellen.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass derStil nichts Einfaches, sondern etwas Zusammengesetzte^ ist. Drei Faktoren , nämlich sind es, welche nach obiger Andeutung einer stilistischen Darstellung den ihr eigentümlichen Habitus verleihen :

1) Die Compo8ition d. i. die Anlage, die Disposition des Stilwerkes, der Plan, welcher demselben zu Grunde liegt. Sie gibt dem Aufsatze die Grundlinien seiner Gestalt , ist gleichsam das Gerippe desselben.

2) Die Darstel 1 ung d. i. die Ausführung der dem Aufsatze zu Grunde liegenden Disposition. Die Eigenart derselben aber zeigt sich : a) in der Beschaffenheit der verwendeten Gedanken,

b) in der Art und Weise ihrer logischen Verknüpfung,

c) in der Art und Weise ihrer sprachlichen Einkleidung. Während die Composition dem Aufsatze die Grundgestalt gibt, gibt ihm die Darstellung die eigenartige Färbung, den Ton, den Teint, die verschiedenartigsten 8chattirungen.

3) Dazu kommt noch der ästhetische Gehalt. Jene beiden Faktoren hängen nämlich nicht nur von den ihnen immanenten Gesetzen ab, sondern sind zugleich regulirt von einem dritten Faktor, der beiden zugleich Gesetz ist und sie als unabtrennbares Moment begleitet, d.i. von ästhetischen Rücksichten. Jeder Aufsatz ruft ja sowol als Ganzes, als auch in seinen einzelnen Teilen, sowol nach seiner logisch -dispositionalen , als auch nach seiner rhetorisch - ausführenden Seite hin Urteile des Gefallens oder Missfallens oder der Apathie hervor, woraus klar hervorgeht, dass hierauch ästhetische Faktoren mitwirken, welche gleichfalls den Totaleindruck, den der Aufsatz in uns hervorruft, mitbestimmen und modificiren

Somit rechtfertigt Bich unsere obige Definition des Begriffes Stil. Er ist der Charakter, der Habitus einer Schreibweise, die Physiognomie, welcbe ein Aufsatz in Folge der eigenartigen Composition, Durchführung und ästhetischen Durchbildung erhält.

Wir halten es hiebei nicht für nötig, eigens zu betonen, dass der Stil eine objektive und eine subjektive Seite hat. Denn es ist klar, dass die Composition vornehmlich bedingt werden wird durch den Inhalt und Zweck des Dargestellten und somit wesentlich objektiv ist; anderseits aber wird die subjektive Eigentümlichkeit des Darstellenden ganz besonders zur Erscheinung kommen bei der Darstellung und ästhetischen Durchbildung. Der Stil ist also objektiv, und subjektiv

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zugleich; aber für die Deünition ist dies unwesentlich, da auch eine überwiegend objektive, charakterlose, schabloneninässige Darstellung immerhin einen Stil hat.

Durch die vorstehende Untersuchung haben wir nun auch die Gesichtspunkte odpr Kategorien festgestellt, nach denen ein Aufsatz hinsichtlich seines stilistischen Wertes betrachtet werden niuss Alle diese Punkte muss die eingehende Kritik eines Stilwerkes würdigen, wenn Bie nicht einseitig und ungerecht sein will.

Endlich ist durch diese stilistischen Kategorien zugleich auch der Umfang und Inhalt der Stillehre näher bestimmt. Dieselbe muss sein.

1) Compositionslehre, welche die Gesetze erörtert, nach denen eine stilistische Darstellung logisch componirt und disponirt werden muss

2) Darstelluugslehre, welche die Gesetze darlegt, welche bei der Ausführung der Disposition zu beobachten sind Dieselbe zerfällt wieder in folgende Teile:

a) die Lehre von der Beschaffenheit der Gedanken;

b) von ihrer logischen Verknüpfung (von der Satzver- bindung, den Uebergängcn, Ellipsen etc.);

c) von ihrer sprachlichen Einkleidung

3) Stilistische Aesthetik d. i. die Lehre von den Schön- heiten des Stils und den Mitteln, schön darzustellen.

Wenn es nun eine derartige Stilistik bis jetzt uoch nicht gibt, so ist daran nur der Umstand Schuld , dass mau sich bisher über die stilistischen Kategorien nicht klar war. Die Folge davon war, dass in der bisherigen Stilistik Compositions- , Darstellungg- und ästhetische Gesetze nicht selten chaotisch durcheinander gewürfelt sind und die Stillehre dadurch verwickelt und verschwommen erscheint. Scheidet man dagegen die ein/einen Stilregeln nach den drei stilistischen Kate- gorien und weist dieselben den einzelnen Teilen der Stilistik zu, so klärt sich die Stillehre uud es entstehen nun aus den einzelneu Kegeln und Gesetzen Gruppen, die gleichsam von selbst auf gemein- same l'riucipien hinweisen M.m wird jeui auch die Stilistik nicht mehr etwa mit der Rhetorik identilieiren , hindern erkennen, dass die. Rhetorik, Logik, Grammatik, l'syrh.dogii' und Aesthetik Hilf Wissenschaften der Stilistik sind.

Kaiserslautern.

M. S c h i e s s 1 und W. (

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Der Unterricht in den neueren Sprachen an «len Gewerbschuleu.

Vetude des langues, qui ferit la base de Vitfitruction en AUemagne, est beaueotip plus f'avorable aux progres des facultes dans Venfanee que Celles des mathematiques nu des scietices physiques. -

Die geistreiche Madame de Stael, welche in ihrem Werke: „De V AUemagne": mit den oben augefübrten Worten das leitende Grund- prineip des höheren Unterrichts in Deutschland hervorhebt, scheint zu diesem Resultate nicht durch oberflächliche, trügerische Eindrücke, sondern durch tiefgehende, schartsinnige Forschungen gelangt zu sein; denn finden auch in unserer Zeit die sogenannten exaeten Wissen- schaften eine wolverdientc Berücksichtigung, so hat doch der obige Ausspruch nicht im Mindesten an Wahrheit verloren

Unsere Realgymnasien entnehmen ihre Schüler den Lateinschulen und legen auf deren weitere Ausbildung im Lateinischen, wie aus der ganz bedeutenden Stundenzahl hervorgeht, einen sehr grossen Wert. Die lateinische Sprache wird also von ihnen als Bilduugsmittel für die deutsche Jugend in erste Linie gestellt, abgesehen vou der Erleichterung, welche sie dem Studium der neuereu Sprachen gewährt.

Auf die Gewerbschulen scheint drfs oben angeführte Princip sich nicht anwenden zu lassen , denn bekanntlich erhalten sie ihre Schüler aus der Volksschule und müssen dieselben während einer immerhin knapp zugemessenen Zeit , in so vielen Fächern und Fertigkeiten so weit bringen, dass der Lehrpinn den Unterricht im Lateinischen nicht aufnehmen kann Aus diesem Lehrplan geht jedoch klar hervor, dass bei den Gewerbschulen den neueren Sprachen, vorzüglich dem Französ- ischen, die Stelle des Lateinischen eingeräumt ist und, nur so auf- gefasst, kann der Sprachunterricht an diesen Instituten ein erfolgreicher sein. Ich glaube schliesseu zu dürfen, dass der Gewerbschüler das Französiche nicht allein der fremden Sprache selbst willen, sondern auch desshalh erlernt, damit er «lureb genaue Vergleichung der beiden Idiome sich in seiner Muttersprache weiter ausbilde und namentlich sein grammatikalisches Wissen consolidire.

Hat man blos das erste Ziel im Auge, so drillt man; verfolgt man beide Ziele, so unterrichtet man.

Das Drillen wird von einem grossen Teil des Publikums mit grösserer Anerkennung belohnt, als das Unterrichten, weil die Resultate weit mehr in's Auge fallen, als die durch guten Unterricht gewonnene solide Basis; deraungoachtet soll nach meiner Meinung der Gewcrb- schfller nicht als Sprechmaschine ausgebildet, sondern sein Denkvermögen geübt werden.

Vielfach hört man auch die Frage aufwerfen, warum das Englische, als eine für den Deutschen grammatikalisch leichter zu erlernende

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Sprache, an den Gewerbschuleu nicht dem Französischen vorgezogen wird. Der Grund ist wol kein anderer als der, dass, abgesehen von der Schwierigkeit der Aussprache, die Verschiedenheit zwischen dem englischen und deutschen Idiom eine zu geringe ist und das Fran- zösische als romanische Sprache dem Deutscheu Schüler mehr Gelegenheit zur geistigen Gymnastik gibt, ein Umstand, der gewiss für die Richtigkeit der Annahme spricht, dass das Französische an den Gewerbschulen als ein das Latein vertretendes Bildungsmittel betrachtet werden muss.

Von diesem Standpunkte ausgehend, handelt es sich zunächst für den Lehrer, eine entsprechende Grammatik zu finden, eine Grammatik, in welcher eine rationelle Methode zu erkennen ist und welcher es nicht an systematischer Ausscheidung und Behandlung der einzelnen Redeteile fehlt. An solchen Grammatiken ist gerade kein Mangel vor- handen und kaum wird ein tüchtiger Lehrer das Bedürfniss fühlen, eine neue zu schreiben. Bei weiteren Auflagen der besseren französischen Schulgrammatiken dürfte nur vielleicht die Wahl der Uebungsbeispiele eine sorgfältigere sein; denn Sätze, in welchen von mythologischen Gottheiten, von Helden des Altertums die Rede ist, dienen wahrlich dem Schüler nicht dazu, seinen Wörterschatz zu vergrössern. Es ist doch besser, der Schüler weiss: Briefmarke, Retourbillet, Postanweisung, Corre spondenzkarte etc. in die französische Sprache richtig zu übersetzen , als dass ihm die Namen der neun Musen vorgeführt werden. Gerade die richtige Wahl der Vocabeln in den untern Cursen führt den Schüler direkt zur Conversation. Nach geschehener, gründlicher Erlernung der Grammatik sind die einge- prägten Vocabeln für den Schüler kein todtes Kapital mehr; der einigermassen talentvolle Schüler wird unter Anleitung des Lehrers zu kombiniren beginnen und selbst Sätze bilden, von welchen jeder einzelne mehr wert ist, als hundert nach Coursier eingepaukte Phrasen. Doch auch diesen billigen Anforderungen scheinen die Verfasser unserer besseren Schulgrammatiken immer mehr und mehr Rechnung zu tragen und ich gehe zur weiteren Auseinandersetzung meiner Methode über

Ist dem Unterrichte eine gute Grammatik zu Grunde gelegt, so erscheint mir in den beiden unteren Cursen wünschenswert, nicht Mos auf eine richtige Aussprache des Französischen, sondern auch des Deutschen zu Beben und den Schüler bei jeder Gelegenheit auf die Abweichung der beiden Sprachidiome von einander hinzuweisen. Na- mentlich bei dem Kapitel über die Präpositionen kann der Sprachlehrer dem Realienlehrer wesentliche Dienste leisten, wie überhaupt bei dem mündlichen Uebersetzen aus dem Französischen in's Deutsche auf eine correkte Ausdrucksweise nicht genug Wert gelegt werden kann.

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In den beiden unteren Cursen halte ich es für notwendig, viele schriftliche Uebersetzungen aus dem Deutschen in's Französische machen zu lassen und den Schüler zu genauer Correktur in der Klasse anzuhalten. In den unteren wie oberen Cursen empfiehlt' sich eine wöchentliche Hausarbeit, die vom Lehrer zu corrigiren ist. Ist die Arbeit des Lehrers dadurch auch eine äusserst bedeutende, so werden alle meine werten Herrn Collegen, cfie es gewiss auch so halten mit mir übereinstimmen, dass wir durch das Resultat für unsere Mühe reichlich belohnt werden.

Einer der bedeutendsten Missstände, welcher störenden Einfiuss auf den Unterricht des Französischen im 1. Curs bat, ist die in den Volksschulen übliche Verschiedenheit der in der Grammatik vor- kommenden Benennungen. Um nur ein Beispiel anzuführen, hat der eine Schüler für „substantivum" „Dingwort", der Andere „Hauptwort" gelernt, „verbum" ist dem Einen als „Zeitwort", dem Anderen als „Thun*swort" bekannt. Im Interesse aller Schulen läge es, dass in der Volksschule die Schüler sofort mit den lateinischen Benennungen bekannt gemacht würden. Es könnten noch andere Missstände hier verzeichnet werden, doch ich ziehe vor, sie nicht weiter zu berühren, kehre zu meinem eigentlichen Thema zurück. Was die Wahl der Lektüre betrifft, so schwärme ich nicht für Voltaire's Charles XII und halte für den II. Cars eine Crestoraatbie für zweckentsprechend. Das Lesebuch kann alsdann in der bisherigen gewerblichen Abteilung des III. Curs auch beibehalten werden, wenn man die leichteren Lesestücke für den II. Curs bestimmt und die schwereren für den III. Curs reservirt. Bei der Lektüre muss, meiner Ansicht nach, genau so verfahren werden wie bei dem Lesen der lateinischen Schriftsteller es in der Lateinschule zu geschehen pflegt. Die grammatikalischen Kennt- nisse des Schülers können nur durch häufiges Analysiren befestigt werden. Schreitet man so systematisch vorwärts, so findet man im III. Curses in der gewerblichen Abteilung Zeit, dicUes in französischer Sprache zu geben und so das Ohr des Schülers au die Aussprache zu gewöhnen. Die Uebersetzung dieser diktirten Stücke in's Deutsche gibt, wenn sie schriftlich ausgeführt wird, dem Sprachlehrer aufs Neue Veranlassung, den Uealienlehrer zu unterstützen und der Schüler wird dabei doppelt gewinnen.

Die Handelsabteiluug des III. Curses kann entschieden weiter geführt werden, als die gewerbliche Abteilung, doch ziehe ich auch hier eine solide Fortbildung in der Grammatik conversationellen Kunststücken vor, namentlich im Englischen, wo das Pensum nach dem bisherigen Lehrplan ein so bedeutendes ist.

Nachdem ich so flüchtig meine Methode skizzirt habe, kann ich nicht unterlassen, mit dem offenen Bekenntniss zu schliessen, dass es

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stets meine volle. Verwunderung erregt, wenn ich höre, dass in der Handelsabteilung irgend einer Anstalt Schuler aus dem Englischen in's Französische übersetzen. So weit gelangt man mit meiner Methode nicht; allein ich glaube, dass sie bei mancher Schattenseite auch ihre Lichtseite hat. Wenigstens wird nicht bestritten werden können, dass die neueren Sprachen so gelehrt werden müssen, wenn sie mit der deutschen Sprache die Basis des Unterrichts bilden sollen.

Ansbach. Erwin Walt her.

Heber die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen.

M. Müller erzahlt in seinen Vorlesungen (I, 2, 3f>) folgende Anekdote: ..Als Kaiser Sigismund dem Concilium zu Costniz präsidirte und an die Versammlung eine lateinische Rede richtete, in der er sie zu der Ausrottung des Schismas der Hussiten aufforderte, sagte er: „Videte, patres, ut eradicetis schisinam Hussitarum" Er wurde ziemlich rücksichtslos von einem Mönche zur Ordnung gerufen, welcher ausrief: „Serenisstme rex, schisma est generis neutri" (M. Müller vertheidigt die Form neutri für neutrius als die altlateinische). Der Kaiser fragte aber, ohne seine Geistesgegenwart zu verlieren, den naseweisen Mönch: „Woher weisst du das?" Der alte böhmische Schulmeister entgegnete: „Alexander Gallus sagt es." „Und wer ist Alexander Gallus?" „Er war ein Mönch." „Gut," sagte der Kaiser, „und ich bin der Kaiser von Rom und mein Wort wird hoffentlich ebenso gut sein, wie das irgend eines Mönches" M. Müller bemerkt dazu: „ohne Zweifel hatte der Kaiser die Lacher auf seiner Seite, aber trotzdem blieb Schisma ein neutr , und selbst ein Kaiser konnte das Geschlecht und die Endung des Wortes nicht ändern."

An diese Stelle erinnerte ich mich , als ich in diesen Blättern (XI, 2, pag. 59 u. b. w.) den Artikel las „über die schlechte Aussprache des Deutschen und die nachteilige Wirkung derselben auf den fremd- sprachlichen Unterricht". Denn weder ein Kaiser noch ein Gelehrter kann eigenmächtig an der Sprache ändern. Grundsätzlich zwar bin ich mit Uro. Dr D res er einverstanden, wenn er sagt: „Wenn wir (die Lehrer) uns nicht Mühe geben , uns einer reinen Aussprache zu beflei8sigen , wer soll es denn eigentlich tlmn?" Aber wenn ich mich dann von einem Grimm, Schleicher, M. Müller, v. Raumer, Withney belehren lassen muss , dass die Sprache einn Geschichte hat, dass aus einem guth. habaidedaima ein engl. Iwd (hatten) werden kaun; wenn mir ferner meine eigene Beobachtung sagt, dass man in Süddeutschland vielfach noch auf dem Katheder, auf der Kanzel, auf dem Rednerstuhl

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and auf der Bühne die harten mutae t, k, p nicht von den weichen d, g, b unterscheiden kann, um nur eine der vielen Schwankungen in unserer Aussprache hervorzuheben so will es mich manches Mal dünken, als ob man mit der immerwährenden Bekrittelung der Aus- sprache der Schüler reine Sisyphusarbeit thate. Denn was lehrt mau denn den Schülern für eine Aussprache? Natürlich die richtige 1 Wenn sie nur nicht unter 50 Lehrern bei 40 mundartlich gefärbt wäre, diese richtige Aussprache, so dass man in Verlegenheit geräth , wenn man definieren soll, wie die richtige Aussprache lautet

Indes habe ich mir die Aufgabe gestellt, mich über die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen zu äussern. Mein Verdikt darüber habe ich ausgesprochen, wenn ich den süddeutschen Chauvin- ismus, <i*r nunmehr unbesehen nimmt, was aus dem Norden kommt, mit urteilsfähigen Stimmen zum Schweigen bringe Ist 69 für einen Süddeutschen lächerlich, Stock und Stein statt Schtock und Schtein zu sprechen, so ist es verwerflich, eine Lächerlichkeit in die Schulen einlübren zu wollen Darüber wird sich kein Streit erheben. Herr Dr. Drescr meint zwar, sp und st statt schp und seht zu sprechen wäre das richtige, denn er schreibt: „So wird der Süddeutsche oft den Norddeutschen der Ziererei schuldigen, der »t, sp etc. am Anfange eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht11. So ist es nicht. Ke»n Süddeutseber hält den Norddeutschen, der st und sp für seht und schp spricht, für affektiert, sondern der Süddeutsche, welcher st und sp für seht und schp spricht, wird für affektiert gehalten. Mit vollem Rechte ! Da ich aber fürchte, dies nicht kraftvoll genug aussprechen zu können, mögen die Meister, zu deren Füssen ich lernbegierig sitze, meine Meinung verkünden. Whitney (die Sprachwissenschaft, W. D. Whitney's Vorlesungen über die Principien der vergleichenden Sprachforschung für das deutsche Publikum bearbeitet uud erweitert von Dr. J. Jolly, München 1874) schroibt bei der Besprechung der Lautveränderung also: „Ganz dieselbe Lautneigung hat sich schon seit längerer Zeit auch in unserer hochdeutschen Schriftsprache geltend gemacht und ist im Anlaut der Wörter so vollkommen durchgedrungen, dass unsere Bühnensprache sich längst dafür entschieden hat und man bei jedem, der Stock und Stein anstatt Schtock und Schtein sagt, entweder den Hannoveraner oder Schleswig - Ilolstoiner oder aber einen a f f e k tier ten Menschen heraushört" So denkt auch A Schleicher, der in seiner „deutschen Sprache" pag. III sagt: „Nichts ist lächerlicher, als das Streben, die angestammte Mundart völlig verbergen zu wollen oder gar die Aussprache einer andern, die man für besser hält, nachäffen zu wollen. Dies geschieht namentlich häufig durch die gezwungene Nachahmung des ebenfalls nur munriartliehen norddeutschen sp und st von Seiten Süddeutscher. Dass hier die Schrift dieser Aussprache zur

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Seite stallt, ist rein zufällig. Wer 60 handelt, wer diu hochd. Sprache anders ausspricht, als- er sie naturgemäss auszusprechen bat, der bringt sich um's Schönste, was uns die Muttersprache bietet, um die völlige Freiheit und Ungezwungenheit des Ausdruckes, er bringt sieb um die Muttersprache, er verdammt sich zu einem immerwährenden verwerf- lichen Spielen einer ihm fremden ilolle. Wie lächerlich hört sieb s. U. die Rede eines Schwaben an, der sich zwingt, das Deutsche so auszu- sprechen, wie es die oft nicht einmal richtige jetzt übliche Schreibweise darstellt, zumal wenn er in unbewachten Augenblicken des Affekts von den mit Mühe geführt« n Sprachstelzen herabfällt. Fort also mit dem Vorurteile, dass nur der ein gebildeter Mann sei, dessen Rede man nicht anhören könne, aus welchem Teile Deutschlands er stamme". Uud pag. 210: „Wer hochdeutsch sprechen will, der muss sebprechen schtehen, sebtechen u s f. sagen, so gut als schwein, schnell. Fort also mit dem gouvernantenmässigen , uns widerstrebenden und der Sprache unangemessenen sprechen, stehen, stechen u s f mit reinem b".

Damit könnte ich genug gesagt haben, und im Anschluss an die anfangs erzählte Anekdote so sch Ii essen: „Kein Mensch auf der Welt und alle Lehrer Süddeutschlands zusammen sind nicht im Stande, unsere süddeutsche Aussprache des anlautenden s z sch zu ändern "

Da ich mich aber gerne zu denen rechne, die lieber „mit den ganzen Gedanken eines Meisters denken, als mit ihren eigenen halben'4, 90 fasse ich meine Ausicht über die Aussprache von st und sp in den Schulen in die Worte R von Räumers (Gesammelte sprachwissenschaftliche Schriften 1863, pag. 2?>3) zusammen: „Das anlauteude st sprechen auch die Gebildeten in dem grössten Teile von Deutschland wie seht. Man kann deshalb diese Aussprache gegenwärtig als die überwiegend gebildete Aussprache bezeichnen Da aber in einem grossen Teil von Norddeutschland auch die Gebildeten an der Aussprache szt (d. h. die Anlaute von stehen so aussprechen, wie die Inlaute vou fasten > festhalten, so muss man für den Anlaut st eine zweifache Aussprache als die der Gebildeten gelten lassen."

Ich glaube , dass die von mir angeführten Autoritäten jedem Lehrerdas wissenschaftliche Recht geben, in seiner Schule Schtock und Schtein für Stock und Stein sprechen zu lassen.

Landau (Rheinpfalz).

Falch.

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Aus der Schulmappe.

Fortsetzung der Miscellen von A. Kurz*).

Damit meine Miscellen von den geehrten Herren Collegen der philologischen Sektion nicht ganz überschlagen werden, werde ich dann und wann auch solche von allgemeinerer Bedeutung einstreuen, wie z. B. gleich die folgende.

13. Humanismus und Realismus. In Nr. 12 war vom Farbenreichtum der Physik als Lehrstoffes die Rede Wie aber keine Rose ohne Dornen, so birgt gerade darin der naturwissenschaftliche Unterricht seine Gefahren. Im Hinblicke auf diese haben sich gewichtige Stimmen für Aufschub dieses Unterrichts- zweiges auf die Hochschule ausgesprochen, was aber freilich nur für denjenigen Teil der ' Schaler zutreffen könnte, welche die Hochschule zu besuchen gedenken. Und auch da bat der an und für sich gewiss wahre Spruch Multum von multa zu kämpfen mit den ebenfalls zu berücksichtigenden Gefahren der Einseitigkeit und des Nimmerwieder- k&brens der jugendlichen Lernzeit und Lernfrische. Also bat man es mit einer Resultante des Kräfteparallelogramms zu thun (sü venia verbis). Um beim Leisten zu bleiben , wende ich mich zur Realschul- bildung. Die von allen Lehrern als nötig erklärte Organisation der bairischen Gewerbschulen fasst die sprachliche Durchbildung mehr als bisher neben der Pflege der Mathematik, des Zeichnens und der Natur- wissenschaften in's Auge, um so der anerkannten humanistischen Bildung mehr und mehr ebenbürtig zu werden, und sie bedarf dazu eines um so grösseren Zeitmasses, als bisher eine Ueberlastung kon- statirt ist. Nur der kleinere Teil der Schüler geht an die Hochschule (Universität oder Polytechnikum) und nur ein Teil von -liesem Teile weiss diess vorher; bei den meisten steht die Berufswahl im Dunkel der Ungewissheit. Auch darum sollte dem Realschüler die Aussicht für die verschiedenen Brrufskreise weniger als bisher beschnitten sein. Ist es doch gewiss nur eine Frage der Zeit, dass der Realgymnasiast das Studium der Medizin wird ergreifen dürfen ; ja es gibt sogar, Iwrribile dictu, Leute, welche kein Hinderniss einsehen, einem solchen Hoch- schüler, der für die jura Pas9ion bekommen, die Admission zum Examen zu erteilen, wenn auch als Regel der bisherige Studiengang "betont bleibt. Nun wieder zur Realschulbildung im obigen engeren Sinne : für die technischen Berufsarten im Civil und Militär und die

•) SS. 121 - 125.

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entprechcnden Lehrerstellen verlangt der Staat die tnaturitas; zu den zwei bisherigst! Arten der letztem! käme dann als dritte die durch die vollständige Realschule und Industrieschule erlangte. Die unteren Curse der Realschule werden nach wie vor, nur noch besser*», dem nicht ausser Acht gelassenen Zweck der Vorbereitung für früheren Eintritt in's bürgerliche Leben dienen können.

14 Die Interferenz bei der Stimmgabel

kann jedem Schüler ohne wesentliche Missstände zu subjektiver Beob- achtung gebracht werden, da ein leises Anschlagen der nachher vor dem Ohre gedrehten Stimmgabel genügt. Aber dann beute man auch die Erscheinung durch eine gründliche Erklärung aus. Heimholt* schreibt in der I. Auflage**) seiner „Touempfinduu»en" das Phänomen einer Zusammenwirkung der von beiden Gabelenden ausgehenden Tonwellen zu, und dasselbe verschwinde, wenn man das eine Ende durch eine Röhre von der Mitwirkung ausschliesse Und doch hatten sich schon lange vorher Chladni und sein Zeitgenosse W. Weber, der eine der Gebrüder Wellen -weher, durch Versuche überzeugt, dass die Interferenz auch bei einem einzigen Stabende und ebenso bei der Stimmgabel nach Ausschluss des einen Endes auftrete. IHess hatte ich eben durch eigene Versuche mit Anwendung eines Stückes Kautschnk- schlauch als Hörrohres bestätigt, als ich die einlässlicbe historische und experimentelle Studie von II. Kiessling in Pogg. Ann. Bd 130 S. 177 - 206 (1867) wieder auffand. Wüllner, 2 And. 1870, reproducirt noch dio Erklärung von W. Weber, wonach die Verdichtungswelle etwas früher entstände als die Verdünnungswelle beim schwingenden Stabende und somit 4 üyperbeläste als Oerter der Auslöschung sich ergeben müssten (auf dieselbe Weise wie die 2 Hyperbeln beim Fresnol'schen Spiegelversuche); bei der Stimmgabel würden von den 8 Aesten nur die 4 äusseren bestehen bleiben , indem die 4 inneren durch das Zusammenwirken der gleichzeitig gegen und von einander schwingenden Enden überdeckt würden. Aber die beiden genannten Wellen entstehen gleichzeitig und statt der Hyperbeln bat man beim Stabe eine Interferenzebene senkrecht zur Schwingungs- richtung des Stabes, was, nebeubei gesagt, auch viel leichter zu begreifen und zu behalten ist Bei der Stimmgabel , wenn das eine Ende durch eine Glasplatte dem Obre entrückt ist, beobachtet man eine Answärtsbeugung jener einen Interferenzfläche als Folge der

•) Wer diess bezweifeln sollte, kann an den zunehmenden Gebrauch der Lateinschule als solcher Vorbereitungsanstalt, erinnert werden.

*•) Die neuere steht mir nicht xn Gebot-.

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Reflexion an der Glasplatte (das ist eine äusserliche Aebnlichkeit mit den Weber'schen äusseren Aesten) ; und dasselbe gilt auch für die Beobachtung an der blossen Stimmgabel , bei welcher diese Krümmung der beiden Interferenzflächen teils solcher Reflexion an den inneren «Gabel flächen, teils auch dem gegenseitigen Durchkreuzen der von den beiden Enden gleichzeitig ausgehenden 4 Wellen zuzuschreiben ist „Die Interferenzstellen Rind dadurch bestimmt, dass die Resultante aller dort noch zur Wirksamkeit gelangenden Amplituden ein Minimum ist."

15. Ueber die spezifische Wärme der Luft. Hinsichtlich des namentlich durch bisherige lsolirtheit interessanten

Measungsverfahrens von Clement und Desormes, das Verhältniss ^

der spezitischen Wärme der Luft bei konstantem Druck zu derjenigen bei konstantem Volumen botreffend, sagt Bourget im Journ. de Math. 1871: Le raisonnement donne dam la plupart des traitis de physique ne me parait pas parfaitement exaet. Vom selben Bedürfnisse nach Klarheit gestachelt, legte ich mir den Vorgang in folgeuder Weise zurecht: Der etwa 30 Liter grosse Glasballon war geöffnet und schwach erwärmt worden; dann ward er geschlossen, so dass nach der Erkaltung das kommunizireude Quecksilbermanometer auf 137 mm stieg. In der bekannten Ausdrucksweise des Gesetzes von Mariotte und Gay-Lussac

lautet der letztere Vorgang = <*> ~ 13?H* I 137>, worin sp

etwa 700 bis 760, das Volumen v aber nach der gewählten Einheit z. B. 300000 betrüge, wenn der Querschnitt der Manometerröbre 1 Qcm wäre.

v P - 137

Also schreiben wir angenähert richtig (wie bei Jolly's

Luftthermometer), oder •*« = Zweiter Akt: es wurde Luft

eingelassen, so dass das Manometer auf 0 fiel, und der Hahn geschlossen; hiebe i ist aber Arbeit in Wärme verwandelt worden und der Ueber- schuss tl der Temperatur zeigte sich im naebberigen Steigen des Manometers auf 36 mm Dafür erhalten wir analog dem Vorigen « x 4. t*

Und mit Vernachlässigung der kleinen t und V gegen-

über der absoluten Temperatur r von etwa 280 oder 290 Celsiusgraden wird

137 : 36 = t : P.

Im ersten Akte hatte man, als der Hahn offen war, die Wärme- menge Gct erteilt, wenn 0 das (konstant angenommene) Luftgewicht bedeutet. Diese Wärmemenge kann zerlegt gedacht werden in den Teil G cy t zur reinen Erwärmung und in den Teil G (c cx) t zur

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Arbeitsleistung. Oder sie kann zerlegt werden in die Teile G c{t - tx) und GcO; letzterer Teil wurde im zweiten Akte aus Arbeit wieder gewonnen, als der Hahn offen war; der erstere Teil hätte durch die Flamme geliefert werden müssen, hätte man auch im zweiten Akte die Luft auf den Temperaturüberschuss t des ersten Aktes bringen wollen Nun ist die Starke oder Schwache der Beweiskraft dieses Verfahrens daliio zugespitzt, dass man setzen soll (mit Weglassung

c 137

von G) cU cit- tl), also ~- = -T = 1, 36

c* 101

Daher um so grössere Freude bei den Physikern, als Laplacc fand, dass die theoretische Formel Newton's für die Geschwindigkeit des

Schalles in derLnft durch den Faktor V \ 4 verbessert mit den Mess- ungsresultaten stimme (330 m), und annahm, dass dieser Radikandus

jenes Verhältniss -z sei, welches hiemit indirekt auf akustischem Wege

c

bestimmt werden könne. Doch davon vielleicht ein anderes Mal

16. Drehung eines Körpers um eine feste Axe. Wenn ein Körper von einem gegebenen Kräftesystem angegriffen ist

(I) P, Vt «, at . . ^ . . y{ . . »t . . y, Jf» . *i ,

so kann man bekanntlich dieses reduziren auf eine einzige Kraft P0 und eiu Kräftepaar, deren Componenten nach den drei Coordinatenaxen in der gewöhnlichen Bezeichnung sind

(II) Xo Yu Z0, L M N.

Die drei Kräfte greifen im Ursprünge 0 an und liegt zur Auf- suchung der Poinsot'schen Centralaxe für das Folgende ein BedUrfniss nicht vor.

OZ sei nun die fixe Drehaxe, 0 der eine ihrer Befestigungspunkte, C der andere, wobei OC rr c sei. Zur Bestimmung der Kräfte, welchen diese beiden festen Punkte widerstehen müssen, schlage ich nun als Ersatz der Kräftesysteme 1 oder II vor dasjenige

(III) Bx Ry ttz in 0 angreifend

Sx Sy Null in C

Tx Null Null im Punkte B auf der Axe OY, wobei OB t.

Man erhält dann durch Identifizirung von 11 und III X0 = Mx + Sx + Tx} YQ = By + 8y, ZQ = Üz L ~ Sc M Sx c N = - TK

Ist der Körper auf der Axe verschiebbar und soll Gleichgewicht bestehen , so muss Z0 o und N .— o; aus den vier anderen Gleich- ungen berechnet sich dann Rx JBy Sx £y, so dass also die in O und C

angreifenden Kräfte Ä und S parallel der xy Ebene sind Ist der Körper nur drehbar um die feste Axe, so muss nur N Tx = o seiu

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für den Fall des Gleichgewichtes. Die Kraft R hat dann auch eine Componente Rt ; gewöhnlich gibt man auch »S'eiue solche Componente S, aber es bleibt dann unbestimmt, wie sich die beiden Summanden R% und S% von ZQ auf die beiden festen Punkte verteilen. Für den

allgemeinsten Fall, dass kein Gleichgewicht besteht, habe ich die Kraft Tx eingeführt, da ersichtlich ist, dass dann die Kräftesyteme

I oder II nicht durch die blossen zwei Kräfte R und S ersetzt werden können.

17 Lehrbuch und Experiment im naturwissenschaftlichen Unterricht.

Im Aprilbefte der bekannten Westermann'scben las ich mit begreif- lichem Interesse den Aufsatz von Scbödler (Buch der Natur) über die chemischen Laboratorien von beute und gestern. Es ist da mit Recht die Wichtigkeit des Experimentes betont, für welches der Lehrer viel Zeit in seinem eigenen Bildungsgang verwenden müsse, auf dass er sich die nötige Geschicklichkeit erwerbe. Launig wird eines älteren Lehrers gedacht, dessen akademischer Unterricht sich auf Ablesen eines Lehr- buches beschränkte, während für das versprochene Experiment eines Seifensudes die Lehrstunde alljährlich zu früh zu schliessen pflegte.

Wie nun nach Vater Göthe jedes ausgesprochene Wort den Gegen- sinn erweckt, so erinnerte ich mich gleich, dass man heutzutage manchmal in das andere Extrem verfällt, worüber ich wol schon öfters sprechen hörte, aber mich nicht erinnern kann etwas gelesen zu haben. Höchstens vielleicht in Betrefl der öffentlichen Vorlesungen, welche ein Teil des grossen Publikums als Modesacbe mehr oder minder bewusst ansieht, kann man Andeutungen finden ähnlich denjenigen Uber das Theater, von welchem hämo publicus häufiger circemes als bildende Anregung verlange. Kein Wunder also, dass auch der Lehrer- und Gelehrtenstand sein Contingent stellt zu den beifallsüchtigen Volks- rednern und Schauspielern und dass es vom Experimentirtische manch- mal aus knallt und leuchtet „dass es eine wahre Freude ist".

Aber kehren wir in den Hörsaal zurück; dem Studenten kann es dabei manchmal werden, als ginge ihm ein Mühlstein im Kopf herum, und er würde ein gewisses Anschliessen des Vortrages an ein Com- pendium, durch welche er das gerade Behandelte mit Früherem und Späterem selbstthätig zusammenhalten kann, und weniger aber aus- führlich durchgesprochene Experimente einem Ueberflusse an solchen vorziehen. So sind wir also bei dem kurzen Leitfaden , der nicht das Ruhebett des Lehrers sein kann, angelangt, als dem Vermittler zwischen den beiden angedeuteten Extremen

18 Saiten- und Pfeifentöue. Diese lassen sich am leichtesten experimentell und auch elementar - theoretisch behandeln. Ich ziehe nämlich vor, statt die Formel der

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Scbv.ingungszahl der gespannten Saiten als Resultat einer höheren Rechnung gleichsam wie eine vom Himmel herabgefallene vorzuführen, mich auf die vorausgegangen* Formel vom gemeinen Pendel zu stützen (mit welchem die Hälfte der Saite verglichen werden kann). Es ist daher die S( bwiuguogszahl n proportional mit der Quadratwurzel aus der durch die Lange Z dividirten Beschleunigung (Vergl Mise 3 und 4)« Statt letzterer kommt der Quotient aus der spannenden Kraft P und der Masse m der gespannten Suite in die Rechnung. In m ist der Faktor l nochmal enthalten, und wir haben <iie beiden wichtigsten

Saitengesetze, dass n proportionel Y~V und y, abgeleitet. Nicht minder

stehen auch die weniger bedeutsamen Gesetze der Abhängigkeit des n vom absoluten, vom spezitischen Gewichte und vom Durchmesser der Saite vor uns.

Bezüglich der Pfeifen will ich an das ebenso wolfeile als frappante Experimentirmittel erinnern, das ich, ungeregt durch J. J. Oppel in Pogg. Ann. CXXII, in Carl's Repertorium der physik. Technik 1865 beschrieben habe. Aus dem so schwachen Geräusche, das eine Carton- rollc beim D'ranklopfen oder Herunterfallen auf den Tisch hören lässt, erkennt man bei einiger Aufmerksamkeit doch leicht die Gegenwart des Tones der ebeu so langen offenen Pfeife. Die für den Stimmgabelton a, resonirende Rolle- inuss dazu bekanntlich die Länge / haben, gemäss der Formel

330 - 440 21 oder / = | Meter.

3

Ich benutze die acht Rollen der Töne von a. bis ax (bis 4ip Meter).

lo

Die letztere Formel enthält die Wellenlänge k ~ 21 des Grund- tons der offenen Pfeife und repräsentirt die Länge der gedeckten

Pfeife für den nämlichen Tou --. Man spricht da von Bäuchen an den

offenen und von Knoten an den gedeckten Enden, welche Vorstellung von den transversalen Wellen herübergenommen wird Daun entsprechen aber die Bäuche der konstauten Luftdichte, der Ruhe, und. die Knoten der variablen Dichte, der Bewegung, welche man heutzutage so schön durch Gasflamme und rotirenden Spiegel zeigeu kann. Um nun einer Verwirrung vorzubeugen, mache ich ausdrücklich aufmerksam, dass man beim Uebergang von der einen zur andern Vorstelluogsweise die Oerter der

konstanten Ruhe uud Bewegung um -* verschoben denken soll

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'. *'

Leber die Gedankenarmut der Gewerbschüler.

Wie oft hört man doch die Lehrer der deutschen Sprache Ober Gedankenarmut hei den jungen Leuten klagen! Und in der That wird 80 ziemlich jeder, der auch in die Lage kommt, Deutsch lehren zu müssen,, besonders an Gewerbschulen in diesen Jammer einstimmen.

Die Aufsätze sind in der Regel so dürr und matt, dass man es ihnen ansieht, welch ein mühevolles Machwerk sie sind. Da ist kein Schwung der Rede, kaum je eine passende Vergleichung aus dem alltäglichen Leben zu finden , und wenn sie noch so nahe läge. Gewöhnlich darf der Lehrer zufrieden sein, wenn seine Schüler am Ende ihrer Studienlaufbahn über ein entsprechendes Thema in leid- licher Richtigkeit sich auszusprechen verstehen, aber in rasscl- dürrer Prosa.

Und dieselben Mängel treten schon bei den ersten Uehungen in der Grammatik auf. Läast man seine Jungen Sätze bilden, ohne ihnen ein Subjekt zu bestimmen, so weiss man dasselbe schon so ziemlich voraus. „Vater", „Bruder", „Schwester*', und wenn's hochgeht, „dieser Mensch", oder „ich", „er" uud „du" werden zur Besprechung heran- gezogen. Gibt man ein Substantiv an, über welches ein Satz gebidet werden soll, so wird man neunmal unter zehn Fällen erleben, dass mun von demselbeu nichts Interessanteres zu sagen weiss, als es sei „gut" oder „schön". Das Zeitwort darf selbstverständlich kein anderes sein, als „ist" oder „sind", kein Perfekt oder Imperfekt oder sonst etwas dgl.

Woher uun wol dieses hölzerne Wesen, wenn es erlaubt ist, so zu sagen, das sich vom ersten bis zum letzten Kurse bemerklieb macht?

Der Gründe sind zahlreiche.

Vor allem ist daran ohne Zweifel, und dieser Punkt hat ja schon oft eingehende Erörterung gefunden, die schlimme Einrichtung unserer Gewerbschulen schuld. Das alte Sprüchlein „Zuviel ist ungesund" wird in dem modernen Schulwesen meist vergessen, an den Gewerbschulen kennt man es vollends nicht.

Dazu kommt, dass auch in den besteingerichteten Schulen realer Richtung der Natur der Sache nach vielen Gegen- ständen eine Masse Stunden eingeräumt werden müssen, welche den Ideenkreis der Schüler nicht bereichern, sondern blos den Verstand schärfen, und dahin gehören die verschiedenen Zweige der Mathematik

Hievon aber ist die notwendige Folge, dass anderen Fächern, welche geeigneter wären, den Gedankenkreis der jungen Leute zu erweitern, wie muttersprachliche und fremdsprachliche Lektüre, Geschichte , Geographie und Naturgeschichte nicht die nötige Zeit zugemessen werden kann.

Blattei f. iL bajrer. Oymn. u. Real Scbulw. XI. Jabrg. ]C)

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Halten wir ferner Gymnasium und Gewerbschule nebeneinander, so siebt man leicht, dass letztere mit einem entschieden schlechteren Schülermaterial zu arbeiten hat, als ersteres. Im Durchschnitt bringen die Schüler, welche Gewerbschulen besuchen, selbstverständlich weniger Anlagen und geringere Vorbildung mit. Dieser Unterschied zwischen Gymnasium und Gewerbschule kann durch eine gründliche Reorganisation zwar gemildert, aber keineswegs aufgehoben werden.

Wiewol sich nun aber das Gymnasium für unsern Fall in beiweitem günstigeren Umständen befindet, als die Gewerbschule, so erinnern wir uns doch noch recht gut, dass wir in der Zeit, wo wir noch auf den Gymnasialschulbänkeu sassen, ähnliche Vorwürfe zu hören hatten, wie sie oben den armen Gewerbschülern gemacht wurden. Wie erklärt sich nun das?

Ein Hauptgrund für diese Erscheinung liegt ohne Zweifel in der ganzen Richtung u-u serer Zeit, die, fast ausschliesslich dem Materiellen nachjagend, für die Ausbildung des idealen Reiches der Phantasie keinen Raum lässt. Diese Hinneigung zur allgemeinen Verflachung muss natürlich auch auf Erziehung und Unterricht ent- sprechende Rückwirkungen üben.

AU' diese aufgezählten Gründe zu beseitigen, liegt nicht in der Macht der Lehrer und ist auch nicht ihre Aufgabe.

Wir möchten nur auf einige Momente hinweisen, die uns die Mittel an die Hand geben sollen, auf methodischem Wege jene Mängel so gut es geht, zu beseitigen. Uebrigens machen wir auf Voll- ständigkeit keinen Anspruch, sind im Gegenteil sehr erfreut, wenn allenfalls von erfahrenerer Seite eine Ergänzung nachfolgen sollte.

Schon auf der untersten Stufe kann und muss mit der Arbeit begonnen werden. Jene Vater-, Schön- und Ist- Sätze müssen vor allem verbannt werden, und bis zu einem gewissen Grad geht das auch. Man lege den Schülern zuerst einen Gegenstand vor, den sie in der Geschichte, Geopraphie, Naturgeschichte, iu einem Gedichte oder sonst irgendwo genauer kennen gelernt haben, und fordere sie alle insge- sammt auf, über denselben etwas „auszusagen". Da wird nuu über Hanuibal, Rom, Hund, Peter in der Fremde u. s. w. ein halbes oder ein ganzes Dutzend Sätze gebildet; kein nur etwas Websamer Schüler will hinter seinem Nachbar zurückstehen, und fast jeder streckt begierig den Finger in die Höhe und kauu nicht schnell genug seine freilich oft geringe Weisheit aussprechen

Später diktirt man mehrere Substantiva und lässt darüber passende Sätze machen, über mit ausdrücklichem Bannflüche gegen etwaige Ist- etc. Sätze Dann lässt man auch bei Durchnahme der verschiedenen Redeteile in der Etymologie in diesem Sinne Sätze bilden, in denen

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dieser oder jener Redeteil vorkommen muss, wpbei ein Subject ange- geben werden kann oder nicht.

Endlich lüsst man dem Schüler die goldene Freiheit, seiuen Stoff zum Satze selbst zu finden.

So kann man schon in den Grammatikstunden auf eine Besserung des Uebels hinwirken. Das ist aber selbstverständlich nur ein kleines Körnchen von dem grossen Bau. Die Hauptsache bleibt der eigentlich stilistische Unterricht, die geistige Belebung aller jener Unterrichtsstoffe, denen wir oben vorzugsweise Erweiterung des Ideen- kreises zuschrieben und Mitwirkung aller Collegen der betreffenden Anstalt.

Was den stilistischen Unterricht betrifft, so hiesse es nur ein Tröpfchen ins Meer giesseu, wenn wir uus läuger dabei aufhielten, und es ist auch hier gar nicht der Ort, diesen Punkt einer eingehenden Besprechung zu unterziehen. Nur dies Eine möchten wir berühren, dass der ganze deutsche Unterricht, und vorzugsweise der stilistische, nicht bloss eine formelle Richtigkeit austrebeu , sondern auf dem Wege der Schul- und Privatkktüre neue Gedanken zuführen müsse. Unter Privatlektüre verstehen wir hier das Lesen von geeigneten - Büchern aus Schül.erlesebibliotheken, die au keiner Schule fehlen sollten. Freilich kann dem gegenüber eingewendet werden: „Woher sollen unsere ohnehin schon überbürdeten Schüler auch noch die Zeit zur Privatlektüre nehmen?'4 Wir verstehen das ganz gut; indes sind wir der Ansicht, dass fleissige* Schüler uueh dazu noch einige Zeit finden. Eine Entlastung der Schüler von Schulstunden zu Gunsten der Privatarbeit wird jeder Freund der Jugend mit Freude begrüssen , und sie wird seit Jahren von Pädagogen und Nichtpädagogen ersehnt.

Wir können unsererseits von der gestellten Forderung nicht abgehen; ohne Privatlektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz, keine Besserung der eingangs berührten Uebelstände! Darum müssen die Schüler Zeit haben zum Lesen; denn das Bischen, das sie in der Schule lesen, reicht beiweitem nicht aus.

Man kann aber häufig bemerken, dass die jungen Leute selbst das nicht zu benützen verstehen, was sie doch offenbar aus Geschichte, Geographie etc. wissen müssen Ist ihnen im deutschen Sprachunterricht die nötige Anweisung zur Verwert uug der anderweitig erworbenen Kenntnisse zu teil geworden uud dennoch nichts erzielt worden, so steht es offenbar um diese Kenntnisse sehr schlecht. Man darf überzeugt sein, dass das, was die guten Jungen in der Geschichts- oder Geographie- oder Naturgeschichtsstunde gehört haben, nicht in Fleisch und Blut übergegangen, sondern im besten Fall ein- gelernt ist. Alles so erworbene Wissen bleibt aber ein totes, wertloses,

19*

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unverwendbares. Dagegen muss die Methode de9 Lehrers ankämpfen Dadarch, dass ein und dasselbe Lernobjekt zu Ker- sch ie»le neu Zeiten, von verschiedenen Seiten und in verschiedenen Verbindungen auftritt, wird es im jugendlichen Geiste lebendig, wird ein Wissen, über das man jeden Augenblick verfügen kann.

Zu dieser Belebung des Unterrichts in den genannten Fächern trägt aber noch etwas Anderes viel bei. das um so bedeutender ist, als nur dadurch in der jungen Seele Lust und Liebe zur Sache erzeugt, der „Sinn" für die betreffenden Lchrgegenstände geweckt werden kann. Nach unserm Dafürhalten muss neinlich der Geschichts- und Geographie- Lehrer so gut wie der Botaniker mit seinen Schülern Excursionen unternehmen. Was nützt es, wenn den Schülern vor- gesagt wird, es gebe vier Weltgegenden u. s. w., wenn man aber im Zweifel sein muss, ob einer darunter ist, der den Polarstern kennt, der ihm die Nordricbtung anzeigen soll? Wertlos ist es, wenn ein Schüler lernen muss, der Arber habe eine Höhe von 4500', falls nicht am Ort der Schule ein Berg oder Turm genau in Augenschein genommen worden ist, so dass von da ein Schluss auf eine Höhe von 4.MX)' möglich gemacht ist. Es wird aber schwerlich einen Lehrer geben, der meint, es genüge, Solches den Schulern blos zu sagen. Das muss der Lehrer mit ihnen ausführen, denn sonst bat er gewiss umsonst geredet

Und erst gar in der Geschichte! Was wäre das für ein Unterricht, der den jungen Leuten nichts weiter, als die dürftigen Daten im Lohrbuche böte? Hinaus ins Freie mit den Schülern! Alles was uns umgibt , ist ein Produkt tausendjähriger Geschichte. Diese Statue erinnert uns an Tilly und damit an den dreissigjährigen Krieg, hier ruft uns eine schwarze, bemooste Steinsäule die Gräuel der Husiten- kriege ins Gedächtnis. Und das Gotteshaus in diesem Dorfe, wann ward es erbaut, welche Begebenheit stellt das Freskogemaide an der Decke dar? Kurz, es gibt tausenderlei Anknüpfungspunkte, auch in dem kleinsten Städtchen. Unsere deutschen Reichsstädte, die zum grossen Teil allerdings jetzt ihrer Zahl und Bedeutung nach zusammen- geschrumpft sind , können immerhin ein gutes Stück Geschichte erzählen. Es gibt keinen Ort, wo nicht das und jenes uns auf vergangene Zeiten zurückweist. Oder sollten all die Gemeinden Deutsch- lands in den letzten Jahren ihren in Frankreich gefallenen Söhnen deshalb Ehrendenkmäler errichtet haben, damit sich nach zehn Jahren niemand mehr darum umsehe ? So erst werden wir unsere Jugend dahin bringen, dass sie nicht blind an dem vorüber geht, was sie umgibt, und dass sie auch ausser der Schule selbst sich ihre Gedanken bildet, wenn ihr der Lehrer nicht auf dem Fusse folgen kann.

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Das aber wird nicht ohne eine wolthätige Rückwirkung bleiben auf Gedankenreichtum in den deutschen Aufsätzen.

Um eine merkliche Besserung in Bezug auf Gedankenreichtum der deutschen Aufslitze zu erleben, bedürfen , wie oben bemerkt wurde, die Lehrer des Deutschen auch der Mitwirkung aller Collegen der Anstalt. Ja selbst die Vertreter derjenigen Fächer, welche vorhin nicht als gedankenbereichernd in unserm Sinne bezeichnet worden sind, können hiovon nicht ausgeschlossen werden

Dem Mathematik- Unterricht wird es gewiss nicht schaden, wenn er hie und da ein paar Minuten aus seiner reinen Abstraktheit heraus- tritt und etwa bei Durchnahme des "pythagoreischen Lehrsatzes nicht blos von Dreiecken, Rechtecken und rechten Winkeln spricht, sondern auch einiges einfliessen läset von dem Leben des Pythagoras; und selbst die abgedroschene ..Eselsbrücke1' kann Anlass zu einem lehr- reichen Rückblick auf die Vergangenheit geben.

Auch der Zeichnungsunterricht bietet der Gelegenheiten viele, in diesem Sinne zu wirken.

Es könnte uns nur vielleicht die Frage entgegen gehalten werden, ob wir berechtigt sind, dem deutschen Unterrichte soviel einzuräumen, dass allen Lehrern eine Mitwirkuug zugemutet werden könnte. Wir antworten entschieden mit „ja"; denn sämmtliche Lehrer haben bei aller Verschiedenheit der Fächer, die sie vertreten, in ihrer pädago- gischen Thätigkeit ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Dieses gemeinsame Endziel ihrer Bemühungen, an dessen 'Erreichung sie mitarbeiten können, ohne ihr spezielles Fach zu beinträchtigen, vielmehr in dessen eigenstem Interesse, kann nur dies sein, dass die geistige und sittliche Entwickelung der Schüler möglichst gefördert werde. Nirgends spiegelt sich aber der jeweilige Bildungsgrad eines Menschen deutlicher und reiner ab, als in der Art und Weise, wie er seine Gedanken in der Muttersprache auszudrücken versteht. Mit dem bekannten „Xe style c'est Vhomme" bat es seine volle Richtigkeit.

München. H. Krallinger,

Bemerkungen zn dem Ohm'schen Gesetz.

Bedeutet E die clcctromotorische Kraft eines Elementes, w den Widerstand im Element, l den Widerstand im Leitungsdraht, so gilt für die Stromstärke 2 eines einzigen Elementes die Gleichung:

TP ...

W -f- l

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Nehmen wir N Elemente und teilen dieselben in Gruppen ab , so dass jede Gruppe a Glieder enthält, welche zu einem einzigen ver-

N

grösserten Plattenpaar, wahrend die - Gruppen kettenförmig unter- einander verbunden sind, so gilt bekanntlich die Gleichung:

2)

w + l a N a

Fragen wir uns nun: welchen Wert muss a haben, damit unter sonst gleichen Umstanden J ein Maximum oder der Xenncr der Gleichung 2) ein Minimum wird. Diese Frage wird aus naheliegenden Gründen in der Kegel mit Hülle der Differentialrechnung gelöst; wo sich andere Losungen vorfinden , entbehren dieselben oft der wünschenswerten Durchsichtigkeit *) Am einfachsten setzen wir den Nenner der Gleichung 2) gleich einer zunächst beliebigen Grösse *, so dass entsteht

aus welcher Gleichung sich ergibt

- + 2 i V 4 P l

Dun kleinsten Wert, welchen * annehmen kann, damit noch reelle Werte für a outsteheu, erhalten wir nun aus der Gleichung

N* «* _ w N

worauB

_ 1 / w . I l/w N . .

w l

und aus der Substitution letzteren Wertes sich ergibt; d h.

a N .

a

der Widerstand im Element muss gleich dem Widerstund im Leitungs- draht sein.

Der Umstand, dass dieser Satz bei Erwähnung des Ohra'schen Gesetzes kaum zu umgehen ist, mag jeden Versuch einer einfacheren Ilerleitung wünschenswert erscheinen lassen

Speier. C. Bender.

*) Man vergleiche Baumgartner 's Physik. Hte Aull p. 512. Müller Pouillet. IL Bd. Gte Aull. p. 242. Victor v Lang theoretische Physik, p. 181. Külp Physik. Bd. 3. p. 343.

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Aufgabensammlung aus der Algebra von Dr E. Bardey. 4. Aufl. Leipzig, Teubner.

Die vorliegende Sammlung, welche über 8000 Aufgaben enthält» ist bestimmt für die Gymnasialklassen von Quarta bis Prima (incl.)- Dem Anfänger, welcher nur mit bestimmten Zahlen zu rechnen gewohnt ist, bietet die Rechnung mit allgemeinen Zahlen einige Schwierigkeit. Der Verlässer erleichtert die Einführung des Schülers in die Algebra dadurch, dass er an bestimmte Zahlen- Beispiele anknüpfend, den Schüler auf ein richtiges Erfassen der Fundamentalsätze der Algebra hinführt Ich halte es nicht für ratsam, sofort beim Beginne des algebraischen Unterrichtes die streng wissenschaftlichen Beweise in Anwendung zu bringen, denn diese werden von den Schülern entweder gar nicht, oder was noch schlimmer ist, falsch verstanden. Es handelt sich zunächst um ein klares Yerständniss der Fundamentalsätzc und nachher, etwa bei der Repelition, können die wissenschaftlichen Beweise durchgenommen werden , wenn man überzeugt ist, dass sie auch von den Schülern verstanden werden.

Am Eingange der einzelnen Abschnitte befinden sich gewöhnlich einige passende Erläuterungen oder Fragen, wodurch ein besonderes Lehrbuch der Algcbrn völlig überflüssig gemacht wird. Ohne dass der strengen systematichch Anordnung des Stoffes irgend ein Eintrag gethan wird, herrscht eine grosse Abwechselung in den Aufgaben, wodurch einerseits das Interesse der Schüler rege gehalten, anderseits aber eine sichere Fertigkeit in den algebraischen Operationen erzielt wird.

Besonders hervorgehoben zu werden verdienen die Abschnitte von den Gleichungen, die sehr umfangreich und mit Gründlichkeit und grosser Sachkenntniss behandelt sind Der Verfasser hält mit Recht die Gleichungen für den Schwerpunkt des algebraischen Unterrichtes. Denn gerade bei den Gleichungen wird die ganze Denkkraft des Schülers in Anspruch genommen. Es handelt sich nicht nur darum, das richtige Resultat zu finden, sondern besonders darum, unter den möglichen Lösungen auch die kürzeste und eleganteste zu suchen, und hiezu wird in dem Buche diesem Schüler der Weg gebahnt Das Interesse wird dadurch rege gehalten und der dadurch entstehende Ehrgeiz leistet gute Dienste. Dabei befestigt der Schüler von Stufe zu Stufe fortschreitend durch die verschiedensten Operationen das früher Er- lernte und lernt es für die praktische Anwendung verwerten. Es kann also dieses Werk angelegentlichst empfohlen werden.

Kaiserslautern. Dr. van Böbber.

R. Dietsch's Grundriss der allgemeinen Geschichte für die oberen Klassen von Gymnasien und Realschulen. Dritter Teil Neu bearbeitet von Gustav Richter. 6. Auflage. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner, 1874. S. S. VIII und 159.

„Es gilt bei dem Geschichtsunterrichte, die Hauptzüge in den Thatsachen und den Charakteren, die obwaltenden Gleichheiten und Verschiedenheiten, den zwischen den Begebenheiten äusserlich sicht-

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baren Zusammenhang aufzufinden und aus der Beobachtung positive Wahrheiten zu schöpfen, welche auf andere Verhältnisse wieder Anwendnng finden können und müssen, in den Hauptsachen also dem Geiste Methode anznbilden , nicht ihm wissenschaftliches Erkennen zuzumuten, die Vertiefung in die Objekte anzubahnen, ein volles Hegreifen aber weder zu wollen noch zu fördern " In diesen Worten hat Dietsch (Scbroid, Encyclopädie des Erziehungs- und Unterrichts- wcaens 2. Baud 8. 781) die Aufgabe des Geschichtsunterrichtes am Gymnasium zusammengefasst und zugleich die Grundsätze niedergelegt, nach denen die Lehrbücher und Leitfäden der allgemeinen Geschichte für die oberen Klassen am Gymnasium bearbeitet werden sollen Zur Abfassung solcher Werke war Prof. Dietsch durch seine umfassenden Kenntnisse und seine praktische Erfahrung ganz besonders berufen und sowol sein Lehrbuch als sein Grundriss der allgemeinen Geschichte nehmen unter der Flut ähnlicher Werke , welche in neuester Zeit erschienen sind, »»ine hervorragende Stelle ein. Dieser ehrenvolle Platz wird auch in Zukunft diesen Lehrbüchern gesichert bleiben, da die Verlagsbuchhandlung bemüht ist, durch zeitgemässe Verbesserungen den Wert derselbeu immer mehr zu erhöhen Der dritte Teil des Grundrisses (die Zeit von 1492 - 1871) liegt in 6. Auflage neu- bearbeitet von Prof. G. Richter vor

Durch richtige Gruppierung und Vereinfachung des Stoffes bat dieser Grundriss eine wesentlich verbesserte Gestalt erhalten und ist in dieser Beziehung geradezu musterhaft zu nennen Auf die kultur- geschichtlichen Abschnitte hat Prof. Richter sein besonderes Augenmerk gelenkt, da ja auf den oberen Stufen des Gymnasiums und der Real- schule der Zusammenhang des geistigen Lebens mit dem politischen betont werden muss Dass die neue Auflage um eine kurze Darstellung des deutsch- französischen Krieges bereichert werden musste, ist selbst- verständlich; denn die allgemeine Geschichte darf nach solchen Ereignissen, wie sie die letzten Jahre mit sich brachten, nicht mit dem Jahre 1815 an den Gymnasien abgeschlossen werden und auch die bairische Schulordnung vom 20. Aug. 1874 fordert die Fortführung der Geschichte bis auf die neueste Zeit. Die Ursachen und der Verlauf des deutsch - französischen Krieges sind klar und bündig dargelegt um vaterländischen Sinn zu wecken, bedarf es nicht der salbungsvollen Phrase und die patriotische Haltung König Ludwigs II. von Baiern ist mit vollem Rechte gebührend hervorgehoben. Die wichtigsten Bearbeitungen der einzelnen Abschnitte der Geschichte sind im vor- liegenden Grundrisse nicht angeführt; Referent dagegen hält eine Anführung derselben für zweckmässig, da der Lehrer gewiss anziehende Stellen aus mustergiltigeu Geschichtsschreibern zur Belebung des Unterrichtes mitteilen und die Schüler hiedurch angeregt zur Lektüre des einen oder anderen historischen Werkes greifen werden. Eine passende Zugabe bilden die chronologischen Tabellen und die Regenten- tafel. Durch Anfügung dor letzteren war es möglich, die Stammtafeln im Texte des Buches auf 6 zu beschränken, ohne der Uebersichtlichkeit Eintrag zu thun. Nur bei §. 09 wünscht Referent eine Stammtafel des Hauses Wasa und der schwedischen Könige aus der Linie Zwei- brücken-Kleeburg. Nach Einfügung dieser Stammtafel könnte der bei Karl X gemachte schwerfällige Zusatz „der Sohn von Gustav Adolfs mit dem Pfalzgrafen von Zweibrücken vermählter älterer Schwester" gestrichen werden. Warum bei der Stammtafel der Häuser Romanow

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und Holstein -Gottorp mit Alexei und nicht mit Michael Itomanow begonnen wurde, ist Referenten nicht klar

Einige Ausstellungen in formeller und sachlicher Hinsicht will Referent noch beifügen, nicht um an der verdienstlichen Arbeit des Professors Richter zu mäkeln, sondern um ihn zu veranlassen, die vorgebrachten Bemerkungen zu prüfen. Der allzuhäufige Gebrauch der Participien im vorliegenden Grundriss erschwert nicht selten das Ver- ständniss und arbeitet den Bemühungen des deutschen Unterrichtes entgegen. S. 00 heisst es: „Karl VI bemühte sich um nichts eifriger, als die in seinen Ländern bereits anerkannte, seiner Tochter die Nachfolge sichernde Erbfolgeordnung zur Anerkennung zu bringen"; auf derselben Seite finden wir über den polnischen Suc- ccssionskrieg folgenden Satz: „Der darüber ausbrechende, in Italien und am Rhein ohne bedeutende Thaten geführte Krieg, in dem zum ersten Mal ein russisches Heer in Deutschland erschien, ward geendet." Unmittelbar darauf heisst es: „Spanien erhielt für den Infanten Don Carlos Neapel und Sicilien als eine Secundogenitur, d. h. als stets den nachgebornen Prinzen zufallendes, nie mit Spanien zu vereinigendes Land". Noch weitere Participien hat ebendieselbe Seite aufzuweisen. Bei der Berührung confessioneller Verhältnisse, besonders in dem Reformationszeitalter, soll in einem Scbulbucbe möglichst grosse Objektivität angestrebt und alles vermieden werden, was das religiöse Gefühl verletzen könnte. Bei einer neuen Auflage wird gewiss Prof. Richter in § 10 den Satz: „Als Leo X, zum Bau der Peterskirche zu Rom Geld bedürfend, einen Ablass ausschrieb, und der Ablasskrämer, Jobann Tetzel, Bevollmächtigter des Erzbischofs Albrecht von Mainz, des Generalahlasspächters für Deutschland, auch in der Gegend von Wittenberg sein unverschämtes Wesen trieb, schlug Luther 95 Thesen an" in einer Weise umgestalten, dass die Objektivität mehr gewahrt wird. Auch in §. 14 wird der Satz: „Ulrich Zwingli

S redigte gegen Ablass, Wallfahrten, Messopfer und andere Missstände er Kirche" eine Aenderung erfahren müssen, denn nach den ange- führten Worten wird das Messopfer zu den Missständen der Kirche gerechnet Wenn es in der Darstellung des dreißigjährigen Krieges S. 31 heisst: „Ferdinand hatte unterdes den ehrgeizigen Maximilian von ßaiern (auch S 29 „der ehrgeizige Maximilian von Baiern") durch hohe Versprechungen (Zusage der pfälzischen Kur) für seine Pläne gewonnen", erhält der Schüler ein schiefes Bild dieses bairiseben Fürsten; denn gewiss war es bei Maximilian nicht' der Ehrgeiz, der ihn zum Vorkämpfer der katholischen Partei machte Auf S. 29 in dem Satze: „Friedrich IV von der Pfalz gründete 1608 (sollte genauer heisren: erneuerte die schon 1572 gegründete) die protestantische Union zu Ahausen" vermisst Referent einen kurzen Zusatz über die Lage von Ahausen (eine andere Schreibart ist Anhausen). Bei der Wichtigkeit des spanischen Erbfolgekrieges wäre es wol passend gewesen, den Krieg in 3 Abschnitte zu zerlegen: 1 Die Zeit des schwankenden Kriegsglücks 1701 - 1705 2. Die Verbündeten im Glück 170,') 1711. 3 Die Wendung und die Friedensschlüsse 1711- 1714. In §. 72 wird über das Ende Karls XII angegeben: „Karl XII fand 1718 vor Friedrichshall, höchst wahrscheinlich durch Meuchelmord, sein Ende". Die auf Ansuchen des schwedischen Geschichtsschreibers Fryxell im Jahre 1859 angestellten Untersuch- ungen an der Leiche Karls XII haben ergeben, soweit der Beweis geführt werden kann, dass Karl den natürlichen Tod eines Soldaten

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gestorben ist. Daher darf der Zusatz „höchst wahrscheinlich durch Meuchelmord" unbedenklich gestrichen werden Die Darstellung des siebenjährigen Krieges erscheint Referenten zu breit Gerade bei der Darstellung dieses Krieges wäre eine Vereinfachung des Stoffes sehr erwünscht, damit der Schüler ein anschauliches Bild von diesem Kriege gewinnt Die einzelnen Streitkräfte, welche gegen Friedrich in Bewegung gesetzt wurden, 105<XK) Franzosen, 174000 Oestreicher u. s. w. merkt sich der Schüler entweder gar nicht oder nur vorübergehend. Ebenso hält Referent die Angabe des Datums jedes einzelnen Gefechtes und jeder einzelnen Schlacht für überflüssig. Moreaus Verdienst bei dem Rückzüge 17% haben Sybel und Ilausser auf das richtige Mass zurück- geführt; daher sollte in einem Grundriss der Geschichte dieser Rückzug nicht als ein „musterhaft bewerkstelligter" hervorgehoben werden. S. 101 heisst es: „Pius VII krönte den Kaiser nebst seiner Gemahlin" und unmittelbsr nachher „Napoleon wurde im Dome zu Mailand zum König gekrönt". Bekannt ist, dass Napoleon sich zwar vom Papste salben Hess, aber sich und seiner Gemahlin die Krone selbst auf das Ilaupt setzte; ebenso, dass er sich zu Mailand selbst zum Könige von Italien krönte. Auf S 131 wird bei der Belagerung von Gaöta ange- geben, dass die Königin Marie, Gemahlin Franz II, eine geb. Herzogin voh Baiern ist. Die Glieder der herzoglichen Linie in Bai^rn führen den Titel Herzog oder Herzogin in Baiern, während der König von Baiern auch den Titel Herzog von Baiern führt. Also wird Herzogin von Baiern in Herzogin in Baiern zu ändern sein. Auf die Schreibung der Orts- und Personennamen ist besondere Sorgfalt verwendet worden, nur S. 29 steht Achen statt Aachen, S. 100 Freisingen statt Freising, S. 102 Eichstedt statt Eichstätt. An letzterer Stelle heisst es ungenau: Baiern erhielt durch den Friedeu zu Pressburg mehrere Bistümer (Eichstedt, Passau)". Baiern erhielt durch den Reiehsdeputationshaupt- schluss Teile der bischöflichen Gebiete von Eichstätt und Passau, die anderen Teile dieser beiden Bistümer fielen an den Kurfürsten von Salzburg (früheren Grossherzog von Toskana) und dessen Teile an den früheren Bistümern Eichstätt und Passau erhielt Baiern im Frieden zu Pressburg.

Durch die schöne und zweckmässige äussere Ausstattung und den sehr billigen Preis von 1 Mark 20 Pf. hat die Verlagsbuchhandlung ihrerseits zur weiten Verbreitung dieses trefflichen Lehrmittels wesent- lich beigetragen.

Landshut. Kraus.

Grammatische Vorschule der lateinischen Sprache und des Sprach- unterrichtes überhaupt von Joseph Sanneg. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Toubner, 1875.

Dass Jemand ein geistreicher und gründlicher Kenner der latein- ischen Sprache sein kann, ohne zugleich ein praktische/ Jugendlehrcr zu sein, das hat wol Herr Sanneg durch seine grammatische Vorschule der lateinischen Sprache zur Genüge bewiesen Das Buch wird, was grammatische Untersuchungen anlangt, von jedem Sachkundigen mit Vergnügen gelesen werden; aber das klingt doch nicht recht glaublich,

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dass es ein Schulbuch sein soll! Auch hat der Herr Verfasser anzugeben unterlassen, für welche Klasse oder Klassen es bestimmt sei. Doch nicht gar für Sexta V Jeder Unbefangene muss auf den ersten Blick erkennen, dass die Sprache desselben für die kleinen Anfänger da und dort zu absolut, zu strengwissenschaftlich, die Hegeln viel zu minutiös und zu wenig übersichtlich, die Lesestücke und insbesondere die Vokabeln zu übermassig gehäuft sind Welche Verwirrung der Gebrauch dieses Lehrmittels bei den Schülern anrichten müsste, dafür unter vielem anderen nur einen Beweis. Nicht selten begehen die ungeübten Sextaner Verwechslungen von Aktiv und Passiv, besonders bei den mit dem Hilfsverb „werden" gebildeten Formen ; der Herr Verfasser aber beschert ihnen freigebigst auf einen Wurf (Seite 15) neben Aktiv und Passiv auch das Medium (mutnr ich ändere mich), dazu )das Deponens (hortor ich ermahne) un,d vapulo ich werde gesthlageu. Eine solche Zusammenstellung mag gelehrt sein; aber wo soll der jugendliche Verstand da einen Ruhepunkt finden? Die Sammlung lateinischer Sprüche könnte als ein grosses Verdienst bezeichnet werden, wenn man nicht fürchten müsste, dass auch diese mit ihrer vom lateinischen Wortlaut ganz abweichenden deutschen Uebersctzung den armen Sextanern aufgebürdet werden sollen. Noch sei hier der Ueberraschung Ausdruck verliehen, die man empfindet, wenn man in diesem gewiss durch uud durch modernen Buche die alten Knittelreimc (z. B. Bei -a und -c in prima hat Das genu* femi- trimm statt, Die übrigen auf -äs und -es Bedeuten etwas Männliches, Seite 46) neuerdings verzeichnet sieht.

München. L Mayer.

De Aristotele Ciceronis in rhetorica auetore quaestiones scripsit Dr Hugo Jentsck p. 1 und II. 1874 und 1876.

In dieser Scbrift sucht der Verfasser seiue Ansicht von dem Einflüsse des Aristoteles auf die Rhetorik des Cicero, die er bereits in seiner Dissertation: Aristotelis ex arte rhetorica quid habeat Cicero- Tierol 1866 niedergelegt hatte, weiter auszuführen und zu begründen. Zu diesem Behufe untersucht er beider Autoren Definition der Rhetorik, ihre Lehre von dem Zwecke und dem Stoffe derselben , von dem Unterschiede der Rhetorik und Dialektik, von dem Nutzen der Rhetorik. Darauf folgt eine eingebende Darlegung der genera causarum und der partes rhetoricae in der Doctrin des Aristoteles und des Cicero. Am Schlüsse einer jeden Abteilung wird das Ergebniss der Untersuchung besprochen, das freilich meistens dahingeht, ein Einfluss des Aristoteles auf die Rhetorik Cicero's lasse sich nicht wahrnehmen. Und wenn doch die Lehre Cicero's mit der des Aristoteles genau übereinstimmt, so sagt der Verfasser (z. B I p. 23), man inüase nicht die Autorität des Aristoteles darin erkennen; denn Cicero habe ja aus den Schriften anderer oder jüngerer Rhetoren seine Lehre schöpfen können Eigen- tumlich ist es freilich, dass der Verfasser in einigen Punkten, in denen des Aristoteles und Cicero Doktrin den Lehren anderer Rhetoren gegenüber harmoniert, doch die Autoritäi des Aristoteles zugeben muss Conscquenz ist das jedenfalls nicht. Wahrscheinlicher ist es doch

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gewiss, dass Cicero auch sonst Aristoteles als Quelle seiner Rhetorik benützte, wenn an manchen Punkten dieselbe anerkannt werden rauss Dazu kommt, dass er selten von Schriften anderer Hhetoren spricht, dagegeu Aristoteles ungemein häufig citirt 80 führt er in seinen Topica 2) nur die gleichnamige Schrift jenes Philosophen an und doch sagt der Verfasser II p 25: In Bruto et in topicis omnino nullit* invenitur qui ex philosophi arte reeeptus esse videatur locus. Ein wie grosser Irrtum dies ist, werde ich an einem andern Orte ausführlich zeigen. Cicero nahm eben nur soviel aus der Doktrin des Aristoteles, als er für seinen Zweck nötig hielt, Anderes fügte er selbst hinzu oder suchte mit der aristotelischen Grundlage die Lehren anderer tthetoren zu vereinigen. Er war wie in der Philosophie, so in der Rhetorik ein Eklektiker, nur dass er sich in letzterer mehr an Aristoteles anscbloss, wie er überhaupt seinem Berufe nach das System der Rhetorik besser auftässte und consequenter durchführte, als man dies bezüglich seiner Philosophie behaupten kann

Uebrigens zeigt die Abhandlung von sehr gründlichem Studium- der Schriften von Cicero und Aristoteles und einer genauen Kenntniss der einschlägigen Literatur Die Diktion ist etwas gekünstelt und schwerfällig, so dass man sieht, dass wie bei Cicero der Einfluss des Aristoteles, so bei dem Verfasser der des Cicero nicht anerkannt zu werden braucht (cf. I p. 8).

GQnzburg. C. Hammer.

Der Realunterricht in Preussen und Bayern. Ein Beitrag zur Lösung der bayr. Gewerbschulfragc. München, Cbr Kaiser, 1875*).

Nachdem bisher aus dem Schosse des obersten Scbulrates nur die nakte Thatsache in die Oeffentlicbkeit gedrungeu, dass derselbe sich zu der 80 vielseitig geforderten Erweiterung unserer Gcwerbschulcn ablehnend verhalte, so ist es um so erlreulicher jetzt eine Stimme au8 dessen Mitte zu vernehmen, welche mit der überwiegenden Mehrzahl der Lehrer einig ist in der Verurteilung des bisherigen Zustandes, ja welche sogar mit viel Eifer und Geschick für Einführung Okursiger Real- schulen plaidirt. Dabei bedauern wir von vornherein, dass der Verfasser der bekannten Broschüre „Der Realunterricht in Preussen uud Bayern" nur das preussische Realschulwesen in Betracht gezogen hat, indem wir gerade dieses durchaus nicht als Ideal uud nachahmenswert ansehen können, und glauben, dass dasselbe in anderen Staaten, z. B Sachsen, Oesterreich, der Schweiz, weit besser orgauisirt ist. Bereits bat eine Stimme in der Allg. Zeitung vom 27. Juni, auf die wir erst nachträglich

*) Unterzeichnete Hess sich angelegen sein, dass auch in diesen Blättern eine Besprechung der interessanten Broschüre erscheine. Nun spricht aber Verfasser des Obigen sich statt der Gkursigcn für eine 5 kursige Realschule, die vom 11. Lebensjahr»1 anfange, aus, und dazu auch noch für eine 7k ursige. Gleichwol glaubt die Redaktion diese Einsendung nicht ablehnen zu sollen, um so weniger, da sie ebensowol die Notwendigkeit der Reorganisation bejaht, als auch diese in Erweiterung der bestehenden 3 Kurse durch unten und oben anzufügende neue Knrse anstrebt. D R

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aufmerksam gemacht wurden , auf diesen Umstand hingewiesen und zugleich auf verschiedene andere Stellen der Broschüre aufmerksam gemacht, ohne aber mit neuen Vorschlägen aufzutreten. Auch wir haben von Anfang an den Schluss aul Einführung Gkursiger Realschulen mit Schülern vom 10. Iti Lebensjahre nicht gerade mit ungeteilter Freude begrüsst. Wir erachten nämlich die Opfer, die bei der Ein- führung und Erhaltung Gkursiger Schulen gebracht weiden müssen, als zu drückend und legen uns notgedrungen die Frage vor: Sind die Ziele, die in der Broschüre der Gkursigen Realschule gesteckt sind, nicht mit weniger Opfern z B. nicht mit einer tniuderkursigen Schule zu erreichen? Die Antwort auf diese Frage fallt bejahend aus, indem wir glauben, dass der unterste Kurs wegfallen kann.

Widersprechend klingt es, wenn man auf der einen Seite soviel für materielle und geistige Hebung der Volksschule thut, und auf der andern sie unfähig erklärt, Knaben, die höhere Bildung sich aneignen sollen, länger als bis zum 9. oder 10 Jahn zu behalten. Es mag das noch eiue gewisse Berechtigung haben (notwendig scheint es uns gleich- wol nicht) bei Knaben, welche sich den gelehrten Studien widmen sollen, aber unberechtigt ist es, ja sogar ein Unrecht gegen die Volks- schule, wenn man auch die Knaben, wolche doch nur eine angemessene höhere Bildung für das unmittelbare praktische Leben, für das Handwerk, für den mittleren Bürgerstand suchen (v. Bericht über die I. General - Versammlung der technischen Lehrer Bayerns p. 9), schon mit lOJahreu der Volksschule entreissen will. Es ist konstatirt und wurde erst jüngst auf der Versammlung der bayerischen Gymnasiallehrer anerkannt, dass die Methodik in der Volksschule in den letzten Jahren ganz bedeutend verbessert worden und jetzt wol als mustergiltig bezeichnet werden kann; es ist ferner gewiss, dass die Bestrebungen, welche auf die geistige Hebuug der Volksschule abzielen, allenthalben die besten Früchte tragen: warum sollte diese also nicht annähernd leisten können, was der unterste Kurs der Gklassigen Realschule als Aufgabe zuge- wiesen bekommt? warum soll man, an sie anschliessend, nicht auch in 5 Jahren mehr erreichen, als man bisher in 3 Jahren, freilich unvoll- kommen, hat erreichen müssen?

Andererseits ist nicht zu leugnen, dass ein grosser Teil unserer Gewerbscbüler vom Lande kommt und auch später kommen wird, und in Beziehung auf die allgemeine Volksbildung sind gerade diese um so lebhafter zu begrüssen und in grosser Zahl herbeizuwünschen, als man ja von gewisser Seite her den Gewerbschulen schon den Vorwurf gemacht hat, dass sie dem Lande nur liberale Bürgermeister erziehen. Für Eltern aber, die auf dem Lande wohnen, ist es sicher nicht gleichgültig, ob sie ihre Kinder mit 10 oder mit 11 Jahren zur Stadt schicken sollen, einmal aus Gründen der Erziehung, der körper- lichen Entwicklung u dgl. und das anderemal aus finanziellen Rück- sichten. Zudem pflegen sich nach unserer Erfahrung die Leute auf dem Lande erst sehr spät zu entschliessen, ihren Söhnen noch einige weitere Bildung angedeihen zu lassen, und somit dürfte dieser Ent- schluss für viele ein zu später werden. Welche Bedeutung die finan- ziellen Rücksichten auch für den Säckel der Steuerzahlcnden haben, darauf wurde bereits oben hingewiesen; es lassen sich nämlich bei 5 statt 6 Kursen für jede Anstalt mindestens eine, unter Umständen auch zwei Lehrkräfte und zugleich eine entsprechende Quote der RcaJ- Exigenz ersparen.

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Die oben citirte Stimme in der Allg. Zeitung ist insbesondere damit nicht einverstanden, dass die projektirten 6 Kurse nur in ein- zelnen Schulen eingeführt, die andern aber sich mit den 4 untern Kursen begnügen sollen. Dieser Missstand würde sich auch bei den 5klassigen, ja sogar bei den 4klassigen Anstalten nicht ganz beseitigen lassen; denn man darf sicher annehmen, dass die oberen Kurse immer verhältnissmässig schwach besucht sein und dass manche unserer Gewerbscbulen nicht das entsprechende Material für die oberen zwei Kurse erhalten werden - dennoch aber könnten mehr von diesen Schulen in 5- als in öklassige Realschulen umgewandelt werden.

Aus diesen Gründen möchten wir die Kursusdauer einer Realschule nicht zu weit ausdehnen und vor Allem nicht zu früh beginnen, und dürfte sich der alte Spruch ,,i'n medio virtus" auch hier bewahrheiten, wenn statt der ökursigen ökursige Anstalten geschaffen würden.

Was nun die Organisation dieser Schulen betrifft, so wünschten wir, dass für die 3 untern Klassen nur das Lehrziel massgebend sei, wie es der unmittelbare Uebertritt in1* bürgerliche Leben erheischt, ohne Rücksicht darauf, dass die Schule zugleich Vorbereitung6Scbule für weitere Studien sein soll. Es müsstu also in dem in der Broschüre p. 63 aufgestellten Lchrplan (hier für den II. III. IV. Kurs) die deutsche Sprache gegenüber der französischen etwas mehr in den Vordergrund treten, die Physik ganz wegfallen, und für das Zeichnen 4 Stunden auch im untersten Kurs eingestellt werden. Gerade aus dem III. Kurse werden die meisten Schüler austreten, jene welche sich einem Handwerk oder sonstigen bürgerlichen Kleingewerbe widmen, jene, deren Mittel eine Fortsetzung des Studiums nicht erlauben und die möglichst früh verdienen müssen, und jene, deren Fähigkeiten einen weiteren Besuch der höheren Klassen nicht gestatten.

Können nun die so organisirten 3 Klassen auch als Vorbereitung für das höhere technische Studium dienen? Sicherlich, weil hier gerade jene Fächer gelehrt werden, welche die Basis des technischen Studiums bilden. Wie soll nun aber die für die technische Hochschule nötige Vorbildung weiter vermittelt werden? Bei Beantwortung dieser Frage stehen wir nicht auf dem Standpunkt des Autors der Broschüre, wir müssen uns sogar teilweise selbst demeutiren. Wir würden nämlich aus den 2 noch übrigen Kursen unserer dklassigen Realschule am liebsten eine 4klassige Oberrealschule machen und dieselbe mit einem festen Lehrplane (eine Kopirung der pr. Realschulen IL Ordnung fällt uns nicht ein) so ausstatten, dass sie dem Besucher eine allseitige, möglichst tiefgehende Kcnntniss der deutschen , französischen und eng- lischen Sprache und Literatur, Verständniss der Geschichte, tüchtige Schulung in den mathematischen Disciplinen, hinreichende Bekanntschaft mit den Naturwissenschaften, endlich grosse Fertigkeit im Zeich neu gewähren kann, so dass der Abiturient dieser Oberrealschule wol befähigt ist, dem eigentlichen Fachstudium an der polytechnischen Hochschule obzuliegeu.

Ja, wenn nun der Studirende sich einem Berufe zuwenden will, für welchen er das höhere Fachstudium am Polytechnikum nicht braucht, aber ausser einer gewissen allgemeinen Bildung doch schon eine bestimmte Fachbildung nötig hat, wie sie jetzt unsere Industrieschule!! bieten, wohin soll sich dieser wenden? Mit andern Worten: welche Anstalt ersetzt die Industrieschulen, die natürlich mit ihrem Zweck „als Vorbcreitungsanstalten für die technische Hochschule zu dienen1', dahiu fielen? Die Antwort hierauf lautet einfach „das Technikum", welches

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aber als reine Fachschule sich aus den Industrieschulen heraus- entwickeln müsste. Die Verquickung der beiden Ziele, welche der Industrieschule jetzt gesteckt sind, einesteils den Techniker für den unmittelbaren Uebertritt in's praktische Leben zu befähigen , andern- teils ihm die nötige Befähigung zum Besuche der technischen Hoch- schule zu gewahren, ist nach unserm Dafürhalten unbedingt zu verwerfen. Sie führt erstens zu einer ungeheueren Stundenlast für den Schüler (40 44 per Woche), zweitens gestattet sie einzelnen Fächern, z. B. den sprachlichen, doch wieder nur eine zu geringe Stundenzahl, sodass sowol der Unterricht äusserst mühsam, als auch die erzielten Resultate verhältnissmässig gering siud Man sehe sich einmal die Noten an, welche im Jahresbericht 1873 74 der Münchener Industrieschule im I. Kurs aufgeführt sind! Es muss in allen allgemeinen Fächern, in Sprachen, Geschichte, in Mathematik der Privatfleiss , das Studium und die Uebung zu Hause eintreten, sollen anders nur einigermassen bleibende Resultate erzielt werden. Aber was kann man von einem 16 18jährigen Jüugling, der 40 - 44 Stunden wöchentlich in der Schule zubringt, der häutig nebenbei noch andere .nützliche Dinge, z. B. Musik, Stenographie, Buchhaltung etc. treiben soll, der überdiess eine fast akademische Freiheit geuiesst, in dieser Hinsicht verlangen? Wir sind demnach überzeugt, dass die an den Industrieschulen erzielten Resultate berechtigten Anforderungen nicht ganz entsprechen, wenn gleich einzelne Schüler derselben sich später am Polytechnikum hervorthun; namentlich dürfte die allgemeino Bildung der meisten Absolventen der Industrieschule zu wünschen übrig lassen. Und wenn sich die ehemaligen Industrieschüler wirklich an der technischen Hoch- schule vor andern auszeichnen, warum ist es mit den Berechtigungen derselben z.B. für Eintritt in den Staatsdienst, gar so kläglich bestellt?

Wir sind uns nun wol bewusst, dass wir mit diesen Ausführungen nicht überall Beifall finden werden, aber es scheint uns dieses System das rationellste zu sein. Wie das Gymnasium die Vorschule für das Studium an der Universität ist, so soll" die Uberrealschule Vorbereitungs- anstalt für die technische Hochschule sein. Will der Gymnasiast sich einem Berufe zuwenden, wozu er das volle Gymnasium odeT die Uni- versität nicht zu besuchen braucht, so tritt er eben au3 und holt sich seine spezielle Fachbildung anderswo, z. B in der Otticin des Apo- thekers. So soll auch derjenige, der die ganze Oberrealschule oder die technische Hochschule nicht notwendig hat, dieselbe verlassen und sich seine spezielle Fachbilduug in der mechanischen Werkstätte, im Comptoir oder am Technikum suchen

Unsere Vorschläge sind ferner nichts weniger als neu. In Oester- reich bestehen Tkursige vollständige Realschulen schon längere Zeit und zwar in grosser Blüte, noch länger haben wir sie in der Schweiz als Parallelabteilungen der Gymnasien (es herrscht daselbst nämlich vielfach das sogenannte Bifurcationssystem), speziell als Gewerbscbule in Basel. Auch die Tech n a floriren in Norddeutsch land schon seit geraumer Zeit und die Schweiz hat erst unlängst ein solches in Winterthur gegründet.

Um zum Schlüsse das Vorstehende zu rekapituliren , würden wir in erster Liuie das System der Unter- und Oberrealschule mit Tecbnicum zur Durchführung empfehlen, weil gerade darin und nur darin System ist; in zweiter Linie, wenn man diese Einrichtung aus irgendwelchen Gründen nicht aeeeptiren kann oder will, scheinen uns ökursige Real- schulen an Stelle der bisherigen Gewerbschulen treten zu sollen.

