IKIIIT

RARY

GtSITY

IFOftNU

Digitized by Google

AETAS KANTIANA

Das kritische Werk Emmanuel Kants, 1724-1804, bedeutet einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Philo- sophie; besser, der Philosophk iiberhaupt. Zwischen 1780 und 1800 liess Kant erscheinen : Die Kritik der reinen Vmtunft, 1781; Die Kritik der praktixhen Vernunft, 1788; Die Kritik der Urteilskmft, 1790; Die Rellgion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft, 1793; Die Metaphydk der Sitten, 1797. Nicht aufgefiihrt sind dabei jene unzahligen Schriften, die dazu bestiinmt waren, die in diesen grundlegenden Werken ausgcsprochenen Prinzipien zu verteidigen.

Kant hatte nicht nur Schiiler und Bewunderer. An Gegnem fehl- te es nicht. Es waren dies vor aliem die Verfechter des Wolffschen und Leibniz'schen Rationalismus. Andererseitz waren es Fichte, Schelling und andere Idealisten, die aus den von Kant aufgestellten Prinzipien die extremsten Forderungen z(^n.

Wenige Perioden waren so fruchtbar an Auseinandersetzungen von Ideen, an Versuchen von Systembildungen. Die Kanfsche Kritik gab den Anstoss zu einer ganzen philosophischen, kritischen und po- lemischen Literatur. Sie ist auch heute noch sehr machtig.

Trotz der verachiedenen und oftmals gegensatzlichen Stromun- gen, die sie charakterisieren, bilded Aetas Kantiam ein unteilba- res Ganzes : etwa die ersten vierzig Jahre der Bewegung. Dieses Gan- ze, diese Aetas Kantiana, besagt eine enorme Literatur. Sie umfasst viel mehr ais die grossten Autoren dieser Epoche, sie seien nun kan- tianisch oder nicht.

Dies ist der Giund, warum es niitzlich, ja notwendig schien, die Werke in eincm mdglischt voUstandigen Corpus zusammenzustellen. Unter dem Namen AeUis Kantiana werden also, im Neudruck, die Originale oder die bestem Ausgaben der reprasentativsten Werke der Kant’schen Aera publiziert werden; mit Ausnahme, wohlgemerkt, der grossen Gesamtausgaben, die leicht zuganglich sind.

IMPRESSION ANASTALTIQUE

CULTURE ET CIVILISATION

1 1 S avenue GabrieI Lebon, Bruxelles 1968

Digilized by Googie

B E YTRA GE

zua

GESCHICHTE

DER PHILOSOPHIE.

HERAUS6EGEBEN

Toa

GEORG GUSTAV FULLEBORN.

TKOnuOK AMt SLI<X8STHAT«in« 18 BnxiX.AU.

•XCHtTX* XTflCK.

kULLICHAU UND FREYSTADT, sn z>xB rnoMKAmmcHXN buchha8di.u8«

X 7 9 i

Digitized by Googie

lOAN STACK

Digitized by Googie

7^/A5

y. 77:3

I n h a l e.

Frigroeote det Parmenidct. Nra geCam*

xnelt, liberfeut und erUutext. Seice i

Vebtr einige Vortheile aut dem Stii>

dium der alten Fhiloroplien. ao3

5, Thf*.

191

Digitized by Googie

S. Tboma* Campanella Ueber die menfch» licbe Eikenntniri. Yoran einige Bemerkungen flber deOelben Phi- lofophie. Seite 1x4

Alles vom Herauagcber,

Digitized by GoogI

Die Gefchichte der alteftcn griechifchen Philofophie wflrde nicht nur weit leich- ter zu bearbeiten feyn, fondcrn auch be- ftimmtere Refultate liefern, wenn alie die, obfchon unvollftandjgen Ueberrefte von den Schriften jener Wcifen gefammelt und kritifch bearbeitet waren. Der Anfang, welchen Henricus Stephanus gemacht hat *) , ift alles Dankes werth : aber ich

« *} Porfit philofophica , Vel faltein Reliquiae po^fla pbilofophicae £inpcdoc1ii« Xmopbania, Parmeui» ti. Sliitk. A

Digitized by Googie

2

brauche dem Kenner nicht erft zu fagen, wie unvollftandig diefe Sammlung ift , und wie wenig Stephanus dem Gefcliichtfchrei- ber der Philofophie ihren Gebi'auch er- leichtert hat.

Es ift fehr mifslich , bch auf die Nach- richten und Urtlieile fpiiterer Philofopben und Literatoren allcin zu verlafTen. Der Fall ift nicht gar fcllen, dafs diefe die Ideen jener Alten nicht vcrftamlen, oder ihrer jedesmaligen Abficlit gomafs deute- ten. Am haufigften ift es gefchehen, dafs befonders die fpiitern Philofophen ihre Vorganger nach ihrein eignen Syfteme be- urtheilten, und, ohiie Riickficht auf Ver- fchiedenheit der Zeit und der Sprache zu nehmen, alies in die Acltern hinein-

dis, Cleautlils, Epicliarini, Timonis etc. i5^7. 8. Vom Parmenides liat er, aiiffer dem StQck» aut Sextus, niir ?i.\ Verfe. S. p, 41 /jO,

Digitized by Googie

3

legten, was fie felbft auf dem Wege der Spekulation gefunden hatten.

Was wOrde nicht z. B. Homer fOr ein wichtiges Kapitel in einer Gefchichte der Philofophie einnehmen , wenn wir ihn bloCs aus Ariftoteles, Plato, Sextus, Sto- haus und andern kennten ! „Homer, wQr- „de es heifsen, lehrte: das Princip des

„Weltalls fey das Waffer *). Er nahm „das Weltall felbft fUr begranzt, denn er „fagt ausdrflcklich: Es Avurden drey

„Theile gemacht, und ieder Gott bekani „einen Antheil **). Sehr walirfcheinlich „ift es aucb, dafs er eine kunftige AuflO- „fung deffelben in die erften Elemente be- jjhauptet hat; ihr alie, fagt er, werdet

A 2

*} Sextus adv. Matii. X. 3i<^ aus Ilias K. 3o2.

**) Stohaeus cd. Heercn To. I. p. 44^* Ibas O. 189.

DigitKed by Googie

4

jjWafCer und Erde werden *). Was fei- „ne Theorie des Erkenntnifsvermogens „betrifft: fo hielt er Denken und Empfin- „den fUr einerley **). Daher nahm «r das „Blut ais den Sitz der einpBndenden fo- „wohl ais der denkenden Seele an ***).“ Ich enthalte mich, mehrere Lehrfiitze an- zufuhren, welche die fpatern Philofophen im Homer gefunden habcn. Und Aver kann uns dafilr fiehen, ob nicht fo etwas auch mit den alteften Weifen vorgegangen ift, Avenn wir nicht ihre eignen Worte vergleichen kunnen ?

Und waren nur noch diefe fpatern Be- richte initer fich felbft einig. So aber er- fcheinen jene Philofophen ganz anders

*) Stohaeus ebend. p. 282 ai» 11. H. gg.

de An. Jll, 3. mtOdylf.Z. i36 fq.

***) Stobaeus To. II. p. 1024.

Digitized by Googie

5

beym Ariftoteles, ganz anders bey Sextus, Plutarch, oder Cicero. Sehr natflrlich 7war, aber fflr den Gefchichtfchreiber der Philofophie fehr befchwerlich. Wem foll er glauben, welTen Darftellung iftdierich- tigfle? Ohne Zweifcl fah Ariftoteles die Be- bauptungen der frOhern Weifen aus einem ganz andern Geficlitspuiiete an, ais Sextus: aber woher wiflen wir, was auf diefen Ge- fichtspunct etwan abzurechen ift, wenn wir nicht die eignen Worte jener Denker zu Holfe nehmen konnen ?

Man fehe die neuem Schriften fiber Ge- fchichte der Philofophie nach. Was ha- ben fie fflr Mflhe , um fich durcli die vcr- fchiednen Nachrichten und Urtheile tlnrch- zuwinden! Gcwtihnlich herufen fie fich auf die fpatern Schriftfteller , und nur fel- ten fflhren fie zum Prunk ein altes Fmg- ment mit an , mehr um die fpatere Nachricht zu erlauleni, ais um aus diefein Fragmen- te felbft zu erweifen.

Digitized by Googie

6

Unter allen Gefchichtfchreibern der alteflen gricchifchen Philofophie gebahrt jedoch in diefer RUckficht dem gelehrten Tiedemann y befonders in feinem Geift der fpeculativen- Philofophie ^ das grofste Lob. Man muCs hier fclbft Unterfuchungen an- geftcJlt haben, um zu bemerken, init wel- chem Fleifse, mit wclcher Genauigkeit diefer wfirdige Mann allc die Brachftucke der altcften Philofophcn, die er auffinden konnte, durchftudirt und geprilft hat. Und diefes nicht etwa bey einein oder zwey- en, fondern bey allen. Ohne Zweifel wilrde Tiedemanny wenn er alie feine Vorarbeiten dem Piiblikum mittheilen foll- te, noch einmal fo viel Bande liefem konnen, ais er uns gegeben hat.

Ihm und der Bearbeitung des Artikels vom Parmenides in Harles Ausgabe von Fabricius griechijcher Bibliothek verdanke ich bey dem gegenwartigen Verfuche das Meifte, wiewohl auch mir noch Maiiches

Digitized by Google

7

zu thiin tlbrig geblieben ift. Ich nenne neine Arbeit nur cineii Verfucli, weil ich ilberzeugt bin, dafs fie erft alsdann ganz vollkoniincn werden wird, wenn dio BnichftQcke der iibrigen dichterifchen Philofophen auf diefe Art bearbeitet feyn werden. Es kann fogar feyn , dafs ich felbft noch nicht alie wichtige Fragmento des Parmenides gcfunden habe. Die Schuld lag dann nicht an meinem Willen, fondern an der Seltenheit mancher Bii- cher, in denen fioh noch Fragmento ver- muthen lalTen, z. B. eines Proclus iiber den TimuuSj und mehrcrcr Commentatoren des Ariftoteles. Jcde Nachweifung und Belehrung hicrilber wird mir fehr will- kommen feyn.

So viel, glaube ich, ift indeffen fchon durch diefen Verfuch gcwonnen, dafs wir imn ein zienilich grofses StQck aus den Gedichten diefcs alten Denkers im Zufam- menhangc vor Augen haben, und daraus

Digitized by Google

8

nicht blofs fiber die Manier, fondern auch fiber das Syftem deffelben ein beftimmte- res Urtheil falien konnen. Ich habe mich forgfaJtig gehfitet, nich ts in die Ideenreihe die- fes VVeifen hineinzutragen : und felbft, wenn diefs gefchehen ware, foiftja einem jeden Lefer durch die eignen Worte des Eleaten die Be- richtigung meiner Beurtheilung erleichtert.

lienner brauche ich durch befondere Anffihrung aller der Schwierigkeiten, welche bey einer folchen Bearbeitung vorkominen, nicht zu beftechen *). Man kommt beydie* fen Philofophen der grauen Vorzeit beynahe in eine ganz neue Welt, und eine Menge philologifcherRegeln und Kunftgrifie Endet hier keine Anwehr.

Im Julius ij^5. p.

*) die Ueberrctziing und Erliuterung nicht

leteiniTch fchrieb , gefcbah , um defto deutlicher xu rejm. Ohne beibaxifcb zu fchreiben , kxnn man befondera ditfo Ideen fchwerlich ina LateinifclM itberuragcn.

Digitized by Googie

EINLEITUNG.

I.

Uiber dieLebensumflande des Parmenides * **))> und cinige literarifche Puncte.

^Jach der angenommenen Lesart helCst es beym Diogenes Laertius ausdrQcklich : Par-

menides habe um die neua and feckzigfte Ol)tnr piade geblubt

Diogenes und mehrere Schriftfteller hallen ibn fiir einen Scbuler des Xenophanes ^ deflen

•) VergL Brucker Hifi. erit, philof. To. I. P. II. L. II. p. iiSy. f. Fabric. Bibi. gr. Te. II. p. 6si. L ed. llarlet. Dodwell Exerc. II. de aetate Pythag. p. aao. (den ich indeOea niclit liabe au HtlUe nelimeu kOn> Dcn).

**) Diog, Laert, IX. C. S. n. 5. LongoL

Digitized by Googie

lO

Bluthe um 01. 6o gefetzt wird *). Theophraft gab ihn fiir einen Schuler des Anaximander auS) deflien Tod um Ol. 58. 3. f&llt.

Ais Schuler und Freunde des Parmenides werden Zeno oon Elea und Empedocles angege- ben **): der erftere ward fiir feinen rechten oder aufgenominencn Sohn gehalten ***): beym Plato heifst cr deffen Llebling {xei!5t»a)»

Zeno's Geburt gchfirt In die 71 Olympiade, und Empedoc/ffi. bliilite um 01. </4.

So weit ftimmcn die Anqaben ziemlich zu- fammen. Dagcgen fclicinen einigo Data beym Plato mehr Sclnvicrigkeil zu lialieu. Wir wol- len zwar nicht cift in Anregung bringen, daCs Flato in feinem Dialog Parmenides dlefen mit dem

*) A/yiT«iT6(jT«i; fisdifTifC, belfst es AriFtot. Met. I. 5. Beym Sextus Empir. adv. Math. VII. ixi.hcirtc er des Xenophanes Vergi. .Stixip/iciurin Arilt.

Phyf. pag. 3. und Eufeb. Praep. Evang. X. p. 604. XIV. p. 758.

•) Vom Zwio f. Diog. IX. c. 5. n. 2. und Suidas T- Zt/vm», Vom Empedocles Diog. VBI* C. 2, n. 2.

•) Diog. IX. c. 5. n. I.

f) ptrmen, X- p. 72. Bipont*

Digitized by Googie

11

Socrates redcnd einfuiirt: fchon Atheniius hac dariibcr foine Bemcrkung gemacht *). und es ift beute fo gut ais entrdiicden, dafs Plato bcy der Walil feincr Perfoneti nicht itnmer genau auf den Synchronismus hiclt. Abcr einige an- dre Slellen im Plato durfen wir nicht fo kurz abweifen. i,Ich habe , lnf^t er den Socrates an „dereinen Stelle fagen ** •••)), in meiner fiiiben Ju- ^gend (leivu tio() >nit dem Parmenides, ais einem ,,alten Greife Tfitf^c/Vp) gefprocben“ und in

der andern **•); „lch habe ais Jiingllng (v^«c „wv) den Parmenides fprcclien hbren, da cr „fcbon fehr ait war (/isc^a S>} rdnbvro; xfiffjSbrow).** Aus deni Zufammenbange dicfer Stclien felbft ISfst lich kein Grund almcimien, waruin Plato diefes den Socrates fa^en lifst. Gefchali es vielleicht, um den begangcnen Anachronismus im Dialog Parmenides cinigermaarsen zu recht- fertigen ? Diefe Kechtrertigung ware nicht von

•) Aihen. Deipnos. XI. p. 5o5. Vergi. Macrobius Si. tum. I. c. I.

Theaetet. II. p. i3tt. Vergi. Farmen. X p. 93. und 6o.

•••) Soph. II. p. 202. VergL Farm. X p. 72.

Digitized by Googie

Redeutnng. Denn wenn Parmenides wirklich lange Zeit vor Socrates gelebt hatte: fo konn- te diefer weder ais Jungling nocb ais Mann init ihm gefprochen haben. Wenn der An- fang des Dlalogs Parmenides hiermit vergli* chen wird, fo war Parmenides bey der Zu- fammenkunft mit dem Socrates 65 Jahr ait.

Flato fuhrt bekanntlich in feinen Dialogen hin und wicder hiftorifche Data aus Socrates Leben an. Icb wiifte nioht, warum die ge* genve&rtigen Stellen nicht ebenfalis dazu ge< horen k6nnten. Denn was ficht ihrer biftori' fcben Glaubwiirdigkeit entgegen? Die Be- merkung des Athenliusl Keinesweges. AtbenSl* us ftdfst lich nur daran, dafs Socrates und Parmenides in dem Oialug diefes Namens fo mit cinander fprechen, denn, fagt er, kaum irift das Zeitalter zu (f«iAie •vyxs>{t‘) *)•

*) Eben dai fagt Macrobius ang. O. Quippe Socrate ita rarinenidee antiquior, ut hiiitii pueritia vhc illine apprelienderit fenectmem. Ea follte vrohl beiliien : ut ilUoe p. V. biiius a. 6

Digitized by Google

i3

Er hat Recht. War tiemllch Socrates noch febr ]ung (raw wc)« ais er uiit dem betagten Parmenides zurainmen kam: fo konnte er

fcbwerlich /o mit ibm pbilofopbiren , wie er in gedacbtem Dialog tbut. Aber daraus folgt nicbt) dafs er ibn gar iiicbt kdnne gefeben, gar nicbt kdnne gefprocben baben. Aber die Angabe des Diogenes ftimmt nicbt mit diefen Piatonifcben Stellen. Denn wenn wir auch annebmeny daCs das beym Diogenes

etwan in das dreylHgfte Lebensjabr des Par> menides (iLllt, wenn wir auch das via; beym Plato nur auf fecbszebn Jahre anfchla* gen: fo mufte Parmenides, ais ibn der fecbs- zehnjabrige Socrates fprach, wenigftens adtt und fiebenzig^ alfo nicbt C5 Jahre ait gewe* fcn feyn •).

Warum foll aber Diogenes hier unbeding- tem Glauben bnden, ais P/a/o? zumabl da die Lesart bey dem erAern nicbt eininai fo ganz unbeftritten iicber Lft **).

*) Socrates Gebiirtsjalir wird OL 77. 4. gefetet.

**) Stephanus lat 2y, Scaliger und nach ihm HeraU diM Tp, S. Menage zii der geii. Stelle.

DigitKed by Google

Es bedarfkeiner gewaltfamen Veranderutig, am lie beyde mit einander auszugleichen. Le« fen wir nemlich mit einigen im Diogenes ftatt 69 neun und jiebenzigx fo konnte Socrates fclinn fechszrhn Jahre ait feyn. ais er mit dem fiinf und feckszig/ahrigen Parmenides fpracb) wenn wir gleich das beym Diogenes

in das fieben und funfzigfte Lebensjahr des Parmenides fetzen. Und da Xenophanes we- nigftens uber 01. 75. hinaus Icbte: fo konn«

te Parmenides ihn fehr wohl gehort ha- ben *). Gehen auch bey diefer Berechnung, einige Jahre ab und zu : fo ift doch fo viel

im Allgemeinen beber, dafs Parmenides bis in die Zeit des Socrates gelebt Iiat.

Er fand mithln fchon einige winenfchaftli* che Kultur in felnem Valerlande. Die Grle- cben hatten nicbt nur mehrere Dichter, fon- dern raan machte fogar fchon Verfuche in

•) Drucker. Hif*. crit. I. c. p. 1144* fehe nicht, •warinn BrucKer pag. iiS? ebeii (liefet niit der Veran- dermig beym Diogenes (01. 69 in 79) unveuraglich fuidet: da er felbft berechnet hac, dali Xenophanes bis 01. 81. gelcbt liabe

Digitized by Google

i5

Profa. Ais Pbilofoph hatte er einen Thales^ Anaximander y Anaximenes, Pythagoras *) Xeno- phanes und andere vor /ich, und konnte die Ideen diefer Minner keniieii und benutzen. Wie er das that, liifst fich heute freilich nicht mit Gewifsheit beftimmen. So viel bemerkt DiogeneSy dafs er den GrundPatzen des Xeno- phanes nicht trcu geblieben fey, fondern ficli mehr an die Fythagoraer angefcblolTen ha- be

Die Alten fprechen von ihm mit befon- drer Ebrfurcht. Plato nennt ihn den grofsen,

*) Straho nennt den Parmenides nnd Zeno T1v9a^efilot>( Lib. VI. in. Vergi, den Anonymiit da ▼ita Pythagorae, (In der Autgabe vom Porphyr. da abftin. Cantabrig. i6o5. b.) p. 2t2, der ihn nebit dem Zeno zu Platons Lelirrr in der L«>gik macht. Nacli Sotion bcym Diog. IX. c. o. n. i. gieng er niie den Fytliagoracrn Aniinias nnd Diochutes freundlchalu Uch um.

Diog. IX. c. 3. n. 1. *0(tef i' tu» aKtutai *•! Xs'

0-JK ilHt?Xu9iietV duTM X. T. f,.

Digitized by Googie

ehrwQrdigen Parmenides *), und ein Leben wie das Leben des Parmenides^ komint beym Cebes fpriichwdrtljch im rfihmlichften Sinne vor **)• Uin feine Vaterftadt Edea machte er fich durch weife Gefctze rerdient ***).

Was feine artronomirchen KenntifrebetriflTt: mufs ich auf das verweifen , was Brucker und Bailly darfiber gefammlet und geurtlieilt ha- ben ****), Die Alteoi fcbeint es* konnten

*) Flato Soph. IT. p. S^o. nat/usii^f ii $ istyof, Und in TLeaetet. p. i38. haftuuliwe ii n»t ^atnvmi, ri reo 'Oittlgeo, diietif rt aai £(ia itisfg rr«

•*)Im n(v«| delTelben beifit es bald itn Anfange. Ton eiuem wackern und eiulicliurollen Manne xai iii))i( w$f1 ve^latf), H xe) ffYV

SayiftiS* riva xe) Tlmfittotitiev l<^yA«xwc filev

•••) Flutarch. adr. Coloten To. III. p. 434. Diog. IX. c. 3. n. 4* Strabo lib. VI. ab in, wo er tob Elea fpxiclit , ieoit ii ntt x«> ii iuiheut (den Parme* nidet und Zeno) m) fri wfirtte» 1 v'v 0 it>i S £ » »••

' *) Brucker L e. jAig n63. t BaiUy Ilift. de 1’ Artron. Ueberf. Leipz. 1777. P. I. p. 278.

Digitized by Googie

17

fich in die pofitifclien Bilder, woria er fie vortrag, nicht gut finden *).

Ob dem Parmenides die dialectifcbe Erfin- dung des rogenannten Achilles geh6re, ift un« gewifs

Ein befonderes Werk fiber den Parmeni- des fiihrt Diogenes unter den Sebriften des Xenocrates an * * *).

Timon der Sillograph cbaracterifirl feine FbUorophie mit Folgendem ****):

n*fi*s*liev Tf filt/v itiyaK6^(0¥a T-ifv

*Oc f ir) <PavTaetat axartii avryiin»ro J!en(.

Was endlich den Parmenides des Plato bc- triflt: fo habe icb mich bey der Bearbeitung

der folgenden Fragmente niit Fleifs darauf nicht eingelalTen. Icb benutze ihn nicht ais Neben - Quelle, fondern zur Vergleichung.

•) Vergi. Stohaeus To. T. p. 482. ed. Hceren iind Cic. de n«t. D. I. 11. 4-

••) D/o». IX c. 5. n. 4. und dafelblt die Anmcikun- geo. Andcre fclirieben fie dem Zeno za,

•••) Dio». rV. c. a. n. 9. riff* rfl» n«ffi«rtevi «• ••••) Id. IX. c. 5. n. 3.

6. Sitlck.

B

i8

Wenn wir ilin aus dem Gefichtspunkte der kritifchen Pliilorophie beurthellen follten: fo

wiirde er aJs einer der erften Verfuche er- Tcheinen , die Antinomie der reinen Vernunft in tfiren kosmologifchen Ideen darzaPtellen. Pla- to benutzt die Ideen des Parmenides ais The- fit, und zeigt, wie Iciclit aus denfelben Prin- cipicn cine Antithqfis licraiisgebracht werden kann. Der ganze DiaJog tragt alfo zur Er- lUnterung der gegenwittigen Fragmente un- mittelbar nichts, und mittelbar nur wenig bey; er felbft aber wird durch diefe Fra- gmente weit verftdndlicher werden. Diefs zu zeigen, fey denen GeJehrten ubcrlaffen, die ficli feit einiger Zeit mit fo vielem Fleifs und gutem Erfolge in die Schiiften des PJato hin- einftudirt haben.

II. Seinc ScliriTten.

Dafs Parmenides felne Ideen poelifeh vor- gelragen habe, fagt Diogenes ausdrucklich

*) Diog, IX. c. 3. n. .3. K«) auri; ii iiii TOitmelrm $<A«- we^tTf KaOantf 'Heioiet rt k») xa) 'EutiSo’

xAijc.

Digitized by Googie

»9

UTjd die erhaltenen Fragmente bertfttigen es. Man legte ihm indeCTen auch profairche Stiicke bey

Wenn wir nacli den verfchiedenen Tileln urtheilen follen, unter welchen die Alten feine Fragmente anfiibren , fo muCste er meh« rere Sachen verfertigt haben.

Sextus Empiricus citirt den Anfang feines Gedichts : Ueber die Natur

Porphyrius bcruft fich auf eine Stelle in delTeu phyfikalifchem "WeTU-e (h tO * *•) * * *}• Suidas

nennt eine ^ut^e^pyfa¥ (it’ Ja-fiv} Ton ihm ****).

B 2

•) So fagt Simplicius in PhyT. pag. '7, b, Ka) iti

xaraAayaJv» isira^u rfiv ItSv ri ft/tiliiev «;

J napf*»»/?#*', eSrmc tt. t. A. Suidas v. Parme. nidea* «aa« t/v« xaraAorxdify » uv

ftipnirai nAxT«v> Damit zielt er wahrfrheinlich auf die Stelle beym Plato Soph. II. p. 341 , wo Zeno vom Parmenidet fagt : ni4p mit suarors Myus uai fa-

ri pfTfmv X. T. A.

*•) Sext. Math. VII. 111.

De antro Nynnph. S. zu den Fragm. it,

****)Suid, T. riaffuW}if(.

Digilized by Googie

20

Simplicius fuhrt die Sicllen aus elnem Werlce Ueber das Deiikbare (wt(t rov vonrau) oder Veber das Reelle (w$g) rov tovret) *n *), Plutarch citirt einen Vers aus defTen Kosmogonie rp yo\ta) und Clemens -fchelnt von einem Ge» dichte deffelben Ueber die Hoffnun^ zu fpre» cben ***)•

Was den Sextus und Simplicius belriflt: fo fchcint cs, dafs fie beydu von Elnem VVerke fprcchen. Man welfs, dafs dic &Ueften Wciren unter Natur den ganzen InbegrifF des

Erkennbareii und Denkbaren, und unter thy~ fik die Phnofophie iiberhaiipt verftapden: und die Ideen des Eleaten iiber Natur, Kealit&t ^nd Denkbarkeit fallen in Eins zuraramen. Auch wurde Simplicius ^ der die JPhilorophie

Simpl. pag. g, wtfi TPvatprcSt uiid bald ilaranF »»f) Too Pag. 3i. b. lieiCit ea : wigi roC i»$c

Krr«c> Audi Troclus in Tiin. nennt eln Ccdicht des Parra. T>r> riCv ifvrwy.

*•) Plutarch. Amator.

CUmensjilex, Strom, p. aaS. ed.Flor. 'AAAa^Kat rm miraS wtintutrt wtfi iUs lAuUae aNir»

Digilized by Google

21

des Parmenides fo fleiCsior ftudirt batte, gewiis ein Werk deffelben Vehcr die Natur gekannt und angefuhrt haben, wenn es von dem, web ches er benutz.te, verlciiieden gewefen wSre. Die ubrigen '1'itel kdnnten allenfalls auf ein* zeine Abtheilungen des Gedichts Ueber die Na- tur geben *). Die beyra Suidas und Porphyri- ut find wobl mit dem gleichbedeu*

tencL

GleichwobI habe icb zu wenig hiftorifcbe Data, um mit Gcwitsbeit zu bebaupten, dafs Parmenides nur £In Gedlcht verfertigt habe, um leine Ideen uber den Zufammenbang der DInge initzutheilen. Noch weniger wage icb zu bebaupten. dafs dieTes Gedicht ein fyfte* matifches Ganze gewefen fey, obfcbon die Fremente , die wlr baben , grCfstentbeils

wtfuvet "T* Tbiaura Afye/. Man l5nato indeHim dieCea «rff ) r. I. tuin fblgenden alueeSfuvee siehen , und is rf uyrtS woi^itmrt fikr £ch nelunen.

*) So citirt der Artt Coeliut Aurelianus den Parme- nides in libris, qnoi de natura fcripAt. 8. au dea Fragnienten V. »46. £. Die Kosmogome kOnnte bey

Digitized by Googit’

22

uQter lich zufammenbiingen. Dai^ er feinen Vortrag in zwey Theile theihe, und zuerfc die Vernunftideen , und dann die Meynungen, zuerft die Wabrheit, dann das Scheinbare, rortrug, lebren die Fragmente V. 29. 3o. und V. io5 106 *).

Was die Manier in den Gedicbten des Parmenides belrifft : fo erkidrten iim fcbon die Alten fiir einen fchweren Dichter. So* krates fagt beym Viato **) ausdriicklicb : „Ich furchte, dafs wlr weder feine Worte, noch ibren eigentlichen Sinn ganz verftehen.“ Sex» fttj giebt fich viele IVIiibe, feine Ideen oder vielmebr Allegorieen zu deuten ***). W«-

/arcA bemerkt iiberbaupt, dafs diefe

V. 116 angehen. Ueberliaupt ift ea bekannt genug. Wie unbeftinmit dic Alten gemeinigUch dtiren.

Vergi. Diog. IX. c. 3. n. 2. Aieeiy» rt i7»ai rijv rifv f4^v, nard ciAtiSttav’ Tif» xora' und daf. Aldobrandinus Note.

••) Theaet, II. p, i38.

•••) Math. VII. 1x2.

••••) De aud. pofit. Tlof fuvtttu •»- KSyei tlt) xa» weiifriNqt, VXVM** »4» Hyxov km)

rdfttfrfav) 4VC rd h^vymtn.

Digitized by Googie

Alten Lehrdichler die Poefie gewahlt hatten, um niclit profairdi niatt zu werden, und fin- det die Verfe des Parmenides nicht ganz un- tadclhaft *). Menander fiihrt ilin und den Em- pcdokles aJsDichter an, welcfie fich der phy- fikalifchcn Mylliik hedient, d. h. die iiiylholo- glfchen Perfonen und Facta auf phyfikallfche Ideen zuruckgefiihrt hatten , und bemerkt den Unterfchied der Manier diefer beyden von der Platonifchen fehr riclitig **).

Euclides von Megara foll die Schrlften des Parmenides flelfsig ftudirt ***), und Empedo-

•) Ebend. de audii ione. Auch Cicero fpricht von verfibiis miniit boiiii. Acad. IV. a5.

*•) Menander dc Encoiniie c. V. cd Ileeren. p. 3g.

40. XfKvrai Si TOiet/TM Tfiitif UaffitvtSiie r$ xa)

J«xAh( ciK(ipS{. KfXfirai Si xaJ S HAaVwv, Iv Tjl Sfmyzf cti waHoc Jrl

WTtfoi AutSv Si tSv <()vgiHu\i el niv

I^OTiXo) , 0/ Si iv TfoecySftivot. - riadiivl-

fih ouv xa) ’E(ttr$SaitAic i^tiyoHyrat) riAarav Si Jv fifaxvTctreic

* •) Diog. II. c. 10. n. 1. Ti na;^y/}f m lurixt*'

Digitized by Googie

s4

tles^ wle Tbeopbraft bemerkt bat, fie nacb« geabmt haben *). In neuern Zeiten fcbeint Jie Nieinand emfiger ftudirt zu baben, ais Simplicius y der uns die wichtigften Stiicke er* balten bat, mit aus dem Grunde, weil das Werk des Parmenides zu felner Zeit felten war **)•

Aber waren deiin die Scbriften des Par- menides, die die genannten Scbriftfteller vor Hcb batten, und aus denen iie uns Brucbftii- cke erbalten haben, wlrklicb dcAs, und vom Parmenides relbft?

Diogenes fagt uns mit kurzen Worten: KaMJitaxet ii Hf' •‘•'ai mvTti ri wetnita ***}»

*) Diog. VIII. c, 12, 55. MipHTiit Iv re7e eronlitart*

**) In Phyl. p. 3i. Ich filhre die Stellen an, fagt er, ha T$ rifv wiftv tAi W i/icii , mi} hd rifw

eaavn rcv nafiuviiilou euyyfdpiiaTtc» £r fpticbt alTo nor von Einer Scbrift.

***) Diog. IX. c. 3. n. 3. Ucber den Kritiker Xn/I/nuicAaj und deffen TerloLiriie Scbri/ten I. Jonfius de fcript. hiltor. philof. II. 4< p. i33 f. Andere haben die ganee Stelle fo gefaltc, ait Itiinde ftatt ri mthitm etvra n ire/yfia. S. Fabric. bibi. gr. «d. H aries. To. II. 62». Not.

Digitized by Google

25

Welcfaes GedUcht alfo? das, welcbes damahls unter Parm^ides Namen bekannt war? Wo- Ton hande]te es? warum kunnte es nicht von Parmenides feyn? Auf das blofse Wort find wir nicht verbunden, dem Kallimacbus zu glauben, zutnalil da er eben kein untrugllcher Kritiker war *). Doch Kallimacbus wollte uns wohl nicht veidachtig inacben, was wir Jetzt aus Parmenides haben. Denn feben wir die Stelle beym Diogenes nach; fo lautet fie alTo: y,ParmeuiJes foll nach Phavorins Nacb* j,richt zuerft bemerkt haben , da£s der Abend< „und Morgenftern derfelbe Stern fey ; andera „ragen, Pythagorat habe das zuerl^ entdeckt. „KalUmachus leugnet, dais das Gedlcht von „ihm fey.“ Von wem? Pythagoras? oder iParnienides ? Ich xteifs es nicht , aber gienge es gleich auf den letztern , fo w&re doch im* ner nur von dem Gedichte die Rede, worinn diefe Entdeckung mitgetheilt war. Indefrea vermuthe ich, doTs es nicht auf den letztern

*) S. Beweife davx>n beym Jonfius 1. L iSy. i38> b«rondcn dai Uitlieil dee Dionyfius Halie.

Digitized by Coogie

26

geht. Im Lebcn des Pythagoras fagt Dioge- nes *): „Pythagoras foll zuerft den Ahend'

},und Morgenrtern fur Ein Geftirn erkannt „und ausgegeben haben, loie Parmenides fagt.*^ Alfo Parmenides fchrieb diefe Entdeckung, und das Gedicht, worin lie vorkatn, dem Pythagoras zu: Kallimachus aber nicht, ftif

eivat kCtoS ri

Wenn alfo gleich auf diefes Urtheil des Kallimachus weiter nicht RuckHoht zu iieh- men Ift: fo wage ich docb nicht, die Aecht-

heit diefcr Parmenideifchen Stiicke ganz dreuft und brftimmt zu behaupten. Aber, was ich hier hndcn kann, find Griinde, die diefe Aechiheit huchft wahrfcheinlich machen. Es And folgcnde:

*) D!og. Vrir. c. 1. n. 14.’ UfOriv rt “'Erwiftv Ka> ^ufSiffov ri» auri» i]Tt7>y «uc Ua(nt»lSii(- Man fielit arch aus diefcn bcyden Stellen, mit wLewenigerBeton- nenlieit Diogenes compilirte. Hatto er nicht da, wo er vom Parmenides fpricbt, (IX. c. 3. n, 3.) billig an dat ziirackdenken follen, was er im Leben des Pytha. goras fchon angemeikt hatte ?

Digilized by Googie

27

Erfdich, die Schriftfteller ^ welche aut den Werken des Parmenides Stellen beautzt^ ange- fUhrt und commentirt haben, uufsern nirgends eia Mifstraiien gegen die Aechtheit derfelben. Ich welfs, wie wenig diefer Grund fiir fich allelti bedeuten wurde : befonders, wenn man

annlmmt, dafs fich vielleicht ein Schriftrteh ler auf den andern veiliers. Alleinniit mehrern zuraminen kann doch, diinkt niich, dleCer Panct einiges Gewicbt haben. Die Varianten in den Fragmenten felbrt laflen auch, wenig* ftens einigermarsen , vermutheny dafs die Schnftrteller nicht elner aus dem andern die Parmenideifchen Stiicke abrcbrieben, fundem ein befonderes dein Parmenides zugefchriebnes Werk Tor fich batten.

Zweitens entfteht die Frage, wenn diefe Gedicbte nicht vom Parmenides Hnd, zu welcker 2eit und von it>em find fie verfertigt ttiorden ? Da fchon P/a/o Stellen daraus anfiihrt, und iie bey einigen feincr Dialogeii zum Grunde gelegt bat*): fo mu fsten fie fchon vor Plato verfertigt

*) Vorzuglicb bey dem Dialog Parmenides, aufier die« fem beyni Theaetet und Sophift.

Digitized by Googie

28

worden fcyii. Ibr Verfafrer hitte dann nicht alizulange nach Parmenides gelebt, und fie k6nnten mithin gar wohl &chte Ideen, fogar einzelne Sprucbe des Parmenides enthalten. Das Zeitalter zwifchen Parmenides und Plaio war aber iiberhaupt nicbt mit den Zeiten der Literatoren und neuem Sophiftea zu vergleichen: man machte damabis wohl

fcbwerlich ein GefcbMft daraus, berubmten Namen alterley VVerke unterzufchieben. - Aberk6nnen nicht Tlelleicbtditf Stncke, die uns Ton fpatern Autoren , einem Sartus > Stobaeus» Simplicius t Clemens u. a. erbalten. worden lind, untcht feyn? Ich glaube nicbt. Dena erftlich ftimmen fie geriau mit den Bemen> kungcn und Urtheilen iiberein, welche un6 fruber^ Schriftfteller uber die Ideen des Elea- ten miubeilen; zweytens tragcn fie ganz das (jepriLge der noch mangelhaften und un- gebildeten pbilofophifchen Sprache, wie fie in dem Zeitalter cines Parmenides gewefen zu feyn fcheint *); und drittens wahlten diejeni-

•) Et wire in der That aofiallend , wenn ein rpJta- T«i YerfalTer lich nicbt durch manche > damablt geldu-

Digitized by Google

29

gcn, welche fich mit dem Unterfcbieben un- ftcliter Scbriften aligalien, gew6bnlich andere Zweige der Literatur. Icb kann nocb binzu- fetzen, dafs diefe P^rmenidcifeben Gedichte, wenn fle in fp&tern Zeiten wS.ren TCrfertigt ‘worden, flch gewifs volirtlndiger erbalten ba> ben, und nicbt febon zu Simplicius Zeiten fo felten eewefen fevn wurden *).

Vergleicbt man endlicb drittens mit vuifern Brucbftiicken die Fragmente eines Xenophanes

figere, Kunftausdrflcke TerratLeR baben follte. Wie mabfam drehen Ach luifere Fragmente um den Be- griiT von En>a/ herum , und wie leicht wflrde fich ein Pfeudo Parmenides mit dem Ausdrucke Ov€lm ana den Schwierigkeiten feiner Speculation baben hel- fen, oder ficli wcnigftens hin und wieder yerfUndli» cher machen kdnnen i

So baben wir das Gedicbt Tltf) welchef

dem Eniptdocles beygelegt wiirdc, fehr vollftindig und unverdorben erbalten. S. Fabric. bibi. gr. To. If.

Harlei, Ebcn diefs'ift der Fall bey fo man» clien Schriften der PythagorJer. Sclbft Porphynus febeint die Gedicbto des Pannenides nicbt vor fick

Digitized by Googie

3o

und Empedocles', fo mufs man entweder die Aehnlichkeit der Sprache und Manier in denfelben ais einen Grund fur die Aechiheit unferer Bruchftiicke gclten laffen, oder man mufs auch diefe Fragmente fur tinicht erkllreHi und wenigftens das Genie des Mannes bewun» dern, der mit fo vieler Ueherlegung und Be- lonnenhcit bey feinen Verfalfchungen verfah- ren ift.

III. Di e Fragmente.

Die Schriftftcller, welche uns Fragmenie aus den Gedichten des Parmenides gegeben baben, find in den Anmerkungen genannt; bey mehrern Stiicken bnd doppelte und drey- facfae Autoritaien.

Was die Varlanten anbetrifft; fo find fie nichl betrachtlich. Man weiis, dafs die Alten

gebabt «i baben S, zu den Fragro. V. n. nnd Sinu plicius fagt daher p. 25 nur: ich glaube, dafii Por-

pliyrius dief» aus den Gedichten det Parmenides ent- noromen habe. Utf^vgiot ii «vTi«, rit piV) i* Tfi» noffusijt/wy iwOv, «• t. A.

Digitized by Googie

3i

biufig freinde Siellen aus dem GedjUchtmfTe anfiiliren: und dabey konnte es leicht ge*

fchehen, dafs He glelchbedeutende Ausdrucke fiir elnander fetzten, oder dem Dialecte ih- res Autors nicht treu blieben. Andre Ab- weichungen komracn auf die Recbnung dec Handfcbriften und Ausgaben derjenigen Schnftfteller, in welcben die Fragmente er- halten iind.

Die Zufammenftellung der Fragmente ift nicht auf gutes Gluck gefchehen: fondern be> ruht grofseniheils auf dem Anfehn des Simpli- cius. Diefer fchatzenswerthe Gelehrte citirt den Parmenides On feinem Commentar iiber Ariftoteles Phyfik) fehr oft, die langfte Stelle auf dem 3i. Blatte. Diefe nabm ich mir zum Leufaden. Da er aiirserdem oft elne Stelle rnit dem Verfe zu citiren anfdngt, mlt wel- cbem er anderswo em Citat rchlicfst, und umgekehrt hier eine Stelle mit denfelbcn Ver- fen rcbliebit , welche anderswo den Anfang einer andern ausmachen *): fo war es mbg-

•) So rchliefu er z. B. p. 5i. b. mit V. 106. und ffingt pag. 9. mitV. >o4an, dieStelle bis ii5 eu citiren.

Digitized by Googie

lich cin ^rufsercs zurammenhingendes StQck heraiiszuHnden. Die Belage dazu werden in den Annierkungen mitgetbeilt.

Iu den angehangten Excerpten war Voll- Aandigkeit meine Abficht nicbt: icb nabm

nur fo vlel mit, ais zur ErlSuterung und Erganzung der Fragmenta felbft dtenen konnte.

Digitized by Googie

nAPMENl'AOT

(/, Stiiih.

Digilized by Coogie

Haf/ieviiov 'Eti/

HEpi' «•rsEns.

Vr

Irrot ral fu ^ifavnv a}, {frt* riir) Suftdc TUfirot, ixti n'i( iii¥ Pifgm» h) trQAi^nfto» iytutai

Animadversiones criticae.

Titulum trtfi suppeditavit Sextus Emp.

adv. Matb. VII. i ii. Scribit autem ita: ’£y«fx^ fUMC Y*» C^afftivIttfO ‘r*v ^£r$mcy Yt^*> 'r^v ‘sft' rev TovTt». Habet liaec a v. i 36 Sextus ]. c.

2, H. Step/innus in Poesi pliilos. p. 4^* fineen legit y’ iea*.

a) Tota haec comparatio philosophicae meditationis cum itinere per ardr.as vias ope ciimis suscepto, et cum rebus veliicularibus , in aliis etiam poetis occur- rit. Ita Einpedoclts apud Sextum Math. VII. i25.

TUfiTt wag tuetfifiit lAioue' ivijiiiov afu» xa) rdrt

14 eo^tve Iir’ ingtin Sensu morali y*"PH

vocatur Pythag. Carm. aur. apud Stephan.

P. P. 117. Lino ib. p. 112. iriSvfila ijyitx*‘ (tdfyeiet XmMcT(’ Conf. ad Hesiodi Zfy. 2B8 fq.

b) tainn ita nsiirpari, vel ex Homero notissimum.

DigitKed by Googie

Parmenides Gedicht

VON DER NATUR.

Es fabrten Roffe mich , wohin ihr Mulh fie gehen hiefs, auf dem gepriefnen Pfade

Erlauter ungen.

Die Erklimng , welclie Sextus Empiricus ron dierer Einleitung giebt , ift folgende : »Pannenidet wixd

von Roffen gefiihrt, d. b. von den Vernunftlofen Trie- ben und Begierden : «uf dem gepriefnen Pfade der Cott- heit reifet er , d. h. er befchsftigt ficb mit der fpecula. tiven Philofophie : die Vemunft leitet wie eine lei. tende Gottbeit za der Erkeniitnir> von Allem. Jung- ftaun gehen TOraa , d. h. die Sinne , ron welchen er bcibndera den Sinn des Geb6rs kenntlich mzcbt , hier tutd dort gefilgt in runden Kreifen d. h. in den Krei. ienderObren, wodurch man T6ne bekommr. Die

C a

Digitized by Coogie

3G

4 >c»rk ir&rr $}i6ra c) ^Brct'

Tp > rp y&i IU «oAb^f «rT«i ^ifcv Twru ,

^ *AffM riTalvcu€ait x$vftu ijyiitivtvtf.

^ i* iculpwi e) tiftyyot &vr^»

3. 'Arif^iVfi. Ita Coda, et Stcphamis pro n uark wBvrm ^(gtt Tp. MS. Ciz. xAvrm rp ^iftu VerbutQ krp^tttu non occurrit, uti iere k-rmii^nv. Totum locum corruptum esse, Scaliger iudicat, ad Ste^ phani P. phil. pag. 217. Equidem verti, quasi le* gerem : 4 k«tA xivr kiHi ^tfn. Sextum certe pa* tet ri ^igii¥ h. 1. accepisse pro Hnyiiv, idque ad Uttliu¥»i retulisse. Dicit enim : ^iyot xftxipxiiv fr«r«C Tf^rfy ixi r^» axk^rtt» iipytt yvSxn» Ne OUl forte in mentem veniat, legere «rv, quasi illud, quod idem Sextus appellat rat IcXiyaug rtit btpkt T$ iff^nc.

6. Versus mutilus. Recte monet ra6r/ci’t/x, ver- bum deesse, ut rrrOrv vcl hxSvh. Scaliger ad

c) tDera non de sciente vico interpretor, sed de sciendi cupido.

^'j Koi/es de Deabns dici notisiiniiim. Videtur ta- men I). 1. etiam altera illa liuiiis vocabuli siguLficatio latere, cum pupillam oculi denotat. Confer, qua* monui ad v. g.

c) fistula rotae, cui axis immittitur. Z£f,y^

foramen rotae , in quod axis inseiitur. Mirabor, si ita locutus fuerit Parmenides. Sed patet, versum este mu- tilum. Potest tCgiy^e (sonuit, strepuit) latere.

Digitized by Coogle

- 37 -

der Gottbeit, die den klugen Sterblicben ios Reiob der unerkannten Weisheit f&brt.

Da zogen die )>erubtnten Rode mir

den Wagern bin , und Jungfraun leiteten

fie diefen Weg •). Es kparrt* in bolen Rsbren

Augen nennt er lleliailifchs Jmtgfraun, Jio aus dati, JVohnungan der Nacht luniUcht herautkomntan , ohne Licht find die Augen nicLt braucLbar. Er koinmt zur riicfienJan Oereilitigkeit, loelcha die Schliiffel fuhrt, d. b. Yerltand, der Ton den Dingen befummte Be. grilTe hat. Sie niinn>t ibn auf, und verCpricht, ibn zwej Stflcke xu lehren, was ewigfeft und unwan» delbar die PVahrheit lehrt , den fichern Cang der Wirrenrcbafc ; and waj nur flJenfchen - fp^aha und Uere Meynungifi, onllcbre und uugemde Yennuthungen. Zum ScblufTe erOfnet er ganx deutlicb, daf& nian nicht auf die Sinuen , londern auf die Yeinunft bOien maETe.'*

•) Tch bin hier, iivic in mehrern SteUen , Ton der Ueberfetxtuig abgewichen, die icli im I. Stacke der BeytrSge eic. S. 46. f. Terfucbt hatte.

Digitized by Coogie

38

Altiiuyoe’ ititii yicf ix$lyirt f} Simroiti K^A«<c g) Hn xvifxetmro xffiT$i¥

'HAii^fC ll) icavfai xfcXixcuxmi imiiarct yv»ric i),

Steph. Poes. Phil. p. 217. emendat «vrtr, sed deH* ciente nomine aliquo post Proponit Fa-

bricius Tfoxti! vel fMK^^y, vel tale aliquid, a Codd. exspectandum. Cod. Vratisl.^ quem denuo con- tuli, ne vestigium quidem lect. var. exhibet.

7. Vertit HervetuSy quasi legisset va-

lidit manibus,

Oliin iwnytre legebatur.

f } 'twifyiTt , urgebat ae ad cursum , uti Orph* Arg. 36o. ixilytTO t’ it xAiov ‘Afyii,

g) Kt^aAei/c tornatos intelligo de orbibus fistulae : sub quibus Sextus aures intelligit.

h) 'HAtdiec. Nemo hic cogitabit Hellados illas. Phaetontis sorores , do quibus t. Hyg. iSa. 1S4. Par- menidem patet hac voce tanquam epitheto usum fuis- se, quo lucem et claritatem significaret. Caeteriim has Deas ut xtexifixavt adhibet Podta in quorum nu- mero plures fuisse novimus, primum omnium Mer- curium. Recte etiam , si de oculis sermo enet , ocu- li dicerentur quasi ductores ad philosophicam con. templationem.

i ) Aopar* vvHTit pro euark. Neque enim de pala- tio nocda boo looo cogitandum videtur.

Digitized by Googie

- 39 -

die heifse Axe, hier und dort fich rollend in runden Kreifen. Sieh da kamen fchnell die Heliaden aus den Wohnungcn der Nacht

Et Ul nichts fchwerer und gefahrlicher , ait Alle-

gorieen zti denteni befondert wenn fie, 'wie bey jenen

alten Diclitern. fo feht int Dettil gcarbcitct find,

wenn dic poetifchcn Bilder init dem Gedanken , dem

fie aur Hulle dienen follen, ich inuchte fagen . davon»

laiifen. Wat gehort bey einerStelle, wie die gegen-

wlrtige, aur Allegorie, und wat ifi blofte Ausmah.

lung det finnlicben Bildet? Von der bcrdlirnten

Allegorie det Pherecjdet an, (Qber welche et funf «

gana Terfcliiedne Autlegungen giebt, S.Brucker. To. I. p. 988. und Eberhards Allgem. Gefch. der Philof. S. 64.) bii auf die letate , die man hier nennen kann , ift gewift keine, dio nicht mannichfaltige Deutungen ▼ertrflge und orfaliren hatte. Bey der gegenwartigen kommt una indeffen Tornemlich der Uniftaud au Stat- ten, dalii fie mehr dichterifche Einleitiing, ala Ilfille cinet philorophirdien Lefarfataet ifu Wir kunnon dio 1 ^liren det Parmenidet aucb obne Ce Terftehen ; abec fie bilft dazu , una den GeCcbupunct anaugeben , aut welchem dor Plulofopb feine voihabcnde Unteifu-

Digitized by Coogie

4o

10 EJe (^iti mfifwiat utmritSv iw» x»f»l uaxirrfat k). r^A«i miHTit T$ ■«) niutrae tUi uaAa^Saa 1), Km/ r<pat Crfedvet» m) Ixn, K«) Uthoc eiis^.

II. Tfl» Uo vvA«y Ta&rm* funatfrSa, na) Ttaffuvtt^v h rf ^at,. Porf.hyrias de Anlro Nymph.

pag. 235. Cpost Edit. Hoireri Hervag. 1644. f.) «t pag. 264. (in Edit. Forpk. de abstin. Cantabr. 1655* 8.;

k) Sive umAawTfae pro tegmine capitia muliebri, $L ve pro velo ac. portarum accipiaa : aenaua non admo- dum diveraua oritur, hic nimirum, patere nunc, quae antea condita fiietVnt. Kf artfiiw ex noto Grae.

citmo. Illud Itr. pertinet ad afftwnv. ‘sXaAiuyai enim ipae ScxtuB cum nominativo tioSfmi iunctum interpre- tatur sa proripientas tlt

1} Duaa fuiase portaa in illo Nympharum antro JHomerus aamt Od. n. 109. Oiii x*^ai, aKK ‘iiaviruv 6ic( Inw. Diiaa portaa in Tar- Uro fabricavit Vukaniia. Hesioil Theog. ySi. 747.

•o5< n Kai 'hiU(m USaa, iiXA^j^at aftrhswav,

ipitPSpavai niya* aiiia zuA*##y. Similiter apud Clean. them (Stob. I. p. 44.) v. 17 dicuntur *Avr«A/e ra iuatf va 5a«y btc^ ai!f -yiaiyafy. Quid aenau philoaophioo NOf, cairac, «ivc et denotet, n<m

opua eat exeroplia illuitrare.

m) Apnd Homer. vxif$bficv idem, e. g. Odyaa. k. 90. AdiVat omnino robur aipificat. Aliaa xdAeaac tiU<. Poteat etiam ad vocem vrffSvfoa auppleri Adiyey. Adi» »ce edJ3t neda< iy 4ya$tf Odyss. e. 80.

Digilized by Googie

4i

%um Licbt heraus, und boben'mit der Hand den dicbten Schleyer auf , der Ce verbillte.

Da And die Thofe zu den Wegen , beyde des Tages und der Nacht : die £in Gefinis umgiebt, von fertem Stein die Schwellen beyder.

chung falite. Und glflckUcherweire fiingt Ac eben da , wo Ae una diefen Nutzen Teirchaffcn kann, beym

VetCe >n « deutlicbcr zu werden.

So TieI beteiigcn die in den Noten angefaLrten Stellen, dafe dia Allcgorie einer Reife, eiuet Wcgee n. d. den alten Dichtem ni(;ht firerod wmr, Und dem gemafa wOrde ich alfo diefe gaaze StcUe, mit Holfo des Sextnt, etwa fo deuten.

Die Betrachiung der Dinge nm mich ber. reran. laCite micli zum Nacbdenken flber ibren allgereeinea und notbwendigen ZuCammenhang. Ich gieng dabey Ton demjenigen aua , was nns die Sinna lebren : aber ich iand , dafs ich auf diefem Wege aliein zu keiner Gewiraheit gelangen konnte. Waa una die Sinna leh- ren, ift doch imnier noch nicht derGegenliand felbfl: die Sinne kunnen tinfchen, und felbft, wenn Ac diela nicht thun, fo dringen Ae doch nicht ia die allgemeinen

Digitized by Google

42

K6t»\ i' l>) »a9vt«i ittyiKoiti SufSrftii,

Tfiy 2) iJ»n r<A</roivec o) fxii KXtiHat iiAatfiaUt p}* l5 Ti)y Hi uoufmt fimAaKtttt Afyciri

TtitfM» ^«A«y«rdv q) e;c9a

n) Jntellige icoi/tfau

o) Solenne Epitheton hiiin* Deae. Orph. Fragra. JCX. Getn, pag. 38h. lloc loco ornat potlita, quam illustrat. Caeterum A/aif f. ^inanti^n Jovis

( He$iod. Efy. aSp. ) summa virtute et sapientia ex- cellit. 'Xy r«) yUf ao$lnt lifsrifc rlAsc i^Asy Itidvii. Orph, ITymn. G‘2. ii. nostroque poXtae Dea eat> quas certae indubitataeqiie scientiae praesidet.

P) Sic dicitur itiirm «Aif/tsc ^xc<v* Orph,

Hyron. 67. Genius habet uAti'Sas A<J*ec ti Ibid. 72. 6. Pluto Ib. 17. 4, Proteus

trivrev, Ib. 24. 1. Conf. Spanhtm. ad Callim, H. in Cer. 4^> It* hlxti claves gerit portae, per quam ad veri cognitionem itur. Hinc forsan xAtiHi/x»» legen- dum erit in illo Stohaei Tom. I. pag. 484. , in quo memorat, Parmenidem auctorem omnium appellasse hatpoDa (v. 3.) KyP«f»*)Tijv (v. IIQ.) K«t KAe^ev^^sv?

Aixev (v. 14* 28. 4®') Aydyaify. (^V. 81.) An vero h. I. respiciendum sit ad Horas, (in quorum numero Dlcen refert llesiod. Theog. t)o2. ) qiiae coeli ]H>itas custodiunt Hoin. II. h. 760. sq. , aliorum sit iiu dicium. ‘Afsal^evc xAtiltas possis interpretari aptas claves, quae apte claudunt et recludunt.

q) BiAsvo;, praeter vulgariores significationes , de- notat etiam rd fixKA6pi»es tl{ rds fitx^*> ttStlftes,

Digitized by Coogie

- 43 -

Jetzt nah’n die Himmiifcben dem Thore fich, wozu die r&chende Gferechtigkeit die Scbluffel fiihrt. Und freundlich reden ihr die Jungfraun zu, den Eicben Balken weg

BerchalTenbeiteo der Dinge ein. Es blieb daher nichu tibrig , ait mit Zurflckfelzung ihret Zeugniffes , den Ideen unfrer Vemunft fiber den Zufainmenhang der Dinge nacbzugehen.

Ift dieft ohngetihr der pbilorophircbe Gedanke in diefer Allegoiie» fo zeigt fich bald, wie viel man et- wan bey der gegenwirtigen Dichtung anf die Zuibat der po^tifchen Phantafie abrechnen mfifle.

Wer die Gfittin ift, deren gepriefenen Pfad der Dichter betritt, die den Eingang rii den Wegen des licbu und der Finfiemirt verwabrt . und in der Fol- ge unferm Forfcber Aufrcblufs fiber das Ratbfel der Welt giebt : fcbeint nkht gans bellinmit und ficlier.

Dik*, Gfittin des Recbis und der Wabrbeit, wfir. de ficb zu diefer Allegoria am befien ' fcbicken. Wie fie in politifcher Rflckficbt auf Beobacbtung der Ord» nung. Erfilllung der Ffiidhtcn, Ebrlicbkeit und Wahr»

Digitized by Google

- 44

«?#«« itvkim «»•' rdi ti Svfirfm X&fn’ 0 «ro/i<V«v t ina7rri(u*m4 wtAvxk^tic

*A^nat s) iv aftoi^aSi» iiAl^aaai >

20 r<f«$0ic m) r$f6viift* 0 kfntirat' p h aivBl

17. T«J ex Cqdd. et Stepbano notavit brkius, sed ipse dedit r^r;*

quod insitum rif * clive ducitur et reducitur.

Conf. Schol. id Arittoph. Avei ed. Deck., qui QaKavtm intcrpretitur obice traiecto obsero. Quam signi£catio> nem ai li. I. tueri velis , ^lAa-.aiTiv esset epitheton fera synonymiciim, quae non rara sunt in istis poetis. Pos- eis etiam materiem ligneam cogiure. ex qua oxidf fabricatus fuerit.

r ) Xitita , de quovis hiatu , Tocatur h. L Axavlc b. e. Aia* xdexev»

S ) *A|a* Tiin. in Lex. Piat, et Hesyeh. interpretantur ri {^A0v, Tff: 0 ityouvrat 0/ Tf$x^i> itaque de axi ianuae Ii. L cogitandum non est : neque enim eadem ▼oce inua paucos versus diversa signiAcitione Po^u fuisset usux Hinc patet , de duabus axibus intcliigen. dum . quae curribus quatitor rotarum insunt. Reli- qua omnia intellectu facillima.

t) clavi, cuneoli de navibus Odytt. e. S^SL

de aratro Ilesiod. Eev- q3i. nrftvq pro fibula ve- stimenti saepius Jlom. e. g, II. e. 4^5. £0 sensu, quo ■ostei bac voce utittir, in aliis rarius occurrit.

Digitized by Googie

- 45 -

zn heben. Weit erOfnen fie die Flugel des TboreSf drehn die ehrnen Azen, die in SchloDs und B&ndern gehn, und treibet/

hafiigleit lillt : fo erfcheint fie in diefem pbilofopbirchea Mythus ais Guttin der abrtracten, ftcbem und in der Vernunft felbA beAimnuenEikenntnira. die ficb nicbt auf blofsen Sinnen Scbein, auf einMlneVVabmebmun. gen , fondem Suf die Natur der Vernunft felbA grQn« det. Sie aeigt alfo aiicb Lier , vraa vrabr und riclitig iej, und £e kanli das nm fo leicbter, da Ae alsTheil. nebtnerin an dem hohen Rathe des Zeus den Plan des Welulls am deutlicbAen OberAebr. Aber mebrere StelUn seigen , dafs bier niclit tiberall Ton Kincr und derfelben Guttin die Rede fey. Der Dicbter gerSih auf den Pfad der Gdttin, die den wifabegierigenSterb» licbea fiberall benimfabrt; er konimt au Thore, die Ton der D i k e aurgerclilofTcii werden ; jene Gtitlin fagt ausdrflcklich au ibra: Themis nnd Dlke babcn

dicb bierber geleitet, und wcnn die Fragmente TOin 37. Verfe an au Eiiicm Sltlcke mit der gegcnwani. gen Einleitungtgeburen, fo Tpriclit eben dicfe Cot> tin noch einmabl ron der Dika, ais eiuer dritten Far« fon, Vcrs 68.

Digitized by Google

46

'iSit u) Kovfmt Kdtr’ ina^triv t) Sffta xa) tmut' K«{ itt Bik uTtif^cere' X*‘{» ii

A«{irrfi)v fAf»' mii i' irot ^ro nal fu xfart/iSi,

»tSg' iiaviroixi fuvi»(0( x} ijvitxtitt y)

25 *lxwot( , rmi 4>f(tvfiv , Ui*m ^fiiragov itt ,

21. In edd. x«5’ inaniri*. Stepfa» imt’ kfut^trtv. Codd. uaraita^irda.

25. Pro Uivmt commode legi posse /jutvavr’, Fa- bricius monet. Non opus hac mutatione videtur.

u) ’l5v; Ixin- Homerica et Hesiodea locutio ▼. g. Scut, gj. ’l5vc £x*‘^ agna aa) aauxtima r5l»«c Ixxm».

v) Karaisa^irda tanqiiam epitheton viJetur FabrU eius liimere. Equidem illud nunquam memini legere. *Afia^irie vulgo eat via, qua, cntrua agitur. Ita Hom. II. X. >46, Ttixtee aliv vxht aar a/sa^iria ieetitert. Quidni idem hoc in loco denotet?

x) luvAeget uti evvtiegee comes, lociiit. Sic ^igfity^ Tocatur evvilegat iairi Odyss, 0. 99. Conf. Hesych.

y) *Hyiixoieit quo referendum sit, dubitari possit. Apud Homerum et alios x»i«x«e significat eum , qui frena c>;glt, aurigam, sive substantivi vim habeat, alve (ut II. E. 58o. ) adiectivi. Quodsi h. 1. cum ivTO/c iiingendiim videretur, dicendum esset, cquoa eam ob causam appellari aurigas , quia ipsi sponte cur- runt seque ipsi regunt. Virgines euiin illae viam tan- tum monstrant.

Digitized by Coogie

47

jetzt Rofs und Wagen durch das ofne Thor. Die grofse Gduin aber felbCt enapBeng mich freundlicb, fafsie init der recbten Hand diemeine, rcdele mich an, und fprach;

Sey mir gegrufst, o Mann, den GOtter^RofTe in meine Wobnung fiibren: freue dich,

Solite ich alfo dis Bild, mrelches Pansenidee in feiner PhaDUOe geLabt au baben rcheint, roUenda aus* roahlen : fo fehe ich zwej Pforten . zu deren einer Dike die SchlalTel hat. Auf vielet Zureden bfnet Ce diefelbe TOn innen, und der Dichter tritt ein, zii dem Tbore» welches liin zum Lichte fdbrr. Hier gelangt er zu dem Throne der grofsen Gbttin, die Alles kennt und wcirs, und die ibm den Untorricht dber die Natur der Dinge erthcilr. Und wer ift diefe Gottin? Ich geilehe, dafe

ich das nicht weifs , aber ich trude mich mic Sextut, der es ebenfalls nicht VTufiie , denn er erklarc diefe GOttin filr die Philofopiiie. £r hatte alfo kciiicii mythifchen Namen ffir Ce, und es id die Frage, oli>

DigitKed by Google

- 48

X«if* Ini iSrt f$ fu7f/i KMxi grf«?irffcrf v/«r5«u

Ttri-J* iiiv n yitf Itx In^fmxm i«ric xtrtv hh z)’ *AAiit a) Ti A/mit rf , X(f" if n x&re» wv^it^Af» *'h ith &A«r5(fi(C irrftitit tfraf b} ,

3o *H li ^f«TS¥ , rmT( »iu i'»i xffie icAn^ifc»

*AAAi gH r!j(i’ 4^’ S!ov h^tlgigf •<fy*

28. Fabriciut ex Codd. Laertii IX. 22. notarit xuSig^ai, sed dedit xvSggStu»

29. Proclus in Tim..ll, pag. io5. (cit. Fabr.)

legk iC<piyytt( atque illud tv^gyyis ex>

plicat, lrAifSe<ay it rf Ai/txoogav*

Steph. P. P. p. 46. Sed ipse Sextus paulo post repetit iCxuSfet irr(*gft. 112. 1. c. £t consentiunt Laert. IX. 3. n. 2. et Clein. Strom. p. 240. ed. Flor.

30. Male pro apud Clem. 1.1. legitur Pro i'ii male apud Laert. 1. 1. iru

31. Apud Flat. Soph. II. pag. 241. Bip. est ii^tifuvat. Sed ibidem pag, 285. recte ii^ifgice. Conf. versum 5i.

z) Aflert Fabricius Lucretianum illud ; Avia Pieria dum peragro loca , nullius ante triu solo.

a) De Tbemide cf, quae dicta sunt in Comment. germ.

b , ^rrof aAif5f/HC simili paraphrasi videtur dici, ab tfut alibi Moigt/t pro Mst/vif. Arhtoph, Aves 1719. M>rf«r ce4lg( pro Solon, £leg. 2. 52. ut iunu*

mera alia exempla omittam.

Digitized by Googie

49

kein bCfes Schickral hat dicli diefen Weg, den Menfcben nie betreten, hergefuhrt.

Oich fiibrte Themis TelbA und Dike. Wohl, du rullft erkunden, was unwandelhar und ewig feft die Wahrbeit lehrt, und was nur Sinnen Scbeln und Menfchen-Meinung ift. Auf halte dich von diefem Pfade fern

Pamnenide* felbft Ae ais mytholflgifthe GottLeit dach- te. So wie dat Wort beym llomer fcbr oft

TOTkoRiim, ohne dafa nian an eine hefiiinmte Cottheit dabey deuken kann: fo kann auch die gegenwlrtige die PerroniAcation einer abAiacten Goubeit feyn. die Ach der Dicbter felbA fcbuC.

IndelTen waa liindert uiii, anaunchmcn. data Par- meaidet nater diefer GOttia die felbft verftand? WSre der Hyinnua auf die Natur bejm Orpheus (£d. Gesn. p. 198.) nicht oftenbar au neu: fo wtlrde idi alie die Beynamen in demfelben. welche hierhea paflen, auizeicbnen, um damit meine Venautbuag zu

6. StiUk. D

Digitized by Googie

5o

Mi/ii r /9<c Hii^ nerri rirv}f PiitSu c}

Kw|K«y afKoxn tiiiim u»\ Anoptiv

Km) y>Jit9cn d)' di itokCutifov tAiyxo» 6^

3s. Apud Laert, 1. 1. tt S(i(. Perperam.

34> Laert. 1. I. ««Addit^iv, in Wetsten. a-«A(/5irv(y* Sod repetit 4-oA^Trife* Sextus paulo post. Ita tSie dicitur ir«Adrf(f«c t. 3s. Sed vide Not. g.

c) Dnai igitur viat inunsirat Dea Parinenidi ; (conf. ad Ilesiod, Efy. 3^. llciculcs in bivio potitus XanopA. Memor. H. r. 2i. ad quem plura Neander in Opere aureo p. 6y.) ab una eum tibi cavere iiibet, in altera caute procedere, iiimiriim , remoto omni tentuum faU lacium auxilio et iudicio , solam rationem teqiii. N alius nego ToAvxttfov illud niibi ineptum videri prae Lattrtiano v«Avdv(>(v. Aptiui enim in lioc qiiati pro« oemio Dea viam faancce contentiosam dixerit, quam peritam, sapientem,

d) De sensuum fallacia similia docet Empedocles apud

Sextum Matii. VII. ra6. M>It§ r</ Syf>ni elrri

arArey, 4 aar’ iteeuije, n &x«^v IftSeuzoe (notter ixitet' emv) vzi( Tfuvuuara vAwcrirc* fu/rt n r£v aAAais izie^ zt(et la tofleat' yvlttv zim Cf. Plato Farm. p.

Respicit ad haec Diog. IX. c. 3. n, 3, cum de Parmenide loquitur: Kfiriffusv ii riv Adyav t?irf. Tdc ra uieSitetit pi) anftfitTc «. r. A.

e) 'EAry.tec patet li. L significare pliilosopbicam doctrinam de rerum natura, minime vero refutatio* nem aliquam. Non admodum diversa habet Orpheus

DigitKed by Googie

5i

bey deiner Forfchung; nimmer locke dicb Gewobnheit, deinen Sinnen, Aug’ und Ofar, zu folgen. Oiine fie, ««r mit Vernunft

heftutlgen, UnterdelTen kann ich fie nur brauchen, nm zu erlauterru Dic Natur heifat hier Allmncter C*’«f** imnifa) Allherrfcherin tn/ra/fat , «atvrcxf«r(<>

fa) unendlichei Endc (aTtAttt rfArvrif) allein unlLeil- bar (aizaivatyifrac itevvii) Allweire (ratri^of) gerecht (9U>i) Eifahrungtreich (ir»Auxiife() klug C**f^^r**0 Ftlbrerin unfierbliche Vorficht (^z9«vdrif

irfiraia) die Allet hat, und Alles wirkt (xAvrz tot oM’ rk xkrra eu yir; rai» iiou»>t riuzitt)- E* iA kem Zweifel, dafa alie diefe Beynamen TolUtommen auf die G6ttin palTcn» welche in unfrei Allegorie redend eingefabrt wird. Auch kaun die *ueit gar woU Ton den Gelchifien der A/zif , Ton der 'Ava^kii u. f, w. rprechen , ea find Gehnifen bey der Regiemng und Erhaltung dea Weltalla. Man kunute tnir die Stelle beytn Stolatus S. zu Vera 14« cotgegen itellen, der

D 2

Digitized by Googie

•*- 52

35 'E| ifitin M6vet H y$ 9vft3c f) ihts

AilwiTMi y)‘

35. MSS. it ri , notante Fabricio.

36. Possit aliquis similitudine huius versus cum V. 55. induci, ut credat, hoc loco statim pergendum esse cum v. 56. Vetat autem hoc Simplicii locus ille, quem ad v. 55. attuli, qui quidem aperte indicat, praecessisse illos versus reprehensionem eorum, qui ri esse et non esse confunderent, post secutam esse ipsam nfi raS Hvrec doctrinuiii. Vetat ellam ipsius carminis ra* lio, quippe quod, si hic statim subsequerentur versus 56 sq., admodum repente decideret a poiitica sublimitate ad tenuitatem philosophicae meditationis.

in Fragm. Gesn. p. 353. Mijii rk vfW rtlStm ^mvivra ^/Ayc alOoot iiiifvp’ i!( H Xir/n S$Tov Tt&rtt vf «vi $u r' M- Paiyf krfmxiToS»

f) In mentem venerat pro Sufiit icribere ituSat] uti

V. 55. Sed timui, quidqiiam sine Codd. auctoritate mu- tare , praesertim cum non tatis clare appareat, an ea- dem ait huius loci ratio, quae loci illius a T. 55 sq. Interpretor autem OvuiQ, quasi esset 4'i'XV> anima san- sitiva, opp. rationali ri Hervetus: Solam men-

tem errare via contingit.

g) Uti noster ab illa Dea te institutum este fingit, ita reliqui Po<tae a Musis. Hesiod. Theog. 39 aq. Em-

Digitized by Googie

53

mulit du die Lehren, die ich dir verkQndey durchforfchen. D»s Gemiith allein verfeblt des rechten Weges.

tlle die {(enannten Wefen ftlr Einerley nimnit, aber die Meyniuig deiStobiiui Ift nicht enlfcbeidend, detin er kann wie dai oft der Fall bey ihm iA , dcn Dicbter nidit aufmerkfani gcnung ftiidirt» oder Tiel- leicbt gar nicbt felbft gelefen baben. Ja, ich gcbe fogar au, daft alie diefe verfcbiednen Wefen, abftract gedaebt, auf £ina binaiia komnien. Bey dem Dicht0r, ala folebem , find &e vetfchieden.

Digitized by Google

54

I.

rou V 0 tj T 0 V, •)

«r

Ta dKtj&eiav. *•)

EJ i' ay$ h) rtS» ifiv, ueultat H »3 fiviof ixoutat Aivif etoi ftaeras 0 ii^^ciof tM vefrgi.

*) Memorat his verbis argumentum huius car- minis Simplicius in Phys. p. 9 et p. 17. Poteram illud etiam inscribere : roJ e\ec Hyr»(t ib. pag..

fli. b. r»f) rHv ifvrftii» Proetus in Tiin. p. 5. (citante Fabricio in bibi. Graeca.)

**) Ita dividit carmen Parmenidis Simplicius e. g. pag. 38 b., ut altera pars rit s. rA

T(i< contineat. Coni. Diog. IX. c. .3. n. 2. Philupon. in Phys. Arist, I. Themist. Paraphr. Phys. (citante Aldobrandino ad Diog. 1. I.)

37 - 44- Servavit haec Proetus in Tim. II. p. io5* (debeo Fabricio ad Sext. p. 3940 cuius qui-

paJocles ap. Sext. L c. Similiter Hortts ille apud Her- metem (Stob. To. II. p, 1070.) ab Iside instruitur. Pa- tet autem , fictionem iatam per sequentia continuari Deamque loquentem induci.

h) EI 3* «ya, Uomericum aeydtkt) curam haba> observa, tene.

i ) Ita tioZscc adiect. saepias. Hesych, ct Eust. vo- cabulum fxaveti deducunt a fiku quaero , ac passim

Digitized by Googie

55

I.

Rationale Kosmologie.

oder

Vernunfierkenntiiifs vom Wefen tler Dinge.

Wohian, fo horo mich, uml uierke wohl den Unterricht, auf welchen PAiden hier bey feiner Unteifuchung der Verftand

Hier langt alfo der eigentliclie Unterricht an , den die grofte GOtnn, (wie dort die Ifis dem Hortia S. Stobaus II. S. 926 f.) dem Denker crtlicilt. Sie aeigt ihm auvOrderA die verfchiednen Wege, die er hier einlchlagen kbnne» iind macht ihn auT die Veirirrun- gen der Fhilofophea aiifmeikfam,

F.ntweder die Dinge fmi, haben Wirklichkeiti odei' Ae fiml nkht , habeu keine Wirklichkcit ; ein drittes gicbt ea nicht> und ea iA nnphilorophilcb, die Bcgriffe mit einander zu verwechrdn , und den Dingen bald cin Seyn Tin dem einen Simie) , bald ein Nicbtfejn (in einem audern Sinne) bcyzulcgen.

Digitized by Googie

56

'h ni* k) , IfTmt iri Tt na) ei* {"%• n»l ei*m$ ,

40 UeiBev( iri uiMt>$0(' mAnUtl* ykf owHiti 1 )*

'h t’ it ei* eri ye *ai «c Xfii** iri f<4 ,

Ti)v i* rei ir**ti'*’ti$i«i i/tne* krn^xi* in)‘

dem librum rarissimum doleo me inspicere non potuisse. Quod autem hos versas primos fa* cerem, iusta ratio erat in Simplicii adnotatione pag. 17., quam tianscripsi ad v. 55. Postulat etiam philosophicae institutionis ratio, ut pri- mum errores varii monstrentur, deinde, quid verum sit, doceatur.

42. Pro wet*arti9ia SimpL p. 25. habet w»*mxtv5f»‘

Musae omnis onnnino scientiae et sapientiae Deae vo- cantur. Similiter l'urip, Alcest. g65. Ai^*ei( , me- ditatio, inquisitio, uti supra v. 3i. et mox v. bo. Verbum* V. qo.

k) Hunc locum Simpl. , hisce praemollitis, pag. a5. aHert : E< nt ixiSviui *ai airev reS nmf/*t*liev rmirrnt kiyeeret a*eue»i rin xferireit, ril* (li* wafii ri tfv si/k H* *ai eiii* Aiyevtmv, 1} ri( v mirit /ri rf ri K* fteemxif kiyerSmi , lufneti i* i*ihei( reit Iwtti*' 'H pi* k. r.

l) comitatur, sequitur euntem. Sic apud Hesiod, Sfy. 313* xkeirif kfsr^ k«) ki73«{ exHitt-

Ib. 142.

m^ ’Ar«fvjy, uti itif, »iAiv9et» Linus apud Steph. F.P. p. IIS. MvSmv iifurftm krsfvdy vif) xmtrit &Aif59.

Digitized by Googie

57

nocb geben ktnn. Der einc Ichit, es was ift, ein Nuhf/eyn fey undenkbar: diefs

der ficlire Weg: die Wahrbeit folget ihm. Der andre Jehrt , es fey nichts , kunne auch nichts feyiiy und diefes ift unglauklich. Denn

Die Vemanft fahrt on* zu der Lehre TOa der PVirk, lichkeit der Dinge.

Aber wie kam die alte Fliilofopbie auf diefee Problem, und auf diefe Aiifl&riing delTelben?

£a ift daa grofse Problem tou dem innem und BOthwendigen Zufamraenhange der Weit, im Rau« me und in der Zeit. Wir k6nnen ei in folgende Fragen auBofen: Ifr daa allct, waa icii fehe, wirk*

lich? wie hdngl et untcr fich tufammenl hat et grfangen zu fejml wird ea au/horen"! ift et hier gam? oder ift auffer ihm nocb mehrl Solche Fra. gen rauftcen nothvrendig in der erwachenden Ver. nunft entftehen, befondera zu einer Zeit, wo Man. gei an Tieiracben Beobacbtnngen daa Zeughib der Sinne fo fehr verdichtig znachta , und wo mebrere Denker diirch vermeyntliche Sinnen* Taofchnng und durch den Anblick der immer wan* dclnden Natur , auf die Idce geleitet wurden , an der

Digitized by Googie

oSn yhf iv Yvtltit M > ^6 yitc i^tnrir ^ oSri n).

45 Xfi) rd Afy$iv rd voiTv ri o}. *Er« yitf i^vki,

Mttii* t' oCh f r& svtr/c p}t

43. Idem ib. pro i^ntT6\> habet ivvr6v. Servavit enim idem quoque versus 39-44 P^S*

4S. Post versum 44) paucis interiectis» Simpl. p. 2d. pergit hisce verbis: ''sn yke §7»ai «• r. a. us- que ad V. 53. Ubi, quae desunt ad versum, commode notata inveni ib. p. 19, verba nem- pe xc*l

Videtur Cicero hos potissimum versus respi- cere, cum dicit: Parmenidem Xenophanem mi- nus bonis quamquam versibus, sed tamen illis versibus increpare eorum arrogantiam quasi ira- tos, qui cum sciri nihil possit, audeant se scire dicere. Acad. Qu. IV. 23.

n) *Oti St 4 Aitri^mfic cC ><’ Ixilvtiv A/-

y$i tS» Itwv, Si mt f*in^irat nii lii rauriv evid' ytuiti rk k*Ti*f'ini\a~ Eivaiv "Eti yaf iinai k. r* A.

Simpl. p. 25.

o) Ti T<(.r«v e\a km) t3» aCrS» livai XSya* ri» rau ree 4 nafuivlSiic raifroit' X(>) rS A/yii» k. t. SinipL pag. 19.

p) Homerica et Hesiodea locutio. £. g, Efy. 3^7* *

9$ iraya- Jb. 4^)3. 68~.

Digitized by Googie

- 59 -

was nickt ift, kann Niemand erkennen, od«r erkl&rerii weU’s unmSglich ift.

Das Sagen, Denken und das Seyn hat alfo Realitilt. Was ift, hat Seyn, und was nicht ift, ikNichts: diefs nimxn ais Wahrheit hin !

Wirlliclikeit de» Exiltirenden zu zweifeln. Die Eifthrung lelirte, Jafs Diiige wurden, tlie noch aicht ila gewerrn waren , dafs andre, die da wareu. oufgtUdrt batten zu feyn. Die aurvrachfende Fflanze, der neugebohrne Menfcb, die zcifallne Blnme, die Afcbe det Todten , mic einem Wortc. dic ganze Nator lebrte Entftebuog und Anfhdrcn, Wetden und Vergehii. Der denkeude Mciirdi fab dicfe Erfcbei» nungen, aber er dachtc weiter nacb. Ifc diefs eiii wirkiiches Eniiiehen und Aufhdrcn ? wie iXl es nidg* lich, daft etwaa entiteben, das heifst. aus Nichts Et* was werden konne? dafs das, was einmahl ift. aucb wieder nicht Ceyn kOnne? Bey diefen Bedenklichkri. ten blieben ibm niir zwey Mbgliehkeiten Qbrig. Euc* weder: es giebt gar keine eigentliche Exiftenz,

Wirklichkeit oder : diefe Veriiiiderungen , die wir wahmebmen, find blolse Erfebeinungen, danen etwaa Reales, Exiltirendes, znm Grunde liegr, welches wir

Digitized by Coogie

6o

nftirtt^ yhf 4^' SicS t7gy$ yotina q).

ACricf ixtiT icwi r!i(y l}v ii) |!f<rai tlSSrts tdih nU^nrai ilufmvct r)' iunxmlM yif iv ttSrSt 5o SrijStr/» wAayxriv vo6*. Oi Si ^§feuvrmi Kai^») s) SfUi{ rv^Atl r$ r$3tirtr$(t mnf/rm ^uA«« Oic ri wtAiiv u») edg i7»mi rauriv vivifurai K«c7 rmuriit’ wAvrmv Si wmAirrfawot ift utA$u3$(. 'AXXk 0i T?c i' 4^’ tjev Si^^gitt t7fy$ viiifUt 55 MSv9( 4’ 'irt i*S3$t SSm

55. Ita Simp7. p. 17. ykf (Parmen.)

TCtf t4 lf¥ na) ri pi) i^y tvft^i(»u9iv iv rm ysiiry « olf ri wiAgiv Tf na) tC* t7¥ai rautir ^ivopt^at aoi ravriVf Ka) iwtrfi4'0C r1t( iitv Tlfc ri pS Kv ^arUtm i^iyu M<y«c 4’ «Vi pu3tt k. t. A. lisdetn hisce verbis in- cipit idon p. >1. Pro 4' in p. 3l. ii n.

q) T?c ilov r?c v4 pi Ky ^areCttit, Simpl. p. 17.

O A/*f«v*i» bicipites, vocentur, quibus e duabus sententiis neutra satis certo sedet, ancipites consilii: quo pertinet Itpnxayin mentis inopia , temerius in iu- dieando.

s) Ka^it miitns , vel obtusiu. Qinvenit utrumque ad describendam uUiim philoiopbonun stupidiiatem. Cunf. yalkan, ad Ainmoiu b. v.

Digitized by Googie

6i

Da halte dich von jenem Pfade fern bey deincr Forfchiing: hute dich tor dem, worauf die Sterblichen tinwi(Tend irren: wo

Verblendung ihren irrenden Verftand zu leiten fcheint: denn wahrlich frumm und

blind,

luid wie ron Sinnen find die Thoren da, die Seyn und Nicbtfeyn bald fiir einerley, bald «t^ieder nicht fiir einerley erki&ren: der Pfad, den diefe gehen, fuhrt zuruck.

Auf balte dich ron diefem Pfade fern bey deiner Forfcbung : denn es bleibet dir

Ein Weg nur iibrig zu betreten, der

nicbt wahrnthmen , fondem nur dmken konnen. Dia erftre Idee haben viele Denkev vor und nacb Parmeni- dea Mgenomnicn : die zweyte ill es , fflr welcbe Ei (ich erklirt , iind wenn ihn Ariftotelei und Plato niis- Terfielm und udeln, fo katn es daher, weil Aa nicbt auf den Unterfcbied Achtung gaben, den Parmenidei ausdrflcklich swifchen Noiimenon und Phae- nomenon macht.

Digitized by Googie

62

Af t) , eri»' ra^rfi >’ itri nSiior' »mc€i n«AA^ fiA/i, wc kyfenrtv lie x«> kn^Kt^fov frn u)| OvA«V| luuvtyevft rt »mi lerftftit tfi' iriAfrav, OiStwtT it») »ut‘ ermi' Iwi) »S» iri» ifteS xS»)

56. Fro Mtxermt male in Simpl. p. 3l. fulrermu

Aitxir»! ib. p. 17.

58. 'Ar/Aewv apud Simpl. p. 3l. Sed ib, p. 17. legitur ir^^^uTe». Clemens Strom. pag. 252. Pia- tarch. adv. Coi. et Euseb. Praep. Ev. XIII. p. 680 legunt ieytv»iiTev. Bessarion adv. Calumn. Piat. p. 3i, b. videtur etiam irlAiro» legisse« vertit enim sine Jine perenne.

Non alienum videtur, transcribere huc versionero lati- nam horum versuum a 57. usque ad 67., quae in Bes- sarionis libro mdv. Calumniatores Platonis II. ii, le- gitur pag. 91. b.

Ingenitum quando est , sit et immortale necesse , Unigenum , immotum , immensum , sine fine perenne , Quod nec erat, nec erit, totum nunc esse fatendum est,

t) Qui po£taa antiquitiimos , inprixnit Homenim, novit, non offendetur repetitionibua eiuamodi, qua* lem hoc loco invenimui. CoU. v. 35. et v. 3i. Coli. r. 47 et 54.

u) Clemens Strom. pag. s5a. baec tanquaia de Dea dicta male interpretatur.

Digitized by Googie

63

das Seyn der Dinge lehret. Viele GrQnde beweifen, dafsy was ift, das Wirkiiche nicht einft entftandcn ift und nicbt vergebt. Gaiiz ift es, Eins, ift unbeweglich und unendiicb, es war nicht und wird nicht feyni denn alles ift, fo wie es ift, zugleicb,

Parmenidet Endet dai Nichtftyn der Dinge unbc. greiflicb. Warum ?

Man darf iiur einige Stellen aita diefen Fragtnentea lefen, um su iinden, dar* er, wie fchon Tor ihm Xe< nophanet thac, daa loglfche und metaphyjifche Seyn frir Eineiley nahm. Er kann Hcli kein Etwas denken, ohne es ala ftyend zu denken : Ton jrdeni , felbft dem Gedanken Dinge, iA der Begri/T des Seyns unzer- trennlich. Alles, was ein Menidi deiikt oder nennr, inurs feyn, weil er es ala Etnas denkt oder nennt. Eben darum Cndet es Pannenidea inconfequent uml unEnnig , einem Dinge , von dem man ein ift pri> dicirt, doch das Seyn abzufprccben. pVefen and Seyn, Ding und Exifteni ift Eins im Andem und durch das Andre. Man wird iiber diefe Verwechs* Inng nicbt lacben, ^yenn man fich erinnert, dala fie

Digitized by Googie

- 64 ~

6o •vvtxU ▼)’ rhm yhf yhvnv «i^rav >

n(? t<5«v ; c5r’ in /tif S*ret litm

t t»ii 0u ykf iptrrov tSSi votiriv *Etiv, e»«c ein tii. Tl i’ £v (tn m) %f<«c *TT»f»v S Xf<ff5*y T«J ^S*ail

6o. Pag. 17. Simpl. y^n^v est. r<w«v vero pag. 3l. legitur.

61 - ’64- Habet Simpt, etiam p. 34* b*

62. p. 17. r, euti.

64* 'A^f4^v#v Simpl. constanter dedit p. 3i et .34* b. Est igitur versus hypercatalecticus y istis poetis non infrequens.

Unum continuum. Nam quem eiua dixeris ortum?

Aut quo tandem ? aut unde ? nec ex non ente putandum est , Nec dici ore potest, nostia nec mente revolvi.

Quod nihil est. Nam quid puse ipsum fecit oriri Aut prius ? Entis enim non sunt primordia primi.

▼) Zi Ili» yScf r»i( irbiifiMci» ifi-a i7»mt ro wS\ y

««> T/xjUMf'» ««*«« y* x«) fJ. Ita >Socr. ad

Parroenidem p. 74, Sunt autem rmpifia idem , quod T, 36. ctifiara, Kff) irafailiurt Aaixov ric tqu Kvfltif V»T0( otfpiia. TaZra ti) w»g) reS itvfiu( HuTCf Kh ymv hagySf ix»t»lH»ufiv , hri iyt»MTo» riZro ra fcV «vre yif H»ret , ei/ yhf afeuTP.fXia «AAo H»' »Sr$ ix rau pi)

IfvToe, ei yif irs re pi^ V». 'aaa& ptr aire vflrvxf» Simpl. pag. 17.

Digitized by Google

65

zurammenhM.ngend Eins. Denn fage felbfr, 'wie war’s enlfianden? wie, wodurcb yennehrt? aus Nichts? das ift undenkbar. Niemand kann lich denken, oder fagen, wie etwas nicht fey. Und welche Macht geboth ihm denn nur grade da, nicbt fruher, fplter nicht, aus felnem Nichts zu treten und zu werden?

weit fpaler noch, einen Cartejlus bey feinem ontn- logifclien Beweire fur das Dafeyn Gotus irro fuhrte.

Da nun das Wefen alles deflen, was wir denken nnd wabmehmen, im Seyn befleht; fo verAeLt es Cch Ton felbll , dafs alles , was ficb Ton diefem Seyn nnterfchiede , eben darum Uiehts wtrc, und dafs et alfo nicht melirere Seyn geben kann. Denn alles, was vom Seyn unterfchieden wire, ware Niclitt. Mithin ifl alles Ein Seyn , Ein Wefen.

Wie natdrlich hSngt damlt der Lehrfatz znliun. men, dafs diefet Seyn niemalilt geworden fey, nie- malt angefangen habe! lJ'ar dat, worans es ge- worden ifl, nicht, fo war es Nichts', et konn- te mithin aiich nicht der Grniid cinet Etwas 6. Stiick. J7

Digitized by Coogie

66

65 oSrmt t} wiftxa» iriAivat Ir)» S cCx^

OHiacr’ eit yi ¥<r«c «(ficc x)

rlyMtSal ri wa( airi’ t»S »Sti ynitSmi

oSt eMvrSai kvlfug A/k«i , wiitiai* y) ,

’am' i'x*t‘

66. Simpl. pag. 3i. Sed pag. 17 et iq.

i^Caii’ Consentit cum priore lectione Bessarionis ]. 1. versio : sententia perstat.

69. Post verlia «aa’ *jgn ita pergTt Simpl. pag. 3l. b. 'h ii tcfieif irifi toutu* h r^i' et addit versus 70 to6. Patet igitur, eum hoc loco omisisse versus quosdam, in quibus illa afiett quodammodo praeparata fuisse videtur.

Nunquam ergo aut semper, ik quo nunc dicimus, ens est. Ex nihiloque nihil fieri sententia perstat.

Ergo ortus nullus : nec erit post secula finis.

x) Similiter wlvt»t fn>pn apnJ Empedoclem. Steph. P, P. pag. 27. ex Clem.

y) Vincula, compedes symbola potentiae, neceaaita*

tu et firmitatis. Conf. v. 80 84. »32. Ita Saturnus Aiepevt ifltiTcvc ixt‘ a^tlfova xcefien. Ofph. llymn. 12. 4. Somnus euaara itepitvti Iv jt.tfvi.