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Vierkursige Anstalten , für die man hie und da noch spricht und schreibt, dünken nus nicht hinreichend, wenn ja (loch der bisherige Lehrstoff vertieft und um das Englische vermehrt werden soll, sechs- klassige dagegen erfordern zu viele Opfer und scheinen in der That überflüssig. In den Vorkursen mancher Anstalten hat man bereits die vorgeschlagene I. Klasse im Grundriss (und somit hätten diese Vor- kurse doch wenigstens einen Nutzen gehabt), es bliebe also bloss noch eine V Klasse oben anzufügen, resp den bisherigen Lehrstoff auf die 4 oberen Kurse zu verteilen. Sollte sieh dann wirklich einmal das Bedürfnis! nach einein weiteren 6 Kurse gellend machen, nun so wird derselbe sich ebenso leicht unten anfügen lassen, wie die nene unterste Klasse an die Lateinschule.

Der deutsche Aufsatz in Lehre und Beispiel für die obern Klassen höherer Lehranstalten von Franz Linnig. Zweite umgearbeitete Auflage Paderborn, Ferdinand Schüningh. 187.'». 347 S in 8. Pr. 3 M. Das Werk, das schon bei seinem ersten Erscheinen S. 202 des VII. Bds. dieser Blätter empfohlen wurde, weist in der neuen Auflage denselben Gang, nach den Hauptgattungen und Arten der Prosa, auf, hat aber innerhalb der einzelnen Stilgattungcn so wesentliche und zahlreiche Veränderungen erfahren, dass es seinem Inhalte nach fast als ein neues gelten kann Der unfruchtbare oder entbehrliche Stoff wurde ausgeschieden, und dadurch eine Vermehrung der Aufgaben und Bei- spiele von 139 auf 302 ermöglicht, ohne dass der Umfang des Buches erweitert oder der Preis erhöht zu werden brauchte. Der Stoff ist für die fünf oberen Klassen berechnet und darnach ausgeschieden, immer im Anschluss an eine bestimmte Lektüre. Das woldurchdachte praktische Werk sei wiederholt empfohlen.

Aufgaben zum Uebersetzen ins Lateinische für Quarta im Anschluss an die Grammatik von Ellendt- Seyffert von Dr. Aug. Haacke. 8. Aufl. Berlin, Weidmaun. 187.». Ausser einzelnen Verbesserungen des Textes und Nachträgen im Wörterverzeichniss hat die neue Auflage keine Veränderungen erfahren.

Materialien zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische für die mittleren Gymnasialklassen von Aug. Grotefend. 4. vermehrte und verbesserte Auflage von D. Ringe. Erster Cursus. Göttingen, Vandenhöck und Ruprecht. 1874. 1 M. 60 Pf. Die neue Auflage des schon lange bekannten Buches ist im ganzen unverändert geblieben, doch hat es eine gründliche Revision und eine Erweiterung von einigen Bogen, die aus dem nächsten Hefte herübergenomraen wurden, erfahren. Citiert sind die Grammatiken von Lattmann - Müller , Ellendt - Seyffert, Kühner und Berger.

Kleine lateinische Grammatik von Dr J. Lattmann und H. D. Müller. 3. verbesserte Auflage. Göttingen, Vandenhöck und Ruprecht. 1874. 2 M. Die neue Autlage weicht von der voraus- gehenden im Texte nur wenig ab, dagegen sind die Citate aus dem Lesebuche getilgt und durch ausgedruckte Beispiele ersetzt.

P.

Literarische Notizen.

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Lateinisches l ebungsbuch von Dr. J. Lattmann. 4. verb. Aufl. Göttiugen, Vandenhöck und Ruprecht. 1875. 14 Gr. Um die Benützung des Baches auch ohne Vorausgang der „Vorschule" zu erleichtern, sind S. 1 3 und auf den nächstfolgenden einige Sätze aus der „Vor- schule" herübergekommen ; in Folge davon ist das Vokabular S 3 verkürzt. Am Texte ist sonst nichts geändert

Griechisches Uebungsbungsbuch. Erste Stufe. Von H. D. Müller und J Lattmann. 2. verbesserte Aufl. Göttingen, Vandenhöck und Ruprecht. 1873. 80 Pf. Ein nur im Einzelnen verbesserter Abdruck der ersten Auflage

Die griechischen Personennamen nach ihrer Bildung erklärt, mit den Namensystemen verwandter Sprachen verglichen und systematisch geordnet von Dr. Aug. Kick Göttingen, Vandenhöck und Ruprecht. .1875. 8 M. Das Buch handelt auf CCXIX S. von der Bildung der griechischen Personennamen, von der celtischen Namengebung, vom germanischen Namensystem , von der slavischen Namengebung, dem eranischen Xamensysteiu , der Namengebung im Sanskrit, dem Nanicn- systero der proetbnischen Spracheinheiten; dann folgen auf 236 S. die griechischen Personennamen in systematischer Anordnung (Anfangs- grnppen und Kosenamen, End^ruppen, System der griechischen Namen- bilduug in mehreren Unterabteilungen)

Cicero's ausgewählte Reden, erklärt von Karl Halm. Sechstes Bändchec Die erste und zweite philippische Rede. Fünfte, vielfach verbesserte Auflage Berlin, Weidmann. 1875. 1 M. 20 Pf

M. Tulli Ciceronis Laelius, erklärt von Dr. C. C. W. Nauck. 7 Aufl. Berlin, Weidmann. 1875. 75 Pf.

Homer's Odyssee. Erklärt von J. U. Faosi. Zweiter Band. Gesang IX XVI. Sechste Auflage. Besorgt von W C. Kays er. Berlin, Weidmann. 1875. 1 M. 50 Pf.

Titi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn. Erster Band. Erstes Heft: Buch I. Sechste verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann 1875. 1 M. 80 Pf. Der Text ist nur an wenigen Stellen geändert; die Einleitung unter Benützung von H. Peters Belli- quiae v et er um historicorum Bom , sowie der Abhandlungen von Nissen und Wölfflin umgearbeitet, auch der Kommentar revidiert

C. Julii Caesaris Commentarii de bello Galltco , erklärt von Fr. Kr ahn er. Neunte verbesserte Auflage von W. D ittenberger. Mit einer Karte vcn Gallien von H. Kiepert. Berlin, Weidmann 1875. 2 M. 25 Pf

Deutsches Lesebuch, herausgegeben von R. Au ras und G. Gn er lieh, Mit einem Vorworte von Dr. C. A. Kletke. Erster Teil. Untere Stufe. 9. verb Auflage. Breslau, Hirt'sche Universitäts -Buchhandlung. 1875. 2 M. 75 Pf. Das Lesebuch will dem Lehrer das Material bieten, um die Schüler zum Denken anzuregen und sie zu üben, ihre Gedanken in richtige und edle Formen zu bringen. Der erste Teil (288 S.) enthält Prosa, der zweite (112 S.) Poesie. Noten sind nicht gegeben.

Das Conto- cor rente mit einheitlichem und wechselndem Zinsfusse, nach drei Rechnungsarten von Ad. Christ. Elberfeld. Druck und Verlag von Sam. Lucas. Der Verfasser bearbeitet die gestellte Aufgabe, soweit es sich um die progressive & retrograde Methode handelt, ziemlich ausführlich, berücksicht namentlich das Contocorrent mit wechselndem Zinsfuss, allein den gegebenen theoretischen Erläuterungen über Auf- stellung laufender Rechnungen fehlt die nötige rechnerische Begründung.

«lütter f. d. bayer. Qymn.- u. Real-8chu»w. XI. Jahre 20

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Berücksichtigt man ferner noch, dass die scalische Rechnung (Stufen- leiter) eine höchst einseitige, unvollständige Behandlung erfährt, so lässt sich diese Schrift für Verwendung beim Schulunterricht durchaus nicht empfehlen.

Lespoetes frangaia. Becueil de poesies frangaises par E. Pfund- heller. Berlin, Weidmann. 1875. 355 S. in kl 8. Keine Vorrede gibt Aufseli lu ss über den Zweck der Sammlung; es kann also nur konstatiert werden, dass die Auswahl gut, die Ausstattung hübsch ist. Auch Scenen aus Dramen sind aufgenommen. Ausser dem Texte findet sich weder Kommentar noch Wörterverzeichniss.

Auszüge. Zeitschrift für d. G y in n as ia 1 w e s e n

4. 5.

I. Noch einmal das griechische Scriptum in Prima. Von Dr. 0. Kohl. Zunächst gegen einen Aufsatz von H. Hess gerichtet, das- griechische Scriptum verteidigend. Beiträge zur Erklärung des Vergil Von Dr. Bentfeld. (A. III. 509. IV. 527. XII. 464. G. 2. 110 f A. V. 451 G. I. 322. G. II. 806. A. VI. 191 lauter Stellen, wo es sich um Dativ oder Ablativ handelt). Zu Xen. Anab. V. 4, 10 20. Zunächst gegen die Bedenken Henrychowski's in dieser Zeitschrift (November - Heft 1874) gerichtet.

II enthält unter anderem eine anerkennende Recension von Dr. Rieden- auers Studien zur Geschichte des antiken Handwerks von Büchsensch üri Jahresberichte des philologischen Vereins zu Berlin: Livius von Dr Müller (Schluss); Homer von Dr. Lange: a) die homerische Frage.

6.

I. Ein Versuch dos Horatius 28. Ode des 1. Buches zu erklären. Vou Dr. Fr. Frigell in Upsala „Horatius stellte sich die Leiche eines an den Strand geworfenen Tarentinischen Schiffers neben dem noch uubegrabeneo Greise Archytas vor und lässt der Seele des ersteren beim Anblick des letzteren einen Monolog über die Gleichheit im Tode halten, sowie zuletzt unter Verheissungen und Drohungen an einen Vorübergehenden die Bitte stellen, er möge ihnen die letzte Pflicht erweisen". Zur Frage des Unterrichts im Altdeutschen auf den höheren Schulen. Von 0. Vogel in - Greifswald (Entgegnung auf die Einwendungen Wilmanns' gegen die im Januarheft vorgetragenen Ansichten des Verfassers) Bemerkung dazu von Wilmanns.

III. Fortsetzung der „Jahresberichte" (Homer von Lange, Sophokles von Jacob).

Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien.

6.

I Ueber Auffassung und Methode der Staatshistorie. Von Dr. A. Fournier (Habilitations - Vorlesung , gehalten an der Wiener Universität am 1. Februar 1875).

Statistisch es.

Ernannt: Prof. Dr. Fischer am Max - Gymnasium in München zum Domdechant in Eichstätt •, Stndl. Dr. Reber in Regensburg zum Direktor der höheren weiblichen Bildungsanstalt in Aschaffenburg; Lehr- amtskandidat Matthäus (Konk. 1873) zum Studl. in Kulmbach •, Ass.

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Zrcnner in Schweinfurt (Konk. 1873) zum Stadl in Hassfart; Ass. Kl Hellmuth (Konk. 1873) in Speier zum Stadl, in Pirmasens.

Versetzt: Stadl. Rayp von Bamberg nach Ingolstadt.

Gestorben: Subrektor Strenber in St Ingbert.

Zum Bericht über die erste Generalversammlung des Vereins der technischen Lehrer (1875).

In diesem Berichte ist S 11 der Auszug der zweiten Rede des Unterzeichneten mit 8 Zeilen gegeben und mit einem et cetera geschlossen. Eine gelegentliche mündliche Reklamation erhielt die Antwort, dass die Schriftführer das Weitere der Rede nicht mehr gewusst hätten. Auch kanu ich mich nicht erinnern, dass ich etwa nicht zur Sache oder zu lang gesprochen, oder dass ich nur von Andern schon Gesagtes noch wiederholt hätte. Ein solcher Schein konnte vermieden werden , wenn man mit. einem Punktzekhen geschlossen hätte, wie bei meiner ersten Rede, ans welcher auch manch Wesentliches fortgeblieben ist. Ich erwähne da nur das die Frequeuz des bisherigen III Kurses Betreffende, welch letzterer iu beinahe dem vierten Teile der Gewerbschulen unter 10 Schüler (auch 2 und 3) zähle; dass die Gefahr nicht ferne liege, dass solche vereinzelte Schüler auch uubewusst in den höhern Kurs gewissermasaen hinaufgetragen werden, und dass ihnen jedenfalls die anregende Konkurrenz einer grösseren Mitschülerschaft abgehe. I' Ober- nau),t ist schon von mehreren Seiten das Bedürfniss nach vollständigerer Wiedergabe der Verhandlungen ausgesprochen worden, wie ja auch vor der letzten Versammlung von stenographischer Aufzeichnung ernst- lich die Rede war. Der Vergleich mit dem Berichte über die IX. General- versammlung der bairischen Gymnasiallehrer und das Interesse au den Sektionssitzungen weckt schliesslich auch noch den Wunsch, dass die Resultate der letzteren, wie sie laut obigen Berichtes protokollarisch bei den Akten liegen, nachträglich zum Abdrucke gebracht werden

_ t Dr. A. Kurz, Prof.

G c g e D v i k l ä r u n g. Aus der Krkläruug des kgl. Mathematik- Lehrers II. Schwager S. 239 dieser Blätter habe ich ersehen, dass ich bei Abfassung meines Lehrbuches (1874) von einer nicht vollständig zutreffenden Anschauung ausgegangen bin. Da ich nämlich hiebei zunächst nur den Zweck im Auge hatte, für meine Anstalt ein möglichst praktisches Lehrbuch zu verfassen, so glaubte ich nicht, dass es die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich ziehen oder dass jemand ein besonderes Gewicht darauf legen würde, iu meinem Buche seinen Namen abgedruckt zu sehen, und beschränkte mich daher in der Vorrede darauf, das vorliegende Werkchen, soweit nicht die syste- matische Anordnung hiebei in Frage kommt, einfach als Sammel- werk zu charakterisieren. Nachdem mich aber die jüngste Zeit eines Besseren belehrte , erübrigt mir nur , meinem lebhaften Bedauern Ausdruck zu geben, dass ich den persönlichen Interessen nicht mehr Rechnung getragen habe. Indessen will ich bei der II Auflage meines Buches nicht versäumen, die Namen der Herren Bielmayr und Schwager zu deren Beruhigung meiner Vorrede einzuverleiben.

München, den 12. Juli 1875.

Dr. Fr. üstrich, Direktor der Widmann'scheu Lehranstalt.

Gedruckt bei J Gottejwinler A UÖMl in München, Tlieatinentrasse lb.

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Jiitetatiftfe ^ujeigen.

Im unterzeichneten Verlage ist soeben erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:

Das Sprachstudium auf den deutschen

Universitäten.

Praktische Rathschläge für Studirende der Philologie

von

B. Delbrück,

Ord Professor für Sanskrit und vergleichende Sprachkunde an der Universität Jena. gr. 8 brosch. Preis 60 Pf

Ueber den deutschen Unterricht

im Gymnasium.

Ein Beitrag

von

Dr. Albert Dietrich, Director des kgl. Gymnasiums in Erfurt, gr. 8. brosch. Pr. M. 1.20 Pf.

Jena, Juni 1875. Hermann DufFt.

Soeben erschien und ist durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes zu beziehen :

Englischer Wortschatz (Vocabulary) mit Bezeichnung der Aus- sprache.

NebBt drei Beilagen.

L Tabelle zur Ableitung der niederdeutschen englischen Wörter aus dem Hochdeutschen.

2. Vorbereitende Anleitung zum Englischsprechen.

3. Sammlung von Sprichwörtern.

* Von Georg Traub.

Preis geh 9 sgr., cart. 10 sgr.

J. Heuser'sche Verlagsbuchhandlung in Neuwied und Leipzig.

In der Herdor'schen Verlagshandlung in Freiburg ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:

Baumstark, B. , Philipp II., König von Spanien, gr. 8. (VIII und 254 Seiten ) M. 2.

Die Hyksos.

Manetho, ein ägyptischer Oberpriester aus Sebennytos, unter Ptolemäus Pbiladelphus , der ausser Anderem die vaterländische Ge- schichte (Jiyvnrtaxu) in griechischer Sprache nach den heiligen Büchern der Aegyptier schrieb, berichtet nach Josephus contra Apionem I, 14 Folgendes : „Unter unserm Könige Timaus fiel unerwartet von Osten her ein unbekannter Volksstamm (ay^gtonoi ro ydros «ui^ot) in's Land ein, brachte dieses leicht in seine Gewalt, indem die dortigen Fürsten unterworfen wurden, zündete grausam die Städte an und zerstörte die Tempel der Götter. Alle Einwohner aber behandelte man auf das feindlichste, indem die einen niedergemetzelt, von andern die Kinder und Weiber in die Knechtschaft fortgeschleppt wurden. Zuletzt machten sie auch einen von den Ihrigen zum König, Salatis mit Namen. Gegen die damals mächtigen Assyrier befestigte dieser Avaris .... Der ganze Stamm wurde Hyksos genannt, d. i. Hirten- Könige (vx König, auf Hirt; (Hac- Schasu)). Einige sagen, es seien Araber gewesen."

Wir haben hier wieder eine Frage aus der alten Geschichte, deren Lösung schon Manche versucht haben, wobei aber verschiedene Besultate zum Vorscheine kamen. Einige nämlich halten die Hyksos für die Israeliten, darunter der jüdische Geschichtschreiber Flavius Josephus, und von den Neueren unter Andern Hengstenberg Dagegen unter- scheiden sie andere neuere Korscher von den Israeliten, gehen aber dabei in mehrfacher Weise auseinander. So z. B. gibt Lepsius gar keine Berührung der Israeliten mit den Hyksos zu, und behauptet, dieselben seien schon vor Abraham's und Joseph's Zeiten aus Aegypten wieder vertrieben worden. Nach einer andern Forschung wäre der neue ägyptische König, welcher die Israeliten zu drücken begann, der erste Hyksos -König gewesen. Wieder andere halten zwar die Hyksos für semitische (arabische) Stämme, aber nicht für die Israeliten. Die meisten Neueren aber nehmen an, dass die Israeliten unter der Hyksosdynastie in Aegypten eingewandert und von dieser begünstigt, dann aber nach dem Wiederaufkommen einer national -ägyptischen Dynastie als Freunde und Schützlinge der vertriebenen Hyksos gehasst und bedrückt worden seien. (Siehe Dittmars Weltgeschichte, 1. Bd. S. 96h

Da ich in der Hauptsache mit Josephus übereinstimme, so will ich zunächst hervorheben, was gegen die Glaubwürdigkeit der abweichenden Ansichten spricht. Wenn also für's Erste Lepsius meint, die Hyksos

Hlitter t d. bayer. Oymn. - u. Real - Schulw. XL Jahrg. 21

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seien vor Abrabam's und Josephe Zeiten wieder aus Aegypten vertrieben worden , 90 widerspricht diese seine Ansicht einmal der Angabe des Syncellus, nach welcher anter Rarnessemeno Abraham nach Aegypten gekommen sein soll, worauf dann die sogenannten Ilyksos - Könige erst folgen; Bie widerspricht aber auch der jetzt allgemein zur Geltang gekommenen Annahme, dass die Herrschaft der Hyksos in Aegypten etwa von 2100 1600 v. Chr. gedauert habe. Ebenso verstösst die zweite Behauptung, dass nämlich der neue ägyptische König, der die Israeliten zu drücken begann (II Mos. t, 8), der erste Hyksos - König gewesen sei, gegen die gerade erwähnte Zeitdauer der Hyksos- Herr- schaft. Nach den neuesten Hieroglyphen - Entzifferungen ist es nämlich so ziemlich sicher, dass dieser König Armesses M immun (Ramesses II, Sesostris) war (Luuth „Moses der Ebräer") Es müsste darnach die Austreibung der Hyksos in der Zeit von 1100 1000 v. Chr. statt- gefunden haben, was aber nicht denkbar, da sonst dieses Ereigniss, so spi.it fallend, in der Geschichte der Israeliten oder Aegyptier bestimmt erwähnt sein würde. Gegen die dritte Aufstellung ist überhaupt meine Beweisführung gerichtet. Bei der vierten Annahme endlich, dass nämlich die Israeliten unter der Hyksosdynastie in Aegypten ein- gewandert, später aber von einer national - ägyptischen Dynastie als Freunde der Hyksos nach der Vertreibung dieser gchasst und gedrückt worden seien, fragt man sich billig, warum denn die Israeliten nicht auch vertrieben worden wären , resp. warum sie nicht mit den Hyksos das Land verlassen hätten.

Ich suche nun zu beweisen, dass die sogenannten Hyksos die Israeliten waren, und dass diese unter Abraham ins Land Aegypten eingebrochen sind. Die Quellen, welche ich benützte, sind die fünf Bücher Moses, Flavius Josephus, Justinus und Tacitus Eine neuere Schrift über diesen Gegenstand, z. B. Knötel, de pastoribus, qui Hyksos vocantury Leipzig, 1856; L Schulze, de fontibus , ex quibus historia Hycsosorum haurienda sit, Berlin, 1838, etc. war mir leider nicht zugänglich.

Hengstenberg meint (s. Dittmar a. a. 0 ), die ganze Erzählung des Manetho von den Ilyksos sei eine aus ägyptischer Nationaleitelkeit hervorgegangene Entstellung des Aufenthaltes der Israeliten in Aegypten, da weder nerodot noch die Bibel der Hyksos erwähne, und sich auch in den Inschriften keine nähere Andeutung finde, weder von ihrem Eindringen in's Land, noch von ihrer Vertreibung Heugstenberg bat in der Hauptsache nach meiner Ansicht' Hecht ; allein Manetho bat sich wol keine Entstellung zu Schulden kommen lassen; denn er sagt eiufacb, dass Hirten eingewandert seien. Uebrigens spricht das von ihm Behauptete, sowie der weitere Umstand, dass dagegen die Hebräer in den Inschriften erwähnt werden, für die hier vertretene Ansicht.

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Ks fragt sich nun zunächst, ob die Hebräer unter Abraham ein Hirtenvolk waren, dann ob Abraham die Macht hatte, einen Teil von Aegypten zu erobern, und ob Stellen dafür sprechen, dass er dieses gethan, endlich ob auch die Zeitrechnung stimmt

Dass die Hebräer unter Abraham ein Hirtenvolk waren, wird jeder zugeben, der I Mos. 12 und 13 liest Es berichtet dieses aber auch Josephus bestimmt, wenn er I, 14 contra Apion. schreibt: ,,Penn unsern ältesten Vorfahren ist das Hirtenleben herkömmlich, und wegen ihres nomadischen Lebens wurden sie Hirten genannt". Dasselbe war auch noch zu Joseph's Zeit der Fall; denn dieser spricht zu Pharao I Mos 46, 32: „Diese Leute (Joseph's Brüder) sind Viehhirten; denn es sind Leute, die mit Vieh umgehen, und ihre Schafe und ihre Rinder und Alles, was sie besitzen, haben sie mit sich geführt»4

Was dann den zweiten Punkt anbelangt, so dürfte nach der Dar- stellung der Bibel der oberflächliche Leser zu der Meinung kommen, Abraham habe bloss einige Knechte und Mägde und dazu etwa eine Heerde Vieh gehabt. Sehen wir aber genauer und nehmen wir das, was die Bibel selbst andeutet, mit dem zusammen, was Flavius Josephus und andere Schriftsteller erzählen, so erhalten wir von Abraham und seiner Macht ein ziemlich deutliches Bild.

Die Bibel erzählt uns zunächst (I Mos. 12), dass Abraham auf Gottes Geheiss mit seinem Weibe Sara und seines Bruders Sohne Loth von Haran weg bis nach Sichern, im Lande der Kanaaniter, dann nach Bethel, und bei einer im Lande Kanaan entstandenen Hungersnot bis nach Aegypten gezogen sei, mit aller Habe und allem Gesinde Josephus aber erwähnt (Arch. I, 7 und 8, 1), dass Abraham wegen seiner neuen Lehre „von dem einen wahren Gotte, dem Schöpfer der Welt" mit seinem Anhange aus Mesopotamien vertrieben worden, dann mit einem Heere zu Damaskus angekommen und dort König gewesen, von da weiter mit seinem Volke nach Kanaan gezogen, endlich, da eine Hungersnoth dieses Land heimsuchte, auch nach Aegypten aufgebrochen sei, um an den reichlichen Vorräten der Aegyptier Teil zu nehmen, und zu hören, was ihre Priester über die Götter sagten.

Auch Justinus (36, 2) berichtet, dass die Juden von Damaskus kamen und dass dort Abraham und Israel (Jakob) Könige waren.

Dass nun aber Abraham'* und seiner Nachfolger Herrschaft sich wirklich über Syrien, Kanaan, Arabien und einen Teil von Aegypten erstreckt hat, geht aus dem Kachfolgenden wol zweifellos hervor* Nämlich 1) zieht Abraham mit seinen Leuten und seinen Herden ohne Anstand durch Syrien und Kanaan bis nach Aegypten. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn er nicht dort die Obmacht gehabt hätte. 2) Teilen sich er und sein Bruderssohn Lot in das Land, wie wenn

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sonst Niemand da wäre. 3) Abraham eilt vom Süden herbei und wirft die assyrische Kriegsmacht siegreich zurück, während vorher mehrere Könige von derselben geschlagen wurden. Auf der Rückkehr huldigt ihm König Melchiscdek. 4) Er selbst bat als Nebenweib eine Aegyp- tierin (Hagar) , und auch sein Sohn Ismael nimmt eine solche zum Weibe. Dies deutet offenbar auf nähere Beziehungen zu Aegypten hin- Ismael zieht nach Süden; er ist aber noch immer in Verbindung mit Abraham; denn er ist bei dessen Begräbniss anwesend (I Mos. 25, 9) 5) Seinen Söhnen und Enkeln von der Chetura rüstet Abraham förm- liche Expeditionen von Ansiedhingen aus. Sie nehmen Troglodytis und das Land vom glücklichen Arabien bis zum erytbräischen Meere ein; einige von ihnen unternehmen auch Feldzüge nach Libyen (Jos. Arch. I, 15). Das nordöstliche Aegypten war eben schon unter Abra- ham's Herrschaft. Dafür dürfte auch der Umstand zeugen, dass Abraham seine Residenz im südlichsten Teile von Kanaan , nahe an der Grenze von Aegypten, in Hebron und Gerar hatte. 6) Von Ezion- Geber sagt Jo8epbus (Arch. VIII, 6, 4): „Dieses Land gehölte vordem den Juden". Das geht natürlich nicht etwa blos auf die Zeiten des Salomo, sondern es erstreckt sich zurück auf Abraham's Zeiten. Es sagt nämlich Josephus (Arch II, 9, 3), Abraham habe dem Ismael und seinen Nach- kommen das Land der Araber, den Söhnen der Chetura Troglodytis, einen Teil der Ostküste Aegyptens, und dem Isaak Kanaan hinterlassen. 7) Als Abraham und Lot sich abteilen, da heisst es vom Jordan's Gau (I Mos 13, 10): „Das Land am Jordan war gleich einem Garten Gottes, gleich dem Lande Aegypten bis gegen Zoar hin". Hier wird Aegypten offenbar desswegen genannt, weil es den Abrahamiten schon bekannt war, ja wir können sagen, weil es zum Teilungsgebiet gehörte. 8) Nach der Trennung von Lot spricht Jehova zu Abraham (I Mos. 13, 14 und 15): ,,Hebe doch deine Augen auf und siehe von dem Orte, wo du bist, gegen Mitternacht, gegen Mittag, gegen Morgen und gegen Abend. Nämlich das ganze Land, welches du siehst, gebe ich dir und deinem Samen für immer'1. Die Hauptbeweisstelle scheint aber I Mos. K>, 18 zu sein, wo Jehova zu Abram sagt: „Deinem Samen gebe ich dieses Land vom Strome Aegyptens an bis zu dem grossen Strome Phra t"4 Moses kann dieses nur von der Vergangenheit gesagt haben, da er ja selbst die Israeliten aus Aegypten herausführt.

Was nun die Zeit betrifft, so will ich der üebersicht wegen die Reihenfolge der ägyptischen Könige, wie wir sie bei Manetho, Josephus und Syncellus finden, und soweit sie hier dienlich sein kann, zuvörderst folgen lassen:

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Manetho. Josephus. Synoellns.

1"). Dynastie (Hyksos ) : Salatis, Beon, Ramessemeno, Ra- Saites, B eo n, Apacb- Apachnes, Apophis, Ja- messe I u. II, Koncbaris,

nias, Assis Alis- Silite s, Bäon, Apach-

phragmutosis Tut- nes, Aphobis, Setbos

mosis, Chebron, Arne- Kertus, Asetb, Amosis

nophis, Amessis, Me- (Themosis), Chebron, phrea , MepbramutOBis, Amepbes Amenses,

Tmosis , Amenopbis Misphragmutosis,

(Memnon), Horos, Misphres , Tuthmo-

Arkencheres , Rathotis, sis Amenophtis, Ho-

Ach ench eres , Armais, ros, Achencberes,

Rumcssos, Artnesses (Sesostris), Arne- nophis.

Athoris , Chencberes, Ach eres , A um aus

(Danausi, Rames- ses (Aegyptos),

Amenopbis.

nes, etc., Aphobis. 16. Dynastie (ITyksos).

17. Dynastie

18. Dynastie : Arnos, Chebros, Ame- nopbis, Amersis, Misa- pbris, Misphragmu- tosis , Tuth mosis, Amenopbis (Mem- non), Horos, Achen- cberses, Acherres, Atho- ris, Ros, Chencheres,

Chebros , Acherret,

Acberres , Cherres, Ar m es es (Armes, Danaus), Ramme- b e s, Ameses (Aegyptos), Amenopbis.

Der Einfall der Hyksos in Aegypten stimmt mit der Einwanderung Abrabam's in Syrien, Kanaan und Aegypten hinsichtlich der Zeit voll- ständig überein; beide Ereignisse setzt man nämlich nach alten Ueber- lieferungen und neueren Entzifferungen in die Zeit von 2100 2000 v. Chr. Die Bibel nun gibt (II Mos. 12, 40) die Zeit, welche die Söhne Israels in Aegypten gewohnt haben, auf 430 Jahre an, während Josephus (Arcb. II, 15, 2) so viele Jahre von der Einwanderung Abrabam's in Kanaan bis zu Moses Auszuge aus Aegypten, dagegen von dem Zuge Jakobs nach Aegypten bis zum erwähnten Auszuge 215 Jahre zählt. Es sind aber auch nach der Bibel von der Einwanderung Jakobs bis zu Moses1 Auszuge 430 Jahre rein unmöglich: Nach I Mos. 46, 8 und 11 sind nämlich die Söhne Levi's schon vor dem Zuge Jakobs nach Aegypten geboren. Nimmt man nun an, Kehat habe erst im 70. Jahre Amram , und dieser wieder erst im 70. Jahre Moses erzeugt, so wären bis zum Auszuge aus Aegypten, wo Moses 80 Jahre alt gewesen (II Mos 7, 7), im günstigsten Falle, wenn nämlich Kehat bei der Einwanderung in Aegypten erst ein Jahr alt gewesen , nur etwa 220 Jahre. Es muss also in der Bibel der Aufenthalt der Israeliten in Aegypten offenbar von Abraham an gerechnet werden. Zwar bekämen wir nach Josephus' Angabe der Regierungsjahre der dama- ligen ägyptischen Könige von dem Einfalle der Hyksos bis zu ihrer

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Vertreibung nahezu 600 Jahre; allein man sieht bei einer näheren Vergleichung der Regententafeln auf den ersten Blick, dass manche Namen oft ein und dieselbe Person bezeichnen, so dass man die er- wähnten 430 Jahre als annähernd richtig annehmen darf. Dass nun auch die Worte: aySytonoi yivos «oy/Aoi" ganz passend auf Abraham und sein Volk bezogen werden können, ist klar, da er ja so zu sagen gerade erst von Nordosten heranzieht.

Wir gehen nun in dem Beweise unsers Themas weiter: Manetho, der übrigens die Dauer der Hyksos - Herrschaft auf 511 Jahre angibt, schreibt, es hätten sich hierauf die Könige aus der Thebais und aus dem übrigen Aegypten gegen die Hirten erhoben und es sei gegen sie ein grosser und langdauernder Krieg ausgebrochen. Von dem Könige Alisphragmutosis aber seien die Hirten besiegt und in den festen Platz Avaris eingeschlossen worden. Tutmosis, dessen Sohn, habe sie in Avaris belagert. Da aber die Eroberung nicht glücken wollte, sei ihnen durch Vertrag gestattet worden, ungefährdet aus Aegypten abzu- ziehen, wohin sie wollten Sie hätten nun ihren Weg durch die Wüste nach Syrien genommen, und hätten dann aus Furcht vor der Herrschaft der Assyrier, die damals Asien beherrschten, in dem jetzigen Judäa eine Stadt gebaut und dieselbe Hierosolyma genannt.

Auch Tacitus erwähnt im 2. Cap. des V. Buches der Historien, wo er die verschiedenen Ansichten über die Herkunft der Juden gibt, Folgendes: „Einige überliefern, schreibt er, zusammmeogelaufene (?) Assyrier, ein eines Landes bedürftiges Volk , hätten sich eines Teiles von Aegypten bemächtigt, bald aber eigene Städte und die hebräischen, näher an Syrien grenzenden Länder bewohnt" Daraus geht so ziem- lich deutlich hervor , dass die Abgezogenen Israeliten waren. Auch Josephus Flavius nimmt dieses an, da er I, 2G contra Apionem schreibt: „Manetho sagte, dass unsere Vorfahren mit vielen Myriaden nach Aegypten gekommen sind und die Bewohner unterworfen haben, später aber Aegypten wieder verloren und das jetzige Judäa bekommen und Jerusalem und den Tempel gebaut haben. Soweit, setzt er bei, folgte er den Aufzeichnungen in den heiligen Büchern".

Man kann hier einwenden, dass sich Josephus irrt; denn die Hyksos sind schon unter Tuthmosis aus Aegypten vertrieben worden, und zwar sind sie über Avaris zurück. Dagegen soll Moses erst unter König Amenophis, dem Nachfolger des Sesostris , und zwar durch das rote Meer nach der arabischen Wüste die Israeliten aus Aegypten geführt haben. Ein solcher Einwand scheint mir wenigstens sehr begründet zu sein. Josephus irrt sich nämlich gewaltig; er wirft einfach zwei Ereignisse, den Rückzug der sogenannten Hyksos über Avaris und des Moses Zug durch die Wüste zusammen; er nimmt an, Moses habe die Ilyksos, seine Vorfahren, schon unter Tuthmosis aus Aegypten geführt

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(c. Ap. I 31). Wo bliebe aber da die Leidensperiode der Israeliten, wo sie Ziegel machen und Steine schleppen mussten? (II Mos. 1, 14; Jos. Aren II, 9 1).

In die beiden erwähnten Ereignisse nun einen (historischen) Zusammenhang zu bringen, dürfte die Lösung des Themas sein. Möge dieses gelingen!

Die Bücher Moses' sind in erster Linie eine religiöse Urkunde, und erst in zweiter ein Geschichtsbuch. Moses lässt das Walten Jehova's besonders in den Vordergrund treten, um den Juden Vertrauen zu ihm einzuflössen. Er hat daher ein Interesse , die vor und bei der Zurückdrängung seiner Vorfahren nach Avaris vorgefallenen Kämpfe zu verschweigen. Aus demselben Grunde lässt er nicht die Israeliten nach Aegypten eindringen dass Abraham nach Aegypten kam, erwähnt er nur obenhin -, sondern er knüpft die Einwanderung der Familie Jakobs an die Geschichte Josephs und lässt diese Familie sich wunderbar vermehren. Josephs Geschichte nun ist in der Bibel eben nach dem gerade erwähnten Gesichtspunkte Moses' erzählt Ich will nur anführen, dass Joseph, als er noch zu Hause ist, keine Träume auslegen kann; denn er geht seine Brüder und seinen Vater um die Auslegung seiner eigenen Träume an (Jos Aren. II, 2, 2. und 3). Später aber deutet er in Aegypten dem Mundschenk und dem Mundbäcker, ja dem Könige selbst die Träume; auch weissagt er mit dem Becher (I Mos. 44, 6 und 15). Wober auf einmal dieses? Zur Aufklärung schreibt Josephus (Arch. II, 9, 2), die geistlichen Schriftglehrten seien es gewesen, die in dergleichen Dingen erfahren gewesen. Weiter erwähnt er (Arcb. II, 10, 2), dass es (zu Moses' Zeiten wenigstens) solche schriftgelehrte Priester (leQoyQa/x/uaKis) in Aegypten auf Seiten der Aegyptier und Israeliten gegeben habe. Joseph ist also jedenfalls in Aegypten in diesen Künsten unterrichtet worden So berichtet auch Justinus, indem er unter Anderem a. a. 0. schreibt: „Als Joseph dort die magischen Künste {magicas artes) mit Geschirlc gelernt hatte, war er in Kurzem dem Könige selbst sehr theuer ; deun er war sehr scharf- sinnig in Erklärung der Wundererscheinungen (prodigiorum sagacis- sitnus); auch erfand er zuerst die Traumdeutekunst; ja er sah sogar die Unfruchtbarkeit des Bodens viele Jahre voraus". Aber auch Josephus erzählt (Arch. II, 4, 1), dass Joseph in Aegypten in den freien Künsten unterrichtet wurde. Bedenkt man nun noch, dass der ägyptische König dem Joseph auch die Tochter Potiphera's (nerQsyrjg), des Priesters zu On (Heliopolis) zum Weibe gab (I Mos. 41, 45; Jos. Arcb. II, 6, 1), so darf man für gewiss annehmen, dass Joseph selbst unter der Zahl der leQoyQttfj (A«x eis war, als welchen ihn auch Chaeremon, Vorsteber der Bibliothek in Alexandria, bei Jos. (I 32 c. Ap.) erwähnt.

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Da nun die Bibel nur einen Auazug der Israeliten aus Aegypten kennt, so wirft natürlich auch der strenggläubige Josepbus die zwei vorher erwähnten Ereiguisse, nämlich die ZurOcktreibung der Iraeliten über Avaris und den späteren Auszug unter Moses durch das rote Meer, in eines zusammen. Dagegen gestattet er uns in den zwei folgenden Stellen einstweilen einen lichten Blick. Er schreibt nämlich (1 14 c Ap ) : „In einem andern Buche («Vr IyQuyov) werden durch das Wort „t/V« nicht Könige bezeichnet, sondern im Gegenteil kriegsgefangene Hirten [ttiXlAtthoxovi noi/Ä^vas)". Und dies, setzt Josephus bei, scheint mir wahrscheinlicher und stimmt mehr zur alten Geschichte Und in der zweiten Stelle (I, 14 c. Ap.) schreibt er: „In einem andern Buche {iy «XXg &d rwi tiijiXip x. r. X ) seiner ägyptischen Geschichten aber sagt Manetbo, diese sogenannten Hirten seien in ihren (der Aegyptier) hl. Schriften als Gefangene verzeichnet" Darin, fährt Josephus fort, bat er Recht; denn unseren ältesten Vorfahren ist das Hirtenleben herkömmlich, und wegen ihres nomadischen Lebens wurden sie Hirten genannt. Dagegen wurden sie wiederum mit gutem Grunde von den Aegyptiern Gefangene genannt, da ja unser Vorfahre Joseph zu dem Könige von Aegypten sagte, er sei ein Gefangener, und später mit Erlaubniss des Königs seine Brüder nach Aegypten kommen Hess.

Nach diesen zwei Stellen scheint die Annahme erlaubt zu sein, dass in jenen Kämpfen viele Israeliten gefangen wurden Ja nach Lauth „Moses der Ebräer, Einleitung" soll Tuthmosis III. sogar nach Asien gezogen sein. Und wirklich scheint aus I Mos. 47, 14, wo es heisst: „Und Joseph brachte alles Silber zusammen, das sich vorfand im Lande Aegypten und im Lande Canaan, für Getreide etc.", hervor- zugehen, dass sich damals Canaan in einem gewissen Abhängigkeits- verhältnisse zu Aegypten befand.

So nun scheint auch Joseph nach Aegypten gekommen zu sein. Seine hohe Stellung aber verdankte er wol nicht seinem Talente allein; denn dieses musste zunächst ausgebildet werden. Dazu aber bedurfte es eines besonders günstigen Umstandes. Worin nun dieser bestand, darüber gibt uns Lauth in seinem schon erwähnten Werke Andeutung. Derselbe schreibt nämlich in dem Abschnitte „Jehova - Elohim", p. 72: Auf einem Hochzeits - Scarabäus Amenholeps III (Amenophis, Memuon) stehen die Namen Juaa (Name des Vaters), Dhuaa (Name der Mutter). Letzterer Name wiederholt sich bei der Gemahlin Sethosis I, der Mutter Ramses' II. Die beiden Namen, sagt Lauth, sind semitischen Charakters. Daher erklärt sich die Thatsache, dass seit Horus, dem Sohne und Nachfolger Amenophis1 III (Memnon), die Gesichtszüge der pharaonischen Familie, besonders aber die des Ramses II, so auffallend semitisches Gepräge tragen.

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Verwandtschaft also (man denke an Esther!) wird dem Joseph zu seiner Ausbildung (ntuötla O.n.'n'n«, Jos. Arcb. II, 4, 1) und zu seinem hohen Range verholten haben. Aus dem Gesagten durfte auch zu entnehmen sein , dass derselbe in der Regierungszeit der Könige (Tutbmosis III.) Amenophis III und des Horus in Aegypten gelebt haben wird Seine Stellung sicherte naturlich auch den übrigen in Aegypten befindlichen Israeliten eine nicht ungünstige Lage.

Ich komme nun noch kurz auf die Geschichte Moses', worauB besonders klar werden dürfte, dass die zwei Austreibungen über Avaris und durch das rote Meer der Zeit nach verschieden sind, aber das- selbe Volk, nämlich die Israeliten, betroffen haben.

Josephus erzählt (Arch. II, 9, 2): „Einer von den ägyptischen Schriftgelehrten meldete dem Könige, es werde in naher Zeit den Israeliten einer geboren werden, der, wenn gross gezogen, die Herr- schaft den Aegyptiern schädigen , dagegen die Israeliten zu Macht bringen werde Daraufhin befahl der König, alle israelitischen Knäblein, die geboren würden, in den Flugs zu werfen und so zu tödten Die Schwangerschaft und Niederkunft der israelitischen Weiber aber Hess er durch ägyptische Hebammen genau beobachten." Conf Mos. II, 1. Josephus fährt dann Arch. II, 9, 7 so weiter: „Einst bringt des Königs Tochter Thermutis Lauth, Abschnitt: Grosshaus und Binsenkörblein, pag. 65, hält sie für die Schwester und Gemahlin des Pharao Sesostris das angenommene Kind, nämlich den kleinen Moses, zu ihrem Vater (Bruder?) und präsentirt es zum Nachfolger in der Herrschaft. Der König setzt ihm das Diadem auf; dieser aber ergreift es, wirft es auf den Boden und tritt darauf. Der obenerwähnte Schriftgelehrte sah dieses, sagte, das sei das prophezeite Kind, und drang auf seine Tödtung Thermutis aber wusste es zu retten." Vergl. auch Jos Arch. II, 10 und Herod. II, 110

Merkwürdig aber ist, was Manetho weiter, wenn auch nicht aus den hl. Büchern, erwähnt (Jos. 126 c Ap. foieir« cf* dovg i£ovoiav x. r. k.) : „Ein einige Jahrhunderte nach der Vertreibung der Hirten durch den König Tuthmo8is regierender König Amenophis habe von einem durch seine Weisheit und seine Gabe der Weissagung göttergleichen Manne den Bescheid erhalten , er würde die Götter sehen , wenn er das ganze Land von den Aussätzigen und den andern befleckten Menschen reinigte. Es seien nun acht Myriaden solcher - und dabei waren auch einige weise Priester zusammengebracht und zuerst in die Steinbrüche östlich vom Nil geschickt worden. Als sie dort sehr heruntergekommen, habe ihnen der König nach einiger Zeit die Stadt Avaris, welche nach dem Abzüge der Hirten verödet war, eingeräumt. Diese nun stellten einen von den Priestern von Heliopolis, 0 ar«ipb, zu ihrem Anführer und schwuren, ihm in Allem zu gehorchen Der befahl ihnen,

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die Stadtmauern in Stand zu setzen und sich zum Kriege gegen König Amenophis bereit zu halten. Kr schickte dann Gesandte zu den von Tuthmosis vertriebenen Hirten nach der Stadt Jerusalem, liess seine und der Uebrigen schmachvolle Behandlung anzeigen und verlangte, dass sie muthig mit zu Felde ziehen sollten; und zwar sollten sie zuerst nach Avaris, der Stadt ihrer Vorfahren kommen Diese kamen mit 200000 Mann. Amenophis aber sammelte gegen 300000 streitbare Aegyptier, schlug sich aber mit den anrückenden Feinden nicht, glaubend, er würde gegen Gott streiten jener weise Mann nämlich hatte sich getödtet, aber schriftlich hinterlassen, dass den Befleckten andere zu Hilfe kommen und diese Aegypten 13 Jahre hin- durch beherrschen würden , sondern befahl den Priestern, die Götter- bilder aufs sorgfältigste zu verbergen, zog sich nach Memphis zurück, nahm den Apis und die übrigen hl. Thiere mit und zog dann mit dem ganzen Heere gegen Aetbiopien "hin. Die Feinde aber verwüsteten Alles auf grausame Weise." Osarsiph änderte, als er zu diesen überging , seinen Namen und wurde Moyses genannt. Dann fährt Josepbus also weiter (I, 27 c Ap j: „Hierauf aber, erzählt Manetho, kam Amenophis von Aethiopien herbei, und sein Sohn Rbarases hatte ebenfalls ein grosses Heer. Beide trafen mit den Hirten und Befleckten zusammen, besiegten sie, tödteten viele und verfolgten sie bis an die Grenzen Syriens".

Dem ähnlich berichtet auch der Bchon erwähnte Chäremon, welcher über Hieroglyphen, Religion und Geschichte seines Vaterlandes schrieb Er nennt nämlich (Jos. I, 32 c. Ap ) gleichfalls den König Amenophis und seinen Sohn Ramesses, und schreibt, dass die Isis dem Könige im Traume erschienen, sich beschwerend, dass ihr Tempel im Kriege zer- stört worden sei. Da habe der schriftgelehrte Priester Pbritiphantes gesagt, wenn der König Aegypten von den befleckten Männern (rcDy tovc uoXvo/uovs Ixovxoiv tly^Qwv) reinigte, werde er keinen (nächtlichen) Schrecken mehr haben. Es habe also der König 250000 der Schädlichen (?) {inutirüv) gesammelt und ausgetrieben. Ihre Anführer seien gewesen die Schreiber (ygafu/Mtreas) Moyses und Joseph, letzterer lego/Qa^uarevs Ihre ägyptischen Namen seien Tisithen und Peteseph Diese seien nach Pelusium gekommen und haben dort 38 Myriaden getroffen. Mit diesen hätten sie Freundschaft geschlossen und wären gegen Aegypten gezogen. Amenophis sei nach Aethiopien geflohen. Später aber habe sein Sohn Ramesses die Juden bis nach Syrien verfolgt.

Aus diesen beiden Stellen nun geht im Zusammenhalt mit dem früher Erwähnten bestimmt hervor, dass es zwei Austreibungen gegeben, dann dass die früher über Avaris Vertriebenen, welche jetzt den Befleckten

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zo Hilfe kameD, mit diesen desselben Stammes waren, nämlich Hebräer. Denn Moses führt nach ihrer Niederlage alle durch das rote Meer.

Es lohnt sich der Möhe, hier noch zwei römische Schriftsteller anzufahren.

Justinus (lib. 36 cap. 2) nennt den Moses einen Sohn Josephs und fügt bei: „Er hatte zu der väterlichen Wissenschaft noch die schöne Gestalt voraus " Ersteres lässt sich dem in der Bibel und bei Josephus . klar aufgestellten Stammbaume desselben gegenüber wol nicht ver- theidigeu, obwol sie beide auch Chäremon der Zeit nach zusammen- wirft. Justinus fährt dann weiter: „Aber die Aegyptier vertrieben ihn, durch einen Spruch gemahnt, da sie (wol die Israeliten) an Aussatz und Krätze (scabiem et ventiliginem) litten, mit den Kranken, damit die Krankheit ni'ht mehrere befiele, aus Aegypten. Als Führer der Verbannten nahm er die Heiligtbümer [sacra) der Aegyptier heimlich mit Diese setzten ihnen bewaffnet nach, wurden aber durch Stürme gezwungen , nach Hause zurückzukehren". Man vergleiche damit II Mos. 3, 22: ,,Und jedes (israelitische) Weib leihe sich von ihrer Nachbarin und von der Gastfreundin ihres Hauses silberne und goldene Gefässe und Kleider; die leget auf euere Söhne und euere Töchter, so werdet ihr berauben die Aegyptier". (Conf Jos. Arch. II, 14, 6). Erwähnt sei hier noch, dass Justinus den Aruas (Aaron) für einen Sohn des Moses ausgibt.

Weiter schreibt Tacitus hierüber im V B., 3 Cap seiner Historien Folgendes: „Die meisten Geschichtschreiber stimmen darin überein, dass, als in Aegypten eine Seuche entstanden war, welche die Leiber verunstaltete, der König Hocchoris, beim Orakel des Jupiter Amnon Hilfe suchend, den Befehl erhielt, das Reich zu reinigen und jene Klasse von Verpesteten als den Göttern verhasst in andere Länder zu schaffen. So in der Wüste verlassen, habe sie Moses, einer der Verbannten, ermahnt, sie sollten ihm gleichsam als himmlischen Führer, durch dessen ersten Beistand sie das gegenwärtige Unglück ertragen hatten, vertrauen Sie stimmten bei und traten unbekannt mit Allem die Reise an." Aber besonders drückte sie Wassermangel; und schon waren sie dem Tode nahe, als eine Heerde wilder Esel von der Weide nach einem buschigen Felsen lief. Moses folgte ihnen, vermuthend, dass ein Grasboden da sei , und entdeckte reichhaltige Wasserquellen. Das Bild des Thieres, durch dessen Führung sie Irrweg und Durst abgewendet hatten, machten sie zu einem Tempelheiligthum (penetraU sacravere). Vergl. Jos. c. Ap. II, 7; II Mos. 13, 12 und 13).

Was nun die Zeit von Moses' Auszug anbelangt, so stimmt die Bibel mit dem Angeführten überein Die Stellen: II Mos. 1,8: „Da stand ein neuer König auf über Aegypten, der den Joseph nicht kannte", und 11 Mos. 2, 23: „Und es geschah in langer Zeit, dass der König

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von Aegypten starb etc.", passen n&mlich genau auf Ramsos II (Sesostris) Dieser kannte den Joseph nicht mehr; dann soll er auch sehr lange, wenigstens 62 Jahre, regiert haben Dazu stimmt auch, was Lauth im angeführten Werke, Einleitung, pag. 1 schreibt: In den Leidener Papyrus I, 348 und 349 iBt von den fremdländischen Apriu (Ebräern) gesagt; dass sie Steine schleppten zu Bauten des Königs Iiamses II. Vergl auch Herodot II, 107 und 108, und Diodor I, 56 Ist nun Moses in den ersten Regierungsjahren des Sesostris, der nach Lauth sogar 66 Jahre geherrscht haben soll, geboren, und hat dessen Nachfolger Amenophis 19 Jahre 6 Monate regiert, wie Josephus I, 15 C. Ap. angibt, so stimmt die Zeit gut zusammen, da Moses nach der Bibel 80 Jahre alt, die Israeliten aus Aegypten geführt hat, und der ägyptische König bei dieser Affaire zu Grunde gegangen sein soll (II Mos. 14, 6 ff. und Jos. Arch. II, 16, 3 a. E ).

Ich will nun noch kurz das Resultat dieser Abhandlung zusammen» fassen: Die sogenannten Hyksos waren die Hebräer, welche zu Abrahams Zeit in Aegypten eindrangen. Sie wurden später nach grossen Kämpfen Uber Avaris zurückgetrieben Dabei wurden viele Gefangene gemacht Diese hatten, seitdem sieb Joseph so hoch emporgeschwungen, sich der Gunst der ägyptischen Könige zu erfreuen. Später aber, als Josephs Verdienste in Vergessenheit gekommen waren, wurden sie hart bedrückt. Da riefen sie ihre Stammgenossen zu Hilfe, wurden aber sammt diesen geschlagen. Nun führte Moses die Ueberreste durch das rote Meer nach Arabien.

Speyer. - Preu.

Zu äpas.

Das Zarnke'sche „Centralblatt" Nr. 41 Seite 1374 bat meine im ,,Lexicon etym." Seite 23 gegebene Erklärung des Sanskritwortes äpas n. das Waaser getadelt

Der Herr Recensent mag Recht haben, wenn er eine Trennung des ap-, resp. ak-, von äpas bekämpft. Ich selbst hatte eine blosse Möglichkeit dieser Deutung schon durch das pathetisch gestellte „potest" bemerklich gemacht. Die Stelle lautet wörtlich so:

Skr. äpas n., quae forma potent constare (nicht constare potest!), ex ä-paSy h. e. ä-pat, praet. aor., cohaer. cum pd- potare, unde skr. pä-tha m. aqua, no-ro?, pi-tha pätha, {cogn. ni-yu), pa-yas ft. aqua.

Möglich also ist nach diesem die Zerlegung in ä-pas n , (statt äp-as dpa), und als Nachtrag zum ganzen Artikel „aqua" wurde diese Deutung angefügt. Und wie dann möglich?

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Benfey in seiner grossen Sanskritgrammatik §. 737 II A. 1 sieht das ap- als aus äp verkürzt und dp- als eine Dehnung des äp an (§. 754 VII). Seite 304 A. 1 sagt er so: dp (aus dp), vielleicht (= potest!) aus dpat, (schwache Form eines Partie. Aoristi II von pd „trinken" , welches zunächst d-pat, d-pt wurde. Also A-pas aus d-pat wie ushas f. aurora aus ushat, Partie. Präs. von vas- leuchten0). S. meinen Artikel „dorrum".

a-pas ti. aus ä-pat klingt also wie fxtyag m. zu skr. „maghat" tnah-at, dieses wieder geschwächte Form aus dem starken mah-ant gross, eig. gross werdend. So noch skr. gar-at-i f. (yeeaoxovoa, schwache Form), gar-ant =. ycQ-ovt-.

Ein anderes Sanskritwort, nämlich mäs m. mensis erklärt Benfey 'auch aus organischem mdnt, Partie, von md- messen (besser wol zu - mi- wechseln, a- f*e(~ ßeoöcti gezogen). S. Bopp „Vergl. Gramm." §. 790 S. 159. Fick, 3. Auflage S. 232.

Freising. Zehetmayr.^

Zu §§. 1 und 2 der praefatio des Livius.

Zu den in unsern Schulen gelegensten Schriftstellern gehört mit Recht Livius; schon aus diesem Grunde ist der Fleiss und die Sorgfalt gerechtfertigt, die sich der Erklärung dieses Schriftstellers immer wieder von Neuem zuwendet. Aber trotz der grossen Verdienste, welche sich verschiedene Gelehrte um ein besseres Verständniss desselben erworben haben, gibt es doch auch hier noch genug Stellen, die entweder noch gar nicht genügend erklärt sind oder in denen Missverständnisse, durch eine falsche Auffassung einzelner Herausgeber veranlasst, von ihren Nachfolgern statt berichtigt zu werden, getreulich weiter verbreitet und von Geschlecht zu Geschlecht fortgeschleppt werden Zu diesen Stellen rechne ich gleich die ersten Worte der praefatio, die von dem um Livius so hochverdienten Weissenborn falsch erklärt werden, ohne dass er von den neueren Herausgebern Widerspruch erfahren hätte. Ich bemerke hier nur nebenbei, dass die Ausgabe des Livius von Weissenborn, die sowol für die Erklärung des Livianischen Sprach- gebrauchs als für das richtigere Verständniss der historischen und staatsrechtlichen Verhältnisse ganz Ausserordentliches geleistet hat, trotz alledem doch keine Schulausgabe in dem Sinne ist, dass sie zunächst die Bedürfnisse der Schüler bei der Lektüre in's Auge

*) vas =. us, ush wie ukta „gesprochen0, aus vak-ta.

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fasste. Zwar der Lehrer wird sie mit grossem Nutzen für die Schule benutzen, wenn man aber glaubt, dass sie unsere Schüler stark in Anspruch nehmen , so befindet man sich in einer argen Tauschung. Für diese bietet sie viel zu viel und dies oft in einer Form, die über das Verständniss derselben hinausgeht.

Doch wenden wir uns nach diesen gelegentlichen Bemerkungen dem ersten Satze der praefatio zu, dessen Verständniss nicht so leicht ist, und suchen wir den Gedanken genau zu ermitteln, den hier Livius ausspricht. Livius sagt, er wisse es nicht und, wenn er es wüsste, so würde er es doch nicht zu sagen wagen, ob er, wenn er die Geschichte des römischen Volkes von seinen ersten Anfängen an schriebe, facturus uperae pretium sit. Da sagt nun Weissenborn und mit ihm seine Nachfolger, Livius spreche folgenden Gedanken aus: Ob mein Werk Anerkennui g finden wird, weiss ich nicht und wüsste ich's auch (dass es nämlich Anerkennung finden wird), so würde ich es doch nicht zu sagen wagen. Nun frage ich aber: Welcher Mensch, upd sei er auch ein Ausbund von Bescheidenheit, würde sich, wenn er wüsste, was er aber selbstverständlich nicht wissen kann, dass seine Arbeit Anerkennung finden wird, dies zu sagen geniren? Kein Mensch trägt doch Bedenken, eine einfache Thatsache auszusprechen, zumal wenn diese Thatsache noch kein besonderes Lob für ihn enthält. Wer sollte ferner auch gleich beim Anfang eines grosseren Werks auf den verkehrten Gedanken kommen, zu sagen : Ich würde, auch wenn ich gewiss wüsste, dass mein Werk dereinst Anerkennung finden wird, es mir doch nicht zu sagen getrauen? Die Verkehrtheit dieses Gedankens tritt noch schärfer hervor, wenn wir die darauf folgenden Worte in's Auge fassen. Diese enthalten nämlich eine Begründung, also eine Begründung der Be- hauptung, dass er, selbst wenn er wüsste, sein Werk werde Anerkennung finden, dies doch nicht zu sagen wagen würde. Und worin besteht diese Begründung? Weil es, fährt er fort, eine alte und allgemein verbreitete Erscheinung ist, wie ich sehe. Hier fragen wir natürlich. Was ist eine alte und allgemein verbreitete Erscheinung? Die Antwort auf diese Frage geben nicht die folgenden Worte, sondern sie ergibt sich aus dem Zusammenhang und dem Vorhergehenden und der mit dum nachfolgende Satz gibt blos den Grund an, warum diese Er- scheinung eine so allgemeine ist

Was ist also , fragen wir wiederholt, die häufige und allgemein verbreitete Erscheinung? Die Antwort darauf gibt Weissenborn und im Anschluss an ihn seine getreuen Nachfolger mit den Worten: dicere se operae pretium facere. Wirklich? Sollte es in der That eine ganz gewöhnliche Erscheinung sein , dass jeder neue Gcschichtschreiber sagt, sein Werk werde Anerkennung fiuden? Ich sollte doch glauben, selbst derjenige, der von der Trefflichkeit seiner Leistung noch so fest

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überzeugt ist, Hesse sich vod der Eigenliebe nicht so weit blenden, dass er das , was er wünscht und hofft , ja wovon er meinetwegen auf's innigste überzeugt ist, schon von vorneherein als eine unzweifelhaft künftig eintretende Thatsacbe bezeichnet; am allerwenigsten aber kann ich zugeben, dass alle Geschichtschreiber diese Eigenheit teilen. Daraus ergibt sich denn, dass der ganze Oedanke, den Livius in den ersten Worten seiner praefatio ausspricht, ein schiefer ist und aller Logik entbehrt. Das wäre doch ein trauriges Vorzeichen für das ganze Werk! Können wir das auf Livius sitzen lassen und müssen wir nicht, um seine Ehre zu retten, die kranke Stelle um jeden Preis zu heilen suchen? Dies ist zum Glück nicht nötig; die Stelle ist ganz gesund und wenn Livius gleich mit den ersten Worten seiner Vorrede einen gelinden Unsinn spricht, so ist nicht e r, sondern sind blos seine Erklärer daran Schuld, die ihn falsch verstanden haben.

Sehen wir uns doch den Ausdruck operae pretium facere, der für das richtige Verständniss der Stelle entscheidend ist, etwas näher anl Heisst operae pretium facere wirklich, wie Weissenborn annimmt, einen Preis, Lohn seiner Mühe gewinnen, oder Anerkennung finden? Schon der Umstand, dass bei dieser Bedeutung unser Satz keinen rechten Sinn haben will, müsste gegen dieselbe Bedenken erregen. Halten wir uns aber zunächst an den wörtlichen Ausdruck ! Warum soll denn hier facere gerade gewinnen bedeuten? Ich behaupte, operae pretium facere ist nichts Anderes als facere, quod operae pretium sit, d h. etwas thun, was der Mühe wert ist und operae pretium facere heisst also nicht, einen Preis, einen Lohn seiner Mühe gewinnen, sondern etwas thun, was die darauf gewandte Mühe lohnt. Dies kann aber und wird oft auch dann der Fall sein, wenn die Arbeit keinen äusseren Erfolg hat, d. h. keine Anerkennung findet, denn diese ist eben noch kein untrüglicher Beweis für den Wert oder Unwert einer Arbeit. Dass aber operae pretium facere diese seiner Zusammensetzung ent- sprechende Bedeutung auch hat und nicht die von Weissenborn ihm beigelegte, das beweisen einige andere Stellen bei Livius , in denen diese Redensart noch vorkommt. Weissenborn selbst verweist auf 25, 30, 3. Hier wird ein Befehlshaber von Syrakus, Namens Möricus, ein geborner Spanier, zur heimlichen Uebergabe aufgefordert und ihm als- Lohn dafür in Aussicht gestellt poase eum, *»' operae pretium faciat, principem popularium esse, seu militare cum Romanis ecu in patriam reverti libeat. Offenbar kann hier operae pretium facere nichts Anderes heissen, als wenn er vernünftig handle, d. h. so handle, dass sich sein Handeln auch lohne. Es lohnt sich aber, wenn er die Stadt an die Römer ausliefert Dieselbe Redensart kommt in demselben Buche noch einmal vor und zwar 19, 10. Hier heisst es von einem besonders tüchtigen centurio, er habe den Senat gebeten, man möge ihm 5000 Mann

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geben; er werde dann brevi operae pretium facturum. Das heisst doch offenbar nichts Anderes als, er werde mit denselben etwas thun, was der Mühe wert sei, d. h. eine bedeutende That ausführen. In ganz anderem Sinne steht es allerdings 27, 17, 14. Hier sagt ein Spanier zu Scipio, quales ex hac die experinndo cognorit, perinde operae eorum pretium feueret , d. h. er möge die Leistungen der Spanier so taxiren , wie er sie vom beutigeu Tage an thatsäcblicb kennen lernen würde. Hier steht facere ganz in der Bedeutung von aestimare, taxiren Schliesslich ist Weissenborn ebenfalls im Irrtbum, wenn er dem Ausdruck operae est in 1, 24, 6 eine andere Bedeutung beilegt. Es ist hier einfach pretium zu ergänzen und non operae est heisst nichts Anderes, als: es ist nicht der Mühe wert, es verlohnt nicht der Mühe

Halten wir das, was sieb für uns teils aus der Zusammensetzung der Redensart an und für sich, teils aus den angeführten Parallel- stellen unwidersprechlich ergeben hat, fest und fassen wir operae pretium facere, wie es nicht anders gefasst werden kann, in der Be- deutung, etwas thun, was der Mühe wert ist, d. b. etwas Verdienstliches thun, so fallen alle logiseben Schwierigkeiten in diesem Satze weg und Livius spricht einfach folgenden Gedanken aus.

Ob ich etwas Verdienstliches, d. h. etwas, was der darauf zu verwendenden Arbeit wert ist, unternehme, wenn icb die Geschichte des römischen Volkes von den ersten Anfängen Roms an schreibe, das weiss ich nicht, und wenn ich'e wüsste (dass ich nämlich etwas Ver- dienstliches damit tbue), so würde ich es nicht zu sagen wagen.

Livius hat natürlich wie Jedermann, der über etwas schreibt, von seiner Arbeit die Meinung, sie sei gut Aber diese Meinung, die eben Jeder hat, ist noch kein Beweis dafür , dass die Arbeit wirklich etwas taugt. Aber selbst wenn ich wüsste, fährt er fort, dass meine Arbeit wirklich Wert bat, Anerkennung verdient (nicht aber findet), würde ich es doch nicht auszusprechen wagen. Warum nicht? Zu- nächst aus Bescheidenheit. Niemand spricht sich selbst gern über den Wert seiner Arbeit aus; thut er es doch, so legt man eben auf sein Urteil, als ein parteiisches, kein Gewicht. Doch dies versteht sich von seihst, desswegen braucht er es nicht zu sagen; er gibt also als Grund, warum er, selbst wenn er es gewiss wüsste, etwas Tüchtiges geliefert zu haben, es doch nicht offen aussprechen würde, blos den Umstand an , dass er damit etwas ganz Gewöhnliches sagen würde; denn es ist dies, sagt er, eine ganz gewöhnliche Erscheinung Was denn? Dass der Schriftsteller und im Besonderen der Geschichtschreiber mit seiner Arbeit etwas Verdienstliches zu tbun glaubt. Was ist also unter res zu verstehen? Nicht, wie Weissenborn meint, dicere se operae pretium facturum, sondern crederese operae pr. facturum. Jeder Geschichtschreiber, der eine schon von Anderen behandelte Partie der

Geschichte von Neuem behandelt, glaubt (nicht sagt) etwas Ver- dienstliches zu thun. In wie fern dies, erklärt der folgende Satz. Er glaubt dies desswegen , weil eben jeder neue Geschichtscbreiber entweder sachlich Neues und Besseres beibringen zu können meint oder in der Form seine Vorgänger zu übertreffen hofft So ist denn der Gedanke, den Livius mit den ersten Worten seiner praefatio ausspricht, ein durchaus gesunder und lautet im Zusammenhang nach unserer Auffassung also:

§h ich etwas Verdienstliches unternehme, wenn ich vom ersten Anfang der Stadt an die Geschichte des römischen Volkes schreibe, weiss ich nicht gewiss und wenn ich'a gewiss wüsste, würde ich es nicht zu sagen wagen, denn ich sehe, es ist dies eine althergebrachte und allgemein verbreitete Erscheinung (nämlich die Meinung, etwas Verdienstliches zu leisten), indem (weil) jeder neue Schriftsteller ent- weder sachlich Genaueres berichten oder durch die Kunst der Dar- stellung das noch ungebildete Altertum (seine formell noch wenig gebildeten Vorgänger) übertreffen zu können glaubt

Sörgel.

Zu Cacs. de bell. civ. II, 17, 2.

Der Kritik, die anderwärts , um Arbeit zu linden, gesunde Stellen mit aller Gewalt für krank erklärt, bietet der Text Cäsar's, besonders im Bürgerkrieg, in der uns überlieferten Form noch ein reiches Feld verdienstlicher Thätigkeit. Eine von den verzweifelten Stellen , die bisher allen Heilungsversuchen gespottet haben , wenn man es nicht vorzog, ganz stillschweigend über sie hinwegzugehen, findet sich im 17. Capitel des 2. Buchs; mit ihr wollen wir uns hier etwas eingehender beschäftigen. Um die Unstatthaftigkdt der bisherigen Lesart nachzu- weisen, müssen wir zuvor auf den Gedankengang etwas näher eingehen. Im Vorhergehenden ist erzählt, wie es dem Cäsar durch geschickte Manöver gelungen war, das Heer des Pompejus im diesseitigen Spanien zur Unterwerfung zu bringen, und wie er sich darauf mit allem Nach- druck der Belagerung von Massilia zuwandte. Aber auch im jenseitigen Spanien stand noch ein Legat des Pompejus mit einer Armee. Es war dies M. Varro Dieser Mann nun, ein höchst zweideutiger und unzu- verlässiger Cburakter, liess «ich in seinem Verhalten lediglich durch die Fortschritte Cäsars in Italien uud den Gang der Belagerung von Massilia bestimmen. Er suchte einfach abzuwarten , tür wen eich das Glück entscheide, um dann auch für seine Person die gleiche Ent- scheidung zu treffen.

Blittar f. d. b*fer. Gymn.- u. Re*l-8chulw. XI. Jahr». 22

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Von ihm beisst es nun im 17. Capitel des 2. Buchs, er habe, wie aus Italien Nachrichten Ober Nachrichten von den glücklichen Erfolgen Cäsar? daselbst einliefen, am Glücke des Pompejus verzweifelnd sieb über Casar höchst freundschaftlich ausgesprochen und sich über seine eigentümliche Stellung beklagt, die es ihm, was ihm doch Herzens- bedürfniss wäre, nicht erlaube, mit beiden von ihm so hochverehrten Männern in Frieden nnd Freundschaft zu leben. Zunächst spricht er von den Verpflichtungen, *lie er dem Pompejus gegenüber habe, der ihm den Posten eines Legaten übertragen und ihn dadurch an leine Person und Sache gebunden habe. * Was freilich die persönlichen Beziehungen betreffe, fährt er fort, so bänden ihn ebenso enge an Casar als an Pompejus; er wisse ebenso gut, was die Pflicht eines Legaten erheische, der einen Vertrauensposten bekleide, als er auf der anderen Seite von der Unzulänglichkeit seiner Streitkräfte überzeugt sei und die Gesiunung kenne, welche in der ganzen Provinz gegen Cäsar herrsche Das ist ohne allen Zweifel der Sinn dieser Stelle. Aber wie verhält sich der Text dazu? Sehen wir ihn ans einmal an! Praeoccupatutn, heisst es da, sese legatione ab Cn. Pompejo, teneri ob- strictum fide: necessitudinem quidem sibi nihilo minorem cum Caesare intercedere neque se ignorare, quod esset officium legati, qui fiduciariam operam obtineret, quae vires suae, quae voluntas erga Caesarem totiws provinciae Er will offenbar sagen , dass ihm die Wahl zwischen Pompejus und Cäsar ausserordentlich schwer werde, ja ganz unmöglich sei. Wie er zunächst seinen Verpflichtungen, die ihn an Pompejus binden, die engen persönlichen Beziehungen zu Cäsar entgegenstellt, die ihm die Erfüllung seiner Pflicht so schwer machen, so werden auch im 2. mit neque se ignorare eingeführten Satz die Momente, die ihu für Pompejus Partei nehmen lassen, und andrerseits die Gründe, die ihn an der Erfüllung dieser seiner Pflicht hindern, gegensätzlich aufgeführt. Wir sehen also, der gute fi. Varro will sich aus seiner verzwickten Lage eiufach durch das Kunststück heraushelfen, dass er nicht so und auch nicht so sagt und dann erst sich für den einen oder den anderen entscheidet, wenn sich endgiltig das Glück für ihn entschieden hat. Er gehörte also zu den Charakteren, deren Hauptkunst es ist , den Mantel nach dem Winde zu hängen, eine Kunst, die in unruhigen Zeiten, in Zeiten eines Bürgerkriegs, zwar sehr schwierig, aber, wenn mit Erfolg geübt, auch höchst lohnend ist. Er hatte sich, wie die meisten seiner Art, zunächst an Pompejus angeschlossen; musste man doch das Unterfangen Casars, den Pompejus, für den sich ja fast der ganze Senat erklärt hatte, aus seiner privilegirten Stellung zu verdrängen, für ein verfehltes, ja für ein wahnsinniges halten. Aber der Wind schlug wider Erwarten bald um. Cäsar erzielte hauptsächlich durch seine wunderbare Schnelligkeit ganz erstaunliche

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Erfolge und hatte sich in Kurzem in den Besitz von ganz Italien gesetzt. Das musste natürlich einen so vorsichtigen Mann, wie Varro war, stutzig machen. Seine Lage wurde jetzt eine äusserst schwierige, zumal da auch seine Collegen , die im diesseitigen Spanien an der Spitze Pompejanischer Heere gestanden waren , sich mit denselben hatten ergeben müssen Aber trotz alledem ist der schliessliche Aus- gang immer noch nicht gewiss; immer noch kann es gehen, wie es will. Da heisst es denn mit äusserster Vorsicht zu Werke gehen. Ein für allemal bei Pompejus aaszuhalten und dessen Schicksal zu teilen, ist um so gefährlicher, als er ja von diesem weit getrennt ist und gar nicht unterstützt werden kann. Andrerseits wäre es aber auch im höchsten Örade voreilig, sich jetzt schon für Cäsar zu entscheiden, wo noch keine entscheidenden Ereignisse vorgefallen sind. Was thut nun der kluge und vorsichtige Mann in einer so eigenthümlichen Lage? Er sucht Zeit zu gewinnen und die Entscheidung für seine Person so lange hinauszuschieben, bis er bestimmt weiss für wen die Entscheidung im Ganzen und Grossen ausfallen wird. Inzwischen aber gilt es , sich so geschickt durchzuschlagen, dass man keinem von beiden vor den Kopf stösst.

Ist nun diese Auseinandersetzung richtig, und ich glnube, ihre Richtigkeit wird Niemand bestreiten, so kann Varro das, was er mit dem Satz neque se ignorare einführt, unmöglich so einfach neben einander hinstellen , obwohl es die schärfsten Gegensätze bildet. Das hiesse in der That Alles wie Kraut und Rüben durcheinander mengen. Wie er im Vorhergehenden seine Verpflichtungen dem Pompejus gegenüber den Erwägungen scharf entgegengestellt bat, die ihn die Freundschaft Cäsars suchen lassen, so scheidet er auch hier haarscharf zwischen dem, was ihn an Pompejus bindet, und dem, was ihn gegen Cäsar feindselig aufzutreten hindert. In der ganzen Darstellung sind gerade die scharfen Gegensätze charakteristisch. Diese Gegensätze aber müssen hervorgehoben, müssen wenigstens deutlich angedeutet, können auf keinen Fall so ganz ohne alle Vermittlung einfach neben einander hingestellt werden. Varro sagt zunächst, er sei auf der einen Seite durch den Posten eines Legaten, den er von Pompejus ange- nommen habe, gebunden; auf der andern Seite freilich habe er auch zu Cäsar die besten persönlichen Beziehungen. Dieser nämliche Gedanke, der ja im Grunde darauf hiuausläuft, dass gezeigt werden soll, wie es ihm seine eigenthümliche Stellung unmöglich mache, sich ganz offen und ohne Rückhalt für den einen oder andern zu erklären, wird nun im Folgenden noch weiter ausgeführt. Er wisse auf der einen Seite recht wol, was die Pflicht eines Legaten erheische, der einen Vertrauens- posten bekleide, nämlich das Vertrauen nicht zu täuschen, sondern treu in seiner Stellung auszuharren, auf der andern Seite eben so wol,

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welcherlei Art seine Streitmacht sei, d. h. wie unzureichend seine Macht der Casars gegenüber sei , und dass es also nur ein muth- williges Hinopfern seiner Leute wäre, wenn er trotzdem sich mit Casar in einen Kampf einlassen wurde, und welches die Gesinnung der ganzen Provinz gegen Cäsar sei, d. h. dass die ganze Provinz sich einmüthig für Cäsar erklärt habe und von einem Kampf gegen ihn nichts wissen wolle Daraus ergiebt sich demnach seine Bereit» Willigkeit, die Feindseligkeiten gegen Cäsar einzustellen, nur erwartet er von diesem, er werde an ihn nicht das Verlangen stellen, die Armee, die ihm Pompojus anvertraut habe, ihm geradezu auszuliefern.

Kran er hat allerdings die Unstatthaftigkeit der gewöhnlichen Lesart erkannt und gemeint, die Worte quod esset officium bis obtineret gehörten überhaupt nicht hieher, wo Varro dem gegenüber, wus ihn an PompejuB bindet, erwägt, was ihn veranlassen könnte, es mit Cäsar zu halten. Er will nun der Not durch ein schon vielfach gebrauchtes, ja verbrauchtes Mittel, durch Versetzung abhelfen und obige Worte unmittelbar hinter teneri obstrictum fide eingesetzt wissen. Aber damit ist nicht nur nichts gewonnen , sondern wir erhalten dann einen geradezu schiefen Gedanken. Denn was sollen jetzt die Worte: se teneri obstrictum fide, quod esset officium legati, qui fiduciariam operam obtineret besagen? Kann man denn überhaupt sagen: Ich bin \ durch mein Wort gebunden, und dies ist die Pflicht eines Legaten,

der einen Vertrauensposten bekleidet? .Man sagt wol, ein Legate ist durch sein Wort gebunden, aber nicht, es ist die Pflicht eines Legaten, durch sein Wort gebunden zu sein. Aber auch abgesehen davon, ist denn blos der Legate durch sein Wort gebunden und nicht Jedermann und wäre es nicht zum mindesten ein höchst überflüssiger Znsatz, zu sagen, es ist die Pflicht eines Legaten, sein Wort zu halten und das ihm vom Oberfeldherrn anvertraute Heer dem Feinde nicht geradezu in die Hände zu liefern? Aber noch einen weiteren Missstand würde diese Versetzung zur Folge haben. Es würde dadurch der doppelte* Gegensatz, der an unserer Stelle für die Charakteristik ciues so zwei- deutigen Mannes wie Varro gerade so bezeichnend ist, zerstört und die Begriffe, die absichtlich gegenüber gestellt werden sollen, zwecklos gehäuft. Die Versetzung würde also das Uebel nur ärger machen. Das richtige Verstäudniss der Stelle führt auch auf die richtige Lesart. Zum richtigen Verständnis» aber ist es unbedingt nötig, festzuhalten, dass Varro immer wieder darauf zurückkommt, wie ihm seine Stellung nicht erlaube, zum Verräther an Pompejus zu werden, aber eben so wenig, gegen Cäsar feindlich vorzugehen. Wir haben also einen dop- pelten Gegensatz festzuhalten. Zunächst sagt er, er sei an Pompejus gebunden durch seinen Posten, den er diesem verdanke, er sei aber auf der andern Seite auch ein guter Freund Cäsars. Nun führt er

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weitere Momente für seine Haltung an und zwar wieder nach einem doppelten Gesichtspunkt. Er wisse einerseits recht wol, was seine Pflicht von ihm, dem Inhaber eines Vertrauenspustens, erheische, nämlich treues Ausharren, er wisse aber andrerseits eben so gut, dass er bei der Unzulänglichkeit seiner Mittel und der dem Cäsar freundlichen Gesinnung der ganzen Provinz gegen diesen nichts ausrichten könne. Als guter Freund Cäsars will er, bei seinen schwachen Mitteln kann er nichts gegen ihn unternehmen.

Alle Bedenken werden nun gehoben und die Stelle erscheint als durchaus gesund , wenn wir einen ganz unbedeutenden Zusatz machen und vor den Worten guae voluntas das Wort neque einsetzen, das dann dem ersten neque se ignorare in der passendsten Weise entspricht. Die Auslassung des Wortes neque vor dem so gleich lautenden Worte quae ist leicht zu erklären, daher enthält auch die Wiedereinsetzung desselben gewiss nichts Gewaltsames.

Sörgel.

Schrift Ii che Hebungen Im Deutschen für Sexta.

Herr Koll- Ludwig Mayer hat S. 220 die von mir in der heurigen Generalversammlung gemachten Vorschläge besprochen, dieselben als zum Teil etwas zu weit gehend befunden , und ist dafür selbst mit einigen Vorschlägen aufgetreten Er wird es mir nun gewiss nicht verübeln, wenn ich auf Grund seiner hiebei entwickelten Ansichten und Grundsätze den Gegenstand noch einmal zur Besprechung bringe, auf meinen ersten Vorschlägen beharre und seinen Anschauungen in einigen Punkten entgegentrete. Handelt es sich ja doch hier um eine Frage, worüber die Meinungen bis jetzt noch geteilt sind, und also jeder seine Ueberzeugung geltend zu machen suchen darf.

Herr Koll. M. wendet sich zuvor gegen die freie Wiedergabe zusammenhängender Stücke, bei welcher die Knaben, da sie eine Kette von Vorstellungen zu überschauen noch nicht vermögen, sich erfabrungsgemä88 mechanisch an den Wortlaut des Vorgelesenen oder Vorgesagten anzuklammern gezwungen sehen, so dass sie dabei mehr mit dem Gedächtnisse als mit dem Verstände arbeiten.

Dagegen habe ich zu erinnern, dass die vorzulesenden oder vor- zaerzählenden Stücke vor allem einfach, klar und leicht fasslich sein müssen. Knaben von 10 Jahren aber müssen bereits so viel denken gelernt haben, um den Sinn einer einfachen kurzen Erzählung verstehen und erfassen zu können, wenn man anders junge Leute in die Lateinschule aufnimmt, welche sich die für den Eintritt in die vierte Klasse einer

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deutschen Schule hinreichenden Kenntnisse in der deutschen Sprache erworben haben, wie die Schulordnung vorschreibt. Nach meiner Ansicht setzt Herr Koll. M. von den zehnjährigen Knaben doch gar zu wenig voraus: denn die Kette von Vorstellungen, wie sie z. B. die von ihm gemeinten Fabeln verlangen, ist wahrlicb nicht so gross, dass sie ein Sextaner nicht zu überschauen vermöchte. Die Befürchtung, dass bei diesen Üebungen das Gedächtniss auf Kosten des Verstandes in Anspruch genommen werde, kann ich nicht teilen. Bei der freien Wiedergabe eines Musterstück kommt es darauf an, dass der Schüler rasch einen Ueberblick über das G a n z e bekomme und selbes kurz wiedergebe- Sache des Lehrers ist es, das Nebensächliche an geeigneter Stelle in Erinnerung zu bringen. Durch diese Uebungen wird, wenn man eine wörtliche Wiedergabe nicht verlangt, resp. nicht duldet, mehr das Auffassungs- und Denkvermögen geübt, als das Gedächtniss. Ja dieses wird, fürchte ich, eher durch die vom Herrn Kollega empfohlene Methode einseitig in Anspruch genommen. Wenn er nämlich von der ersten Antwort des Schülers ausgehend fortfährt eine Frage nach der andern an ihn zu stellen, um eine Antwort aus ihm herauszulocken , wobei aber immer nur einzig allein diejenige zutreffend ist, die der Lehrer im Kopfe hat, so nimmt er vorzugs- weise des Schülers Gedächtniss in Anspruch , da dieser , um die treffende ntwort zu finden, gezwungen ist, sich an den Wortlaut der vorgetragenen Erzählung zu erinnern. Seine eigene Auffassung des Geborten kommt bei einer solchen Beschränkung nicht in Betracht und zur Geltung. Ein solches Zerpflücken und Drängen presst alles in spanische Stiefel, schadet der Gestaltungskraft der Schüler und leitet eher zu mechanischer Thätigkeit an, als die freie Wieder- gabe. Richtig, scheint mir, wäre diese Methode vom Einzelnen auf das Ganr.e überzugehen dann, wenn es sich um die Erfindung einer neuen Erzählung handelte. Hier handelt es sich aber nicht um ein Er linden, sondern um ein Wiederfinden. Dass hiebei das Gedächtniss mit thätig sein muss, ist allerdings richtig und not- wendig. Worin besteht denn alter auch die ganze Thätigkeit der Lernenden überhaupt, wenn nicht in einer Reproduktion des Gelernten ? Nur müssen sie, damit das Gelernte fruchtbringend werde, sich vor einer mechanischen Aneignung des zu Lernenden durch blosses Aus- wendiglernen hüten, und vielmehr trachten, durch Eindringen in den Inhalt des Gelernten und durch Nachdenken dasselbe zu ihrem Eigen- tum zu machen.

Durch die freie Wiedergabe von zusammenhängenden Stücken wird also der Schüler angebalten, den (iesammtinhalt fest ins Auge zu fassen und ihn nach seiner individuellen Auffassung vorzutragen; sein Verstand wird hiebei nicht weniger geübt und gebildet , als sein

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Gedächtniss , welches überhaupt and überall bei Erfassung neuer Gegenstände mitwirken muss.

Auch in Bezug auf die Beschreibung herrschen zwischen Herrn Koll. M. und mir die nämlichen grundverschiedenen Ansichten Auch hier scheint wir die als Resultat nach vielen Fragen erhaltene Beschreibung: „Auf der blumigen Wiese fliegen bunte Schmetterlinge umher" für einen Sextaner etwas gar zu mager. Beschreibungen von konkreten Gegenständen, die dem Gesichtskreise der Schüler entnommen sind, fallen diesen nach meinen Erfahrungen nicht schwer, und sie bearbeiten solche mit grossem Eifer. Man gebe ihnen nur die Anleitung, wie sie dieselben anfassen müssen, gebe ihnen dazu mehrere Muster- beispiele, und lege ihnen dann eine Reihe von Thematen vor, die in einem gewissen natürlichen Zusammenbange stehen, und man wird sehen, dass auch ein Sextaner eine ganz verständige Beschreibung zu liefern im Stande ist*).

Straubing. M Miller.

Schriftliche Uebuugen in der deutschen Grammatik für Sexta.

Das in Band XI. 6. Seite 224 gegebene Versprechen sei hiemit eingelöst.

Es müssen jedoch diesem Aufsatze etliche einleitende Bemerkungen vorausgeschickt werden, die einerseits den Nachweis für die Berechtigung nachfolgender Auseinandersetzungen liefern, andrerseits dazu dienen sollen, das Thema straffer zu definieren.

„In den Klassen der Lateinschule wird im Zusammenhange mit dem Unterrichte in der lateinischen Grammatik und mit steter Berück- sichtigung derselben ein grammatischer Unterricht erteilt." Also die neue Schulordnung (§. 9) über den Unterricht im Deutschen.

Es möchte fast scheinen, als ob hinsichtlich dieser gewiss treff- lichen Vorschrift noch keine rechte Klarheit herrschte. Soll man sie auf die deutschen Formen beziehen? Das hätte wirklich einige Misslichkeiten. Fürs erste wäre fast zu befürchten, dass damit, wenigstens in Sexta, dem deutschen Unterricht die Grenze etwas au eng gezogen ist. Man sähe sich nämlich fast notwendig auch im Deutschen gerade auf jene vcrhältnissmässig ziemlich wenigen Wörter

•) Ich habe hier bloss die Möglichkeit dieser Uebnngen für Sexta ins Auge gefaast; den Nutzen uud die Notwendigkeit derselben für die intellek- tuelle Entwicklung habe ich in meinen Vorschlägen bei der General- versammlung nachzuweisen gesucht.

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beschränkt, die im Lateinischen zugänglich sind, und doch sollte ein Sextaner am Ende des Schuljahres wissen, dass man z. B nicht Gespenste, 1 sondern Gespenster, nicht Traumgesichter, sondern Traumgesichte, nicht gehaut, sondern gehauen sagt. Ferner denke man daran, dass in der untersten Klasse der Lateinschule im Lateinischen nur ganz wenig Pronominalformen 10 Abs. I) genommen werden; kann die Mehr- zahl der Pronomina darum auch im Deutscheu unberücksichtigt bleiben? Es wird doch bei Verteilung des Lehrstoffes in §. 9 von der ersten Lateinklasse Unterscheidung der Redeteile verlangt; wofür soll aber ein Schüler die Wörter: deren, solch, jemand, etwas etc. erklären, wenn sie ihm nicht aus der deutschen Grammatik als Pronomina bekannt geworden sind? Mit deu Konjunktionen ist es in dieser Klasse ohnehin eine schwierige Sache Fürs zweite könnte der Unterricht kein systematisch - klarer, sondern nur ein zufälliger, verschwommener und ebendeshalb für die Schüler kein sonderlich gedeihlicher sein. Da bekäme man alle Formationen, starke und schwache, einfache und komplizierte, durcheinander, und die Schönheiten seiner Muttersprache, wie die Pluralendung er (Haupt, Häupter), der Ablaut der starken Verba (singen, sang, gesungen), der Wechsel von geschärfter Silbe zu gedehnter und umgekehrt (bitten, bat, gebeten; nehmen, genommen) u. s. w. könnten dem Schüler kaum eindringlich genug vorgeführt werden. Zudem wäre ihm damit doch wol zu viel zugemutet, die lateinische und die deutsche Form zugleich zu erlernen; und wo sollte der Lehrer zuvor anfassen, beim Lateinischen oder beim Deutschen, wenn etwa (wie dies ja auch vorkommen kann) ein Knabe cordia die Herze oder viro forto dem tapferem Manne dekliniert? Dass es aber nahezu unmöglich ist, deutsche und lateinische Formenlehre im Zusammenbange zu geben, das haben auch die Kollegen Brunner und Kraus jüngst in ihrem Elementarbuch des Deutsch - lateinischen Unter- richtes für Sexta bewiesen; wiewol innerlichst von der Vorteilhaftigkeit einer Verbindung der deutschen und lateinischen Grammatik überzeugt, waren sie doch gezwungen, bei jedem Abschnitt ihres Buches die Hegeln der deutschen Grammatik für sich abgeschlossen vorauszuschicken und erst darauf die Regeln der lateinischen Grammatik zu bauen. Es ist darum nicht plausibel, wenn es auch voi mancher Seite so auf- yefasst werden zu wollen scheint, dass der oberste Studienrat mit jener Verordnung den Unterricht in den deutschen Formen gemeint habe Sagt man dagegen, er habe damit zunächst die Erlernung und schärfere Unterscheidung grammatikalischer Begriffe und Verhält- nisse, wie Substantivum, Vcrhum, Numerus, Casus, Tempus, Subjekt, Objekt etc. im Auge gehabt, so wird das Jedermann einleuchten; ja derlei allerdings wird bei gleichzeitiger Betreibung des Lateinischen

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den Knaben leichter und schneller klar und geläufig, und damit ist auch schon sehr viel gewonnen.

Wenn man nun aber das bisher Entwickelte zugesteht und man wird nicht leicht anders können so ergibt sich für den Unterricht in der deutschen Sprache jener freiere Spielraum, der unbedingt nötig erscheint, und jenes höhere Ansehen, das unserer ehrwürdigen Mutter- sprache von jeher zukommt. Man wird in den deutschen Lehrstunden sich ausschliesslich mit dem Deutschen befassen und unsere Sprache selbständig erklären und einüben dürfen, eine Verbindung der deutschen und lateinischen Grammatik aber nur insoweit einhalten, dass man in beiden möglichst gleichzeitig gleiche Abschnitte bebandelt und von einer auf die andere vergleichend hinweist.

Wollte nun Jemand glauben, die deutsche Grammatik enthalte an und für sich keine bilduugselemente, oder es lasse sich der Unterricht in derselben nicht nach mehreren Richtungen hin gewinnreich machen, so wären das arge Täuschungen Wenn auch nicht so knapp wie das Lateinische, besitzt die deutsche Sprache noch immer Exaktheit genug, um die Aufmerksamkeit und Genauigkeit der Schüler herauszufordern. Wo ferner soll der Schüler richtig sprechen und schreiben lernen, wenn ihm nicht in erster Linie die Grammatik dazu verhilft? Obendrein lässt sich aber der Unterricht in diesem Gegenstande auch so einrichten, dass zugleich Verstand und Phantasie der Schüler angeregt, dass ihr Gesichtskreis erweitert, Klarheit über das bereits Erfasste verbreitet wird, kurz, dass sie richtige und reichliche Gedanken bekommen. Es liegt hier schon eine der wichtigsten Stufen des stilistischen Unter- richts, freilich eine niedrige Stufe, die von Seiten des Lehrers unendlich viel Geduld in Anspruch nimmt, aber für eine gründliche Durchbildung ebenso unentbehrlich wie vorteilhaft ist.

In der deutschen Elementarschule wird diesem Bedürfniss von jeher Rechnung getragen; ich selbst erinnere mich noch bestimmt dieser oder jener Uebung, die ich als Knabe von 8 10 Jahren mit- gemacht habe. Es liegen mir auch einige Bändchen eines Lehrmittels vor, das ich allen beteiligten Kollegen zur Einsicht empfehlen möchte; es enthält eine reiche Sammlung von Aufgaben, wie sie an deutschen Schulen im Gebrauche sind. Man wird in demselben mehrere der von mir in Folgendem aufgeführten Uebungen antreffen. Der Titel des Werkchens ist: Hilfsbüchlein zum Unterricht in der deutschen Sprache etc. von L. Hirschmann, Lehrer in Regensburg, 1., 2. und 3. Bändchen. Regensburg bei Büssenecker 1874, resp. 1875.

In der Lateinschule wird man Derartiges ebenfalls nicht umgehen können, vorab nicht in der neugeschaffenen Sexta. Denn die in diese Klasse eintretenden Knaben haben bei weitem noch nicht vollständige oder abgeschlossene Vorbildung gemessen können, ja wir werden

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vielleicht gut daran thun, -wenn wir bei ihnen nichts weiter voraus- setzen, als die technische Fertigkeit des Lesens und Schreibens, in allem andern aber mit den Anfangsgründen beginnen Desto tiefer und sicherer werden wir sie erfassen, desto gleichmässiger und geord- neter wird der Unterricht sein, ohne dass man sich jedoch bei dem gar zu Einfachen lange aufzuhalten brauchte. Was die Schüler vor ihrem Eintritt in die Lateinschule gelernt haben , das wird ihnen auch hiebei zu statten kommen, und die repetierten Kapitel treffen sie in der Lateinschule sebon mit wacherem Verstände und wegen des iiück- balts, den das Lateinische gewährt , unter gründlicherer Anleitung an.

So gehe ich denn über auf die angekündigten Uebungen; ich könnte nicht alle aufzählen; die meisten derselben werden meinen Kollegen bereits bekannt sein und es wird mancher im Feuer des Unterrichts selbst noch diese oder jene neu erfinden; mir gilt es hier nur, die Sache selbst ins Gedächtniss zu rufen.

Vor allem sei bemerkt, dass sich die orthographischen Uebungen zum Teil recht gut dazu einrichten lassen, die Schüler nebenher in der Formenlehre und im Gebrauche der Sprache , also orthographisch, grammatikalisch und lexikalisch zugleich zu üben. Hier kann man ihnen so manches in die Hände spielen , ohne dass man sie mit den einschlägigen dürren Regeln behelligen und ängstigen musB. Da ein Diktando nicht bloss diktiert, sondern nachträglich auch aufs genaueste buchstabiert werden muss, so wird das darin Enthaltene um so fester im Gedächtnisse haften bleiben. Man gebe also zur geeigneten Zeit als Diktaudo Sätze wie: Manche Bflchersammlung enthält vieltansend Bünde. An den einsamen Kreuzen des Friedhofes Hattern Bänder. An meine Eltern knüpfen mich die Bande der Liebe und Dankbarkeit. Einst trugen die Soldaten Schilde und zwar am linken Arme. Die Aushängsch i 1 d er sind meist mit gTellen Farben gemalt. Oder gelegentlich der Komparation: Dem braveren Knaben gebührt das grössere Lob. Die besten und frömmsten (frommsten) Menschen sind nicht immer die glücklichsten und frohesten. Oder gelegentlich der Koujugation, besonders der starken: Ich genese von einer schweren Krankheit. Der verwundete Reiter genas nur langsam. Sobald der Kranke genesen ist, wird er nach Italien reiseu, um sich vollständig zu erholen. Der Kranke genest. 0 dass ich doch bald genäse! Wenn du wahrend der Krankheit schädliche Speisen geniessest, genesest du nicht etc. So lässt sich fast die ganze Formenlehre an Beispielen vorführen , und man ist nicht leicht in Verlegenheit wegen eines passenden Stoffes zu einem Diktando.

Speziell aber empfehlen sich folgende Uebungen :

1) Gelegentlich der Lehre vom Hauptwort :

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a) Setzung des (bestimmten oder unbestimmten) Artikels vor einer Reihe von Substantiven. Am besten wird man hiezu Gruppen zusammen gehöriger Begriffe, Aufzählungen aus ver- schiedenen Gebieten, z. B. den Naturwissenschaften, verweuden, z. B. Folgende Teile des menschlichen Leibes sind mit dem «Artikel zu versehen: Kopf, Rumpf, Gliedmassen; Scheitel, Haar, Stirn, Schläfe, Auge, Augapfel, Pupille, Braue, Lid, Wimper, Wange, Ohr, Nase, Lippe, Bart, Kiefer, Zahn, Zunge, Gaumen etc. So kann man nehmen die Haustiere, Raubvögel, Blumen etc. Dass derartige Uebungen durchaus nicht überflüssig sind , wird man gar bald merken, zugleich aber Anlass nehmen, den Schülern diesen und jenen Begriff zu erklären.

b) Stellung einer solchen Reihe vom Singular in den Plural oder vom Nominativ in irgend einen anderen Kasus, z.B.: Folgende Obstarten sind in den Nom. Plur. zu stellen : Birne, Apfel, Pflaume, Zwetschge, Pfirsich, Kirsche, Walnuss, Dattel, Feige etc

c) Aufzählung einer solchen Reihe von Substantiven im Nom. Sing, mit dem Artikel, z. B : Nenne die verschiedenen Hausgeräte im Nom. Sing, mit dem besttimmten Artikel.

d) Einsetzung passender Subjekte oder Objekte. Hier wird man sein Augenmerk auf gewisse stehende Begriffsverbindungen richten, z. B. was klingt? (die Glocke), klappert? (die Mühle), kracht, rollt? Was glänzt, funkelt, leuchtet, blitzt, schimmert? Welche Tiere wiehern, blöken, meckern, brüllen, knurren, bellen, heulen, fauchen, krähen, krächzen, trillern, zwitschern, quaken, zischen, summen, zirpen? - Oder: der Hund jagt—? (den Hasen); Knaben lieben ? (die Spiele, Bücher etc.); das Kind gehorcht ? (dem Vater, Lehrer, den Eltern etc.) u. s. w.

e) Bildung von Sätzen, die ein Substantiv der Reihe nach in je einem Kasus des Singulars und Plurals enthalten, z. B.

Nom. Das Pferd zieht den Wagen.

Gen. Die Hufe des Pferdes beschlägt man mit Eisen etc.

2) Gelegentlich der Lehre vom Eigenschaftswort:

a) Setzung passender Epitheta, z. B. die Knaben lieben den Honig; der Jäger erlegt das Reh; die Kälte schadet dem Knaben.

b) Bildung von Sätzen, wie bei 1 e,

z. B. Nom. Das starke Pferd zieht den Wagen. Gen. Die Hufe des starken Pferdes etc.

c) Vergleichungen, z.B. Eisen, Holz, schwer == Eisen ist schwerer als Holz; Pferd, Elefant, Walfisch, gross das Pferd ist gross, der Elefant ist grösser, der Walfisch ist am grössten. Man kann

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die Glieder auch durch die Schüler erst ordnen lassen, z. B. Pfeil, Schwalbe, Blitz, rasch.

3) Gelegentlich der Lehre vom Fürwort:

a) Beugung bestimmter Ausdrücke, wie: mein, treu, Freund; unser, gut, König; euer, edel, Fürst; dieser, schuldlos, Mann; mancher, brav, Soldat; manch, brav, Soldat; solch, schön, Wort etc.

b) Beobachtung und Unterscheidung der Formen: dessen, deren, denen an diktierten Sätzen, in welchen sie entweder als Demon- strativa oder als Relativa fungieren. v

c) Setzung passender Pronomina au Stelle angegebener Substan- tiva, wie in folgender Uebung: Gross ist der Nutzen des Feuers, wenn der Mensch das Feuer gehörig besucht; mit des Feuers Hilfe nämlich heizen wir unsere Wohuungcn in kalter Winterszeit; durch das Feuer werden uns viele Speisen erst geniessbar; von dem Feuer weich gemacht lassen sich die Metalle brauchbare Form geben. Aber wir dürfen dem Feuer auch nicht zu sehr trauen; wehe, wenn das Feuer ausbricht; Haus und nütte wird dann des Feuers Beute.

d) Einsetzung ausgelassener Pronomina, jedoch mit Angabe der Gattung derselben, z. B. ein Knabe, {relat.) (reflex.) unvor- sichtig in eine tiefe Grube hinabbegeben hatte und nicht mehr herauskommen konnte, tröstete (reflex.) mit den Worten: „— (indefin.) muss (reflex.) nur zu helfen wissen; da laufe (person.) in die nächste Scheune und hole (person.) eine Leiter; auf (demonstr.) steige (person.) hinauf und gehe zu (possess) Kitern nachhause."

4) Gelegentlich der Lehre vom Zeitwort:

a) Umstellung vou Sätzen vom Aktiv ins Passiv und umgekehrt; hier muss man jedoch eine sorgfaltige Auswahl treffen; es wäre gefehlt, den nächsten besten Abschnitt, der gar nicht dazu ein- gerichtet ist, für eine derartige Aufgabe zu bestimmen.

b) Verwandlung von Ausdrücken, die im Infinit, angegeben sind, in irgend eine beliebige Form des Verbi tiniti, z. B.: Bilde 11 Sing. Imperf Ind. Akt. von den Ausdrücken: sich einen Freund erwerben, seinen Plan ändern etc.

c) Herstellung von Participien aus kurzen Sätzen, z. B. Benütze die Zeit, da sie schnell entflieht Benütze die schnell entfliehende Zeit; die Feinde flohen, als sie besiegt worden waren = die besiegten Feinde flohen.

d) Uebung in stehenden BegiitVsverbindungen , wie unter Id an- gegeben, z. B. der Bach -? (plätschert); der Strom ? (rauscht); das Feuer ? (prasselt) etc.

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e) Aufzählung von Tbätigkeiten in verschiedenen Temporibus und Modis, z B. der Landniann ? (pflügt, sät, eggt, mäht, heimst ein oder erntet, drischt etc ) oder im Imperfekt, der Land- niann pflügte, säte etc. - Dies dürfte sich, wie 1c und d und 2a vorzüglich als eine Vorschule der Heuristik empfehlen. f>j Gelegentlich der Lehre vom Vor- oder Fügewort:

a) Einrichtung aufgelöster Konstruktion, z. B. wegen (das schlechte Wetter) blieb ich zu Hause; aber trotz - (diese Vorsicht) wurde ich von (ein heftiges Fieber) ergriffen.

b) Einsetzung von passenden Objekten nach Präpositionen, z. B. nächst verdanken die Knaben dem Lehrer am meisten; nach ist die Luft rein.

(i) Gelegentlich der Lehre vom Bindewort (welches übrigens in Sexta kaum eine gründliche Behandlung erfahren kann): Einsetzung passender Konjunktionen und zwar

a) koordinierender, z. B die Sonne leuchtet - erwärmt; Gott lebt ewig, die Menschen müssen sterben; die Diamanten sind sehr wertvoll, sie funkeln sehr schön.

b) subordinierender, z. B. der Lehrer lobt dich, du fleissig warst; die Eltern liebeu dich, du nicht fleissig gewesen bist; der Thor spricht schon, er gedacht hat; aber es reut ihn kurz darauf, er gesprochen hat.

Von dieser Art sind die Exercitien, die ich im Sinne hatte, und ich glaube nicht, dass meine Kollegen dieselben für unnütz oder überflüssig halten, im Gegenteil, ich bin der festen Ueberzeugung, dass sie ebenso wie ich die dringende Indikation derselben erkennen werden. Wir dürfen einerseits nicht übersehen, die Schüler an richtige Form zu gewöhnen, andrerseits aber auch ihr Hegriffs- und Denkvermögen nicht verkümmern lassen. Dieser Rolle wird weder durch das Lese- buch allein, noch durch die Schülerbibliothek, sei beides so vorzüglich wie es wolle, vollständig genügt Wir Lehrer müssen in der Schule im lebendigen Vortrage darauf hinarbeiten ; da wird es zwecken und flecken; wir müssen den Schülern spenden und zwar so reichlich spenden, als wir haben und als sie ertragen können.

Was ich auseinandergesetzt habe, bezieht sich erklärtermassen nur auf Sexta. Vielleicht bietet sich mir einmal Gelegenheit, die Aufgaben höherer Klassen in diesem Gegenstande einer Betrachtung zu unter- ziehen, oder es geschieht durch einen meiner Kollegen. Dass noch manches zu erwähnen ist zu einer Verbesserung der Methode, darüber herrscht kein Zweifel; denn es sind zwei alto Klagen, die schwer in die Wagschale fallen, dass nämlich Gymnasialschüler nicht selten erstens gedankenarm, und zweitens dass sie arm an Worten sind.

München. Ludwig Mayer.

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Stilistische Aphorismen.

HL üeber daa Princip der Stillehre und die Stilgesetze.

Kragen wir, wodurch der gegenwärtige Marasmus der Stilistik her- beigeführt worden sein mag, so ist die Antwort vor Allem in dem Umstand zu suchen, dass man bei der Aufsuchuug der Stilregeln nicht vom Stilisten, sondern vom Stil werk ausging. Nach dem Zustand, in welchem wir die Stilistik heutzutage und in welchem wir die Rhetorik bei den Alten vorfinden , muss derjenige, der zuerst über rhetorische und stilistische Probleme nachdachte, vom Stilwerk aus- gegangen sein. Ohne Princip suchte und fand er Regeln, wie sie ihm der Zufall bot, und so ward der Empirismus mit der Rhetorik geboren. Die nachfolgenden Theoretiker schritten auf dem eingeschlagenen Wege weiter, ohne dass es ihnen einfallen mochte, Ober die Richtigkeit des Ausgangspunktes Untersuchungen anzustellen. Damit war denn auch der Dogmatismus in der Stilistik installirt. Die Regeln häuften sich, und je mehr sie sich häuften , um so weniger war mehr daran zu denken, das, was der Erste versäumt hatte, nachzuholen, nämlich sie unter einen Hut zu bringen. Denn mit der bunten Menge der Regeln wuchs auch die Schwierigkeit, ihre Mannigfaltigkeit auf ein Princip zurückzuführen. Und so musste der Empirismus selbst den Dogmatis- mus in der Stilistik grossziehen. Wo aber in einer Theorie Empirismus und Dogmatismus sich die Hand reichen, da kann auch die Stagnation nicht ausbleiben. Somit erklären sich also alle Krankheitserscheinungen der Stilistik auB dem Ausgangspunkt, den sie genommen, und aus dem- selben Grund war ihr auch von Anfang an die Möglichkeit, eine Wissen- schaft zu werden, abgeschnitten (cf. Cicero de oratore I, 23 und 24 und II, 8). Gleichwol dürfen wir nicht Ubersehen , dass auch andere Um- stände dazu beitrugen, jene angebornen Krankheiten der Stillehre zu chronischen Leiden zu machen Doch wollen wir hier nur einen Punkt näher bezeichnen.

Es war nämlich gewiss ein eigentümliches Verbängniss, dass die Stillehre nicht das Glück hatte, wie andere Wissenschaften z. B. die Aesthetik von der neueren Philosophie bearbeitet und weitergebildet zu werden Nachdem im Altertum noch ein wirklicher Co'itakt zwischen beiden Disciplinen bestand, hatte auch noch im Mittelalter die Rhetorik teilweise mit der Scholastik Fühlung, ohne indessen we:entliche Fort- schritte zu machen. Als aber im 18 Jahrhundert allmählich das ent- stand , was wir jetzt Stilistik oder Stillehre nennen, bat sich weder einer der grossen Philosophen jener Zeit mit ihr weiter beschäftigt, noch ward sie sonstwie in irgend einen engeren Zusammenhang mit der modernen Philosophie gebracht. Denn die wenigen Versuche, die Wolffische, Kantische und Hegeliscbe Philosophie auf die Stilistik resp.

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Rhetorik anzuwenden, bleiben ausser Ansatz , da sie auf die Gestaltung der Stilistik keinen nachhaltigen Einfluss hatten. Selbst Rinne's neuester Versuch, die Hegelische Philosophie in die Stilistik einzuführen seine Compositionslehre ist ja schliesslich doch nichts anderes als eine Uebertragung der Hegel'schen Philosophie auf die Stilistik hatte bisher keinen irgendwie durchschlagenden »folg, sondern die Stilistik beharrte vielmehr in ihrer Stagnation. So hat denn die alte und neue Theorie noch immer eine frappante Aehnlichkeit und die Rhetorik ad Herennium sieht ganz modern aus und heimelt uns an.

Es ist überhaupt merkwürdig, wie sich die Stilistik bisher gegen alle verjüngenden Einwirkungen abschliessen konnte. Denn so wenig als die Entwicklung der modernen Philosphie, so wenig vermochte auch der grossartige Aufschwung der Aesthetik in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auf die Stilistik einen bleibenden Eindruck zu machen. So hat dieselbe z B aus Lessings Laokoon weiter nichts gelernt als eine behagliche Empfehlung der Art und Weise, wie Homer den Schild des Achilles beschreibt Es war und blieb daher die Stilistik teils naturnotwendig, in Folge ihres Ausgangspunktes, teils durch ihre Isolirung im geschichtlichen Entwicklungsgang der Wissen- schaften eine unwissenschaftliche Doktrin

In dieser Erkeuntniss suchten wir von einem andern Standpunkt aus zu einem Princip der Stilistik und zu Stilgesetzen zu kommen. Eine stilistische Darstellung lässt sich nämlich nicht blos als etwas Fertiges, auf einmal Gegebenes betrachten, sondern ebenso auch als etwas durch den Stilisten successive Hervorgebrachtes und erscheint dann als eine Entwicklung. Denn nicht von ihrem Anfang an ist sie das, als was sie schliesslich erscheint, sondern als einfacher Gedanke wird das Stilwerk im Geiste des Stilisten geboren, und spricht er diesen Gedanken aus, so bat er ein Thema gesetzt, das ihn nun zur Ausführung drängt. Aber jener Gedanke entstand in y seinem Kopfe nicht ohne irgend eine Veranlassung; denn auch im Geist des Menschen kann nichts erzeugt werden ohne Veranlassung, wenn wir uns auch derselben nicht immer bewusst werden. Diese selbst aber lag wieder iu inneren oder äusseren gegebenen Verhält- nissen, in der Situation, in der sich der Stilist befand, in der eigen- artigen Lage der Dinge, in der Gemütsstimmung, in die er durch irgend etwas versetzt wurde u. s. w. Und so durchlief also der werdende Aufsatz schon eine Reihe von Entwicklungsphasen, ehe er als Thema geboren wurde. Und wie oft erzählt uns nicht der Schriftsteller selbst die ganze subjektive Entstehungsgeschichte seiner Darstellung I Wir verweisen nur auf die Einleitung zu Cicero's Topik . zu Lessings Laokoon, Hamburger Dramaturgie u. a. w. ; auf das Vorwort zu Göthes Wahrheit und Dichtung; auf die Vorrede zu Schillers Abfall der

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III.

Stilistische Aphorismen.

Ueber das Priacip der Stillehre und die Stilgesetze.

Fragen wir, wodurch der gegenwärtige Marasmus der Stilistik her- beigeführt worden sein mag, so ist die Antwort vor Allem in dem Umstand zu suchen, dass man bei der Aufsuchung der Stilregeln nicht vom Stilisten, sondern vom Stil werk ausging. Nach dem Zustand, in welchem wir die Stilistik heutzutage und in welchem wir die Rhetorik bei den Alten vorfinden, muss derjenige, der zuerst über rhetorische und stilistische Probleme nachdachte, vom Stilwerk aus- gegangen sein Ohne Princip suchte und fand er Regeln, wie sie ihm der Zufall bot, und so ward der Empirismus mit der Rhetorik geboren. Die nachfolgenden Theoretiker schritten auf dem eingeschlagenen Wege weiter, ohne dass es ihnen einfallen mochte, Ober die Richtigkeit des Ausgangspunktes Untersuchungen anzustellen. Damit war denn auch der Dogmatismus in der Stilistik installirt Die Regeln häuften sich, und je mehr sie sich häuften , um so weniger war mehr daran zu denken, das, was der Erste versäumt hatte, nachzuholen, nämlich sie unter einen Hut zu bringen. Denn mit der bunten Menge der Regeln wuchs auch die Schwierigkeit, ibre Mannigfaltigkeit auf ein Princip zurückzuführen. Und so musste der Kmpirismus selbst den Dogmatis- mus in der Stilistik groBsziehen Wo aber in einer Theorie Empirismus und Dogmatismus sich die Hand reichen, da kann auch die Stagnation nicht ausbleiben Somit erklären sich also alle Krankheitserscheinungen der Stilistik aus dem Ausgangspunkt, den sie genommen, und aus dem- selben Grund war ihr auch von Anfang an die Möglichkeit, eine Wissen- schaft zu werden, abgeschnitten (cf. Cicero de oratore I, 23 und 24 und II, 8). Gleichwol dürfen wir nicht übersehen, dass auch audere Um- stände dazu beitrugen, jene angebornen Krankheiten der Stillebre zu chronischen Leiden zu machen Doch wollen wir hier nur einen Punkt näher bezeichnen.

Es war nämlich gewiss ein eigentümliches Verhängni s, dass die Stillehre nicht das Glück hatte, wie andere Wissenschaften z B. die Aesthetik von der neueren Philosophie bearbeitet und weitergebi zu werden Nachdem im Altertum noch eiu wirklicher Contakt z> beiden Disciplineu bestand, hotte auch noch i tu Mittelalter die Rhetorik teilweise mit der Scholastik Fühlung, ohne indessen w . entliehe Fort schritte zu machen Als aber im 1 stand, was wir jetzt Stilistik oder einer der grossen Philosophen noch ward sie sonstwie i der modernen Philosoph Wolffiache, Kantische

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Niederlande etc. ; auf die Einleitungen zu den Geschieh tswerken des Sallust; auf die Vorrede zur Geschichte der Franken von Gregor von Tours, zu Otto's von Freising gesta Friderici u. 8. f.

Wie aber schon die Aufstellung des Themas eine Genesis hat und das Resultat einer Entwicklung ist, so ist auch die ganze nun folgende Ausfahrung des Thomas nichts anderes als eine Entwick- lung. Durch die Aufstellung des Thomas hat sich der Stilist näm- lich einen Zweck gesetzt, den er jetzt allmählich verwirklichen will und der ihn beständig vorwärts treibt, bis das Thema vollständig durchgeführt ist (— die bewegende Ursache in der Entwicklung!). In steter Folge entwickelt er nun Gedanken für Gedanken , von denen jeder nachfolgende auf dem vorhergehenden basirt und aus ihm gleich- sam organisch herauswächst, und so eilt der Stilist dem Ende, der vollständigen Verwirklichung des Themas , zu (semper ad eventum festinat) und ruht nicht eher, als bis das Ziel erreicht, bis das Thema, da es nun vollständig durchgeführt ist, aufhört, ihn zu weiterer Gedankenentfaltung zu treiben. So wird dann seine Darstellung zu einem ei nheitlich en, in sieb abgeschlossenen Ganzen, das einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende hat; sie wird zu einem Ganzen, das in successiver, logisch sich aufbauender Entfaltung einen Zweck allmählich realisirt. Eine solche zweckmässige Bewegung aber nennen wir Entwicklung; denn Ent- wicklung ist nichts anderes als die allmähliche, stetig fortschreitende Verwirklichung eines gesetzten Zweckes. Also ist der Aufsatz oder die stilistische Darstellung eine Entwicklung.

Dann sind aber auch die Gesetze der Entwicklung Stil - gc setze. Dann ist die Stilistik einer systematischen Ausbildung fähig; denn die Entwicklungs - und hiemit auch die Stilgesetze lassen sich aus dem Begriff der Entwicklung mit apodiktischer Gewissheit deduciren und hiemit träte die Stilistik in die Reihe der wirklichen Wissenschaften ein.

Damit haben wir unsere principielle Anschauung über das Stilwerk und die Stilgesetze ausgesprochen. Wir behaupten :

Das Stilwerk ist nichts anderes, als ein einheitlich in sich abgeschlossenes logisch-rhetorisch »ästhetisches Ganzes, hervorgebracht durch Auseinandersetzung des Themas nach den Gesetzen der Entwicklung. Folglich sind die stilistischen Compositionsgcsetzc nichts anderes, als die Gesetze der Entwicklung übersetzt in die Sprache der Stilistik und lassen sich aus jenem Princip systematisch deduciren.

Damit man indessen unsre Anschauung nicht mit der Rinne's verwechsle über Rinne soll ein andermal ausführlich gesprochen werden sei bemerkt, dass hier unter „Entwicklung" nicht das

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Abstractum vom reflexiven Verb um „sich entwickeln" zu verstehen sei, dass wir also nicht wie Rinne an eine „Selbstentfaltung4« oder „eigne Dialektik des Gegenstandes" denken, sondern dieser Begriff ist uns das Abstraktum des objektiven Verbums „etwas entwickeln" und das Objekt zu diesem Verbum ist das Thema.

Unsere Grundanschauung ist nun zunächst Compositionsprincip, d. h. das Princip, aus dem sich durch Deduktion die stilistischen Compositionsgesetze ergeben. Es ist aber zugleich mehr als blos Compositionsprincip. Denn würden wir hier die einzelnen Gesetze aus jenem Grundsatz entwickeln, so würde sieb zeigen, dass sie auch auf die rhetorisch -darstellende und die ästhetische Seite des Aufsatzes den weitgehendsten Einfluss ausüben. Der Ausdruck wird sich z. B. an den Fortgang, die Hebung und Senkung des Gedankenganges anschliessen müssen, er wird steigen und sinken, wie es der Gedanken- gang verlangt So wird es dann z. B. klar, warum gegen das Ende eines Aufsatzes die folgernden Conjunktionen auftauchen und auftauchen müssen, da ja nun die Resultate der ablaufenden oder abgelaufenen Entwicklung gezogen werden. Ebenso werden wir erkennen, dass ein Aufsatz um so schöner sein wird, je mehr er die Idee einer Entwicklung verwirklicht; denn er hat alsdann alle Merkmale des Schönen, wie Einheit in der Manichfaltigkeit, symmetrischen Bau, Harmonie der Teile u s. w. Und so ist " obiges Princip nicht blos Princip der Compositionslehre, sondern der Stilistik überhaupt

Unser Princip ist zwar schon an sich klar, aber es stützt sich zugleich auch auf die gewichtigsten Autoritäten.

Hören wir nur wie Aristoteles, dieser grösste Denker des Altertums, in seiner Poetik über die Compositionsgesetze des Epos und des Dramas spricht. Cap. 23 sagt er : „Bei der metrischen Nach- bildung in erzählender Form aber ist klar, dass man die Fabel wie in der Tragödie auf eine Handlung gründen müsse und zwar auf eine einheitliche, ein Ganzes bildende und in sich abgeschlossene Handlung, die Anfang, Mitte und Ende hat (xai neQ* piav ixqa^iv oXqv xai leXcicty %xovaav "QX*lv *"* ^°ov *"* rrfAoc) damit sie gleich einem einheitlichen und vollständigen Orga- nismus (iV üansQ StSor iy oXov) die ihrem Wesen entsprechende Lust bereite".

Zwar gilt dies zunächst nur vom Epos und dem Drama; allein diese Anschauung lässt sich ja ohne Zwang auch auf alle übrigen Stilgattungen, seien es nun poetische oder prosaische dieser Unter- schied kann für eine wirkliche Stillehre nicht existiren geltend machen. Wenn nun aber Aristoteles hier von einem einheitlichen, in sich abgeschlossenen Ganzen spricht, das Anfang, Mitte und Ende hat, wenn er dies ferner mit einem einheitlichen und vollständigen

Blätter f. d. bayar. ("Jynin.- u. Real - Schul w. IX. Jahrg. 23

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Organismus vergleicht, so ist in diesen Worten eigentlich bereits unser Princip ausgesprochen.

Noch evidenter wird dies, wenn wir eine Stelle aus dem 7. Cap. desselben Werkes citiren. Daselbst heisst es:

„Ein Ganzes ist das, was Anfang, Mitte und Ende hat. Anfang ist dasjenige, was selbst nicht mit Notwendigkeit auf ein Anderes folgt, wogegen nach ihm naturgemäss ein Anderes ist oder wird; Ende ist im Gegenteil das, was selbst naturgemäss nach einem Andern folgt , sei es mit Notwendigkeit oder blos in der Regel, wogegen nichts Anderes nach ihm folgt; ein Mittleres ist das, was selbst nach einem Andern und nach welchem ein Anderes folgt. Demnach müssen B'abeln, um gut componirt zu sein, nicht anfangen und aufhören, wo sich's eben trifft, sondern den aufgestellten Normen entsprech en".

So liegen also schon in Aristoteles die Keime zur Entwicklungs- theorie und unverkennbar hat diese angeführte Stelle auch einen gewissen Einfluss auf Rinne gehabt; nur ist bei Kinne aus dem „wone? O'joi'" thatsäcblich das C<«o»' geworden , d. h. Rinne betrachtet den Aufsatz als einen wirklichen Organismus, ein Schritt der für seine Theorie verhängnissvoll werden musste. Doch wir gehen weiter.

Wir finden einen weiteren Nachweis für die Richtigkeit unserer Aufstellung, wenn wir die Eigenart des stilistischen Dar- stellungsmittels in Betracht ziehen. Dieses selbst zwingt den Stilisten, seinen Aufsatz successive, als eine Entwicklung zu entfalten. Stilistisches Darstellungsmittel ist nämlich die Sprache. Jede sprach- liche Mitteilung ist aber ihrer Natur nach an ein zeitliches Nach- einander gebunden; nur successive kann ich dem Leser durch Worte das mitteilen, was ich ihm sagen will. Also muss der Aufsatz schon wegen des Darstellungsmittels ein zeitliches Nacheinander, succes- sive Darstellung sein. Dieses Nacheinander ist nun aber kein zufälliges und planloses, sondern ich verfolge hiebei einen ganz bestimmten Zweck, einen Zweck, der eben durch die successive Mit- teilung realisirt werden soll; eine Bewegung aber, die in zusammen- hängender Folge allmählich einen bestimmten Zweck realisirt, heisst Entwicklung: also ist der Aufsatz auch von dieser Seite betrachtet eine Entwicklung.

Sehr schätzenswerte Winke hat dem Stilisten in dieser Beziehung Lessing in seinem Laokoon gegeben. In diesem berühmten Werk folgert Lessing aus der Verschiedenheit der „Nachahmuugs-" d h. der Darstellungsmittel der Malerei und Poesie und aus dem Umstand, dass „artikulirte Töne das Darstellungsmittel der Poesie" seien: die Poesie könne nur Gegenstände darstellen, „die aufeinander, und deren Teile aufeinander folgen", sie könne daher nur Handlungen darstellen, und

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„das Gebiet des Dichters" sei hiemit die ,, Zeitfolge, sowie der Raum das des Malers". Zwar spricht Lessing der Sprache an sich die Fähigkeit nicht ab, auch Gegenstände des Raumes durch Aufzählung ihrer Merkmale darstellen zu können, erhebt aber dagegen vom Stand- punkt der Poesie aus gewichtige Bedenken und verweist die Schilderungs- sucht und Naturraalerei aus der Poesie. Hat er damit vielleicht auch über die Beschreibung, so wie sie in der bisherigen Stilistik docirt wird, den Stab gebrochen??

Beachtenswert ist hier auch eine Stelle aus Schillers Abhandlung uher Matthissons Gedichte, in welcher es heisst, der Dichter könne den Eindruck des Ganzen . . . „doch nicht anders als succesBive in der Einbildungskraft des Lesers zusammensetzen"; er werde sich also, „wenn er seinen Vorteil verstehe , immer an denjenigen Teil seines Gegenstandes halten, der einer genetischen Entwicklung fähig ist".

Damit haben wir denn schon zu einem weiteren Punkt ubergelenkt, der gleichfalls ven grösster Wichtigkeit für unsere principielle An- schauung ist, nämlich auf die Stellung des Lesers zum Stii- werk. Da der Stilist für den Leser schreibt, so ist auch dieser einer jener Faktoren, die auf die Gestaltung des Aufsatzes Einfluss haben müssen. Welche Anforderungen stellt nun der Leser an ein Stilwerk, das ihn befriedigen und seinen Beifall finden soll?

Für den Leser ist das fertige Stilwerk ein auf einmal gegebenes Ganzes. Allein er kann es ebenso wie ein Musikstück nur succes- sive in sich aufnehmen Deshalb verlangt er unwillkührlich und instinktmässig vom Stilisten, dass dieser ihm das, was er ihm sagen will, in wolgeordueter und gegliederter Weise Schritt für Schritt entwickle; dass er nicht das Spätere vor dem Früheren briuge, sondern ihn allmählich mit dem Thema bekannt mache, dasselbe dann Punkt für Punkt, Gedanke für Gedanke in gleichsam organischer Entwicklung durchführe und endlich am Schluss in ihm den Eindruck erzeuge, dass die Darstellung nun zu Ende sei und er nichts weiter mehr über den Gegenstand zu sagen habe. Sobald sich eine Darstellung nicht in dieser Weise , also nicht wie eine Entwicklung entfaltet, entgeht dem Leser der innere Zusammenhang der aufeinanderfolgenden Teile, er fühlt sich in seinen Erwartungen getäuscht und ist unbefriedigt. Daher verlangt er instinktiv z. B. dass jede Darstellung einen gewissen Anfang habe. Treffend sagt hierüber Rudolph (Handbuch für den Unterricht in den deutschen Stilübungen): „Schon in dem Verkehr des gewöhnlichen Lebens pflegen wir kein Gespräch, keine Mitteilung ohne alles Weitere zu beginnen, sondern in einigen einleitenden Worten vorauszuschicken, was uns zum Sprechen veranlasst. Nur von

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ungeschickten und plumpen Naturen ist man gewöhnt, dass sie mit der Thüre in's Hau9 fallen". So hat auch jüngst erst'Dr. K. Göbel in seinen „Themata, Inventionen und Dispositionen" betont: „Es verlangt der menschliche Geist wegen des Gesetzes der Continuität, dass er nicht plötzlich vor eine Frage hingestellt, sondern durch einen natür- lichen Fortschritt seiner Gedanken zu ihr hingeleitet werde. Das Thema muss also motivirt werden". Und wie man instinktiv verlangt, dass jede Darstellung einen Anfang habe, so verlangt man auch, dass sie einen gewissen Abschluss habe. Fehlt in einer Darstellung der AbschluBS, so sagt man schon im gewöhnlichen Leben: „Die Geschichte geht aus wie das Hornberger Schiessen'1. Bemerkenswert ist hiezu auch eine Stelle in Cicero's de invent. I, 52, wo unter den Ratschlägen über das Ende der Rede sich auch folgende Bemerkung findet: tum ab iis, qui audiunty quaerere, quid sit, quod tibi velle debeatU demonstrari, Jwc modo: Illud doeuimutt , illud planum feeimus Ita simul et in tne- moriam redibit auditor et putabit nihil esse praetereaf quod debeat desiderare.

Kehren wir jetzt wieder zu dem fertigen Stilwerk zurück und vergleichen wir die Compositionsregeln , welche die bisherige Stilistik ohne Plan zusammengestellt hat, und deren gemeinsame Quelle bisher nicht zu finden war, mit den Entwicklungsgesetzen, so werden wir unser Princip abermals bestätigt finden Es wird sich nämlich zeigen, dass die bisher allgemein gangbaren Com- positionsregeln nichts anderes als Entwicklungsgesetze sind, oder sich auf solche zurückführen lassen, und dass mithin unsere Grundanschauung das einheitliche Princip der Stil- lehre sein muss So ist z. B. die bekannte Forderung, dass jeder Aufsatz eine Einleitung, eine Durchführung und einen Schluss haben soll, nichts anderes als das Entwicklungsgesetz: Jede Entwicklung muss eiuen Anfang, einen Verlauf und ein Ende haben. Die bisherige Stilregcl , der Aufsatz dürfe keine Lücken , keine Wiederholungen, keine Abschweifungen u. s. w. haben, sondern soll stetig zum Ende fortschreiten ist nichts anderes als das Entwicklungsgesetz: Der Verlauf jeder Entwicklung ist eine stetige Annäherung an das zu erreichende Ziel. Wenn man ferner darauf hält, die Ausführung oder Auseinandersetzung, d. i. den zweiten Hauptteil des gesammten Auf- satzes, dreiteilig zu gestalten, so beruht dies wieder nur auf einem Entwicklungsgesetz, welches lautet: Die Gesetze der Entwicklung gelten ebenso für jeden Teil, wie für die ganze Entwicklung Ein weiteres Entwicklungsgesetz lautet: Jede Entwicklung muss einheitlich sein; das entsprechende Stilgesetz : Jeder Aufsatz muss einheitlich sein ! u. s. w. u. s. w.

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So hätten wir denn bewiesen, dass jede stilistische Darstellung als ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Ganzes zu denken ist, hervorgebracht durch Auseinandersetzung des Themas nach den Gesetzen der Entwicklung, und dass mithin Stilgesetze und Entwicklungsgesetze eins und dasselbe sind. Wir haben damit für die Stilistik eine wissenschaftliche Basis gewonnen , die nur dann wieder aufgegeben werden müsste, wenn es gelänge, unser Priucip und die Folgerungen, die sich an dasselbe knüpfen, zu widerlegen. Dies dürfte indessen nicht ganz leicht sein, umsomehr da unser Priucip durch Hinweis auf die Praxis der besten Dichter und Schriftsteller aller Zeit belegt werden kann. Sollte indessen gleichwol Jemand glauben, dasselbe hinfällig machen zu können , so möge er mit seiner Ansicht nicht zurückhalten. Denn der Zweck unserer Aphorismen ist vor allem der, die Stilfrage, die nur allzulang schon geschlummert hat, in Fluss zu bringen.

Kaiserslautern. M. Schiessl und W. Götz.

Berichtigung zur Aussprache von sp und st.

Bei der Leetüre „über die Aussprache des anlautenden sp und st in den Schulen pag. 266 war ich einigermassen über die Interpretation einer Stelle in meinem Aufsatze über „die schlechte Aussprache des Deutschen etc." erstaunt. Man wird es mir wol nicht übel nehmen, wenn ich in kurzen Worten die nicht richtige Auffassung des Herrn Falch abwehre.

„Ist es für einen Süddeutschen lächerlich, Stock und Stein statt Schtock und Schtein zu sprechen, so ist es verwerflich, eine Lächer- lichkeit in die Schule einführen zu wollen. Darüber wird sich kein Streit erheben. Herr Dr. D res er meint zwar, sp und st statt schp und seht zu sprechen wäre das richtige, denn (siel) er schreibt: ,So wird der Süddeutsche oft den Norddeutschen der Ziererei schuldigen, der st, sp etc. am Anfange eines Wortes nicht wie seht, schp ausspricht'. So ist es nicht. Kein Süddeutscher hält den Norddeutschen, der st und sp für seht und schp spricht, für affektirt".

Dass ich dafürhalte, die Aussprache st und sp sei die richtige, trifft durchaus nicht zu; es ist weder in Worten ausgedrückt, noch zwischen den Zeilen zu lesen. Es wird kaum jemand im Stande sein, in meinen Worten irgend welche Meinung vertreten zu finden; ich habe ganz einfach eine von mir selbst erlebte Thatsache angeführt, die sich an die Worte anschliesst: „Viele Leute sind geneigt, eine gute, reine Aussprache geradezu für affektirt zu halten".

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Freilich muss es dem Leser unbenommen bleiben, diese Tbatsache zu glauben oder nicht; so lange er jedoch nicht das Gegenteil davon beweisen kann, so ist es zum wenigsten sehr unpraktisch gleich Herrn Falch zu erwiedern: „So ist es nicht. Kein Süddeutscher hält den Norddeutschen, der st und sp für seht und schp spricht, für affektiert . . .'*. Ich erlaube mir ganz einfach die Frage aufzuwerfen, ob alle Süddeutschen, natürlich nur die gebildeten, die von H. Falch aufgestellte Ansicht haben. Ganz gewiss nicht.

Dagegen wäre es für mich ein leichtes, den Namen manches Süd- deutschen anzuführen, der die von mir gebrachte Aeusserung gethan, das würde jedoch als eine etwas sonderbare , kindliche Art der Recht- fertigung erscheinen

Wenn sich der Leser die Mühe nehmen will, die letzten 14 Zeilen S. 60 noch einmal durchzulesen, so wird er ganz gewiss zu der Ueber- zeugung gelangen, dass icb der Aussprache des st und sp, wie es teilweise im Norden Deutschlands gesprochen wird, nicht das Wort geredet habe. Wol habe ich die Frage aufgeworfen, welches das richtigere sei, ebenso von der Schwierigkeit gesprochen, nach Heise's Vorschrift st und sp mit einem leisen Anfluge von 6ch vor t und p auszusprechen; auch habe ich es nicht versäumt, den geschicht- lichen Standpunkt zu berühren: Die Anmassung aber, jene nord- deutsche Aussprache des st und sp, als die allein richtige hinzustellen, und für die Schule zu diktiren, habe ich mir nicht erlaubt.

Speyer. Dr. W. Dreser

Engllsh Schools.

In Folgendem gebe ich einige Notizen über englische Primär- und Mittelschulen. Für die Richtigkeit der Mitteilungen bürgen mir Dr. Stokoe, Head - Master of the Grammar - School , und Reverend John Wood, pastor of the independent church, in Reading, welche beide 1873 gelegentlich meines kurzen Aufenthaltes dortselbst so freundlich waren, mir die nötigen Aufklärungen zu geben und mich in den Schulen selbst teils zuzulassen, teils einzuführen.

A. Primary-Schools.

There are in England Primary Schools. especidlly for the working classes In better families, for the most pari, the primary education is at home or in private schools.

Primary-Schools are either Voluntary- or Governemcnt- Schools.

The Voluntary- Schools were built by private subscription and the governement gives aid so much a head, called the Capitation Grant.

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The Governement - Schools are built by tazes on the town (every toten fixes its own taxes), and supportet in the same way (by a Capitation Grant and the Fees (Schulgeld) of the children). Voluntary- Schools can give such a religious Instruction as the parties or persons, to whom the schools belong, may choose to give, with the protection for the children of a conscious clause. The Governement - Schools generally permit the Bible to be read. The school-board (Behörde) has absolute power over them.

Over the Voluntary - Schools the school-loard has no control.

The governement has over both classes of schools a secular inspection.

B. Junior-Schools

Connected with the Grammar - Schools there are opened also Junior Schools or preparatory classes, which serve as a stepping - stone bet- ween home and the larger school. This school, while having its separate class-rooms, boarding-house, and play-ground, is under the control and supervision of the head-master of the grammar - school The same elementary books and methods of instruction are used as in the larger school. Boys are admitted from 7 years of age% and no boy will be allowed to remain in the Junior School over twelve years of age Boarderß are received.

C. Grammar- Schools, generally 6 Form*.

In the lower Forms the course of instruction is the same for all boys , and is such as to ensure a sound elementary knowledge of English, Latin, French, and ArithmeUc. With the third Form the school is divided into,

Ist. The Classic al- Side, providing for those boys who are to receive a „Classical Education« , and preparing directly for th» Universities.

Und. The Modem- Side, preparing for the Army, Navy, Civil Service, and similar examinations, and for mercantile life.

Both Sides work together in the ordinary Divinity, English, Latin, French, Mathematical and Natural - Science Lessons: but while the boys on the Classical - Side are engaged in Greek Lessotis and in higher Latin Composition, these on the Modern - Side receive instruction in German, and extra Lessons in English, French, Mathematics, and Natural- Science.

The School Hours are: Monday, Tuesday, Thursday and Friday 9 to 12, 3 to 5. 30. In the winter-months : 2. 30 to 4. 30. Wednesday and Saturday 9 to 11, 11. 30 to 1.

For the preparation of lessons out of school from two lo three hours ave required, according to age and position in the school.

The school-year is divided into three terms. The Vacationsare:

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Spring: Three Weeks. Summer: Seven Weck 8, commencing the last week in July. Christmas : Four weeks.

Freneh formt a part of the regulär school-work for all boys, except those in the highest Classical Form and in the lowest Form

German forms a part of the regulär school-work for all boys in the highest Classical Form (instead of French) and (in addition to Freneh) for all boys on the Modem - Side of the school.

D. U-niver sities.

Ueber diese verweise ich auf Wilkins , London , Hadder and Stoughton, »7 Paternoster Road.

München. Dr. Jos. Wallner.

A. Ziegler über seine „Planimetrie"*).

Von A. Kurz.

Als ich meine 2. Miscelle schrieb, dachte ich nicht mehr an einen Brief, den ich später nebst den ausgeliehenen Büchern Ziegler's von seinem Collegen, wieder zugestellt erhielt. Da dieser Brief nicht nur auf jenes Büchlein, sondern auch auf dessen Unterrichtsgegenstand im Allgemeinen Bezug hat, so zweifle ich nicht, dass er alle HH. Collegen dieses Faches, vielleicht auch noch einige ausserhalb desselben interessiren wird. Hat schon der Name des Autors in diesen Blättern und ausser- halb derselben (siehe u A. die Zeitschrift für math. und naturw. Unterricht 1875) einen guten Klang, so ist auch der Inhalt des Briefes nicht für einen einzelnen Leser bloss angelegt, um so weniger wenn dieser, wie ich, nun seit Jahren andere Lehrfächer zu dociren bat. Ich lasse nun den Brief folgen, nur mit Weglassung je eines Satzes am Anfange und am Schlüsse desselben, welche von rein persönlichem Werte sind, und mit Anmerkungen meinerseits, da, wo der Brief seine besonderen Adressaten im Auge hat.

Freising am 7. März 1870.

Vor Allem danke ich Ihnen herzlich für das freundschaftliche Wolwollen, mit dem Sie mein Büchlein aufgenommen haben. Ich will zunächst kurz auf die von Ihnen berührten (Zweifel)Punkte eingehen.

„Für Gymnasien", habe ich beigesetzt, um die obere Grenze, das Ziel zu bezeichnen, welches ich ohne alle Nebenrücksichten vor Augen hatte ; ich wünsche auch, dass andere Anstalten das Büchlein brauchbar linden.

Für Gymnasien halte auch ich Baltzer's Geometrie ') wenig geeignet In Betreff der Parallelentheorie bin ich nach langem Schwanken und

*) Siehe „Aus der Schulmappe. Mise 2" in diesem Bande. *) Von mir angeregt , der ich Baltzer's Arithmetik und Algebra als vorzüglicher bezeichnet hatte.

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vielen Versuchen zu der Ansicht gelangt, welche Grunnert in einem besonderen Artikel kürzlich vertreten bat, dass fQr den Unterricht die beste Theorie die Euklidische ist, etwa mit den Modifikationen Legendre's. Zudem passt diese ganz zu meiner Einteilung und zn den Rücksichten, welche ich schon in der Planimetrie auf das sphärische Dreieck nehme. Was Sie von der Einfachheit des Kreises sagen, gebe ich zu, aber Alles auf einmal kann man nicht lehren; das Lineal ist eben doch noch einfacher als der Zirkel und höhere Rücksichten können auch berechtigte verdrängen*).

Nicht Rücksicht auf Latein und Griechisch bestimmt mich, den besten Schülern Ausgaben Euklid's zu leihen, ich sage ihnen aus- drücklich, sie sollen nur die Sätze und Definitionen lesen, um die Terminologie kennen zu lernen; ohne diese ist auch die heutige nicht ganz verständlich. Zugleich sollen die Schüler wissen, dass auch die Mathematik eine classische Vergangenheit hat und auch in dieser Beziehung ebenbürtig ist. Die classischen Griechen haben mehr mathe- matisirt als philologisirt Zudem ist Euklid im Grundrisse mehrfach citirt und die besseren Schüler interessiren sich dafür.

Die Bemerkung über gleichschenklig verstehe ich nicht3). Ueber Satz 14 wollen wir mündlich verhandeln, ebenso 62. Da ich im I. Buche dem Lineal die Alleinherrschaft einräume, kann ich mit derCongruenz noch nicht die Construction verbinden4).

An die zu 44 gegebene Construction habe ich nicht gedacht; sie hat von der von mir gegebenen gar keinen Vorzug, kann aber als üebung gelten. Dass die Ausdrücke comparatione , additione etc. besser weg- geblieben wären, ist richtig.

Das Deltoid entsteht ja (prop. 46) durch Synthese und zwar dadurch, dass zwei gleichschenklige Dreiecke mit gemeinsamer Basis gezeichnet werden ; diese ist besser, als wenn zwei congruente Dreiecke aneinander- gelegt werden; die Wichtigkeit des Parallelogramms kann ich dem Deltoid nicht einräumen s).

leb habe zur Unterscheidung von Hauptsätzen und Uebungen das gewiss richtige Princip aufgestellt: was nicht in dem Buche angewendet wird, gehört zu den Uebungen. Die Vernachlässigung dieses Principes ist ein grosser Fehler vieler Bücher, ausgesprochen finde ich es nirgends»

*) Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass man (anf den Mittelschulen) den Zirkel mit dem Lineal zugleich einführen dürfe und solle.

3) Ziegler schreibt nämlich „gleicbschenkliclr* ; desshalb eine kurze Bemerkung meinerseits über „ig" und „lieh"

*) Ich sah leider Ziegler nur noch einmal auf ganz kurze Zeit und da . er schon sehr leidend war

s) Wurde auch von mir nicht gewollt S. hierüber meine 2 Miscelle S. 19 und 20 dieser .Blätter'.

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Nach diesem Princip kann ich den Satz vom Quadrat einer Seite im schiefwinkligen Dreiecke nicht unter die Hauptsätze aufnehmen; ich habe mich aber nicht einmal entschliessen können , ihn unter die Uebungen aufzunehmen , weil ich die aufgenommenen für ausreichend und für nützlicher halte; schon die schwerfällige Ausdrucksweise und der Mißbrauch, den ungeschickte Lehrer mit dem Satze treiben, hat mich abgehalten. Vergessen ist er durchaus nicht, er wird eben in der Trigonometrie gelehrt, wohin er entschieden gehört; in der Geo- metrie ist er nur zeitrauhend. Ich bitte Sie, die erwähnten „parvuli loci"«) nicht zu vergessen und wo möglich noch weitere zu notiren ; eB interessirt mich alle Ihre Bemerkungen mündlich oder schriftlich zu erfahren Vor Allem bitte ich Sie, solchen Collegen, welche Geometrie dociren, einen praktischen Versuch, wenn auch mir im Privatunterricht anzurathen ; es wird sicherlich Keinen reuen. Nur der praktische Erfolg kann die Vorzüge, welche ich für das Büchlein in Anspruch nehme, zur Anerkennung bringen Als ersten betrachte ich die Methode. Ueber Heuristik habe ich weder klare Begriffe gehört noch gelesen. Dass der Schüler nicht Alles finden kann und der Lehrer nicht Alles vorkauen soll, gibt Jeder zu; ein Princip für das Mass dessen, was dem Schüler zugemutet werden soll, trifft man nirgends. Mein Büchlein mutet dem Schüler zu, die Figuren zu entwerfen und die Gleichungen zu finden ; seine Brauchbarkeit hängt von der Richtigkeit dieses Principea atf Die Erfolge, welche ich seit der Benützung des Büchleins wahr- genommen habe, haben alle meine Erwartungen übertroffen. Mehr als die Hälfte der Schüler (in der I. Gymnasialciasse) findet alle Beweise der Hauptsätze nach der gegebenen Einleitung selbst , die übrigen können den Beweis nachsprechen, wenn er einmal vorgesprochen ist; zu schreiben an die Tafel (die Figur ausgenommen) ist sehr selten nötig. Alle Uebungen sind bereits von Einzelnen gelöst Es ist kaum übertrieben , wenn ich sage : Die Schüler lernen jetzt nocbmal so viel als früher. Ein zweiter Vorzug, den ich anerkannt wissen möchte, ist die Einteilung, welche ich für weit besser hflte, als die in anderen Büchern gebrauchten. Ein dritter Vorzug ist die Auswahl und Anordnung der Aufgaben, welche nach ausgesprochenen Principien geschehen ist; wo finden Sie das sonst? Ein vierter Vorzug ist, dass die Haupt- sätze der neueren Geometrie in organischem Zusammenhang mit den älteren gebracht sind und dass hiebei bestimmte Zielpunkte auf- gestellt und auf dem kürzesten Wege zu erreichen gesucht wurden. Die vielen Verbesserungen im Einzelnen will ich nicht berühren.

•) So hatte ich im Scherze meine kleinen Ausstellungen genannt.

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Ueber diese vier Punkte bitte ich Sie, Rieb ein Urteil zn bilden und mir gelegentlich mitzuteilen; der vierte Punkt besonders betrifft ein von Ihnen schon bearbeitetes Feld7).

Die Echtheit des platonischen Dialoges C harmides mit Beziehung auf die „platonische Frage" und mit besonderer Rücksicht auf Schaar- schmidt's Athetesc untersucht von Dr. Alois Spielmann, F.B. Studien- leiter. Innsbruck, Wagner'scheUniv.-Buchbandlung. 1875. IV und 74 S. 8.

In diesem klar und übersichtlich geschriebenen Schrifteben wird der Nachweis geliefert, „dass man den jCharmides' auch noch nach Schaarschraidt's absprechendem Urteile gar wol als eine Plnton 's würdige Production ansehen könne, ohne sich den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, man kenne platonische Kunst und Wissenschaft nicht" (S. 69). Freilich mag es bei diesem Dialog für den Kenner als unnötig erscheinen, Schaarschraidt's meist haltlose Kritik einer so eingehenden Würdigung zu unterziehen und es dürfte daher nicht zu verwundern sein, wenn seine Resultate bisher weniger Widerspruch gefunden haben als zu erwarten stand (8. 2). Dass es nicht gerade schwer ist, seine Gründe zurückzuweisen, bat der Verf. durch eine besonnene Analyse des Dialoges mit Geschick und Verständniss gezeigt. Er hat seine Arbeit in 4 Abschnitte gegliedert. Der erste orientirt uns über den Stand der Frage und bespricht die auf den Charmides bezügliche Literatur, die überdies in einem eigenen Anhange in chronologischer Ordnung aufgezählt wird. Wenn in diesem Abschnitte gesagt wird (S. 3) : „Der hierin vor allen gewicht*olle Aristoteles hat nicht einmal durch eine entfernte Beziehung auf den Inhalt dieses Dialoges in seinen Werken eine Kenntniss von der Existenz desselben angedeutet", so hätte doch ein Wort davon erwähnt werden sollen, dass man in der Schrift des Aristoteles de anima III, 2 (425 b 19) eine Beziehung auf Charmides 168 d e gefunden zu haben glaubt (v. Bonitz: index Arist. 8. v. nXttttav). Der zweite Abschnitt handelt von der Gliederung und dem Gedankengang des Dialoges, der 3. von dem philosophischen Gehalt und der Tendenz des Dialoges und es wird als Zweck des Charmides bezeichnet (S. 50): „an der specicllen, dem Volksbewusstsein entnommenen Tugend der Sopbrosyne das Wissen als das eigenste Wesen der allgemeinen Tugend hauptsächlich nach seiner formalen Seite näher zu untersuchen" Der 4 Abschnitt bespricht Schaarschmidt 's Gründe gegen die Echtheit des Charmides nach den drei Gesichts- punkten: Sophisterei, Nachahmung und Prosopopöie. Sodann wird als Schluss das Resultat zusammengefasst (S. 69 - 71). Man kann dieses als völlig gelungen bezeichnen und es ist zu wünschen , dass der Verf. die von ihm notwendig erachtete Spezialuntersuchung der angezweifelten Dialoge in der begonnenen Weise selbst fortführen möge.

München. M eis er.

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') Ich erinnere mich nur eines Aufsatzes in Grunnert's Archiv im Jahre 1860 oder 1861 über das Apollonianische Problem. Mehr davon enthielt mein Unterrichtshoft für das Realgymnasium (in Speier 1866 bis 68). Da ich, wie im Eingänge bemerkt, seit 7 Jahren mich nicht mehr * mit Geometrie beschäftige, so konnte ich auch jener Aufforderung Ziegler's nicht mehr

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Syntaxis ornata, Extemporiren, Construiren, Pr&pariren. Päda- gogisch-didaktische Aphorismen etc. von Dr. Julius Rothfuchs- Marburg. N. 0. Elwert'sche Verlagsbuchhandlung. 1875.

Die für eine Flugschrift in etwas auffallendem Format erschienenen „Aphorismen" verdienen Beachtung ; denn sie enthalten manches Richtige und Gate. Offenbar hat sie der erfahrene Verfasser in der wol- meinendsten Absicht geschrieben. Doch möchte ihm einiges entgegenzu- halten sein: \) In Sexta, wol auch noch in Quinta, dürfte es sich bei üebungen zum Uebersetzen vom Deutschen ins Lateinische empfehlen, einige ganz leichte Fälle abgerechnet, möglichst auf Ueberein- stimmung des deutschen und lateinischen Textes zu sehen; man muss Anfänger, deren Sprachgefühl erst erwacht, nicht gleich mit Unregelmässigkeiten und Abweichungen der „Syntaxis ornata" unsicher machen. 2) Bei weitem die Mehrzahl der von pag. 6 bis pag. 13 angeführten Germanismen kann durch gründliches Studium der §§. 246 278 der lateinischen Grammatik von Englmann radikal beseitigt werden. Das geschieht an unseren Anstalten seit langer Zeit Auch lernen unsere Schüler das eine bei dieser, das andere bei jener Gelegenheit, z. B. mit dem Worte nihil zugleich dessen Deklination: Gen. nullius rct, Abi. nullare; so auch nihil aliud, Abi. nulla alia re ~ durch sonst nichts, u. s. w. 3) Es möchte hin- reichend sein, bei Beginn der Lektüre eines Klassikers den Schülern die trefflichen Anweisungen in Hinsicht auf „Construiren und Präpariren" zu erteilen , welche der Verfasser pag. 35 ff. und 41 ff. entwickelt. Die studierende Jugend gewinnt dadurch so viel, dass man ihr beide Funktionen getrost als häusliche Arbeit überlassen kann. 4) Das „Extemporiren" dagegen dürfte ohnehiu bei der kursorischen Lektüre auch in der Schule zur Genüge geübt werden. 5) Schüler, die von unten auf einseitig bloss mit der Cop. verb des Nepos und Cäsar betraut worden wären , müssten in einiger Verlegenheit sein, wenn sie die Lektüre (ich sage nicht« einmal des Ovid oder Horaz, sondern) des Livius und Cicero beginnen Es wäre vielleicht doch ratsam, in den untern Klassen auch das eine oder andere Wort aus letzteren Autoren einfliessen zu lassen , da ja gerade in diesen Jahren das Gedächtniss der Schüler ziemlich rüstig ist und es gewagt wäre, zu viel MemorierBtoff (Vokabellernen) auf die höheren Klassen za übertragen. Ausserdem sei an die für Quinta so geeigneten äsopischen Fabeln nach Phädrus erinnert 1

München. Ludwig Mayer.

H. ßreitinger, die französischen Klassiker, Charakteristiken und Inhaltsangaben. Mit Anmerkungen zur freien Uebertragung aas dem Deutschen in's Französische.

Dieses sechste und letzte Heft einer ersten Serie von Uebungs- stücken stellt sich dem fünften ergänzend und erweiternd zur Seite. Einer kurzen Charakteristik der bedeutendsten Dichter und Schrift- steller des 17 und 18 Jahrhunderts (von Corneille bis Beaumarchais) folgen längere oder kürzere Analysen ihrer Hauptwerke. Racine, Moliere, Pascal und Voltaire werden eingehender behandelt.

Auch dieses Büchlein bietet den Schülern höherer Lehrkurse passenden Stoff zum Uebersetzen , wie zum mündlichen Vortrag und zu . freien schriftlichen Bearbeitungen. Der Verfasser ist offenbar

jR.v . W. - -.—^i^HiB Digitized by Google

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bestrebt, den Inhalt der Dichtungen in möglichst kurzen, leicht behandelbaren Sätzen zu geben, und das gelingt ihm auch meistens. Nur hie und da wäre eine grössere Sorgfalt in der Stilisirung zu wünschen (pag. 2t kommt das Zeilwort „machen" in fünf aufeinander- folgenden Zeilen viermal vor). Ebensowenig ist die Verwendung von Fremdwörtern zu billigen, wo uns vollwichtige Ausdrücke im Deutschen zur Verfügung stehen.

In Bezug auf Brauchbarkeit bleibt dieses letzte Heft hinter seinen Vorgängern nicht zurück.

Warzburg. Jent.

Literarische Notizen.

Kudrun. Schulausgabe mit einem Wörterbuche von Karl Bartsch Leipzig: Fr. A. Brockbans. 1 875. Anlage und Ausführung sind wie bei dem S. 214 des X. Bandes die ser Blätter angezeigten Nibelungen- liede desselben Verfassers, und für die Schüler gleich empfehlenswert.

Deutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten. Erster Teil. Für die unteren und mittleren Klassen. Erste Stufe für die unteren Klassen (263 S.) Zweite Stufe. Für die mittleren Klassen (376 S .). Heraus- gegeben von H. Jos. Remacly. 3. vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig, 1877. Verlag von Siegismund und Volkening Das Huch gehört wegen seiner reichen und geschickten Auswahl und des stufen- mässigen Fortschreitens zu den besseren Sammlungen auf diesem Gebiete. Die gegenwärtige Auflage ist bedeutend erweitert (um 11 Bogen für beide Abteilungen). Bei der Auswahl der neu aufgenommenen Stücke wurde besonders auf solche Musterstucke Rücksicht genommen, welche schon frühe nationale Bildung und deutsch - patriotische Gesinnung begründen sollten. Konfessionelles ist glücklich ferne gehalten. Für die Orthographie sind die Regeln des Berliner Gymnasial- und Real- schullehrervereins zu Grunde gelegt.

Erzählungen aus der alten deutschen Welt für Jung und Alt von K. W. Osterwald. Neunter Teil: Reineke Fuchs. Zehnter Teil: Herzog Ernst. Heinrich von Kempten. Heinrich der Löwe. Halle. Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Eignet sich besonders zur Anschaffung für Lesebibliotbeken mittlerer Gymnasialklassen.

Bilder aus der Weltgesthichte. Für das deutsche Volk dargestellt von H. Keck, 0. Kai Isen, A. Sach. Erster Teil: Bilder aus dem Altertum. Von Dr. H. Keck. 210 S. in 8 Zweiter Teil: Bilder aus dem Mittelalter. Von Dr. 0. Kai Isen. 192 S. Dritter Teil: Bilder aus der neueren Zeit. Von Dr. A Sach. 278 S. Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1875. Das Werk bietet eine passende Ergänzung des Geschichtsunterrichtes und wird darum mit Nutzen von den Schülern der einschlägigen Klassen gelesen werden. Der dritte Teil, der sich vielleicht zu viel mit den kirchlichen Wirren, ihren Ursachen und Folgen beschäftigt, scheint sich mehr für Protestanten als Katholiken zu empfehlen.

Homers Odyssee. Erklärende Schulausgabe von Heinr. Düntzer. I. HeftI Lieferung. Einleitung. Buch 1 III. Zweite neu bearbeitete Auflage. Paderborn, Ferdinand Schöningh. 1875 Ausserdem dass bei der neuen Bearbeitung die einschlägige neuere Literatur benützt wurde, ist im Kommentar die Kritik etwas eingeschränkt, der Text auf Grund der feststehenden Ergebnisse der neueren Kritik umgestaltet

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worden. Die Erklärung, sowie der erste Abschnitt der Einleitung hat eine durchgreifende Umarbeitung erfahren.

C. Julii Caesar is commentarii de hello civili , erklärt von Fr Kraner. Mit 2 Karten von H. Kiepert. 6. Auflage von Friedr. Hof mann. Berlin, Weidmann. 1875. Im Einzelnen verbessert.

Tüi Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn. Erster Band. Zweites Heft: Buch II. G. verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875 291 S.

Protokoll der am 13 17 Oktober 1873 in Soest gehaltenen -acht- zehnten Versammlung der Direktoren der westfälischen Gymnasien und Realschulen. Paderborn, 187;"). Ferd. Schöningb. 187 S. in Fol. Das Material ist so reich, dass nur auf das Wichtigste aufmerksam . gemacht werden kann. J)azu gehören folgende Yerhandlungsgegenstände : Das Verhältniss der Schule zu ihren Zugliugen ausserhalb der Schulzeit, insbesondere die Beaufsichtigung ihres Verhallens sowol als ihrer häuslichen Arbeiten für den Zweck der Schule. Die Realien in den alten Klassikern, der Grad und die Art, ihrer Berücksichtigung bei der Lektüre ; die Einführung der Schüler in das Verstandniss der bildenden Künste Der Lehrgang und die Lehrmittel des griech. Unterrichts au/ den Gymnasien. Die Erziehung unserer Jugend zu nationaler Gesinnung. Der französische Unterricht auf der Realschule nach Umfang, Methode und Lehrmitteln. Der physikalische Unterricht in den Realschulen. Dazu kommen noch historische und statistische Mitteilungen. Das Ganze ist sehr interessant, wie denn schon die Einrichtung dieser Direktorenkonferenzen eine sehr erspriessliche ist.

Die Naturkräfte. Eine naturwissenschaftliche Volksbibliothek. VIII und IX. Band. Aus der Urzeit. Bilder aus der Schöpfungs- geschichte von Dr. K. A. Zittel, Prof. in München. 2. verbesserte und vermehrte Auflage mit 183 Holzschnitteu und 5 Kärtchen. München. R Oldenbourg. * 1875. Pr. 6 M. Die rasch auf die erste Auflage gefolgte zweite enthält zwar keine durchgreifenden Veränderungen, ist aber doch nicht bloss sorgfältig durchgesehen, sondern auch durch Berück- sichtigung der neuesten palaeontologischeu Entdeckungen, sowie durch Umarbeitung einzelner Abschnitte, wie des über Eiszeit und den fossilen Menschen, vermehrt und verbessert, ausserdem um mehrere Holzschnitte bereichert. Im Uebrigen empfiehlt sich das Buch, wie die ganze Sammlung, der es angehört (s. VII, p. 373. I. p. 141) für Lesebibliotheken.

Samuel Schilling's Grundriss der Naturgeschichte des Thier-, Pflanzen -und Mineralreichs. Grössere Ausgabe in 3 Teilen. Das Pflan zen- reich von F. W i m m e r. Anleitung zur Kenntniss desselben nach dem natür- lichen System. 12 Auf! Neue Bearbeitung. Mit 815 in den Text gedruckten Abbildungen. F. Hirt, Breslau. 1875 Das Werk hatte sich schnell einen sehr ausgedehnten Leserkreis erobert. Wenn es bis heute diese Popularität behauptet bat, so verdankt es dies hauptsächlich dem Umstände, dass der Herausgeber bestrebt war, durch Heranziehung tüchtiger Fachmänner den Fortschritten der Wissenschaft entsprechend die neuen Auflagen zu gestalten. Von diesem Streben zeigt auch die vorliegende neue Auflage, welche im Vergleich mit den früheren wesentliche Bereicherungen und Verbesserungen sowol in dem speciellen Teil, als auch und namentlich in den Abschnitten über Physiologie, Pflanzengescbicbte und Pflanzen- geographie enthält. Wenn sich das Werkchen in der Lehre von den Elementarteilen der Pflanzen auf Darstellung der allgemeinsten Begriffe beschränkt, so können wir dies in Rücksicht auf den beabsichtigten Zweck nicht tadeln; denn für den grundlegenden Unterricht ruuss

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jedenfalls ein Ueberblick über den Formenreichtam der Pflanzenwelt in den Vordergrund treten. Diesem Zwecke wird durch möglichst populär gehaltene Beschreibungen, unterstützt von gut ausgewählten deutlichen Abbildungen in trefflicher Weise genügt. In Beziehung auf die gewählte deutsche Nomenclatur möchten wir nocb den Wunsch aussprechen, dass dieselbe bei einer neuen Auflage nach Grundsätzen wenigstens annähernd umgearbeitet werden möchte, wie sie von H. Grassmann in seinen „deutschen Pflanzennamen" aufgestellt worden sind. Gerade für populär - wissensebaftliche Schriften wäre ein dem deutschen Sprachgeist und den Grundsätzen wissenschaftlicher Nomenclatur gleich ent- sprechendes Verfahren sehr zu wünschen. Denn, um schliesslich unter vielen Beispielen nur eins anzuführen , wenn Lathyrus Platterbse, Lathyrus tuberosus dagegen Erdmandel genannt wird, so widerspricht dies ganz und gar einer logischen Nomenclatur.

Grundlehren der Geometrie nebst Flächen- und Körperberechnung. Für die unteren Klassen höherer Lehranstalten von Bri 1 m aye r. Mainz. Franz Kirchbeim. 1874. Laut Vorrede wurden hauptsächlich die Lehrbücher vou Moznik, Boymann und Spitz benutzt. Statt der 1' , Seiten über die Winkel von zwei Parallelen und einer Schneidenden möchte der Satz empfohlen werden , dass von den hiebei entstehenden 8 Winkeln je zwei einander gleich oder aber zur Summe 2 R ausmachen, gerade so wie es bei zwei sich schneidenden Geraden der Fall ist. Ein Charakteristikum dieses Buches von 123 Seiten, deren 11 letzte von dem Kubikinhalt ebenflächiger und krummflächiger Körper handeln , und welches eine Vorschule der Geometrie genannt werden könnte, ist dem Referenten nicht erfindlich.

H. C. Mar tu s, mathematische Aufgaben, II. Teil: Resultate. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage, Leipzig 1875, C. A. Koch's Verlagsbuchhandlung. Die Art, wie hier der Verfasser die Resultate zu seiner vortrefflichen Aufgabensammlung angegeben hat, ist besonders geeignet, Nutzen zu stiften; denn nicht die Richtigkeit und Güte der Lösung allein sind es, worüber Aufschluss gegeben wird, sondern man begegnet vielfach wertvollen Andeutungen, wie eine Aufgabe sich noch aus anderen Gesichtspunkten betrachten lässt, wodurch ein tieferes Ver- ständniss herbeigeführt wird. Auch haben die Konstruktionsaufgaben durch Hinzuftgung der Determination sehr an Durchsichtigkeit gewonnen. Dazu kommt, dass dieser 2. Teil nicht etwa ein Hilfsmittel ist, das selbständige Finden zu beeinträchtigen, sondern vielmehr, dasselbe zu fördern; daher sei er namentlich angehenden Lehrender Mathematik bestens empfohlen.

Schul -Physik von A. Trappe, Professor uud Prorektor, Realschule, Breslau. S i e b en te Auflage. 250 Abbildungen im Texte. F. Hirt, Breslau. 3M. Die Zahl der Auflagen beweist, dass dieses Buch gefällt; wie auch schon ein oberflächlicher Blick in dasselbe den Schulmann erkennen läset an der Einleitung, an der Unterscheidung durch verschiedenen Druck (mit Marginalien), an den deutlichen Figuren Hiezu vermisst Referent aber ein Sachregister, welches dem Schüler das Lehrgebäude der Physik kurz vor Augen hielte, und welches darum neben dem dankenswerten alphabetischen Register in der nächsten Auflage Platz finden sollte. Zufällig bemerkt ist als Beispiel der Schallinterferenz die Stimmgabel erwähnt, worüber die richtige Erklärung vor Kurzem auch in diesen Blättern gegeben wurde.

Chemische Erscheinungen. Ein Anhang zu Trappe's Schulphysik von Dr. G. Stenzel Mit 8 Abbildungen im Texte. 35 Seiten Alphabetisches Register. 50 Pf. Die Numerierung der Figuren 250 bis 258 im Anschlüsse an das vorgenannte Buch. 250 stellt die Kochflaßche mit Wasserwaane vor

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zum Auffangen des Gases, die folgenden Figuren die trockene Destil- lation, Liebig's Kühler,' Destillierapparat, Leuchtgasfabrikation, Gas- flamme, Sicherheitslampe, Hochofen.

Lehrbuch für den Rechen - Unterricht. Propädeutik der allgemeinen Arithmetik zum Gebrauche an höheren Lehranstalten, herausgegeben von Julius Henrici, Professor an der höheren Bürgerschule in Heidelberg. Verlag von Georg Weiss in Heidelberg Anweisung für den Rechen- unterricht in Stadtschulen, Präparanden - Anstalten und Schullehrer - Seminarien, bearbeitet von A. S t u b b a. Vierte, nach dem neuen Münz-, Mass- und Gewichtssystem umgearbeitete Auflage. I.Teil: die 4 Species mit unbenannten und benannten ganzen Zahlen und Brüchen. Verlag von Eduard Kummer in Leizig. (Der II. Teil ist im Erscheinen begriffen)

Dr. H Tb. Trau th: Englisches Lese - und Uebungsbuch. II. Teil. Für die oberen Klassen der Real- und höheren Bürgerschulen, sowie für das Einjährig- Freiwilligen- Examen Mit erklärenden Noten und einem literar- historischen Anhange. Leipzig Verlag von Gustav Körer 1875 Für bezeichneten Zweck ein sehr brauchbares Buch.

Georg Traut: Englischer Wortschatz (Vocabularyj mit Bezeichnung der Aussprache. Nebst drei Beilageu: 1 Tabelle zur Ableitung der niederdeutschen englischen Wörter aus dem Hochdeutschen. 2 Vor- bereitende Anleitung zum Englischsprechen. 3. Sammlung von Sprich- wörtern. Neuwied und Leipzig, J. H. Heuser'sche Verlagsbuchhandlung. 1875 Zum fleissigen Vokabellernen sehr zu empfehlen.

Auszüge. Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 7.

I. Ueber die Hemistichien in Vergib Aeneis. Von Wcndtlandt. Richtet sich gegen die von Weidner u. a, verfochtene Meinung, wonach diese Hemistichien von Dichtern absichtlich gebillet worden wären, ohne dass ihre Vollendung für die spätere Ueberarbeitnng in Aussicht genommen gewesen. Zu Liv. VIII. 7 18 Von Dr. Münscher. In te sei Abi. (=: decorts in te positi), deeeptum gehöre zu tne.

Fortsetzung der Jahresberichte des philologischen Vereins: Sophokles (v. Jacob); Demosthenea (v. Nitache). >

Statistische s.

Ernannt: Prof. Unger in Hof zum Rektor daselbst ; Studl. Wo llne r in Kaiserslautern zum Gymn.-Prof. daselbst; Studl. Hüdel in Eichstätt (Math.) zum Gymn.-Prof. in Kaiserslautern; Math. -Ass. Schlosser in Ingolstadt zum Studl. in Eichstätt; Studl Banmann in Augsburg (St Anna) zum Gymn.-Prof. in Landau; Studl. Falk in Speier (Math.) zum Gymn. - Prgf. in Landau; zum franz. Sprachlehrer in Regensburg der Lehrer der neueren Sprachen in Landau, Georg Wolpert; Ass. Renn in Bamberg (Konk 1874) zum Studl. in Lindau; Prof. E. Kurz am Ludw.-Gymn. in München zum Rektor daselbst; Studl. Dr. Deuerling am Max -Gymn. zum Prof. am Ludw -Gymn. in München; Aas. Pistner am Wilh.-Gymn. in München (Konk. 1872) zum Studl. in Landsbnt; Stndl. Herding in Erlangen zum Gymn.-Prof. in Bamberg.

Versetzt: der Lehrer der franz Sprache in Regensburg, L. Bondon, nach Schweinfurt; Studl. Dr. Trutzer von Kaiserslautern (Math.) nach Bamberg; Studl. Dr Nachreiner von Landau (Math ) nach Speier; Studl. Dr. Zucker von Hof nach Erlangen; Studl. Die t seh von Nördlingen nach Hof; Studl. Gerstenecker von Landshut nach München (Mai -Gymn).

Quiesciert: Prof. Günder in Bamberg.

Oedruckt Ul 3 Ootteswinter 4t Mös.l in

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Liber.

Wenn wir den Namen Liber, d.h. Bacchus zuerst betrachten, wird sich die Bedeutung von Uber das Kind und liber frei klarer herausstellen.

Bacchus' ältester Beinamen war „Loebes", sabin. Loebasius.

Die Form „Loebasius" Liber ist die sogenannte Gunaform vom Thema „Hb". Griechische Beispiele macheu diese o- Hebung klar. Zum Beispiel: ol/uos der Gang, von skr. i- = gehen, i-eyut. Qiuoc der Gang ist verwandt zu ol-ros das Geschick. Ebenso wurde roUa ich weiss aus skr. vid- ^wissen; o-i<t-ate schwelle aus skr. id- oder ind- schwellen, oUpa SvXaaaqe = xvfm »aXdoons, (xv-w ^= oidaw). Altind. heisst mih- polluere, mingere, mit o- gesteigert heisst tnih- für den Griechen poix-evu (eig. mejo). Im Sanskrit heisst vig- sich niederlassen, woher vegas das Haus, g riech, folxos-

So viel über „Loebu. Den Aeolieru hiess Liber nicht Aotßijyos, sondern jieißrjyog, also ein augmentatio durch e, wie diess z.B. begegnet in öeixvvfjii (vom skr. dig- = zeigen|; Act/w = skr. Ith-).

Die sabini8cbe Sprache teilt aber diese Stützung ihres durch o nicht bloss mit der griechischen Sprache im Altertum. Unter den neueren Sprachen besitzt die französische eine Art Gunation. Hier wurde Loire aus Liger, noir aus niger, boire aus bire, Oise aus lue (Isere)1)

Diese Diphthonge oi und ei nun wurden der lateinischen Sprache l Wie also /=o?xo? viem , polvos Vitium*), wie Xottf Ubatio* so gab Loebesus Libes d. h. Liber. Oder f aus ei wie dico <fe«r-, libo Xeißw.

Und snchen wir die gemeinschaftliche Wurzel zu loi und lei, so begegnet diese in den Vedas, wo ri- (d. h. Ii) in's Flüssen bringen, frei lassen bedeutet. Iii - ra [Ii - tta) heisst dort fliessend, woher Xt-^y verw. zu skr. ti-ti f. der Strom. Die goth. Sprache bietet „Ii" im Snbst. lei-thus ro. das geistige Getränk, woher uoch das Lei -t- haus caupona, Lei-t-gam caupo.

Die Endung -asius im sabell. Loeb-asius ist die von am-asins, Vesp-asiud (Vesp - asianus), ag-aso.

Was also die eigentliche Bedeutung des Wortes Liber betrifft, so lässt sich Liber als der Geist denken, welcher allen vitalen Saft, allen liquor Vitalis sowohl im Ganzen als auch im Einzelnen nicht bloss in sich enthält, sondern auch mitteilt. Liber ist die personificirte Lebens- strömung, aber zugleich auch der Ergiesser dieser Strömung in die Schöpfung. In letzterer Beziehung darf Loebasius mit Ausgiesser, Giesser d. h. Schöpfer wieder gegeben werden. Dieser Sinn liegt in der Wurzel des Wortes, der in dem litauischen U-jikas m. der Giesser,

Blatter t d. bayer. Gymn.- u. Boa] - Scbulw. XI. Jahrg. £4

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fusor noch bewahrt ist (von le-ti giessen, dann aber auch giessend bilden).

Dieses lit. Wort fahrt za einem indischen Analogon.

Im Sanskrit heis6t nämlich sarg- ganz dasselbe wie 2t-, ri- in Liber, libatio, liberalis, Ubertas, liberatio. Dort bedeutet nun vi - sarga m. die Befreiung, liberatio; zweitens das Spenden, libatio, liberalitas ; für's Dritte liegt in visarga der Sinn „Erschaffung", und weil sarg'-, **9" effundere bedeutet, kann visarga m. den Sinn „Guss" enthalten. Nicht ohne Belang dürfte die Bemerkung sein, dass visargas auch penis bedeutet, verw. zu d - aeXy - ijV ~ effnsus3), ausgelassen, geil. *Aa$Xyqs Hesse sich durch das mit „Uber" allerdings verwandte frz. „lib"ertin geben.

Aber auch in der Mythologie und nicht als blosses Appellativum begegnet dieses skr. sarg-.

Von da- stammt ja der Sargas, der wol mit Liber übersetzt werden könnte. Von diesem Sargas erzählen die Bramanen, dass er die primitive Schöpfung (also gleichsam der Urgussj durch Brahman sei; von Visarga dagegen (das als Appellativum penis bedeutet), wissen sie, dass er die secundäre Schöpfung durch Purusha, oder die Schöpfung im Einzelnen sei.

Auch Purusha kann mit Liber zusammengestellt werden Purusha bedeutet nämlich die (Alles erfüllende, ergänzende) Weltseele, wie denn auch Liber für den belebenden Geist der ganzen Natur galt. Ist purusha m. mit pur- verwandt, so heisst es auch wieder der Auf- schütter, Aufgiesser, Schenker, Ergänzer; zu skr. pür-ajämi ich überschütte, fülle auf. Pürajämi selbst aber verdumpfte sich erst aus par-, pi-par -mi ich schütte auf, nähre, spende, Xeißa», <rneV<fo> Dieses par- liegt dem Subst. par-ens zu Grunde, eig. Giesser, Schenker, Ergänzer; parentare z= spenden, aufschütten (am Grabe) = „para$au, woher althd. ,,/crA", Leben, Seele, aber auch goth. fairhvus die Welt.

Als Visarga, d. h. Schöpfer in einzelnen Schöpfungen ist der Pürusha, der als Appellativum der Mann überhaupt heisst, der parens per emin., so wie auch den Liber das Epitheton pater (-- parens) ziert.

Das griech aq<snv pürusha, eig. der Giesser, der Befruchtungs- fähige, stellt sich hieher, denn agoqv gehört zu skr. arsh-ämi ich fliesse, ströme, so dass uoortv zuerst den pürusha, den Mann bezeichnet, insofern er als Ergänzer, als parens gedacht wird. Vom Thema rsh-, woher arsh-ämi, bat die ind. Sprache das Subst. rsha-bhas m.4) mit der Bed. der Stier, also schon die Einzelergänzung des Pürusha und zwar die animalische Fortpflanzung ausdrückend. Die nämliche Bed. liegt in skr. uxan m. = rshabhas, der Stier, eig. Besprenger. Synonym mit arsh- ist varsh - ämi =z vu>, irrigo, regne, th. vrsh-, wober vrsh-as = uxan, vrsh-ni m. der Widder, eig. Giesser, verw. zum lat. verres der Eber, eig. Beregner (f. vers-es, wie aus a^y,

^ verw. zu oqq - oe aus oqoos = mhd. ars).

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Aber visarga m. (—pürusha) hat nicht bloss die Bedeutung effusio, Guss, os heisst auch „los lassend1', aus der Hand lassend, spendend, „lib"eralis. So kann „Liber" auch Spender im weiteren Sinne, als Quell des vegetativen Ueberflusses angesehen werden. In diesem Sinne Hesse sich „Liber" am Ende mit „Liefer"er d. h. Spender geben. Denn, wie Diez (etym. W. B I S. 262) auaführt, so hängt das Wort Lieferer in der That mit liberare (= sarg) zusammen. Diez sagt so: Das frz. livrer übergeben, liefern, zum mittellat. Uberare dona. Daher la livree, span. librea, die Kleidung, die der Herr dem Bedienten gibt, eig. „geliefertes. Nicht von librare wägen, zuwägen, sondern in Uebereinstimmung mit den mittellat Formen von liberare frei machen, los machen, daher aus der Hand geben, verw. zu dilivrer liberare, erlösen ( sarg).

Diez bringt noch ein interessantes Analogon bei, indem er sagt: Dieselbe Begriffsentwicklung ist z. B. im span. soltar lösen, los lassen , ausgeben , wahrzunehmen. Ganz also wie das skr. visarga m. oder visargana n. das Loslassen, die Befreiung, liberaiio. Ihr Verbum sarg - aber, th. sr.g - , heisst ausgeben, schenken, verleihen, „Ub"are, „liberalem esse (

Was also dem Inder sein visargas von sich aussagte, das konnte der Römer dem Laute Liber ablauschen, er hörte ihn als liberalis, als Segenspender überhaupt, ünd Grimm (Myth. 193) sagt daher: Liber und Libra gehören zum Dienste der Demeter (der allgemeinen Nährmutter, parens). So gehören, fährt Grimm weiter, der germ. Frö und Fröwa im engen Band zu Nerthus. Frö's Gottheit mag zwischen dem Begriff des höchsten Herrn und dem eines Liebe und Frucht- barkeit wirkenden Wesens die Mitte halten. Er hat Wuotans schöpferische Eigenschaft.

Dem kann nur beigefügt werden: „höchster Herr" liegt eben in Liber auch. Er ist frei, wie sarg -a die Befreiung bedeutet. Liber ist iXev&eQog im eig. Sinne dieses letzteren Wortes, wenn iXsv&egos zu „iXei&ttv" gehen, goth. ga-leith-an gezogen werden muss. *EXev$e(Jos ist der, der da geht wohin er will, synon. zu skr. svaira liber, iXev&eqog (aus sva- = i im i-avrov . . ., demselben sva-, das mit dem slv. «ro- im russ. svo-bdda die Freiheit zusammenhängt; den zweiten Bestandteil von svaira frei bildet -ira iXev&a>v, gehend ) V).

WiewoliXev&eQog auch die Zerlegung i-Xsr-9eQos gestattet, verw zum osk. lov-freis =: liberi m, , die freien Kinder, eig. die Gelösten, Erlösten; denn lov-, Xef- (s. Art. leo) stimmt zunächst zu skr. lava m das Ablösen, Abtrennen, abgeleitet von lü-, lu-n-ämi = Xv-eiv (aus dessen Xv~ Xsp- hervorgehen konnte). Das osk. „Zoe" enthält ganz, und gar den Sinn von visarga (— Liber)] denn sarg-, th. srig- hat

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als erste Bedeutung At eiv, Uberare und wer sollte bei lov- und Ar - nicht an Jv-aiog, Beiname des Liber denken?