Ih. Ilymn. 82. 4. Cum omnia firmis vinculis tenean- tur, nulla omnino mutatio accidere potest, neque fieri quidquam , neque interire.

DigitKed by Google

67

So ift, was ift, entweder immer, oder niemahls. Denn dieHi bleibt ewig wabr und feft, daCs nie etwas aus Nichts von felblt entfteht ; Und Dike Jaffet nicht entfteben, nicht vergchn, fie halt des Gan^cn Bande feTt.

Icyn. TVar fi» fcbon, war es Etivas, fo iana inan nicht fagen , das Seyn Cey geworJen , denn es war ja fchon da. Dat Seyn det einen Etwat kann nicht dtirch dat Seyn einet andern veimehrt werden, denn alles Seyn ift einerley: d^t eine hat nicht me/ir Seyn , ait dat andre.

Et ifi nicht denkbar, (agt Parmenides, daft etwat an- gefangen habe, zti feyn, daft etwat aus einem Nichts entflanden fey. Denn et entiieht hier die Frage: ff''ann ift et geworden ? Sagt ihr , in dem Momeni A, fo frage ich : warum denn grade in diefem Mo> snent? konnte et nicht aucli in einem andem wer- den? Ea ift ja kein Hufrer Grund voihanden gewe- fen , der et eben in diefem Moinente ins Seyn befur- derte. Et konnnte anch kein innerer Grund da gewe> fen feyn. Denn wo warc er gcwefen ? dm Nichts ? dat war ja nicht. Im Seyn? das war ja aucli noch nicht.

E 2

Digitized by Google

63

’JO *Efn» ^ ei» /fit‘ KfKfiTgi 8’ «tw, £twff iniyfii^ T>i» /tiv ii» iv^VKTCw itv*»»vfw» z), c8 ^

'Sriv iiic' 8’ *>rf riA«v iw) irirv|4<y <*»«< ,

TTmc 8’ iv irsira wiAoi rd iiv } itmt 8* yikc<T«.

E( yt yiveir’, oJk JV’) oi»8* ii rart i*JAAn tfirSat-

75 Tw( yhitif a) fii¥ kwtrPnrm k«)

Oiii iiaif$Ti¥ ifi¥f iwii wa¥ irnr i/4«ray,

Ov8« ri rf itSf.X¥¥ , t6 nt¥ iltyoifity tv¥i%$aiai > Oitt ri Zf(fiT(f«y , tray 8i «Aicy Jf)y l8yr«c.

«vvfxic )T«y Iriy» iiy yicf ii»rj 80 Airkf itK(yifr«y fuyiAMy i§titS¥ bj

70. Simpl. pag. 3i. b.

76. Simpl. pag- 19* l^imtf$rt¥> At pag-

3i. b- uti dedimus.

80 - 82. Simpl. etiam pag. 9 et 17. b.

Verius 80*82. Bessarion 1. l. p. 52. iu exprimit: Immotum, validis iniccta in finibus arcet

2) 'Ava.vfiov interpretor ohuuram, ingloriam. De- finit autem Parmenides, qiiaenaro illa via sit, sequen- tibus rqy d’ ut» K. r. A. hanc dico , quae docet etc.

a) De riuai tov Hvtoc, (quam barbare scientiam dixe* ris) conf. Plato Parm. pag. 104.

b) Reprehendit Aristotelem Sitnplicius p. 19. quod

Digilized by Google

^ 69 -

Seyn o8er nieUt feyn. Alfo ifts beftimmt,

den dunkeln und unnuUen Pfad zu meiden

er leitet nicht zur Wahrhelt ~ der da lebrt,

was ift, das kunne werden, k6nne feyn,

wenn es zum Theil vielleicht gewcfen, und

zum Theil noch erft geworden fey. Denn ift '

es einft geutorden^ wird es kilnftig

fo ift es nicht. Und alfo bleibt Eiiirtehiing

und Umergang des Wii klichen undenkbar.

Untheilbar ifl, was ift, und Ali und gleioh: es giebt kein Mebr, Tom Ganzen abzutrenncn, kein Weniger , das AU ift uberall voll Wirklichkeit. Und darum ift es auch zufammenbilngcnd, Seyn gehdrt zum Seyn. Dann unbewegUch feft, in ftarkcn Banden,

E* konnte folglicli >iich nicht von felbd entiiehm. Deim man kuin cinem Nichu kein Selhft , kein Fon felhft beylegen. Und wax alfo keine aufre Macht vor- banden: fo konnte es gar nicht eniftehen. Jcde Sufre Macht aber miifte doch fchon feyn, ea wai alfo fchon vor dem Seyn einSeyiida: alfo ift dat Seyn nicht veti^orJm.

Digitized by Googie

70

'friv ivKfXw c), ixav^ov, ixi) y1’»txn ks) KAi$fo( d) Tflif fiaA' l»A<4yj55«fff«» , ixmxi ti x/nc ItAtiStlt.

82. Male in Simpl. erat nnhw.

V'inaila , principiique expers finisque futuri.

Hinc etenim longe finisque orrusque recedunt. Vera fides hacc est, nec, hoc qui credit, aben*at.

has vocet »( ixl xufutroc acceperit, adeoque ri Sroxm ixfyay$¥. Zx^fvtfov ti rc^ro rd irexe* i xafli rp nAdr«v« naffiivltifc x(09^*XT0 ix) rev frret xarit

T^» itvTiflav tS» ixoSisfuv, ( Plato Parm. pag. i^o.

Conf. Aristot. Pliys. I. c. 3. Sextus Pyrrh. IIT. 65. Calenus de elem. I. 4. Plutarehus de pL PhiL I. 24.

c) *Ay«fxev aa) inatnov tta^ffii' Vrt ri pit kval- rto¥ xfd( ers(0¥ Alyirai’ ri i’ *A¥ct(xe» Xfi( eavrit, Ammonius. Cf. Flato Parm. pag. g5.

d) ’e| tJ xdt tflAov, hri «AAo ri aleSitriv eTttv,

Iv w yiytttt VAtSfot , »a) «AAo xd vetiriv Vs.

Simpl, pag. 17. b. Hoc discrimen ti probe animad* vertissent Plato et Aristoteles , cantioret sane fuissent in reprehendendo Philosopho nostro, ^tuvifuva enim et fiunt et pereunt; NooiJpfva non ita.

Digitized by Googie

und ohne Anf.i>ijj, oline Ende, denii Entftphen und Vergelin find fern davon, vertrieben durcli der Wahrheit fichern Spruch.

So undenlbar eine F.ntftehnng ift: eben fo undenk* bar iA aiich daa Vergelien. Waa ift, kann nicht auf» liuren zu feyn. Wie k»nnte Eiwat fein Seyn TeTUch» ren! Durch Acb? Unm&glich. Durcbein andresSeyn? Noch iinmOglicber. Was alfo einmabl Seyn hati iA aU folchcs iinreriinderlich , kann nie aufhOreni Seyn zu haben. Das Seyn iA nichts zufalliges, es iA noih> wendig, denn es Aebt mit Ach TelbA in nothwendi. gem Zuranmicnhaiige. Parmenides driickt Ach po^tifeh aus: Die Dike, Guttin des beAimniten Ziifamnien-

hanges lafst die ewigen Bande, in denen das Weltall gebalten iA, nie nach : es bleibt, vras cs iA^ es kann nicht etwas anders gewefen feyn und werden.

Aber vielleiclit iA nocb cine Ausflucht iihrig. Wie wenn das Wirkliche niir znm Theil geworden vrixe, iind zum Thcil fclion exiAirt hatte? etwa, wie die Aelire zum Theil fclton ift, im Keirae, und zum Theil erA wird. Wenn Parmenides auf diefen Ein« wiirf nicht ausfuhrlicher antwortet: fo miifs man be* denken , dafs er ihm in feinem SyAeme ganz Annieer eifcbien. Seyn iA Seyn , es giebt keine Theile , keine

Digitized by Googie

72

T4t/rev r’ rmvrf Stfthcv' xaS' i»vT6 rt Knrmi’ Ovrm( ifixtlov a!$i fthtu K^orifi) yiig ivayKti e) 85 Hilfarot h iituoifiv Sx*i n fit* ifi/pit Hgytt'

Oi/yfKiv ein jmAti/rifrov ri iip forat’

'Ert yccg oi» ixiSivit) fiii Hv i’ iy weorie iiitro F}<

84 * 87* Occurnmt etiam in SimpL p. g et 7. 85» Jdein alibi pro lx*‘ rf legit $xtt r6>

Vertit illos versus 83- 87. Bessarion 1. I. p. 31. b.

Est et idem per seque manens ens semper eodem Immotum fixumque simul: vis magna Necessi Implicat hoc circum, summo quoque fine coercet: t^yod si fine vacet, nequaquam dicimus esse.

Si quid namque deest , opus est omne deesse.

e ) Quod in b, L ivt(yxev appellat , alibi Mntfy et polgay dicit. Notittimiim est , veteres Parmenidi boc placitum tribuisse : Omnia fieri xar* a»dy«ev. Stob. I. pag. i58. Ileer, Cf. Gesner^ ad Oqth. Argon. p. 5. da hoc placito disserentem uberius.

f } Vl{ "yif t4 Ify M$i( x4yTttv Sri¥ , sv-

rar ri (fv iytuhic riAtio*' ri ii aivai/fffvoy Iv 3ii( inihot/ , 3i' 0 Kmirai. Ti iga V* ei «lyferax. Simpl, pg. 9. Pertinet buc etiam alius locus. Ei ykf y* iri, «a) eix'> 1*^ 'AveyJffc ii tf* , rh

Attii iri' riAtit¥ >i , *%f« r(Aet aa) e^a iri¥ ItrtMi- Tifray' rf Aet ti fX»y , xifat txti aal ofsy. Simpl. pag. 7, b.

Digitized by Googie

73

Auf fich gegrandet fieht es in ficb Celbft; und bleibet feft und danernd: denn es bllt

das Ali die xnSlchtige Nothweiidigkeit in der Begriinzung Banden elngefchrankt. Drum kann, was ift, nlcht unvollendet feyn; denn es hat keinen Mangel ; w&r’ es niclit, fo wurd’ ihoi Alles fehlen ““

Grade darinn. Was «icbt Seyn bat, ift gar Hat Etwai fclion sum Jlieil eine Exiftent, fo braucLc es gar nicht crft su werdeii , tt ift fcbon. Mufate es dennocli erft %Terdcn , Io lut es kein Seyn , und wix findda, wo wir gewcfen waren. Mit Recht erklart al. fo der Eleate diefe Aiufliiclit filr unbraucbbar, ftnnleer (avt-.ifraO und fdr diinkel uitd unverftandlich ftav.) Das tVerden feut ein kdnftiges Seyo. und eia Toriges Nicbtfeyn Toraus , und bebt alfo allen BegriilF des Seynt auf. Parmenides ift dberaus confe^iient, oder icli weifs nicht, was codfequent ift.

Parmenides CaCit. wie wir gefehen haben, den Be> grilT Ltwat und Seyn zufaxnnien : er denkt ftch allcs W^efen , ais ein blofses Seyn. Ganz richtig folgen aus diefer Annahme alie die Satze, die er nun Toririgt. Das Seyn ift untheilbar, ift Alles, ift fich felbft gleich : es giebt keine Grade darinn ; alles , was

Digitized by Googie

74

TMvriv i' ir) mii» k«) ou e\i»h ivi vStiitm,

OS ykt i*»u T3U linTtc , h i xt^mrititivov irh ,

90 Euftffue T0 vony g)" tCih fif it)y jj Umi

'aaao rdeif rov iS-^et' ri yg ixHiirgv h) Ot/Ao» ctHlvytriyr imityan' « sr«vr’ ovo// iriv,

"Orr» jJfoTo) KotWSfvro »ixo(5^rr« »i»«/ &Ai|99,

Vhiv^mt Tf s«) oAAl/#5ot(, »n«/ ri Kal OlJ*) ,

95 K«> T<T0» cc\KA99$n , a;fi« (j«vo'v antlfiti» i ).

88*92. Ibid. leguntur etiam pag. 19.

90. Pro eCiiy yif, quod Simr-i. habet pag. ig. , idem pa£». 3i. b. legit oW’ «>'

92. Simpl. {‘luymi. Idem -p. 3i. habet trav «Tuoju’. sed X&yr \Syen' pag. 19.

g) "ZvtK$y yk( reZ mi/tov ravriy ii $Wi7y rcu {frrtt ir) ri ycii», r(Ao( Jfv mireC. ''impl. p. J9. gj aJ» C9t( Tif i| ytifrif () , ri l(y t fi , xAvrmv il( erat

Kfryot i TtS Hvret- Simpl. ib.

h) Homerica locutio v. g. II. X. 5. *£fcrof« J’ aireu lititai oAo^ Moif' Ixiiii9i.

i) Conf. Plato Paim. pag. 97,

Digitized by Google

75

Das Denketi und des Denkcns Gegenftand ift eins, wies andre : ohne Wirklichkeit

und ohne etwas, das dn denken kannft,

«ieht cs kein Denken: aufer dem, was ifr, gieht es foiift nichts, und wirdes nimmer geben. Das Schickfal hat es ganz und unbeweglicli und fcft gcmacht: drum findes blofse Namen, die Menfchen nur aus falfchem Wahn erfanden, wenn fie von Werden und Vergehn, von Seyn und Nichtfeyn, von Veranderung des Orts, und Wandelung der aun>ern Farbe fpiechen.

ift, gehort ztrni Seyn, Ein Exiftirendei ift fo gnt exiftirend , wie das Andre. Es giebi raitliin aulTer dem Exiftirenden fonft nlclits, denn siles, was ift, liangt diirch das Seyn notliwciidig zitlammen , und fcblflrst alles Nichtfeyn geradehin aus.

Es giebt mithin in dem Reiche der Realiiaten keu ne Veraitderungen : das Seyn kann nicht werden, iilcht aiiflioren , nicbt ab - und nicht zunehmen , oime fein Wcfcn in verliehren. Aiifter den genannteii Ver- .nnderungcn giebt es im melaphyfifchen Sinne fonft keine: mitliin ift alles, was ift, unveianderlich , oder wie Parmenides fagt, unbeweglicb. Wenn fpatere Philorophen diefe Behauptung undenkbar fanden : fo lag der Fehler darinn’, dafs fte metaphySfcbe Bewe. gung (Verinderung) mit pliyGfchcr verwcclifelten.

Digitized by Coogie

7^

hir)tf iTti nTfae v^fuiro» ririAtr/Uvev irW nivToSiif ((>ici/icAftf ha?UyKi$v Hy*it k),

M/r#«5fv Itoxaxic 1) «ivrjfi r) yitf t6ri n Ouri ri fiatirift* wiAitat Xf(«v ht rf y rf. loo Ovri yitf o£* Hr lrii t6 xm£f luv UutSat Uc i If* ^T<y ) fixat «(«f Mvdv l/rrtg

gy - qg. Laudant praeter Simpl. hos versus riaio II. p. 256. Bip. Aristoteles de Xenoph. Zen. ct Gorgia, ad quem vide Dissert. meam (Halae X7d'j} et inprimis Spaldinpii V. Cl. Comment. in primam partem huius libelli. (Halae 179^.) pag. 5o. 5i. Proetus in Theol. Piat. III. c. 20. pag. i55. qui pessime legit xiAt. y«). In Stobaco T. 1. p. 352. V. Cl. Heeren dedit xiJu* f .

100. In Simpl. est UviieBui.

El 3) i’nv*Aev haAlyttigy oynif ri i'v Ifr

I pii SavsiAfr(. isfa yiif «rp/vriv m) pvSoAt- ytKov Tt¥t( xafixTirai xAdepareg. Tl oJv roSr3 iiTf4¥, i £>c 'Of^iuc liirty ri iir Simpl. pjg. 3i. b.

1) Significatio huiui Tocabuli facile colligitur ex propinquis t. c. «fixoiA^C de corde semper vibrante, pieoxafJlc , quod ex medio vibratur Hesych,

Digitized by Googie

77

In ficli Tollendet ift des Ganzen Form: gleich einer runden Kugei, uberdll der Mittelpunct gleich weit entfernt: kein TheiI ift gruder oder kleiner da und dort.

Es giebt kein Nichlfeyn, dafs des Wlrklichen Gemeinrchaft unterbrochen wiirde, und in dem, was ift, giebts nirgends eine Leere,

Was uobevregUcb iA. fagten fie. mula in Ruhe feyn: nun bewiefcn fie , dafs daa Ali nicht in Riihe feyn kfinne , und damit war Parmenidea einer finiileeren Behaiiptung fiberwlefen.

Eben diefer TnbcgriA von Realitaten ift denn nim auch in ficli rolleudet: ea feblt ifim nichta, ea ift nicbu auffer ihm . was ihm noch abgelit. es ift durch fein eignea Wefen begrauat, es ift in fich vollbuni» men. Nnr dem, was nicht Seyn hat, (ehlt alles; daa ift keine Realitilt, iit Nidus.

Sonderbarer kunnte die folgende Behaiiptiing Tchei» ncn, die er fchon obcn V. 45. beriihrt hat. Auch daa 13enken ift , weil ea Cegenftiinde , VVirklichkiiiien, denkt. Da alles , was nicht Seyn hat , Kichts ift , da der, welcher denl(t, Ltioas denkt: fo denkt er fulg-

iich etwas Seycndes, nnd fein Denken ift ebenfalla et was IVirldkhes. Maii kann nichts denken , was nicht Etuyas ift nnd Realiuit hat; man kann alfa nnr mit feinem Denken in dem Kreife dea Pf ’irklichen bleiben, denn derGedanke felbfti/t docli etwas Wiikli> ches. Aufter diefem Kreife ift weiter nidus Realee, denn daa Reale ift Eins und gana and unveriindcr* lich, und die Aiisdriicke : Werden, Auflidrcn, Veriln* derung dea Orts tuidalmliche find nichii ais VYOrter,

Digitized by Googie

- 78 -

I*Saa$», rp i' iiee$t‘ iir$) wtiv iriv afpAov m}, *H <rivT«5fv 7fc» tfiB( h wtlfari HvfiT n).

’Ev ffoi w»6m wifdv A6yc¥ pii vip/i»

1 o5 kAp$§tp(‘ iiiat i' iri TcSti Peertiat

Ma¥$ayi , »6rfiv» iftSy iwtm» icxarpAiv o) Icutimv»

104- Hos versus Simpl. habet etiam p. 9. us* que ad v. 11 5. Pag. 7. b. similiter.

105- Pro PgQTtlat ib. p. 7. et 9. est (3f«rf(evc.

Bessarion I. 1. pag. ;}. locum hunc a vcrtu 104 usque ad II). ita lacine reddidit:

Hactenus et veri mentem , intemerataque verba ,

Nunc res mortales carmen quoque sumite iallax.

111) * AevAoy uti aVvAarav, quod spoliari nequit, adeo» quo taepiiia nudum. Conf. ad Callim. in Di. 2i3

n ) Taura piu ouv ric wtf) rov »w»c K>ree «ti» tcv Tlafiityliou , a AQsriv srigl rfiv ia^aitBv SiaAtytrai 1

aAAat ligx^t l* inilyoif vsrori5ififvc(. Sirnpl. p. 3i. b. Cont p. 38. b. HupxApgueat yig riv mgX rau >oij* Tou Aiyau b Uagniylipc > Isriyu raura x. r* A. 'fv tS eoi X. T* A. Simpl. p. 9.

0} ^o^ardy oJv xa) iparpAio ravrav xaAti riv Abyoa , oSx “« '{'«vi? drA£< , iAA* u( Atb riff loprtjt aApStfas tl< ro (^anipotov xat) oexot/v aJeSproy jxxfTraixerat. Simpl, pag- 9-

Digitized by Google

79

Io dufs Lier weniger, dori melir entltunde. Man kann dem Ganzen keinen TheiI entreiflen: denn uherall ift es fich gleich und ganz.

Hier end’ ich nun den treucn Unterricht, der Wabrheit Lehren. Auf, Ternimm du jezt der Menfchen Wahn und Meinungen. Was du Ton nun an hSrlt, iit Sinnen Schein und Prunk.

wodorch die Menfchen die bloGien Erlcheinungen be> zeicbnen und unterfcheiden.

Der Eleate ninintl, imi feiiie Idee zu verlinnli* chen, daa Bild einer Kiignl zu Ilulfe, So wie hier alio Theile in dem genaufren Verhitltnine mit dem Gan> zen Aehen , fo 'wie ein ZuU zu vici oder zu wenig die Kugel nicht mehr liiigel feyn liefae, fo wie dic- fer Kdrper in lich vollendet iit, nnd nichts. waa aiifler ihm iit, zu Ccli rechnet: fo ift ea mit dem Inbegrif-

fe der RealiUten , niir mit dem Umerfchiede , dafa die KOgel ein KOrper ift, aufler welchem es noch an- dre giebt , jeiie Totalitat aber Atles in fteh brgreife und nichta aiilTer fich bat. £a giebt hier alfo keine Un- terbrecbuiig, keine Leere, roa|i kann nichta hinwrgnch. men , nichts hinzuthun , denn ea giebt mu Ein Seyn,

Wer erinnert fteh nicht bey diefer DarftelJiiiig an die fcharllinnige Eniwicklung der cosmoingilchen Ideen, welche Kant untei dem Titel einer Antinnmie der reinen Vernunft gegeben liat ! Und wie vici leichter ift es una, den Parmenides zu verftehen, ala ea dem Plato oder Ariftoteles war !

Auadrucklich fagt Parmenides, dafa hier die Dar- ftelluDg der coamologifclien yemunftbegrifte auilibre -

Digitized by Google

8o

n.

T 06 7T ^6 g S 6 ^av.

p) ykf xariStrre iie 7v«>jbut*c ovejK^^ciy TCv ft/sv tu Xt*"* f wixKm*xt*hci tith.

*A«r/« t' iufha^Tt itiiae <l) ««1 ttfftaT t^trrt

107. Habet haec Simpl. etiam pag. 7. b. et pag. 39. ubi legitur yvmftmt.

Principio duplicem statuerunt dicere formam , Altera minus est tali cognomine digna , Quod simulans verum fallit mortalia corda.

p) Aristoteles distinguit inter Phys.

II. 1. I. 7. Metsph, III. 4. Conf. SimpL in Pliys. psg. 61. Prius Istinc dixeris /ormam , posterius vel speciem vel figuram. In qiis quidem significatione non it* procul recedit ab antiquissimis iUis philosophis, qui ise(9>n* dicebant formam elementarem vel elementa ipsa, quatenus non nuda vAp constant. Inde Parmenides al- reri formae , densae nimirum et tenebrosae nomen for- mae vix competere monet: quamquam libere fateor, me non assequi sensum verborum yiimitatc eVafui^ris rte fs/«y ei Xt*"^ »* A*

q ) , species , materieUes TVesen. Ttisara ,

Eigentchaften , PVirkungen. Confer locum prosaicum, quem Parmenidi tributum fuisse Simpl, adnotat, iu Phys. pag. 7. b.

Digitized by Googie

8i

II.

Sinnliche Erkenntnifs vom Wefen der Dinge.

Man nimmt zwey Formen an: jVdoch dieEine ift leere T&ufchung: diefe fetzen fie einander ihrem Wefen nach entgegen.

daf* er Ton nun an die Welt ais IiibegrifF von Er* fcheimingen betrachte, und in diefer Raklicht nach Urfacben und Wirkungen foifchen werde. Ea ift fonderbar, wie Arilloteles z. fi. diefa dberfeheu, nnd den Eleaten fo oft einer Inconfeqiienz zeiben konnte. Ala Noiunenoii ift dem Parmenides die Welt Eins , und ewig und ganz . ala Phanomenon kat Ce Viellieit, Anfang und Tbeile. Ariitoteles bat|e den ScharfCnn des Eleaten eben da bewundern follen, wo er ilin vermi ftt.

In der Welt, ais Erfcbeiiumg , mufs man gewilTe erCe Elemento anncbmen, ait Ei kLirungtgriinde ; und das haben die Denker auch von jelier getban. Die grofte GOidn erzahlt dem Eleaten die Lehifitze der Philoropben.

Einige nelimen zwey Elementar.Formen an, Ucht 6. StUck, F

Digitized by Googie

82

lio XMf)c 4»’ 4AAirA«y* Tp wug

*^H»i«y tv , f«V hftttiv , Imvri tr&vroat rttCriv Tm i' Irtfu fiU rmvTh' 4r4p mt airi,

‘Ayrla WKriia i} rvuvdy Sffut( rt.

Tiv tei iyti tiiKOffftev hi»6rg x4vT<t 1 1 5 Ci4 ei Tort Tic ct 0(OrSv yvmfm wagtX&ttg. hirkf tr$i3i aAura ^£ee na) yy| o»6fiarai,

Ka\ t4 KMTi r^iTifa^ia»&ni,( It) roTa, rt ««) t«<V IJa» tAIov lr)y S/iev ^4(»c k«) vvktIc a^£»rcv,

111. Pag. 7. b. et 9. ita versus procedit: "htim Kt, fuy’&gaiir, lAo^fly, iaoTM x^rroet raurty. Sed pag. 39. legitur: ^xiev triy i^a^ifdy «. t. a. Equi* dem Iat^Iv putabam e glossemate ortum. Pro gavT^ alibi tayTtji ion.

1 1 3. Pro 4vt/« Siwpl. pag. 7. b. habet ravayrla. *H TVKiyly dedi ex p. Sg. Pag. 7. b. et 9. est ilH

TVKvly.

116- 119* Hos versus Simpf. p. 3g. affert, ubi eos post 11 3. itir oA/ya sequi addit. Quare eos huc collocandos duxi.

Has contra adverso posuerunt ordine metas:

Hic flammam aetheriam statuunt : sibi undique constat. lUic obscuram advcrsantemquc undique noctem Incomcam, huinenrem, gelidam, densamque gravemque.

Digitized by Coogle

83

Auf einer Seiie fieht das Aether- Feuer der Flamine, fanft und fein, fich felber gleich, von Allem abgefondert, und far Hch.

Auf jener Seite fteht die Nacht, ein dichtes iftid fchweres Wefen. Freund, Ich werde diefs Syftem, fo wie es ift, dich itzo lehren: damit von olle dem, was Sterbllche hier meynen , nichts dir ganz verborgen fcy.

So heifst denn alfo alles Licht und Nachr, hier ift das eine wirkfam, dort das andre. Das AII ift gleich erfiillt von Licht und Nacht,

und Finftrrnifs, die von cinandcr iintevfchseden und einander entgcgcn gcfe^t find. Idcht, Feuer iit das einfacliere, fcinerc: FinhcrniCi, iSacht das materiei, le, grObere. Beydc vcibreitca iliie Wirkimgen iin UniTerfiim . beydo eiffillcn es zu glelclieii Theileii, denn aulTcr ihnen, und auITer dem, was von iluien gewiikt wird, giebt es woder IJrfacben noch Wirkiiii- gen. W'ahrrcheinlich liat fieh Pannenidcs in dem Ver. fol«e diefes Gedichu fiir dides Svitcm erkliiit. Denn

D '

cinnullliig lehreiben ilim dic Alton die fichanptimg

F J

Digitized by Googie

84

Icmv , ixti /iiri fttfih r)t

20 A* yiip TtmSTtfai xei^vre vufi( &Kf/rii« s)*

Ai i’ It) rat( vvxrlc 0- Mfr^ 3i ^Aiyec 'ttrai mt» u}.

120. Pergo quidem, ut coepi, numerare ver- ius. Sed hos patet, cuin superioribus non im- mediate cohaerere. Monet enim Simpl. pag. 9., sermonem esse Trr'i r£y iuoT> Collocavi

autem huc, quia idem Simpl. monet, sequi eos iiir’ post V. II 5. Memorantur iidem ib.

pag. 7. b.

r) Pergit ita Simpl. p. 39. EI ll (ittltrffm xerrli ptiiif,

<a) Sri Itfxa) , xorl eri <»air/ai, IqAevrai.

s) " A*f ire( iinptinii, materialis niagtf quam elemen- taris, ut Lic ignis opponatur quodammodo «ftiif et tlxiif, de quo v. 111.

t) Kst) TO/ifT/xiv S) alriovt ei tufi&Tur pSrer rSr

Tf ynitt! , xa) Icva/paruv rwv ri)v yfrtciv tvftwAtr

(oirrrn* Torfa lliaixfv i TlnfpivISiK , Aiym' A* i‘

It) x. t. a. Simpl. pag. 7. b.

u) AiVk vel imperium, (flammae) r^o, sedes, vel parapliraitice pro simplici ^a£|, uti saepius mrm usurpatur. PiuJ. Pyth. r, 108. 01. lyS.

i..^ Google

85

die beyde glelch And, auHer beyden ift fonft nicbts.

Von diefen Elementcn find die dlcbtern- gebiidet aus unreinein Feuer, und aus Naclit die eindern. Unier ihnen ift

xu ; daTa das JVarme (Liclit, Feaer, Feinheit, leiclit) pnd Kalte (Naclu, Finrteniir> > Diclitigkeit , Er- de, Schwere) die Elemente der Dingc fcyn. Au» ilu nen crkliiitc er die IJefeliaffenheii der HimmelikOr- per , und , wie Theophrajt fagt , die Bcrchafleiiheii der menfchlichen Seele und ibier Kiiifie.

Ich glaube , dem Pannenide» niclit *u viel Scliarf- Cnn anzudicliten , wcnn ich fage , dafs et da» fpecnla- live Bedfirfnir» foLlte, in der Weltbetrachlung auf cin Erftea kommen. und bey eincr Urfacbe fieben bleiben zu mOncn. Au» der Idee der Ewigkeii laGit ficb nicbta eildiren, da» InterelTe der fpccuUrenden 'Veinunft foidert durcbau» einen Stilleltand bey irgend einer erfien Uiiaclie. Parmenide» dacbte licb diefe fo allgemein, al» niogbcb, dunkel fchwebte da» Natiir- gefetz der Schwere vou: feiner Seele. Da» Elerocnt detLicbt», fagt Diogenes, nahjn er fflr wirkend» tbatig

Digitized by Googie

86

Iv ii ftiff roCrm , n xAvret KVp$fyf,

n»¥T» yhe ^vYtgoio v) ritttv kci) &CXH

TUfiwtva i(9$vi SfAv fuyi»' tot’ ivavrley mv3t( 125 BtiAurig^,

Ttfunroft fAi¥*Egmr« QtSv fittrlftcr» wavruv x).

726. Parmenidem liancce dixisse uai

«tav alriavf SimpL pag. 9. monet, et hunc ver- sum aciiicit, quem plures scriptores laudarunt. Tlato Symp, X. p. 177. Aristot. Metaph. I. 4. Sext. Ejnp. Maih. IX. 9. Flutarch. Amator. Stob. To. I. p. 275. ed. Heereitf quem vide.

V ) Trvytfif philosopliU illis idem fere denotat» quod hodie dixerit materiell, irdisch. Generatio phy- sica, mixtio corpoica.

P**^6‘* SimpL pag. 9. Ka) rie 'iivxht irfitTti» fsc. Deam) weri piv ix rav i/t^avcv( $}{ ri Luiity *OTi ii InaxoAlx

Digitized by Googie

- 87 -

das Reich der Flamme. Und in ihrer IVlittft die Gottin , die das grofse All beherrfchi.

Von ihr ftamint grobcie Erzeugung und Vermifcliung, dafs das VVeibliche fich mit dem Miinnlichen, und diefs init jenem mifchto.

Von aHen Giittern formte fie zuerft den Erns.

($if4(oufvei/ das Element F.rde (odcr

fcliwcre) ais Materie , ais Icldend. 13as Feine belebt das GiObcre, wio VVarme deii Kui jicr bclebt. Da eben hier das Gcdiclit am iinTollliaiidigllcn w ird, fo ift es iminiiglicli , das Sylvcm des Parmenides wciter noch init Siclierheit davziiricllcii. Auch die Nacbricluen andrer Sclnirtricllcr werden hier inancclhaft. Indcf- fen deiike icli mir, dafs Parmenides, um cinen Zu- fammeniiang zwifclien den ciitgegcngefctzteii Elemen- t;n zu (Indcn, lun alfo l.icht und Finfternifs einan- der nabci zu bringen , cin IVIittelvrcfen annahni.

Digitized by Googie

88

y) l’ Ti v& r h aliifi icknm

X^fuirct Ks) KaSafkt tuetyisi z) if'(A/oi«

AMiixitof tgy' a) luSii^a , m) ixa6Sin i^tyhayr$ l3o 'Efyi rc Kin^mircf wi^fp wtfi^airk

127. Servavit haec Clemens Strom. pag. 268. ita tamen, ut ex ipso Clementis loco, unde haec Pannenidea hauserit, colligi nequeat. Ne- que aliiint adhuc scriptorem, qui eundem lo- cum habeat, reperire mihi contigit. Hoc patet, versus hoscc ad institutionem physico -astrono* micam pertinere.

i3o. In elenia legitur vff) ^otrk. Nostram le- ctionem duduin proposuit Scaliger ad Stiphani Potis. Phil. p. 217.

y) Praemonet autem Clemens haec: 'K^intpriei eJ» Ivt r>)y liAtiSsi ftaO>iei¥ b fiev^biuvot , iacayiTH /tia Tlnf ftaatiau raS 'EAfirav Cjriex*avi*iaavt

z) Ziayi.^ Suid. lu ir$(i>iyitfyat^

a) Quid igy» denotet in uli compoaitione , non opua eat declarare.

b) interpretor splendida, nitens: rarior haec vox adieci.

Digilizec! 1 ■. t. lOOgle

8g

Du follTt erkuoden die Natur des Aetheri,

und alie Zeichen in der Luft: du follft

des reinen SonnenFeuers unerkannte Natur erforfchen, lernen das Emfielin, den Gang und die Natur des bellen Monden,

nehmlich ein ntaterielleres Feuer, gemircht au* rei» nem Licht und au* FinAeriiir*. Darauf riiliren mich die Brucbitilke V. 120 f. Dio grofse Alllterrfcliendo G6ttin in phylifcber Beaiebung , ift wobl lelbfc nach Simpliciu* Wink zii nrtbeilen, keine andre, al* die porronificiite Zeugung*kiaft t die Liebe , die Mutter des Ero* : die Urfacbe der Vereinigung und Erzeu- gung im materiellen yeritaiide. Man findet Erliute- mngen diefcr Idee in jeder gutcn Mytbologie. Ver- gi. Manfo'$ Verfudio fiber GegeuAiiude der MytboL 8. 23. U

Diefe* Bnicbftuk , wie e* da iii , bedarf keiner Er» liiitenmg. V\'ir wiffen nicbt , wobin e* gebfirt : wir kOnnen nurratben, daf* e* wahrrcbeiiilicb denAbfcbnitt anileng, in welcbem Parmenide* die Natur der Him- melskOrpcr au* feinen angcnommenen Elementen er» kl>ireu vrollte. Man Terbinde alfo damit die Aussfl-

Digitized by Googie

90

K*) Si ic«} eifmi* tx»vrm,

’'Ev$fv t^u yt Ka) fuv £yout ixiSiffiv kviynti ITi/far’ »z*<» «Tf«w

’Aaa’ ?y* T((vT»S(i> ilr«c ««) *iitnav SiwtIguV} l35 r$«rf* ut Kvtt^ongit, Sivv Tigitryii xalg"^-

j32. Ita ex emendatione Scaligeri ibid. In editis est : "ev$(v ixiv yitg t^uyt k«} u( fti» «ygi/r’ ir«*

itfeiy. ’Avi)xif T»if«r’ aTfwi'.

i34- 5. Ex Stobaen I. p. 354. ed. Heeren. Legi- tur in Codd. et apud Cant. ita: Hyt vi,re5$y

icot Hai wufirav Itxtlfuv Z^alget HUKAorigUt /jiftlift xf

firilBn Illud iyt Heeren V, D. ad Univer-

sumy ri *v, refert, et subintelJigit i uienot. Post 7<roc supplet cum Grot. I*,'». De figura Universi iain alibi, similitudine poetica usus, Parmeni- des loquutus est T. 97- 98. Itaque hoc loco in- telligo b «i/favi;. Grot. emendavit : e(f>xt(¥x

•m * * t ,

«ynAo-ricov; fvimutiT vrigraTx x<*tgKv. Cant. le- gisse videtur ftiyA^.m wifi T»i3»i aja/forv. Salma^ sins coniecit tcpaifot KVK^ortgiit, Shy nigt^yfi yaiuv. Ex his omnibus commode versum restituit Hec- ren V. D. , uti dedimus.

Digitized by Googie

den Himmel um uns her, und wie er ward, und wie ihn tragend die Nothwendigkeit befenigte, und die Gefurne dran Tertbeilte.

Oocfa er ift fiberall lich gleich, und nirgends begr&nzt, gleich einer runden Kugel, die /ich uui ficb felber drebt.

go , die ich su* dem Stobaeus zuro SchluITe angehftogt habe. Au* diefen ergiebt et fich , deff Parmenides die Sonne, ein feuiiges Wefen, aus dem D/innem, dem Waimen (d iti und

den Mond aus dem Dichtern (xvKoorf^Bv) dem Kalten (Sxif entftehen liefs. Aus der Mifchung Toa

beydem erklarte er dic Farbe der Milchibrarse.

Digitized by Google

9*

Alti wmrmhtuta w(i( a6ylk(

ftvKTifait T«f) y«r«y kx»in%vevy k^Airfto* $«c

Aivrt i' Sumt kxiSvTti xMfthTa fit^alws OO yu^ kxtT(i>i^ti rh iiv to-j ISvTes i-^»t!}at 40 Ourt tutivafiivw xivr^ xivrat tutrit aitriAO*

OuT$ auvtr&iiivov»

'Ac yhf fK^TM ix*i agaait xof^vx^ayttrmt

i36. Flutarch. de facie in orbe lunae II. p. 929. CoiiF. Stob. II. p. 55o et 558.

187. Flutarch. adv. Coloten. In editis est NwktI pro quo nostram lectionem dedit Scaliger ad Siepb. P. P. p. 217. Sic xaei^aits vocatur Artemis Orph. Hymn. 35» 3. "Ogyia uvan^a^t ihid. Hyran. 53. 10.

i38 - i4t* Ex Clementis Strom. pag. 228. fq.» qui ea tanquam de spe dicta interpretatur. Qua- re inox pergit : i iAal^av naSarif i xisfuay. Conf. quae supra monuimus in Introd.

142 i45' Ex Theophrasto xigt aitHnefat ed. H. Stcphnn. 1057. 8. pag. 1. Adiicit idem, Parme- nidem dixisse: rd (f>ari( piy xa) Sffptv xa) ^a-

ySit eCx aleUiyttDai , iih r^v F«Aiiil«iy reJ wvfi^'

Digitized by Googie

93

Steu blickt er nach der Sonne Strahlen hin.

Nar leuchtend in der Nacht, und um die Erde fich w&lzend» ein geborgtes Lichl.

Denk das Abwefende dir nur zugleich

ais gegenwirtig. Denn das Seyn ift nicht Tom

Seyn

getrennt, nicht fiberall vereinzelt, und nicht irgendwo beyrammen

Wie bey dem Menfchen ift der Glieder Mi-

fchurigy

Ich weift nicht. ob ich ilen wahnn Sinn det cr« ftern Fragmen U getrofFen habe: aber dat heht mau bald . daft diefe Ucberfetaung eineu Sinn giebt. der dem Syrtem det Parraenidet nicht widerrpriclit. Dat Abnrefeade, Cigt er, ift in Rackficlit der F,*iPfnT, det

Digilized by Google

94

T*V h»Sft!roi€i T«f/rifK(v‘ ri ykf «vri ’Er)y I ffrtf ^fntu luKinv Inifitxetwi

145 K«) K«) wcvrr ri ykf nkfct hi vttfput c).

ii uai tmwdc »ai rOv lv«tvri«f< alrBifttSait nai iXmf ii »av ri «z**» Tnk yvBvi*^ Priorcs versus ita ver- tit Campanella Metaphys. Lib. I. c. 1. p. 27.

Kamqiie ut quisque suam retinet per membra reflexa Temperiem , sic mente valet mortalis ubique.

c) Quae Thaophrastus in hoc loco de placitis Panne» nidis afTcrt, his non admodum dissimilia aunt ea, quae in Excerptis apud Stohaeum saepius laudatis Isit Horum suum docet de animarum natura . quam ex mixtione rov Jvc^v ««1 eXplicat, ita tamen, ut passim

Jacobum Boehmium audire credas. Stoh. H. p. 988. fq. Sed praestat, ipsa Theophrasti verba huc transscri- bere. naf/smlStis /si* ykf <{Aci( cdti» &AAA

p6*oy t b'ri Suoi* i*r*T* reixs/siv Kork ri vweffikAAev Ifit ij ynSen- 'f-k* ykf i/Ttfaifp ri Sif/ii* ijf ri «AAifv yl»ie9ect rh 3ia*eim*‘ fisArlat ii nai w^afurh fev , T^v etk ri Stf/t6>' Ou /th aAAa aa) rat/ril* iltf’ Sa( rno( tup/urfiat- Sequuntur isti versus. Post eos ita pergit : Ti ykf alt3i*ieSat aai ri ^fo*$T* tie

ravro Afysi. &10 uai is»ipn* aai ri* iwo

roCru* yivteBai iik t^c ufiemt’ *A» i' lea^wei rp air$fe* Uat ^ftvit*, i ti , nai ri( tj SiaSteif, dSi* tri iiwfian^

Digitized by Googie

- 95 -

fo der Verftand. Denn das, was in uns denkt,

ift eins mit der Organi fation

des Ganzen. Alles ift erfuHt mit Denkkraft.

Seyni felbft, nicht getrennt von den» G<^nw*rdgen. Dai S«yn bingt genau tufaimnen. Man kann nicht lagen, dafi die Exi&enx hieroder dort urrtreut. hiet oder dort auf einem Flecke beyfammen Cey ; denn £a iA hier, wie dort, ift OberalL

Fannenidee rennengte Empfinden and Denken. oder er nahm an , dafa bejdea im Menfclien zu Einem gemircht fey. Da jede Bewegung dc» Kfirpera von VorfteUungcn herrflhrt oder davou begleitet wird, keine Bewegung aber ohne Enipfindung ift; fo wat diefc Vemrechfeluiig zu entfchuldigen. Er erklaits beydea aut den 'Elementen , die er angenonunen hatte. Ana dem Uebergewichte dea Warmen oder Kalten in der Mifchnng entfpringt der Unterfchied im Denken felbft: ift mehr WSrme vorhanden, fo ift der danke beffer und reiner.

Digitized by Googie

96

Femina virque simul Veneris cum gennitw miscear. Venis informans diveiso ex sanguine virtus Temperiem servans bene condita corpora fingit.

At si virtutes permixto semine pugnent, i5o Nec faciant unam , permixto in corpore dirae Nascentem gemino vexabunt semine sexum d).

146- i5i. Habet haec Caelius Aarelian. de Mor- bis chronicis lib. IV. c. g. p. 545- (ed. Wetsten. 1722. 4.) Parmenides, inquit is, in libris, quos de Ivafura scripsit, eventu inquit conceptionis molies aliquando seu subactos homines generari. Cuius quia Graecum est epigramma, et hoc versi- bus intimabo: latinas enim, ut potui ^ simili modo composui^ ne linguurnm ratio misceretur.

Suidas V. «c pro Aixv usurpatam fuisse a Far- menide, hoc exemplo pfobat: Bavitmeimt ie iver

tiwsisori.

Idem V. Maxifwv Wieoi. 'h ItufireAit rSy |y Beiurtf GtifiS* ri xeAe/jy , <0$ naffri v(3if; : nisi forte alius hic Parmenides est, ^tlrug rsx^oyg&^si. Diog. IX. c. 3. C.XtT.

d) Explicat Iioi venus Caelius ib. ..Viilt enim semi» „niim praeter matclrias esse virtutes , quae si se ita ..misciicriiit , et eiusdem cor(>oris faciant, unam con« „gruam sexui generent voluntatem. Si autem permixto „seinine corporeo virtutes separatae permanserint, utri- „usque Veneris natos appetentia sequatur."

Digilized by Google

97

So abgerirren , wie dieFe ^telle hier fteht, und fo hdlxern und unTerliandlich, wie lie abcrfetstin, vvird es mir unmOglicb, irgend etwat mehi sur Erliute- rung ^erfelben hinzu su fetzeu , ais was Coelius felbft fchon angemeikt bat. Sie loll die, bey den Griechen fo hauiige Erfclicinung der Liebe , die Manner gegen Miniier, Weiber gegen Wciber ftihlten, erkliren. £s koimnt auf die Temperatur in der Terfchiedncn Mi« fchung des Saaniens an, vrenn Menfchen eraeugt wer» den, die fulcbe Neigiingeii habeo odev nicht habeo, lii der mannliche und weibliche Saame von unglei- cher Berchaffeobeit und einander entgegcn , fo entlteht in dem erzeugten Kiiide jene unnaturliche Liebe. Ich glaube nicht, dafs Parmenides die Abficht gehabt habe^ diefe Erfcheinting zu erkiaren. Coelitu, fcheint es mir, bat diefe Stelle nur angewendet : er hatte beller gethan, wenn er fie uns giiccliifcb gegeben liatte.

6. Siink,

G

Digitized by Google

Prosaica nonnulla Parmenidis dicta.

nofftiWStfC ii i liiyut rait^v tin'* eJ«’iv *if yt K«) iik rlAov( touto &TrfiBtfri/f«r« , t(

uti i*i^eTi Aiyui k«> lurjt HfTfuv , ) /xtlriTt

T9vt‘ eitaiiSj i7»aj fti) cvra-

X(tl i4 KuTtXeydiiti i/tra^6 tBi hrS* r< fiiffiliiev u; aCrei! Haf/xivlicv txi» oCru(' ’Et1 ruti Jf) ri hfaiivy »a) rd Siffiiv, mI ri ^di( , nai ri ficA* Saniv, x«) rd kiu^cv’ ia) ii th ti/xvu liviiiarai ri ■i/vX(i*i , K») ri KAtifii, imI ri P»fC.

Taura ykf kaiKfl^n tiarifut htartfa. Ovru tafBe InTiSiruc tii

i) riato Soph. II. pag. 2.^1, a) SiinpUdus Pliys. pag. 7. b.

Digitized by Google

99

Excerpta ex Parmenidis carininibiis.

’) nafimtint tivai rtfiTXiyiifyat It«A,

Ai) Af i/c , Ti)» iiiy ia T#w Stfaigi/ > tJ» ii rov avavav’ joKTif ii «AA«c ♦•Tic ««> auirtoc ittra^O rtlh-mv' Mi ri *£aa( rilxevc iUnv rifti» vw«fx*iy\

jy f wvenitne (ufaiT/iTti» xatev Afatt*

wiAiv frvftiiit' tS» H ftlfatrartiv «*<t*

rait TOHfa »i<rijc «<*> «Jxifx*»»,

T«»« ««) iaitioya »•) Mt) i(AirfevX0>' *)

yofi&^n, JfKi»» **) Av«yiii(v. K«) t?c yBC

ixS»nfty *i»«i tJ» t J«4 piatorifay «vrlfc

l^aTiufSfyra t/aij*'«»* tou W irvfie Inawy»^* riv >iAi$y Ks) tJ» yaAa^la» x^KAoy> Tvmiiylf i §7*ai Ti)» viAifviry « Toi/ t *«l t»5 irvfif, IJi"

3) Stobaeus Tom, I. p«g. 48* ^9* Conf.

Cic. do N. D. I. ii. 4. Fnistra laborore Tidcntar, qui haec ad nostrae Astronomicae rationem xeduosro Tolunu

*) KA«f}s^xsy oonieci ad fr. 14* ubi Ttdo Notam.

G 3

Digitized by Googie

loo

ftK&mt ii kytmrkrm wkrrttn roS ctlSifte, vr’ mirf ri wvtahf VTOToySivai, roS 5’ ffzif K(KA«»af<«v oi(m' viv f v^' §u illi rk artffytia^

Ti» Yh t^mifoiil^ tuU h n,itm »utdmu *)

nfifi¥$v J^if^KV ro» HAtt*-

T«y ifAtOv i(«) riw riAifvifv Jk raS ycrAc^/ov i(A«tf iiraiifiSiiyai , raa fti» axo rau &(aiarffav itiy futraCf ff di) Stfftovt r^v ii kxo rau xuwarffav, fxig 4>vxti*’

4) Diogen. LmcvI. IX. c, 3, n. 2.

5) IiA lUtuerunt Pannenidet et Metrodorus. Stoh, n, pag. 524. ed. Hcer.

6) Ibid. pag. 532.

Digitized by Googie

lOl

To' ToS wvn>eu xat ra» ikf»ia£ ittyitm ymAmtrutiit

TUXnumra nufie ri tirfa- *)

HfSTor ftiv rirrat tov ’££»», rov a£re* 9t wnr f^ifiivov vt’ «l^r«u Ita) "Ertrtfo», »» fa5’

ToV ^Ai0v, ^ xc^c Tf TufuSii kfffut , cntf auf*' v»« k«A«i.

Thitl» Tf iy5fwT«;y i$ 4aUu {fffirav y>y/f5c(.

7) Ibid. pag. c'7/,.

8) Pkcitum Parmenidis ct Heracliti. >S/o^. II p. 9io.

9) II. p. 5i8. Cont D/n». IX. c. 3. n. 3.

10) Diog, IX. c. 3. n. a.

Digilized by Googie

102

TJvfMh (yl^vx^*)» **)

T0vto¥ »oue *«> 4'1'X'/* **)

nivTci k«t’ t^v «i»<w $lftci(nlvit¥]

m) K«) wgivoimi «dt> »oenoroih> *

11) II. pag. 796.

12) p. 790. Diog. IX. 3. n. 2. ex Theophrasto eadem afleit. CunT. Nott. ad fr. 142.

13) Stob. I. p. i58. Emendavit iht/v BeckV. D. ad. Plut. de PL Pli. I. c. Z.fi. Recte, li ad Democritum respexit Stobaeus. At ihoi* legendum erat, si de Par. menide agitur.

Digitized by Google

U E B E R

EINIGE VORTHEII.F

AITS PEM

STUDIUM DER ALTEN PHILOSOPIIEN «).

Dic Philofopbie hat in neuern Zeilen fo viele Bearbeiier gefunden, dafs die Kenntniis der wiclitlgften Werke dariibcr fchon allein ein weitl^uftiges Studium ausniacbt. Sie felbCt hat fowobl in Riickficht der Materie ais der Form eine fo -verSinderte Geftalt bekommen, dafs die grcifsten PhiloTophcn deraltenWeIt gewifs nur wenige Tbeile derfelben wieder erken-

nen

*) Kin klciner Beytrag zur Beantvrortung der diefs- jahrigen Berliner PreiTs - Aiifgabe.

Digilized by Google

io4

nen wiirden. Wenn diefe beyde Bemerkun» gen richtig Bnd, fo kSnnte es vielleicht fehr flberflur$ig und unnutz fcheinen, feine Zeit und Miihe mit dem Studium der alten Pbllu* fopben zu verfchwcnden. Was kunnen uns die alten Fhilorophrn lehren, was wir nicbt weit beller und bcftiiiimter wufsten? wozu follen wir uns dic Miibe geben, aus ihren Gedicbten oder rcbwerfklligen Abhandiungen Ideen herauszuziebeo, die wir heute in den gemeinften Scbrifien ungleicli faCcliober und zufaminenhangender vorgetragen Rnden? Soli* ten nicbt die Pbiluropbcn der mittiern und neuern Zeit alles Brauchbare, was lie in den Alten fanden, benutzt haben?

Es wiirde febr leicbt feyn, in diefem To» ne weiter Fort zu fragen, befonders, wenn man alles das zu Hulfe nehmen wollte, was in neuern Zeiten iiber den Unwerth der al> ten Literatur gefagt worden ift. Aber fchon diefes Wenige wird hinreichend Feyn, um die Idee der Folgcnden Bemerkungen einiger* naaaFsen zu recblFertigen. Icb Fpreche niefat Ton dem Nutzen, den das Studium der Ge* fchichtts der alten Phiiofophie hat und haben kann: ich Fchriinke mich auF die Vortheile

cin,

Digitized by Google

jo5 ““

ein, welche das Studium der aheo Pbilofo* phen relbft noch heute gew&liret.

ZuvOrderft glaabe ich, ais viillig ausge* macht, Torausfetzcn zu kbnneTif dajs die al- ten Philofophen uutklich noch nicht fo ftudiert v)orden findy uie Jie es verdienen. Niclit, ais ob es feit Wlederauflel)ung der Wiirenfcharien jemahls an Al^nnern gcfclilt biitte, welche ib* ren Fleifs diefem Facbe der Lileratur wldme» ten: wer keiiut nicht die fleifsigen .Wcrke

eiqes Ficinust Patricius und mehrerer. wer erftaiint nicht uber ihrc Belefenheit, wie uber ihren Tieffinn! Und gleicbwobl, was baben wir heute duich dic Untcrfuchungen diefar Miinner zum VetTiUndnifs der alten Pbiloroplien gewonnen? Kunnte man nicht fo* gar bebaupten, dats es zum Tbcil diirch die* felben erfchwert worden ift? Die Golchrten der vorigen Zeiten waren bey Unterfuchun- gen diefer Art iminer partheyifcb, fic fuch- ten eine Parthey ihrer ZeitgenoQcn zu bcgun* ftigen t die andre zu unterdriickent Darum

Jcg*

*) Vornehrolich ili hier von denen die Rede. von weUheo wir nicht blofte Fragmeiue Ubiig habeo.

Digitized by Google

io6

legten fie in die alten Pbilorophen hlnein, oder kunftelten mit grofisem Aufwande von Tieflinn und Gelehrfamkeil heratiSt was ii?- rcr AbHcht zufagte. Das Scblimmrte ift, da(s fie bey ibren Streitigkeiten uber Leiiriktze die Kritik des Textes ibrer Scbriftrteller oft ganz Ternacbl^fsigten. Will man bch davon liber* zeugen, fo vergleicbe man das, was einige neuere Gelebrte liber Ariftoteles, Plato u. a. geliefert baben *). Aber wenn diefes auch nicbt der Fall wHre, mufs man nicbt auf die Forlfcbritte in der Philofopbie felbrt recbnen, die uns immer zugleicb neue Anbcbten der friibern Beiniibungen verfchaffen ? Durcb fol- cbe Fortfcbritte wird eine Lebre der Alten deutlicber, die andre wicbtiger, nocb eine an- dre unbedeutend. Die Entdeckungen eines Kopernikus macbten den Pythagoras von neuem wicbtig, und am Spinoza hoben ficb die Eleati- ker wieder empor. Ueberhaupt aber konn* te die blofse Vermutbung, dafs ficb in diefen Werken vielleicbt nocb Mancbes iinden diirfte, was nocb nicbt gefunden iit, hier, wie bey

jeder

•) Die kvitircheii Arbeiten, von Buhle, Vater, Delbruck, Spalding , Tennemann, Morgmftem.

Digitized by Googie

107

jeder aadern WiCrenfchart, Grund genang feyn, um diefes Studium zu euiprehlen. Denn ge* fetzt auch , alie die Entdeckungen, dic wir etwa machen, wMren fiir uns nicht un« mittelbar vorllieilhaft, gefetzt, fie befchrlLnk* ten iich blofs darauf, dafs wir die Ideen der Alten felbft richtigcr aufrafsten, ihneii mehr Ordnting und Zufammenhang gaben, und fo das Verftindnifc derfelben uns und Andern erleich- terten : fo hat ja eben diefe Arbeit in jedem Be* tracht fiir uns wenigstens einen mitteLbaren Nu- tzen. Umerderfen And doch folgende unmit* telbare VortbeiJe nicht zu verkennen.

Das Studium der alten Philofophen lehrt uns die Fortjl/iritfe in d^r IViffenfchaft richtiger beur- theilea und das« was lair habeiiy belTer fchll» tzen. Wenn die Gerchichie der PhiluTuphie Tchon an ficli diefen Vortheil gew&hrt: fo mufs es das Studium der alten Pbiloropben felbft noch in einem wcit hbhern Grade thun. Jene giebt uns, im Durchfcbnitt geiiommen, nur die allgcmeinen Refultate, und diefe in einer uns gelauKgorn Spracbe. Die miihfamften For» fchungen der Alten erfcbeinen uns in einer fol- chen Daifiellung iiltei aus leicht, und manchc eben darum vielleicbt ganz uberfliifsig. Wir fc*

beti

Digitized by Googie

•- io8

hennichtdle welclie dieSpecuIttion neh-

men niuGite, eine Menge MittelbegrifFe fallen bey einer folchen Darftellnng aus, uiid andre wciden, fohatd He aus dem ganzcn Zufainmen' hange heraustrcten, etw^as Andres. Esjift ]a tiherall anerkannt, da(s jeder Lefer in einem Buche etwas Aiidrcs liefst. Und dann ift auch das, was die Geschichte der PhiJofophie uns ge- ben kann, immcr nicht die ganze Ideen-Ma(Te, dic sich in denAlten findet: wer kann Tich dar- auF verlalTen, dafs uns der GeFcbichtCchreiber wirklicb die wicfitigFten ausgehoben hat. Man machc hier einen Verlucb, man leFe z. B., was Tiedemann uber Plato oder Ariftoteles vor* tragt, und nehine glelch daraiif die Schriften Beyder zur Hand : es wird uns gewifs eben fo feyn, wie bey der Lecture einer UebcrFetzung und des Originais felbfi. Wer iniibin deutlich und beFlimmt kennen will, was unFrc PhiloFo* phie gegen die alte fur Vorziige oder Unvoll- komuienheiten liat, rauFs die Werke aus der letztern felbft Ftudicren.

Aiif der andern Scite ift aber diefes Studium auch cinc forbereitung ium Studium der rhilofo- phic felbft. Ich indchte zwar nicht gern in ein padagogifcbcs Project geralhen : aber ich bip

flber-

Digitized by Google

log

fiherzeugt, dafs eine fruhe BeJcanntfchaft mit Socrates, Plato, AriTtoteles, Sextus, Cicero, inge- hSrigem Maafse, Jiinglinge ungleich befTer fdc die Philoruphie vorbereiten wiirde, a!s rnifre eigentlichen Koinpendia. Diefcs gehSrige Maafs zu bertimmen, ift bier der Ori nicht: ich breche daher diefeii Punct bald ab, weil er obnc diefe Ausfiibrung leer ift.

£in andrer Vortheil kommt mebr aufRech* nung der Sprachen, die Aufkldrung nebmliob, Bericktigung und Befeftigung unfrer philqfophi^ fcken Ideen vermittelft der Alten. Derjenige, welcher die PhiloTophie nur aus Scbriften in Einer Spracbe ftudiert, bekommt mit diefcr eintdnigen Form aucb eine gewirfe Einfeiligkeit der Ideen. Je verAandlicber ibm die melTten Ausdrucke fcbon vorher And, defto weniger findet er es ndthig, an eine Erkidrung und Un* terfuchung der Ideen, die damit hezeichiiet werden, zu denken ; er wird geneigt feyn, fich im Nothralle mit ublichen Synonymen ab« weifen zu lalTen. Mit jedeni gditufigen Worie glaubt er aucb eincn deutlicbcn Degi ifT bekom* men zu baben, und er kann fcltaer in den Fall kommen, dicfen BegriiT atifmcbr ais eine Seite wenden zu mQiTcti. Ehen diefe Einfei-

tlg

Digitized by Google

lio

tigkeit giebt denn auch ein HinderniG; iin Fort* fcbreiten, in Vermelirung der Icleen felbft ab. Alles wird auf die eirtmah} angenommenen Be- griiTe zuruckgefiibrt, man glaubt jede neue Idee wirkiich zn verficben, wenn man be hochftens mit einem fcbon fonft geiftufigcn Worte fiir fich gerterapelt hat. Abernun wol- len wlr uns zweyerley Arbeiten auflegen, ent- weder, unfre phiiofophifchen Ideen in einer freinden Sprache vorzutragen , odet die in ei* ner fremden Sprache vorge l agenen in dis unfrige umzufetzen. Wie vieles wird uns bey diefcm Gefcb^fte mangelharr, fchwankend und dunkel erfcheinen ! wie vieles , womit wir fcbon fcrtig zu feyn glaubten, werden wir wie- der ganz von neuein durcharbeiten mufTen ! wie viel fefter werden wir unfere BegrifTe fat fen mblTen , um be iicher umtaufchen zu konnen! Diefe heilTame Arbeit geht aber nir- gends fo, wie bey einer alten Spracbe, von Stat- ter. Die neuern haben in ihrer Kiinfirprache allzuviel Aehnlichkeit, und ihre grofsere Be* ftimmlhcit macbt uns diefes Gefcb^ft zu leiclit. Wir find ein fiir alleinahl angewiefen, uns bey diefem fraiv/brifcben nder eiiglifcben Worte die* fon oder jenen Begrirt' zu denken, iind hal)en

kei-

Digitized by Googie

keinen Ideen, fondern nur cinen Worter-Uin- taufch n6thig. Anders ifc der Fall bey dcn al- ten Pbiloropben. Wdrterbucber kbnnen hier unmbglich die erforderliche Auskunft ge1)en. Es bleibt alfo nur iibrig, dafs wir den Aus* driick fo lange analyfiren, bis wir die Spur eines Zufammenhangs mit einem pbilofophi- fchen BegriHe entdeckt haben , und dann aus dem Vorratbe unferer Zeicben dasjenige her- Torfuchen, welcbes nicbt mebr, und nicht weniger, ais das fremde, lagen will. In )e raehreren Formen wir einen Begriff denken, defto deutiicher und beftimmter wird er uns werden. Wenn Ariftoteles von den vcrfchie- denen Zuftinden des Gemuths bald bald tuvafuf, bald braucht: fo ift es nicht gleichgultigy welchen Ausdruck man hier dagegen fetzt, es geb5rt ein defes Studium des Zurammenhanges dazu, um die Ideen nicht zu verwirren, indem man etwan Hang, Trieb, Neigung, LeidenTcha/t, Fertigkeit, Be- Tchaflenheit, Anlage, eins fiirs andre braucht *').

Aelni*

•) Nodi einiga Beyfpiele:

Arikotele* faTtt alie Bedeutungen <1ie.

fes

Digitized by Googie

1 12

Aebnliche Vcrfache karni jeder maclien , der dic Ethik und Metapbyfik diefes Pbilorophen,

oder

tet Wortt knrz xofammen : ri wfSro» ■— SUn

S tnv, a , y»yv«V>f»T*/. Metaph. IV.

1. Vfrgl. Ocelliii baytn Stob. I. p. 330 Heer. So bcdeiitet et Grund ilberhaupt. Onutdfatt, Ibid. und Analyt. Poiter. I. 2. Tavri y«f Afym wfSruv «Vx**». h' txn awohl^tmet

irfirattt a/tirat, i/ittct iit nc t*<i «P**

rifa. Bewegangsgrund , Veranlajfung , Me- tapb. rV. 1. Ov *arel Tftmlfian uivnrmi ra m- vtufttvar. Zwtck, Abfichc. Ibid. Tdav nnm aro^tff r$S yvStai ual n»c turitimc tifXH t*- yaSdv x«) ri na*6v- Crundurfachen der Dinge. Flut. de plac. pb. I. S. *A(xae Atyttiu ita revrt 8ti ov» ixti tI aforefoo, ev yiyaran Plato Phaedr. aoa. Bas. Cic. Tufc. I. 25. Daher ofc eiiierley mit Ta<x><ei> I Element, Simplio. ad PLyf. AriTt. p. 7. extr. oft vcrfchieden davon, und einerley mit vAi|. Ilaulig rynonym inic alria. TJarra r* alna afXat- AriTt. Met. IV. i. £t giebt ifX^t ifanuat und Jaikxc. Sext. Maih. VIII. Pyrrh. III. r, Arift. de Part. Anini. I. c. 1.

mV S*. Dat Vhding, dat Uodenkbare. Oft

fo

Digitized by Googie

ii3

oder den Parmenides, Tim&us, The&tet des Plato u. f. f. zur Hand nebmen will. Und was wird er dabey gewinnen? Er wird, wie

fcbon

fo Tiel ait Ova fri ri fuf lf¥ imtarSmi.

AnaL PoAer. T. s. Td $ti} itit uhwtSnm, a«) mfiiiTC¥. Piat, Soph. II, 244 Bip. Diafomtf loft lVIat0rU, In tlteren LebrUitzen. Saa Nicht - Exijiirende. Der bekannte Lebrlatz, lufih Ik T9V i*n H¥rtt ylvieSei'

’'Ait¥i(0¥ oft fo Tiel, ala AuRaumlofe, dureh keinen Raum Befliimnte, Ofl dat ungeftaltete, fomilofe Chaos. Haufig die ungeformte IVIa- urie, (Jriloff der Dingfe Tor ihrer Entwick» lung. Dat der Ztit nath Unbtp-mUt.

Zvvtx^c hat man flberall dnrch musgedehnU an geben gefucht: aber diele Bedeutung folurt oft irre. In vielen Stellen mult et continuirlieh erklart werden.

Dahin gebOn noch t7t$c, (Affecuon, Be> fiiomiung, Forni) ttim, —• ^«yraele,

^evreeffe *E»vei« , , i¥¥f»i/ui U. a.

Wer befchenkt unt wohl einmalil mit ei* nam Wteterbadia der griecbifchen Pbilo* fophie?

6. StOek, H

Digitized by Google

ii4

fcbon erwaljiit, den Vorratli feiner pbllofo- phiTcheD RegriHe zufammcnnebuien , fie unter Hcii und lult dem Ideen- Gange des Alten vergleicben und einen gcgcn den andern pro- biren muflen; und daniit wird cr feine eig* nen BegrifTe fowobl deutlichcr denken , ais aucb, wo er fie ihangelhaft Hndet, aus der Vergleicbung bericlitigen lernen. Sind wir dann uber die Uebereinftiimnung unfrer und der alten plnJofophifrben Begriffe aufs Reiiie: fo wird aucb cUe Beinciknng noch von Nu- izen feyn, von wddier Scite wir und von welcber die Alton ciiien und denfelben Be> grifl' gefaTst und be/.eicbnet haberi. Die W6r- ter , fontire und empjinden^ Uonnen

zum Beyfpicle dienen. Im griegifeben Worte ift das Medium der EiupHnidung zugleich mit entlialten: das iateiiiifcbe ift ibm in diefer

Riickrichl iilinlicli, aber velTcliiedcn darinn, dafs es olt aucb d<'ukcn iiberhaupt bedeutet: das deutlcbt clijickt dagcgori die Affcction felbft aus , die bey' diefer Veriinderung Statt findet. Aus folchen Bcmerkmigen wird es ficb in vielen Fiillen erkliiren lafTcn, ifrarura inanebe Begilfle fo Jange ncldeutig oder unbeftimmt geblieben iind. Wir tvollen

nobh

Digitized by Google

noch eSnen Schriu weiter g^hen. Manche philorophifche Begriflfe haben durcb 1 angen und vielfachen Gebrauch , durcb verfchiede* ne Erkl&rungen , ofc auch durch aller*

hand Neben - Ideen , tbeils eine fo zuram* mcngefetzte, theils eliie fo fefte Bedeutung erbalten, dafs, wenn wir in den Fall kom* men, He bis auf ihre erften Beftandtfaeile zeflegen, oder an ihrer Bedeutung iindern zu milPTen) diefe Arbeit ohne Zuziehung der Alten nicht wolil von Statten gcht, Eirien Belag dazu giebt die Veranderung, welche Kant mit einlgen BegrifFen vor- genommen hat. So gieng cr z. B. dem Aus- druck Idee bis in Platons Schriften nach, um ihn richtig zu faffen , und an die recbte Stel« Ite einzufetzen. Von Plato bis auf die neucrn Zeiten, war ter etwas auders geworden , zuin TbeiJ ein blofses Synonymum ron Vorftel- lung t Begriff, Gedanke» Plau und der-

gleichen niehr. Wer den neuern Begriff der Erfcfieinung auf cinem andern Weg» be- fiiriiint keiinen lernen will , mufs fich mit dem 4>ahofU¥ov der Giicclien bekannt ma* chen. Docli wer follte nlchl zugeben, dafs dic Cefchichte der philofai>hij'chen Spra-

H 2 cAe

Digilized by Google

ii6

ehe *)t die fur den grundliohen Phiiofo* phen eben fo nothwendig ais nutzlich ift, Bch obne geiiaue Kenntniis der Alten nicbt Xtudie- ren lalist!

Selbft fur unfere Kunftfprache lalTen fich aus dem Studium der alten Pbilofopben manche Vortheile eiwarten. Kants Ideen^ Kntegoriea u. f. w. beft&tigen diefe Vermuthung. Wir konnen nebmlicb entveeder den Alten grade* bin Wdrter, die wir bediirfen, abnebmen, oder ihnen nacbbilden. Beydes haben die Reformatoren in der Pbilofophie, ein Wolf, ein Kant, getban , und beydes wird bey kiinfngen Refurrnationen gewifs wieder ge* fcbehen. Denn da es die Erfahrung binl^g* lich gelehrt hat, wie viel grdfser bey jeder Neuerung die Mifsverft&ndnifTe dann wurden,

wenn

*) Wer erinaert iicb hier niclit an die K«tr«A«r\f>ic der Stoikeri Sehr wahr bemerkr dabey Tiede. nwvtn Geiii der fpec. Phil. II. S. Sip. ,,So ver» ..fchlieCit oft ein babituell gewordnee Wort nnd odaran geknflpfte fchiefe Siellung der Gedanken „die Thare uir Wahrheit, oft auf Jahrhun* •,derte l*<

Digitized by Googie

117

wen» man die neuen Begrifle mit Ausdru* cken aus der lebenden Spracbe bezelchnete: fo wird es immer beflier feyn , zu einer tod- ten Spracbe feine ZuBucht zu nehmen. Das Wort ldee> Kategoriet wird in feiner neuen Bedeutung weit leicbter aufgenoounen, ais es z. B. mit dem Worte Erfcheinung der Fall feyn kann, welcbes im gemeinen Leben un« ge^ndert eine Bedeutung beha.It, die der Kan- tifcben gradehin Eintrag thut.

Indem wir nun dieAlten-mitdiefer Genauig* keit und Sorgfalt Ttudieren , arbeiten wir unsge* wifTeitnalsen in xhrc Methode und dieferich* tig kennen zu lernen, ift ilberaus nutzlicb. Der neuere Pbilofbpb kann bey feinen Un- terfuchungen riele BegrifTe, ais bekannt, iiber* fpringen, eine grolse Menge von Philoropbe* men der frubem Zeit fetzt er ftilirchweigend ▼orauSy feine Spracbe und Darfcellungsart ricbtet iich nacb beftimmtern Begeln und Gc- fetzen, er bat gute und fchlechte Mufter vor bcb, fein Publicum ift fchon fiir diefe oder jene Idee, lurdiefe oder jene Manierim Vortrage geftimmt und Torbereitet. Und fo muls Alles, was er lehrt, eine ganz andere Geftalt bekommen, ais der Vortrag der alten Pbilofopben bat Wenn

wir

Digitized by Google

ii8

wir einen AriftoteJes zur Hand nelimen: finden wir ibn bald zu weitliuftig bey cinem Puncte, den wir niir obenhin beriihren wur- den, baJd zu kurz und oberflachJich , wo wir ungleich langer verweilen und weit liefer eindringen miirsten. Dort windet er bch durch einen Hanfen von Wortern <Iurch, wo wir mit Einem Worte auf einmahl fagen wiirrden, was wir denken, dort murs ec Beyfpiele zu HiiJfe nehmen, wo wir fie nicht nSthig zu haben glauben, dort bahnt er fich einen Weg durcb Idecn, die wir im gleicben Falle aijf der Seite licgen laCfen. Alles dis gewabrt dem Pliilofopbew Hoch heute man» nigfaltige Voribeile, Er tritt damit gleichfiim aus feniem gewobnten Kreife herans, er inacht den Wog der Speculation wiedcr riick- wiirts, und tritt in die Kindbeii und Jugend der Pliiloropbie ein. Die Alten find weit giOfsere Analytikcr, ais die neuern. Schon der Uinftand, dafs fie ibre Kunfiworter nur durcb eine forgfaUige Auflbfnng der Begriffe finden und recbtfertigen konnten, nytbigie fie zu diefem Gcfcbifte. Wir treiben es, indem wir fie ftudicren, init ibnen gemeinfcbaftlich und mit noch grofserer Bertimmtbeit, ais fie

felbft

Digitized by GoogI

liq

felbft, da wir rtUlfchweigend unfre Ideen, unfre Krniftw^rter mit zii Hiilfe iielimen. Ich will mich aiif Bcyfpitile berufcn, elie ich wei- ttfr gehe. Wodurch hat der Sprachpbiloropb Harris nioht nur- den Scliarfhlick in die in* nere Organifation 'der Spracbe, fundem auch die Gabc der gcoauen Entwickelung feiner Ideen, nnd mit ihr ganz eigenibiiinliche An- fieblen gewonnen? Duroh das Studliun des Ariftotoles, und feiner Comuientotoren. Je fchwcrer es den et ztern wurde, ihren Phir lofopben bin und wiedct zu reifieben und verfiindlich zn maeben, deflo inelirere Ura* wege inufsten fie neliuicn, um dem Sinne deffelben beyzuktMTiinen, deflo liefer inufs- ten Ke felne Lehrfatze zei febnelden, um fie ubcrall confequent darziiRellen. Harris fah ihnen zu, xnachte ihre Operationen mit, und kam dabey auf fehr vieJe Puncte, die er au- ferdein gewifs wiirdo iiberfeben iiaben. Was wir fo oft bey Ariftoteles oder Plato Spitzbn- digkeit nennen bdren , ift in der That nicbts ais Einfachheit. SIe gcben ihren Weg Sebriu vor Schritt, laffen iich kcine Idee, die fte auf demfelben finden, entgehen, und fo wer* den be freylicb langfame jioInlicheFufsg^nger ,

in*

Digitized by Googie

indeOen wir TOn einem Hauptfatze zum an> dern bis an anfer rorgefetztes Ziel fpringen. Ich fage Torgefetztes Ziel. Denn diels fcheint mir dem Gange iinfers Philofophirens durcb* aus eigen zu feyn, dafs wir bey jeder Unter» iinrbungt es tey durch Andrer Vorarbeir, oder durcb ein dunkles Gefuhl geleitet, im> tner fcbon vorber befiimmen, wohin wir ei> gentlich kommen wollen, da im Gegentbeil die Philofopben des ^Itertbums erwarten^ wobin ibre angefangne Unterfucbung fie end> lich fdhren wird. Eben diefe Unpartheylicb- kelt in ibren Forfchungen kaon aber fdr uns febr lehfreich werden, und wenn wir auch nar die Kunft yon ibnen lernen, die Begrifle vor den Augen des Lefers, wie die Begeben- beiten im Drama, entftehen und werden zu lalTen, fo dafs er diefelbe Leiter von Gedan* ken hinauffteigt, die wir bey unfrer Medita* lion hinauffriegen , und die Betrachtung eben da, wo wir es tbaten, mit uns anf&ngt und fortfuhrt : fo baben wir unftrsitig etwas gewon* nen, was febr Wenige in der Gewalt baben, und was unfrer Oarftellung Tornehmiich das Verdienft der DeutUchkeit und Ueberzeu» gungskraft geben mu(s. Icb glaube nicht zu

irren

121

irren, wenn ich die groCse Entwicklungskunftt die wir an Carve und Engel bewundern, dem FleiCse zufcbreibey womit diefe Denker die alten Philorophen, befonders einen Plato, ftU' diert haben. Wie viel kann man in dirfer RQckTicbt anch vom Sextus Empiricus *) 1er< nen, der fich bey den LebrGUzen der Philo* fopben an jedes einzelne Wort h^lt, und fie Schritt vor Schritt begleitet. Die Kom* pendlen haben unl&ugbar, obrchon wider ibre Abficbt, zur Seichtigkeit fowohl ais zur Weitfchweifigkeit im Philofophireii beygetra* gen : zii der erRern, indem fie mehr Reriil- tat> ais Forfchung, mehr Entfcheidung, ais Unterfuchung gaben: zu diefer^ inrofern fie

die Wahrheiten zerftuckehen, nnd durch eine Menge Haupt* um. Cnter- Abtheilungen die Ueberficbt derfelben erfchwerten. Beyden

Feb?

*) Schon oft ift dai Snidiam diefes Sceptikert, al« eine trefliche Vorbereitung enr Philofophie em* pfobleu worden. Ein sweckmifsiger Auisug wire freylich nothwendJg, da mehrere Stilcke, befondcn die gegen die Ariihmetiker, Geome- ter und Mufiker voll leerer Spitafindigkeiten Hnd, die wenig eu denkeo geben.

Digilized by Googie

J22

Fehlern kann ein weifes Studium der AJten mit abhelftn. Welch ein kilnfllU ches Gebiude ift unfre wiflenfchaftliche Mo- ra! , wie einfach dagegen die Ethik der A!ten ! Man vergleiche allcnfans auch die Schriften eines Hutchefon, Fergufon, Smith und nndrer Englifchen MoraE- ften.

Es war eine Zeit, wo jede Aenderung, jedcr Fortfchritt in der Philofophie von ir- gend einem alten Philofophen ausgieng. Diefe Zeit ift zwar jetzt nicht mehr, gleichwoU werden die alten Pbilofopben immer a!s Text ZH Unterfuchungcn. einen grofsen Werlh behal- ten. Wir konnen fie in jeder Rflckficht un* befangner beurtheilen , '*als Neuere ; und wenn es je gefcliehen follte, dafs einreifferi- der Ecleciicisnuis die neuere Philofophie ver- wirrte und aus den Fugcn der Wiffenfcbaft Ibfte: fo wiirden wir uns durch die Alton

xvieder orientiren kbnncn. Oder, wenn man auch nicht daran dcnken will : ift nicht jede

Verglcichung, welche mit Einficht angefiellt wird| friiclithar an ncucn Idecn, die man ohne diefcs Gefchaft nicht enldecken wtir-

de?

0'4^i. rr; !^y Google

123

de ? Dafs uian bev folchen Vergleichun- gcn al»er niclit auf das alleln , was ir- gcnd eine Gefcblcbte der riillofophle er- 7.ahlt, l)iiicn , fondcrn die Alien felbft 2ur Haud nelunen inufTe , bedarf keincs Bewcifcs.

F.

rno

Digitized by Googie

THOMAS CAMPANELLA

UKBKR

DIE MENSCHLICHE ERKENNTNISS.

Voran einige Betnerkungea aber delTelben Philofophie.

{Cs iTt nicbt moglich, die Scbriften elnes Campanella aus der Hand zu legen, ohne mannigfaltige Betrachtungen anzuftellen *). Wie

viel

*) Da> richtigRe Verxetchnilii diefer Schiiften giebt Eckard in den ScriptOrd. Pridicat, To. II. Vio* le, die GimpanelU gefchriaben zii haben rerR* chert, Rnd nicbt im Drucke etCduenen, Icb ha.

be.

PiQiii/ialby Googie

125

viel giebt nlcht fchon die Lebens- und Lei* densgefcbichte ibres VerfaXTers zu denken« wie viel der befondre Ideengang und die ei* genthamliche Manier , welche in diefen Schriften herrfchtl Vor allen aber wie frucbt* bar ift der Gedanke, dafs alie diefe Werke, Toll Fleifs und Anftrengung, in ihrem gan* zen grofsen Umfange doch nur ein febr ge*> ringer Beytrag zur Erforfcbung der Wahrheit bnd, der fcbon zu feiner Zeit nicht einmabl das bewirkte, was er bewirken konnte, und heute beynabe ganz Tergeffen ift ! Denn wie hoch fchl&gt man feine Verdienfte um die Wiirenfchaft an? Man rechnet ibn unter die- jenigen, welche dazu beytrugen, das unum* fcbrilnkte Anfeben des AriAoteles zu Termin* dern, und eine grSlsere Freyheit in der Phi-

lofo*

be , anfer der Metaphyllk , tot mir ; Philofophiae Rationalis Partes 6* (Grainmat. Rhct Dialect. Poet. Hiftoriogr.) Paris imp. du Bray i638 4. De lenfu Rerum et Magia. Paris imp» Bcchet.

4. DeGentilismo non retinendo undAtlieis* mus triumphatus. Paris imp. du Bray i636. 4* Apologis Galilaei. Monarchia Hispanica und Cto ritu Sobt ia la. Mcdiciualia Lugd. i555. fi.

Digilized by Google

I2b

lofophie Torzubcrciten. Man Jobt ilin ais ei- nen vorzuglichen Kopf, der vlel wufste und dachtc: aber man beklagt die viclfaclien Ver- irriingcn, in dcnen er fidi verlolir, ohne Niitzcn zu ftilten. Grofs war die am^ewen- dete Kraft, und die Wirkung wle unbedeu- tend !

Untcr den Gerchlcbtfchreibern der Phllo- Topliie hat Bruker dem Cainpanella den aiis- fi\lu lidiften Ariikel gewidmet *)• IndeQen find nach Maafsgabe des Uinfangs, den das Brukerfche Werk bcfafst, die AuszOge aus Campanellas Sdiiiften fo kurz geratben, dafs fie vididcht fchwerer zu verftehen find , ais jenc Sdiriftcn felbft. Von dor Metapbyfik def- felbcn gicbt Bruker nur cine Regifterinafsige Ucborlidit aus Adam. Ich bin daher diefes Werk felbft duichgegangen und will zur Prnbc Yon Campanellas Ideeiigange den er- flen Abfchnitt in einein gedrilngten Aiiszuge

mit-

•) Ilifior. erit. To. IV. P. II. p. 107 f.

•*) Univerfalij Pbilofopiae feu Methaphylicamm reriiin , juxta propria dogmata Partes 3. Suorum Opemin To. 4. Paria Fol. (fiber 1000

Saitea.)

Digitized by Googie

127

mitthellen, wenn ich vorher einige alJgemei- ne Bemerkungen aber Campandlas eigethum- lichen Gang in der Phllofophie dargelegt habe.

Campanella hatte dic Sch.:)achen und Un- vollkommfuheiten der Ar{ftotelifcheU Philofophie genauer eingcfehen, ais viele felner Zeitge- noffen. Und da grade diefe Philofophie der Freyheit im Denken zu feiner Zcit am mei* ften im Wege fiand: fo richteie er vornehm- ILch gegen fie feine Waffen. Weit kuhner^ ais etwa vor ihm ein Ramus oder LulluS) drang er nicbt daraufj diefe Philofophie zu erginzen oder auszubeffern: er bemulite fichy fie ganzlich anf die Seite zu fchaffen.

Zu diefem Knde fcblug er anfangs ein gelin- deres Mittel ein, indem er den Verfuch machte, die Meynungen andrer Philofophen^ der Eleatiker« lonier, des Plato und der PythagorSer hin und wicder geltend zu ma- cheii. Er fcheint dazu befonders durch dcn berubmten Telrfius aiigeleitet worden zu feyn. Mit vielein Fleifse ftudierte er fich in jene Sy- fteme ein : indeffen brachtcn ihn Ticllcicht

die Inconfoquenzen, die er zum Tbeil darinn fand, zuerft auf den Gedanken, auch diefe

Fah-

Digilized by Google

128 ~

Fdhrer zu rerlalTen, und iich einen eignen Weg zu fiiclien.

Er ward Eclectiker. Aber auf reinen Eclec* ticlsmus wirkte nicLt nur die Kenntnifs jencr philorophirchen SyrtemCi fondern auch feln lebbaftes Genie, feinc ausgebreitete Belefen* heit, fein Hang zur theorophirchen SchwJlr- merey und eine grofse Dofis Abergiauben. Man kann lelcht denken, was diefe verci* nigten Kriifte fdr eine feltrame Wirkung her- Torbringen inuften. Seine Bekanntrchaft mit den dltern pbiloro{^bircbeii Bemuhungen er* weckte in ihm eine fceptifche Denkungsartt ein ganzliches Mif:itrauen gegen das gewbbn- liche Verfabren der Pbilorophen: allein feine Lebhaftigkeit binderte ibn, fich in diefer Den* kungsart reftzufetzeii , und in der UnwilTen* beit des Zweiflers feine Berubigung zu bn* den. So wie ibm nun fein Scepticismus den Wertb der pbilorophifcben Spccnlation ver* d&cbtig macbte: fo trat von der einen Seite

feine Celehrfamkeit y von der andern fein Ge- /u/t/ ins Mitte]. Er wufste zu viel, ais dal« er es bitte vergeblicb wiffen wollen : fo end* ftand alloifthlig der Verfucb, bcb wenigftens init Hypotbefen binzubalten. Sein reges Ge-

fdb]

Digilized by Google

1S9

ftkhl belebte diefe Hypotbefen» und der Aber- g1au!)e half fie unterfttkizen In diefer Stini* muns war es ihni nur noch darum zu thun^

n

feine Ideen in Form einer Wiffenfchaft nieder> zulegen

Der Weg, den er dabey einfrhiug, war in der Hauptfaobe folgender. MiCstrauifch ge»

gen

Er behauptate t. B. , dafi alie Dinge in der Welt Enipfindiing hStten. Diefee sa erweifen, nahm er bey den meiAen Fsllen feine Zufluchr sam Abergleuben. So bewiefi er, defs euch die Tod« ten EmpCndung hltten, demit, dafe GetOdtete fich immer bewegten und bluteten , to bald ibr Mdr* der Ccii ihnen nabte.

*) Propterea ego , fagt er Mataph. p. , ego Tho« mas CampanelLa , poAquam omnes fectai pbiLofo* phoriim et fophillarum, et religiones, et leges di* Yinittis et humanitus tradius , et ab impuro dae* mone hominibus pravis inilnuatae, et feientiat et artet cunctae rite percurri, ftatui de vera fa* pientia fermonee feribere , unde etc. und p. 5. Quapropter novam condere Meuphjrhcam Aatui* mus , poft obi a Deo errantes per flagella reducti fumus ad viam falutis et cognitionem divinorum, non per fyllogitmom neque per aiitoritatem ->• fed per tactum intentum in magna fuaritate^ quam abicondit Deus timemibus fe etc.

C. Sturk, I

Digitized by Googie

loo

gen alie die Arlen zu philoropliiren , welcbe fich auf blofse Vernunfterkenntnifs grunden oder doch diefellie zur Hauptfache machen, hielt er Pich ftrenger an die Erfalirurig, mid die uninittelbaren Werkzeuge derfelben, die Sinne So wie die Sinne bberhaupt uns am ncherften von unfrer eignen Exiftenz iiberzeugen : fo ver- fchafTen fie uns auch von allen andern Dingen unmiuelbare Kenntnifs. Dieie KennlniH» iftzwar mangelhaft und unvollftiindig, aber docli fUr uns ficher genung. Ihre Siclierhtdt zu unterruchen und zu befiimmen, ift das Werk der Wifrenrcbaft.

Alie WifTenfchaft geht von der durch die Sinne erlangtcn Kenntnifs aus» daft Dinge ex^ti’ ren ^ und dafs Dinge erjcheinen *J. Die Grund- lage aller WifTenfchaft ift mithin Gefchichte. d. h. der InbegrifF deffeii, was wir mh den Sinnen wahrgenommen baben. Die Gefchichte ift zweyerley, gouiiche und menfchliche, wovon die letztre in natiirliche und moralifcbe einge- theilt wird. Es giebt alfo zwey Wiffenfcbaften, Tffeologie und Micrologie^ (und zwar die letztre naturliche und moralifche') wovon jene die vor-

nehmfte

*) S. untcr andem Mctaph. p. 346 fi]. oder Lib. V. r, II. Alt. 2.

Digitized by Google

nelimrte ifr. Ztvifchen beyden findet die Meta- phyfik ihre Siellc , welche die Principien von beyden aufrielit, und folgiich ni»r eine Hiiirswifrenfchart abglebt. Die Naturaiffen- fchaft ift in einzelne Theile zerlegt, z. B. Medi* cini Artroriomie, ATtroIogie, Cosmographie und Geometrie. Ihre HairswifTenrchart ift die Mathematik: Fo tvie die Icgik nichts

weiter , ais Hairswi(TenrchaFt Ftir den Metaphyhker ift. Denn beyde haben kein Ob* jectanfich, Fondern helfen blos die Objecte der NaturwifTenfchaft und Metaphyfik finden und beFiimmen. Die Morat theiit lich in Ethik^ Folitik und O^conomiky unter welchen die Ge* fetzgebung die alium TatTendrte ift. Ihre Hiilfs* wifTenfchaflen find Rhetorik und Poetik. Eine befondere Claffe macbt die Magie (die naturli* che, teufliFche und englifche)aus.

Allerdings Fcheint diefe Tabelle der WifTen» fchaften anf den erfien Anblick mehr einen ftrengen Doginatiker, ais einen halben Scepti* ker zu rerrathen. Indeffen muFs man nicht aufer Acht lafTen, dafs Campanella, wie. Fchon erwilint, feiiie Sceptik durch andre Minei er- gtnzt hatte. Der Eintheilungsgrund der Wif- FenTcbarten berubt in dem Principi ?on wel*

I 3 ehem

Digilized by Google

ehem Cainpenella ausgieng. Wir fmd uns be- wufst y dafs tair Jind , erkeanen und toollen. Seyn und kinnen d, b. Kriifte hahen> gilt ihm far einerley: daher bezieben lich die Wiffeu*

TchaAeu aufs Kdnntn^ Wirken» Hervorbrin* gen, dazu gehort Matkematik mittelbar) Me* chanlk oder Magie unmittelbar : auTs £r>

kennen^ damit fmd unmittelbar Theologi* ^ Pky^ Jik^ mittelbar Logik verbunden : aufs fVol-

len, alie practifehe Winenrcbaften, mit ibren HuirswiirenfcbaTtcn.

Ich bleibe fiir dieCsmabl bey feiner Meta* phyblc fteben.

Er beweift die Notbwendigkeit einer Metapbyfik vornemlich aus folgenden Gr&n- den *). 1. Die iinnlicben Erfeheinungen rei*

cben niebt hin^ um einen allgemeinen Zu* fammenhang der Dinge daraus zu beftimmen; es inuFs noch kbhere Urfachen geben, ais die phyfifchen Jind. 2. Alie abrige Winenfchaf- ien baben das Befondre zu ihrem Gegenftan* de, es inufs mithin eine geben, welche bch mit dem Allgemeinen befchaftigt. 3. Keine WrilTenrchaft bat es mit etwas mehr,

ais

*) S. Meuph. p. 4. 5,

Digitized by Google

i33

ds den blofsen Errcheinuogen zu thun! es fehit alfo eine Wiirenfchaft, welche dio Dinge, wie lie an fich find , betrachtet. 4* muli eine Wi^anfcbalt gehen, welcbe die allge* meinen Begriflfe , deren man lich in den iibrigen bedient, entwickelt. 5. Die bbrigen WilTenrehaften befch^tigen iich nicht mit dem allgemeinen 2ufammenbange der Dinge, nacb Anfang , Ende , Wechfelwirkung u. f. w. Diels iit ein Gefchkft fUr die Metaphyfik. EU ne folche wiirenrchaft ili nocb nicht vorfaan* den: felblt Ariltoteles hat nichts weiter, ais

cin metapby Arches WSrterbucb geliefert.