Das Hereinziehen des indischen Wortes visarga leistete hier auch den Dienst, duss sein verwandtes srishti f. den Uubergang zum zweiten Teile bildet. Srishti f. hcisst nümlich der Guss, d. h. die Kinder, Nachkommen (also iu passiver Bedeutung); analog zu J'poVoc derThau, dann aber auch das Junge, der Guss; ähnlich wie fyoV) r= öooaog, dann aber die jungen Limmer, eig. der Guss. Srishti f. das Kind, eine Form wie goth. frastis f das Kind, eig. Guss (zu fräs- verw. Fars juvencus, zu par-t pri-, woher skr. pri-thuka das Kind).

Das Wort „Guss" setze ich absichtlich öfters; denn das althd. gös oder choz, auch köz heisst erstens Guss, dann aber hat es die Bedeutung von .srishti f) die Kinder, liberi.

Unser verdienter Germauist Dr. Karl Roth veröffentlichte im J. 1854 ein Schriftchen „Kozroh's Mönches zu Freising", wo S. 42 der Name Chozroh erklart wird. Chozroh, später Gozruoh bedeutet: „um seinen Guss4« (d h. um seine Kinder und Nachkommen) „sich bekümmernd"»).

So Dr. Roth und ich glaube noch auf ein paar schöne Eigennamen hinweisen zu dürfen Daher Ascoz, eig Asenguss, üottc&kind. Cozuuin, Gozwin, woher Gosswin - Kinderfreund, <y i'äoj exrog , jetzt Gösswein (in Gössweinstein). Besonders aber muss bei Besprechung des Götter* namens Liber des altnordischen mit „goe* ver wandten Göttersohnes Gautr Erwähnung geschehen ~ skr. sek-tar parens (von sie - = arsh-).

Die Form anlangend, so verhalt sich Gautr zu göz wie goth baulan schlagen zu mhd. bözen bossen (z. B. Am-boss) Althochd. hiess der Gautr natürlich Köz, goth. Gauts, ag« geat. Gautr war nach der germanischen Mythologie der Sohn oder Ahne Odins, Odin aber selbst enthielt den Begriff von Liber der Spender, der Segeuspender, parens. Daher heisst von „Wuof'an in der baierischen Volkssprache „wue"teln effuse crescere, üppig wachsen und gedeihen. S. Grimm Myth. 120. Der lat. Liber ist der Sohn Jupiters, hei den Angelsachsen entspricht ihm in etwas der mythische Vödelgeat d h. Wodanssohn = althd. Wuotilgöz, d h. Liberi filius. Die Gautos, ein gothiacher Volksstamm, beissen so nach dem Sohne des Odin, nach Gaut und zwar aus Gottes- furcht, denn nach Odin selbst sich nennen hätte als frevelhafter Stolz gegolten. Grimm Myth. S 328. Grimm Geschichte der deutschen Sprache S. 538.

~* „Goz", eig. der Guss = der Sohn bildet ein überraschendes Analogon zu v/o? = gautr, der Sohn; denn v-i6g gehört zu J7-w = skr. varsh-ämi regnen (s. oben verres f. verses), u-a> = skr. su-, woher su-täf. oder tü-nä f. eig. die Gegossene, die Tochter, sü-nusm. the so-n, goth. su-nus der Sohn, eig e/fusus, göz, Guss. _

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Die Form vtog ging aus v-jo$, au -jaa hervor Sein Suffix - »o'c (aus ja« -) verdient hier Beachtung, weil dieses nämliche Suffix dem lat füiu , ( vloq) angefügt ist; denn filiua hiess eigentlich fil-jua, wie vlnc eig. v-joi-

Nun wieder zur Bedeutung ! Die germanische Sprache besitzt merkwürdiger Weise das nämliche su- = w/oV, gös in ihrem su-inf woher nord. avei-nn puer. juvenia9) Der Eigenname Svein-ki heisst Knäblein, Swenke, för uns Baiern bemerkenswert, weil es im Ortsnamen Schwandorf liegt; denn Scbwandorf hiess ursprünglich Swainkendorf, verw zu Schwangau (aus svein-gowe).

Bemerkungen.

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x) Vergleichen wir die baierische Aussprache mit dem franz. ot ■/.. B. in Laib ( von goth. hlaibs das Brod , eig. gebackenes). Dieses hl-a-ib gehört zu clib-anua der Backofen

*) Zu vi-tia die Ranke, vi-eo ranken.

3) Vergl. ouQ7tiyt o(tX7iiy$.

*) -bhaa -z q-0'c z. B. ddeX-tpoq Ipt-yo?; skr. raaa-bhaa der Esel (von raa-ati rudere).

*) %Q<*1 der Thau, zu tarsh-ami.

•) ariahii von arig , wie z. B datnahtra der Zahn von damc da£- dax-ym.

7) Dieses wa- = russ. avo- in watro liegt besonders in skr. sva- jambhü Uber, eig. durch sich seiend, B.W. das Vischnu, = pers. khuda Gott; s. Bopp Vergl. Gramm §. 35. So in den Völkernamen Sveonen, Schwe-d-en, Suevi, Schwaben, alle mit der Bed. „liberi", Svo-bod.

•) Mittelhd. ruoch die Sorge, ruochen curare. Unsere Schimpfe der Ruech ist ein kümmerlicher Geizhals, der immer besorgt ist, was er essen wird.

') Ueber -ein vergl. goth gum-ein männlich, qvin-ein weiblich*; namentlich m-ein =: me-us, d-ein = tuua, sein = auua.

Freising. Zehetmayr.

Die nachteiligen Folgen der Verwechselung van Logik nnd Syntax für die Lehre vom einfachen Satz.

Dass Logik und Grammatik zwei getrennt zu behandelnde Wissen- schaften sind, indem die eine die Gesetze des richtigen Denkens, die andere die Regeln des richtigen sprachlichen Ausdrucks zum Inhalt hat, wird wol allgemein anerkannt, jedoch nicht überall folgerichtig beachtet. DieBer Fehler ist ein leicht erklärbarer und verzeihlicher, weil ja zwischen dem Stoff beider Disciplinen eine sehr nahe Verwandt- schaft besteht und die Sprache lediglich als der sinnliche Ausdruck für das Donken angesehen werden muss; bleibt aber immerhin ein

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Fehler und hat mitunter recht nachteilige Eolgen für die Grammatik gehabt Dies soll hier in Bezug auf die bisherige Lehre vom ein- fachen Satz nachgewiesen werden, und zwar am sogenannten gramma- tischen Subjekt, am Prädikat und an der Copula.

Zunächst ist leicht darzuthun, welche unhaltbare Begriffsverwirrung dadurch entstanden ist, dass man den logischen Terminus ,, Subjekt" in die Syntax hereingezogen hat. Sobald nämlich die Grammatiker mit der Formenlehre zu Ende sind und die Syntax zu behandeln beginnen, da verwandeln sich alle plötzlich aus Grammatikern in Logiker. Während sie blos auf die richtige Form des sprachlichen Ausdrucks zu achten hätten , glauben sie von den Bestandteilen des logischen Urteils, also vom richtigen Denken selbst, etwas sagen zu müssen und bringen logische Kunstausdrücke vor, für deren Verständnis dem Lernenden, der bisher eben nur die Formenlehre durchgemacht hat, jeder Anhaltspunkt in dem bisher Gelernten mangelt, und welche daher nur mit Hülfe ganz neuer Begriffe definirt werden können. Weil aber diese Kunstausdrücke einem fremden Gebiet unnötiger und unerlaubter Weise entnommen sind, so muss auch die Definition derselben eiue unrichtige und widerspruchsvolle werden und kann nur dazu führen, dass man den Fehler der begangenen Verwechselung von Grammatik und Logik erkennt. Alle unsere Schulgrammatiken detiniren folgender- massen: Subjekt heisst der Gegenstand, über den etwas ausgesagt wird. Prüfen wir nun die Richtigkeit dieser Definition an einem Beispiel, wozu hier der Satz dienen mag: Die Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813 dauerte drei Tage. Was ist Subjekt in diesem Satze? Nach der landläufigen Definition offenbar der Gegenstand , über welchen etwas ausgesagt wird, also: „Die Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813". Denn von der Schlacht überhaupt wird hier nichts ausgesagt, sondern blos von der ganz bestimmten Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813. Dies widerstreitet aber allen übrigen grammatischen Begriffen; denn alle Grammatiker sind darüber einig, dass in diesem Satze grammatisch lediglich das Wort „Schlacht" Subjekt ist, während die näheren Bestimmungen „bei Leipzig" und „im Jahre 1813** als Umkleidungeh des Subjekts anzusehen sind Demnach muss man entweder die ganze Lehre vom einfachen erweiterten Satz umstossen oder jene verkehrte Definition des Subjekts aufgeben.

Dagegen wird vielleicht Mancher den Einwand erheben, mit dem ich selbst lange Zeit mein grammatisches Gewissen beschwichtigt habe: Man müsse zwischen einem logischen und einem grammatischen Subjekt unterscheiden! Logisches Subjekt des Satzes sei: „die Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813", grammatisches Subjekt aber nur das Wort „Schlacht". Allein die Hinfälligkeit dieses Einwandes ist mir mit der Zeit klar geworden. Denn wie soll das grammatische Subjekt definirt

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werden? Dass die bisherige Definition in den Schulgrammatiken nur für das 1 ogi sc h e Subjekt passt, scheint aus dem Obigen klar ersichtlich . Suchen wir daher nach einer Definition des grammatischen Subjekts I Diese muss offenbar ungefähr so lauten : Grammatisches Subjekt heisst dasjenige Nomen im Satze, von welchem der ganze Satz abhangt, das Hauptnomen (nomen regens) im Satze. Wenn nun mit dem gramma- tischen Subjfkt nichts weiter gemeint ist, als das Hauptnomen, das nomen regens des Satzes, wozu braucht man denn dann überhaupt von einem grammatischen Subjekt zu sprechen ? Genügt es nicht, wenn in der Syntax einfach von einem Hauptnomen des Satzes die Rede ist?

Mithin gelangen wir zu dem Ergebniss, dass die bisherige Definition des grammatischen Subjekts falsch ist und dass überhaupt der Terminus Subjekt für die Grammatik entbehrlieh erscheint.

Aber gerade dasselbe Verbältniss findet beim Prädikat statt. Prädikat, sagen unsere Grammatiker, ist dasjenige, was vom Subjekt ausgesagt wird. Was wird also in unserem Mustersätze von der Schlacht bei Leipzig im Jahre 1813 ausgesagt? Offenbar nicht blos, dass sie dauerte, sondern dass sie 3 Tage dauerte. Und doch sind unsere Grammatiker darüber einig, dass „dauerte" allein grammatisches Prädikat ist und „3 Tage" als Zeitbestimmung, mithin als Umkleidung des Prädikats betrachtet werden ' muss. Wollen wir daher nicht die ganze Lehre vom erweiterten Satz umstossen , so müssen wir die bis- herige Definition vom grammatischen Prädikat als falsch erklären und zugeben, dass dieselbe nur für das Prädikat in der Logik passt. Suchen wir aber nach einer richtigen Definition für das grammatische Prädikat, so wird dieselbe ungefähr so lauten: Grammatisches Prädikat ist das auf das Hauptnomen {nomen regens) sich beziehende verbum finitum oder Hauptverb um. Ist dies richtig, so erscheint wiederum der Ausdruck „Prädikat" für die Grammatik völlig entbehrlich. Es genügt, von einem verbum finitum (Hauptverbum) zu reden, und man kann den Terminus Prädikat getrost der Logik zum alleinigen Besitz überlassen

Am allerunnötigsten endlich erscheint die Hereinziehung des logischen Terminus „Copula" in die Grammatik. Ueber den Begriff der Copula sind die Logiker nicht einmal noch einig und wollen manche von ihr gar nichts wissen. Trotzdem hat man diesen unsicheren logischen Terminus der Grammatik aufgezwungen und damit die Satz- lehre verwirrt. Die logische Copula ist nach der mir am meisten zusagenden Ansicht das tertium judicii , welches bestimmt, in welchem Verbältniss der Subjektsbegriff zum Prädikatsbegriff steht. Was ist denn nun die grammatische Copula? Man ucht in unseren Schul- grammatiken vergeblich nach einer Definition für dieselbe, und in der That ist sie nichts weiter als die Congruenz zwischen dem Hauptnomen

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v

(nomen regens) und Hauptverbum (verbum finitum). Wozu wollen wir also in der Grammatik von einer Copula reden, wenn es genügt, von der Uebereinstimmaug zwischen nomen regens and verbum finitum zu sprechen? Damit fallen alle Verlegenheiten weg, in die man bei der Annahme einer grammatischen Copula kommt. Wie sonderbar muss es dem Schüler vorkommen, wenn er aus Englmann lernt, dass es eine echte, richtige und wahrhaftige Copula gibt, nämlich das Verbum „sein" und ausserdem noch gegen 20 30 Verba, die auch als Copula dienen, aber doch keine sind; weun er 6ich denken soll, dass „nennen" im Aktiv nicht als Copula dienen kann, im Passiv dagegeu recht wol; wenn ihm zugemutet wird, zu glauben, dass das Verbum „sein" die richtige Copula ist, dagegen das Verbum „werden" keine eigentliche Copula, sondern nur eine Art Vicecopulal All der Wirrwarr wird entbehrlich, wenn man die Copula aus der Grammatik, in welche man sie unberechtigter Weise eingemengt bat, zurückversetzt in die Logik, wohin sie gehört

Ich bin daher der festen Uezerzeugung, dass es in der Grammatik vollständig genügt, von einem Hauptnomen {nomen regens) , einem Hauptverbum (verbum finitum) und von der Uebereinstimmung zwischen beiden zu reden, und dass man die geborgten Kunstaas- drücke Subjekt, Prädikat und Copula sämmtlich der Logik zum Alleinbesitz überlassen kann. Dadurch gewinnt die Lehre vom einfachen Satz an Einfachheit und Klarheit, werden die bisherigen falschen Definitionen vermieden und die prekäre Kegel von der echten Copula und den Vicecopulcn beseitigt. Diese Kegel bekäme dann ungefähr folgende Fassung: Die Verba sein, werden, bleiben, genannt werden etc können congruirende Adjektiva oder Substantiva als nähere Bestimmung zu sich nehmen.

Wunsiedel. Wirth.

Ein Beitrag zur Theorie der Bestimmung von Approximationswerten der reellen Wurzeln höherer numerischer Gleichungen. Von Dr. A. Miller, Rektor und Lehrer der kgl. Kreisgewerbschule in München.

Wenn xx annähernd eine reelle Wurzel der f (x) ist, so erhält man nach der Newton'schen Methode bekanntlich, wenn /* der Fehler, aus der Relation

genäherten Werte

= o

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x rc, ~ ~ 0(*er genauer

x - h _ y*-

je nachdem man die Taylor'sche Reihe mit dem zweiten oder dritten Gliede abschliesst, wobei

/"(*,) = Vx f(xt) pt f"^,) = qt gesetzt ist. Vorliegende Abhandlung hat nun den Zweck, obige bekannte Näherungsformelu auf einem anderen Wege abzuleiten und einige Resultate Qber die Fehlergrenzezu gewinnen.

I. Um eine gen&herte reelle Wurzel einer numerischen Gleichung, q (z) o zu erhalten, nehme ich vorerst an, y (x) habe folgende Form :

(p (x) = f (x) a x + b o (A )

Ks besteht somit <jp (x) aus zwei Funktionen, der beliebigen f (x) und der bestimmten a x -fr- b.

Da g>(x) = o, so muss f{x) = - (a x + b) sein. Setzt man:

y = f (*) (B)

i? a x b (C) so handelt es sich darum, jene x zu ermitteln, für welche y ~ q wird, und man wäre somit wieder bei der Aufgabe, die Gleichung (A) zu lösen, angelangt.

Eine reelle Wurzel der Gleichung (A) lässt sich nun in folgender Art geometrisch auffassen. Bezieht man näm- lich die Relationen (B) und (C) auf ein rechtwinkliges Coordinatensystem , so re- präsentirt (B) eine Cur?e, etwa A MB (Fig. 1) und (C) eine Gerade, etwa die FG.

Setzt man in (B\ und (C) für x nach und nach ver- schiedene Werte und unter diesen einen, der durch O C dargestellt wird, so ist y = CE und r, C D. Es stellt somit DE die Differenz y n dar, und da diese Null sein soll, so repräsentirt

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jene Abscisse OP, für welche y = n wird, eine reelle Wurzel der Gleichung (A). Die Abscisse OP des Schnittpunktes 31. der Curve A M B und der Oeraden FG ist also jene Strecke, welche den verlangten Wert von x graphisch gibt.

Wählt man nun OC so, dass es nahezu gleieh OP ist, dann wird DJB im Allgemeinen sehr klein sein, daher!) und.E nahe anfliegen und die in E an die Curve AMB gelegte Tangente T U wird die Gerade FG in einem Punkte Q schneiden, der so nahe an M liegt, dass man statt der Abscisse 0 P des Punktes M jene des Punktes Q, nämlich O N nehmen darf; dicss um so mehr, als der Fehler OP—ON NP MQ cos x also von dem Falle x o abgesehen, N P <c M Q ist. Die Abscisse ON, welche den Näherungswert darstellt, lässt sich aber einfach berechnen; denn sind £ und n die laufenden Coordinaten der Tangente TU und Geraden FG, so sind die Gleichungen dieser Linien beziehungsweise :

n - A«0 = A«0 (f ~ ») und , n - a £ b

wenn man mit w OC den durch Versuche gefundenen Näherungs- wert von x bezeichnet und worin £ der dem w entsprechende verbesserte Wurzelwert ist.

Aus diesen beiden Gleichungen resultirt:

a | -r b f[w) f{w) - w) und endlich

W . f(w) ~f{w) - b

6 ~ " f(*>) + a 1 9

Man könnte selbstverständlich mit der Formel (D) die Verbesser- ung des Näherungswertes fortsetzen, wenn man £ an die Stelle von w treten Hesse.

Es wurde schon bemerkt, dass nur im Allgemeinen Q sehr nahe an M liegen wird; denn in der That sind Fälle denkbar, in welchen Q so entfernt von M fällt, dass (Fig. 2) NP MQ cos x >PC wird, also eine Annäherung nicht stattfindet, wenigstens nicht an den Wert von x, welchem 0 P entspricht. Um mittelst der Formel (D) dennoch einen genäherten Wurzelwert zu erhalten, ist es offenbar notwendig, DE noch kleiner zu machen, d. i. efn w zu wählen, welches näher an x liegt, als das durch 0 C dargestellte.

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Von dieser allgemeinen Auffassung wende ich mich zu einem besonderen Falle, indem ich annehme^ es sei a = o; so ist FO \\ OX und wenn zugleich 6 = 0, so fält FG mit OX zusammen und (D) erhält die Form:

/*(«>) rw

oder da alsdann f(z) (p(x) also f{to) =z tp (w) und f (w) <p' (w)

welche Relation die Newton'sche Näherui^gsforrael ist. Somit ist dieser Näherungswert, wie bekannt, die Abscisse des Schnittpunktes der Taugente und derXAxe, wobei, wie aus der Annahme hervorgeht, der Berührungspunkt der ersteren nahe au dem Schnittpunkte der X Axo mit jener Curve ist, welche durch q> (x) analytisch dasgestellt wird.

Man weiss ferner, dass bei dieser Methode der (schon bei der obigen allgemeinen Behandlung erwähnte) Fall eintreten kann, dass eine Annäherung an den richtigen Wurzelwert nicht erzielt wird. Zur Sicherung des Erfolges müssen daher den Grenzwerten , innerhalb welcher die <p{x) durch 0 geht, noch gewisse Bedingungen auferlegt werden. Gesetzt es wäre eine Funktion <p (x) durch die Curve A B (Fig. 3) repräsentirt, so würde x zwischen xx OMi und x, = OQ%

liegen. Durch die Newton'sche jrr j Methode würde man, wie aus der

y Figur ersichtlich, für w = xt

0 Qi einen Wert von x er- halten, der von OP sehr weit // abweicht, weiter als 0 Qr Denkt

f man sich nämlich, der Berühr-

ungspunkt Q schreite von P bis Q fort, so wird der Schnittpunkt der Tangente und der XAxe von P gegen 0 sich entfernen, y in's Unendliche hinausrücken, um

! JtJ m V .i' 8*cn dann von der entgegen-

gesetzten Seite aus unendlicher Ferne dem Punkte P.zu nähern.

Diese Betrachtung führt also zu dem bekannten Resultate, dass man die Grenzen 0 Mt und 0 Qv so enge wählen muss , um den Erfolg bei Anwendung der New- ton'schen Methode sichern, dass zwischen diesen Grenzen der erste Differenzialquotient <p' (x) sein Vorzeichen nicht ändert. Da ferner eine Curve in der Nähe eines Wendepunktes auf verschiedenen

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Seiten der dem Wendepunkt entsprechenden Tangente liegt, so müssen die Grenzen auch die Eigenschaft haben, dass zwischen ihnen ein Wendepunkt der Curve nicht liegt, also tp" (x) ebenfalls zwischen den Grenzen das Vorzeichen nicht ändert. Beide Grenzen geben im Allgemeinen verschieden günstige Annaherungen und man hat nach Fourier immer jene Grenze zu nehmen, für welche (f (x) und cp" (x) gleiche Vorzeichen haben.

II. Vorige Betrachtung gibt auch noch den Schlüssel für eine raschere Annäherung als die durch Ncwton's Methode erzielte Wenn wir uns erinnern, dass die gesuchte reelle Wurzel die Abscisse 0 P (Fig. 1 ) des Punktes M ist, dass wir an die Stelle der Curve AMB eine Gerade setzten, den Schnittpunkt Q statt M und dadurch ON statt OP erhielten, wobei die Grösse des Fehlers NP vou der Strecke MQ abhängt: ?o leuchtet ein, dass ein günstigeres Resultat erzielt werden müsstc, wenn man an die Stelle der Tangente TU den Berührkreis in E treum liease. Zum Beweise dessen machen wir die bequeme und zulässige Voraussetzung, dass FG mit der XAxe zusammenfalle, alsoa ~b o sei-

V f V <p (x), y tp (x) seien beziehungsweise die Funktionen, welche durch die Curve, den Kreis und die Tangente (Fig. 4) repräsentirt werden; xx und xt seien zwei Greuzwerte, zwischen welchen eine reelle Wurzel der f (x) Hegt,

und dieses Intervall so klein, dass f (x) und f* (x) innerhalb des- selben ihr Vorzeichen nicht ändern; ferner sei noch xt xt <C 1.

Legt man nun in einemPunkte der Curve, dessen Coordinaten xt und y, f (xt) sind, an diese eine Tangente T U und den Krümmungs- kreis für denselben Punkt, so stellen die Abscissen der Schnitt- punkte dieser beiden Gebilde mit der XAxe Näherungswerte der ver- langten Wurzel dar, während die Abscisse des Schnittpunktes der Curve mit der XAxe den wahren Wurzelwert geometrisch gibt Es soll also bewiesen werden, dass xx ~ O P immer so gewählt werden kann, dass Q W <C Q V sei.

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Es sei: PW h\ PQ = Ä0; PV = ht;

so ist

f (*i + h) = 9> (*, + *) = V (*, + Ät) = o und nach dem Taylor'schen Theorem:

f (*, + hj=f (x.) + Ä, f (*,) + *f f (*») +^ f " («,) 4~ ? + = p <*t) + h g>*(xj + -f- ? <jp'" (xj + . . .

*<*,+*,) = * (*t) + *i Y'W 4- ^ *"(*») 4- ^ V" + .

Setzen wir der Kürze halber:

», = /«,) s <j * = r (x.) = i - r w = 4,

so mnss

f = V = * M = V\ f (x,) q>' (x,) (x,) pt

f (xt) <p" (x,) = qt und endlich

*f>" (x{) = xp"1 (xj - ... o sein

Ferner setzen wir: f (xj f* und q>"' (x,) = v und erhalten

mit Ausschluss der 4ten und höheren Potenzen, sowie nach Beseitigung

der Nenner

o = 6y, •+- Op, ä0 + 3?, V + V (A)

o = 6y, + 6p, Ä + 32l + * Ä3 (B)

o = 6y, 4- 6^ Ä, (C)

Subtrahirt man die Gleichung (A) und (B) von einander, so erhält man die Gleichung

o = 6i>, (Ä0 - h) 4- 3?1 (V - **) 4- V - » ä1) Setzt man <) TF = (f h0 - A also = Ä0 - <f und führt diese Werte in die obige Gleichung ein, so ergibt sich

o = 6jp, cf 4- 3?1 (2 - if) * + /. V - » (K ~ *)3 wodurch eliminirt ist.

Ordnet man die rechte Seite nnch den Potenzen von cf, so erhält mau

o =z (f* - rj V 4- 3 (.21), 4- ?<2, *o + " V) * - 3 (4l 4- r *•)

4- r cf3

Da cf jedenfalls eine bebr kleine Zahl ist, so wird es erlaubt sein, das Glied v cf3 selbst gegen (u - v) A03 zu vernachlässigen und man hat

2 Pl 4- 25l Ä0 4- v V .

g, 4- " 3 (ffl -h^Ä0) 0

woraus* = ^^l^^A+fV ±

I/O " M)' + Ü -^XT-'V

r V 2 (3, + " ä») / T S 4- Äo

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Von diesen zwei Werten ist hier nur der kleinere brauchbar und daher nur das eine Vorzeichen beizubehalten. Um den Ausdruck deutungsfähiger zu machen, entwickeln wir die Quadratwurzel in eine Reihe und setzen desshalb:

?J>, + 2g, *o + " V X 2 (?, + y K)

_<Z 3 =: T

3 i, + " ä0

so ist:

Die Grösse r kann, weil von dem Faktor 7»03 abhängig, beliebig klein gemacht werden. Daher ist, wenn man das Glied mit dem Faktor V gegen jenes mit dem Faktor V vernchlässiget:

1 v fl

* = 3 ' 277-h2gi/to~Hrv "V V Es wird sich später herausstellen, dass pt und v stets dasselbe Vorzeichen haben; also haben auch 2j>, und v A0« dasselbe Vorzeichen

(es mag 7»0 ^ o sein), während das Vorzeichen von 2qt 7»0 mit beim üebergung von xx auf x.t wechselt. Wir schreiben desshalb :

d = 3 (2^, + J vrV^ir*. v : ' (Dt)

Dieser Ausdruck zeigt die Abhängigkeit der Strecke W Q = <f von 7t0 und lehrt, dass //„ und <f zugleich o werden.

Auf ähnliche Weine lässt sich der Zusammenhang zwischen der Strecke Q V = s = 7*, 7i0 und 7t0 ermitteln. Verbindet man nämlich die Relation (B) und (C) durch Subtraktion, so ergibt sich: o = 6 i?, (7i, - h0) 3 g, V fi V

oder o = 6 j>t « - 3 g, V P V

wodurch 7», eliminirt ist; und endlich

+ .(■)

Man sieht, dass das Vorzeichen von e nur von dem des Quotienten

^ abhängig , also für denselben Fall , beim Uebergang von xx auf x„ Pi

sich nicht ändert.

Vergleicht man die Werte von <f und e, so ersieht man, dass <f < e oder doch 7»0 immer so klein gewählt werden kann, dass der absolute Zahlenwert (auf den es hier allein ankömmt) von d kleiner ist, als von e, und es ist somit erwiesen, dass der Krümmungskreis einen genaueren Wert liefert, als die Tangente für denselben Grenzwert.

Hat man eine reelle Wurzel einer Gleichung zwischen zwei Grenzen eingeschlossen, so liefert bekanntlich nicht jede bei Anwendung der

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Newton'schen Methode eine gleich günstige Annäherung, sondern man beachtet die oben angegebene Fourier'sche Regel. Welche von den zwei ursprünglichen Grenzen xx und xg bei Anwendung des Osculationskreises einen genaueren Näherungswert liefert, lässt sich aus (D,) nicht ersehen, da man h0 nicht genau kennt, sondern nur weiss, dass/<0 <C xt xt ist, und überdiess tf noch von p, und sowie von u abhängt, und dass diese Grössen ihren Zahlenwert beim Uebergang von einer Grenze zur andern ändern

Der nächste Schritt ist die Ermittlung des Näherungswertes, also die Berechnung der Abscisse des Schnittpunktes des Krümmungskreises und der XAxe. Es sei wieder y = f (x) die gegebene Funktion und o;, einer der Grenzwerte, so legen wir in jenem Punkte, der die f (x) repräsentirenden Curve , dessen Coordinaten xx und yt sind , den Krümmungskreis und bestimmen die fragliche Abscisse. Die bisherige Bezeichnung beibehaltend sei:

& V\ j & y,

ferner o, ßt q bezüglich Abscisse und Ordinate des Krümmungsmittel- punktes und der Krümmungsradius. Durch Elimination von «, ß und q aus folgenden 4 Relationen erhält man dann bekanntlich die Gleichung des Krümmungskreises:

ist ~ ßY ■+*(*- «? = Q'

(y, - W + («i - «)» = <?'

woraus, wenn man obige Werte einführt:

(y1 + (*' - *,') - 2 [y, + - j (y - y.)

- 2 [*, - (t+J».,)||] (x - xl) = o .... (F)

als Gleichung des Krümmungskreises resultirt.

Da wir unter f (x) hier die ganze gegebene Funktion verstehen und die Gerade FG mit der XAxe zusammenfallen lassen, so haben wir die Gleichung y=o mit Relation (F) zu verbinden und diess gibt:

x* - W + y.') +■ » [* + j y, - 2 [^-(l+iv)

xx) 0

oder: + 2**, + y,* + 2 ?-±*! (y, -p, «rj + 2 (1 + P|«)

01

358

Setzt man 2 * Pl = a., so erhalt man die Form:

(x - *,)» + a, p, äj) + y,8 + a, y, = o Nun ist aber x xt die an vorzunehmende Verbesserung. Es sei diese £, also

bo erhalten wir:

f + «, P, f + (2/.' + «i Vi) = 0 * = - -g [a, P, T K(a, P,)1"- 4(ä'r+ Vi) Vi]

von welchen zwei Werten nur der kleinere Zahlenwert brauchbar ist Hiernach wird:

* = «1 - 2 [«, p. =F Kt^Ti^^^r+yJy;] (<*)

Führt man nun für o, obigen Wert ein, so erhält man:

* ~ *' " 1

{(i + p,1) p, hf vTmPT?) HT+ä? "5? «. y.i - i*t

In dem Ausdrucke (G) bedeutet a: den gesuchten Näherungswert. Da man bei der Anwendung desselben auf eine numerische Gleichung ein Resultat erhalten wird, das nur auf eine gewisse Anzahl von Dezimale richtig ist, so wird es in den weitaus meisten Fallen zulässig sein, folgenden kürzeren Weg einzuschlagen Wir schreiben (G) in der Form:

« = «, - ["•/' * Vi?!??- -"<•• + (G»> und setzen

"h*1 = <* und (a, + yt) y, = n

sowie ein für alle Mal, die durch Anwendung der Tangente gefundeneu corrigirten Näherungswerte, welche den Grenzen xt und xt entsprechen, bezüglich x\ und x\-, die durch Anwendung der Krümmungskreis* Methode gefundenen Werte, welche deuselben Grenzen entsprechen, seien bezüglich x'\ und x'\\ so ist

x'\ - [<r K«5 - n\ und wenn man die Quadratwurzel in eine Reihe entwickelt:

*», =*,-[* - e - - rs Gr;)' >1

q 1 r n v

Ä - 2^ " 2~a U~W wo in der Regel die beiden ersten Glieder genügen werden. Führt man für n und a obige Werte ein, so erhält man:

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± = -1- und JL - h*±j£ 2 c a, p, 2 c a,

daher:

X" —x °« y> ± 8l 1 rqi Vi ± y* V

oder:

Da nun xi ^ der Näherungswert x\ ist, den man für dieselbe Grenze durch die Newton1 sehe Methode erhält, so kann man schreiben ;

x". = x\ - (H)

Die Formel (G„) stimmt offenbar vollständig mit der entsprechenden Newton'schen Näh erungsformel und es ist somit ein Teil der gestellten Aufgabe gelöst.

Wir wollen von nun an die Formel (A0inl) Newton'sche Methode I, die Formel (Gt) oder (H) Newton'sche Methode II und die Formel (G) Krümmungskreis - Methode nennen.

Nun wollen wir auch v = (p,u (x) bestimmen. Behufs dieses schreiben wir die Gleichung (F) wie folgt:

+ - 2 (y, + L±^)y + 2(yi + i±^L) y,

- 2 U - (1 + ft«) ?«) x + 2 (*, - (i + *,= o

Es sei ferner zur Abkürzung:

2 («, - (1 + ft1) f p = »

und

+ *»f » yt * = *

Durch successive Diffcrenziation obiger resp. der Gleichung

y* m y-f- na; - fc = o

erhält man:

Blftttor f. <L b»y«r. Gyma.- u. B«al-6chulw. XI. Jahrg. 26

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360

und aus der letzteren Relation:

d* y d y

Da aber

so ist

(P y 6 d x1 ' d x d x* m 2 y

dx>-"> d x* - d x,

r * v d x%3 1 + 1>,*

woraus ersichtlich ist, dass das Vorzeichen des v nur von dem des p, abhängt, und da letzteres sich innerhalb der Grenzen xx und x^ nicht ändert, so gilt dasselbe auch für v.

Wie schon erwähnt, werden die Grenzen immer so bestimmt, dass der 1te und der 2te Differentialquotient sein Vorzeichen für Werte von x innerhalb dieser Grenzen nicht ändert. Durch die Vorzeichen dieser Quotienten ist nun der Verlauf der durch die f (x) repräsentirten Curve in nächster Nähe der X Axe bestimmt ; und da in Rücksicht auf die Vorzeichen bekanntlich die Fourier 4 Combinationen

[+ Pi + aJ; [- Pt - &]; [- Pi + 2.3; C+ P\ ?il

möglich sind, so ergeben sich für diesen Verlauf 4 mögliche Lagen, deren graphische Darstellung so leicht ist, dass weitere Auseinander- setzungen überflüssig sind. So lässt sich auch leicht a priori ersehen, ob die Newton'sche Methode einen zu grossen oder zu kleinen Näherungswert in einem bestimmten Falle liefert, sowie, dass beide Grenzen einen Fehler in demselben Sinne geben, was auch die Relation (£) bestätigt.

III. Bei jeder Näherungsmethode wird grosser Wert darauf gelegt, mit dem Näherungswerte auch dessen Fehlergrenze, welche wir in Folgendem mit/ bezeichnen wollen, angeben zu können. Die Verbindung der Newton'schen Methode mit der in II abgehandelten ermöglicht diess.

Wir haben bei Entwicklung der Werte c und <f vorausgesetzt, dass die Schnittpunkte der Tangente und des Krümmungskreises mit der XAxe auf verschiedenen Seiten des Schnittes der Curve und dieser Axe liegen, und diese Werte « und d positiv genommen. So oft also « und (f gleiche Vorzeichen haben, werden diese Schnittpunkte auf verschiedenen Seiten des Curvenschnittpunktes liegen, während sie bei ungleichen Vorzeichen auf derselben Seite liegen. Da nun das Vorzeichen

des e nur von dem des Quotienten ^ abhängt, dagegen das des t

im Allgemeinen mit dem des hc wechselt, so darf man nur dasjenige h,. resp. denjenigen Grenzwert nehmen, für welchen & das Vorzeichen von

bekömmt, um Näherungswerte au erhalten, die den genauen Wurzel-

361

wort einschliessen. Bestimmt man Dämlich einen Näherungswert durch die Newton'sche Methode und einen durch jene des Krümmungskreises, so wird der eine Näherungswert grösser, der andere kleiner als der wahre Wurzelwert ausfallen. Mit Hilfe der schon erwähnten graphischen Darstellung kann man leicht erkennen, welche Methode den grösseren, welche den kleineren Wert gibt.

Die hier notwendige Voruntersuchung verursacht geringe Mühe, indem es sich nur um die Vorzeichen der Werte von e und d handelt. Das Vorzeichen von s ergibt sich sofort aus jenen der Grössen jp, und ql ; was aber das des d betrifft, so kennt man bereits das von u, sowie jenes von r, indem letzteres mit dem von jp, übereinstimmt, was früher gezeigt wurde. Hat man das Vorzeichen von

* P

(2 Pi + v Äo)« + 2 gt Äo ermittelt, so erübrigt noch h0 so zu wählen, duss e und d gleiche Vor- zeichen erhalten, wobei bemerkt werden muss, dass beim üebergang von der einen Grenze zur anderen (2 pl v V) das Vorzeichen nicht ändert. Sollte es sich behufs Ermittelung des Vorzeichens der Differenz v /i um den Zahlenwert von v handeln, so wird sich in den meisten Fällen aus der Formel

v _o Pl gl'

y = o . - ; s

1 + Pi

ohne wirkliche Berechnung ersehen lassen, ob v ^ fx ist.

Man kann auf Grund des Grössenverhältnisses von $ und d die Grenzen noch enger ziehen. Wir haben gesehen, dass li^ immer so gewählt werden kann, dass d < s wird. Das heissl doch nicht anders, als der wahre Näherungswert liegt zwischen dem Näherungswerte, der sich aus der Anwendung der Newton'schen Methode II ergibt, und aus dem arithmetischen Mittel dieses Näherungswertes und desjenigen, welcher die Newtcn'sche Methode I liefert. Es sei dieses Mittel xQ = x' -f- x"

, so ist y = Xq x" die nun engere Fehlergrenze.

Ausgewählte Tragödien des Euripides. Für den Schulgebrauch erklärt von N.Weck lein. Erstes Bändchen: Medea, Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1874.

In der vorliegenden Ausgabe der Medea finden wir von dem Ver- fasser nach denselben Grundsätzen und derselben Methode verfahren, wie in dessen trefflicher Bearbeitung des Prometheus.

In dem ersten Teile der Einleitung ist in scharfsinniger und geschmack- Toller Weise die Entstehung der Argonautensage aus der poetischen

26-

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Auffassung bedeutungsvoller Vorgänge und Schauspiele in der Natur und ihre allmähliche Entwicklung und Ausbildung erklärt; daran anknüpfeud entwickelt \Y. in gedrängter Kürze das reiche Material des Medeamytbus und dessen Behandlung bei den Epikern, Lyrikern, in der Prosa und bei Aeschylus und Sophokles bis auf Euripides.

In dem der Dramaturgie gewidmeten zweiten Abschnitte folgt die Darlegung der mannigfaltigen Aenderungen, welche die überlieferte Sage von Euripides erfahren , und es wird sodann das Drama selbst in ebenso klarer als gehaltvoller Entwicklung an uns vorübergeführt. Eine ganz besondere Zierde der Ausgabe begrüssen wir hier in der schönen Beschreibung von antiken Werken der Malerei und der Bild- hauerkunst in Bezug auf Medea, so in der Aumerkung S. 11 eine Dar- stellung der Medea auf dem Kypseloskasteu und die S. 18 21 fol- genden Mitteilungen; und um den Schüler recht vertraut mit diesen das Verständniss belebenden Bemerkungen zu machen, weist der Ver- fasser auch im Commentar auf die betreffenden Darstellungen in der Einleitung zurück ; in gleicher Weise verfahrt er gegenüber den ästhetischen und scenischen Bemerkungen der Einleitung, welche er im Laufe des Commentars reichlich vermehrt oder ergänzt. Gerne vermissen wir eine eingehendere Charakteristik der einzelnen auf- tretenden Personen, wie wir eine solche in den Scbncidewiu'seheu Ausgaben des Sophokles und teilweise auch bei Schöue linden; es wird eben durch derartige Darstellungen dem Lehrer ein fruchtbares Mittel vorweggenommen, der Selbsttätigkeit seiner Schüler einen angemesseneu Stoff zu deutschen Aufsätzen vorzulegen.

Im dritten Abschnitte spricht sich W. für die Anuahme einer doppelten Recension des Stückes aus. Die zweite Recension scheint ihm unter dem Einflüsse der auf die erste Aufführung erfolgten neuen Bearbeitung des Stückes duich Ncophron ausgeführt worden zu sein

Was die Sccneric anbelangt, po weist der Verfasser nach, dass die Dekoration der Sccnenwand die Wohnung der Medea. also ein Privat- haus, darstelle, die Urchestra daher nicht als Marktplatz, sondern als ein gewöhnlicher freier Platz vor dem Hause der Medea anzusehen sei, während der Königspalast und das Haus des neuvermählten Paares weiter im Innern der Stadt liegend gedacht werden müsse. Die weitere Ausführung und Begründung dieser Ansicht ist von dem Verfasser niedergelegt im Philoh Bd. 34, S. 182 186.

Es folgt sodann die Hypotbesis mit erklärenden Bemerkungen. Sehr ansprechend ist hier S 32, Z. 15 die Acndcrung von cjg JixaiaQ^og iov iE EXXudo( jitov in atg J. eV y rov rijg 'JE. jitov.

Richten wir uuu unser Augenmerk auf die Gestaltung des Texte?, so müssen wir anerkennen, dass derselbe durch vorliegende Arbeit sehr gefördert worden ist, indem W. eine Reibe corrupter Stellen teils in überzeugender Weise emendirt, teils zu weiteren Versuchen vielfach Anregung gegeben hat. So liest man sonst v. 207 fteoxXvretä' nSuca ;/«- öovcu; Kirchhof!' setzt aul Grund von zwei guten Handschriften <T fr' «cfix«, wobei indessen der Sinn des tri rätselhaft, sowie durch Einfügung des eiusilbigen Wortes das Metrum gestört ist. W. siebt mit Recht tr' für den Rest eines Wortes an, dessen Glossem u&uca in deu Text geraten sei, und schreibt im krit. Anh. d-soxkvTtid'1 iregu nuSovoa d.h. Medea ruft die Themis an, da ihr Anderes, als geschworen worden, widerfahren. Aehn- liche interessante Verbesserungen von Stellen, deren Text durch Glosseme verdorben worden ist, lührt W. in seinen „Studien zu Euripides" S. 31 1-333

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3G3

auf. Dagegen können wir ans v. 10ß f. öijXov <T «qxv? £$(tip6utvav vitfos gegenüber nicht überzeugen , dass besondere Erklärungsversuche oder Conjektureu, wie die von Hermann, Schöne, Weil u. a. herrührenden eine zwingend*1 Notwendigkeit sind, und halten daher auch W.'s Aenderung, so methodisch dieselbe auch entstanden sein mag, für unnötig. Wir meinen eben, unter «»/^f iSttignuetw yf'ffog sei die aus dem Anfange erst sich erhebende, also aufzusteigen beginnende |Wolke zu verstehen; s. v. 60 UQZP t"?,"" xov&ditto <<iaoi Ebenso scheint uns auch die an sieb durchaus un tadelhafte Correktur des v. 234 xaxov yuQ rot r' uXytov xttxuv in exetvov y«Q mV uXytov xuxov nicht zwingend notwendig und die mangelhafte Ueberlieferung durch Brunck's Ergänzung des roiV durch tV, welche Elmsley billigt, emendirt. Was den Ausdruck selbst anbelangt , so verweisen wir für diese echt griechische Steigerung besonders auf Oed. Tijr. 1365 ei de' ri irpFopvTfQ»v tri xuxov\ x«x6v> tovr' tA«/' Oidinovc., v. 240, wo die Handschriften or« utlhaxa /(J>j- aertu ttvvtwiift haben , hat man an ot^j Anstoss genommen , und Musgrare hat oüo , 11. rwerden und Kirebhoff unuc gesetzt; W. äudert nur xQ'taE1(<l ■/«oioerat, was allerdings einen trefflichen Sinn gibt. Natürlich bat mau hier an die Beschaffenheit , an den Charakter der Person zu denken, allein es fragt sich doch, ob nicht unter dem allgemeinen ort» der genannte besondere Begriff enthalten gedacht werden kann, wofür Schöne stimmt, der auf Oed. Tyr. 414 hinweist. v. 27© möchte W im kritischen Anhang ein Qoaopnog statt evnpoooioTog geschrieben wissen. I)a aber fr tponourTos auch m pttditog Tif jiQootf »IgercN sein kann (vgl. Atsch. Pers. so glauben wir, man könne sich unbedenklich W.'s eigener Erklärung im Commentar un- schliessen, so davs wir uns das Bild eines Schiffes zu denken haben, welches dem nicht leicht zugänglichen Ausweg aus der Not zustrebt, wie nach C. W. Nauck's Erklärung das Staatsschiff in Hör. Carm. I, 14, 2 f. (fortiter oceupa portum). - v. 3;V.) f. hat Kirchhoff statt des üblichen nfofeWcry die Lesart der besten Quelle npog £evirtv hergestellt; diese Verbesserung hat W. vollendet durch Tilgung des iSevytjOtis, welches natürlich beigesetzt worden war zur Ergänzung der bei Annahme von 7ioa$fvi«v mangelhaften Construktion. Uebrigens hätte wol hier im Commentar auf den Gebrauch des Masc. atori)Q aufmerksam gemacht werden dürfen. In v. 617 ist die Verbesserung des in evident,

welches nur im Hinblick auf das vorausgehende ovre ovrt in (u^' corrumpirt worden ist. v. C35 finden wir in Rücksicht auf die Responsion ariynt gesetzt statt ore'pyoi, welches übrigens wegen des Gedankens unantastbar wäre. v. 703 liest W. aus dem hand- schriftlichen yttp , vor welchem das interpolirte pe'y steht, i'cyav uq1 heraus. v 708, der verschiedene Erklärungen gefunden hat, erfährt von W. im kritischen Anhang eine gründliche, freilich kühne Umänderung, indem daselbst proponirt wird, Xoyto ulv <nt%t, xupra tP toyoitrtt' dt'Xa zu lesen. I'ass v. 781. in der überlieferten Lesart ov% tSg Xmoiioa ein dem folgenden Gegensatze entsprechender Conjunktiv vermisst wird, dies hat Burges veranlasst, \ina otfe, natürlich mit Weglassung des folgenden offenbar aus 1060 f. inter- polirton Verses, in welchem ohnehin die Wiederholung naifas e'uovc höchst ansfössig ist, zu schreiben, und Nauck schliesst sich an; W. schreibt nun sehr ansprechend Xtnovo1 «v, was so ziemlich gleichbedeutend ist dem Xeixpovaa und worauf schon Elmsley in seinem Commentar hiudeutet. In hohem Grade beachtenswert

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erscheint der Versuch W.'s, in die schon früh in Unordnung gekom- mene 1. Antistrophe des III. Stasimons durch Ausfüllung der auch von Kirchhoff in v. 837 angedeuteten Lücke nach Ausmerzung un- passender Einfügungen Klarheit zu bringen ; W. schreibt nämlich 835 ff.: rot? \xaXXirdov r' «tio Kt](p(aov godg xdv Kvngiv xXrjCoveiv tttpvooafxivav x<ugav (xardgdsiv ij'cffc nvodg) xaranvevaai uergtceg tivilxajv. v. 847 lesen wir statt des nicht wol erklärlichen rplktov nofjniuog ^taga im Hinblicke auf die reiche Vegetation Attika's und mit Berufung auf Oed. C. 701 (oau -niuvet täu) qwrdiv 7t6finituog. ~ v. 854 ist das metrisch und grammatisch fehlerhafte ndvreg von Nauck in narrt) <r' verbessert , wofür W. , um die Wiederholung des ob aus v. 853 zu vermeiden, ndyrrj & setzt. Zu den vielen Versuchen an den Anfangaversen der 2. Antistrophe 856 59, deren allgemeiner Sinn leicht zu erraten ist, an deren sprachlicher Erklärung bis in's Einzelne aber man fast verzweifeln möchte, bringt W. folgende Umgestaltung: no&ev 9gdcog ij tpgevog rj %etgi rtxvoig aiOtv xandiav 7?f7Trr<rfi deivdv 7igoa~ ttyovaa toXuav , wobei aus einem Wortreste 7/*, der noch in einer Handschrift stehen soll und in ri überging , und Xfoei , das als Glossem anzusehen wäre , nent-aei reconstruirt ist. Wir wollen nicht leugnen, dass der gewonnene Text und die damit verbundene Erklärung etwas Bestechendes bat, zweifeln aber der dreifachen Aenderung des überlieferten Textes, sowie dem, wenn auch motivirten, doch sehr harten Hyperbaton des v 857 gegenüber, dass die Heilungs- und Interpretationsversuche abgeschlossen sind. v. 910, wo die ungewöhnliche , jedoch nicht ohne Analogien dastehende Verbindung*7r«peu77o^dJKroc aXXoiovg nooet vom Scholiasten selbst hervor- gehoben wird , zweifelt W. wegen der Stellung der Worte an der Ursprünglichkeit der Ueberlieferung und glaubt mit Heimsoetb, der (fevrcQovc, und Dindorf, der &ioua<nv statt dXXoiovg setzt, dass naQffXTioXüiyrog statt nageunoXhivri erst nachdem aXXoiovc statt des ursprünglichen Wortes eingesetzt worden , zur Tilgung des Hiatus entstanden sei ; er schlägt desshalb notxiXovg vor , für welches aus dem darübergeschriebenen dXXovg leicht dXXoiovg habe werden können. Freilich dürfte es Bedenken erregen , ob eine durch Parallelen geschützte Anomalie nur der etwas harten Stellung von noVct wegen zu einer so gründlichen Aenderung, wie die vorgenommene, zwingend sein dürfte; zudem will uns die Bedeutung des -noixiXovg (wol „wechselnd"?) hier nicht ganz passend scheinen. v. 912 finden wir sonst diXd tw XQ°vi? statt des überlieferten dXXd vvv /poVip, wesshalb W. dXXd avv /poVoj vorziehen möchte (Krit. , Anh ). Wenn ferner W. die Verse 925 32 nach Vorgaug eines englischen Gelehrten und Hirzel's nicht in der überlieferten Aufeinander- folge wiedergibt, sondern sie folgendermassen ordnet: 925. 29. 30. 31. 26. 27. 28. 32., so müssen wir ihm durchaus beipflichten; er stimmt dabei über v 93t mit ersterem nicht überein, der ihn nach 928, auch nicht mit Hirzel, der ihn (was wir im krit. Anhang vermissen) nach 925 setzt, sondern lässt ihn an seinem Platze und rechtfertigt dies voll- kommen im Commentar. v. 929 lautet meistens so: &dga?i vvv. ev ydg rcord1' fyti dijVw :iegt. Nach der überlieferten Folge der Verso haben aber 92f> und 2fi (bei W. 925, 29) als denselben Scfalusa v£gt\ dieser Umstand, ein ro häutiges Erkennungszeichen für fehlerhafte Abschrift, so- wie die in der besten Handschrift stehende Correktur des &t,o(o in &>joofiat in v. 929, wodurch das unmittelbar folgende nigi fallen muss, bestimmen

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W. , die ursprüngliche Lesart in der Weise herzustellen, dass er in den Vers Tap<pt einsetzt, das natürlich dem aus Versehen aufge- nommenen ntQi habe zum Opfer fallen müssen; wir lesen also ev yag (t1 a'uyi) juivde d-qoofjtti. v 1077 bieten die guten Hand- schriften oi'a te *Qog, die schlechteren ig *juäf, was verschiedene Conjektaren veranlasst hat; W. sucht den sowol an einem metrischen als auch an einem sprachlichen Fehler leidenden Vers, da ngoo- ßXeneiv mit npoV oder ig nicht nachzuweisen ist, dadurch zu heilen, dass er ol'a re uatdag schreibt, wobei er ngdg vuäg jfür ein Glossem hält. In v. 1110 bezieht W. die Worte daipwv ovrog tpQovdog ig "Jidyv entgegen den bisherigen Auslegungen auf die unmittelbar vorher angeführten glücklichen Verhältnisse, so dass alsdann zu

interpnngiren ist ei de xvpi?<rai, daifitav Es ist sodann

einleuchtend, dass der folgende Vers als Interpolation anzunehmen ist von demjenigen, der daiuiov in Beziehung zu to navtiüv Xa(a&tov xaxov (v. 1105 f.) als den Dämon des Todes fasste. Die sonderbare Tmesis in v. 1174, sowie die unpassende Bedeutung des blossen Wegwendens der Augen, da doch in der Pein der Schmerzen von einem Verdrehen derselben die Rede sein sollte , bestimmen W., da ohnehin and und vno sich häufig verwechselt finden, dtuf*etr(ov vno im krit. Anhang vorzuschlagen. v 1181, die zu mancherlei Verbesserungs - und Erklärungsversuchen geführt haben, sind nach W. in rjdrj d* aveXxüiv xuiXov ixnX&Qov dgdfiov Ta%vg ßndiarng rsQfiovtov av Ijnifm emendirt , wobei richtig bemerkt wird , dass ßadiaxi'ig nur den Fussgänger bezeichnet; äveXxtov , welches, um die Partikel av zu gewinnen, durch Schäfer in iXxtov verändert wurde, ist wieder hergestellt, da ja tXxtav xtSXov nicht dem rüstigen Wanderer, sondern dem Lahmen zukommt, dagegen ist av&tjnteTo mit Recht in av tjniero verwandelt, da jenes hier unpassend stünde (es bezeichnet nicht einfach „erreichen", sondern „Hand anlegen, an- greifen" , besonders in schmerzender , unangenehmer Weise , wie v.55 und 1360). Die in v. 1255 und 1265 gestörte Responsion wird gewöhnlich durch Aenderungen in beiden Versen zu heilen versacht, während doch v. 1265 nicht die geringste Bedenklichkeit erregen kann. W. sucht die Störung in oW, das er als Glosse zu dem wieder eingesetzten anigua streicht; natürlich wird im re- spondiranden v. 265 das dem versetzten and zu Liebe in mqiva oder qtQEii veränderte cpQevdiv wieder hergestellt In ähnlicher Weise sucht W. die Responsion in 1256 und 1266 zu verbessern, indem er v. 1256 auf ganz methodische Weise öeov (f ai'part nirveiv in »eov d" aipa nidoi nirveiv verwandelt, weil zu alua nlxvei in der Bedeutung „das Blut wird vergossen" nidoi oder ini yijy treten müsse, aiuan aber durch ein leicht erklärliches Versehen des Schreibers aus alpu n entstanden sei. v. 1266 schreibt er dann %6Xog ngoanirvet xai (/^o«) dvaperyg tpdvog aueißexai, da der Sinn zu a\uelßerai einen Are verlange eine Conjektur, die freilich besonders rücksichtlich ihrer sprachlichen Voraussetzung einer weiteren Erörterung bedürfen möchte. Recht gnt erscheint die Emendation in v. 1295, wo für das handschriftliche xoigdi y' W. das von dem Sinne verlangte roigd* h' schreibt. So dünkt uns auch in v. 1296 zur Verbesserung der nicht wol zulässigen Wiederholung des vi* durch a<pe der Vorschlag im krit. Anhang, nqiv statt viv zu lesen, schon wegen der Einfachheit der Aenderung gerechtfertigt v. 1333 haben fast alle Handschriften tqv adv aXaazoQ, andere mit Correktur

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des metrischen Fehlers roV oov «T* a; W. hat mit Recht den Vorschlag Weil's rtSy amv <r' angenommen, jedoch mit Weglassung des <r\ so dase der Gedanke folgender ist: „den Rachegeist der Deinen" (der für die Deinen Rache nahm u. s. w.). Sowie aber W. an nicht wenigen Stellen eigene Conjekturen teils in den Text gesetzt, teils im krit. Anh. bekannt gegeben hat, so finden wir auch fremde Vermutungen und Emendationen mit Umsicht von ihm gewürdigt und aufgenommen, v. 123 steht £;ii fxr, jbteyaXoig statt des nicht sinngemässen ei fjij /neyaXios. Wenn jedoch W. v. 140 nach Musgrave roV ut>- t/ti 'iixxoa xvQavvtov statt ö fAv schreibt, so scheint uns dies für den Gedanken durchaus nicht notwendig, der im Gegenteil durch die äussere Gegenüberstellung von o ut'y i\ 6i gewinnt, abgesehen von der Analogie in v. 594 Xexxgct ßaotXe toy ä vvv In den vielbesprochenen v 151 ff. finden wir v. 151 nach Elmsley anXaxovt alsdann nach Weil die Frage mit v. 152 geschlossen, darauf v. 153 anevaei . . . xeXevxa. v. 291 ist statt /nt'ya oxivtiv die sehr passende Emendatton Nauck's tuexaaxdyeiy aufgenommen. v. 373 ist iyijxey, das in der Bedeutung „anheimstellen, erlauben", öfter in €t(prixBv corrumpirt vorkommt, nach Nauck's Vorgang hergestellt, so auch v. 385 mit Elmsley ootfni, da Medea nur von sich redet In v. 526 vermisst Nauck zu xilQiV das näher bestimmende gijV und schreibt desshalb inti a>jy statt in ftrfq', was wir billigen möchten. v. 600 ist W. Elmsley

Sefolgt, der für o?<x£' tog fxexev^et xai aotpwxiqa tpaye£\ mit Herstellung es so häufig vorkommenden Atticismus oloP tog ftitiv£tu [xai aoqxoxcQa (puvei) ; schreibt. W* setzt nach iAitev$~ai das Fragezeichen, nach tpayei ein Kolon. v. 695 hat sich W. mit Recht durch Aufnahme von /uij nov statt des hier ungeeigneten traditionellen l nov an Weil ange- schlossen ; jedenfalls ist diese Aenderung sehr naheliegend and der Elmsley 'sehen in q yuQ vorzuziehen. v. TM ist, wie schon Reiske vorgeschlagen, statt xai Beöiy ivuuoxog geschrieben *ov . . i ; die übrigen Correkturen der Stelle sind zurückgewiesen, so ayaifioxog, welches für nichts weiter als für eine Correktnr in einer Handschrift anzusehen sei ; xai ist nach W. aus der so häufigen Vernachlässigung der Krasis entstanden, ov aber ist dadurch geschützt, dass der Gedanke als nachdrückliche Verneinung dem Xoyoig ovfißdg gegenübersteht statt xai ovx oQxotg avfjßug. v. 752 hat W. statt der metrisch fehlerhaften Ueberlieferung nach Musgrave die in mehreren Handschriften zu 746 beigeschriebene Variante 'HXiov & dyyoy aißug angenommen; wir möchten hier die Emendation des Verses durch ßadham (Vorrede zu Fiat Kuth. und Lach. p. 13) erwähnen, auf welche neuerdhgs Prinz im Philologus wieder aufmerksam gemacht hat, nämlich o/uvvfu Faiag tunttioy 'HXiov xe qptw«-. v. 82(5, wo die Handschrilten tpdyov% rpoynv und <jpoVcü bieten, ist mit Kircbboff und Nauck qpoVw gesetzt und mit xiyfru verbunden v. 899 ist fast von allen Herausgebern, auch von Elmsley, Schöne und Nauck oi/40» xaxüv verbuuden; W. zieht xaxwy mit Kirchhoff zu dem folgenden r* xtüy xexQvufie'ywy. v. 945, welchen die Handschriften dem Jason zuweisen, ist in Uebereinstimniung mit Prinz, dem auch Nauck folgt, der Medea zurückgegeben, v. 1005 der Ausruf der mit Besorgnis« gemischten Ueberraschung mit Kirchhoff und Nauck dem Pädagogen. Die Interpunktiou in v. 1087 89 naoai<n jj'ey ov- 7iavQoy dk ytvog fjiiav iv noXXaig evgoig dv i<n»g ovx unofxovdov x6 yvyyatxtov ist von Elmsley nach Heraklid. 327 evident berichtigt und natürlich das überlieferte xov'x in ovx verbessert. Das nach W.'s Erklärung wegen der Parenthese nachhinkende x6 yvvutxtSp ist, wie uns scheint, als Subjekt, navooy de yivog als Prädikat aufzufassen:

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ein kleines Geschlecht ist, höherer Bildung nicht fremd (insofern es höherer Bildung nicht fremd ist), das Geschlecht der Weiber. Statt cTV wrutf . . . t\v noXvs Xoyoq v. 1139 ist das von Weil nach dem Scbol. gewonnene dV oXxtav angenommen. v. 1218 ist W. in der Ersetzung des überlieferten andern durch dniofa Valckenaer gefolgt, wie bereits Elmsley , Fix, Härtung, Kirchhoff Eine

zu bestehen , denn der Begriff des «niaiti kann ja leicht aus dem Voraussehenden ergänzt werden ; freilich meint W. , die Erklärung in Bekk. Antcd. gr. p. 422: dis'aßi)- iaße'o&rj q inavaato , r&yq- xsy scheine gerade dieser Stelle entnommen. v. 1259 f , wo der Wortlaut f£fA' oXxtav cpovinv xüXuuav r' 'Egiyvy eine Störung der Kesponsion mit 1269 f. enthält, finden wir nach KircbhofPs resp. Heiuisötb's Herstellungsversuch in Ordnung gebracht: ?s-eA' olxwy (fnvwoav aXuov x* 'F.Qtvvy , wobei zwischen dXuoy und dem folgenden vn9 ttXaazoqwy eine gewisse etymologische Beziehung gefunden ist; einfacher ist die Umstellung in xaXmyav cpovltty t1 von Seidler, welchem Nauck folgt, aber sowol formell als auch dem Gedanken nach nicht so ganz genau entsprechend wie jene Conjektur. v. 1357 hat auch W. die sichere Correktur Kirchhofs ixßaltiy statt ixßaXsty aufgenommen

Wie sich also W. zur Aufnahme eijrner oder fremder Conjekturen fast nur vom wirklichen Bedürfnis bestimmen lässt, so scheu wir auch verdächtigten Versen gegenüber ihn mit massvoller Umsicht verfahren. So behält er den schon vom Schol. für überflüssig gehaltenen und von Brunck, Härtung, Dindorf, Weil und Nauck ohne ausreichenden Grund verdächtigten v. 87 bei, sowie auch den von Nauck für interpolirt gehaltenen v. 913. Den v 748, welchen Nauck verwirft, weil er in Jph. T. 738 sich findet, schützt W., indem er darauf aufmerksam macht, dass dergleichen allgemeine Redensarten unwillkürlich die gleiche Form annehmen, was ja zahlreiche Beispiele aus den Fragmenten beweisen. v 923, verdächtigt, weil er 1148 wiederkehrt, wird fest- gehalten, da er einmal hier ganz in die Situation pnsst, alsdann" ganz besonders, weil er, mit dem nächsten Verse verbunden, v. 1006 f. an ungeeigneter Stelle wieder vorkommt Die Bedenken Nauck's, der in v. 9(56 f. die Worte xeiva yvy avgei Sfo'c, via ivottvyei aus äusseren und inneren Gründen für t unecht hält, ignorirt W. v. 981 ist von den Worten x6atuoy avxd /epow' Xaßovaa in Rücksicht auf die Responsion Xaßovatt von Nauck gestVichen, während nach W. mit den 2 cretici die Strophe nicht auslauten könnte, und Bauer /.ußovoa, gerade wenn es fehlte, vermissen würde. Während nun letztererden respondirenden v. 988 durch titXmva ergänzt, meint W., es sei ein Wort, das mit dem* Bilde (eis byxos neaeixttt, 986) congruire, ausgefallen, etwa itdvttyQov.

Die Ansicht Nauck's, dass v. 262 und Hirzel's, dasR 305 inter- polirt sei, scheint auch W. zu teilen, und nicht mit Unrecht; er setzt sie aber ohne Klammern in den Text. So teilen wir auch gegenüber v. 698 und 699 sein Bedenken, weil zwischen letzterem und dem folgenden Vers 700 der Zusammenhang fehlt, während v. 700 sich der Zusammenhang fehlt, während v. 700 sich ganz innig als Antwort an 697 anschliesst In den v. 723 730, wo Nauck., Hirzel und Prinz durch Annahme von Interpolationen und durch Versetzungen die verschiedenen Mängel zu heilen suchen, hält W. 725 28 für ein ursprünglich am Rande beigeschriebems Ueberbleihsel aus der ersten Bearbeitung des Stückes, indem hier derselbe Gedanke ausgedrückt ist,

zwingende Notwendigkeit

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wie 723. 24. 29. 30. Während v. 786 Xcnrov rs rt&iXov ton

Elmsley, Nauck und Kirchhoff wegen geiner Wiederkehr 949 verworfen wird, verfährt W. umgekehrt, indem er denselben hier als sehr geeignet zum Verständniss des Folgenden erklärt, während v. 949, wo der Schmuck sichtbar wird, durchaus müssig und zudem als Apposition zu ddiQa « xttXXiarevsrai v 947 ungeeignet sei; wir Btimmen hierin W. vollständig hei.

Auch in Hinsicht auf richtige Schreibung verwertet der Herausgeber die Resultate älterer, sowie insbesondere der neueren Untersuchungen, zu denen er ja selbst höchst anerkennenswerte Beiträge geliefert bat. So schreibt er v 88 ei'vtxa statt ovvcxa, das, wie er in seinen curae epigr. p 36 39 nachweist, nur Conjunktion ist, während eTvsxa als epische Form von den Tragikern des Metrums halber gebraucht wurde wie fto'oc, xtivoe u. a.; ferner setzt er auf Grund seiner Untersuchungen ebend p. 33. v. 194 ^vQoyro und 196 tjvQero. In Bezug auf die Schreibung von aa>Ceiy folgt er dem ebend. p. 46 erzielten Resultat, wonach die Formen mit C das t subscriptum bekommen, die übrigen nicht; Kirchhoff schreibt durchaus dieses *, z. B. 476 und 481, Nauck und mit ihm die anderen Herausgeber, wie Bauer, vernachlässigen es überhaupt; übrigens stellt Usener (Fleckeis. Jahrb. 91 p. 238 42) die nämliche Norm wie W auf. In Uebereinstimmung mit Elmsley int v. 3W wV cf avrojc geschrieben; Nauck bat a>V <T ccvtms, Kirchhoff (6g d" arrtog und Bauer tö? tT avrwf (Buttm. Lex. S. 37). Wie schon Elmsley statt avaiteofuav v. 978 lieber ayadeauav setzen möchte, so hat W. wie anch Dindorf letztere Form mit Recht aufgenommen, dessgleichen v. 1001 uXXa nach Matthiae mit Elmsley, Klotz, Schöne, Härtung. -- v. 1073 folgt W. ebenfalls Elmsley und nimmt die 2. Person des Duals evifaifiovotTijv an, wie Nauck, der sich in seinen Eur St II, p. 57 zu Alk. 272 entschieden för dieBe Form ausspricht. Endlich ist es voll- kommen richtig, wenn 1389 uXXa <y' geschrieben ist, da ai im Gegen- satz zu der unmittelber vorher geweissngten Todesart des Jason steht.

Doch verlassen wir jetzt die Erörterung über die Verbältnisse des Textes, welche in, vorliegender Ausgabe soviel des Interessanten und Belehrenden darbieten, und wenden wir uns den erklärenden Anmerk- ungen zu. Hier tritt uns denn ganz besonders die gründliche Kenntniss des Verfassers im tragischen Sprachgebrauche entgegen, sowol im Allgemeinen als auch in Bezug auf Eigentümlichkeiten des Euripides; eine reiche Fülle von Parallelfitellen regt hier zur Vergleichung an und unterstützt die richtige und lebendige Auffassung. Wichtigeren grammatischen Erscheinungen gegenüber gibt W. teils seine eigenen kurzen Erklärungen, teils führt er Belegstellen aus Euripides oder anderen Classikern an, teils begnügt er sich mit Hinweisung auf die Grammatik selbst und zwar auf die Krüger'sche, neben welcher wir freilich im Interesse unserer Schüler auch die an den meisten bayerischen Gymnasien eingeführte Kurz'sche citirt wünschten. Was die Parallel- stellen betrifft, so sind dieselben, abgesehen von ihrem unendlichen Nutzen fnr Schüler und Lehrer überhaupt, zum grössten Teil so voll- ständig, dass sie auch ihrem Inhalte nach ganz verständlich sind , viele als allgemeine Sentenzen von noch ganz besonderem Wert; dabei begnügt sich der Verfasser nicht, aus dem reichen Material der griech- ischen Literatur zu schöpfen, sondern zieht auch Stellen aus der Medea des Ennius zur Vergleichung herbei; namentlich begrüssen wir auch die Rücksicht, welche vaterländische Dichter, sowie Shakespeare gefunden, ein Schmuck, der überhaupt manchen unserer neueren

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Classikerausgaben , so den höchst anerkennungswerten unseres Dichterg von Bauer, nicht geringen Reiz verleiht.

Wenn wir nun an die besondere Besprechung des Commentars gehen, so ■wollen wir uns hfebei auf dasjenige beschränken, was uns irgend einer Modifikation zu bedürfen scheint oder worin wir des Herausgebers Ansicht nicht teilen, v. 194 vermissen wir als nicht überflüssig zur Erklärung des Genitivs in ßiov xtQ-nvdq «xode eine Hinweisung auf Kr. II. § 47 26. A. 7, oder etwa auf Hec. 235, 1135 Aesch., Agam 115,6 da wir in dem Buche diese Methode bei bemerkenswerten sprachlichen Erscheinungen überhaupt reichlich angewendet finden, wie selbst da, wo eine derartige Hinweisung Manchem nicht nötiger scheinen dürfte z. B. v 33 zu trvtfttufof cjifft , 136 zu cvytjdofjtti aXy(Oit 142 zu ovdeyog ovdhy 7t«Qa&«\nou£vr} /ut'9oi$ , 548 zu de(£u> aoyos yeytog , 562 zu naldag &Qt'\patt4i «£/wf doptov iuäjy u. 8. w. IJebrigens lässt sich in diesem Punkte, wo der eine für notwendig ansieht, waa in den Augen des andern überflüssig ist, über das Zuviel oder Zuwenig nicht immer eine streng abgemessene Schranke ziehen. Der Tbatiacbe gegenüber, dass der Genitiv in v 284 avußtcXXerai de TtoXXd rovde detuuroq noch von keinem Herausgeber befriedigend erklärt worden ist , hätte Bauer's Vorschlag tovt' ig ddud poi oder deif*1 ort Beachtung verdient. Zu v. 383 &rtvovaa Stjoto rote iuoig 4%&qoi$ ySXaty, wo Nauck^arotV ntfX^aut vorschläut, hätten wir für den Ausdruck eine Parallele gewünscht, etwa Jon 1172. Ebenso vermissen wir zu v. 384 eine Andeutung über die Beziehung des p neyvxa/Ltf-y mit Hinweisung auf 768 v. 404 rof<r 2tovqe(ots roic r' 'idoovoc 'ydfxoig schien uns immer noch eine Schwierigkeit für eine durchaus befriedigende Erklärung zu enthalten ; denn wenn man nicht Siavyeiots geradezu als Substantiv fassen will statt liavtpidatg, wofür wir keinen Anhaltspunkt haben, so müssen wir notwendig wegen der Wiederholung des Artikels To»? mit xe an zwei Ehebündnisse oder Gattinnen denken, was unmöglich ist. Wir sind desshalb überzeugt, dass gerade wie v. 123, 1094, 1121, 1194 auch hier r' auszustossen ist, so dass zu lesen roiY Ziovyelotx; To«? 'iaoovos y«tuoi<:. Für die doppelte Setzung des Artikels verweisen wir auf Kr. I, § 50 9. A. 6 und besonders 7, sowie auf die dort angeführten einschlägigen Beispiele. Die intransitive Bedeutung von aviaxov in v. 482 «W o%ov aoi <pdog aturijoioy kann mit voller Bestimmt- heit nicht behauptet werden , wenn sie auch vom aufsteigenden Lichte statt 'dvadvvtti oder ayare XXeiy nicht gerade selten ist und hier ein lebendigeres Bild gibt. Nicht ungeeignet wäre hier als Citat Aesch. Agam. 93 und Soph. Track 204. v. 534 (xeit<o rfc itu!jg owijpmc itXri<pt(( rj didiaxug erklärt W. atartigiag als gen. compar. zu fxelfa und übersetzt „Bedeutenderes als meine Bettung wert ist (hast du empfangen)", worauf noch in der Weise leichten Conversationstones 7 didtoxug folge, so dass der Begriff, auf den es ankomme, nachdrücklich hervorgehoben werde. Allein wenn auch für eine Nachlässigkeit und Unvollkommenheit des Ausdruckes bisweilen auf die leichtere Form des Conversationstones bei Euripides hingewiesen werden darf, so scheint uns doch hier, wo die Opfer und die Belohnungen der Medea für die Rettung Jasons abgewogen werden, <x<utj?(><«? als gen. pret. zu stehen, für dessen Verbindung mit didoyni und Xctfißdyeiy u ä. es genug Beispiele gibt. Zu v. 980 dürfte sich die Hinweisung auf Aesch. Agam. 1115 noch mehr empfehlen, als die auf Bacch. 1156. Wenn auch v. 1035 ^Xtoroy mit W. auf das 1033 vorhergehende ;--itx f*e bezogen werden kann, 80 ist doch auch die Auffassung desselben

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als epexegetische Apposition zu dem ganzen Gedanken nicht zu verwerfen. Zu gesucht ist nach unsrer Meinung in v. 12r>2 f. xorlifar' i'dVrf tuv ovXnuBvav yvvuixu nah' cpoiviav rir.i'otc 7i(io<Fß«?.tiv /f'p« die Erklärung, nach welcher sich TipiV auf den in ovlopiva» liegenden Fluch („die verderhen möge, ehe sie u. s. w.") beziehen soll; ausserdem sind die beigezogenen Belegstellen Uipp. 363, Or 1364 und Hei. 229 durchaus nicht zwingend, da in der ersten der Optativ wirklich steht und das Verhältniss zu dem folgenden Satze offen daliegt, in den beiden anderen Stellen aber das im dichterischen Sprachgebrauche häutige Particip in seiner Bedeutung „Verderben bringend" auch ohne optatioiseben Sinn gefasst werden kann. Die Beziehung des Temporalsatzes ergibt sich leicht aus dem in x«rt'd\-r' Uhre liegenden Begriff des Verbindems. Mit dieser Auffassung stimmt auch die Uebersetzung des Estriol (Prob. adVerg Eclog. 6, 31) überein: Inspiet hoc facialis, priusquam fiat; prohibessis scelus. Die sehr schwierige Stelle v. 1268 70 übersetzt W. auf folgende Weise: „Verderblich für die Menschen über das Land hin fällt die Befleckung mit Vorwandtenblut , ebenso den Mördern als gottverhängtes Weh aufs Haus". Neu ist hier die Erklärung der Worte e;ii yttiny , womit die Befleckung des ganzen Landes durch den Mord bezeichnet werde und wofür W. auf den Oed. Tyr des Sophokles hinweist, und neu ist die Erklärung von owittSu 7Ni*wr« durch avt'ipdit tan nttvort* oder ovradti nirvovia s v a. tp**f** iQo rov ;iiirti. Wenn wir nun allerdings an der Erwähnung derF©ig**i welche das Miasma des Mordes für das ganze Land haben müsste, einer Barb:iriu gegenüber keinen Anstoss nehmen , wie ihn Cron in seiner Recension in der Zeitschr. für Gymnasial - Wesen XXVIII (VIII) 9*0 nimmt, da ja in dem Zusammenhange gar nicht der Gedanke liegt, als wollten die Korinthierinnen der Medea eine Hucksicht auf das L*nd nahelegen, und das eigentliche Hauptgewicht auf die Folgen des Mordes für die Mörder selbst fällt, so halten wir doch 2»^ besonders die Auffassung der Worte <rvt>w<fu r.irvoija für äusserst hart. Cron scbliesst sich in Beziehung auf die Verbindung von iti ;*«»«'' mit uidff uitra an Pflugk an, billigt aber bei W. die durch die Sfellung empfohlene grammatische Verbindung der Worte footfer virvovxu (fouoic während Bauer dieses enge Zusammengehören teilweise

löst durch die Beziehung von -lirvorxu zu ini yaiuv Cron erklärt demnach die Stelle so: „Denn schlimm ist für die Sterblichen die aut die Erde (rinnende) Befleckung mit Verwandtenblut, nämlich ein <ur die Mörder (mit dem Morde, mit der Crosse ihrer Unthat) überein- stimmendes über das Haus (derselben) gottverhängtes Leid'- Freihc» sc.hliesst auch die enge Verbindung von piuauttra iii yuitey oWJ Partien, eine wenn auch nicht einzig dastehende Härte ein (Cron citin hie für Ei 4.*.8 f.).

Zum Schlüsse unserer Besprechung machen wir noch eine Anzahl von Druckfehlern namhaft, die wol durch eine eingehendere Umschau noch leicht vermehrt werden könnte. S. 26 Anm. Z. 1 steht S. 32 Z 7 r«?, v. 87 im Text oi pir ol <fi, aber in der Anm. °l> Anm zu 142 Z 2 oxovei , 158 Anm. zu 163 f. Z. 16 fehlt vor

, , . .

uviotg der Trennungsstrich, Anm. zu 184 Z. 3 steht fpw, zu v. **• , falsch citirt. Hei 428 statt EL 483 f, v. 223 und 224 ist bei orJ »jg ntxouq Accent und Apostroph verwechselt, Anm. zu 270 Z 4 ste xaiyo'y statt xuivüv, Anm. zu 30ü Z. t av, Anm. zu 601 Z. 3 yuztio» Anm. 682 Z 6 wC> , Anm. zu 758 Z. 12 xvXovoi»y, 042 steht Anm. zu 1181 Z. 3 avttvJog und Z. 11 rn^ot^, Anm. zu

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I

steht v. 1284 statt 1201, Anm. zu 1243 Z. 4 o«, 1389 'K(W,-, im krit, Anh. ist der zu 123 citirte v. 1156 jedoufalls unrichtig, das. zu 491 steht O.U. 250 statt 256, zu 723 Z. 4 Kriuz, S. 141, 5. Absatz sollte jedenfalls nach der neuen Ordnung 929, nicht 926 stehen, zu 1252 steht Z 5 «(?«, anfgefallcn ist endlich in der Anm. zu v. 55 Z 12 und

13 ttl'-fru.lXEtUl.

Würzburg. Bergmann.

Aug. Brunne r und Joh. Ev. Kraus, kgl. Studieulohrer, Elementarbuch des deutsch - lateinischen Unterrichtes für die erste Klasse der Lateinschule (Sexta). München. 1875.

Die Verfasser dieses Elementarbuches sind von dem Bestreben ausgegangen, den Lehrstoff der lateinischen und deutschen Grammatik für die erste Klasse der Latrinschule in einem Lehrbuche zusammen- zustellen, um den Vorschriften der neuen bayrischen Schulordnung, den grammatischen Unterriebt in der deutschen Sprache in stetem Zusammenhang mit der lateinischen zu betreiben, in einer bisher noch nicht versuchten Weise zu entsprechen.

Dass die Gesetze der Mutiersprache dem Schüler erst recht zum Bewusstsein kommen, wenn er anfängt, lateinische Grammatik zu treiben, ist langst ausgemachte Sache; nur handelt es sicli darum, in welcher Weise eine Verbindung des deutschen grammatischen Unter- richtes mit dem lateinischen am geeignetsten erzielt wird uud ob der Versuch der Verfasser zu empfehlen sein dürfte, in einem Lehrbuche die einzelnen Teile der Formenlehre beider Sprachen neben einander laufend zu behandeln. Nachdem Recensent sich den Lehrgang des Buches näher betrachtet hatte, stieg in ihm die Trage auf: „Soll der in einem Buche vereinigte Lehrstoff des Deutschen und Lateinischen nach einander behaudelt werden , so dass § nach § durchgenommen wird, ohne eine bestimmte Stundeuanzahl für den grammatischen Unter- richt im Deutschen festzusetzen oder neben einander, so dass deutsche uud lateinische Grammatik in getrennten Lehrstunden getrieben werden. In beiden Fällen scheint ihm die Anlage im Principe verfehlt; denn in ersterem Kall würde durch die Zerziehung des Lehrstoffes und durch die bunte Folge der Regeln das Gehirn des erst neunjährigen Knaben, der vor kaum drei Jahren mit dem Malen des ABC sich abmühte, mit einer solchen Menge von verschiedenen Begriffen augefüllt, dass es letztere schwer verdauen wird und viel- leicht gerade die sicherere Befestigung des Lehrstoffes, welche die Teilung der Formenlehre in zwei Jahreskurse bezwecken soll, verloren gehen dürfte. Denn kaum hat der Sextaner den Unterschied der starken und schwachen Deklination im Deutschen, die nicht so ein- fachen Hegeln über die Deklination der deutschen Eigennamen, die erste und zweite lateinische Deklination kennen gelernt, so folgt bereits §. 33 der Ind. Präs. der 1. Conjugation, §. 34 der einlache Satz, §. 35 bereits die Erweiterug des einlachen Satzes §. 36 die pronomina per- tonalia. Werden in dem jungen Kopfe die Begriffe Subject, Prädicat, Accusativ-, Dativ-, Genitivobject, Apposition, attributiver Genitiv,

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attributives Adjectiv, pronomen personale etc. klar sich sondern, zumal er erst §. 37 die Adjectiva kennen lernt? Wird sich nicht die Deklination der Adjectiva der ersten und zweiten auf us, a, um und er, a, um § 40 und §. 44 die der prommina possessiva §. 45 zweckmässiger sofort an die regelmässige 1. und 2. Deklination der Substantiva anschliessen , darauf etwa der Präsensstamm von sum, die Erklärung des einfachen Satzes und der Congruenz des Prädikatsnomens folgen und mit den Unregelmässigkeiten der 1. und 2. Deklination abschliessen? In den §§. 48 ö? folgt auf einmal ziemlich ausführlich die Lehre von den Präpositionen und erst §.58 taucht die dritte Deklination auf; würden vorläufig nicht die gebräuchlichsten wie in und ex hinreichen ? Eine grosse Unterbrechung des lateinischen Unterrichtes ruft die Lehre vom deutschen Verbum hervor, das in 21 Seiten von §.92 106 behandelt wird; erst §. 106 Blossen wir wieder auf lateinisches Gebiet. Soll aber deutsche und lateinische Grammatik in getrennten Lehr- stunden betrieben werden, so ist ein besonderer Vorteil der Vereinigung des Materials in einem Buche nicht recht einzusehen, denn der Schüler wird seine Kegeln für das Deutsche, welche von lateinischen eingeschlossen sind oder die betreifenden §§. für des Lateinische aus dem deutschen Material erst herausschälen und herausklauben müssen. Halte der Lehrer im mündlichen Unterricht eine stete Wechsel- beziehung zwischen deutscher und lateinischer Grammatik fest und treibe in jeder lateinischen Stunde zugleich Deutsch, aber den Lehrstoff beider Sprachen in einem Lehrbuche zu vermengen, ist sicher nicht rätlich; es wird in den untersten Klassen ein eigener Unterricht in deutscher Grammatik in wöchentlich zwei, mindestens einer Lehrstunde nach einem besonderen Leitfaden oder einer kurz gefassten Grammatik stets nötig sein.

Wenden wir uns nun zu den einzelnen Paragraphen und sehen, welche vielleicht einer Ergänzung oder Aenderung bedürfen.

§. 2 fehlt die Verbindung des q {q) mit u (w) und dessen Aus- sprache wie kw; desgleichen sind die Interpunktionszeichen nicht erwähnt; die liegein Über deutsche Orthographie §-8 12 sind doch wol zu kurz gefasst. um dem Schüler eine feste Handhabe zu bieten; daselbst fehlt auch der Unterschied von betonten und tonlosen Silben; die Regeln über Silbentrennung im Lateinischen §. 7, 5 sind zu compliciert; §. 22 wären Paradigtnate für die deutsche Deklination sehr wünschenswert, der Vocativ im Deutschen ist daselbst gar nicht erwähnt; §. 4 fehlt das Wort Strauch; Anm. 2 ist bestimmter aazu- . geben, wann das Enduogs-e wegfällt; §. 26 fehlt der Ungar; §. 27 wäre die Vorausschickung der allgemeinen Deklinationsregeln im Lateinischen praktisch; §. 28 p. 12 a. E. warum ist Athenae nicht gleich als plurale tan tum bezeichnet, da doch § 116, p. 134 bei una castra diese Bezeichnung gebraucht wird?

Die Kegel §. 29 lautet zu unbestimmt; der Schüler muss wissen, dass ue und um Kasusendungen sind, dass den Wörtern auf er hingegen im Nom. eine solche fehlt, puer mithin der reine Stumm, bei den anderen wie ager etc. das e nur eingeschoben ist; §. 50 ist die Bedeutung von ab nicht erwähnt; §.58, 3 ist die Passung: „Neutra sind die Wörter auf a, c, c; l, n, t; ar, ur, ue sicher mundgerechter; um dem Schüler ein Bild von der Mauuichfaltigkeit der Stämme in der dritten Deklination und der bisweilen so grossen Verschiedenheit desiVow. und Gen. zu geben, wäre eine grössere Anzahl von Beispielen

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zu wünschen, etwa leo, virgo, miles etc.; §. 64 muss es heissen: c, 'Wörter auf o, l etc., da in den Uebungsstücken sich poäma, aenigma finden.

§. 66. Fragen wie calidus abgeleitet von V oder timidus von ? wird der Schaler nicht beantworten können; bezüglich der Ableitung der Wörter (§§. 75. 79. 124) dürften die Verfasser bei einer neuen Auflage ihres Werkchens die Winke nicht unbeachtet lassen, weiche in einer als Manuscript gedruckten Kecension desselben von dem Anonymus gegeben sind. §. 67, 2 vermisst man fas und nefas unter den Aus- nahmen; desgleichen 4 bei der Zusammenstellung der Masculina auf t* die gebräuchlichen faxis, vomis. §. 68 fehlt der Genitiv von turtur - turturis, desgleichen §. 71. Anm. Gen. von par pdris) §. 71 bei der Kegel über den Nom. Acc. Voc. plur. im neutrum der Adjectiva einer Endung fehlt die genauere Angabe, welche Adjectiva überhaupt einen Pluralis im Neutrum bilden; §77,1 fehlt c oh«, 2. der Formen domorum und Acc. Plur. domus ist keine Erwähnung gethan; §.81, 2 fehlt nach ss (&) das sch z. B. frisch, frischest. Entschieden vermisst man sowol im Deutschen als Lateinischen die unregelmässige Steigerung der so häufig vorkommenden Adjectiva „gut, schlecht, gross, klein", während §. 86 Anm. die unregelmässige Comparation des Adverbiums „gern, lieber, am liebsten" bemerkt ist; so findet sich §. 84, 2 der unregelmässige Superlativ derer auf ilis, die Adjectiva auf dtcus, ficus, vdlus , sind nicht erwähnt. Für die Kegeln §. 92 p. 84 „Das Ferfect, Plusquamperfect etc. desgleichen §. 99 wäre eine andere Fassung erwünscht. §. 106 p. 1U4 sind die Formen es, este von esto etc. als Imperativus Präsentis und Imperativus futuri zu trennen, was ja in W irklichkeit § 111 Anm. bei laudo geschieht. §. 108. Bei der Angabe der vom Präsensstamm abgeleiteten Formen ist 4. den Imperativ, 5. den Inf. Präsens, 6. das Particip Präsens besonders aufzuführen überflüssig, da dieselben als Modus- und Nominalformen des Präsens unter 1., das Präsens Activ und Passiv, mit einbegriffen sind; desgleichen § 109, 1. Anmerkung; §. 111 ist der Modus Imperativus den Tempora Präsens, imperfect und Futur coordiniert; §. III, p. 112 fehlt bei laudaturus, und beim Inf. fut. die deutsche Bedeutung, so auch §. 113 p. 129 bei hortatus, hortatum etc. §, 112 p. 119 a aber bloss vor Con- sonanten fehlt mit Ausnahme von h; §. 118 ist der AOL des refle- xiven Pronomens se gar nicht erwähnt, obwol p. 154 Uebungsstück 273 Anm. 2 es heisst: „Auch an se wird cum angehängt". Schliesslich sei noch der Quantität Erwähnung gethan, welche in einer neuen Auflage mit einer grösseren Präcision und (Jonsequenz durchzuführen ist.