Nach Teinem Syfteme handelt die Meta* phyfik von allen Dingeii^ wie und in wie/ern Jie Jind *J. Sie Tetzt nichts Toraus, ais dafs Dinge erfcheineity (die wahr und fallch fsy» kdnnen) usd iafs Dinge Jind. Sie unterfucht alfo das Seyn und Nicht feyn der Dinge | nacb dem Grundlatze : dais etwas nicht zugleich leyn nnd nicht feyn kann. Bey diefer Unterfu*

chung

*) S. Metaph. p. S5i. Prout at quatenus fuat; lieiltt es im Texte. Vergi, p. 66 unten.

DigitKed by Google

i34

cbung hat fie aaf die Grundeigenicbaften dea Seyns iind Nicbtfeyns zu fehn : und hier

jindet fie Afoglichkeit oder Kraft (potentia) £r. kenntnifsvermAgea ( fapientia ) und Neigung (amor) ais Priraalititen des Seyns< Diefe zet* legt fie in abftracte BegrifTe, und fteigt fo durch die Betrachtung der Dinge iiberbaupt zum erlten Wefen aller Wefen, zu Gott auf.

Man findet in Campanellas Metaphyfik al* les I was fonft unter den befondern Rubri» ken der Ontologie, Pijeumatologie, Pfycho» logie, Cosmologie und Tlieologie abgehan» delt wurde : aber er liiilt ficb an diefe Ab»

theilungen nicbt, weii er feine Primalitdten, ais |dle Principien feiner Metaphyfik, zum Leitfaden gewihlt hat.

De ganze er/te Theil cnthftlt tom zwey- ten Buche an eine weiLliiuftigc Untcrfuchung der PrUdicamentenlehre ^ init beftiindigen Wi» derlegungen der alten Philofophen, vornebin» Kcb des Ariftoteles.

Das fechfte Bucb (der zweyte Theil) liefert die Ontologie^ d. b. die allgemeinen BegrifTe

von

Digitized by Googie

i35

Ton Ding (Seyn‘, Wefen) und delTcn Grund- eigenfchaften , oder Bedingungen (primalita* tes). Es find deren drey. Die mgUchkeit, Kraft, (potentia) erfte Bedingung jeJes Din- ges. Was feyn kann, iff, was ift, mufs feyn. Kap. 5 und 6. Erkenntnift , zweyte Bedin- gung. Ohne fie kann kein Ding feyn, behar- ren und w\rken. Ueber Empfindung, Ver- ftand, Weisheit. Kap. 7—9* (amor)

dritte Bedingung. Alie Dinge haben Trieb der Erhahung, ohne diefen kbnnten fie nicht feyn, und wirken. Kein Ding will feine Vernichtung. Kap. 10. Weitere Erliuterung dlefer Principie:., ais wefentlicher , allgeinei- ner und innerer. Kap. ii. Von den Grundei- gcnfchaften des Non-ens, der UnmSglichkeit, (Unkraft, impotentia) dem Mangel der^ Ei- kcnntnifs, (mfipientia) und der Abnelgung, (odium metaphyficale.) Kap. il. Das Ob-

icet der Mbglichkeit ift das Seya, das Obiect der Erkenntnifs die Wahrheit ;(obiecdve und fubiective, rei et intellectus) das Obiect der Neigung die G&te^ wovon das Schbne ein Zei*

chen ift. Kap. i3 “• t6-

Diefer Begriff des Dlnges mil felnen Grund-

eigenfchaften giebt nun eine

Tbeo-

Digilized by Google

i36

Theologie

I. Exiiten^.

Der BegrifT des exiftirendeQ Dinges abftraot gedachtf giebt den Begriff der Hoclifte

Einheit, hOchftes Wefen. Gotr, Buchy, Kap, t bii>4> Vnendliche Einlieit, Allheit Gott. K.ip, 5 Vom Dafe)n Gottes « feiner All^e> genwart, Ewigkeit, Allmacht, nach dea GrundbegrifTen der Eiabeit qnd AUbeit Buob 8. Kap, 1—4,

II. Erkenntniis.

Aberkenntnirs, AllwQifsheU, ADgniige 6ut- tes. Ueber die Art feiner Erkenntnils. Kap, 5.

III. Neigung.

Allumradende Licbe, Vorfebung, SorgeHU* die GlQckfeligkeit der Gercb^pfe. Zweck der Scbfipfung. Kap. 6—7.

Nachdem yon den OrundelgenTohaiten felbft gehandelt ift, geht die Betrachtung auf die (Wirktingeni influentias) derfelbea fort* Bucb 9.

Der EinAuCi der MSglichkeit, Kraft (Pote* ftatiri,) ift die Notkaendigkeit. BegrifT und Ar-

ten

Digilized by Google

i37

ten derCelben. Kap. i •— 2. Der Mangei der* felben, der aus einer Mifcbung mitdem Non* ens entfpringt, ift die Zufalligkeit. Sie ift nicht in Gott, Gott lilCst fie nur zu. Urfprung des Uebels. Kap. 3.

Der Einflurs der ErkenntniGs (Cognofcitivi) dasSchichfal. Freybeit desMenfcben. Vereini- gung der Freybeit und des ScbickXals, und der Vorfebung. Kap. 4 7.

Der EinBufs der Neigung Canioris) die Har* monte. ZweckmjrHgkeit, Thfttigkeit. Grund* zuge einer Tbeodicee. Vereinigunff derNoth- wendigkeity des Scbickfals und der Vorfe- bung. Ueber Zufal] und Gluck. Ueber SQnde und Zurecbnung. Gerecbtigkeit Gottes. Kap. 8 14.

Alie diefe und die mit ibnen Terwandten ontologifchen Ideen werden nun durch Scbe* mata conftruirt, die den Jakob BSbmfcben an Sellfamkeit und Dunkelbeit nicbt riel nach* geben. Buch 10. Kap. 1 10. Anbang uber die Schdpfung der Welt. Endzweck derfel* ben , Voifebung und Vorberbefiimniung, Uebel in dei wclt} VerlSngerung und Ver» kQrzung des Lebens.

A 11%

Digitized by Google

i38

Aqs den an/jefiihrten EinflurTen des Din- gest und ibrer Anwendung entTpringt

Gostnologie.

Meynungen vom Urfprunge der Well. Elftes Buch (dritter TheiI) Kap. i 5.

Alles wirkt ais Selbftzweck, Notkwendig^ heit^ ais IVIittel Schichfal. Der Selbftzweck wird durch hdhere Macht zum Mittel gelei* tet Harmonie. Zweck des Himmeis , der Flarfe, der Meere, Berge : Zweck des Gan< zen der Menfch , Zweck des Menfcbeii Gott. Kap. 6.

Phyfifche Principe der Dinge« Sonne und Erde (Wirme und K&lte). Verhaltnifle bey* der. Himmelskdrper, Cometen, •— ganz artronolnifcb und aftrologifcb, Kap. 7 iG,

Untergangder Welt. Meynungen Qberibre Dauer u. f. w. pag. 17. Die Weit wird nicbt in Nicbts vergeben, fondern verrollkommt werden. Aufer der Hnniicben Welt giebt es aber vielleicbt nocb eine nichtlinnlicbe.

Pn eu-

Digilized by Google

j39 •“ Pneumatologie.

Meynungen von Geirtern und Engein. Sie find unkorperlicb, alfo irietaphyfifche Wefen, deren Eleineme Kraft, Erkenntnifs und Nei* gung find. Wir kOnnen blofs analogifcb da- von urtbeilen. Diefe GrundbegrifFc werden nun auf die Idee diefer Geifter angewendet, init einer Menge von fcbwarmerifcben Hypo- tbefen und mit einem Aufwande von Cafui- ftik, woruber man erftaunen inufs. (So un- terfocbt er z. R. oh die Engel ein Gefcblecbc baben , ob fie mit einander fprecben und wie?) Xmdlftes Buch.

Zufammenbang der finnllchen nnd unfinn- licb.en Welt mit Gott, vermittelft der Ideen. Weitlauftige Widerlegnng des Ariftoteles. Drey zehntes Buch

Von allen diefen Betracritungen kebrt die Seele zu ficb felblt zuriick, und fragt, was Jie fey?

Pfy ch ol ogi e.

Aus ibren VVirkungen fcbliefst fie, daG> fie ein kopperlicher Geift fey, diinn, warm und licht. Wiirde des Menfchen, Gortlicbkcit fei-

DigitKed by Google

14.0

»«r Seele. Vierzehntes Buch- /C. - 2. Mey-

nungen uber ihre Unfterblicbkeit. Beweife dafur, aus ihren Grundeigenfchafteni ibrer Kraft und ExiAcnz » Erkenntnift und Nei- gung. Widericgung der Zwcifel dagegen, Kap. i 5. Fortpflanzung der Seele und Vereinigung mit dem K^rper. Kap. 6.

Zuraimnenhang der flnnlicben und unflnn* ]ichen WeU unter fich. Regierung der Welu Gemeinfchaft der Geirtery ihre Gefcbilfte) ihr Sinflufs. Verk6rperung der Geifter. Ueber Wunder. Diefer Abfabnitt ift ein Gewinamel ▼on Schwilrmereyen. Funfzchntes Buch.

Uehergang zur practifchen Phiiofopbie. Die menTohliche Seele Ift iin Kbrper nach allen ih« ren Grtmdeigenrchaften befchrftnkt und unvoU* kommcn. Sie ftrebt alfo zur Vollkommenbeit, indem He nach Gott ftrebt. Dazu babnt die JteligioH deo Weg, denn He zeigt, wie wir aus der bnnlicben Welt in die unlinnlichei geiftige, gelangen. Unterfchied der angebohr^ nen und erutorbnen ReJigioit. Nur in der letz- tern giebt es Irrthuiner. Jene befteht in der Richtung der Kraft zum Dlenfte GotteSi der Erkenntnijs zur Betraobtung der gSttlichen und

menfcb’

Digitiz^ by Googie

i4i

mefifcblictien Dinge (Theologie und Philofo* pbie) und der Neigung 2ur Liebe Gottes bis zur Entzttckung. > Notbwendigkeitder OHen« barung. Innere und auferd (politifcbe) Reli* gion. Unrerfcbied der natHrlicben und poRtl* ven (artificialisO Gsttlichkeit der Moral. Kenil4 zeichen einer gdttlicben Religion. Phi* loropbie bber ttufre Religion ^ Opfer, Eide u. f. w. Uebematarlichkcit der cbrift« licben Dogmen kein Beweifs gegen die Re» ligion felbft. Pr&Fung andrer Religionen. Ueber W under, Propbetengabe u. d. Sechf zehntes Buch.

Unfterhliehkelt der Seele^ eine Folge des Da» feyns Gottes und der Religion. Vorlaufige Ba» griHe ron Leben und Tod. In diefer Weltgiebt es keiue Seeligkeit. Das bucbfte Gutift Erbaltung^ alfo Emgkeit. Seeligkeit ift Erbaltung des menfcblicben Welens inhdcbftenWefen, durch Vereinigung der Kraft, Erkenntnifs ntnd Neigung. Siebenzekntes Buch,

Metaphylifcbe Begrifle ron der Ewigkeit (de Faeculis faeculorum.) Die Meynungen &1» tercr Pbilofopben und Dicbter werden ge» priift. Das Ganze voll Hypotbcfen nnd TrMu»

me

DigitKed by Google

me, «ber eben fo volJ von den fcIiarfHnDjg' ften Speculationen. Achtzehntes Buck.

Allerdings glebt es in die fer Darftellung eine Menge Bcdenklichkeiten , an welche Campanella nicht dachte, und welche eme kritifcbe PhiloTophie fo* leicht nicht umgehen wiirde. Viele Begrtffe find inehr gramma- tifcb, ais philorophiTch erliiitert, *) und der ganze wichtige Punct vom menfchlichen Erkennt* nifsvcrmbgen ift obenhin behandelt, weil Cam* panella das Cognofcitivum, ais ein gegebenes Factum, eben fo wie die xiftenz felbft, vorausfetzte. Werden indelTen diefe Voraus* fetzungen, ais Principien, nachgegeben; fo ift oHenbar, dafs Campanella uberaus Planiniir> fig und fyftematifoh verfiihr. Nur das Eine wiirde man noch vermirTen , dafs er die Idee der Elnbeit blofs auF die Idee Gott , und

nichl

*) So entwickelt er t. B. den Begriff Sapientia aut dem Zeitworte fapere (fclimecken.) Sie iii Uim eiwat aiigtboltniet (eircntialiter a Deo data, ) da« gegen dio Scientia accidcutaliter erlangt wird.

Digitized by GoogI

143

nicht auch auf Welt und Seele, anwendete. Denn eigentUch hat er doch diefe letzierti beyde nicht nach erften Principien gefunden, fondern ebeiifalls ais gegeben angcnommen.

Bey fehr vielen Hypothefen deflelben liegt eine iiberaus richiige Bemerkung zum Grunde. Es ift z. B. die Frage» wie der Zufammenbang unferer Erkenntnifs mit den Obiecten felbft zu er- kl&ren fey? wieeskomme» dafs die Oblecta auf uns wirken, fo dafs wir fie empEnden und denken? Campanella fah die Nothwendigkeit ein , zwifchen uns und den Obiecten gleich* fatfi ein Band zu fuchen, und diefes fand er in der EmpEndung der Obiecta. Dafs die Dinge auf unfre EmpEndung wirken , kommt daher, weil Ee felbft EmpEndung haben. Eben diefes erklftrt denn nun auch die M6g- lichkeit, dafs wir auf die Dinge wirken kbn- nen. Ueberhaiipt fiebt man bald , dafs Cain* panella der Idee einer kritifchen Piiilofophie mancbmahl ziemlich nahe war. £r gebt von bloffen Erfcbeinungen aus« legt zur Erkennt* nifs derfelben lauter Subiecti vitat, das Factum unfers Bewufstfeyns, zum Grunde, und ent* wickelt die Idee des Dinges uberhaupt ganz nacb der Analogie diefes Factums.

Viele

DigitKed by Googie

- 144

VIele Inconfequenzen und Grcwahfamliet* ten komnaen auf die Rechnung des Eifers^ wo» mit er deo Ariftoteles bey jeder Gelegenheit zu widerlegen fucht. Bey diefem GefrliarM vernichtet er bisweilen tdeen ilnd Erk’iiruii* gen, die er in der Folge felbft wieder brau« chen muGst und daher nur diirch Verdre» liungenund Spitzfindigkeken dnrchfetzen kann. Diefes ift der Fall mii ,dem Begriflfe WilTen- fchaft. Gegen Ariftoteles behaiiptet er- fie fey nicht de univerfalibuS, fondcrn de particulari* buSt und doch ift feine ganze Metnphyllk nichtSt ais de univerfalibus. Und wenn er behauptet, dafs er von jenen erft zu diefen fortgebe, fo iR das nur fehr uneigentlich ge* fagt, da der BegrifF des Dinges uberbaupt ge* wifs nicht particularis ift.

In dem folgenden Auszuge ift die Einleitung tu feiner Metaphyjik dargeftelltt mit Hinweg* lafTung aller polemifchen Epifoden. *) Wahre und fchiefe Ideen wechfein darinn ab: aber

im Ganzen zeigt ftch der helldenkende Kopf.

Nur

•) Von Seite 6 bii 88.

Digitized by Google

i45

Hur das hat Campanella nicht deullich genug eingefehen, dafs fich auf oine fo faepiifclie Ein* }eitung krinc fo dugtnatircbe MetaphyHk er* warten labit.

Zweifel gegen die menfchliche Er-

kenntnirs.

/. Was wjr keitnen^ ift bey laeitem der kleinfte Theil von denen Dingen^ die uir nicht kennen.

Unzahligc Dlnge auf der Erde, im Waf* fer und im Himtnel bleiben unferm Blicke verborgen. Was wir Ton der Vi'!gangenbeit kennen, ift nur miltelbare und fehr iinficbre Keniitnifs : und die Zukunft ift uns ganz

▼erfcbloffen. Alier felbfi au deiien Dingen, die wir kennen , ift uns das Meifte verbor- gen ; wir erkennen nle ihre inneie Befcbar* fenheit, nie das fianze, nie die eigentliche Subftanz: iinmer nur die Ui>cifiiicbe, dar

Aeufsere, die Tbeile, die eifcheinenden Ac- cidenzen: iile, wie fie an ficb find, ini-

iner nur, wie fie uns afficiren. Dic Wir- b.Stmk. K kuu-

Digitized by Googie

146

kungen find nicht erkennbar ohne die Urfa* cben , und diefe nicht ohne jene. Ueber* dem gehen die Urfachen ins Unendlicbe zu- rhclc, und dahin reicht unfer Verftand nicht.

//. Und felbft von diefem klei/^ten Theil* haben t:>ir keine Wiffenfchaft,

Zur Wiirenrcbait gehurt Kenntnifs des Allgemeinen und Bcfondern, Jene ift nicht mOglich ohne diefe , und diefe iH unmdgiich. Ich kann den Menfcken Sberkaupt nicht erken- nen, wenn ich nicht, was doch unm6glic!. ift, alie Menfohen kenne. Zur WirTenfcbaft geh6rt ferner Gewifsheit und Unver^nderlich* keit : dieDingeabcr Hnd in einem heASndigen WandeI und Weciifel. Aher Piato hiethet uns feine Ideen zur Wiffenfchaft an. Thor- heit ! Ideen hnd etwas Andrcs, ais die Er- fcheinungen, fie find Abftracta, aifo ein un« bekanntes Etwas , woraus wir das fiekannte nie erki&ren kQnnen und durfen. Sich mit Ariftoteies an einzeine Individua, an die nilchften Urfachen zu balten, giebt keine VViffcnfchafk

III. Wir erhennen die Dinge nicht fo^ wie fie an Jich jind.

Alie

Digilized by GoogI

»47

Alie unfre etwanige Erkenntniis erlangen wir durch die Sinne : und diefe dringen nie

in das Innere der Gegenftiinde. Auch iind He bey allen Menfchen verfchieden, dem ei* nen ift das fiils, was der andre fauer findet. Unendlich viel DInge wirken auf unfre Sinne garnicht) wie vieles z. B. giebt fiir uns keinen Geruch! Und was ift uberhaupt Gerucli, was Gefiihl, Gefcbmack, GehSr und Geficht ! illes nilr fubiecriy, und bey Tbier und Men* fcben ungleich. Wie febr werden die Dinge iurch das Medium der Luft i oder durch Entfernung veriLndert ! wie Tiel kommt auf len Zuftand unfrer Organe an! Liegt doch felbft bey der Uebercinfrimmung Mehrerer nur Aehniichkeit des Afficirtfeyns « aber nie

Gleichheit, zum Grunde. Und was find denn uberhaupt unfre Sinne, aenn xoir fie mit den Sinnen der Thiere vergleichen i wie febr uber- treffen uns diefe in Ruckficbt des Sehens, Hbrens, Riecbens u, f. w. Es bleibt alfo da- bey, wir erkennen vermittelft der Sinne nur die Erfcheinungen ( fimulacra ) der Dinge, nur die Zeichen, nur die &ufsern Acci* denzen.

K ^ tr. Wir

Digilized by Googlc

148

tV. Wir erkenncn JctbJt die Erfcheinungen nkht unorrfidfcht.

Hier gilc das Meifte von dem, was eben gefagt Ift. Auch die Erfcbeinungen werden diircb das Medium iinfers Sinnes , diircb Lufr, Diinfie und dergl, verfilfcbt. Anders erfeheinen die Sterne hey bciterm, anders bey triibem Hiinmel. Anders ift der PfefTer, wcnn wir ihn anfiiblon, anders, wenn wir ihn auf die Zunge nelimen. Anali finddieEr* febeinungen felbft in ftetciu Fiuffe und verftat- ten keine fefie Anficbl. Wabriich, wir fiizen in einer HOle, und erblicken nur dann und wann den Scliatten deffen , was voriihergebt.

Aber wenn aiicb dic Gegenftande aufer uns feft und ftetig wli en, fu fnid ja wir felbft in beftSndigem Flujfe. Unfre Anficbten andern ficb von Augenblick zu Auqenblick, wir iind in keinem Zeii^iuncte diefelben Menfcben.

y. Soch me/ir^ unfre Erkcnntnifs ift ein Affc rirtwerden, eia Leiden.

Wir find alfo dabey niclit einmahl unirer felbft mUcbtig, and unfre Erkenntnifs kann eigentlicb nie unfer Eigenibiim genennt wer- den, zuinabi da wir niebt einmabl wiffen,

wic

Digitized by Google

>49 ^

wie vf^ii dazu ^elangen, oh diircli Wahrneh* inung, oder Erinnerung, oder a priori.

VI. l^'ir erkennen uns felbft nichf einmahl.

Was wiffen wir von unfrer Seele? Mati vergleiche die Meynuiigen der Pliiloruphen, der eine nennt fie Feuer, der andere Har» monie, der dritte Geift, der vierte Luft. EingerchlofTen in den Kdrpcr, wein» fie niclit, was fie ift. Streitun lich nlcFu die Philofophen felhfc dariiber, ub der McnTcb im Zuftande des Todes oder des Lebens, des Scblafsoder des Wacliens, riclitiger empfinde? Wineii fie Tii fagen, was. diefe Zuri&nde eigentlich find? WifTen fie zu bertimmen, was Weisheit und was Thorheit ift?.

VII. Die Meynungen der P/iilofop/ien Jtnd tt/i- derffjrechend und feltfam.

In den gemeinften Dingcn denken die Plii* lofophen vQrfcbieden und fciifain. WennAri* ftoteles' die Sonne, die alleS erw^rint und er- leucbtet, fiir einen kalten und dunkeln Kdr« per erkiart, wenn Herakiit uberall, und Zeno nirgends Bewegnng findet, wenn Copernicutf die Sonne, und Ptoloinaus die Erde in die

Mitte

Digilized by Google

i5o

Mitte des Weltalls fetzt, werm Anaxagoras den Schnee fur fchwarz und Telefiusfur warm h&It, wenn eln Pythagoras fich einbildet, fchon emniabl Euphorbus und Thais gewefen cu feyn; fo weifs ich nicht, wo man den Unilnn fuchen foll, wenn diefes alles Weis* heit ift.

VllI. Es giebt keine unbez-jeijelte Principie» in dea Wiffenfcha/ten.

Wie wollen wir unilnnliche Principien er* kennen* da wlr nicbt elnmahl dic Erfcbei* niingen erkennen! Und wo ift ein Principe uber welches die Pbilofophen einig w2ren? Einer nimmt iibera]! Einbeit, der andre Vielheit an, einer das Unendliche , der andre das Endlicbe. Viele leugnen die Mdglichkeit einer MctaphyTik. Selbft in der Matbemadk werden die Grundfatze nur angenommen, nicbt bewiefen. Warum macht eins undzwey drey ? Wo ift ein niatbematircher Puncl ? wo giebt es eine Theilung ins Unendliche? So un« gewifs ift die Aftronomie, Aftrologie, PerfpeC' tive, und Mubk. Und welche Verfchieden* heit Ton Meynungen hnden wir erft in der PhyRk! bald vier, bald zwey, bald ein

Ele-

Digitized by Google

Element: hier das Le«re, dort die Atom^

hier Feuer, dort Waffer: hier Materie dort

Form. In d^r Moral ift es niclit lieHer: noch hnd die Moraliften nicht einmahl uber den BegrifT von Gut und Bofe einig, und betrach- fen wir die verfcliiednen Sitten und Gebriu- che der Nationen, fo ift der Widerfpruch ungeheuer. Eben das gilt noch weit mebr ▼on der Reiigion , wo fogar in den einzelnen Syftemen felbft nnendlicbe Verfcbiedenlieiten herrfchen.

IX, Die Fhilofophen felbft erkennen die Unge- -jfifsheit der merfchlichen Erkenntnifs.

Empedocles^ Parmenides , und Anaxagoras reden von der Subiectivitat und dem Wech- fel der menTchliclien Erkenntnifs. Und wenn Protagoras den Menfchen das Maafs der Dinge nennt: fo fagt er ganz deutlich, dafs hch

alie Erkenntnifs nach unfrcr Subiectivitat richle. Heraclit, Craiyll und Democrit leug- nen die Gewifsheit vullig. Socrates wufte uur das Eine, dafs er nichts wiffe. Arcefilaus und die Pyrrhonikcr wollten auch dicfes nicht einmahl wiffen. Pythagoras liefs ficli niclit

cir.cu

Digitized by Coogle

i52

einen Weifen nennen, er war» bloCs eia Freuiid der Wei&beit.

X. Die Zeichen fur unfre Begriffe ftnd marv gelhaft.

Die meirten Benennuiigen der Dinge find Tufuilig entftanden : eine und diefelbe Sache

wird in vcrfcbiedenen Sprachen verfchieden benaniu. Selbft bey deii init Abficht eifund» nen Namen hahen die Eriinder imiiier nur eine Seite des Gegenfiandes aufgefafst. Einige BonennuDgen find ganz uniinn.g. Der Kiieg boirst bellum, (fchon). Jus hedst die Driihe und das Reclit. Viele Gegenfiaride benennen wir niit entlehnten Namen: viele init mehr,

ais Einem. Aiie die Ansdrucke, die wir von Gott gebrauchen , Subftanz, Barmherzigkeit, Zorn u. d. find wahre LSLfterungeii. Man un* terfuche die Naoien der Menrchen, die FI* guren der Dichter, die Namen in der Aftro- nomie oder Anatomie, Qberall nichts, ais Aebnlichkeiten und oft auch nicht einniahl diefe. Kein Naoie aber bezeichnet die Sache an fich, fondern immer nur eine BigenTcbaTt, odei Wirkung, oder ein Verliiltnifs.

Hier

Digitized by Google

i53

Hier find die Zweifel, die man gegen die Ocwifslieit der menfchlichen Erkenninirs er- hebt: lafst mis nun eincn Verfuch machen,

wie wir fie lufen oder beOimtnen konnen. Folgende Bemerkungen folleu daiu den Weg bahnen.

1. Was WilTen heifst. AUe Menfchca

wiffen elwas.

Wiffen heifst eineSache fo erkenncn , wie fie ift. Wahrheitiftdas WefeneinerSache, wie es an Jicbift. Wer da fagt , dafserniclueinmal wiffe, dafs er nichus- wiffe, niit dem kann nian nicht ftreiten, weil er kein Princip zulafst. Ueber- baupt aber fagt er eigentlich nichts. Denn in- dem er fagt^ dafs er nichts wiffe, fetzt er vorans, dafs er nichts wiffen k6nne, und diefes mufis er doch alfo wiffen d. b. elnge* feben baben.

2. Die Sceptiker kdnnen nicht alles Wif-

fen leugnen.

Leugnet ihc, dafs ihr mich b^rt, wenn

icii

Digitized by Google

i54

Scb rede? Das k6nnt ihr nicht, denn ifar ant* wortet mir, wcnn ich rede, und antwortet inir nicht, wenn ich nicht frage.

Kdnnt ihr leugnen, da£s ihr elTet, dafs ihr lauft, dafs ihr in eure Wohnung geht? Sagt ihr, dafs es euch nur fo vorkonime: fo fagt ihr doch, dafs ihr wilTet, dafs euch diefs fo vorkomme. Ihr erketmt doch, dafs es fo ley, wenn ihr gleich nicht wirfet, waruin.

Ihr empfindet, wenn euch iemand fchl&gt. Ihr wollt nicht wiffen, was Schmerz ift: aber ibr fiihlt ihn doch.

Ifar macht alles mit, was in der mehfch* lichen Gefellfchaft zu thnn ift, und zwar al- les richtig. Ihr effet Brod, nicht Steine, ihr holt zum Kranken dea Arzt, nicht den Fifcher.

Eure Sceptik ift nicht naturlich, fie ift ein Product des Nachdenkens.

Bedenkt endiich , dais alles, was der Fieberhitzige, der Schwiruier erkennt, Tiu- fchung ift. Hieraus fulgt, dafs dasjenige VVahrheit feyn muffe, was der Gefunde er- kennt.

Digilized by Googie

i55

kennt. Ich weifs, <JaCs ich jetzt fchrelbc: alie, die um mich ftehen, wIfFen, dafs ich fchreibe; und wenn ich fertig hin, weifs ich und diefe alie, dafs ich gcfchrieben habe.

Es mufs alfo doch irgend eine Erkennt* nifs geben.

5. Es giebt unbezweifclte Grimdfatze der menrchlicben Erkcnntnifs.

Unbezweifclt gewifs ift es: da/s wir Jind^

dafs u>ir erkennetiy dafs tair ipo//e« konnest, Erftes Princip.

tVir find et mas , und nicht Alles : vjir kon- nen, mijjen und vollen et mas und nicht alles. Zweytes Princip.

tVir konnen, viiffen und toollen Dinge aufer vns , weil wir uns felhft konnen^ aijfea und ■wollen. Drittes Princip.

Aus dem letztern folgt, dafs wir alles das, was uns nicht afficirt, weder kdnnen, nocb wilTen, noch wollen.

4- Ucber

DigitKed by Googie

i56

4- Ueber Empfinclutig (fcnfus) ais Grund- kraft der Seele.

Bey aller Empfindung wird erftens ein Cer grnjiand aufgenomm^n , dann emp/unden , und daiin eniTelit Zuneigung oder Abnfif^ung ^ Luft) cder Uiiluft. Das empfindende Wofen befteht aifo aj% dcra Vermogen aiifziw^hmen ^ zu wr- theilen und zu begchrcn. Einpfindcii ift alfo ein I^cideii. Die Empiinduiig wiirde i) zu erkiiiren Teyn diirch eia Afficirtiaerden, CpalHo) modurck vjir uahrnehmen y wat das ifty was auf uits weil es in uns ein ihm (elbft

ahnliches Etwas hervorbringt. Allcs, wa» da einwirkt, macin et was fich felbft Aebuli- cbes, und wir erkcnnen es dadurch, dafs aucb wir ihm uhnlich wcrden. Alie Empfin- dung ift real und unmittelbares Gefiibl, die empfindende Seele alfo etwas Kdrperlichest obCchon feiner , ais der Kfirper. 2) Da wir aber oft affioirt werden, oline zu empfinden, z. B. im Schlafe, im Wahnfinn: fo folgt, dafs

die Empfindung eine tVahrnelnnung des Afficirt- merdeiis fey. Die Organe der Empfindung find dse Kaniile , durcb wclche die finnllchen Ge- gerutinde zu unferer empfindenden Seele ge- la n<

Digilized by Googlc

i57

langen. Es giebl alTo fo viel Sinne, ais es Arten giebt, wle die Gogerifiande fich uns mlttheilen: eine Mlttheiluiig, die nur da*

durch erklarbar ift, dafs alie Diiige Empfin* dung faaben. In allen Organen herrfclit nur Eine und diefelbe empfindende Snbftanz, ob- fchon die Arten zu empHnden mannigfaltig find. Daher ift felbft das Gedachtnifs und die Erinnerung nicht Ton der Empilndung yer- fcbieden, jenes ift eine vorgefafste, diefe eine erneuerte EmpUndung. Eben fo ift es mit der Einbildungskraft. Von beyden^ der Empfindung und Einbildungskraft, ift an Ech und ihrem Grunde nach auch die Ver- nunft nicht Terfcliieden , fondern die Opera- tion einer und dcrfelben Seele. Die em- pfindende Seclc ift einerley init der verftan~ digen : Tcrftchen heifst die cinpfangenen

Gcgenflftnde gleichfam lefcn, Tcrbinden. Es entfteht iiiitbin aus dem Uefondern das All- gemeine: jenes aber ift Gegenfiand der Em- pfindung, alfo auch diefes. Alfa mufs die verftUndige Seclc eius feyn mit der empfin- denden.

6. Sub'

Digitized by Google

i58

5. Subiectivitat aller Erkenntnifs.

Wir erkennen andre DInge nur durcli uns felbft, d. b. durch die Verinderungen, die fie in uns hervorbringen. Erkennen wir diefe, fo erkennen wir auch jene. Vom Be- kannten geheo wir 7um Unbekannten fort| durch Analogie. Viele einzelne wiederholte ERipPindungcn geben GedichlnifS) aus die- fem enifteht lichre Erfahrung, aus Erfahrun* gen allgemeine Sitze. Alie Wiffenfchaft gebt alfo von den Sinnen aus.

Lofung oder Einfchrankung der Zweifel gegen die menfchliche Erkenntnifs.

I. Es ift wahr, wir erkennen nur wenig: aber diefes Wenige ift fiir uns viei, und grade fo viel, ais wir nOthig haben. Man mufs die wiffenfchaft mit den menfchlichen Verhaltniffen felbft vergleichen. Wo wir nicht unmiuelbar erkennen, da genugt uns die niittelbare Erkenntnifs durch Schlufle. Und wo uns die innern Befchaffenheiten ver» borgen find, da halten wir uns an die Wir-

kun*

Digilized by Coogie

i59

kangen and &ufern Verhiltnifle} die unswe* tugftens auf das Innere IcblielTen lalTen.

II. Es ift ferner wabr, dals wir die Ge* genft&nde nicht ganz erkennen. Aber es ift auch nicbt nSthig^ dafs man alie Individua kennen mufre, um auf das Allgemeine zu fcblieOen. Wenn diefes und jenes Feuer heifs ift, fo kann icb getroft fagen, alles Feuer ift heifs. Wo uns die Wirkung be- kannter ift, da fangen wir von diefer an: wo die Urfacbe, auch von diefer. Einen Ruckgang ins Unendliche aber giebt es nicht, denn wir treden zuletzt auf eine Urfacbe al* ler Urfacben , auf Gott.

III. Es ift wabr, dafs wir die Dinge nicht fo erkennen, wie iie an hch hnd, weil wir Ee durch die Sinne erkennen. Allein, wenn auch ein Sinn irrt, fo kbnnen wirdasZeug* nifs der hbrigen zu Huife nehmen. Diefe inannigfaltigen ImprefHonen zu kennen und darauf Rdckficht zu nebmcn, ift das Ga* fchift der Weisbeit. Was einem und dem* felben Sinne, im kranken und gefunden Zu* ftande, unter demfelbcn Medium, Organ und

Rau-

Digitized by Google

i6o

Raume fo und nicht anders erTcheint, day ift fiir uns iicher genung. Und wenn auch die Sin ne der Thiere rcliMrfer find, fu hat der Menfch vor ibnen das Vermogen der Vei- gleichung vorans. Diefcs fey auch zur Ant* worl auf den vierten Zweife].

Der Flufs der Dinge ift weder fo plCtz- lich, noch fo merkiich, dafs urifre Erkennt- nifs deshalh gar nichts feyn mufste: und die Einwendung bey dem vierten Zweifel kommt uns hier zu Stntten, denn wir felbft befin- den uns mit den Dingen in beftandigem Fluf- fe, und fo kann Jich unfre Erkenntnifs im- iner wicder mit den Gegenft^nden zufain- uaenBnden.

V. Unfre Erkenntnifs ift kein Leiden, fon- dern die Wahrnehmung des Leidens (Afii- cirtwerdens.)

VI. Wahr ift es, dafs wir uns felbft nicht

erkennen. Aber die Schuid li^t ain Kor- per: die Seele ift hier nicht in ihrer rech-

ten Heimath. Sie muls zuriick ftreben zu Goit, ihtem Princip. Im Gaiizen genommen

ift

Digilized by Google

ibi

ift indeUen an jeder Erkenntnirs, die wir Ton uns haben, immer wenigrtens etwas Wahres,

VII. Die Ungleichheit philoropbifcher Mey nungen kann ihren Grund aach in Eitelkeit, MangeI an ScharfHnn, EiTahrung, oder in Nachbetberey haben. Und aucb hier ift nicbt Alles ganz falfcb. So beht Anaxagoras z. B. bey Teiner Bebauptung auf die Materie des Scbnees.

VIII. Bey den Principien der WifTenfcbaf- ten kommt es nicbt darauF an, was dieDinge an llch, fondern was fie /ur uni find. Und wenn z. B. die Nationen aucb verfehiedne Be- grifle von Gut und Bdfe haben, fo komtnen fie doch alie darinn uberein, dafs man das Gute tbun, das Bcife raetden muITe, dafs das Gut fey, das gefillt, das Bbfe, was mifs* iillt. Aucb darinn find be einig, dals das bScblte Gut auf die Selbfterhaltung , das B6fe auf die Selbftvernichtung Bezug habe. Nur uber die Mittel zn beyddm denken be nicbt gleicb. Ueberall aber fehen die Phi- lofophen immer etwas Wahres, felbfc unter

6. Stutk. L den

Digitized by Google

i62

den phyfifchen Meynungen ift keine gani, falfcb. Vertheidigung der philoropbifchen WiQenrchaAen. -

IX. Die Unvollkommenheit der menrchll*

cbcn Erkenntnifs leugne icb gar nicbt: icb

leugne nur, dafs es gar keine gebe.

X. Infofern kann ?bh auch die Theilwreife Unvollkbmmenbeit der menfcblicben Spracfa» zugeben. Unfrc Erkenntnils ift mangelhaft, aber wir baben docb Erkenntnils.

F.

At)»'

Digilized by Googlc

Ankiindigung.

w ir haben unter den Quellen zur Gefchichtc der Philorophie einige kleinere Werke aus fp&teren Zeiten, welche tbeils zur Beftitigung, tjaeiis ziir Erginzung alterer Nachricbten dic* nen. Einige davon find zwar fchon kritirc!i bearbeitet^ aber es ift fchwer, iie alie bey- lammen zu babtn. Die fch^tzbare Ausgabe

L 2 des

Digitized by Googie

i64

des Vlutarch de Placitis Phil. von Eeck ift be- kannt und leicbt zu bckoramen. Dagege^n dat kleinc Wejkchen, welclies dem Galea zuge* rdirieben wird, die Sammlung unter dem Namen des Origenes und die Schrift ron Her- mias theiis noch wenig bearbeitet, tbeiis zer* ftreut And. Ich habe es daher fiir eine nicht ganz unnfttze Arbeit gekalten, diefe letztern Werkoben von neuem zu bearbeiten und init einander, wenn es feyn kann, den Freun* dcn der Phi]orophifchen Gefchichtb in die Hilnde zu liefern.

Aufer diefen Sammiungen haben mir aber auch dic Fragmcnte der alten Philnfophen rellift, welche hier nnd dort erhalten find» einiger Aufmerkfainkeit nicht unwerth ge- fchienen. Wariiin follen wir uns an fpSterc Berichte halten, wo wir die eignen Worte Jeiicr Denker haben kSnnen? Freylich hnd rs nur Bruchftucke: aber es fehlt ja nicht

fo fehv an Neben - Qiicllen, aus welchen fich

diefe

Digitized by Google

i65

diefe BruchftQcke einigermaflen erginzen

lanen.

Zu diefen gefaSren, aufer den erA ge- nannten klcinen Schiiften, aucli die zer- Areuten Bemerkungen und Nachrichten in den Scbriften der Kirchenv&ter , unler wel- chen Mehrere nocb Quellen. vor fich hatten, die fur uns verlohren Hnd.

E* wiirde dalier, glaub’ ich, kein rer- werfliches Unterncbwien feyn, wenn alie diefe Beytrage zur Gefchiclue uer alten Philo* fbpbie unter £ine Ueberficlit gebracht und mit den nbthigen Erliutcrungen rerfeben wiir* den. Diefe Idee i A es, die icli hiermit den Freunden der philofophifchen Gefchichte vor- legen wil). Ich habe nemlicb die Ablicht, cine kleine Sammlung von diefen genannten AufPiitzen, BrucliAticken und Nachrichten an- .ulegen, nach folgender Eintheilung. Das Ganze foll den Titel

Philo-

Digitized by Google

i66

Philorophia Graeca fuhren, lind in der erften Abtheilung

1} die kleine philorophifche Gefchichte un> ter G a 1 e n u s Nameni

2) die Philoropbumena des Pfeudo* OrigeneSi

3) Hermi as Irrilio Philoropliorum gen* tiliCim,

nach einem mSglichft kritifch berichtigten Texte, mit Einieitung, Ueberfetzung und Erllluterangen enthalten.

Fur die zioeyte Abtheilung find die Frag' mente der alten Plnlorophen und zwar allein die profaifchen beftimmt. Sie wird betfacht'^ llcjie Stiicke von Anaxagaras, Hera* clitus uud andern, (doch ohne die unUcbten Briefe) entbalten. Auch hier

fol-

Digilized by Googie

167

foHen die n5thigen Erliuterungen nicht fehlen.

Die dritte Ahtheilung liefert dann zweck- marsige Auszuge aus den Schnften des Orige- nes, Clemens von Alexandrien, Eufebius, Tatianus und andern^ fo viel nemlich fiir die Gefchichte der Fhilofophie wichtig ift, nach beltimmten Rubriken.

Jede Abtheilrng foll fiir fich ein Gan- zes ausmacben, die erfte unter deni be- fondern Titel: Scriptores Graeci mino-

res hiftoriae phllofopliicae , die zweyte: Fragmenta Philoropliorum gt aecorum pro- faica, und die dritte: Excerpta ex Patri-

bus Eccl. ad hiftoriam pliilofopbiac grae- cae. u. f. w.

Findet diefes Unternehmen Beyfall : fo

fcann ich viellcicht auch hoHcn, dafs mlr ei-

nige

Digitized by Googie

i68

nige Gelehrtei welche fich mit dlefen Ge- genftanden befcliirtigen « ibre Bemerkungen mittbeilen. Darum zu bitten, war eine der vornebmrten Abfichten, warpin ich diefes Vorhaben hier im Voraus ankun- digte.

F.

Digitized by Google

CoiTi g enda.

P. 17. lin. 11. pro: iviytltucra Jege:

P. 29. 18. pro: riiei lege:

P. 38. 1. pro: AUifztvcc lege: AlSi/unoc.

•“ 2. pro : ifi(poTffvitv lege :

not. 7, pertinet ad vers. 10.

P. 5o. lin. y. pro: Not. g. lege: Nor. c.

P. 56. lin. i5. dele: t. 40«

P. 68. lin. 2. pru: iJ» lege: ijir.

*lin. 21. pro: /dentiam lege: Jicntiam.

P. 70. Not. 82. pertinet ad vers. 8>.

P. 99. Not. 3. lin. 3. pro : Aftronomicae lege :

Aftronomiae.

Fflr andre Druckfeliler, die den Sinn niclit ftOlircn, und filr Verrehen in den Accenten, die beyder kleinen Forni der Lettern fchwerer zu yermei. den uiid zu linden waien , boft der yerfalTer VerxeLhung,

Digitized by Googie

BEYTRAGE

Z V R

GESCHICHTE

DER PHILOSOPHIE.

JIXIVAV*0£OSBXlf

▼OH

GEORG GUSTAV FULLEBORN.

rnOVBtSQR AM BI.lt ABBTH AH OX IH BHBtXJkV.

tlKXBHTEt tTUCK.

ZULLICHAU UND FRETfSTADT,

BBl TRIBDAICX YAOMXAHH.

\ t 9 6.

Digilized by Google

I n h a 1 t*

>. Philorophitche Fragmenta det Xcnopha»

net. Yom Ileraatgebet. Selte i

i. Einlge Anraeikiingen zn den Fragmentea

dea Paimenidet. Von Ebend. . x6

5. Zur Gefcbichte det Teleologie. Von

Ebend. » a

^ Ueber einige feltne Schxifteb dee Jordano

Bruno. Von Ebend. . * 37

5, Uebet

Digitized by Google

I n h a 1 t.

6 Ueber <He Pbilofopliie Fri«driclu de«

Zweyten. Von Ebend. Seiu 104

6. Ueber Elemenluphilorophie iind Scepti- cismii». Von Hrn. Lotbeilen, Lebrer am Gyiiin. in firieg. - - i3S

•7. Benierkiingen uber die neiieften Bemfl. bungen fiir critifebe Pbilofopbie. Vom Herausgeber. - - x5t

8. Verinirchte Bemerkungen zur Gefcbichta

der Pliiloropbie. i’j3

PHILO-

Digitized by Googie

PHILOSOPHISCHE

FRAGMENTE DES XENOPHANES.

^^eber das Zeitalter und die LebensuDiTtande des Xenophanes iinden Tich bey Brucker und Fabricius (Ausg. von H a r 1 es^ gelehrte und uinTtandlicbe Unterfucbungen. In dem letz* tern Werke ift zugleicb ein genaues Ver- zeichniCs der Gedicbte geliefert, welcbe die- fem Pbilofopben beygelegt worden bnd.

Von diefen allen habe ich es gegenwlr* tig rnit dem Gedicbte Ueber die N.itur (a»f> 4>veiai() zu thitn, we!ches die metaphyfifchen Ideeii des Eleaten eiitbielt.

7. Stuck, A

Digitized by Google

Ausdrucklicbe Zeugniffe der Alten *) und die Analogie felbft burgen dafur. dafs Xeno- phanes feine Lebren in Gel^ngei» vortrug ( •• TomitaT$iv ^lAcce^f'.) Das fiedicht, Ton wel* cbem bier die Hede ift, war, fein^i- Form nacb, eplfcb. **)

Znr Bekannimachung und Verbreilung fei- ner GeOlnge bediente er Rch eines Mittels, worDber mnn bcy den Homerifcben Literato* ren genaucre Auskonft fuchen rr fnutr

fie aby r«E_ raursC- ***^ Es fcbeint aus

diefer Nollz zu folgen, dafs er felbCt iie nie aiifgcrchrieben habe: und diefe Vermuthung

lieffe iich aus denen Schi ifirtellern noch gc- wifTer machen, weJcbe dcn Anavcagoras znm erften philofupbifcben Schri/tfteller macben,

wenn

•) S. D!og. La7rt. IX. 3. 5. Flut, de Pyih. orae,

**) Poli. Onotn. VI. p. Euji. ad II. >. p. 759.

(iv ittvt.) Henuijjput beym DIog, Vllf.

A. S. fagie, Empedoclea Stvo*i)iveuf yiye^tvat

Ttfv’ iC Ko/ Koi /xt/AiioaeSai ixo-

«oiiov. iiiog. IX. 2. 3. »i' is xal t> s~iei.

**) S. Diog. IX. 2. 3. VeigU PVolff, Prolegg. ad

Ilonier. pag. XCVIII. fq.

Digilized by Googlc

3

wenn diefc Nachricht felhft nur etwas be- ftimmter und ficbrer ware. *) Dafs die Au« toren, welche Fiagmente aiis Xenophanes anfiihren, den Aiisdruck: fo fchrriht ('>•<>«4,,-,) Xenophanes, braucben* ift fiir diefen Punct obne Bedeutung.

WahrCcheinllch hat man jfdocb hey den Alton eine Sainmlung von diefen und andern Gedichten des Eleaten gehnbt, fie ma(> von ihm felbft oder von einem feiner nacliherigen Freunde veranftaltet worden feyn, da alie die ziemlich fpiiten Autoren, welche Drochftil* cke da von arifiibren, fich fo aiisd iicken, dafs fie ein niedergefchriebencs Work unter Xeilopbanes Namen vor fich gehabt hahen

A 2 miif*

•) Dlof'. ir. 3. 8* TTfwrof Ss 'Avojiiycpaj nat

nnd Cient. Slrom. I. p. SoU. Oi ’Avtt;n7:pa> *llYi)3’i3eLXeK , KXo^iusvisv , lia yfa(^>fi {ciyy^a(^>j( emendiri MctugiusjsMJsy^aj fhfikiov lero^oCaiv. Ihemiftius in der XX. Orat, neuni den Anaximander, und aierkt an, ea fey vorfter ungewoLnlich und Togar Schande gesvefeii, etwu (in diefer Galtung?) zu Idireibcn. Icb ge- Aehe, daft inir alie diefe Schriftricllrr zu neu, und dia NacliiiLliien fetbli zu unbrliuunit £iid, um daxauf mit Sicheilieit fortzubaiicu.

Digilized by Googie

4

muffen. Icb vermulhe Togar, dafs es ver* fcbiedne Sammlungeii oder RecenRonen davon gegeben bat.

Unlerdenen fcheint es, ais fey das 6e- dicbt Ueber die Natur weder fo alJgemein ge* lePen, noch fo Jangc ethaltcn wordcn, ais die ilhnlicbcn Gedichte ariderer Pliilofoplien nach Xenophanes. Viellelcht trug die Hirie und Unverftandliclikelt des Gedichtes felliTt zu diefer Geringfchalziing bey *) : viellercht ver-

dringie die Aufmerkfamkcit und Achtung, welche die nachfolgenden Pbilofophen Janden, das Andenken an jenen robej n Verfuch : viellelcht haben es aucli die' vielen Auszuge und profaifchen Darflellungen in Vergeffen* heit gebracht, welche in fpatern Zeiten von den Pbilofophen und Literaturen, z. B. einern Ariftoieles, Theophraft u; a. daraus gegeben wurdcn. Der Fragmenlc, die wir haben, find febr wenlge, und bey den Meifien kommt es mir vor, ais hatle fie ein Autor dem an- dern nachcitirt.

Es

*) Cic. Acad. Qa. ly, 23. Xetiophanem minui bonii veiTibiii etc.

Digitized by Google

5

Es ifc freilicfa noch die Frage: ob auch ali» diefe Fraginente aus dem Gedichte des Eleaten wi(\ find. Von einigen lagen es

die anfiihrenden Scbriftrteller aus^rucklicb. Von den Qbrigen ift es hdcbft wafarrcbeinlicb, da die iibrigen Gedichte des Xenophanes ent* weder in andern VersmaaCTen gearbeitet wa* ren, oder von Gegenftanden bandelten, wo* zt) diefe Stellen nicht paffen : da endlich auch der Inhalt derfelben fiir diefe Vermukhung fpricbt.

Uebrigens gilt auch von diefera Verfuche diefelbe Captatio benevolentiae , womit ich die Sammlung der Paruienideifchen Fragmente iibergeben habe.

F.

Ai 1.

Digitized by Googie

I.

Km) to ni» evv rat^ie eSric *»nV tt*» t avii r/c ifrai Uiiif, an^i 0nSy Ti ua) aata X(ym rif) T«»r«v.

V yaf aa) rei n^Xtara rvxot rtrtXttnhe»

Avraf cn»>f 9V» aiit- ieuoQ i'hr) araai riraarat»

Das weifs kein Sterblicher geioi/s^ und keiner Wirds jc ergrunden^ was ich von den Gottern Und von aem Ganzen fage. Wer das Richtigfte DarUber trdj^e , hiitte doch fUr Jich Noeh immer nicht Geuijsheit. Veberall Herrfcht nicht s^ als Meynung,

Diefe Verfe fiihrt Sextus an Adv. Math. VII ijg nnd iio. VIII. 826. Den erften Vers hahen auch (init der Variante yhtr fiir ‘3iy) Plutarch de and. poct. und Diog. Laert, IX. 11. 8. Die letzte HilAe des vierten kommt haiifig vor, beym Sextus Pyi rh. II. 18. Ori. gen. Philos 14. fwo ftatt irp dritlen Vers T^ajii ftebt) und Epiphanias Eiepos. Fid. I. p. 1087. Sextus adv. Math. VII. 1 i*o commentirt daruher folgendermaafreq : Ei»c4itnfC

PH wita» aarcAif^fiv k.ai{u»' ecXXit t>»» iwitTstpammi»

Digitized by Google

Tf nal Icii^xfMTev t axilthritv ii r»fv it^atrifr/. T»Sr$ ylcf ifi^ahti To‘ ienc( i’ I») vati rirutrai, iltri Kfr riffio* yhit^ai Kairk vevtcv , ri ie^ttrtf Xoyt»} ravr itrif ra'* raS ainorec, iAAi $u) r«V r«J a-cy/av ix«' Itner. Hierhcr gehSrt auch ebendeffelben Er- I&uterung aus VII. 49* ^ valrma y}ti ra^ie

fii¥ iaiMt Jjyan riXtiSit nati ra yvitfiitaa « y J f « 21 Toy i*$ft#ir«y «V4> Otiv ii uwaiaiYHmrinMt vtfl Tivac ria ttinAtia' ianav Urna iontitia k«) rna 2/f«** £tra raiavraa a7ami nara i^dx^airia ra av' aCrav Kaye- ^(voy* Tc fiia ala iAiiSit nati yaalfittaa aviaU iaStaixat a7ta, ra ya ia raic etinAaif vfatyitxtt. Kna yitf ** xvxn( ixifidxAf rair» , ayuat *v« «72«y, ori ixipipAnnaa atvrm , ixx' alirmi Mi ianai U.C.W. Sextus, oder diejcnigen Commentatnren, aaf die er fich beruft, haben , dunkt micb, den Sinn diefer Stelle ricbtig gefafst. Xenophanes behauptet nehmlich. dafs dem Menrchcn Ton Merjinrf lichen Gegenftanden (kinAua) kein mj^en verlie- hen fey. Es kSnne feyn, lagt er, dafs ir- gend ein Denker ziifilligerweire die Wahr- heit gefunden habe, aber woher konne er das wi.Ten? woran die Wahrheit feiner Idee erkennen und prufen? Vor menfchlichen Augen bleibt mithin alles, was Menfchen Qber die Probleme yon Gott und der Welt lehren,

A 4 i™*

Digilized by GoogI

immer nur Meynuog und Vermutbung. Wie viel batten wir an der Fortletzuiig die* fer Steile reilohren, wenn der VerfalTer diefe Behauptung mit Griinden aus der Nator des meiirchlicben ErkenntnifsvermdgeDS un* terftutzt bat! Aber es fcbeint nicht, dafs er diefes gethan bat: es ift vieJmebr wabrfcbein* licb, dafs fein Scepticismus auf den ganz allgemeinen und einiacben Bemerkungen iiber die Ungewifsbeit der menfcblicben Erkennt* niTs berubte, wie iie die Anfilnger im philo* lopbircben Denken taglich macfaen muTten. Xenophanes vermirste alfo, wie Sextus (VII. 52.) fehr richtig bemerkt» eiii Kriteriuio der metaphySfcben Wabrbeit.

II.

Tmrm ftjv iomara roTc irufititt-

Diffs gilt nur ait Vermuthun^ und fVakrfckein-

lic/ikeit.

Plufarchy der diefen Vers anfiihrt Amator. p. 74b. B., bemerkt zugleicb, AibnK>niuSt eine Perfon des Dialogs, babe ibn fpricb*

wort-

Digitized by Google

9

wdrtlich im Munde gefiihrt: T«Jr»c

va>rec ftv Aft/unUv ric tou Zrto$«vat>$, timiiu

Vielleicht macbte fie den Anfang, vielleicht den Schlufs der Abtheilung, in der Xeno- phanes feine metapbyfifcben Ideen vortrug : wenigftens widerfpricht fie der vorigen Stelle nichu

IIL

Eif @to( l'y BitTgi xa\ inSfuirairt ftiyi9T»i, oir$ Itfimt SvttTOdfi» oftoiicc > tCi) yoHfui.

Es ift Eia Gott, der grofte aller Gotter und Menfchen : uhnlich tueder an Geftalt

noch an Verftand den Sterblichen.

Clemens Strom. V. p. 6o». und Eufeb. PraC' par. XIII. x3. p. 678.

IV.

Ot/A«c (yiltf) ifiy cvAo; Si vtiT, cvAoc Si r' iHeitt- Er fieht und denkt und haret Uieralt.

Dafs diefer Vers, den Sextus adtr. Math. IX. 144« obne Namen anriibrt, dem Xeno-

A 5 pbanes

Digitized by Googie

IO

phanes zugebdre, iiat Fabricius ang. O, aus Diog. Laert. IX. 2. 3. fehr watjrlcbeiDlicb gemacbt.

V.

'AAa’ iwaytv^i 90*010 oieu ^f(v) 9x*rm ugmimloitt Durch Wcisheit lenkt er Alles^ ohne Multe.

Simplicius hat diefe Zclle aulbehaken Coni' ment. in Phys. Arifiot. f. 6.

Ob alie diefe treOiuhe Aeuferungen Qber das hiicbfte Wefen mlt dem Pantbeisnius des Xenophanes bcb vereinigen larCen, durfte wobl kaum die Frage fcyii. Das Eins und Alles des Xenophanes ift der InbcgrifT ailer Vollkommcpbeit : reinfte, hbclifie Bewegnng

and Denkkraft, erhaben uber Alles, was fterblich und unvollkommen hcifst. Es hat niebt menfcblicbe Geftalt, es ift nicht blofs Theilweife mit Geficht, Gehfir und Denk« kraft verfehen, es ift, was es ift, ganz und uberall. In dicler Ruckficht nahm der Eleate, wie wir aus andern Nachrichten wiffen, eben fo, wie fein Nacfafolger Parmenides, das

finn-

Digitized by Googie

11

fianliche Bild einer runden Kngel zn Hulfe, um die Allbeil und Volleadung des Unlver- fums 211 bezeicbneii. Und welche Idee kann rciner und eibabner feyn, ais diC) dafs das All oder die Gottheit durch ihre einwobnen» de Deiikkraft ohoe alie MQhe und AnTtren* gung Alles regiert und erb&lt, alfo allgenug' fam und feelig ift;

VI.

&AAii P(0T») ioKiavrt f»«vc ymStBm

Ti(* i' itSiiT* /xin» Ti UfUit ti.

Die Menfchen wahnen^ dafs die Cotter^ fo loie/ie, gebohren werden, und^ wie fie^ Ceuiand und Farm und Stimmen haben.

Erbalten beym Clemens Strom. ’V. p. 601. und Eftseb. Praepar. XIII. i3. p. 678. Noch gehbrt hierber folgende Stelle aus Ariftot. Rbet. II. z3. Aiyiv, «n eiulm( bei-

ptvriv el y$»te3mi ^Aennnt r«dc Biadt reT( bxaSa-

vfTv Afytuen in^erfftic ydg euftfiahut /ii) t7val

KtTi rtO( Bscdt U. £

VII.

Digitized by Googie

12

vu.

’AAa’ #7t*i y’ *‘XOy fisiC *.ioyrtc,

*H Xf/ffffff» *«) ffya TfAiry , «T»f ay}f(C|

'Ittoi ith 5‘ 'ifKtitix Pott ii Ti IStvtlv onoiei,

K«< K* e:wv ewn»T ixotou»

Toimvi' •~i»y TCp etiroi ifft»Q it'xov otutay- Ja uiaren Uiui und Sticr init Hiinden nur verfeheiix mahlen und zti thun.

Vias Menfihcn konncn: ficher viirden fie die Gotter mahlen , wie fie felber find, und ihnen Korper g^6e«» die den ihren vallkommen glichcn.

Erhalten ebend. bey Clem. und Euseb. So wie die vorigen Fragmente III V. reine wiirdige Vorftellungen von der inctapbyfi- fchen Gottlieit enthalten: f.» wideriegt Xeno-

phanes in diefen beyden den groheii Atubro- pomorphismus, unter welchem die Menfohen ficb ihre Gotter denken. *) Sind diefe Stel-

len

•) Xenophanes hatte in bcfondern Gcdichten die iin- ■wiirdigeii Vorftellungen von den Goilein beym Ilomei und Hefiod duicbgenominen. Bmchfuicko davon hat Strxtus, einet adv. Math. IX. ig3. riavra OioT; «v«i>>)Kov ‘0,u>)p6? IWicii; rf,

"Oeea xttj’ ttvi-jiwTSiffiv cvnOta K«1 \iyzi Im, KAeirrtiv, /uoix*utr> rs h«i «XA^Xot; araTtvtJV.

Daa

Digitized by Google

]eq ^cbt: fo darf man ficb niir in jene Klnd* heit der Vernunft zuriickTcrfetzen , um die Kubnheit und Vernunftigkelt dlefer Aeufe- rungeu nacli Gebuhr zu bcwundern.

VllI.

'e* ys/ifc yiif u») elc v?v T«»r« TtXivTf.

Aus Erd' ift Alles: Alles mird zu Erde.

Beym Srxtus ady. Matb. X. 3i3. Stobaeut I. p. 294« cd. Heeren. £iv«(^avif; fftrrm»

fivai Ttiv 7?y* Tgi^ti y&f iv xi(i S. dio

gelebrte Note des Herausg. Vergi. ScboL Min. ad Hoiii. II. H. 99. und Plutarcfu de Homero, (med.)

IX.

nivTii yicf yatr.i na) uSaret iy.y:'.3urt5ei‘

Wir alie fmd aus H'aJJcr und aus Erde.

Beym

Das andre adv. Gramm. 289- S. alie Werke, worinn Ton <lcn Sillcn der Gricchen gelisfidrlt wird.

Ziir F.rlauterung dient iincli dic^ti-llc beym Cicero de Nat. Deor. I. 27. bcfiinders dir \^^>Ilo: Quid Cenaea t fixatio elFei iii bcliiia? iion (iio quasque generi plurimum iribiiturai ruillc ?

Digitized by Googie

»4

Beym Sextus adv. Math. IX. 36 1. X. 3i5. Beyde Verfe bilt Meiners fiir unScht, (Hiftor. doctr. de vero Deo p. 827 j weil fie mit dem Syfteme des Eleaten iiiclit ftimmen, und weil keiner der ilterten Philoruphen die Erde ais Princip angenonunen habe. Das Erftre karm indelTen wohl fcbon darum nicht entrchciden, weil dic Zeilcn aufer allem Zufammenhage da fteben und wenn gleich Xenophanes das Ally ais Noumcnon^ fiir unverg&nglich bielt, fo konnte er doch das Vergeben in der Er- fcheinungy die Vorwcfung und Aufl6fung der Kdrper, nicht leugnen. Die zweyie Ein- wendungt welche Ach auf eine Stelle in Ari- ftQteles Metapb. I. 7. griindet, ift nicht ganz richtig. Sprach doch felbft Parmenides von zwey einander entgegengefetzten Annlicbcn Principien , dem Feuer und der Erde, (Simpl. in Pbys. f. 60 b.) aber freylich in einem an* dern Sinne, ais dort Arifioteles. Es ift, diinkt micb, ein Unterfebied zu machen zwi* fchen den Beftandtheilen der Kdrper, ais Er* fcheinungen, (und davon fcheint Xenophanes an diefer Stelle zu fprechen) nnd zwifcben dem UrAode und Princip des Unirerfums.

X.

Digitized by Google

i5

X.

oSrtt Lr' ifx^t wi*T« ©»•) %t;ToT(

'AAAi XC^VM ^VTOVVTtC iftVflCMCUCi» U/Ut¥$V»

Die Gotter habfin nic/it von Anfang Alles dem Sterblichen verliehn: allmuhlig findet er durch langes Forfchen erft das Befferc.

Beym Stohaeus I. p. 224 Heeren. Der gelebrte Herausgeher vermuiheti dafs diefe Zeilen aus Xenophanes Gedichtcn ^Ceute genoinmen feyn. Der Eleate ftreitet gegen die gemeine Lehre, dafs alie KiinTte und Et' findungen nrfprunglich von den Gottern rclbft dem inenfchlichen Gefchleclite mitgetheilt tvi- ren. Nach feincr Meynung find alie diefe Eriiodungen Prudncte der Mcnfchcn felblc, je nachdem fie zu immer giSfsrcr Kultur fortfchritten. Eben diefen Gegen ftand bcban- deln Plato de Legg. III. Arfchyl. in Prometb. vincto , Mofchion apud Stob. I, p. 240. Diod. Sic. I. virgil. Georg. I. 122 fj.

I-INI-

Digilized by Google

EIMGE ANMERIvUNGEN

ZV DER.

SAMMLUNG DEU PARMENIDEISCHEN FRAGMENTE IM VI. STUCKE DER BEYTR *)

Zu S. 21.

Ich rerfuche dort wahrfcheinlich zu machen, dafs Parmenides nur Ein Gedicbt, metapbyR* fchen Inbalts, verfertigt habe. DIefe Wahr- fcheinlicbkeit wird zur Gewiisbeit, wenn wir dem Diogenes Laert. glauben, der in einer, damabls von mir iiberfebenen, Stelle Prooem. XI. (ed. Longol.) den Parmenides ausdruck*

licb

*) Fflr die belehrenden Beartbeilniigen in der Got- ting. uiid /illgem. Liter, Zelt. bin ick ihren Ver. fafTeni ileii grolten TJank fcbuldig. Ich werde fie, wo es die Umftande fordern, gevrilTenhart bemitzen.

Digitized by Googie

17

lich unter denen anfiihrt, die nur Ein Werk TerfaCst haben : e/ ti Snk i’v fuyyt&immt > MI*

M*§S I nmtiutdnt » ’A»«|<ryflV*e»

Zu S, 29. die Note.

Dei* Irrthum, welchen der Achtungswer- the und humane Recenfent in der Gcitt. Zei- lung anmerkt, ift fchon damahls mit unter den Druckfehlern berichtigt. Es mufs ftatt wtf) beiFfen

Zu S. 90.

Den i3w Vcrs legt Antonia. Ti »1; f* XII. 3. dem Empedocles bey. Empedocles kann ihn vielleicht aus dem Parmenides entlebnt haben: oder Stobaeus hat nicht den rechten

Namen. Auch der gelehrte Herausgeber des Stobaeus hat die Stelle beym Antonin iiberfe- ben. Er lautet dalelblt:

KvicA*T»f^e yalmv.

Zu S. 92.

Die vier Verfe 142 ftehn auch

beym Ariftoteles. Meiaph. 3. 5. j wo ftatt »»Ai/TAiyKT«» im 142. gelefen wird stthvnkn-Tmv.

j.stock. n Die

DigitKed by Googie

D'e Slellc aus Simpl. Conam. in Anft. de Coelu, wciclic der gelehrte Recenfent in der AHr. Lit. Zeli, beybringt, fcheint mir die- felbe zu loyn, (fo viel ich ohne Zuziehung des gedaclitcii Uucbs urtheilen kann), welche ich in den Fragmeiitcu V, 92 f. aufgeoom- inen hal e.

ZUR

Digitized by Google

2UR

CESCHICHTE DER TELEOLOGIE.

Die Pbilorophle der Alten ift nicht ganz leer an Ideen zu ciner tcleologifchcn Waltbetrach» lung* Schon Socrates fand in der zweckmaf- ligen Einrichtung des menTchlichen KSrpers einen Beweifsgrund (ur das Dafeyn eines hocbften Wefeiis, und er wQrde gewifs diefe Idee weiter ausgefiihrt baben, wcnn da- mabls Naturgefcbicbte und Pbyllk das gewe- fen wiren, was fie beute ftnd. (Xenopb.

Mem. I. 4*

Arijtoteles gieng um vieles bertimmter und fichrer zu Werke. Er fand auf dem Wege feiner Naturbctracbtung dcn Grundfalz: dafs

B 2 die

•) Ueber dcn noch frubern Anaxagorat f. Plato Pbaed. p. 223.

Digilized by Googie

die Natur nichts Tergeberis, d. h, ohne Zweck, thue, *) und erhob alf<> die Idee des Zwecks (ri eJ ev«a) zur vierten KlalTe der Principien **), Alles was in der

Natur gefcliieht, geht entweder "ramer oder meirtentlieils auf diefe Weife vor lich: wel-

ches bey den Wiikungen des Zufalls und Ohngef&brs niclu ift. Alie Begebenheiten iii der Natur ftelien unter fich in genauer Ver* blndung, das Gegenwurtige hingt mit dem Vorigen und Nachrolgetideii genau zufammen. Hierzu kommt noch die grofTe Analogie zwifcben Natur und Kunft. Die Kunft mag entweder etwas hervorbringcn, was die Natur nicht verinag, oder fie mag die Natur bJofs iiachahmen: iminer arbeiiet fie nach Zwecken. Hleraus fulgt, dals bey der Natur diefelbe Verfahrungsart Statt finde. Endiich zeigt felbft die Beobacbtung der Thier- und Pflan> zenweit ulierall Zweck mMrfigkeit. Die Schwalbe baut ein Neft, die Spinne ein Ge- webe um eines Zwecks willen, gleichriel, ob

Re

•) De anima 3. 9. De rep. 1. 2. De coelo 1. 4. extr.

De Part. Animal. 1. 1, med.

*•) Pbya. II. 2 und foJg. Kapp.

Digilized by GoogI

21

Ile fich defTen bewufst ift, oder niclu: die Bliittei' wachfpn, um die Fruchte zu bede- ckent die Wurzeln gehn niclit aufwiris, fondern abwSrts, nm Nabrung einzufaugen. Aber fo wie auch in Werken der Kunft bis- w«rilen die Abficbt yerfeblt wird : fo ift es

ebenfalls bey Werken der Natur. *)

Wenn nun gleich Ariftoteles bey diefer Darftellung manche Frage unbeaniwortet Jafst, und befonders darum fehr undeullich wird, weil er ausdriicklicb bcbauptet, raan diirfe deswegen, weil die Natur nach Zweckeo ▼erfiihrt, nicbt eben Nacbdenkcn voiausfe* tzen : fo hat er doch die I.ehre Ton Zweck

und Zufall yorzuglich in Anregnng gebracht und zuerft mit befondrer Genauigkeit unter* fucht. **) Was fein Nacbfolger Theophraft in einem feiner Fragmeiite uber die Zwecklolig- keit mancher Naturerfcheinungen erinnert,

B 3 find

*) weitliuftigen , aber *tim Theil auch

etwas leeten Commentar dea Simplicius in Pbyi. b3. b. f.

•*) Ueber Plato't und der Stoiker Tdeen vorwcife ich auf Tiedemanns Geift der fp. Ph. a B. Von den leur^n S. 546 £.

Digitized by Google

22

Jind Bedenken , dii» er vielleiclit in der Fort- fetzung dc« Werks felbft gehoben bat. (Siehe Aninerk. A.)

*) Aber wir wollen einen Schritt weiter gehen. Was haben die alten Philorophen aber den Endzweck des Gan/.en gedacht?

Plato bctrachtet das Ganze aus dem erha- benAen GeRchtspuncte, ais Selbftzweck. Die Gottboit, fagt er, bat immer das Ganze und deiTen Vollkommenheit zum Augenmerk. Wir Einzeine lind um des Ganzen willen, das Ganze ift nicht um unfertwillen, Frejr-

lich ift bey diefem AiisTpruche das Hchtbare Ganze von dem moralifchen , oder beffer von dem Ganzen uberhanpt, nicht befonders un- teifcbieden, und der Ausdriick: Wir Ein*

zelne^

Die Teleologie ift von jehet zu zweyerloy Ab- licbteii gnbrducht wordea , entweder zum BeweU fo des Dafcjns Gottet, wio beym Xenophon 1. c., beym Cicero do liat. D. II. vergi. Sextus adv, Pbys. I. 9 , oder ztir ErkUrung der Urfacben des Uebels. Man Rudet daher bey den fpatem Pbilo* fopben , z. B Plotinus , welcbe den letztern Piincc ffiit bcfonderm FleiOe iinterfucbien . febc viele tieEicbe Ideen uber die Zvrecke der Diogtu

••J De Legg. X. p. yy.

Digitized by Googlc

33 --

zeine, mulk nicbt nothwendig das ganze Menfchengefchlecht nmfafren. UnterdelTen lilHit lich ans dem Gelfte der gcfamintcn Platonircben Pbilofopbie fo viel init einiger Gewifsbeit abJeiten, dafs Plato fich elnen be* fondern Zweck des Ganzen nicbt gcdacbt habe. Da wo er z. B. von den Ablicluen redet , *) welche die Gottbeit bey Hervor- bringung des Univerfums gehabt habcn niiifTr, fpricht er ganz benimuit, von der V’ol!kom- menbeit des lidcbfien Wefens, und tlcm zu diefem Begrifle gehurcnden Strcbcii , aufer fich zu wirkcn, imd Alles zur Achniichkeit mit fich felbft zu erbebeti: ganz dem gcmel*

nen Volksglaubcn cntgcgcn, welchcr ficli die Gottbeit ais neidtfch und auf ibre Vorzuge eirerfiicluig dachtc. Man niufte alfn niit Plato den Endzweck der Welt in der DarftcDung der Gottbeit aufer fich fueben, ciue idee, die mit Plato’s Moral vortreflich zufdiunien- ftimmt.

Im Ariftotelcs findet ficb, fo ^vlel icb ibn durcligegangen biu, ilber diefen Gegeiiftand keine beftimmte Erkiiirung. Wir bedienen

R 4 uns

*) Tina. 14. p. s3rf. ed. Fabr.

Digitized by Googie

24

uns, fagt er an einer Stelle, *) aJles delTen, was ift, fo, aJs wSre es fur uns: denn auch wir find in gewifler Ruckficht End* zweck. Was er aber in mehrern Stellen uber die hacfarte VoJIkonjmenheit Gottes, ais Zweck aJIer Dinge, Aufert, wage ich fo wenig hierher zu ziehen, ais ich die Stejle: ‘h hri r<A.f to' iVi««, **) deul-

lich zu erkJiren weifs.

Weii beftimmter fmd die Lelirfitze der Stoiker.***) Alles, fagen fie, ift um der 66t- ter und Menfchen willen vorhanden: denn die Welt ift gleichfam eine gemeinfchaftliche Behaufung fur die Gotter und Menfchen. Die Epikur^er haben fie wegen diefer Behauptung hart angegrifTen: aber mehrere Kirchenvater ftimmen ihnen mit voUem Munde bey. f) Es giebt fogar elnige, die den Begriflf Men-

fchen

) oi( ^/^wv tvixa iravTuiv VTaf^ivruiV

ifffxiv ykq TW{ TtXoj. Phj-i. II. a. 2^,

**) Ebend, am Schlufi.

S. dia Stellen , welcha TieAemtmn Geill d. fp. Ph. S 55a. und Upjxus Manud. in Phyiiol. Stoio. II. c. 8. anfabren.

t) Z. B. Lmctant, da Ira Dei. i3w

Digitized by Googie

25

fchen nocH enger elnfchrknken» und bloC» die Glaubigeii, ais den letzten Endzweck der Welt, anfehen.

Die Epihurifche Philofopbie findet den Men- fchen bey weltem nicht fo bcgiinfiigt, dafs Jie inil der Stoa einfiimmen konnte: und fle

giebt daher alie Verfuche, ficli einen End- zweck des Ganzen zu hiiden, v6llig auf. Der Zufall, der im AU berrfcht, erlaubt keincn Zweck. **}

A.

Theophraft in der Metaphyjick S. 260 Sylb. Die Stelle lautet fo : Die Unterfucbiing;

ob alles einen Endzweck habe und nicbts Tergeblich fey, ift nicht Icicht. Denn wo foll man ausgehen, worauf zuriick kommen? Auch giebt es der Dinge mehrere, bey dc- nen fich kein Endzweck zeigt, fondem Zu« falligkeit oder Notbwendigkeit. Welchen Zweck bat z. B. Ebbe und Flutb des Meeres?

B 5 wel*

*) Htrmat, jiufftftin. Auch Matehrench» ftimmt

dem bey.

“) Lukrtu Vergi. Plinius N. O. VIF Prooem.

Dagegea Stntca de bencf. Jl. 89. Siebe Anm. B.

DigitKed by Googie

26

Welchen die AuStretung, die Vcrtrocicnnng, mit Einem Worie, alie Verwandiiing, Ver- ftnderung, Entftebung? Auch an den Thieren findet /Ich MancheSf was zweckloTs ausRelit, z. B. die BrOfte der minnlichen, der Aus* flurs der weiblichen die B^rte bey einlgeni die Haare an verfchiedenen Stellen, die Gr^fTe der Hdrner, wie bey dcn Hirfchen. Einige find durch die Beweglicbkeit, die Niederfen- kung, die vordre Siellung der Aiigen ge* ffthrdet. u. f. w. Am aufTallendrten zeigt fich dieCs bey der Erzcugung and Nahrung der Tliiere: hier ift nirgends Zweckf fondern

iiberall Zufall oder Nothwendigkeit. Ware ein Zweck rorhanden, fo miine alles zu jeder Zeit auf difcfclhe Wcife vor fich geben. Eben das ift der Fall bey den Pflanzen and leblofen Dingent die alie eine notbwcndig be- rdoioite Natur baben, an Figar, aufera Verbaltarifen and Vernndgen. a. fi w.

Das ganze Stuck, welches nnter dem Namen der Metaphyfick des Theopltrajis be- fcannt ift, liat, fo viei ich weifs, nocli keine kritifcbe Hand erfahren. Man findet es in mehrern Aasgaben des Ariftoteles, z- B< der

VOD

Digitized by Googie

27

von Sylhurg. Frank/. i585> 4* 252 f. Sylburg faat dazu einige Varlanten gefaminelti neu« Abtheilungen gctnacbt, und den Inhalt diefer Kapitel nach dcn Anmerkungen angeb&ngt. Ein altes Scbolion fagt folgendes : „Diefes Buch ,,kennen Andronibus (Rhodius) iind Hermippus „(wahrfcheinlich in feinem Werke «-ff) eta* nicbt: und baben delTen in ihren

„Auf?ahlungen der Werke des Theophraft „keine Erwabnung geiban. Alter Nikolaus „(Damaft:enus S. Alhen. IV. 14. VI. 12. Plut, „Symp. VIII. 4’ Snidas u. c.) erwShnt es in .^feiner Unterfiichung iiber dic Metaphylick „des Ariftoteles, und fcbreibt cs dem Tbeo« ,,phrart zu. Das Buch felbft entbalt einige ffVorlitufige Probleme Ti?c Smk

„wfmyitaTilu( )“ *)

Es ift fchwer, die Autoritaten eines Aif drottikuSy Hermippus und FItkolaus gegen ein* ander abzuwagen, wenn man ihrc Scbriften nicbt felbft tergleicben kann. Auch weifs ich nicbt, ob das Anfeben der Erftern durch das Stillfchweigcn des Diogenes Laertius, welcber

diefe

*) S. Ober Haadfchriften iio4 Auifaben diefes Frag» nentt Fabricius Or. fiibl. oacb Harlei Ausg.

Digitized by Googlc

28

diefe Fragmcnte ebcnfaJls nicht anfiihrt, und diirchaus kcines TheophrartiTchen Bucbs unier dem Titel einer Metapbyfick gedenkt, einen groffen Ausfclilag bekommen wurde. Aus dein Styl lifst bch eben fo n^enig etwas mit Sicberbeit rcbliefren, da das Ganze meirt aus kurzeu S<Uzen bpfteht, und wir zu wenig diefer Art von Tbeophraft iibrig haben. Man mufte die Arirtotelifcben Commentatoren durchrucben, die Fragmpnte aufs rorgfaltigrte mit Arirtotelifcben Scbriften verg1eichen« um zu feben, ob die erftern Nacbricht davon ge> ben und Stellen daraus anfiibreni oder ob vielleicht das Ganze eine Sainmlung von An* meikungen zum Ariftoteles emh&lt, wie mir es manchmahl vorgekommen ift, wenn ich auf die vielen Ibo und Contra ftiefs. Schwer ift das Bucli in jcdem Betracht, wie man bch allenAills aus Ueffarions lateinifclier Ueber- fetzung belebien kann, die in den meiftea Stellen ganz und gar keinen Sinn giebt.

Dafs es indeden einer geiiaiiern krilifchen Bebandlung nicbt ganz unwertb feyn wiirde, kann folgende kurze Darftellung des Inbalts der erftern Kapitel zeigen. Man wird fo*

gleich

Digilized by Googie

29

gleich darino erkennen, dafs der Verfaner nicht aus Ireyer Hand philofdphirt, londern fich auf irgend ein vorgtingiges Syftem be- zieht: dafs ihm mehrere fehr wichtige Be-

denken aufftlefTen, an die Arifloieles nicht gedacht bat, und doch hilite denken follen, und dafs wir fehr viei verlohi en hatten, wenu Tbeopliraft mit feinem bekannten Scharffmn in einer Forlfet7ung diefes Fragments fich tie- fer in dic Umerfuchunq der hier aufgeworf- nen Probleme eingelaffen bat. Der Anfang des folgenden Auszugs ift wdrtliche Ueber- fetzung.

Was ift und worinn befteht die Philnfophif des Erften? Wenn die Phyfick, die es mit mannigfaiiigen Veranderungen zu tbun bat, Tielfeitig und, nach Einiger Meynung, un- beftimmt ift : fo ift dagegen die IViJfenfchaft

des Erften beftimmt, und auf einerley Gegeh- ftinde eingefchrinkt. Man erkiart fie daher ais Wiffcnfchaft des Nichfftnnlichen , des Intellec- tnellen , alfo des Unbcoeglicheit und \Jnveran~

der-

Digitized by Google

derltchem: ond balt lie im AJ]gemeinen f&r edler und TorzOglicher, ais die Pbjnk.

Wir frsgen ziivdrderft: giebt es einen Zu* faznmenbang zwifcfaen dem Ihiellectuelleii und Phybrchen? worinn befteht er? oder ift beydes getrennt? wirkt beydlcs, f&r fich, zum Ganzen rait? Vernunitgem&ner ift es« anzunebment dais zwifchen beyden eine Ver* bindung Statt finde, und das Ganze alfo nicfat aus fremdartigen Tbeilen beftehe: dais nait*

hin das Eine fr&ber, das Andre TpHter, das Eine Urfache, das Andre Wirkung in eben dem VerhaltnifTe fey, in welcbem das Ewi* ge zum Vergftnglichen ftefat.

Nebmen wir diefes an : was ift nun and

worinn befteht das Intellectuelle ? Ift es, wie Einige wollen, blofs im Gebiethe der Mathe* matick z.u fucben: fo fehe ich nicht, wie

inan einen Zufammenhang mit dem Sinnlichen herausbringen wiil, oder wie man Alles, z. B. die Mechanick, bier anpaffen wilK Die Mathematick liefert Figuren, Formen, Ver- hftltnide: aber alie diefe Dinge erhalten ibr

Wefen nicbt durcb das Intellectuelle. Und wenn diefs nicbt ift. fo fteht das Intellecta*

elle

Digitized by Googie

3i

e]Ie mit dem Fhyfirchen m keiiiem folchen Zufammenhanget dals es demijelben gleich* lam Leben und Beweguug mittheilen kOnnte. DarTelbe gllt von der Zab), welcbe von Ei- nigeti ais das Erfte und Voriiehmfte angenom* men wird.

Es giebt alfo ein andres Wefen, welches ais das Erfte und Defie anzufeben ift. Nur fragt es bcb : ob diefes der Zab) , der Art, oder der Gattung nach Eins ift? Icb finde es Vernunftgemaffer anzunehmen, dafs das* fenige, was ais Princip gedacht wird, in wenigen und vorzQglicben Dingen, alfo in den erften oder vielmehr im Allererften zu fuchen fey.

Vielleicht, flhrt der Verfaffer fort, maf fen wir uns diefes Wefen init einer aMes Uber- trefVenden Macbt, wic elne Gottheit, den- ken. Diefes gradebin anzunebmen, ift lelcht, aber es deutlicb und iiberzcugend zu erwei- fen, dUrfte fcliwerer feyn.

Soli das Princip mit den iinniiehen Dingen verwandt feyn; fo mu(s es Urfache der Bc* wegung feyn, da die Natur in Bewegung beftcbt. Da das Princip aber an fiub unbe*

weg-

Digitized by Google

3t

weglicfa ift: To kann es oflenbar nicht Ur<

ibche der Bewegang feyn, fondern diefs hieibt ehier grSfTern and frahem Kraft vor- behalten. Elne folche ift die Natur des Be* ftrebens, von welcher die Zirkeirbrmigr, continuirliche und dauernde Bewegang her* rtammt. Hiernach gi.be es denn alfo kein Princip der Bewegang, oder man mulste fa* gen, dafs das Bewegte bewege.

Nachdem der VerfalTer noch die Meynang derer ais die Ternunfiigrte gepriefen hat, wel* che Eln Princip des Ganzen annehmeo, ban> deh er von der Natur der Beftrebung, und der daraiis entfpringenden verfchiedneji Ue^ wegungen. Er wiilt allerley Zweifel auf, die gegen Ariftotelifche LehrDltze gerichtet 2u feyn fcheinen. Wenn die Zirkelformige Bewegang, fagt er, die vollkommenftc wire; fo iniifsten alie Dinge derfelben theilhaftig ge> worden feyn, Alles mvifste einerley Bewe- gung haben. Hierzu komnit noch, dafs jede Beftrebung Seele vorausfetzt, die Bewegung der Seele und namentlicb die des Gedankens dic vorziiglicliere ift, und folglich die Zir- kelfurmige nicht die vollkommenfte feyn kann.

Wcr

Digitized by Googie

33

Wer alfo behaupten wolltet das Primum be> ftehe in der Natur der Kreiisbewegung, der wiirde diefes Primum febr unvollkommen und ohnm^clitig machen. Eine andre Schtrie* rigkeit macbt die Bewegung der Himtxvelskdr» per: gehbrt fie zu dem Wefen derfelbcn?

wurden iie durch Aufhebung derfelben eben- falls vernicbtet? Der Verfafrer verweift dielia Fragen in eine andre Unterfuchung.

Jetzt erit tritt die Frage ein : ob bey

Principien ein Riickgang ins Unendiiche, oder ein Stillftand vorzuglicber und vernunftiger fey. Sie wird nur hirtorifcb beruhrt. Vom Euryrus bringt er eine bekannte Verfinnlicbung bey*), erwSbnt der PythagorSer, dc& SfjeuJippy Xenoci^ateSy Heftiuus , und Plato. **)

Sind

Eben du, wt» jiriftoteles Metapli. XIV. c.5. von dem Pytliagoriier Eurytus (S. von ilim Diog. Lacrt. III. n. 8. und Ofirer. Iambi. Vita Pyili, I, 25.) an- fdhrt , daft er nelimlicli die Zaiilen der Dingo mit «inselnen Recbnungisahlcn vergliclien , tuid mit» bin fur )euei Individuum eine ibm iibnbclie be» fondre ZahI angenommen Labe, fo dafe alfo die Principien der Dinge (die Zahlen) niclit ein filr allemabl beiiinmit und gleichlaiu gefcblofTen fcyen.

**) Von diefen Allen fagt er indelTen nicbts, wai nicbt Ichoa fonli bekannt witre. ^lau kann daher 7. Stikk» C auck

Digitized by Googie

- d4 -

Sind die Principien ungeformt zu denken (wie Feuer., Erde) oder fchon gefurmt und bertimmt? (wie Plato im Timfliis annimint.) Der VerfaiTer fcheint fQr das Letztre zu ftim* men, weil Ordnung und Befunaintbeit zur Vollkommenheit gehdren.

Ueber formelle und materielle Principien, and die verfcbiedenen Meynungen der Pbilo* fophen daruber.

Soli man die Rube unter die Principien nehmen? Wenn man darunter Trigbeit, Man* gei an Bewegung, verfteht: fo gebbrt he nicht dazu. Nur ais Wirkfamkeit betracbtet, darf Tie dazu gerecbnet werden.

Wie ift die Theilung der Dinge in Materie und Form denkbar? I(t das Eine Realitit, das Andre nicht?

Befteht das Wefen der Dinge in entgegen* gefetzten BefcbalTenheiten ? warum ift das Bofe dem Guten abnlicb, warum zablreicber, ais diefes ? u. B w.

Im

auch aut diefen Ciuten anf dai Alter dea VeirafTeTa keinen Scbluft machen. Ein anderet ware et, wenn er Notiseti beybrSchte, dia man nirgenda fonfHInde,

Digilized by Googie

35

Im Verfolg Tcrweilt er nocb bey den ver* fchiedenen Arten und Gegenftinden des Wif- fens , wendet diefs auf die Unterfucbung der Principien an, bleibt nocb eine Zeitlang bey den «vM und kAtm fteheny und fchlielst mit AuFz&blung der LebrOltze Alterer Philofopheii» doch fo. dals er ftch nocb Vieles zu fagen vorbebAit j kMit Hl rtirmit mifi ,

B.

Die Einwendung der EpikurAer und Aka* derniker gegen die Stoa widerlegt, diinkt mich, Lactantius (de Ira Dei. i3.) nicht iibel. Wenn man, fagt er, die Behauptung, alles fey utn des MenTchen willen gemacht, damit zu entkr&ften glaubt, dabi man fich auf das viele Ucbel in der Welt bcruft; fo irrt man fchr. Was die Stoiker darauf antworten, dafs es allerdings viele Dinge gAbe, deren Zweck und Nutzen nocb verhorgen fey, da(s man aber diefen vielleicbt kbnftig nocb entdecken werde, ift eben fo fchwankend ais in ficb widerfprechend. Man mufs fo antworten: Auch das Uebel, das Bdfe, das

VnnAtze bat feyn mblTen, wenn der Menfch

C 2 feine

Digitized by Googie

36

feine Befilmmung erreichen follte. Denn Golt gah ilim Welsheit, Weishcit aher wQrde Jich fo wenig iiulern k6nnen, ais Tiigend^ wenn alles gleich gut w&re, wenn es nicht Dlnge gabe, vor denen der Menfch fich hti« ten, zwifchen denen er wihleii miirste. Eben diefe Weisheit giebt unglelch gr6lTere rreu- den, ais die Leiden iind, welche das Uebel in der Welt bewirkt. Solite alfo der iMeofcb werden kunnen, wozu er bertimmt ift: fo

mufste nicht Alles gut und niltzlich feyn: das Gute ift Tiir feine Gluckfeeligkeit da, das Bdfc fi\r feine Weisheit.

So viel auch fchon iiber die Philofophia Patrum gefchrieben ift: fo w3re, diinkt

mich, ducb noch ein eignes Verdienft zu erwerben, wenn man die Schriften derfeh ben, nicht in Beziehung auf Platonismus und Religion, auch nicht zum Behufe von Flori> legiis und Senteuzenfanimlungen, fondern ganz eigentlich in Riicklicht auf pbilofupfai* fche Darftellung ausprefkte.

F.

UEBER

Digitized by Google

UBER

EINIGE SELTNE SCHRIFTEN

T>E.S

lORDANO BRUNO

Ohne dasjenige 2U wiederholcn , was Bay- Igy Heumann Bruckcr **), Heydenrcich ***) und Andre iiber die Lcbcnsuinfl^nde und Plii- loruphie des Jordano Bruno gefagt haben , gehe icb fogleicli za ineinem Vorbaben, uber ei- nige feltne Schiiften diefcs nierkwiirdigen JManncs eine umfiandlicliere Nachricht, und einen kurzen Auszug aus denfdben zu geben.

C 3 Zwey

*) Acta rbilof. 9. St. S. 38i f. and in indem Tbcilen dicic» Wcrki , dic in der Folge genannt werdcn.

•*) lliTt. ciii. pliil. T. V. p. 12 62. VI. p. 8og 8 «6

***) Im Anhange za Cromniano Gefcli. der

Reroluu in der FbiloL S. 267 L

DigitKed by Google

38

Zwey ilaTon Hnd in Einem Bande entbal* teny und fiihren den Titel:

Iordani Bruni Nolani de Monade Nu* mero et Figura, Liber confeqiiens Quinque Cman ergftnze libros} de Minimo Magno et Menfura. (von Pag. t bis i45.)

Item de Innumerabilibus Immenfo Infigurabili ; leu de UniveiTo et Mundis libri octo, (von Pag. 147 bis 655.}

Ad Illurtrilfimiim et ReverendilT. Pt'nci« pem Henricum lulium Brunsvicenfium el LiineburgenHum ducem, Halberltadienliuin Epifcopum etc. Francof. apud luan. Weche* Ium et Petrum Fifcherum confortes 1591. 8. (Mit vielen Holzfchnitten.)

In der Vorrede ftellt Bruno felbft eine Vergleichung diefer Scbriften und des Bucbs. de Minimo an. Ich bediene mich feiner Worte:

Adfunt primo de Minimo , Magno et Men> fura libri, in quibus doctrina eruditio et dv> fciplina videt primorum principiorum intelle- ctum. Secundo de Monade Numero et Figu- ra liber, in quo revelatio fides et divinatio

imt-

Digilized by Googie

39

iinaginationam opinionum et experimentorum fundamenta quaedam agnofcit vel vefrigia. Tettio de Iinmenfo Innumerabilibus et iniigu* rabili Univerfo libri, in quibus evidentes, cer* tiores et fortiffimae funt demonftrationes, qua- liter mundorum respublicae disponantur, unum fine iiAe regnum infinito gubernatori fubfit et naturae comprebenfibiliter et incom* prehenfibiliter ordo manireftetur. In primo volumine ftudiofe cupintus, in fecundo incerti quaerimus in tertio clariffime invenimus. In primo plus valet fenfusy in fecundo verba^ in tertio res. Piimum eft circa nobis innata^ fecundum circa audita tertium circa inventis. Primum in methodo certe Mathematica^ fe- cundum, (ut licet) divina^ terliuin vere na- turali. Primum habet obiecta JlmpUcia^ fe- cundum abftracta , tertium compo.^ta. In primo fapicntia haliet corpus ^ iii fecundo um- bram^ in tertio animam- In primo Elementa funt Terminus. Minimum, Magnitudo: Sub- iecta funt Linea, Angulus et Triangulus: Doclores Templum Apollinis, Minervae et Veneris, quae conftructa funt circulis Attin- gentibus, Penetrantibus, Continentibus: in

quibus figurae, numeri et menfurae omnes

C 4 'funt

Digitized by Googie

4o

funt implicitae t quaelitae, erplicitae, in virtute definitionum , axiomatum, theorema> tum. In fecundo Monas eft Subftantia rei, Numerus eft Qualitas interna feu differentia fpeciHca, Figura eft Accidens exterius et fi* gnum. Monadem contemplamur in circulo, Numerum in triplici archetyporum reliquo- rum triade, Figuram elementaliier quidem !n finculis, effective autem in omnibus. Per Monadem omnia concordant, per Nume* lum praecipue differunt, per Figuram maxi- me contrariantur. Monas eft eniin individua rei fubrrantia. Numerus eft fuhrtantiae quae- dam explicatio , Figura vero ab explicatorum principiorum fitu et ordine dimanatio. Mona- de eli quodque abfolute Verum: Numero

elt propria in fpecie Eonum: Figura eft

certa relatione Pulchrum. Nam Veritas aliter eft alibi: Bonitas eft alia aliis et alibi,

Pulcurum aliter eft aliis alibi et aliquando. Monas bene habenti docet fervare, male vero habenti variare locum: Numerus nomen:

Figura habitum. In tertio a tenebris pei co- lores ad lucem datur ingrelTus. Diftinctio colligitur inter Finem, Finitum et Infinitum: rurlum inter Efficientem, Elementum et

Effe*

Digitized by Googie

4^

Effectum : denuo inter Motum , Quietem eb Immobilitatem. Monftratur ut in univerfo praecipua elementa fint aqua lux et aer: prae* cipua fubiiftentia (fub uno exiftente omnium principe et ab omni ordine abfuluto) Solem, tellurem et coelum: utque impedimentum

feientiae naturalis et praecipuum ignorantiae fundamentum fit, non videre in rebus con* formitatem Subftantiarum, Motuum et Virtu» tum. Infertur perfectio univerfi ex Unitate, Veritate et Bonitate, in efficacia potentiae activae, in dispofitione potentiae paflivae, et in dignitate effectuum. Quae perfectio vera effe non poteft, nifi in Innumerabili Multitu* dine, in ImmenTa Magnitudine, et in per* fpecto coordinationis Ornamento.

Sic omnia Encyclopaedia quadam eruun- tur, diriguntur, applicantur: triplici etiam

ordine in unius fcalae ferie diftinguuntur , ut cum brevitate fit facilitas, cum facilitate ve* ritas, cum veritate certitudo: nec non in

re confidcrata dignitas, iii propofitorum di- ve/ftate ordo, in mediorum paucitate Tuffi- cientia, qua Xfatura fgnificat. Ratio conlem* piatur, Deus omnia in omnibus operatur.

C 5 Mit

Digitized by Googie

42

Mit diefer Einieitung will ich zuglelch das Gedicht herfetzeiit womit Bruno dem gan* zen Werke pr&]udiit.

Daedalias vacuis plumas nectere humeris Concupiam alii, aut vi fuspendi nubium,

Alis ventorumve appetant remigium Aut orbitae flammantis raptari alveo Belleropbontisve alitem :

At Pindum fubdere Olympo atque Offae ftu*

deant.

Vel (melius) peregi ino advectos fpiritu Fieri irrisoris infirumentum Daemonis.

Ut perdite de corpore mirabilis

Dent fpeciinen TuppoRti.

Nos vero Illo donati fumus Genio,

Ut fatum intrepidi obiectasque umbras cerni*

mus

Nec caeci ad lumen Solis, ad perfpicuas Naturae voces surdi, ad Divum munera Ingrato adiimus pectore.

Non curamus ftultorum quid opinio De nobis ferat, aut queis dignetur fedibus: Alis adfcendimus furfum melioribus:

Quid

Digitized by Googie

43

Quid nubes ultra, Tentorum ultra eft femitas, Vidimus, quantum fatis efu

Illuc confoendent plurimi, nobis ducibus,

Per Icalam proprio erect^im et iirmam in

pectore.

Quam Deus et Tegeti fors dabit ingenii,

^lon Mens, Pluma, Ignis, Ventus, Nubes.

Spiritus,

Divinantum phantasmata.

Non fenfus Tegetans, non me ratio argue^ Non indoles exculti clara ingenii.

Sed perfidi fycopbantae fupercilium Absque lance, ftatera, trutina, oculo MiracMm armati fegete.

VerfiHcantis Grammatistae encomium,

BiiglolTae GraecirTantiim et epifiolia,

Lectorem libri falutantum a limine, Latrantum adrerfus Zoilos, Momos^ Mafti*

ges.

Hinc abhnt teUimonia.

Procedat nudus, quem non ornant nebulae, Sol; non conTeniunt quadrupedum phalerae

Huma-

Digitized by Googie

44

Humano dorfo. Porro veri fpecies Quaefita, inventa et patefacta me efferat.

Et fi nullus intellegat.

Si cum natura f.ipio et fiib numine,

IJ vere plus quam falis elt.

Es kann niclit Icicht ein feltfameres Ge* inifcli von gefunder Vernunfl, tiefem Scliarf* iinn, Gffchiclitskcnntnirs, kindifehem Aber> glaubcn, alberner Deutungsrucbt, Schwir- mercy, Siolz und Grobheit geben, ais diefe Schriften enthalten. Der Vortrag ift Stuck* weife poi-iifch und profjlfch: Febler gegen

das Metrum und die Granimatik nimmt fich Bruno durchaus nicht iibel : und an vielen

StelJen fclieint es wirkiicli, ais wenn er iich felbft niclit verftandcn h^tte.

Grofstenibeils Jind diefe Schriften, befon* ders die de Immenfo polemifch. Ais ein er- kliirler Feind des Arifioteles fucht er deffen Lehrfatze bey jeder Gelegenheit zu widerle* gen oder wenigftens ladierlich zu maeben, und wenn er alles, was Sinnleer, abge* fchmackt und inkonfcquent heiist, init Einem r«iamcn nennen wlll, fo nennt er es Peripa*

tetifeh*

Digitized by Googie

45

tetifch. *) Aufer diefer Secte liat er es noch mit zwey neuern Perfonen zu thun, die ich Doch nicht errailien habe. Dcn einen nennt er gew6hnlich Presbyter, oft mit dem Bey^ fatze neotericus: **) den andern Grammati- cus, wiewohl diefer nur gelegentlich gegrif- fen wird, ***) Unter den alten Piiilofophen, mit denen er eine ziemliche fieUanntfchaft Terr&th, zieht er, wie naturiich, einen Xe* nophanes, Parmenides, MelifTus und die Ue- brigen iiires Syftems vor. Fiir die philofopbi* fche Gefchichte jener Zeit ift befonders das 6. bis 8. Kapltel des erften Euchs wichtig. Er fuhrt bicr einige Hypotiiefcn Ciber den Ort des Univerfums (de locatione) an , von Gilber* tus Porretanus, dem Spanicr Avempace,

Tho-

*) Bayie nrtlicilt: Bmiiiis fe figiirc ridiculcment,

que toiit cc qii'il dit rc.4oignc dei Ilypotliclct des Feripateciuni.

•*) S. Pag. i06.

•*•) Abcr man f»*he, wic unverfcliami iind derb. S. 5gg. Quid Giainmatico rcrpnntlebimiit, quod ille capere velit vi:l po/Tit? Quid pecorum omni, lira infulnninio fucieinni? Quid do corio illius, qui ultra fuam piilTeiiilcnuani Aercoreamqiie cre- pidam tam temerario audax adfiirgii, facieudiim cxittimabijnus?

Digitized by Googie

46

Thomas Ton Aquino u. Beytrige zur Lite* ratur der Artronomie flnden fich mehrere, z* B. 412 f. 567. f. (Ueber felne Erfindungen Ton Tycho C x66.)

Ein groHer Tbeil der Beweifei womit er xnancbe feiner Hypoibefen und Triumereyen unterftfitzt, berubt auf inythologifcben Spitz- findigkeiten , auch fcbon in diefen beyden Scbriften. Wo fie nicbt beweifen follen, dienen iie wenigftens zur Ausfcbmuckung. Wenii es in der OdylTee beifst, die GStter fpeifen bey den Aethiopiern: fo ift es ofTen*

bar, dafs unter Aetbiopiern die fcbattigen Planeten Ton WafTergebah, unter den CiSt- tern die feurigen Geftirne rerfianden werden, die von jenen ibre Nahrung erbalten. *) Ue- berbaupt aber iind ibm die Gdttcr der Alten nicbts ais Sterne. **)

An Prahiereyen fehlt e$ in keinem Ab* fcbnitte. Seine Anfangs- und Schlufsgedlcbte verrathen einen ubertriebnen Selbftdiinkel : er allein hat das wahre Licbt gefehen, alie Qbrige Denker And toll und blind^

Me

•) S. Pag. 160.

S. Pag. 364.

Digitized by Googie

47

Me Deus altus

Vertentis fecli melioris non mediocrem Defiinat, haud veluti media de plebe» mi<

niftrum. *)

Die gewOhnlichen Mathematiker und Phy- liker iind in feinen Augen nichts» oder nur febr wenig: feine Matbematik und Ffaylik ift hbher» philorophiTcber» ift gdttlicb.

icb bemerke nocb, dafs er an einigen Stellen eines Buchs von fich unter dem Titel Sigillum Sigillorum erwlhnt (Pag. 32.) und eines noch nicht herausgegebenen : Liber tri« ginta ftatuarum (Pag. 128.)

•) S. Pag. 5a8.

1.

Digitized by Googie

L

Das Buch

de Monade Numero et Figura, fecretio* ris nempe Phyficae, Mathematicae et Metaphyficae elementa.

IDieres Buch ift fchwer, Csgt Brnno hinter der Einieitung, die ein Lob feiner felbft und des Herzogs, dem es gewidmet ift, entbalt: fateor immo, et ipfain fcripturam nefcienti- bus legere lectu quoque impoQibilem effe co- gnofcimus. Homini indifclplinato et amplius grammatice fapienti nibil poteft elTe facile, nibil poteft effe commendabile, nili crepidam illam oleat ludiliterariam.

Das Ganze ift ein Cento von Pythagoreifch* Platonifch - Aegyptifchen Traumereyen, Magie und Mythologie. Ich wurde es in der Kiirze einen Verfuch nennen, die ganze Natur und ihrc Krlfte und Wirkungen, die aniina- lifcbe, iutellectuelle und moralifcbe Welt

tabel-

Digitized by Googie

49

tabellarlfch in Zahlen nnd Figiiren JarzaTtel* len : einen magirch geometrifcben Orbis pi>

ctus. Es kann Niemandem daran liegen, die* fes Buch in einein vollfiandigeti Auszuge ken- i\pn zu lernen. Eine Probe wird hini&nglich reyn> um das Ganze kennbar zu macben. Icii wlb!e dazu den einfacbAen Abfchnitr, das dritte Kapitel: Von der Z.veyheit.

Diadis Figura Digonus.

So wie die Monas das pame Wefen aller Dinge ift, aus der alie Zahlen und Verhiit* nllTe cmficben; fo macht die Dias eine Tren- nung in dem Wefen der Oinge. Sie ift alfo mehr mateiielles Piincip. Eben darum bat Mofes, voll tlefer Kenntnifs der Baltyloni* fchen Weisheit bey dem zi:eyten Schopfiings* tage kein Lob binzugefetzt. Die Dias ift der liibegrifF des Eiitgrgengefetzten.

Pythagorifehe Ordnung. Analogle drs Digons zur Diat.

Auf der einen Seile MoglicbUelt, auf der andern Wirklicbkeit : hier Subfianz, dnrt

Accidens : Materie und For»n : Dauer und

Veranderung: Rube und Bewegung: Erzeu*

7. btack, D gung

Digitized by Googie

5o

gung und Vernicbtang: Einfach nnd Za£itn> meiigefetzt: Zwietracht und Eintracfat: Ver*

einigang und Trennung: Ausflufs und Ein- fiuls : Unendlich und Endlicb: Vermebren

und Vermindern: Viel und Wenig: Zabl und Monas : Gleicb und unglelcb : MangeI und Uebcrfluls: Eingebohren und Freind:

Scbwer und Leicbt: Ewigkeit und Zeit: Ge- genwart und Abwefenbeit: Nab und Fem; Grade und Krumm: Vorficbt und Scbickfal:

Licbt nnd Finfternils: Wirme und Kalte:

Mann und Weib: Sonne und Erde: Sina

und Verfland: Freude und Traurigkeit:

Wabr und Falfch: Scbdn und H&fsliob:

r. w.

*) Sic geminus primi cft difcriminis angu* Ius index:

Quandoquidem genus omne duo in contraria

prima

Scinditur et ramos binis dat fectio membris. FortalTe ad numerum innumerum lub muItU

plicando

Privatum oppoftum, Vontraftans atque Relatum^

Stufen»

•) P. aa

Digitized by Googie

5i

5tt\fenleiter der Dias. Erjie Reihe.

Die Dias fliefst aus der Monas, wie die Linie aas der Foitruckung des Punctes* In< dem das Wefcn (eCfentia) ausfiiefst, macbc es ein Seyn (efle.) Die Gute macht das Gu- te, die Walirheit das Wahre. Daher ift die erfte Zahl eine Zufammenfetzung ?on VVefen uiid Seyn: daher findet fich auch ein dop>

peltes Verh&linifs, hiei' der Fortn, dort der Materie: hier des Princips, dort des Piin-

ciplati: hier des Voilendenden, dort des

Vnllendbaren : hier des Fincn, dort des

Andem.

Die erfte Eiruheiliing jeder Gatmng ift zweyglledrig: und jede Enlgegenfetzung ent-

halt zuerft nur zwey Terminos.

Hiernach befteht die Natur des Dinges, cnlweder abfolut oder refpeciir

abfolut bedingt

wirk!i;;h m6glich

an fich dtirch ein andres

eitifach zufammcngcfetzt u. f. w.

(Man kann fich diefe Tabelle ohne Miibe uber etiiebe Bogen verlangern.)

D 3 Z-.oeyte

Digitized by Googie

52

Zweyte Keihe,

Jedes dicfer Verhaltniffe iTt wlrder dop» pc)t: elne doppclte Poteniiai die active und

jiailive, ein dopp^ltvr Actus, d< r erfte und zweyte, ein dop]>eltes Verhultnirs , dur Gleichbeil und Ungieichheit u. f. w,

PrittiT Ilelke.

Oahcr find in uns zvrcy Seelen, 2wey Diliuonc, zwey Genii, ztn-ey Gcfetze , zwey wiJciTtrriiende Begieidcn, dic finnlicbe und Ternunftigc.

Zwey Veneres, die blmmlircbe und ge* nicine: daber zwey Amores. Daber hat je-

des Wefen zwey Geiiien u. f. w.

Wie iiiil diefer, fu gelit es bis zur Dekas Fort: nur dafs in der Fulge dieSymbole und

Analogieen immer ii&uliger und zurimmen- gefetzter werden. So findet Hch hey der Trias ein Annulus Apollinis und eine IMcnfa Cbaiitum, bey der Tetras ein Sigillinn Oce- ani, Flumen Nereidum, Sigillum lunonis und Urbs cabbaliftica.

Iin Folgenden fnrst er das Haupifdcblicbfte kur/. zufainmen:

Prin-

Digitized by Googie

53

*) Principium primum Monas et fu^ftnnlia

prima

Verum, omne, exlftens, quo funt vera

omnia et unmn.

Inde r>ias rebus tribuens difcrimlna primum, Per quam diverfa, et quae funt contraria

conflant.

In Triade **) adverfa et contraria ciiriCrc in

unum

D 3 Com-

•) Pag. i5i.

Einzclue Beyfpiclo. Trias: Pntefrai, Sapientia, Amor. Verum , Bonum , Pulcbriihi. 7 ctrn t :

Qiiatnor plagae, clenirnta , aninulinm ge4ier.i. nomen Dei quadriliieriiin. Pentas: digiti, ui coiu curru rerum aUverfio ii-cli natio appulfii» adli.iefio incorporatio. Hrxas: fex dierum creatio, Amor citiins feminatio conceptio formatio paiiui. Ignit aqua oleum veutut nubes lapis, llrptas : Monatlie nrd Jaliie ait r.]*ochen im meiirdilichca I^ebcn, fiebeii Vei fcbiedeiiheitoii der Dauei , .icter- num , u.mporjlr , ciiiiqiium , reccii», juai.-ientiin', praclent, rMiimiiu. Octo modi nuifici.

Locales diflereniiae octo : Iniiit extra fupra infra anto retio dexiiorfiini ad laevam. Enneas: Novtm gemmae, pLintas , Mufae, cognofciiivac potentiae (vifiis, aiiditr.s. giiltnt, tactus, nlfaritis, pliaiu lafia. cogitatui, memoria, ratio.) Di-cns : Decem jiiaeitionct: Utrum, Quid, Qiianiiim , Quale, Quare, Qiutcmis, Quando, Ubi, Quomodo, Quo. Decem digiti, praecepta ii. L tv.

Digitized by Googie

54

CompofituiD poITuntf per quam omnia foe- dera fiunt.

Per Tetradem folida eft data confiftentia

agensque

Et patiens, locus et tempus bene diftribaun-

tur.

Tentadis officio media, organa, fenTus et

artes

Pro modulo activum paffivaque proxima ne- ctunt.

Coniugium et rerum generatio ab Hexade

perRt,

Ad Rnem properans praxis motusque fub ipfa

eft.

Heptadis eft requies, qua feriat omne la- borans,

Et confummatum femet reflectit in ipfum.

lufutiae archetypus comprenditur Octade , qua

res

Serrantur, fervant, tribuunt et grata repen- dunt*

Confimile a fimili Enneadis deducitur ufu,

Tartarea ut novies lympha interfufa coercet.

Simplicium numerum claudit Decas atque

recludit*

Zum

Digilized by Google

85

Zum Scblafs giebt er noch die Zeicbnung and Befcbreibung einer UnifcrDalfigur.

Obne mein Eritinern fieht man fogleicht daTs diefe ganze Idee im Grunde nichts* ais eine Spielerey und leere Grille ift. Es fehlt uns zu einer folcben geometrifcben Kategori* entafel der Dinge an einem ficbern Principt und das Meifte ift ganz willkuhrlicfa. Gleich- wobl bat man nicbt blofs ror Bruno’s Zeit, nicbt blofe eine Zeitlang nach ibra* fondern fogar heute noch diefen cabbaliriifcben Ein* fallcn Achtung und fleifs gewidinet. Wir haben nicbt langft erft eine Zahlenlehre der Naiur erhalten, die aus eben diefem Tone fpricbt.

Indem icb diefes Bucb bey Seiie legei fchlage icb den Auszug nacb, welchen mann in feinen Actis Philoruphorum, 3> Stuck S. 5oi [. aus eben demfelben gegeben bat. Es wird fur den Lefer nicbt uninterelTant feyn» auch diefen Heumannfchen Auszug zu ver* gleicben. Sein Urtbeil uber das Werk felbft ift nicbt gunftiger, ais das meinige» und der Lefer kommt nicbt in den Fall> ciner«

D 4 ley

Digitized by Googie

56

Jey zweymobl lefen zu iDurTea, da Heu* mann bey dem Auszuge anders veriabreu ift.

Ich erinnrre hier zugieich an die Nacb* richt, welche Heumann von einlgen andern ScbriAen des Bruno, Acta Philos« i5. St. S* 424 f. gegeben hat, unter welchen fich )e* docb die folgende nicht beHndet.

II.

Digitized by Googie

n.

Ah ein palTendes Geiienftuck will ich hier fiiglelch das dritte Werk mitnehmen, wel* ches den Titel fiilirt :

Iordani Bruni Nolani de Imaginum, Si- gnorum et Idearum compofitione* Ad omnia Inventionum, Difpofilio- ijum et Memoriae genera. Libri tres. Ad llluftrem et Generofilf. loan. Hain- ricum Haincellium Elcoviae Domi- num. Credite et intelligetis. Fran- cof. apud loan. WecheJum etc. 169 1.

8. 216 S.

Auf den erften Anblick kann man das Ganze wohl fdr nichts anders , ais vanas fpecies velut aegri fomnia halteii. Auch ein genaueres Studium diirlte fchweilich dem, der nicht glaubt^ zuin Verftehen helfen.

D 5 Die

Digitized by Google

58

Die Natur, hei Git es in der Zueignuti^ xnacht Alles mit wenigen Stoflen: indem fie pebmlich vier Stucke mannigfaltig {Velit, ord< net, zufammenfeizt , bewegt, und anfugt. Ihr kann der Ddenfcb nacbahmen, indem er ziihit, indem er erkennt, dafs Eins Eins fey, dafs Eins nicbt zwey, dafs Eins und Zwey drej fey. In diefer einfachen Zahlang liegt der Actus alles Erkennens und Denkens. AI* les unfer Erkennen, d. h. alie Wirkungen unfers Verfiandes lind entwcder ganz oder zum Tbeil bnnlicbe VoiTiellung ('phanufia); wir erkennen nicbt, ohne finniiche Bilder (phantafmata) anaufcbaoen, d. b. ohne Zufam* menfetzung, Vergleichung, MehrheU der Zeichen durch Ueberlegung zu falTen. Bey allem Denken mufTen wir alfo auf gewiffe Bilder zuriickgeben. Dlefes Gcfcfailft foll durch gegenwirtiges Werk erleichtert wer- den. Das erfte Bucb liefert nehmlich allge* meine Bemerkungen iiber die verfcbiedaen Gattungen von Bezeicbnung, die mannigfal* tigen Arten der Stellung und Darftellung der Bilder, einen AufriTs alles Denk- und Er* kennbaren. Das zweyte entblLlt die Bilder der zwdlf Tornebmrten Urbeber, Bezeichner und

Gaber

Digilized by Googie

59

Geber aller Dinge, mit ihren Attribnten and Eigenfcbaften* Das dritte giebt die Bilder der drcyBig Siegel, die anderswo erklart lind. Alies ohne fynonymirche PorTen und andre Wortkunfteleyen : (quoniam in curia pbilo*

fopbiae non ulla poITunt elfe fynonyma) alles aber fortaUe intelliget nullus, nifi vel fic for> fitan crediderit. Nullus tamen a lectione fru- ftrabitur, nifi caecus.

Das Meifte in dieCem Werke ifi Profa und kOnfUiche Tabelle: die wenigen poetifcben

Stucke find ans feinem templum Mnemosynes, Ton welchem icb jedoch fonft keine Nech« richt gefunden habe, faerubergenommen.

Alles, was nicht durch irgend eine Notb* wendigkeit fondern abficfatlich wirkt, mufs fich Torher eine Vorftellung Ton dem zu wir- kenden Gegenftande bilden. Diefe Vorftel- lung heitst (atite^ naturalia} Idee: (in natura*

libns) Form oder Tertigium Idearum : (iu poft naturalibus) Plan (ratio) oder Abficht (inten* tio.) Die Ideen find die Urfacbe der Dinge ante res: die Forraen find die Dinge felbft, feu quae in rebus: die Scbatten der Ideen

(was er (bnft intentio fecuiKla neiint) find ab ipfis rebus Teo poft res. Die Dinge werden

alfu

Digilized by Google

6o

alfo elngetheilt in das, was ift, rej, und in das, was jeuein zukomu3t, ligna, iildJca- tiones, (in der gew5hn]ichen Spraobe, Sub- ftanzen und Accidenzen.)

Die Zeichen find emweder Zeichen der Dinge, oder der Wbrter. Von beyden ift hier die llede,

Uofre Sf.de ift, fo wie die Seele des Weltalls, init Licht, (einer geiftigen Siihftanz, die nicht mit dem empirifchen Lichte zu ver- wecbfein ift) verfehen; vermoge deffen fie das Abwefende fich gegenw&rtig vorfiihrt, felbft im Traume Geftalten liebt und Figuren fintdicber Gegenft&nde wabrnimrot. In diefem Lichte ift uns eine uniiberfebliche Weit von Formen und Geftalten gcgeben : fo dafs wir

durch Verglcichnng imd Ziifammenfetzung ftiindllch neue GegenfiSnde fchalTen konnen. Wem die Benennung Licht nicht bequcm ge- nug ift, nenne cs init Synelius innern Sinn, FenTus oder fpiritus phantafticus. Was nua diefer Sinn aulTalst und einfammelt, Jegt er in das Magazin des Behaltungsvermdgens (re> tentivae facultatis) nieder, zu welcbem die verfchiednen Arten der Aflecte den Eingang ausmachen oder die SchluUel fubren: wor-

aus

Digitized by GoogI

6i

aus es denn aucb ?u erkliiren ift, warum IVlancbes durchaus nicbt, Mancbes fo leicbt liaftet.

Zwlfchen diefein innern Gcfichtsfinne und dein auftMTi giebt es mannigTaltigc Analogieen, von denen liier einige benierkt find, vom eitifaclien und zurammengefetyten, graden und fcliiefen, nalien und eritfermen Selien.

Bis hl«;jher giebt es doch noch Mknches, was fich verftehcn lafst: aber von bier an

bekenne ich giadeiiln, dafs ich fcblechterdings nicbt wcifs, was Brunus will. Er giebt eine Zeichnung, die er Atrium ncniit, und in 24 Ati ia eiiitheilt. In dem Atrium Portae z. B. find folgende Dinge znraminengertellt:

Ornnilinn

Stimulus

Scoria

Hoi Ullus

Cai do

Pu|i«t

T e.sl a

Vectis

Difilllaior

Aries

Clavis

Vectis

Sera

Tralis

Calena

Scutum

Titulus

Ova

Sci obs

liilignia

Bubiica

Scyrjms

Larva

Stillans

Auf

Digitized by Googie

6a

Auf d!efe Atria fo1g«n eioe Menge Cubilia, wo unter andern in dem Cubile Tyrannus folgende Dinge einquartirt Und ;

Attentio Ethica

Attinentia Aeternitas Utilitas Iteratio

Otium Ita.

Hierauf eifcbeinen Campi, derra Ausfill* lung allenfalls noch pafliender ift. So fteheti z. B. in dem Campus Mercurii alle die Stiin- de und BefcbiiTtigungen, uber welche Mer- itor den Vorfitz hat n. L w.

Bald bernacb werden t2 Curiae mit G5t* terabbildungen und Attributen ausgeftattet, wobey vielleicht der Mabler und Allegorien- freund etwas lernen kuiinte. *)

Obne bey der Abbandlung Ton den 3o Siegeln welter ein Wort zu verliehren, will icb iiur zur Prol>e eine Stelle ausbeben, die fiir diejenigen interelTanc feyn wird, welcbe Alles aus Allem zu erkl&ren pHegen.

Wer

*) Aus Baylent Anmerkiins tu fcblielTeni mOgrn melsrere Ton tliefen Phantancrn sucb iu Oruno't Li Heroici Ftuori Torkomxuen.

Digitized by Googie

63

Wer getraut fich ans den drey erften Ver- fen der Aeneide eine kosmologirche Antino* mie heraus zu bringen ? Hier ift die Bru« nofcbe zur Probe :

Arma viruinqne cano, Troiae qui primut

ab oris

Italiam fato profugus Lavinaque renit

Litora: multum ille terris iactatus et alto.

Arma bedeuten Macht und Dauer, Ewigkeit der Welt. Vir, die Kraft der ErhaU tung. Cantus, Harmonie der Dinge ^ trotz aller Abwechrelungen. Troia, der Staat des Vniverfumi. Primus, das erfte im Weltall wirkende und erhaltende Wrfen. Oris (fonfc Kuften, hier Miind) die Welt ift durch das Wort des guttiichcn Mundes gemachty u. f. w. Dagegen lantet die Antitbelis: Anna, bedeu- ten Vei anderliche Mittel Nichteoigkeit der Welt., Vir, Endlichkeit der Krafte. Cantus, Zerftdhrbarkeit der Harmonie. Troia, Vnei- nigkeit des Univerfums. Primus, der Erhal- ter des Ganzen ift abhangig. Oris, die Welt bat Grenzen u. f. w. Diefes KonfiAiick heifst bey ilim, Proteus, und ift das rierte Sigil- lum p^ 181.

Wenti

Digitized by Googie

64

Wenn man gleicb aus diefetn Allem leicht iieht, Brtinus eine zweyte Ars LuIIiana

zu entwerfen bcmuiit war; *) fo lafst fich doch durcbaus kcin Prlnclp entdecken , wor* nacb er das Ganze enlwarf, und es ift alfo hier eben fo vici » oder noch mebr Willkiihr- licbes, ais in dem zuerft angefuhrten Bncbe.

Ob abrigens unter Brnno’s Scbriften eine Lampas Logica, (die er p. 187 anfiihrt) be* kannt ift, weifs ich nicht, **) Es wiirde uber das gegenwanige Biich, wenn es iiotbig ware, mebr Auffcblurs geben.

Ich eile voii uiefen fundeibaren Scbriften des Bruno weg, um einer ungleich wicbti-

gern

*) Dieff beftHti^en and k feine Scbriften: DeprogrelTu logicae venationis: Cuiitns Circaeus ad .memoriae praxiro ordinatus. Par. i5o3. De compendiofa architectura et complemento artis Liillii. Par. i58o.

Icli verniuthe indefien , dafs es mit dem Buche De Spccienim Scrutinio et La.npade conibinatoria Raiiioiiidi J.ulli Piag. 1 j3(3. 8. eiiierley fey.

Sem )'iicli de Umbris Idearum. Par. i582. sititt er hier S. 27.

Digitized by Googie

65

^ern und Gebaltvnllen noch einige Aufinerk* famkeit zu widiiien. Zwar haben rdion la Crote und Heumann (Act. Philos. 5, Stuclc S. 869 f.) aus derfeJben einen Auszug gegeben: aber den erftern babe icb nicht zur Hand gebabt, und den letztern erft nadi der Arbeit verglichen. Ueberhaupt glaube icb, dafs aus einem Scbrififteller, wie Brimo, audi meh* rere Ausziige nicht ganz obne Nutzen feyn werden» zumabi wcnn fie in ganz veiTcbied* nen Zeiten angefertigt weiden.

Vidleicht war nle cin Denker von der Idee der Einheit inniger und ftjlrker ergriffen, ais Bruno. Sie war es, die ihn bey dem Verfuche leitete, alie Dinge auf Einheit der Zahl und Gefiall, alie Vorficllnngrn auf Ein- heit der Bilder zuruckzufuhren. Sie hat in ihm den vollcndeiften runtheismus erzeugt, den fich je ein Philofoph gedacht hat. Auch in diefem Werke wcht der Gei ft diefer Denk* art in voller Kraft: aber man wiid ihn

heffer

*} LefentWerih (Ind incli die zwirdicn la Croza und Heumann gewechrelten StreitrcLiifteii. Acu PLil. si. Sedek S. 793. r.

•7. Stuck. E

Digitized by Googie

66

belTer und fichrer aufFalTen) wenn man der Lefung deffelben eine Vergleichung andrer Schriften Bruno’s vorausgehen litTst, in wel« chen fein Syfteni noch kiirzer zufamnienge* drangt ift. Icli wufste keine lehrreichere An* leitung dazu, ais die Ueberlicht ift, welche lacobi in feinem Aiiszuge des Brunofchen Buchs de )a Caufa Principio et Uno gegeben bat. Icb wurde mich nicht enthalten k5n* nen, diefen Auszug wbrtlich bier einzuril* cken* wenn die lacobifche Schrift nicht in den H&nden aller Freuode der Philorophie wire.

Das gegenwirtige Werk gewinnt vielleicht an Deutlichkeit und Interede noch dadurch, dals die blofs inetaphyErche Idee der Einbeit hier in einer beniinnitern Anwendung auf gegebene Erfcheinungen dargeftellt ift, und zum Theil durch aftronoiuirche Hypothefen •rl&utert wird.

Auf den erften Anblick fcheint freylich ier BegriiT der Unendlicbkeit, Unbegrinzt*

hcit

*) Ueber die Lehre des Spinou. N. A. S. a6i f.

Tergi. Vorr. S. VII f. Das Weik felbft ift ge.

druckt fen. 1684.

Digitized by Google

67

faeit mlt der Idee yon Einheit zu Areiten *)i aber dlefer Widerfpriich verfchwindet, wenn tnan ihm weiter nachgebt. Die Welt kann nicbt Eins rejrn, wenn fie nicbt AUes iftf und diefes AII kann obne Widerfprucb nicbt begriinzt gedacbt werden : weder dem Rau«

me, noch der Anzabl der Tbeile nacli.

Aucb in diefem Werke wird nian findonj dafs Bruno uberall von der Erfabrung auszu» geben bemubt ift, und jede feiner metapby* fifcben Ideen an diefer, wie an einem Pro* bierftein verfucbt.

*) So fcbien es anch Baylen. Y a t*il rien d’ aufli oppofe aux notions de notre eipiit, que da fontenlr qirnne etendua iiiAiiic elt totite eotiere dans cluquo point de rcfpace. et qu'un nombi infini ne dtftre point de f unite?

**) Gelegenllicli miirs ich Meiners Urtlicil Ober die Urfaclien der Seltenbeit von Bruno's Sclirif. ten berflliren : er findet Ile darion, dafs diefe Schriften nicbt lehrreich waren. (Gnindrirs der GefcL. der Weliw. S. 2.^6*) llejdcnreich jniftbilligt diefe Vermiithaiig. Aber, micb diinkt Ce ift nicbt ganz leer. Denn v^enn icb aucb nicbt an die vorbin befcbriebnen Bflcber dcnkea will, fo Cnd ja aucb diejenigen. welcbe mebc Werih baben,' von der Art, dafa Ae filr firu- no’t ZeitgenoQen und nacbfle Nacbfolger, bey

E 2

Digilized by Google

der dimaligen Lege der Philofophie fov^oli], •U der WilTenfcharten fiberhanpt, unniogUch lehrreich feyn konntrn. La geliuit ein Jioiier Grad von Enifagung rowolil, ait diirclxlringeii. der Kritik daau , ura Ton eiueni Pantheiften au lemcn. Die geringe Aiizalil von Denkeiii, die wirklich cinzeine Ideen det Bnino beniitr.t lia> ben, dient cur BcA^tigting, Die Eihaltniig der wertigen Exemplare, welclie noch heiite au iia. ben find, habcn wir niclit fowolil der B^-gierde zu lernen, ait der I iebliaberey ain Selincii au trerdauken. Ucbrigeiit kann man wnlil nicht leiignen , daft ancli aiidre Wrrachen au der Vertil» giing diefer Scliriftcii bejgetragen liabcd.

III.

Digilized by Google

m.

Das W e r k

de Innumerabilibus Immenfo et Infigura- bili , feu de Univerfo et Mutulis, Libri octo.

I3ie erften zwey Kapitel find ais eine Einlei- tung anzulehen. In dem erften handeit er ▼on dem Verh^hnifle feiner Philofophie zu der Befiimmung des MenTchen. Den pocti- fcben Thcil will ich im Original berfetzen: *)

Eft Mens, quae vegete inspiravit pectora fenlu,

Quamque iuvit volucres humeris ingignere

plumas,

Corque ad praefcriptam celfo rapere ordine

metam ;

Unde et Fortunam licet et contemnere mor*

tem,

E 3 Arck-

*) P. *47- *•

Digitized by Googie

Arcanaeque patent portae abruptaeque ca- tenae,

Quas pauci excerfere, quibus paucique foluti.

Secla, anni, menfes, luces, numerofaque

proles

Temporis- arhia, quibus non durum eft aes

adamasque,

Immunes voluere fuo nos e(Te furore.

Intrepidus fpatium immenTum iic iindere

pennis

Exorior, neque fama facit me impingere in

orbes.

Quos falfo ftatuit verus de principio error:

Ut fiib conficto reprimamur carcere vere,

Tanquam adamanteis eludatur moenibu’ totum.

Nam mihi mens melior, nebulas quae difpu-

Iit illas,

Fuiim qui reliquos arctat, difiecit Olympum,

Quando adeo illius fpeciem vanefeere fecit

Undique, qua facile occurrit penetrabilis ai*r.

Quapropter dum tutus iter Iic carpo, beata

Conditione fatis ftudio fublimis avito

Reddor Dux, Lex, Lux, Vates, Pater,

A utor. Iterque,

Adque alios mundo ex ifto dum adfurgo ni- tentes,

Aetbe-

Digitized by GoogI

Aethereum campumque ex omni parte pererrO} Attonitis mirum et diftans poft terga relinquo.

In diefer Begciftcrung, worinn er iioh auf den Schwingen der Betrachtung aufgeho' ben fiihlt in das Reich des Unendlichen, und beller fchauend, ais die ubrigen Sterblicben, den ftaunenden Haufen binter iich l&lst (udam fpernit humum fugiente penna), in eben diefer Begeifterung bleibt er denn auch grdfstentheils bey der profaifcben Einleitung-

Jedes Oing ftrebt, nach Befcba/Tenheit feines Wefens, zu dem Ziele feiner Beftim* mung *). Je vollkommner nun ein Ding fei* ner Natur nach ift, defto emfiger ftrebt es 2um Guten* Alfo der Menfcb. Denn ob er zwar unter allen Wefen das einzige ift, dem zwcy entgegengefetzte Ziele vorgefteckt £nd, Vollkommenbeit des Geiftes und des Kurperst ob er zwar ein Wefen ift, welches auf der Grenze der Zeit und der Ewigkeit fteht, zwi« fchen Urbild und Alidruck, zwifchen der Verftandes und der Sinnenwelt, beyder Na* turen theilhaftig, das Mittelwefen zweyer

E 4 Extre*

•) P. 148 i5i5

Digitized by Googie

72

Ezti^enie, hingeOellt an den Horizont der Natur: fo ift docb unter beyden Naturen fein eigentllches Zief, feine wahre Beftimmung - die geinige. Denn der Gcift des Merifchen ift untheilbar, relbrifiandlg, etwas Gottbcbes,, Herr der Materie, and frcy von ibr, durcb ficli felbft Jebend, ubcrall ganz, von un- endlicher Kraft, das Verinogen ewiger Wahr- beit, allwirkrani, alles libertreBend. Der Kdrpcr ddgogen Ift von diefcuj Allen das Ge- genlheil, nur endlicb, befcliiMnkt, dienft' bar und abbUngig, nicbts durcb ficb, nur Mittel und Werkzeug. Und welcbes i(V nun diefes Geiftcs ZieI und Befiimniung ? Zii Crreichen das hdcbfie Wabre fiir den Veiftand, nnd das bdcbfte Gute fitr den Willcn. Dafs dera alfo fey, davon zeugt fcbon die. Uner- fdttlichkeit des inenfcbiicben Verftandes und Begehrungsvermdgens. Wo wir noch eine Wahrheit, nocb ein Gut ahnden : da ricbten

wir unfre Forfcbung, unfer Wiinfchen bin; angebohren ift dem Menfchen der Tricb nacb Vollkornmenbeit. Unertrftglich findet er das ManebmabI, Irgendwo, Einzeln, Theilweife, Eintg^es: er wlll das Iminer, Ueberall, Ali-

gemein, Ganz, Alles. Unbegranzt ift fein

Sinn,

Digitized by Googie

73

Sinn, denn, wohin er aucb gebe, fiberaH findet er fich im Mittelpuncte: unbegranzt

fcine Einbildungskrait. Und dicfcs Strebea des Gei fies nach Vollendung ift niclil leer uiid obiie Geger>ftand. Es breitet ficli vor lh:n die gtuffe allgemeine Natur in ihrer Heirlicbkeit aus, und ?erbeifst ibm Genuge.

Diefem alien gemafs ift alfo der ^lonfcb berufen, fich mit der Erforrcluuig des grof- fen Ganzen, des AHs, zu befcli^uigen. Er hebe demnacb Augen und Gedanken auf zu dem Himmel, der ilin umgiebt und zii den Welten Qber ibm. Hier ift ibm eln Gemahl* de, ein Buch, ein SpiegeI aiirgeftellt, in welchen er den Uinrifs, das GeftMz, die Geftait des hbchften Guten in der Anoi dming, dem Plane und der liildung des Gau/en iilier* feben, lefen, betracbten kaiin: liier kann

er, wie luit korpei lichen Ohren die bocbfte Haruionie yernebuien , hier, wie auf einer Leiter, auf den SiulTen der Gefcbiecbier zur Betrachtung einer hbliern Welt empoi fieigen.

Aber ift nicht zu fiircliten, dafs wli diirch diefe Forfcbungen irn Unermefslichen glcldi- gilltig gegen das irdifchc Lcben weiden? Mit

E 5 nicbten.

DigitKed by Google

74

nichtcn. Denn ob auch unfre hdbere Natur weiter ftrebt: fo h^lt uns docb die Befcbrinkt- beit der Materie feft an dent} was wir ietzt find.

LaXst uns alfo} f&brt er Fort, den Glanz, den AusBur$ und die Verbreitung der Gott* heit und Natur , nicbt in einzeinen Indivi* duen und uncdien Materien auFFucbeni fon- dern in der berrlicben Wobnung des AII* micbtigen, iin unermeFslicben Raume des AeiberSf in der unbegrftnzten Macbt der werdenden und fcbaftcnden Natur, wo wir die Ordnungcn unzablbarer Welten und We* fen betracbten , die licb in Zabl* und Endio* fen Cbbren in das Eine H6cbFte vereinigen!

Im zaeyten Kapitel •) koinmen einige Bemerkungen iiber die HindernirTe Tor, wel* cbe Ftcb Feiner und jeder bbbern Pbilofopbie in den Weg ftellen. Wie der Gefangue, der fich an die Finfiernirs feines Kerkers gewdbnt bat, den Glanz der Sonne nicbt obne Scbmer* zen ertrkgt: Fo wird es dem gemeinen Scbia* ge der PbiloFophen mit diefen Entdeckungen,

die

*) P. i63 156.

Digitized by Google

75

die ich ihnen yorlege, gehen. Sie werden das Licbt fcbelten und micb verfolgen.

Altum t difficilem, rarum perferre !«•

borem

Mens me facra iubet , caeca dum tendit

abyffo

Captiros animos facris numeris in ataoenum Abducere adfpectum circum fublime micon*

tum,

Queis cultu wio natura exornat Olympum Non ullo adftrictum Hne, immenfeque ca*

pacem etc.

Nur wenige Menfchen find wahrhaft Mem fchen und ibrer gdttlicben Natur wilrdig: nur wenigen ift es vergGnnt, das Licbt zu fcbauen und zu ertragen.

Die meiften urtbeilen nacii dem aufern Scbeine, und verwerfen daber oft eine Wabrbeit blos darum, wail Re von auffen und in der Ferne vielleicbt abgefcbtnackt erfcbeint*

Am yerderblichften fur die Wabrbeit ift ▼on je ber die Sectirerey gewefen.

Nicbft

Digitized by Googie

76

NlchTt ihr der Eigennutz und die niedrige Gewinufuclit. Filr diefe ift die Philofophic, welcfae bier gebothen wird, niclit.

Eln Blick ia das Weltall. *)

Wie iim unfre Sonne ilch Erde, Mond» Merkur, Satum, Venus, Idars, Inpiter und ein noch grofferer Haufen von Planeten bevregen, die man theiis nie, iheiis nur bis* weilen erblickl: fo ift es mit jeder andern

Sonne. Es giebt nicht blofs Ei ne Sonne, Ei* nen Mond, Eine Erde: wcnn anch unfre

Sinne uns nicIit mehrere oflfenbaren. Oder b&U es ein Meiifch fQr unmbglich, dafs ne* ben Einem SchiiTe mehrere feegeJn kdnnen ? oder wagt es jeinand zu behaupten , dafs darum, weii uin diefen Baum V6gel flattern, in jenem fernen Walde keine berumfliegen kbnnen?

Es giebt nur zwey Hauptgattungen von Grundkbrpern im WeJtalJ, Sunnen und Er- den. Zur erften gehoren die Fixfterne, von dcren Riluinen aus die Sonne nicht gr6(Ter und nicht anders erfcheint, ais fie von der Sonne aus oder ron unfern Gegendon erfchei*

ncn,

•) i56 - i6o.

Digitized by Googie

77

nen. Zur andern Gattung gehSren die Plane* ten, die in jslirlichen oder ttiglichen Bewe* glingen uin die Sonne gehen. Alie aber be* fteben in einem und demfelben Stherifcben Raume, Himinel« Felde, Firmamente, wie die Eide, und balten ficb in eigner Scbwere. Alie find mit einem unermcrslicben Raume umgebeii. Keine kann ohne die andre befie* ben : denn der ZnrammenDgni des Entgegen*

gefetr.ten ift, nacb den Gefetzen der Natur, zur Bewegung, Erzeugiing und zum Befte* beh der Dinge nothwendig.

Das Wfltall ift unbegrunzt , C nnendlich), *) Selbft unAe Sinne ftriubcn licii gegen die Endlicfakeit des Weltalls. Was ich auch fe* hen mag, ift nie das Letzte, iinroer ift noch et was Mehreies vorbanden, noch eine ihn* liche Errchcinung, der ich nacbgeben kann. Wenn dii den Horizoiit von dcin buchrten Thurmc ans bcirachtert: fo fclieint er dir

niit der Flacbe Co feCt rereinigt, dals du es nicht ftir muglicb halft, wciter zu kommen, ais hatte die Naiur dort eine Maner gezogen. Aber gelie darauf los : fu nabe du ihm auoh

zu

•) P. iCo.

Digitized by Googie

78

zu kommen foheinrt, immer wlrlk du dich im Mlttelpuncte iinden. Eben die£s wurde •uch der Fati fejrn, wenn do auf irgend ci- nem andem Gerdrn ft&ndeft.

*) Der Mlttelpunct des unenne&lichen Raumes ift alfo &berall: weder die Erde,

nocb ein andrer Stern nimmt ibn ein. Elne letzte FlSLche der Welt ift andenkbar: der

Rautn aufer derfelben ift nicht ron ifar ver* fchieden.

**} Raum &berhaupt ift eine continuirliche pbynfcbe Grdfre, beftebend aus einer dreyfa* cben DimenHon, die Umgebung der KSrpcr, die Natur, die Tor und neben allen Rorpern da ift, frey von den Bedingungen des Wir> kens und Leidens, unTernDifobbar, undurcb* dringlich, uiiblldfam, unbefcbrlukbar , aufer allen Kdrpern und fie alie befaffend, allcs onbegrciBIcb in bcb enthaltend. Und die» fer Raum ift bcb uberall gleicb, uberall Ei» ner. EingefcblofTen oder ansgefcbloffen , fein Wefen bleibt ungeSndert; uberall ift diefelbe Materie, diefelbe Ktaft, diefelbe Wirkung,

die»

•) P«g. i6i Pag. 177.

Digitized by Google

79

diefelbe mSchtige Gottheit und Natar. W&ra diefs nicht: fo finde (icb bier oder dort ein

Nicbts, ein Unding, ein Mangel: die un*

endliche Urfache hitte etwas Endllches her* ▼orgebracht.

*) Nocfa niehr: die Exiftenz des Alis ift

ein Gut, feine Nichtexiftenz wilrde ein Ue* bel feyn. Was gut ift, inufs f:cb in denfel* ben Verbiltnifsen, alfo in demfelben Raume bebnden. Ein IlinderniGi davon lifit Hch we« der in dem Wirkenden, nocb in dem Her- Torgebracbten, noch im Ranme felbft, nocb fonfi irgendwo entdecken. Das Gute breitet lich bberallhin aus : was ohne Urfacbe Rch

nicht ausbreitct, kann niciit gut feyn.

llir wendct ein, die Vollknmmenheit der Welt verftauc keinc Uner.dllclikeit derfelben. Ich nehmc die Vollkoimnenlicit an, und leite eben daraiis ilire Unendliciikcit hcr. **)

Das Wcfcn Goiies ift uncndlicb ***)• Gotl ift das elnfjclifte Wcfen . boy dem kcine Zu> fammenfctzung, keine Vcrfchiedciiheit feyn

kann.

•) Pag. la^.

••) P. i»7.

•••) P. «yo.

Digitized by Google

8o

kanrr. Seyn, KOnnen, Wirken, und Wollen ift folglich bey ihm Eins: fein Wille ift noth- wendig, die T^othweridigkcit felbft: er ift

bch gleich und imoier derfelbe : Freyheit

nnd Nothwendigkeit And bey ihm'Eins. Nun kann es aber keine unendliche Macht gebeni wenn das Unendliche iibertiaupt umnCglich ifr. Das Weltall ift alfo nar dann ToILkom* men , wenn es unendlich ift: es miils aber

unendjich feyn, weii das Unendliche nichts Endliches hcrvorbringen kann, Leugnet ihr incine Bcliauptung: fo beweifet, daAi die

unendliche Kraft endiich wirke; dafs Gort niclit fo vici wolle, ais er kann; dafs Noth- wendigkcit bey ihm etwas anders fey » ais Freyheit; dafs er etwas anders kdnne» ais er will; dafj» er etwas anders wolle i ais er will; dafs er wollen kdnne, was er nicht will; dafs et feyn kSnne, was er nicht ift.

Allcs, was ift, mufs feyn, weil es ift. Was Gott alfo macht, kann er nicht an- ders machen, ais er es macht. Er handelt nach Nothwendigkcit : denn die unendliche

Kraft, wenn lie weder durch Acb nocli el-

was

•) P. 19*.

Digitized by Googk

8i

was anders befchrankt wird, handelt nach der Notiiwendigkeit ibres Wefens. Was Gott alfo hervorbringt, murs unend!ich feyn, weil er es nacb der Notbwendigkcit feines (unend* ]ichen) Wefens wirkt.

Endlich wo fehen und abnden wir nicht Spuren und Bildungen der Unendiichkeit ? *) Unfre Einbildungskraftt unfer V'errtaiid buuft Zablen auf Zablen, Gr6fren auf Gr6(Tun, Gat* tungen auf Gallungen. Unfere Sinne Anden fich nirgends begiSnzt, uherall im Alitte]* punct, unfre Vcrnunft felint Acli iinmer nacb Melirercm , ift immer unbefi icdigt. Eine ein* zige Fackcl reicht bin» um unendliche Din* ge anzzriinden. Wohin du dicli wendeft, begegnet dir die Unendiichkeit.

AriftoteUs Grunde die Unendlidtkeit

des Alis. ♦*;

Ariftoteles Mcynung berulit auf der Idee Ton der Zirkelbewcgung des Weltalls, auf der Beweguiig der Elemente, den Grenzco der drtlicben Bewegung, den Gcfetzen dur

Be-

•) P. i£>4 ~ 197.

P. »98 t

7. StAck. T

DigitKed by Googie

82

Bewegung uberbaupt, der Unm5g]icbkeit et* was Unendlichcs finniich wabrzunehmen , dem BegrifTe eines KSrpers, dex Eintheilung und Stuffenielter aller WeJtkOrper and dem Be* gri/Te der Vollkommenheit.

Es ift nicht nStbig, alie die einzeln<*n Puncte anzurilhren , womit Bruno diefe Gran- de beftreitet. Einige derfelben benutzt er fnr feinen Zweck: bey andern leugnet er die

Richtigkeit der DeHnitionen. Eigenthunilich iind ihm folgende Vorausfetzungent anf die er weiter baut: Es giebt kein Leichtes und

Schweres, kein Mittel, kein Aeuferes, kein Hinauf und Hinunter, in der Natur ift keine grade Bewegung mSglicb. Alles das Und nur Behelfe fiir unfre Vorftellung. Alie Weltkfir- per beftehen aui denfelben Elementen, die fich auf zwey Gattungen bringen lalTen, je nachdem Feuer oder Wafler die Oberhand bat. Der allgemeine Raum bat keine Figur. Die Dimenfionen des Raumes bnd verfcbieden ▼on denen des KSrpers. *) Wenn AriTtoteles die Vollkommenbeit der Welt darein fetzt, dafs be durcb nichts anders, fondern in bch

felbft

•) P. 248.

Digitized by Googie

83

felbft begrinzt ift: fo pafst diefe Erkiarung

belTer auf unfre Lehre. Denn wahriich ift erft das reclit vollkommeiit was durch keine Wirkung, Kraft und Vorftellung begr&nzt ift, fondern diefs alles felbft begr&nzt: und

diefs ift das Uncndliche. Aber wir woHen weiter gehen. Vulikommen ift das Univer- furaiy nicht infufern) ais es Grenzen hat, aus beftinunten Zahlen und Tbeilen befteht: fondern weil Alles, Keihe, Ordnung, Zalil» Theile, in ihm entbalten ift. Wo unzahlicbe Vollkouimeiibeiten entbalten iind , das tft vollkommen. WefTen Kraft durch nicbts ge- bindcrt wird, was aller Formen Form, aller IVlaterien Materie ift, wo alles Gute in Eins zurammenlrift: das ift Tollkonunen. Und

diefs ift das Unendliche.

tVcltkurper, Haum. *)

Dem bloffen Urtheile der Slnne trauen, und etwas fur unmdglich balten , weil man es nicht fieht, ift ein Verfahren, welcbes Kindern, aber nicht Denkern geziemt. So ift zum Tbeil der Ideengang des Ariftoteles.

F 3 Alie

•) P. aSg.

Digitized by Googie

- «4 -

Alie feine Beweife beruben aaf diier Petitio principii. Denn Bewegung , Mittelpunct, Um- kreifs, Oben, Untcn, Dicht, Dunn, Warin« Kalt find AfTectiunen des Endiichen, fie be> weiPen nicht die Endiicbkeit, fondern fetzen fie voraus.

Ich will mit meinetn SyPteme Rede fte> hen. FragPt du mich : wo ift Ort, Raiim, Leere, Zeit, Korper? Im UniverPuin. Wo ift das UaiTerfam? In jedeni Ortei Rauine, jeder Zeit, jedem Kdrper. Giebt es auPer» balb des Unirerfums etwas? Nein. Warom? WeiI es weder Ort, noch Raum, noch Be* wegong, noch Kdrper giebt. Warum giebt es aufer dem UniverPum weder Raum, noch Kdrper? Weil dieis alles im Univerfum ift. Warum nicbt auch aufer demPelben? Weil auPer demPelben nichts ift. Und warum das? Weil es unendlich ift. Und warum diePs? Weil du kein Ende zeigen kannPt, nicbts, wovon das UniverPum begrftnzt Pey.

**) Unfre Erde ift nicbt in der Mitte, aa-> fer auf die Art, wie man ron Allem Pagen

kanD,

•) P. afiS.

*•> P. 8/5 89B.

Digitized by Googie

85

kann, es fey in der Mitte. Sie ift eben fo wenig eln Himmel des Mondes» wie der Mond ihr Himmel ift. Ibre Oberflicfae er~ fcbeint den Mondbewobnern eben fo an* fdrnilich und fleckigt, wie uns der Mond. Die Mondfleckcn And das, was auf Erden das Land ift, das Ijcbt im Monde ift das Meer.

Widerlegnng der Griinde, womit man den Mittelftand der Erde beweifcn will, *) aut der Gleichheit des Lichts und Schattens, der Mittagslinie und andern Pdncten. Der ganze Abfcbnitt gebSrt (iir den Aftronooient fo wie melirere der folgenden.

Keiiie Bewegung ift regeimanig, kcin Weltkorper wiederboit eine und diefelbe Bahn : es giebt im Unirerfum keine Zirkelbewegiing. Das Platonifcbe Jahr ift alfo ein Traum. **)

***) Der Himmel ifl Ein Stbcrifcber un- endiicher Raum, die Eide ein Stern unter Sternen. Alle VVelikGrper beftehen entweder aus Feuer oder Waflier. Denn alles was

F 3 leucb*

*) P. *94-

P. 3©7 519.

P. 3*0.

Digitized by Googie

86

lencht^t, leuchlet entweder durcli fich, wie das Feuer, oder durch ein Medium des Feu- ers« wie die Fliifligkeit : oder durch beydes Kurammen.

*) Hic ergo te appello veneranda praedite mente,

Ingenium cuius obfcuri infamia fecli

Non tetigit, et vox non eft rupprefTa ftre-

penti

Murnure ftultorum, generofe Copernice,

cuius

Pulfarunt noftram teneros monumenta per

annos

Mentem, cum fenfu ac ratione aliena puta- rem

Quae manibus nunc attrecto teneoque reperta.

Wie war es m6glich , groITer Mann , dafs du aus diefer Blindbeit unfers Zeitalters, wor- inti allcs Licht der Pbilofophic und der mit ihr verwandtcn Winenfcbafien verlofcben ift, dich emporbeben konnteit, uin das, was im vorigen Jabrhunderte Nicolaus Cufanus in feinem Werke: de docta ignorantia, mit

halblauter Stimme gefagt haite, dreuft und

kulm

•) P. 547.

Digitized by GoogI

87

kuhn rorzutragen! in der Hofnungt dalis deine Hypothefe, wenn fie auch an fich nicht gcwifs ware, dach ais eine grode Erleich* terung bey den afcronomircben Berechnungen zugelaffen werden wiirde. Ich hore dic Wor- le, viroinit dich dein gottlicher Genitis zo diefem Unternehmen ermunterte u. f. w.

Darftellung des Copernikanifchen SyTiems, und der Puncte, worinn Bruno depjfelbcn licht beyftimmt. *)

Sind die obern und untern Welthirper ver- fchieden ?

Ariftoteles und feine Anhanger behaupteten es. Sieben Grilndc follen ihre Eehauptnng unterftutzen. **) Bruno bemubt fich, diefel- ben zu widerlegen: aber feine Widerlegung

ift oft eben fo, wio die Beweifsart feiner Gegner, nichts ais kleinliche Spitzfindigkeit. Nach feiner Hypolbcfc find alie Weltk6rper, in Riickficbt ihrer Materie, einander gleicli. Denn wo Licbt ift, da ift Feuer, und wo Feuer ift, da ift aucb WaCfer. Dena Feuer

F 4 ift

•) P. 55o 546.

P. 346.

Digitized by Google

88

ift nichts anrlers, ais durch die EinwirkuDg des Licbts gebildetes Waller.

Ein Blick auf unfre F.rdc. *)

Befteigt mit inir den IMnndkurper, und betrachtet von da aus die Erde, im Strahie der Soniie. Ih welcbe kleinc MalTe zieht fich diefer Kluinpen zuraiumen ! \Vu find die W^I* der, StrOme, Berge, SiSdte u. f. w. ge- blicben ! Hin und wieder erfcheint auf die- fem Muere ein dunkler Fleck, wie eine In* fel. Das Ganze ift dir nicbt mebr eine Erde, es ift ein Alond. Und nun Aehe um dich her, wo du bift. Wo ift die Fackel der Nacbt? Siehe da, Walder, Flarfe, Berge, Menfcben, Thiere: es ift kein Mund mebr,

es ift eine Erde. Doch halte didi nicbt auf, um mit diefen Menfcben zu reden, and ihre unbekannte Spraobe zu lernen : iie wurden dir nichts bcffos fagcn kiirinen, ais du durch dich felbfl erkenneii kannft. Klein und un« rnerklicb ift dort die Abwechslung. Was kbmien be an unfrer Erde bemerkt habenl Wo ift der Punct, den man Britannien nennt ?

Wie

•) P. 36o.

Digitized by Coogie

89

VVie eln Haar, liegt Itallen da: alles Staub-

klein , kaum zu umerfcneiden. Gene mtt mlr von Stern zn Stem: iiberall findeft du

diefelbe Subftanz, dalTelbe Verblltniri zu ibier Sonne.

Wiren wir auf elncm Sterne der erften Grbffe: fo wurde uns die Sonne ais rin Sferii

eben dicfer Grbffe erfclieincn; auf einem panz

O

emferntcn und jelzt kleiii fdieinendcn Sterno wurde uns dic Sonne eben fo klein vorkom* inen, und da oder dort ganz unlicbtbar werden.

*) Die kleinen Fl§mmchen der Nacht find keine bloffe Lichterchen; es find Wciten, zum Tlieil unerinefslicb groffer, ais unfre Erde. Wie grofs mufs der Pianin feyn, der diefs Alles erfiillt! Und er foll elne Griinze haben, eine VVand, hintcr wclcher nicbts mehr ift? Ais oh uhfre Erde, ein Punct gegen das AU, allem was ift, GrofTe, Licht, Warme und Dafeyn nach dem Maaffe unfrer Sinne auszutbeilea hitte! ais ob niclit uui fihnlicbe Sternd ein abniicher Raum init &hn>

F 5 liciier

•) P. 3fi5:

Digitized by Googie

licbcr Entfernang und Unermelslichkeit feyn kCnnte I

*) Von der Venus, dem Monde Merkurs, herah oder liinauf gefehen, wie grois und WQ ift dic Erde? Sieh dort, ein blinkendcr kleiner Stem; dic Flecken fmd nicht mebr, der breite Saum ift veiTchwunden : cs ift ein kleiner Kiirpcr geworden, der in feinem gan* zen Umfaiige gliinzt.

Analo^ie der Sinnewtelt. **)

Doch damit du diefs Alles nicbt fur leere Einbildungen lialft, fo nimm deine Sinne zu Hiilfe. Bemcrkft du nicht in der tiglicben Erfahrung, dafs jeder K5rper, von wel- cher Figur er feyn mag, in eben dem Maaffe, ais du dich von ihm entferneft, fich in ei- ncn Mittelpunct zufammenziebt und zuletzt die Geftalt eines flacben Kreifes annimmt? Ein fchaitiger Korpsr fchmndet fchneiler, ais der licbte. Wenn nun Licbt und Dunkelbeit ziifammentreffen, und beyde in einen Mittel- punct elnlaufen: fo fcbwindet das Dunkle

viel

•) P. 565.

P. 369.

Digitized by GoogI

viel gefcbwinder, das Llchte bebiit feine run> de Form iftid gl&nzt dann allciii und in kiei* ner MafTe. Nimm eine Tierfache Fackel und lafTe fie von dir imtner weiter entfernen: zu* )etzt fchiBelzen die vier Flatnmen in Einc zu* (ammexu Ein gleicbes wirft du bcy dem 2Uondk<Srper bemerken, deffen Glanz iiuiner Toller und fchirrer wird, )e enger die Oef* nung ifi, duxcb welcbe du ibii betracbteft.

Sonnenkdrper. •)

Auch die Sonne ift nicht ganz leuchtend: ihr Licht wurde nicht cinmab} fu l'chll>ar feyn, wenn es nicht auf rchaitige Theile gleiclifam aufgctragen wire. Sie befieht grofs- tentheils aus WarTerlhellen, dena keia i'euri> ges Licbt ift ohne WarCer, hiiubger iTt das WaCrcr Licht ohne Feaer. Sie miifj alicr fo verfchiedne Theile iiirer Oberllachc hahen, wie die Erde, daii^lt dic Gcfcbo^iic auf tlcr* felben leben kOnnen. Frcylich wiiiden We- fcn unTers Gefilrns nur in wenigen Gegenden derfelhen daucrn kunneii: aber inuo denn

ubcrall Alles gcrade fo, wLe auf uiifier Eide

fcyn?

•)P. 379.

Digitized by Googie

92

fejrn? Kann es dort nicht andie Gerdidpfei ■ndre Sinne» andie Erkenntnil^krsUte geben?

Was Brimo weiier *) von der Urfache des Glanzriis und Ftimmems der Sterne, von der Gleiciilieit aller Himmelsk^rper in Ruck* Bcht ifarer Subftaiiz, von der Gleicbbeit des Mondes mit unficr Erde, Ton den Tcrfcbie- denen Wobnpiauen auf der Eide, von der NIchtigkeit der Meynung, ais ob der ficht* bare bcftirnte Himniel nur Einer fey und ficb umber krcife, and von der Leerheit der ge- wdbnlichen malhematifchen Weltkngel an* fuhrt, ift zuin Theil fchon berCkhrt worden, zam Theil beruht es auf ganz aftronotnifcben Sitzen , deren Entwicklung aufer anferm Wege liegt,

Me/irheit 4tr Planeten,

Alie Geflirne mQlTen vielerley und meh* rere Bewcgungm haben, ais die Erde, damit die ganze Maffe in Leben und Kraft fey. Aufer den Planeten, die wir fchen, muls es Aocb unz&hlig mebrere geben.

Lt^ft

•) P. 585.

P. 408.

Digitized by Googie

93

l.uft und HiiTunel.

Luft (ai-rj ifi eine geifti^e SuliTtanx, oder eine fciichtc Subfiar.z cines feiiien Korpers. Aether ift das, was wir auch Hiinmel, abfo« liiten l\auMi, Leeie nenncn, der alie K6rper itis Unendliclie uinfafst: er ift Feucr, info-

fern ais Allcs, was er enihalt, Feuer ift. Die Gefiiriie hcifsen alherifch, weil fie flam» men. Sie heifscn Aether, weil fie laufen. Raum heifst der Aether, weil er durch- laufen wird. Es lind fo viei Hiinmel, ais Geftirne, wenn wir unter Hiiuiiiel den zii- fainmenhiingenden utirgcbendeii Raum eines jedcn verf:elin. Des Himmeis Hiuiinel ift der Raum eines Syfietns, wie das, worinii iinfre Sonne mit ihren Planeten ift. Der Hiinmel aller Himniel ift der groRe unermefsliche Raum. Der Sit/, der Sceligeii llnil die Sterne: der Siiz <!or Co;ier ift dor Aether, denii ich neniie <!ie Siei tie Gotter des 'z.wej ten Rangs. Der Sitz Guttes ift der ganze unermefsliche HiniineI, Golt ift dic Eiliillung dos lecren Raums, der Vater des Lichts, der Unaus* fprechlidie,

Beu/t-

•) P. 4 id.

Digitized by Googie

*j4

Sefle im Ali. *)

Die Spiiaren bewegen ficli durch die athe- rlfchcn Iliume in leicbtem Anflofs durcli eine eigne Seele: der Kiirper gehorclit der Seele,

und Ton Seiten des Raums Andet Acb nir* gends ein HIndenIlIs. Das Princip diefer Be- wegung ift Empfindung (Senfus), die zweyle Gatlnng Erhenntnifs y und dann Eegierdcy dia der Erkenntnifs folgt. **) Der Zweck ift Selhfterhaltung. Das Bewcgende die Seele, in der bewegend und bewegt dem Subject nach Elns und cinfacb ift. Bey jedem Thiere ift der Bewegung erfte Urfache die Seele: denn elneii aufern Antrieb anziinehmen ift eben fo leer, ais zu bebaupten, die Glieder des Tbiers bewegten ficb von felbft. DIefe Seele ift eine unkdrperllchc Subftanz, iiberall im Ganzen und in jedem Tbcile.

Und fo wie die Seele das Princip des Le> bens ift: fo ift fie das Princip der Bewe-

gung: fo wie fie fich felbft lebt, fo bewegt

fie fich felbft. In ihr liegt jede Art der Be-

we-

•) P. 426.

**) M.^ii wlrJ Acb an Campanella'a Senhii, Cognitio 1 Amor und Conlcrvaiio Sui erinnem.

Digitized by Googie

95

wegung gieiclifam prlfprinlrt, und wle man» nigfaltig auch diefe Arten fcyn mOgen ; fo gebOren fie doch alie zu Elner Bewcgung. Es ift iinmcr nur Ein und derlelbe Kunfiler, der da Tchneldet, bindet, bohrt, leimt oder

Crflalt der Erde. *}

Die gewOlinlichen Grilnde fiir die runde Geftalt der Erde werden widerlcgt. Bruno fchl&gt einen andern Wcg ein. Alles in der Weli ballt ficb, der Waffertropfen , der fich ablubit, wie das Blait Pergament, wel- ches man an cinen licirsen Oit liiilt. Die runde Geftait ift die vollendetfte : alles Ecld:;* te zeigt Mangel an. Die Thcile der Erde ftre- ben alfo Zi^ar iiach der ruiiden Geftalt , fo viel Jle konnen : aber Jie erreidten fie nicht voU-

kominen. * *_)

Das All ein Tbicr,

Der prbfsle Theil des fiinften Buchs ift wie* der mehr artronomifeb , ub znir gleich die

da-

p* 434-

**) Man liann diefeo: Ilypothera unmOglich cinen tiefen Scharflmn und BeobacblungsgciU abfpir. ch;n.

DigitKed by Google

- 9G -

darinn rorrctragcne Afironoinie etwas fophi- ftifcli voiKommt.

Iii fein Syftem gehSren diefe Satze: *) Alles ifc Eins, und Alles in Allem:

Singulis propierea numeris collaia decenter Sunt genera, atque horum monas eft fub* ftantia ut unurn

Omnia hnt vere, at per lingula multa vi- dentur.

Das Ganze ift belebt und belebend: **)

Eft animal Tanetum, Tacrum et venerabile. Mundus,

Quoque animante animans eft, quidquid vivit in ipfo;

Efnnclum membris melioribus atque beatum. Nobiliore animo, fortuna, ac fine profecto.

Sind gleich die Theile des Alis nicht unTern Kbrpertheilen ahnlich: fo ift es doch ein

bclehtes Wefen , wie unfer Kbrper. Selbft die Steine haben Leheii und Empfindung.

(Den

*) P. 452.

*•) P. 4«A

Vergi. Jacf^b. S. 271 f. Ilieilier gehort denn auch m }> a n e 1 1 a 5 Hypoilicie de IcnTii renmi, dic ei' voa iliuno emlehiite uiid wciter ausfuhrte.

Digitized by Coogle

97

(Oen EeweiCs geben allerley Mabrcfaen aus den Alten.) Dt=r fciiwaclie Menfch indefTeii hile nichts fiir belebt, was ihm nicht ihnlich ift; darum denkt er fich rclbft die Gottbeit in menTchlicher Gefult. Aus Sand und Waf- fer entDelien Frbfche, Kolh verwandelt fich in Wiirmer oder Fliegen, aus dem Aafe ei- nes Pferdes wachft Gefclimeifs, aus dem des Odifen entfteben Bienen. So werden Maufei IVlutten , Schlangen , Ameifen aus unbekannten Keimen erzeugt.

Die Welten der Zahl nach unendlich.

Vor der Unterfucbung uber die Mehrheit der Welten geben eine Menge elnzelner Anmerkungen vorher, die mit der Hauptfra* ge zum Tlieil in gar keiner Verbindimg fte- hen. Dahin gehort der Bcweifs, dafs die Erde eher das leicliterte, ais das fchwcrfte Elcment (im gewohnlichen Sinne diefes Worts) feyn muITe. Ferner eine Vcrgleicbung zwifcben der Begattung der Welten und der menTchli* chen: eine Unterfuebung iiber die Hbhe und

das VerLiiltnifs des Waffers zur Erde; iiber

dia

•) P. 5o7.

7. Stiick* Q

DigitKed by Google

die Gemeinrchart der Elemente; (Warfer die Griindlage der Erde, die Erde ilberal] pords und Ton Liift erfullt) uber die Terfchiedenen Gatcungen des Fcuers; bber die BcfchafTen* heit der Kometen , ^Comeiae apparentia eft lux Tolis reflexa in aqueam ad oculosque no* ftros oppofitatn aftri Tuperbciem , in qua fci- licet radius noTter vifualis ouin Tolari radio angulum efficiet. Siibiectum cometae eft pia* neta^ folem circiiracurTaiis non minus atque aliter quam tellus TubTlantia quaedam compo* Tita eft: ab iftis vero famosis planetis fola

relatione differens: quoniam ea de cauTTa

raro apparent, quia eorum circulus non venit ad eam oculorum noTtrorum et Tolis oppofi* tionem, ut fpecularem reddat lucem, nili raro, quando Tcilicet ita devenerit utrumque aTtrum, ut fplendor ille excitatus in corpore aftri habet ad oculos noTiros reflexionem. Et nihil eft, quod obftare pofflt, quo minus eadem relatione omnino viciffim corpus tellu- ris fulgidum aTtrum alio tempore in Tpeciem cometae illi appareat, cum ocularis radius eorum, qui Tunt in illo planeta, quem co- metam dicimus, una cum Tolis radio angu* Ium facient in oppofita lucida facie telluris

fecun*

Digitized by Google

99

Ifcundum easdem diiratlonls et qualitatis dif*

feremias. P. 564. Caudam oportet effe

fubftantiam vapororam, quae ad partam aftri folidam non fpectet, fed per humorem per aerem ab illo corpore effluentem virtute concipientis et diffolventis caluiis a fole. P, 569.)

Hiernachft werden vorlaufig einige Ein- wendungen gegen die Mehrheit der Welten bcruhrt. *) Die clue, weil bey einer folcben Mehrheit auch mehrere Mittelj)uncte feyn mufs* ten. Bruno gidjt das zu, findet aher darinn keinen Gruiid. Die andre, weil jede Bewe- gung einen Ruhepunct haben miiffe. Bruno ftcllt feine Ideen von der Relatlvitit des Orts, der Bewegung u. f. w. dagegen , und zeigt, dafs jede Bewegiing theils cndllcb , ihcils un- endlich gedacht werden muffe.

Beftimmter wird diefer Punct iin fiebcnten Bttche abgehandelt. **) Sechszehn Griinde werden aus Arlftoteles und den Peripatetikeiii dagegen aufgeftellt , und dejr Reihe nach wi*

der-

*) P, 575.

P. 584-

G 2

DigitKed by Google

lOO

derlegt. Die melfien davon erldirt er grade* hin fur finnleer und kindifch. Die eigen- thiiinlichen Ideen deffelben, die fchon oben ausgezo/^en find, kommpn hier in Anwendung wieder : aufer ihnen findet ficb nicbts, ais

Sophiftik gegen Sopbifiilc.

Veberficht des Syftems.

Im letzten Buche fammelt er nun in Einen Brennpunct feine bis dabin vorgetragnen Ideen fowohl, ais die Ausfalle gegen andre Pbilofo* phen, Tornemlich die Peripatetiker.

Nur wenige, beginnt er,*) ftrtben emfi- lich nach wahrer Pbilofophie. Wer fie ernft- lich fucht, Andet fie. Da nun fo wenige fie finden: fo ifts klar, dafs nur wenige fie ernft- lich fuchen. Bey den Mciften ift es nur Ge- winnfucbt oder Ehrgeiz, der fie hier leitet, und was fie finden, ift Thorbeit. Weis- heit ift etwas Gdttlicbes. fie wlrft fich kei» nem Unwiirdigen in die Anne.

Alles ift Eins und unendlich. **) Denn

hatte

•) P. 623.

••) P. 63i,

Digilized by Google

loi

lifttte der, welcher Unendiichkeiten fchaHen konnte, nur elwas Endiiches gemacht: fo

wiren felbA fchwache Sterblicbe mehr Ebre wertb, die fich nie niit dein begnugen, was ihnen gegeben ift, fondern ins Unendliche Fort ftreben. Die Gottheit wire neidifcb , und ihre Giite befchr^nkt. Nur im Unendlicben konnte Acb Gott unendllcbe Ebre und Anbe* tung bereiten.

Wefen und Seyn Ift nichl verfcbieden, *) Tantum inbnilo eft unum, quia prorfus utrumque.

Natura eftque nihil nlfi virtus inbta rebus,

Et lex qua peragunt proprium cuncta entia

curfum,

Gott.

Gott ift unendiich im Unendlicben, allent- halben, in Allem, nicht iiber, nicht auferhalb, fondern allgegcnwanig, fo wie das Wefen nicht aufer oder iiber den Dingen, die Natur nicbt aufer dem Natiirlichen, die Giite nicht aufer dem Guten ift.

G 3 Ergo

*) P- 647.

P. 649.

Digitized by Googie

102

Ergo age comprendas, ubi fit natura Deusque, Namque ibi funt rerum caufae, vis priuci-

piorum,

Sors elementorum, edendarum femina rerum, Foimae exemplares, activa potentia promens Omnia, fubftantis celebrataqne nomine primi. Eft quoque materies pafliva potentia fubftans, Confirtens, adftans, veniens quafi femper

in unum.

Nam minime tanquam adveniens formator

ab alto,

Adftat ab externis, qui digerat atque figuret. Atqui materies proprio e gremio omnia findit : Interior fiquidem natura ipfa eft fabrefactor. Ars vivens, virtus mira quae praedita men»

te eft.

Materiaeque fuac dans actum, non alienae, Non baerens, non dlfcurrens meditatur, at

ex fe

Cuncta facit facile, velut ignis fplendet et

urit

Plusquam praefens natura eft infita rebus, A nihilo difians, quoniam nil diftat ab effe. Praeterquam falfum, nunquam, nusquam,

nibilumque;

Et

Digitized by Googie

io3 '

Et rerum facies dum tantum Auctuat extra, Intimius cunctis quam Ant Abi quaeque vi«

gens cft

Entis principium, cunctarum fons fpecierum. Mens, Deus, Ens, Unum, Verum, Fa<

tum. Ratio, Ordo.

F.

C 4 UEBER

Digitized by Googie

i)BER DIE PHILOSOPHIE

ERIEDIUCHS DES ZWE YTEN.

A.]s jemand den Feldherrn Iphiltrates fp6t- tifch fragie: wer er denn eigentlich fey, da

er weder umer die Schwerhewafnelen , noch untcr die Bogenfchiitzcn , noch unier die Pel- taflen gehiire, antwortete Ipliikrates ganz ru- Iiig : Ich bin derjeiiige , der allen dielen be-

iiehlt und fie, vvo es niitliig ift, braucht. Man kbnnte vielleicht eine abntiche Antwort ge- ben, wenn auf eine alinliche Art nach der Philofophie des grofsen Friederichs gefragt wiirde. Friederich war weder Metaphyfiker, nocb Logiker, noch Moralift; er war derje* nige, der iiber aile diefe Wiffenfchaften mit feinein Geifte hefah], und ile, wo es ndthig war, brauchte.

Wenn

Digitized by Googie

io5

Wenn diers richtig ift: fo l)cdarf die Idee,

etwas uber Frledericlis Philofopbie in eltier Samrnlung, wie die gegenwai lige , niederzu- fchreiben, allcrdings einer Enifcbnlfligiing oder weuigrtens einer vorlaubgen Erklarung.

Friederich gebOrt weder unter die Erflnder philofophifcher SyJteme und Wahrheheri, noch unter die Bearbaiter der Phllofophie, ais Wif* fenfchaft. Sein Naine wird nlcht geuannt werden, wenn davon die Rede ift: was die

Philofophie extenllve durch weitie recbtmaf- |]g0 Anwendung ihrer Pnncipien oder durcH Entdeckung neiier Grundfatze, und iiitenTire durch eine fy ftemalifche Form, durch Auflln- dung eines geniigenden Princips und einer elgenthumlichen Methode gewonnen habe? Man wird feine philofophifchen Scliriften we- der ais vollfiandig ausgearbelieie Syftcme, noch ais Compendien fuchen : Aber , wenn

inan fehen will, welche Form dic Pliiiorophie in einem folchen Kopfc anniinint , w elche Anfichicn ein Manu von Fiiodrichs Geift» Kraft, Lage und Thatigkeit wahlt, um fich das Rathfel der Welt und des nieufohlichen Dafeyns zu erkliiren, wenn inan alfo aus einzelnen Beyfplelen lerncn will^ was und

e 5 wie

Digitized by Googie

io6

wie vici ans der Schule der Philofopbie in die Welt ubergelit: fo wlrd eine Betrach*

tung liber Friedeiichs Philofophie eben fo be- lebrend, ais unterhaltend fcyn. Ich habe fchon dftrer die Freude gehabty zu fehen, dafs rneine unvolikommen ausgefiihrten Ver* fucbe tiefere Denker veranlafsten , die Gegen* ftinde genauer und critifcber zu bebandein» Vielleicbt ift das mit dem gegenwilrtigen eben* falis der Fall.

Wenn dasjenige, was man philofophifchen Ceift nennt, in einem immer regen und thft« tigen Drange beftebt, fich mit den groffen Gegenftiinden des menTcblichen Nachdenkens zu bcfchartigen, in der hSbern Wirkfamkeit des in uns liegenden Triebes nach Erkennt- nils der Weit und ihres Zurainmenhangs: fo

kann man Friedrichen Icbt pliilofuphifchen Geift nicbt abfprccben. Und man darf nur einige feiner Abhandlungen gelefen haben, um auch die Anlage zur Methode diefes Nach* denkens, alfo den philofophifchen Kopf^ in ihm zo erkenncn. Es kam nun vornehmiich darauf an, wie diefe Anlage entndckelt und gebildet wurde.

Bey

Digitized by Googie

107

Bey demjenigen, der von den Lehren einer geofTonliarten Religion foTt uberzeugt ift, wird natiirlich der philofophirche Kopf fich ganz anders richten, ais bey dem UnglSubigen. Hirtorifcli gewi/s von den llefultaten, auf die ilin fein Nacbdenken fiibren foll, darf er nur diejcnigen IdecH zurammenreibcn nnd rcft> ftellen, welche ihn auf einem andern Wege zu dcrafelbcn Ziele fuhren« ein Gefchaft, welcbes ibn um fo leichter wird, da er die entftehen* den Liicken obne Miihe mit hiftorifcben Wahrheiten aiisfiiUen kann. Er fuclit nicht Belebrung, er hat lie fchon geftinden, ibm ift es nur um Prumi(Ten, nur darum zu ibun, wie er das von auffen Gcgebcne mit feinen eignen Vorftellungen in Vcrbindung biingen kiinne. Eine andre Verfchiedenbeit in Aus* bildung des philorophiTcben Kopfs l)crubt auf dem friiben Unterrichte felbft und auf den verfcbiednen Lagen und Befcbaftigungen der Menfchen. Wer in die Pbilofophie biftorifcb eingeleitet wird, wem bey dem Anfange fei* ner Geiftesentwickelung die W erke ausge* zelcbneter Denker in die Hinde fallen ; der fingt mit dem Verfteben und Beuribeilen, niclit mit dem unbefangnen Forfcben an , und

wenn

Digitized by Googie

io8

wenn auch nicht Alles, was er gelernt 'hat, in feinen Kopf paCTcn will; fo ]&fst er fich duch wenigTtens bey feinen AUweichungea diitch darfelhe leiten. Endiich, wie ganz an* ders wird fich das pliilofupliirche Genie bey demjenigen entu-ickeln^ der in kleinen, ftillen Verhaliniffen lebt, ohne AufTorderung zu grofsen Wiinfchen, unberufen zu grofsen Unlernehmungen, vielleicbt in der duTtern Celle, wo er fich eine Weit denken kann, wie er fie niithig liat, wo er die Menfchen niclit handeiri heht, fondern ftcb einbildet, wie fie handeln mbchten, wo er felbft nicbts unterneiionen kann, und keinen EinQufs auf Andrer Unternelimungen hat: wie ganz an-

ders, fage ich, ais bey einein Manne, der fo viel zu denken, fo viei zu wiinfchen und zu unlernehmen, fo »iel zu vertreten und zu erhalten, fb viel zu handeln und zu wirken hat, wie ein Kbnig. Wie grofs ift nicht fcbon der Einfliifs der Zeitumftilnde auf un- fie phllofophifchen Anfiohlcn. „Glaubt inirs, fchreibt ein franzbfifcher Moralift der jetzigen Zcit, glaubt mirs, ihr Denker iin Auslande, die ihr ruhig und uiigeftdhrt in euren Cellen Rtzt und eure Syfteme abfpinnt, es moralifirt

fich

Digitized by Google

109

fich ganz anders mhfen iin Gelummel der aijsgebroclienen Leidcnfchafien, miuen iinter den lluinen alter Siiten luid Gefetzc, unter Krlepsgefclirey und Ficyluiitsianmel ; eure Tlieoricen von Mi-nfclienkenninifs rcichea da niclit aus, und eure iiioialifchen Gebotlie gleicheii der Kindei fiiinim*, dic das Braufen eines tobenden Meeies anfc;lireyt.“

Es ift wolil nicbt noiliij^', nmililndlich ans- einander zu fetzen, was von deu angegeb- nen Puncicn auf Filcdericb pab-t. Bekannt ift fcinc Geflnnuug gegen die pofitive Religion, die niclit etwan eine Folge des philofophi- feben Naclidenkcns war, fondern durch ju- gendllclie I.aune und veifrhicdiie Nebemiiii- ftande berlicygofuhrt wurde. liekaniit ferner dic dainalilige Gcfialt der Philolin)iiie, befon- ders in Deaifcbland , und dic Ari des Unter- riclits, der dem Kiinige zu Tiicil wurde. Bekannt endiicb, was Friedeiicb war uud tliat. Um indeffen bey dem zweyten Puncte einen Auecnblick zu vctweilen: fo weifs

v>

inan wolil, dafs Fricdcrich die Schriften Woins kannte und niit Aufmei kfandicit ftu- dierte, nmii ficlit fogar, dafs von dem Plan- iniifigcii uud Sircngformellcii diefes Syfiems

vid

Digitized by Googie

?iel in fcine Art zu philofophiren ubergegan» gen war: aber man mufte die WoJffifcbe

PhiloTophie, und den regen kufanen Geift Friedrichs wenlg kennen, wenn man ficb wundern wollte, dafs ihra jenes SyTtcm nicht lange genUgtc, dafs die allm&blige Bekannt* fchaft mit den ungleich popuiarern und frey» ern PhiloPopliemen der Franzofen es v6llig aus feiner Seele verdrangte. Eben aus diefer fuccerTiven Bekanntfchart mit den Werken ver- fchicdner Dcnker erkl&rt es lich leicht, war- uin feine Art zu philofuphiren nicht zu allen Zeitcn diefelbe war und fogar oft zu einerley Zcit fich widerfprch.

Welclie IVliihe giebt er fich in einem der &ltern Briefe au Voltaire *), diefetn die Er- kl&riing annehmlich zu niachen, welche WolIT Ton deni BegriflTe cines einfachen We> fens aufgertcllt hatte. Ohne Weigerung naacht er dem letztcrn den Procefs nach, durch Er- klarungen finnllch gegebener Gegenftftnde zu der DeAnition eines ganz unTinnlichen aufzu- fteigen, er findet nichts befiiedlgenderes, ak die WoirAfche DeAnition von l\aum und Aus-

deli-

•) VIII. 2g5. OeuTr. p. ed. Beti.

Digitized by Googie

111

debnung, und getraut ficb, init diefem Md> tapbyPiker die bdcbfte Stufe menfcblicber £r> kenntnirs zu ei Tcltwingen.

Man vergiciclic damit Deinen philofopbi' fcbcn Commentar iiber die Lebre von der Freyheit *) Ueberzeugl, der Menfcb diirfe nicht Erkenntniffen entfagen, wozu er durcb Nachdenken gclangen k5nne, legt er die Idee eines Gottes zum Grunde diefer Lebre. Der bloITe Name Gott, obnc die Idee feiner Eigenrchaften , befonders feiner Macbt, Weis- beit und Vor^iffenheit, ift ein Ton obne Bedeutung. Kt nun aber Gott weife? fo niufste er bey der Hervorbringung des Weit* alis einen Zweck geliabt halien. Hatte er diefen, fo mufren alie Ilegebenheiten dazu fiiminen, und ifc das, fo niulTen aucb die IVlen fcbcn den Ablichten des Welturbebers gcm^fs bandcin , und ficli alfo bey ibren Handiungcn nach den unvei dnderliclien Ge« fetzcn benimmen, denen lie geborchen, obne es zu wiffcn ; fonft wiirde Gott cin miiniger Zufcbauer der Natur feyn und die WeIt nacb der Laune der Menfchen regiert werden.

Wol-

•) Eb. 3a6.

Digitized by Googie

W<>]1cn wlr alfo nirlit die Freylieit, in dem pe^amit^eri Sinne des Wortes, aufgeben: fo

iiii-rrcii uir die Idee einer Gouheit aufgeben, uml icb gefifhe, fctzt er hinzu, dafs ich riicli lieber dainit befchafrlge, in den Ab- pnind der Urierinefsbchkeit eines Gottes mich 7.U vciferiken, ais dafs ich einer Erkenntnifs dedVTbcn und jcder Vernunftidee , die ich \oii ihm baben kann , entfage. Giebt es aber keincn Gott, fo ift Voltairens Syftem das ein- zige, welches ich annehmen wiirde. Nach- dern er alfo den BegrilT der Freyheit durch die Idee von Gott fchw-ankend gemaclu hat, f. tzt er iliin vollends noch durch Erfahrungs- fltze zu : der Mecbanisimis des KSrpers, die aufern Uinfiilnde , die auf den Menfchen Einilnfs baben, die Berechnnng der aufer al- ler Gewalt ftebenden Folgen def Handiungen, alles das bcweifst, dafs der Menfch nichtfrey liandelt, fomlern dafs die Goltbelt einen Je- den auf eignc Art bcftiinmt und leitet. Alles run, was aus diefeni Syftcme folgt, dafs die Mnnfchen nur Werkzeoge in der Hand des SclibnhMS find, ohne eignen willen, dafs Tu};end oder Lafter ibnen nicbt ziigerecbnet wei den kanii , alles das giebt er gern nacb,

aber

Digitized by Googie

ii3

»ber er erklSlrt fie fanfter und phi]ofopbircher» Dafs es ihm damahls mtt dtefen Behauptungen Ernft war, beweifst die ausfuhrliche Verthei* digung derfelben, die er an einer anderit Stelle beybringt. *) Hier berufi er fich nocb auf folgende Sstze: Gott kann das Wefen der Dioge nicbt andern, er mufte aifo die Reibe von Weltbegebenbeiten feR benimmen, er konnte mitbin dem Menfchen keine Freybeit geben. Oer Menfch denkt zw-ar^ aber nach den ewigen Gefetzen feiner Beftimmung. Gou hat den Menfchen die geheimen Triebredern» wornach fie handeln miiffen, rerborgen. Tem- peramente und gelegentlicbe Urfacben find diefe geheimen Triebfedern, aber in der Hand Gottest Wenn das ganze ficbtbare Uni* verrum, wie die Afironoinle lehrt) an fefte Gefetze gebunden ift: wie follte der Menfch,

diefes kleine armfeelige Wefen, dazu kora* tnen, allein frey zu feyn. Die Gottheit er* fcheint edler und erbabner, wenn wir uns denken, dafs fie zu eben der Zeit, wenn fie fur das Wohl ganzer Welten forgt, audt die kleinften Handlungen der Menfchen leiiet.