So ist z. B. §. 31 und § 32 allein lux die Endung des Gen. plur. dieselbe bemerkt; ebenso ist §. 106 die Quantität zwar für das futur. exaetum fuero angegeben, nicht aber für fueram, fue'rim; sie fehltauch §. 74 bei laudabas , laudabat, laudabant; es möge noch eine Anzahl von Wörtern lolgen, bei denen sie ohne Grund mangelt. §. 55 p. 38 äpud, 39 prope, penes, pöne, circiter §. 57 p. 40 habCto §. 58 p. 4 2 ist bei dolor die Quantität im Abi. Sing, und Pluralis nicht durch- geführt; §. 60 p. 44 Carthago , unägo, origo, probt tas , 45 preces, fltro, Cicero, §. 63 p. 47 titer, p.48 cZhors, §. 64 p. 49 eöttr, röbur, decus, sidus, opus nennen, §. 65 p. 50 vectigal, §. 66 p. 51 öris, äcer der Ahornbaum im Gegensatz zu äcer, acris, acre, §.69 p. 56, § 67 p. 53 etnis , cälix, pävo} stTpes, sflex, p. 54 acutus, §. 69 celer, püter, §.71 p. 59 dives, vetus, locüples, p. 60 vehemens, §. 74 p. 62 fügo; §. 75 p. 63 öro, orator, p. 64 firmitas, firmitüdo, infirmitas, judCco, §. 76 p. 66 nurus, genu. §. 77 p. 67 t diw, §• 79 p. 70 bei denen auf Ctas,

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p. ~4odorifer, §. 106 p. 103 si'tis, § 112 p. 118 laudäri, §.113 p. 129 gratulor, § 1 14p 131 unus, pn »n/s, novem, nonus, dlctmy §. 116 p. 135 ditörum, duärum, duöbus etc , §. 123 b. Tdem Zeile 17 v. u., §. 124 p. 146 dmo, uro, cino, cena, labor, tütor, tütus, p. 158 rapidus, Situs, cadüver, sSlum, p. 159 vägor, cuptdus, räna, sedes , plcnus , exclämo, itdque, alienus, viridis u. s w.

Grosse Vorzüge de3 Buches liegen dagegen in der Reichhaltigkeit and Mannichfaltigkeit des Uebungsstoffes, der, wenn er auch nur zum grösseren Teile von dem Sextaner durchgearbeitet wird, eine grosse Sicherheit im Treffen einzelner Formen sowol , als Gewandtheit in der Construction des Satzes erzielen muss. Besonders ist nach der Durch- nahme des Verbums in den Uebungsstücken, welche erweiterte Sätze enthalten, fortwährend auf gründliche Hepetition des früheren Lehr- stoffes Bedacht genommen. Instructiv sind § 12 p. 10 die Uebungen über deutsche Eigennamen; desgleichen § 53 die über Verbindung von Präpositionen mit ihrem Casus, ebenso §. 66 Uebung 89; zur Erlangung grösstinöglichster Sicherheit in den Formen des Verbums sind die Bestimmung von Genus, Tempus, Modus, Numerus und Person einzelner Formen und umgekehrt die Bildung deutscher und lateinischer Formen nach angegebenem Tempus etc. wie §. 105 § 111 Hebung 192 §. 112 Uebung 220, 221 und an anderen Orten sehr fördernd; des- gleichen die Verwandlung von Aktivformen in die entsprechenden Passiv formen und umgekehrt wie Uebung 197 sqq. Durch die Um- wandlung von Aktivsätzen in Passivsätze und umgekehrt wie in den Uebungen 202 etc. wird der Schüler Gewandtheit im Construieren des Satzes erlaugeu ; praktisch sind auch die Uebersetzungen der römischen Zahlzeichen in die entsprechenden Cardinalia und Ordinalia Ueb. 248; überhaupt ist für Numeralia reiches Uebungsmaterial geboten.

Die Regeln, besonders im Lateinischen, lehnen sich vielfach an die Englmann'sebe Fassung an und sind kurz und praktisch zusammen- gestellt — §. 6 ist beim Ablativ neben der Fragestellung wovon? auch die von wodurch? womit? mit Recht erwähnt. Recht fasslich sind die Regeln über die Deklination der deutschen Substantive, besonders der Eigennamen z. B. §. 22. 4. Anm 1 bei Englmann § 18. 1. passen die Wörter Geist und Leib nicht für die dort angegebene Regel ferner § 24. a. 2. 5; einfacher ist es auch, die Wörter auf o §. 58, 2 der Hauptgenusregel für die Feminina einzuverleiben und §. 67 als Ausnahmen auf o die Tiernamen und die wenigen carbo etc. anzu- führen ; lobenswert ist ferner die Einfügung der Bildung der von Adjectiven abgeleiteten Adverbia, sowie die Angabe der gebräuchlichsten Adverbia des Ortes, der Zeit, der Art und Weise, unmittelbar vor dem Yerhura, die in Englmann's Elementarbuch gänzlich fehlen; schliesslich sind bisweilen eingestreute Bemerkungen und Regeln recht brauchbar, wie § 6 4 Anm. über die Trennung des Dehnungs-A; p. 15 a. E. *) „Wie können etc." so später der Hinweis wie im Lateinischen zusammen- gesetzte Hauptwörter, wie Taubenpaar, Landtier, Bürgerkrieg, Reiter- treflen etc. zu übersetzen sind; §. 56 der Unterschied wenn mit durch cum , wenn es durch den blosen Abi. übersetzt wird; §.67p. 54 unter Uebung 95; §. 82 a. h. „der Comparativ wird im Lateinischen auch dann gesetzt etc."; §. 112 p. 118 die Uebersetzung von laudare, lauda- miui mit lass dich loben, lasst euch loben 1 statt „werde du, werdet ihr gelobt 1" §. 116, p. 135 3. 4. 6 die Bemerkungen über den gen. plur. bei millia. den Acc. auf die Frage wie hoch? etc. die Uebersetzung des deutschen im Jahr 1870 etc. ; Regeln , welche zwar der Syntax

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vorentnommen sind , jedoch sehr gut für den erweiterten Satz ver- wendet werden können.

Als Druckfehler seien erwähnt :

§. 27 tbÜ8 statt Tbu8 bei der vierten Deklination, im- statt m

§ 37 Anm. Nom. und Acc. statt Mask. und Neutr.

§. 72 p. 61 erant statt eränt.

§ 102 p. 9j flicht statt fliecht.

§. 112 p. 118 laudare statt laüdare; vor laudamini fehlt P.

§. 113 p 127 vor hortumini fehlt P.

p. 177 viola statt w'oJo.

p. 179 libido statt Zt&ärfo.

p. 180 itäqwa statt itaque.

p. 184 tepM* statt delus .

p. 187 rt/acer statt a/äecr.

p. 193 res familiäris statt familäris. . p- 195 mdüc, »et* statt ici«, tempus, oris statt öri>, cunetatio, önis statt oni«, veettgal statt vecttgal.

Aus dem Gesagten erhellt, dass das Werkchen der Verfasser recht gute Seiten hat und dass es sicherlich dem Lehrer der ersten Latein- klasse durch sein reiches und vielgestaltiges Material, welches ihm das zeitraubende Diktieren von Uebungsaufgaben erspart, viel willkommener und handlicher wäre, wenn der Lehrstoff für den deutschen Unterricht ausgeschieden wäre und das Werkchen in zwei Teile zerfiele :

1) Leitfaden für deutsche Grammatik mit Uebungsaufgaben.

2) Deutsch -lateinisches und lateinisch - deutsches Elementarbuch.

Wunsiedel. E Lange, k. Studienlehrer.

W. Härtel, Homerische Studien I - III. Wien. 1871 -- 74. in Commission bei Karl Gerold's Sohn. [Aus den Sitzungsberichten der phil.-hist. Classe der kais Akademie der Wissenschaften April 1871, März und October 1874. (LXVIII Bd. S. 383 ff. - LXXVI Bd. S. 329 ff. und LXXV11I Bd. S. 7 ff.) besonders abgedruckt.] 8. 86, 48 u. 84 SS.

Die Statistik ist sozusagen die Modewissenschaft unserer Tage. Sie ist etwas sehr Schönes und etwas sehr Hässliches , je nachdem sie mit voller Umsicht, Unbefangenheit und Unparteilichkeit gehandhabt wird oder nicht. Mit gutem Recht wird die statistische Methode in ihrer ganzen Peinlichkeit mehr und mehr grammatischen Studien zu Gruude gelegt, ja sie liefert allein diesen die sichere Grundlage. Wer solche versteht uud Geschick dazu hat, der wird trotz aller früheren Forschungen noch immer überraschende Schlüsse gewinnen. Das sieht man bei W. Härtel, wenn er in seinen „Homerischen Studien" die von ihm angelegten reichhaltigen Tabellen homerischen Sprach- gebrauches auslegt.

In seiner I. Studie (1871) hat H. nach Besprechung der früheren Literatur über die Erscheinungen des Hiatus und der Längung kurzer Silben dargethan, dass die Längung kurzer Silben im homerischen

Blitter f. d. bajrer. Oymn.- u. Re»l -Schulw. XL Jahrg. 26

r^initi7p<i h\/ C-iOOO

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Verse vor den mit k tu v p <f ? beginnenden Wörtern ihren Grund in der Beschaffenheit des nachfolgenden Anlautes hat, sofern bei einigen Wurzeln ein zweiter vorausgegangener Anlautsconsonant , verloren gegangen, oder insofern die Dauerlaute selbst einst mit einem besseren Lautgehalto ausgestattet waren, wodurch sie Positionslange zu bewirken vermochten, aber zur Zeit der Entstehung der homerischen Gedichte schon nicht mehr immer bewirkten und jedenfalls zu dieser Wirkung zumeist des Schutzes fester Former; und ausnahmslos der unterstützenden Hilfe der Arsis bedurften. Diese „Altertümlicbkcit" bat sich im Laufe der Zeit, wie Hesiod und die Hymnen ausweisen, nicht etwa auf dem Wege falscher Analogieen erweitert, sondern an ihrem ursprunglichen Gebiete verloren. Eine kleine Anzahl von Verlangerungen vor nicht - liquidem Anlaut findet ihre befriedigende Erklärung in der Natur der Endungen. Fernerhin wird der Begriff „mittelzeitig" gegen L Bekker in Schutz genommen, insofern die Arsis Vokale, welche einmal laug gewesen, nachdem sie diese Eigenschaft in der Ausspruche verloren, noch als solche zu erhalten vermag auch ohne Eiurluss einer Inter- punktion. Die Interpunktion findet sich, abgesehen von den Veraendeu, gern mit den beiden Haupt - und den wichtigsten Nebenciisuren zusammen (spki Ii Ii innerhalb der zweiten Vei sbälfte), weil dieselbe im gesprochenen oder gesungeneu Vers ein, wenn auch kleines, so doch merkliches Innehalten der Stimme erforderte, wodurch ein Zeitverlust gegebcu ist : daher erscheinen in diesem Fall auch in der Umgebung möglichst wenige Consonanten. Und so kommt es, dass auch entschieden kurze Silben bei folgender Interpunktion in die Arsis gestellt werden Darauf- hin werden die einzelnen Endungen, welche also vorkommen, geprüft.

Der II Artikel (im Märzbett 1874) geht dazu Uber, auf Grund sehr ausführlicher Verzeichnisse und Tafeln neuerdings die Erscheinungen des Hiatus und Verwandtes nach den Bedingungen ihres Vorkommens zu prüfen. Dabei zeigt sich, dass in der That die Arsis oder etwas an der Arsis Haftendes die wesentlichste Bedingung für Erhaltung der Länge sei, wann eine mit vokalischem Anlaut zusammentreffende, auslautende Länge oder Kürze als Länge in die Arsis zu stehen kommt, wobei abermals die Interpunktion teilweise und unterschiedlich Hilfe leistet. Auf die grammatische Funktion der Endungen, welche C. A. J. Hoffmann wirksam finden wollte, kommt es nicht an, wol aber neben der Festigkeit des Vokals in erster Linie auf die Betonungsfähigkeit, die Fülle der Betonung, welche die Wörter vermöge ihrer Bedeutung stets besitzen oder im Zusammenhang der Hede vorübergehend erhalten. Im allgemeinen vermag die Kraft der Arsis jeden vokalisch langen Auslaut, mag dieser der Auslaut eines Nomens, Verbums oder einer Partikel sein, in seiner Quantität zu erhalten, indem sie das Zusammen- sprechen mit dem nächsten Vokal die Bedingung der in der Thesis stattfindenden Verkürzung hemmt. „Das Wesen der Arsis ist Ton- verstärkung, bewirkt durch Verstärkung des Ausathmuugsdruckcs. Der verstärkte Ton wirkt durch die für das Aussprechen eiuer Länge erforder- liche Zeit". Ein folgender Consonant begrenzt diesen Kraft- und Zoit- Aufwand „Folgt kein Consonant, so liegt der Höhepunkt der Arsis im Verlaufe des langen Vokales, der gegen den folgenden vokalischen Anlaut durch Verschlussbildung abgegrenzt wird, indem wir „,vor jedem an- lautenden Vokal den Kehlkopf verschliessen, so dass unter der grösseren Spannung der Ausatbmungsluft, welche biedurch bedingt wird, die Stimmbänder prompt anlauten!"' (Brücke). Das ist Hiatus in bester Form. „Die Arsis verweigert also keinem der langen Vokale und Diphthonge ihren

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Schutz, allein sie nimmt nicht alle Träger derselben, nicht alle Wörter gleich gerne auf". In der Thesis , wo so ungemein häufig ein langer Vokal oder Diphthong vor vokalischem Anlaut erscheint, schrumpft zwar die prosodische Länge in der über- wiegenden Mehrzahl der Fälle unter dem Einflüsse des vokalischen Anlautes zur Kürze zusammen, aher die verschiedenen Ausgänge sehr verschieden und ungleich, die Ausgänge «*, 01, et, ov, sehr häufig, die Ausgänge /?, r„ w, m höchst sparsam. Den Grund für die unverhältnis- mässig häufige Kürzung jener vier Ausgänge erkennt Härtel in ihnen selbst, in einer Eigentümlichkeit derselben, und zwur in dorn zweiten Bestandteile dieser Diphthonge, „in i und v, welche Im Flusse der Rede sich willkürlich jenen labialen und palatalen Reibungsgerftuschcn näherten oder in sie umsetzten, welche die homerischen Gedichte uns noch in grossem Umfang als lebendige und dem Munde der Sänger geläutige Töne zeigen".

Den Beweis für diese Behauptung erbringt das III Heft, indem es zunächst von allen verwandten Erscheinungen im Innern des Wortes ausgeht. Es wird wahrscheinlich gemacht, dass noch in homerischer Zeit und darüber hinaus neben dem i ein j sich erhielt und beide Laute einander vertraten, und dass dasselbe er.- 1 mit der eintretenden Spaltung der griechischen Sprache in Dialekte zu verklingen begann. Nachdem dann auf die bekanntere analoge Verwandtschaft und Abwechselung zwischen /* und v hingewiesen ist, werden solche Beispiele vorgeführt, welche die Erklärung einer Reihe bisher nicht genügend erkannter prosodischer Erscheinungen hei Homer an die Hand gehen, um auch hier ausdrücklich das angebliche homerische Recht zu bekämpfen, die Quantität der Vokale beinahe unbedingt nach Bedürfnis des Verses zu bestimmen. Z B. an-ovgag identifiziert sich mit ano-fot«; von W. fQa, oder l/=rrcf£ hat in der an ev ä&e anklingenden Schreibweise tvttde seinen ursprünglichen Lautwert gerettet. Also «, f, o erhalten vorübergehend durch den Einfluss der anstossenden Consonanten die Geltung einer wirklieben Länge. Wie aber Consonantengruppen über- haupt bald von dem vorausgehenden Vokal sich attrahieren lassen und Position bilden, bald von dem nachfolgenden und nicht Position bilden, so unterliegt insbesondere f der Attraktion bald des vorausgehenden, bald des folgenden Vokals (z. B. af-iov, ä-fiop) und erzeugt so den Schein einer Beweglichkeit der Quantität der Vokale. Digamma im Anlaut des Wortes oder der Silbe tritt uns bei Homer fast durchweg in seiner consonantischen Natur entgegen. Nach allen Umständen scheint in der diphthongischen Natur der sonst so leichten Endungen oi, 01, et, ov etwas gelegen zu sein, was den Hiatus milderte, so dass man nicht den Diphthongen als solchen , sondern nur den ersten Vokal mit dem betreffenden Spiranten sprach.

Schliesslich werden die Fragen über die Natur des Digamma von neuem aufgenommen, insbesondere ob dasselbe vor sich Elision gestatte, und ob es jede consonantisch auslautende kurze Silbe zu längen ver- möge Gemäss einer gewissenhaften Tabelle aller zweifellos digamraiert anlautenden Wörter und ihres betreffenden Vorkommens wirkt Digamma teils auf Arsis teils auf Thesis im Ganzen in 3354 Fällen, und zwar wird hauptsächlich betont, dass man, da W. o<pe ein Gebiet für sich bilde, bis jetzt eine sichere Regel nur so formulieren könne: „Digamma vermag consonantisch auslautende Silben nur in der Arsis zu längen, in der Thesis bleiben sie kurz". Digamma hat aber immerbin „für einen geläutigen und kräftigen Laut der homerischen Sprache zu gelten, für

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so kräftig wenigstens, als seine zum Vokal hinneigende und in diesem Austausch flüchtige Natur ihm zu sein gestattet". Bei den äolischen und aolisierenden Dichtern fungiert das Digamma ganz wie bei Homer.

Es liegt in der Natur solcher Studien, dass sich die hübschen Detail- Resultate in einer kurzen Anzeige nicht besprechen, nicht einmal erwähnen lassen An der exacten und selbstloseu Forschung Härtel'* kanu man nur seine Freude haben, wenn man auch nicht allen Aussprüchen zustimmt.

Würzburg. A. Riedenauer.

Adelmann, praktisches Lehrbuch der französischen Sprache zum Schul- und Privat- Unterricht. Nach einer neuen, leicht fasslicheu Methode mit besonderer Rücksicht auf Anfänger verfasst. L Cursus, dritte vermehrte und verbesserte Aufluge, II. Cursus, München 1872,75. Lindauer (Schöpping).

Der Unterricht in der französischen Sprache an einem huma- nistischen Gymnasium soll sich einerseits in systematischer Behandlung genau an die übrigen sprachlichen Disziplinen anscbliessen , anderseits soll er doch auch die Schüler praktisch soweit führen, dass sie bei ihrem Abgange von der Anstalt einige Gewandtheit in der Conversation besitzen. Um dies erreichen zu können, muss bei den wenigen Stunden, die auf das Französische verwendet werden, die Methode ganz vor- trefflich d h. so beschaffen sein, dass der Schüler gleich Antaugs Lust und Liebe zu diesem Gegenstande gewinnt, indem er wahrnimmt, dass er das Erlernte sogleich praktisch verwerten kann , und indem sein Gedächtnis» nicht der Reihe nach mit einer grossen Masse von Regeln und Wörtern überladen wird.

Nach solchen Grundsäuen ist Adelmann's Lehrbuch verfasst; dess- halb muss der unparteiische Beurteiler anerkennen, dass dasselbe zu den bessten unter den an den Studienanstalten eingeführten Lehr- büchern gehört, ja dass es vielleicht das passendste und praktischeste ist Denn im I. Ours werden dem Schüler in kurzen Lektionen nur so viele Regeln und Wörter geboten, dass er sie leicht im Gedächtnisse behalten kann ; dazu sind die Wörter vorzugsweise dem geselligen Leben entnommen und eignen sich ganz besonders zu einer leichten Conversation ; um diese zu ermöglichen , ist teilweise nach der cal- culirenden Methode Einiges aus später zu behandelnden Kapiteln bei- gegeben, was zur Bildung kleiner Satze, zu Sprechübungen in einfachster Form durchaus nötig ist. Denn diese Uebungen müssen baldigst beginnen, wenn sich das Ohr des Schülers an die Töne der fremden Sprache gewöhnen , wenn derselbe überhaupt bald zum Sprechen gebracht werden soll. Weit entfernt also, dass dieses Lehrbuch wegen der im Anfange teilweise eingehaltenen calculirenden Methode mit Rücksicht auf das an humanistischen Gymnasien herrschende System getadelt werden müsste, verdient es vielmehr gerade desswegen den Vorzug, weil es, aus der Praxis hervorgegangen, ebenso dem praktischen Bedürfnisse, wie der systematischen Behandlung Geuüge leistet Dass aber durch diese Methode dem Schüler der erste Unterricht erleichtert wird, das wird derjenige gewiss nicht tadeln, der die

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guten Fortschritte bemerkt, die beim Unterrichte nach dieser Methode rasch erzielt werden, da er zugleich anerkennen muss, dasa in den folgenden Teilen des Lehrbuches das ganze System der Etymologie und Syntax in der vollständigsten Weise entwickelt wird.

Zur Begründung des Gesagten folgt eine kurze Darstellung des in beiden Cursen bebandelten Stoffes I. Curaus, 1. Abteilung bietet vor Allem Regeln Ober die Aussprache des Französischen und zwar so vollständig und so treffend, wie sie nur derjenige verfassen kann, der als geborner Deutscher das Deutsche genau kennt und zugleich so lange in Frankreich gelebt hat , dass ihm das Französische zur zweiten Muttersprache geworden. In den ersten Lektionen werden dem Schüler leicht zu merkende Wörter mit dem Praesens von avoir eboten; dadurch wird schon in der ersten Stunde ermöglicht, kleine ätze zu bilden und das Sprechen zu üben. In den folgenden Lektionen kommen de und d zur Anwendung, um den Genitif und Datif der Hauptwörter ohne Artikel zu bilden , während die schwierigere Deklination des bestimmten Artikels erst folgt. Denn in den ersten Teilen des Buches ist nur das Leichteste behandelt, das Schwierigere aufgespart.

Es folgt nun die Bildung der Mehrzahl, der Teilungsartikel, das Zahlwort von I 20, das Adjectif, einige Fürwörter, das Präsens von ttre, der Indicatif der übrigen Zeiten von avoir und etre, die Verneinung und die einfachen Formen der I IL und III (= IV.) Conjugation; denn zur Vereinfachung wurde die Conjugation der Verba auf oir, die der Franzos als regelmässige Conjugation aufnimmt, hier ausgelassen und zu den unregelmässigen gerechnet, weil sie wegen der vielfachen Veränderungen des Stammes der Zeitwörter weniger zu den 3 regel- mässigen Conjngatio^cn , die ihren Stamm nicht verändern, als zu den unregelmässigen passt. An diese schliessen sich die persönlichen Für- wörter, Zahlwörter. Ergänzungen zu der regelmässigen Conjugation, die passive und reflexive Form. Die behandelteu Wörter und Regeln werden durch zahlreiche Uebungsbeispiele wiederholt und den Schülern so oft vorgeführt , dass er sie leicht im Gedächtnisse behalten kann. Diese Wiederholung des Vorausgegangenen wird dem Schüler in diesem Buche vollständiger geboten, als in jedem andern.

I. Cursus 2. Abteilung enthält die unregelmässigen Zeitwörter, aber nur stufenweise, indem die leichteren und gebräuchlicheren, nach Conjugationen eingeteilt, immer nur in solcher Anzahl gelehrt werden, dass sie der Schüler auch verdauen und durch hinreichend gebotene üebung fest einprägen kann. Dazu werden schwierigere Regeln über Fürwörter, unpersönliche Zeitwörter, überBilduug des Femininums der Eigenschaftswörter, über Neben-, Vor-, Binde- und Empfindungswörter eingefügt, so dass hiemit die Formenlehre abgeacblosst n wird. 15 Kr- zählungeu zum Uebersetzea in das Deutsche sind nach Inhalt und Korm genau dem bereits behandelten Lehrstoffe angepasst, so dass sie der Schüler leicht übersetzen kann; den Scbluss bildet ein alphabetisches Verzeichmss der unregelmässigen und mangelhaften Verben mit Angabe der 4 Stammzeiten und der Abweichungen von denselben.

II. Cursus 1. Abteilung. In dieser werden die leichteren und notwendigeren Regeln der Syntax in systematischer Ordnung vorgeführt, nämlich: Wortstellung, Artikel, Hauptwörter, de und d mit und ohne Artikel, Eigenschaftswort, Zahl-, Für-, Neben-, Vor-, Binde- und Empfindungswort; dann die Zeitwörter, Rektion derselben, Regeln über

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Jmparfait, Difini , Subjonctif, Infinitif, Participe. Daran reihen sich 4 französische, 5 deutsche Krzählungen zum Uebersetzen.

II. Cursus 2. Abteilung ergänzt ausfühl lieh die erste \bteilung und bietet Alles, was zur genauen Kenntnis» der Sprache gehört. Besonders ausführlich findet man die Stellung der Eigenschaftswörter, die Neben- und Vorwörter, die Uebereinstimmutig des Zeitwortes mit seinem Subject, die Verneinung, die Folge lier Zeiten, S'ubjoncHft Infinitif und Participe passe. Dazu kommen 3 zusammenhängende französische und 3 deutsche Erzählungen. Ueber die in beiden Ab- teilungen des II. Curs enthaltenen Wörter ist jeder Abteilung ein alphabetisches Verzeichnis* beigefügt; den Schluss des ganzen Buches bildet ein alphabetisches Sachregister über den Gesamintinhalt der Grammatik.

Soviel über Inhalt und Form des Werkes ; wenn ich nun auch mit der Methode vollkommen einverstanden bin und die gründliche Be- handlung des grammatischen Teiles, sowie die Reichhaltigkeit und sorgfältige Auswahl der Ucbungsbeispiclc anerkenne, so muss ich doch den Verfasser auf Einiges aufmerksam machen, was bei einer neuen Auflage geändert werden dürfte:

1) Bei den deutschen Eigennamen z. B. I. Curs p. 23 dürfte der Artikel besser wegfallen, Karl, Karnline statt: der Karl, die Karoline.

2) Wenn sich derjenige auf ein vorhergehendes Substantiv bezieht, tritt dafür der, die, das ein z. B. I, I p. , 30 derjenige deines Freundes etc.

3) Die Stammzeiten sind erst hei den unregelmäßigen Verben angegeben; wenn auch die regelmässige Conjugatit.n ohne Stamm- zeiten gelernt werden kann, so dürfte sich doch empfehlen, diese Stamm- zeiten gleich bei Lektion 52 des I. Curs p. 131 anzuführen, damit sich der Schüler dieselben fester einprägen und dann bei Behandlung der unregelmässigan Verba sicherer vorgehen kann.

4) l>a der 11. Curs vollständig systematisch geordnet sein soll, werden die von Lektion 23 de?» II. Curs p. 79 ff. behandelten Verba besser vor die Nebenwörter p. 04 gesetzt; das Nämliche gilt für die 2. Abt. dieses Curses

5) Ebenso wie am Schlüsse jeder Abteilung des II Curses sollte auch jeder Abteilung deB 1. Curses ein alphabetisches VVürter- verzeichniss angefügt sein, damit der Schüler, besonders der schwächere, ein oder das andere Wort, das er trotz aller Wiederholung vergessen hat, schnell nachschlagen kann.

6) Die Wörterverzeichnisse und das Sachregister bedürfen vielfach der Vervollständigung, z. B. II, 2 p. 380 besetzt, enrichi fehlt garni, wie es Nro. 179 übersetzt wird, p. 388 fehlt sich einbohren se fixer, entreissen = enlecer, p. 389 Erbprinz

prince hereditaire , p. :191 halb geschwellt ä demi en/lz, heraufbeschwören evoquer, p. 392 hohe Schule academie, p. 395 Pelias eschene i'elias = frene de Pelion, p. 399 zu umgeben -- entourer fehlt environner zu Nro. 159, Vergleich - Convention, p. 400 zu versetzen = transporter fehlt repliquer zu

Erzählung IV, p. 401 wag»-n tenter Nro. 175 und = riaquer

Nro. 304 etc. Denn im Sachregister p. 405 zu aller, aller au devant verschieden von d la reconlre 11,284, nach apercevoir fehlt Apposition mit und ohne Artikel 11, 12 n. 208; nach changer fehlt chaque ver- schieden von tout II, 265; p. 401 fehlt devant, aller au devant U, 284;

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nach en gehört entgegen gehen II, 284: nach il y a fehlt il est ver- schieden von c*est 11 254; p. 405 vor la plupart gehört langer als I, 160 etc.

Wenn ich nun Adelmann's Grammatik mit anderen vergleiche, so komme ich zu folgendem Schlüsse: Erstere enthält einmal deu gramma- tischen Teil so vollständig, dass beim Unterrichte weder Ergänzungen, noch viel weniger eine zweite, Grammatik neben jener notwendig wäre; dann bietet sie soviele Uebungsbeispiele. dass sie zur Einübung der Regeln nicht nur vollständig ausreichen, sondern dass der Lehrer auch mit denselben mehrere Jahre abwechseln kann , um das Cursiren geschriebener Uebersetzungen möglichst zu verhüten Dagegen bieten die bisher gebrauchten Grammatiken teils den grammatischen Teil so unvollständig, dass z. B. im vorigen Jahre an U Gymnasien 2 von einander ganz verschiedene Lehrbücher in den einzelnen Klassen nach einander genommen werden mnssten ; dadurch muss der systematisch« Unterricht offenbar leiden; abgesehen davon, dass manche wie Ahn und Machat sich überlebt haben; teils enthalten sie so wenige Uebungs- beispiele, dass viele Regeln in denselben gar nicht berührt werden, wesshalb der Schüler sie nicht behalten kann; andere Regeln kommen höchstens einmal in den Beispielen vor, wodurch der Lehrer genötigt wird , die nämlichen wiederholen zu lassen Aber die bedauerliche Folge hievon ist, dass die Schüler diese Beispiele zwar auswendig lernen, dass sie aber nicht in den Stand gesetzt werden, Sätze mit anderem Inhalt und in anderer Form zur Einübung der nämlichen Regeln auch nur annähernd richtig zu übersetzen. Desshalb ist an mehreren Gymnasien ausser der Grammatik auch noch ein Lesebuch eingeführt, das aber oft mit der Grammatik in k* inem Zusammenhang steht.

Was nun schliesslich den Preis betrifft, so ist Adelmann's Gram- matik in Anbetracht, dass an den meisten Anstalten Grammatik und Lesebuch, an manchen sogar 2 Grammatiken und Lesebuch eingeführt sind, jedenfalls billiger, als jene zusammengenommen : zudem wird ein mehr geeigneter Druck des 1. Teiles des II. Curses den Umfang und somit den Preis in etwas verringern.

Desshalb darf Adelmann's Lehrbuch den humanistischen und Realgymnasien, den Gewerbschulcn und andern Anstalten mit gutem Grunde empfohlen werden.

Landshut. Zeiss.

The First Story -Book by C.H. Abbehusen. Berlin. Published by Robert Oppenheim 1875.

Diese Erzählungen, Anekdoten und Gedichte sind hinsichtlich der Sprache und des Inhaltes so gut ausgewählt, dass sie als erstes Lese- buch für junge Zögliuge ganz geeignet und wol zu empfehlen sind. Für Gymnasien erscheint die Anordnung derselben auf jeden Fall zu bequem, da der grösste Teil der Wörter unter dem Text übersetzt ist, wodurch das Verständniss zu sehr erleichtert und das Nachdenken des Schülers fast unnütz wird. Ich ziehe immer ein am Ende beigedrucktes Wörterverzeichniss vor. Die zum Nachschlagen verwendete Zeit lohnt

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sich reichlich. Viele dieser Lesestücke finden sich bereits wörtlich in anderen Uebungsbüchern und Grammatiken vor. Bei den Gedichten ist nirgends der Verfasser genannt.

Elementarbuch der englischen Sprache für Anfanger von Dr. Franz Meffert. Leipzig, Druck und Verlag von B. G. Teubner. 1875.

Ich kann dem günstigen Urteile, welches dirt Zeitung für das höhere Unterrichtswesen (1874 Nr 23) über die vom nämlichen Ver- fasser herausgegebene englische Schulgrammatik enthält, nicht ein gleich vorteilhaftes Uber vorliegendes Elementarbuch beifügen. Die knappe Behandlung der Regeln, die an der Grammatik lobend hervor- gehoben wird, wird hie und da zur Uugenauigkeit. So p. 14: „Who bezieht sich auf Masculina und Feminina, ichich auf Neutra, that auf alle drei Geschlechter". Wie wird nach dieser Kegel der Schüler den einlachen Satz : „Der Mond , welcher gerade autgegangen war eto " richtig übersetzen? Dann gibt der Verfasser als erste Lesestücke eine Reihenfolge von Abschnitten aus Dickens, bei denen jeder Schüler, der weder ein regelmässiges noch ein unregelmässigos, oder, um beim Ver- fasser zu bleiben, weder ein schwaches noch ein starkes Verb kennt, vollständig in Verlegenheit geraten muss. Denn, wenn er unter Anderem schon auf der 11. Zeile findet: ,,. . . and lay asleep in a manger", wie soll er wissen, dass lay von to lie kömmt. Offenbar kann er aus der unmittelbar vorhergegangenen Anmerkung , dass lying von to lie kömmt, nicht erraten, dass auch lay dazu gehöre. Dieses ist die Art und Weise, nach welcher es der Verfasser im vorliegenden Buche vermeidet, den Schüler durch inhaltslose und triviale einzelne Sätzchen zu ermüden, um ihn dafür, nach meinem Ermessen, vor einem ihm unverständlichen Stück sitzen zu lassen.

Petits Contes pour les enfants mit Sprechübungen und Wortregister von Fr. W. S te u p, 10 Aufl. Liegnitz, 1875. Verlag von H. Krumbhaar*

Diese vielbekannten Erzählungen vom Verfasser der Ostereier liegen hier in französischer Sprache vor und bilden mit dem am Schlüsse gegebenen Wörterverzeichnisse und den jedem Lesestücke unmittelbar beigefügten Questions teils eine leichte Lektüre für junge Schüler, teils eine gute Anleitung zur Conversation. In Bayern sind sie etwa im 2. Curse der Gewerbschulen verwendbar.

Lectures instruetives et amüsantes ä V usage des ecoles von Fr. W. Steup. Liegnitz, 1873 Verlag von II Krumbhaar

Uiese ans leichteren französischen Schriftstellern gut ausgewählten Lesestücke sind, wie der Verfasser im Vorworte angibt, wol geeignet, das Interesse der Jugend zu fesseln und den Geist zu bilden Auch hier ist jedem einzelnen Lesestücke ein Questionaire beigefügt, um, wie der Verfasser meint, den Unterricht zu beleben, und wol auch, denke ich, um zum Nacherzählen und zur Conversation zu führen. In Bayern scheinen sie der 3. Klasse der Realgymnasien sowol, als auch an humanistischen Anstalten gut verwendbar. Am Schlüsse des

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Buches finden sich fQr die einzelnen Lesestucke Wort- und Sach- erklärungen. Da die Lektüre dieser Lesestücke unmittelbar der Lektüre eines vollständigen Klassikers vorausgebt, so würde ich ein alphabetisches Wörterverzeichniss vorziehen. Die Sucherklärungen könnten dann passend bei jedem einzelnen Stücke sich finden.

Pleasing Tales , a selection of Anecdotes and little Stories, accentuirt undmit Sprechübungen und Wortregister von F. W. Steup. Liegnitz 1875. Verlag von II. Krumbhaar.

Diese Auswahl von Anekdoten und kleinen Geschichten kann als erstes englisches Lesebuch für Schulen jeder Art empfohlen werden, da sie viele Abwechslung bietet und in richtiuer Abstufung vom Leichten zum Schwierigeren fortschreitet. Die beigefügten Questions sollen auch hier zu kleinen Sprechübungen führen. Auf die Anleitung zur Aussprache und auf die Bezeichnung derselben in den einzelnen Lesestücken ist grosse Sorgfalt verwendet Am Schlüsse findet sich auch in diesem Buche ein Wörterverzeichniss mit beigesetzter Aus- sprache, was ich, ohne jedoch andere Ansichten bekämpfen zu wollen, in Büchern, die für die Schule bestimmt sind uud die der Schüler unter Anleitung des Lehrers liest, nicht liebe. Wie in allen derartigen Lesebüchern finden sich auch hier viele schon anderwärts gelesene Stücke.

S. Fränkel'8 französisches Lesebuch für die unteren Klassen etc., von Dr. K. Brunnemann,2 Teile mit einem Wörterbuche, 3. Aufl., Berlin 1875. Julius Imme's Verlag.

Die Anordnung des Lesestoffes, die Heifügung von gleichartigen Sätzen nach jedem Lesestücke zum Uebersctzen in's Französische und namentlich die Auswahl der Sätze sind wol geeignet, dieses Lesebuch als eines der besseren vorhandenen Uehungsbücher zu empfehlen. Dennoch finden sich auch hier kleinere Bedenken. Bei den mit h beginnenden Wörtern ist es dem Schüler sicherlich schwer, herauszu- finden, ob das h aspirirt oder stumm ist, so z. B. p. 14 hanneton, p. 15 hirisson etc. Die Behandlung iler Fürwörter vor den Zeitwörtern hat im Französischen stets die grössten Schwierigkeiten und bringt den Schüler in manche Verlegenheit So ist hier der erste Satz : „Der Friede der Seele ist kosthar, er macht uns glücklich" wol einfach und passend gewählt- Nun beginnen wir aber als Schüler ihn zu übersetzen. Nach halbstündigem Suchen fand ich p. 16 faxt macht, p. 36 rendit machte. Wir werden also ohne Zweifel macht fälschlich mit faxt übersetzen. Zu entscheiden, ob der Versuch im 2 Teile, wo der Ver- fasser den Lesestoff teilweise den übrigen Disciplinen entnommen hat, geglückt ist, muss ich jenen Collegen überlassen , die dieses Uebungs- buch beim Unterricht benützen. Mir scheint es z. B. gewagt, die Regeln für die Städtenamen im Lateinischen in französischer Sprache zu erörtern, ohne beim Schüler Verwechslungen zu befürchten.

München. Dr. Wall n er.

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Die Grundidee des Hermes vom Standpunkte der vergleichenden Mythologie von Dr. Christian Mehlis Erlangen 1875. lte Abt.

Solche Arbeiten thun not, soll einmal klares Licht aber die Mythologie vorbreitet werden. Sehr schön ist die Auffassung des Hermes l. als des Gottes des Sonnenaufganges, 2tens des Sonnen- unterganges und 3tens in seiner utilitari sehen Bedeutung für die Menschheit. Im ersten Abschnitt werden die Beinamen des Hermes besprochen z. B. oVtxfopoc ((f*-«x- d h. &t« und t]xv) ~ der Renner, Stürmer und Hr Mehlis setzt das analoge Wuotan bei (von vatan =z trannmeare, dt-t'x-io). Sogar der Lichtgott Baldr, verw. zu goth. balts celer, ttQyoq hü'to noch verglichen und auf 'Egurtg seihst auf- merksam gemacht werden können; denn KQu-r^ lüsst sich mit skr. saramd f. diu wandelnde, wandernde verbinden, wieder vergleichlich mit nord. Gangrädr, Gänleri , Vidßrull (der Weitfalirer) , Vegtamr, lauter Bcinan en des Wuotan und zusammentreffend mit Jänus (zu skr. ja -na gebend) Das merkwürdig? Beiwort 'jQysiyot'Ti]$ heisst nicht „Argostödter", sondern -epovrtis ist äol. Form -tpdvrm und bedeutet der Hellstrahlende. S. 33 und 30. Der Name '£tyu$c fällt mit iQ-fti$ die Stütze, i'oit« zusammen. S. 19. Ich erlaube mir hier auf die Analogien in meinem Lexicon etym. (S 203) aufmerksam zu machen, wo die Asen auch als Joxoi Stutzen erklart und mit skr. mülasthäna die Stütze, daun auch Gott, verglichen werden. Die Dioskuren hiessen ebenso „Asen", foxayu; s. Gust Meyer p 74. Der Beiname 6air6g eraiQOi wird als Opferfreund erklärt und auch hier möge es mir gestattet sein, auf mein Lexicon zu verweisen, wo S. 72 das verwandte dap'8 als mit altn. taf-n (~ althochd. zep-ar) das Opfer zusammen- hängend) erklärt wird. Das S f>f> angeführte BW. r/cVa| der Lügner hat, wie ich glaube, ursprünglich den üeberredner, Beredner bedeutet, wol zu skr. bhan-nti reden, also eigentlich facundus, Xoyiog. Dessgleichen dürfte dem B.W. xXcipiygtoy neben der Bed. „diebisch" auch die von „sch liessend" (den Tag „schliessend") zugekommen sein, verglcichlich zu Clusius (Janas). Die Bedeutung „schliessend" liegt auch in xAfVirw, verw. zu altbulg. za-klop-iti claudere. S. Joh. Schmidt „zur Geschichte des indogerm. Vocalismus', zweite Abteil. S. 285.

Möge bald ein zweiter Teil solcher Arbeit der gelehrten Welt geboten werden.

Freising Zehetmayr.

Literarische Notizen.

Aufgaben für das elementare Ilecbnen in einer neuen, durch das Münz-, Mass- und Gewichtssystem des deutschen Reiches bedingten Stufenfolge. Nach den Intentionen der kgl. Regierung zu Potsdam bearbeitet von W.Adam, kgl. Seminarlehrer. 2. gänzlich umgearbeitete Auflage. Verlag von A. Stein in Potsdam.

W. Bertram. Grammatisches Uebungsbuch für die mittleren Klassen des französischen Unterrichts. Zusammengestellt in genauem Anschluss an die Ploetz'sche Schulgrammatik, Heft 1 und 3. Berlin. Verlag von E. Kobligk. 1875. Eignet sich vortrefflich zum Unterricht

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Titi Livii ab urbe condita Uber XXII. Für den Schulgebrauch erklärt von Eduard Wölfflin. Leipzig, Teubner, 1875. I AI. 20 Pf. Die Ausgabe legt den Text von Weissenborn zu Grunde, bietet aber manche Abweichungen , vorzugsweise nach Madvig. Die Noten sind ausreichend und im Ganzen zutreffend. Ein Kärtchen zeigt das Schlacht- feld am trasimenischen See.

Titi Livi ab urbe condita Uber L Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. Mor. Müller. Leipzig, Teubner. 187 >. 1 M 50 Pf. Eine neue Bearbeitung der Ausgabe von Frey. Auch hier ist der Text nach Weissenborn, mit einzelnen Abweichungen , meist fach Madvig, kon- stituiert. Das Buch will nicht Schülern, sondern geübteren Livius - Lesern und Lehrern dienen. Die Eigenartigke.it des Livianischen Sprachgebrauches ist möglichst bemerkbar gemacht und zum Bewusst- sein gebracht; auch der deutschen Uebersefzung wird an schwierigen Stellen nachgeholfen. Die Einleitung ist kurz, aber ausreichend; Verweisungen auf eine Grammatik oder auf philologische Werke sind ausgeschlossen.

Plutarch's ausgewählte Biographien. Für den Schulgebrauch erklärt von Otto Siefert und Friedr. Blass. »Ues Bündchen. Tiberius und Gaiua Gracchus von Dr. Friedr. Blass. Leipzig, Teubner, 1875 Wie die vorausgegangenen Bändchen eingerichtet.

Quellenbuch zur alten Geschichte für obere Gymna9ialklassen. II. Abteilung. Römische Geschichte bearbeitet von Dr. A. W ei du er, Direktor des Gymnasiums zu («iossen. I. Heft 1874. II. Heft 1875. Zweite verbesserte Auflage. Leipzig, Teubner.

Cornelii Taciti Historiamm libri qui super sunt. Schulausgabe von Carl Heracus. Zweiter Band. Buch III V. Zweite vielfach ver- besserte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. 1 M. 80 Pf

Xenophons Anabasis. Für den Schulgebrauch erklärt von Ferd. Voll brecht. Zweites Bändchen.- Buch IV - VII. 5. verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875 1 M. 50 Pf-

M. Tullii Ciceronis Laelius de tmicilia. Für den Schulgebrauch erklärt von Gustav Lahmeyer 3. verbesserte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. 60 Pf.

Börners Ilias. Für den Schulgebrauch erklärt von K. Fr. Am eis. Erster Band. Drittes Heft. Gesang VII IX. Bearbeitet von Dr. C. Hentze. Leipzig, Teubner. 1875. Text und Noten sorgfältig überarbeitet.

Sophoclis tragoediae. Recensuit et explanavit TT. Wundern s. Vol I. Sect. 1. continens Philoctetani Kditio quarta, quam curavit N. Wecklein. Lips., in aed Teubner MDCCCXXV. 1 M. 50 Pf. Die Einrichtung der Wunder'scchou Ausgabe ist mit, all' ihren Vor- zügen beibehalten, nur hat der Verlässei- die kritischen Noten unter dem Text entfernt und sie, soweit sie zur Erklärung gehörten, dem übrigen Kommentar einverleibt, ausserdem in den Anhang verwiesen Text und Erklärung zeigen überall die Sorgfalt des neuen Herausgebers.

P. Ovidius Naso ex iterata R. Merkeiii recognitione. Vol. IL Metamorphoses cum emendatiotiis summario. Lips. in aed. Teubneri. MDCCCLXX V

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P. Ovidii Nasonis Metamorphoses. Auswahl für Schulen. Mit erläuternden Anmerkungen und einem mythologisch - geographischen Register versehen von Dr. Joh. Siebeiis. Zweites Heft, Buch X XV und das mythologisch geographische Register enthaltend. 8. Auflage. Besorgt von Dr. Friedr. Polle. Leipzig, Teubner. 1875. I M. 50 Pf .

Handbuch der Religion und Mythologie der Griechen und Römer für tiymnasien von H. W. St oll. .Mit 32 Abbildungen. 6 Auflage. Leipzig, Teubner. 1875. 231 S. in 8. Das Werk, welches auf dem Standpunkt der neueren Wissenschaft steht und dem Schüler kurz das Notwendige bietet, ist ganz geebnet, einesteiles bei der klassischen Lektüre zu unterstützen, anderseits auf grössere mythologische Werke vorzubereiten. Die neue Aufläse unterscheidet sich vou den voraus- gehenden nur durch unwesentliche Aenderungen.

Thucydidis de hello Peloponnesiaco libri oclo. Herum recognovit et praefatus est Godofredus B nehme. Vol. I. II. Lips. in aed. Teubneri. MDCCCLXXV. ä Vol. IM. 20 Pf. Der lange Zwischen- raum zwischen der ersten und der vorliegenden zweiten Auflage hat vielfache Veränderungen notwendig gemacht

Thucydidis de hello Pelponnesiaco libri VIII ed. Poppo. Vol. II Sect. II editio altera, quam ait.vit et emendavit Joh. Math Stahl. Lips. in aed. Teubneri. MCCCCLXXV. 2 M. 25 Pf

Sophokles. Erklärt von K W. Schneidewin. Viertes Bändchen Anligone. 7. Auflage von A. Nauck Berlin, Weidmann. 1875.

Cicero's ausgewählte Reden erklärt von K Halm III. Bändchen. Die Reden gegen L. Sergius Catilina, für P. Corn. Sulla und für den Dichter Archias. 9. verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann- 1875.

Materialien zu griechischen Exemtion behufs Einübung der Verba auf fit, der unregelmässigeu Verba und der Syntax der Kasus von Dr. Aug DihJe. 3. vermehrte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875. 296 S. in 8. Die Beispiele sind zahlreich, auch an zusammenhängenden Stücken fehlt es nicht. Die Beispiele für die einzelnen Kasus verbreiten slfch gleich über die manniebfacben Anwendungen derselben und sind nicht nach den einzelnen Begeln geschieden. Die Vokabeln unter dem Text sind sparsam angegeben ; das übrige ist im Wörterverzeichniss zu. suchen. Verwiesen ist auf die Grammatiken von Curtius, Koch und Krüger.

Die deutscheu Klassiker, erläutert und gewürdigt, für Gymnasien, Real- und höhere Töchterschulen von Ed. Kuenen. 1 Bändchen. Schillers Wilhelm Teil. 1876. Verlag von C Römke und Co. in Cöln. Preis 75 Pf. 71 S. in 16. Eine Einleitung gibt Winke für die Ein- richtung des deutschen Unterrichtes , namentlich in Bezug auf die Lektion. Dann folgt eine kurze Inhaltsangabe des Stückes, die Ex- position und Entwicklung der Handlung, wie sie sich in den 5 Akten abwickelt, eine Schilderung der Charaktere, die Darlegung der Idee, das Notwendige von der Entstehung des Dramas und seiner Quelle, seiner Geschichte und der zu Grunde liegenden Sage, endlich eine Sammlung von Sentenzen. Auf die Worterklärung im Einzelnen lässt sich der Verfasser nicht ein.

Dispositionen über Themata zu deutschen Arbeiten für die oberen Klassen höherer Lehranstalten von G. L euchten berger. Bromberg

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1875. Mittler'sche Buchhandlung. 168 S. in 8. Das Buch enthält 38 Themen allgemeinen Inhaltes, und :17 im Anschluss an die Literatur und Lektüre. Die Dispositionen sind ziemlich eingehend, geben für Schüler vielleicht teilweise zu viel; sie sind übrigens wol durchdacht, auch im allgemeinen gut gewählt.

Tabellarische Uebersicht der griechischen und römischen Geo- graphie und Geschichte. Von Dr. W. Pfitzuer. Parchim, H. Wehde- mann's Buchhandlung. 1874. 64 S. in 8.

A u s z ü g e.

Zeitschrift für d i e ö s t err e i ch is ch e u Gy ra n asi e n. 7.

I. Zur Kritik derAnnalen von (Nieder-) Altaich. Von H. Zeissberg in Wien. (Das Annalenwerk sei in seiner gegenwärtigen Form das Produkt einer nochmals erfolgten Redaktion, dein mit Ausnahme der späteren Jahre frühere Aufzeichnungen zu Grunde lagen. Möglich dass die in redigierter Gestalt vorliegenden Annalen ursprünglich das Werk mehrerer Müuche waren). -

IV. Nekrolog des am 18. Juli verstorbenen Mitredakteuni der Zeitschr. f. d. österr. G. Joh. Gabriel Seidl, bedeutend als Gelehrter und Dichter.

8. 9.

t Beiträge zur Kenntniss des attischen Theaters. VI. Mit einer lithograph. Tafel. Von Otto B enndorf. Handelt von den Marken. Kritische Miscellen. Von Dr. Fr. Pauly. (Zu Caes b. g). Zu Michael PBellos dem Jüngeren. Zum Gedichte negi Xovtftov. Von Isidor Iii lb erg.

Zeitschrift für d. Gymnasialwescn 8

I. Rhythmische Studien Von Dr. E. v. Sallwürk. Jahresberichte des philolog. Vereins zu Berlin: Horatius; Caesar.

9.

I. Vorschläge zu einer vereinfachten praktischen Schulgrammatik der hebräischen Sprache. Von Prof. Rath.

III. Jahresberichte des philolog. Vereins zu Berlin: Caesar. Von Dr. Richard Müller.

Statistisches.

Ernannt: Prof. Heiss in Straubing zum Lyc -Prof. in Passau; die Studl. Himmer in Landshut und Baldi in Würzburg zu Gymn. -Pro- fessoren in Burghausen; Studl. Wieden) ann in Regensburg zum Prof. in Straubing; Aas. Siessl (Konk. 1872) in Landshut zum Studl. in Kaisers- lautern; Ass. Proschberger in München (Wilh.-Gymn) (Konk. 1872)

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zum Studl. in Regensburg; Stadl. Netzle in Zweibrücken zum Prof. in Hof; Stadl- Barnikel in St. Ingbert zum Subrektor daselbst; Math.-L. An schütz an der Gew. -Seh. in Zweibrücken zum Studl. in Neuburg; Ass. Dr. Zipperer in Würzbarg (Konk. 1873) zum Studl. daselbst; Ass. Hei in reich in Zweibrücken (Konk. 1873) zum Studl. in Augsburg (St Anna); qu. Studl. Schmidt zum Studl. in Kempten; Ass. Liebl in Passau (Konk. 1873) zum Studl. in Günzburg; Ass Zehl (Konk. 1873) in Speier zum Studl. in Windsheim; Ass. Volkert (Konk. 1873) in Nürnberg zum Studl. in Landau; Ass. Hcilfritzsch in Bamberg (Konk. 1873) zum Studl- in Blieskastel; Ass. Dr. Kbcrl am Ludw.-Gymn. in München (Konk. 1872) znm Stull, in Neuborg; Studl. Ja ck lein in Bamberg zum Prof. in Burghausen; Lehramtskand. Dr. Neudecker /uro Ass. am Realgyam. in R< gensburg; Ass. Huber in Dilingen (Konk. 1872) znm Studl in Wür/.bnrg; Ass Dr. Orterer am Ludw.-G. in München (Konk. 1873) zum Studl. in Sehwoinfurt; Studl. Maurer in Neuburg zum Prof. in Münnerstadt; Studl Richter in Hof zum Prof. in Zweibrücken; Ass. Pflüg 1 in Arnberg (Konk. 1872) znm Studl. in Hof; Ass. Roth bei St. Anna iu Augsburg (Konk. 1873) zum Studl. in Kaiserslautern; Ass. Senge r am Max-Gymu. in Münchm (Konk. 1873) zum Studl. in Dürk- heim; Ass. Rummi'lsberg.'r am Realgymn. in München (Konk. 1872) zum Studl. in Lndwigshafen ; Ass Franziss in Landau (Konk. 1873) zum Studl. in Grünstadt; dcrRel-L. an der lat. Schule des Wilh - Gymn. Stifts- vikar G. Megsmcr zum Rel - Prof. am Max-G. in München; zum Hilfs- lehrer für Realien an der Industrieschule in Augsburg der Realienlehrer an der dortigen Kreisgewerbschule G. Pumpl ün; Lehramtskand. Ley zum Lehramtsverw. für die neueren Sprachen an der Gewerbschulc zu Landau; Lehramtskand. Hasenklever zum Lehramtsverw. für den Zeichenunterricht an der Kreisgewerbschule in München ; zum Lehramtsverw. für Realien an der Gewerbschule in Hof der Lehramtskand. Adler; Lehramtskand. Botz zum Lchramtsveiw für den Unterricht im Zeichnen an dor Gewerbschule in Kaufbeuern; Ass. Weber in Bayreuth zum Studl. in Speier.

Versetzt: Studl. Mayer von Burghausen nach Landshut; Prof. Stähl in von Hof nach Straubing; Studl. Plank von Blieskastel nach Winnweiler; Studl. Scbed Ib.iuer von Neubirrg nach Bamberg; Prof. Hin hack von Burghausen nach Eichstätt; Ass. Hoff mann von Ansbach nach München (Uealgymn); Prof Dr Walberer von Münnerstadt nach Hof; Stndl. Hörner von Nördlingen nach Zweibrücken; Studl. Röder in Nürnberg vom humanistischen ans Realgymnasium.

Qniesciert: Studl. Dr. R ied enauer inWürzbnrg; Prof. Britzel- mayr in Eichstätt; Prof. Zink in Schweinfurt; Prof. Butters in Zweibrücken.

Gestorben: Studl. Heinr. Stadelmann in Speier.

Oedruckt bei J. GotteJiwiriter Si. Müssl in München, Thcatinerstruse Ift.

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üeber den „Hellespont" mit Berücksichtigung der gleichnamigen Artikel In den Iteal Wörterbüchern von Paul), Kraft und Ltibker.

Es ist nicht wenig zu bedauern, dass die vorzüglichsten Historiker des griechischen Altertums weder in sprachlicher noch sachlicher Hin- sicht bereits die Durcharbeitung gefunden haben, welche dieselben in so hohem Grade für Wissenschaft und 8chule verdienen. Abgesehen davon , dass sie durch' einen nach Möglichkeit gereinigten Text ihrer ursprünglichen Einfachheit, Wahrheit und Schönheit naher gebracht und so bei grösserer Lesbarkeit der studirenden Jugend eine nicht blos ansprechendere, sondern auch erspriesslichere Lektüre gewähren würden , es würde auch dio Ausbeute für alte Geschichte und was wir ganz besonders hervorheben wollen für alte Geographie eine sehr bedeutende werden. Sind ja doch die besten Geschichtschreiber der Griechen und das liegt in der Natur der Sache zugleich die zuverlässigsten und lautersten Quellen, denen Stoff wie Form der alten Geographie entnommen werden können.

Und bei keinem Lande der alten Welt möchte sich von diesem Gesichtspunkte aus die Notwendigkeit einer durchgreifenden Reform mehr rechtfertigen , als bei dem allerwichtigsten , bei Griechenland selbst. Denn gerade bei diesem Lande lasst uns die bisherige Hauptquelle, der in so vieler Hinsiebt unschätzbare Strabon , nur zu häufig im Stiche oder führt uns auf Abwege Um von der argen Lückenhaftigkeit und Verderbtheit seines Werkes nicht zu sprechen, so kennt er jenes wichtige Land nicht genau genug, bebandelt es einerseits zu sehr nach dem Zuschnitte seiner Zeit und hat andrerseits wieder den Kopf zu voll von Homer, so dass gerade die wichtigsten Zeiten Griechenlands am leersten ausgehen. Man vergleiche z. B. seine in unsere Bücher und Karten nur zu treu übergegangene Dar- stellung Thessaliens, sowie der östlichen Lokris mit dem, was wir bei Herodot, Thukydides, Xenophon , Polybios und auch Pausanias darüber finden, und man wird sich von der Bichtigkeit des Gesagten leicht überzeugen können.

Indem ich Eingehenderes hierüber einer anderen Gelegenheit vor- behalte, will ich jetzt an einem Beispiele zu zeigen suchen, wieviel auch für die Darstellung der Kolonieländer der alten Hellas aus den Historikern gewonnen werden könne.

Welchem Gymnasialschüler sollte nicht der Name Hellespont bekannt sein? Hat er ja schon frühzeitig von dem grossartigen

Blätter f d. b«7«r. Uymn.- u. Ittl - Sehalw. XI. Jtfarg. 27

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Brückenbau gehört oder gelesen, welchen der Perserkönig Xerres über jene Meerenge aufführen Hess , um sein ungeheures Heer gegen das Mutterland der seiner Herrschaft unterworfenen Hellenen zu führen, so wie dass in späterer Zeit Alexander von Makedonien zur Eroberung des grossen Perserreichs dieselbe Meeresstrasse mittelst einer Flotte überschritten habe!

Ist hierauf während des weiteren Geschichtsunterrichtes demselben Zögling in Folge der Belehrungen eines die örtlichen Verhältnisse besonders berücksichtigenden Lehrers noch manches Genauere über jene wichtige Meeresgegend bekannt geworden, ja weiss er zuletzt alle bemerkenswerten Städte auf beiden gegenüberliegenden Küsten der Reihe nach aufzuzählen; dann wird es ihm nicht schwer dünken, sich zurecht zu finden, so oft bei irgend einer Gelegenheit vom Hellesponte die Rede sein sollte. Und wie häufig kann gleichwol bei der Lektüre der Fall eintreten, wo derselbe, trotz aller vermeintlichen Bekannt- schaft damit, nicht wissen wird, wie er daran sei! Es wird vielleicht Herodots viertes Buch Kap. 76 gelesen , wo von 3er Rückkehr des Anacbarsis in seine Heimat Skythien die Rede ist. Wird er da nicht bei der Stelle: nXiotv de dV EXX^anot j ov ixQoaia^n ie Kv^ixov , fatl6 er anders gewöhnt ist, über das Gelesene nachzudenken, meiuen. es solle eigentlich nkevoas de dC 'EXXrianovxov heissen, denn Kyzikos liege ja an der Propontis und Herodot spreche hier entweder nicht genau oder er habe sich geirrt? Was soll er ferner denken, wenn er bei demselben Herodot (IV, 138) als Tyrannen der Hellespontier, welche mit beauftragt waren , des Dareios Kriegsflotte nach der Istermündung zu führen, nicht blos die von Abydos, Lampsakos und Parion, sondern auch die von Prokonnesos, Kyzikos, Byzantion aufgeführt findet, während er doch nicht anders weiss, als beide ersten genannten Städte gehörten der Propontis , Byzantion dagegen diesem Meere, sowie dem Bosporos an? Und doch bezeichnet der genaue Herodot alle sechs zusammen zweimal, sowol vor (qoav de 'EAxjj- onovxl<ovTVQaw<n) als nach der Aufzählung (oviot pev yaav ol i$'EXXt}- 9:i6vtov) als dem Hellespout angehörig 1 Noch bestimmter spricht sich derselbe Historiker (VI, 33 in ) aus : eiai de t/j EvQunp aYde toi 'T.XXnanovxov. Xe(>o6vr{o6s re 4y rjj noXieq ov/mi eveioi xui TJeQtvSog xai ZrjXvßQti] re xui Bv^avnov vgl. V, 103 m. nXevanvTes de ig tov ' EXXqonovtov (o/ "Iwyee) Bvticvriov re xai ras aXkac JioXig anaaas ras xavxfi tJ/f' iutvToiot inottjouvro) sowie ganz ähnlich Xen Hell IV, 8, 31, wo nach Nennung von Byzantion und Kalchedon mit x«t ul aXXai'EXXr)- anovxwt noXeis fortgefahren wird.

Diese wenigen Beispiele von vielen werden schon zur Genüge einen Beleg geben zu dem, was Strabon, obwol er selbst Hellespont und Propontis von einander trennt und diese Trennung bereits bei

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Abydos und Sestos herinnen lässt (p. 108. 124. a. f. 331, 52 a. m., p 663 a. m , 591 in.), an einer andern Stelle (p. 331,58) sagt: öxt'EXX^traoyxog ov% ouoXoyeixtu 71 uQ« naaiv 6 avxog, dXXti do£at itepi avxov Xiyovxai nXeiovg' ol ftey ydq oXijv xqy Dg onovx id « xaXovaiy 'EXXtjonoyxoy, ol db fiegog xijg Ugoitovxidog To ivxog JleQivSov x. ovroi ieXXog dXXa «notefivofjiBvog' ol (jUv To dno 2iyeiov ini AdfAtyaxov xai Kv^ucov tj JlttQtoy ij nqiitnov x. r. X.

Zu denen nun, welche zwar den Hellespont in dieser seiner weiteren Bedeutung ziemlich oft, den Namen Propontis aber gar nicht haben, gehören Thukydides, Xenophon, Demosthenes. Herodot bedient sich diesen, schon bei Aescbylos (Perser, v. 875) vorkommenden Namens nur dreimal: IV, 85 a. f. und V, 122 (zweimal), um in möglichster Kürze eine genauere Unterscheidung von Meer und Meerenge zu gewinnen ; doch findet sieb sogleich (IV, 86 a. f.) die Zusammenstellung o (xiv vw Ilovxog ovxog xai BoanoQog xe xtti 'EXXijonoyxog , so dass in diesem letzteren Ausdruck die Propontis schon wieder inbegriffen ist, womit man noch vergleiche: IV, 38 m. rj ttxxij tj er^ij und 4>d*tog naQa- tetaiai nuQa xe xov Uovxov xtti roV 'EXXytrnoyroy jue/pt liyeiov xov TQtoutov und IV, 95 in. «V de iyto nvv»dvo^ai xciy xov 'EXXtjonoyxoy olxeovxiov 'EXXtjyuty xai llovxov.

Bei Herodot befindet sich zwar eine Stelle (VII, 45), wo nur vom Hellespont im engeren Sinne die Rede sein kann und es gleichwol heis9t: <vg cTe üqu (6 Sigtrjg) ndvxa f*ey xov 'EXXtJtrnovx ov vno xaiy yediy anoxsxQvjufJtyov , nttaag de xdg dxxäg x. xd Aflvdrjytoy nediu inmXt'tt dy&QtoTWty und so wol auch Thuc. VIII, 62 f. Iqoxov noXiv xijg XiQaoytjoov xafHaxuxo tfQovqioy x. tpvXaxriy xov navxog 'EXXtj a ndyxov (int. 6 2xQ0f4ßtx(d>}g). Doch gibt ja auch hier, wie anderswo, der Zusammenhang an die Hand, in welchem Umfange der Auadruck zu nehmen sei.

Und so möchte es einmal an der Zeit sein, den Namen Hellespont in sein altes Recht wieder einzusetzen und nicht blos eine Meerenge sondern auch ein Meer») darunter zu begreifen.

Wir erhalten auf diese Weise einen zwischen dem pon tischen und ägai9chen Meere gelegenen, keineswegs unbeträchtlichen, Bestandteil des ganzen grossen Griechenlandes. Derselbe umfasste einesteils das sogenannte Vormeer des Pontos mit den beiden Meerengen des Hellespont und Bosporos (von diesem letzteren jedenfalls die Ein- mündungsgegend) andernteils sämmtliche die genannten Meeresteile begranzenden, zur Hälfte zu Europa und zur Hälfte zu Asien gehörenden Küsteu. Die zu einem grossartigen Handelsverkehr einladende Lage derselben, ihre günstigen klimatischen Verhältnisse, die Mannigfaltigkeit und der Wert ihrer Erzeugnisse bewirkten, dass bereits zwischen der Mitte des achten und siebenten Jahrhunderts v. Chr. Hellenen aus dem

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Mutterlande wie insbesondere ausJonien in jenen gesegneten Gegenden sich eine neue Heimat schufen, welche, wie das umgränzte Meer, der Hellespont genannt zu werden pflegten.

Davon kamen die an der asiatischen Küste gelegenen St&dte in der Folgezeit unter die Herrschaft des ersten Perserkönigs. Bereits der dritte König Persiens Hess nach seiner Heimkehr von dem Skytben- zuge auch die an der europäischen Küste befindlichen unterwerfen b>.

Durch Joniens Erhebung gegen die Persermacht wurden auch sämmtliche Städte des Hellespont zu einem ähnlichen Wagniss ver- anlasst; doch gelang es den Persern, zum Teil durch Verrat, dieselben sowie alle anderen griechischen Bestandteile ihres Reiches wieder zur Unterwerfung zu bringen. Als nicht lange hierauf des Dareios Sohn und Nachfolger seinen Kriegszug gegen AHhellas unternahm, sahen sich auch die Hellespontier in die Notwendigkeit versetzt, durch Stellung von hundert Kriegsschiffen zu des Grosskönigs Flotte daran Teil zu nehmen«).

Der Rückzug der bei Salamis geschlagenen Perserflotte gab den Hellenen des Mutterlandes das Signal zur Befreiung ihrer dem persischen Scepter noch unterworfenen Stammverwandten. Daher der Zug der griechischen Flotte im Frühjahr 479 an Asiens Küste, Vernichtung des Restes der Perserflotte bei Mykale und Befreiung Joniens, welcher die Einnahme von Sestos sowie im Jabre 477 die von Byzantion folgte, welche letztere die Befreiung des Hellespont vollendete, wie die von Sestos dieselbe begonnen hatte.

Durch den bald erfolgenden Uebergang der Hegemonie an die Athener wurden auch die hellespontischen Städte dem Einflüsse Sparta's entzogen und kamen allmählich mit Verlust ihrer Ring- mauern und Kriegsschiffe als tributpflichtige Bundesgenossen unter die Botmässigkeit jenes nun vorherrschenden Staates d> Zwar versuchte es zur Zeit des samischen Krieges Byzantion seine Selbständigkeit wieder zu erlangen, jedoch ohne Erfolg.

Erst mit dem gänzlichen Untergange der athenischen Kriegsmacht auf Sikelien tauchen sowol in Jonien als im Hellespont Aufstands- gelüste gegen Athen auf. Während diesmal Samos treu bleibt, lassen sich vor allen Milet und Cbios namentlich durch den jetzt mit Lake- dämon befreundeten Alkibiades zum Abfall bringen. In jenen nörd- lichen Gegenden hatten die Peloponnesier unter hauptsächlicher Mit- wirkung der Lakedämonier Derkyllidas und Klearchos , des Megarers Helixos sowie des persische^ Statthalters vom hellespontischen Pbrygien Pharnabazos die bedeutendsten Städte , darunter Abydos . Kyzikos, Kalcbedon, Byzantion, zum Abfall von Athen vermocht. Zum Glück für letzteren Staat war Alkibiades bald wieder gewonnen und schnell brachte er durch die glänzendsten Waffenthaten , vor allen Beinen, die

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peloponnesische Flotte vernichtenden Sieg bei Kyzikos diese Stadt selbst, hierauf die übrigen, selbst Kalchedon und Byzantion, und somit das ganze kostbare Besitztum seiner Vaterstadt wieder zu.

In Folge des grossen Schlages jedoch, welcher die athenische Kriegsflotte am Aegosflusse getroffen, wurden natürlich alle bisherigen Teile der Herrschaft Athens wieder selbständig oder vielmehr sie kamen unter die Herrschaft Lakedämons. Dies führte schliesslich dahin , ilass im Antalkidischcn Frieden 387 wie alle Griechenstädte Asiens so auch die "am Hellespont , und zwar von Sigeion bis Kal- chedon , dem Perserköuige , der seine Ansprüche auf dieselben nie aufgegeben hatte, wieder unterthünig wurden.

Nun kam aber auch von der entgegengesetzten europäischen Seite des Hellespont ein Gewalthaber zum Vorschein, Philippos von Makedonien, dessen immer weiteres Umsichgreifen in Thrakien ihn auch mit den griech- ischen Städten der bellespontischeu Nordküste in Berührung brachte, wie dies ein Jahrzohend früher mit denen an der dem ägäischen Meere zuge- kehrten Seite desselben grossen Landes der Fall gewesen war Für diesen musste es von besonderer Wichtigkeit sein, hier festen Fuss zu fassen, um seine Hauptfeinde , die Athener, von hier aus durch Abschneidung der ihnen so unentbehrlichen Getreidezufuhr aus dem Pontos auf das Lmpfindlicbste zu treffen. Daher sein Angriff auf Perinth, dann auf Byzantiou ; von welchen Städten erstere durch nachdrücklichen Beistand von Byzauz und selbst von Persien her, letztere von Athen aus gerettet wurde«).

Seit Alexanders Uebergang nach Asien ist der Hellespont beinahe gänzlich als ein makedonisches Besitztum zu betrachten , dessen europäische Küste nach des grossen Königs Tod an Lysimachos, den Statthalter Thrakiens, kommt, während die asiatische d. h. Phrygien, am Hellespont zuerst dem Leonnatos, dann bei der zweiten Teilung der Provinzen dem Arrhidäos zufällt, nach dessen Vertreibung Anti- gonos sich auch dieses Pbrygiens bemächtigt, welcher durch Gründung zweier bedeutender Städte seines Namens, des späteren Nikäa, sowie des den Eingang zum Hellespont beherrschenden nachmaligen Ale- xandria Troas sich um jene Gegenden verdient macht, bis nach dessen Besiegung und Tod bei Ipsos Lysimachos, der Erbauer Lysiniachia's, seinen schon länger au den Tag gelegteu Wunsch (Diod. XIX, 57 p. in.) nach Vereinigung beider Küsten unter seiner Herrschaft erfüllt sieht. Mit dem Verfall der makedonischen Macht üben im Norden die Fürsten Thrakiens 0, im Süden das neu entstandene Königreich Bithynien «) ihren Einfluss auf die Beherrschung des Hellespontes aus Die Griechenstädte an der Küste, deren Freiheit von den Nachfolgern Alexanders Antigonos, wenn auch im eigenen Interesse, noch am meisten gewahrt hatte, wurden derselben immer mehr verlustig.

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Endlich dem römischen Reiche einverleibt, sollte jenes Meer mit seinen Küsten m trotz mancher grossen Bedrängnisse') zu neuer Be- deutung und zu neuer Blüte sich erheben, indem Diocletian tür die Osthälfte des Reiches Nikomedia zu seinem Herrscbersitze erkor und noch weit mehr, als Constantin der Grosse mit dem durch Umbau, Erweiterung und Verschönerung veränderten Byzantion dem ganzen Römerreiche eine neue, später mit seinem eigenen Namen bezeichnete, glanzvolle Hauptstadt gab

Bemerkungen.

a) Ersteres nach Arr. An. VII, 9, 10 ev&vg [*kv tov 'EXXtjano'vrov Vfitv tqv noqov SaXuoooxQttxovvtwv iv zip Tore flegadiv avetiraaa, wo ich statt iioqov noQ&pov lese, so wie auch I, 11, 10.

Letzteres, nämlich SaXuaou q tov 'EXXrjanovrov nach Thuc. II, 96 p. in., wo statt der verderbten Worte: f*ixQl Wtfww &s Ev- feivov ts novrov xai tov 'EXXqonovT ov zu ändern ist: f*ixQl Mlaar.q rijg tov Ev^tvov TS hovtov xai tov 'EXXrjariovr ov. vgl. Hdt. II, 33 f. tbXbvt^ de 6 "loTqog ig &aXaaauv ri?V tov Evgeivov :iovxov. Und so ist an zwei Stellen des Thuc. I, 128, c. f. riepne ("tvifoa marov &ii &aXa<rcav und c. 29, p. in. xai anooriXXei 'Agraßatov ini »äXaooav der erklärende Zusatz rijV tov 'EXXrjanovrov zu ergänzen, sowie zu niQav &aXa<ro-t}s (c. 129 c. to.) in ähnlicher Weise rt)g tov 'EXXqonovrov, was die Herausgeber von Schulausgaben oder wenigstens die Lehrer bei der Lektüre zu erinnern nicht vergessen sollten. An der zuletzt augeführten Stelle dürfte auch auf das wohin? aufmerksam gemacht werden, auf Daskyleion , die Hauptstadt des hellcspontischen Phrygiens und Residenz des jedesmaligen persischen Statthalters So- wie in diesen drei letzten Beispielen von einer Ueberfahrt über das h ellespontische Meer und nicht die Meerenge die Rede ist und zwar von Byzantion nach Daskyleion und umgekehrt, so handelt es sich bei Thuc. II, 67 w. um eine solche von Bisanthe (Hdt. VII, 137) nach derselben phrygischen Satrapenstadt Bei Xen. Hell. III, 2, 9 dtxtßaivei (6 JSQXvXXiöag) tov 'EXXtjonovrov ovv rw arqarevfxari ig r*jv EvQoSurjv xai dui rpiXiag rfjg fig^xrjg nogevSeig xai gevto~9eig v\io 2* ev&ov a<pixveiTai ig XsQQovqaov x. r. X. wol von Lampsakos nach P c r i n t h o s, sowie bei Xen. An. VII, 5, 15 von Selymbria nach Lampsakos (VII, 8, 1 in). So setzt des S. Severus Heer von Byzantion nach Kyzikos über (Herod III, 2, 1).

Eine bestimmte Andeutung der Propontis findet man bei Arr. An I, 12, 11: og (int. 6 ÜQaxxiog noxapog) (tiutv ix xtov ögvSv rtov 'idaiiov ixdidoi ig 9aXaeaav rr]v pexaj-v xov 'EXXrjonovTov xe xai Ev£eivov novrov (Helles- pont daselbst im eingeschränkteren Strabonischen Sinne); der Name Propontis selbst steht bei demselben An. IV, 15, 11 und zwar mitten zwischen dem des Hellespont und des Pontos.

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b) Der Hellespont erhielt als Bestandteil des Perserreiches ebenso wie das gleichfalls unterworfene thrakiscbe Küstenland am ägäischen Meere durch König Dareios in seinen bedeutendsten Städten persische Statthalter. Hauptstelle II dt VII, 106 p. m xaxicxaaav ydg

Bit ngoxegov ravrqg xr\g iXactog vna{>/>u (int. vno Jaoetov) iv r/jl &or;(xr} (— iv xoig naoa^akaooiotg xfjg Sgij(x^g) xai tov 'EXXijgnovxov navra^y. Dass unter den letzteren der von Sestos (Hdt. VII, 33 p. m. 78 f. IX, 115 in. und 115 in.) und der von Byzantion die Hauptrollen spielten, ist klar.

c) die Hauptst«lle bei Hdt . VII, 95 m. ^EXXnana vxov o*h nXi}* Jßvdrjvüy ol öe Xouial ol ix tov n 6 vxov atqaxBvofABvo^ ist offen« bar verderbt. Das! ol o*h Xotnoi ol ix xov 'EXXuenovxov gelesen werden müsse, glauie ich in meinem zweiten Herodotischen Programm (vom Jahre 185?) } 11 und 12 sowol in sprachlicher wie sachlicher Hinsicht aus Herocbt selbst zur Genüge dargethan zu haben. Uebec die Bedeutung des Sfamens Hellespont an dieser Stelle sprach ich mich in folgenden Wortei aus: „Hellesp onti auf cm nomine hoc low non fretum illitd angusaim , qnod Xerxes rex pontibus junxerit , inteüi- gendum esse, sed nare illud satis amplum intet Aegatum Ponticumgue, cujus tres partes praecipuas: Hell espontum proprie sie dictum, Propontidem aque Bosporum Herodotus (IV , 86. 86) accurate distinxit, et ex cettum navium longarum numero , quem illius regionis incolae ad classen regiam miserunt et inde quod non Jonum modo sed etiam Dorum coloni Graeci Uli nominantur satis apparet Erat autem Hellespontts , aicut mare Aegaeum, »aXuaang rfjg 'EkXqvtxijg (V, 54 m l vel 'EXXyiöog (VII , 28 m.) pars, multo quidem quam illa altera minor sed tarnen ipsa etiam Graeci s undique urbibus einet a, ita ut inter magrus illas universae Graeciae regiones, quas vel potoat tfjg 'EXXädog cun Herodoto (VII, 15? m.) vel pioi xaiv 'EXXtjvatv cum Isocrate (Paneg. \ 169 f) dixeris , suo quodam jure referretur. cf. Thuc. II, 9." Ich kann demnach weder mit H.Stein mich einverstanden erklären, wenn er in seiner Ausgabe zu dieser Stelle bemerkt: „J/oVrow hier im engeren Snne von Bosporos, Propontis und Hellespont" noch mit E. Curtius, wacher in seiner griechischen Geschichte Band II p. 39 des Ausdruckes: „Inwohner des Pontus" sich bedient; denn weder das Eine noch das Anlere möchte sich irgend rechtfertigen lassen.

d) Der Hellepont als Bestandteil des Gebietes der athenischen lerrschaft genannt neben den Küstenbewohnern Kariens, den Dortrn an derselben Küste, Jonien, der Küste Thrakiens und der Inselwelt Thuc. II, 9. VIII, 96 p. m. xai iv rowry 'EXXt}o~- novtog x$ av r\v vvxoig xai 'itavla xai al vrjaoi xai xd /UC/pt Evßotag xai <og eiiiBlv ij 4$)valu>v doxn näaa. - VIII, 86, c. m. iv y aatpioxaxa 'loiviav xai "EXXijonovxov cv$vg bIxov ol noXi/Atot Plut. Ale.

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C. 26 p. m. sv&vf $xeiv vnq(?xe" «V"1**» 'ImIhv änaoav, 'EXX/jOnovxoy xui rag v^tsovg. vgl. mit Thuc. VI, 77 c. m. <feifnt «rroi? o'r« ovx "/awfff ra<Je cftri»' ovV 'EXXrjffnovxioi xai vrjouoxai x. x. X.

Die Steuereintreibung aus dem Hellespont öfter erwähnt Thuc IV, 75 p. in. ol tiüv dgyvQoXoytay veoiv 'j&qyaivüy axgax^yoi ovreg nsQi 'EXXqonovTov. Xen. Hell. IV, 8, 35 f.

Erhebung des Zehnten von der Ausfuhr der Schiffe aus dem Pontos zu Chrysopolis durch Alkibiades Xen. Hell. I, 1 , 22, dagegen wieder zu Byzantion durch Thrasybulos Jd IV, 8 . 27 § 31 und nur im Allgemeinen mit angedeutet IV, 8, 34 « xttreaxevteev eV t«5 'EXXyo- novxy SgaovßovXog.

e) Demosth. JPAi'Z. III §. 18 xiaiv olv v/teis xiydvyevaaix1 av et ri yivoixo ; r m t 6 v 'EXXrjonovxoy aÄXtxgno&ijyai, x<3 MeyaQtov xai xrjg Evßolag toV 7ioX(fiovv9' vpiv y&'£oS-«i xvqiov, xtp neXonovyijolovg xdxeivov <pQoyij<xai vgl. mit de cor. §. 71 und specieller de cor. 87: eneidt] xoivvy ix xyg Evßoiag 6 ^iXinno^ i^Xd^tj ixegoy xiva xard xrjg noXetog tnn zt/KTuov 4£tjxfi. tiyuiv J öri aixio ndvxtav dv&Qwntov nXeiory yQtafisP intiadxxto , ßovX6fieyo< xttg aixonopnekts xvoiog yevioSkti, naoeX&ü>y ini &Q(cxi]g Bv^ayxtovg inoXiooxei x. x X. §. 88 aXXu rie tjy 6 ßori^rjaag xoig BvCayxioig xai ooaug at'xovg: xig 6 xioXvaag xov 'EXXrjonovxov dnaXXoxQtu)9r}vai xux"1 txeOovg xovg xonvovg; vftsig, o) aytgeg 'jfyvaioi x t. X. §. 93 §. 230 §. 241 adv. Leptin. § 60 vgl. mit Plut. Phoc. 14 a. m. Id. Demosth. 17 a. m. Liod. XVI, 74 - 77 aus welchen teils vollständig mitgeteilten, teils nur angedeuteten Stellen die Oberaus grosse Bedeutung Byzantions für den Hellespont erhellt. Aus der herrlichen Stelle über den rct/ur^uot des Dcmostbenes (de cor. §. 299 -- 303) lernt man auch die wichtigsten Punkte auf der Getreidestrasse von Byzantion bis zur Hafenstad Athens kenneu: Prokonnesos, Cherrh onesos , Abydos, Ten^dos, Euböa, an deren Besitz oder Befreundung soviel gelegen seinmusste.

f) Von dem Einfluss auf die an der Nordküse des Hellespont gelegenen Städte spricht bereits Xen. Hell. IV, 8, 2> (o &QuovßovXog) Big xov 'EXXrjanovxov nXevaag xai xrcxafAa&ajy - yaxaadCotxug 'Auddoxov xe xov 'OdQvotvy ßaaiXia xai Zev&rjv, xov ini &aXaxx[j«Qxorxat uXXyXoig [Xtv dir]XXa£6v avxovg , 'j&qvaioig <ft tplXovg xai w/jpaxovg inoitjae yojuit<av xai xovg vno xjj 9o<{Xf] (w0' zu le8en: ?*> xavxß xjt Öp^'xfl) oixovcag noXeig 'EXXijvifug , cpiXotv ovxtov xovxtov , uuXXov nqoc4rti¥ ay xoig 'A&tjvaioig roV vovv. Womit verglichen werda kann, was Xen weiter in Betreif der hellespontischen Südküste sagt §. 27:

ii rovxtoy xe xaXdg xai x<ov iv xij 'Aoiq noXtwy did ro ßaaiXea tpiXov xoig Ufyyaioig ilvui nXtvoag dg BvStlvxtoy x. x. X verliehen mit §.31. Uebrigens spricht schon Thuc. II, 9ii p. in. u. 67 m. v)j der Ausbreitung der Herrschaft des Odrysenkönigs Sitalkes bis an den Hjllespont (Bisanthe) ; vgl. Hdt. VII, 137 c. f.

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g) Nachdem bereits zur Diadochenzeit ein König der Bithyner Zibötes nach dem Besitze von Astakos and Kalchedon gestrebt (Dd. XIX, 60 p. m.) , gründete dessen SobD und Nachfolger Nikomedes I nahe der Stelle des zerstörten Astakos Nikomedia als Residenz, während Prnsias I Prusa und statt der zerstörten Städte Kios und Myrlea Prusias und Apamea erbaute.

h) Umgeben war damals der Hellespont von den Provinzen: Thracia (später Europa) , Asia (später Hellesponttts) und Bithynia Der eben erwähnte Namen Hellespont in eingeschränkterer Bedeutung für die Südwestküste des alten Hellespont, welche Bedeutung man schon angedeutet findet bei Xen. Hell. 111,4, 11 IV, 3,17 wo zusammen genannt werden "JttMf, MoXeis , 'EXXtjanovrtut , während dies nach dem Sprachgebrauch der früheren Zeit wenigstens durch den Zusatz : ol ini <f«£i« (ionXiovTi) müsste ausgedrückt werden vgl. Hdt. III , 90 m. VI, 33 in. Bezüglich des späteren Sprachgebrauches Zosim. I, 43 p. in. xai 7i uq an Xsv a avx s s rov 'EXX^anovtov (ol Zxv&ui) «XQ1 ts tov vA$tti 7i aoevex&s'yTes x. x. X.

i) Schlachten zwischen Severus und Niger bei Kyzikos und bei Nikäa; dreijährige Belagerung, Eroberung und harte Bestrafung Byzantions durch Severus; Verödung derselben Stadt durch des Gallienus Truppen; Einnahme und Plünderung von Kalchedon, Niko- media, Nikäa, Kios (= Prusias), Apamea, Prusa durch die Gothen

Wenden wir uns nun nach dem bisher Gesagten zu den drei oben genannten Realwörtef büchern , so sagt uns schon von vornherein die Trennung in die Artikel Hellespont und Propontis, dass wir nichts zu finden hoffen dürfen über den gemeinschaftlichen Namen jener beiden Meeresteile sowie über dasjenige, was sich daran knüpft. Und doch hätte gerade der Hellespont Veranlassung bieten können zu einem herrlichen Gesammtartikel, unter welchem sich alles Dahingehörige würde haben vereinigen lassen , auch die verschiedenen zu nennenden Städte. Dann würde der Schüler z. B. die Artikel Sestos und AbydoB, Byzantion und Kyzikos zwar auch einzeln in seinem Wörterbuche gefunden haben, aber bei jedem dieser Städtenamen nur eine Ver- weisuug auf den Artikel Hellespont, wo er die weitere Gliederung dieses Namens und die Verteilung der dahingehörigen Städte kennen gelernt haben würde. Denn da wir bei Bearbeitung der altbellenischen Geographie für pädagogische Zwecke schlechterdings von der Blütezeit der hellenischen Geschichte auszugehen haben , so muss bei einer geographischen Darstellung des Hellespont die allgemeinste Bedeutung desselben zur Grundlage gemacht werden, woran die wichtigsten allmählichen Veränderungen dieses geographischen Begriffs sich anzu- reihen haben. Durch jene beständigen Verweisungen auf den Gesammt- artikel wird dem Nachschlagenden so recht eingeprägt, dass von den

oben genannten vier Städten die zwei letzteren, sowie alle sonst der Propontis zugewiesenen, mit demselben Rechte hellespontische heissen wie dies mit Sestos und Abydos sowie mit den übrigen an der Meer- enge selbst liegenden der Fall ist.

Aber auch in den beiden Sonderartikeln finden wir mehr Rücksicht ' genommen auf Unwesentliches als auf das Wichtige und besonders Hervorzuhebende. So werden zwar die Namen Hellespont und Pro- pontis erklärt nach dem Woher dieser Benennung, angegeben sind die heutigen Namen derselben, wir erfahren ferner, dass über die engste Stelle des Hellespont, zwischen Sestos und Abydos einst Leander bioQberge8chwommen sei, dass Lord Byron im Jahre 1810 dasselbe getban habe, dass man das Wasser des H. für kälter und süsser gehalten als das des Mittelmeeres. Pauly und Lübker schliesson den Artikel H. mit den Worten: auch hiess so die Gegend am H. (es ist natürlich blos von der Meerenge die Rede), besonders in Asien (Thuc. II, 9 Xen. Hell. I, 7, 2). Bei Lübker stehet zuletzt noch die Worte: (auch heisst) 6 'EXkrjonovrias ein vom H. wehender Wind Hdt. VII, 188. Dagegen findet sich nichts über die Ausdehnung des hellespontischen Sundes nach Länge und Breite (insbesondere der engsten Stelle, welche so oft als Uebergangspunkt dienen musste), nichts aber die wichtige, die Meerenge beherrschende Lage von Sestos (Strab. XIII p. 591 a. m. u. a.f. vgl. mit Hdt. IX, 116 m. Thuc. VIII, 62 f. Xen. Hell. IV, 8, 5 a. f.). Ver- gebens sieht man sich um nach Aufzählung der wichtigsten hellenischen Städte , welche so durchaus erforderlich ist. Forbiger allein hat (in Pauly'sR.) für die Propontis vier Städte genannt: Heraklea, Perinthos, Byzantion und Kyzikos, wovon freilich die beiden ersten in Eine zusammenfallen. Also drei Städte der Propontis, während wenigstens zehn aufzuführen waren: die vier megarischen Pflanzstädte (im 0) Selymbria, Byzantion, Kalchedon , Astakos ; die zwei samischen (im N.W.) Bisanthe und Perinthos; endlich die vier milesischen (im S.) Eios, Kyzikos, Artakc und Prokonnesos. Für die Meerenge des H. möchten ausser den zwei bereits genannten wichtigsten noch gegen acht Städte zu nennen sein: Sigeion (Rhoeteion), Dardanos, Lampsakos, Parion, sowie auf der europäischen Seite Eläus, Madytos, Kallipolis (Krithote), Paktye.

Gänzlich falsch verstanden sind die zwei angeführten Stellen Thuc. II, 9 und Xen. Hell. I, 7, 2, in denen nur vom Hellespont mit seinen Städten im weitesten Sinne die Rede ist.