Dur

•) Ebend. 346.

•J, Stuck. H

Digitized by Google

ii4

Der Triumph des wiHens iiber die Beglerden beweiriit nichts, denn eben die Idee, wel* che dem Willen diefen Triumph Terfchafrr, ift eine Determination. Es giebt eine abfolute Nothwendigkeit, weil es einen Gott giebt» Es ift menrcblich geredet, wenn man fagt, Gott finde ein Vergnugen daran, freye We* fen handeln zu feben. Wenn man diefcm Syfteme Schuld giebt» es macfae Gott zum Urheber des Bbfen : fo fiillt diefer Vorwurf au( jedes andre in gidchem MaalTe» wenn man nicbt mit den Manicb&ern zweyerley Principe annebmen will. Denn ob Gott die Freyhcit giebt, BOfes zu thun , oder ob er uns unmittelbar zum Bbfcn treibt, das kommt wobl fo ziemlich auf eins binaus. Endiich ift auch diefes Syftem nicbt leer an Beruhi* gung, man kann Rub leicht ergeben in die abfolute Beftimmung, in die Notbwendigkeit, die unfre Handlungen leitet, und unfre Be- ftimmung feftfetzt

In diefer ganzen Darftelluiig geht Friedrich von WoliTens S&tzen aus*): aber er macbt

eine

•) Eb. 354.

Le fyAema de Wolf eA fonde fur des atinbuts que l'on a demontrea en Dieu. Ycrgl. eb. 353.

Le

Digitized by GoogI

u5

eine Anwenduiig davon, welclje deHen Sy- fteme von der Fieyheit durcliaus zu\ridei; l&uft. Dazu bracliren ihn voriiehuilich die in« confequenten Anficliten eines Clarke und Nev- ton, deren fich Voltaire, vieileicht abfibbt’ lich, nicht zuni neften annalim.

Das Studium des beruchligten Syftems der Natur halte ibn auf andre Ideen gefiilirt, wie wir in der Folge genauer fehen werden. Es giebt eine Freyhelt, fchreibt er an Voltaire*\ denn wie k&nnie man eine Vorftellung von etwas haben, das nicht exifiirt : (ich verftehe nehmlich unter Freylieit das Verm6gen etwas nnch meincin Willen zu tbun oder nicht zu tliun): utid wir iind nicht Automate, be*

wegt durcli die Hand einer bUnden Oerdiu- iniing. Aehnlich ift, was er an Alcmbert fchreibt. **} Dic ewlgcn Gefeize der Natur Jiabcn einen bctrilchtiichcn Einilufs auf die menfchliche Fieyheit, aber Jie heben fie nicht auf. Wenn die Menfchen ihren Leidenfchaf*

11 2 tpu

fyfieme de Wolf expliqne Ics moiifs dc$ action* dc* liommes confoiininicni aiix aliiibiiit de Dieu et a Tiiutorite de 1’ expeiieucc.

•) IX. i/jg.

••J XI. 92.

Digitized by Googie

ii6

ten gefaorcb«ny /ind iie Sclaren, aber fo oft fie ihnen widerftehen, find fie frey. Wcr zwifcben feiner Vernunft und feinen Leiden* fchaften w&hit und emfclieidet , ift frey. Das beweifst auch die Gewait, welche Belohnun* gen und Strafen Aber den Menfchen haben : fie beweifst I dafs der Menfch oft frey ift* wenn gleich oft befchrinkt. *) * Woher kommt es, dafs die Menfchen ein Gefuhl dei Freybeit haben, dais fie fie lieben? KOnnten fie diefes GefQhl, diefe Jaebe haben, w^nn fie nicht exiftiite ? Freyheit das Ver> mOgen unfers Willens, welches uns zwifcben Terfchiedenen Partbeyen wiblen f&fst und unire Wahl befiimint Wenn ich diefes VermSgen auch nur manchmabl iibe, fo ift doch diefs fchon ein BeweiCs, dafs ich es befitze. Der Menfch beftimmt fich ohne Zweifei nach GrQnden, und es giebt Menfchen, die fich, mit grofler Aufopferung, nach fehr edien GrCmden befummen, **) Wenn es gleich wabt

id

•) Eb. loS.

Daher fagt er Ebend. S. iiS. Si Tout entend^t par necelTite ce que fappelle taiTon fufEfante. adtie diderent cA termine.

Digitized by Googie

ift, dafs alie unfre ErkeiinlnirTe darcb dic Sinne kommeta: fo mufTen docb diefe Er-

kenntnide fel^ft unterfcbieden werden Ton den innern Verbindungen, die He in Tbfttlg* keit fetzeQ, umbildcn* nnd davon Gebrauch macfaen. Die Leidenfcbaften beweifen nicbts. Es giebt Menfcben, die ibhen widerfteben k6nnen, die ficb Undem und bedern. WUrc alles abfolut notbwendig, fo kbnnte ficb Nie« mand belTern, unfre Fehier blieben ungeUn- dert diefelben, Ermabnungen wUren leer» und die Erfobrung obne Einbufs. Ift das Sy« ftem des Fatalismus ricbtig: £b find Gefetzey Erziebiing, Strafen und Belobnunged Uber* fiunig und unnUtz. Dafs das letztrc nicbt der Fall fey, zeigt die Erfabrung. Und wollen wir diefem Syftcme gemUfs bandeln , fo kUn- nen wir niohts, ais Tborbeiten begebn.

Diefs ift zugleicb das Wefentlichfte aus dem Tbeile der Abbandlung uber das Syftem der Natur, in welcbem er das darinn aufgeftellte Syfteoi des Fatalismus widerlegt 3Ian

fiebt, das fpeculatire Intereffe war hier in leinem Geifte dem practifcben eewicben, er

H 3 fah

•) VI. 14&

Digitized by Googie

ii8

fah m lebhaft die nachiheiligen Folgen ein, weiche der Glaube an den Fatalismus filr die inenrchliche Gefelirchart baben mufste, ais dafs er diefer Ueberzeugung nicht gern die fchdnc Confequenz feiner frQhern Anfichtcn geopfert hiitte. Das RefuUat diefer Wider* legung fafst er an eitiem andern Orte fo zu* fammen: *} Ich babe einen Mittelweg vorge- fchlagen, ich nehme ein Mlttelding zwifcben Freyheit und Nolhwendigkeifc an: ich fchrMnke die Freyheit des Menfclien ein, aber ich laffe ihm doch fo viel davon, ais mir die allge» ineine Erfahrung ihin zu laden gebiethet. IVIan balte fich an Loche. Diefer Philofoph ift feft iiberzeiigt, dafs es nicht in feiner Gewalt fteht, aus dem Haulc zu gehn , wenn die Thure verfchloffen ift: aber dafs er thun

kann, was ibin gut diinkt, wenn lie oiTen ift. ♦*)

Wir kommen auf einen zweyten Punct, feine Vorfiellungen von der Cottheit. Seine fruhern Aeuferungen dariiber ftimmen gnnz mit den melapbyftrcb moralifcben Ideen zu*

fa tn*

*) XI. 8«.

•*) VI. »5o.

Digitized by Googie

119

fammen, welcbe das WoIfBrche SyTtem giebr, er war da noch zufrieden mit den BegrifFea eines einfachen Wefens, eines Geiftes. In der Folge verlobren Fich diefe, je mehr Bch feine PhiloTophie zur Erfahrnng neigte. Ich nenne das denkende und bewegende Princip nicbt Geift, fagt er felbft, *) denn icb balie kei- nen BegriIT von einem Wefen, welches kei* nen Raum einnimnit, welcbes a1fo nlrgends exiftlrt: es Ift die IntelHgenz in dem organi*

firten Kdrper des Wehalls, wie der Gedanke in der Organlfatlon unfers Korpers. Der Zu* fammenbang in der Natur, die Endabbchten, die ich iiberall erblicke, leiten micb darauf, anzunehmen, dafs eln verfi^indiges Wefen uber diefes Weltall bcrrfcbt. Aber diefes Weltall felbft ift nicbt aus cinem Chaos ent- wickelt, dcnn es gchdrtc niebr Gefcbicklich* keit dazu, das Chaos zu bilden und zu er* balten, ais die Dinge fo zu ordnen, wie fie find. Die Idee einer Erlchaffung der Welt

H 4 aus

*) XT. 91. Vtrgl. ebend. 104. Si jfl Is fiippofs un sfpiit, }s me fers d’ na terroe metapbyfique , que je n' entends pas je di» det fottifei , car nn ctre qui n’ occupe aucun lieu, n’ exiAe rcellement iiulle ptrt , et il eft mcme impodible qu' il y en ait un.

Digitized by Google

120

aus Nichts ift widerfprecbend : es bleibt aifo nicbts ubrig, ais die Ewigkeit der Welt. Das vernanftige Wefen, welcbes fo ewig ift, wie die Welt, *) rermag nicht, das Wefen der Uinge zu iindern ; gebunden an unwan* delbare und unerfchutterliche Gefetze katm es nur combinlren, und die Dinge nur info* weit brauchen, ais es Ibre innere BefcbaiFen* beit Terftattet. Um eine Idee yon Goti zu baben, ftelle icb mir ibn yor ais das Sen* Xorium der Welt, ais die Intelligenz, welcbe an die ewige OrganUation der vorhandenen Welten geknupft ift, **) Dcn Bew^eifs von deffen Dafeyn giebt der Zurammenhang und die ZwecUmafTigkeit der Welt, und die Ver- fiandigkeit des Menfcben; denn wtre die Natur em leb- und vernunftlofes Wefen, fo batte He dem Menfchen nicbt geben k<>nnen, was fie felbft nicbt hat. Bey diefer Dar* ftelluiig verwabrt er ficb jedocb gagen alie Vergleicbung mit Spinoza und den Stoikern, nicbt, ais fcbicnen ibm deren Syfteme ge>

filhr»

•) Vorgl. VIII. 17. Qua I’ Uoirm at Dieu font totta deux 6cerneU

^*) Eb. «4.

Digitized by Coogie

121

f&hrlich, er £odet He nur su kiihn und an* maadendt

Bey dlefen Vorftellungen kSnnte es fonder* ber rcheinen, dafs Friedrich (ich iiiit fo viel Eifer und 'Nachdruck gegen den Athcismus im Syftem der Natur erklam *) Eine IntelU* genz, die eben fo das Rofultat der Weltor* ganifation ift, wie das Denken Refultat der kbrperiicben, **) ift, weit entfernt, das B&lhreI der WeIt zu erkl^ren, nur wieder ein neues RfithCel. Die unrer&nderlichen 6e* fetze, an welche diefe Intelligenz gebunden in, kSnnten far flcb allein daOelbe wirken, was diefe mit ihnen aiisnchtet. Aber man fiebt aus dena ]>byfiko tbeologifchen Beweife, deflen er ficb bedient» da(s er ein ganz an* dres Wefeo abndete, ais feine Worte be* zeicbnen, da& er eine Gottheit errieth, aber

H 5 nicht

•) VI. »4B.

XI. »»». renrifige toiiu rorganifation cat univers. et ja me dU a moi.meme: Si toi, qui n’ea qa'un eiroa, tu penret etant anim^, poitr. quoi CCS oorpt immcnfet qui Cont dani iio mouec. ment perpetuei. ne produiroient iU paa poe penlee bico {iipericure a la tieone?

Digilized by Google

122

nicht zu erkiaren verthochte. *) Auch Jieirt man wobl, dafs der Konig aus politifcben Kiickncbten einen oHienbareq Atheismus nicht duidcn konnte, zumahl, wenn er fo derb gegeben und fo fclilecht vertheidigt war, wie im Syftom der Nalur. Er traute nicht aHen M^nCchen die Feftigkeit zu, welche er felbfk befafs, bey einem Motir* und TroftJofen theoretifcben Syfteme dennocb unge&ndert gut und redlich zu feyn.

Dcnn wenn man auch alie feine Aeuferun* gen uber das Wefen der Gottheit zufammen- nimmt: fo fehlt ibnen doch alles, was die*

fer Idee practifchen Einflufs verfchaffen kann. Die Gotiheit ift kein von der Welt abgefon- dertes Wefen, kein Individuum, zu dem der Mcnfch Hcrz faffen kSnnte, auf das er vertrauen und boHen mScbte, fie kann und darf fich verganglichen Wefen nicht mitthei- len, keinc Geineinfcbaft haben niit Wefen,

deren

*) VI. 146« Quoiqua n6tre raifon nous proave eec etre , que nout rentreyoyioai , que noui de< viniona quelquea une» de fet operations, jamaia noua ne pourron» aUez le conaoiue pour le de. finir.

Digitized by Googie

123

deren Dauer kaum eine Sekunde ifr. *) Friednch koiinte durchaus die Idee von gutt* liciier Vorfehung nicht faffen und aufnehmen, kaum erlaubt er fichs, ihr auf dem Wege andrer Speculationen zu begegnen. Allcs ift ihm raehr ein Spiel von Mittelurfachen, die durch ihre verfchiedenen Verbindungen alia Begebenheiten herbeyfubren ; alles VVirkung

de ces caufes fecondes,

Dont les relTorts, couverts de tenebres

profondes,

Sons leur deguipement fachant nous echapper, Par leur fauffe apparence ont 1’art de nous

tiomper. •*)

Wie konntQ ein Denker, dem alie blofs metaphyrifcbe Ausdrucke fo verbaCst waren, fich mit leeren Mittelurfachen begniigcn, wie konnte ein Mann, in deffen Lcban fich fo viele Vorfalle ereigneten, die jcden Andern blindlings zum Glauben an eine Vorfebung

getrie*

•) XI. iia. VergL VTII. 17. Mati Dieii jniqnn k nous ne peut fe rabailTer . Il borne foa pouvoic a det loii generalei ate.

VII. 181.

Digitized by Googie

124

getriebea IiStten, fo oflTenbar diefen Gflauben Ton fich weifenl Er enthalt ja nichts, was fich nicbt mit der Vorftellung too einer alles beherrruhenden Intelligenz vertruge, nichts, was ibr gradehin widerfprftche. Allerdings. wenn <Eefe Intelligenz ais Individuum genom* men wird, abgefondert voii der Wclt, aber zurQckwirkend auf lie. Allein diejenige In- telligenz« welcfae gleichfam das Product der Weltorganiration , alfo nicbt eln denkendes Wefen , fondern ein gedachter Gedanke ifr, diefe liist bcb nicbt fo denken, ais wirke fie auf einzelne Tbeile des Ganzen, auf ein- zelne Begebenheiten und Handlungen: fie

wird felbft erft von diefen Theilen des Gan- zen, infofern fie zuro Ganzen gebbren, her» vorgebracht. Nehmen wir fein Syftera von der Ewigkeit der Welt und ihren unverbnder- licben Gfefetzen dazu : fo ergiebt ficb leicht,

dafs in dem Zufammenbange feiner Specula- lion eine Vorfehiing, wie wir fie uns den- ken, nicbt Statt finden konnie.

Dieft

*) Daher fcheinen feine AeaferungeB rtber die Gflte Gottei z B. VII. 565 und Ebend. 84. m«br poeti- febe Wendungen, ab philorophifcha Uebaneugun- gen au f*yn.

Digitized by Google

125

Diefs alles wird um fo erkllrlichar, wenn man daran denkt, dafs feine Pbilorophie zwar eine Fruclu des Naclidenkens wart aber doch von feinem practifcben Leben und em* pirifchen Character ihre vornebmfte Uichtung bekam. Schon Itngft bat irgend ein Pbiloroph gcfagt, was man tiglich bemerken kann« dafs der Glaube an Vorfehung in fcbwacheni unthatigen und ungliicklichen MenCchen am AarkCten fey. Oagegen nun lilCst es Jich recht wohi reimen, wie ein Mann, von Friedrichs Kraft und Tiiiltigkeit, dem fo vieles auf ganz natOrllchen Wegen gelang, und der felbA daun, wenn ilin ein Ungliick traf| immer fogleich die nlchften Urfachen davon in fich felbri' odcr andern fuchte nnd fand, wie ein folcher IVlann auf eine Idce Verzicht thun koiintei die ihn einerfeits gewilTermaalTen nur zu einein Werkzeuge herabfetzte) andrer* feits aber ihiu zur ErkISrung der Weltbege* benheiten und feiner Schickfaie entbehrlicher fchien. Ohne ihm iibrigens darinn beyzuftim* men, kann man gar wohl fagen, dafs ein Idann auf feinem Plaize^ in feinen Verh&h* nilTen, bSufig da ganz natiirlichen Zufammen* bang fehen mag, wo den iibrigen entfernten

2u.

Digilized by Google

126

Zufchauern Alles wunderbar, ratbrelbafl und Wlrkung einer h6hern Macbt fcbelnt. Dafs ich mich mit dtefer Erkiarung nicht ganz irre, dafiir biirgt zum Theil auch der Wider- willen, den Friederich gegen die Idce eines OhngeHQirs und Zufalls fo oft aufert

f.e hazard n est qu’un mot, sans rien signifier *)

Er erfcbien lich relbfc zu iiberlegt und ein* bcbtsvoll, um fich dem Zufalle zu unterwerfen, und zu ftark und felbAthatlg, um bch blols von einer b6bern Macbt leiten zu larfeiu

Mit diefen moralifchen Ideen von der Gottbeit hangt die Lehrc von Vnfierblichkeit der Seele zu genau zuraminen , ais dafs fie in Fricderichs Syftem eine Aufnahme haite bnden konnen. Es giebt der edlen Seelen Tiele, die iiber der Unbegreiflicbkeit der Zu* kunft den Mutb verliebren, darnacb zu for* fchen, aber nicht den Mutb, darnacb zu ftreben und ihres Lobns wiirdig zu werden.

Auch

•) Vlir. XI. VergL X. i3i.

Uaraiif Hciiiec er felbft liin Vf. iSy. Sant ce rap- port la divinite ne devient pour 1’ homme ^u' un objct de [pecuUtion et de ciuiorue.

Digitized by Googie

127 -*

Auch fcheint es, ais ob diefcr Glaube dem Kbnige darinn fo fremd geworden l'ey, weil er ihn zuei ft: im Zurammenhange der pontb Ten Religion kennen gelernt haite. Nicht einmahl im Kuininer nahm er feine Zuflucht zu diefer HoHjnung, kaum gSnnte er iich das Vergnugcn, davon zu fprechen und Ae zu beTtreiten. *") Bey dem VerluXte fcincr Theu- ren nimmt er Ach Cicero’n zum Mufter, und fchbpft Troft aus dem dritten Bucfae des Lukrez. **)

Alie uiefc fpeculativen Ideen des KSnigs lalTen Acb aber nur daiin richtig und unpar« tbeyifcb beurtheilen , wenn man feine Aeufe* rungen uber das menrchUclie ErkcniitoiCsver- mugeu , und iiber den Wcilh und Eiidzwecl^ aller Philuiophie damit veiglcicht. Er wld* met eiaen cignen Auffatz der Entwickelung feiner Ueberzeugnngen davon: dafs wir nicbts wllTen , dafs das Wiffen wohl auch unfre Be- fiimmung niclit ift, und dafs unfcr morali-

fdicr

Fluclitige Aeiifcningen yrio t. B. X. ao^. 6*il y unu autro vie eic. enirchciJen bier nicLii.

Xr. 271. 273.

Digitized by Googie

128

fclier Werlh <}aron nicht abhangt. *) Alles, was der Scepticismus aus der Schw3che der nienTchlichen Sinne, aus der Vieireitigkeit der Obiecte unfers NachdenkenSt aus der widerrprechenden Verfcbiedenheit philorophi* fcher Meymingen, aus der Kiirze des menTch» liclicn Lebcns, aus der Ohnmacht des GcifteSy aus der Gewait der Vorurtheile und des An* fehens, yon jeher zu feiner BegrUndung ber* gehoit hat, wird hier in einem lebhaften Ge* Tn^hlde zurammengedrangt, defTen Hauptzug die edle und weife Toleranz ift, die den Kiinig in allen Fillen leitete. Wenn man, fagt er anderswo,**) alie diefe abgezognen Materien lange genung durchdacbt hat: ifc

man endiich genSthigt, auf Montaigne’s: Was wcifs ich? zuriickzukotnmen. Man kann fich ohne NachtbeiI ilber folche Gegenft&nde irren: Der MenTch Ift geraacht, zu handeln, und du verlangft, zu denken?***) Bey den Metaphy* bkem lernt man nichts, ais die Unbcgreif-

lich*

*) Snr r inuocence des erreun da reiprit. VI. 191«

••) XU 89

•••; Ebend. 119.

Digitized by Googie

129

lichkeit ciner Menge von OegenHilnden , wel- die die Natur der Faffungskratft unfers Gei« ftes ciitzogcn hat. *) Ich habe einc unendli* ohe IVlengc von Syftcmen kennen gelernt, und idi habe keiiis gefunden, das iiicht von Ab- gefclimacklhciten ftrotzte : di«ifs hat mich

zum Pyrrhonismus gefiihrt. Ich fetze folche Materien durch, fo lange ich kann, uin zu fclien, wie -weit inan das Itairoiincment trei- ben kann, und auf welciicr Seite die jnelften Abfurdililten lind. **) Was man von der rhilofujihle zn fordern hat, ift, dafs lie eben fo viel EinMiifs aiif die Siitcn gewiniien inoch» tc, ais die der Alton. Ich verzeihe den Stoi- kern alie Veiirrungen ihrer uietaphylifchen P.aifonneaients , in Riickficht auf die grofsen IVldnner, die ihie Idoral gebildet hat. Dic erfie Secte ift fiir Ipich diejenige, weiche ain ineifien auf die Silien wirkt, und die Gefell- fchaft fichrer, glucklicbcr und tngendhafter macht. ***) Die Metaj)hy'lk ift wie ein Gra- ben, )c mehr uiati fchopit, defto tiefer, W'ir

kbn<

•) X. 82. Vcrgl. EbenJ. iSo,

XI. 21.

***) Ebcnd, 102.

7. Sliick. T

Digitized by Googie

i3o

k5nnen viel Dinge ohne Gefahr nicht wi/Tent dds Wicbtigfte ift, gut zu leben, gefund zu feyn, Freunde zu befitzen, und ein rubigea Her^ zu haben. *) Es kommt mir vor. ais feyen die Metifcben nicbt gemacbt, um uber abgezogene Gcgenftande tief zu denken: Gott liat Ae unterrichtet, fo viel Ae ndthig habena um Ach in der Welt zu leiten, nicbt aber» fo viel Ae brauchen, um ihre Neugierde zu befriedigen. Oenn der Menfch ift gemacbt,

zu handein, nicbt zu fpecuAren. Alie

incine metapbyAfchen Meynungen ftbrzen kei* neswees die Grunde einer vernQnftigen Moral um. **) Wenn man unter Lucken der Philofopbie alie diejenigcnGegenftinde begreift, wclcbe der menfcblicbe Verftand nicbt hat ergrunden kbnnen, und an welcben Acb der Geift des Syftems geubt hat ; fo wird man uber diefe Materie ein Bucb liefern kdnnen, welches doppelt fo viel BSnde enthiit, ais die Encydopadie. Mich dunkt, der Menfch ift mehr zum Handein gefchaAen, ais zum Erkennen: der Urftoff der Dinge verbirgt

Ach

•) virr. 567.

xii. fl8.

Digilized by Google

fich vor unfern beharrlichften Nachrorfchun- gen. Die Hilfte unfers Lebens bringen wir dainit zu, die Irrthuiner unCrer Vorfahren abzulegen: aber dennocb lalTen wir die

Wahrlieil immer auf dem Griiude ilires Brun» nens, aus welchem lie auch die Kacliwelt, mit allen ihren Bemuhungcn, nicht lieraus- ziehen wird. Wir wolfen uns crinnern, dafs erkennen lernen oft zweifeln lernen ift. Ueber diefe Aeuferuugen cominentirt ein den> kender Mann Tortrefiich; *) Da der Kbnig tiber die Nothwendigkeit der vollkominenrien Erfullung der giofscn Pnicliieii feines Standes gewifs nie der Zweifelfuclu Plalz gab, fo war feine Gleicbguitigkeit iiber Speculalionen ailer* dings nicht nur unfchuldig, fondern gut. Was wiirde nicht gefchehen feyn, wcnn er ein Dogmatikcr gewefen wiire, und mit jener Kraft feines Characters die Macht feines Scep- ters hitte gcglaubt anwenden zu maffen, um zu feinem wahren oder falfchen Syftcme alie zu bringen, uber die fich feine Gewalt er- ftreckte! Die KOnige muffen Gott nachahnien, der die Wabrheit weifs, (weil er fio ift^ nnd

den

*) Allg. Liter. Zeit. 1789. N. 5o. S. 398.

I 2

Digilized by Google

i32

den Imluiin doch fo cluidet, dafs er auch zur l)cfien Religion die Welt nicht wider ibren Willen vereinlgt.

Was scine theoretifche Moral betrifit: fo

bleibt er fich darinn immer noch ain gleich* ften. Denn wic fich auch immer feine Ur« tlicile iiber Wenfchenbefrimmung und Wurde iindcrn uiocbten, feine Theorie der menfch* iiciien Pfiichten blieb ungeSlndert diefelbe» Das Gliick des Einzelnen und das WohI der Geiellfchalt fimi die Beziehungspuncte unfrer Mandlungeii, und eiue wohlgeordnete Salbft* liebe das Princlp aller Moral. *) Sehr richtig bemerkte er, dafs ein allgemein annehmbares und giiltiges Princlp der Moral allgemein fafs- lich und der Natur des Menfchen angemeffen feyn muffe. Daruni febien ihm die Vorftel- lurig von der Schdnheit der Tugend, welche dic Stoa giebt, die Nachahmung der Goit- heit, welche Plato lehrt, das Vergnngen, wle es Epicur dacltte und feine Nachfolger mifsverfianderi, die Erwartung eines beffern Leuens, worauf fich die chriftliche Religion gi undet, und dic Llcbe zu Gutt, welche bey

gewif-

*) Siir l'amour propre ete.

Digitized by Googie

i33

gewilTen Seclen empfolilen wird, alie diefe l^otive fcluenen ihm zu rdivt'ach iind einfi*!* lig zu feyn. Dagcgen liat dic Selliftliebc alles, was man liier verlnngpii kann, lle ifi allge- jnein und ift iiberall glelch inliclilig. Abcv er bedicnt fich Ihrer nicht, wic lloclicfou- cault, um dic menfchlichc Tugcr.d zu laftei n, und zu blofsen Scbein zu erniedrigcn : er

findet in ihr den Kei:n aller wabrcn Tiigend. Denn wer fich felbft liebt, kann iinmuglich ein huheres Gliiuk wunfcben, ais Seclenruliey und diefe zu erlangen, iTt ohne Tugend un- mogllcb. Selbftlicbe allein lelirt iins, kleine Voriheile aufojirern, mn grufsere zu errei* cben, fie warnt und hiitot uns vor Laftern, die fie vernlcblen wiirdon.

Dein wlderfpriclit fein Urtheil iiber dic IVIenfclien nicht, fo hart es auch klingcn mag.*) Unfcr Gerchlecht, fagt er, hat wahrfcheiniicb fo feyn follen, wie wir es kcnnen : ein fclt-

fames Gcinifcli cinigcr guten und einiger bofen Eigenfcbafien. Icli betrachte den IVIen- fclien , wie ein Mafcblnenwcrk, welches den Gcwichten und rvSdern, wodurch es geleiiet

I 3 wird,

•) XII. 9. VcTgl. VII. 33C

Digitized by Googie

i34

wird, folgen mufs; was man Weisheit und Vernunft nennt} ift blofs Frucht der Erfah- riing, welche auf die Furcht oder HoHnung wiikt., diefe grofsen Tiiebfedern unferer Handiungen. Die Sloa dachte ihin zu grofs und edel von der mciirdilicben Natur, und Zeno ift ihm ein Philofupb fiir Gbtter. *) Nur ais ein Troftmittel fur UnglOckliche lafst er feinc Lehre geit<*n. Es ift nicht 116- thig, alie die Slellen zu fammeln, in denen er lich iiber dic Vcrderbiheit und Nicbtswiir- di^keit der MenTchen erkliirt: ein Kdnig bat

inehr Gelegenheit, ais jeder Andre, in diefem Falle traurige Erfahrungen zu inacben, fo wie ihm aucb viclc Znge vun Tugend und Edel* mutb cntgchcn, die der Privatinann in feinen kleinen Verbaltnirfen bemerken kann. Die Frage wSre niir davon : welche Acbtung der

IVlann verdient, wfcicber trotz der kleinen und ver^cbtlichen Mcynung , die er von den Menfcben bat, ficbs dennocb nicbt verdrbffen ]&f$t, fo viel fiir ibr Wobi zu tbun und auf* zuopfern.

Ueber*

•) X. 004.

••) XII. i5.

Digitized by Googie

i35

Ueberbaupt wurde alles, was Friedericb uber Moral und Lebensweisheit dachte und fugte , in einein weit h^bern utid edlern Lichte erfcheinen, wenn ich zugleich in einein gedrdngten Auszuge erzlhlen konnte, was er that. Eine folche Erziblung wiirde zngieich auch dasjenige am beften erlautern und recht* fertigen, was von feiner politifchen Moral zu fagen w&re, Man kennt feinen Anti IVIachia* vel, feine poiitifchen Auffltze} fo wie die Vorrede zu feiner Hiftoire de mon tems. Man mr.fs die Theorie loben , und in Ruck* ficbt der Praxis ficb in die wirkiicbe Welt zu verfetzen wilTen.

Was alfo feine Art zu pbilofopbiren im Ganzen betriflt: fo trigt fie durchaus das

Gepiftge feiner Denkungsart und feiner Ver- hM.]tni(re. Die fpeculative auf der einen Seilo ift lauter gebietbende Ordnung, monarchirdicr Geift, Kiirze und entfcheidende Beftiinnitbeit: die moralifcbe auf der andern Erfahrung eines Fiirften vom Werthe der Tugend, Schonung gegen Schwachheiten, Mftdlgung in Forderun* gen, Duldfamkeit gegen das, was fchwer zu andern ift. Die Ewigkeit der Welt, ihra

I 4

Digitized by Googie

i36

unverandcrlichen GeFetze, das allgemeine und ewige Mufsy erklirt das Ratfafel der Welt nicht: aber es zerhaut den Knoien,

und bleibt die letzte Zuflucht fiir den, der fonft lauter Ungewirshcit Rndet, wenn er die Unterfuchung der Welt nicht mit der Unter- fiicbung fcines eignen Erkcnntnif&rermogens anfingt. Es ift nur Einc Seite der Weltbe* trachtung, aber eben die, welciie von jehcr allen Kopfen, die nach einer fcfien und he- ftiminten Entfdieidung ringen, ain erften und ft^rkCteD in die Augen liel.

Eine Betrachtung drangt iich uns hier von felbft auf, dic ziini Gluck der \Viffcnfcliart nur von einzelnen Fallen gilt: dafs es nehin-

lich Seelen gehen kann, deren praclifehe Tugend dtirch den Mangel, felbft der fiar- kendficn und troftvollften Wahrheiten der Theorie, nichts Icidet, dafs die fpeculalive Ungewifsheit, und fogar der o/fenhare 7.\vel- fel an den Haupllchren der Philofophle nicht immer eiii b6fes Herz vorausfetzt oder zur Folge Hat, und dafs fugar unfre Seelenruhe nicht gradehin oder allein von theoretifehen Vorfteilungen abhingt. Da diefe fieiuerkung

nicht

Digitized by Google

i37

nicht allgemein gilt, Eo kann iind darf fie gegcn dic Theorie nicht gleichgiiltig inachcn: da fie indcfs durch einzeJnc BoyEpicle beftatigt wii d , fo kann Ilc zu derjenigen Schonung und Dnldfamkeit fiihren, welche Friedcrich fo dringend empfalil und in allen Vcrliiihnir* fen feines Lebens fo iiiuftcrhaft und wolil- thUiiff niiiii'Mp.

i

UEDER

Digitized by Coogie

V S B X R

ELEMENTARPHILOSOPHIE

V N D

SKEPTICISMUS.

Ent TmuxD et muMbile Ut Umplex duntaxat et naatn.

N^achdem die Critic der reinen Vernunft ein* malli angefangen hatte, die menTchliche Er* kennlnils unter der Idee eines Ganzen zu be* falTeii, untl die notli«vcndigen Gefetze und Regeln ilirer urfiiriinglichen Erwerbungsart und dadiiicb zugleidi die Mdglicbkeit derfel* ben zu bcfiimmen; fo vvar es wohl febr na* tQrlich, dafs nian durch Auffuchung eines er* ften abfoluten Grundfatzes der Philofophia oder n'oh1 auch der ganzen menTchlichen Er* kenntnifs fie zu ihrer Vollkommenheit zu er* heben und fie grgen alie Zweifel feft zu

grun*

DigitKed by Google

i39

grunden bemOht war. Allein fo grofs und erbaben auch die Idee ift, die uns bis an die Grenze alles Begrciflichen Tordringen heifst und uns zur Vollendnng unfrer For- fchungen bintreibt, fo ift es doob wobl vor« erft n6tbig, zu feben, ob der menfchliche Geift diefes ZieI ubcrbaupt zu erreichen ver» mag, da er es fonft fchon vergeblicb wagte, das Abfolute zu ergrunden. Die neiiere Be* arbeitung der ElementarphiloTuphie bat dicfen wicbtigen Zweck, die PhUofopliie durcb ei' nen erften abfoluten Grundfatz in und durcb bob felbft zu begriindcn, die Miingel und Liicken der Ciitic zu ergdnzen, alie Einwurfe auf immer abzuweifen und fo einen ewigen Frieden im Reiche der Walirheit zu fiirten. Der Gang der Vei handlnngen war ohngefabr dicfer: Nacbdein die Critic der rcinen Ver-

Titinft zur Auflbfung der Frage, wie ift Er- fahrung mOglich ? die nothwendigen Gefetze des Denkens und Erkennens verzeicbnet, das ryiubetifcbe und analytifche Oenken gefchie- den , und die fynihetirche nbjeciive Einheit des Bewufstfeyns und die Categnrien ais die Elemente einer Transcendentalphilufopbie oder eines Syftems von der Mdglicbkeit alles Den-

keiis

Digitized by Coogie

i4o

Icens und Erkennens angegeb^n hatte , fd tliaten lich inaucherley Einwurfe herror, die natiirlich eine genaiiere Analyfe ein^elner Be- griffe nOthig machten. Hier trat nun Herr l\ath Reinhold niit feiner Theorie des Vor- ftellungsvermogeris auf, und fuchte durcb Erfirterung diefes AlIgeineinbegrifTs und eine genauc Zergliederung aller dariinter bcfafsten Begrlffe die Schwierigkeiien zu lofen; ais Fundament des ganzen Gebilndes ward der S?.tz des Bewufstfeyns aufgeiuhrt, der freilich die begleitende Befiiininung aller unfrer Vor- ftellungen, Gefiible und Hegebrungen ift, in- foferne wir fie ais die unfrigen anfehen; aber wie neuerlicli erinnerr worden, fcheint das Bewiifslfeyn Io wcnig das Piincip der genann* tcn Acufserungcn des Geiniitlis, dafs cs felbft erft durcb diefc inbglich wird, und nur die Einfaffung derfell)t“ii in befliinmle Gienzen hergieljt. So lehrreicii und unterhaltcnd aucli die Zergliederung des rtlarinichfjitigcn irn Be- wufslfcyn immer feyn nng, fo wird doch dabey febon ein ryniheiilcb gebildcles Syftetn voi aiisgefetzt ; denn die j^nalyfe des Satzes des bewufstfeyns ifV wolil zn un!)cftiinint, ais daf» er ijgend eine bynlhefis leclnlertigeii

kuunlc,

Digitized by Google

kSnntet wie Aenelideraus erinnert, weil die objecti ve rynthetifcbe Einheit des Dewufstfeyns» die fufort auf eine objective Syntbefe hin- weifst, uns aus den Augen geruckt ift und man damit den ricbtigen Standpunct verliert. Hr. ProF. Fichte glaubte wahrzuncbinen , dafs die ElementarpbiloFophie nur noch nicht auf den letzten und hocbften GrundfHtz zuiuck* gefiihrt fey ; fo wie alio jede Verbindung (Synthefis) einen Satz und einen Gegenfatz (Tbefis und Antilhefis) in fich rclilieFse, fo inuITe das Subject und Object im Satze des fiewufslfeyns auf das Ich und Nicht - Icli zu« riickgefuhrt werden. Er Icgt dalier dic Idce des Ich und Nicbt Ich zum Grunde, und entwickelt daratis vcnnlttelft der reinen Ver- ftandesbegrifle und des Griindfatzes der Be* flinimbarkeit die idealen Verhiltniffe derfel- ben, um ficb fo zu den verfcbledenen Arten der Vorflellungen den Weg zu bahnen. AI* ]ein diefc Art zu verfahren fetzt fchon die reinen Verftandesbegriffe und die daraus hcr* gclclteten Denkgefetze voraus. Diefs fagt Hr. Piof. Fichte felbft: Die Ausinittelung des

hocbften Grundfatzes alles Wiffens kann nicht anders gefcheben, ais Tcrmittelft der Aner-

ken-

Digitized by Googie

142

kennunp aller Gefetze des Denkens, die doch allererft aus diefem hOchften Grundfatz abge- leitet werden kbnnen. Logic und Critic wird alfo ais PropUdeutlk alles Philorophircns vor* ausgcTetzt. In der Recenfion des AeneFidemus in der Allgemeinen Litterator Zeitung heifst es ferner, jeder Synthcfis liege eine Thefis und Antithefis zum Grunde, aber diefe k5n- ne doch erft aus jener liervorgehen, und durch fie begriindet werden und fctze iie luithin voraus. Das Ich und Nicht - Ich find ferner nur Ideen, die erft durch den Grund- fatz der Beftimmharkeit Piidicate erhalten ktinnen. Das Ich ift das Beftimniende oder ahfolut Setzendc, das Nicht -Ich das Beftimm* hare, welches doch nur willkuhrlich ift oder doch nur dadurch gedenUbar, dafs dem Ich ein ideaUfches Abfolutum untergefchoben wird odei ein AU der Realitat, von dem durch Theilung alles Uebiige fein Wefen ableitet. Endlich fcbeinen aus eiiiern folchcn Grund* fatze alie WifTer.lchafien flch nur fehr fchwer ableiten zu laffen, und der Grundfatz in Ruckliclit diefer oft nuirsig zu feyn. Da man bey der Bofiiinmung des Ich und Nicht - Ich nur dem Satze der Identiiilt und des Wider-

fpruchs

Digitized by Googie

143

fprtichs folgen kann, fo aftCLrren ^iefe natur* lich ais die oberften Deiikgefetze gelten wor* aus ferner folgt, dufs der erfte Grundfatz der Philorophie fowohl material ais forinal feyn mune; dadiirch fcbeint aber die Logic und Transcendentalphilorophie verniengt zu werden, welche Kant fo forgfiiltig gefchieden bat, ob es wobi die Abficbi ift, fUr beide gemeinrcbaftlicbe, bdhere Grundfatze aufzu* fucben. Alles dies ni5obte wobl aucb von dem Grundfatze der Bcfeelung des Hrn. Prof. Abicbt gelten, wie aucb in der RecenHon diefer Elementarpbilorupbie in der Allgcmei* nen Litteratur Zeitung erinncrt wnrde. Oie ganze Art des Verfahrens eiinnert notbwen- dig an Des Cartes cogito ergo fum, der tibri* gens durcb fcinen Grundfatz wenig gewann. Alie ubrigen fiemubungen uni einen erften abfoluten Grundfatz glaube icb mit Recbt ubergeben zu kbnnen, da fie alie ein gemein* fchartlicbes Ziel haben. Dlefes analytifche Verfahren in Zergliederung der menfcblicben Natur, ihrer Kritfte und FUhigkeiten fcbeint eine Recbnungsprobe eines fvnthetlfcb beftimm* tcn Ganzeii zu feyn. Es wird ein BegrifT her- ausgeboben und die Verveandtfcbaft der ubri*

gen

Digitized by Coogie

j44 “■

gen mit demfelbaB nach dcn Gefetzen des Denkens gezeigt, wobey es aber wohl unver- zneidlicli iit, dafs nicht empirifcbe Bcrtim- xnungen Rch mit einfcbleichen , indem zur urfprunglichen Erwerbungsart der Erkennt- nirie Ecb leicht abgeleitete und zur^llige Mo« diAcationen hinzugcfeHen. Das Refultat ^viirde daher ohngefehr folgendes feyn: wenn auch

jene Bemiihungen nicbt den erveunTchten Er> folg blitten, ein in allen feinen Theilen vol- Icndetes und unumbursliches dogmatifciies Sy- ftera aurzufubrcn, l'o fmd fie docli ais lebr» reicbe Verfuclie zu fchatzen , eine Idee durcb alie Categoiien durchzufuhren und dienen zur Bertatigung derfelben, ais wcicl.e den inanfcbllcben Geiit bey feinen Beftimniungen im Denken iiberall leiten. Denn nacb Idecn muffen eininal die Wiffenfdiaften bearbeitet werden, wenn wir des ficbern Eifolgs gewifs feyn wollen, und warum follte niclu, wie in der Matbematik, die analytifcbe iWelhode der fyntbetifcben zur Beftdtigung dienen und ficb neben ibr erhalten? Ift aber wohi die Idee einer Eleinentarpbilofophie, die alie iibri- gcn Wiffenfcbaften durcb geineinfchaftliche Crundliltze konftituirt und verbindet, zur

Be«

Digilized by Googie

145

grQndung eines dogmatifcben Syftems der Philofopbie durch einen erften umnittelbarge» wilTen Satz, tndglich und ausfiibrbar? Ich gaftebe, dafs icb micb nicht uberzeugen kann, dena aufser dem Obigen fcbeint mir nocb diefs dagegen. Ein analytifcber Satz kann keine Syntbefis begriinden ; ein ryntbetifcher a pofteriori gew&hrt nicbt hinISngliche Noth> wendigkeit und Allgemeinheit und wiirde nur ein empirifcbes Syftcm liefern; ein lyntheli- fcber Satz a priori kann nicht ohne Beweis gelten, denn der Grund jeder Syntbefis niufs aufgewiefen werden kdnnen , er wdre aifo nicht der bSchfte und oberfte. Der abfolute Grund Tom Dafeyn und Znfammenbang der Dinge entgebt uns und wir muffen uns niit relativer Wahrheit von ibt er Natur begniigen ; unfer Wiffen mdchtc wohl immer nocb frag- mentarifch bleiben uhd ein naiurlicber Skep" ticismus, der uns anwandelt, nicbt ganz zu vertilgen feyn. Er fcbeint aus der eigentbuiu* lichen Einrichtung unfers Geiftes hervorzuge- ben, in welchem Muglichkeit und Wirkiich* keit getrennt erfcheinen. Denn wird uns ciu wirklicher Gegenftand durch Anfchaunng ge> 7. Stikk. K ge*

Digitized by Coogie

i4S

geben, fo «rkennen wir ihn nicht Ib fort feiner M6g1ichkeit nach, nnd der gedachte inSgliche Gegenftand ift darum nicht fo fort wirkiich , daher gewiETe Wahmetimungen iinfern Geift in Verlegenheit fetzen, weil fie der Veiftand aiit fcinen Gefetzen nicht gleich reimen kann. Hitten wir einen anfcbauen- deii Verftand, bey dem Anfchauen und Den- ken eins wftre, fo kSnnte uns nie ein Zwei* fel in den Sinn kommen. So wie die Ver- nunft zur MSglicbkeit der Eikenntnifs Einheic des Bewufstfeyns fordert, um die befondern nnd einzelnen Wahrnehinungen zarammen zu faffen , fo bedarf die Elementarphilorophie» uin die verfcliiedenen SUtte und Erkennlnifla unter eine Idee zu befarfen , einen ahfoluten erften Grundfatz, der fur ftch feftfteht und zu dem Bedingten das Unbedingte lieiert, denn fo will es die forfchende Vernunft» Allein vermoge der vorhin angefuhrten Eigcn* tbiiiniiclikcit unfers Geiftes hnden lich bald ein paar Gegenfdtze, die dem Skepticismus gegen jedes dogmaiifche SyAera die Waffen Icihcn. Erficns, die Wirkiichkeit des ange- nominenen Satzes ift nicht uninittclbar gewifS)

weil

Digitized by Googie

I47

weil er nicht wie in der Mathematlk anfchaa- lich dargeftellt werden kann, oder von dem Gedachtwerdenmiiffen lafst ficli nicht auf das Seyn fchliefsen, wie Aenendemus fagt; die nothwendigen Bedingungen der MOglichkeit der Erfahrung rechtferliged nur die proble- matifche Annahme derfelben und begriinden alfo nur ein problematifches Denken. Zwei« tens, der Grundfatz der durcbgangigen Be- ftimmung, den die Vernunft in ibren Ideen aufftellt, um alie ErkenntnlfTe darnach zu prufen «nd fie ibrer Vollendung naher zii bringen, macht auch hier feine Forderung geltend, ob aucb die Reibe der untergeord- neten Bedingungen in einem Syfteme oder in einem fyftematirch geordneten Ganzen voll- ft^ndig und erfcbSpft fey, und auch darauf beruft fich Aenefidcmus: Wer ift uns Biirge

dafur> daCs niclu noch mehr in dem Vor- ftellungsvermogen werde entdeckt werden, ais bisher, und ob nicht noch naehrcre vcr- borgene Gefetze des Vorftellens, ais fo vlele Bedingungen der Erkenntnifs zu cntdecken iibrig find? iiberdem fey jeder Satz wieder bedingt und inufTe durch einen liuliern be-

K '2 w ie-

Digilized by Coogie

148

wieren werden und fo fort. Die reine theo. retifche Vernunft enthalt nehinhch notbwen* di” das Ideal einer intellectuellen Welt, d. i. eines vollftandigen Wahrheitsfyftems, dem wir iins ins Unendliche n&hern muiren. Diefe guten Giiinde fcheinen mir jedes dog* matifche Syftem, welches auf ohjectiren Be» haiiptungen erbaut wird, mit Recht zu tref- fen, ob die Critic? m&chte iich zum Tbeil fchon eben daraus ergeben. Diefe wird fich gewifs erbalten, nachdem einmahl der Un- terfobied zwifchen analytifchen und fynthe- lifchen Denken rege geworden und die Idee einer Transcendemalphilofophie ausgefiihrt wordcn. Ihr Plan mufs wohl der riclitige feyn, da es dLe monfcblicbe Vernunft von jelier anbaltend befcliaftigle, Anfcbauen und Denken zu vereinigen und die Bedingungen diefer Vereinigung anzugeben, ohne jene b6- hern Bedurfuiffe und Kenntniffe der IVIen* fchen , die iiber die Erfahrung hinausgehen, aufzugeben; diefe machen bcfonders das Feld der praciifchen Philofophie aus, und das reine VernMnftgefetz begrundet die ganze lleihe inoraJifdier Wahihellen, die den

prac-

Digitized by Googie

I49

practirdien Wiffenrcliaften zur Grnndlage dienen. Allein aucli die Gewifslieit des mo- ralifchen Gefetzes hat m.m bezweifeli, oder fie wenigftens ais eln iinausfiilirbares Ideal berahzufetzen gefucln. Um nun jeiie noili* wendigen, dem menfcliliclien Herzen theurrii Wahriieiten niclit aulztigeben uiid den fkep> tirdien Zweifeln zu entgeben, giebt es kel- nen andern Weg, ais diefe Wahrheiten diirch dcn Weg der EmjiRndung zu verfinnlichen oder fich an die geofTenbarte Darflellung zu Iialten. Wer erlnnert fich nlcht an Jacuhi’s Torlrefliche Daiftellung in feinein Woldcmar? an Ewalds Schriflcn und andre , die neuer* dings fo vielen Ecyfall erhalien habcn; nur vermittelft des Gefuhls wiffen fie jene Wahr-

f

heiten feft zu balten. Gewifs mufis inan fich immer mehr an das Practifclie balten, je weniger uns die Tbearie zu befriedigen ver- mag und je mehr wir einfehen, dafs der Streit des Idealismus und llealismus der theoretifchen Vernunft unwiderlegbar, niir durch die practifchen Forderungen derfelbcn ausgegliciien werden kann. Sonach wuideii (vir uns Tom Dogmatismiis oder dem Haiige

K 3 der

Digitized by Googie

der Vernunft , das durcb Speculation zu erforfcben, was doch nur Gegenftand eines practifchen Glaubens oder Regulativ unirer Handlungen feyn foll, immer mehr zurOdc- zieben mulTen in das practifcbe Gebiethy welches uns die Critic anweilst.

Lotbelfen.

BEMERRONGEN

UBER DIE NEUESTEN BEMUHUNGEN

Vlliv DIL

CRITISCHE PHILOSOPHXE.

Es fehlt in Jer neueften Gefchichte der Phi- lofophie nicht an StofT und Gclegerilieit zu Satyren und Ausfallen: es fehlt audi iiiclit

an Schriftftellern , welche diefe Gelegenlielt benutzt haben. *) Anftatt mit dicfen geinein- rchaftliclie Sacbe zu machen, fey es mir vcr-

K 4 gonnt,

•) S. Deutfch» Bihl. einige Reccnfionen in

Jakobs Anr.alen , und in der Neuen Bibi, der fch.

Digitized by Googie

i52

g6nnt, einige ganz ernrthafte Betnerkungen uber die neueften Bemuhungen fiir die Philo* fopliie hier mitzutheilen. Ich benutze nur das Recht, was in folchen Fnllen Jedem zu- koinmt , feine Meyniing zu fagen, und bin weit entfernt, niir cine Slimme unter den Fhilurophen diefer 2eit auzamafren.

Die fpeculalive Philofophie wurde iillmah- lig auch in Oeuircbland *) alie Aufmerkfam- kcit vcrlichren, wenn nicht zu gewiffen Zei* ten neue Syfteine auFtraten. Der Gelehrte wiirde ficb iiiit dem hifiorifchen Studium der- felben und eincr Answahl aus dem Vorhan* denen begnugen, und der iibrige Theil des Publikums befriedigt fich entweder mit den Refultaten des religibfen Nacbdcnkens, oder halt Jich an die practifchen Theile der Wif- fenTchafc und an eine Art zu philofuphiren, die man mit Einem Namen die Montagnefcbe

nennen

*) S. einige rcharfRnnige Bemerlmngen flber die Yorliebe der DeutTclien fOr rpeculatirre Philofo- pbie in der Schu abifchen Preif»rcbtift : Ueber die 1'ortfchritte der Metaphyjiek,

Digitized by Coogie

i53

nennen konnte. So oft aber irgend ein den* keiider Kopf neue Bahnen bricht, oder die Unriclitigkeit und Unbequcmlichkeit der alten 7.eig^ : fo oft vcrl)reitet fich ein machtiges

liiiercfre an der Speculalion: indem die eine

Paiihey dem neuen Syfieme ziifalit, die andie in den Wcg trilt. Diefe gegenfeitigen Bemiibungen daiiein gewohnlich eine geraume Zelt; dann findet fich unter den Anhdngeni der neuen Lehre hin und wicder ein einzel- ner Kopf, dem es nlcht gcnijgt, auf feines JVleifiers Wort zu fchworcn, der fich hier oder da eine. neue Ausficht fifnct, einen neuen Wc2 bahnt, eine neue Formel, eine neue Definition erfindet. So ift es, nach dem Zeugniffe der Gefchichte, mil der Cartefi* fchen, fo niit der VVolffifchen Pliilofophie er> gangen, und wir horen eben fo vori halben Cartefianern und Wolffianern , wie gegen- w^rtig von halben Kantianern fprechen. An folche Erfinder der zweyten Ordnung fchlief* fen fich dann gewohnlich folche Schriftfteller an, welche die Lehren eines neuen Syfteins anf andre wiffenfchaften aozuwenden und ge* meinniitzig zu macheii fuchen.

K 5 Wie

Digitized by Coogie

i54

Wie nun al>er diefe Bemuhungen fich ricK- ten, und welchen Erfolg fic haben, das hangt theils Ton dem GeiTte eines folchen neu* en S}Ttems, theils von dem Geifte des Zeit* alters, alfo von der iibrigen literarifchen Bildiing nnd der politifcbmoralifcben Den* kungsart eincr Nation, ab.

Um bcy dem letztern anzufangen : fo

macht es unftreitig einen fehr betrilchtiieben Unterrchied, ob man fchon viel, oder nur wenig vorgearlieitet iindet. Im erftern Falle ift zwar die Vergleichupgsfucht defto gr6f- Ter, *) aber das wirklich Neue auch defto fiberrarchender, und nocli neuer zu feyn defto fchwerer. Daher das angTlliclie Suchen nach irgend einem andern befiimmten Aus* dnicke, das Drehen und VVenden einer Er« klirung oder fieftiinmung) das Bemuben,

andre

Diefi hat die Critik kStiEg erfahren. Der eine Sau follte aua Arirtotele*. der andre tus Sextas, der dritie aua BafoUnw genonmieii feyn , oder VvenigRent grofle Aehniichkeit xnlt denLeluendes einen oder des andern baben.

Digitized by Googie

i55

andre Ein und Abtheilungcn , andre Rubri- cken und Methoden anzubringcn. Der Trieb zu neuen Sclibpfungen geriith aiifs Kleinliche nnd Auferwefentlichc: und da er keine Ma-

teriallcn mebr fchafFen kann, fo verfncht er fich in Formen. Daber zu und nach Wolf- fens Zeiten, daber )etzt die vielen Anwen* dungen der Philofophie und ihrer Melhode auf andre Winenfchaften und Theoriecn, wo* bey allerdings viel LJlcherliches mlt untergelau- fen ift. Dafs aber diefcs Verfabren nicht zu allen Zeiten vorkonimt, liegt an der Befchaf- fenheit der Wiffenfchaften felbft, und vor- zQglich an dem groffern oder geiingern Vor- rathe von Materialien. Ift eine Wiffenfdiart damit noch nicbt liinreicbend oder botrucht- lich verfehen; fo ift lie aucli ncuer Formen weniger empfanglich, und errcgt nicht geniig Aufmerkfainkeit und Elferfucht. M.m kJTmi gewiffermaffen von der Philofophie eben das fagen, was Chiabrera von der Poefie fagt, e obligata di far inarcar le ciglia (fie ift ver- bunden, groffe Augen zu erregen): wer eina pbilofophifche Schrift zur Hand nimmt, hat das Rccht zu fragen; was fagft du Neues

oder

DigitKed by Googie

i56

oder Befferes? Er legt fie iinwinig weg, wenn fie nidus, ais die bekanntcn Sachen und Aus« driicke licfeit. Und wie niacht es unfre Poe- fie, nm groffe Augen zu erregen? Man frage claiuber die competenlen Richier, und man wird liuicn, dafs fie jetzt viele Aehn* lldikeit init nciicrn {diilorupliifclien Schririen hat. Der Parnafs ift voll, fagte jungft ein neuerer Dichler,^es iit fchwer, noch einen Piatz darauf zu bekommen: wir tuulTen zu>

feiien, oii wir einen neuen Sandiiiigel daian bauen kunnen, und den wollen wir, ich und meinesgleicben, allein anfiiUen. Diefer Einfall gilt weiter.

Unfer Zeitalter zeichnet fich durch CrUnd- lichkeitt oder wenigftens durch das Strebep darnach aus. Wenn man die Terfclnedenep Periodcn unferer Kultur, anftatt naeh Me- lallcn, lieber nach den Seelenverm6gen be« nennen wollie, fo inufte man die gegenwir- lit^e die Zeit des Scliarflinns nennen. Aber wie die Herrfchaft des Witzes gewdhnlich Fadheit imd Seichligkeit iin Gefolge hat: fo

artet der Scharffinn bc}' einer falTchen Ricbtung

und

Digitized by Googie

i57

und Ueberlreihifng in leere Wlcbtlgkeit und Spitzfindigkeit aus. Ueber der Remuhung, Al!em, was man fagt, deii Anftiich des Tiefgedachten zu geben, wird mnn eben fo fpitzfindigy ais unyerfiandlicli. Dcn beben Dienft leiftet dabey elne gelchi tkllngende Ter- minologie, die man anpalTen kann, woran man will. Ein Scholaftlker , voii dem ich ein andermahl ausfiihrlicher fprechen werde, urtbeilt von einein feiner Zeitgenoffen, wel- cher liber einen pliilofophifchen Gegenftand gefchrieben hatte, alfo: Non poteft fuam

artem et intelligentiam ex multa prorunditaie depromnUe: lege, perlege, funt omnia pla- na et vulgaria: fugit ille mifer, vel ignorat

terminos artis. Qui poteft autem pliiloruphus appellari, qui facraliflimas adyti philofophici formulas nefeit. Initiatus quisque debet voca- bula et formulas myfticas eloqui, quod H non, inter profanos recedere iubcaiur. Lege contra noftra et noflrorum: quam ibi omnia

fuis terminis, fuo habitu, quam docte et peculiariter dicta, quam pbilofophice et, ut exemplo fuperiori utar, pi*ofundo myfiice! So griindlich iibrigens eine folcbe Behandlungs-

art

Digitized by Googie

i58

•rt ausReht, eben fo leicht ift fie. So wle man t, R. grundlich zu feyn glaubt, wenn inan BegrifFe fo ]angc zergliedert und ausein* anderlegt, ais es nur immer gehen will: fo

ift diefes Gefcb^ft im Grunde herzlich leicht, wenn man fich nach einmahl aurgenomraenen Eintbeilungen oder Tabellcn ricbtet. Wie Tiel VeranlalTung zu neu und grundlich fchei- neiiden Deductionen bat nicht die Kantirche Eimheilung in rein und empirifcb , in Aefthe- lick, Dialectick u. L w. , die Tafel der Kategoriecn und der Schemate gegeben! Ara abentbeuerlicbrten Hlllt diefes Wohlgefallen an Griindllcbkeit dann aus, wenn es mit einer Icbhaftcn Elnbildungskraft zufaramen wobnt. Jeder poetifche Eliifall wird dann zuT&rderft lan die Theorie gehalten, und in das Gewand der Terminologie geprefst: er lieht nun frey- llch fo wcife und grundlich, aber auch eben fu lacberlich aus, wie ein Knabc in Perucke, Mantel und Kragen.

An diefen Characterzug unferer Zele rchliefst bch ein andrer, die Liebe zur Etn^ fudiheit^ an. Es ift unleugbar, dafs wir in

vielcn

Digitized by Googie

i59

vielen StQcken einer lobenswertben Einfach* heit niiher gekommen find, dafs wlr die Uin« wege nicbt liebcn , und gern in Allem fo bald, ais mSglich, zum Wcrentlichcn gen mSchten. Wir wilnfcbien , die Wahr» heit mit einem oder zwey Worten ausgeben und raden zu kbnnen. Das zeigt fich Tchon in dem VVohIgerallcn an kleinen Schriften und Journalen, obgleicb diefe, genau genom> men, mebr Tervielfaliigen , ais vereinfacben. £ben fo follen nun aucb die Wirfenrchaften fammt und fonders vereinfacbt werden. Und wle? durch Formen. *) Man fucht embg nacb Principen, aus denen Hcb das Ganze ableiten lade: diefe Principe follen fo ein>

facb, ais m6glich, feyn; niancbe darunter gr&nzen fogar ans Einfaltige. Es war eine Zeit, wo man Hcb alie Miibe gab, und al> les Verdienft darinn fucbte, die Widenfcbaf- ten zu bereichertty man fcbadte von allen Sei* ten JVIaterialien berzU} ordnete Kapitel aus

der

•) NT«n fiiiJet fogar, dafi elnige Scbriftfteller von fonnaler Fonn (viereckigtem fprecljcn.

Digitized by Googie

i6o

^er einen In die andre, und legte es ganz darauf an, einer WifTenfchaft recbt vielen Umfang zu geben. GegenwSrtig ift man be- fchilftigt, die Wi^enTchafr, fo viel man kann, zu Ikubern und zu fceletiren, um fie defto einfaclier und beCtimmier zu machen. Nun ift allerdings ein Scelet cinfacher, ais ein gan« zer K^rper, aber es ift doch nur ein Scelet. Wenn einige Scholafiiker die gefamune pliilo- fophia humana alileiteten und eintheiltcn nach der Analomie des BegrilTs Homo, zerlegt in Hominitas, Hoinineitas und Humanitas: fo

lachen wir uber ihre grolTe Einfacbhelt, und dcnken viclleicht nicht an ahnlicbe Ideen aus unfrer Zeit.

Diefe Scbwlerigkeit, neu zu feyn, die- fes Woblgeiallen an Gi iindlichkeit und Ein* fachlieit cielit natiirlich den neueften Bemuliun* gen fur die Pbilofupbie eine ganz eigne Rich* tung: al»cr der Geift des critifchen Syfteros

ftlbft bat ebenfalls einen befondern Einflufs auf diefelben. So wie unter Wolfl' aller Eifer dahin gieng, nach dein Mufter feines Syftems die iibrigen Wiffenfchaften und Theoiieen in

maibe*

Digitized by Googie

i6f •—

mathematircher Methode abzuhandeln, ohne jedoch an ihrem Inhalte zu tneiftern: fo be> infilit inan fich jetzt, alie WirTenfchaften zu critiliren, ilire Principe aufzuruchen, andre an deren Slelle zufetzen, ubeiall Kalegorleeu und Antinoinieen aurzuftellen , hier etwas ab* zunebincn, dort etwas zuzufetzen. Daher bekominen wir fo viele Critilcen von VViffen- fchaften und einzeluen Seelcnvermbgen, die nach der bisherigen Philofophie nur ais Theile andrcr Thcoriecn beyliiufig abgehandelt wur- den. Dic Kaiuifche Idee, dafs wir fo Innge keine blctapliyflck hditen, bis die Mciglich- kfit fynilicJifcher Urtlieilc a priori dargetiian fey, inachtc, dafs nian aniieng, an der Exiftenz einer Mcnge andrer Wiffenfchaften zu zweifeln, uud feildem Kant von kiinfti* ger Metaphyfick gefprochen hat, fanden fich Mehrere geneigt, kiinftige VViffenfchafleri zu verfprechen , und Prolegomena oder Grund* lagen dazu zu geben. Was die Philofophie felbft betriflt, fo erfolgte aus dem Geifte der Critik eine andre Erfcheioung. Die Critik ift bisher nur daniit befchiiftigt geweftni das Alte nicderzureiffen: fie hat eine Men2e doc-

D D

7. Stiick. L mati*

Digitized by Coogie

liiaiifcher Lebren ausgemerzt, uiid uns vielen Inhalt geiiommen. Das inachte, dafs man jich von andern Seiten damit befcbartigte, neue IVIateiie aufzufpiiren , und der PhiloTophie wiederuni nichr Dogmatik zu geben. Eiidlich hat felbft die Strenge, mit welchcr die Cri» tik, ihrer Idee gemafs, die wichiigften Pro- bleine der Vernunft unterfuchte und darftellte, den neuefteu Beuiuhungen eine befondre Wich- tigkcit gegeben» und einen EnthuRascnus aus- gebreitet, in welcbem fich mehrere Schrift- fteller iiberreden, mit jedem Worle und Satze fiir die Sache Gottes, der Tugend und der Hofnung zu arbeiten.

So 'wie fich nnn fo viele unter den neue* fien Bearbeitern der Philorophie durch Affe» ctation der Neuheit, durch Spitzfindigkeit, durch Trockenheit, durch Vcrachtung alles Bisberigeny durch Vereinigung der Critik und Dogmatik, und durch eii^eii gewilTen feyer- lichen Pomp auszeichnen: Io ift es dagegen

kein Wunder, wenn auf der andern Seite entweder Glcichgiiltigkeit, oder Verachtung, oder Spott eintritt, der critifchen Philorophie

ihre

DigitKed by Google

i63

ihre Aufnihme zu erfchweren* MSchten doch Denker, die bisher ganz neutral gcwe- fen liiid, und die auch wiITen und gezeigt liahen, worauf es ankomint, iicb aufmacben und Mittelsperfonen zwifcben der Wahrbeili ibren Verderbern und ibren Feinden ab* geben !

Zum SchluITe will ich eine kurze Anzeige zweyer Scbriften *) anIiSngen, in denen ficb der Geift unfrer neueften Bemiibungen ganz deutlich zeigt, deren VerfalTer ilbrlgens fo Tiel Scharflinn und Penetration zeigen, dafs diele ibre Producte durchaus nur auf Rech* nung eiiier Art Ton Verleitung zu gebdren fcbeinen.

Den Grund aller bisberigen UnvoIIkom* menheit der philorophifcben Bemiibungen Hn* det der VerfalTer der erflern in dem Mangel an einem Grundfutze, welcher den Inhalt und die Fonn aller Pbilofopbie entbalte. Ei* nen folcben Grundfatz bat weder die Kritik

L 2 nocb

*) Von Schelling und SchOnebeiger.

Digitized by Googie

i64

Hoch Jie EUmentarpkilofophic aurgeftellt, indem fie fich beyde nur mil der Frage nach der IVIogllcbkeit des Inhnlts hefchaftigen : und nodi ift alfo das gefammte ProbJem von der Mug- llchkeit der Philoropbie, nach Inhalt uad Fortn, nicht aurgeldCst. Der Verf. glaubt den einzig moglichen H'eg zu der Aufidfung def- felben in dem Begriffe der Aufgabe felbft ge* funden zu baben,

Wenii ich die ganze Abbandlung wlrklicli verftanden habe : fo entbiiit fie durchaus

nichts Bedeutendes, neu will der Verfaffer felbft uicht feyn. Er hat einen Grundfatz aufgeftellt, welcher noch vor dem Satze des Bewufstfeyns liegen, die Urform aller Philo- fophie begriinden, und mit dem letztern vereinigt das gpfammte Problem von der i\Idglichkeit der PhiloTuphie lofen foll. Inhalt imd Form der Pbilofophie find wechfelfeitig durch einander begriindet, und diefer Grund- fatz ift die Bedingiing von Beyden, er felbft unbedingt. Ich ift- Ich^ fo lautet diefer Grund- fatz; der, verbunden mit allem, was der Eriinder deffelben von Setzen und Gefetztfeyn

f»gti

Digitized by Google

i65

fagt, einen guten StofF zu Satyren geben wiirde.

Und was ift dt>nn diefes: Ich = Icli?

Eine Anfchauung? eine l\eP.ex)ori ? ein Ge- fiihl? Das erftre? fu ift cs nichts, ais was man Bewufstfeyn nennt, denn Ich ift Nicht- ich reclinet der VerfalTer ziim zweyten Actus. Das zweyie? aber es foll ja aller Reflexion zum Gninde liegen. Das dritte? aber Ge« fiihle kdnnen kcinc Wlffcnfchaft begriinden. £s wlrd alfo beyin crftcn blciben, der Satz Ich ift Ichf und Ich ift Nicht ich wlrd die For- mel des Bewufstfeyns abgeben, und bedeutet mithln nichts weiter, ais: bey aller Philo*

fophie liegt der Actus des Verbindens und

L 3 Unter-

•) Ais ich diefes fchrieb, war der ii. Bard von Nikolai's Reifen noch nicht crfcliicnen. Mein gegenwartiger Auffatz ift alfo Icin Coin- xnentar r.ii dem , was Hr. NikoUi uber die ncii&- ften philofophirchen Schiiftfteller fagt; und das I.ob, welclies er meinen VeiTiiclien ertlifilt, ■wiirde, felbft wenn ich esdamaiils fchon gclefen liatte , um fo weniger naditheiligru Linflufs aiif mich gehabt haben, da ich es nidii gunz zu ver» dienea glaube.

Digitized by Googie

i66

Unterfcbeidens zum Grunde, oder: das

VVefen alles Denkens beftebt nach der Berchaf- fenheit unfrer Geiftesnatur iui Verbinden und Umerfcbeiden. Nieinand ift im Stande zu pbilofophlren, der nicht weifs, dafs Er Er ift, nnd dafs die Dinge aufer ibm nicht Er find. „Wir find uns unfer und andrer Dinge bewufst“ fo fangt JVolff feine Metapbyfik an, und was fagt unfer Verfaffer Bedeutenderes? Er gefteht felbft, da(s Gartefens Gogito ergo fum und Leibnitzens Gefetz des Widerfprucbs einerley Sinn mit feinem Grundfatze gehabt babe.

VielJeicbt wird er alfo eine andre Anwen- dung davon machen, ais die eben genannten Denker. Sein Grundfatz begrundet die Pbi- lofopbie nach Inkalt und Farm. Was beifst das ?

Inhalt einer Wirfenfchaft heilsen die Gc- genftande, mit welchen fie iich befcbartigt* und das, was fie von diefen Gegenftlnden «rkennl oder erkennen will. Wie kann nun ein Grundfatz folcben Inbalt begrunden d. b.

die

Digitized by Googie

i67

die Bcdingung defTelben feyn? Es miifs, init andern Worten ansgedriiclu, fo vlel lieifspn: Diefe Wiffciifchaft kurinte Jich unmoglicb )nlt folchen Gcgenfianden l)efchafugt«n , odor, es k6nnte keine Iblcbe Gegennaiide fiir diefe Wiffenfchaft geben, wenn niclit diefer Grnnd- fatz vorhandcn w&re. Aifo: ich wQrde niclit ulier micli, iiber die Dlnge uin inich lier, uber den Zurammeniiang des Ganzen nacli* denken, wenn Ich nicbt Ich wiire, wenn Jch etwas Andre! wdre. WeiI Ich aber Ich bin; fo giebt es eine Philofojiliie. Mit dcut- ]icbern Worlen: Wjire die Goiftesnatur des

MenTchen nicbt fo eingericlitet, dafs er iiberall, wenn £r dcnkt, verbindet und unterfeheidet : fo wurde Niemand dabln kommen, iiber den Zufammcnbang der Dinge nachzudenken. Und diefer Salz foll die Fbilofuphie begrunden? IVIan eriaube mir eiii Gieiohnifs. Die Schola* ftiker ftritten einft daiuber: ob Cbriftus aucb ais ein Kiirbis fiir dic IVIenfchen |iiitte genug* tbun kdnnen? Einer deiTelbcn macbie die wicbtige Liftanz: Ware Cbriftus nicbt Chri-

ftus gcwefeii, fo lialte er nicbt genugthun k&nneii, Hieraus folgt: Cbiifius ~ Cbriftus,

L 4 ift

Digitized by Googie

i6S

ift der Grundfatz allcr chriftlichen Religlcn : Welclic wiclitige Enldecluing!

Farm einer WJfTenfchaft bcdeutet die Ari und Weife, loie man iiber bcrtiiimile Gegen- ftande nachdenkt, die Regeln und Gefetze, nacb welchen man bey einer VV^^ifrenfcliart verfihrt. Auch diefc foll alTo durch jenen Grundfalz bedingt feyn: das heifst alfo, der

Menfch wurde niciit in der Verbinduns» uber den Zurdimneniiang der Dlnge nacbdenken, Wenn Ich niclit Icli wire. ]Mit andcrn Wor- ten : Ohne Bewufstfeyn uiifrer felbrt und

andrer Dinge ift kein Nacbdenken mbglich, alles Nacbdenken befteht im Verbinden und Unterfeheiden, und diefes bcruht darauf, dafs icb wcifs: Icli bin nicht Du, und Du

bift nicht Ich, fondern Ich bin Icb. Ift das nicht eben fo viel, ais wenn ich jcmandem auf die Frage: wie kommt es wohl, dafs wir

das PrMdikat rund nicht mit dem Subiecte Triangel verbinden kbnnen, oder dafs wir Alie Gegenftiinde unter gewiffen PradikaieA denken? die Antwort gibe: das kommt

daber, weil wir Menfchen find, wcil unfer

Ge-

Digilized by Googie

i6g

Gemuth einmahi fo eingericbtet ift. Diefes druckten die ScholaTtlkcr folgondermaden aust ^ulla rjnidditas cft fine lioinineitate, quia omnis liomineitas eft rjiiidditaS} et nulla effct quidditas, uifi edet hoinineiias.

Und wie foll denn nun diefcr GruncICitz angewendet weidcn? Und wie wird er denn eine allgemeingultige Philofophie hcrl)cyfuli- ren? Soli er nach S. 36 fo viel ausfagcn, ais: Nur das ift wahr, was duichs Ich gc- gcben ift; fo hat er ja noch zu lehrcn, wat denn nun durchs Ich gegcben ift. Und wonn der llealift fagt: Durchs Ich ift die lirkentit-

nifs von Dingen an fich gegeben, der Sccp- liker: durchs Ich ift durchaus kcine Gcwifs-

heit gegeben, der Idealift: durchs Ich ift

blofs das Ich gegeben; was werden wir die» fen Partheyen antwortcn? Jede von ihnen wird jenen Grundfatz zugeben, aber jede kann ihn an die Spitze ihres Syftems ftcllen, und wo blcibt dann dic einzig uioglicbe Phi» lofophie ?

Habe ich den Verfafler nicbt verftandcn:

L 5 fo

Digitized by Coogie

170

fo fallt naturlicb jede diefer Einwendnngen auf meine felilerhafle Anficbt zurilck.

So wie riun diefer Verfaffer mit dem Grundfatze des Bewufstfeyns nicbt zufrieden ift: fo fndet der atidre in ihm den hocliften

Grnndfatz aller Pbiiofophie, aber dainit zu- gleich cinen transcendentalen Reaiismus, durcb welchen allein eine einzig mdgUche Philofophie begriindet werden katin. Aus ihm Jcitet er eine Richtigdenkungs ~ und Croj'seneigenfcha/ts~ eine allgeineine Sprachlehre und eine Mcihodo' logie far die ni.idern Schulen ab. Sein Realis- mns befleht in der Bebauptung: dafs den

Ditigcn au fich Uauin und Zeit fo noliiwendig zu ihrer Exificnz, ais Dingen an Jieb zu* kuinincn, wie den vorgeftellten Gegenitan- den dnicb die \'orfici!iing. Denn es gehort zuin DalVn-n eines Bewnfsifeyns, dafs es von nnferin Ic!i an ficli verjchiedne Dinge an fich giebi: verfebieden feyn, lieifst in einem

andern Urte des Rauiiis feyn; alCo exifiiren die Dinge an fich, ais folebe, iin Ramne. Kamen ihnen nicbt die Formen Raum und Zeit zu: fo wire kein eudilchcr Gegenfiand

fur

Digitized by Googie

171

fQr uns m6glicht indem nichts da wftre, welches die Gegenftande befchrinkte. Auch mufs die Art und Wcife der Befchrknkung d. i. die Gefialt eines Gegenfunds im Raume, dnrchaus Ihren Grund iin Stofie, nicht in der Forni, und folglich in dem Dingc an fich haben.

Ich 'wiil wcder eine Catyre, noch eine Recenfion fchrciben. Im erften Falle diiifte ich nur die erfte bcfte Probe von des Vei* raffcrs Sprache und Manier ausheben : und

im andern aus Kanls transcend. Aefthctik einige Sktze mit der Befaauptung diefes Ver* faffers vergleichen. Ein fehr paiTender Zuruf ift es, womit fich der bekannte Zeid- Icr gegen einige feiner philofopbirchen Gegner erklkrtc :

Ariftotelis auctoritatem abieciftis? Nihil impedio. IpPi enim foli, nemine duce, veri* tatem indagare vultis. Laudo. Sed, o boni, variae ad illam viae ducunt, videte igitur, ne, duce relicto, in dumeta et avia defle* ctatis, dum alii, quos fervum pecus honori*

Bce

Digitized by Google

fice appellare foleris , poft choragum Tuum via luta et plana ambulant. Ariftolelis tricas €t argutias ridetis: pruj)ilas invenitis et prae- dicatis. Nimirum }>au1u1uin immutare illius doctoris verba, addere inaudita, fententlas eius detruncare aut extendere, hoc el’t, ultra Ariftotelein fapere. Praeftat autem. Peripa- teticas ru1)tilitates explicare et illuftrare, quam novas tricas et nugas invenire.

F.

VER.

Digitized by Googie

VERMISCHTE BEMERKUNGEN

ZUR

CESCHICHTE DEK PHILOSOTHIE.

I.

Unlef den altern Gerchichtrchrelliern der Phi- loroj)hie walilen einige die Methode, die Lehr- iatze der Ahen und Neiien, in trocknen Mar- ginalicn, nach einander aufzuziihlen ; einige mit der nahern Beftinimung, dafs fie die ver- fcliiedenen Theile der Pbiiofophie, zu welchen jene Dogmen gehorlen , befonders ablheilten, alfo : Dogmata luetaphynca u. f. f.

Unlcr

Digitized by Googie

»74

Unter den'neuern haben Mehrere den Weg eingefchlagen , die Ideen, befonders der alten Philofopben» in weitlauftige Abhandlungen, und zwar in neuerer Terminologie, ansgear- beitet darzuftellen, obne ficb an die Worte derfelben im geringften zu binden.

Eine Hiftoria pbilofopbiae , wie die Ton Cedike rouhfam zufainniengertellte, vermeidet beyde Febler, iit abcr ganz eigemlich nur fiir den braucbbar, der relbft in diefer Wif- fenrcbaft weiter ftudieren kann und will.

Ais Arifioleles noch das OrakeJ in der Pbi- lofophie war , fchrieb inan alie Kompendia aus ibm ab, d. h. inan bob, feiner Ordnung gcnQafs, aus iedem Kapitel den (vermeyntli- chen) Hauptgedanken aus, und fchrieb oder docirte das Uebrige des Kapitels ais Erlftute* rung daziu

Vielleicht wfire folgende Behandlung der alten Philofophcn , wenn gleich nicbt die befte, docb gewif» von mannigraltigem Nutzen.

Es

Digitized by Google

175

Es lieffe ficb oiehmlicb eine Logik, Pfy* cbologie, Moral u. f. f. aus Plato, Ariftoteles u. a., ganz nacb unfern gew6bnlicben und leichtern Ein - und Abthellungen entwerfen, fo dafs man alie Scbriften eines folchen Phi< lofophen fur jede einzelne dlefer WilTenrchaf- ten benutzte und die Stelle felbft, woher et* was genommen ift, genau anzeigte. Jede neuere Rubrick, fur die licb keine Stelle bey dem Alten fSlnde, wurde leer gelalTen.

Nocb kiirzer und bequemer wiirde die Ueberficht feyn, wenn man uberhaupt eine Seelenlekre der Alten ^ Logik der Alt en, u. f. w., nach neuern Schematen zufammenftellte, fo dafs etwan Ariftoteles den fortlaufenden Text abg&be, und die Meynungen oder Lehrfatze Andrer Cvon Bedeutung) ais Anmerkungen beygefetzt wilrden.

Wird dabey nichts in die neuere Rubrick mit Gen'alt eingezwungen, wird jedcsmahl die Stelle in dem Alten nachgewiefen : fi»

wire weit weniger fur die Verdrebung oder Ausfcbmiickung der Ideen der Alten zu furch-

ten

Digitized by Coogie

ten , ais bey elnem langen fcharffinnigen Com- mentar in neuer Spracbe, wozu fich der Text dfters gar nlcbt bnden liCst.

Das Folgende diene zur Erlauterung der erflern Idee. Dic Abtheilungen find die ge« wobnilchrten und einfacbften, dic ficb bey diefer WUCenTcbart flnden lalTen. Das Ganze ift imiiier nur eine Probe.

Em-

Digitized by Googie

»77

Empirifche Pfychologie.

Aoi Ariflotelei rimtmllchen Schriften gefammelt Bu eioein Ganun verbtmden.

Ueber den Begri[f der Seele Gberhaupt.

§• I.

Die Seele ift kcin Korper: fie ift, im allgeiDeinfien Sinne, Form elnes KorperS) und zwar eines phyTirchen Korpers, der leben kann, und mithin Subftanz. Form ift Wirk* famkeit. Die Seele ift alfo erfte wirkendc Kraft eines natiirlichen oiganifcben KurperSi welcber leben kann.

De Animi. II. i.

7. Stiick. IVI S- 3

Digitized by Googie

- 178 -

§. 2.

Sie verliiilt lich zum KSrper, xvie das Seh* Termdgen zum Auge. Sie ift aifo im KCrper, untrennbar Ton ibm.

So Anima. II. a.

s. 3.

Die Seele ift letzter Grund des EmpHn- dens, Wollens, Denkens* Das Organ des erftern ift der KSrper.

D. A. II. a de Seolu, i.

§• 4-

Alie Thiere liaben EmpHndung und Be* gierde: nur einige befitzen Denkkraft. Diefe fcheint etwas ron jenen fubrtantiell Verrcbied» nes zu feyn.

D. A. II. 3 und 3.

Von der Empfmdung

§. 5.

Empfindung ift etwas Lcldendes, elne Ver-

ilnde*

Digitized by Googie

179

Inderung: alfo nicht wlrkende RraTt, nicht Thatigkeit, fondern nur Vermdgen.

De An. II. 5.

Aeufere Sinne

§. 6.

Es giebt Gegenftande, die allen Siirnen ge» niein find, Bewegung, Ruhe> ZabI, Geftair, Grufse. Aufer diufen hat jedcr Sinn fein ei* genthumliches Object, das Gcliclit die Faibe, das Gebur dcn Schall , der Gefcbmack die Feuchtigkeit , das Gefubl mebrere.

De An. II. 6.

§. 7-

Obne Sufern Eindruck, kiinnen die Sinne fur iich keine EmpEnduiig herrorbringen*

De An. II. 5.

§. 8.

Alie Sinne haben ihr Medium, rermittelfs deffen fie alTIcirt wcrdcn.

De An. II. 7.

M 2 §. 9.

i^iyiiized by Cooglc

i8b

S- 9-

Das G^ht hat alles Sichtbar^ zu femem Objecte: da& Sichtbare find Farben, Farben aber And nicbt Achtbar ohne Licbt. Es giebt aber auch OegenAiinde, die ohne Llcht Acht« bar And, z. B. faules Holz, Fifchrchuppen und Augen. Im Allgemeinen ift das Licht Medium des GeAcbts. de An. If. 7.

§. 10.

Das Medium des Cehors ift die Luft, Nicht alleKbrper fcballen, z. B. Wolle, Scbwamm etc. ancb kann ein Koipc.r allein nicht fcballen. Das Anftoffen zweyer feften und glatten Kbt- per bewegt die aufere Lnft , deren Bewegung Ach der iui Obre beAudlicbcu Luft mit* theilt.

An. II. 8.

§. II.

Der Ceruch ift beym Menfcbeii fo vollkora- men nicbt, wie bey den Tbieren, er riecht nicbts rein , d. h. ohne zugleicb «iwas Ange*

neb*

Digitized by Google

i8i

nefimes oder Unangenelnnes zu empHnilon. Der Geruch Ift mit dem Gefclimacke verwandt. Es giebt DingCf die gar keineii Gcrucii gei>en. Das Medium dlefes Slmies ITt Lull oder Waf- fer, etwas aus beydeii G<^mifc!ues. Uer Monfcb und andre Landthieie rieclien diiicbs Athmcn; die VVanerihiere athmen fo nicht, fclielnen aber aucb Geruch zu haben.

de Au. II. 9. uud 7. cxtr. de Senfu, 5.

S- 12.

Der Cefchmack hat kein Auferes Medium, der Gegeuftand defTelbcn ift das Feuchte. Die ▼erfchiednen Empfindnngen deffelben fiiid das Scharfe, Herbe, BIttre und Gefalzne. de An, II. 10,

§. i3.

Das Crfuhl ift der vorzugliclifte Sinn. Men- fcben von fclnem Gefiihle find zugleich aiich fchai ffiunig. Es ift der argemeinfte Sinn. Er fcheint kein Medium zu liaben, denn wir glauben allcs unuiittelliar zu fiibien, was wlr init dem Fleifche beruhren. Es inufs alfo cin iuncies Seuforlum des Gefuliis gehen.

M 3 Was

Digitized by Googie

i82

Was icli aufs Ohr lege, kann ich darum nicht huren, und was ich aufs Auge loge, nicht fehen : aber was ich an den Koi per bringe,

kann ich iinniittelbar fuhjen.

de An. II. ii. III, 2.

5. i4-

Die Sinne irren nicht in Riickficbt ihrer eigcnthumlicben Objecte,

de Au. III. 3.

Die Sinne fibcs liaujjt find Receptivitaten der Forincn, niclu der Materie. In ihnen driicken iich die Gegenfiinde ab, wie das Pettfchaft ini Waclife, worinn die Form des Siegcis, nicht abcr zugleich feine Materie, Eifen oder Goid, iich inittheilet. Sie werden nicht von den Dingen an ftch afficirt, fondem Ton ricchenden, fchmeckbaren, horbaren elc. Dingcn.

de An. II. 12. III, 2.

^ iS.

Die Sinne find nicht GrSffenj fondem BefchafTcnheiten und Vermbgen.

Ibid.

S- »7»

Digitized by Googie

i83

§• 17*

Das UebermaaG; der Tinnlichen GegenftSn* de verdirbt die Organe, oder macln wcnig* ftens unangenehme Empflndungen.

Ibid. und III. s.

§. l8.

Geficht, Gebor und Gerueb find mittel* bare Sinne, Gercbmack nnd Gefiibl uniuit» telbare.

Ibid. extr.

§. 19.

Wir haben nicbt blofs Elnen , fondern meh- r6rc Sinne, um die Objecte unterfcheidtn zu konnen.

de An. III. 1. extr.

Vom Innern Sinne»

§. 20.

Wir empfmden, dafs wir feben oder buren. Wodurcli? Das Auge fielit iiicbt, dafs es beht, das Obr bOrt nicbt, dafs cs boit. Fer-

M 4 ner

Digitized by Googie

- i84

ner, nicbt die Sinne felbCt unterfcbeiden , deoH jeder Sinn einp!indet nur die Befchaffenbeiten feines einentliumlichen Objectes, das Gehor und Gebclu unterrcheidei nicbt felbrt den Sebali ron der Farbc. Das Auge bebt nicbt, dafs ein Object kein Sebali fey , das Obr b6rt nicbt. dafs ein Object keine Farbe fey. de An. III. 2.

^ 21.

Es miirs alfo einen allgeraeinen und ge> meinrcbaftlicben Sinn geben, der ron den iu> lern Sinnen reiTcbiedcn ift. Diefer mu(s ais einfaeb und untheilhar angenomnaen werden, wie der matbematifebe Punct.

Ibid.

22.

Man kann in deuifelben Augenblicke nur Eine EinpRndiing baben. Sriirkere Fmpfin* dung hebt die fchu-adiere auf, unter zwey gleich ftarken EmpBndungen etnpHndet man keine Torzuglich. de Senf. 7.

yiom

Digitized by Google

i85

Vom Vorftellungsvermdgen.

§. 23.

Vorftellungsvermogen ift vora Empfindnngs- vermogcn verfchieden, und befielit darinn, dafs wir uns von elwas eine Vorftellung ro«-

eben kOnnen. de Au. III. 3.

i 24.

Vorftellung kann nicht ohne vorhergegangne Empfindung feyn, fie entfteht aus der durch die Empfindung hervorgebrachte VerAnde-

rung.

Ibid.

J. 25.

Sinnllches VorftellungsverraOgen beziebt fich nicht auf das Allgemeine, fondern auf das Befondre.

Anal. poft. I. «5. Metaph, I. 6.

Vom Ceduchtnifs und der Erinnerungskraft.

26.

Gedlchtizils beziebt fich auf das Vergangne,

M 5 und

Digitized by Googie

i86

und ifc cine Zurammenfetzung von EmpHn* dunsi und Urtiicil.

O

tle Mem. i.

§• 27.

Es mufs in der SeeJe ein Bild von dem Gegenftande zuruckblcihen : wenn die Seele diefes ais liild clnes aiifern Gegenftandes lich TorAellc, fo beifst das Erinnerung»

Ibid.

§. 28.

Diefe Bilder liegen im innern Sinnc, das Gedaditnirs ift aifo Folge des EmpHndungs* TCi mbgcns,

Ibid.

§• 29.

Gcdaclitnirs und Erinnerung bSngen von der Gewolinheit ab.

de Mcni. 2.

§. 3o.

Arn lelcbterten erinnert man fjch an daSy was iii einer gewiffeu Ordnung.und Verbin- dung fiebt.

Ibid.

f 3i.

Digitized by Googl

- i87 -

§. 3i.

Erinncrn ift unterrcbieden vom Lernea zum zweytenmabl.

Ibid.

02.

Oft inufs inan ]ange fucben, bis tnan auf die Empfiadung ftOrst, worauf der Gegenftand foigt. Ueberall murs ein gewUTes Princip zum Grunde liegen, Daber eiaige das Local - Gc- ddcbtniis iiben.

Ibid.

5. 33.

Es giebt eine Vergefellfcbartung der Vor* fteiiungcn, fo dafs man ficb bey e an h u. r. w. erinnern kann.

ibid.

§. 34.

Das willkuhrliche Erinnern ift ?om un- wiilkuhrlichen verfcliieden. Das erfire ift ei- ne Art von Syllogismus, und komint nur dem Jdenfchen zu. ibid.

S- 3s.

Digitized by Googie

i88

§. 35.

Die Erinneriing hangt vom KSrper ab. IVTelancbolirchen und folchen Meiifcben, deren SenTorium zu feucht ift, wird fie fchwer, weii die mitgetheilte Bc\regung zu fcbaell und unwilikuhrtich erfolgr Ibid.

§. 36.

Zur unwillkuhrliclien Erinnerung ift der Blcnfch Ichr difpur.irt. Ohne dafs inan will, iingt uder rprlclit man oft gewinie Melodleen und T6ne. u. f. w.

Ibid.

II.

Die Scliriften des bei uhinten Jerfeniiis von JelTen, nach welchen neulich /^efragt warde^ lind wenigftens fiir Gefchichte der Philofophie riicht von Wiehtigkeit. Sein Zoroafter, Nova lirevis veraque de Uni ver fo pliiloTophia (Wi- teli. 1693. io3 S. in 8.) enthilU, Chalddifch- P!atonifch- Ariftotelifchc Aphoiisinen iiber die Gottbeit und Dreyeinigkeit, iiber die drey Oidnungen d^r Seelen, Weltfcbdpfung, £le-

men*

Digilized by Coogie

189

mente u. f. f. Eine blinliche Darftellung on* ter dem Tttel Hermes follte die ganze Leh- re von der raenrchlicben Seele umlarTen « ift aber nicbt erfcbienen. Der StyI ift apbori* fufcb, oft ganz unTerftindlicb. Univerruni, f&ngt er an, quod est Principii aut Princi* pium eft: nihilo nihil. Productio quae

actio a Tiribus, haec ab edentia: ita a fe

nullum. Alles nur Nahrung far den, wel- cher gern von Hermetifcb, Empyreus und Weltgeift lieTt. Eben des Tons ift fein an* dres Scbriftgen: de divina humaoaque fapi* entia.

III.

In die Literatur der Karnifcben Philofo* pbie geh6ren mehrere Romane. ]Man felie unter andern Das Heinuueh von Ileinrich StiI* ling, im 2ten Bande S. 189 f. ein Gradual* E::amen in den Egyptifcben Pyramiden uber Raum und Zeit und S. 248 f. iiber Freylieit und Kau{Talitilt. Zu der Gefichichte diefer Pbilofopbie gehSrt befonders die Anwendung jener (bbrigens febr faGdich und lebbaft dar*

ge*

Digitized by Google

igo

gprtellten) iJeen , wie fie von S. 322 f. ebend* fo]gt: dafs das littliche Princip imentwickelc

geblieben ift, und Golt es dem IVlenfcben von auITen bekannt inachen mufte. Auch in den belcanmen Lebenslaufen nac/i au/fteigen- der Linie findet bch eine lange Digrenion uber die erften Ssitzc der (damahls noch gar nicbt odcr nicbt lingft erft erfcbieneuen) Kritik.

IV.

Ich habe gefunden, daPs es mehrere Fbi- lologen lich zum Gefetze gemacht baben, alie Stellen aus grtecbircbcn Autoren, die im do* rifcben oder ionifchen Dialecte gefchricben habcn muITen, wicder in dicfcn uinzufetzen, wenn ctwa fpateie Schiirtrtcller, die folche Stellen anfiihren, ihn aus der Acht gelalTen battcn. Die Sache hat obiiPtreitig ilir Gutes: aber Hc ift nicbt iiotiiwcndig , fobald das Verftandnifs nicbt erleicbtert wird, Wozu full ficli der deulfche Litcrator die Miihe gebcn, jede Stelle z. IJ. aus einem Scbwa* bifchen Minncfingcr , die ficli vielleicbt nur in rpilterin Dialecte erhalten bat , kunftlicb

umzii*

Digitized by Googie

191

umzurelzen? was gewinnt die Stelle und der Lefer, wenn glcich die Ail)eit gclange? Und doch ift es mit der Pocfie cin Andc- res. Ich werde inir bey Saminliing Jer profaifchen Fragmente der aiiern Philofoplien diefes Verdienft niclit geben kfinnen. Fan- den es die Autoren, welche diefe Fragmente erhalten baben, nicht n6thig, den Dialect mit zu erhalten: fo kbnnen wir, denk’ ich.

uns ebenfalls dariiber hinwegfetzen.

V.

Nach fchriftlichen Naclirichien finden ver- fchiedene Eiig]ifche Gelehrte, fo weit es ih- ncn gelungen ift, ficli in die Kiitik d. V. hineinziiarbeiien . duichaus nichts andej s in derfelben, ais das Syftcm des Plato.

VI.

Folgende Acuferungen von Kant S. Lrirf- wechfel Lamber/s, fcheinen mir auch fur Ge- fchicbte der Philorophie fehr wlchtig.

Vom

Digitized by Googie

192

Vom Jahr 65. Ebe wahre Weltweitheit •uBeben fol], ift es n6tbig, dafs lich die dte felbft zerftdhre, und wie die F&ulnifs die vcUkoinmenAe AuBdfung ift, die jeder* selt Toraus gebt, wenn eine neue Erzeugung •nfangen foll : fo macht mir die KrlBs der

Gelehrfamkeit zu einer folchen Zeit, da es •n guten KCpfen gleichwohl nicht feblt, die befte Hofnung, dafs die fo lingft gewHnfchte Revoluuon der Winienfcbaft nicht mehr weit entTernt fey. S. 343.

Und: Sie klagen mit Recbt fiber das

Getindel der Witzlinge, und die ermfidende Scbwatzhaftigkeit der itzigen Scribenten roin bcrrfchenden Tone, die weiter keioen Ge* fcbmack baben , ais den , rom Gefcbmacke zu reden. Allein micb dOnkt, dafs dieCi die Eutbanafie der falfcben Pbilofophie fey, da fie in lippifcben Spielwerken erflirbt, und es weit fcblimmer ift, wenn fie in tief* Bnnigen und falfcben Grubeleyen mit dem Pomp Ton ftrenger Methode zu Grabe getra» gen wird. Vom J. 1770.

VIL

Digitized by Googie

193

vn.

Im dritten Stiick diefer B. fteht S. tS9 eme Abbandlung uber das vermlnderte Inter* efTe an der Karnifcben Pblloropbie und die Urfacben diefer Abnabnae; (nicbt, «pie der Rec. in der Allg. Deutfcb. Bibi, den Inhalt angiebt, Klagen iiber diefe Abnabme) zu de* nen ich recbnete: 1) Die fortdauernde Unei*

nigkeit umer den Fbilofopben felbft. 2) Dia fortdauernde Unrerfttindlichkeit der Kantia* ner. 3) Die a'!zug. uffen Verfprecbungeil Mebrerer unter diefen von dem Refultate der Kritik und dc(Ten Einfliifs auf die Menfcb* heit. 4) KoIIiflon mit der pofitiven Religion. 5) Die Gefcbinaoklorigkeit vieler pbilofopbl- fcben Schriftfteller. 6) Die gr6fTere VVichtig- keit der politifcben Rerolutionen unfrer Zcit. Gegenwiirtig fmd nocb folgende Urfacbea liinzugetreten : 7) Die ApoTtalieen mebrerer

bisberiger AnhSnger der Kritik oder der Elenientarphilofopbie. 8) Die unergrQndlicbe neue Subtilitit einiger pliil. Scbri^fteller, die von der Kritik ausgegangen llnd. 9) Oeffent- liche AngrifFe gegen die neiieften Bemubun* 7. Stuck. N gea»

Digitlzed by Googie

120

getiy Ton ganz nnpartheyifchen Zurchauera. lo Die ungleicb unterhaltenderen Werke im Geifte der Geriihl&philorophie , welche feit* dem erfchienen Rnd. 1 1) Bey einigen auch die Hinneigung zu den Grundfatzen der poR> dven Religion , die lie befonders in Kants Schrift: Die Religion n. C f. zn finden

glauben.

F.

Digitized by Googie

BEYTRAGE

Z U R

GESCHICHTE

DER PHILOSOPHIE.

U E n V S O K O S B £ n

GEORG GUSTAV FULLEBORN.

BBOrEttOB AM ELMABETHABUM IH BKZtLAW,

ACMTES tTaCK.

zfil.TTCIIAU UND FRF.YSTADT.

a * X r o K I c N f m o m h a v s.

* 79 :•

Digitized by Google

I n h ait.

Abfif* ei ner Gerchicbte tmd Lituratur der

FLyfiognomik, von FctUebora Seite i

ipicilegium ObfcrTationuin ia Pannenidia

Fragmenta 191

Digitized by Google

A B R I 8 8

BltlEli

szn

r H Y S I O G N 0 M I K.

Digitized by Coogie

Oie Kenntnir$ der menTchlichen Charaktere, und die Mittel, dazu zi| gelangen. gebdren zur empirtfchen Pfychologie.

Eines der verfuchteften Mittel diefer Art ift die Beobachtung des menTchlichen Kdrpers und feiner ftufern Theile, vornehmlich des Gcfichts, in Ruhe und Bewegung, oder die Phyjiognomik.

Ilirem oberften Zweclce nacb, gehCirt die PLynogiiomik zur praktifchen Phiiofophie : ob fie gleioh in der Behandlung an das Gebieth der Naturbefchreibung, der medlcinircben WirTenfchdrien und felbft der Mathematik hin und wicd^r anAreifu Ihie Ausartung in Weiffagungslcbre nsacht ihr diefen Rang nicht ftreiiig.

Eine GeTchichte der mannigfachen Bemfl* luingen diefes Studium zg einer Ferligkeit nach Regein, und zu einer AVilTenTcbart zu

8. Stiich. A

Digilized by Google

2

erheben > ifk alfo ein Tbeil der Gejchickte der Philofophie : ohngeachtet bisber kein Gcfchicbt- fchreiber der Pbilofophie darauf Ruckf^bt genommen bat.

Das Folgende liefert den Abrifs einer fal- cben Gefcbicbte. Etwas nacb Umft&nden VolITtilndiges konnte ich bey dem Mangel an Vorarbeiten und bey der Weitliufdgkeit

und

*) Zii rp3t, nnd erfl oacli Vollendung dieferSchiib lernto ich folgcndes Werk Lennra : trfuch einer

Cefchichte der Phyjiognomonik und der damis Terbiindenen Wiirenfchaften, ron Orbilia Anm thropofeopo. Wien, 1784« 8> DMfesBuch, ei|t Kompendium von Albemheiten aller Art, eraSblt die Cerchichta der Phyhognomik von Adam an, macbt alie ErsTiter, KOoige und Ricbter, kun alie Perfonen, die dem VerfalTer nur beym Lefen aufgeHoITen find , au PhyCiognomen, nimmt alie Auen Ton Propheseyungen snit anf, findet in jeder Stclle, wo daa Wort GeGcbt oder Iland ti. d. Torkomint, offenbare Phyfiognomik , und liefert ein folchea Gemenge Ton ^Itfamkeiten, dafi die LectOre deOelben einc walirhafte Unter> baltung ift. MQlilam unterfucht der Verfafler, wie der gelehrte Homeiua habe ein Phyfiognom feyn kOnnen , da er doch blind gewefen ? n. f. w. In Rackficbt der neuem Litentur hsne mir di» fea Buch manchea Nacbfuchen erfparen kOnnen : aber die meinige iil gleichwobl im Werentbchen ungleich voUItiindiger : nux dafa ich nicht alie ailrologircbe nnd Traum Bdcher mit aufgenom. inen habe. Blofa ia Betreff der Axabifchen Lite»

ntur

Digitized by Googie

3

uod Seltenheit der dazu gehSrenden IJteratur noch nicht geben.

Vor zwanzig lahren wSre diefer Abrifs freylich niehr zur recliten Zeit gekomnient und batte vielleicht da und dort gewirkt, wo Widerlegungen und Satyren nicht wirkeq wollten. Seit diefer Zeit ift die Phyfiogno* mik ziemlich in Vergeffenheit gerathen: be- fonders da die rpeculatire Philofophie fo viel Aufmerkramkeit von neuem auf fich gezo* gen hat.

Unterdeffen glaube ich doch, etwas nicht ganz UnnQtzes unternommen zuhaben. Diefer Abrifs fuUt wenigftens eine klcine Lucke in der Literatur aus^ und kann manche Lefer zu fehr lehrreicben und felbft unterhaltenden Betrachtungen veranlafTen.

Weitlauftig wollte ich nicht feyn, fo leicbt es mir auch geworden wire, wenn ich z.

A 2 a

rittiri iA er nadiiufefaeii , die ich nicht berflhrt habe. SonA kann ich betheuem, auch gar nichu ▼on ihm gelemt oder benutat xu haben. Eafahlt ihin fo gar an der_ genneiniien hiftorifchen Ord» niing, wie fich jeder meiner Benrtheiler ohn* Mabe daron aberseugen kann. Dia oeucfieaZei» ten Cnd nicht init abgchandelt.

Digitized by Googie

4

B. ]angc Auszuge aus Bitcliern eingewebt hiitte. Deswegen Hml auch ausfiibrliclie bio- graphirche Nachi ichtcn vonden Schrlfirtellern weggeblieben , uiid hbchrtens blofs nachge- wiefen \i orden.

In Ruckilcht der Abtheilnng bin ich ]ange uucntfghlorfen gewefen. Endlicb fchicn niir die folgende unter allen noch die bequemfcc und parTendrie zu feyn.

Eitileitung.

Hrfte Kelme pbyRognoujifcHer Beobach* tungen. Beraerkung der Verfcbiedenheit und Aehniichkeit unter den Metirchen ; Aufmerk famkeit auf die Aeuferungen der LeidenTchaf* ten; Scbdnbeit und HSliilicbkelt; Beobacbtuug der Tbiere.

I. Grleclien. Homer. Aeltefte Dichter. Ueber Eumolp. Helenut und die Sibylle.

II. Andre VSlker. Aegyptier, Perfer, Chalditer, Hebr4er, Indier,

Erfter

Digitized by Googie

5

Erfter Zeitrnum.

Von Pythagoras bis Arifioteles.

Anfsng phynognoinifcher Bcohaclitung nach Regeln. Schriftllche Bearbeiiung. Erftes Sy ficni.

Pythagoras. Hippoltrates» Solcrates. Zopy* rus. Plato. Zeltiaum der fchonen KunH. Schriftftellcr vor Arifioteles. Ariftoteles» Ueberficlit diefes Zeitrauins.

Ziveyter Zeitraum.

Seit Arifioteles bis zum rierten Jahrhundert ntch Cbrifto.

Beyfpielc phyfiognomifcher Fertigkeit. Ein- mlfcbung von Abcrglauhcn iind Deutungsleh- ren. Verbreitung uml Ausfuhrung der Ariflo- telifchen Ideen. Paihognomik.

Griechifche und Uoinifche DIchter undPro- faiker. Von Melampus. Cicero. Cafar. Pathognoinifche Schilderimgen in Ge- fchichtfchreibern , Dichterti und Philofo* phen. Metoposcopie. Artemidorus. Ga* lenus. Polemo. Adamantius» Gregor von Nacianz*

A 3 Ueber

Digitized by Google

Ueber phyriognomifclie Redensarten and Spruchwdrter der Alten.

Drieeer Zeitr aiim.

Seit dem Tierten Jahrliundert bit zum Anfang des fiebzeknten.

Langes Stillfcbweigen. Propbetifcber Aber* glaube. Cbiromantie. Einmifcbung der Pby> fiologle und Patbologie. Nacbfolger des Ari* ftoteleSf Polemo und Adamantius.

Rhazes. Avicenna. Averrhoes. M. Scotus. Albertus M. Roger Baco. Petrus von Abano. Savonarola. Simonetta» Tibertus Ciifenas. Theophraflus ParacelfuS; jor* danus Bruiio. Cocles. Corvi. Gauricus. WUlicb. Porta. Cardanus. Rivinus. Hu* art. Montagne.

Schriftfteller, dcren Werke icb nicht ge* feben habe, And befonders verzeichnat.

Vierter Zeitraiim.

Vom Anfang det fiebzehnten Jshrbandarts bis suf La viter.

Vermlfcble Verfnche, die Phyfiognomik zur Wiffenfchaft zuerhcben. Fortdauernder Aber-

glaube.

Digitized by Googie

7

glaube. Pfychologie und Pathognomik. Be* arbeitung einzelner Theile der PhyTiognomitc* Anwendung auf fchone Kunft. NeueBearbei* tungt unabhangig und Ariftoteles.

Philofophcn. Pfychologifche Werke. Molde* nar. Fuchs. Goclen. Claramontlus. Mer* bitz. Ottbo. Le Brun. Etliche funfzig Werke uber Phy fiognomik, derenTheile, und iiber Chiromantie.

Pernety. Catt. Phynologifcbe Unterfu- chungen, Naturgefcbichte* Alte Kunft. Scbaufpielkunft. Romane.

La Mettrie.Lefling.Anekdoten ron Phyfiogno» men. Peufchel, Parfons. Lavater. Lich* tenberg. Wirkung und Einflufs der Lara* terfchen Ideen und Sprache. Herder. Camper. Ramdobr. Grohmann.

Um ubrigens diefen Verfuch billig zu be* urtheilen, muC; man nicht erwarteo, alles gefammelt zu bnden, was jemahls fiber SchGnbeit des Menfcbcn abgebandelt oderge* dicbtet wordtn ift. Eben fo bitte ich meine Beurtheiler, nie Pbyfiognomik und Patbogno* mik zu TerwechfelQ} da ich die leutre nur berfibren konnte.

A 4

Digitized by Google

8

Atn wenigficn nach ausfiibrlicber VoU- ftSndigkeit babe ich bey dem Abfchnitt Tom acluzebnten Jabrbundert geftrebr.

Ueberhaupt aber erwarte icb, dafs nocb mancber Zufatz und Nacbtrag beygebracbt werden wird , und werdc jcden rait Dank annehmen.

Fiilleborn

Etnlei-

Digitized by Googie

9

Einlcitung.

L

Schon frubzeitig muflcn dieMenfchen aufdie Verfckiedenheit in der menfchlichen Korper- und Geficbtsbildung aufmerkfani werden. Sie unterfcbieden iind erkannien einandcr an dem Aeufern: fie bemerkten insbefonderc,

dafs Kinder und Erwaclifene, Jiinglinge und Greife, Minner und Wciber, Lebendige und Todte, ajle Jich dem Aeufern nach unier- fcbieden. Und ais der Verkehr unter mch- reren Volkerfcbaften eintrat, konnten fie vielleicht auch manche nationeile Verfcbie* denheiten gewabr werden.

Zugleich mit diefen Bemerkungen konnte ibnen aber auch die Aehnlichheit nicht enlge- hen, welche fich zwlfchen Gefcbwiftern, zwi- fcben Eltern und Kindern» und felbft zwi* fcben entfernteren Verwandten fand.

Aber beyde Bemerkungen blieben Anfangs wohl nux im Allgemeinen, bey dem Total*

A 5 Ein*

Digitized by Googie

lo

Eindruck ftehen, den ein KSrper, ein Ge* ficbt( auf den Beobachter machte. Sie be« merkten Verfcbiedenbeit und Aehniicbkeit fiberbaupt* aber nicbt die Theile oder Zuge, welcbe zu der einen oder der andern eigent> licb beytrugen, gefcbweige , dafs lie aus den« felben auf innere Eigenrchaften gefcbloflen bitten. Nach der Natur der Sacbe und d- ner vernunftigen Analogi* zu fcblil&en, ilk Phyfiognomik keine ErHndung dar ilteTten nngebildeten MenTchen.

Weit frQher, ais fie, fcbeint eine Art Ton Pathognomik entftanden zu feyOy eine Bepbachtung der aufern Veranderungen, wel» che durch Leidenfcbaften bewirkt wurden. Das konnle man, obne eben tiefen Bcobach» tungsgeift zu baben, leicht bemerken, dafii ein Zorniger, ein Betrfibter, ein Muthiger anders ansfah, ais der Rubige, Frohe und Furchtfame. Man fab z. B, bey dem Zorni- gen ein flammendes Auge, eine gerun- zelte Stirn, aufgetriebcne Wangen u. f. w., und je bftrer fich folche Erfcbeinungen zeig- ten, defto leichter konnte nian auf den pa- tbognomifchen Scblufskommen: Jeder Menfcb, dor ietzt eben folche Augen, folcbe Siim

nnd

Digitized by Google

11

und Wangen bat, ift jetzt eben zornig. Ja, ich wUl zugeben, dafs man fchon friibzeitig noch weiter gegangen ift, unJ gelchlorfen bat : Wer immer folche Augen, Stirn und

Wangen Hat, der ift immer zornig, oder hat einp immerwAbrende Neigung ziim Zorn.

Erft nach einigen Fortfchritten zur BIl- dung Hengen die Menfchen an, auf einzelne Eigenhciten der KSrpcr und Gefichtsforinen aufmerkram zii werden. Man erlnnere fich an die vielen Homerifchen BeywSrter, welcbe von folchen Eigenheiten bergenoinmen lind; wenn Gottinnen und Frauen farreniugigjglau- &ugig, weifsarmig, fchon wangig, blberfuffig, Milnner iangbaarigt, blondu. f.w.genannt wer- den. Aber aucli jetzt gieng man noch nicbt weiter: man fchlofs aus diefen Eigeiiheitea

des Kdrpers noch nicbt auf innere Eigen- fcbaften.

Stftrker war der Eindruck, den ScbSn- beit oder Hafslicbkeit auf die Gemiither macbte. Die Homerifchen Heroen , ais Ab- kfimmllnge von Gottern, waren fcbQn und ftark. Neftor fafst vom Telemach gute Hoff Dung, denn er findet ihn fch&n und oroCt.

D *

Digilized by Googie

13

lii^a yig t i(6m Ka\6¥ rt §iiyen ti. *) Penelope bcmerkt, dafs man ihn fiir den Alikbtninling eines glilcldichen Mannes hahen rourfe, wenn man feine Geftalt anfelie, **)

(tiytOoi xa\ uaA^cc Iftiituet ***)

HiuHg machen die Heroen den Griechen iiire fch6ne Bildnng zuin Vorwurf, wenn fie fich derfelben nicbt wiirdig, aifo feig, beweifen: Afytiei, x««' iAiyxiat i7S»t iywr»U f) fo wie beym Tyrtiiui voin Feigen gefagt wifdy er ftrafe feine fclibne Bildting Ltigen, turk i' «7'Aadv tf)

Ain Furis wird ausdriicklich feine Schdnheit gelobt, aber aucb, wie es fchcint} fiir die

Urfa-

•) OdyiT. 3,199. Vergi. 4, 141 t and 1^9 f.

**) So Iieifst et in dem alten Gedichte: Hercu-

les der Ldwenwtirger , 3<) f. du bifi koin Ab- kommling Icblechter Manner, wie deine £!!• dung bezeiigt.

fl7tv Tti (i(y* iii9( intrgfxsh

**•) Odylt 18, 218. f) IL 5, 787. 3, 228.

tt) Tyrt. I. V. 9. Vergi. Findar OL 8. *4» %vo r.% ron einem Sieger beifst: if» i' irt* e''¥ igYf T tu narit i7iot lAiyx»>*‘

Digitized by Googie

UrTache feiner Neigung zum weibJichen Ge- fchlecbte angefehen :

Lianatti tiioi S{tCTt t yuvaifunli, ijVifO-

trtvri:. *)

Und allgemein bekaniU ift die SchSnheit der Penelope und Hei^na.

Dagegen vergleiche tnan die Schilderung, welcbe Homer von dem allgemein gehafsten Therjitei machl.**) Es war der harslicIiTte Mann (aT#z<eT*c), fchidlend, lahm, li6ckrigt an den Scbultern, an der Bruft zufi^ihmengcbo- gcn , der Kopf fpitz, mit diinnen Haaren bef^et. So viei wir aus jener Stelle uber Therlltes urtbeilen kSnnen, fo war er ein ]Mann, der die Sacbe aus dem recbten Ge* bcbtspur.kte anfah, der es auferft tboricbt fand, dafs ein ganzes Volk iim der Hab* lucbt und Thorbeit eines Furften willen fo lange leiden folltc, und der diefe feine Mey- nubg Sffenllicb und freymuihig Suferte. Den Griecben aber erlcbeint er fo nicbt. Scbon feine mirsgeftaltete Blldung batte ihn Terbafst gemacbt: jeder andre Heros bbtte dafTelbe

fagen diSrfeii, obne gezucbtiget zu werden, Aber vielleicbt war aurli bey ibm der Fall,

den

•) II. 3. 41. •*) Ib 2. *>t C

Digilized by Google

»4

den ^vir noch heute oft beobachten kdnnen. Nirs^ertalte Menfchrn werden hliufig aus Scbuchternheit und Verlegenfaeit ungebehr* dig, unvcrrchimt und trotzig. Zu einer Zeit, wo die H&fslichkeit fo allgemein aufHel und durch nicbtsgutgemacbt werden konntet wo man alfo den H&rsiicben iiberall zurUckfetzte und Terfolgte, mufte diefer Trotz oft in Verzweiflpng ubergebn und den Hafsbcben nbch unertr&glicher machen.

Wle dem aber auch feyn mag: fo erbellt docb aus diefen Anfiibrungen fo viel, dafs die Homerifcben Griecbeh Scbdnbeit und. HiLfslicbkeit lebbaft unterrcbieden* und beyde ais Zeichen oder wenigftens ais Begleiterinnen Ton innem Eigenfchaften , jene Ton guten, z. B. Tapferkeit, diefe von fcblechten, anfa* ben. Sie f&llten alfo gewiUermarsen das pby« fiognomifcbe Urtbeil: JederMenfcb) der kdr* perlich fcli6n ift, muCs auch brav feyn: gute Bildung und Mutbloligkeit* ilnd ein Wider» fpruch.

In was fiir Tbelle und Eigenheiten £e diefe Scbdnbeit eigentlich fetzten, iMfst iich nicbt ausmachen. KurpergrOfse , gUnzende FarbCf langes und blondes Haar, ein weif*

fer

Digitized by Google

i5

fer Nacken und Fufs, rollende Augen u. d. m. find fiir den Gefchichtfcbreiber der Phy- fiognomik nicht genQgend. Die Schilderim- gen aber, welche der fogenante Daret der Phrygier Ton den Homerifclien Helden xnjcbt, kfinnen bier, wegen der Jugend diefes Gedicbtes nicbts entfcbeiden

Scbr unkrillfcb ift das Verfahren derieni- gen pbyfiognomifchen Scbriftfteller , welcbe aus den Vergleichungen zwifcben Helden und Tbieren, die fo b^ufig iin Homer vorkom- men, fchllelTen wollcn , Homer babe dasj^ nige pbyfiognomifcbe Syftem erfunden oder doch gekannt, welches auf die Aebnlicbkeit zwifcben Monfcben- und Tbier- KSqpern ge- griindet ift. Keine von allen diefen Verglei- cbunsen enlbalt etwas der Art: fie bezlcben bch alie auf das Bencbmen utid die Bewegun* gen der Thiere im Angriff, bey der Flucbt u. C w., und iind mebr pathognomifcb. *} Was einige Redensarten und ScbimpfwOrter

be>

•) M«n fsbe *. B. alie die Vergleichungen mit L6» wen IL 3, 23. 5, 134. 161. 654. 10, 4^. xi, 646. aa, 42. 299. i5, 680. x6,.752. 823. 17, 61. xog. i33. 667. x8> 3x8. ao, 164.

Digilized by Google

betrift, die von Thieren hergenomtnen iind: fo werde ich diefen Punkt in der Folge be- fonclers berulnen, So viel lafst fich aber doch iiut Sicherheit annebmen, dafs fcbon in die- fer friihen Aufmerkfamkeit auf die Tbiere der Grond des nacbhcrigen Syftems lag.

Ueberhaupt wurde meine Ernte aus Ho- mer weit reicbJicber ausfallen, wenn icb eine Cerchicbie der Fatliognomik von ihren alte- ften Spuren an zu erzililen bStte. Icb wurde dann fein bewundertes yiAitaca *) von

der bekummerten Mutier, die mit Tlirinen in den Augen iiber die Furcbtfamkeit ibres Kindes iacbeln mufte; fein PAtsvgtTm

irgottiTuvi **) von dem Helden , der voli Grimm und docb mit dem L&cheln des Selbft* gefubls in den Kampf trilt, und eine Menge treflicber Scbilderungen aus der OdyfTee an* zufubren haben, die aber alie in eine Go* fcbichte der Pbyfiognoniik nicht geh6ren.

Dafs man ubrigens in fpiUern Zeiten dem mytbifcben£«mo//;ar *♦*) und Helenus cbiroman*

tifebe

•)IL 6.484. **) 11.7,413.

•**) S. SuiJu V. Den Eumolpus nenut er

iroToihv rwv irgb 'Ofxifgcv. Er foll iii Profm uud ia Verren x*‘S^9*oriin» gefcbriebeu baben.

Digitized by Googie

17

tlfcbe Sclirifren, und einer Sibylle ein Buch «rrf} «-«XfiAy andichtcte, dari ich bloTs anfuh» ren, ohne welier ein Wort iiber das Unkri* tifche diefer Andicbtung zu fagen.

II.

Icb bin von den Griecben ausgegangcn, tiieiisweil be iiberbaupt in wifTenfcbartlicber fieziebung fiir uns wicbtiger find, tbcils weil ich bey den Aegyptiern iind andern noch tveniger fiir mcincn Zweck zu bnden erwar* tete. Zwar febit es nicht an neucrn pbyfio* gnotuifcben Scbrirtftellern , welche aus dem 'Thierdienfte der Aegyptier fowobl, ais aus ib- rer Lebre Ton der Secleu’s,anderung viel pby- liognoDiifcbe Kenntnifs 1>ey ibnen vermutlien. Allein weder dlefe Gebraucbe und Lebran der Aegyptier^ noch die Aftrologic der Chal- tluer, noch die Seelen und Genien der Per- fer, berechtigen uns, bey diefcn Nationen Pbyfiognomik zu fuchen. Wenigftens habe icb fiir inein Theil keine Data dazu auf/in- den k6nnen«

Was wir aus den &1teften Schrjften der HehrSer benutzen kSnntan, berteht ebenfalls S. Stiick. B nur

Digitized by Google

^ i8 ~

mir iu |inilionnoniifolien Bemerkungcn. *) Aus den fpStein lalTcn fich mebrere fam* meln, z. B.

Ein Vernunniger merket den Mann an Tei- nen Gebehrden, denn feine Kleidung, Lachen und Gang zeigen ihn an. Sirach. 19, 26. 27.

Was einer iin SInn hat, fielit man ihm an den Augen an. Sir i3, 3l.

Wer mit den Augen winket, denket nicbta Guies. Spruciiw. iG» 3o.

Ein burifeh Weib kennt man l)ey ibrem un/uclitigen Geficbt, und an ibren Au* gem Sir. 2(>, 12.

Ein NaVr wiift die Augen bin und her* rucbvtr. 17, 24-

Im dritten Buche Mofis Kap. 21. werden die Eigenrcbafien eines Prieriercaufgezkblt» un*

ter

*} Ich fchetie niicli, alie die finnreicben Einfalla mancher pLy fiopnomirclicn Santmler anzurfibrea. Einen ziir l’robe ; Adam erkannte die ^eben er* rcbairne Eva an der Pbyfiognoniie, ala feine llalfte , er war alfo der erfte Phyfiognom. Gott felblt iinterrichtete ibu vorber in den Zeiehen, u. r. w. Adam gab den Thieren Namen : wornach andert, ala nach ibrer Fbyfiognomie? S. dee Anthroposcopus Gefcbichte der Pbyf.

Digitized by Googie

>9

ter diefe wird aucli kfirperliche ScbOnheit gereclinet. .,Keiiier» heif*t es, an dein ein „Fehl ift, foll herzu treten, er l'ey blind „1ahii) , mit einer feltramen Mafe, •) init „ungew6hnlichein Glicde, oder der an ei- ,,ncm Fiifs oder Hand gebrechJich ift, oder „hOckerigt ift, oder ein Feli auf dem Ange j.bat, oder fcheel ift, oder giindigt, oder „fchabigt, oder der gebrochen ift. V. 18-— „20.“ Wenn aber Augitjtiims den Grund die-

B 2 fer

•) In der Mifchnah Bechoroth Kap. 7. Mi 5. vrird Chariim erklaft dnrcli Plattnalig (der feine beyden Augen in Einem Zi>ge mit der Scliminke befcrei- chen kann , fo daft alfo die Nafe dazwifchen ein- gediAckt iit.) £ben fo nimnit et R. Kinuhi: die LXX «berfetzcn xoAopcfiv. Wat Liiilirr ira ao, V. hockerigt Oberfetat, erkliirt die Mifclinah fiir einen Feliler an den Angbranen, wenn je- mand keine oder niir Eine hai. Mifchnah ehend. 8. il. Dufa, nennt Cihhen den, deifen Aiigen- branen iiber dat Auge benmter hangen , K. Chia- nina , den, welclicr gleichfam awcy Rilcken und 2wey Rilclgrato hat. Bey allen diefen Feh- lern beiftt ea in der Mifchnali iinmcr; Diefa find untauglicb iim det uuferlichen Anfehens wil- len. In Ruckficht det K('pfs eiklatt iie foigen- det fflr Feliler: einen fpiizigen Kopl ; obon breit unten fcbmal; vorn und liinten vorragend wie ein llammer; allzuweit Torwartt , oder binter* wirti TOiragend. Ebend. M. 1.

Digitized by Googie

fer Verordnunp! m einem phyPiogiioniirchen Urtbeile fuclit, darinn nelimliclif dafs IVIiCs* Terhaltnirs in den Theilen des KOrpers Feh- ler des Geiftes anzeigej fo geht er ofTenbar zu wcit. Ich finde keine andre Urfaclie, a1s die allgemeine Bcmerkung, dafs ein lilann , der vor einem ganzen Volke in hei* ligen, ehrwiirdigen Gefchaften aiiftritt, nichts fiuferlicb AuHalleiides an ficb baben muffe, damit nicbt die Wiirde feiner Gefchafie da- runter leide, und die ubrigen Menfchen, in- dem fie fiber Ihn lacben, zugleich fein Amt lacherllch lindcn. Ueberbaupt mufs alles, was mit der Gcttheit in genauerm VerbSlt* nifs ftebt, fo vollkotnmen, ais mfiglich feyn; daher auch die Opferthiere im Mofes» *) wie bey den Giiecben, fo forgl^ltig ausgew&bit wurden.

So wenig, wie diefe Stelle, beweiren'auch eiele andcre im ahen Teftamente, wo Ton Sclionheit die Rede iit, fiir eigentlich phy* fiognomifche Kenntniffe. Sie lebren bGchltens, dafs auch die Hebrier auf Schfinheit aufmerk* fain waren, und fie fur .eine Anzeige innerer

Vor*

•*) S. dai 82. K*p. det Sten Biifthi.

Digitized by Google

21

VorzDge nabinen. Augujiin, de Civ, Del xy. 23.

Wenn man ubrigens auch den KSnig Da- vid deshalb zum Phynognoinen naacbt, weil er nach a Sam., 5, 8. erkllrte: Wer die Je-

bufiter fchlagt, und erianget die Dachrin* lien t die Lahinen und Blinden , denen die Seele Davids feind ift ; fo weifs ich kaum, unter welche Kiarfe von Verirrungen ein fol' •ber Scblufs zu nrdnen ift. *)

Aufer dem mufi ich noch einer Nation gedenkcn. Nicoftratus **} erz&blt von den In- und deren Weifen, *♦*) dafs fie bey der Wablibrer Gattinnen blufs auf ihre PhyTiogno*

B 3 mie

•) Die Stelle ift freylich nicht obne Scliwierigltcir. Man lut fcgar allerley Malirchen erdichtet . niii fie zn etkUren. Erafmus nimmt Flinde und Lali- me fflr Staluen , die auf dem Daclie ftandeii. S. Adagia: Caecus el claudus non intrabunt tem- plum.

Beym Stohaems Eel. Serm. 6o. pag.i\ij. ineinena Fragnientc de Nuptiis.

Filr da» !\T;ilivchen von den Cymnofopliiften, dafs fie die KOnige iiacli dev Pliyfiognomie wahl. ten , liabe icii kcine glaubwiirdigcn Zeugen auf. finden kuunen. uad fubre ct daiier noc beylau. fig an.

Digilized by Google

22

tnie lind SchSnheit fahen, und zwar nacli bertiinmten Regein (eopa) fo dafs fie nie ge» tstuTcht wnrden. «IVlUdc Augen, fahrt er „fort, zeugen von Scbunheit der Seele : der „Mann, der nicht fogleich zornig und hitzig „wird, liat gewohnlich ein helles heitres 6e* „richt. Der Boshafte und Li flige dagegen „hat einen fchiefen und unfrenndlichen „Blick: der Dmnme und Elnfaltige weit^

„ofTne Augen, wie die Efel und Oclifen. „\Vefren Augenhranen zurammenlaufen , der „ift btife, und weffen Geficbt nicht roth, „rondern hnfter und fchwarz ift , deffen „SeeIe wird nie fioh. Solclie Zeiclien gelten „nicbt blos von Midohen und Wciliern, fon- „dern auch^von Wannern. Das alfo erzabll ,,inan von den Indiern. Wenn ich ubrigens „den Ausdruck Schunheit gebraucbt habe, „fo gcfchah es nicht in der gewohniicben Be* ,,deutung; ich weifs kein anderes Wort. „mn das auszudriickcn , was die Indier Mtneynen. *) Man kann, f&hrt er fort,

„auch

*) Sie hatten alfo , vrte et fclieint . ein Wort in ihrer Spracho . womit fie dirjenige BerchafTen* beil der Geficlittbildung bezeichneten , aut weU

eher

Digitized by Googie

a3

„auch aus der Stimme von jemandcs Innerni ,)Urtliei]en. *— Fruh und nach dem Erfen ift „die Stimme fanfter. Die Stimme des JVlild* „chens mufs inchr weich , nicht rauli und ^fchreyend feyn: die letztere ift das Zci*

„cben eines mannlichen Weibcs/*

III.

Wir kommen wieder auf die Gricoben zuruck. 0!j ibre illterten Weifen unter an- dern practifchen Gcgenftilnden aucb der Phy- liognomik einige Aufmerkfamkeit widmeten^ wilTen wir nicbt. Die fpeculativen Pbilofo- phen wenigftens hatten fchon frubzcitig eiucn ganz andern Gang genommen, und ibre For- fchungen mehr auf transfcendentale Gegen- ftande, auf bosmogonifcb mctaphy fifche Pro- blcme, gericlitet. Waruni? davoii ift an- derw^rU gehandelt worden. *)

B 4 Der

clier der PI13 fiognom iiif gute itinere Eigenrcluf.

teii zti rchlielfen bcrrcktigct ift.

S. unier andein Eeytr!i»e 3 Sliick S. 8. und

Meiners Gefcb. det Wiff. Tl). ». S. i/jO.

Digitized by Googie

24

Der erfte, Ton dem wir (inden, daCs er die Menfchenkenntnirs iiberhaupt, und in der* felben die Pb3’fiognomik *) zu einein befon- dern Studium machte, **) ift der Samifche Weife.

Er f ter Z^ltraum.

Von Pythagoras bia Ariftotol«s.

Ii>s ift bekannt genung» dafs Pythagoras bey* nahe allgemein fur einen Freund geheiiner Kiinfte, insbefondere der Weiffagungskunfr,

von

•) Die Schreibart des Worfi ift verfchieden. In den alten ^uten Autgabeti der phyfiognoniirchen Scliriftltellcr vvird cs gevvOhiilicb 4>t9ieyvwjus* vixi gefclmebcn, unddie Ablcitiing felbft itimmc dafiir. Wenii man in neiiern Zciten ^ueioyviu- /xixi aiifgenonmien hat,: fo fcheint es inelir um der boqneniern AnsTpracIie willen gercheben aa Ityn, wenn niclit falfclie J.esarten in eiiiigen Ausgaben des Ariftoteles dazii Veranlalliing gego« ben liaben. Es ware unniitze Peinlichkeit. jeut die alte Schreibart wieder diirchreizen zii wol- len , und ich habe micli dabei nach dec Gewolui. heit gericlitet.

•) Porphyr. rita Pyth. p, i85. (ad. Cantahr. i(j55.) T«vt>)V yczQ irpaiTef T^v TffJ avlipw-

rvij sTicrjj/zjjv , e veief t»|v (pvctv ia// av5«vai J.

Digitized by Googie

25

Ton den Alten ausgcgebeti wird. *) Aber er mag diefes gewefen feyn oder nicht : fo ifc

es kein Wunder, wenn er ais ein Mann von practircbem Sinn und vieler Beobachtungsgabe auf die Idee gerietb, aus dem Aeurern ei* nes Menfcben de/Ten Inneres zu erkennen. Wirklich trieb er es darinn ziemlich wcit: wenn wir den Erzahiungen des Porphyriut und Jamblichut Glauben beymerfen. **) Einen

fi 5 gewif”

•} S. C ic. de Div, J. c, 5. VI in. Iliji, T. II. p.525. Hard, Vergi. TlJoi/ieim in CuAiuorths Sy. ftema intell, p, 855. Anm. 4. N. III.

J amhlichus /.17. Pytli. Porphyrius tie 1'ila Pyth. p. >85. (ed. CanCahr, i(J55.) Tov Aergiiov Tijj j^api^trei iNIvijffajyjf, 0

Vi Aa^uuv Ka/ , xa< ra; Kivijeuf

*aJ raf y/i7ifiia( tov eix/xarof iTai»

Stvoi. Uiid ebend. S. 2o6\ 'O J’ 0veiiyv<o^

/uev^ffa; tov av^pa (Cylonem) {xa? ctoTo; evv(S'JLv ix Touv eif/xiiuiv, a 2ijt rov ffujuarso iSif' fu Tmv *Q3etivTiav , anivai iy.i^tuei xa! ri iavTcv x-famiv. F.iirchlich h.it mandie VVort* bey Ovid, Metamorph. XV. (3. liierher ge« dcutet, wo ei vom Pythagoras beifst:

et quae natura ne^nvit Vijvbns humanit , oculit ea pectoris haujit,

OfTenbar ift hier nicht Ton Phyfiognoifiik , fon* dcrn von Pythagoras KenmnilTcn obeihaiipt die Rede.

DigitKed by Google

26 -*■

gewlfTen AftrSus nahin er in feine Sobule aiii , weil er ihn aus fetner Phyriognotnte fdr tuchtig erkannte: einen gewifTen Croto* ner Cvlon wiefs er, nach rorgilngiger phy fiognotnircben Prufung, geradehin ab, Ueber* haupt nahm er, wie Porphyrius fagt, Nle* manden ais Frcund oder Schiiler an, ohne ihn vorher phynognomifcb unterfucbt zu baben. *)

Wie und nach welchen Regeln dlefes ge* fchah, davon fagen feine Kiographen nichts bertimmtes. £r beobachtete, nach Porphyrius, den K&rper it| Ruhe und in Bewegung, (ri«

•) Porphyr, l. e. K«i cir iv (^!kev oSrt yuioiMov ivotifvetTO ovitvx, irpiw xpsTjpov 0vffteyvwpey^ffai Tov , cvelif *ot’ iffriv. Gellius Noct.

Att. I. g. Jam a principio aJolafcentes , qui fefe ad difcendum obtulerant , Id

verbum figniftcat , mores naturasque hominum coniectatione quadam, de oris et vultus ingeriioi deque totius corporis filo et habitu fcifcitari, FliyQognomie war j^och niclit das Einrige, woriiacli er ilch bey der Anfnabme feiner ScliQ* ler riclitcte : er forfclite aitcli , wie Jamblichus fagt, nach iliiem Obrigen Benclimen in bitui* bclicn uud andern VerbalinilTen.

Digitized by Google

27

xa) rie rtv vwfiorrsc) tind hatte

fich gewIHe Zeichen gerainniclt fcvwl«V rB»

rnuln'» ) * T*y et'ftxra; iSt}.->a r«» *f9«<i»r«y.}

Welclie, untl nach welchen Principien, wif- fen wir niclit.

Vom Pythagoras an ift ein langer Zeitraum, in welchem ich keine bertimmien Nacliiich- ten iliidr, UiiterdelTen w^re es Jcicht; ihn iTiit Vermuthungen aiisziifullen, «enn inan iicb die Miihe nehinen wollte, aus den Lehrfii- tzen nachfolgendar PhHofoolien durcli Schiurfe herauszubringen , ob fie fi\r oder wider die Phynognoinik gcfiimmt haben knnnten. Neh- men wir, zum Beyfpiel, das Fragment des Parmenides ^ \n welchem er wie ein Tollkomm* ner lUaterialift uber die Denkkraft des Men- fchen fpricht: *) fo wiirde es nicht fchwer leyn, ihn zu einem Freunde und Vertheidi*

ger

*) Bcym Ariftoteles JVIetaph. ///. 5. iind Theophraji. de Senfu p. /. S. Samm-

liuig der Fiagmenie des Parmenides 5. 92 L

Digitized by Coogie

tL,

28

ger der Phyliognomik zu machen. Ein Olei- ches lieffe fich mit Empedoktrs und tneb- reren andern verfuchen. Aber dabey wurde die Gefcbichte felblt nlchtr gewinnen^ und ich iibergehe daber diefen ganzen Zeitraum mit Slillfcbweigen.

Einige Aufmerkfamkeit vcrdient aber noch

Hippohratfs.

In mebrcren feiner Scbriften komnaen pby Aognoinircb medicinifche Beinerkungen vor, die in folgenden Zjsiten b&ufig benutzt wor- den And. Vornebmlicb recbne ich hierher, was er in feiiiem Werke uber die Vorherfe- hungen von den Zeichen der Krankheiten aus der veranderlen GeAcbtsbildung, befonders aus den Augen, anfiibrt.

Weit mebr noch kommt im zweyienBuche des Werkes i<on den Landfeuchen vor. So lieifst es im fiinften Abfchnitt : Die rothgelben , fpitz* nSfigen und kleinaugigten Leute Andrcblitnm: die lotligelben fturaprnkAgen und groAskugi* en And gut: die groffen, kahlk6pGgen,

ie Bucbriabeii verrchluckcnden, Ttanimeln*

deo

Digitized by Googie

den find gut.*) Und im fechften A!)rchnittt Die Stotternden mit einem grorsen Kopfe und klcinen Augen find j&lizornig die getrofc vor fich Hinfehenden find jitizornig die Lente niit einem grofsen Kopfe, grofisen, fchwarzen Augen, und einer breiten dickea I^afe find gutmutliig u. f. w.

Indeflen darf iiian auf alie diefe Stellen niclu zu viel bauen , da es erfiens nicht aus* geinacht ifc, ob jenes Pr&dikat gut und rchliinm iiberall iin morali fchen Sinne zu nehmcn ift, wie ich nicbt glaube: und da

zweytens die UnSchtheit dicfes t-ypyten Buchs y«n den Landfeuchen fo gut ais erwiefen ift,

Ich wcnigfiens getraue mich nach allem dem , was ich Ton Hippokrates gelefen habe, jiichts weiter anzunierkcn :• ais dafs Hippo- krates, ein aufmerkramer , dcnkendcr Arzt, jich auf die Beobachtung der Geficiiter feiner

Kran*

*) AiiF diefe Stella fcheiot Vignrul- BJarvilU za deiiieo, wenn ei bey ibni heifet, T. I. p. 53. Brantome fagt vom Admiral iVAnne- haut, dafier gedortert habe, aber dabey homm» hlen et tres brave gewefen fey , niit dem Zu. fatze: Tout begue eji tel , ainfi quont tnu les jtnciens.

Digitized by Googie

do

Kranken niit Flcifs legte, und in der medi* cinifchen Phyfiognoniik fehr gut crfaliien war. Aber fiir die cigcmlich pry^hologifche FhyRogtiomik habe icii in feinen Scliriftcn nichis entdecken kunueni fo dreuft fich auch neuere Schnflfteller iiber Pliynognoinlk, z. B. Peniety, *) auf feiri Anfebeii berufen.

Sokrafft

Wir kommen runmehr auf die beruhmte Anecdote» welche den :>oliiatcs beirift. **)

Ein

•) Perne ty Tli. I. S. 7. Nacli der dentfcben Uebeifetaung feiner Phy Jio gnomik.

•*) Cicero do Fa to c. 5. Quidl Socratem non. ete legimus , quemadmodum notarit Zopyrus, phy fio gnomon , qui fe projitehatur hominum mo- res naturasque ex corjtore, oculis, vultn , fronte pernofcere ? ftupidum ejfe Socratem dixit , et hardSim, quod iugula concava non haberet- ohftructas eas partes et obturatas ejfc dicebat ; ad- didit etiam, muliero fu m, in quo jllcibiadet

eachinnum dicitur fuftulifje, Tufcul. Q u, IF,

57. Ut Soerates dicitur , cum multa in conventu vitia collegijf t in eum Zopyrus, quife natUram cuiusque ex forma perfpicere profitebatur , deri- fus eft a ceteris , qui illa in Socrate vitia non agnofeerent: ab ipfo autem Socrate fublevatus,

cum illa fihi fgna, fed ratione a fe deieeta di- ceret. Auch Maximus Tyrius ervfriiiint

dir-

DigitKed by Googie

3i

Ein gewiffer Zopyrus ^ welclier die Kunlk verftcben wollte, die Charaktere und Natu- relle der Menfchen aus ihrein K6rper, den Apgcn, der Mlene und der Stirn zii erken- ncn, erkiarte den Sokralcs fiir diunm und ftumpriinnig, weil feine Kehle nicht gehdlt, fpndern alie diefe Theile verftopft und ver* hiirtet reyii. Anferdcin urthcilte er auch« dafs S(d;raies WeiberPilchiig feyn niurfe. Und ais nun Alcibiades und andre Anwefende uber diefes Urlbeil lacliten : verficberte So-

krates, er habe alie diefe Eigenfcliaften wlrk* lich gchabi, aber durcli den Gebraucb fel* ner Vernuurt unterdrUckt.

Es ifc allerdings etwas auffallend, dafs diefe Anecdote von keincinder ^Itern Scbrift* fteller beriihrt wird: unterdcffen wollen wir uns gern aiif Cicero’s Angabe verlaffen, und vnnehmen, dafs fie in irgend einer andern verlobrnen Scbrift oder Stelle erzabit oder

benutzt

diefer Anecdote Dijfgrt. p. 148. (cd I^ngd, >914. 8. ) und erktiirt ciigleicli die g.ittze Phy fiognomik fUr unlicber nnd eitel. Ansfilbrlicli er- aahlt lie aucli Alexundtr Aplirod. da Fato j>. 5w. ad. Ixmdin

Digitized by Googie

32

Lenutzt worden fey: zumahl da Cicero aus-

druckiicb legimus fagt.

Zopyrus nalim alfo, wie wir feben, den Grund leines Uriheils von der BerchaHenbeit der Kehlc licr. Sonderbar gcnung, da er ibn weit naher und bcniniinter in der gan- zen Phyfiognomie des Sokraies baben konnte» Denn wenn wir uns an die Befcbreibungen balten, welcbe bey Viato und Xenophon vor- kommen:*) fo konme der Phyfiognom daf-

felbe

•) Plato Syntp,Z2. pT^olff. Theae tet. c.2.p.g^. *d. Fifcher. Xenophon, Symp. IV, ip. V, <j, ed. Zeune,\er^, Julian Caes, nach S panh e i njs Ueberf. S.107, f. und C h ifl e t de gemmis Socratis, Ant. w t6(/3. Die Stelle beym Arrian Dijfert, EpU ctet, IV.c, II, und alie die Einwendungen welcbe Jieumann Acta Pliilofoph, J, p, 126, dagegen jnacbt, beweifen nicliti. Denn wenn gleich Epictet dem Sokratcs eine anmnthige und lieb* liclie Bildting (ewpcc i-rt^aQi k«.' ijSu) beylegt: fo Lann diefa febr faglich auf die Anmuth ge. deutet werden, welcbe Sokraict dnrch feiueu Cbarakter und fein Benebmen ficli felbll gab, und diefe Detuung iit um ruiicberer, da Epictet atisdiacklicb binzufetxt, dio bliibendilen und cdelAen Jdnglinge b.itten lieber bey ihm, aU hey ucn u^ohlgebilJetJien Mannem (ij to?{ tu/xof (jDwrarcif) gelegen *■ (TapoviaraxXivte^ai.) ’So UT» tbeilt audit wenn ich uicbt irre, Meiners„

Digitized by Google

33

felbe Urthell aus dem Sllenahnlichen Gefichl® des Sokrates le(en.

Wie dem aber auch feyn mag: fo hat

man diefe Anecdote dennoch hSufig benutzt» und zwar zu zwey entgegetigefetzten Alilich- ten, zur Befiaiigung und zur Widerlegung der Phyriognomik. Zopyrus, fagt man, liat richtig beubachtet, denn Sokrates gefiond, das gewefen zu feyn, wofiir ibn der Phyfio* gnom erklirte: die Phyliognomik ift alfo R-

cber. Aber, wendet man eiii , diefe Anec- dote beweifst, dafs es niiigiich ift, etwag anders zu werden^ als man den phyfiognomi- fcben Zeichen nacb unrklich ift: die Phyfio-

gnomik ift alfo unficher. Gegen den letztcrn Schlufs hat insbefondere Lavattr Pbyfiogn. Fragm. (4ter Verf. S. 67) fehr nacbdrucklich gekampft: er ift geneigt, zu glauben, dafs

Sokrates fich felbft nicht gekannt, und Zu- lilligkeiten, weil fie ibn von jugend auf ura- gaben, fitr wirkliche eigne Anlage gehalten babe. *) „Aber , wendet ein denkender Re-

i.cen-

•) Aticb Montaigne gWobt , Soli rate» babe niiy gcfcherzt.

8. Sfiick, fi

Digitized by Google

34

„cenfent ein, *) fchrieb fch je eincr, der „Anrpruch auf VeiAand macben wollte, dic „Laber des andern zu? Wenn Sokrates ebr* ,,1icb bleiben Ibll, fo murs er xnehr tbun, „als fie fich zufchreibem er mufs fie glauben. „Hat er fie wirklicb, fo zerkruinelt ficb ),hleran das Laraterifebe Syftem vonAnlagen; „bat er fie nicbtt und glaubt Ae Lefer, ibr „babt die Walil. Entweder ift Sokrates ,,eln Betriiger oder ein Dummkopf oder „die Wabrbeit und Gewifsbeit aller PbyAo* „gnomik ift aufs mildefte von ihr gefpro« ncben ein Traum!“

Unterdeffen, fcbeint es, konnte, webn dabey etwas zu gewinnen wEre, ein Ver- tbeidiger ron Lavaters Idee noch Manches anfubrcn, um diefes gef&brlicbe Oder Ton fich abzulebnen. Er kdnnte gegen das An> febcn der ganzen Anecdote mebrere Bedenk- licbkeiten Hufern, er kfinnte ficb aufSokra* tes bekanntcn Hang ziir Scbw&rmerey beru- fen, aus welcbem ficb allenfalls eine folcbe Selbfu&ufcbung erkla.ren lieCie: er kdnnte

ver*

•) Neue Bibi, der fch. TViJf. XXII. i. S, iSy.

Digitized by Google

S5

-verxnutlien, dafs Solcrates vielleicht aus Ach* tung fiir eine Winenfchaft, von dcren Aus* bildung er manciien VorlheU Iiofte , ficli felbft Preifs gegeben habe; und folcher Viellcicbts xnehrere.

In der That mufs fich Sokrales felbft ein wenig auf Phyfiognomlk gelegt haben, wciin dasjenige licbtlg ift, was Apulejiis crziihit, dabi er den jiingen PlatO) ais er ibn in fei* nen Unterricbt nabm, phyfiognomifcb ge* pruft habe. *) Aiich feine Voi liebe fiir Schon* heit des Korpers griindete ficli wohl zuin Theil auf eln phyfiognojnifches UrtheiJ odor Gefiibl, wle es beynahe zu allen Zciren und bey allen gebildeten Menfchen berrfcheml ift, wenn fie unter einem wohlgebildetcn Korper aitch moralifcbe SchSnheit oder docb Ein- pfanglichkeit dafur eber Vcrmullien, ais un- ter einer unformlichen hafslichcn Gefialt. **)

C 2 Daraus

Ap ul e i u 1 de Phtlo/ophia I. i, Arifto Flalo- nem puerum oblaturus Sokrati magijtro (^)uem ubi adf pexit ille, ingenium que intimum de exteriore confpicatus eft faciei hic ille erat, amici, inquit, de Academia Cupidinis lygnus, (Iu der fiatler Atifgabe bey il<u»ic Teiri Itcbt diefc Stelle To. II. p. /jli.)

S, JJZa X in: u s Tyrius Differt. XI. p, i^t.

Digitized by Google

36

Daraiis eikUri fich zum Theil feine Lieb« zuin Alcibiddes: darauf bezieht ficli die Er-

niahnnng, welclie cr den liinglingen gab, Cch oft iin Splegel zu betrachten, damit fie, wenn fie ficb k.6rperlic!i fchun filnden , an» gcEeuert wiirden, diefer Schdnheit wiir> dig zu werden , und im Gegeniheil ihrc HHfslichkeit durcb Geiftesbildung zuzuJekc kcn, *)

Plat0,

Die meiftenphyfiognomifclien Schriftfteller der mittlern und nenern Zeit rechnen den Plato Tornehiiilich aus dein Grunde uiiter die Kenner und Freunde der Phyfiugnoniiky weil er iiber feinen Lehrfaal die Aufrcbrift gefetzt habe: OvJdc icyitiftirgot (oder kyimiii-

TftiTot) ilsiroi. Sie ubcrfetzen nebinlich diefes irytaifitTgee durcb mifsgeftaltet , verwachreni hifiilich: und glauben, Plato habe daicit

zu

Uiog'. Laert. II, 5. n ifi. PlutarcluPraec, Coniug. Apuleiut , Apolog. pro fe Prima, pag. i35. (#J. Rafil.) Vergi. Seneca ^)ua«ft. Nat. I, Phaedrus III, ^ G a l e n u t lixhort. ad fliedic, e. 4<

Digilized by Google

37

zd Terfwben gegeben, er balte jeden kdrperlich Unftii mlicbcn auch fur eiuea Krupel ain Gelfte, alfo fur ui^f&hig zum Studium der PliiloTophie und zu aiier geiTti- geo und Ilttlicben Bildung. *) Aher, iiiclit zu erwShnen, wie unheftiinmt dicfe ganze Nachricht v6n der Platonifchen Ueberfcbrifi ift:**) fu haben alie andere Ausleger das Wort kytmtiirfti fo gcfafst, d.ifs fic eineii der IVlatbematik Unkundigen daruiuer ver- ftanden, dem alfo Plato den Eintrltt in fel- nen philofupbirchen Lehrfaal daruin verbolb, weii er die Maibeuiatik fiir die beftc Vov

C 3 berei-

•) So fif»t •! aiich Tervety Verfiich einer Phy* fiognonuk. Erfter Uand. S. 320. u. S. 53. weil er dem Po r ta naciibeliiet.

**) So oft aiich diefe Ucberfchrift in neiiern Scliiif- ten angefiiiirt wiid : fo wird docL niigenda pe- fagt, weicher alie Sciuiftfieller davnii redet. Ich weni^fteiu liabe deii Siiz diefer I^acliriclu iiixh nicht ciitdecken Liiniien. F.inige verweifen aiil' Diogenes: aber bey diefem Aebt nirhia. Nocb audere fdirieben die ganxe Nachricht dem i'ytha- goras ziu S. Bruker Th. I. S. 641. (der eben< falis keine Stellen anfuhxt.}

Digilized by Google

38

bereitung iam Studium der Philofopliie anfab. *}

Dafs Plato, wle fein grofser Lebrer, ei- nen vorziigUchen Werth auf k6rperliche SchSnheit legtc, iTt aus mehreren feiner Di* alogen ernclitlich. Zur kiirpcrjichen Sch6n- heit gehdrt eine regelin&rsige angenebme Ge- iiclitsblldung Torzugllcb. Gewifs hat alfo Plato auch diefe in befondere Bemerkung genommen. Etwas Bertimintes aber habe ich darQber bey ibm nicht finden konnen, felbft in denen Stellen nicbt, wo er von der Harmonie der Scele und des Kdrpers Ton dem Verbftltnirs der einzeinea Theile und deren Zwccken umftilndlicb ban** delt» im Timifus.

Dcnn auf Befebreibungen gewiffer Perfo- nen, aus denen der Pbyliognom etwas facrausrathen kdnnte, darf man aus na* tiirlichen Grunden nicbt zii viel baiien. Ein Scbriftrteller kann felir licbtig zeiebnen, obne eben Pljyfiognom zu feyn. Ich dacbte dabey an die Stelle im Plato, wo Sokratcs feinen

An*

*) S. danlber «iich Pfoclut ad Eucl, II. p. 19. Ver»

gl. deo ritafdrui und de Repub, yil.

Digitized by Google

3g

Anldiger den Melitus beCchreibt (\mF.tttYphrtM Anf.) ais rtrm»Tflxa% (<nit ftarren Haaren} ica) ti wdir» liyfvim, (nidbt Iangb£rtig) Ixiyfv rh ii% (etwas krummnafigt:) lauter ZeV- cben eines dummen und bosbaften lUannes.

Icb batte nitn nocb dia Tragiker und Ko« miker durcbgehen follen, und icb habe wirk- licb den Anfang geinacbt. Abar incine IMbhe belobnte Rcb zu wenig, da icb in fiinf Stii* cken, die icb durcblas, biicbftens auf ein Paar patbognomifcbe Bcmerkungen ftien», und fonfl auf nicbts, das in elne Gefcbichte der Phyfiognomik gehurt batte. Jede Nacb- weifung wird mir aber willkoinnieu feyn.

Schon um Sokrates Zeit batte die fcbSne Runft in Atben betradulicbe Fortfcbriite ge* macbt. Alie Befcbreibungen , dic wir von den Kunftwerken aus )ener Zeit, insbefon- dere von den Statiien des Phidias haben, ruhmen den Ausdruck und die Bedeutfam* keit in den Gefichtern derfelben. Natur- lich muften fich alfo die Kiinftlcr jetzt mehr ais jemabls auf das Studium der Pbjfiogno-

C 4 miea

Digitized by Googie

4o

Bilen gelegt, muften fich gewiffe ide*Iifche Bildungen abgezogen ha)ien , murten we- .nififtens geiibte Pathogiioinen feyn. Das WVe 211 bert>ainien, ift uns jetzt nicht m<ig- lich: •) aber fo viel glaube icli aus dem Flor cTer fclidnen Kunft in diefer Zeit nicht ohne alles Recht rcbJiefsen zu diirfen, dafs meh* rere Denker damahls ibre Aufmerkramkeit auf den Ausdruck, die Anmuth und VoJl- kommenheit der Genditsltildungen richteteni und dariiber gewiffe allgemeine Regelu feft- zufetzen bemiiht waren. Diefs fiihrle geie- gemiich auf pfychoiogifclie Unterfuchuiigen, und fo niochten mehrere, felbft fclirifiiiche, Verfiiche in der Phynogiiomik geniaclit woi> den feyn, von denen wir niclns uielir wilTen.

In diefer Vermuthung befiitiget mich auch die Scellein FhyJiognomikKi}^, i,

wu er fich ausdriicklich auf friiliei e Phyltogno* men beruft: O/ fliv tZ't wfQyiyvnmfMoi ^unaytm' fMVfC xarA Tf(« Tftirtvt iwiXittn»»* ^uticy*mfio\t7v*

Eben fo crwabnt er eines Pbyfiognomen,

der

S. 17'teland Ober di« Ideala der griechifcLen

Kunrticr. Samnul. Schiiften B. 24. S. 141 £

Digitized by Googie

der aJle Mifsgertalret* auf zwey oder drey Tbiergertalten reduclrt habe. *) Solite er un» ter diefen PhyTiognoinen nur folche Minner Terftanden haben, welche diefe Beubachtung bloHi piactifch trieben, ais eme nnlei linitende Berch&ftigung? Oder nicht viclinebr folebe, welche tiefer daruber nachgedaclit und fie wohl aiich tbeoretifeh bcarbeltet liatien? Aus der Bertimmtbeit, wnmlt cr ihrer gcdenkt, und aus der Umft^ndlichUeit, wo.nit er lich auf die Prulung ihrer Tbeoiieen cinlafst, wird mlr das Letztcre walirfclieiniidier , **) und ich nebme alfo an, dafs Aiiftoteles nicht der erfte gewefen ift, der iiher PhyIiogn<»mik fchrieb. Porta erwahnt in feiner Phyfiogno- mik einen gewilTen Pfiifo aus Lacediimott, ***)

C 5 den

•) De Generat. Animal. IV, 3. 'tutfieywaiuiuw Sf ri(

av^yt -raOei iif iuo ^uiutv ^ rfiiiv e^^tis, r.ai ChvtTut/i toXXaxi; Xiyutv.

**) Sollteu nicht aucli mebrere phyrmgnomifcha Bcoierkungen in tlen Scliiifien dus j1 pelles (Pli~ nins II. N. 35, 36. lO. ^ Mehtiithiut (Diog. Laett. IV. i8.) Euphranor {Plin. 35, /|0. i5.) in Bctiehiuig auf die &unft Torgehommen feyn ?

***) LjP'. I. c, ti, libertus IVt. nennt ilm Philemon, {qaem commendat Arlftotclv\) S. Fabric. bibt.gr. III. €. 6.

Digitized by Google

42

den Ariftotelcs in elner Stelle feines Werkes widerlegt habe. Aber ich habe von dlefem Fhyfiognomen Philo keine beftimmte Nach« licbt gefunden. Ariftoteles wenigftens nennt ihn nicht. Wahrlcheinlich ift eine Verwech* felung inlt dem Namen des Polemo Torge* gangen, den die &ltern Phyliognomen ge> wohnlich Philemo fcbreiben: oder es ift der Philo, der im Polemon Torkommt Lib. I. p. 190. wenn es anders dort ein Name ift.

Ariftoteles,

In mehreren Scbriften diefes Pbilofopben Knden fich Aeuferangen, die keinen Augen» blick daran zweifeln laflen, dafs Ariftoteles eine Phyliognomik fiir mdglich hielt und mit befonderm FleiiTe daruber nachgedacbt batte.

In den Analyt. Prior, Lib, II. Cap, 2S. ban* delt er ganz beftimmt davon. Pbyfiognomik, fagt er, ift mdglicb, fobald man zugiebt^ dafs Seele und Leib hcb in Ruckhcht der na- liirlichen Neigungen zugleicb verandern, und dafs es fiir Eine Sacbe auch immer £In Zei»,

cben

*) Wer^ «Ue Auiu von Franz and Sylburg,<

Digitized by Googie

43

chen giebt* Dfenn ift diefes, und k5nnen wir nun Jede befondcre Neigun^ und deren Zeichen Anden, fo kiinncn wir auch einci Pbyfiognoraik habcn. Hat j*?de Thiergatiung ibre cigenthumlicl>e Neigung, fo wird es aucbein eigenthumlishes Zeichen davon gobeii, da Leib und Seele Ach wecbrdfcitig afliciren. Wir Anden z. B. beym Lowen die eigenibuinlicbe Keigung der Tapferkeit, und nebmcn wir 0un die Aarken Gliedmafren ais ein Zeichen diefcr Neigung an: fo wirc diefs das cigcn-

thuiiilicbe Zeichen einer diefer Thiergattung und nicht blofs einem Individiura cigcnthiim* lichen Neigung: welches dann 1)ey jedcm

andcrn Thiere und felbft beyin Menfcben zu* trefien wurde. Konnien wir mm bey allen Thieren, die eine eigomhiiinliche Neigung haben, die Zeichen derfell>en fammein, (und jede Neigung mufs ihr Zeichen haben)'; fb liitten wir eine Phyfiognomik, Wcnn nun aber eine Gattung zwey eigcmhuniliche Nei- gungen bat, wie der LOwc Tapferkeit und Gefeliigkeit; woran wollen %vir dann erken- nen, wovon das angenonimene Zeichen ei* gentlich Zeichen fey ? VielJcicbt auf die Art, wenn wir beobachten, ob in einer andern

Gat-

DigitKed by Google

44

Gattung beyc^e ElgenTcliarten ebenFaTIs zuram* meiitrefren oder nicht. Warenaq irgend eine andre Gattung viellcichttapfer, aber nicht za* gleich edelmuthig, fo k6nnte inan rcbllerfen, das angenninmene Zeichpn bedeiite beyin Ld> wen Tapffrkeit. Der Schlufs felbrt aber ift folgender. Die Tapferkeit fey a, groEse Glied* maffen A, Ldwe c; fo rchlie/Te ieh, wo c ift, da ift wo aber b ift, da ITt auch tt u. r. w.

Eben fo fehlt es in mehreren Ariftoteli- fchen Schriften nicht an einzeinen phyficgno> mifchen Deutungen. In der Hift. Animal. I. & nimmt er grofse Stirnen fur Zeichen der Langfainkeit, kleine der Beweglichkeit, breite des EnthuhasmuSy ruiide des Zorns *) Von den Augenbranen giebt er im 9. Kap. Ausle* gungen; im Buche \\. Hnp. ift von der Ver* fchiedcnheit der Gefchlechter iiberhaapt die Rede, i:n 9. B. Kap. 1. befondurs von deren Vcrfcluedenheit in Ruckficht ibrer Geuitilhs*

be-

•) Audi von dcn j4ugm fpridit er Eh«nd. K, 10. T> OJ PtXWvTOt» ffiffitiev imtiwv 0 piv

•vai5»|? , 0 1$ Aut der Fufsplatt»

fchliebt er £hmd, Kap. »5. auf Ijii und Be- ti dgerey.

Digitized by Google

- 45 -

berchafTenheit. Und fo wZirde cs nicht ^iele ]VlQ'he koDen, auch aus den Werkcn de Ge- neratione Animalium und de fartibus Animalium rine beirSchtliclie Anzahl phyfiognoinifcher Bemerknngen und Deutungeu zu fammein. *) Auferdem findet fich unter Ai iftolelcs Na» men und Werken eine Abliandlung, die ganz elgemlich fiber diefeii Gegenfiand hindeit, und die Aufrchiift ^uctiyMuno-.iHa fiibi t. ich will gerne nicht leugnen, dafs Ariftoteles, diefer TieluinTarrende fyftemalifche Philofoph, fiber Phyfiognomik geTchrieben hat. Seine Torhin angefuhtten gelegentliclien Aeiiferun» gen, die ZeugnilTe alter Literatoren ***} und

die

•} Man fehe ile Part. Au. //. ’f. 8. f). »• f. Sofagt er im lo. die Tliirre, deren niiitmicvie»

len und diclitrn libom eifullt fcy wareii mu. tbig , zorntg , wbthciid , u. a. m.

••J Waa die J^iieratnr dlefef Riicbs b':trirt/ fo darf ich mir auf diegriecbifcbe litbtioiliek von Fuhri. cius, auf die Bulillfche Ansgabe det Arirtotelet, und Franzeiu Voiiede zu dcii Phyfiognomlae Scriptores veteres S. / / f. 'vcrweileu.

Djogenes Laertius ffilirt aiitdnlcklich nnterden Schrifteii dea Aiinnu-li^ cin folcbet Werk an ; ♦iweisyvwjucvixiv , «i. (L. V. c. i, n. 12. ed. I^on- goL) In der anonymifchen Lcbcnsbcfcbreibung beym Menage ^S. delTen Anmcrkungcn zum D.

L.S.

Digilized by Google

4ti

die allgcmeine Einniminung neuerer Gelehr^ ten entrcheiden dafiir hinianglich. Aucb will tch nicht leiignen, dafs Vieles in dem gegen* wartigen Auflatze AriftoteHfcli fey. Aber das kanii ich nicht glauben, unddie Urtfaeile meh«- le.rer Literaloren find auf mcinerSeite, *) dafs diefcs Wcikchen ia dicfer Geftalt von Arifto» teles hernilire. Ehe ich die Grunde felbrt aus einander fetze, fey es mir erlaabt, dcn Aniang diefes Buchs in eiiier niuglicbft treuen Uebei Tetzung, und das Uebrigc im Ausznge voranzufchicken) **) wobey die Bezeicbniing

der

I.. S. xi8.) flchtebenfalli g. Und

Sivb~iut (Ecl. phys. I. c. 5o. S. »62. ei. lleeren.) fiiliit dcn Aiifang unfert WeikcLen<> mit weni* gen Varianten , wOrtlich an.

S. Ai>erroes tn Opp. AriJiot.Tom. VILp.2S5, b. S anc he z in Coiiirit, ia Arift, Phyjtogn, p.55, Du P ali in feiner Au«gabe. Fabricius bibi. Gr.

**} Das Veifl.indnirt diererScIirirtinniclitinirdurcli dic Vcrdoibenhcit desTextes, durch den UnAnn ia dcn Uebcrfetriingen , fondcrn anch durch die £in-uiid Abtiieilungen , die von den Commea* tatoren gcmacht >vorden iind, ungemein er* XcLwcrt: nicht zu eiwalutcn, wie oft die Ausle» gungen der Letztem den Lefet irre fiihrcn.Hr.Frans bat cs durcit Teine, fonft fehr gelehrte. Ausgabe nicht feht erlcicluert. Viele feiner Anmerkungen

leli.

Digilized by Coogie

47

der elnzeinen Abrdiiiitte zur Nachwelfung bey dem Folgeuden dienen foll.

Die Ariftotelifche Phyfi o gnomik,

§, I. Die Seele ift abhungig vom Kqrper, und wlrd durch die Ver&nderuogen deITe]> ben affici rt. Dlefs zeigt lich ganz deutlich bey dem Zuftande der Trunkenheit und bey Krankbeiten: wo die Seele ofTcnbar von den kdrperlicben Empfindungen leidet. Dagegen ift es eben fo ausgemacht, dnfs der Knrper an den Zuftiinden der Seele T/ieil nimmt : wie die Empfindungen der Liebe, der Furcht, der Traurigkcit und der Freude beweifen.

$. 2. Noch deutiicher erhellt der genaue Zurainincnbaiig zwifchen Seele und KSrper^

und

leliren gnte andrs DInge, aber niclit den Sinn dea VerCifrera , und uber vielc Scliwierigkeiten jft er ganz hinweggegangen , z. B. S. 33. iiot. 3/). S. 34. not. 42. S. 69., wo das mic Lei*

ner Sylbe erkliirt vrird , und S. 70. der Schlurs. Dennoch Tniift icb bekennen , ana deu Anmerkiin- gen dellelben viel gelernt und bcniitzt au ba* ben. Giit ware es gevrefcn , weiin der lier. ausgeber alie die LOcken im Tt-xte , wie in an- dern Ausgabcn gclbbeben ift > balte bemeikcii lalTen.

Digit:z3d by Googie

48

und die wechfelfeitjge Einwirkung derfclbeii, aus der Entjtehung der Tliiere, Noch -nie ift ein TIlier gebohren worden^ welches von der einen Gattung feinen KOrper, und von einer andern die Seele gehabt hatte. Jedes TIlier hat den K6rper und die Seele, die feiner Gattung zukommt. Hieraus folgt, dafs zu jedem beftininiten Korper auch eine be- ftiiTunte Seele'geh6ren mcne. Man frage zum Ueberflufs die Sacliverfiandigen : der Reuter erkennt und beurtheilt das Pferd, der Jilger den Hund blofs nach deren Gefialt.

Wenij alJe diefe Erfahrungen riclitig find, tind fie ftnd es gewifs : fo kann es eine Phy- fiognomik geben.

§. 3. Die allern Phyfiognomen baben drey Terfchiedene Wege eingefcblagen.

§. 4. Ein TheiI gieng von der Vergleichung der Tbiere aus. Siebeobachteten nehinlich ein» zelner Gattungen von Thieren , und fetzten dann ein beftimmtes Bild eines Thiers nach der aufprn Geftait und den innem Neigungen, «]fi Regel feft, indem fie fchloITen, dafs der Menfch , der einein Thiere am Kdrper gleicbe, aucb ilmlicbe Neigungen babe.

$• 5.

Digitized by Googie

49

5. Eine iweyte Parthey hlelt fich auSi fchJiefslicli an die Menfchen felbfi, und be- obaclitete die Vcrfcbiedenbeiteii des Ausfe- hens und Characters bey einzeJnen Na- tionen, z. B. Aegyptern, Thraziern, Scy- then : woraus dann ebie befiimmte Aus-

wohl von phyRognomireben Zeieben gemaebt wurde»

§. 6. Eine dritle Parthey endiich beobaph* tete die Aeufeiungen vorubcrgeliender Eih- pfinduDgen und Leidenfcbaften , iind fcblors nun von diefen auforn Zeichen auf die Ge- muthsverfafrung zuruck, Zorn, Furcbt- famkeit, Neigung zui* Wolluft, und fo fer ner.

§. 7. Dlcfes lelztere Verfahrcn ift jedocb febr unficher. Dcnn erfllich haben oft *ganz ungleicbe Menfchen cinerJey Gcfiebtszuge : der Tapfre und Unverfcbiirme z.B. feben iich kuferlich gleich, und Hnd doch innerlith ganz verfebieden. Zweytews verfindern ficb die Menfchen unter verfcbledenen Utnfikn* den: der Verdriilsliche z. B. kann maneben

Tag froh fcyny und niiirmt aisdatvn die 8. Stiick. V Stim

Digitized by Googie

oo

Siimtnung des Frdiichen an, To wie im Ge- gentheii diefer verdrufslich werden kann; und beyde haben dann eine ihrer lonfti- gen Stimmung ganz entgegengefetzte Miene. Hierza kommt noch, da(s man aus diefen Sufern Zcichen nur auf febr wenige Eigen- beiten fchliersen kaoa.

8. Eben fo unficber ift das Verfabren derer, die alles auf die Aebnlicbkeit mit Ttiieren y.iiruckruhren, und annebmen, dals der MenTch, welcher einem Tbiere am K6r> per gleklit, auch die Neigungeu delTellien habe. Denn erftlicb wird mao nie bnden, dnfs ein Menfcb irgend einem Tbiere ganz glelch fey: buchftens ift er ihm in einem

Stiicke etwas Shniich. Zweytens baben die Tbiere nur wenig eigenthumliche , aher viel geiueififcbartliche Zeichen. Und woran kann ich denn nun erkennen, ob ein Menfcb mehr einem Ldwen, oder einem Hirfch ihniich fey? Nur die eigenthumlichen Zeicben be« deuten etwns Eigenthumliches, die gemein* fchaCtlicben etwas Gemein fchaftlicbes ; und aus den letztern kann der Phyfiognom nichts abnehmen. Und gefetzt auch, es f^nde je>

mand

Digitized by Googie

5i

mand die eigentlrQmlichrn Zeichen elnes )e* den Thiers, woher Weifs er denn, was diefe Zeichen bedeiiten? Fr kann durcbaus nicht fagen, dafs dlefos oder jenrs eigen* thumliche Zeichen grade diefer oder jencr eigemhumHchen Neigung zugefabre. Der L6vre z. B. ift nicht klofs tapfer, er ift auch noch fonft vielerley: der Haafe ift nicht biofii furchtfainy er hat auch noch andere Eigen* rchaften. Aiis allem diefein erhellt, dafs ujanr durchaus nicht von den Thieren au.«gehcn uiufTe. Das richtige^ Verfabren ift folgen* des. Man beobachte Menfcben, die einerley Leidenfchaften haben: man bemerke z. B.

die Zeichen des Taprein, nebine rum aUe die tapfern Thiere zuraminen, und un- terfuchey was diefe alle gemeinfcbaTtlich und Tor den Qbrigen Thieren ausfchlufslich an Fch haben. Wollte man anders zu Werka gehen, wollte man fagen, dafs diefes oder jenes Zeichen bey allen Thieren Zeichen der Tapferkeit fey, fu kdnnte es oft tre/lcn, dafs diefes Zeichen nicht blofs Tapferkeit , foii* dern auch etwas anders bedeute: und nnn

wAre man iminer ungewifs. Deffcr alfo, man nunint viele Thiere ziifammen, die fonf^

D ii keine

Digitized by Googie

52

keine Neiguiigpn gemeinfchaftlich haken, diei deren Zeicben man fucht ^

$• 9.

•) Hier fehit o/tenbir eiii grofiei Stfick im Texte. Erjilich. Der V'erljffer bat zwey pliyAognOTni> fclie Sylieme beiirtlicilt ; iind Ton dem dritten 5- 5., welcJie» auf Nationalcharactere gegriifidet ift, {oilte er nichts ge&gt liaben? Gcnifa au. feiieer aiich fiber diefea Trine Meynung. Und V«ra)irrcheinlich liatte felbft Polemo, der treue Naclibetber dee Aiirtoielea, einen ▼ollTUndigem Text vov Gch. Denn er rerweilt, fo wie fein Parapbraft Adamantios, grade bey dietem Sy. flcme am langilen, wahrend er die Cbrigenvor* beygeht. OlTenbar fand er ia feinem Arifiotelee wenigdens einige Data dasii. Zweytens. Nodi bat der VerfBOer nicht angczeigt, trelchenWeg er einsiifchlagen gddenke. Denn wae er oben in RuclTicht der Vergleichiing mit Thicren Tor.i fchUgt, ift nuT ein Tlieil feinet Verfafarent. In der Folge fiiiden vrir, daTi er auf die UnterTchie. de dee Minniichen und Weiblichen , der Natio» reo , II. f. w, fortbaiit : follte er darflber nicht liier fclion einen Wink gegeben haben ? Drittms. DerUebergang von der Ceiirtheilang jenee Syrteme aiif die UiiterTchiede der Zeicben iit durchaiie iinerwartet. Nimmt man noch den Anfang dee folgenden AbTchnitte $. 11. dasii: Co Aeht man bald , daTe bier ein grofeee Sidck feblt, worinn der VerfalTer erft d.is Syllem der National . Phy. liognomik beurtheilte, dann Teine eignenGriind. fatze datlielltc, hicrnach von deii phyGognomi* rdien Zeiclirn ubeiliaiipt. und zugicicli Ton dem tSni tange der Ptn liognomik handelte. Man

fige

Digitized by Google

53

§. 5* Nur bleibcnde Zeiclien bed^uien et- was bleibcndes: alie voriibergehcnde larTcn

keinen fichern Schlufs auf das Linere inacl:cu. Sie k6nnen an ficli wohl richtig foyn, alier fie gcwHhren kelne £ikenntnirs des Blel- benden.

lo. Dagegen gew&hren aber aut b ab e diejenigen iunern Einpbndungen der .Seele, welche die kbrperHcben Zeieben, deren ficb der Pbyfiognom bedient, ganz und gar niclit afBciren , fiir diefe Fertigkeit kelne Erkcnni- nifs. Jemandes Meynungcn und WUTenrcbart ob er ein Arz.t oder Tonkiinftler fey, er- kennen zu wollen, ife uninbglich. Das Ler* nen eirier WirTenlcbart verSndert in den Zei*

D 3 chen,

fage nicht, clafi icli ihiti zn vi<*l Ordmiiig r.u- iiiiiiIir: «in Ko])f, wie Aiiliofclct, djLliir eiwifs mit Zur.imnieiihang , iind di:i' oidrmhc!io licbte Vorirap in dorn Anraiige de» Wcik» jiicbt mis ein Ueclit, aiich im lorigange eino iulclia OrJ. nnng zii eiwaiteii. llal» flbrigen» in dern vollliiindigern Texte z. B. von den pliy liognujni. fchen /iciclicn ausfrilnlicher gehaiidclt war, be. weili der Anfang de» Polemonlclien Weikc», ^vc (S. 176 f.) alie die Piincie beiiilirt find , dic in iinTerm * Ariftotele» dcti Ucbcrsarg animacker folltcn.

Digitlzed by Googie

^ 54

chfn, deren fich der Phyfiognom bedient, durcliaus nicbts.

11. Da fich alfo die Phyfiognomik nicht auf Alles erftreckt: fo muden wir reftretzeiii mit was fur Gegenrtinden fie fich befcblir* tigt, woher die einzelnen Zeichen genomtnen werden, und welche in jeder Gattung die deutlichTten und ncherflen find.

$. 12. Die Phyriognomik faat es, wie fcbon der Naine anzeigt, mit den natCirlicben Nei> gungen des Menfchen zu thun, fowobl de- nen, die in der Secle feibft rorhanden bnd, ais den erworbenen« In wiefern diefe indein phynognorairchen Beobachtungen eine Ver&n« derung bewirken. Von d efen nachher. Jetzt Ton den allgenaeinen Zeicben.

§. i3. Man phyRognomilirt ans den Be> wegungen, der GeTtalt, den Farben, den Mieiien, der Raucbheit| der Glattheit, der Stimme, dem FIeifcbe5 den einzelnen Thei*

len

•) Wo detin? In nnlerm Werkdien ill nirgend» davon die Rede. Maii fiobt, der Vorf. fpricbt von denen Neignngen, die man durch Vemunfig;e- branch und Andicngiing' fich erwerben kann, itidem man feinen natiiilichen rdilinimern Nei* 'giingen entgegen arbeitet.

Digitized by Googlc

55

len, und der ganzen Gttftalt des Kfirpers. Oiefs Tmd die allgemeinen phyfiognoniirchen Zeichen : und folgendes ibre allgeineinerri Be* deutungen.

i4> Farhcn bezeichnen, die hellen Wiir* lue und Vollbliitigkeit, die weinsrotlieii giitc Iil>rcbiing, wenn diefe Farben bey eineinglat* ten Kfirper ficb zeigen.

i5. Haare bezeicbnen, die weicben Furcbtfamkeit, die barten Mutb. Diefes Zei< cben gilt von allen Tbieren* Die fiircbtrain* ften, der Hirfcb, der Haafey das Scbaaf, baben die weicbften Haare: die rtarUfien,

Ldwe und Eber, die birtcften. Eben das ift bey den VOgeln der Fall. Die init bar- ten Federn And ftark| die mit weicben furclit- fain. Nicbt anders finden wir es bey den Menfcben - Racen. Die VoJker gegen Nor- den And tapfer und harthaarig: die gegen

Mittag rurcbtfam und baben ein weicbes Haar. Haare am Unterleibe bedeuten Gefcbwltzig- keit; ein Zucben, weicbes ron den Vbgeln entlebnt ift.

^ i6- Fleifcb bezeichnet, das fefte und kriftige einen E;npAndungsloren, das weicbe einen rerft&ndigen, aber unftiten Mann, au-

D 4 f®'"

Digitized by Googie

56

fer bey einem Ftarken Kfirper mit ferten &U' fcrn Theilen.

17. Die newegungen deutcn, die lang* riir.cn auf eine weichliche GemutbsbercbafTeii» heir^ die rafclien aiif WSrme.

18. Dic Stiinme bezeicbnet, die tiefe and belle Kroft, die feine und niatte Scliwicbe.

19. Die Formcn und Zuge des Geficbts niurfeii nacii den Aebniicbkeiten der EmpRn* dnngen *) beurthcilt werden. Die Ziige alfo, flic fich dann zeigen, wenn jeniand ziiint, r.iid Zeicben cies Zorns.

§. 'jo. Das 31annllche ift gr&Tser und ftar- ker, als das Weiblicbe. Die luTern Kor- jioiilicile find fefier, dickery woblgebildetcr und vollkotnmner.

§. 21. Wiclitiger als die Zeicben der KSr- pcttbeile bnd die Ausdrucke des Characiers irii Aeufern, in Bewegting und Gefialr.

§. 22. Uebcriiaupt aber murs inan nie blufs Einem Zcicbcn glauben: Gcbrer ift man, wenn mehrere zurammentre/Fen.

§. »3.

*) Das heirst alfo, nach unTerm Xunruuidruda,

patliognoimfcL

Digitized by Googie

5?

V is3. Noch gicbt cs ein aneres V«rfah* ren der PhyQognomik, welclres nocb Nle< mand verfucht bat. Gcfetzt, mm hat einen zornigen, inurrifcben unJ bittern Mann vor £ch: Io kann maii ragoii, er fey aucb nei-

difcb. Und der PbyHognoTn kann, wenn iich gleiob keine befondern Zeicbcn des Nei* des Anden, aus jcnen erficn Eigenrcbarten auf diefe fortfcblieAen. Diefs ift das wabr* haft pbiiofopbircbe Vexfabren, inrofern es das cigentliuinliche Gefctidft der Philorophie ift, das 'Notiiwcndige in den gegebenen £r- Icbelnungcn zu Anden,

24. Wie nun aber, wcnn Acb ein VVi* dcrrpruch zeigt? Solite man nicbt z. B., wenn man pathognomifcb zu Werke geht, fagen, der Muthige muiTe eine feinc Sllmine haheii'? Der Unwillige und Zomige fuengen ja den Ton an und fprecben hell: der IVlulblofe

liirst die Stimme Anken und fpricbt tief. 0a> gegen aber habeii die ftai ken Thiere, z. B. der L6we, der Stier, der bellcnde Hund, der Hahn, eine tiefe: die furchtrainen, der

Hirfch und Haafe eine bohe Siiintue. Die Aufl^fung diefer Schwierigkcit ift fulgende. Man mufs niciit in der Tlcfe und Hfibe der

D 5 Siim*

Digitized by Coogie

58

Stimme den Muth und die FurcbtfaiTikeit fu* chen. fondern umgekehrt Xagen, die ftarke Stimme iCit Eigenrchaft des Starkeni die fchwacbe des Scbwachen.

$. 25. Am ncbeiften ift es, dantit wann 'iinzelne Zeiclicn fich widerfprecben, nicbts feftzufetzen, wenii iiicht eins davon glaub* w.urdiger ift, ais die iibrigen, und mebr fpecieH ais allgetnein zu verfahren. Wir pby- bognomiliren ja nicht das gariz*; monfcblicbe Gefcbleclit, fundem einzelne Meofcben.

jetzt folgen nun die Zeicben des Tap» fern, des Furcblfarnen , des Talentvollen, des UnempRndlichen, des Unverfcbamten, des IVUfligen, des Miilbigen, des Feigen, des Weibifcben, des Finftern^ des Zornigen, des Sanften, des Verleumders, des Kleinm&* tliigen, des Spielfreundes, des Scbinabfuch* tigen, des Mitleidigen, des Gefiafligen, des Schwelgers, des Verrcblafnen, des Mannes Ton gutem Gedkchlnif^ in einer, wie man Aeht, feUraaien oder vielmehr in keiner Ordnung. Hierauf fahrt der VerfafTer fort:

2b.

Digilizeci'by Googie

59

f. sG. Leib und Seele fcheinen mir in Varbindung zu ftehen. *) Die Veranderung der Seele verandert die Geftalt des Leibes und umsekehrt. Wenn die Seele froh oder betrubt ift, fo werden die Gefichtsziige hei» ter oder trbbe. Eines richtet iich ^ach dem andnrn, fonft milTte auch, uach der Tren» nung der Seele, nnch ein MitgefQhl zwi» fchen beyden Statt Anden. Ain detitliclirten zeigt Acb der wechfeireitige ZaTammenhang beym WahnAnn. Ohneracbtet nebmlich der WahnAnn in der Seele liegt: fu beilen- ihn doch die Aerzte durch reinigende Arzeneyen und Diat. So wird der Kdrper rein und die Seele vora WahnAnn frey. Mithin muffen Ae Bey- de zufaminen gewirkt baben. UeberdieAs Acht man auch, dals gewifTen Eigenfchaften der Seele gewiffe kdrperlicbe Formen und Ziige entlprechen. Ailes nun, was bey den

Thie»

'•) Man darf eben nicht an eine fehr ftren^ {Ord. nung gewOhnt reyn , nm ea reltrain zu finden, dara der Verfaner hier abernialils einen Satz aiiF» ftellt and beweiA , mit dem er die ganze Ab» bandiung angefangen batte. IIi»r , wo fcbon ein werenilicher Tbeii der Pbyiiognomik abvelian- delt iA.

DigitKed by Googie

6o

Thieren cinerley ift, mufs auch eineiley be- deutcn.

§. 27. Einige Eiiipfindungen und Aeufs* rungen find beyden Thieren eigeriihumlich, ei- nige gemeinfchnftlich, und fo find folgJich auch die Verilndcrungen atn Kurper. Ge- meinfchaftlicb find, Mulhwilfen und Hang aurWolliift (Brunft), jener bey den gefcliwiina ten und widerliaaiigeii, diefer l)ey Eleln und Sciiweincn. Eigemhiimlicli find beyden Hunden die Beiffigkeit, bey Efein der Gleiclimuth.

28. Es gehort indefs vielc Uebung dazu, um in einzelnen Filicn immer ricluig zu ur* theUen. So wib die gewohnlicljen Er* fchelnungen ain KSrper auf Aehnlichkelten init Thieren und Handlungen zuruckgefiihrt werden, fo glebt es aurh noch einige Eigen* faeiten, die von der Wirnie und Kafte ent- fpringen. **) Es giebt Erfchcinungen, die

fich

♦) Wia kommt diefo gante Beinerkung liierlier? Wie Iiingt fie mit dem Voiigeo und dem Fol- genden aufaromen?