Nicht weiter befremden wird es, wenn wir bemerken, dass wir auch auf die in den Artikel Hellespont gehörenden, allerwichtigsten historischen Notizen Verzicht leisten müssen , über die Zeit der Helle- nisirung dieser Gegenden, über die Herrschaft, welche Persien, Athen, Lakedämon etc. nach einander über dieselben ausgeübt, über die Ver-

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änderungen des Kamens und der Bedeutung des hellespontischen Meeres und seiner Kasten etc.

Schliesslich thut es uns leid, aussprechen zu müssen, es lasse die Bearbeitung der erwähnten Artikel in Bezug 'auf Gründlichkeit und Zweckmässigkeit so Vieles zu wünschen übrig, dass die Absicht der Herausgeber der Wörterbücher , ein Hülfsmittel zum leichteren Verständnisse der alten Klassiker zu bieten, in Hinsicht auf den so lange besprochenen Namen weder durch das grössere Werk, noch durch die beiden kleineren, für einen grösseren Kreis berechneten, als auch nur annähernd erreicht zu betrachten sei.

Hof. G. Gebhardt

Stillstische Aphorismen.

IV. Ueber Gedankenarmut.

Wir haben in den vorhergehenden Aphorismen zunächst nur die wissenschaftlichen Mängel der bisherigen Stillehre betont; ein in diesen Blättern S. 275 erschienener Artikel über die Gedankenarmut der Gewerbscbüler veranlasst uns aber, heute auf die Mangelhaftigkeit der Aufsatzlehre auch in praktischer Hinsicht zu sprechen zu kommen.

In jenem Artikel wird uns ein recht düsteres Bild von den Leistungen der Schüler im Deutschen entworfen. Ibre Aufsätze, sagt der Verfasser, seien dürr und matt, und man sehe es ihnen an, welch' ein mühevolles Machwerk sie sind. Da sei kein Schwung der Rede, kaum je eine passende Vergleichung aus dem alltäglichen Leben zu finden , und wenn sie noch so nahe läge. Gewöhnlich dürfe der Lehrer zufrieden sein , wenn seine Schüler am Ende ihrer Studienlaufbahn über ein entsprechendes Thema in leid- licher Richtigkeit sich auszusprechen verstehen, aber in rassei- dürrer Prosa.

Sind dies die Resultate eines systematischen Unterrichts im deutschen Stil , so finden wir es sehr natürlich , dass man nach den Ursachen eines solchen Standes der Dinge uud nach Mitteln zur Abhilfe suche. Denn es ist gewiss ein sehr peinliches Gefühl, solchem Mangel an Früchten seiner mehrjährigen Arbeit gegenüberstehen zu müssen.

Es fragt sich nun aber, ob die angführten betrübenden Warnehm- ungen allgemein gemacht werden oder ob sie mehr auf individuellen Erfahrungen beruhen. Uns wenigstens haben sich so trostlose Resultate nur als Ausnahmen aufgedrängt; wir sind aber auch noch nicht damit zufrieden, wenn der Schüler sich mit leidlicher Richtigkeit über ein

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Thema ausspricht. Weil uüb aber II. Coli. Krällinger in seinem Artikel versichert, dass so ziemlich jeder, der in die Lage komme, deutsch lehren zu müssen, in diesen Jamroor einstimme, und dies auch durch vielfache öffentliche Klagen über geringe Leistungen der Schüler im Deutschen bestätigt zu werden scheint, so fühlen wir uns bei dem Standpunkt, den wir der Stilistik und dem stilistischen Unterricht gegenüber ein- genommen haben , gedrungen , unseren Anschauungen über das auf- geworfene Thema im Nachfolgenden Ausdruck zu geben.

Was zunächst die von Coli. Erallinger angegebenen Ursachen der Gedankenarmut betrifft, so sind dieselben leicht als hinfällig nachzuweisen. Er sagt nämlich selbst, dass auch am Gymnasium über das besprochene Uebel geklagt wird und H. Ludwig Mayer hat dies erst jüngst in diesem Bl. S- 323 am Schluss seiner Abhandlung „Schriftliche Uebungen in der deutschen Grammatik für Sexta" bestätigt. Wenn dem aber so ist, dann kann weder die schlimme Einrichtung unserer Gewerbschulen, uoch die reale Richtung derselben und das Präponderiren- der mathematischen Fächer noch auch das schlechtere Schüler material an jener Armut schuld sein. Auch unsere ganze Zeitrichtung kann die Ursache der beklagten Erscheinung nicht sein; denn die Klagen über Gedankenarmut sind ja nicht neu.

Keine von den angeführten Ursachen ist daher stichhaltig und folglich kann auch die Gedankenarmut nicht zur geistigen Eigenart des Gewerbschülers gehören. Die Gründe müssen anderswo gesucht werden, denn die aufgeworfene Frage ist vor allem eine psychologische und mu8S daher zunächst psychologisch geprttft'werden.

Nun ist aber bekannt, dass die Quelle der Gedanken die Erfahrung ist. Diese kann wieder sein eine äussere = Sinneswar- nehmungen, Anschauungen u. s. w. und eine innere = Empfindungen, Gefühle u. s. w. ; oder nach einem andern Gesichtspunkt eine un- mittelbare = die Anschauung des Gegenstandes selbst, eigne Anschauung, eigne Erfahrung etc. und eine mittelbare Abbildungen , Lektüre, Erfahrungen durch Unterricht etc. Wenn wir daher den Begriff Erfahrung specialisiren, so ergibt sich: der Mensch bekommt Gedanken durch Sinneswarnehmungen , Anschauungen, Erlebnisse, Abbildungen, Lektüre, Unterricht u. s. w. Nun weiss aber jedermann, dass diese ver- schiedenen Erfahrungen dem Menschen erst allmählich zu Teil werden und ihre grössere oder geringere Quantität in erster Linie bedingt ist durch das Alter. Wäre nun alles, was ein junger Mensch von 14 15 Jahren schon erfahren hat, sein bleibendes geistiges Besitztum geworden, so würde ihm Niemand Gedankenarmut vorwerfen. Allein , wenn der Schüler im Aufsatz über 9eine Kenntnisse und Erfahrungen Rechenschaft geben soll , so macht das von ihm geschaffene Produkt nicht selten den Eindruck der Dürftigkeit, die man mit dem Namen „Gedanken -

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armut" belegt Dieselbe tritt und wir haben hier zunächst die unteren Kurse im Auge in doppelter Form auf:

1. Viele Schüler haben von Erfahrungen, die sie täglich machen, wol einen Totaleindruck, vermögen aber Ober dieEinzelheiten keinen Aufschluss zu geben.

2. Andere dagegen haben vieles, was sie erlebt und gelernt haben, im Geiste bewahrt; allein trotzdem erscheinen ihre Aufsätze gedankenarm, da sie es eben nicht verstehen, ihre Erfahrungen im Aufsatz praktisch zu verwerten.

Ersterea wollen wir wirkliche , letzteres scheinbare Gedanken- armut nennen.

Ausser diesen beiden Formen tritt in den oberen Cursen noch

3. eine neue Art von Gedankenarmut sporadisch auf, die darin besteht, dass Schüler, die vorher den gestellten Anforderungen genügten, auf einmal Aufsätze liefern, die verh ft 1 tni asm äs sig dürr und mager sind. Dies ist die Folge einseitiger geistiger Ausbildung und wir werden sie daher als einseitige Gedankenarmut bezeichnen.

In diesen 3 Formen erscheint erfabrungsgemäss die Gedankenarmut in der Schule, und wir werden nun versuchen, die Ursachen einer jeden dieser Arten aufzuzeigen und Mittel zu erwägen, die etwa geeignet sein dürften, hier abzuhelfen.

1. Ueber wirkliche Gedankenarmut.

Dass die Gedanken aus der Erfahrung entspringen, wurde schon oben gesagt. Wer daher gedankenreich werden will, muss zusehen, dass er recht viel erfahre. Es genügt jedoch nicht, sich die Dinge blos anzusehen*, sondern soll eine Erfahrung bleibendes Eigentum des Menschen werden , dann muss an ihr erst ein geistiger Process voll- zogen werden, durch den sie eben in unser Bewusstsein und in unsere Ideenassociation aufgenommen wird. Dieser geistige Process aber ist folgender : Wenn ich eine Erfahrung mache , muss ich sie mir jederzeit in ihre Einzelheiten zerlegen und diese Einzelheiten mir dadurch zum Bewusstsein bringen. Denn nur das, was ich an einer Erfahrung unterschieden habe , wird in mein Bewusstsein ein- gehen ; alles übrige aber geht nicht ein und kann daher nicht mehr reproducirt werden. Das blosse Anschauen oder Hören hilft daher dem Schüler nichts, wenn er vergisst, das was er gesehen oder gehört, in seine Teile zu zerlegen. Sehr richtig sagt daher Cbolevius in seiner „praktischen Anleitung zur Abfassung deutscher Autsätze in Briefen" Leipzig 1868 Brief 8: „Ihr seht nichts, weil ihr nicht gewohnt aeid, zu zerlegen!" und macht die Notwendigkeit des Zerlegens nun an folgendem Beispiel klar:

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„Du hast vor einem Thore der Stadt ein sehr anmutiges Land- schaftsbild gesehen ; wegen der Weite des Weges warst Du nie bis dahin gekommen. Bei Deiner Heimkehr rühmst Du dem Freund die herrliche Gegend. Du drängst in ihn , dass er sich ebenfalls bald diesen Oenuss bereiten möge. Will er nun aber wissen, was in dem Grade Deine Verwunderung erregt bat, so hört er wieder nur Exkla- mationen und einige unbestimmte abgerissene Bemerkungen, aus denen er nichts machen kann. Du hast zwar einen Gesammteindruck empfangen, aber Du hast Dir denselben nicht zum Bewusstsein gebracht und kannst deshalb auch keine Rechenschaft ?on ihm geben, weil Du es versäumt hast, den Gegenstaud zu zergliedern und in seinen Einzel- heiten zu erfassen. Wer sich aber diese Tugend zu eigen gemacht, der wird, wenn ihn eine schöne Gegend ansieht, nicht mit blosser Bewunderung in's Blaue hinausstarren: er wird nicht blos das Ganze, sondern auch die Teile warnehmen; ihm kann es daher nicht schwer fallen, die Reize der Landschaft auf eine geordnete, anschauliche und erschöpfende Weise darzulegen, wie schon seine Betrachtung und Auffassung selbst vielleicht unwillkürlich durch eine gewisse Methode geregelt wurde".

Und was hier von der Betrachtung einer Gegend gesagt ist, das gilt für alle Sinneswarnehmungen , für alle Erfahrungen. Eine Er- fahrung, die wir nicht in ihre Einzelheiten zerlegen , hinterlässt nur einen verschwommenen Totaleindruck und wird kein verwendbarer geistiger Besitz. Die Ursache jener auffallenden Erscheinung, dass junge Leute selbst über das , was sie alle Tage erleben , oft keinen befriedigenden Aufscbluss geben können, ist daher keine andere, als dass dieselben die Eindrücke, die sie empfangen, .nicht in ihre Einzelheiten zerlegen, weshalb ihnen diese folgerichtig auch nicht zum Bewusstsein kommen.

Diese. Zerlegen der Erfahrungen in ihre Einzelheiten erfordert allerdings eine ziemliche geistige Anstrengung und muss wie jede andere Fertigkeit erst allmählich erlernt werden; ja es muss so gründlich erlernt werden, dass es uns zur Gewohnheit wird, so dass wir jede Erfahrung unwillkürlich und instinktiv in ihre Einzelheiten auflösen. Damit aber haben wir bereits das Mittel angedeutet , durch welches die in Rede stehende Art der Gedankenarmut allein radikal geheilt werden kann, nämlich durch methodische Gewöhnung ans Zerlegen der Erfahrungen in ihre Einzelheiten.

Aber wird denn dadurch nicht alles zerstückelt? Haben wir denn schliesslich nicht blos Teile in der Hand, fehlt leider nnr das geistige Band? Gewiss nicht. Das Zerlegen ist nicht ein Zerstückeln der Erfahrung, sondern es besteht darin, dass wir an einem Ganzen die Teileuieses Ganzen unterscheiden, wobei wir uns immer bewusst

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sind, dass das Unterschiedene ebea Teile jenes Ganzen Bind. Das Zerlegen ist nämlich eine Thätigkeit , die analytisch and synthetisch zugleich ist: das Ganze wird in seine Teile aufgelöst, aber ich bin mir dabei stets bewusst, dass diese Teile zusammengehören und in ihrer Totalität eben jenes Ganze bilden. Davon kann man sich jederzeit leicht uberzeugen. Z. B. nehmen wir an, wir hätten erst jüngst mit den Schülern einen Spaziergang gemacht. Lassen wir nun den Verlauf dieses Spaziergangs stilistisch bearbeiten, so wird die Besprechung dieses Themas darin besteben, dass wir den ganzen Spaziergang in seine Teile zerlegen. Wir werden also den Schüler nach den Einzelheiten fragen, nach der nächsten Veranlassung, nach Zeit und Ort^der Zusammenkunft, nach der Art und Weise, wie man abmarschirte u. s. w. Durch diese Fragen wird der Schüler gezwungen , den ganzen Spaziergang in seine Einzelheiten zu zerlegen und sich dieselben dadurch nochmals zum Bewusstsein bringen. Sind wir dann am Ende angekommen, so fordern wir ihn auf, den ganzen Verlauf des Spaziergangs im Zusammenhang zu erzählen. Und siehe! obgleich nur zerlegt wurde, kann er doch alles zusammen- hängend erzählen, weil er sich eben von Aniang an immer bewusst war, dass alle Teile nur Teile jenes Ganzen seien; er hat den Vorgang nicht zerstückelt, sondern nur die Teile an demfelben unterschieden.

Es ist daher nicht zu fürchten, dass auch ohne nachfolgende Syn- these die Analysis das Ganze zerschneide; doch ist es zur Befestigung des gesammten Eindrucks zweckmässig, auf die Analysis eine Synthesis folgen zu lassen.

Damit nun aber die in Frage stehende Art der Gedankenarmut radikal geheilt werde, ist es notwendig, den Schüler recht oft Ganzes in seine Teile zerlegen zu lassen, so dass ihm das Zerlegen allmählich zur Gewohnheit wird. Dazu brauchen wir aber gar keine besonderen Uebungen anzustellen, denn jeder Unterricht, jede Unterweisung ist ja thatsächlich allemal auch als eine methodische Schulung im Zerlegen, Unterscheiden uud Zergliedern. Denn bei jedem Unterricht wird der Schüler gezwungen , Ganzes in seine Teile zu zerlegen, Verwandtes und Aehnliches scharf zu scheiden , Ursachen und Wirk- ungen zu sondern etc. So ist z. B. die Besprechung eines Themas in der Stilstunde, die Besprechung eines Lesestückes und die Feststellung des logischen Zusammenhangs nichts anderes als ein solches Zerlegen des Ganzen in seine Teile. Dasselbe geschieht in der Geometrie-, in der Geschichts-, in der Geograpbiestunde etc. Kurz jeder Unter- richt gewöhnt den Schüler methodisch an jene Thätigkeit , von der die geistige Ausbildung so wesentlich abhängt; ist ihm aber dieselbe ein- mal zur Gewohnheit geworden, dann braucht er keinen Lehrer mehr, der ihm alles zurechtlegt, dann ist er reif, sich selber fortzubilden.

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Dass aber jeder Unterricht mit der Zeit wirklich diese Aufgabe erfüllt, wird durch die Erfahrung bestätigt. Denn in je höhere Kurse der Schüler aufsteigt, um so mehr .wird die hier in Frage stehende Gedankenarmut verschwinden. Ein specielles Mittel, die Kinder von Jugend auf an das Zerlegen von Erfahrungen zu gewöhnen , ist der Anschauungsunterrichjt, der aber die Gefahr in sich trägt, nur allzuleicht in eine geistige Spielerei auszuarten. Die erste Unter- weisung im Anschauen , d. i. im Zerlegen, erhält das Kind schon zu Hause ; denn jede Belehrung , die eine Mutter dem Kinde über das, was es sieht und hört , gibt , ist thatsächlich nichts anderes als ein erster Anschauungsunterricht. Kommt das Kind in die Volksschule, so wird dieser Unterricht methodisch betrieben, aber sehr verschieden, je nachdem man eben das eine das andere als Zweck desselben betrachtet (Siehe Karl Richter „der Anschauungsunterricht in den Elementarklassen" Leipzig 1S69). Bald soll er die Kinder „unterrichts- fähig machen", bald ihre „Vorstellungen klären, ordnen und erweitern", bald im „richtigen und gewandten Gebrauch der Sprache üben und ihren Wortvorrat bereichern" u. s. w. Alles das beweist, dass derselbe für die Entwicklung des Kindes in vielfacher Beziehung nütztich werden kann. Seine eigenste Aufgabe aber und das, was für die Weiterbildung des heranwachsenden* Knaben den bleibendsten Wert hat, scheint uns eine methodische Gewöhnung an das Zerlegen der Erfahrungen zu sein. Kommt er diesem Ziel nahe, so ist alles Uebrigo, was man sonst einseitig als seinen Zweck hervorhob, zugleich miterreicht. Deshalb soll er sich auch unseres Erachtens nicht blos auf körperliche , im Raum ausgedehnte Gegenstände be'schränken , sondern sich auch auf das Zerlegen von Thätigkeiten , Erscheinungen, Erlebnissen, Begeben- heiten etc. erstrecken, damit nicht der Schüler nur Körper nach ihren Teilen unterscheiden lerne, vor Begebenheiten, Thätigkeiten etc. aber ratlos dastehe. Ob es aber zweckmässig sei, nach dem Vorschlage des Nürnberger Inspektors Feuerlein und wie auch Krallinger will aus der Schule hinaus, in die Natur selbst zu gehen, darüber Hesse sich wol streiten. Jedenfalls dürften sich solche Experimente nur für ganz kleine Schulen empfehlen und würden besser vom Vater, der Mutter oder einem Kinderfreund unternommen.

Die eben behandelte Art von Gedankenarmut verliert sich, wie wir erwähnten, in Folge des fortgesetzten Unterrichts mit der Zeit von selbst und ist daher weniger bedenklich. Gefährlicher dagegen ist die Erscheinungsform der Gedankenarmut, die wir jetzt behandeln werden. Denn diese ist mit den bisherigen Mitteln nicht auszurotten und lastet wie ein Alp auf Lehrern und Schülern.

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2. Die scheinbare Gedankenarmut.

Die scheinbare Gedankenarmut besteht darin , dass der Schaler über einen Gegenstand so manches zu sagen wüsste, aber nicht die Fähigkeit hat, seine Kenntnisse auch im Aufsatz zu verwerten. Diese Art von Gedankenarmut ist es, über welche Coli. Krallinger klagt, wenn er hervorbebt, dass die Schüler selbst das, was sie doch offenbar aus der Geschichte und Geographie etc. wissen müssten, nicht zo benützen verstehen.

Die Ursache dieser Erscheinung liegt aber keineswegs in dem betr. Fachunterricht, also nicht am Geschicbts-, Geographie- etc. Unterricht, sondern gerade da, wo man sie merkwürdiger Weise nicht sucht, im deutschen Sprachunterricht Man glaube doch nicht, dass man dem Schüler „die nötige Anweisung zur Verwertung der anderweitig erworbenen Kenntnisse'1 hat zu Teil werden lassen. Beim heutigen Stand der Stilistik haben wir eben keine genügende derartige Anweisung. Mit nicht geringem Erstaunen haben wir daher gelesen (S. 277), „was den stilistischen Unterricht betrifft, so Messe es nur ein Tröpfchen in» Meer giessi n , wenn wir uns länger dabei auf- hielten !" Gerade hier ist der Sitz des Uebels, hier muss still- gehalten werden 1

Man täusche sich nicht länger und gestehe zu , was nicht länger geleugnet werden kann, dass nämlich die Stilistik, wie sie uns vorliegt, keineswegs im Staude sei, dem Schüler eine Anleitung zur Abtastung von Aufsätzen zu sein. Wer dies uur für unsere subjektive Meinung hält , der lese doch den ersten Brief der bereits erwähnten Anleitung des Cholevius, welcher den Titel führt: „Dass die gelehrten Handbücher der Rhetorik einem Schüler wenig Nutzen gewähren" und begreite danu , dass die Stilistik und Rhetorik keines- wegs das leisten, was sie versprechen. Eine gründliche Reform derselben ist dringend uötig und nur von einer solchen darf man sich eine Beseitigung der acheiubareu Gedankenarmut und überhaupt eine Besserung der Leistungen der Schuler im Deutschen erwarten.

Bei der bisherigen Methude kann nicht viel geleistet werden; denn sie hiltt dem Schüler weder auf methodisch rationellem Weg Gedanken finden , noch verhilft sie ihm zu einer den logischen Anforderungen genügenden Disposition; sie ist unfähig, ihn vor Abschweifungen zu bewahren und leitet ihn im Gegenteil selbst zu solchen au und statt im logischen Denken methodisch zu schulen, lässt sie seiner Freiheit und Willkür vollen Spielraum, so dass die deutschen Aufsätze not- wendig jene durchaus unbeiriedigende Gestalt bekommen, über welche allgemein geklagt wird. Und wer hat darunter am meisten zu leiden? Der arme Schüler. Die deutschen Noten drücken beständig seine

BUtt,r f. d. bW. Gymn,- u. Bea]-8cbulw. XI. J»hrg. 28

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Dass aber jeder Unterricht mit der Zeit wirklich di erfüllt, wird durch die Erfahrung bestätigt. Denn in je h der Schüler aufsteigt, um so mehr wird die hier in Fr; Gedankenarmut verschwinden. Ein specielles Mittel , die Jugend auf an das Zerlegen von Erfahrungen zu gew< A ns ch au u n gs u n ter r ic hjt, der aber die Gefahr in allzuleicht in eine geistige Spielerei auszuarten. I' Weisung im Anschauen , d. i. im Zerlegen, erhält das Hau9e ; denn jede Belehrung , die eine Mutter dem was es sieht und hört , gibt , ist thatsächlich nichts erster Anschauungsunterricht. Kommt das Kind in so wird dieser Unterriebt methodisch betrieben, alx je nachdem man eben das eine oBer das andere b betrachtet (Siehe Karl Richter „der Anschaum Elementarklassen" Leipzig 1869). Bald soll er die fähig machen", bald ihre „Vorstellungen klären, bald im „richtigen und gewandten Gebraiu.li ihren Wortvorrat bereichern" u. s w. Alles da für die Entwicklung des Kindes in vielfacher Bi kann. Seine eigenste Aufgabe aber und das, des heranwachsenden* Knaben den bleibende eine methodische Gewöhnung an das Zerl sein. Kommt er diesem Ziel nahe, so ist einseitig als seinen Zweck hervorhob, i soll er sich auch unseres Erachtens ni Raum ausgedehnte Gegenstände beschr das Zerlegen von Thätigkeiten , Erscb« heiten etc. erstrecken, damit nicht d< Teilen unterscheiden lerne, vor Be1 ratlos dastehe. Ob es aber zweckn Nürnberger Inspektors Feuerlein i Schule hinaus, in die Natur se1 streiten. Jedenfalls dürften sieb Schulen empfehlen und wür einem Kinderfreund unternor

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erkennen, dass Theramenes Veranlassung hatte, sich un- izudrücken , etwas zu sagen , was er eigentlich nicht sagen ld nicht sagen durfte , muss man sich die ganze Situation iwärtigen, in der Theramenes diese Worte sprach. Als Athen Gysander erobert worden war und sich unter die spartanische Fmonie beugen musste, wurde daselbst eine aristokratische Regier-

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sonstigen Leistungen herunter ; ratlos und verzweifelnd steht er da, weil er trotz allen FUisses nicht vorwärts kommen kann. Die Schuld von dem allen aher ist die Aufsatzlehre seihst und die ganze Metbode, wie man den Schüler schult. Wir brauchten nur ein im Lande nicht unbekanntes Stil buch aufzuschlagen, das „auf dem Boden der Schul- praxis erwachsen" ist, wie es in der Vorrede heisst und das uns die bisherige Methode an einem ausgesprochener Massen „aus der Schul- praxis" herausgenommenen Beispiele vorführt. Würden wir die dem- selben gebührende Kritik hier beisetzen, so wäre der klarste Beweis geliefert, dass alles, was wir eben sagten, leider nur zu wahr sei. Doch Bei dies auf eine eventuelle Provokation verschoben. Dagegen wollen wir nun kurz andeuten , nach welchen Richtungen hin unseres Erachtens eine Neugestaltung der Stilistik vor allem angestrebt werden müsse-

(Schluss folgt.)

Kaiserslautern. M. Schiessl und W. Götz.

Xenopta. Hell. II. 8, 48.

To fiivjoi avv rots övva fiivo iq xai fie& l'nmov xai per' von ((f wv tuq-.eXeiy diu rovrioy tijv noXtreiav ngoa&sv uqiOTOV rtyov /urjV c/V«* xai vvv ov (xei(tpnX'Aoiicu.

Es ist ein ganz gewöhnlicher Fehler bei Erklärung der Klassiker, dass man das psychologische Moment gar nicht oder zu wenig berück- sichtigt. Es handelt sich nämlich nicht darum, wie in einem bestimmten Falle die meisten Menschen, wie ein ganz ruhiger, vollkommen objektiver Mann gehandelt kätte (logischer Zusammenhang), sondern wie eine bestimmte Persönlichkeit von einem bestimmten Charakter, von bestimmten Naturanlagen, von einer bestimmten politischen oder religiösen Ueberzeugung in einem ganz bestimmten Falle, unter ganz bestimmten Verhältnissen gefühlt, gedacht, gesprochen, gehandelt hat und handeln musste (psychologisches Moment). Der Mensch ist ja keine logische Formel, kein abstrakter Begriff, sondern eine lebendige Persönlichkeit von Fleisch und Blut und er selbst ist, wie auch seine Handlungsweise, das Produkt von Nnturanlagc , Erziehung und den Verhältnissen. Von einem Klassiker muss ich aber annehmen, dass er alle Persönlichkeiten, alle Verhältnisse richtig erkennt, beurteilt und richtig darstellt. Wie im Drama der Dichter seine Personen ihrem Charakter nach, den er ihnen gibt, fühlen, sprechen und handeln, wie er die ans den Persönlichkeiter. und Thatsachen sich entwickelnden Verhältnisse naturgemäss aus einander hervorgehen lassen muss, so

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. muss auch der Gescbichtschreiber dio Personen und Verhältnisse dar- stellen, nicht wie sie sein konnten oder sollten, sondern wie sie waren. Es müsste denn Bein, dass ein Schriftsteller nicht Geschichte, sondern einen historischen iioman schreiben will, wie das vielfach vorkommt. Will er aber einen Roman schreiben, dann kann seine Schrift natürlich keinen historischen Wert mehr beanspruchen, ist aber auch nur an die Gesetze der Puesic gebunden d. b. er muss seine willkürlich angelegten Persönlichkeiten consequent durchführen, er muss sie, wie im Drama, den Verhältnissen und ihrem Charakter entsprechend denken, fühlen sprechen und bandeln lassen. Wer dies nicht thut, ist kein Klassiker, sondern ein Stümper. Da aber jede Person nach ihrem Charakter und nach ihren Verhältnissen bandelt und da der Klassiker sie richtig auffasst und darstellt , so kann ich mir von vornherein denken , wie eine bestimmte Persönlichkeit unter bestimmten Verhaltnissen gehandelt haben muss. Dies gibt dem Leser oder Erklärer den Schlüssel zum Verständniss der Begriffe und Gedanken. Hiezu kommt natürlich dann als zweites eben so wichtiges Moment der Text Zusammenhang und zwar psychologischer Zusammenhang und Text und zwar der Text in allen seinen , auch den feinsten Nuancirungen , geben das Verständniss, die Erklärung und die Uebersetzung.

Die oben citirte Stelle wird nun, meines Wissens, allgemein als corrupt bezeichnet und es werden desswegen verschiedene, mehr oder weniger glückliche Verbcsserungsvorscbläge gemacht, die ich nicht angeben will. Ich halte den Text für vollkommen richtig und nehme nur eine Correctio an, wie sie ja auch sonst vorkommt. Theramenes wollte nämlich sagen: to fxivxot, <reV roft övrapivoig xai petf Vnnaw xai fi€i% <tonid<ov ojqieleiv noXatvtiv oder noXireveo&ui nQoadev uqioiov tjyovfjtjv eivai xai vvv ov nsTufia\'Ao(iai\ allein während des Hedens fällt ihm ein, dass das ovv tqS$ dwauivoig tocpeXetv noXitsveiy zu seinem Schaden gedeutet werden könnte und nun verbessert er das cvv rot? und setzt statt dessen <tui tqvtiov, worauf ganz naturgemäss noXirevciv in tijV noXiTeiav übergehen muss. Um nun diese meine Auf- fassung zu rechtfertigen, muss ich nachweisen 1) dass für den Thera- menes Veranlassung da war, sich unrichtig auszudrücken, 2) dass die erste Ausdrucksweise zu seinem Schaden gedeutet werden mussto und dass er also Veranlassung hatte , sich zu korrigiren und 3) warum Xenophon diese Correctio aufgenommen hat.

Um zu erkennen, dass Theramenes Veranlassung hatte, sich un- richtig auszudrücken , etwas zu sagen , was er eigentlich nicht sagen wollte und nicht sagen durfte , muss man sich die ganze Situation vergegenwärtigen, in der Theramenes diese Worte sprach. A1b Athen von Lysander erobert worden war und sich unter die spartanische Hegemonie beugen musste, wurde daselbst eine aristokratische ßegier-

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ungsform nach dem Muster der spartanischen eingerichtet. An die Spitze des Staates traten 30 Männer, gewöhnlich die 30 Tyrannen genannt, welche eiue Gesetzgebung entwarfen und nach dieser regieren sollten (Hell II, 3, 2), entsprechend der spartanischen Gerusia. Diese 30 Männer wählten nun 300t» Bürger aus , die natürlich wie sie aristo- kratisch gesinnt und ihnen ergeben waren. Diese hatten allein politisch« Rechte entsprechend den Spartiaten, während die übrigen 7000 Bürger ohne politische Berechtigung waren, gleich den Periüken. Zu dem Collegium der 30 gehörte nun auch Tberamencs, der nicht unwesentlich zur Knechtung Athens beigetragen hatte. Allein Theramenes kam bald in Opposition zu dem Vorstande der 30, Kritias , indem er mit den Massregeln desselben nicht zufrieden war und im Verdachte stand, eine Umwälzung herbeiführen zu wollen. Da klagte ihn nun Kritias, offenbar in Üebereinstimmung mit seinen Collegen, eines Tages in einer Senatssitzung des Verrates an und 1 eantragte gegen ihn die Todes- strafe. Es war nun allerdings ein Teil der Senatoren ebenfalls mit der Wirtschaft des Kritias unzufrieden und fürchtete, dass es kein gutes Ende nehmen werde, allein Kritias schüchterte sie ein. Eine Abteilung der spartanischen Besatzungstruppen staud vor dem Rathhause und junge Leute mit Dolchen Stauden an den Schrankeu im Sitzungssaale, um der Rede des Kritias den nötigen Nachdruck zu geben.

Da sich nun Theramenes gegen so schwere Anklagen und unter so misslichen Verhältnissen vertheidigen muss, da nicht nur seine ganze politische Reputation, sondern sein Leben auf dem Spiele steht, so ist leicht erklärlich, dass er sich in der Aufregung der Tragweite seiner Worte nicht sogleich bewusst ist und dass ihm ein Gedanke entschlüpfen will, der seinen Feinden eine Handhabe gegen ihn geben kann und dessen Gefährlichkeit ihm erst während des Ausspreebens klar wird

Dass aber der Gedanke avv roig fvntttiytfic uHfekeiv noktzevetv dem Theramenes gefährlich werden musste uud dass er desshalb Grund hatte, ihn zu corrigiren, lässt sich ebenfalls aus den Verhältnissen leicht entnehmen. Xcbstdem nämlich, dass Kritias dem Theramenes vorwirft, er opponire gegen alle Vorschläge und Massregeln, die er im Interesse der bestehenden Regierung ''mache, beschuldigt er ihn auch, dass er ein politischer Achselträger sei, immer seine Freunde verraten habe und nur seinen Vorteil suche. Und wirklich gehörte auch Thera- menes zuerst, wie sein Adoptivvater Hagnon, zur demokratischen Partei, dann ging er zu den Aristokraten über und half mit zur Einsetzung der 400, später beteiligte er sich am Stnrze der 400, gehörte dann wieder zur aristokratischen Partei, Hess sich von Lysander zum Unter- gange Athens missbrauchen und trat in das Collegium der 30. Dess- wegen hatte er auch, wie ihm Kritias in seiner Anklagerede vorwirft,

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den Spottnamen „Cothurn" bekommen, weil dieser für jeden Fuss zu passen scheint, im Grund genommen aber für keinen recht ist.

Theramenes behauptete nun freilich in seiner Vertheidigungsrede die er mit vielem Geschick führte, dass er immer im Interesse der bestehenden Regierung gehandelt habe und dass er auch jetzt wieder das wahre Interesse der dermaligen Regierung vertrete, weil sie sich durch ihre extreme Handlungsweise unmöglich machen müsse. Er verwahrt sich gegen den Vorwurf der politischen Veränderlichkeit, den ihm Kritias macht und legt dabei , so zu sagen , sein politisches Glaubensbekenntniss ab. Er gibt zu, dass er seither bald auf der aristokratischen, bald auf der demokratischen Seite stand; allein dieses sei, sagt er, nicht aus Principipienlosigkeit, sondern aus Princip geschehen. Sein Ideal sei eine gemässigte Regierungsform, weder eine schrankenlose Demokratie «Ochlokratie), noch eine schrankenlose Aristo, kratie (Tyraunis). Desswegen habe er jede Regierungsform unterstützt- so lange sie sich in den Schranken der Mässigung gehalten habe. Sobald sie aber die rechte Grenze überschritten habe, sei er gegen sie aufgetreten

Allein gegen ihn sprach besonders sein schmähliches Benehmen gegen seine Mitfrldherrn in der Arginusonsehlaeht, das ihm Kritias vorwirft und das er nicht widerlegen kann. Als nämlich die Schlacht gewonnen war, machten sich die athenischen Anführer auf, um ihren Sieg zu verfolgen, die spartanische Flotte einzuholen und, wo möglich, zu er- obern oder zu vernichten, den Theramenes aber und den Thrasybulus beauftragten sie, die verunglückten Athener aufzufischen und zu retten oder wenigstens ehrlich zu bestatten. Allein es entstand ein solcher Sturm, dass die athenischen Feldherrn weder die spartanische Flotte einholen, noch die Verunglückten auffischen konnten. Dieses benutzte nun die aristokratische Partei, um die siegreichen Feldherrn zu ver- derben und der elende Theramenes gab sich als Ankläger her. Diese Handlungsweise hatte seinen politischen Leumund getrübt und den Beweis geliefert, dass es richtig sei, was ihm seine Gegner vorwarfen, nämlich dass er immer nur seinen Vorteil suche , dass es ihm nur darum zu thun sei, eine Rolle zu spielen.

Unter diesen Verhältnisssen will ihm der Satz entwischen arv roff öw(t[i4voiq tofpekety noXntx'eiv. Dieses musste nun offenbar gegen ihn sprechen und musste gerade den Beweis liefern, dass er überall an sich denke. Desswegen corrigirt er sich und muss sich corrigiren, indem er ovv xoig in efi« rovxwv umwandelt. Er will sagen und muss in seinen Verhältnissen sagen, dass er eine gemässigte Regierungsform wünsche, abgesehen davon, ob er an der Regierung Teil habe oder nicht.

Auch die auffallende Stellung von dtn jovxmv r*?V noXireiav statt rijV diu Tovrutv noXiritcr findet durch den bei der Correctio notwedigen scharfen Gegensatz ihre vollständige und einzig mögliche Erklärung.

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leb glaube also , dass die handschriftliche Lesung ganz richtig, dass weder etwas zu änderu noch zu ergänzen sei. sondern erkläre die Stelle als eine einfache, in den Verbältnissen wol begründete Cotrectio.

V

Dillingen. Geist.

Hör. Od. I. 3.

In den neuen Jahrbüchern für Philologie und Pädagogik (Bd 107 und 108, Heft 3 und 4 S 24r> ff.) bestreitet Bartsch die Einheit dieses Gedichtes Er zerlegt dasselbe in zwei Teile, von welchen jeder ein fär sich bestehendes Gedicht bilden soll und zwar die zwei ersten Strophen das Abschiedsgedicht bei der Abfahrt des Virgilius, und die acht folgenden Strophen ein Gedicht Aber den Frevel der Erfindung der Schifffahrt und über den menschlichen Frevel überhaupt Es gebe, sagt er, zwischen den zwei vorhergehenden Strophen und der dritten Strophe keine Gedanken*ermittelung; denn es liege zwischen denselben eine Kluft, die durch keine Ergänzung irgend welcher Art überbrückt werde. Horaz habe nach den zwei ersten Strophen nic hts Anderes thun können, als ruhig nach Hause zu gehen, statt sich in fremdartigen Deklamationen zu ergehen.

Ich kann seiner Ansicht und den von ihm vorgebrachten Gründen nicht beistimmen.

Horaz empfiehlt in der ersten Strophe das Schiff, auf welchem sein Freund Virgil fährt, der Cypris, den Dioskuren und dem Gotte der Winde und lässt un9 hieraus und aus der folgenden Apostrophe an das Schiff selbst und aus der Bitte um Erhaltung des Gutes, das es aufgenommen hat, die innige Liebe zu seinem Freunde und die Sorge um denselben erkennen. Erhalte ihn mir, achliesst er, er ist mein halbes Leben. Was wäre nach dieser Bitte bei den Gefahren, welchen er seinen Freund durch seine Seereise ausgesetzt sieht, und bei der be- kümmerten Sorge, mit welcher der Dichter selbst dadurch erfüllt wird, natürlicher als der Ausbruch in den Ausruf: 0 verwünschte Schiffahrt 1 0 menschlicher Frevel ! Gerade in diesen Ausrufen liegt nun die Gedankenassociation zwischen der dritten Strophe und den zwei vorher- gehenden Strophen. Es ist der Uebergang von den Bitten und Wünschen um Erhaltung eines Gutes in Gefahren zum Vorwurfe gegen denjenigen und zur Verwünschung dessen, durch das jenea Gut gefährdet wird* Denn Nichts ist bei irgend einem Leiden , bei einer Not , bei einem Unglücke, in dem wir uns befinden und Befreiung davon wünschen, natürlicher, als auf die Ursache, den Urheber derselben zurückzugehen. Versetzen wir uns in die Wirklichkeit des Lebens. Wenn Mütter im

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letzten Kriege ihre Bitten und Wünsche för ihre Söhne aussprachen und zuletzt ihren bangen Herzenswunsch „Wenn er nur gesund und glücklich heimkömmt" (Et serves animae dimidium meae) beigefügt hatten, so fuhren sie nicht selten unmutig klagend fort: „Ja der Franzos*j, der ist von Eisen und Stein (IM robar et aes triplex . . .); der kann ungerührten Herzens all das Unglück sehen." ff. Ist diesem Gedankengange die Gedanken folge in drin horazischen Gedichte nicht ganz ähnlich oder vielmehr ist sie nicht dieselbe? Man setzo nur statt Krieg und Sohn Schiffahrt und Freund. Es ist eine Befangenheit, in die man durch die zwei ersten Strophen versetzt wird, wenn man den logischen Anscbluss der nächsten Strophe verkennt. Man haftet eben nur an den Wünschen und Bitten jener Strophen und schliesst damit ah, ohne der weiteren aufgeregten Gemütsstimmung des Dichters irgend eine Folge einzuräumen. Wenn daher Bartsch ineint, der Dichter hahe nach den zwei ersten atrophen nichts Anderes thun können, als ruhig nach Hause zu gehen \ so erschliesse ich aus dem bisher Erörterten gerade das voll« Gegenteil. Der Dichter spricht bei der Abfahrt seines Freundes nicht blos Bitten und Wünsche aus, er ist durch die Gefahren desselben auch in Sorgen und Unmut versetzt. So bilden denn die obigen Ausrufe den wesentlichen Inhalt der folgenden Strophen; diese sind der Nachklang jener und in ihnen verschafft sich erst das gepressto rlerz des i'ichters Erleichterung. Nehmen wir diese weg, so lassen wir* den Dichter, fast möchte ich sagen, gedrückten Herzens ersticken. So ergiesst er sich nun im Folgenden zunächst über die menschliche Frevelhaftigkeit durch Erfindung der Schiffahrt, und indem er ihre vielen Gefahren aufzählt und dabei namentlich anf das adriatische Meer Beziehung nimmt, liegt ebeu darin die Beziehung auf seinen Gegenstand, auf das, was sein Herz bewegt. Denn auch sein Virgil hat ein Schiff bestiegen, er geht über das adriatische Meer nnch Griechenland und ist somit allen den erwähnten Gefahren ausgesetzt. Diese Beziehung ist es, die denn auch die längere Ausführung rechtfertigt, und sie ist wol auch das, wovon Weber meint, dass es zwischen den Zeilen zu lesen sei. Aber keck und waghalsig wie das Menschengeschlecht ist, schreitet es von Frevel zu Frevel, und so wird ein zweiter Frevel von dem Dichter angeführt, dio Entwendung des Feuers, die durch ein neues Heer von Krankheiten so grosses Unheil über die Menschen brachte. Wer sollt« nicht auch hier zwischen deu Zeilon lesen? Die Beziehung auf seinen Freund, der Nachteil dieses Frevels für ihn liegt deutlich vor, denn Virgil ist krank.

•) Napoleon III. gemeint.

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Aus dem Erörterten ist ersichtlich , dass der Dichter nicht , wie Bartsch meint, im Folgenden alles das, womit sein Geist sich in den zwei ersten Strophen so lebhaft beschäftigte, vollständig vergessen hat. Allerdings enthalten die folgenden Strophen eine andere Gemüts- bewegung, aber eine solche, die mit den vorhergehenden Gedanken, den Wünschen, Bitten und Sorgen in vollem Zusammenhange steht und aus ihnen sich ergibt.

Die Luftschiffahrt des Dädalus, die seinem Sohne das Leben kostete, der Gang des Herkules in die Unterwelt, welcher der ganzen Welt- ordnung entgegen lief, dienen als neue Belege für das frevelhafte Streben der Menschen , bei dessen Besprechung die Erfindung der Schiffahrt und dann die Entwendung des Feuers der nächste Zweck des Dichters war. Die beiden neuen Frevel erwähnt er daher nur kurz sie stehen ja nicht unmittelbar in Beziehung zu seinem Gegen- stande, den Gefahren und Leiden seines Freundes und nur um eine Mehrheit von Fällen und damit für seine speziellen Fälle die Geltung der Allgemeinheit zu gewinnen. Nach Anführung der einzelnen Fälle spricht er sich nämlich im Folgenden durch Nil mortalibus arduum est *) allgemein und mit den Worten Coelum ipsum petimus stultitia aufs Höchste steigernd aus und gewinnt damit den beabsichtigten Schluss.

Das Gedicht zerfällt sonach deutlich in zwei zusammenhängende Teile mit folgendem Inhalte: i) Wünsche und Bitten für die Seereise* seines Freundes; 2) Unmut über die menschliche Frevelhaftigkeit Und zwar zunächst wegen Erfindung der Schiffahrt und dann wegen der Entwendung des Feuers.

Ich lasse die Uebersetzung des Gedichtes folgen:

Nun soll Cypris die Mächtige,

Sollen, Sterne so klar., nelenens Brüder auch

Leiten dich und der Winde Gott,

Alle fesseln er, frei sei Japyx nur.

Schiff! Virgil ist dir anvertraut

Und du schuldest ihn uns; gib ihn dem attischen

Land, ich flehe dich, unversehrt.

Meiner Seele ist er, schütz' ihn, ihr halbes Sein.

Starres Holz und dreischichtiges

Erz lag dem um die Brust, welcher den schwachen Kiel

Gab zuerst auf dio grimme See

Und nicht scheute den wild stürmenden Afrikus,

•) II. XIII 317 ainv, oi ieatfrai.

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Wenn im Kampf mit dem Nord er ringt,

Nicht Hyadenge9türm, auch nicht des Notus Wut,

Der, wie Keiner, auf Hadria

Herrscht, will legen die Flut, will er empören sie.

Welchen Schritt hat gescheut des Tods,

Wer mit trockenem Aug schwimmende Ungeheur, Wer die wogende See und des

Hohen Donnergebirgs drohende Felsen sah?

Ja, vergeblich hat Land von Land

Durch das scheidende Meer göttlicher Plan getrennt,

Wenn doch über die Fluten hin,

ünbetretbar für sie, frevelnde Schiffe zieh'n.

Keck zu dulden das Schrecklichste,

Stürzt in Frevel der Mensch, wie auch verpönt sie Bind;

Keck trug Japetos Sprosse mit

Arger Tücke der Welt zündendes Feuer zu.

Als das Feuer der Himmelsburg

War entwendet, befiel Siechtum und eine Schaar

Neuer Fieber die Welt, und war

Ferngerückt einst der Tod, seine Notwendigkeit

Nahm, sonst säumend, jetzt raschem Schritt In die Oede der Luft wagte mit Schwingen sich Düdal, die nicht der Mensch erhielt; Durch den Acherou brach Herkules Kraft sich Bahn.

Nichts Unmögliches kennt der Mensch;

Ja den Himmel auch selbst stürmen wir Thoren und

Dulden frevelen Sinnes nicht,

Dass den grollenden Blitz Jupiter niederlegt*).

*) Würde alljährlich an jeder Studienanstalt nur eine Ode des Horaz von irgend einem Lehrer metrisch übersetzt, so würden die Lehrer der bayer. Gymnasien in kurzer Zeit in den Besitz einer eigenen Uebersetzung, zunächst der Oden des Dichters , gelangen Ich würde mich freuen , wenn der Anfang, den ich mache, eino Veranlassung dazu werden könnte.

/

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Horat. Sat. I. 7. 9.

Ad Regem redeo.

Lohrs beanstandet diese Stelle, weil der Dichter weder vorher allein bei dem Rex verweilt habe, noch von ihm abgekommen sei, indem er ihn eben noch mit Persius erwähnt habe.

Ich habe mir die Stelle stets in folgender Weise zu erklären gesucht: .

Als Thema wird von dem Dichter die Rache des Persius an dem Rex aufgestellt. Das ist nun freilich Ironie. Denn das Folgende zeigt, wie schlecht er Bich gerächt bat, gerade er ist der im hohem Grade Dlamirte. Von dem aufgestellten Thema aber ist der Dichter durch die längere Zeichnung des Persius abgekommen, und indem er nach dieser Abschweifung zu seinem Thena zurückkehrt, konnte er recht wol sagen: Ad Regem redeo. Denn diess ist gerade so viel, als ob er sagte: Ad rem jam redeo, i. e. jam dicturus snw, quo pacto Persius Regia Rupüipus atque venemim ultus sit. Die Aendernng Lohrs' durch das von ihm in den Text genommene Moliri exitium scheint mir daher nicht nötig und jedenfalls zu gewaltsam. Ich würde, wenn ich eine Aenderung für nötig hielte, gerade die Worte Ad rem jam redeo vor- schlagen. Wenn in diesen Worten bei rem das m wegfiel, so lag durch Ad re jam redeo die Aenderuug in Ad regem redeo nahe

Die folgende Parenthese gibt mir keinen Anstoss, im Gegenteile, ich finde sie trefllich nach Zweck und Ausführung, um die zwei Grob- heitsbelden des Prozesses recht lächerlich zu machen. Der Dichter räumt den beiden Zänkern gleiches Recht ein wie tapferen Helden und veranschaulicht diesen Gedanken durch das Beispiel der zwei grössten homerischen Helden. Was ist natürlicher, als dass die Namen dieser die Klänge des homerischen Epos in seiner Seele wachrufen? So ahmt er denn den grossen Epiker nach, und die breite, äebt epische Aus- führung des erläuternden Falles wird eben durch ihre Umständlichkeit die herrlichste Parodie. Zu dergleichen Ausführungen aber wird zur Erhöhung der Lebhaftigkeit der Rede gerade die, ich möchte sagen, redselige, Parenthese benützt. In ganz gleicher Weise, wie hier, hat Homer {II. XIII 276 287) eine ebenfalls acht/.oilige Parenthese zwischen den Vordersatz und den nach ihr folgenden Nachsatz ein- gesetzt. Ich ziehe daher die Parenthese der Verbindung vor, welche Lehrs den Sätzen gibt, und kann jene auch nicht wegen ihrer Länge beanstanden.

Kempten. nannwacker.

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Ans der Schulmappe.

Fortsetzung der MiBcellen von A. Kur«*).

19. Andenken für einen jüngst verstorbenen Physiker.

Wer ist unter uns, kann man fragen, der nicht dem Freiburger Professor J. Müller, dem bekannten Pouillet- Müller, Anregung und Belehrung verdaukte, insoferne er durstig war nach physikalischen Kenntnissen? Ein Nekrolog über ihn wird auch in der „Allgemeinen Zeitung" dahier ersbeinen*') Hier möge eine Stelle aus seinem Briefe vom 15. April d. J. Platz finden, welcher teilweise durch Miscelle II (Seite 124) veranlasst wurde, die ich in einem Separatabdrucke an ihn gesendet hatte: „Mit Ihrer Bemerkung, dass man auch im Unterrichte wenigstens annähernd richtige Bestimmungen der specifischen Wärme ausführen könne, erkläre ich mich ganz einverstanden; ich hätte besser meinen Ausspruch auf S. 26 meines kleinen Aufsatzes, der sich freilich nur auf genauere Bestimmungen bezieht, zurückgehalten, weil dadurch manche Lehrer abgehalten werden könnten, die Versuche in der von Ihnen angedeuteten Weise auszuführen4'

Im weiteren Verlaufe ersucht mich der Briefsteller um die nötigen Notizen über die Demonstration des Trägheitsmomentes ,,nach der in meinem Lehrbuche enthaltenen schematichen Darstellung'1, welche auch am Schlüsse der Miscelle b) (Seite 22) angedeutet ist; „bei Ausarbeitung einer neuen Auflage meines Lehrbuchs könnte ich nun wahrscheinlich von diesem Arrangement Gebrauch machen etc.-.

Auch die 6 Miscelle weist auf Muller'scben Ursprung zurück. Es sind das nur kleinere von den Steinen des Denkmales, das sich J Müller gesetzt hat; aber viele kleine Steine (ich deuke an die vielen Besitzer von solchen) geben, wenn passend gefügt, allein schon ein statt- liches Haus.

20. Fortsetung über das Verhältniss der spezifischen Wärme der Gase*** ).

Wie der (thermische) Ausdehnungscoefficient, so ist auch die spec.

c

Wärme c bei konstantem Drucke und das Verhältniss , wo c, die spec.

ci

Wärme bei konstantem Volum bedeutet, je eineConstante für alle „vollkom- menen" Gase. Am ausführlichsten »unter den mir bekannten Lehrbüchern

handelt vou diesem - Wüllner, 2. Aufl. 187*, Bd 3, Seite 419-431.

•) S.8. 269-274. ••) Ist erschienen, s. Beilage vom 16. Okt. und vom 19. Okt •••) S. Miflcelle 15 Seite 271.|

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Ich will hier nur ohne oder mit möglichst wenig sogenannter höherer Rechnung die strikte Formel

c _ log p, log pt c, ~~ log pi log p3 herleiten, wozu ich allerjüngst durch den letzten Aufsatz*) von f. J. Muller (den seine Freunde mit dem Namen J. Quadrat - Müller unterschieden) angeregt wurde.

Bekommt die Gewichtseinheit Gases die Wärmemenge db von aussen zugeteilt, so erfahren ihr Drucke, ihr Volum r, und ihre (absolute) Temperatur T die Zunahme dp, dv, dT. Die Wärmemenge c,dT oder

C| ifp dp ist zur Erwärm"ng t>ei konstantem Volum und cdT oder

c, j- dv bei konstantem. Drucke nötig; beide sind die Teile von dQ

Bekannt darf ich voraussetzen das Gesetz von Mariotte und Gay Lussac ,npt> p0 v0 (TT T0 , T0 . M

w t = ■^•™™^ = i^tvaaiav-]zt » be"or-

T

gehen. Somit ist d Q (c, v dp -f- c p dv).

Po ^0

Ein spezieller Fall hievon ist der sogenannte adiabatische Process, dass nämlich kein Wärmeaustausch zwischen dem eingeschlossenen Gas- quantum und der Aussenwelt stattfindet: dQ o oder = ^

p cl v

Hieraus erhält man das eine der drei nach Poisson benannten Gesetze

- _ 1

~ = (~y* und mit Hilfe von (1) die beiden anderen =

Lässt man also von einem abgesperrten Gasquantum (px T, vt) wobei Tl gleich der äusseren Temperatur , aber p, grösser als der äussere Druck ist, plötzlich einen Teil heraus, so dass px und T, auf

pt und T2 herabsinken, so ist nach <2) (^V* = (ffi*

und wenn die innere und äussere Temperatur sich wieder ausgeglichen, wobei pt auf p3 steigt, gilt nach (1)

•) Poppendorff Ann. Bd 154 S. 113 - 127 (1875) Leider ist dieser Aufsatz ein nachgelassener des im Januar d. J. kaum 29 Jahre alt ver- storbenen Züricher Professors.

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£ = A

und aus den beiden letzten Gleichungen erhält man durch Elimination

T

von y die

zu beweisende Formel,

21. Die Schallgeschwindigkeit in der Wärmelehre.

(Fortsetzung der Miscellen 15 und 20) Ich habe gerade §. 180 in Recknagel's Compendium (Stuttgart, Meyer und Zeller 1874) aufge- schlagen, um die Formel pv~ * abzuleiten, worin p und v die

frühere Bedeutung hoben, n die Anzahl der im Würfel v = x* ein- geschlossen gedachten Gasinoleküle , m die Masse , u die mittlere Geschwindigkeit eiues der nach allen Richtungen umherschwirrenden

Gasmoleküle bedeuten. Auf die Fläche x* stossend, da " Moleküle in dem

2 x

Zeitintervallc , welches zwischen den zwei konsekutiven Stössen u

desselben Moleküles an derselben Wand verstreicht Also ist die Zahl

der Stösse in der Zeiteinheit und per Flächeneinheit ^— - Und

«5 x £ X

da ein (elastischer) Stoss die Quantität der Bewegung 2 m u bedeutet, so ist der Antrieb der Kraft (des Gasdruckes, Zeit = 1).

V g"^j « 2 w Ii oder pv ^— 1

(die lebendige Kraft g- n m u* proportional der absoluten Temperatur

T geset2t, so hat man nebenbei das oben gebrauchte Gesetz von Mariotte und Gay Lussac als notwendige Folgerung der mechanischen Gastheorie).

Denkt man sich nun mit Stefan*) die Würfel so gestellt, dass die durch zwei Gegenecken gezogene Diagonale senkrecht zu den Schichtung«' ebenen der Verdünnung und Verdichtung (bei der Scballfortpßanzung)

1

steht dann sind alle Moleküle, und nicht etwa bloss - derselben, in gleicher Weise bei der Fortpflanzung beschäftigt , so ist u =. VV$; also pv nm F*, oder, die Dichte q = eingeführt, F =

IL Das ist Newton's Formel.

Diese bleibt aber bekanntlich hinter der gemessenen Schall- geschwindigkeit (in der atmosphärischen Luft z. B.) merklich zurück

•) Poppendorfif Ann. Bd. 118, S. 494-496. (1868.)

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und Laplace hat dieselbe mit dem oben öfters verzeichneten Faktor -

V l/— mit den Messungen stimmte (zr3J0m rand). f q c,

Jetzt komme ich wieder auf die genannte Abhandlung von J. J. Müller zurück, worin letztere Formel als eine einfache theoretische Folgerung

dp

sich ergibt. Es ist nämlich principiell _ J q der gewöbnliche

(isothermische) Elastizitätsmodul , and durch Vergleicbung mit der Folgerung p dv 4- t; dp = 0 des Mariotte'schen Gesetzes ersieht man, p = q. Nun folgt aus

dT dT dQ = c, dp -\- c jj- dv = 0 (Miscelle 20)

dp c dp dp e dp c

f = -f oder -3— - = . . r . a

dv ct dv dv : v et dv : v c,

aber kann der adiabatische Elastizitätsmodul q' genannt

werden, welcher demnach mit dem gewöhnlichen q in der einfachen

Beziehung steht q' = , qx unter qi und q jetzt die absoluten

Werte verstanden. Also heisst endlich die obige Correktur , welche Laplace an der Newton'scben Formel vornahm, im Sinne der mechanischen Wärmetheorie ganz einfach und nach kurzem Nachdenken so zu sagen selbstverständlich: In der Newton'schcu Formel darf nicht der gewöhnliche, sondern es muss der adiabatische Elastizitätsmodul eingesetzt werden.

22. Der elementare „freie Fall" als spezieller Fall.

Ein Stein m fällt aus bedeutender Höhe y (Luftleere) normal zur Erdoberfläche (4 n r») herab; mit welcher Geschwindigkeit v und nach welcher Zeit t langt er an?

Lösung :

.0

s-

a r2

mg' dy wo g' = . £J _ nach Newton's Gesetz.

Also I) t>* = 2 gr* ( -J— + -) = 2^r

Wenn y klein gegen r, so wird v* = 2 gy

Ferner wird = = |/^oder*= -1= |V^EI%

<tt f r + y y<igr ) V y

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l /~T~/ r~ r i + y+ Vry + y\

2

Wenn y klein gegen r, 80 wird

= VrF[^ + ;*0+¥ + »VD]

Ich hatte zuerst den ganzen Logarithmus vernachlässigt, welche Inkonsequenz im Annäberungskalkul mir zuerst durch die Nichtüber- einstimmung mit der Formel des freien Falles sich enthüllte. In diesem Falle müssto man auch das dem Logarithmus vorhergehende Glied weglassen, wodurch man zu der in gewissem Sinne auch richtigen Lösung t o gelangte.

23. Aufgabe über dynamische Stabilität

Eine Mauer hat die Länge l und das Gewicht y der Cubikeinheit; ihr Querschnitt besteht einfachster Weise aus dem Rechtecke ab und

c b

dem gleichschenkligen Dreiecke -c- : welche Arbeit ist zum Unikanten

m

erforderlich ? Autwort:

*>ly (a + |^ (V^- + ** w<>l>ei die Höhe des Schwer- punktes, sich ergibt aus der Gleichung -f- bx = ab . ~

+ *(• + *>'

Statt dessen rechneten mehrere der besseren Schüler so, als ob jene Arbeit zerfiele in die zwei Teile: Arbeit der Hebung des Rechteck Schwerpunktes plus Arbeit der Hebung des Dreieckschwerpunktes (beide auf die grösstmügliche Höhe). Sie kamen nämlich zu dem Resultate

- * (VF? - 0 +^ " (W -<*+3->)

Durch Fehlen lernt man. Die Vergleichung beider Resultate zeigt, dass erstens das Rechteck zu hoch gehoben worden, und zweitens dass ausserdem die Mithilfe des Dreieckes vernachlässigt worden war, dessen Schwerpunkt zuerst die Vertikale über dem Umkautungspunkte erreicht

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und von da ab fällt, während der Schwerpunkt des Rechteckes noch gehoben werden mnss.

24. Aufgabe Qber zusammengesetzte Momentenfläche.

Durch eine Polemik Ober die in der 8. Miscelle S. 122 vorgeführte Momentenfläche ward ich zur Lösung folgender Aufgabe veranlasst:

Ein prismatischer Balken AB vom Gewicht Q und der Länge c ist an beiden Enden A und B frei aufgelegt und noch durch das äussere Gewicht P in dem Punkte C belastet, wobei AC a, BC b \ 0 heissc der Mittelpunkt von AB; a sei grösser als 6

P verteilt sich also auf die Lagerstätte A als P& und auf B &hP° ;

c c

denkt man sich C als Einmauerungstelle, so findet man als die von P

ab

herrührende Momentenfläche das Dreieck ABB mit der Höhe CD P - .

c

Hinsichtlich Q dient 0 als Einmauerungstelle; ^istaufl gleich-

mässig verteilt; demnach ist OE die Höhe der Spitze E, in

welcher sich die beiden symmetrischen, zu AB konvexen Parabeläste schneiden, welche mit AB die daherige Momentenfläche einscbliessen.

Nun sind die aufeinanderfallenden Ordinaten der beiden Momenten- flächen zu addiren. Die so zusammengesetzte Momcntenrluche hat die Gerade AB und eine Curve AB als Begränzung, welch letztere augen- scheinlich zwei Diskontinuitätspunkte besitzt, D' und E' vertikal über C und O. Auch sieht mau im Voraus, dass die drei Aeste BD , D'E\ E'A zu AB konvex sein müssen.

Zum Ueberflus8e will ich noch die Gleichungen der drei Aeste ohne Abkürzungen hinschreiben, wobei A als Ursprung, AB als Abscissenaxe dienen soll:

AE') y = P-- . - + ^ . yoü^o bis x = 2 ED') y\=P*cb . I + gl . -^JL von * = | bis . = a

D'B) y = P±> . ^ ^ + «| 7^ ?V V°n

Der sogenannte gefährliche Querschnitt ist entweder in 0 oder in C; die Entscheidung hierüber liegt in den bezüglichen Ordinaten

OE' ss p| 4- g| und CD' = P~ + Welche von beiden

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die grössere , ist dem numerischen Beispiele vorbehalten. Zieht man statt der Parabene die Geraden (Sehnen) AE' , ED', D'B, so hat man bei dieser bequemen Annäherung keines der Momente zn klein, man hat nur stellenweise etwas zu grosse Bieguogsmomcnte verzeichnet, so dass hieraus uur das Gegenteil einer Gefährdung der nötigen Festig- keit des Balkens entspringt. Die Gleichungen dieser Geraden auch noch aufzustellen, halte ich an diesem Orte für entbehrlich.

>

Beziehung zwischen Bild- nnd Gegeustandswelte bei sphärischen

Linsen. Ton C. Bender.

Bei der Entwicklung dieser Beziehung werden folgende Voraus- setzungen gemacht. Es wird die Dicke der Linse als sehr klein ver- nachlässigt und es werden nur solche Strahlen in Betracht gezogen, bei welchen die EintrittBwinkel « und «' sehr klein, also die Sinus- linien mit den Kreisbogen verwechselt werden können. Die Ablenkung D ist vom Prisma bekannt, D « -|- «, _ Anderseits ist

Aussenwinkel <D=:<ö-f<J3, folglich < O + < B = « + «» - + /»«)•

Ferner « = ßn und «, /?,*>, wenn mit n der Brechungscoef- ficient aus Luft in Glas bezeichnet wird.

Also < G-h < B ä ßn «+- fitn + flt) oder < ö-f- < 5 = (n - 1) 0 + /*,).

Da ß + = < ÄH- < r, so felgt

<0+< 2> = («• - I) (<a+<r).

Werden die den G, .B, i2, r entsprechenden Bogen gleich gross angenommen, so kann man die selber als den sie einsch liess- enden Radien umgekehrt proportional setzen. Man wird daher auch

setzen können ^ -f- (n - 1) ^-g -f- wobei wir mit den

Buchstaben selber zugleich die Entfernung der betreffenden Punkte von der Linse bezeichnet haben.

Die gegebene Ableitung der Beziehungen zwischen Bild- und Gegenstandsweite bei sphärischen Linsen dürfte, indem sie allen un- nötigen trigonometrischen Apparat ausschliesst, an Einfachheit nichts zu wünschen übrig lassen. Ihr pädagogischer Wert liegt in dem direkten Anknüpfen an verhältnissmässig Einfaches und Bekanntes.

felittu f. d. bayer. Gymn.- u. Re*l- Schul w. XL Jahrg. 29

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Der Triumphzug des Gerrnanicag. Eine Studie von Anton Lins- majer. Mönchen 1875

Der Verfasser erklärt im Vorworte, er habe die Tor liegende Studie MS persönlichem wissenschaftlichem and patriotischem Bedürfnisse gemacht, er veröffentlich* sie als deutschen Grass aas Bajern znr Enthüllungsfeier des Hermannsdenkmals im Teutoburger- Walde. „Ich gewann bei der Untersuchung der Thatsachen Anhaltspunkte, dass raeine Erwartung (Tacitus möge gegen Strabo Recht behalten, die Gemahlin and der Sohn des Arminius seien nicht im Triumphzuge des Germanicus als Gefangene aufgeführt worden) durch den geschichtlichen Sachver- halt bestätigt werde, und so fohlte ich mich beglückt, weil sich mir ein dunkler Punkt in der Geschichte zu Gunsten unserer Nationalehre aufhellte'4. „Der Wunsch", beisst es später, „das störende Gefühl nationaler Schmach mir bei der Erinnerung an den 26. Mai des Jahres 17 n. Chr. Geburt auf das richtige Mass zu beschränken, trieb mich dazu, die Nachrichten, die uns aus dem Altertum über den Triumphzug des Germanicus erhalten sind , zusammenzustellen und mit einander zu vergleichen"

Zu diesem Zwecke werden nun S. 5 9 die auf unsere Frage bezüglichen Inschriften vorgeführt, S. 9 18 die einschlägigen Nach- richten der alten Autoren ; S 18 23 wird die Uebereinstimmung dieser Nachrichten mit dem Berichte des Tacitus dargethan, jedoch abgesehen von Strabo; die Zusammenstellung des Strabonischen Berichtes mit dem des Tacitus und die Be- resp. Ver - urteilung des ersteren füllt als der Ilaaptteil die übrigen 66 Seiten.

Als Ergebniss der Untersuchungen wird angenommen:

1) Der Triumphzug des Germanicus war ein unberechtigter (S. 42);

2) a) Der Bericht des Tacitus steht mit den Angaben des Strabo über das Schicksal der Gemahlin und des Sohnes des Arminius in un- lösbarem Widerspruch (S. 62);

b) Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus ist daher die Be- hauptung , dass die Gemahlin des Arminius und ihr Sohn vor dem Triumphwagen des Germanicus als Gefaugene geführt wurden, als historische Wahrheit nicht zu erweisen t S. 88).

Mit dem ersten dieser Resultate hat es keine Not: durch die ein- stimmigen Berichte des Altertumes, Strabo im Zusammenhalte mit Tacitus nicht ausgenommen, die der Verfasser in dankenswerter Weise gesammelt bat, ist dieses ausser allen Zweifel gestellt. Um so schwieriger wird der Kritik ihre Aufgabe bei dem zweiten gemacht, zumal , wie wir oben gesehen , die Absicht des Verfassers eine so anerkennenswerte, ja bestechende ist.

Unbestritten bleibt doch wol, dass der für Rom und die Tiberius- herrschaft eingenommene und gleichzeitig lebende Asiate und ein Jahr- hundert später der von tiefer innerer Entrüstung über die Zustände Roms ergriffene und mit unverkennbarer Vorliebe nach Germanien ausblickende Römer den in Rede stehenden Triumphzug mit ver- schiedenen Augen betrachten und nach verschiedenem Massstabe beur- teilen mu&sten, dass folglich Tacitus von seinem Standpunkte aus gute Gründe haben mochte, und wäre der allein massgebende auch nur Gleichgiltigkeit gewesen, eine Sache mit kurzen wol bemessenen Worten abzutbun, die der redselige Grieche, vielleicht unter dem unmittelbaren Eindrucke schreibend, einer eingehenderen Erwähnung wert erachtete.

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Straho'a eigenes Wort ro Myeiv oi> rov p>) ehtevai or)uti6r ianv mag hier aaf Tacitus volle Anwendung finden.

Der Verfasser freilich urteilt ander« Kr vergleicht die Darstellung des einen mit der de9 andern Ihr in's Minutiöse und sucht scharfsinnig Widersprüche zu eruiren, teilweise von betrachtlicher Tragweite, an die bisher niemand, gedacht.

Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, dass hiebei die Motivirung mitunter auf die Spitze getrieben wird und so ernstes Kopfscbütteln veranlasst, so gelingt es dem Verfasser vielfach eben so unleugbar, die gegenteilige Beweisführung sehr zu erschweren oder sie doch auf das Gebiet zu beschränken, auf dem sich die eigene bewegt, das der Möglichkeit, im günstigsten Falle der Wahrscheinlichkeit Es werden aber dabei historische und antiquarische Fragen von nicht geringer Bedeutung behandelt.

Ich beschränke mich hier auf die kurze Erörterung eines einzigen Punktes, allerdings desjenigen, in welchen: meines Erachtens dem Ver- fasser am leichtesten beizukommen ist , mit dem aber auch das zweite Resultat der Linsniayer'schen Studien steht und fallt: Woher hat Strabo seine angeblich aller historischen Grundlage entbehrende Notiz?

Creuzers schon wiederholt bekämpfte Annahme, Strabo habe dem Triumphzuge vom Jahre 17 n. Chr als Augenzeuge augewohnt, be- streitet L. lebhaft mit weder besseren noch schlechteren Gründen als jüngst noch Schroeter in seiner Dissertatio de IStrabonis itineribus p. II glaubhaft zu machen suchte, Strabo habe das Ende seiner Tage in Rom verlebt. So erwünscht völlige (Jcwissheit wäre über diese zur Evidenz nicht zu lösende Controverse , so wenig beruht doch auf ihr allein für unsere Zwecke die Entscheidung. Auch Strabo's Persönlich- keit wird hier nicht umgangen werden dürfen

Wer Straho's Schriften kennt, wird ihm den von Ritter (Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen 8 114) zuerkannten „sehr ge- sunden und geübten Blick" nicU absprechen wollen. Belanglosere Versehen und vereinzelte erb Midiere lirmmer, wie sie L. teils nach andern, teils durch selbstangestelitc Beobachtungen vermehrt S 26 und 64 f. vorführt, beeinträchtigen Kitters vollberechtigtes Wort nicht. \\ ol aber wäre es um .struho's Wert geschehen und es In sse sich von seinen Schritten als von einem ».höchst schätzbaren Werke" nicht sprechen, könnte ihni nachgewiesen werden, dass er eine so bestimmt und ib tuillirt gegebene Nachricht, wie die vom Triuuiphzug des Germanicus lediglich einem schlecht unterrichteten römischen Kauffabrer nacherzählt habe (S. 33) , oder gar einem miles gloriosus , iler vielleicht als Quartier- macher des Germanicus für die ori» ntalische Expedition im Jahre 17 n.Chr. ihm voraus nach Kleinasien ging oder verabschiedet als Matrose in die Nähe von Silistria kam und dem Strabo vorprahlte, indem er Namen, die er halb unrichtig gehört oder im Gedächtniss behalten hatte, in ungeeigneten Zusammenhang bnirhte" (S. 64). So hätte ein Strabo ge chriftstellert, an dem Forbiger I, 308 „fast übertriebene Gründlichkeit und Genauigkeit" tadelt, der Blatt um Blatt gegen die angesehensten Autoren in unerbittlicher Polemik um Wichtiges uud Nichtwichtiges rechtet 1 So nicht etwa in leichtlebiger Jugend oder über längst vergangene Zeiten , sondern an der Neige eines erfahrungs- reichen greisen Alters über eine aller Welt bekannte Prunkfeier, noch dazu unmittelbar nach Vollendung der Festlichkeiten 1 (S 31) So nach- dem er 43 Bücher Iotoqixu ü inuit^uju geschrieben als Fortsetzung eines gleich streitlustigen Historikers, wie er selbst ist, des Polybiusl

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Vermag ich sonach, patriotische und anderweitige Herzenswünsche bei Seite gelegt und einzig und allein der historischen Wahrheit zuge- wandt, das zweite Kesultat der Untersuchung nicht allein als kein end- giltig genügendes zu bezeichnen (S. 27), sondern rnuss ich dieses viel- mehr ein für allemal al-> unerweisbar erklären, so bindert das nicht, die hiemit angezeigte Studie der Leetüre eines thunlichst weiten Leserkreises angelegentlichst zu empfehlen. Abgesehen von der wol- tbuenden Wärme für eine ehrenvolle Geschichte unsers weitern Vater- landes, die allenthalben aus dem Schriftchen spricht, ist dasselbe bis in's Kleinste planmässig angelegt, durchweg wissenschaftlich gehalten, vorzüglich geschrieben und für die Behandlung derartiger Fragen vielfach geradezu mustergiltig Insbesondere werden jüngere Fach- geooBsen aus den eben so inhaltsreichen als schön ausgestatteten und sauber corrigirten Blättern in hohem Grade Anregung und Belehrung schöpfen.

Speier. Mark hauser.

Kleine Grammatik der deutschen Sprache nebst einem Abriss der deutschen Metrik und Poetik von Dr F. W. R. Fischer. Nicolai'schc Verlagsbuchhandlung in Berlin. 1875. 5. Auflage.

Ueber die Notwendigkeit eines systematischen Grammatik - Unterrichts auf Mittelschulen sind die verschiedensten Ansichten in Umlauf, die in dem Gegensätze von nichts und alles gipfeln. Die Anhänger der ersteren scheiuen zum Teil die Modernen zu sein, hoffentlich aber nur desshalb, weil nicht selten durch die Mangel- haftigkeit der Methode des grammatischen Unterrichts dieser selbst in Misskredit gekommen ist. Dass deutsche Grammatik auch auf unsern Gewerbschuleu und ähnlichen Bihiungsanstalten gelehrt werden müsse, dafür sprechen praktische, nationale und allgemein pädagogische Gründe. Freilich wäre es ebenso verkehrt, wollte man, besonders an unsern technischen Schulen, darauf das Haupt- gewicht beim deutscheu Unterricht legen, so dass die Erstrebung der praktischen Fertigkeit im Aulsatzschreiben und die Pflege der Leetüre in den Hintergrund träte.

Das oben erwähnte Büchlein scheint mir zwischen dieser Scylla und Charybdis glücklich hindurchzuführen. Es enthält auf 75 Oktav- seiten die wichtigsten Gesetze unserer Muttersprache, an Beispielen trefflich erläutert Daran schliefst sich in *20 Seiten eine Besprechung der wichdgsteu Lehren der Metrik und Poetik. Wir haben ein Werkcheu vor uns, das unter den mir bekannten Büchern ähnlichen Schlages eine hervorragende Stellung einnimmt Uebtrall last sich die methodische Sicherheit und Klarheit erkeunen. Für die Brauchbarkeit des Büchleins dürfte wol schon die Tatsache sprechen, dass es innerhalb einer kurzen Reihe von Jahren fünfmal aufgelegt wurde.

Welches sind nun die wichtigsten empfehlenden Eigenschaften an dem Buche? Abgesehen von der Uebersichtlichkeit, welche es zum guten Teil dem bedeutenden Unterschied der Lettern verdankt, scheint vor allem eine Erbsünde der meisten üblichen Ge^ammatikeu

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abgestreift zu sein, nemlich die unseligen logischen Defini- tionen von Satz, Sprache, Muttersprache u. s. w. Bekanntlich haben solche Dinge für die Jugend bis zu einem gewissen Alter nur den Wert einer Gedäcbtnisquälerei. Definitionen gehören ausserdem weder wissenschaftlich, noch vom Standpunkt der Methodik aus an den Anfang. Im vorliegenden Buche ist ganz richtig, wo eine derartige Erklärung nötig schien, der genetische Weg eingeschlagen. Der Autor stellt sich in der Regel nicht die Krage „Was ist das Ding?", sondern: „wie wird es?, was tut es?, oder wozu dient es?u.

Die Anwendung der lateinischen Terminologie und die Fernhaltung aller orthographischen Neuerungen schliessen sicher keinen Vorwurf in sich.

Besonders möchten aber die Abschnitte von den Präpositionen und Konjunktionen, die dem Schulmanne häufig die grössten Schwierig- keiten bereiten, Erwähnung verdienen. Bei der Lehre von den Präpo- sitionen bat offenbar das praktische Moment den Ausschlag gegeben, und daher kommt die Klarheit des betreffenden §. Dass die Lehre von den Konjunktionen in die Syntax verwiesen ist, zeigt von pädagogischem Tukt des Autors. Der Abschnitt von der Ableitung der Wörter hat den Vorzug, dass auf die Bedeutung der wichtigsten Ableitungssilben 1 ingewiesen ist, so dass der Schüler zum Nach- denken angeregt wird und nicht geistlos an die Stammsilben seine Vor - und Nachsilben anklebt.

Doch sind mir auch einige weniger empfehlende Dinge aufgefallen. So teilt der Verfasser die Lehre von der Rechtschreibung in folgende vier Abschnitte ein: I Die Umlautung, II. Die Verlängerung, III. Die Dehnung, IV. Die Schaffung; dazu kommt ein „Nachtrag", welcher das Notwendigste über die Schreibung einzelner Laute enthält Beim ersten Blick glaubte lob, die Nummer II müsse mit III zusammenfallen. Aber bei näherer Iii tracbtiH'g stellte sieb diese Meinung als Irrtum heraus, denn eh handelt sich dort um die Regel: „Weisst du nicht, ob du am Ende eines Wortes das Zeichen für einen weichen oder für einen harten Mitlaut setzen sollst, so verlängere das Wort in irgend einer Weise".

Demnach ist aber obige Einteilung nicht richtig, da ihr ein ein- heitlicher Einteilungsgrund fehlt.

Unrichtig ist die Regel über den Gebrauch des Punktes, welche heisst : „Der Punkt steht nach jedem Satze, welcher einen in sich abgeschlossenen (iedanken darstellt", denn hienach stellte z. B. der Sats: „Hätte doch die ganze Welt dieselben moralischen Grundsätze 1" keinen in sich abgeschlossenen Gedanken dar Auch dürfte es sich empfehlen, an dieser Stelle die andern Fälle anzugeben, in denen gleichfalls ein Punkt steht.

An vielen Schwächen scheint mir die Partie vom \kkusativobjekt zu leiden. „Dor Accusativ", heisst es, „steht bei allen transitiven Verben". Schlägt man nun 8. 25 auf, um zu erfahren, was denn unter einem transitiven Verb zu verstehen sei, so erhält man die wenig in- struktive Weisung, dass diejenigen Verba transitiv seien, welche den Acc. regieren. Es heisst also obige Kegel auf gut deutsch : „Den Accusativ regieren die Verba , welche den Accusativ regieren" , eine Lehre übrigens, die auch zu den Erbsünden unserer Grammatiken zu gehören scheint. Ich werde bei dieser Manier, den Schüler im Kreis herum zu führen, stets an den Och=en im Faust erinnert nnd bedauere die Jungen , welche die Rolle desselben zu Übernehmen haben. Wenn

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man kein gemeinschaftliches Merkmal für diese Kategorie von Verben findet, so zähle man einfach einige von ihnen auf. Ich sehe auch nicht ein, was die Erklärung des Wortes „transitiv" in der Etymologie zu tun hat. Seiten heisst es dann unter. Nr 4, „bei manchen subjektiven Verben stehe auch ein Accusativohjekt, z B. er starb den Tod für's Vaterland". Der Heisatz „aber nur in gewissen Verbindungen" liesse sich mit Leichtigkeit durch etwas Bestimmtes ersetzen. Diese Tatsache tritt nemlich bekanntermassen da ein, wo das Substantiv dem Begriffe nach mit dem Verb zusammen füllt (inneres Objekt). Dass dann die Accu- sative, welche bei Adjektiven und Verben „zur Bezeichnung der Aus- dehnung von Raum und Zeit, Mass , Gewicht und Wert" stehen , eben- falls unter den Objekten figurieren , obwol sie „nicht als Objekte zu betrachten sind", nimmt mich wunder. Map setze sie eben hin, wohin Bie naturgemäss gehören, unter die Adverbialien.

Zum Schlüsse nur noch eine Bemerkung! Auf Seite 57 findet sich folgender Passus : x

„b) Das doppelte Objekt. Dem Herrn befehlen wir unsere

Wege. Er schilt mich einen Narren. Ihr beraubet mich

meiner Kinder.

Der erste Satz enthält ein Dativ- und ein Accusativobjekt ; der zweite Satz enthält zwei Accusativobjekte und der dritte ein Accusativ - und ein Genitivobjekt." Ich führe diesen ganzen Absatz an, weil in ihm ein methodisches Prir.cip zur Anwendung gebracht ist, das meiues Erachtens bei allen Grammatikgesetzen zur Geltung kommen sollte, nemlich das Anschauungsprincip. Erst Beispiele und dann die Regel! Das braucht man indes nicht so auszulegen, als müsste man den Schüler das betr. Sprachgesetz selbst aus dem Beispiele heraus- finden lassen, sondern dasselbe soll vielmehr vor den Augen des Schüler 8 von dem Lehrer entwickelt werden. Man könnte dagegen einwenden, dies Verfahren halte sehr lange auf; allein das so Gelernte ist dann auch kein blosser Gedächtniskram, sondern lebendiges Eigen- tum. Gewichtiger könnte vielleicht der Einwurf erscheinen, dass die Anwendung dieser Methode auf Mittelschulen, also auch an unsern Gewerbschulen, gewissermassen überflüssig sei, da die aus der Volks- schule kommenden Knaben die wichtigsten Spracbgesetzc bereits auf diesem Wege erlernt unH infolge dessen nur eine Auffrischung nötig haben, die auf dogmatische Weise rascher herbeigeführt werde. Diese Ansicht hätte etwas für sich, wenn tatsächlich alle in höhere Schulen Eintretenden dieselbe Vorbereitung mitbrächten, was aber bekanntlich nicht der Fall ist. Dabei ist ja immer eine abwechslungswcise dog- matische Behandlung einzelner hiezu besonders geeigneter Abschnitte Dicht ausgeschlossen.

Für den Fall, dass vorliegendes Büchlein eine weitere Auflage erlebt, dürfte auf vorstehende Bemerkungen Rücksicht zu nehmen sein. Es könnte auf diese Weise für Gewerb- und ähnliche Schulen eine sehr gute Sprachlehre geschaffen werden.

München.

H. Krallinger.

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Gottfried Ebener'« französisches Lesebuch für Schulen und Erzieh- ungsanstalten in vier Stufen. Herausgegeben von Georg Storme. Stufe I, 14. Auflage. Hannover. Verlag von Carl Meyer. 1875.

Die mir vorliegende 1. Stufe dieses Lehrbuches enthalt grössten- teils Fabeln, leichtere naturgoschichtlicbe Beschreibungen und geschicht- liche Merkwürdigkeiten abwechselnd mit Dialogen. Haas sich das Buch als brauchbar erwies, beweist wol der Umstand, dass es bereits in der 14. Auflage erscheint. Dennoch ist es mir nicht einmal klar, ob es beim Schüler die Erlernung der unregelmässigen Verba voraussetzt oder nicht, da die am Ende im ausführlichen Wörterverzeichnis« bei- gesetzten Erläuterungen in dieser Beziehung sehr unbestimmt sind So wird z. B. Nro 5 gesagt: „vit von wir, v. irr., sehen". Weiss der Schüler die unregelmässigen Verba bereits, so ist es höchst verwerflich, ihm durch derartige Erläuterungen zu Hilfe zu kommen; er schlage, wenn ihn sein Gedächtniss im Stiche lässt, in seiner Gram- matik nach. Weiss er sie noch nicht, so ist ihm obiger Aufschluss nicht genügend, um vit übersetzen zu können Diese Unbestimmtheit setzt sich bis zum Schluss fort; z B Nr. 91: „meurs von mourir, v.irr., sterben" Von den Bemerkungen, die der Verfasser über den Gebrauch des Buches den Lehrern gibt, heisst die erste: „Der Lehrer lese jeden 8atz seinen Schülern so oft vor, bis sie jedes einzelne Wort desselben richtig nachzusprechen vermögen. Besonders schwierige Wörter werden in ein Heft eingetragen und von Zeit zu Zeit wieder- holt". Wie ist diese Anweisung zu verstehen? Soll der Lehrer den Schülern diese Lesestücke so und so oft vorlesen, ohne dass diese von den ersteren präparirt sind? Wie oft würde man ihnen da wol Nr. 7 (Les cr%8 des animaux) vorlesen dürfen ! Oder soll der Lehrer den Schülern beim Vorlesen die Uebersetzung geben, wobei diese dann die schwierigen Wörter, die ohnehin alle im Wörterverzeichnisse vom Ver- fasser Stück für Stück gedruckt gegeben sind, in ein Heft eintragen? % Kurz, ich glaube, dass das Erste immer die Präparation des Schülers sein müsse Die übrigen 6 Anleitungen scheinen ganz zweckdienlich; nur müsste dem französischen Unterrichte, um so zu verfahren, eine gegen andere Gegenstände hervorragende Anzahl von Stunden zugemessen sein.

München. Dr. Wallner.

Liierarische Notizen.

Piatonis 8y mposium in usum studiosae juventutis et achol- arum cum commentario critico edidit Georg Fer dinand Bettig. Halis in libraria orphanotrophei a. 1875. VI und 86 Seiten, gr. 8. Wenn auch gerade kein liedürfniss zu einer neuen kritischen Aus- gabe des platonischen Symposions vorlag, so ist doch die vorliegende trefflich ausgestattete Ausgabe dieses Dialoges, welche für die studier- ende Jugend und zum Zweck von Vorlesungen bestimmt ist, mit Freuden zu begrüssen , da sie auf ueuen Kollationen beruht und die Leistungen neuerer Kritiker eingebend berücksichtigt, so dass hier zu einem gründlichen Studium des Dialoges eine Fülle von Material geboten ist. Bei der guten t Ueberlieferung des Textes tritt natürlich die Konjekturalkritik mebr'iu den Hintergrund von eigenen Ver- mutungen des Herausgebers sei erwähnt: 189 B »JJij (Jij£»jaeff$a* für ijrrij^oSf« , 197 E £v X6X<? statt iv Xoyy und 220 D Uutovw statt

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'iwrwv und die Annahme von Interpolationen, die der Herausgeber an einigen Stellen zu erweisen sucht, entbehrt meist der Sicherheit. Eine besondere Aufmerksamkeit ist d*>n grammatischen Fragen ge- widmet Wie weit man hier den Handschrifteo folgen dürfe, ist schwer zu bestimmen. Wenn z B. 193 E gegen die Autoritat'der Handschriften Zvvfjdij geschrieben wird, so erscheint es doch nicht konsequent, wenn anderwärts den Handschriften so viel Wert beigelegt wird, das9 192 E die Form «ff eiv, 4 Zeilen zuvor aber d'voiv aufgenommen wird. Oder ist es wahrscheinlich, dass Piaton iunerhalb weniger Zeilen in den Formen so wechselte? Eine unpraktische Einrichtung des Buches ist, dass die Zahl der Zeilen nur von 10 zu 10 statt von 5 zu 5 am Rande bezeichnet ist; auch hätte eine grössere Sorgfalt auf die Revision des Druckes ver- wendet werden sollen, da im Texte und im Kommentar nicht wenig Fehler stehen geblieben sind.

Homers Odyssee Erklärende Schulausgabe von Heinr. Dttntzer I. Heft II Abteilung. Buch IV VIII. Zweite , neu bearbeitete Auflage. Paderborn, Verlag von Schöningh. 1875. 1 M. 50 Pf.

Uebungen zur Repetition der lateinischen Syntax, entworfen von Dr. Karl von Jan. 2. vermehrte Auflage Landsberg a. W. bei Schäffer & Comp. 1876. Pr. 70 Pf. Das Büchlein ist von 43 auf 72 Seiten angewachsen; das Neuhinzugekommene umfasst neben den früheren Regeln noch die abhängigen Bedingungssätze, die Fragen mit an u. a. Im üebrigen ist die Einrichtung die gleiche geblieben. Vergl. Bd. X 8. 334 dieser Blätter.

Illustrationen zur Topographie des alten Rom. Mit erläuterndem Texte für Schulen herausgegeben von Christoph Ziegler, Prof. in Stuttgart. Drittes Heft, erste und zweite Abteilung Verlag von Paul Neff. Tafel IX. Möns Capitolinus. X. Möns Palatinus. XL und XII. Amphitheatrum Flavium (Colusseum).

Aufgaben zum Uebersetzen aus dem Deutschen in's Lateinische für Secunda in genauem Anschluss an die Grammatik von Ellendt - Seyflert und an die lateinische Leetüre von Paul Klaue ke Berlin, Verlag von W. Weber. 1875. 242 S. in 8. Pr. 2 M. 80 Pf. Der Verfasser geht von dem richtigen Satze aus, dass der Secunda die Aufgabe zufalle, das grammatische Wissen zu erhalten und zu er- weitern. Für diesen Zweck (und nur für diesen, nicht auch für Stilistik) bietet das vorliegende Buch Materialien, ohne dass ein wesent- licher Fortschritt vom Leichteren zum Schwereren ersichtlich wäre, aber mit ausdrücklicher Benennung der Abschnitte aus der Gramm., auf die sich die Debungsstücke zumeist und zunächst erstrecken. Da sich die Uebersetzungsstücke an die Klassenlektüre (Liv XXI. XXII. Cic. Arch, Dqot. Cot. I TV, Rose. A., Ligar., d. imp. Cn. Pomp., Laelius ; Sali ) anschliessen , so ist die Phraseologie sehr sparsam und be- schränken sich die Noten mehr auf Fragen und Warnungen, iu welcher Hinsicht wohl zu weit gegangen ist, wenn auch die am Schlüsse ange- hängte „alphabetisch geordnete Erläuterung der Anmerkungen" vielfach aushilft Die grammatischen Verweisungen beziehen sieb dem Zwecke und der Anlage des Buches entsprechend auf Ellendt- Seyffert.