•*) Und von diefen follta Arifiotclea niclit anafilbr. licher gehandelt Jiabnn ? Wcr ficlit nicht in diefer ganzen Darflcllung die Hand einet Eptto. macors

Digitized by Coogie

6i

£ch nur wenig unterfcheirlefn and einerley Namen ha]>en. z. B. die Bleiche, die Ton der Furcht, and die toti der Anftrengung herriihrt. In folchen Fiillen ift der Gruiid fcbwcr zu erkennen, und inan tbut am be* ften, auf dea ganzcn fiuTern Anftand einca Menfcbcn (ixsxpfma) zu acbten, wobey man nicht nur iin Allgcuieinen ein ficbereres und fchnelleres UrtbeiJ, fundem auch vici fur dia Wabl dereinzelnenZeicben gewinnt. Denn alie emzelnen Zeichen mQffen zum Ganzen paffen. Nocb ift bier ein Verfabrenzu empfehlen, der fo genannte Syllogismus, nacb welcbem man Ton einerFigcnfcbart auf die verwandten fcbliefst. So ift z. B. der Unyerfebimte und Scbinutzigkar* ge gcwifs aucb diebifeb und unfreygebig: und der Diebifcbehinwiederum imverfcb&mt, der Unfreygebige fcbmutzigkarg.*}

§. 29. Jelzt will ich verfueben, diejeni» gen Unterfcbiede der Tbierc aufzuftellen, durch welcbe Rc in lapfre und furchtfamri in gerecbte und ungeiechte zerfallen. Man mufs Dcbmlicb die Tbicre in zwey Gefchlecb*

let

•) AbermahU dalLlba, \ra* obeo fahonbe'

ifilirt iit.

Digitized by Google

62

ter elntheilen, das weildidie und ml^nliche, und dic einem jeden zukommenden Eigenhci* ten, der Geftalt naeh, unterfcheiden. Un- ter den zahmen Tbieren iind die weiblichen zahmer und weicher und fchwacher, ais die mSnnlicheny aber fie laffen fich leichter nkbrcn und bebandeln. Sie find mitbin auch weniger zornig. Wir k6nnen an uns feJbrt die Beinerkung macben, dafs wir im Zorn fchwer zu uberzeugen, und kuferft bartni.* ckig find, dafs wir aisdann leicbt geWaIttba* tig verfabrcn, und alles thun, wozu uns der Zorn antreibt. Das Weiblicbe fcheint inir aber auch boshafter, mutbwilliger, unartU ger und Kraftlofer zu feyn, ajs das Mknn- liche. Diefs alles gilt von den zabmen Thie- ren. Aber auch von den wilden verbcbern die Hirten und JSger ein Gieicbes.

3o. Nicht weniger bemerkenswerth ift es, dafs die weiblichen Thiere in jeder Gat* tung, einen kleinern Kopf, ein fchiiialeres Geficht und einen diinnern Hals, fchwkchere Bruft, dirnnere Seiten , und Eeifchigtere MuF* ten haben, ais die mknnlichen. AuFerdem haben Fie biegfarae Kniee, dunne Scbien* beiiie, aber Fchdnere FiiUe, ubd durchaus

eine

Digitized by Googie

63

•ine inehr fanfie ais iVfte Bildung. Sie find weniger nervigf, weicher, und haben ein feuchteres Fleifch. Die niannlichen Thiere haben von dein Allen das Gegcmbeil, und Bnd Ton Natur ftarker und gerecbier ina Gan- zen : fo wie die w6ib1ichen fchwacher und

ungerechter find.

§. 3i. Wenn fich diefs foverhalt: foTcheint der L5we das vollkoininenfte Ideal des A1ann> lichen zu feyn, Io wie der Parder des Weib' lichen.

Nachdem der Verfaffer beyde Thiere in diefer Hinficht befcbrieben hat, gebt er auf die phynognomifchen Zeichen der MenTcben fiber, inTofern diefelben auF dem UnterFchiede des Mannlichen und Weiblicben undaufAehn* lichkeiten mit Thiergatuingen beruhen. Su deuten ibin woblgebildete, groFse, ^utge* gliederte, nervigte Flide auFSiaike der Seele, weil de zum Mlnnlicben gehuren: kleine, ge- engte, MuskelFcInvache , und uiebr Fcbfine ais ftarke hingegen, auf Weiclilicbkeit, weil lle zum Weiblicben gehuren. So reclinet er z. B. die IMenFcben , die wenig und trocknes FleiFch haben, zu dcn AiFen, und erkliirt he fur busartig. Nacb diefein Plane werd^n

alie

DigitKed by Google

04

alie die einzelnen Theile des K5rperSt aberin nuftalier.der Verwirrung, durchgegangen, auch die Farbei die Stimme, die Bewegang, und zuletzt die Grdfse und Kleiaheit, die gute Oildung und Mifsgertalt.

Die Tornebmften Beobachtungsrtellen Hnd ihiii die Augen, die Stirn, der Kopf und das GeRcht; die nicbrten, Bruft und Schul* tern; dann Scbenkei und F^Cfe; zuletzt, der Unterleib.

Und diefes Werk follte in dirfer Geftalt Tom Arifioteles feyn? Ich weifs es wobl, dafs manche Tollftandigere Werkc diefes Pbi- lofopben ebenfalls in. RiickJicbt des Plans und der Ordnung Manebes zii wunfcben ubrig laf* fen, dafs er auch in feiner Moral, Folitik und Metaphyfik oft bey den fchwierigften Puncten ganz flucbiig vorbeygebt, und bey den leichteften und gemeinftenGedanken uber> iniLig lange verwellt. Aber ein fo unzufam* znenhangendes und unbefriedigendes Skeleit, wie diefe Phyfiognomik ift, Hndct ficb unter leinen ganz erbaltanen Werken nirgends.

Aufer

Digitized by Google

65

Aufer dem, was bislier in den Anmer* kungen beygebracht ift, will ich nur darauf aufinerkram macben, dafs er in der ganzen Abhandlung fich mit keinera Worte iiber die Hauptfacbe deutiich erkiilrt, iiber die Frage: Worauf der Phyriognom fich griinden, nacb «relchen Gefetzen und Principlen er verfab* ren folle?

Mir fcheiiit das Ganze ein diirftiger und mit allerley Einftreuungen verdoibner Aiis zng aiis einem phyfiognbmirchen Werke des Arifioteles zu feyn. Diefs wird noch ein* leuchtender, wenn man die SchriTten des Polemo und feines Paraphraften Adamantini daiult vergleicht. In dlefen finden fich eine IVlenge Beinerkiingen , auf welche Arifioteles nothwendig auch fiofscn mufie, und die fie gcwifs aus ihm entlebnt baben: nicht einmal daran zu dcnken , dafs beyde eine ganz an* dre Ordnung baben, ais in unfermWerkcben beobachtet ift.

In allen bedeutenden Ausgaben der Arifio lelifcbcn Werke ift dieCe Schrift mit einer 3. Stick» E IVlenge

Digitized by Googie

66 -

Menge LQcken *} abgedruckt : und Averroes

bemerkt ausdriicUIch , dafs er in einer alten Ueberfetzung derfelben mehrere Stellen gar nicht gefunden habe %. im 6 Kapitel die Stelle TOn Ha*(»P£(in bis , m/ r«A»rr>

mtc, und von OJ HariAAa*ri0flav bis rii< yvY0jitM(, Hierza komnit noch, dafs Diogenes nur "Ein. der fogenannte Anonymus des Menage zutej Bucher Thyfiogncnnika von Ariftoteles an* fQhrt

Alie dlefe Puncte fprecben fur meine Meynung fo nacbdriicklich , dafs es nicht cjrft nbthig ift, den, obnedem iehr nnilsU* cben, Beweifs aus dem Style, der Manier und den fcheinbaren Widerfpruchen umftAnd* licb zu fiibren.

Wenn wir alfo gleich mit Sicherbeit an» nebmen kdiinen, cials die Anltotelifcbe Pby* fiognomik in diefer Geftalt nicht ftcht ift: fo Cebe icb gleichwohl keine Grunde, warum wir nicht fo viel zugeben follten, dafs fie Sebt Arirtotelifcbe Ideen enthSlIt, Ubi viele

daron

*) Am hiufigftan und lAigdea fiod diefe LQcken im 5ten und 6ten Kapitel , weil da . bey lauier kur* xen Befchreibungen , das WeglaiTcn und Zufetxea am leichteden angeben konnto.

Digilized by Google

67

daron hat uns zwar der Verfaffer des Aiwt» zugs, oder das ungiinfuge Schickfal) wel* ches Ton jeher uber Ariftoteles Werken fchwebte, gebracht: aber, was noch flbrig ift, enthalt docb gute Winke, die fich be- nutzen lalTen, um den Ideengang des Philo» fophen wenigftens zu erratben. Ich will da* mit eine Probe inacben.

Die Anfgabe felbrc war folgende: Kann iind wie kann man die Neigungen eines Men* fchen, die natiirlicben und erworbcnen, alfo uiit Einem Worie, feineo Chaxakler aus fei» nem Aeurern erkennen?

Die MSglicbkeit einer folcben Ejkenntnifs bangt naturlich daron ab, dafs zwifchen Sede und Kbrper ein genaner Zurammenhang Stati Rnde, dafs fich alfo die Empfindungen der Seele auf dem Kbrper zeigen und darinn ab- driicken, und der KOrper felbft zuriick auf die Sede wirke. Einen folcbcn Zufammen» hang erweifst Arifioieles (§. !• -• 26.} aus der Erfabrung.

Aber nun entfteht die Frage: wie fich

die Neigungen der Seele am K6rper aufern? woran ich erkennen kann , dafs diefe oder jene Bdchaffenbeil des KOrpers und feiner

E 2 Thei-

DigitKed by Google

68

TbeilSf diefe Litilci dlefe B6w'egutig grsdo ein Zeiclien von dicfcr oder jener Neigung fey? Uud hier wirft der Verfaffer einen BJick auf die frubem Verfucbe. Einige, fagt «*■ (f 40» l«gten eine Phyfiognouiik der Tblere zuin Grunde, und wenn fie z. B. bey einem Tbiere diefe Neigung und diefe korperliche Eigcnbeit beyfamtnen gefunden bitten, fo nabmen Be die letztere fiir das Zeicben der erftern^ und fcbloffen, dafs i«- der Menfch, der die letztere mit einem Tbiere gemeinbabe, auch die erftere befitzen muffe. Andre bemerkten bey verfcliiedenen Na« tionen verfcbiedene Bildungen und Neigungen, nabmen abermahis jene fiir Zeichen rondielen, und fcbloffen: jeder Menfch, der einem Scythen Sbnlicbfehe, muffe eben folche Neigungen ba« ben (§. 5.). Noch andre endlich merkten auf die Verinderungen am Korper, welcbe durch Torubergebende Empfindungen und Leidenfchaften bervorgebracht wurden, und fcbloffen: wer immer beynahe fo ausfebe,

wie z. B. der Zornige im Auggnblicke des Zorns, der babe eine beftilndige Neigung znm Zorn (§. 6.)- Zwey diefer Methoden beurtheilt der VerfalTer febr ricbtig, (§.7. 8.)

und

Digilized by Coogie

6g

nn<]auf die dritte kann man einiges Ton dem anwenden, was er §. 7. iiber die Beob* achtung der vorubergehenden Leiderifcbar* ten figt: wenn man nicbt erfc an den Eln*

flufs des Kllma, der Nahrungsmittel und an« derer drtHober Umflilnde auf die EbyGognomie eines Volks denken will.

Arirtoteles verwirft keine diefer Methoden, fondern benutzt fie alie. *) Nur empfiehlt er in Ruckfichc der erftern eine grofsere Ge* nauigkeitin der Vergleicbung, und rSth, nicbt Ton den Thieren geradebin auf die Menfcben zu rcblicITen, fondern die Bcobacbtung der Mcnfcbcn durch die der Thiere zu erlautern und zu befeftigen (§. (8. zu Ende.) Aufer- dem aber empPieblt er noch dic genaue und wiedcrbolte Beobacbtung der MenTcben im Zuftande der Leldenfchaft) (Ebend. und §. 21.) die Aufmerkfamkeit auf das gefammte Aeufere, den Anftand, (§. 28.) und das Studium der Verwandtfcbaft unter den Nci- gungen, den fogenannten phyfiognomifchen

E 3 Syllo*

*) Auch von den National - Phyfiognoxnien madit

er Oebrauch i5, und S. 139. i$i. ed. Frwu.

Digitized by Googie

70

Syllogismus ($. 23. 28.), nm mehr ais Ein Zeichen zii bekommen , diere mebreren ver* gleichen zu kfiiinen, und allen entAehenden Widerfpriicben zu begegnen 8. 22. 24.)

Sehr wahr bemerkt er, dafs die Phyfio- gnomik nicbt Alles errathen kSnne, z. B. nicbt das Studium eincs Mciifcheii , *) mit Einem Worte, nur das, was auf das Aeta» fere des Menrcben einen feftenEindruck macbt (§• 10. 11.) Diele Art des Eindrucks nua bringt das herror, Was er Zeichen nennt.

Hier war der Ort, von dem Unterfcbiede der Zeichen felbA ausfubrlicher zu bandeln. Einige find nur fQr vorQbergehende EinpHm dungen, andre fur bleibende Keigungen ($. 9O ; einige find ganzen Gattungen gemein, andre gewilTen Arten uud IndivJduen eigen» rhOmlicb; ($. 27.) eibige find iin dollirionsfalle TorzQgHcber, andre mehr Nebenlacbe; ($.

25.)

*) Auch hirrinn haben di« rpltem Zeiten Vielei ge- Indert. Sait dem die Siiidien getrenmer tuid pedaniifcbei oder lieber bandweiksroaftiger ge> worden find . ift et auch mOglich geworden, dafs tnan Jemandem leichter anfehen kann, wat er treibt. Leichter, fage ich , ait mi Ariflotelet Zci* ten , aber daruro doeh nicbt inrnier mit Sicher* beat, und im Eiaselnen.

Digilized by Google

71

25) einige bedeiiten mehr ais Eine Neigung, andre ausrchlufslich nur Eioe (§. a8.) Wie fich der Phyfiognom dabey zu verhalten habe, davon IsCst Ariftoteles bin und wieder etwas fallen, aber etwas beftimrates fagt er nicbt.

Folgende Hatrptpuncte find es alfo, wo- rauf in gegenwaniger Scbrift die rammtlicben phyTiognouiircben Zeicben init iliren fiedeu* tungen zuruckgefiihrt werdcn.

I. die Aehnlichkeit init den Tliieren, in Riicklicht der Bildungen und Neigungeti, 'a**- iwi rit (Von Seite 7$ an Ed. Fr.)

2. Der Unterfcbied zwifcben Minnlich und Weiblich, und deren Eigenbeilen, Td «((tu x«i T> Sn*S. (5. 29.30. 3l. und Ton S. 79 an.)

3. Eigenbeiten der Nationen, rk Ov». (S. 139. i5i. Ed. Fr. und Oftrer.)

4. Die AeuTerungen der Leidenrcharten, und deren wecbfeifoilige Verwandtfchaft TJ

S. zum Beyfpial S. 128. i36. und 6f-

terer

5. Die allgemeine Vorftellung von Grbfse, Verb&ltnifs, Ebenmaals, Rundung, Voll- ftandigkeit, Anmuth und Scbdnheit, und deren Gegentheilen : wovon jene auf etwas Gutes und Voirkominnes , diefe auf etwas

E 4 Schlini-

Digitized by Google

7*

Schlimmes und Fehlerhaftes deaten, *Ewnr(t‘ xita und 'Axftwux. (Ich habe jenes durch An^ ftand uberfetzt.)

Aulefdem berUhrt er noch die kiirper» liche Komplexion (§. 28. Aaf. und S. 161 f. Ed. Fr.)

Diefcm allen gemirs wurde ein phyliogno» mifcber Prozefs, nach AnAoteles, obngef&hr [a ausfcben.

Icb foll bnden, was fur einen Cbarakter der vor mir ftehcnde Kajiis bat. Zuerft be> trachte ich ibu in Rube. Seine Augen find klein und bol (AfFe) (S. 129. i3o.) fie zei< gen alTo Kleinmuth und Bosheit. Ihrc Farbe ift weifslicb Furcbtfainkeit (S. i45.)> ihr Blick ift feurig Unverfchamtheit (Aebn* Hcbkeit iiilt dem Hunde(S. die Augen*

branen find iiber der Nafe getiennt und ge- ben mebr nach den Schlafen zu, Dumni* heit (S. i5o.). Seine Stirn ift rund, (Efel) fie deutet aifo auf Unempfindllchkeit S. i32. und klein, (Schweiii) fie zeigt mitbin Unge- lehrigkeit. (Ebend.) Seine Nnje ift bald Ton der Stirn an krumm , (Hirfcb S* 121) und am Ende dick (Schwein S. 119.) alfo Un- Terfcbilmtheit and Unempfindlicbkeit. Sein

Kopf

Digitized by Googie

73

Kopf ift klein, (Efel) alfo Zeichen der Un- empfindlichkeit (S. i36.) und kraushaarig, alfo Furchrfamkeit. (Aethiopier S. i5i.) Sein gan- zes C^Ucht ift klein, (Affe) alfo Klcinmuthig- keit (S. 126.) und fleifcbigt, alfo Verzagt- heit. (Eliend.) Seine Ltppen find dick, die obere hangt iiber die untere hcrab, (Eftl) alfo Durnmbeit. (S. 117.) Seine Ohren find *klein, AfFenart. (S. iSy.) Seine Schultern fteif und zufammengezogen, K.irgbeit. fS. 111.) Sein Nacken ift fcbwach, Zeichen des Weibiicbcn, (S. 109.) fe*'” «nd dunn,

fHirfch) alfo FurcbtCamkeit, (S. 114*) feine Bnift unbehaart , (S. 148) klein und fclmrach, Zeicbcn des Weiblicben und der Unverfchamt- heit (S. io5.) Seine Seiten find aufgelaufen, (Frofcb) Zeichen der GcfcJiwitzigkeit. (S. 101.) Seine Schenkel diinn und nervigt, (VOgcl) Zeicben der Geilbeit. (S. g4>) Seine FiJJJe find klein, geengl, Mufkelfchwacb , febdn; Zei» cben der Weiblichkeit, (S. 90.) die Zeben da- ran krumm, Unverfcbiuntbeii (S. 91.) die Ferfen fleifcbigt, Zeicben des Weiblicben, (S. 93.) der Unterleib mager, alfo Unfornilich* keit, (S. 99.) die Farhe des Kajus ift fchwarz (Aegyplier und Aethiopier) Zeichen der Furcbt-

E 5 fam«

Digitized by Googie

74

r.iinkeir, (S. i3i5)an Halsund Schlifen find feine Adern gefpannt, JilhzorD, (S. 14^) der ganzt Kajus ift k/eint alfo Ton scbnelletn Verltande, (S. 160) liat feuchtes Fleijck^ alfo tbitig, (S. i63.) ift Dicht ganz fymmetrifch gebauty alfo verfcblagen (S, i65.)

Betrachtcn wir ihn in Aeufernng und Thktig* keit, fo zeigt feine belle und ftarke Stimme auf jMhzorHf (S. 160.) feine langen und fcbnei* len Schritte deuten auf Tbatigkeit, (S. i53) er geht aber mit einuSrts gekelirten Fuden, weibifch. (S. i55-) Seine Augen blinzeln^ Furchtfamkeit, (S. i56.) fein Blick ift nieder* wirts gekebrt, Weiblicbkeit. (S. iSy.) lm« mer dreht und wendet er bch mit dem Kdr* per , Zeichen des Schmeichlers (S. 1 55.)

Aus allen diefen einzeinen Bemerkungea ergeben fich die allgemeinern Eigenfchaften der Uncmpfindlichkeit ^ (oder Stumpfiinnigkeit) der ^osheit , Furchtfnmkeit, VnverfchSmtheit und Bepieriir/tkfit. Ob diefe alie beyfammen beftehen kSnnch, wollen wir nicht unterlu*

liGii: wir gehn vielmehr in das dritte Rapi* t't znruck, und vergleichen mit den gegeti* wirllgen Angalien die allgemeincn Beftimmun* gcn , die dafelbft Torkommep.

Alfo

Digitized by Googie

75

Alfo Zuerft y Zcichen des Furchtfameru Weiche Haare, dor K6rper gcfenUt, nicht grade: die Theile untenn Nabel« nieder-

wftrts gezogen: das GeHchi etwas golh: die

Augen fcbwacb und beweglicli: die aulern

Tbeile fchwacb: die Scbcnkel klein, die

Hinde lang und dbnn: die Lendcn klein

und fcbwacb: das Ganze in der Bewegung

eilig, aber nicht rafcb, fundcrn mebr &ngrt« licb; der Ausdruck itn Gefichte unfiat, pein* licb. (S. 38.)

ZcteytenSf Zeichon des Vnempfindlichen. Hals und Scbenkel fleifcbigt, gedrdngt und feft: das Becken rund: die IVluskeln der Schul-

tern oben biiiauf gefpannt: die Stirn grofs,

zirkelfdnnig, fleifchigt: das Auge blafs : die Kn&chel dick , iteifchigt, rund: dic Kiiin*

backen grufs, Ileirchigt: die Lenden Hei-

fcliigt: die Scbenkel lang, der Hals dick:

das Geficlu fleifchigt und linglich. (S. 4].)

Drittens^ Zeicben des Unu-rfcluimten. Das Auge offen, die Augendecken blutroth und dick: (hier fehit etwas im Texte) die Alus-

koln der Scbultern oben hinauf gefpannt: die Geftalt nicht grade, aber niir wenig vorge- bogen: die Bewegungen rafch: der Korpcr

rbili-

Digitized by Google

76

r^iihlich: die Far>'e blutig: das Geficlit rund : dic Bruft hocb. ("S. 46-)

Viertens, Zeiclien def Begterlichea , LU- fternen. Weifse Farbe, haarigt, die Haare ftarr, dick und fcbwarzt die SchlEfe be* haarty das Auge gla.nzend und lOftern. (S. 59.)

Mehr 6nde ich nicbt zn vergleichen, and es ift in der Tbat aucb gut; denn je mebr wir vergleicben wurden, defto mebr wur- den flcb Abweichungen und Widerfprucbe b&ufen. *) Wornach follen wir uns nun rich- ten, um &ber unfern Kajus ein befdmmtes UrtbeiI fSLllen zu kSnnen? Hier trilt nebm* lich das ein , was Ariftolele^ felbft an eini> gen Steilen die Mifcbung der Zeicben nennr, welcbe natQrlicb eine Auswahl (UAoyiti t0v alfo im eigentlicben Sinne eine Wif* renrchaft ndthig macbt. Die Regeln, die er dariibcr zerftreut hingeworfen hat, gehen darauf hinaus, dafs man erfteni auf die Zei* chen gewiffer Theile z. B, der Augen und des Gefichls mehr bauen mnHei ais auf die

ubrio

•) Viele Ton diefen Widarrprficbtn konunen ofFeo» bar auf die Reoluiung onfen Tordorbenen Textas.

Digilized by Coogie

77

Qbrigen, z-oeytens dafs man auf Mehr- heit der Zeicben fflr cder wider zu achten habe, drittens^ dafs uberbaupt das Patho- gnoinifche und die aligenieinen Vorfiellungen von Sufercr Vollkoiiimenheit (ixurft:riu) den Ausfcblag geben» Deonnach ware unfcr K.i jus ein feiger IVletifcb, der aber gule Gele- genbeiten wahrniinmt, feine dtimuie Eu^hcit auszuuben, ein Menfch von fiumpfen Ver- ftande, aber dreuft und unverfobiimt, wie es der Duininkopf gewohnlich ift, dabey hnnlichluftern u. f. w. Alie die iibrigen Ei- genfchaAen, Gefchwltzigkeit, Schmciciieley, Verfcblagenlieitt JShzorn, koiiinicn entwc- der gar nicht in Detracht, oder werden un- ter jene prychologifch vertheilu

V e b e rficht diefes Zeitraumes.

Wenn wir nun alles zufainmennchnicn, was Ech bis hierher iiber die Gefchiclite der Phyfiognoinik finden lafst; fo glaubeich, fol- gcnde allgemeine Bemerkungeu init Siciierheit auAiellen zu k6nnen«

I.) Die «Utefte Phyfiognomik, wenn Ro

a udat s

Digitized by Googie

-

anders fu heilTen kann, beftand in Bemer- kupg der kdrperlichen Schonheit und Haftlich- keit, wovon jene fiir ein Zeieben guter, diefe hingegen fiir ein 21eichen fcblechter innerer Eigenrchaften genommen wurde*

2.) Der erfte Schritt aber zu einer inchr Regellrlii^^igen und auf GrOnden beruhenden Phyfiognomik gefchah durch die ^ergleichung der Menfchen mit Thierett. Eine gewifle Auf* merkfainkeit auf die Thiere war fclion in den alteften Zeiten fehr geuieiiit und noch gerfauer und grdfser, ais Ee es beute umer gebildeten Menfchen ift. Der rohere Menfch ift den Thiei en, muebte ich fagen , nftlier, er geht vertrauter mit ihnen um, er erhebt fi.e zii eincui gcwiffen Grade von Menfchen* ahnrichkeit. Er redet mit ihnen, und ver* fteht ibre Sprache: er legt ihnen fogar Em*

pHndungen und Denkkraft unter. Man fehe nur allc dic Slelleu im Homer nacb, wo er Vergleichungen von Thieren hernimmt, oder die, wo er die Pferde einiger Helden wei- nend und redend einfiihrt. Oder man denke

an

II. 17', /|tCr. 11. 8,184 f. Vergi, mit VirgiUkea. X. 8U> k. nnJ Kvppen in den Aunieik, Th. 2. S.

5i3.

Digilized by Coogie

79

•n die ait» Arfopifche pabeli welcbe cben- falls den Thleren Vorftellungeii und Spra- che beylegte. Oder an die vielen patbogno* mifcben Vergleichungen mit Tbieren, wovon lich eine Menge Proben in alten Godicljten, z. B. dem Fragraent des Simonides Voa den Weibern crbaiten babeny in welcbem lelztern die Weiber nach ibren Eigcnfcbaften gefebib dert, und ihre verfebiedenen Cbaraktcre da- taus erklirt werden, dafs Zevs ibre Seelcn von allerley Tbieren genommen ha:>e. •) Was Wunder alfo, wenn inan febon friih aiif den Gedanken kam, das Innere des Men* feben aus feiner Aebnlicbkeit mit der Geftait diefes oder jenes Thiers fcbliefsenzu wolleri? Sind docb auch neiiere, ungelnldete, V6I> ker auf diefelben Vergleichungen geratben. So erzahit man, dafc die Be^vobner von Congo die Sitte baben, ibren Kindern unter andern auch nacb ihrer Phyriognomie Namen zu ge- ben» und fie, diefur gemilfs, Luwe, Ti-

5iS. und JJeyne m jener SttU» FirgiU. IL Kuppen Anm. 5 Th. S. 258.

Simonidis Carmeu dt Mulieribus ex edit. Koltr. Cbtt. lyS*.

Digitized by Googie

8o

ger. Krokodil, Hund u. C \r. zu nen> nen. *)

3 ) Nach und nach ward man aufmerkfa* mer aul die verfchiedenen National- Pfiyfiogno^ mieen^ ohneracbtet man daronnicbt eben vielen Gebraucli macbte.

4)

*) Defcriptio hlfior. Regnorum Congo ete. Bonon, 1687 fol. Nacli dem Antzn^e in Jen Actis Erud. Dec. 1687. S. 653 f, Ex phyjtognomim futuros puerorum mores ariolatae (matres) leonis , tigridis, crocodili, cernis , bufonis, et flmilium nomine eos infigniunt etc,

••) Die freJrden Nationen , welche Arillotelet an- ffilirt, UnJ Aegyptier, Aethioper, Scythen und Thraiier. \Yai dcn Altea an den erflen beyden Karionen in phyfiognoinifcher Ruckilclu befon* dors auiTicl, war dio fchwarte Farbe 8. Ariflot. Phys. S. i5g. Ve Repreh. Soph, l. e, Hifi. Anim, III. c. 9. de Gener. Anim. II. 2. an leu> tern die \veiiron Ziline, an beyden die fcbwan» kenden FiifTe, Probi. XIV, /). und die kranfen Haare, de Gener. Anim. V, 3. Probi. XIV, 4, VorgL II ipp ocT. de aqua acre et loc. Sect. III. p, 77, Dabey hiell man fie Tfir fcig , Ariji. Phys. l, c, und Polit. l.VII, c. 7. und verfchlagcn. Polem. Phyf. I. p. i85. An dcn Scythen und Thraziem bemerkie xnan die langen un4 fchlichten Haare . Jrift. de Cen. Anim. V,5. von Dveifalicher Farbe, Polem. Phyf, I. p. >9». Adam. Phyf. p, 4*b» ihrKraft- Tollrs Aiisfchcn, Arift. Probi. III. 7. CineVol- kerfcluft det Scylben zeichneie iicb durch die ' langea

Digitized by Googie

8i

4. ) Elnbedeutetiderer Scliriit war die pa* thognomijche Beobaditung, die j*di)cb auch zu iiiancben Febircblufren Veraiilafruiig gab, indem man jede treffende pathognomifche Be» merkung der Pbyfiognomilt anrecbnete, iind daher zu der Gewifsheit der Jetztern iumier mehr Zutraucn bekam. Die P.ithognomik war es wohl vorzuglich, welche die Phili/fophen verfabrle, zu glauben, dafs die PhyTiogno- mik zu einer WifTenrchaft eriioben werden kbnne.

5. ) Die Theofieen der Leldrnfi:haften gabcn StofT zu allcripy Scbluffen, wclclie ebenfalls fur pbyfiogiiomircbe Einficbten galten. Der Phiiofopb, der von dein Dafeyn der einen

Lei-

Ungen KSpfr aui. JUppocr. Opp. ed. Fo'^fii, Frf. i<.24. fol. p. 289. Mjii biVlt fic lilT uiigc- lehrig, dumm , kriegerifch , giaiifam, mid verfolTeii. S. Adam. l. c. nnd Ariji. Prohl. l. c. Vergi, fllan-nerts Geugrapliie Th. 3. In dai Einzeliio will ich micb nicht einladcn, weil icb glaube, dal* aiicb Arifluteles dicfe Nationeu im Canzen iialim , nnd nicht an einv.eine Stamme ui.d Kolonicn dacbte. Die fpatern Pliyfiogno- nten Polemo und Ad amantius iicni.en auch noch ibtrier , C elt» n , X^ibyer und Or iech» n.

8. Stiick. F

Digitlzed by Googie

Leidcnrcbarc auf eine andi^e Terwandlr fcblors^ glaubte, aus der PhyRognomie erkannt za baben, was ibn feine PfycboJogie lehrte,

6.) Grdfstentbeils gebSren aucb wobl man* cbe phyRcigiiotnirche Abecdoten diefer Zeit auf Recbnung eines dunkela Gefuhls, einer cmpirifchen Fertigkeit^ wobcy wir uns keiner Griinde bewufst find, welcbe feiir oft trift, aber Tielleicbteben fo oftfeblt, befonders wena fie ficb in allgemeine Regein und Gefetze aubofen will»

Zweyter Zeitraum,

Ari f totales bia ztun Tierten Jabrbundert.

So reich aucb die Fragmente eines Theophraft, Menander, und die rhetorifchen Scbriften der Griecben, fo wiedieWerke eines Lvc/an, und andre aus diefen Zeiten an patbognomifcben und pfycbologircben Bemerktrtigen find: fo

habe icb docb bier eben fo, wieindeuWer* ken der Rboiifcben Dicbter, eines Vlautus. Terentiut oder Lukretiui, fur die Pbyfiogno*

mik

Digitized by Googie

«3

mik wen>g oder vielmchr nicbts iindea k6n* nen. *)

Nur im Vorbeygeben ertvShne ich hier des Melainpus^ der in das Zeitalter des Pto- Icin^MS Pliiladelphus gelsiiit, weii die bey- den SdiriTtchen, die wir Unter feinein Na* inen Iiaben , die aber hfichft wahrfcfaeinlich ,n5clit find,**) dem Abei glauben der Tpatern Zeilen, befondcis den clii} ninantirchen und ulegmonifchen Tiauniereyen vieleu Vorfcbub getiian baben. In der lelztern wird gelebrt, wie inan aus deb IVla!>!etn des Koipcrs das Scbickfal eines MenJclien etkenncn kunne.

Sell>rt Cicero, der uns doch dieoben ange* fuhrie ])byhognoinIfi'he Anecdote aufbehalten bat, giebl fiir die Gcfcbicbie der Phyllogno-

F 2 mik

*) Schildeningen und Bemc-tkurgen fiber Scfaon* heiteic. liiiJrn fich in M<*iige, bey Plautus s. IJ. Pfeud. Act, It^, 7. i2i. Afinar, Act. II, 4. »9. 'Perenz And. Act, I, 5. Sp. l.ukret fiber dae Anfelin, worinn li»rpi 1 bebo Scbtinlieit ehedem pcfijnJpn liabe 1', 1111 f. (ibrr die Urfachen der Verfclnedenlieit iii dci fuTicliKbiltiung VI, liber Aiudruck dcf ix' JcnTcbarten III, 2Qy f.

**) riffi raXfxiv /uavTitiJp und ITsji ikcrnZv rsv au- fjiarof ixavTiY.Y) , in Fr amens Phyjlo^n. vtler. S. Vcrgl. deffen Vorrede p. XXV f.

Digitized by Googli

84

niik wenig Aiisbrute, das abgerechnet* was den Redner angeht, uiul von FoJJiui forgidltig z.iifdminesigetragen ift. *) DaPs Cicero relbft, ein Manu von feiner fieol)achtungsgal)e, der in fo mannigfaltigen Verba]tnif[en und mit fo Terfcliiedenen Mcnfichen lebte, cinen gewif* fen pliynognoinifchen Biick fich ervrorben habci ift alleidings zu vcrrniithen: nur,

dafs die Anecdoten, die ilch hier anfiibren laffen, doch inehr auf allgeiueinere Paifaogno* tnik Beziehung habcn. **}

Eben

•) Fossiui Injiit. Orat. J’I. c. ii. S. befonders da Orat. lU.c. 59. Nur fotgende Stellegebonnocli hier- her. DeLfgIbiuI. 9. Sptcietn (natura) ita formavit oris, ut in aa penitus reconditos mores ejfngeret. iVam et oculi nimis arguti, quemadmodurn animo affecti funus, loquuntur; et is, quiappellaturv u 1 1 u s, qui nullo in animante ejje , praeter hominem , potcji, indicat mores; cuius vim Graeci norunt, nomen omnino nvn habent. Vurtiefiiche Scliilderuiigea ▼on PeiToneii f. Or. pro P. Sextio c. 19. in L, Latpum. Pis, in.

Platnrch. in Caefare c. /f. M aer o h. Satum, II. n, b. P luta rc h. jipophth. s\ec\i Xyland, l>cb«iTcte. Cicero renuncianti Caefaris ninicot effe vultu tetrico , Ais, inquit , eos Cnefori bene velle. Vom Ciifur bringl Plutarch c. 6r, cben- fall* eiite phyriognoinirchc AeulTcruiig libei dis Slciciicn Miid iMagem bey, die er m«hr furcli-

tete.

Digitized by Coogie

R5

Eben diers gilt von elnzelnen Charakter* fcliilderungcn, dio wir in Gefclilclnfclirfibern iiiiclen , von der des Katilina beyni SaU luflius^ *) wie von denen in Tacitus Wer- ken. SIe aile beweifen nnr fo vie.l , dafs init dem Fortgange der Kuitiir und des Lii« xus, welcbe beyde die Vcrhaltniffe der Men- rohen Iininer verrvicUeiter und kunTtlicber maclien, und mitliiu auf den Charakter einen inerkiichen Einfltifs baben, auch die Auf« merkraoikcit auf das Aeufere eines Menfchcn iniiner niebr zunahm. Man weifs, wie woit %. B. Tiberius das Studium der phyfiognoioi' fchen Tiufcbung trieb. Aber Tacitus fubrt Bcvfpiele genug an von Perfonen, die dieie T&urebung durcbfahen. Es wilre fonderhar, fie deswegen unter die Pbyfiognomen zablen zu wollen, "Wie oft liatte Tacitus 0'eJegcn» beit» die Bemerkung zu wiedcrboleu, die

F 3 er

tete , al« dic Fcttcn und Ilnnden. AehnBcLe Anccdoten warden Toni Sylla crufldt.

•J Sallujl. Catii, i6. Color exanguis , foedi oculi, citus modo, modo tardus incejfus, prorfus in facie vuUaque vecordia inerat.

Digitized by Google

86

er uber drn P. Egnatius inadit, *) rlicfer tdann, geubt, in Stellnng tind Minen die Geftalt der Tugend anzunohmen, Iiabe cin warnendes Beyfpiel gegeben, dafs inan ficli eben fo ror der Larve der Tugend iind Freundrehaft zu huten habe, wie vor ofTen* baren Betrugern und gsbrandmarktcn Bdfe* wichtern! Vom Mlirius erzihlt Plutarch^ er habe bey feinem Eintrbt in Rom fich alie Nuhe gegeben, durcb Gang und Ausfehen Demutb zu verrathen und Mitleiden zu erre* gen: aber uberall habe der J&hzornige und

graufame Mann durchgeleuchtet, der er in der Folge geworden fey. Ich wfirde noch ▼ieie Seiten init Bemerkungen diefer Art ^n- fullen kSnnen ; aber ich wBrde darait fur die Gefchichte der Phyhognomik wenig ge* winnen.

Dafs diefes Studium indelTcn, befonders in Rom, immer feine Verdirer und Anh&n- ger behieit, ift hochTt wahrfcbeinlich: wie* wohl es, zumabl unter den Kayfern, mit Aftrologie und prophetifehem Abergbtiben zufammen zu trefTen icheint. So erzfthlt Sue*

tOD.

•) Annal. XVI. 3a,

Digitized by Googie

8?

ton, dafs ein Metoposcope ais man ihm den Britannicus und Titus vorfiellte, diefen fiir den kiinftigen Regenten erkannte. Es gab alfo damahis Pcrfonen, die eben fo aus der Stirn eiiiCS Menfchen, wie in der Folge die Chiroinanteo. aus der Hand, die kunftigen Schickfale deftelben weidagten.

Die Gedicbte des Virgil, Hora», Ovid, Tibuli, Properz, Catuli, Fhadrus, Perjius, Lucanus, Valerius Flaccus, Silius und Juve- nal, die Werke des Livius, Vellejus^ der Seneka’s, der beydeu Plinius, des Quintilian und Curtius iind troll von Demerkungen aus der feinfien Menfchcnkunde: und wer eine Gefchicbte des Studiums der Menrcbenkennt* nifs zu febreiben bfttte , wiirde hier eine trefliebe Ausbeute hnden. Man febe nur, was Quintilian iiber den Ausdruck des Ge*

F 4 fichts

Quo quidem tempore JVletopofeopum , a Nar> cijjo , Claudii liberto , adhibitum , ut Britannicum infpiceret, eonftantijjiine adfirmajfex illum qui~ dem nullo modo-, caeterum Titum, qui tune prope adftabat , utique imperaturum. Sueton. in vita Titi c. 2. GthOrt etwa die Stelle bey J uve nal Sat. 6. 583. aucb hierher?

Frontemque manumqua Praebebit Tati. ^

Digitized by Googie

88

fichts, uber die Augen {per quos maxima ani mes emanat) iiljer Augen - Wiin per n iind Au* genbranen (unae oculos formant alu/uatenus et fronti imperant) uber Kopf, Hals, Hiinde irtid den ganzen korpei lidicn Antiand und Ausdriick in RucUPicbi auf den Redner fagi. *) Odcr innn vergleiclie die Stclien iin Plinius iiber Geficht und Augen **) {indicia mode^ rationis, cUmentiae , mifericordiae , odii, amo- ris. (riftitiae, laetitiae. Profecto in ocu- lis animus habitat oculi, ceu vafa quaedam^ Vxfibilem eius partem accipiunt atque transmit- tunt

•) Quint i.l. Inftit. Orat. XI, 5.

••) Facies lumini tantum frons ot aliis, fed homini tantum triflitiae, hilaritatis , clementiae, feveritatis index. In afcenfu eius fuperdlia et in iis pars animi. Superbia in corda nafci- tur , huc fublt, hic pendet ete. Ilift. Nat, XI. c. 37. Facies ber.eicbnet niclit blot ddt An- tliir., wic das griechifche irft^oiTjv , foiidcrn, wia Gellius hcmciVt, XIII. 28- /»• '«« omnis et mo- dus, r‘ factura quaedam corporis totius, a fa- ciendo dicta. Non foitini autem in hominum ccrporibiis , fed etiam in rarum cuiusque mo*li iih.truin facies dicitur: alfodas. \va» vvir Phy

iifignoini'1 bu wciteften .Sinno ueniien (Pby« iiiij^iioniic eines Bnclis, eiiies Rihcb, das Aeii- fero libciliaiipt.l Plivficguomie iin engem Sinne ill J«& UlcioiIcLe Fultus. S. Cic. de L-eg. l. c. 9.

Digitized by Googie

89

tunt ) oder die Schilderangen des Zorns beym Sencka. *) Ueberall Mefcbenlieobacb* tiing und feine Patbognnmik : ahcr eigenN Hebe PbyHognoTiiik. kaim inan das Alles iiicbt nennen. Niher an diefe Arcift das liekannte Epigramm des Martialis XII. 44- Zoilus :

Crine ruber ^ niger ore, brevis pede, lu- mine luscus,

Kfin magnam praejias^ Zoile, fi bo^ Itus es.

I\olh von Haarrii inul fchwai z von Ge- ficbt, und hliiLciid und fchiclend, Wiinder, Zuil DS) wMr’S) w&rft

du ein ehrlichei' IVlaiin.

F J Es

•) De Ira l. I. c. i. /. II. c. ?>5. l. II J. c. 4. In der zwiyten Stcila befclibelst cr die ricrcliroi» biiiig niit der pLynognninirclicii Weiiduiigj Qualem intiit putes r/Je ainmiim, cuIum extrfs imago tam foeda eft > quanto illi intra pectus terribilior vultus und in der «rkern bemeikt er: Neque enim ulla velumeiriirr intra cogita-

tio eft, quae uihil moveat iit vuLu. Nur ge> waltrdtn konnte man Colche Stellen hieiher Kia> hen , wio dio Epjft. ii5. warinn Srneka dio Pliy- fioanoniic einer GottJieit zeicinict. Pafliender nocU dic Sielle Eplji. GG, Poteft et ex defor- mi huviilique corpufculo Jontsofus mniinus at magnus {exire) ete.

Digitized by Googie

90

Es ift eln phyfiognomifcbes UrtheiT, wel* ches ficb aiif HsGslichkeit gfUndelt (S. oben uber Tberfites) eben des Sinnes, wie die Stelle des Ecdorut beym Stobftus *}

So mifsgeftaltet, wie dein Angeficbr,

So bifslich ift fiirwabr dein Inneres.

Denn, was vom BdCen kouitnt, ift wieder bdfe:

So zeugt die Viper wieder Vipern nar.

und wie die Vorrchriften^welcbe Vegetius far die Aus wahi der Soldaten erlheilt, De re militari f. c, Qui detectum acturus eft ^ vehementer inten- dat , ut ex vultu , ex oculis , ex omnt confor- matione membrorum pos eligat, qni implere va- leant officium bellatoris. Namque non tantum in hominibus , fed etiam in equis et canibus vir- tus multis declaratur indiciis, ficut doctiffimv- Tum hominum difciplina comprehenditur, Sit

ergo

*) Stdb. LXXXVIU. p, Sot,

Me^a; ertqrsjf Syb$et Haqfp(l>*ft!( rauraiai roiif rqirovf *£m toC ▼atKsC it (t>6eif riVrii aanlv, Slf ixlbrtff «lUiv yiyvsrmi.

Digitized by Google

fffro adolescens Martio operi deputandus , vigi- lantibus oculis, erecta .cervice, lato pectore, humeris mtifculqfis , valentibus brachiis, digitis longioribus, ventre modicus, exilior cruribus, furis, et pedibus non fuperflua carne diften- tiS, fcd nervoruift duritia collectis. Alles Zei* chen von Suuke; d-aher Vegetius liinzufetzt : Utilius eft fortes milites effe, quum grandes.

Naiurlich wiirde die Aurmerkfamkcit auf PliyHognomieen aucli durcli den Fleifs befor- dei t, woin t fich Griecben und l\6mcr ali- m&hlig melir auf Giograpliicen zu legen an- kengen. Plutarch und Suetonius geben uiis Bc- welfc, und es wire eine Uebung fur den Phyfiognomen, die Schilderungen, wel- cbe diefe Blographen anbiingen, uiit den Charakteren der IVlanner zufjiiimcnzubalten, die fie befchrieben haben. *) Pbyliognoineii

aber

•) Man ▼ergletcha r. B. Cafars Bild Sueton. e. 45. Jugufts e. 97. 80. Tibers c. 68. Cali. gula' s. c. to. N ero' s c. 5i. Galba's. e. 2i. V efpafian' s c. 2o. Titus e.5. Dom ition' t c. 18. ( der autn Senat Offentlicb Tagte : Usque adhtic certe animum meum p~ohaftis, et vultum) Vergi. S ponius Diff.de Ufunumorumindifcenda 'Phyfiognomia, luit. Upt. x^ji. 8.

Digitized by Google

92

abcr kann man dicTe Blographen deshalb im- mer nicht nennen: lie er7.ahien, was An-

dre vor jlinen angemerkt hatten; man kSnnte fie nur dann dafilr nolimen, wenn fie Mannern, deicn Geift urid Herz fie aus der Gefcbicbte kannten , oline ilire Figur zu kennen y einc Bllclung beygelegt bniten, die Uincn nacb ibrer Empfindung fprecbend ge» dunkt bktte. *)

Ueber die aberglauldfcbcn Deatungen, die Artemidorus **) vorkommen, branche ich nicbt weitlduftiger zu feyn.

Wir kommen auf den Arzt Calenuv Meh- rere Aeuferungen defielhen befiSUigen es, dafs er eine Pbyriognomik fiir mOgHcb, gcwifs (jnd niitzlicb hiclt. *•*) Aber unmittelbar tha- lig iCt er fur diefelhe nicht gewofen. Zwar hat er die Lebre von den Temperamcnten

mit

•) So Suf^rt firh Lie h 1 nber g flbrr ShiVespere.

S. Ueber 1’hyfiognoniik, widcr dia Pliyfiogno- men. Gdit, ryyO. S. (io.

»•) S. dcffen 'Ovci^eH^iriKa z, B. im Abrchaiu yon der Slim.

'••) Opera ex lat. Vers. BaJU. i56i. Fol. Tom. /. p. 6 »5. h. {de decr. Uippjcr. et liat, lib, y.) p. 38. g.

Digitized by Googie

mit vorzugUcbem Fleirse abgebandelt , und den EinfluCs deifelben aufden Charakter un t«rfucht. *) Er ei kennt eine genaue Ueber- elnrtiininiuig zwirchen den Theilen und Or- gancn des K6rpers und den Neigungen und r&higkeitcn der Sede; aber er hat von dicfen Bemerkiingen weiter tceine Anwcn* dung auf die Phyriognomik felbft geniacht. Gleichwolil hat er den nachfolgenden Phyfi* ognomen dazu VeranlalTung gegeben, info* fern dicfe die Eigcnbeiten der &ufern Theile aus der BeTchairenheit des Teniperaments er* klSrtcn, und aus beyden gemeinfcbaRlicb die Griinde phynugnomircher Deutungen bernah* inen. Die einzelnen phynognomifeben Beiner* kungen, welche in feinen Werken vorkom* inen, ftimmen entwcdcr g&nzlich mit den Arirtotelifcben zurammen, oder weieben doch nur fehr im Kleinen davon ab. In dem

unachten Werkede ii\firmorum ift viel

Ton der Kothwendigkcit der Fhyliognomik

fiir

Quod mores fequ. lemper, eorp,

*') De ufu parttum hum, eorp, t. a. unil iftier. •••) Opera To. I. p. 641. 643.

Digitlzed by Googie

94

ffir ^en Arzt gefprochcn, aber der Verfaffer defr«'ll)en vermen^t Phynognomik und Aftro logie. *)

Allem Anfchrin nach fpatfer, ais Galenus, leble der Scliririrteller, von welchem wir eln befondercs V,’erk iibcr die PbyTiognomik baben, Folem». Die Uearbeiter der griechi* fcben Literatur, und der pbyHognomircfaen Werke insbefondore, baben zwar iiicbts fi- cheres mumefnnumes iibcr feln Zeitalter her* ausgehraclit. Nidit eirmiabl fein Name ift ganz ficher, tla inan ilin rkiteinon, Paliimon, Poliimon und Polemon gefchi ieben findet. Aher die eme Slellebeyin Origenes ***) ficheint darauf zufuhreii, dafs er Polemon liiefs, und wenig- ftcns vor Origcnes leble. Was fein \Verk felbft betrift; fu veidicnt es uufro befondre Aufmerkfamkeit.

Nachdem Polemo einires von dem Nu- tzen der Phyfiognomik vorangefchickt hat:

be-

•) Opera To. W. p. »a f.

•*) S. F»- n I. Phyfiogn prae/, p. XP”. fq.

•**) O ri g e nes contra Celjum l. p. 26, 'EAv Vsvai Tuv <^uffi9'yvo/>xu.v:'.'ti ru,v (f rt

fi Ao~9u, t* Tt rieAtMu.'V(i; etc. Ueber dea L.OXUS L weitei' uiiUk eiiie AnraeiLuiig.

Digitized by Google

- 95

bemerkt er, dafs es verfchiedene Theile die- fer Wiffenfchaft gabc. Man muITe dabey anf die yerfchiedenen Lebensalter und Nationen fein erftes Augenmerk richren. Aufer der Natio- nal- Phyfiognomie hat aber jedes Individuum fein Eigenlhumliches, und um diefes zu er- kennen, giebt es mebrore Zeichen, aus de- nen man das ficherfce und parfendfte anszu- walilen hat. Vorubergehende EmpRiidungen andern zwar die Gefcalt eines Menfchcn, aber lie kehren fie nicbt um , und werden fogar gew5bn1ich bleibende Zcichen, nach Vcr- baltnifs der fchon vorbandnen Neigungen. (So wird Hch die Freude bey dem Tucki- fcben anders, ais bey dem Ebrlicben zeigen.) Menfchen , die den Weibern in der Geftalt gleichen , baben auch ibre innem ElgenTchaf- ten: Jiinglinge, die Greifen abiilicb feben,

gleicben denfelben aucb in ibrem Cbarakler.

Nach diefen allgemeinen Bemeikungon, die jedoch wenig Zufam.nenbang und Ord- nung baben, geht Polemo fogleich die Tbeile des KSrpers durch. Itn Ganzen ftimim er durcbaus mit Ariftoteles , nnr dafs er hin nnd wieder noch tiefer ins Einzelne bcii ein-

l&fit

Digilized by Google

9^

lifst. Wcitliiiftiger, ais fein Vorglnger, han- d«lt ei z. B. von dem Umerfchiede der Na- tionen iind Klimate (S. 182.), beralnt hin iind wieder aiicb Mythen (S. 192.), und inifcht nicht falien Deutungen ein, die mehr auf die Gefcbalte und Lebensarten der Men- fcben, ais aul' ihren Charakter gehen (z. B. S. 221.), feibft Krankbeiten crkennt er aus der Befchairciihcit gewifTer Theile (S. a3i.). Viele feiiier Bemerkuiigen find inebr patho- gnoinifcb, 2. B. iiber die heimlicbe TOcke dcrer, die iinnier wonnige und Jachende Augen baben (S. 227), uber das Seufzen (S. 244) u. a. Vergleichungen init Tbieren kom- men fparfainer iin Anfange des Werkes, ais gegun das Ende vor, wo er ilberbaupt den Ariftoteles Stellenwelfe ganz wortlich ausge- zogen hat.

Der zwcyte Theil des Werkes enthalt nehmlichdie Zcicbeii der eliizeJnen Charaktere, blofs im Uuirlfs, wiecr feibft S. 307. anmerkt, (hxOuts^ ycat;tu7i j wie

Adainatiluis liefst, fiivov tvtiqi tlxatyUtti

j.V;.) und nach Ariftotelc* gcarbeitel.

Un-

Digitized by Googie

97

Unmlttelbar mit dieretn murs ich das phy- liognomirche Werk des Adamantius ^ *) von deffeo Lebensunifianden wir noch wenlger wifTen, verbinden. Es ift elne Umfclirei- l)ung und Eriiiiterting des PoleraonifcheD» wic der VerfalTer felbft anzeigt. **) Bald im

erften

S. Franz, Fhijlo^r. praef. p. XJC.'

**) rafa0^c>9as ri rToXffxiuvoc t:Xs^))v ti»“ koivm Tqt X»5m,< (wa» mag er dsrrumcr veiTtelien , de fein Styl imi nicbtt popularer ift, aU der Po- lemoni fclie ?) Mfphof y.ftiviv to7( ivTtv~o/xtv3i( xe- ^(TCiouVilvof Tp9f5riv/a t* v.ai ra rpi( »ifjc£v •yviio^tvTa rij hilacy.akia (umt meinc ei^uen Iit. mcrkuiigfn zu dor Theorie derjelhen liinziiziirc-tzen. Der lateinifdie Ucberfeu.er bcy Franz falat die Stelle fo: nojlroeque . qualicumque cognitioni

hac doi trina augmentum adderem.) To^ ba razra , fT»)fei-w Tijv tKistriv fxtra riv

ijixirtqcv fitev , nacli jeiier UebeileiMing: Tem- pori vero haec literis mandans adaptavi et fervavi eandem explicandi rationem , quae iani oorinet. S. Franzens Auro. Carnarius fiberferit: ich

icollte es erji nach meinem Tode herau.tgehen\ iiod diefe Uiberfetziing ift olTenbar dii; riclitige. Denn bald daiaiil iahrt Adaroaniuis fort ; Icli lutte mir uberliaiipt vorgeiiororoen , nicbta von ineinen (ibngen aiiigearbeitrten Sacben iieraiisxn- geben , aut Fnrcbt vor dem Neide meiner Zeii- genolTen. Da dii micK aber, licber KonfUs- tiua > autdrucLUclt aufgeforderi liaft ii. f. w.

8. Stuck. ^

Digitized by Googie

- 98 -

«rften Kapitel fetzt er nocli etwas Qber die Aehnlichkelt zwifchen McDTchen and THie* ren hinzu , was bey Polemo fehlt. Sein gaa* zes erftcs Buch faandelt blois ron den Augen, denen Polemo das 6te Kapitel widmet. Bey clem zweyten macbt er eine neue Einleitung, Gber die Gegenfiande der Phyfiognomik, Gber die Rangordnung der Zeichen (ganz nach Ariftoteles)» uber den gerammten Anftand, (imiTfiwii») iiber den Unterfcbied des Minn* lichen und Weiblichen, Gber die Aehnllch* keit mit Tbieren, (Ausfabrung der Arifto» telifcben Ideen). Aufeinmahl kommt er auf die gebohrnen Eunuchen: Ton diefen auf

die Nftgel, und fo fteigt er allm&hlig bis zum Kopfe und deffen Theilen. Dann han* deit er von den Farben und Haaren (ganz nach Polemo ); ein Abfcbnitt uber die grie* chifche Bildung S. 412. ift ibm eigen, obwohi nicbt wichttg; noch ein Nacfatrag von den Farben und Hauprhaaren; dann von der Be> wegung (Stcllen weife nach Ariftoteles ) ; vonx Athembolen, (zum Theil nacji Polemo); von der Spraebe und Stiinme (nach Polemo). Den Bcrchlufs machen die Befchreibungen ein- zelner Charaktere und deren Zeichen, (n^^ch

Pole-

Digilized by Googie

99

Polemo) oft weitlSuftiger, oft kflrzer. Der Kpilog ift aus Polemo S. 007 genoinmen *) Man fieht fchon aus diefer Anzelge, dais Adamantius noch zu den SStzen des Polemo Eemerkungen aus Ariftoteles, und mehrere eigne hinzugefetzt hat, wie er aucb in <der Einleitung angiebt. Aber m'iin lieht aucb zu gleicb, dafs das Werk des Polemo, fo wie wir es haben, fcbwerlicb icbt feyn kann. Ein Parapbraft, und daftir eiklftrt lich Ada- tnantius felbft, weicbl von der Ordnung des Buches, welcbes er umfchreibt, fo gewalt- fam nrcbl ab. Man verglelcbe noch zum Ue- berBufs, was unten in der Anmerkung uber den Epilog des Adamantius bcmerkt ift.

Ob aber gleich die Schrift des Adaman* lius eine beffere Ordnung und Verbindung hat, ais die Polemonifrhe: fo fcheint fie

doch aucb nicht ganz unverf5lfclu auf uns ge- kommen zu feyn. So fteht das Kapitel Von Eunucbeo, welcbes bey Polemo fehr unpaf-

G 2 fend

•) Und folito er et niclit luch bey Polemo gewe- fen feyn ? Gleichvrolil koniinen bey diefem hinter. drein noch drcy Kapitel ron Biililcrinnen, Eti. nuchen und FultpUuen.

Digitized by Googlc

lOO

fend hinler dem Epilog foJgt, bey Adaman- tius eben fo utipadend nach der Einlcitung det zwcyten Buches.

IndeCren haben die fp&tern Phy/iognomen bey de Sobriften fleifsig bcnum, zu Texlen, iiber die fie weitl^ufiiger commentiren» und zu AutoritUten, womit fie alJe Einwendun- gen zuruckrcblagen. Die Pbyfiognomen bat- ten durch diefe Sehriften gewonoen: aber die Phyfiognomik felbft nicht.

In diefem ganzen Zeitraum hatte die Phfi- Ognomik keinen Fortfchritt gemacht , und loe- der an Inhalt, noch an Farm das Mindefte ge- wonnen.

Ich gedenke noch der Nachricbt, die Cregor von Nacianz Ton feiner pbyfiognomi* fchen Fertigkeit giebt. *) Er verfichert nebm* lich, lange vorlier gefagt zu baben, wat Ju> lian gegen die Cbrirten thun wiirde, weil er das alles aus delTen Pbyfiognomie gelefen hatte. >»Er hatte « Ikhrt er fort, eiiien ge* raden , fteifen Kopf , der feft auf den Schul- lern fafs, fein Blick war unftiit, wiJd und

umber*

*) Adv. Jufian, lih. II.

Digilized by Coogie

lol

utnherirrend; fein Gang unRcher» feineFQfTe immer in Bewegung; auf feiner Nafe fafa Verachtungy Frechheit und Hohn; fein La- chen war ISlrmend; er war unrohig, aus- gelaffen; fprach immer ja und Nein; ihat immer iiberlaftige Frageni und antwortete felten beftimmt, oder zu rechter Zeit.“ Schade, dafs der Mann, der diefs fchricb, nicht ein ganzes Werk uber Pbyfiognomik ge» fchrieben hat.

Endiich mag die Befcbreibung Iiier ftehen, die in dem erdiciiteten Schrciben. des Procon- ful Publius Lentulus an den Romifclien Senal von der Geftalt Chrifti vorkommt. Er ifl, heifst es, von einer inlttlern und geraden Statur urid angenehmer Bildnng. Die Haupthaare find Nufsgclb: bis an die Obren Und lie einerlcy : von den Obren aber bis

an die Scbultern find fiefogclb, wis Wacbs, und fchimincrn. Seine Stirn ift platt , alier feiir beiter. Das Gelicht ift obne Ivunzcliiiund Flecken, und von iiidfsiger Rbtlie: die Nafe und der Mund nntadelbaPt: der Bart dicbt,

G 3

*) 5. Fahricii Ciiilex ApcKryphvf V- T.

Digitized by Googie

102

und den Hauptfaaaren glelch nicht lang, in der Mitte aber getheilt. Sein Ellck ift un- fchuldig und gefetzt: feine Augen blau und

bell. Niemahls hat man ihn lachen, wobl aber weinen gefehen. Seine Arme utrd Hllnde find fein. In Gefellfcbarten ift er fehr ange- nebm, er Hndet ficb aber felten dabey ein und ift gewSbnIicb Ai]!. Kurz, feiner ftu- fern GeAalt nach iA er der fcbdnAe MenA:b, den man Acb denken kann.

A n h a n g.

Ueber phyCognomifcbe Redeniarten und Sprfldi- wOrter der Aiten.

Ks i A bauHg der Fall gewefen, dais Kennt» ni(Te und Meynungen, befonders des grof- fen Haufens, die weder in einer politifcben jiocb literarifcben 6eA:bicbte aufgeboben wer- denkonnten, Ach inRedensarten undSprUcb» wdrtcrn erbalten baben. Aber um hier nicht zu riel zu rdiliefsen, muls man fehr bebut- fam veifahren.

Alie

Digilized by Google

io3

Alie alte Spracben» die griechifchet x6- mifcbe, arabifcbe, bebrftiCcbe, und wie Ha weiier heirseiit iind voll von Redensarten and Spriicbwortern, die ficb auf Phyfiogno» mik zu bezieben fcbeinen.

Von der Nafe fagt TliniuSy dafs die neucn Sitten fie dem himifcben Spotte gewidmet hai* ten. *) Daber die Redensarten nafo /uspendere, nafo crispante, im griecbifcben Die

Ausdrucke fupercilium ponere ^ tollere ^ attollere ais Bezeicbiiungen der Demuth oder des Stol* zes kommen b^ufig vor. Das griechifche Wort geburt ebenfalls bieber.

Scbon Homer iindet in den Augen Bedeut- famkeit. Der Unverfchamte hat bey ibm Hundsaugen, xvtiit eisparaf den Mutb eines Hirfcbes i' **) Hefychius fiihrt

das Wort KO¥s|3A4irK in derfelben Bedeutung an, beym Ariftotaphanes nennt fich ein Un« veifcbSinter felbft der Lateincr

hat Os canis, Aiich v^ai/sec (cin

ruiblicbcs Auge) ward fprucbwortlich von

G 4 den»

•) Plin. II. N. XI, 37. Quem novi mores fubdolae irrijloni dicavere.

•*) 11. 1, aa5. i5g. 3, 180. 6, 344*

DigitKed by Google

io4

dem Unzuchtigen , MuthwiiHgen gelagt. He/to* dus giebt der Venus den Beynahmen txi»ep\i<pa‘ (ott*) welches einige Ausleger auf das Blin- ze^n der Verllebten ziehn, andre blofs von derfchdnen Rundung des Auges verftehen. **) lin Ariftophanes komint die Redertsart 'Arnxi» AthenienTifcber Blick, in dem Sinne vor, dafs es einen dreufien unverfcbam* ten Klugling bezeichnet. ***)

Das cT^ioc Amtii* ) des Lateiners pectus hir- fatum ift Zeichen von Mannheit, und zugleicb von Starriinn und Wildbeit. f)

Viele Redensarten von der Stirn , frons obducta, caperata, frons allein von der Drcu* Aigkeit, u. a. Hnd bekannt genung. Ebea fo : fronti nulla fides.

Audi Znrammenfetzungen, wie kv»«a«V($, XH^aAiuTif fcfaeinen auf Phytiognoinik zu deuten.

Das Spruchwort: Diftortum vultum fequi- tur diftortio morum, das Difticbon:

Pes

*) I heogon. i6.

S. Koppen' s Anmerk. sum Homer. Th. T. S. 44’

***) Ariftoph. Nubes iiyS.

t) V«rgl, II. 1, iQg.

Digitized by Google

lo5

Fes tibi quod claudus ^ quod clauda per omnia fit mens\

Interius retegunt extera figna malum. £nd zu neu, um hier darauf zu batien.

Das Spruchwort, in einem fcliduea K5r<> per wohnteine fcbdneSeele, ift bey den Alten fehr gewdhniich ; P/ttidraf widerlegt es:

Ridicule magis hoc dictum, qiiam veri aeftimo

Quando et formofos faepe inveiH pcjfi. mos,.

Et turpi facie multos cognovi optimos.

Aus allen diefen und ilhnliclieji Kcdensar* ten und Spruchwfirtern aber darf man ja nicht zu viel fchliersen. Die von Thieren her* genommenen beruhen auf gewCihnlichcn Beob- achtungen, und And blofs ul>ergetrag«>n. Die ubrigen find mcifc alie patbognomirch, von vorubergehenden Acuferungen entiehnt. Undgabees ja cinige, die der Phyfiognomik das Wort reden, fo frage ich init Lichten* berg: was lafst Hcli niuht mit Spruchwur- tem erwcifen!

G 5

Drit-

DigitKed by Googie

Dritter Zeitraum.

S«ic dun vierten Jalirbundert bit zum AnCtng Hebzelinteii.

Von jetzt an mufs ich einen langen Zeitraum ganz init Stilirchweigen Cbergcben, \vo ich gar nichtSy oder doch nicbts Beftimmtes zur gegenw&rtigen GeTcbicbte gefunden habe.

I.

Erft iin zehnten Jeihrhunderte kommt wie- der ein Mann vor, der in andrer Riick* fcht Epocbe gemacht hat, tind den die lern Pbyfiognomen bSufig anfiihren, der be» kannte Arraji oder Rhazes. *) So yiel ich ihn aus diefen Anfiihrungen beurtheilen kann, hat er fur dic riiynognomik relbft nicbts Er- bebllches gelelftet.

II.

Eben das gilt von Avtcemia oder Ebn Sina im elften Jakrhundcrte. **) Er wird oft ais

Phy-

*) S. Spr en g eis Gefcb. det Arzneyk. Th. II.

S. 5ia £.

•*) S. Lbend. Tb. II. S. 338 f.

Digitized by Googie

X07

Phynologe citirt, befonders bey Erkldrangen der Temperamente.

IU.

Gegen das Endc des 3 ahrhunderts

Icbte Averrhnei^ der fich um die Schrifien des AriTtoteles und fo auch um delTen PIiy> fiogtiomik^ febr verdi«rit machte. *) Er hat fie iiberfetzt, und mil kleinen Anmerkungcn erlautert, aus dencn man das Bcfte in der Franzifchen Ausgabe Andet.

IV.

Schon in den erften Jahrhunderten nach Chrifio war dem Aberglatiben und der Schwiirmerey ofne Bahn gemacht worden. Die VerAnlterung der mitilern Zeit kain dazu. Was Wunder, wenn iinter niehreren Gegen- ftitnrlcn des Nachdeiikens aucb die rhyfiogno- uiik entwedcr ganz vernachUrAgt, oder, dem Geifte des Zeitalters gemaTs, in eine abcr« gldubifcbe Zeichendeuterey verwanddt wuide.

Einen

“) S. Ebend. iind Brueker Hifior. erit. Phil, To, IU, p> g7 fq. Vergi. Franz. Vhyfwgiu praef. p. IX.

Digitized by Coogie

io8

Einen Verfuch der letztern Art enthilt zma TlielJ das VV'et kclien De fecretis Aa/wrae 1'ivc de procreatione et hominis ph^^jionomina, welclies dem EnglSnder Michael Scotus^ der im dreyzehnten Jahrhundert lebte, *) beygelegt wird. Es ift dem Kayfer Fricdrich II. zuge* eignet. Die UnwiiTenheit des VerfafTers zeigl lich hald in der Zueignungsfchrift, wo er das Wort Fhyfionomik von dem Namen ei- ncs altcn Ge^ebrten Phy/io herleitet, der fie zur Voilkommenheit gebracht hahe. Die erfteu beyden Tbeile banddn von den Zei- cben dej Scbwangerfcbaften, der Tempera* mente und Komplexionen, der Traume, Abn* dungen und des Niefens. Erfi der driile ent- halt eigentlicbe Pby/iognomik, theils nacb Ariftoteles, Polemo und Adamantius, tbeiJs mit eignea willkiibrlicben Erkiarungen des

Ver-

•) S- Ober ilin in Pabrieiut 1’iliL meil. cr iiif. Latin. To. V. p. aS3. D«S Bncli felbft, vun welcbcm Lier die Redeifi, La- beii einige dem Alhertus von B o lljiii d t tiige- rctiiu'l)cn, uiic dcfTen Sclirifc Secretis IHu- lieruiH es oft bcrausgegebcn iit, z. fi. Argentor. l&M. 12. von Seita 241. an.

S. 244.

Digitized by Googie

log

VerfalTcrs, oline die geringften GrQnde oder Beweife: aber voll Triumerey und Aber- siaubcn. *) Eben diefem Scotus wtrd auch ein Bucli De Chiromantia ^ugefchiie'» ben.

Aus eben dem GeHcbtspunkte wiid die Phyfiognomik in denen Werken angefelien, welche unter des Albettin von Bollftadts (Ma- gniis genannO Namen gehen. Anch Roger Ba~ cons Schriften foilen des phynognoaiiTchen Aberglaubens viel enthalten.

V.

Im vierzehnten J ahr hunderte machte der

bekann*

*) Scotus und mebrera pbynngnomirche Schrift. fielJer na^h ibtn benifen Hcb hliiJig atif Werka det^Hermet Trismegiftus , b«ronders eins de Af*. lomantia, und aufeinen gewiiTen Loxus, (S. auch Origenes contra Ceis. I. p. sJb.) Loxius , luyxiaSt denn lie Hnd in der Scbreibart niclit einfummig. Jenen nachaufeben , batte ich nicbt GelrgenheU: iind von diefem babe icb, ohnerachtet allea Nacii> fucbeni , fonlt nicbu finden kdnnen. £a niuCt •ntweder der Xitel einea Biicli , oder ein ange. BOmmener Namefeyn. Aeiiot iit bekanntlicbein Kame dea Apollo, der feine Weiffagungigabe be> zeichnet (der Schwankende, von der Unbe* ftimmtbeit der Orakel). Oder iit ea vielleicht keinea von beyden, fondern eins von den litera* lifcben Undingen, deren wir naebrerc babon?

DigitKed by Googie

lio

bekannte Petrus von Abano Epocbe. Seln Werk Conciliator Differentiarinn wird von den fpiitcrn PfayHognomen hiuHg angefiihrt.

Vl.

Aus dem /unfzehnten Jahrhunderte kenne ich die Schrift des Michael Savonarola, Spe- culum Phyjhgnomiae , welche Theodorus Gaza ins Griecliirche iiberfetzte, nur nainentlioh: eben fo wie das Werk des Bonifacius Simo- nctta Aftronoinica , Chirom. et Phyjiognomica, das zuerft Mayland nachher Eeifel 1009

herausgekommen ift.

Voil diVfer Zeit fieng man an, neben der Phyfiognmnik auch aiidre Deutungsleir- ren zu bearbeiten: befonders die Chiroman- tie. Wenn eininalil die Begierde, in die Zu* kiinfl zii blicken, fo aligeinin geworden ift, wie in diefen Zeiten , wenn ile durcfa man* gdhafte Kenntniffe der Natur, durch mifs- veiTtandne Philofophie und lleligipn untcr* ftiitzt wiicl: fo ift es kein Wunder, wenn

man Obcrall StotT zu Weiffagungen fucht und Undet. Wer jeduch der Erfte gewefen ift, der ihn auch in den Linien, Eriiuhungen und Veiilefungen der menfcblicbcn Hande fand,

lafsr

Digitized by Googie

IIX

lifst fich nicbt beftimmen. *) Spuren davon finden fich \m Ariftotcles ^ **) und mehr nocb in dem oben angezeigten Werke des Melam- pui.***) Doch icb bal>e keine Gefchichte der Chiromaniie zu entwerfen : ich beriibre diefe und &hn1iche Lebren blofs darum, weil fie zum TheiI auch dazu dienen follten, den Charakter der Menfchen zu erforfchen. Ia diefer Riickficbt handelt fcbon Polemo von den H^nden , und nacb ibm Adamantius. f) Die Bewegupg der H&nde ift auch dem Ari> ftotcles ein pliy fiognomifches Zeichen ; wel»

che Vorfchrirten die Rhetoren dafiir geben, gehdrt nicbt bierber.

Womif

S. Peucer da praecipuU dirinationum fenaribut. V a Ilei t ut de facra philof. Zl.p. fiii. T i e da- ni ann de Origine Magiae etc.

**) So lieifit et z. B. de lUft. Anim. /. e. i5. Xii-

fhf fjLiv (vrer, Sivaq, xai livj^y^uivot

agSfoif , ro7( fxtv pauQofiioif , iv'i iiffi Ci' sXeu.

•**) S. M elamp ut p. 485. ani p. a nz, Phyt. vet.) Vergi. Ach fietis Oneirocr. c. 72, p, 52, ed. Rigalt. und Artemidor. Oneirocr. /. c. 64.

*]') Polemo Lib, I. c.lB. Adamant. Lib. 11, c.\5. tt) Pbyjiogn. p. 164.

Digitized by Googie

112

Woinit Hcfa der Chiroxnant za tbiin macht, das ift eigentlich der inwendige Theil der Hand, und die daran- befindlichen Li* nien u- f. w. Man kann nicht leugnen, dafe auch diefe Lebre, fo fcbr fie roll Aberglau* bens ift, dennoch viel Scbarfrinn zeigt, und Ton mancben Scbrirtftellern bis zur Tiufcbung ivabrrcbeinlicb gemacbt worden ift.

In diefes Jahrbundert geb6.t folgende cbiromaniirche Sclirift» die icb kurz anzew gen will :

Chvromantia Magiftri Antiochi Ti, terti Cuefenatis artium Doctoriu Bononiae , anno 1 494*

Neu berausgegeben unter dem Titel De Chyromantia Utri III. authoris cuiust dam vetustijjimi per Joan. D ryandrum reftituti Marpurgi i53S. (gedruckt //o- guntiae von SchU/er.)

Der Verfafrer riibmt iich, die Chiroman* tie zuerft in ein ffinnliches SyAem gebracht und zu einer WirTenTcbart erboben zu haben. (S. i6.) Dafs fie das fejr, bemiiht er licb) obfcbon mit iebr feichten Grunden, gegen die Stoiker, den Porpbyrius und alie dieje- nigen zu beweifen, welcbc zum HegriAe ci>

ner

Digilized by Googie

1 13

ner Wiffenfchaft die Nolhwendigkeit und Un- verJinderlichkcit der Gegenfiancle reclinen. ITi kann fie nicht ganz zur Maihematik 7kb- ]en, da diefe nur mit niiHnnliclicn Linien zu tliun hat, aber auch nicbt zur PbjTiogno* niik , weii fie licb blofs init Linien licfcbiff- ti«t; er weift ihr aifo eine StelJe zwifcben

D

bejden an. Sie ift ibm Scientia cognnfcctidi inclinationes virtutum ct i.aQionuin naUirahum, et cuiuslibet hominis foitunum y,er Jigna JerJlbi’ lia manus. (S.

Wenn er ficb iibeiall gegen die genieinen Cblroinanten bruftet, weicbe dieSacbe ais et- was Albernes betrichcn; fo bildet er ficb bcfonders darnuf etvrasein, dafs er die Lcbre vnn den Plancten und deren Eioflurs zur Grnndiage der Cbirouiantle getnacbt habe. Bekanntlich gehbrt dazu, dafs jeder Fingor ncbft deHen Erbobungen und Sriichcn cinem Planeten zugeeignet wiid: die angeiiomme-

nen Eigenfcbaften des Planetens find nun zu- glcicb Bedeulungen der Fiiiger und deren Li* nicn , und die inehr oder weiiigcr autlullcnde Zeichnung des cinen oder des andein Fin- pers, die inebr oder weniger rigne Ver- rdiinclzung und Annlberuug dtefer Linien 8. Stuck. 11 gielir

DigitKed by Googie

114

giebt dfiiri Chiromanten Hen erforderlioben Auffchlufs, wenn diefer auf alie UmAfinde» z. B, den Geburthsplaneten derTen, den er beobachtet, fein Gcfcblecht, Alter, Eltern, Tag der Beobadituiig ii. f. w. gebSrig acbtet. Die lechte Hand Jiefert die Planeten, die linke die Bildet: des Tbiei kreifes. Tibertus h&lt fich vorneiimllcli niir an die Hauptlinien und erklirt die klclnern fiir unbedeutend) einige Falle ausgenoinmen, wo Ile zur Er- klanmg der eiTiern gcboren, Was er ubri- gens aus allcn dieferi Zeichnungen weilTagt, ift bis zum Lacherlichen willkuhrlicb. Mehr, ais andre Cbiroiuanten, halt er auf die Ver- wandfchaft der Handlinicn mit andern Thei- len des l-vbrpers, Herz , JMagen, Ruckgrat, ij. r. XV. Ueberhaupt aber ift feine grfnza Chiromaiitie weiiiger auf MenfcbenkennRiLrs ais auf Weiffagung berecbnet*

Noch mufs icb eine literarifcbe Notiz an- fubren, die Cafcnas giebt. Er beruft fach nebmlich 87 Aut die Commentarios phyfiognih micor eines gewiffen Fhyliftomus Pythagoriair, die er in England gefehen haben wilJ. Icb kenne diefen Nameii nicbt, und babe, we- nigficns in einigen Catalogeil rem Handfcbrif-

ren

Digitized by Googie

ii5

ten m Englifcben Bibllothekeiit refgebeiw nacb einem folcben Werke gcfucht.

VIL

Reicher an Scbrirten liber PbyHognomik in das fechszehnte Jahrhundert, weiclies tneh- rere bedeutende Mftnner hervorbrachte.

Faftebenfo reich al)erirtes aucb an cbiro- mantifcben und abniicben Piodukten, bey denen ich micb nicht umftilndlich verweilcn kann.

So ubergehe icb die Scbwirmereyen des Throphrnftus Paracelfus ganz, fo viei icb aucb davun aus feinen Werken "uin Beften geben kbnnte. Eben fo deti aftrologirchen Unfinn des Kobert Fludd^ auf den Hch viele folcende Phynognomen berufen. *)

Was Jordanus Bruno , befonders u ter Chi- romantie, Tagt, ift ganz Im Geifte diefcs reltfaineD Kopfes. Nur eine Probe: **)

11 2 E’-^o

*) Libellus tU phyjiogn. Opp. T. /. 7V. //. Frunef

i63i. foi

Pe Monade pag, py.

Digitized by Googie

ii6 •—

Ergo animam in manibus propriam gejtare

propheta

Dixit corporeis veluti natura Jigiirans Occultum, Manus eft etenim Jigntim atsjue mi-

niftra

Ihgenii interioris, opus fructJisque reportat Atque probat fenfus et mentis fata profunda. Linea quina data eft vitax fgnifcatrix.

In munibus quippe eft fententia indiculis Infcripta exilii pro tempore (Ji Babylones Chaldeique valent fenfus, Samiique reltitai)

etc. ere.

Auferdem find mir follende Werke be- fcannt geworden» wovon ich diejenigen ge« nauer anzeige, die icb felbft in Hinden ge* habt habeii

Bat-ptolomaei Coclitis Bononien- fis, naturalis Philofophiae ap Medicinae Doctoris, Phyfiognomiae et Chiromantiae Compendium, Argentorati anno M. D, XXXIIl. *)

Ia

•) Von eben diefem Verfafler wird nocb angefubrt: Anapltrajts Chirom. et [Phyfognomiae: Bonon. x5o4. 4' cum approbation* Alex, Aehellini,- Bonon. foL

Digitized by Googie

”7

In diefer Aiisgabe belifidet iich keine Cht« romantle vun Cocles felbft, fondcrn von Cervi, die auf dem dritten Bogen anfingt.

Andreae Corvi Mirandulani Abfalu’ tiffima ratio Chiromantiae.

Das Werkcben des Cocles ift in ganz kur« zen S&tzen abgefafst, und mit ziemlichea Holzrchnitteo erl&utert. Statt einer andcrwei* tigeii Befcbreibung migen ein Paar Stellen zur Probe hier ftehen.

Cap, XIV. De Labiis.

Labia oris valde groffa vel nimium reaoluta foris JlgniJicant hominem plus Jimplicem quam fa- pientem^ cito credentem, grojji nutrimenti ^ et convenientem ad utroque.

Cuius labia fuerint convenienter fubtilia , et non multum foris retorta, fignificant hominem discretum, in omnibus fecretum, fagacem, ira- cundum, et multi ingenii»

Cuius labia fuerint hene colorata, et plus lubtilia, quam groffa, fgn(/icant hominem bo- nae conditionis , in omnibus, et cito converti- bilem ad utrumque, et citius ad virtutes, quam ad vitia.

Cuius labia non funt bene aequalia in omni^ itaque unum fit maius altero, fignijkant hominem

H 3 plus

Digitized by Googie

ii8

plus /implicem, quqm fapientem, grojji ingts* nii, tardi intellectus et variae fortunae.

De Ciliis Cap. I X.

Cilia artuata multum, et quae frequenti motu elevantur in altum , ftgnificant hominem fuperbum, animofum, vana gloriofum, auda^ eem, minacem, cupidum pulchrorum, et coty venientem ad utraque.

Cuius cilia funt deorfum declinata y cum dJU teri loquitur vel alterum intuetur, qua/1 laten» fer fub eis , fgnificasU hominem valde malicio fum, vel fallacem, mendacem, proditorem, pigrum, fecretum, pauciloquum.

Cuius cilia funt rara a pilis, ftgnificant ho- minem fimplicem, vanum, debilem, cito cru- delem, et in focietate fatis convenientem.

Cuius cilia funt naturaliter plicata deorfum, ut qua/i fint crispa, ftgnificant hominem inve- recundum, pigrum, fufcipiofum, tenacem, in- vidum, et in multis facile feductorem.

Cuius cilia funt valde brevia, et ia color» alba vel blunda, ftgnificant hominem quafi ad omnia convenientem , debilem , timidum » fa- cile ac cita alteri credentem et convertibilem.

In

Digitized by Googie

iig

In eben diefem Tone ift Corvi Chiromaati» gefcbrieben, elf Bogen Hnd toH gezeichneter H&nde, mit pfychologirchenf aber iiiclir noch mit weifTagenden Deutiingen heglciiel.

Was den Cocles felbft betrift; fo darfich nur anf die Lebensbefcbreibang derre11x.*n in Adelungs Geft.hichte der menjchlichen I^onheif Tb. i. S. 6. f. verwffifen.

Er lebte mit dem bekannten Afirologen Lukas Gauricus zu gleicber Zeit, und erfubr ein gleicbes Scbickfal mit diefein. *) Vergi* Gefch, der menfchl. Narrk. Th, 2. S. 255.

Von einem Bruder des Gauricus^ mit dena Vornamen Pomponius baben wir ebenfalls ein hierher gehdriges Werk:

De fculptura ubi agitur de linea' mentis, de phyjiognomia etc. Flor. i5o4.

H 4 8. vS.

*) Der Schflier dea Gauricus in der Adrologie, der berubmte Julius Cnfar Skaliger, wird aU ein fehr geilbter und ficberer Pbynoghoni gerflbmt. Er foll aiicb eine Metoposeopia gefcbrieben haben. Pemety Th. I. S. 44. citirt darAber die Eloges des Sa. vans, tires de Phijioire de Mr. de Thou. Part. I. (Den Matthiius Tafurisss aus Soleto ,den P. eben dafelbll anfdhrt, kann ich nicht inher nach* weifen.)

DigitKed by Google

ISO

8. S Scheibels Einleitung in die ma- tbem. DQchcrkunde St. lo S. 4^2.

(Wahrfcheinlich daff>jliie, wel. chps aucli unter dem Titel De Symr- metriis , Lineamentis et Phyfiogn. Ar- gent. 1622. 8. herausgekommen ifu Im Jahr i538 kam eine Ueberfetzung von Aiifioteles Pliyfiognoniik, mit dem Texte, lieraus, von Jodocus fVillichius HefeUianus. Wittenb. 8. Auf dein Titel fteht: Addita eft

viusdcm interpretis Oratio in laudem P/iyJiogno- miae. Wenn diefe Lobrede nicht etwa zu- gleich die Vorrede ift: fo fehlt fie, wenig. ftens in dem Exemplare, welcbes ich gebabt habe.

Weit beriihmter machte fich in diefem Jahrbundert Jobann Baptifta Porta ^ aus Nea- pel. Porta dehnte den BegriiT der Pbylidgno» luie eben fo weit aus, wie einige vor ihut. So fchrieb er eine

Phyfiognomia coeleftis. Neap. l6oS> 4. auch Lugd. 1645. i2»

In dlefem Werke leitet er die Verfcbie» denbeit der Charaktere nicht Vnit den Afirnlo* gen aus den Gefiirnen , fondcrn aus den Tem» peramenten ab, die in der Mtfchuiig der

Saftc

Digitized by Google

•121

Sifte ihren Griind [i.iben. Daher widinet er den grbfiten Tliell der erften fiinf Bucher ei- ner Widerlegung der Aftrologen. Im fiinfien und rechftcn bandeit er von den Flecken, von niirsgeftalteten Kdrpern u. f. w. Das RraucIibarAe daraus , befonders blfiori- fcbe Citate, bat Fernety in fein Werk aufge- nommen , bhne den Porta zu nennen, und obne d e v elen Unricfatigkeiten deffelben zu beiichtigen.

Ueber felne

fhytognofnonika , Neap. i588. /oL welcbe eine Art von PliyHognomik der Pflan- zen, ais Materia medica ift, f. Hullcr Bibi, med. n. p. t2b.

Sein phybcgnotnlTches Hauptwerk babe icb nur in der deutfcben Ueberfetzung ken- nen gelernt. Es ift folgendus:

I, B, Torta de humana phyfiognomia lU bri yj , in t/uibus dicitur^ quomodo animi proprietates naturalibus remediis compisci poffint. Fraiico/. i5p2. (Vergi. Ualler bibi. med. II, p. 126. Uber andre Ausga- ben.) Am volirtindigAen Neapel ifaoz fol.

H 5 jUenfcli-

Digitized by Googie

122

Menrchliche Phyfiognomyi da(s ift, Ein gewi(Te Weifs vnd Rege), wie uian «ufs der eullerlichen Geftalt, Statur, Tnnd Form de(s Menfchlichen Leibs, und deffen Gliedtnaflen abnemen, Tr- theilen und rcblielTen kSnne, wie der* felbige audi jnnerlich von Gemut gefcbar* fen, gefinnet und geartot fey. In vier vnterrchiedene Bucber abgetfaetlet, ein jedes mit feinen fcbbnen vnd gleichfaiD lebendigen Figurn: In welcben faft all- wegen ein Menfcben AngeBcbt gegen ei« ties Tbiers gefetzt, rnd mit demlielben vergliecben wird. Erltlicb Ton Joaan* Baptifta Porta einem. Neapolitaner in La- teinifcber Spracb befchrleben. Nun aber durch einen Liebbaber der Kunft in tb* fere hochteutfcbe Spracb verbracht, rnd allen denen, fo der Latainifcben vner> fahren £nd, zn gutem in Truck ver* fartiget.

Jedermanniglich , er fey wes Standea er wblle, fehr )ieblich und natzlich zn lefen. M. O. C I, Gedruckt zu Franck- furt am Mayn, durch Romani Beati Ei> ben. 8.

Ein

DigitKed by Googie

123

Bln Auszag darau& La Pkyjtognomie maine, ou Jean Baptifte Porta Neapoli’ tam, ohne jabreszah).

Porta ift in diefem gegenwfirtigen Werka einer der vornebmften Gewibrsminner aller folgenden Pbyfiognonien geworden : wiewobl aucb er im Grunde nicbt riel niebr tbut^ ais die Urlbeile aller frubern Pbynognooien Dammeln und mit Anecdoten auszieren. Au« fer den griecbifcben , TorzOglicb Ariftoteles» bat er befonders den Rkajls und Conciliator, den Albertus, Scotut und Avicenna benutzt. Seine Kritik ift nicbt die Torftcbtigfte : denn wo ibm AriftoteleS} Polemon oder Adamat^ tius nicbt zupaOeD) da iiimmt er fogleich feine ZuBucbt zu der Vermuthung» da& der Text verdorben fey.

Am meiTten btllt Porta, wie fcbon der Titel befagt, auf die HypotbeCs ron der Aebnlicbkeit der Menfcben und Tbiere, je* docb mit der Einfcbr&nkung, dafs er nicbt aus Einer Aebnlicbkeit mit einem Tbiera dem Menfcben fogleicb den ganzen Cbarak* ter diefes Tbiers beylegt. Da ferner jede Thier mebrere Neigungen Hat, der LOwe z. B. Stolz und Stfcrke, und dabey mebrere

2ei.

Digitized by Googie

134

Zeictien, der L5we z. B. faohe Stirn und grofse Glieder; fo inuts der.Phynognom auch «ndere Thiere beobachteiii die ebenfalis fol- che Zeichen baben , um daraus zu fehen, was diefe beym L6wen bedeuten, ob Weich* beit oder Stilrke. Findet er nun Thiere, die ebenfalis ftarke Glieder baben und nicht weicb find, denen aber die bohe Stirn fehlt: fo kann er mit Sicherheit rcblieffen , dafs ftarke Glieder Zeichen der St&rke find.

Uebrigens liegen auch bey Porta, wie bey feinen Vorgingern, die BegrifFe von Schouheit, Ebenmaafs, verhUltnifsmiiniger Grblse, Breite und Dicke, Feftigkeit, Rund- heit, Beweglicbkeit, Munterkeit und Lebea allen guten Deutungen, fo wie die gegen* theiligen BegrifFe allen fchlimtncn zum Grunde.

An VollftXndigkeit fteht Porta keinem nach. Ich wiifte keinen, auch noch fo unbetrMcht- lichen Tbeil des Kdrpers , keine Eigenheit def* felben in Rube und Bewegung, aufer dem Scblafe, die nicht mitgenommen wire. Hier eine Probe feiner Zeichnung: (S. 5S7. der

Ueberf.)

iCenn*

Digitized by Coogie

125

KennzMchpn der eytelen: fo allezeit hohe Gedanken haben.

„Die veterfte LaBzen ragen ihnen etwas welterheranfs, denn die 6herfte, die Stim- men find fcharpf vndgleichfamkirrent, dia Gurgeln rauh mit einem heraufsraoenten BeynoderGleyche, der Vntertbeil des Ra- ckens Haarechtig, vnnddie Augen alfo ge- fch3iren,dafsriebcliviel zu thun, tberficli weichei), fcillftehen vnd gleichram ein wcnig flicffen.“

Gegen alie beforgliche IVlifsdeutungen ver* wahrt er bch bald Anfangs durch eine aus- druckliche Erkiarung, die nacb der deut* fcben Ueberfetzung fo lautet:

fiDiefe Kunft oder Wiffenfchaft beru- het allein auf der Muthmaffung, vnd erreiclit nit allwegeii ihr erwunfclites Endc: Ihre Kenn oder Merkzelchen ge-

ben allein die naturliche Zune;ygungen, mit nichten aber die Gefch&fTte vnd Wiir* kungen vnfers freyen Willens zu er- kennen: Denn in den guten vnd bCfen Wurkungen, ais welche in vnfrer felbft eygenen Willkiihr ftebeii, beruhet die Tngent fampt den Laftern, und nicht

in

Digitized by Google

- 12$

in den natQrlicfaen Zoneygangen, fo da nicbt in mferem Willen ftehen.“

Andre Sohriften aus diefem Jahrbunderte, Ton denen iob Tiele nur namentlicb kenne, £nd:

Alex, Ach ell ini Bonon. Opera. (De fubiecto Fkyftognomiae et Chirom.) Venet, i568 f. und De principiis phyjiogn, et ehir. Bon. i5o3. 4*

Bona franz. UeberU des AtUtmantiut. Par. l556. 8.