Ausführliche Erläuterung des allgemeinen Teiles der Germania des Tacitus. Von Dt. Otto Baumstark, o. Prof. der Univ. Freiburg. Leipzig; T. 0. Weigel. 1875. 744 S. in 8. Preis 8 fl. 45 kr. Nach- dem der Verfasser in der Vorrede die bisherigen Leistungen auf diesem

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Gebiete als ungenügend bezeichnet and damit das Erscheinen seines Werkes in diesem Umfange begründet, spricht er in den „Vorbemerk- ungen1' von dem Charakter der „Germania" , ihrer bandscbrittlichen Ueberlieferung , speziell von der Ueberschrilt und vom „Inhalt" des allgemeinen Teiles, um dann mit grosser Fach - und Literaturkenntnis in 27 Kapiteln alle einschlägigen Fragen zu behandeln. Die Ausführ- lichkeit und Vollständigkeit, mit der das geschieht, verleibt dem Werke in der Tat den Wert einer kleinen Germania -Bibliothek. In seinem Urteil über Andersgläubige, unter denen bi sonders Holtzmann schlimm wegkommt, tritt der Verfasser mit sclbstbewusster Schärfe auf; die Bedeutung des Buches liegt denn auch mehr in seiner negativen Seite, soferne gar manche falsche Auffassung und Erklärung aus alter und neuer Zeit wobl für immer abgethan wird, ohne dass der Verfasser selber immer zu unumstößlichen positiven Resultaten kommt. Eine auf Ein- zelnes eingehende Besprechung des bedeutsamen Werkes , dem der Kommentar zum speziellen Teil in Bälde folgen soll, bleibt vorbehalten.

Anhang zu Homers Ilias »Schulausgabe von K. F. A m eis 3. Heft. Er- läuterungen zu Gesang VII— IX. von Dr. C. Hentze. Leipzig, Teubner, 1875.

Römische Geschichte in kürzerer Fassung. Von C. Peter. Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1875. 591 S. in gr. 8. Pr. 7' t M. Nicht ein Auszug aus der dreibändigen Geschichte Roms des verdienten Verfassers, sondern eine dnrehaus selbständige Arbeit, zunächst bestimmt den reifereu Schülern des Gymnasiums als Hand- buch zu dienen, aber auch für Lehrer wohl brauchbar und dem grösseren

Sebildeteu Publikum sehr zu empfehlen. Unter Verzichtleistung auf ie Erörterung streitiger Punkte sind die Tbatsachen in einfacher und klarer Sprache dargestellt und Bedeutung und Zusammenhang derselben zur Anschauung gebracht. Selbständiges Studium der Quellen und Hilfsmittel ist bekanntlich ein wesentliches Verdienst, des Verfassers; darnach ist, wie das grössere Werk, so auch die vorliegende Ausgabe zu beurteilen, die allen Freunden der römischen Geschichte, eines der lehrreichsten Teile der Weltgeschichte, bestens empfohlen werden kann.

Die Geschichten des Herodot. Deutsch von Dr. Heinrich Stein. In 2 Bänden. Oldenburg Ferdinand Schmidt, 1875 Pr. 9 M. Der verdiente Herausgeber der kommentierten Ausgabe sowie der kritischen Textausgabe des Herodot hat hier in seböuer Ausstattung eine Ver- deutschung geliefert, die gebildete Leute ohne Kenntnis der griechischen Sprache mit einem der interessantesten und anziehendsten Schriftsteller des Altertums bekannt machen und befreunden , daneben aber auch Fachgelehrten Dienste leisten kann

Erzählungen aus der Geschichte für den ersten Unterricht in Gymnasien nnd Realschulen zusammengestellt von Karl Kappes. 5. verb. Aufl. Freiburg i. B. Fr. Wagner'sche Buchhandlung. 1875. Die neue Aufl. des hier schon wiederholt angezeigten Werkes (s. Bd V S 60 nnd Bd. 10 S. 32) hat keine wesentlichen Aenderungen erfahren, wohl aber erhielten ei!izelne§§. cinr schärfere Abgrenzungoder Erweiterung.

Siebentes Jahreshelt des Vereines Schweizerischer Gymnasiallehrer. Aarau, 1875. Bei U. R. Sauerländer 08 S. iu gr. 8 Das Heft enthält: 1) Protokoll der lünfzehnteu Jahresversammlung in Ölten, Okt. 1874. Besonders interessant ißt darin ein Vortrag von Prof. K. Thomann über die Einrichtung der Realgymnasien und die sich daran knüpfende Discussion. 2) Biographie des Prof. Dr W. Vischer. 3) Verzeichniss

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der im Jahre 1874 erschienenen Programme der Schweizerischen Gym- nasien. 4) Verzeichniss der eingegangenen Bacher und Schriften. 6) Verzeichniss der Vereinsmitglieder.

Der Mentor. Notiz -Kalender für Schüler für das Jahr 1876. Altenburg. Verlag3handlung von H. A. Pierer. Pr. 60 Pf. Enthält ausser dem eigentlichen Kalender u. A. geschichtliche und geographische Tabellen, historische Notizen für jeden Tag, Tabellen zu Lektionsplanen , Schüler- uud Bücherverzeichnissen und sonstigen in ein Tagebuch gehörigen Aufzeichnungen. Eignet sich vortrefflich für den Weihnachtstisch.

Waltber von der Vogelweide. Schulausgabe mit einem Wörterbuche von Karl Bartsch Leipzig, Brockbaiis. 1875. Zweck uud Plan wie bei der im selben Verlag erschienenen, von demselben Verfasser bear- beiteten Ausgabe des Nibelungenliedes (X. 214 d. Bl ) und der Kudrun.

Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Zunächst für die obersten Klassen höherer Lehranstalten mit einer Einleitung und erklärenden Anmerkungen herausgegeben von Dr. Arthur Jung. Leipzig, Teubner. 1875. 374 S. in kl. 8. Zunächst für die Hand des Lehrers bestimmt.

Carl Ritter. Ein Lebensbild nach seinem handschriftlichen Nach- lasse dargestellt von Dr. 0. Krämer, Direktor der Franckischen Stift- ungen zu Halle. Zweite Ausgabe. Halle, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. 1875. I. Teil 458 S. II Teil 320 S. in 8. Unter Hinweis auf die empfehlende Anzeige der ersten Ausgabe dieses Werkes Bd. VII S- 288 ff. dieser Blätter sei hier nur erwähnt, dass in der ganzen Form der Darstellung , abgesehen von einigen Aeusserlich- keiten und einem Paar gegen Ende hinzugefügter Zusätze, wenig, in der ganzen Auffassung aber nichts geändert ist Neu sind einige Reise- briefe aus den Jahren 1846, 1849 und 1853, ferner ein früher gedruckter Aufsatz Ritters, in welchem er die ersten Eindrücke bei seinem Besuche in Konstantinopel schildert, wodurch der auf diesen bezügliche Reise- bericht vervollständigt wird, endlich ein Verzeichniss seiner Schriften, soweit sie in den Buchhandel gekommen sind. Zur Verbreitung des interessanten Werkes wird der Umstand wesentlich beitragen, dass der Preis von 4'/3 Thlr auf 9 Mark ermässigt werden konnte.

Kurz, W., Transparente Tafeln aus dem Gebiete der Mikroskopie 5 Tafeln mit erläuterndem Texte. Pichler's Witwe und Sohn. Wien. 1875 Wir stimmen dem Verfasser vollkommen darin bei , dass die niedern , mikroskopischen Organismen, deren Kenntniss in unserer Zeit eine so grosse Ausdehnung und Bedeutung erlangt hat, bei dem Unter- richte in der Naturgeschichte nicht übergangen werden können, dass es aber fast unmöglich ist, dieselben einer ganzen Klasse unter dem Mikroskope vorzuführen. Daher verdient der Gedanke Beachtung, durch transparente, nach gelungenen Präparaten entworfene Tafeln die mikroskopische Anschauung zu ersetzen. Die auf den vorliegenden 5 Tafeln dargestellten Gegenstände sind sämmtlich der niedern Tier- welt unserer Süsswasser entnommen; es sind: eine Vorticelle, eine Hydra, eine Plumatella , eine Nais und ein Cyclops. Der beigegebene Text enthält nebst einer Gebrauchsanweisung sachgemässe und gemeinver- ständliche Erläuterungen. Bei einer Fortsetzung des Werkes, dem wir im Interesse des naturgeschichtlicben Unterrichts einen raschen Fort- gang wünschen , möchten wir nur dem Verfasser empfehlen, sich nicht auf eine , wenn auch genaue Copie des mikroskopischen Präparates zu

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beschränken, sondern gute, auf genaues Studium des Objektes gegründete Abbildungen zur Ergänzung zu benutzen. Es wäre dies besonders bei Hydra fusca sehr erwünscht gewesen , wo durch die Lage der stark kontrahierten Fangarme die Mundöffnung verdeckt erscheint.

Wünsche, Dr. 0., Die Kryptogamen Deutschlands. Nach der ana- lytischen Methode bearbeitet 1. Heft. Die höheren Kryptogamen. Leipzig. B. G. Teubner. 1875. Anfängern das Studium der höheren Kryptogame (der Gefäss - Kryptogamen , Laub- und Lebermoose) zu ermöglichen und als Einleitung zum Gebrauche der systematischen Specialwerke zu dienen, ist der ausgesprochene Zweck dieses Büchleins. Tabellen, in welchen die Pflanzen nach augenfälligen Merkmalen (bei den' Laubmoosen auch nach ihrem standörtlichen Vorkommen) geordnet sind, dienen dazu, das Auffindeu der Familien und Gattungen zu er- leichtern. So wünschenswert dem Anfänger auf so schwierigem Gebiete solche Erleichterungen sind, so bergen sie für ihn doch auch Klippen, indem er oft an Nebensächliches sich haltend , ein tieferes Eingehen auf das Wesentliche sich ersparen zu können glaubt. Damit soll jedoch ein Tadel gegen das Bestreben des Verfassers nicht ausgesprohen sein. Nur gegen den Titel „Kryptogame Deutschland s" müssen wir protestieren. Fast möchte es scheinen, als zähle der Verfasser Bayern nicht zu Deutschland, denn eine grosse Anzahl der in den bayerischen Alpen, zum Teil auch durch ganz Süd- Bayern verbreiteter Arten (besonders Moose) fehlen gänzlich in dem Werkchen. Jedenfalls wäre die Bezeichnung „Kryptogamen Mitteldeutschlands" die ent- sprechendere gewesen.

Samuel Schilling's Grundriss der Naturgeschichte. Das Tier- reich. 12. vielseitig verbesserte und bereicherte Bearbeitung. Breslau 1875. Ein so allgemein bekanntes und weit verbreitetes Lehrbuch bedarf wohl kaum einer empfehlenden Auzeige. In Beziehung auf die vorliegende neueste Auflage verdient nur hervorgehoben zu werden, dass in derselben die Sinnesorgane eine eingehendere Bebandluag erfahren haben und die Systematik den Resultaten der neueren Forsch- ungen entsprechend vielfach umgestaltet worden ist

Crapelen, C, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mitt- leren und höheren Schulen. Leipzig. B. G. Teubner 1875. In klarer und bündiger Darstellung gibt der Verfasser in diesem Werkchen einen dem Standpunkt der heutigen Wissenscbatt entsprechenden Abriss der Botanik. Eigentümlich ist demselben die Verbindung der Physiologie mit der Morphologie, indem bei der Beschreibung der einzelnen Organe zugleich deren physiologische Bedeutung dargelegt wird. Für Mittel- schulen, in welchen dem naturgeschichtlichen Unterricht verhältnis- mässig wenig Zeit gewidmet werden kann, dürfte sich dieser Leitfaden als ein sehr zweckmässiges Lehrmittel empfehlen. Dabti müssen wir jedoch voraussetzen (und diese Voraussetzung liegt wohl auch im Sinne des Verfassers), dass den Schülern auf früheren Unterrichtsstufen eine gewisse Summe von Anschauungen aus der Pflanzenwelt geboten worden ist, so dass der vorliegende Leitfaden dazu dienen kann, den botanischen Unterricht an mittleren und höheren Klassen in zusammenfassender und zugleich ergänzender Weise zu einem gewissen Abschluss zu bringen.

Leitfaden der Physik von Dr. M. Beetz o Prof u. d.jZ. Dir. des Polytechnikums in München. V. Auflage. Berlin 1875. Nauck. Vor 3 Jahren erst war die IV. Aufl. erschienen und bestehen die Vcränder-

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ungeu laut Vorwort hauptsächlich in weiterer Ausführung mancher An« gabeu, welche in den früheren Auflasen nur durch einzelne Stichworte angedeutet waren" Feiner wurde das Format verkleinert, so dass die Seitenzahl von 176 auf 272 gestiegen ist. Der Preis von I Thlr. wird wohl derselbe gehlieben sein. Das Buch verrät seiuen Ursprung ans einem vollkommen ausgestatteten Laboratorium, welches mit dem Neuesten Schritt halten kann und will.

Leitfaden für den Anfangsunterricht in der Geometrie an höheren Lehranstalten von H. Kost ler. Zweites Heft. Der Flächeninhalt der Figuren. Halle a./S. L. Nebert, 187.">. „Es ist eine Fortsetzung von einem dem Ref. unbekannten ersten Teile; injjdemselben ward kein neuer Gedanke, nur eine Zusammenstellung der elementaren Sätze, sowie die einfachsten Aufgaben über Verwandlungen und Teilungen gefunden.

Lehrbuch der italienischen Sprache von Dr. Armin. Schäfer. 5 Teil: Darstellungen aus dem öffentlichen Leben. 6. Teil: Lesestücke, nach den Redegattungeu geordnet. Paderborn, Ferdinand Schöningh. 1875. 147 S. in 8.

Vocabulario italiano sintern atico. Italienisches Wörterbuch nach einer Anordnung, wodurch es als Hilfsbuch der Konversation brauchbar wird von P. Ph. Alexander S c h 1 i c k u m. 2. verbesserte und stark vermehrte Auflage. Paderborn, Schöningh. 1875. 448 S. in kl 8.

Ernannt: der vormalige Lehrer an der Gewerbschule in Amberg Schulz zum Lehrer der Mathematik und Physik an der Kreisgewerbschule in Bayreuth; zum Lehramtsverweser für Realien in Würzburg der Lebramts- kand. Loewe; zum Lehrer der Handelswissenschaften an der Geworbschule in Bamberg der derzeitige Verweser Marstatt; zum Realienhilfslehrer in Augsburg der Lehramtskand. Bräuninger; zum Lehranitsverweser für die neueren Sprachen an der Gewerbschule in Neumarkt der Lehramtskand. Schlund; Ass. Mahl am Ludwigsgymn in München und Asa. Dusch in Speier zu Studienlehrern in Lohr.

Versetzt: Mathematik- und Realien-Lehrer Eissel von Grünstadt an die Gewerbpchnle in Zweibrücken; Rcalicnlebror Schiessl von Kaisers- lantern nach Regensburg; Studicnl hrcr Fr omun n von Landau nach Nürnberg.

Gestorben: Studl. P. Jos. Nag ler in Augsburg.

Nachdem dieses Büchlein von höchster Stelle in das Verzeichnis« der gebilligten Lehrbücher aufgenommen ist, hält es der Unterzeichnete für geboten, mehrere nicht mehr rechtzeitig entdeckte sinnstöreude Fehler nachträglich zu berichtigen.

Seite 12 Zeile 10 von unten lies „die Länge des Schattens". 17 ti ,f oben ist nach „anderen" einzuschalten „und zur erhaltenen Differenz das Azimut von A addirt". Seite 32 Zeile 4 von oben lies: m Z to. 32 1t Iii m 18 8 anstatt -f- . . .

Statistisches.

Berichtigungen zu Schelle's Lehrgang der populären Astronomie.

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Seite 56 ist der tropische Monat vor den Drachenmonat zu setzen. 60 Zeile 18 von unten lies „Halbmesser" statt „Durchmesser"

64 2 von oben lies (H - Ä) anstatt * (H - h).

69 setze an Stelle der ersten 4 Zeilen, die hinwegzulassen sind, die nachfolgende Bemerkung : Die jenseitige Berechnung der scheinbaren Grösse von Ali unter Voraussetzung der Grösse deB Sonnenhalbmessers wurde nur unternommen, um jene bei dem Mangel des erforderlichen Beobachtungsmaterials wenigstens annähernd zu erhalten. Die Berechnung selbst mit dem Ergebnisse von 22,8" ist aus Versehen in das Manuscript übergegangen. Aus dieser Grösse berechnet sich sodann leicht der Winkel, unter welchem von der Sonne aus der 860 Ml lauge Erdbai bnusser gesehen wird , oder die Parallaxe P ~ 8,5".

Fig. XII bei Ä ist die rechte Hälfte des Mondes zu schattiren und die linke weiss zu lassen.

Der Verfaaaer.

Heinrich Stadelmann, der Poet.

Nachruf von Karl Zettel.

In den ersten Tagen des Weinmondes, welchen er mit manchem süssen Liede bekränzt hatte, ging Heinrich Stadel mann unter die Erde. Ein sangreicher Mund ist geschlossen, eiu glühendes Herz bat ausgeschlagen. Wer wie ich im Leben und Streben dem Geschiedenen nahe gestanden ist, darf wol eine Rose weihender Erinuerung auf dem frischen Grabhügel einsenken.

Der Verlebte war, wenn auch keine originell schöpferische, so doch eine tiefinnige, reiche Dicbternatur, iudeui er seilet alltäglichen Djngen einen poetischen Heiz abzugewinnen oder sie hiuwiderum mit demselben zu bekleiden wusste Seine Muse hatte ein liebemildes Antlitz, und wenn ja zuweilen düstere Schatten ernster Trauer über dasselbe gleiten mochten, bald lächelte wieder sanfter Sonnenschein mit allem warmen Glänze. Sie muntert uns entweder zu freudigem Genüsse des Lebens auf, indem sie unter himmlischem Lächeln den funkelnden Becher kredenzt und in die holden Augensterne der Geliebten uns schauen lässt, oder sie sieht uns auf Augenblicke wehmütig zu, wenn wir im un- verstandenen, wirren Spiel des Daseins dahintreiben, aber sinnend und herzgewinnend bleibt sie immer. Diejenigen Gedichte nun, welchen das Leid seinen Stempel aufdrückte, klingen allerdings aus reichbewegter Inner* liehkeit heraus; gleichwol hätte niao dem Dichter etwas männlichere Fassung anwünschen mögen, wodurch dem Schmerz mehr Adel und Weihe verlieben würde. Seine patriotischen Gesänge dagegen sind grossentcils von trotziger Kraft und edlem Stolze. Aber insbesondere war Stadel- mann ein Meister poetischer Kleinbilder, lyrische Gemmen möchte ich sie heissen , Dichtungen von unvergleichlicher Zartheit. leb erinnere nur an ein einziges dieser Kleinodien, „Abendläuten", ein Wunderstück, das auch musikalisch verwertet worden ist. Entschieden weniger Glück hatte Stadelmann auf dem Gebiete epischer Dichtungsarten. Seinen Balladen und Romanzon, so formschön sie auch sein und so melodisch

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sie sich ablesen mögen , fehlt die geniale Verve. Man vermiest die sichern, festen Zage, die sich nnter Umständen bis zur dramatischen Plastik J gestalten und steigern müssen. Ich habe hierüber mit dem Verlebten manche Zeile gewechselt, und er pflichtete mir schliesslich bei, indem er in scherzhafter Weise zugestand, dass ihm allerdings nur dann so recht wohl sei , wenn er seinen „frommen" Fegasus auf der reichbeblümten Au der Lyrik tummeln könne Aber selbst in der Lyrik ist unser geschiedener Freund von vielen erreicht, von manchen überragt. Unerreicht, wenigstens in unserer Zeit, steht er auf dem üebiete der Uebertragung deutscher Poesien iu die Sprache Latiums und versificierter Uebersetzung antiker Gedichte ins Deutsche. Von dieser Seite zunächst kannten und würdigten ihn die Kreise der gelehrten Fachmänner, die Philologen und Orientalisten; neidlos gestanden selbst viele Koryphäen zu, dass eine solche An - und Nachempfindung, wie Stadelmann ihrer lühig sei, unterstützt von einer unglaublichen Sicherheit und Gewandtheit in der lateinischen Ausdrucksweise, geradezu in Stuunen versetze. Oder wer, um Bekanntes anzuziehen, sollte die zwanzig „römischen Elegien" von Götbe in der lateinischen Uebertraguug Stadelmanus lesen, ohne angemutet zu weiden, als ob Glanz und Duft Ovid'scher Dichtung ihn umwehe? Er mag uns ferner mit eim m leichtgeschürzten Skolion des Kallistratos beschenken, oder die holde Liebespein der Sappho nachsingen; er mag des Katull flötende Lieder uns ans Herz schmeicheln oder die frohen Weisen des liebeseligen Alten von Teos auf deutscher Lyra wecken: wir glauben unweit der schimmernden Hallen eines jonischen Tempels zu träumen oder an einem rieselnden Quell des waldreichen Kithäron zu lagern, bekränzt mit Kosen und Eptieu, den einen Arm um den leuchtenden Nacken der schönen Freundin, den andern verlangend ausgestreckt nach dem winkenden Becher. Aber auch die Harfen des nordischen Inselreiches tönten seinem Ohre so vertraut und klangen so tief in seine Seele hinein , dass er es wohl versuchen konnte , Dichtungen englischer und schottischer Lyriker in glücklicher Auswahl unserm Idiouie zu über- geben. Während er aber von Felicia Hemans, von Moore und Burns etc nur wenige auserlesene Lieder übersetzte, widmete er dem britischen Genius, der, ungehindert durch die Verkeilung von Seite seines Vulkes, wie ein glänzend Meteor über die Welt geflogen ist, seine warme Liebe und Verehrung: Byrons lyrische Gedichte in entsprechender Auswahl zu übersetzen, war unserem Freunde, wie ich ihn kannte, mehr ein Hirzens- bedürtniss als eine Folge literarischer Studien. „Ks ward mir. dabei warm ums Herz, und ich habe keine Zeile ohne innere Bewegung geschrieben", sagt Stadelmann in seinem Vorwort. Schliesslich möchte ich noch der herrlichen Uradichtung des „Hohen Liedes" gedenken, iu welchem er das „wunderbar liebliche, gazellenartig dabin- schwebende Lied" in freien Strophen vor unser entzücktes Ohr führt. Dass er hiebei , um dem Originale thunlichst gerecht zu werden , die Feder in glühende Tinten taucht, bedarf wol kaum der Erwähnung.

Wenn ich nunmehr die einzelnen Züge zu einem Gesammtbilde des Verstorbenen als Dichters verweben will , so mag es sich also erweisen : In Stadelmann quoll ein reiches, inneres Dichterleben, sodass mit der Saide seiner Poesie viele poetische Steppen erquickt werden könnten. Seine Vollkraft jedoch lag in der Nach - und Anempfindung der griechischen und römischen Lyriker. In allen seinen Produkten aber pulsiert der Herzschlag eines ganzen Poeten und eines herrlichen Menschen.

====ö<^cirt*r^o^ ~

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Zn LyslaH und Demosthenes,

Der Vorschlag, den K Hammer zu Lys. 7, 22 (si tp^attg fi ideiv xrty fioQiuv utfut i^oi ru roik ivvt« uQ/ovrag injyayec ovx «v eräQiav htei ooi (tKQT*ifuy) im 5ten Hefte dieses Jahrganges S. I98 macht, für ei ypfatts fi% id'eir oder <pqr<t{ tu io*<av zu lesen: ei tptjyag ue rtjv uoqIkv atpuyiCot x. t X. fjohört jedenfalls zu den glücklichen Ver- mutungen, die, so einfach sie sind, eben durch ihre Einfachheit, mit der sie alle Schwierigkeiten ein*>r Stelle lösen, sieb auf den ersten Klick empfehlen. Nur mit der Art, wie Hammer seine entschieden richtige Verbesserung der Stelle rechtfertigt, bin ich nicht einverstanden, indem sie keineswegs durch den Hinweis auf die angeführteu Abschnitte der Krüger'scben Grammatik unterstützt zu werden braucht, die dazu kaum geeignet scheinen dürften. Ich glaube im Gegenteil, dass das Particip des Aorist in ^tjyac in seinem ganz gewöhnlichen Gebrauche erklärt werden muss, nach welchem es eine Handlung bezeichnet, die der im Hauptverbum enthaltenen Handlung vorhergegangen ist- Das Verbum tfttiveiy wird als gerichtlicher Ausdruck gebraucht, wenn man der Behörde eine Person anzeigt, die man über einer verpönten Hand- lung trifft und damit beschäftigt findet Es ist demnach offenbar, dass diese Anzeige (<jp«<rif) dem tnayayeiv xovg aQxovtttg (also der iyijyrioig) vorangegangen sein musste, und der Satz ist demnach zu übersetzen: Hättest d-: die Vernichtung des Oelbaumstamines zur Anzeige gebracht, während ich damit beschäftigt war, und dadurch die neun Archonten dazu herbeigerufen (— veranlasst, in ich über dieser Tbat wirklich zu ertappen), so brauchtest du jetzt weiter keine Zeugen.

Eine andere meines Erachteus noch nicht vollständig verbesserte Stelle findet sich in der vielgclesenen Rede gegen Eratosthenes §. 20. Sie lautet nach dem Texte »bei Frohberger: o'vrtog eig »J,«"5 r" XQtjfi€(ia iStjUaQrtevot' , ÜOJlBQ kv gregot ueyaXiov «dixtiuttnov oqyriv t/ovres, ov tovxujv «$iovg ye oviug rfj nokei, aXXd ndong fxlv jag xnQ'iyit($ X°Qiytatll'J(tS noXXovg Je 'A&tivaiioy ix ruiv noXeuiuy Xvaapevnvg t oi o vr (uv tjsiiooiti', ovx öuuitag fjetoixovvTug üaneQ avToi inoXtxevovzo. Dass die Steigerung hier den Sinn erfordert: „sie vergiengen sich so gegen uns um des Geldes willen , wie andere es nicht einmal thun würden im Zorn über erlittenes schweres Unrecht", und deshalb nach üaneg die Negation ov&' einzusetzen ist, wodurch sich aus dem vorhergehenden Verbum leichter der Optativ

Blatte L d. b»jrer. Gjrmn.- u. Ee*l-8chulw. XL Jahr*. 30

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ergänzen lägst, bat schon Westermann quatst lys. III, 11 dargethan und Eanchenstein deshalb mit Recht ot'cP ay i'xfQoi in den Text gesetzt. In den folgenden Worten nimmt Erohberger ein Anakoluth an, dessen Härte aber an dieser Stelle in die Augen springt. Da al'e andern Anakoluthe in des Lysias Reden aus künstlerischer Absicht oder zur Vereinfachung der Konstruktion angebracht sind, dürfen wir ihm hier keines zumuten , für das Nachlässigkeit als der einzige nach- weisbare Grund erscheinen könnte, wenn durch eine so leichte Aender- ung, wie die Einsetzung einer Partikel ist, das Anakoluth gehoben und die bei Lysias so beliebte Antithese ov xot'xmv «»«'off ovrug (qua?) xoiovxujy r^itoaav vollständig hergestellt werden kann. Darum, weil diese Worte, die ebenso gewiss zusammengehören, wie in §. 5 die Worte: xoutvxa Xiyovxtg ovxoiavxu noieiy itoX^tmy dadurch auseinander gerissen würden, ist auch die Interpunktion unrichtig, die Scheibe und Andere vorgeschlagen haben, indem sie vor xotoiiuiy ein Kolon setzen Ich glaube, dass statt des nach a$iovg wenig passenden ye nach ov xovxtay die Partikel <fe einzusetzen ist, die an dieser Stelle ausfiel, wie in allen Handschriften im Folgenden nach naaaq das durchaus not- wendige utr. wie in §. 6 nach xtjy fxkv noXiv vetcoSai bei dem Gegen- satze xrty ico •/']*■ dsUiftai ^Qt^dxtoy das nach ttp einzusetzende de und in §. 1 die Partikel y«Q fehlt, die nach xoutvxa vor avxoig (vielleicht richtiger xovxoig) nicht fehlen kann. Die Stelle lautete also nach meiner Ansicht: o'vxms eis »J/i«? diu /q^uuxu i^rtiurtQxayoy , (vaneQ ovd' ay ixegot /ueyttXwy adixr^uxtoy ogyt]v e^oyxe g , ov xovxojy dt ß| iovg oyxttg, uXXti Xvoapiyovs, xoiovxtay qtiutaay.

Zu der bisher unbeanstandeten Stelle in §. 12 der dritten olyn- thischen Rede des Demosthenes bat M. Miller in dem 4. Hefte S 174 f. eine Konjektur beigebracht, mit der ich mich durchaus nicht befreunden kann. Ich halte die Stelle für vollkommen heil und gesund und glaube, dass Miller hier dem Redner eine falsche Gliederung der Gedanken unterbreitet und einen Gedanken in diesem Satze erwartet, an den der Redner nicht gedacht hat. In den Worten desselben tritt nämlich dem xovxov fxoyov negiyiyyea&ai piXXovxog na&eiy a<ftxa>$ xi keineswegs t'tXXii xaieigxo Xoinoy - xo xa tieXxiox« Xtyeiy (fotiegioxegoy voit,atu gegenüber, wie Miller annimmt, wenn er diese Gliederung matt und verschwommen nennt und übersetzt : zumal da dies allein als Resultat in Aussicht steht, dass der Redner ungerechter Weise irgend eine Schmach erleidet, ohne dabei dem Staate zu nützen, aber auch für die Zukunft die Erteilung eines guten Rates noch gefährlicher macht Miller hat hier offenbar übersehen, dass der Satz «A/.« x«i tfoieguntgov notfcoi einfach den Gegensatz bildet zu (Hfj&'ty de uipeXqaat xd 7ig<cytuuxa, indem statt dXXu xai avxd gleich der bestimmte Schaden, der

dadurch gestiftet wird, angegeben wird, und somit die dem Demosthenes

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geläutige Beträchtlich eines Zu st au des von seiner uegativen und posi- tiven Jämte auch hier vorhanden ist Der ganz richtige wirkliche Gedanke des Deniostbcncs ist demnach: Es wird das einzige Resultat sein, dass der, der diesen Antrag mündlich und schrittlich stellt, irgend etwas Schlimmeres erleidet, dem Staate aber damit iu keiner Weise nützt, sondern im Gegenteil auch für die Zukunft ein freies Wort noch mehr gefährdet, als es jetzt schon der Fall ist. Das Fehlen des Artikels vor nufrtiv kann niemand auffallen, welcher weiss, dass Deuaosthenes nach dem ankündigenden iovto den Infinitiv weit hantiger ohne Artikel folgen lässt, als mit demselben

Dagegen ist eine Stelle in §. 7 derselben Rede noch immer nicht in den neuesten Ausgaben so hergestellt, wie sie nach den Spuren der besten Handschrift gelautet haben muss. Ich habe schon vor Jahren (in dem Herbstprogramme des Ludwigsgymnasiums vom Jahre 1857) die Stelle gelegentlich in der meiner Ansicht nach allein richtigen corm angeführt und ergreife daher hier die Gelegenheit, jetzt erst meine Ansicht darüber etwas naher zu begründen. l>ie Stelle lautet in den neuesten jetzigen Ausgaben: ov jQonoy vueic EarQart}yrr

xores 7i«Vr' iaeott vveg 4>tXimov. § 7 vnijQj^oy OXt'yfttot Jvvafiiy nva xextquetot xui dtextiiV ovtta tti nQuyuuiu ovre 4>iXmnog i&dqQet xoviovs ot?>' OVtOi 4>i'Ai7inov {7i(m'i«utr *',fislq xuxetfoi ff£of fj/t&( (tyfapr' ?ty tovP t'uG7iS{> eunädtafj« it i p *u«7»nn» xui dW/f pdf , nnXiv ueydX^y iqiOQueii' roic iuviov xrcipoic thtiXXayfiitnp nQQf tj/jug ix:ioXe^am dsi> t»6[A{$u fov$ ay&Qttnovs sx neartos tootiov xui ö narret i&Qt'Xovy, TiinQtcxiut yvyi ioi& öntoa d^nore. Wir haben hier in § 7 sechs Sätze, von denen die ersten fünf asyndetisch an die vorausgehenden angereiht sind, jährend der letzte Satz mit dem vorhergehenden durch xai ver- bunden erscheint. Betrachten wir aber die einzelnen Sätze, so finden wir, dass alle aus zwei Gliedern bestehen mit Ausnahme des vorletzten aus einem Gliede bestehenden. Trotz dieser Mängel in der sym- metrischen Anknüpfung und Gestaltung der Sätze würde wol niemand hier an ein Verderbnis« der ursprünglichen Ueberlieferung denken, da die einzelnen Sätze für sich nichts auffalliges bieten, wenn nicht die deutlichen Spuren in der besten Handschrift auf ein solches Ver- derbnis* hinwiesen. Ks hat nämlich 2 ö nuyrsg erst durch spätere Korrektur, während ursprünglich offenbar unuvtH in der Handschrift stand und wie nach wvi findet sich in derselben Handschrift rovro auch nach i^t'Xovy und ist daselbst erst von spaterer Hand getilgt worden. Sehen wir von dieser späteren Besserung ab, die zwei Sätze bedeutend verschlimmerte, und folgen wir der ursprünglichen Lesart der Handschrift, so erhalten wir die beiden letzten Sätze in folgender Form: ixnoXfin'jaut d'iiv MotttSu mit uy$(toinot>c ix ,/«itoc iqotiov xui unayieg i&pvAow iovto utUQttxiui yvyi tov»' 6niood/t.ioi e. In dieser

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ursprünglichen Gestalt der Sätze wird erstens das in dieser Schilderung so passende lebhafte Asyndeton bis ans Ende beibehalten , zweitens erscheint auch der vorletzte Satz, wie die andern vorhergehenden, in doppelter Gliederung, während der aus einem Gliede bestehende letzte Satz einen kräftigen Abschluss bildet, und endlich wird auch die Stellung von foi$' nach nsiiQecxrai vwi nicht mehr auffallen, was aller- dings der Fall ist, wenn der nur durch Verderbniss entstandene Relativ- satz ö ndyreg i&Qt'Xovy vorhergeht.

Ich lege somit diese längst von mir vorgeschlagene und für unbedingt notwendig gehaltene Aenderung hier noch einmal dem Urteile aller Fachgenossen vor, nachdem bisher niemand davon Notiz genommen hat, ausser der verstorbene verdiente Herausgeber des Demosthenes, J. Th. Vömel, der in einer brieflichen Mitteilung mir seine volle Zustimmung zu meinem Vorschlage und den Entscbluss aussprach, bei einer neuen Auflage denselben in den Text aufzunehmen, was ihm leider nicht mehr gegönnt gewesen ist.

Kein Verderbniss in der Ueberlieferung, aber eine unrichtige Er- klärung einer richtig überlieferten Stelle findet man in den bisherigen Ausgaben im §. 10 der Rede über den Frieden. In dem Abschnitt §. 4 10, in welchem Demosthenes die Fälle aus der früheren Zeit anführt, in welchen er das Richtige stets erkannt und schlecht und recht (og&fSs xai dtx«/w?) auch ausgesprochen habe , heisst es bei dem letzten Falle, in dem die Mitgesandten des Demosthenes den Athenern die trügerischen Hoffnungen vorspiegelten, durch die sie sich verleiten Hessen, den Namen der Phokier aus der Friedensurkunde streichen zu lassen §. 10: ij'Wx« rotte oqxovs dneiXtj(p6ree '^xofxev ol ngiaßeis, tote

cvdkv rovrtov ovt' 4ga;iattjoas ovte aiyr^aas iyo) q n v *j c o fim , riXXd ngoemcjy vpiy, tif o«T Ott fAvqpovsvets, ort xavta ovte oida ovte ngoa- (foxu), vofx^ta di tov Xiyovta Xygeiy. Während er bei Erzählung des ersten Falles von sich sagt: ngaitoi xai fxoyos nageX&oiy dytei.ioy und darauf: -navtes vpeif eyytore ra ßeXtiota elgyxota iue, beim zweiten Falle aber in ganz ähnlicher Weise xatiduiv Xeonto'Xetuoy xaxa igyaCo/neyoy tijV noXiy nuui /.'hm einoy eis vfiäg und darauf: tovto y* vfxäs otfitti vvy anavtaq flc&ij o&at, braucht er bei Er- Zählung des dritten, der jüngsten Zeit angehörigen Falles nicht die gleiche Form ngoeinov vpiy und beruft sich nicht auf die schon gewonnene Erkenntniss von der Richtigkeit seiner Angabe, sondern stellt diesen Erfolg erst in der Zukunft in Aussicht (tpavtia o fia *

npo«m<uV vfiiy 'ort tavta orte olda ovte ngoodoxiu) und beruft sich nur auf die Erinnerung der Athener («Jf otd" ort fty^/noyeveie), nicht aber auf die schon allgemein gewonnene üeberzeugung von der Wahr- heit seiner Behauptung.

Zu (pnvt'toniu.i gibt Franke die Erklärung: si memoriam illius temporis reputeti* und in ganz ähnlicher Weise sagt Rehdantz und

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nach ihm Westermann: „nämlich ay oxo iqre", wobei Rehdantz noch hinzufügt: „was 14, 24 und 18, 310 dabeisteht44. Diese Bemerkungen können nicht zur Erklärung des in dieser Stelle gebrauchten Futurums fpavrjoo/uui dienen. Hätte Demosthenes an den von Franke gegebenen Zusatz gedacht, so hatte er diese Form weit eher bei den ersten Beispielen anwenden müssen, von denen namentlich das erste auf eine viel frühere Zeit zurückgeht, während das dritte Beispiel der aller- jüngsten Vergangenheit angehört, deren Erinnerung den Zuhörern, wie ja der Redner selbst sagt, noch lebhaft gegenwärtig sein muss. Die Stell.- in 14, 24 aber, auf die sich Rehdantz beruft (in 18, 310 steht ay <rxon?tT( nicht bei dem dort ganz natürlichen Futurum </e> /ar) hat mit unserer nichts gemein, da nach ihr sich eine Behauptung als wahr erweisen »oll, deren Mitteilung der Redner erst ankündigt, die also nicht, wie die vorliegende, schon gemacht worden ist.

Ich glaube, es muss der auffallende Ausdruck ,<j;n-i«;r (payqaofiat aus den thatsärblicben Verhältnissen erklart werden, unter denen die Rede gehalten ist, und die derselben vorhergegangen -ind und folgten. Demosthenes hatte mit Timarchos im Skirophorion Ol 108, 3 (im Juli 346) gegen Aeschines wegen Verletzung seiner Pflichten als Gesandter eine Anklage erhoben , welcher Aescbines eine Anklage gegen Timarchos wegen unsittlichen Lebenswandels entgegenstellte, damit derselbe im Kalle der Verurteilung nicht mehr als öffentlicher Ankläger vor Gericht gegen ihn auftreten könne. In den Herbst desselben Jahres fällt die Rede über den Frieden, nach welcher bald, wie Demosthenes hoffte, diese Zwischenklage des Aescbines gegen Timarchos und im Falle der Freisprechung desselben sein eigener Process gegen Aeschines zum Austrag kommen sollte, in welchem der an unserer Stelle besprochene Punkt einen Hauptgegenstand der Anklage bildete. Auf diesen seinen nach des Demosthenes Ansicht nahe bevorstehenden Process bezieht sich offenbar da> Futurum tpay^aouai, da sich durch seine Anklage gegen Aeschines und durch die gehoffte Verurteilung desselben klar herausstellen werde, dass er damals das Richtige voraus- gesagt , Aeschines aber trügerische Vorspiegelungen vorgebracht habe. Dem diesem Process mit Spannung entgegensehenden athenischen Volke war die in diesem Futurum liegende Berufung auf die bevorstehende Entscheidung klar und von selbst verständlich, während sie von den diesen Verhältnissen so fern stehenden bisherigen Erklärern des Demosthenes aus Nichtbeachtung derselben nicht erkannt worden ist. Durch die im Winter (am Anfange des Jahres 345) erfolgte Verur- teilung des Timarchos und die damit verbundene Erstarkung der macedonischen Partei verzögerte sich auch der Process des Demosthenes gegen Aeschines, der erst im Jahre 343 zur Verhandlung kam. Wir begegnen daher auch in dem letzten Abschnitte der im Sommer 344

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gehaltenen zweiten pbilippisehen Rede, wie schon Libanios iu seiner Einleitung dazu bemerkt, deutlichen Hinweisen auf n Gesandtschafts- process, der um diese Zeit wieder mit neuem Eifer von dem Hedner aufgegriffen wurde, wenn er auch durch die Umtriebe der Gegner erst ein volles Jahr später seine Entscheidung fand

Ich glaube, dass diese aus den damaligen politischen Verhältnissen geschöpfte Erklärung das richtige Verständnis^ des Futurum! an unserer Stelle allein, ohne dass man zu einer künstliehen l»eutung zu greifen braucht, hinlänglich vermittelt.

München E. Kurz

„Owe war sint verst unden all iu miuiu j»u u (No. 1*8), der Sehn aneii- gesang, uiclit das llciinntlicd Wulthcis.

Im Auschluss au meinen Artikel in diesen Blattern (V, 214 1 will ich nun zeigen, dass unser Spruch eine positive Aussage über Walthers Teilnahme an einem Kreuzzuge nicht enthält, dasb er auf Beine Heimat nicht bezogen werden kann und dass demnach „otoe IWW 8int ctr- stounden etc." der Schwanengesang Walthers, nicht aber sein lleiinat- lied ist.

Kaum kann man den Inhalt unseres Spruches, der nicht ausserhalb der Reihe jener tiefgehenden Sprüche betrachtet werden darf, die schon mit dem wiederkehrenden „omc" ihre Zusammengehörigkeit andeuten, ich sage , kaum kann man den Inhalt unseres Spruches treffender als Schwanengesang charakterisieren, als wenn man ihn mit R Menzel in eine Parallele mit Schillers ,,die Ideale1 «teilt ,,Jcues (kann nichts dich, Fliehende, verweilen etc.) sagt der Jüngling aul der Schwelle des Mannesalters, dieses (o weh! wohin sind verschwunden etc i der Greis an der Schwelle des Grabet*. Die Klage, die Klage eiues lebensmüden, schwarzsehenden Greises ist der Grundton , der den ganzen Spruch durchklingt. Alles, ach alles, klagt Walther, ist anders geworden, Land und Leute sind verändert, man kennt mich nicht mehr, man will mich nicht mehr kennen Alles, alles ist anders gewordeu, aber, o weh, alles schlimmer, nichts besser! Immer noch erschrecken uns die Hannflüche, die der heilige Vater sendet; nur wenige denken daran, die Freuden der falschen Welt dahinzugehen und für ihr Seelenheil zu sorgen. Und es ist doch so leicht , Vergebung der Sunde zu erlangen, man braucht ja nur die Fahrt /um heiligen Grabe zu unter- nehmen, um sündenrein sterben zu können. Ich freilich, ich armer, kranker, alter Mann, ich kann nicht mehr zum heiligen Grabe wallen; ich kann mich nur mehr darnach «ebnen. ,, Einst und jetzt1*, wie Pfeiffer unseren Spruch überschreibt, besingt Wallher, nichts anderes.

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Und obwohl ich mir alle Mühe gab, etwas von einem Wiedersehen darinnen zu lesen, ich konnte nichts finden. Noch kann ich nicht einsehen , wie man die Verse 9 12 einschliesslich als Gedanken des Wiedersehens betrachten kann. Immer freilich werden diese Verse im Sinne eines Wiedersehens gedeutet, weil man von der Voraussetzung ausgebt, Walther habe sieb im Jahre 1228 an dem KreuzzugFriedr.il. beteiligt. Diese allgemeine Voraussetzung ist aber irrig und zwar aus zwei Gründen: für's erste belehrt uns die Geschichte anders über den vermeintlichen Kreuzzug Walthers , sodann gibt uns unser Spruch keinerlei positive Anhaltspunkte zur Annahme eines Kreuzzuges von Seile Walthers Die Geschichte lehrt, dass Gregor IX. zu wiederholten Malen den Bann auf Friedriche Haupt schleuderte, am 29. September, am 10. und 18 November 1227, und am 23. Marz 1228. In das Jahr 1227 verlegt nun keiner derjenigen, die Walther an einem Kreuzzuge teil nehmen lassen, unseren Spruch, da in dieses Jahr die strophisch ahnlichen, „oicr es kamt ein teint etc." (No. 187) fallen, welche zweifelsohne in der Heimat gedichtet siud, wohl aber in das Jabr 1228. In diesem Jabre, sagen sie, und bei dieser Gelegeheit habe Walther auf dem Wege nach Italien seine Heimat wieder gesehen. Aber diess ist eben nicht nachweisbar. Die Teilnahme Walthers an dem Kreuz- zug desJubres 1228 ist vorerst unwahrscheinlich, denn: „die Teilnahme (Waltheis) an dem letzten Zuge 1228 wird aber dadurch unwahr- scheinlich, dass der Kaiser, der in Italien weilte, sich plötzlich nach der Kunde von den unter den Muhamedaneru ausgebrochenen Zwistig- keiten zur Verwirklichung der Fahrt entschloss, und ohne Zuzüge von Kreuzfahrern aus Deutschland abzuwarten, was bei der Feindschaft des Papstes und der kriegerischen Stellung der Lombarden wohl ohuedies eitel gewesen wäre, nur mit dem eigenen sicilischen Heer, aus seinen treuen Deutschen , zum Teil auch aus Saracenen bestehend , den II. August 1228 von Otranto aus nach Palästiua hinüberfuhr". (Programm des Gymnasiums zu Wittenberg, Dr. Dietz ) Die Teilnahme Waltbers au dem Kreuzzug des Jahres 1228 ist aber nicht nur unwahr- scheinlich , sondern unmöglich. Denn nun sollten wir aus unserm Spruch die Gewissheit schöpfen köunen, dass Walther zum heiligen Qmbe pilgerte, eine Gewissbeit, die man aber nimmermehr aus unserem Spruch herauslesen kann, man müsste sie denn vorher hineingelegt haben. Sehen wir die Worte an!

Vers 2b' lautet :

uns sint unsenfte brieve her von Möme körnen.

Hier ist von mehreren Hannbriefen die Rede, entweder von denen, die im Jabre 1227 uach Deutschland gelangten mit Ausschluss des- jenigen vom 23. März 1228, oder von jenen mit Einschluss des letzteren. Ist das Erstere der Fall , so müsste man annehmen , dass Walther

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mitten im kalten Winter aufgebrochen sei, was oben niemand ausser Walther getan hatte, da die andern Kreuziahrer schon im August oder September 1227 nach Italien kamen , und was selbst ein so leiden- schaftlicher Verteidiger des Kreuzzuges Walthers, wie R. Menzel, nicht anzunehmen wagt. „Allein (Menzel p. 33*) es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass der gebrechliche Greis im Januar, in der strengsten Winterkalte seine Heise antrat". Denken wir uns aber, dass unter den Briefen jene vom Jahre 1227 sammt dem vom Marz 1228 verstanden sein wollen, also überhaupt die letzten Bannbriefe des Papstes, dann müsste, der letztere wenigstens, um mich so auszudrücken, auf telegraphischem Wege nach Deutschland und zu Walthers Heimat gelangt sein, wenn Walther bis Mai in Italien hätte sein wollen Für diesen Mouat aber war die Abfahrt nach Palästina festgesetzt, und Walther konnte, als er von Deutschland aufbrach", nicht wissen, dass sich diese verzögere, wie es allerdings geschah.

Von einer grossen Schwierigkeit wird ferner die beliebte Auffassung des 9. und 10. Verses gedrückt.

Die mine gespilen waren, die siut traege und alt.

Ks steht fest, dass wir uns unter einem Vogelweidehof {fogilweida = aviarium) keine grosse Besitzung, keine Burg mit ragenden Zinnen, sondern „das einlache Gehöfte eines niederen Dienstmauues in der Lichtung eines Waides" zu denken haben. Was soll nun zu einer solchen Heimat Walthers Klage? Auf wessen Gruss soll er denn gewartet, wem soll er es denn verübelt haben, wenn ihm ein Gruss verweigert wurde? Woher soll er denn Zeit genommen haben, um so lange in seiner Heimat weilen zu können, bis er die Gesinnungen seiner ehemaligen Gespilen erkannt hätte? Es hätte ihm die höchste Eile not getan und unmöglich hätte er so lange verweilen können, bis er ein Hecht hatte zu seiner Klage I Und wer sollen denn die Gespilen seiner Jugend sein? Doch nicht allein die f> 8jährigen, mit denen er sich einst an Kinderspielen vergnügte. „Denn die Gespielen und Bekannte, deren er sich wohl entsinnt und deren lauen Gruss er beklagt, dürfen nicht auf dem Tummelplatz der allerersten Kinderspiele allein gesucht werden, deren Erinnerung schwerlich ein' halbes Jahrhundert über- dauert hätte".

Unbeachtet blieb auch bisher das Wort „her" in Vers 26. Her bedeutet nichts anderes, als hier, d. h. wo wir uns aufhalten, in unserer Heimat Und damit stimmt wieder der Gedanke in V 39—51, wo er klagt, dass er daheim bleiben müsse Schon in seiner Mahnung an die Ritter, des Krenzzuges nicht zu vergessen, „dar an gedenket, ritttr, ez ist iuwer dinc", drückt er diess aus, denn ich wüsste nicht, wie man sich entschiedener von einer Handlung ausnehmen könnte, als mit diesen Worten. Auch das Wort „mügen" in V 49 verdient

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volle Beachtung. Es ist das französische pouvoir, das englische to ca», so dass Waltber uumissverstaudlich damit ausspricht, es sei ihm eine physische Unmöglichkeit, an einem Kreuzzuge teil zu nehmen.

Habe ich unsern Spruch richtig verstanden, woran zu zweifeln ich bis jetzt keinen Grund habe, dann kann er nicht auf einer Reise Waltbers nach Italien gedichtet, auch nicht das Heimatlied, sondern nur das Schwancnlied Walthers sein Allerdings ist dann auch die Errichtung einer Gedenktafel Walthers (Hof zur inneren Vogel- weide bei Waidbruck, in Tyrol) keine wissenschaftliche, sondern eine politische Tat gewesen, ein Fingerzeig für die Italiener, die in dem kindlichen Wahn leben, als könnte Italien seine Sprachgrenze gegen Norden vorschieben

lieber die Heimat Walthers gibt allerdings auch dieser Spruch keine positive Aussage, so dass man wobl annehmen kann, dass die Resultate der Untersuchungen über Waltbers Heimat leider noch immer negative sind.

Landau. Falch.

Stilistische Aphorisiueu.

V. Ueber Gedanke narm ut (Sehluss.J

Soll die Stilistik die ihr unerlässlich notwendige Neugestaltung erhalten, so muss vor allem eine neue Compositionslobre geschaffen werden. Die bisherigen topischen Schemen müssen über Bord geworfen werden Denn mit diesen kommt die Individualität des Themas nicht zu ihrem Rechte. Sie passen für zehn Fälle, für zwanzig andere aber nicht und können in der Regel weder für die Zahl noch für die Ordnung ihrer Teile einen wissenschaftlichen Grund angeben. Hieher gehört auch die Chrie, die nichts als ein unbe- wosster Versuch dessen ist, was wir erstreben müssen, nämlich ein primitiver Versuch einer heuristisch - dispositionalen Compositions- methode, aber ohne wissenschaftlichen Wert und ohne Berechtigung.

An die Stelle dieser Schablonen hätte alsdann eine heuristisch« dispositionale Compositionslehre zu treten, d. h. eine Compositionslehre, die derartig eingerichtet ist, dass mit der Disposition, soweit dies nur möglich ist, zugleich die Hauptgedanken und umge- kehrt mit den Hauptgedanken auch die Ordnung auf einmal gefunden . und gesetzt wird. Und eine solche Compositionslehre gibt es; denn die Disposition baut sich nach logiseben Gesetzen auf, die ewig die gleichen bleiben. Gelingt es, diese Gesetze festzustellen und sie

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sind nichts anderes als die Gesetze der Entwicklung , dann ist dem Aufsatz Schritt für Schritt der einzuschlagende Gedankengang vorgezeichnet, und die heuristisch dispositionale Compositionslehre ist gefunden.

Man darf sich dieselbe indessen nicht so vorstellen, als ob dadurch die Heuristik oder die Lehre von der Gcdankcnfiiidung ganz entbehrlich würde, sondern wie es in der Mathematik Nebenrechnungen gibt, so bleiben auch in der Stilistik noch gewisse Geschäfte übrig, die selbständig besorgt werden müssen (und die ihrer Natur nnch eine selbständige Behandlung erfordern), so z. Ii die Aufsuchung der Beweis- punkte. Dass aber auch hier reformirt werden muss, dürfte bald klar werden.

Die sogenannte ungeregelte Erfindung, die Gedaukensucht ohne zu wissen , ob und wie sie dieselben verwerten könne , die ohne Plan und Methode zu Werk geht (sie erinnert uns immer an den so- genannten „wilden Stich"), sie muss gleichfalls gänzlich verbannt und eiue ueue rationelle Metbode an ihre Stelle gesetzt werden. Einen grossen Schritt vorwärts hat hier schon Kinne getban, iudem er zeigte, dass, wenn ich ein Urteil zu beweisen habe, die Beweispunkte eigentlich gar nichts anderes sind, als wesentliche Merkmale, die im Prädikats- begriff stecken Um sie zu finden, hat mau also nichts weiter zu thun, als diese Merkmale zu suchen. Freilich die Methode, die Rinne zur Auffindung dieser Merkmale vorschlägt, ist zu verwickelt und unnatür- lich und deshalb unpraktisch. Es lasst sich aber leicht eine einfachere finden und wir werden selbst gelegentlich Vorschläge in dieser Hinsicht machen.

Was ferner die Kunst, eiuen Beweispunkt auszuführen, betrifft, so war bisher die Stilistik darauf angewiesen, sich mit Beispielen zu helfen. Allein was nützte es dem Schüler, wenn ihm der Lehrer sagte: so etwa musst Du diesen Punkt ausführen! Da sah der Schüler wol das Ziel, das er zu erreichen hatte, aber der Lehrer war nicht in der Lage, ihm zu sagen, auf welchem Wege d. h. wie er es erreichen konnte. Mau darf sich daher nicht wundem, wenn die deutschen Auf- sätze vielfach dürr und matt ausfallen, wenn man ihnen ansieht, welch ein mühevolles Werk sie sind

Auch hier muss Rat geschaffen werden. Eine rationelle Compo- sitionslehre wird hier helfen. Ist der Aufsatz z. B. eine Entwicklung, so muss auch nach einein ewigen Entwicklungsgesetz jeder Teil eine Entwicklung repräsentiren , also muss auch jeder Beweispunkt selbst wieder drei Teile haben, nämlich: 1) den Beweispuukt (Anfang der Entwicklung), 2) die Begründung desselben (Verlauf), 3) deu Abschluss (Ende. Letzterer kann als selbstverständlich auch ver- schwiegen werden stilistische Ellipse).

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Was die Begründung seihst wieder betrifft, so hilft uns hier die Logik, nämlich die Lehre vom Schlau uud vom Beweise weiter. Da muss nun freilich erst wieder gezeigt werden, wie man die Logik für die Stilistik, für die Ausführung der Beweispunkte, ver- werten könne. In unsern stilistischen Lohrbüchern fehlt fast nirgends eine Belehrung über den Syllogismus, über den indirekten Beweis u. s w. Allein kein einziges Lehrbuch und wir haben deren viele durchsucht ist uns in die Hand gefallen, das gezeigt hatte, wie man den Syllo- gismus oder eine andere Schlussweise uueh für den Aufsatz verwerten könne. Mau begnügte sich vielmehr damit, an einem Beispiele die syllogistische Schlussform vorzuführen. Man lese ad exemplum nur die „theoretisch - praktische Anleitung zur Abfassung deutscher Aufsatze4' von Dr. J. Naumann , Leipzig 1874 , durchaus keines der geringeren Stilbücher. S. 203 heisst es da wörtlich : „Die strenge Form des direkten oder ostensiven Beweises heisst Syllogismus oder Vernunft- schluss. Mau bildet ihn, indem man den zu beweisenden Satz an einen allgemein giltigen Satz (Obersatz) anlehnt, dann einen den allgemeinen Begriff verengernden Untersatz bildet uud den zu beweisenden Satz zum Schlusssatz macht". ( Vergleiche die stilistischen Lehrbücher von Fr. Beck, Hoffmann u. A.) Was soll nun das für eine Anweisung sein? Weiss jetzt der Schüler, wie er es machen soll ? Wie soll er jenen allgemein gütigen Gedanken linden? Oder ist es ganz gleich, welchen Gedanken er zu Grunde legt? Dann, wo soll er einen den allgemeinen Begriff verengernden Untersatz hernehmen ? Wie ihn finden? wie erkennen? II. s. w. Kurz, es dürfte Jedermann einsehen, dass mit Bolchen Kxcerpten aus der Logik für den stilistischen Unterricht durchaus nichts getban ist. Man wird es daher als wohlbegründet ansehen, wenn wir sagen, dass erst gezeigt werden müsse, wie mau die Logik auf die Stilistik anwende; denn von selbst versteht iich dies, wie so manche Stilistiker zu glauben scheinen, durchaus nicht Doch kämen wir zu weit, wollten wir hier auch zeigen , dass sich dieses in einer auch den minder befähigten Schülern hegreiflichen Weise bewerkstelligen lasse

Nachdem wir nun die Hauptmängel der modernen Stilistik in heuristischer Hinsicht hervorgehoben haheu, erscheint es uns nicht am Orte, noch auf kleinen- Schwächen hinzudeuten. Nur auf eines möchten wir noch aufmerksam machen In stilistischen Lehrbüchern findet man häutig die Forderung, der Aufsatz müsse vollständig sein und zwar (lenkt mau dabei an eine absolute Vollständigkeit (bei Rinne z. B. verlangt dies sogar die Consequenz seiner Theorie). Diese Forderung ist ein Unding und führt zu widerwärtigen Detaillirungen, in welchen über den Teilen das Ganze zu verschwinden droht Ver- nünftiger Weise kann unter Vollständigkeit des Aufsatzes nur verstanden werden: es darf kein Punkt weggelassen sein,

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dessen Besp rechung sich der Leser bei der Behandlung des betreffenden Themas unwillkürlich und mit Recht erwartet. Genügt der Aufsatz dieser Forderung, so ist er voll- ständig; absolute Vollständigkeit aber ist unerreichbar und nimmt dem Aufsatz alleu ästhetischen Heiz.

Wäre nur einmal nach den angezogenen Seiten hin der Reform- bedürftigkeit der Stilistik ein Genüge geschehen . dann würde jene scheinbare Gedankenarmut, von der wir oben gesprochen, vollständig ver- schwinden. Denn dann hätte der Schüler einen sichern Wegweiser, der ihm Gedanken finden hilft, ihn aber zugleich vor Abwegen möglichst schützt.

Wir können indess hier uicht abschliessen , ohne noch kurz auf den methodischen Weg zu sprechen zu kommen, der von Coli. Krallinger S. 221 ff. zur Beseitigung der Gedankenarmut vorgeschlagen wird. Man liebt es heutzutage, Stilistik und Grammatik mauchfach zu vermengen : die Grammatikübungen sollen zugleich Stilübungen sein und die Stilübungen werden häutig zu Gramroatikübungen gemacht. Ja die Grammatik soll überhaupt nur praktisch betriebet) werden; um Einteilungen etc. dürfe man gar nicht mehr fragen Wir halten ein solches Streben für kein Glück; denn dabei kommt die Grammatik zu kurz und für den Aufsatz wird sehr wenig gewonnen. Es wäre über- haupt sehr zu wünschen, dass einmal jene kindlich naive Ansicht ver- schwinden möchte, die sieb noch in vielen Stilbüchern findet und dahin geht, dass der Stilunterricht mit Uebungen im Satzbilden beginnen müsse, daran müssten sieb dann etwa Beantwortungen von Fragen reihen und so weiter. Man behandelt da den Schüler, der wenn er in die Mittelschule kommt, doch schon mehrere Jahre eine Volksschule durchgemacht hat, gerade als wenn sein Geist noch eine tabula rasa (cf. S. 220) wäre, und der Schüler erat reden und Ge- sprochenes verstehen lernte, und man vertrödelt die Zeit mit solchen Tändeleien, die dem Aufsatz nichts nützen. Wir sagen es unumwunden : Derartige Uebungen halten wir für wertlose Spielereien (cf. S. 221 „Quelle der Unterhaltung" und S. 276 unten!) und wundern uns nicht, wenn dabei geklagt wird, dass die Schüler im Deutschen nicht vorwärts kommen wollen. Sollen befriedigende Fortschritte gemacht werden, so muss wol sofort mit dem Nacherzählen von vorerzählten Fabeln, Märchen, Sagen, kleinen Erzählungen und der- gleichen begonnen werden; dann wird es rasch vorwärts gehen. Dasr aber solche Uebungen nicht zu schwer sind, hat erst jüngst Herr Miller in diesen Blättern S. 315 ff. sehr klar und verständlich gezeigt. Wir können ihm nur beipflichten und möchten deshalb vor den lockenderen und bequemeren Wegen warnen , auf welche II. Krallinger und II. L. Mayer einladen. Denn das sollte man wol beachten, dass ein

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Aufsatz nicht ein Conglomerat von Sätzen ist, sondern ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Ganzes. Satzbildungen sind daher keine Stilübungen.

Was endlich die so oft genannten Vater-, Schön- und Ist- s ätze betrifft, so ist unsere Ansicht die, dass es in der Grammatik- stunde ohne Belang ist, ob der Schüler Vater-, Mütter» oder Räuber- Sätze macht, gerade wie in der Logik es gleich ist, ob man sagt: „Alle Menschen sind sterblich", oder „Alle Neger sind schwarz'*. Stilübungen aber sind jene Satzconstruktionen nimmermehr und der Knabe wird durch derartige Exercitien weder gedankenreicher noch gedankenärmer.

3 Die einseitige Gedankenarmut.

Als eine dritte Art von Gedankenarmut haben wir oben jene bezeichnet, welche die Folge einseitiger Ausbildung ist und erst im spätem Scholleben hervortritt.

Dieser Art von Gedankenarmut lässt sich , wenn sie einmal vor- banden ist, eben weil sie erst spät auftritt, in der Schule wol schwer mehr abhelfen. Sehr erheblich kann sie aber gemildert werden durch eine methodische Schulung in der Heuristik und zwar in einer Heu- ristik, wie wir sie oben geschildert habt n. Natürlich, wenn man dem Schüler keine gründliche Anleitung zur Ausführung eines Aufsatzes und der Beweispunkte gibt und bei dem gegenwärtigen Zustand der Aufsatzlebre auch nicht wol geben kann , wenn man ihn also sich selbst überlässt , dann muss seine Einseitigkeit schliesslich auch im deutschen Aufsatz zur Erscheinung kommen. Ist man aber im Stand, ihm eine Anleitung zu geben, die eine derartige Einseitigkeit überhaupt nicht aufkommen lässt, sondern ihn fortwährend zwingt, auch auf das reale Leben, die Geschichte etc. hinüberzublicken und nicht Mos rein abstrakt das, was vorliegt, auszuführen: dann wird es einem solchen Schüler auch schliesslich beim Absolutorium nicht an Gedanken fehlen, wenn auch sein Aufsatz etwas karger werden mag als der anderer, die sich mehr von einer einseitigen Ausbildung ferngehalten haben

Zum Schluss wolleu wir noch auf jene Mittel kurz hinweisen, welche geeignet erscheinen, den Gedankenschatz über- haupt zu bereichern.

Da Gedankenreichtum durch Erfahrungen erzeugt wird, so ist alles, was dem Schüler neue Erfahrungen zuführt, was seinen Ideen- kreis erweitert, als ein Mittel zur Vermehrung des Gedanken Schatzes zu betrachten.

Ein solches Mittel ist vor allem jeder Unterricht, jede Unter- weisung; denn jeder Unterricht involvirt eine Stoffzufuhr und sei dieselbe auch noch so gering.

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Ausserdem gibt es noch eine Reihe anderer Mittel, die man häufig empfiehlt: insbesondere Privatlckture, Reisen, Besuch von Vor- trägen, Abbildungen etc. Was nun diese Dinge betrifft, so scheint uns ihr Wert für die Gedankenvermehruug nicht so unbedingt festzu- stehen, als man gemeinhin annimmt. Sie involviren zwar auch eine und zwar massenhafte Stoffzufuhr, allein wir erkannten ja oben, dass das bloss Anschauen oder Hören den Gt'dankcuscbatz noch keineswegs bereichere Letzteres setze vielmehr ein Zerlegen des Angeschauten, Gelesenen oder Gehörteu voraus, und erst dann würden diese Uebungen gewinnbringend. Nun sind aber die Schüler, namentlich in den untern Kursen, im Zerlegen uud Unterscheiden noch zu wenig geübt, es ist ihnen noch nicht zur instinktiven Gewohnheit geworden: folglich bereichern jene Mittel, wenn der Schüler sich selbst überlassen ist, den Gedankeuschatz nur wenig; jedenfalls aber nicht in dem Masse, in welchem man dieses erwartet.

So wird ein Schüler, wenu er ohne Begleitung reist, sehr wenig lernen, weil er mit offenen Augen und Ohren nicht sieht und hört d.h. nur einen verschwommenen Totaleindruck in sich aufnimmt- Anders dagegen, wenn er einen kündigen Führer bei sich hat, der ihn auf alles aufmerksam macht uud ihn dadurch zwingt, deu Totaleindruck in seine Einzelheiten oder Teile zu zerltgen. In diesem Fall wird seine Reise für seine Gedaukenbereicherung grossen Nutzen haben.

Dasselbe ist der Fall, wenn ein Schüler einen Vortrag hört. Auch hier empfangt er nur einen verschwommenen Totaleiudruck, weil er eben nicht zerlegt. Daher sind förmliche Vorträge an unsern Schulen mit Recht verboten. Soll der Schüler von einem Vortrag Nutzeu haben, so muss unmittelbar danach Jemand mit ihm den ganzen Vortrag besprechen und ihn auf das aufmerksam machen, was ihm entgangen oder was er nur mit halbem Ohr gehört bat.

» Ebenso ist es mit Abbilduugen. Lege dem Schüler solche vor, j-o wird er wol eine Reihe von Bildern in sich aufnehmen, allein sie sind nicht geklärt; nur Totaleindrücke empfängt er; aber alles ist ihm ziemlich verschwommen, so dass er schliesslich doch nicht viel mehr weiss als zuvor. Macht ihn dagegen Jemand auf das und jenes auf- merksam, zwingt er ihu also zun» Zerlegen des Augeschauten, dann klärt sich jener verschwommene Totaleindruck; die Bereicherung des Gedankenschatzes beginnt.

Endlich komraeu wir zur Pri vatlektürc. Ihr Wert für den deutschen Aufsatz wird ohne Zweifel häutig überschätzt ; ja wie weit man hier geht, zeigt am besten das bedenkliche Diktum : „Ohne Privatlektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz44.

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Wie sehr man sich aber hier täuschen dürfte, mag nachfolgende Aus- einandersetzung dartbun.

Soll die Privatlektüre deu Gedankenschatz bereichern, so müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:

1) Der Schüler muss lesen, um zu lernen, nicht blos um sich zu unterhalten.

2) Er muss das, was er liest, zerlegen, muss öfters innehalten und sich Rechenschaft über das Gelesene geben (vergl. Garve's bekanntes „Weihnachtsgeschenk"), er muss über die Situationen, über Ursachen und Wirkungen, kurz Obel den logischen Zusammen- hang und die Disposition des Ganzen sich klar werden.

3) Endlich sollte er bereits so viele Erfahrungen gemacht haben, dass er alles, was er liest, auch vorsteht.

Nun ist aber bekannt, dass der Schüler in der Regel nicht um zu lernen, sondern blos um sich zu unterhalten liest. Man besehe sich nur einmal den Bestellzettel bei der Schülerbibliothek. Was will der Schüler? Eine schöne Räubergeschichte, eine Indianer-, eine Ritter-, eine rührende Geschichte etc.: also vor allem Unterhaltung verlangt er.

Bekannt ist ferner, dass er viel zu wenig zerlegt. Einmal hat er noch zu wenig Uebung in diesem Geschäfte; dann aber will er nur unterhalten sein Deshalb interessirt ihu vor allem, wie die Geschichte ausgeht und er stürmt daher, ohne sich irgendwo aufzuhalten, dem Schlüsse zu, überschlugt ganze Blätter, die etwa das Land und den Charakter seiner Bewohner schildern denn das führt ja die Hand- lung nicht weiter und ist er endlich am Ende angekommen, und hat er gesehen, wie die Geschichte ausging dann schlägt er das Buch für immer zu und ist um einen Totaleindruck reicher, aber gelernt bat er sehr wenig, weil er nicht zerlegte. Was hilft ihm nun das für den deutschen Aufsatz? Sein Gedankenvorrat wurde um so Weniges bereichert, dass es nicht der Rede wert ist.

Endlich ist auch bekannt, dass die meisten Schüler keineswegs alles , was sie lesen , auch verstehen. Wir sehen das ja in der Schule in jeder Lesestunde Hier wird es ihm nun erklärt; zu Hause aber hüpft er darüber hinweg, da es ihm ja auch um die Einzelnheiten gar nicht zu thun ist. Und so ist seine Privatlektüre in der Regel ein Schlendrian, der für den deutschen Aufsatz so ziemlich wertlos ist.

Wir begreifen daher nicht, wie man behaupten kann : „Ohne Privat- lektüre kein ordentlicher deutscher Aufsatz". Man lasse sich doch nicht täuscheu ! So massenhaft die Privatlektüre Gedanken zuführen könute, so gering ist ihr thatsächlicber Nutzen, weil die psychologischen Voraussetzungen, von denen letzterer abhangt, nicht erfüllt werden.

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Ganz anders gestaltet sich natürlich die Sache, sobald derjenige, der Privatlektüre treibt, liest, um zu lernen, sobald er ferner daB, was er liest, zerlegt und ihm dieses Geschäft schon zur Gewohnheit geworden ist, sobald er endlich auch Erfahrung genug besitzt, um das, was er liest, auch zu verstehen. In diesem Stadium aber ist erst der- jenige angekommen, der die Schule bereits hinter sich hat, oder der Schüler in den obersten Cursen. In den höchsten Classen eines Gym- nasiums wird daher der Schüler mit Erfolg Privaticktüre treiben können. Freilich durften sieb die Ansichten darüber teilen, ob dieses auch im dritten Curse einer Gewerbschule nach nur zweijähriger Schulung, von dem Mangel an freier Zeit ganz abgesehen, schon möglich sei.

Der eigentliche Wert der Privatlektüre für den Schüler scheint uns überhaupt nicht in der Gedankenbereicherung und weniger auch in der Förderung des Ausdruckes, als vielmehr in dem Umstände zu liegen , dass dieselbe die Freude an der Beschäft- igung mit der schönen Literatur , d;\s Wolgefallen am Schönen und Idealen , an allem Grossen und Erhabenen, erweckt, dass sie dem Schüler Begeisterung und höheren Schwung , idealeres Streben einimpft ~ was natürlich voraussetzt, dass sie entsprechend gewählt wird. Das ist vor allem der Wert, den die Privatlektüre für den Schüler besonders in den unteren Cursen hat (vgl. auch Quintilian's Anleitung zur Beredsamkeit I, 8;, und wenn sie das leistet, hat sie genug gethan. Die Gedankenbereicherung aber muss vor allem der Unterricht selbst übernehmen

Die angeführten Bedenken werden sich auch durch ein Gontrole der Privatlektüre nicht heben lassen. Am besten wäre es wohl, wenn sich biezu das Haus, etwa der Vater des Knaben , herbeiliesse. Allein wie viele Väter haben Zeit und Lust und auch Bildung genug, um das Gelesene mit dem Knaben eingehend zu besprechen? Die Schule selbst aber, wenigstens die Gewerbschule, kann sich auf eine solche Controle nicht einlassen. Zu einer ständigen und eingehenden Controle fehlt uns an unseren Anstalten die Zeit; eine blos zeitweise und oberflächliche aber hat wenig praktischen Wert. Was nützt es auch , wenn man dann und wann einen Aufsatz über ein Thema aus der Privatlektüre gibt! Damit ist nicht viel gethan und bei der geringen Stundenzahl, die dem Deutschen im 3. Curse einer Gewerbschule zuge- wiesen ist, gibt es wahrlich Dinge, die viel wichtiger sind als derartige Aufsätze, die in der Regel auch noch oberflächlicher ausgearbeitet werden, als Themata, die in der Schule besprochen wurden. Damit sei jedoch nicht gesagt, dass man nicht dann und wann einen solchen Aufsatz machen lassen soll; aber einen besonderen Wert möchten wir ihnen nicht beilegen.

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Damit sind wir am Schlüsse unserer Darlegungen angekommen und können nur unser ceterum censeo wiederholen, dass eine Refo>m der Stilistik und des stilistisch on Unterrichts allein im Stande sei, die Klagen über die geringen Leistungen der Schüler im Deutschen verstummen zu machen.

Regensburg und Kaiserslautern. M. Sfhiessl und W. Götz.

Schriftliche Uebnngen im Deutschen für Sexta.

Noch einmal muss ich wegen eines nun schon öfter aufgeworfenen Themas die Feder ergreifen, um auf die Einwendungen, mit welchen Herr Kol!. Miller gegen meinen Aufsatz (S. 220 ff) aufgetreten ist, einiges zu erwidern. Es geschieht nur im Interesse der Sache, und sei der Erfolg dieses meines Strebens, wie er wolle, wenigstens bean- spruche ich das Verdienst, auf verschiedene Schwierigkeiten und Ob- liegenheiten hingewiesen zu haben, mit welchen man in der ersten Klasse der Lateinschule bei dem stilistischen Unterricht sich abzu- finden hat.

nerr Koll. Miller schreibt, ich traue zehnjährigen Knaben, die noch dazu die Aufnahmsprüfung in die Lateinschule bestanden und demnach ein gewisses Mass von Kenntnissen in der deutschen Sprache nachge- wiesen haben, zu wenig zu, wenn ich Anstand nehme, sie gleich von vornherein zusammenhängende Stücke schriftlich nacherzählen zu lassen sodann nennt er den „erst nach vielen Fragen" zustande gekommeneu Satz: „Auf der blumigen Wiese etc." gar zu mager für einen Sextaner und behauptet, bei gehöriger Anleitung könne auch ein Sextaner eine ganz verständige Beschreibung liefern; ausserdem scheint er sich auch an der von mir empfohleneu Methode des Herauscxaminierens zu stossen, wie aus einigen Ausdrücken seines Artikels hervorgeht.

Was nun die erste Behauptung des Herrn Opponenten betrifft, so kann ich wohl zugestehen, dass es manchmal neun - oder zehnjährige Knaben gibt, die sofort, nachdem sie eine mässig grosse Erzählung gehört haben, dieselbe in erträglicher, ja sogar in recht netter Form niederzuschreiben vermögen. Das sind denn die aufgeweckten, glücklich begabten, von Haus aus gutgezogenen Schüler. Wenn alle sich so zeigten, dann wäre es gut Lehrer sein. Das wird mir aber Herr Koll. einräumen, dass solche Knaben nicht sehr häufig sind; er wird, wie ich , die Erfahrung gemacht haben , dass man bei der grossen

B'atter f d. b»ycr. Gymn.- u. Rc&l-Schalw. XL Jtbru. 01

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Mehrzahl*), der man doch deshalb die Aufnahme in die Lateinschule nicht versagen kann, nichts so Erfreuliches, soudern im Gegenteil nur mehr oder minder ungeordnete Arbeiten zu lesen bekommt. Ausser den Mängeln in der Interpunktion, die mau allenfalls ignorieren kann, und abgesehen von Fehlern gegen die Orthographie, die schon bedenk- licher sind, muss man da alle möglichen logischen uud sprachlichen Verstösse wahrnehmen, wi# Weglassuug von Haupt- und Hervorhebung von Nebensächlichem, Verwechslungen z. 13. von Ursache und Wirkung, gezwungenen oder verkehrtes Gebrauch der Ausdrücke, die9 zumeist infolge der von mir beklagten mechanischen Anklammerung an den Wortlaut des Vorgelesenen , ungeschickte oder uurichtige Anwendung der Konjunktionen , falsche Rektion der Yerba und der Präpositionen, Provinzialismen, Formfehler. Das kommt eben davon her, dass die Schüler noch nicht die nötige Herrschaft über ihre Mutter- sprache, ich meine die Schriftsprache, besitzen. Sehr viele von ihnen hören zu Hause nur schlecht sprechen, sie haben noch wenig gelesen, der Lehrstoff der deutschen Schule ist an ihren noch halb schlummernden Sinnen wie ein Traum vorübergegangen. Woher sollten sie eine nur einigermassen ausreichende Darstellungsfäbigkeit haben? Non kann ich mir bei diesen Schülern noch eine mündliche Nacherzählung denken und habe sogar nicht viel dagegen einzuwenden, dass sie, wie in der deutschen Elementarschule, so auch bei uns fleissig geübt werde; denn hier kann 'der Lehrer ermuntern, anleiten, darauf- helfen, das Nebensächliche rechtzeitig einfügen, uud hier treten auch die eben bezeichneten Fehler nicht so scharf hervor, vox emissa perit, litera scripta mattet. Aber schriftlich (und wir bandeln ja von schrift- lichen Uebungen) ist die Sache auch deshalb noch viel schwieriger, weil Sextaner in der Regel nicht sehr rasch schreiben können*, so da9s sich ihnen die bereits gefassten Gedanken oft unter der Feder wieder entziehen oder wenigstens verschieben; zudem tritt hier die Mithilfe des Lehrers in den Hintergrund. Zwei andere Arten der Uebungen aber, nämlich eine vollständig memorierte Erzählung aus

•) Bei dieser Gelegenheit muss ich im Vorbeigehen auch eines Um- standes gedenken, der die Leitung einer Sexta bei uns bis jetzt nicht unbedeutend erschwert hat, nämlich die grosse Alters- und Entwicklungs- verschiedenheit der in diese Klasse eintretenden Knaben. Während nämlich ein Teil, berechtigt durch die neue Schulordnung, in, ja bisweilen uuter dem Alter von 0 Jahren aus der 3. Klasse der deutscheu Schule zu uns herüberkommt, zählen andere Schüler 10, 11, ja nahezu 12 Lebensjahre und kommen ans der 4 , 5., ja 0. Klasse der deutschen Schule. Wieviel macht gerade auf dieser Altersstufe ein Jahr in Hinsieht auf geistige Entwicklung aus! l>ie Eltern waren eben bisher nicht hinlänglich informiert über den grossen Vorteil, den ihnen die neue Studienordnuug gewährt-

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dem Gedächtniss niederschreiben oder ein eben vorgelesenes Stück neben der mündlichen Wiedergabc durch einen Schüler zugleich von der ganzen Klasse schriftlich ins Heft eintragen zu lassen , mögen zwar auch in gewissen Beziehungen gut sein, aber sie werden die Schüler nicht so weit fördern, als es verlangt werden muss. Wir stehen also hier vor grossen Schwierigkeiten. Obige Schäden wurden aber notwendig noch grösser werden, wenn man etwa (wie Herr Koll. Miller andeutet) der Jugend bei solcherlei Arbeiten nicht gestatten wollte, sich an den Wortlaut des Vorgelesenen anzuklammern ; da hat sie erst gar keinen Halt mehr. Und wie wird es in Zukunft mit so behandelten Schülern sein? Alle jene Fehler auf einmal zu bekämpfen, ist für den Lehrer eine reine Unmöglichkeit, und die Knaben schleppen sie fort und fort und laborieren noch in höheren Klassen an mangel- hafter Auffassung und unkorrekter Ausdrucksweise. Es mögen das alles auch die Gründe sein , weshalb ein bedeutender Pädagog , wie der oft citierte Laas, selbst in Quinta noch keine derartige schriftliche Arbeit leiden will. Das ginge nun freilich zu weit; aber man mutet den Schülern auch nicht zu wenig zu, wenn man glaubt, darnach trachten zu müssen, dass sie sich in der Wahrnehmung des Stoffes üben, bevor sie sich an die selbständige Gestaltung desselben machen, und dass sie ordentliche Sätze schreiben lernen, bevor sie zur Abfassung zusammenhängender Stücke schreiten. Da ist denn auch Korrektur, Unterweisung im Richtigen und Heilung vom Falschen viel leichter. Alleu Anforderungen aber dürfte Rechnung getragen werden, wenn man in der von mir angegebeueu Weise die zu schreibenden Sätze so aus einer Erzählung au einander reiben lässt, dass sie den Inhalt derselben vollständig wiedergeben. Da wird der Geist des Knaben in Hinsicht auf Sprache und Materie genugsam in Anspruch genommen; zudem lässt sich von da aus leicht zum Satz- gefüge übergehen, indem man mit den Schülern an den ausgearbeiteten Aufgaben einzelne geeignete Hauptsätze in Nebensätze mit : als , da, weil, so dass, um zu etc. verwandelt. Ich denke, das ist eine schul- mässige Anleitung zum Schreiben, während ich die Methode, die Schüler gleich zur Wiedergabe der Erzählung mit Haupt- und Neben- sätzen anzuhalten, mehr in das Gebiet der „wilden Praxis" ver- weisen möchte, mit welcher man noch selten etwas erreicht hat. Mein Herr Kollega bedenke endlich auch, was man vor der Entstehung der neuen Schulordnung in Quinta von Knaben verlangte, die in der Regel über 11 Jahre alt waren. Eben auch Nacherzählungen! Und selbst da waren wenigstens nach meiner Erfahrung obige Fehler noch lange nicht ausgetilgt. Will man jetzt brevi manu diese Aufgaben in die Sexta für zehn- oder neunjährige Knaben herübernchmen? Herr Koll. meint freilich, es seien „vor allem einfache, klare und leichtfassliche

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Stücke" zum Nacherzählen auszusuchen, und somit sei die Sache für Sexta geregelt. Aber auch hier kommen nach meiner Ueberzcugung die oben bezeichneten Gefahren durchaus nicht in Wegfall. Doch sei dem, wie es wolle! Einerseits hat es mit stilistischen Arbeiten in Sexta gewiss keine gar so grosse Eile ; andrerseits gebe ich ja selbst den Schülern zuletzt eben so freie Nacherzähltingen (einfacherer Art) wie Herr Koll. Miller; nur lasse ich die von mir auseinandergesetzten Vorübungen vorausgehen.

Ich komme nun an den „mageren" Satz : „Auf der blumigen Wiese etc." Das kann man sicher nicht bestreiten, dass die Bildung von Sätzen eine sehr zweckmässige Ucbung ist. Wenn man nun diese in der Schule vornimmt, so wird man finden, dass wohl einzelne Knaben schnell mit mehr oder weniger geeigneten Antworten zur Hand sind, dass aber viele die ganze Zeit stumm dasitzen und nicht einen einzigen Gcdankeu produzieren. Fordern wir z. B. die ganze Klasse auf, einen Satz zu sagen, in welchem der Ausdruck: ,;der Baum" vorkommt I Gewiss eino leichte Aufgabe ! Es werden da aller- dings viele Schüler aufstehen und sprechen: „Der Baum blüht; der Baum trägt Früchte; der Baum verliert im Herbste seine Blätter u. s. w." Manche aber werden sich nicht melden, um etwas zu sagen; „es fällt ihnen eben nichts ein". Diese bedürfen doch offenbar des hilfreichen Arztes , nämlich des Lehrers , der sie mit Geduld und Berechnung anleitet zum Suchen und Aufweisen, zum Deukcn. und Sprechen. Wie hilft Herr Koll. Miller solchen Schülern? Vollends aber eine zusammen- hängende Beschreibung von diesen Leutchen zu verlangen , und wäre es nur in der Form der Nachbildung, die meinem Herrn Opponenten vorzuschweben scheint, das wäre schon ziemlich aussichtslos. Dies gilt von den unentwickelteren unter den Schülern. Bei andern aber müssen die Einfälle durch Attribute, adverbielle Zusätze ergänzt, bei wieder andern gezflgelt , geregelt, bei allen aber streng auf die äussere Form, den Ausdruck geachtet werden, was alles nirgends so gut und leicht geschehen kann, wie bei der Bildung solcher Sätze. Und sollte irgend Einem trotz des eben Ausgeführten so ein Satz (Auf der blumigen Wiese etc.) noch mager erscheinen , so beachte er doch , was die Schüler bei der Herstellung desselben innerlich gewinnen; ihre noch wenig regsamen Geister erhalten dadurch mehr und mehr Beweglich- keit, sie werden mehr heimisch im Reiche der Gedanken, es wird lichter in ihren Köpfen. Dieses innere Resultat scheint mir keines- wegs mager zu sein. üehrigens wickeln sich ja die Fragen und Ant- worten rasch ab ; man wird in einer Stunde 15 , 20 Sätze mit den Schülern finden können, ja, man wird sie über ein und dasselbe Thema (z. B. der Schmetterling) finden lassen können. Da sehe ich nun nicht, wa9 es Erspriesslicheres gibt. Einer zusammenhängenden

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Beschreibung aber stehen ausser auderen Schwierigkeiten auch wieder jeue entgegen, die ich oben bei der Nacherzählung angegeben.

Noch habe ich die Methode des Ilerausexaminierens zu verteidigen- Diese ist nicht etwa Ton mir zum erstcnmalc vorgeschlagen, wie ich überhaupt weit davon entfernt biu , für meine Anträge Neuheit zu beansprucht.-::. Fragen bildeten vielmehr von jeher einen wesentlichen Bestandteil eines induktiven Unterrichts. So ersehe ich aus den Lese- büchern der deutschen Schule (z B. Lese - und Sprachbuch für die Mittelklassen katholischer Volksschulen, München, im kgl. Central - Schulbücher -Verlage, 30. Auflage, 1. Abteilung, Seite &, Aufgaben), dass dort ausdrücklich verlangt wird, der freien Wiedergabe einer Erzählung ein Abfragen des Inhalts vorauszuschicken. Nun kann man allerdings darüber streiten , in welcher Reibenfolge die Fragen zu stellen sind. Meine Ansicht hierüber habe ich bereits aus- gesprochen ; sie geht dahin , dass man dabei am besten von einem Funkte ausgeht, den der Schüler vorgebracht hat. Gewandtere Knaben werden ohnehin beim Anfang der Krzählung beginnen, und das wird man ihnen gewiss nicht wehren. Wenu übrigens irgend etwas dazu geeignet ist, den Wortlaut des Vorgelesenen zu durebkreuzeu und so den Bann des gedankenlosen Nachsagens zu brechen , so sind das geschickt gestellte Fragen. Die etwaige „Gestaltungskraft" der Schüler aber, welcher Herr Kol!. Miller das Wort redet, frei walten zu lassen , bevor sie hinreichende Hebung in der Sprache haben, halte ich für bedenklich aus den oben angegebenen Gründen. Erst wenn sie einmal durch geregelten Uutcrricht, durch des Lehrers Vorbild, durch geeignete Lektüre sich sprachlich mehr gebildet haben , dann ist Zeit dazu.

Ich übergebe auch diese Zeilen , wie die früheren , der Prüfung meiner Amtsgenossen. Wenn einer ohne die von mir gemeinte Vor- stufe zurecht kommt , so will und kann ich selbstverständlich nichts dagegen aushaben; doch einen Ausgangspunkt muss jeder Unterricht haben, und wenn man anfänglich den Schülern etwa auch zu wenig zutraut, so thut man deshalb noch nicht unklug; denn der Weg zum richtigen Masse ist hier natürlicher und mehr versprechend von dem Zuwenig aus, als von dem Zuviel.

München. Ludwig Mayer.

Ans der Turnschuh*.

Trotz der von Einsichtigen anerkannten Vorteile des Turnens für körperliche Entwickclung und Kräftigung unserer Jugend suchen sich doch noch von verschiedenen Seiten Vorurteile gegen dasselbe geltend

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I

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zu machen. Die meisten derselben entspringen allerdings aus Un- kenntniss der Sache oder aus einer übergrossen Aengstlicbkeit und Verzärtlungssucht seitens der beteiligten Eltern. Ueber diese kann man deshalb auch hinweggehen , ohne eine Widerlegung derselben zu versuchen. Aber anders verhält es sich jenen Bedenken gegenüber, die sich nicht gegen das Turnen an sich, dessen Nutzen gerne aner- kannt werden will, erheben, sondern nur gegen einzelne Hebungen, * deren Vornahme eher schädlich und gefährlich, als nützlich und gesund- heitsfördernd scheinen will. Solche Bedenken verdienen Beachtung, und wenn sie von Eltern oder Lehrern auf Grund gemaebter Beob- achtungen und Erfahrungen beim Turnlehrer vorgebracht werden, so ist es die Pflicht desselben, die beanstandeten Uebungen vom Programme des Turnunterrichts zu streichen. Das richtige Mass lernt ja doch jeder an sich noch so Tüchtige erst durch praktische Erfahrung kenneu.

So will ich im nachfolgenden vier Punkte anführen, über welche ich teils auf Grund gemachter Beobachtungen und Erfahrungen, teils (offiziell und privatim) empfangener Mitteilungen zu folgenden An- sichten gekommen bin :

1) Für die ersten drei Lateinklassen sind Gerätübungen nur mit Vorsicht und Beschränkung anzuordnen. Keck-, Barren- uud Kletterübungen, kurz alle Uebuugcn , bei welchen der Schüler die ganze Schwere seines Körpers zu ziehen hat, sind unbedingt zu verwerfen. Sie sind für den zarten Körper zu anstrengend, dehnen die Muskel zu heftig und strengen die innero Organe über- mässig an. Schon manches Herzleiden, Blutspuckcu uud ähnliche Uebel sind nach ärztlichen Aussprüchen durch frühzeitige Ueber- anstrengung herbeigeführt oder befördert worden.

2) Das Emporklettern an einer Stange mit Nachhilfe der Füssc ist »choo an und für sich unseköu, infolge der dadurch leicht erweckten geschlechtlichen Erregungen aber höchst bedenklich und deswegen unbedingt zu verhinderu. Manche Turnlehrer und Eltern haben in dieser Beziehung schon sehr unliebsame Beobachtungen gemacht.

3) Der auf manchen Turnplätzen gern geübte Tiefsprung ist höchstens zu gestatten, keinesfalls aber von jedem Schüler zu verlangen. Die durch diesen Sprung verursachte Erschütterung des Unterleibes, auch beim Niederspruug in der Kniebeuge, ist nicht jedem zuträglich ; manche werden auf diese üebung sofort unwohl oder müssen sich erbrechen. Anlagen zu Unterleibsleiden werden durch diese Uebung nur zu leicht befördert.

4) An kalten Wintertagen sehe man darauf, dass die Schüler nicht erhitzt oder direkt von deu Uebungen weg auf die Strasse

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eilen. Denn Katarrh, Lungenentzündung, Rheumatismus siud uur zu hänhg die Folge von Erkältungen, die auf solche Weise zugezogen wurden.

Mögen diese in wohlmeinender Absicht vorgetragenen Bemerkungen bei den Kollegen die gewünschte Beachtung finden und eventuell zu weiteren Mitteilungen Anlass geben •) I

Straubing. M. Miller.

Neue coiistruttivc Bestimmung voii Itild- nud Gegciistauriwelle bei sphärischen Hohlspiegeln und Linsen und neue t'oustructiou der

Kegelselinlttslinien.

Wir erinnern zunächst an die bekannte Gleicbuug u f a ^ b

in welcher b die Bildweite, a die Gegenstandsweite und f die Brenn- weite des sphärischen Spiegels (Linse) bedeutet. Wir gehon zur Eut- wickelung einer ähnlichen Gleichung von einem Dreiecke aus, dessen Seiten c und d sein mögen. Der von diesen Seiten eingeschlossene Winkel werde rp genannt. Man ziehe durch seinen Scheitel eine beliebige Transversalo /*, welche den Winkel rp in die beiden Teile u und v teilt. Es gilt nun die Gleichung:

c . d . sin rp f (C . sin v -f- d . sin p)

oder

1 sin y sin f*

—) j ' . T* ' ;

Id. stn q> c . stn tp welche Gleichung in obigo Gleichung 1) übergeht, wenn man setzt

-r-^-.-^— - * ; **H f* J \Yir wählen jedoch die Form: d . stn tp a c . stn rp b

a _ sin <p b _ sin rp

d st« v c stn pt denn dieselbe zeigt uns, das*, wenn /' die Brennweite eines sphärischen Hohlspiegels (Convexlinsr) als Transversale dos oben beschriebenen

*) Die Redaktion ist sehr dankbar für die vorstehenden Winke und Anregungen, die sie der Beachtung der Kollegen empfehlen zu müssen glaubt. Das Turnen wird leider von einer Seite, die wesentlich kompetent wäre, darüber mitzureden, wenig oder gar nicht beachtet, von der ärztlichen. So lange das nicht geschieht, sind die Bedenken mancher Eltern wohl begreiflich.

Diaitized bv CjOOqIc

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Dreiecks aufgcfasst wird, die- Bildweite ganz allgemein als Seite eines Dreiecks gefunden werden kann, dessen andere Seite c ist und dessen gegenüberliegende Winkel respective tp und u sind. Einen ähulicheu Satz kann man für die Constructiou der entsprechenden Gegenstands- weite,' aussprechen. Das 'Auffinden von Gegenstandsweite und dazu gehöriger Bildweite ist hier das Resultat zweier Constructionen, welche ausserdem noch das Unbequeme besitzen, duss es nicht leicht geliugt, zu einer gegebenen Gegenstandsweite die zugehörige Bildweite auf- zufinden. Diese Uebelstände werden beseitigt, wenn wir tp 90u wählen. Es sei zu dem Endo d die eine Kathete eines rechtwinkligen Dreiecks, welche beliebig gross angenommen werden kann. Die Grösse der andern Kathete ergibt sich aus der jedesmaligen Constructiou. Wir wählen den Scheitel des rechten Winkels zum Mittelpunkte eines Kreises von dem Radius f. Durch den Endpunkt von d ziehen wir eine Parallele zu c und wählen auf derselbcu einen Tunkt , welcher von dem Scheitelpunkte des rechten Winkels um die gegebene Gegen- standsweite absteht. Wir bemerken uns den Durchschnitt der, durch Verbindung der beiden Punkte entstehenden Linie mit der Peripherie des Kreises von dem Radius /' und ziehen durch diesen Punkt von dem Endpunkt der Kathete d eine Gorade, welche auf dem anderen Schenkel des rechten Winkels die Kathete c abschneidet. Eine Senkrechte in diesem Schnittpunkte auf diesem Schenkel errichtet, liefert iu ihrem Durchgänge durch die als Gegenstandsweite gezeichnete Linie den Bildpunkt. Was die Wahl der Grösse von d anbelangt, so wird man

bei allen Gegenstandsweiten , welche > f auch d > f annehmen.

Bei Gegenstaudsweitcn, welche jedoch <; f, muss man d < /'annehmen.

Lassen wir den Lichtpunkt auf oben beschriebener Parallele aus dem Unendlicheu kommend, sich dem spärischen Spiegel (Linse) mehr und mehr nähern, so beschreibt der Bildpunkt eine krumme Linie, deren Gleichung, bezogen auf die Schenkel des rechten Winkels als Achsensystem (d als X Achse) :

, { 1 1 ^ . V* 2x ,

«)•••«" {r - d,) + fl - a ~ ' = o

Diess ist die Gleichung einer Kegelschnittslinie, bezogen auf den Brennpunkt und wir erhalten für

d > f eine Ellipse, d f eine Parabel,

d <. f eine Hyperbel. Die Coordinaten des Mittelpunktes sind:

f* d

Vl = o; xx = ^—^

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t

%

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Die kleiue Halbachse der Ellipse - * dL—n Die grosse Halbachse der Ellipse ^ ^ ^

Der Brennpunkt füllt mit dem Scheitel des rcchtcu Winkels zusammen- Die Resultate vorstehender, im Auszug wiedergesehener Uuter- suchuugen lassen die Zusammengehörigkeit der Kegolschnittslinieu deutlich erkennen, indem es durch die angegebenen Methoden gelingt, die 3 Kurven zweiten Grades von einem Gesichtspunkt aus mit Hilfe ein und derselben Constructionsmethode darzustellen, folgende ana- lytische geometrische Aufgabe dürfte unmittelbar aus dieser Cou- struetionsmethodo hervorgehen :

Zieht man vom Ii renn punkte einer Kegelschnitts- linie beliebige Strahlen nach der Kurve, projicirt diese Hadicn vectoren auf die YAchse des durch den Brennpunkt gelegten rechtwinkligen Achscusystems und* verbindet d ie. Endpunkte dieser 1' rojectionen mit einem bestimmten Punkte* der Hauptachse, so sch neiden letzte re Geraden die entsprechenden Hadicn vectoren in Punkten, welche auf einer Kreisperipherie liegen, deren Kadius gleich dem Parameter der Kurve ist und deren Mittel- punkt mit dem Brennpunkte der Kurve zusammenfallt. Nennen wir .1 die grosse Halbachse der Ellipse oder Hyperbel B,

respective B[^—\ die kleine Halbachse dieser Kurven, so fällt der erwähnte bestimmte Punkt auf der X Achse in die Entfernung

r/r; von dem Anfangspunkte der oben zu Grunde gelegten

VA* - B*

Coordinaten. Bei der Parabel ist diese Entfernung gleich dem Para; meter derselben.

Speier. C. Bender.

Ueber Maxlma.

Unter allen isoperimetrischen Dreiecken hat das gleichseitige den grössten Inhalt.

Geht mau aus von dem Satze: Unter allen isoperimetrischen Dreiecken, welche eine Seite gleich haben, hat das über dieser Seite gleichschenklige den grössten Flächeninhalt, so lässt sich immer ein gleichschenkliges Dreieck herstellen, das mit dem ursprüng- lichen ungleichseitigen, dessen Seiten «, b, c sind, eine Seite gemein hat und isoperimetrisch ist. Dieses Dreieck ist dann grösser als das ursprüngliche. Errichtet man nun eine Folge von gleich- schenkligen isoperimetrischen Dreiecken , von denen das folgende

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2

a

m

o?

Im

a

in

2>

4C0

immer den Schenkel des vorhergehenden als Basis hat, so ergeben

b 4- c

sich folgende Dreiecke, wobei ^ m ist.

Basis, Schenkel, Differenz aus Basis

und Schenkel.

La m a m

2. <-!)"— ~

3. °-±m (_!)«

a -|" 3 m 3 a -f 5 «i . _ . 5

4. | 8 1 " iJ

und so fort.

Für das nte Dreieck ergibt sich demnach durch Induction

(— ,1) 11 * Geht mau iu diesem Ausdrucke auf die Grenze

2 n - - 1

über, so ist für n~ 00 ~ - - o, d. h. 'der Unterschied zwischen

2 n 1

Basis und Schenkel = o, somit das Dreieck gleichseitig. Da aber alle diese Dreiecke gleichen Umfang haben und jedes folgende grösser ist als das vorausgehende, so ist das letzte das grösste.

Wollte man für obigen Inductiousscbluss die Richtigkeit nach- weisen, so könnte dies folgendcrmassen geschehen. Für das (»*■+■ 1)te Dreieck muss obiger Formel gemäss der Unterschied zwischen Basis

und Schenkel (- \)n . ° sein. Ist nun für das «te Dreieck

2 "

der Schenkel l, so ist die Ba>is l + ( 1)M ~ 1 a ~ \ folglich

2 n ~ 1

die Basis für das + l)te Dreieck l und der Schenkel 2! + (- *)* 1

2 oder l + I) " 1 U m und die

Differenz ^- - ( 1) n 1 a ~~ * - ( l)" " " '".velchcr Aus-

druck dem obigen gleich ist.

Vielleicht ist dieser Beweis, wenigstens für Schüler humanistischer Anstalten, dem in der Geometrie von Dr. Rccknagel gegebenen vorzuziehen.

Speier. Deel.

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Einiges filier Kegelschnitte.

In Nachstehendem soll gezeigt werden , mit wolchcm Vorteile sich die symbolische Rechnungsweise verwerten Iiis st und iu welch einfacher Weise sie die Ableitungen von Sätzen und Gleichungen gestattet, die auf anderem Wege, ebenso allgemein durchgeführt, nur mit grossen Schwierigkeiten bewerkstelligt werden können.

Sind f (x,y) o und <p (x, y) = o die Gleichungen zweier Kegel- schnitte, so stellt die Gleichung:

f SM * 9 f«i 9) = 0 alle Kegelschnitte vor, die durch die Schnittpunkte der beiden gegebenen

gehen. Zerfällt nun der zweite Kegelschnitt in ein Liuienpaar, dessen Gleichung A . B o sei, so ropräsentirt dio Gleichung:

f {x, y) X A . B o alle Kegelschnitte, welche durch die Schnittpuukte des Kegelschnittes f (x, y) o und der Geraden A und B gehen. Lässt man nun die Geraden A und B sich fortwährend nähern, so dass die Schnittpunktc- paare derselben mit dem Kegelschnitte /" !/)z-° «ich auch einander näher rücken; so ist begreiflich, dass, wenn A mit B zusammenfällt, die Gleichung:

f (*, 80 X A* o alle jene Kegelschnitte vorstellen muss , welche den Kegelschuitt f (x,y) o in den Schnittpunkten der Geraden A berühren.

Zerfällt aber auch der Kegelscbuitt / (x, y) o in ein Liuienpaar C . 1), so geht obige Gleichung Über in:

0 . D - X A* o und stellt olle Kegelschnitte vor, welche die Geraden C und D in den Schnittpunkten der Geraden A berühren. Für alle diese Kegelschnitte sind also die Geraden C und 1) Taugenten uud die Gerade A die zu- gehörige Berührsehnc. Denkt man sich die Gleichungen der Geraden C, J) , A auf die Normalform gebracht, so drückt die symbolische Gleichung folgenden Satz aus:

Das Produkt der senkrechten Abstände jedes Punktes eines Kegel- schnittes von zwei Tangenten ist proportional dem Quadrate des senk- rechten Abstandes desselben Punktes von der zugehörigen Berührsehne.

Mit Hille der letzten symbolischen GUichung kann man nun auch die Gleichung des Tangentenpaares feststellen , welches von einem Punkte o an einen Kegelschnitt F (x, y) o gezogen werden kann. Auf jedem andern Wege ist die Ableitung geuaunter Gleichung mit grossen Umständlichkeiten verbunden , weil man alsdann nothweudig die Coordinaten der Berührungspunkte der Tangenten hereinziehen muss, deren Elimination hernach grosse Schwierigkeiten bereitet.

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Sei also: C D X Al F (x, y) o die Gleichuug eines Kegel- schnittes, so ist die Gleichung des Tangenteupaars eines Punktes o:

CJ) F y) + X A* o. Da aber der Punkt o der Schnittpunkt der Tangenten C und D ist und somit seino Coordinatcu der Gleichung C.D o genügen müssen, so besteht auch die Gleichung F (:c„y0) -J- X A0* ~ o, und somit folgt, nachdem man die Grösse X elimiuht:

F (x, y) A0* - F (x0 yQ) A* - o als Gleichung des gesuchten Tangentonpaars.

Die feerührschue A ist aber nichts anders als Polare des Punktes o bezüglich des Kegelschnittes F, also ist:

A =: x l F»(*o) + y\ F'{%) + z\ F(z) - o

A„ = F (x, y0) Demnach geht obige Gleichung über in:

oder indem man berücksichtigt, dass:

* W + ?/ F (y„) + * 7'" (- ,) ^ xfl 2*" (x) + //o F (y) + *, F' (#) ist, hat man:

x F' («) + y F' (>,) + j 7'" ( -X * F' (.r„) + y F' (y0) + - F' fojj . k *M. (*) + **' (y) + *0 F' (*,), x0 F* (x0) + y0 F' (y„) + F' Dringt man die Determinante auf eine höhere Ordnung, indem mau die Uorizontalrcihe 1, F' (x), F' (x.) hinzufügt, so folgt: i, F' (x) F' (.£„)

o

X

y F (//) + z F (-), y F> (y0) + z F'

- *V v/o 2'" (y) + *0 *' (*), Sfo V + *o) Fügt man nochmals die Ilorizontalrcihe J, 0, F' (y), 7«'' (y„) hinzu, so hat man:

1, 0, F (y), 7'" (y0) 0, 1, F' («), F' (*„)!

y, - s, 5 F' u), * F> (zn) y0, ar,, z(} F* (z), z0 F' (g0)\

~ o

und wenn man abermals die Horizor.talrcihe 1, 0, 0, F' (z)t F' beifügt und umformt, so folgt:

|i, 0, 0, F' (x), F* (x0)

0, 1, 0, F' (y), F (y0)

0, 0, 1, Fl (z), F' (*°) = o

x, y, z, 0 , 0

** t/o *o» 0 . 0 Setzt man: F {x, yt z) a*, a;' -}- a,, yl -f oiV ** + 2 aol x y -f- 2 a„z x z -f 2ari y z o und denkt man sich nun die Elemente der ersten Vertikalreihe mit a00 multiplizirt und hiezu die a„,fachen Ele-

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463

mente der zweiten und anfachen Elemente der dritten Vertikalreihe addirt; multiplizirt man ferner die Elemente der zweiten Vertikalreibe mit und addirt hiezu die anfachen Elemente der ersten und die anfachen Elemente der dritten Vertikalreihe, und multiplizirt endlich die Elemente der dritten Vertikalreibe mit ait und addirt hiezu die anfachen Elemente der ersten und «„fachen Elemente der zweiten Vertikalreihe, so folgt als Gleichung des Tangentenpaars: «oo «,, * F' (x) F' (x0) «.* «,. «„ F' (»/) F' (y0) a,0 atl a,t F' (j) I<y (*0) = o F (x) F' (y) F' (*) 0 0 l-P (xQ) F' {yj F' (s0) 0 0 Füllt der Punkt o mit dem Mittelpunkte des Kegelchnittes zu- sammen, so bestehen die Gleichungen: F' (x,) o und F' (y0) = o und es folgt somit für die Gleichung dieses speziellen Tangenten paars, oder als Gleichung des Asymtotcn paars:

aoo a01 F' (x) «io «i, F' (y) := o F' (x) F> (;,) 0 Kehrt man nun wieder zur Gleichung:

C D X A* o zurück, und lässt die Gerade A ins Unbegrenzte rücken, wodurch ihre Gleichung in eine constante Grösse fibergeht, so folgt :

CD u o F(xy y). Da nun die Beruhrsehnc A sich im Unendlichen befindet, so gehen die Tangenten C and D in die Asymptoten über, und es stellt somit obige Gleichung die einer Hyperbel mit den Asymptoten C und D vor. Weil aber C D F (x y) -f- ist , so sieht man , dass sich die Gleichung des Asymptotenpaars von der des Kegelschnittes nur durch eine Constante unterscheidet.

Durch Addition dieser Constanten u zur Kegelschnittsgleichung, geht dieselbe also über in die Gleichung eines Linienpaares, wesshalb die Gleichung bestehen muss:

!«oo «oi «oi

«10 «II «IS

o

|«fO «21 «,* + i"l

woraus sich für die Grösse p ergibt:

**00 **01 **0l

[4 =z al0 au au

!«?0 «21 ««l

Aus der Gleichung: CD f* o für die Hyperbel folgt ferner, wenn man sich die Gleichungen der Asymptoten C und D in der Nor- malform gegeben denkt, der Satz:

«00 «Ol

«io «ii!

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4G4

Das Produkt der seukrechten Abstände irgend eines Punktes der Hyperbel von den beiden Asymptoten ist constant..

In der Hauptaxengleicbung 6* x'1 ± a?y* a? o* o -eines Kegel- schnittes stellt bekanntlich b* xx dr «* y* o die Gleichung des Asymptotenpaars dar;, denkt man sich nun obige Gleichung auf ein beliebiges rechtwinkliges Achsensystem trausformirt, so geht der Aus- druck b* x* ± o* y* im Allgemeinen über in CD und die ganze Kegelschnittsgleichung geht sonach über in:

- C . D a* b* o x

so dass also: fi x a* 6l oder:

a* ö* =r ^

X

ist, wobei x der Transformationsfaktor genannt wird (Grunert, Archiv der Mathematik und Physik. LVIL Teil. 4. Heft.) Dieser Transformationsfaktor ergab sich als:

x =r

!«>o flu

«0|

«II «tl

Es folgt somit für das Quadrat des Kegelschnittsinhaltes:

J* = 7i» a< &' =

oder:

<*oo

«,0

J = - n

»Ol

«1. «vi

«0! «II

2

«*0 «»1 ««

Sind ferners C, 2>, pt o und Ct l)t pt o die Gleichungen von zwei Hyperbeln, so bat jeder durch ihre vier Schnittpunkte gehender Kegelschnitt die Gleichung:

(C, 2>, - ,",) - Q (Ct Dt - <u,) = o

Erteilt man der Grösse e insbesonder« den Wert so geht ein Kegel-

schnitt hervor, dessen Gleichung:

ist, welcher immer noch durch die Schnittpunkte der beiden Hyperbeln geht. Dieser Kegelschnittsgleichung genügen aber ausserdem noch die CoonliDaten der Schnittpunkte beider Asymptotenpaarc , so dass also der Satz folgt:

Die Schnittpunkte zweier Hyperbeln liegen mit den vier Schnitt- punkten ihrer beiden Asymptoten auf einem und demselben Kegelschnitte.

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Kehrt man nun nochmals zur symholichen Gleichung F (x, y) A* - XCD =z o zurück und lässt die eine Tangente D ins Unendliche rückeu, so muss die Gleichung

A* n C o

eine Parabel darstellen , da nur ihr eine unendlich ferne Tangente Zukommt. Die Gerade A muss somit als Berührsehne , ein Durch- messer der Parabel, also eine Parallele zur Parabelaxe sein.

Aus der Form der Gleichung ergibt sich ferner:

Da« Qnadrat des senkrechten Abstandea eines Punktes der Parabel von einem Durchmesser derselben ist proportional dem senkrechten Abstände desselben Punktes von der Tangente der Parabel im End- punkte des Durchmessers.

Dieser Satz bleibt auch bestehen, wenn die Tangente C zur Scheite ltangente und A zur Parabelaxe wird.

Wählt man erstere zur y Axe , letztere zur x Axe , so folgt die bekannte Schcitelgleichung der Parabel: y1 p x o.

Aub der Form der Parabelgleichung ergibt sich ferner noch, dass die drei quadratischen Glieder ihrer Gleichung ein vollständiges Quadrat bilden müssen, dass, wenn also

«oo «» + <»!. j/,-f-2a01a;jf-r2a0|x + 2 ait y + att = o die Gleichung einer Parabel sein soll, die Gleichung bestehen muss:

«oo *" + «,, ?/* 2 a01 xy = (V^oo * + K«n y)?

oder:

«Ol = «n woraus sich die bekannte Bedingungsgloichung ableitet

«oo «oi _ 0

«10 «ti

Uegcnsburg. Max Greiner.

M. Tullii Ciceroni8 de Oratore l. tres. Erklärt von Dr. G. Sorof, Director des k. Pädagogiums zu Putbus. Erstes Bändchen: Buch I. Berlin. Weidmann'sche Buchhandlung. 1875.

Die von der bezeichneten Verlagsbuchhandlung längst versprochene Schulausgabe von Ciceros Gespräch über den Redner ist nun endlich wenigstens in ihrem ersten Teile erschienen. Warum die Herausgabe so lange auf sich warten Hess, erfahren wir aus der Vorrede. Wenn iu derselben Sorof die Hoffnung ausspricht, dass die ihm noch während der Arbeit gewordene Gelegenheit, unsre Schrift mit seinen Primanern durchzulesen, einigen Ersatz für die lange Verzögerung der Herausgabe bieten werde, so finde ich diese Hoffnung vollständig gerechtfertigt.

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Man sieht es dem Buche auf jeder Seite an, dass es in und aus de Schule heraus entstanden ist: durchwegs ist, wenige Kleinigkeiten vic leicht ausgenommen, in Bezug auf den Umfang sprachlicher ud sachlicher Erklärungen das rechte Mass eingehalten, der Ausdrucl klar und präcis, übertlüssige Citate und Verweisungen sind vermieden nicht selten sind anregende sprachliche Beobachtungen an fzt*Y>racb£ jede Wortkritik dagegen ist mit allem Recht aus den Bemerkungen unter dem Texte verbannt. Die Einleitung schildert in lichtvoller1 Darstellung von S. VI XIII die Vorfalle, welche den histor/Vc/ien Hintergrund unsres Gespräches bilden, dann folgt bis S. XXXIII die Charakterschilderung derjenigen Männer, welche an dem Gespräche teilnehmen, von Crassüs bis Caesar. Daran schliesst sich eine Aus- einandersetzung über Veranlassung, Zweck und Form unsres Werkes, sowie über die Verdienste, die sich C. in demselben in Bezug- auf Inhalt und Form erworben hat. Die nötigsten Mitteilungen über die bandschriftliche Ueberlicierung und die Hauptaufgaben unserer Schrift seit KUcndt bilden den SrkluSB. Die Inhaltsübersicht enthält eine vollständige Skizze der Gespräche im erstell Buche auf 5 vollen Seiten, dagegen sind fortlaufende Inhaltsangaben unter dem Texte , wie in Piderits Ausgabe, nicht vorhanden. Der tüchtige Lehrer mag allerdings auch hei der Behandlung eines so schwierigen Gegenstandes ein solches Hilfsmittel zur Präsenthaltung des Zusammenhangs entbehren könrjefl.- ein bequemes Mittel, um sich beim Nachschlagen rasch zurechtzufinden, bleibt es doch immer. Die Herausgabc des Werkes in getrennten Bändchen bat die Aufnahme der notigen Mitteilungen über die im Texte vorkommenden Persönlichkeiten u- dgl. unter die fortlaufenden Anmerkungen nötig gemacht. Ausgesprochen hat S. seine Ansicht Ober diese Einrichtung nicht; wie mir aber scheint, hat Pidcrit durch die alphabetische Zusammenstellung der im Texte vorkommenden Realien und die teilweise ziemlich ausführlichen Citate und Auseinandersetzungen seinem Buche einen erhöhten Wert gegeben, wenn er auch andrerseits über das Bedürfniss der Schule mitunter hinausgegangen ist. Im kritischen Anbang hat sich S. auf ein Verzeichniss seiuer Abweichungen vom Texte Kaysers und Piderits beschränkt und diesen zum grossen Teil eine Begründung seiner Ansicht beigefügt: für eine Schulausgabe, die einen vollständigen kritischen Apparat nicht bieten kann, vollkommen ausreichend. Bei dieser Gelegenheit .mögen einige Bemerkungen Platz finden. 16,71 geht dieAenderung von num qua re in namquod meines Wassens schon in die ältesten Zeiten zurück; 19, 85 ist schon 1871 (Bayer. Gbl. S. 193) von mir das aique omni abundans doctrina vor- geschlagen worden; 22, 102 ist cx magna h. fr., wie ich glaube, mit Recht in den Text aufgenommen, aber die Abweichung von K. und P. im Anhang nicht verzeichnet; ebenso hat 25, 117 K. habet (nach den Handschr.?) statt habuit und 46, 253 P. das hdschr. ne rcrum quidem statt ne rei quidem; endlich ist 50, 216 H cloqu. statt etsi und 217 ei, quos etc. statt et quos etc. meines Wissens zuerst von Bake vorge- schlagen worden.

Uebrigens gibt auch die kritische Seite von Sorofs Arbeit will- kommenes Zeugniss von seinem Flciss und seiner Besonnenheit. Mit Recht bat er eine gute Anzahl der Klammern Kaysers entfern' und manche unnötige Aenderung zurückgewiesen, so wie er ander- seits auch vor mancher nötigen Correctur der Vulgata sich BfcM gescheut hat, vgl. z. B. 18, 81 (et palacstrac): 42, 187 {di*jtda)\ 44, 196 (tanta necessitas natura), 58, 246 (wo in quo statt inj*»

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noch die einfachste Abhilfe sein dürfte). Wenn ich trotzdem mit de r Gestaltung des Sorofschen Textes öfters nicht einverstanden bin , so liegt das in der Natnr der Sache. Insbesondere aber glaube ich, dass man in der Annahme von Anakoluthen in einer Schrift Ciceros von so eleganter und gefeilter Ausdrucksweise nicht so weit gehen darf, als es S. gethan bat- So scheint mir 3, 11 (vgl. Vindiciae Tull. p. 3 f.) die Erklärung des uberlieferten Textes durch ein Anakoluth ganz unstatthaft (vgl. G.Progr. Hof 1874, S. 3 ff.), ebenso 12, 53, wo S. das Anakoluth jetzt anders wie früher in den Vindic. Tull^ fassen will, und 17, 75 soll ebenfalls das unpassende quae durch eine Kachlässig- keit des Ausdrucks erklärt werden, sowie 32, 146 das dem non ut etc entsprechende Glied anakoluthisch noch in die Rection von intellego hineingezogen sein soll: eine Nachlässigkeit, die man dem geringeren Schrifsteller kaum zutrauen dürfte (ganz anders verhält sichs §. 154 mit itu prodesse obesse). Ebenso glaube ich Perioden, wie 18, 82 und 45, 198 trotz Sorofs Erklärungeu nicht auf Rechnung unsers Schrit- stellers setzen zu dürfen, und 30, 135 lassen sich die Worte exponam nobis non quandam consuetudinis tneae eben nicht so übersetzen, wie es S. thut, wenigstens nicht auf natürlichem Wege. 23, 108 beweisen die Beispiele de fin. II, 4, 13 u 8. w. nichts für eine Ergänzung von ut constet\ ex ist wol zu streichen und mit eiuem Teil der Handschr. ara istg, statt ita zu schreiben. 31, 139 ist der Schwierigkeit, die in factum liegt, in der Anmerkung zu in utraque re ausgewichen. Noch wäre eine Reihe anderer Stellen zu besprechen, in denen meine Ansicht von der Sorofs abweicht , doch damit würde ich den Raum und Zweck einer Anzeige überschreiten: ist doch auch die Zahl der Stellen nicht gering, in denen mir S. seine Vorgänger überholt zu haben scheint. Manche Unebeuheiten und Versehen geringerer Art, sowie die nicht eben seltenen Druckfehler, wird der Verfasser teils schon selbst bemerkt haben, teils bei wiederholter Durchsicht noch finden.

Hof. Rubner.

Cicero Brutus de claris oratoribus. Kür den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. W. Pider it. Zweite Auflage. Leipzig, Teubner. 1875.

Zu den letzten Arbeiten des genannten Meisters auf dem Gebiete der Erklärung von Cicero 's rhetorischen Schriften gehört die vor- liegende zweite Auflage der im Jahre 1862 in der Teubner'schen Samm- lung erschienenen Ausgabe des Brutus. Die grossen Vorzüge, welche Piderits Arbeiten in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung aus- zeichnen, die Klarheit und Akribie seiner Interpretation, die Besonnen- heit und Unbestechlichkeit seiner Kritik, sind zu sehr anerkannt, um weiteren Lobes zu bedürfen. Auch unser Werk gibt Zeugniss von der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des nun verewigten Verfassers; denn man erkennt deutlich, wie er überall, wo es ihm nötig schien, nach- gebessert' und nachgetragen und von neuen Beiträgen der Kritik alles, was ihm wertvoll zu sein schien , wenigstens im kritischen Anhang geschickt benützt hat.

So ist jetzt §■ 125 der Ausdruck in manibus saebgemässer erklärt, §. 219 mit Recht wieder zu dem überlieferten solitam (statt solidam)

Blätter f. d. bayer. Gymn.- u. Re*l-8cbulw. IX. Jahrg. 32

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Man sieht es dem Buche auf jeder Seite an , da9s es in und aus der Schule heraus entstanden ist: durchwegs ist, wenige Kleinigkeiten viel- leicht ausgenommen , in Bezug auf den Umfang sprachlicher und sachlicher Erklärungen das recbte Mass eingehalten , der Ausdruck klar und präcis, Überflüssige Citate und Verweisungen sind vermieden, nicht -fiten sind anregende sprachliche Beobachtungen angebracht, jede Wortkritik dagegen ist mit allem Hecht aus den Bemerkungen unter dem Texte verbannt. Die Einleitung schildert in lichtvoller* Darstellung von S. VI XIII die Vorfalle , welche den historischen Hintergrund unsres Gespräches bilden, dann folgt bis S. XXXIII die Charakterschilderung derjenigen Männer, welche an dem Gespräche teilnehmen , von Crassüs bis Caesar. Daran schliesst sich eine Aus- einandersetzung über Veranlassung, Zweck und Form unsres Werkes, sowie über die Verdienste, dio sich C. in demselben in Bezug auf Inhalt und Form erworben hat. Die nötigsten Mitteilungen über die handschriftliche Ueberlieferung und die Hauptaufgaben unserer Schrift seit Ellcndt bilden den S< bluss. Die Inhaltsübersicht enthält eiue vollständige Skizze der Gespräche im ersten Buche auf 5 vollen Seiten, dagegen sind fortlaufende Inhaltsangaben unter dem Texte, wie in Piderits Ausgabe, nicht vorhanden. Der tüchtige Lehrer mag allerdings auch bei der Behandlung eines so schwierigen Gegenstandes ein solches Hilfsmittel zur Präsenthaltung des Zusammenhangs entbehren können: ein bequemes Mittel, um sich beim Nachschlagen rasch zurechtzufinden, bleibt es doch immer. Die Herausgabe des Werkes in getrennten Bändchen hat die Aufnahme der nötigen Mitteilungen über die im Texte vorkommenden Persönlichkeiten u. dgl. unter die fortlaufenden Anmerkungen nötig gemacht. Ausgesprochen hat 8. seine Ausicht über diese Einrichtung nicht; wie mir aber scheint, hat Piderit durch die alphabetische Zusammenstellung der im Texte vorkommenden Realien und die teilweise ziemlich ausführlichen Citate und Auseinandersetzungen seinem Buche einen erhöhten Wert gegeben, wenn er auch andrerseits über das Bedürfniss der Schule mitunter hinausgegangen ist. Im kritischen Anhang hat sich S. auf eiu Verzeichniss seiuer Abweichungen vom Texte Kaysers und Piderits beschränkt und diesen zum grossen Teil eine Begründung seiner Ansicht beigefügt: für eine Schulausgabe, die einen vollständigen kritischen Apparat nicht bieten kann, vollkommen ausreichend. Bei dieser Gelegenheit .mögen einige Bemerkungen Platz finden. IG, 71 geht dicAendcrung von nam qua re in namquod meines Wissens schon in die ältesten Zeiten zurück; 19, 85 ist schon 1871 (Bayer. Gbl. S. 193) von mir das atque omni abundans doctrina vor- geschlagen worden; 22, 102 ist ex magna h. fr., wie ich glaube, mit Recht in den Text aufgenommen, aber die Abweichung von K und P. im Anhang nicht verzeichnet; ebenso hat 25, 117 K. habet (nach den Handschr.V) statt habuit und 46, 253 P. das hdschr. ne rerum quidem statt ne rei quidem; endlich ist 50, 216 8t cloqu. statt etsi und 217 ei, quos etc. statt et quos etc. meines Wissens zuerst von Bake vorge- schlagen worden.

Uebrigens gibt auch die kritische Seite von Sorofs Arbeit will- kommenes Zeugniss von seinem Eleiss und seiner Besonnenheit. Mit Recht hat er eine gute Anzahl der Klammern Kaysers entfernt und manche unnötige Aeuderung zurückgewiesen, so wie er ander- seits auch vor mancher nötigen Correctur der Vulgata sich nicht gescheut hat, vgl. z. B. 18, 81 (et palaestrac) ; 42, 187 (disjecta); 44, 1% (tanta necessitas natura). 58, 246 (wo in quo statt in qua

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noch die einfachste Abhilfe sein dürfte). Wenn ich trotzdem mit de f Gestaltung des Sorofscben Textes öfters nicht einverstanden bin, so liegt das in der Natur der Sache. Insbesondere aber glaube ich , dass man in der Annahme von Anakoluthen in einer Schrift Ciceros von so eleganter und gefeilter Ausdrucksweise nicht so weit gehen darf, als es S. getban bat. So scheint mir 3, 11 (vgl. Vindiciae Tull. p. 3 f.) die Erklärung des Uberlieferten Textes durch ein Anakoluth ganz unstatthaft (vgl. G.Progr. Hof 1874, S. 3 ff.), ebenso 12, 53, wo S das Anakoluth jetzt anders wie früher in den Vindic. Tull.^ fassen will, und 17, 75 soll ebenfalls das unpassende quae durch eine Machlässig- keit des Ausdrucks erklärt werden, sowie 32, 146 das dem non ut etc. entsprechende Glied anakoluthisch noch in die Rection von intellego hineingezogen sein soll: eine Nachlässigkeit, die man dem geringeren Schrifsteller kaum zutrauen durfte (ganz anders verhält sichs §. 154 mit ita prodesse ob esse). Ebenso glaube ich Perioden, wie 18, 82 und 45, 108 trotz Sorofs Erklärungen nicht auf Rechnung unsers Schrit- stellers setzen zu dürfen, und 30, 135 lassen sich die Worte exponam nobis non quandam consuetudinis meae eben nicht so übersetzen, wie es S. tbut, wenigstens nicht auf natürlichem Woge. 23, 108 beweisen die Beispiele de fin. II, 4, 13 u s. w. nichts für eine Ergänzung von ut constet'y ex ist wol zu streichen und mit eiuem Teil der Handschr. ars istq statt ita zu schreiben. 31, 139 ist der Schwierigkeit, die in factum liegt, in der Anmerkung zu in utraque re ausgewichen. Noch wäre eine Reihe anderer Stellen zu besprechen, in denen meine Ansicht von der Sorofs abweicht , doch damit würde ich den Raum und Zweck einer Anzeige überschreiten: ist doch auch die Zahl der Stellen nicht gering, in denen mir S. seine Vorgänger überholt zu haben scheint Manche Unebeuheiten und Versehen geringerer Art, sowie die nicht eben seltenen Druckfehler, wird der Verfasser teils schon selbst bemerkt haben, teils bei wiederholter Durchsiebt noch finden.

Hof. Rubner.

Cicero Brutus de claris oratoribus. Für den Schulgebrauch erklärt von Dr. K. W. Pider it. Zweite Auflage. Leipzig, Teubner. 1875.

Zu den letzten Arbeiten des genannten Meisters auf dem Gebiete der Erklärung von Cicero's rhetorischen Schriften gehört die vor- liegende zweite Auflage der im Jahre 1862 in der Teubner'schen Samm- lung erschienenen Ausgabe des Brutus. Die grossen Vorzüge, welche Piderits Arbeiten in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung aus- zeichnen, die Klarheit und Akribie seiner Interpretation, die Besonnen- heit und Unbestechlichkeit seiner Kritik, sind zu sehr anerkannt, um weiteren Lobes zu bedürfen. Auch unser Werk gibt Zeugniss von der Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit des nun verewigten Verfassers; denn man erkennt deutlich, wie er überall, wo es ihm nötig schien, nach- gebessert' und nachgetragen und von neuen Beiträgen der Kritik alles, was ihm wertvoll zu sein schien , wenigstens im kritischen Anhang geschickt benützt hat.

So ist jetzt §■ 125 der Ausdruck in manibus sachgemässer erklärt, §. 219 mit Recht wieder zu dem überlieferten aolitam (statt solidatn)

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zurückgekehrt und §. 200 die emendirte Stelle ut avis c. al. von dem unnötigen suavi befreit. Erweitert ist ferner die Bemerkung zu judiciis repeterentur §. 46, während sich im übrigen mit ganz wenig Ausnahmen die Erweiterungen auf hinzugefügte Belegstellen beschränken, wie §. 22 zu exquisita, wo es im Citat 175 statt 106 heissen muss, §. 40 zu ülixi etc., §. 77 zu si corpore valuisset u. a. m. Von den kritischen Bemerkungen, die früher unter dem Texte standen, ist nun ein gut Teil in den kritischen Anhang verwiesen , zum Teil vermehrt durch Angabe der Vermutungen oder Vorschläge anderer Gelehrten, von denen P. Mähly (Rhein. Mus. N. F. XX) und Feldhügel (Progr. des Paedag. in Magdeburg 1871) auch in der Vorrede unserer Auflage nennt: vgl. kr. Anh. §. 31 zu solebat. Hujus, § 40 zu tarn (idem) omatus, §. 128 zu invidi08a illa quaestione o. s. w. Das Verfahren , den kritischen Teil der Anmerkungen einem besondern Anhang einzuver- leiben , scheint mir für Schulausgaben so sehr das richige zu sein, dass ich sogar diesen Teil für Lehrer und Studierende gesondert gedruckt sehen möchte. P. hätte , glaube ich , noch einen Schritt weiter geben und auch Bemerkungen wie §. 59 zu cujus effector und §. 120 zu eorum phil. sectam, wo es sich um Entfernung von Glossen handelt, oder §§. 112 (lectu), 191 (centum milium) und 283 (cum esset), wo der Fehler durch Verschreibung entstanden ist, aus dem fort- laufenden Commentar entfernen sollen.

Die Einleitung ist unverändert und fast gänzlich correkt abgedruckt. Im Text ist mir an Versehen aufgefallen: § 131 wieder paene statt plane und §.154 Etiatn statt Etenim , sowie §. 167 oratione statt orationes, dann in den Anmerkungen §. 277 zu indicia mortis statt Galliti8 Galba, abgesehen von leicht corrigirbaren falschen Zahlen in einigen Citaten. Die erklärenden Indices, deren Wert ich hoch an- schlage, sind unverändert (wieder Caepasisus S.219) abgedruckt; nur zu Trasimenus (S. 285) finde ich die richtigere Schreibweise mit Hin- weis auf die Quelle nachgetragen. Zur Erleichterung für die Schüler wäre zu C. Gallus §. 90 unter dem Text oder im Register eine Hin- weis un« auf C. Sulpicius Gallus, ebenso zu Q. Maximus eine solche auf Q. Fabius Maximus {Allobrogicus) zu wünschen. Ausserdem fehlen die Artikel Gorgonius (vgl. §. 180), T. Torquatos T. F. (vgl. §. 345 und pro Plane. 11, 27) und Vestales, worauf §. 236 hingewiesen ist (vgl. Licinia virgo S. 263) und der Ser. Naevius §. 217, heisst im Register Cn. Naevius. Im kritischen Anhang ist zu §. 162 (S. 292) juneta hinter defensio zu streichen. So sparsam auch P. mit sprach- lichen Bemerkungen im allgemeinen ist (und ich pflichte ihm hierin nicht ganz bei), so scheint er mir doch mehrere Male des guten zu viel gethan zu haben. So hätte z. B. zu ut temporibus Ulis §. 27 (nicht 28), zum Sing, fuit §. 30, zu ne-quidem „auch nicht" §. 68, zu tantamne fuisse §. 219, zu unus t multis und loco „an der rechten Stelle" §. 274 die Anführung einer oder der andern Stelle genügt, da die betreffenden sprachlichen Erscheinungen bekannt genug sind; die Bedeutung von velim §. 249 bedarf wol keiner Hinweisung auf die Grammatik, wie ich überhaupt bei der grossen Menge der verschieden- artigsten lateinischen Grammatiken solche Citate immer sehr misslich finde, abgesehen davon, dass der ordentliche Schüler die betreffende Regel von selbst auffinden wird.

Dass in Bezug auf die Textkritik meine Ansichten von denen P.'s öfters abweichen , ist selbstverständlich. Der Raum einer Recension erlaubt nur eine kurze Besprechung eines kleinen Teils derselben

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Zu §. 16 babe ich zu bemerken, dass ich mir nicht denken kann, wie eine Blüte, die von der Sonne ausgebrannt ist, erst noch vor brennendem Verlangen (siti) nach der in früheren Zeiten vorhandenen Fülle (Fruchtbarkeit?) verdorren soll. Mir scheint eher bei fetus eine auf die frühere Ergiebigkeit des geistigen Schaffens hinweisende Bestimmung zu fehlen. §. 46 liegt et controversiae essent der Ueberlieferung (et controversia natura) zu fern; ansprechend ist Jahn's Vermutung (III. Aufl.): e controversia natam (artem et praeeepta etc.). §. 117 a. Schi, sind Friedrichs (N. Jbb. J873, S. 845 ff.) Gründe gegen die Ueberlieferung (vgl. die Anmerk. zur Vorrede S. IV) wol zu beachten, denn C. konnte doch nicht einen Mann medioeris in dicendo nennen, von dem er eben erst gesagt hat: fuit nullo in oratorum numero und : sed ut vita sie oratione durus, incultus, horridus, und von dem Brutus §.118 sagt: in Tuberone nullam [sc eloquentiam) video fuisse (vgl. §.108: in aliquo numero etiam medioeres oratores). Ebenso scheinen mir dessen Gründe gegen devorabatur §. 283 stichhaltig, Purgold's Vermutung deserebatur aber der Ueberlieferung angemessener. §. 1{0 behalt P. die Lesart der Hdscbr. bei und ergAnzt zu sed illa die voraus- gehenden Worte laude caruit. Kayser (N. Jbb. 1860, 8. 845) und Mähly (a a. 0.) weisen mit Recht darauf hin, dass auf diese Weise C. mit sich selbst in direkten Widerspruch geriethe, da dem Antonius gleich darauf die propria laus or. in verbis zuerkannt wird. Aber auch die Piinschiebung des non vor illa (Kayser) oder vor propria fMähly) hat ihre Bedenken, wie sich bei genauerer Betrachtung ergibt. Ist diej> Überlieferte Lesart überhaupt richtig, so muss man annehmen, dass G. die mit illa quae propria etc. angefangene Construction nach dem längeren Zwischensatz nam ipsum videtur aufgegeben und die eigentümlichen Vorzüge des Ant. zum Hauptgedanken gemacht hat. §. 234 lässt sich zwar das von P. aufgenommene mirum quantum an sich hören, sieht man aber näher zu, so wird man gestehen müssen, dass ein weiteres charakteristisches Merkmal der actio des Lentulus viel besser am Platze ist. Unter den mannigfachen Conjecturen ist wol die Kayscrs (a. a. 0. S. 846) : admiranda dignitate vcücbat am ansprechendsten; nur vermisst man eine nähere Bestimmung zu digni- tote wie corporis oder gestus. §. 253 ist nicht ersichtlich , was mit cum hinter occupationibus anzufangen ist, wenn man nioht mit Ernesti die Schlusswortc: hunc facilem est habendum dem Cicero zuteilt. Uebrigcns ist die ganze Stelle noch lange nicht genügend erklärt (vgl. Madvig advers. crit. II, p. 187). §. 306 nimmt Madvig (a. a. 0.) mit Recht An stobs an der Gegenüberstellung der Sätze]ef*i rettnebat, tarnen sublata videbatur , hilft aber mit attentius (etsi retinebat), quod tarnen etc. durchaus nicht gründlich ab. Mir scheint C. ohne Zweifel geschrieben zu haben: in quo etsi rerum retinebat , tarnen hoc etiam commorabar attentius , quod sublat* jam esse etc. Durch ein VerBeben konnte die Zeile hoc etiam commorabar attentius, quod leicht um 2 Zeilen zu hoch gerückt werden.

Hof. Rubner.

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Zehetmayr, Seb., Lexicon etymolo gicum Latino etc. -

tanscritum comparativum quo eodem setitentia verbi analogice expli-

caiur. Vindob. Alfr. Holder 1873. VII u. 379 S. Lex. 8.

Der Herr VerfaBser dieses Werkes ist den Lesern dieser Blätter längst bekannt: pflegt er doch nicht selten das Füllhorn seines lingui- stischen Reichthums in dieselben auszugiessen. In vorliegendem Werke nun ist das Latein nicht nur mit Sanskrit in Verbindung ' gesetzt, wie schon der Titel, freilich etwas unbestimmt und formlos, andeutet ; deutlicher wird es , wenn man die reichhaltigen indices betrachtet, nämlich graecus S. 323 33, goticus 37, german. (sie, gemeint ist Neuhochdeutsch) 49, anglicus 52, slavicus 53, gallicu8 et Italiens 57, Nominum propriorum (wo nachzutragen: Bismarck 165. 310) 62, sanscriticus 379; aber ein Blick in das Buch selbst zeigt sofort , dass damit der Kreis der berücksichtigten Sprachen keineswegs abgeschlossen ist , denn keltisch , litauisch , alt- nordisch , bairisch u. v. a. Dialecte liefern gar oft Stoff zur Vergleich- ung. Dies Lexicon unterscheidet sich also durch die herbeigezogenen Sprachen wesentlich von dem andere Zwecke verfolgenden fleissigen und verdienstlichen Etym. W.B. von Vanicek. Herrn Z. ist es mehr darum zu tbun , die fremden Verwandten des lateinischen Wortes aufzuführen als die lateinischen; so ist denn sein Lexicon dem Material nach auch verschieden von Curtius Grundzügen , welcher bekanntlich von jeder verwandten Sprache die formell oder semasiologisch bedeutendsten Vertreter auswählt, um daran literarische Nachweise und Raisonnement zu knüpfen. Das Aeussere des vorliegenden Werkes erinnert agegen in seiner Anordnung mehr an die Fülle von Benfey's W.L. und von Diefenbachs got. Glossar, nur hält es sich in engeren Rahmen und ist daher übersichtlicher, stellt auch nicht wie die eben- genannten eine Wurzel an die Spitze, sondern benützt diejenigen lat Wörter, welche eine Erklärung finden sollen, als Lemmata.

Für wen ist nun das Buch bestimmt? Eine Introductio enttäuscht uns insoferne, als sie nichts enthält als vier kurze Abschnitte: I. Com- pendia scribendi (besonders Chiffern für die öfter angeführten Autor- namen und Werke). U. Literae quaedam vulgo parum notae expli- cantur, aber nt h e. ta, d> h. e. da, gh.e.scha" führt den Laien ent- schieden irre ; ' über letzteres vgl. jetzt Ascoli fonologia compar. p. 38 ff. 50 ff. III. Cotrigenda (unvollständig). IV. Delenda. In dem ersten Abschnitt sollten übrigens genauere Angaben sein als z. B. Fl. = Fleckeisen , H. Heyne ; Leo Meier sehreibt sich mit y und Referent mit ie.

Dass das Buch nicht blos für Sprachforscher bestimmt ist, lässt sich aus manchen elementaren Nachweisungen scbliessen und man kann ja mit Empfehlung einiger Vorsicht (brevis esse laboro: obscurus fio) dasselbe auch z. B Gymnasialschülern recht wol in die Hände geben ; der Kundige versteht natürlich leicht die Meinung des H. Verf., der Anfänger wird in manchen Artikeln zweifelhaft sein (lar , ma?ies, pruina, vester) und muss sich eben achtsam erst einlesen.

Die Anordnung der Artikel ist alphabetisch, jedoch nicht etymo- logisch, denn sonst müsste manches Wort einem anderen Artikel einverleibt werden, auf den jetzt nur verwieseu ist. Dies ist jedenfalls des bequemeren Nachschlagens wegen geschehen, weil sonst auch ein index latinus nötig wäre. Was die Auswahl der Artikel betrifft, so

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sind Wörter vom alten Latein an bis herab znr Vulgata (leunculus), gelegentlich auch noch andre cf. eabolus und cojus als Lemma, para- fredus S. 85, aufgenommen ; ein Princip der Auswahl hat Referent nicht finden können, es fehlen nämlich viele Wörter: Vollständigkeit war alao nicht angestrebt ; es scheinen vorwiegend solche aufgeführt 211 sein, über welche der Hr. Verf. Selbständiges oder Neues beibringen wollte, und dessen findet sich in der That gar vieles Interessante.

Wenn dem Anfänger gleichfalls wirklich gedient sein soll, so w&re doch ratsam, etwas vollständiger die lateinischen Wörter zu geben; leicht könnte man Artikel wie „suovelaurilia cf /torpe^o/zvo/*«/*«*' oder Yiie'clyster darum hingeben. Das letztere scheint seine Aufnahme fast dem BedQrfniss zu verdanken, bei dieser Gelegenheit Qber Suffix rij'p, rutQ, tvq zu belehren. Es finden sich nämlich ausser dem Reich- tum von Heiegen, welche insbesondere auch die Bedeutungsentwicklung vielseitig beleuchten und so einen wichtigen Bestandteil des Werkes ausmachen, auch gelegentliche Bemerkungen Qber die Entstehung der Flezionssuffixa z. B. unter abs, tu, ego, und nicht minder werden die Wortbildungssuffixa geflissentlich erläutert. Dies ist neben der Erklärung einer sehr grossen Zahl von Eigennamen aus den verschiedensten Sprachen, insbesondere auch von mythologischen, ein sehr bedeutendes Kebenergebniss der aufgewendeten Arbeit. Freilich tritt auch hiebei wie anderwärts ein gewisser Mangel an Uebersichtlicbkeit in Folge der Fülle hervor. Die semasiologischen Excurse , welche den Artikeln oft einverleibt sind und mitunter von der Hauptsache etwas ablenken, so dass wol einmal der Hr. Verf. selbst mit einem Sed redeamm ad (zum Lemma nämlich) wieder einzulenken nötig findet, sind der Sache nach, wie schon bemerkt, sehr verdienstlich, aber es wäre doch zu wünsohen, dass bei einer neuen Auflage durch kleineren Druck oder die Form von Anmerkungen , Parenthesen oder sonstwie die Ueber- sichtlicbkeit erleichtert würde, wie auch duroh Anwendung der Cursive zur Unterscneidung des Contextes von blossen Beispielen. Darlegungen wie die über Flexionssuffixe würden wol noch besser in einen besonderen Anhang verwiesen ; die wortbildenden Elemente sollten auch regelmässig als Lemmata aufgeführt sein ; manche sind in anderen Artikeln geradezu versteckt, so scheint - tfnus nur unter nuper, trum unter muletrum, dagegen Unus, ivus gar nicht erwähnt zu sein. Unter idus wird auf timidus verwiesen , das ausnahmsweise in Art. timeo steckt und hier wird idus „ut x>ideturli mit skr. itas griech. cro? gleich- gesetzt* Manches liesse sich auch vereinfachen, wenn ein Derivatum unter das benachbarte Primitivum u dgl {regio unter rego) eingereiht wäre (wie timidus). Der bekannte Uebergang des s zwischen Vokalen in r (generis, amaverim) wird doch auf seltsamem Umweg durch alt- nord. reri ex resi = remigavi erläutert h>. 301 findet sich eine Zeile (virga) als Dittographie.

Bisher war nuu von formalen Seiten des Buches die Rede, welche in einer zweiten Auflage (vielleicht durch eine reicher ausgestattete Officio) praktischer eingerichtet werden könnten.

Bezüglich des materiellen Teils muss nun constatirt werden, dass der vielseitig gelehite Hr. Verf. es verstanden hat, nicht blos Anfängern und Geübteren, sondern auch Forschern eine reiche Fülle von Belehrung und Anregung zu geben; die mit Bienenfleiss zusammengetrageneu Artikel des überreichen Buchs, dem man seinen Reichtum äusserlich kaum anmerkt, sind auch wo man anderer Ansicht huldigt, immer anregend. Dass bei solcher Fülle nicht alles unanfechtbar ist, liegt in

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der Natur der Sache, an mancher Stelle wird man wol ein Fragezeichen an den Rand Betzen müssen und so will der Referent einige der Beinigen hier zum Schlüsse zur Erwägung vorlegen, mit dem Wunsche, dass der fleissige und scharfsinnige Hr. Verf. recht bald in di ange- nehme Lage kommen möge, in einer zweiten Auflage seines iii.ches davon etwa Gebrauch zu machen.

Der Artikel „augur cogn. augustus. Gr. V 691 b. Augua- ex avi-gus der Yogelkieser. cgn. jush = kiesen von gusto" ist trotz Grimms Autorität sehr zweifelhaft; denn der Vogelflugdeuter ist doch kein Vogelwähler. Wenn Max Müller Vöries, üb. d. VV. d. $pr. 11228 das Wort von W. gar, gr schreien (garrio yijQvs girren etc.) ableitet, so könnte man augur als n. Vogelschrei sich gefallen lassen und augura pU bei Attius könnte eine Stutze zu sein scheinen, allein ein ma8c. würde eben nur einen Vogelschreier ergeben, was doch ebenso- wenig zu brauchen ist. Vanicek macht auf die durch Prisciau über- lieferte altlateinische Nebenform aufmerksam: au~ger; er erklärt „der heilige Vögel zur Weissagung hält und beobachtet". Referent kann freilich trotz der tripudia diese Erklärung von gerere nicht sehr stich- haltig finden ; ohnedies drehen wir uns hier im Kreise, wenn Corssen Ausspr. II 202 Recht hat , dieses auger selbst nur für Entartung aus augur oder augor zu erklären. Allein es fragt sich , ob dies Wort wirklich mit aves zusammenhängt und hier könnte der Vergleich mit augustus (vgl. venustus von venus) auf ein augua augur oder augor führen, das aus der Wurzel ug erwachsen konnte; skr. (vgl. Curtius N- 1&9) o.jas Kraft, ugras gewaltig , so dass augur vielleicht als der Starke und Mächtige bezeichnet wäre? Eine regelmässige Erklärung der zweiten Hälfte, wenn man au-gur teilt, scheint nicht möglich.

Unter litera ist richtig bemerkt: cgn. skr. lina das Ankleben; ein Hinweis auf linea ist nur vergessen; dort ist das Stammwort Itno richtig erwähnt, freilich nur, um dann, wie öfters, ein«' minder wahr- scheinliche Etymologie zur ersteren hinzuzufügen, bis ist aber litera so gut wie obliteratua , oblitus , oblivio nebst Ittus 4. Deel , litura, obh'tus, olle vi etymologisch zu Uno gehörig, während das vom Herrn Verf. nicht behandelte litus {litoris) nicht mit Vanitfek zu linea, sondern mit Pauly zu xluve zu stellen sein dürfte.

Marc soll nach B. R. „die Welt des Sterbens" sein und somit zu mori und marcere gehören: hier ist die Kürze wieder dunkel, auch wäre besser als Gewährsmann Curtius in Kuhn's Zeitschr 1,33 genannt, und dann nach Art von Vanicek mit G. Curtius G. Z.4 353 eine vermittelnde Erläuterung der Verwandtschaft mit marcere beigefügt. Es will übrigens trotzdem nicht natürlich erscheinen, dass die Haupt- bezeichnung des Meeres von dem Wrelken d h. 1) vor Durst umkommen, oder 2) Mangel der Vegetation hergenommen sein ßollc. Referent möchte doch lieber an fiv^u) anknüpfen, dessen Grundbedeutung Strömen ist, daher vielleicht auch /avqioi stammt, jedenfalls (aoq-^vq-ü> sehr strömen, rauschen, wozu dann slav. more {po-more Pommern, kelt. Ar •mor-icai fränk. Mer-ouwe u. s. f. gehören würden.

Hitor wird mit ahd. hneg-enti nitens verglichen; cgn. nicto', unter diesem wird goth. Jineivan ahd. hniga neigen erwähnt; allein es ist wol bei nltor (vgl. co-nüi und e-nixa) eher mit Corssen an eine Ableitnng von genu zu denken: mit den Knieen sich stemmen, dann sich anstemmen, klettern, endlich allgemeiner: sich anstrengen, streben. Davon würde meto: und seine Verwandten natürlich zu trennen sein.

Prosper wird nur mit skr. und slav. Wörtern verglichen und dazu pro-spe-ritas (sie) gestellt unter Verweisung auf Fick, welcher

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dem Ref. nicht zur Hand ist. Dem Ref. ist es von jeher so erschienen, als ob auszugehen wäre von proapere Die bei Enniua und Varro er- haltenen Casus sperea und aperibua legen die Vermutung nahe, dass z. B pro spere res procedit bedeutete: Der Erwartung entsprechend günstig; dann konnte nach Analogie von proconaul aus dem geläu- figen proapere (wie v.i£qhoqos « aus vucq uoqov) ein Nominativ, schwankend wie puer und puerua , proaper und proaperua , entstehen oder, wol eher noch, direct aus dem Nomen (nicht aus aperare) jedoch nicht ohne Eintiuss des Präpositionalausdruckes gebildet werden, wie ivaiouiu; nach tv «tau, na^ävouot nach nttori vouav u. a Ueber die Etymologie von apes selbst spricht G. Curtius G Z.* G94 eine Vermut- ung aus, die weit von skr. aphdra abliegt.

Unter pania wird ausser „messap. ?r «ro? c^n. Paw (besser : cf poaco) skr. panaaa, dann apanage und panicum erwähnt. Dass es, wie schon Varro berichtet, von paaco stamme, könnte in aller Kürze erwähnt werden.

In peeco = peco ist das zweite c nicht erklärt; vielleicht hat Pauli K. Z. 18, 35 Recht, mittels eines pedus (vgl. pejor , peaaimua peaaum) an skr. pädyate er kommt zu Fall, anzuknüpfen.

Ueber quum wird der doch ungenügende Ausschluss gegeben: == quam; acc. ntr. Bf. (Benfey). Und doch ist des Ref. Abhandlung „die Conjunction quom" in der Introductio angeführt. Quom fehlt, unter cum ist mit Recht nur von der Präposition die Rede.

Satellea ist durch „aatdlyat , aatasyant von eamtarämi = x*iq<o Corss." nicht genügend erklärt. In Ausspr. II* 210 erklärt Corssen das Wort ans dem Demin. aatulo~ von W. aat mitgehen; wenig wahr- scheinlich: Näher liegt (ebenfalls mit Corssen, wenn Ref. nicht irrt) aa-tell-ea zu teilen wie mil-ea, ped-es, equ-ea, und es abzuleiten von skr. tili, til gehen, sich bewegen (allerdings verwandt mit tardmi), so dass aa-tell-itea wörtlich dasselbe wie comitea bedeutet.

Tellua, wozu aubtel Fussfläcbe mit Recht gestellt ist, bezeichnete wol ursprünglich überhaupt eine Fläche, einen Raum; daher medi- tull-ium (zusammengesetzt wie franz milieu) Mitte. Dazu mag das angeführte tj?M« (Nebenform aylia) gehören; aber die gena Tullia und TJ?*e, rtjXov liegen jedenfalls ferne. Wollte man mit B.R. der Wurzel noch weiter nachgraben, so würde wol anstatt atar aterno, vielmehr atar arsgeos , orrtQtt , sterilia (öfters Beiwort von tellu8), atarr zu vergleichen sein; freilich müsste dann im skr., wo talam Otters in Compositis blos als Raum erscheint (nabhaa talam) diese Grundbedeutung früh erloschen sein.

Unter via wird die altüberlieferte Ableitung von vehere zuerst gegeben , dann fortgefahren : quamqitam vox viae trahi poteat ad [deri- vata eaae de] skr. witcaydmi eo, agot unde (d. h. von ago) ajani f. via trita. Allein die Ableitung von vi I, pf. viväya liegt doch ferner; s. Grassmann WB. zum R.V.pg. 1312. 1314; die erstere ist ausreichend: G. Curtius G.Z.« 192

Unter veto wird zwar das alte voto (Plaut.) erwähnt, dann aber gesagt: cohaeret c. germ md ge-wet-an conjungere. Allein vom Ver- binden zum Verbieten ist doch ein weiter Weg; letzteres müsste ja eher ein Trennen oder Abhalten sein. Die Nebenform vetuere und die tribua Veturia weist auf vetua hin, so dass vetuere = antiquare auf- heben , dann verbinden ist , wie 0. Keller in N. Jbb. 107 , 602 dargelegt hat

In „veaper =. ianioa cgn. der West von skr. vasati f. das Ueber- nachten, die Wohnung" bleibt die zweite Hälfte des Worts unerklärt.

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CurtiuB nimmt die Urform vas-karas an, dies würde auf die Bedeutung: Umhüllung (Nacht) machend führen; vgl. C6(pog und Ct'tf vQog wegen West.

Ve-stibulum, ubi stare solebant etc. lässt das ve- unerklärt; es ist wol (mit Keller a. 0.) der Platz des heiligen llcnlfeucrs Vesti- hulum (von Vesta = iaria) ~ atrium. l>ieses selbst aber düifto mit zend. ätar Feuer zusammenhängen.

Zweibrücken. Autenrieth.

Ein Votum, betreffend die Reorganisation unserer Go werbschulen. Von Rektor F. Mann in Kitzingen. Separatabdruck aus der „Gemein- nützigen Wochenschrift" 1875. Würzburg. Tb ein.

Dieses Votum unterstützt auch die Ansicht derer, welche mit der Broschüre „der Realunterricbt in Prcussen und Baiern(i eine mehr als vierkursige und früher als mit dem 12. Lebensjahre beginnende Real- schule für dringend geboten erachten. Es will auch eine vierkursige Unterrealschule und zwar für 11— 15jährige Schüler, während es für die Altersstufe 10 11 eine fakultative Vorbereitungsklasse einräumt Die Oberrealschulc für 15 17jährige Schüler würde auch nur in einem Teile der mit Unterrealscbulen versehenen Städte zu errichten sein. Aber Mann will die Oberrealscbule nicht als Vorschule, sondern als Parallelanstalt zur Industrieschule gelten lassen , während nach unsererer Ansicht wenigstens die „ordentlichen" Schüler der Industrie« schale die volle Realschule durchzumachen hätten, um dann mit dem Absolutorium der Industrieschule versehen wie die Absolventen der beiderlei Gymnasien auf technischen Staatsdienst, auf einschlägige Lehrämter, auf Oftiziersstellen etc. adspiriren zu können.

In dieser Sorglosigkeit um die Industrieschulen müssen wir den schwachen Punkt des von Mann vorgeschlagenen Systems erblicken. So wird, um noch zu zeigen, dass wir die Schrift mit Aufmerksamkeit und mit grossem Interesse gelesen haben, nur einmal im Vorbeigehen gesagt: „Sollte, was kaum ausbleiben wird, später der Industrieschule ein drittes Schuljahr angefügt werden, so wäre entsprechend auch die Oberrealschule zu einer dreikursigen zu erweitern4'. An einer anderen Stelle wird der Behauptung gegenüber (die nur von Professoren des Polytechnikums herrührt und herrühren bann), dass sich die Industrie- schulen als Vorbereitungsanstalten zum Polytechnikum trefflich bewährt hätten, durchblicken gelassen, dass die vorgeschlagenen Oberrcalschulen diesen Zweck besser erfüllen würden, und nicht zugegeben, dass den Industrieschulen „das Privilegium dieser vorbereitenden Aufgabe auch dann noch gesichert bleiben mflsste , wenn Gkursige Realschulen im Sinne unseres Vorschlages vorbanden wären". Dass biemit der geehrte Verfasser nach Utopien geraten ist, braucht für Kenner der Verhält- nisse des Polytechnikums und der Industrinschule, beziehungsweise deren organischer Bestimmungen , nicht auseinandergesetzt zu werden. Auf das Detail des vorgeschlagenen Stundenplanes endlich soll aus denselben Gründen nicht eingegangen werden , aus welchen auch die Lehrerversammlung zu Ostern in München hierauf verzichtete, solange die Grundlinien der neuen Realschule nicht festgestellt sind.

A. K u rz.

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Eine andere Stimme über das „Votum" sagt:

Das Votum von Rektor F. Mann liefert zur Reorganisationsfrage der Gcwcrbschulen sehr schätzenswerte Beiträge, und müssen wir vor Allem das, was der Herr Verfasser über das spätere Eintrittsalter und die damit zusammenhängende gesteigerte Leistungsfähigkeit der zu schaffenden Realschulen sagt, als einen Fortschritt gegen anderweitige Vorschläge begrüssen. Bezuglich des späteren Eintrittsalters von 11 Jahren hebt der Verfasser mit Recht hervor, dass für die Fächer, in welchen der Schwerpunkt der realistischen Bildung liegt, auch schon beim Betrieb der ersten Elemente das Verständniss die Hauptsache ist und mithin die Altersreife eine sehr bedeutsame Rolle spielt. Für's zweite, weil damit die überwiegende Mehrzahl der Gewerbschulen , welche in vier kl assige Realschulen umzuwandeln wären , in ihrem Bestände nicht alterirt würden, während bei einem Schülermaterial von 10— 14 Jahren die Leistungsfähigkeit und das Ansehen derselben bedeutend sinken, daher die Einführung solcher Unterrealschulcn gleichbedeutend mit einer Degradirung der ineisten Gewerbschulen sein würde. Wir stimmen dem Verfasser vollkommen bei , wenn er sagt , dass gegenüber der dreikursigen Gewerbschule mit Schülern von 12 15 Jahren nur die vierklassige Realschule mit 11 15jährigen Knaben, nicht aber die mit 10 14jährigen ein Fortschritt ist, und dass sich unsere Bevölk- erung durch die Gewerbschule an die Zeit bis zum Ifiten Jahre gewöhnt hat. Wenn es im Weiteren heisst : „An dieser Errungenschaft müssen wir unbedingt festhalten , hinter diese Linie dürfen wir nicht zurückgeben, wollen wir uns nicht in einen Rückschritt hineinorganisiren, wollen wir nicht einen hochwichtigen Erwerb preisgeben , wollen wir nicht, dass ein Teil des bereits zinstragend angelegten geistigen Nationaleigcnthums in todtes Kapital verwandelt werde" , so wird dies sicherlich Allen denen , welche einen gedeihlichen Ausbau unserer Gewerbschulen, nicht aber eine Degradirung derselben wünschen, aus dem Herzen gesprochen sein.

Als Ergänzung der vierklassigen Realschulen würde eine zwei- klassige Oberrealschule dienen. Hier wird sicherlich bei Manchen die Befürchtung aufsteigen , dass eine derartige mit der Industrieschule gleichlaufende- Anstalt der letzteren eine merkliche Conkurrenz bieten würde. Der Verfasser glaubt dies nicht, er ist im Gegenteil überzeugt, dass die Gründung von Oberrealscbulen die Wirkung haben würde, die Gesammtz'abl derer, welche eine weitergehende realistische Bildung anstreben, zu erhöhen und weiter, dass die Conkurrenzverhältnisse der Industrieschulen besser gewahrt sind, wenn dieselben aus circa 40 Unter- realschulcn gespeist werden, ah wenn sie sich lediglich auf 10 12 secbsklassige Realschulen angewiesen sehen. Hiebei drängt sich uns unwillkürlich die Frage auf, ob es, um allen berechtigten Wünschen nachzukommen , nicht zweckmässig wäre , an unseren Industrieschulen allgemeine Abteilungen zu errichten, welche das Pensum der Oberreal- schulc zu erledigen hätten. Dies hätte noch einen nicht zu unter- schätzenden Vorteil im Gefolge, nämlich den grösserer Billigkeit

Sind wir bisher mit den Ausführungen des Herrn Verfassers fast durchweg einverstanden, so ist dies nicht in gleichem Masse der > all bezüglich des von ihm aufgestellten Lehrplanes. Wir glauben nämlich, dass man aus letzterem allzusehr den Mathematiker herausfühlt, tlenn was zunächst ins Auge fällt, ist wol eine Utberladung mit Mathematik. Es ist ja selbstverständlich, dass in der Realschule die mathematischen

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Fächer in den Vordergrund zu treten haben, aber 27 Stunden in der vierklassigen und 45 in der sechsklassigeo Realschule dürfte denn doch etwas zu weit gegangen sein. Ob man schon in der zweiten Klasse , also bei 12jährigen Knaben , mit Algebra und Planimetrie, auch Physik kommt bereits dazu , anfangen kann , möchten wir fast bezweifeln , glauben hingegen , um nur eines zu erwähnen , dass auf Kosten dieser Gegenstände ein zweistündiger Schönschreibeuntcrricbt für dieses Alter mehr am Platze wäre Auch in den Naturwissen- schaften , mit Ausnahme der Katurgeschichte , wird zu viel verlangt Der Physik in der zweiten Klasse wurde bereits Erwähnung gethan, dazu kommt in der dritten Klasse , also mit dem 13 Jahre , noch Chemie. Ein Vergleich mit dem in der Brochüre „Der Realunterricht in Preussen und Bayern" angegebenen Lehrplan ist gerade hier von Interesse. Was dort fQr Naturwissenschaften zu wenig, erscheint hier als zu viel. Der goldne Mittelweg dürfte wol auch hier das Richtige treffen. Ist für die genannten Fächer ein allzureichlichcr Raum bean- sprucht , so vermissen wir dagegen etwas , was uns allerdings auch in der Brochüre „Der Realunterricht in Preussen und Bayern" als eine Lücke auffiel , nämlich eine gebührende Würdigung der ästhetischen Aufgabe der Realschule, wir meinen eine gebührende Berücksichtigung des Zeichenunterrichts Wir haben bereits an einer andern Stelle*) unser Bedauern ausgesprochen, dass bei einer so hochwichtigen An- gelegenheit, wie die Reorganisation der Gcwcrbschulen das auf aner kanut hoher Stufe stehende Realschulwesen Oestreichs gänzlich ignorirt worden ist, und wir müssen dasselbe bei dieser Gelegenheit wieder- holen. Wir sind nämlich der Ansicht, dass die östrcichischcn Real- schulen weit besser organisirt sind und gerade für unsre süddeutschen Verhältnisse eher als Muster aufgestellt werden können , als die preussischen und schweizerischen. Oestrcich , das uns in technischer und kunstgewerblicher Beziehung eingestandener Massen überlegen ist, widmet, durchdrungen von der grossen Wichtigkeit des Gegenstandes, dem Zeichnungsunterricht an seinen Realschulen eine weit grössere (die doppelte) Stundenzahl, als dies nach den erwähnten Lehrplänen bei uns der Fall sein würde. Wenn nicht abgeleugnet werden kann, was uns so häufig von kompetenter Seite gesagt wird , dass die Kunst in der Erziehung des Volkes fehlt, so wäre es doppelt zu beklagen, wenn an Anstalten, die berufen sind in bescheidenem Masse dazu bei- zutragen, diese Lücke auszufüllen, wenn, sagen wir, an solchen Anstalten auch noch dieses Wenige verkümmert werden sollte, was dieselben bis- her in dieser Richtung zu leisten befähigte Dies wäre aber der Fall, wenn im Sinne der erwähnten Lchrpläne vorgegangen würde. Man könnte doch wol billigerweise erwarten , dass das Pensum und die Stundenzahl für den Zeichnungsunterricht der dreikursigon Gewerb- schule ohne Verkürzung auf die vierklassige Realschule verteilt werde, von einer Vermehrung gar nicht zu reden. Gerade in der vierklassigen Realschule mit Schülern von 11 15 Jahren darf mit den Anforder- ungen im Zeichnen nicht unter das Pensum der dreikursigen Gewerb- schulen herabgegangen werden, denn einerseits würde dies eine Benach- teiligung der gewerblichen Interessen im Gefolge haben, weil von hier aus die meisten Schüler in's Gewerbe übertreten, andrerseits aber auch

•) Augsb. Abdztg. 1875, No. 240.

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die Leistungsfähigkeit der Industrieschulen beeinträchtigen. Wir wiederholen also, es würde dies ein Rückschritt sein, denn gerade die Realschule muss dazu beitragen, dass sich die Kunst die Gemeinschaft der Wissenschaft und damit ihren Einflu9s sowol auf die Industrie, als auf die Volkserziehung gewinne Lässt sich demnach dem vorliegenden Lehrplan eine gewisse Einseitigkeit nicht absprechen, so glauben wir doch, dass derselbe allen billigen Anforderungen genügen würde, wenn Mathematik and Naturwissenschaften, letztere mit Ausnahme der Natur- geschichte , zu Gunsten des Zeichnungsunterrichtes, und wol auch des Deutschen und Schönschreibens eine entsprechende Roduktion er- leiden würden.

D. P.

Literarische Notizen.

Lateinische Stilistik für die oberen Gymnasialklassen von Dr. Aug. Haacke. Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1875. 368. Pr. 4 AI. Das Werk, 18G7 ah grammatisch - stilistisches Lehrbuch für den Int. Unterricht in den oberen Gymnasialklassen erschienen und damals bestimmt, die Ellendt- Seyffert'sche Gramm, auf stilistischem Gebiete zu ergänzen , erscheint jetzt unabhängig von dieser Gramm, in um- gearbeiteter Auflage. Indes ist auch hier die Stilistik nicht von der Grammatik geschieden , vielmehr im innigen Anschluss an dieselbe behandelt. Das Material ist sehr reich, so reich, dass das Buch dem Privatflei8s der Schüler überlassen werden muss; nach unseren ilcr- maligen Einrichtungen wenigstens wäre nicht abzusehen, wie man auch nur die Zeit finden sollte, es als obligates Lehrbuch in der Schule durchzuarbeiten. Dass auch hier wieder die Angabe der Stellen für die Beispiele unterblieben ist, wird kaum allgemeine Billigung finden.

Lateinisch - deutsches Schulwörterbuch. Von Fr. Ad. Hein ich en. Dritte umgearbeitete und vielfach verbesserte, sowie vermehrte Auflage. Leipzig, Teubner. 1875 Die neue Auflage ist noch weiter und konse- quenter vorgegangen in Bezug auf neuere allgemein als richtig aner- kannte Orthographie, ausserdem wurde nach Inhalt und Umfang vielfach verbessert und ergänzt, so dass das Buch, welches für die Lektüre der Gymnasialscbrift8teller und selbst darüber hinaus vollkommen ausreicht, an Brauchbarkeit wieder gewonnen hat.

Griechisch - deutsches Schulwörterbuch von Dr. Gust. Ed. B e n s e 1 e r. Fünfte verbesserte Auflage besorgt von Dr. J. Rieckher. Leipzig, Teubner 1875. Die neue Auflage ist auf Grund umfassender eigene! Lektüre des Verfassers vielfach berichtigt und ergänzt. Das Buch erstreckt sich bekanntlich auf alle in der Schule zu lesenden Klassiker und (aus guten Gründen) auch noch auf das Neue Testament, und kann nach Anlage und Ausführung Gymnasialschülern bestens empfohlen werden.

Uebungsbuch zum Ucbersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische für Tertia im Anschluss an die gebräuchlichsten Grammatiken, besonders an die von Ellendt -Seyffert , von Dr. Herrn. Warschauer. Jena, Ed. Frommann 1876. 188 S. in 8. Das Buch enthält zunächst eine ziemliche Anzahl zusammenhängender Uebungsstücke zur Wiederholung

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der Kasuslehre mit Einschluss der Präpositionen, dann über die Syntax des Verbums in entsprechenden Abschnitten teils Satze, teils wieder zusammenhängende Aufgaben, endlich wieder eine erkleckliche Anzahl zusammenhängender Stücke zur Einübung der ganzen Syntax. Koten unter dem Text sind nicht angegeben ; die wenigen Bemerkungen, welche am Schlüsse folgen, sowie das Wörterverzeicbniss schützen kaum davor, dass die Anforderungen für die angenommene Unterrichtsstufe mitunter zu hoch gestellt erscheinen.

Lateinische Metrik und Prosodik. Für die Schule zusammengestellt von Dr. Konrad Bock. Berlin, Weidmann. 1875. 112 S. in 8. Will die Resultate der neueren metrischen Forschungen für die Schule nutzbar machen.

Piatonis Phaedo. Recetisuit , Prolegomenis et comwentariis in- strxixit Martinu8 Wohl r ab. (Vol. L Lekt. II. der Stallbaum'scben Ausgabe, in 5ter, wesentlich veränderter Aufl ). Leipzig, Teubner 1875.

Griechische Mythologie von L. Preller. Zweiter Band. Die Heroen. Dritte Auflage von E. Plew Berlin, Weidmann. 1875. 537 S. in 8. Pr. 5 M. Vgl. IX. S. 74. Der zweite Band enthält auch das Register.

Kurze pragmatische Geschichte der Philosophie von Chr. A. Thilo, Oberkonsistorialrat. Erster Teil. Geschichte der griechischen Philo- sophie. Cöthen, Otto Schulze 1876. 305 S. in 8. Den zweiten Teil hiezu bildet die vor zwei Jahren erschienene Geschichte der neueren Philosophie (6 M.). Die Principien, nach denen der Verf. gearbeitet, sind hier und dort die gleichen, nur sind die erläuternden und kri- tischen Bemerkungen bei der griechischen Philosophie mehr als bei der neueren in die Darstellung der philosophischen Systeme verwoben.

Thukydides erklärt von J. C lassen Dritter Band. Drittes Buch. Zweite Aufloge. Berlin, Weidmann. 1875.

Herodotos erklärt von Heinr. Stein. Fünfter Band. Buch VIII uud IX Namenverzeichnis8. Mit zwei Kärtchen von Kiepert. Dritte vielfach verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875.

Tili Livi ab urbe condita libri. Erklärt von W. Weissenborn. Neunter Band. Erstes Heft: Buch XXXIX. XXXX Zweite verbesserte Auflage. Berlin, Weidmann. 1875.

Priebatsch, Allgemeiner Lehrmittel -Katalog Breslau, 1876 5. mit Rücksicht auf höhere Lehranstalten bedeutend erweiterte Aufl. Pr. 1 M. Die neue Auflage ist durch Ergänzung und sorgfältige Berücksichtigung der neuesten Lehrmittel um mehr als die Hälfte erweitert worden.

Deutsches Lesebuch für die Unterklassen höherer Lehranstalten von Dr. J. Buschmann. Zweite Abteilung (Quarta, Tertia). Münster. Ad. Rüssel. 1874. 590 S in 8.« Pr. 4', M. Wie im ersten Teile (s. X S. 103) rücksichtlich der Auswahl und Anordnung d<'8 prosaischen Lesestoffes besonders auf den mündlichen Vortrag Rücksicht genommen ist, so hier auf den „Aufsatz". Der poetische Teil enthält eine reiche Auswahl der anerkannt edelsten und besten Schöpfungen auf dem Gebiete der deutschen Nationalliteratur. Die ganze reichhaltige Sammlung darf zu den besseren dieser Art gerechnet werden.

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Lebren der Weisheit und Tugend in auserlesenen Fabeln, Erzähl- ungen, Liedern und Sprüchen. Herausgegeben von Dr. Karl Wagner. 26. vermehrte und verbesserte Auflage. Leipzig, E. Fleischer. 1875. Auch ein Lesebuch, nur nicht zunächst für die Zwecke des deutschen Unterrichtes, sondern der ethischen Ausbildung zusammengestellt.

E. A. Hahn's althochdeutsche Grammatik nebst einigen Lesestücken und einem Glossar. Herausgegeben von Adalb. Je'itteles. 4. wesent- lich verbesserte und vermehrte Auflage. Prag, Tempäky. 1875. 152 8. in 8.

Deutsche Aufsätze verbunden mit einer Anleitung zum Anfertigen von Aufsätzen und 275 Dispositionen , vorzugsweise für die oberen Klassen der Gymnasien und höherer Lehranstalten von Jos. Venn. 9. umgearbeitete Aufl. Wiesbaden. 1875 Verlag von Ad. üestewitz. Bd. V S. 236 f. dieser Blätter ist auf dieses Buch in seiner dritten Aufl. aufmerksam gemacht; seitdem ist dasselbe von 193 S. auf 361 angewachsen und um 125 Dispositionen reicher geworden. Es hat aber nicht bloss an Umfang, sondern auch an innerem Werte wesentlich gewonnen.

Dispositionen und Materialien zu deutschen Aufsätzen über Themata für die beiden ersten Klassen höherer Lehranstalten. Von Dr. L. Chol e vi us. Zweites Bändchen. 6. verbesserte Aufl Leipzig, Teubner. 1875 302 S. No 3. 18. 23 49. 69 sind durch passendere Themen ersetzt, ausserdem sind am Schluss 12 neue angehängt.

Historischer Atlas von Carl Wolff. 18 Karten zur mittleren und neueren Geschichte, in 3 Lieferungen ä 3 M. Preis der einzelnen Karten 80 Pf. Berlin, Verlag von Dietrich Reimer. 1875. Die vor- liegende erste Lieferung des eine Art Fortsetzung des Kiepert'schen Atlas antiquu8 bildenden Werkes enthält 6 Karten: N. 1) Europa um das Jahr 500. N. 11) Mitteleuropa nach dem westfäl. Frieden. N. 12) Europa im Jahre 1721. N 14) Deutschland im Jahre 1789. N. 15) Deutschland im Jahre 1806. N. 16) Mitteleuropa im Jahre 1812. N. 11. 14. 15, teilweise auch 12 , sind in Folge zu massenhafter Details weniger gut übersichtlich und leserlich.

Spanien und Portugal. Schulwandkarte von Dr. C Arendts. Verlag von Franz Halbig in Miltenberg. Preis 8 M. Die Karte ent- spricht in Hinsicht auf Zeichnung und Kolorierung den Anforderungen per Schule, sie ist auch in grösserer Entfernung noch gut sichtbar, im Einzelnen freilich könnte hie und da mehr Sorgfalt gewünscht werden.

Auszüge. Zeitschrift für d. Gymnasialwesen. 10.

I Ein französisches Urteil über unsere Art und Weise durch den Unterricht den Patriotismus der Schüler zu erwecken. Von Dr. E. Meyer. (Der Franzose, H. Michel Breal, Professor am College de France, findet, dass in Deutsehland (Prenssen) der Unter icht ein energisches „Ensemble" von Massregeln bilde, um die Seele des Schülers ganz und gar mit der Idee des Vaterlandes und des Staates (zu erfüllen). Ueber den Zusammen- fall von Hochton und Vershebung in den beiden letzten Versfüssen des Hexa- meters. Von Dr. Schulze. (Im Anschluss zunächst an die Kontoverse

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zwischen Corssen und Ritsehl konstatiert der Verfasser, dass die romischen Dichter der klassischen Zeit mit Ausnahme von Virgil und Horatius den Widerstreit zwischen Hochton nnd Versuchung am Ende des Hexameters im ganzen selten und zwar nur nach bestimmten Kegeln zugelassen haben, nämlich 1, bei Eigennamen, 2, beim vers. spond. 3, bei enklit. Wörtchen, und 4, bei que ).

Jahresbericht: Caesar v. Müller (Schluss ).

11.

I. Homerische Etymologien. Von Dr. Ant. Göbel. "ExttTos, IxqßoXoc, ixfir>i,i6Xog , txaTrrfsXirqg , ixa£Qvo$ : angenommen wird ein Neutral subst. to ixoi -z Pfeil. v>]dvfjosi auf yrj -f- a<f (insatiabilis) zurückgeführt. Beiträge zur Erklärung der Vergil Von Dr. Bentfeld. Uebor die Ablativ- formen capiti, latcri, silici bei Vergil. Zu Aen. VII. 7fil (puleherrima hello zu verbinden ). XII. 88 (habendo ist Ablativ, indem er handhabt) XII. 101 f. totoque ardentis ab ort Scintillae absistunt soll ein nicht von Verg. herrührendes Einschiebsel sein.

Jahresberichte: Lysias. Von H. Röhl. Sokrates. Von Jacob.

Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien. 10.

I. Beiträge zur Kenntniss des attischen Theaters. Von Otto Benndorf. VII. (Pansanias I. 20. 1. 2). VIII. (Eine Votivinschrift aus dem Dionysos- Theater) Ein neues Zeugniss für die Echtheit der Isokratischen Rede aus Demonicus. Von J. Wrobel. Im Proemium des Chalcidius an Osius hat eine Handschrift des richtigen Isocrates statt Socrates, nebst den Kom- mentar zum lat Timaeus des Chalcidius; in beiden Fällen bandelt es sich ^ber um Citate aus der Rede an Demonicus.

II.

I. üeber einige wichtige Bestandteile des römischen 1 Hauses. Von Fr. Velis*sky'. Handelt vom atrium, cavaedium und peristylium und ihrem Verhältniss zu einander.

IV. Franz Hochegger (Nachruf). Von K. Schenk 1.

Statistisches.

Ernannt: zum Lehrer für Zeichnen und Modellieren an der Gewerb- schule Ingolstadt der Lehramtskanditat L. Schoenlaub; der Lehrer an der Latein- und Realschule in Kulmbach Merk zum Realienlehrer an der Kreisgewerbschule in Kaiserslautern; zum Lehrer für neuere Sprachen an der Gewerbschule in Kempten der derzeitige Verweser Hornung; zum Realienlehrer an der Gewerbschule in Kaufbeuern der Lehramtskandidat und derzeitige Verweser Micheler; Lehramtskandidat Meincl zum Studienlehrer für Arithmetik in Fürth.

Berichtigungen zu den Seiten 416 419.

Seite 416 Zeile 7 lies d Q statt db. 41? 3 lies Tx statt T. 12 lies „stossen" statt „stossend". 418 15 lies ein Komma statt des Index vor „unter". 419 10 von unten lies c statt h.

=== ^äruckrbel J- Gottvater *¥. "MÄmI ii Mftichon^ TEeÜineratrMM 187

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