Blondi Phyjiognomia. Roin. 4.

Jani Carnarii editio Adamantii cum vers. Bafel :544- 8. Par. i556. 8.

Andr. Corvi Compend. Phyfiogn. I.eid,

1697. 8.

Gratalorui in Opusculis. Tigur, 1 553. 8. pag 479. (mebr medicinifch)

Andr, Lacunae lat. verfio Phyfiogn. Ariftot. Par. i535. 8.

Molinius de Uiverfa hom. nat. cognosc. prout yeter. pkilofophis ex corporum fpeci- ebus repet t a eft, Lugd 1549. 8.

Aug, Niphus Comment. ia Ariftot. Phy. fiogn. S. deden Opera moralia ed. Nau- daei.

Nic.

Digitized by Google

127

Nic. Petrei i UeberL der ahen Phy* fiogn, Ven. iSSs. 4*

Tai s nier Opus mathematicum , videU Chiromant, Pkyfiogn. etc. Colon, i583«

Metoposcopifcbe, cbiromantirche.

Johanncs ab ! adagiae IntrocU Apote^ lesmaticae in Chirom. Franqf, 1 54o> 8. und 6ftrer.

H a gecius ab Hagek Libellus apho» rism. metoposcep. Frc. i584* 8. Cominen* tar uber Ar. Pbyf. Fr/. 1684. 8.

Aat, P i ccioli Chiroinantia. Bergomi 16874 8. (aucb Rapiti Renovati.")

Jo, Rot hmanni Chirom. Theor. et Pra- etica, Erfurt. \5^5. 4* deulfcb.

Patr. Tricaffii Chirom, cum Ifag, Rouf- faeU Norih. i56o.

Chiromamia , Kanft wabr und weifs zu fagen 11. f. w. Francf. 1690. S.

Nocb eiiie befondere Erw&hnung verdient Hieronymus Cardanus^ ein Mann, der von abergliiubifcben Grillen zuratniiiengeretzt war.

Fi

*.

Digitized by Coogie

128

Er leLrte nicht nur Chiromanfit^ , •) fontlei n fclwie!) auch ein eignes Werlc iiher die Mefo» pofiopicy welches ich iedoch nicht felblt ge- febun habe. **)

Auch gehfirt Gualterus lUvinus hlerber, der in feinein Ei gent lichen Bericht der vnrnshjnften der Ai-chitCi-titr angehorigen mathematifchen uiid mechnnifchen Kiinfte^ Nurnl). 1647 XXIX bis XXXVI, uber PbjTiognomik ban- delt : Der ganzen Phy/iognomia kurzer uvfszttgy fovil den kunftlichen Malern vnd Bildhataern und allen dergleichen hunftlichen arbeitern voa nbteii u. [, w., (meiftens nach Arlfloteles und Ada*

inan-

•) De rerum Var, Lib. XV. c. 79. p, £87. S. auch Sprertj^el Gefcli. der Arzn.' Tii. 3.

**) Die aciUe ciuiillt i3. Buclier, imd ift wal)r- fchcinlicli dic, welcLe sii Patit i552 imJ 1687 fui. Iicrjiiaj^ckoinmea ili. Gcgen cine andre wird in der Vorredc 7.11 feinei’ Schriit de Vita prvgria proiertiit. /Idcertendinn denique, Vatavii I\leto- pofcopien.t quandam jui> Ccinianinoinine circumferri, quae DCC. facies in aere deiinentas , absque tdln dijcurju aut explicatione contiretl unde Magini aut cuiusvis potius, quam Cardanieam ejje iudico. Nam eorum , de quibus Cardanus Je in XIII li~ bris iVIetopoJ copiae fuae traclaffe contendit , nihil prrfus ipfa concinet , jed Jiguras tantum et capita, qi.ae Cardano ne per Joinniuiii quidem vcvljfa in suentem, mihi omnino perfua/um ejl.

Digitized by Google

mantius) und zum Schlufs aiif feine grofse Phyjiogtwniie ferweifst, von der ich aucb sichts habe finden kCinneiii *)

Eben fo darf ich auch den heriibinten Jo- hann Huart nicht ungenaniit laffen, wiewohl icli gcfiehen irmfs, in feiner Pru/ung der Kufife durchaus nichts Neiies und Bedeuten* tes fiir die Pbyfiognomik gefundcn zu balien, wohl aber elnfeitige Uitheile und unkritifche Trium^reyen in Menge. Rekanntliche fiilirt er Alles auf die Tempcramente zuriick, **)

Endlich nenne ich noch ddn grofsen, und in feiner Art einzigen Menfchenbeobachter Montagncy ohne mich jedoch beftimmt auf einzclne Strllen in feinen VeiTuchen zu be- rufen. IVlan kann ihn freylich nicht eigent» lich unter die Phyfiognomen z&hlen, aber ais Patbognom trift er oft an das Gebielh der

Phy

*) So wcnlg, wie Hr. H. Efchenburg , dem ich diefe naliere Nachweiriing vcrdankc. S. 7.u LaJ. fings Kollcctaneen lur Literatur. Zw. ] Band S. 276 f.

**) S. die Vorrede von I.cjffing r.u der IJeberretzung det Huait. Zcrbft. 1762. und Lajjittgs Leben 3ter Thcil. S. 36f> t

8. Stiisk. I

Digitized by Google

1 3o

Phyfiognomik. Seina Aeuferungen Ckber Sch6n- helt und H&rsllclikeit find in demfeibcn Gei* fte, wie die Urlheile dariiber in ailen Zei- ten und bey ailen Vblkern, das Vlrgilirdie:

Cratior et pulchro veniens in corpore vir- tus.

Vierter Zeitraum.

Vom Anfang des Cebr-elinten JahrbuDderta bis aof l^vater,

Icb darf es nicbt ais der Gefcbicbte der Phi- lofopbie umPtandlich wiederholen, dafs und durch welcfae Umfiilnde im Inbz^hnten Jahr- hunderte eine Reformation derfelben bcgann. Immer mebr und mehr fchwand der Aber- glaube und die Unwiflenheit: die practifchen Tbeile der Philorophic, insbefondre die Pfy* cbologie, ward mit uiehr Beobachiung und Erfahrung bebandelt. Icb erinnere nur an Malebrancbe, Bako, Hobbes, Hugo Gro- zius, CarteSt Spinoza, Bayle, Locke, Tbomallufi, Lelbnitz.

Dais

Digitized by Googlc

i3i

Dafs nebcn den hellern Einfichten den* kender Manner, neben der Aufklarung in der PhiloTophie und andern WilTenfcbaiten immer noch Schwaraier und bnAre K6pfe ihr Wefen trieben, darf uns nicbt befiem* dcn, und wlr werden aucb in diefer 6e- fcbichie auf Proben von Unfinn ftofsen, die man von diefem Zeitalt^r nicbt erwarten follte.

Aucb in diefem Jabrhunderte nebmlich ward die Pbyfiognomik in zweyerley Rilck* licbten bearbeitet, ais Mittel zur Menfchen- henntni/st und ais Weijfagung. Die medicini- fche und ufihetifcke Ruckficbt ward ebenfalls nicbt vernacblaffigt. Auferdem legte man iich jetzt befonders darauf, die Tbeile der- felben zu vereinzeln und befonders abzuban* dein. Das Allgemeinfte war Phy/iognomia oder aucb Anthroposcopia t Tbeile Metoposcopia^ Ophthalmioicopia, Podoscopia, Utegmonica^ man balte fogar eine Gelotoscopia und Phyjiognomia Epi/folaris. *) Daneben fand die Chiromantia immer noch ihre Freunde.

1 a Alie

•) Phyfiognoinik der Stim, der Augen, der FfilTe, der Ficckea , det Lacbeut . und der liricfe

Digilized by GoogI

>32

Alie diejenigen Schririfreller anzuriihren, welchc gelegcntlich fich fur oder wider die Pliyfiognomik eiklarten, wire zu weitliuf- tig unJ zu mubfam. Selbft diejenigen k'na ich nicbt alie nennen, die mebr zur Ge* fobicbte der Patbognoinlk geboren. *)

Ueberbaupt aber giebt c* aucb in diefem Fache gewilTe Hauptbucber, aus d^en Ai». dre Ausziige verfafsten, oder das Wefent- licbe in andrc Forincn uingoITen, fo dalj inan oft Elnerley wiederbolenljicb zu lefea bekommt. Das Neue, was der oder jener Scbriftfieller anfiihrt, beftebt oft nur in febr geringfugigen Benierkungeii , in einer abwei* cbenden Deutung, in einer weitein Ausfiili» rung, oder in einem Widerfprucbe gegen die friibern Pbyiiognomea*

Denn

•) Z. B. d* la Bruyere Les earacteres de Theo- phrojte avec let caracttres cu les tnoeurs de ce fseclt. Paris 1700. 8. Barclaii Icon Animo- rum, Lond. 161^. 12. Les Oeuvret melces de St. Evremond. Amft,' 1689. »2* De Tufage despaf- fjorts f par Senault, Par, if)88. 8- Cihambre l'art de connoitre Us hommes. Par, i6bo. i2. Chr. Tho rnaftus neuc Erfmdiing einer VViffenfcliaft, dai Veiborgene des Uerzens anderet Menfchea n. f. w. itigi.

Digitized by Coogie

i33

Denn in RQckficht der Gr&nde einer Phy» liognomlk hat ancb diefes Zeitalter keinen Fortfchrittf kelne neue Entdeckung geniacht. Noch iminer ift es AriftoteleSt auf dcn iiob die {ihyliogaomirchen llegein und Unterfa* chungen grunden, und die von ihin ange» fahrten Metlioden haben keinen Zuwaclis be» kommen: aufer dafs man diirch forgAlItigere Bearbeitung der Pfychologie und Patbogno* ni:k der Phyfiognomlk mehr Umfang und Anwendbarkeit Terfcbafte*

Ich werde ziierft dlejenigen Schriften an» F&hreu« die ich felbft nachgefeben habe.

&cercitationes Phy/tognomicae^ quatu~ 0r libris comprehenfae etc, etc. collectae ftudio et opera M. Chr ift i ani Moldc' nari i. Sutnptibus Zxich, Schureri, anno 1616. (fVitteberg.)

Der Verfaffer kundigt es bald auf dem umrt3.nd1ichen Titel an» dafs diefes Werk grdfteiubeiis nur eine Sammlung aus allen bierher gehdrigen Schriften fey. Er tbeilt es in Tier Theile. Iin erfren bandelt er ron der Phyfiognomlk Qberhaupt. Sie ift ihm pruden- tia ex partibus humani corporis exterioribus pri^

l S mariis

Digilized by Googie

i34

fnariis ad falutem hominis aliquid praefagiendi (S. 6.) Nach AnleitUHg der ^liern Phyfiogno* men werden alie Theile des KSrpers, aufer den Handen, durcbgegangen und ibre Bedea* tungen aufgezablt. Die Regein fiir den Phy* /iognomen (S. 109) entbalten nicbts Beftimni* teres, ais was in andern Werken gelehrt wird. Der z.u>eyte Theil enthilt die Chiro- mantie. Der Einflufs der Planeten wird aus den gewdbniichen GrQnden angenommen, und man bndet hier, wie in andern Scbrif* ten, die Lineas Martis ^ viam lacteam, cia* gulitm Veneris ^ lineam vitalem und menfalein das Triangulum , die Cephalica , reftricta, das Tuberculum Solis und der iibrigen Planeten nebft allen lineis incidentibus u. f. w. aber* mahls gezeichnct, befcbrieben und ausgedeu* tct. Im dritten Theile ift die Metopofcopie abgebandelt. Die Stirn wird nach ihrer Quan* litUt und QualitAt betracbtet. Dann folgt die AufzAblung ihrer Linien, die alie nach den Planeten befiimmt und erklArt werden. Ei* nen befondern Abicbnitt nehmen die Augen* hranen ein, nach Gr6fse, Krammung, Weich* Iieit und Farbe. Das vierte Buab emhAit die Onirocritica, die zu unrerni Zwecke nicht

gebort.

Digilized by Coogie

i35

gebdrt. Der Verfaffer ift ron dem Boben Werthe und der Gewlfsbeit diefer Wiflen* Ichaften feft iiberzeugt, und wunfcht feinem Zeitalter 2u dem Eifer, womit fie betrieben wilrdcn, Gluck. An gelehrten Citaten fehlt es naturlicb in diereiii Werke nicbt: wenn fie Bur etwas genatier und beftimmter wftren.

Samuelis Fuchfii Cuslino Pome^ rani Metoposcopia et Op/ithalmoscopia. Argentiaae Snmtibus Pauli Ledertz. ibi 5. 8. (gewidniet den ScbefiTcben Edelleu* ten Nicolaus und Friedericus von Bibran.)

Der Verfaffer bac einen Suferft gefuchten fchwiilftigen Ausdruck, Im damahis viblU cben Compendientone bandeit er feincn 6e* genftand ab, fo dafs zuerft Haupt(ktze, und dann Erlilmerungcn folgen. Adaniantiiis , Peu- cer, Coclea und and re find feine Gcwabrs* mSnner, und er folgt ibnen in der Ver- gleichiing mit den Planetcn und inii den Tbie- ren. Gcfchickt wcifs er die Gelegcnbeit zu benutzen, feinen Freunden uber die oder jene Bildung ihrer Siirnen t e Artigkeit zu fagen. Aucb ibm find die grofsen StirneM Anzeigen grofser Seelcn, wie bey Plato und

l 4 Co-

Digitized by Googie

i36

Columbus, die kleinen dagegen Zeichen Toti niedrigen Seeleu. Zicmlich fauber geftochene KdpFe Terzieren das Ganze,*) doch And die meiften aus Porta genommen. Auch in der Opht/ialtnofcofite (S. 8b C) fagt er durchaus nichts Neues, aber alles febr bloinichu Eine Probe feines Styis mag der Schlufs des erAea- T heils geben : Lovi iam cimba incertum penia-

vigavimus aequor, pro quo mtivam tabulam Se- ptuno debemus. Tibi vero , benignijfime Lector, quia ad favoris tui auram antemnas fUvimus et felici ofculo nnnc terram fulutamus , candida fidera, fed inprimis aeterni numinis favorem adprecamur,

Phyfiognomica ei Chiroman dica f pedali Uy hactenus tanquam'fe- cretijjtma fupprrjfa, nunc vero vel ut publicum bonum naturalis Divinationis Studiofis donata et ia lucem emijfa a Rodolpho Goclenio M, D. et Pro-

•) Von ColumCat s. SI. JcSmnnes IVlaria S. 55. Bartb. Keekermonn S. 38> Aloritz von Sajjam S. 45. Audreaa AuriaS, 46. Fcrd. Tolftmuu lletn. ▼on Alba S. 5i. Cosmus von Mediees S, 78>

Digilized by Googie

1^7

/'ejf. in Acad. Marp, Franeqf. ann» MDCXXV. 8.

Auf 66 Seiten bandeit Goclen die Phylio goomik im Allgemeinen ab^ freylicb nach Anleilnng des Ariftoteles und der ubigen, aber mit ibm eigner Deutiiohkeit und Be* ftiii mtbeU. So wenig er die ubrigeii pbylio> gnomifcben Griindregeln« nehmlich den Clia* racter des Miinnlichen und Weiblichcn, die Zeitpunkte der Leidenrchaften, und die ver* fchiedencn Kimate und National Tcnipera- mente, iibci Tieht; fo erkiart er fidi doch vontug* lich ftir die Aebnlidikeit der Menfchen mit Thiei en , ais die ficherfite und Beftiinmterte Deuiungsrcgel. Bey diefer Aehnlicbkeil niin:nt er auoh an, dafs in Einem Mciirdien Vcr- glelchung uiit mclireren Tlueren Statt linde. Die Stirii* T.inien (bey deren Zdtbnung, fagt Godeii, die Natur dodi offpnbar einen Zweck gcbabt haben mufs) werden oiipnralls nadi deii 7 Plaiieten eiiigetheilt, bcnannt und ge* deiitet. Soiifc bat Goden in der Hauptfadie nidus Neue.c.

lii der Cbiroinantie folgt er nebft mehre- reii befonders dem bekanntcn Taisnier, Den Urfipriing der Cbiromanlie findet er in der

I 5 Re-

Digitized by Googie

i38

Beachtung der 7 Erh6hungen (Mmtes) auf der Hachen Hand, die er zugleich tnit den Hauptlinien erkilrt.

Ais Princip aller cbiromantircfaen Gefetze wird die genaue Kenntnifs der vier Eigen* rchaften der Elemente, befonders der Trok* kenheit and Feuchtigkeit, fertgefetzt, um zuvdrderft die Cotxiplexion elnes Menfcben zu berdinizieit.

Ia einem Anbange S. 137.

Secretiora Ckiromantica , fecretiorit phiiofopliiae et natUrae ftudiofis do- nata,

wcfdeo noch einige Hauptregein z. D. tiber Elnlbeiluog der Hand, Linienzeicbnung, h. r. w. durcbgegangen.

Goclen liat die M&be gegeben, meh< rere Hande ausgezeichneter Verbrecber und ungliioklich ermordeter Perfonen zu verglei» ehen. Eine Sainofilung der letztern Art lie- fert er init beygcfugten Urtheilen in folgen* dem Werkchen:

Memor ab ilit/. Pxperimenta et Obfervationet Chiromanticae cum fpecili indicio, hactenus a nemine

vifae%

Digitized by Googie

i39

vifae, authore Rod, Go elenio, ilar- purgi Anno MDCKXI. 8. 3l. S.

Was er in diefen Hinden Ei^nes Hndet wlrd nat&r)icb ais Bedeutung der ScliickralD angenomineny die diefe Perfonon getrofTcn hatten. Hier, wie dort, fieht Goclcn itidef* fen ariehr auf WcHTagnng des Kunftigcn^ ais auf ErkenntniDs des Characters.

Auch ift von ihm

Vranoscoptae , Chiroscopiae, Mefopo- /copiae et OphtheUmoscopiae demonftratio. Lichae 1608. Rrf, 1608. 8.

Scipionis Claramontii Caefena~ tis de Coniectandis cuiusque moribus et latitantibus animi affectibus. Libri de- cem. Opus novi argumenti et incompa- rabile. Cura H. Conringii recenfitum. Uelmeftadii cIsIscLxv. (Zueift Venet. 1626. 4O

£in fo allgemein bekanntes und gepriefe* nes, und in der Thai fo vortrefliclies Werk, dafs inan fich nlcht genug wundern kann* wie nacli cinem folcben VorgSnger das Stu- dium der Anthropologie gleichwolil fo langa Ternachlifligt blciben konnte. Claratnomius felbb nennt es eiue Semiotica moralis ^ und

niiniui

Digitized by Googie

i4o

nlmmt dm Gang der medicinlTchen Senaiotik. Auf folgenden Functen beruht die Elntheilung delTeThen.

L Er/orfchung des Characteri uberkanpt, nach gegebeneii Zeichen. i) Aus den Urfachen,

a. naturiichen oder innem. Tempera* Dient, Korperzuftand, Klima, Eo* den, Lebcnsaiter, Nation. h. iiufcrn, Adei, Macht, Reichtbom, GTilck, Lcbcnsarten, Studien, Wif* renrchaften und Kunfte.

2. Aus den Wirkungen,

а. des erften Ranges, das Materiale und Formale der Handltingen.

б. des zweyten, der Korper und defTen l'h«!ile in Rube und Bewegung,. Stim* me, Kicidung, u. f. w.

Anbang von Tiiifcliungen und Verfiel- Iiing: Mittel Hezn entdecken und lick dagegen zu verwabren.

I/. hrforfchun^ der tierhf/rgenen Leidenfcha/* terty nach gegcbenen Zeichen.

OBc-

Digitized by Google

>4i

i) Befchreibang der Zeichen rerborgener LeidenTcbaTten.

i) Hauptregeln daraus lur die Erforfcbung

relbft.

3) Anweifong, die Leidenrchaften nncli der KenntniCs ihrer Urfachen zu erroiTohen.

Gewiihlte Beyrpiele aus Cicero « Tacitus n. a. geben die treflichrien Erliiuterungrii : das Ganzfc ift mit achter Beobachiung uiul Men> fchenkenntnifs .gefchrieben.

Was die Phynognooiik insbefondcre be. trift» fo handelt -er fie, gdcgenUiebe Be- iTietkungen abgereclinet, ganz eigentlich rom 5. Buche bis zum 9ten Kapitel des 8- Bucbs «b. Er findet es *u einfeitig , mit Par/a nnd andern, alie phyfiognoroifche Zeicben uiif das Temperamenta und mit Adamantiax auf den Gliederbau allein zuruckzuftihren, und rerbindet beydes. Daber die Phyfiognomik nach ilina drey Theile hat.

i) Von den Temperamenten nnd deren Verfchiedenlieit.

a) Von der Bildung der Tliejle.

‘3) Von der Bewegiing des KOrpers.

Der erfte betrachtet die Temperamenta das HerzenSt des Geliims nnd der Leber

Im

Digitized by Googie

142

Im ZLaeyten werden die Geburths - und Zeiigunpstheile, der Kopf, die Stirn , Ao- genliranen, Ohren, Augen, deren Farben, Blicke, Giofse, die Nafe, der Miind, das Geficht, die Mienen, dann die ubrigen Theile, Hals, Keble, Scliultern, Riicken, Bruft, Bauch, Lenden, Arme, Hunde, Schenkel und FufTe durchgegangen. Die Sta- tur des Korpers wird befonders betracbtet. Den Schlufs machen aiigemeine Regein (Ca- nones), die auf den Gefetzen der Walirfchein- lichkcitslsbre beruben.

Derdr/V?eTheil J)eirift die Stimme und das Reden, die Bewegung des KSrpers Qber- haupt, Lange und Gleicliheit der Schritte, Gang mit eJiabnem oder gebognem Nacben, mit und ohne Nebenbewegungen, Bewegung der Arme und Hande. Den Schlufs macht der Abfchnitt von der Kleidung, wobey er jedoch nnr auf Pracht und Schmuck iiebt.

Kame es hier darauf an, die Verdienfce des VerfaCTers zu preifen; fo diirfte ich nur befonders die Kapitel von Tdufcbungen, und den ganzen zweyten Hauptth^il des Werks von Erforfchung der verborgnen Leiilenfcbaf- ten im Auszuge mittheilen. Statt delTen darf

'ich

Digitized by Googie

143

ich indelTen bloGs auf Ternetys Verfucb einer PbyCognomik y befonders dcn zweyten und <lrittcn Theii Terweifeny in welchenx das Befte aas Garamontius aurgenommen ift.

J o. Valt Merbitzii de Varietate faciei Humanae difcurfas phy/icus, Dret- dae 1676. 4* *)

Er nimmt nur ocht Tbeile des GellcbtSt und zwulf Haupttbeile an, aus welcben er durcb die Konibinationen eine erftaunliche Menge von Varieliten beraiisbringt. Die zwolf Hauptgelichter find:

Fun/ in Anfehung der Linie> welche das ProfU macbt:

1. Facies prona; | das fcbonCte»

2. declinans; t wo die Stirn vorragt.

3. reclinans; \ wo das Untertheil

des Geficbts vorragt.

4. procurva; } das fchunfte nachfr

Nr. 1.

5. •— recurva; ( dasbarslicbRevonallen.

Und fieben in Anfcbung der Ei.atbeilung :

6)

*) Diefen Aitikel tube ich ans Lejfngs Kolbcta- ne«n zur Literatur. Zvr. Band. S. 272 L eoiUbiit.

Digitized by Googie

*44

6) Facies in tres aequalet partes dijiributai ron den Haarwnrzein auf der Stirn bis z'u dem Zwirdienraum der Augenbranen ; Ton da bis ziir Spitze der Nafe} und Ton hier bis ans Kinn.

7. 8. 9. wo das, was dem einen Theile abgebt, nur Einem Theile zngelegt wor* den ; entweder

7. der Stim, welches nach Nr. 6 das befte ift ; oder

8. der Nafe; oder

9. dem umern Theile: das bulslichfte.

10. 11. 12. oder wo das, was dem einen Theile abgebt, den andem beiden zugo* legt worden; entweder

lu. der Stirn' und der Nafe; ertrSglich, und inacbi uin fatyrifcbes Ueficht; oder

11. der Na(e und> dem Untertbeile: das

abfcheulicbrte von allen; oder

12. der Stirn und dem Untertbeile: das IVlohreiigcIicbt.

Die acbt Theile des GeCchts find ihm : frons ^ oculus. tempora ^ iiafiis y malumy

(der :'anze Untertheil} buccay labioy mentum. (Flimus H. N. yil. e. I, wo er Ton der Ver-

fcbio-

Digitized by Google

i45

fcbicdenheit der menCchlichen Gelichtsbild ung liandelt, leitet lie aus zebn oder mebr Sti)* cken ber, die er aber nicbt namhart macht: .in facie valtuque noftro^ cum fint decem uel plura membra-)

Anthroposcopia feu Judicium hominii de homine ex lineamentis externis a ca- pite usfjue ad calcem proximum , ex pro- batijjimis, quotquot fere exftant^ fhy- fiojtnomiae humanae fcriptoribus , fummo cum ftudio excerptum etc. a M. Andre a Otthone Colberga Pomerano, lie~ giomonti Borujlf. anno l647>

JlichtSt ais eln ganz trockner Auszug aus iiteren PbyAognomen , ohne nahere Nach* weifung. Das erfie Bucb beirift den Kopf und feine Theilei das zweyte den Kuiper von den Scbultern ah( und das dritte dia untern Theilc.

In Beziebung auf Kunft gcb(>ren auch noch die Werke ron le Brua hierber:

Traiti de la phyfiognomie , ou Livre de Portraiture pour ceax, qui commeta cent d dejfiner, par Ch. le Brun- Par. fol. (ohne Jahreszahl mit K.) Beynabe 8. StUck. K nicbts.

Digitized by Google

146

liicbts, «Is ein Auszug aus dem obeo angefulirten Werke des J. B. Porta.

Methode pour apprendre d dejjiner let pajjions ^ par le Brun^ Par. 1667. 8. Amft, 1702. 8. Cncbft einein Abrege cP une con/erence fur la pkifiognomie,') Deutfch, zuielzt Prag 1782 8. mit K.

and Ton Chambre,

Caracteres deS Paffions. Amft. l658 i663> 8. 5 Bde.

ebne die Anweifungen fiir Mahler und Bild* faauer anzufuhren, in denen ebenfalls phyll* ognomiTche Bemeikungen aller Art TorUom- men, von Vonius (de Natura Artium) von Scheffer, Freart , Felibien^ BroiaUf Hoogftrae- ten^ Schleyb^ und andern, die in Sulzert Theorie N. A. unter dcn Artikeln Bildbauer* kiiiift und Mablerey zu fucben Cnd.

Es folgt nunniebr ein Verzeichnifs Ton Schriltcii aus dem Hci)zebnten Jabrbundert, liber Pbyfiognomik und deren Theile, wo- von icli die meifien nur aus literarifcben Wer- ken kenne. Viele darunterUnd gewiis aucb

elner

Digitized by Google

147

elner nilhern KenntniCs und ansfiibrlichern Beurtheilung nicht wertli. Dicjenigen, wel- che ich am ofterften senmm und gelo!>t ge* funden hal)e, /Ind befomlers die Werkc von BaiduSf FollinuSf Ingegneri ^ Neuhtijlus , Ni- qupt , Kubeity Zara, Saundt-rSy Ballonius und Meyen. Man fieht Qhrigcns aus diefciii Verzeichniffe , dafs l)eynahe kclno Nation, wciche uin jone Zeit eine Liieratiir hattc, diefen Gegenftand unbearbeliet liefs: wir K:i- den Spanifolie, Englifche, F/anzjfifche, Ita- llaniTche und MoIIan difclie Schriften iiber Pli ylio* gnomik : und wie vide aus andei n Spra*

chen mogen inir nicht , aiis i’Mangel an lite- rarifclien Nachweifungen enlgangcii leyn: Be- weifcs gennng, welch eiiien vci IVihrerircheii lleitz diefe ganze Idee hat, und wic we- nig gleichwohl davon zu erwarleu ift, da lie olingeachtet dicfer fieifilgen Rearbeitung, und bey immcr zimehincnden Hulisinilteln, dennoch mehr zuriickgegangen, ais vorwarts gekomiiien ift.

K 2 S 9 k r i /•

Digitized by Googie

i' c h r i J t e n

MU dem ilotixcliiiteii JalirhuiiiierM Aber Ph]r(logii«i niik liberiiaiipt.

Ah^ftaymi Qi/od mliil Jcitnr de ““ phyfiogn. Huterd. l65o.

G. (^Autuiymi) PJi yfiogtwtiiiit ^ Call. et Au^l. Uiitd. iGlb

am. B a Idus Conimcnt. in Ariftot. Pftyf. Bouoii. iGui. fol. *)

>te [a Belli er e de la ^lolle Phyfiognomla Katioaalit. I.ugd, 12.

Belut Oetivres contem la chirom. phyf. Rou^ e A 1608. 8.

Hier. Cortes Phifonomia y varios Secretos de Piaturaleca. Sarag. i(joj. 4>

.1. Sig. his holi Anthropometria. Kiirnb.

1G95.

Herm.

*) BaU us i^xichi von einer Phyjlognomia Epiftolaris nnd einer aut den jgeln der ll<ind'e. £r foll uberhaiipt viel Nciiea uiid Gute* enthalten. £in« andre AuJCabe ift llonon, 1664. 4.

Digitized by Googie

149 ^

Herm. Follinus Speculum humanae naturae, Coi. 1 6f)4'

Jo. Fontanum Ariftat. ord. compotito

edita. Par. i6li. 8.

S. F. Frenzel de phyjiogn. anthropnlo^ica in grnere. fVittcb. i6bo.

Jo, Caec. Frry Otvms homo amor et amiciiy etc. Par. 8.

Pomp. Gaudent ii de Phyfiagiiomia. Argent. l63o, und 1672. 8.

Corn. ChirardeLli Fifonomia dell’ Huomo Bol, i63o. 4"

Cio. Ingegneri Fifonomia dell' Huomo e iu celefte, Ven. l652. 8.

Kliphaufens PrCfligten. i6o3.

Urh. Leaulte et Anton. Dnute. Fion ergo hofpitis itiumi mores ah hofpitii flruc/ura Par. 1686.

Phil. du M a y Chiromancr ct Vhyfiognnmii A la Ha} e lGb5.

P, Motius de multiplici temperamento rt ,-o- gnofcendis hominibus.

Edo Flruhufii Theatrum ingenii humani ctr.

Anft. l604« 12-

Hon. Niquet Aoenionnnjis Phy/iognomia hn, mana. Ltigd, 164S. 4.

J\ 3 Pr> •'

Digitized by Googie

i5o

Teruchit Chirmn» Pltyjiognonue et Ceomnn- cic. Par. i669> 4*

Dom. de Rubeis Tabulae Phyjiognomicae, Ven. 1639. 8.

Franc. Sane het Comment. in Arijtot- Phy- Jiogii. S. (leCfen Opera Med. Tolofae tb3b. 4.

Rieh. Saunders Admiranda Ars phyjtogn, Englifch. Lond. 1674*

S t r y k i us de Phyfiognomia. Franc/. J 685. Ti mple r i Opticae. Syfttina et Phyfiognomiae. Hanov. 1617. 8-

Pani. Ve cchi i Obfervatt. ia divinam feriptu- rain. Neap. x64l« 4* 2 Vol,

(Im erften Vol.)

Ad. Web e i' Speculum naturae humanae.- IVien. 1672. 12.

Ant. Zar ae Anatomia Ingeniorum. Ven,

ibl5- 4*

T. I. G. D. Chiromaniifcbes iind Phyfiol. Kleelilarlt, (enthiilt /fo>M/)Ay/« Handwahi-- fa£»erey , Spadon Scltanplalz der Curiori- taten, Llshnlz Anthropouietrie , Dom. de Rubes phyfiogn. Tafeln, Cardani Me- toposcopie, Melampus von deu Mitlen.) NiirnI). ibgS. 8.

Phy

Digitized by Googie

Phyfiognoinie, wie man einen Menfchen an felner Gcftalt iind Gel)chrden erken* nen foll. Niiml). 1611.

Gelegenilich hahen davon gehandelt; Balloniu s S. dcffen Opera.

Bulenger Opusc.

Pac heque ad Riverii Obferv, mtd, Ce/tf. 5. (Phyfiognoniie der Sterbenden^

In Beziehiing auf Kiinft

A. Durers Underweifung ron der Propor- tion des menfchl. KSrpers, Arnhein

1604 Fol.

Tac. Spoa Dijf. de P utilitS des Medaillcs ponr l' etude de la Phyfiognomie. in f. Re^ cherches de l'Aatiq. etc. Lion l68i. 4* Lips. 1771. 8.

JAedicinifche Phyfiognomih *)

J, F. Helvetius Microfcopitnn Fhyf. MedU cum. Amft, 167G. 8. Deutfch: Runder

K 4 Schau'

•) Die ntedicinifclie Pliyfiognoinik . der kein den- kender Arrt den Niitzen abCprechen wird , iA im G*nzcn,eenorarocn frhr cinfjich. W*» verdor* bene Salte, und innere Krankheiren Oberhauptin derFarbe, den Augen, and anf den Wangen fflr

Vm-

t

Digitized by Google

i52

SchaupTatz ^er Arzneyifchen OellclMs* kunfl. Heidelb. 1660. 8.

Heri in Confilium Sanitatis und Vom IWIfs- braucb der wahren Phyfio|»noinik, Cob. 1682. 8.

Her. deLaunai et Jac. Carnuti.Ergo ex vultu partium totiusque corp. temperies. Par, .iGsd.

May

Veriindeningen herTorbringen , bfit ficli leicht beobachien, Eine langa dauernde Krankheitkanii fogar diegan/.e PhyJiognomic cinei MenTclicn ver- Siidern. (Vergl.ljivateia PlijT. TiTt Verf. S. i.'jb f.) £s wird . alio niclit leiclit einen 'rerrtaiul t^cn

C

Arztgebcn, der uicht bey Unterruclmng einer Krankbeit iinter andcrn ZeicLen , aucli das Ans. feheij mit zu Hnlfe n.ibine. Aber dabcy UlTen ei viele von den genannten Schrirtlteilern niclit bewenden. Sic rcliliclTcn iiicht niir aiis dcin Acu. fern allcin aiif die Gatiang mid lierdialTenlieit der Kraiiklicit: fondern fie erkeiincn auch aiis den

feften Tlicilen des Kuipeia die Daiicr iind llcil. bai kcit derfclbeii , ptoplieeeyen daraua, vras jc* rnand lilr Kranklieiten liaben konne und werde, und itreiieii fingar dem, dcITcn Aiisfelicn itmcii gefund vorkomint, die Kranklieitcn ab , dieerin feiiiem Innem iillilt. EndlicU nrtlieilen fie anch ans der Phyfiegnomie, welcliev Arzneyen ilire Kraiik>'ii cmpfanglich find , fcibft wcnn diefe Avz- neven iDi’ die enatline Kranklieit im Aligrinei» ncii niclit palFen. DieLehre von den Komplexioiien tind Tempetamenien ifi es vornclimirdi , anf wel- clie fie ilire Deobaebtungen und Urtheile gritn- den.

Digitized by Coogie

i5;^

May grundiicber Bcricht, o1> aus dtfr Pbyf. des Menfchen Gemutb, Gefundheit, Krank* bcit konncn abgtfnommen werden. Dres- den 1681. 8.

Meyen Chirom, et Fhyjtognomia Medica. Hag. 1667. 12.

Ren. More au et Val, Hieraulme, Ergo ex Phyfiognnmia Corporis conftitutio. Par. 1619. 8.

Severi ni Phyfiogn. medicae idea. 1645.

K'e dei V ultus fpcculiim Corporis, Je/t.

itSo.

GeJef^eiitlich hamlcln davon:

Lancifi us S. clcHen Opp. (Gen. 1718. 4J

Meto posvnpie, Podoscopi e,

V l e gmo n i k.

loh. de Artisde Pedis admirandis. Par.

1 {> ! 9*

PhiL Fiitelli dc Metopofcopta, Ant.e.

1648. 8.

Fiuelli Naeuarwn lib. 3, de flgnis , ^itac apparent in unguibus manuum. i(>49- 8* Praetorii Metoposcopia. Lips. i66l. 4.

K 5 Lerr-

DigitKed by Googie

Le nt ilii Vlegmonica curio/a. In den Epke- mer, Saf. Cur. an. 6. Dec. 2.

Lud. Septali ns ( Settala) de naevis. Dordr. U)5o. 8. S. Sprengel Gefch. der Arzn. Th. 3. S. 3o5.) Er foll auch eia V/erk de riftt gefchricben haben.

Chiro manti e.

Steph. C imd a rfi Opufculum Chiromanticum methodo qua>n fieri potuit ordinata tracta- tum etc. Cryphisio. iSzS. (in Aphoris» inen und Propoluionen, drey Biichcr voll des lacherlichrten Unfinns: durch* aus inehr weiffagend, obgleicb auch von ErkcnntniCs des Genies und Ciiarakters seredet wird.

Sim Fr. Fremel de Chiromantia. Witteb,

iG63. 4-

Joh. C e rdes folidum de Chiromantia Ju‘ diciutn Gedan. i68l. 12, (ftreitet mit «•■(ttVichen und weitlichen Autoritiiten ge- gen die wciffagende, nicht aber gcgen die phyfiognomifche (S. 6.) Chiromantie; auf befondre Wi-anuiffung gefebrieben.)

lldping Inftitutt. Chirom. fena 1674« 8.

i55

J, H. LiLtzens Chivomantia Conctairatm, Niirnb. 1672. I2>

Seb, Meyrri Theatrmn Providentiae dioinaa etc. Frib. lirisg. 1618. 8.

May Chirn-.nantia Medica. Dresd. 1670. 8. J oa. Praetorii Thefaurus Chii om, Jea. 1671, 4.

Kich. S aunders Cltirom. frcreta detecta, Lond.

Schleicher Chiromantia. Wittcb. 1(160.4 Schtilze de Chiromantias vanitate. Kdnigsb, 1691.

Ver der ii Profopographiae W. ill, 1602. (Lib. Vll. £•. 6.;

In lier erfiern Hilfte des aclilzelinten Jahr» hundcrts war uber vielrn andcrii Gc^erinJu- den des gelehrten NaclidfiiIc''iTS die Piiylio- gnomik eine 'Zeit Jang liey Seiio g^legt wnr- den: die Cbiroinantic und iiholi .-he Kiinfte

Jiongen an,, fich vor dem beilern Lichte der Pbilofophie zu fcheuen und mebr und mehr zu- »'uck zu ziehn.

DirrcU

Digitized by Googie

i5b

Dnrcb die vereinten Bemuhungcn ryTtema* tifcher Denker und empirifcber Beol»achter gewann die praciifche Philofophie l^licb mehr an Inhait und Form. Auf Veranlaffung, be- fonders Englifcber und Franzolifcher Pliilofo* phen wurde die Aathropologie in allen Tbei* len und Bezicbungen, und auf alie Arten bebandelt. Uel)erall drang man auf V*ernr- beilung der Pbilofopbic fiir tlas Lcben : die Aufinerkfamkeit auf Naturgefcbicbtc, Philo» tbpbie der Gefcbicbte, Gefcbichte der MenTcll- hoit, Aeftbetilc und Piidagogik war ihells die Frucln, tbeils die VeranlafTung eines practi- fchen Geiftes in der Philofopbie, der iininer allgemcinef wurde, und der die Pbilufophen ermuMterte, ficb liberali nach neuen Gcaen- ffjndcn uinzurcbcn, womit fic ibre Wiffen- rchaft bereichern und fiir das Loben braucb* har maeben konnten.

Sebon im Jabre 1746 erfebien ron

A nt o n I ofep h Perne t y

6in Weik, welcbes von neucm an die fiear- beiiung der Ph}nognoniIk erinnern fullte.

Lrt-

Digitized by Googie

xSj

Lettrts philofof/hiquei /ur les phyjiognor mies. A la Haye.

aber es blleb obn^ fonderllche Wirluing.

Nacbbcr las er in den Jahren 1768 nnd J769 in der Akademie der WifTenfchaften eu Berliii > gegen den Hrn. von Cuti , wel- clier lich in einigen Abhandlungen wiJer die Mbglichkeit und Niitzlicbkeit ciner Pliyfiogno* mik erklilrt hatte, mehierc Abliandlurgen vor, *) die zurammengediuckt, inlt eincr weitern Ausfiibrung beglcitet, und iitb Deut- febe iiberfetzt wurden^ unter dcrn Titel:

Des Abbts A. J. Pernety Verfucli einer Phyfiognomik, oder EikKtrung des moralifcben MenTchen durch die Kenntnifs des phylifcben. Aus dem Franz. uberfetzt und mit Amnerkun- gen vermehn von P. W. L. Erfter Band. Dresden 1784. Zweytcr Band 1785. Dritler Band (Beobachtungen ilberdie Krankbeiten der Seele) 1785.8.

Was Hr» von Catt eingewcndet hatte, beftand vornebmlich in Folgendein. Die Phy.

Hogno-

•) S. i^emoiret dt r Acai, Tc. XXlf'» XXl~. und Xouv. Mem. To. I.

Digitized by Googie

i53

Uonnomik verdient nicht die AufmerkTatn* Ivcit, die man ilir widnnct. i) die pliylio- L^notnirchen Kc!intniffe find wcnig nutzlicb, wenn man fie auch fur wirklich halt, ile find fogar fchiicllicb. B6fe MenTchcn, da ile einmabl ibre Phyilognomie nicht andern k6n* nen, waiden ilch auch nicht bcinuben, ib> ren Charakter zu Sndern. Und fur diejcni- gcn, welchen das Bofe mehr auiTiillt, ais das Gute, wiirden ile die Vcranlaffung feyn, die Halfte der Menfchen zu haiTen. 2) Auf- richtigkeit, Fi eyraiithigkeit, Klugheit wiir- den aufhorcn Tugenden tu feyn, weil die einen gezwungen, und die andern unnviiz wiiren. 3) Fnlweder urtheiit man von den Phyllognomicen aus blofsem InCtinct, und dann ift das Uithgil fehr fchwankend, oder es ift eine WilTenfchaft, die man erlerncii inufs, und dann wcifs man nie, ob man darinn glucklich feyn wird, und ub man ile fchun hinlanglich erlernt hat. 4) VVMll man fie auf EiTahrung grtinden, fo ilnd unfre Erfahrnngen nicht hinreichend und die frem* den unilchcr. 5) Endiich giebt es durchaus koine Sammlung von allgemeincn Regeln und feAen Grundr<itzeiit und kaiin keine geben.

Die

Digitized by Googie

iSg

Die Antworten des Abbts lind emes Theils gewQbnIiche Drebereyen, in denen er lich hiluHg widerfpricht , andern Tbeils Bcrufun* gen auf Autoritilten} dic nicbts entr^lipiden kdnncn.

Catt verftand unter Phynognomie blols die Ziige des Gefichts und ihre Verbindung: Perneiy dchnt den Begii/V, wie bilbg, wei- ter aus, und fafst daruntcr, die Ziige, Li< neamente, und die auferliche Geftalt dea Gcfichts und der iibrigen Tlieile des KOrpers, und deffen Anftand in Bewegung und lluhe. Der Gegenftand der pbyfiognomifchen Wif. fenfchaft ift ilim das Phyfifohe des IMenfclien imd fein Temperament. Sie ift einpirifcb, fo fern lie ficb blofs auf ituferliche Zeiclien einfchriinkt und darnach den muraiifcben Cha* raktereiner Perfon beurlheilt: und tbeoretifcb, fobaldfie lich die Kenntnifsder unmittelbaren Verbindung zwifchen den Zeicben und dem Bez6ichucten, zwifchen Urfachen und Wii kun- gen, zwifchen dem inncrn und Auferri Pliy- Afchen, und zwifchen dem PhyRfchcn ais Urfache des Moralifchen, zum Gegenfiande macht: unter diefer ift auch die anatomifche Pbyliognomie mit begriffen.

li»

L

Digitized by Googie

Im Verfqlge hat Pernety faft nlchts wei- ter getban, feinem eignen GertandriilTe nacb, ais die frubcrn Werke, befonders den Cia- rainontiut und ?orta excerpirt, und nacb fei- ner Art ausgefcbmlickt : daher denn zuletzt

feine ganzc Phyfiognoniik iilcbtSi ais Patho- gaomik geworden ift. *)

Ueher das pbyfiognomifcbe Verlialtnifs in der Kunft batte Pernety R;bon fiuher In fei- nem

Dicti'

*) Einige kleinera Schrifteu phyGog. nnd pathog. Jnhalts ;

alch Differt, de arte aliorum animos cognof- cendi. Jeiia >75^

Kriiger de Phyfiognomlae in re medica utilitate, Halle

▼on Rohr Kanft I die menrcblichen Genifither zu erforfcben, Leipz. 1715.

Anlcitung zu den ciniuren Willenrcliaften etc< Fif. »717. 8-

Schalitz. Von Aberglaiiben , Vanitaten und Ten< fclierey, gerciniete Clurom. und PiiyGog. Leipn. 1716.

Quellmalx DiJJf. de j>rofopofcopim medica. Lips. 1748.

i6i

nlctionnaire portati/ de Peinture^Sculp^ ture et Gravare. Par. 1757. 8. (Deutfcb: Ber]in 1764. 8.)

nnter dem Artikel: Ebenmaas das Befte aas

andern Werken "efammelt.

O

Ich wftnfchte, mehr Kenntnide der Pljy- fiologie, Zoologie und befonders der Entde ckiingsreifen zu baberi| um hier zeigen zu konnen, was in unferm Jabrhundert in die* fer RQckficht geleiftet worden ift, und in wie fern diefes Geleifiete fur oder wider die Phyfiognomik hJtte benutzt werden konnen. So lange ficb die Aufmerkfamkeit der Pby fiognomifien auf einige wenige Volker von geringerVcrfchiedenbeitim Aeufern befchrankt fah: fo >ange waren gewiffe Taufclmngen

verzeiblicber. Aber um wie viel haue die Theorie vom Kbrperbau, yon Komplexiunen und Temperamenten fich andern niuflen, aJs man durcb ausfiibrliche Nachrichten und Befchreibungen mit fo unzahlig vielen und fo auHallend verfchiedenen Volkerfcha.'ten be- kannt geworden war.

Da ich aber in diefer Literatur nicht be- kannt genug bin: fo kann ich hier blofs bey* lauHg erinnern, daCs bey Gelegenbeit phyfio 8. Stiick. L

Digitized by Googie

iba

lonifcher Unterfuchungen, bey Vergleichnn- geii frenuler Nationen der neuemdcckten L:«n- der, bcy den Streitigkeiten uber die Ver* rchledenbeit der MenTchetiraceny bey dea Unterfuchungen iilier die Kiimate, und bey den tielen neuen Ideen uber Naturbefcbrel* bung des MenTchen auch die Phylingnomik oft mit zur Spraebe gebracht wurde.

Ehen das gerchah aucb bey Gelegenbeit afthetifchcr Unterfuchungen. Die alte Kunft und deren erneuertes Studium mufie liiluHg daran erinnern. Man vergleiche nur die Scliriften IVinkelmanns ^ diefes begeifterten Bewunderers der Kiipfe und Geftallen In der grierhifchen Kunft t und AlleS} was dainahls ii1)er das griechifche Ideal gefcbrieben wor* den ift : oder die Werke iiber Numis/natik\

iiber Mahlerey^ Gemiiblde und Mahler, die in der Neuen Ausgabe von Sulzers Theorie unter den Artikeln: Antik, Ausdruck^ Schon^

Ideal, Mahlerey u. f. w. verzeicbnet find. Ein Gleiclies war der Fall bey den Unter* fucliungen iiber Schaufpielkunft ^ unb Darftel* lung der Cbaraktere in Gefchichten und Ro- manen , die tilgiich mehr pfycbologifcher wur* den.

Docb

Digitized by Googie

x63

Doch da Tieles aus diefcn Fachern erft nach Lavaters Zeiten felit; Io will ich vor- her noch einige fpecjclle Puncte anfuhren.

Der Materialisraus in der Pfychologie mu- fte der Phyfiognomik fehr das Wort reden. Ift Leib und Seele von eincrley BefcbaJTen* beit, ha.ngt jener wie diefe» von einerley Gefetzen ab: fo muEs die Eigenheit des ei*

nen lim andern nothwendig Ucbtbar feyn und deutlicb erkannt werden kunnen. Da* her ift auch La Mettrie in feinem Werke: Vhomme machine (^Leide 1 748. 1 2.) ein erkltlrtei Freund der Phyfiognomik.

Unter diejenigen, welche der Pbyfiogno* mik, vielleicbt a?is Neugierde, einiges Stu* dium widmeten, obne fick jeddcb darQber effentlich zu erkferen, geborte auch G. E, ^ Leffingy den die Utberfelzung des Huart zu- erft dazu veranlafste. (S. Efchenburg zu Lef* fings Kollect. Zw.i B. S. 276.^ In mebreren feiner Briefe thut er davon Erw&hnung,

L 2 und

*) Dai Bucit Ton Mdorijius ^ Oelotofcopia , nacb welclietn er in eineni feiner Briefe ficli erkun* digt, habe ich bey allex angewandteo Mdhe nicht fiuden ktonen.

Digitized by Googie

104

und unter felnen Kollectaneen linden Hch eben fo, wie unter feinennaoIigelalTenen Papie* ren, einige Sammlungen und Bemerkuiigen iiber Phyfiognomik.

Ais Freunde der Phyfiognomik und ge« iibte Phyfiognomen werden von Lavatern und andern genannt: Fielding und der Scliaurpie* ler Quin, fS. Fieldings Works. Edinb. Vol,

XII. S. 278.) Kubijfe (S. Pernety Th. i. S, .■S6 f.) Carrik, RotiJfeaUy Mcngs, Zimmermann^ \on Ilgen, (S. AlJgem. Deutfche Ifibl. Band XXIX 2 St. S. 2x3) Eugerty Lavafer, deffen Frau^ (S. Lav. Fragm. Erft. V. S. i83.)

Icli glaube nicht, dafs es niithig ifi, alie die hierher gehorigen Anecdoten ^u fammeln. Keine derfelbcn beweift viel. Keine derfelben ift fo umftandlicK und genau erzahlt, dafs wir wiffen konnten, wie viel oder wie we* nig bey folchen phyfiognomifchen Urtheilen auf Pathognomik abzurechnen ift: ob fich

«lie Perfonen, aus deren Phyfiognomik geur*

theilt

*) Diefe Und ani unbedeiitendReivSio beltelien ani drey Stellen aui I'igneul~ Marvilla luidetlichen Z«ilaa gegen Lavateri Fraginente. Ini 4ten Theile von L. l,eben werden lie mirgetheilt werden.

Digitized by Coogie

i65

thellt wurde« nicht auch dabey dufch Re* den und Handhingen verrathcn hatten: und

ol» die Uriheile felbft nicht vielleicht nur ein* feitig beftatigt wurden. Nicht daran zu den* ken, dafs es auch liier wohi eben fo gegan- gen ift, wie es bey beriihinten Acrzten geht, von denen man vide gluckKche Kuren er* ziihlt, und eben fo vid mifsgliickte ver- fcliwcigU Ueberhaupt ift bey allen foldien Urtlieilen nichls weiter zu lernen, ais dafs gewiffe Menfchen gewiffe Gefiilile, inocht ich fagen, haben , die ihnen, wie die ehe- inahls fo beriihrole Syuopathie, bey deinAii- blick eines Menfchen ftillfchweigend fagen, ob fie ibm trauen diirfen oder nidit. Faft lucherlich, fagt Lichtenberg , *) ift der Be- weis fur die ZuveiklfTigkeit der Phyfiogno* inik, den man ans der tagliohen, ja ftiind- licben Aiisiibung derfelben herleilon wilb So bald wir einen Menfchen erblicken, fo ift es allerdirigs dem Gcfetz unfers Denkens und Emp(in<lens geiniifs, dafs uns die nadtftahn* liche Fi"ur, die wir gekannt haben, fogicich

L 3 In

•) Ueber Pliyfiognomik* S. 65 f.

Digitized by Googie

Ibb

in den Sinn kommty und gemeiniglicli auch unler Urtheil fogleich beftimmt. Wir urthei- len ftiindlich aus dem Geficht, und irren ftUndlich. So weirfagt der Menfch von Zeit- ISLuften, Erbprinzen und Witlerung ; der Bauer hat feine Tage, die die Witlerung des gan- zen Jahres befiimmen, gemeiniglicli Fefitage, weil er da muflig genung ift, zu pbyliogno- mi£ren. Jeder Menfch ift des Tages ein» mahl ein Prophet. Ja die angehendpn Phyfi- ognumcn rchlieffen fogar aus den Na- jnen , und die Balthafare fcheinen ihnen den Friedrichen nachzuftehen. Ich glaube» es find wcnig Menfchen, die nicht irgend einmahl etwas diefem Aehnliches gethan und gedacht haben , fo lacherlich es auch Idingen mag. Die angenommenen Ma- men fatyrifcher Schriftfteller werden nacji folchen Regeln zufammengefetzt. Wollten wir die Leute, von denen wir nach dem erften Anblick urtheilen, alie durch jahrlangen, genauen Umgang pnifen, ich glaube, es wiirde der Phyliognomik 'irger ergehen, ais der Aftrologie. Einbildungskraft und Witz kommen hierbey gef^rlich zu Statten, da* her find die tiefTten Denker gemeiniglicli die

fcblech-

DigitKed by Googie

iCj

fclilecliteften Phyfiognomen. Sle fimi nilt ci* ner fluclitl<(cn Aeliiiliclikeit niclit fo leiclit be- Iriedigt, da der lliichtige Phyfiognome in je* dem Dintenfleck ein Gcficht, nnd in .jedem Geficht eine Bedeutung findet, Alles diefes ift aus Ideen Affociaiion liegreidicli. Ver- gnugen gewilliren diefe Hypotliefen allemahl. Wcr des Naclits anf ciner Poftknifclie gerei* /et ift, und im Dunkeln Bekanntre1)nft niit Leuten gemacht hat, die er nle gefelm liat, wird die Nacbt iiber ficli ein Bild von ilinen forinirt haben, nnd fich am Morgen fo be* trogen finden, ais fich der Pbyfiognome an jenem grofsen feyerlichen Morgen betrogen finden wird, an dem fich unfre Seelen znuj eiTten/nafalvon Angefichtfcbaueu werden, *— *) Die Phyfiognomen irren fich, wenn fie ans SchattenrilTen oder Portriiten von Perfonen urtheilen, die fie gar nicht Jcennen, £o ent* retzlicli, dafs, wenn inan die TrcHer mit den Feblern verglichen fiihe, das Gliicksfpiel gleich in die Augen fallen wiirde. Sie ma* chen es aber, wie die Loitofpieler, publi- ciren Bliittchcn voJl glilcklicher Nummern,

L 4 und

Digilized by Googlc

i68

und behalten die Quartanten, die man mit vsgliicklichen anfiillen kfinnte, fiir lich. Aucb die getroffenen find es oft nur in Orakelwor- tern, mit Spiel Raum fiir den Sinn; und oft fieht der Phyfiognomc Forfchungsgeift in den Augenknochen, oder poetifches Genie in den Lippen des Mannes, weil er He in deflen Schriften aus Mangel an Kenntniffen tind Gefchmack, oder diirch Journale ver» fiihrt , zn iinden glaubt. Dem Denker, der jene Sehriften leer Endet, wird dadurch die ganze Knnft verdachtig. Man unterfuch^ eininahl die Phynognomen, und man wird Enden, es find gemeiniglich Perfonen, deren lelihafte Einbildungskraft ihnen beym Anblick der meiften Gefichter die verwandten ZiWe Andrer und mit ihnen ganze Lebensl^ufe und Privat- Gefchichtchen vorftellt, und die die» fes bey jeder Gelegenheit der Gefenrchaft dar- legen. Oft find fie unfchuidig, und fe- ben den Lenten nur das an, was fie fchoi> von ihnen wiCfen. *) Was aber unferm Urtheil aus Gefichtern noch fo oft einigeRichtig- keitgiebt,find die weder phyfiognomirchen und

patho*

•) 79 f-

Digitized by Googie

169

pathognomifchen , untriiglichen Sparen eh»- ixiaiiger Handlungen, ohne die kein Menfch auf der Stralse oder in GereUfchaft erfcheU nen kann. Die Liedcrlichkeit, der Geitz, die Betteley haben ibre eigne Lirree, eine einzige Partikel verrith eine fchlecbte Erzie- bung, und die Form unfers Hutes inid die Art ibn zu fetzen, unfcrn ganzen Uingang und Grad von Geckerey. Selbft die Bafenden wiirdcn oft unkenntlicb feyn, wenn iie nicht bandelten. Es wird niubr aus Kleidung, An* ftaud, Conipliment beym erften Befucb, und AufFuiiiung in der erften Viertelfiunde in ein Gelicht binein erkiart, ais die ganze iibrige Zeit aus denifelben wieder heraus. Reine W&fcbe und ein binpler Anzug bedeckenauch Z&ge des Gelichts.

So weit Licbtenberg, einer der fcbarfficb* tigften Menfclienbeobacbter und feinften Pa* tbognoinen) die Deutfchland aufauvcreifen bat. Man lefe nur feine Erkliirnngen der Hogarth* fchen Kupfer, oder feinen Orbis pictus fiir Schaiirpieler und Scbaufpieidichter, oder, was er nur immer, aufer ftrengwifTenfcbaftlicben Sacben , gefchrieben bat.

5 Bin

Digitized by Googie

Ein phyfiognomirchcs Werk von Peufchel^ welches oft angefuhrt, aber niemalils gelobt wird, ift mir nicht zu Gefichte gekommen.

Eben fo kenne ich die Phyfiognomik des Englanders FarfonSy (von dem in v. Murr’s Joiuual XI St. S. 3oi mehr zn findcu ift) nicht genauer. Engel in der Miniik fiihit Siellen daraus an, z. B. Th. I. S. 190.

Im Jahre 1772 kiindigte von Sonnenfels e\h Werk iiber Phyfiognomik an: ob es erfchie- nen iTt, habe ich bis jetzt noch nicht finden kbnnen.

Alie diefe Manner haben ubrigens in der Gefchichte der Phyfiognomik bey weitein nicht die Epoche gemacht, wie der be- ruhmte

Johann Cafpar Lavator.

Bcreits ini Jahre 1771 las Lavater in der Naturforfcheniien Gefellfchaft zii Zilnch einige Abliandlungen iiber Phyfiognomik vor, die anf Veranftaltung des beriihmten Zimmermann i IU Hatuioverjchen Magazln Februar 1772 ein* gcriickt und dann befonders abgcdruckt wur- den. Mit einein zwcyten Theile vennehrt

erfcliic»

Digitized by Google

17»

errchienen Ile unter dem The! : Fon der PAy- fiognomik. Leipzig bey Weidmanns Erben. 1772. in 8.

Bald bcy ibrer Erfcheinung fandcn fich Spotter gcnung, welche die ganze Idee ver* lachten, auch ernfte Ranfirichtery welche ihre Kichtigkeit aus Griinden erwiefen. Den meirten, obrohon nicht ganz unbedingten Ecyfall fand das Werk in der allgemeinen Deutfchen Biblioibck (Band xxiii. St. 2.

S. 3io. f.)» wo der Recenfent verfchiedene fehr trefliche Erinnerungen macht, wiewohl er an der Ausfubrbarkeit und Nutzlichkeit der ganzen Idee, unter gewillen Einfcbriln* kungen, keinesweges zweifelt.

Lavater giebt hier die erften Grundriffe fciner Idee, und im zweylen Stiicke insbe> fondre cincn ausAlhrlichcn Plan der ganzen phynognomifeben Wiffenfchaft, jedoch nur tabcllarifcb. Schon in diefem Werke hnden fich mehrere Puncte, auf welche die friihern Phyfiognomen gar nicht geachtet hatten, bc- merkt. Dahin gehort Manches in dem Ab- fchnitt : Wie die Phyfioguomik ftudirt wer-

den folle, befonders S. 4>- f»> der Abfchnitt fiber die Veriinderungen des Hinterhaupts

mit

Digitized by Googie

mit zunebmendcn Jahrea. die ganze Idee Ton der Phyfiognoinik der Knochen, die Be> merkung iiber die Lage des Nabeis gegen die Bruft, und iiber die PbyRognotnik der Scbla- fenden (S. iSy.)- Neu, aber freylich unaus* fiihrbar ift auch die Ide», aus den GeGnnun* gen, Handlungen oder Schriften eines nie gefebenen Mannes fein Geficht gleicbfani a priori zu errathen, die Lavater felbrt auf das Bild Cbrifti anzuwenden Terfuclile.

Endlich erfehien in den Jahren 1775 bis 1778 das grofsere VVerk:

Pliyfiognomifche Fragmente zur Be- forderung der Menfcbenkenntnirs und Menfchenliebe, von J, C. Lavater. Leip* zig und Winterthur bcy Weidmanns Erlien und Reich, und Steiner und Compag. Erfter Verfuch 1775. kl. Fol. nebft bS Kupfertafeln und vielen Vignetten.

Zweyter Verfuch 1776. mit loSRup* fertafeln und fehr vielen Vignetten. Dritter Verfuch 1777. Vierter 1778.

mit

Digitized by Googie

173

mit einer typbgrapbifchen Pracht^ womit da- mabls nocb kein deutfcbes Werk gedruckt war.

Obne tnicb uber den Styi und die Manier des V^erf. zu vprbreiten, wlll ich inich bloCi an den Inhalt des Werkes felbEt balten.

Lavaier hat feine Vorg&riger in der Haiipt* ! facbe verladen. Sern Princip ift Bcobachtung der Natur ^ mit Hillfe philoropbircher, pbyB* Icber und anatomifcber Kennlnide, und Tor allen des pbyliognomifchen Gefabis.

Die Phyfiogncmiik, ais Wirfenfcbaft, ift ibni die FUhigkeit , durch das Aeuferliche det Menfchen fein Inneres zu erkennen ; diefes Aeu« ferliche bedeutet die ganze Oberfldcke des Men~ fchen in Ruhe und Bewegung. Sie gnindet lich au/ die in der menfchlichen Natur zugleich lie^ gende Vollkommenheit und Unvollkommenheit, und die eioige, allgemeine Harmonie aller Theile des Korpers.

Die Muglicbkeit eines gewijjen Urlheils bber den Menfchen findet er in den feften Tbeilen, in dem KnochengebUude deffelben. „Man wird es bemerkt haben, fagt er (2ter VerL 143 fO dafs ich das Knbcbanfyftem filr

die

Digitized by Googie

174

die Gruntlzeiclmung des MenTchen den SchiideI fur das Fundainent des KnochenTy* ftemsy und alles Fleifch beynahe nur fiir das Colorit der Zcicbnung faalte; dafs ich auf die BercbafFenbeit I die Forin und Wolbuns des Scbiidels niehr achte, ais alie meine Vorganger; dafs ich diefen weit fefiern, we- niger verandeilicben lelchter bertimmba* ren Theil des menfchlichen Kiirpcrs fiir die Grundlage der Phyfiognomik angefehen wif- fen nuichte.** Aber wie nun diofer Sch^del gebaut werde, ob nicht eine 31e>ige Uuferer Umftande darauf Einflufs haben? dariiber treibt ficli L. iii allerley Unbeftlnruntheitcn umher. In einein Iblclicn Scbadel aber fieht er njcbls, ais /-)<;/rtge, d. h. phyfifche Reiz* barkeit und Kraft, nur Trieb zu wirken, /ich auszubreiten, zu leben, feine Exiftenz zu erweitern Stiirke und Sdr^Uche, und diefc ift aus der blojseii Farm , Proporfion, Hiirte ocier Weichheit mit der grfifsten Zuuerlaffigkeit zu erkennen. Z\v. Verf. i43.)

Die feften Theile aber find darum vorzug- lich wlchtig fiir den Phyfiognomen , „well dic Natur fic gab, d. t. weil Jie, nacb Maas-

gabe

Digitized by Googie

lyS

gabe der phyliTchen Reizbarkeit und Kraft, nach Maafgabe der Anlagen gebaut werden, und weil ZufalJ, oder Kiankheit, oder Schick- fal, oder niisgliickte Liebe die Theile

jTiisgebiJdet liaben konnen weil Verftellung niehi GewaTt iiber diefe hat weil man iti jcnen ficbrer fieht, was der Meiifcli wer- den und niclit werden, feyn und nicht feyn kann (VierU Verf. S. 27. u. 3g.) weil ficli oft zwifcben den fefien und vveichen Thei» len Widerfpriiche finden. (Dr. Verf. i38.)

Was die Zeichen betrift: fo nimnit er,

wie alie, Vorg3nger, einzelne Zeichen einzel- ner Eigenfcbarten an, und fetzt ebenfalls die Regelfeft: der Phyfiognomift folle nle aus

einem Zeichen entfcheidend urtheilen, ob er es gleich zu~>eilen kann. Seine KlafHfikation der Zeichen aber, auf die es, felner eigncn Aeu- ferung gemiifs, allein ankommt, dafs die Phyfiognoinik zur Wiffenfchaft werde (Erft. Verf. S. 5.3.), hat alie Wiingel und Unbe- ftimuitheiten der fruheru. Sie bezeichnen alie- entgegengefetzte Eigenfchaftcn , und diirfen allenur in der Vergleichung benulzt werden.

-Aufer dem beruft fich L. vornehmiich auX tias jihyfiognomifihe CefUhl^ wciches ihin in

einei

Digitized by Coogie

176

einer gewilfcn Beziebung auch grfunder Men» fc/ienoerftand hein>t, und in mehrern Erfchei- nungen lichtbar wird, z. B. darinn, dafs gewirTe Phyfioj:nomieen allgrjnein gefallen » dal^

I

jeder Menfch fiir gewiffe Geficbler elnen aus~ Jckliefsenden Sinn hat u. d.

Andre Puncte, worinn er mit den £rft* bern PhyTtognomen zuranimentiirt, lind: die Verbindung der moralifchen Sclibnheit und H&fslicbkeit init der kfirperlicben. (Erft. Verf. 63 u. 64O Vermengung der Pathogno-

mik mit Pbyfiognoinilc,

Der Geift des gefammten Werks ift reli- ^ids. Mit dem Steigen und Sinken des Chri- ftenthums^ fagt er feJbft, “'Jd finkt

phyfiognomifcher Sinn. (Viert. VerL 4^^*) nau genommen alfo fetzt er bey feiner Phy* fiognomilc felne individuelle Religion, eineArt Ton Wunderkraft, ais fubjeetlTe Bedingung ▼orans.

Diefs ift das Gerippe der LaTaterifchen Phyfiognoinik , wie ich folcbes tbeils aus dem Werke felbft, tbeils aber aus der vortrefli» cben RecenlioD deHelben in der Neuen BibL der fchdnen H'iJ]'. xx. B. i u. 2 Stuck 1778. 79.) ausgeboben habe.

Dat

Digitized by GoogI

>77

Das EigentliQmliche der Lavaterfchen Phy. jiognomik ift alfo i.fcine Theorie von Antagen.a. die Trenn ung der weichen Thei le Ton den / efteru

Gegen Nr. i. bemerkt der erwihme Ree. Tortrefiicb :

A. Wenn es im Menfchen zioeyeriey An- lagcn, gute und fJtUmme gieht: fo entfieht

die Frage: wo ift der Unterfcheidungspunct

beyder? wo f3ngt die einc an? wo h(irt die andre auf? Da diefs zu beftimmen nichc niuglicli ift, fo haben wir keine emfclicidcn. de Zeichen der guten und fcbliinnien An» lagen , und esbieibt allesindividtieil und relativ.

S. Diefe Anlagen enthalten nidits von Ver» Cchiedenbeit der Ceiftesfahigkeitetiy fondern nur von dem Guten und Schiimmen.

C. Diefe Anlagen enthalten nicht Alles, was den Menfchen intellcctualifch und mora- lifch beffer oder fchlechtcr machen kann, fondern das Meifte h&ngt, L. GeftandnilTe nach, Ton den innem laeidun Theilea ab.

D. Sollten diefe Anlagen entfcheiden, fo miiften nach L. eignen Idecn alie duinins Vdlker einen ganz andern Knochcnbau ha- ben, ais die Europiiifchen, oder, wenn das nicht, fo inQften die letztern den erfiem an Oummhcit gleich feyn.

8 Xtiick. M

Digitized by Googie

lyS

£, In den feften Tlieilen. und namemlich im Schadei, nmfs mehr ais Anlage, mufs auch die Anutendung zu fehen feyii, (wie L. lelbli rtilirdiweigend annimmt.) Die Seele baiit nacli IVlaasgabe ihrer Ausblldung. Dicfe Ausbildung nimiut zuf die Seele baut alfo immer fort, und auch hievon niUrsten irn Scbidel Zcichen feyn.

Mithin ift die gauze Theorie unvollfiitndig, unbertimmt und nnrichtig.

Gegcn Nr, 2. erinnert der Rec. vornehm- lich folgendes :

A. Die Wirkungcn der inncrn weichen Theile find in den aufern weichen Theilen iiclitbar, gehbren alfo nothwendig zur Er- kenntnifs des Menlchcu.

B. Die weichen Thelle gehSren zuder aUge- meinen Harmonie des menfchlichen Kurpers,

C. Lavater felbft bedient fich ihrer bey feinen phyriognomifchen Urtheilen.

D. Ueberhauptaber giebtes keinMaas, um die Vollkoininenlieit oder Unvollkommenheit diefer fefien Theile zu beftinamen.

Ucber die Idee einer allgemeinen Harmo- nie und deren Ueberfehbarkeit macht er fol- gende Eemerkungen :

4. Diefer Idee gem&fs gieht es nicbt eia-

zelne

Digitized by Google

179

z^lne Zeicben einzelner Eigenfchaften : Alles muls von Einem zeugen: alJeTlieile, und die Gaazen miiffen fich in allen Theilen gleicfi feyn.

B. Die Begriffe Witz, Unwitz, Tugend,

Lafter u. f. w. find relativ: m thin whrden

zwey Menfchen aus EineHey Zeichen Iniiner etwas VerTchledenes lefen, und wer hiiite reoht gelefen?

C. Eben diefe intellectiicllen und morali* fchcn Eigenfchaften aber fmd niclit fo fcharf abgefundert, dafs man jede einzein icfen kdnnte.

Lavatcr hat aifo theils diefe ganze Idee nicht richtig dargeftellt, theiJs nicht daran gedaeht, dafs eine folche Harmonie fiir uns nicht iiberfebbar feyn kiinne.

Das Refultat aus allen diefen Betrachtun* gen , (die man nicht ohne Nutzen und Ver- gniigcn in der treHichen Darftellung des Ree. felbft nachlefen wird) ift denn naturiicb kein andres» ais: daft die Fhyfiognomik durch Lavnters Bemiihungen liieder fchon zur fViffen^ fchaft er/ioben, noch aiich zu diefer Wurde zube- reitet zaorden fcy *). Von dem anderweitigen

M 2 grof-

Gegen die Phyfif^gnomik ali WiirenfLhaft fchrieb

aucU Funk ein Piogiamm Lipf, 1776. 4.

Digitized by Google

i8o

grofsfn Nutzen fciner nemOhungen ift hier nicht der Ort, uinft&ndiich 7u handcin *)

Es war um'ermeidlicb, dafs diefer und andere Beartheiler der Lavaterfchen Frag- mento ficb nicbt aucb bin und wieder Qber die rhyfiognomik iiberhaitpt ausIielTen. Icb will mich indeffen bey diefen gelegenllicben Aeu- ferungen nicbt aufbalten, um nocb einigo Augenblicke bey der fcbStzbaren Abbandlung von Lichtcnberg verweiJen zu kdnnen« die zuerft im Tafcbcnbucbe 1778, und dann unter dem Titel erfchien:

Ucber Pbyfiognomik; wider die Pliyfiognomen. Zu Befdrderungder Men» fcberilielie und Meiifchenkenntnirs.

Abr loorking isjith the Eye v.ithout thm

Ear,

And, but in purged Judgment, trufting

neihter.

Shaketp.

Zweytc verm. Aufl. G6tt. 1778.

Einen

r.ijfu fi> ubergebe ich atich eine Menge lleinat tlrU^niatorifcbcc Abhindlungen cur Aupreifung uei I .. Pliyliognoioik, c. B, im ttut/chm Nl«r^

hf.r n. .1,

Digitized by Googie

i8i

Einen Auszug daraus zu geben , falk mir obnmuglich: eine Licbtenbergifche Schrift

mdchte man lieber Wort fur Wort aiisfchrel- ben. Zudem ift Ae ja wolil aucb geniinp; <>e- kannt. AIfo niclits, ais etwas aus den Sie!» len, worinn Lichtenberg felbft die HaiipiAl- tze kurz zurdinmenfarst :

1. Obgleicb objective Lesbarkeit von Alieni in Allem iiberall Stati Anden inag, fo ift fie es deswegen mcht fiir uns, die wir fo wenig vom Ganzen uberfeiien, dafs wir felbri die AbAcht unfers Korpers mir zuia Theil kennen.

2. Der Menfcli ift ein freyes Wefea: und kann Acb Sndein.

3. Die Form der feften und bewegliclien Theile h^ngt aucb von Sufcrn Umftindcn ab, die gemciniglicb gefcbwinder und krSftiger wirken, ais die innern. Man denUe an den EinAufs einer Verzerrung, einer Zabnliicke, eincs Krampfs.

4* Wir tragen die Gefialt der durch Ge» mQtbsbewegungen entftandcnen Verinderun- gen des GeAcbts auf rubende GeAchter falfcb* lich iiber.

Selbft den dauernden Spuren ebemali' gen patfaognomifchen Ausdrucks auf dem Ge-

M 3 Rchre

Digitized by Google

i82

fichte, ift nur in den F^llen zu tranen, wo fie iiberaus ftark find, und mit andern Kenn- zelchen, die eben das weifen, zufammentref- fen. Oft Hnd fie durch audere Urfachcn ent* ftanden. Oft find uberhaupt gewilTe Neigun- gen nicht auffallend genung, oft die fchlim- inen den guten abniich gezeicbnet

6. Die Scbdnbeit, die wir der Tugend*

die Hafslicbkeit, die wir dem Lafter in Ge* mablden und in Gedanken geben, komnpt nicbt Ton einer durch Indiiction erkannten notbwendigen Verbindung diefer EigenfcbaF> ten her, fondern von dem allgemeinen WohI- gefallen und Mifsfallen, welcbes wir bey jencr und diefer empHnden : und auch bier

foilten wir uns nicbt gradehin an folche Dar* ftellungen halten.

7. Die Schfinheit, weJcfae die Tugend, und die Hafslichkeit, welcbe das Lafter giebt| ift nicbt die phyTifcbe und Kunftidealifche.

8. Talent und uberhaupt die Gaben de< Geiftes habeii keine Zeieben in den feften Tbeilen des Kopfs. Aus der Form der Kno- chen lafst (ich noch weniger fchlieffen. Ein gefchickier Kunftler konnte um jedeti Tod- tenkopf eine ibm beliebige Hiille Ton Mus*

keih

Digitized by Googie

i83

Iteln und Haut aus Wachs fchlagen, and ihr Eindtucke gcbeni welcbe er wollte.

Was die Pbyfiognomik Wabres bat, komtm von den Spuren, die von wiikenden Leiden* rchaften zuruckblelben. Aber aucb diefes ift, wie die Erfabrung taglicb lebrt, aufer fi triig- licb.

Larater felbft antnrortete auf dicfe luftan' len im vierten Tbeile der pbyfioguotnifclien Fragmente, und andre fciner Vcrebrer uber* nabmen das Gefcbiift, elnzelne Eiinnerun- gen Licbtenbergs za widerlegen , (z. B. ein

Anonyin im Deutfchen Mufeum 1778 Mirz S. 193.) Aber die Zeit bat es geJebrt, dafs jener und diefe der Pbyfiognomik daniit kei- nen erbeblicben Dienft leilleten. Auf Licb* i tenbergs Seite ftand eine gefunde Pbilofophit*, geftiitzt auf Pbyfiologie und Erfabrung: auf der entgegengefetzten brennender Enihufias- mus fiir eine neue Idee, die die Cinbildungs- kraft erfiillte uiid fortrifs. Laraters Stirnmef* fer, fammt friner inaibematifchen Demon* ftration, ift nicbt, erfchienen, und die Strei* tigkeit ift vergcffen.

Wie fchnell iibrigens die Lavaieifcben Ideen fowohl, ais deffen Spracbe in Scbrif- ten und in das gemeine Leben iibergiengen,

M kann

Digitized by Google

i84

kann raanieicht denken. Icherinnere nur jqi Vorbeygehen an Saminliingen , wie das phy- fiogiiomifche Kabinet fur Freuitcle und Schuler der Menfchenkenatnifs, Miinfter feit 1776» an Schreibereyen, wie die Silkouetten edler Deut- fchetiy an phyHognomiTcbe Romane, wie Her~ mann Simmen^ an Schaufpiele, wie der Phy- fiognomiftj an Tafchenbuchcr , wie das Ton 81 1 an tliierifcbe Pbybognoniiken, wie die Phyf. der Pferde Frf. 1778., an Ausziige, wie der Ton Aembruftery an phynognomircbe Spiele und dergleicben Sacben, fur die in der Aiig. Deutfcb. Bibi, fogar ein befondrer Artikel ein« gericbtet werden mufte.

Allgemein bekannt und gelefen find die Phyfiognoinijchen Reifea von Muflus, feit 1778. Auferdem eiinnere uian ficb an die Biogia- pbien aus jener Zeit, die auf allen Seiten vpn Pbyfiognomik wimmclten, z. B. Crainers Klopftock.

Dlefs alles wi^d ein kiinftiger Gefcblcht* fcbreiber der deutfcben Literatur des acht* zebnten Jabrbunderts anzufiihren baben: und bis auf cin folcbes Werk konnen die Regl- fter unfrer gelchrten Journale jedem Wifsbe- gierigen ausbelfen.

Pby.

Digitized by Coogie

i85

Phyliognomifche Ideen, angewandt auf bildende Kunft, fiudan iich in Herders

Plaftilc, EiNlge Wahrnabmungen fiber Form und Gefialt, aus Pygina* lions bildendem Traume 1778. befonders von S. 67 an.

Uriabhttngig von PhyRognomik, aber mit ibr verwandt iTt die Idee, welcbe £ngel zu bearbeiten angefatigen bat,

Idccn zu einer Mimik, von I. I, Engel. Erfter Tbeil, Beriio 1780. Zw. Th. 1786.

ein Werk, bey welchem niclits zu wunfcben filirig bleibt, ais dcHen Vollendung. Meb* rere Werke fiber Scbaufpielkunft, Darfiel* lung der Lcidenfcbaftcn , ti. d. Hebe in Sui- Zfts 'riicorie Art. Vortrag, Anftasid ,Cebehrde.

Aucb die Camperfehen Sebriften veidienen i.rwiihaiingt

P. Camper fiber den Ausdriick der Leidenrcbaften durcb die GeHcbtszfige, fiber die Aebnlicbkeit iin Bau des 31enfcben u. f. w. fiberf. von Sebatz.

neJT- uber den naturlicben Unter» febied der GeEcbtszfige in Menfeben verfchiedner Gegenden und verfchied* nen Alters u. f. w.

M 5 Ver.

Digitized by Googie

i86

Vergi. letztern Idee

Herdcrs Ideen zur Philofophie der Gefchlchte der Metifabheit. i und a Th.

iur erftern vornehmlicb,

Charis, von Hamdohr.

In Watelets mid Levesijue'i Aerthetifchern WOrterbuch, bearbeitet von Heydenrctch^ ift der Phyfiognomik eben nicht das Wort ge* cedet.

Zuletzt mufs ich noch einlger Verfiicbe von J. C. A. Grohmann erwShnen , die Pby- fiognomik wieder in Anregang zu bringen.

Eine Vnterfuchung der Moglichkeit e/* ner Ckaracterzeicknung aus der Hand' fchrifty in Moritzens Magazin 9 B. 3 St,

s. 34 f.

Der Verf. Ufst ficb von feiner Idee ganz hinreilTen, und Rndet in der Handfchrift, einer fcUr zur&Uigen Sacbe, fehr fichre Kenn- zeichen.

DelTelben Ideen tu einer pky/iogno^ mifchen Anthropologie. Leipzig 179^*

Wieder eine Temperamentslehre, und ronTt vieles, was ficb gut liefc, aber fchwer glauben und in der Wirklichkeit beft^aigen Befonders fcheint der Verf., aufer La-

vaters

Digitized by Coogie

i87

▼aters Phyiiognomik, Heiders Flaftik vor Augen gehabt zu haben.

Jabrhunclerte haben Jicb Pbilorophen und Phyfiker beinuht, die Phyfiognomik zu ei- ner Wiffenfchaft zu erhebcn : haben Erfah-

rung, Phyliologie, Mathematik, Gefrirne und Thiere, Ahndungen und Gefuhle, SchluITe und Hypotbefeh ailer Art zu Hiilfe genom- men, haben gemelTen und gerechnei. ge- rchloITen und gefchwarmt, und find dennoch nicht zu ihrein Ziele gelangt, fo vici fie anch nebenber bey ibren Bemuhungen Nutzcn ftif- teten.

Wie vielerTey Betrachfungen liefTeD fich uber diefe Erfcbeinung darftcllcn !

Ais SokrateSf wie man erz;ihli, den Wunfch &ufertet die Gotthcit mbchte jedein Menfcben eine Oefnung an der Bruft gegeben haben, damit man feine GedanUen ohne Muhe fehen kiinme, dacbte er gewift; niuht an die Uebcl, die eine folche Einrlchtung init fich fiihren wurde. Die ewlge Vorfohung wufste es belTer. Mit allen Bemuhungen der Den* ker haben wir ihr das Geheimnirs nicht ab* gctroizt, welches fie allein befitzt, ficher und geuau zu feben, was iin MenTchen ift.

Digitized by Coogie

188

*) Alfo Dii, der du gliubfr, die Seele fcfiafTe ihren K6rper, horcbe vielniefar auf das, was He dlr anf einem andern Wege, ais dem ihres GercbOpfes ofTenbart: h alte d en fiir weife, cler weife handeit, und den fur rechtrchafTen, der RecUtrchaHenheit ubt, und laGi dlch nicht durch die Unregelmlif^gl^eit in der Oberflilcho irren, die in einen Plan gehort, den du nicht uberfiehert, in den Plan desjenigen, nach delTen Vorfchrift wenigfteiu die Sede iliren K6rper bauen inufte, wenn fie ihn gebaut bau l\ede, fagte Sokrates zum Charmides, damit ich dich fclie: und, an

ihren Fruchten follt ihr fie erkennenl ftclit in einem Buche^ das wenig mehr gelefen wird, und in einer Rede zweymahi hiuter cinander, von welcher gleichvirohb jedes Wort vor Gott gewogen ift*

*) r.ichtenberg S. 48,

SPI*

Digitized by Googie

SPICILEGIUM OBSERVATIONUM

I M

PARMENIDIS FRAGMENTA.

Digitized by Coogie

SPICILEGIUM OBSERVATIONUM

I N

PARMENIDIS FRAGMENTA.

(▼Id. D&ytrJge zur Gefcb, der Phil, Tom. VI.)

V. 1. 3.

Occurrant rtatim in ipfa Fragmenti fronte nonnulla, in quibus librarii veram lectionem obliterarunt ; alia, quae a futuro editore non iiegligenda funt. Poft'iTToi comma ponendum. Celerum ita et ini. ▼. 2 5. rat «t (fitfov'

en. Tum tVfly non elTc potefl quo, fed po- tius quantum, quantopere. Sciibendura autem ««» y Irl non t’ It), fenfu jubente, quum Ti non habeat, quo referatur. At eft aliud quidquam in Hne primi verius, quod me gra- vius offendat. Nimirum non video, quis fen- fus fanus efficiatur ex verbis ev«» y’ M S»-

Digitized by Googie

»92

flic Loquendi quidem ufus fert Sxtt,

f>»»»* <iuid 5vitbv Uivti Tei Tfufcf, p»i aliaque lu vel ilc;»» (quod abuode

probavit Falkenaer, ad Eurip. PboenifL p. 464.) Sed abhorret a graeco fermone Svftit /■iMi. Itaque reponendum videtur

ffgn y' iv) icvmyti^

Quod quum per compendium fcriptum re* periret librarius «.•(, facile inde hUkvgi poterat exfculpere. Favet omnino coniecturae meae «los dicendi poeticus, et quidem is, quem, quantum ex discerptis membris iudicare licet, nec ifti pbilofophi fuum facere dubitarunt, Homericus nempe, iivc: omnino Jonicus, quem Homerus non primus omnium excogitavit, fed excultum magis atque efTormatum exemplo* que fuo illurtratum ita commendavit, ut in eo per multa fecula poetarum oratio actjui* efceret» k»uyu fu*, aCrit, lu, r, ammus

jhbett hortatur, (jnens agitat ut Virg. Aen. IX. 187.) centenis locis apud Homerum fre* quentatur. Ut paucis in nota re defungamur, vide II. T, 102. f, 179. x> ’42- Odyff.

246. 0, 394* inprimis huc facit II. <J,

439. ubi Cne cafu pofitum «Jrfiv 3vftd( huJygi. wtfiTir tiucebff”^ me. Vide ut PhilofophuS

poeta

Digitized by Googie

- ts3

poeta Homerum *«t4 «reJa fequatur, qui ae- que, etfi fenfu nonnihil diverfo, Odyff. *•, 8i. xflt^m i* Kzitii fth xfaJ/if Sv^it n

cf. 4), 342. ?, 517. e, 338. Ifta, quae ver- fu tertio de Dea praedicamur, tutpiter com- maculata, Vir doctus (Heynius) in Nov. liter. Cottinr;. Sch. II. a. 1796. fic emendari voluit: n narit Ttirr' «vtkv f.

lustra.

Quem emendandi cocatuin parum mihi placere, non iniitior. Ut enim vocem praeteream , quae auctoritatem habet nullam, non ea addicit Sexti interpretationi, A<yoc winirau rgSirev i>r) n)y eS^ytt yvS-

fiv, in quibus nullum hujus lectionis vefti* gium apparet. Difficile cft In tantis tenel>ris difpicere. Sed, donec meliora proferamur, *IJcT« malim tenere, quanquam paulo info- lenlius dictum de feiendi cupido. His praemif- fis Fragmenti initium hocce habebimus :

*!»»«<■, ral fif (pfgevtiv, Saav y <»)

ivi!-} 01

ntprfVj It») fi i( etiy p.y.eav ireAi>4iv/««v i-

yovsai

kaftu*9( > V nmrk xivr Sirtt» ^igtt ttSira

^6ra.

8. N .lam

Digitized by Google

‘94

Jam fentcntla fatis luculenta baec prodit: Equi, quibat ad vehendum utebar, quantum animus jubebat li. e. curfu veluciflimo ducebant me, ingrejji viam inclytam deae.

V. 6. *A{«y J' Iv hirit*

Ita hic verfus exprimendus erat, ut la> cuna ftatim appareret. Ex iis vero, quae ad* buc fuper mutilo hoc v* tentata funt , nihil eft, quod adrenfum extorqueat. Nunc au* tem adblanditur quam V. D. Gottingeiilis ex* promfit emendationem

*A5«» l' h xyc/|if < eifeyyot i w‘ «J«v burti. Faucum fanabat ^ crepabat. Scilicet refpe* xit, ni fallor, Homer. II, n, 160. f

aiie* kCrtut. v, 44*' autiv cf.

ibid. V. 4°9' omnino quae Heynius monuit ad Virg. Georg. 1 , 357. Mox 3narede k^kAsvc dicit rotas tornatas, circularet ^ Ttrofxv* ftiyecf f. rofriureug , Ut Etymol. M. exponit in Aiy«re7ei Xixteei» cf. Bentlej, ad Horat. A. P. 44i' inpiimis Heynii Sammluug antiquar. Auf- Ettze P. II. p. 14^ fq*

V. 8 10. Srf m(X»toT» aiftwti*

'llAikiii Kaufat »foAiTcvea$ tuitarm yvKrif,

£<C uekjuyai nfurtfSy ia* xrff) ««A^a^rfac.

Nihn

Digitized by Googie

Nihil fatis firmi video, quippini hiftmrm Nvrrdc proprie accipiantur de palatio Noctis, quum omnia ad phantafma comparata fint. In reliquis aliquantulum turbatum. $}- ^&eje cohaeret cum xfftrti*. Sextus quum ie&ittvcu tlc iunctum explicaret /e proripientes in lu- «<r/7i, videre velim, quo xaAi^rfa; referret, ita verbo fuo privatum. At aperte

depravata verba. Si nfesrsfctii cum Herveto et V. P. Gotting. refingas, mire languent manus

virginum; non enim robore opus ad velamen a genis retrahendum. Vide an poeta rcripferit: B2( ^a«c jltAptsut Mg uro «a*

A6xTgaQ>

Itaque virgines Heliades, linquentes palatia Nocfisy properabant ducere poetam ad lucem, manibus rejecto a temporibus velamine,

V. IX. 12. Habent lii vv. quibus le* gentem morentur, quum de vera poetae ratione , quam mente conceptam habuit, quaeras. Prodeunt Heliades Noctis pa* latio, ubi porta eft Noctis et Lucis, per quam alternis vicibus Nox et Lux procedunt. Unum eandemqne portam clarius defignat alter verfus. iz*> iljuftrari potefit Homer. O-

dyfr. y, 486. *, 184* Txxei ^uyio Sx,nrttx

N 2

x— 196

jugum habentes utrimque teroici impqfitum. AU* oquin biiqiic Ix*** paulo fecus adhibetur. Vi* detur omnino poetae ea rei fpecies obrerfata- cffe, quam He^odus objecit in Theogon. 747 fq.

V. 17 20. Callide verfionig germani* cae licentia occultat loci dilUcultatei», quas ambigua verborum junctura creat. Obice re* moto r«) ii non Houfuty fed nCJuut quod co* git «vMvri/xiVM apertae, fe aperientes. Reliqua ornatus caufa adjecta, «|evar; v«avx* sUif^eai leptipiiiv, de Ipfo curru, cuius in hoc nexu nullus p'anc locus elTe poteft, neutiquatn intelligenda, fed a curru ad januam translata : verfantes per vices (ut valvae alternatim pate- bant^ axes, clavis et Jibulis vinctas. Res cla* rior fit cx ratione januarum apud vetcre^, quam lingulari libello explanavit Sagittarius.

V. 24* 26. A HoHf iSaviroiei euvbof»; nui-

Xsiei

, ral et ^((oueiv , ittittn ^pirtfe* St. Non una res eft in his vv. quae interpre- ti negotium racefTat. Si jungantur vwaof»: SeStr virciei, non video quid fit diis focius\ fi evt.

ieeoit relinquitur fi’’^ TenTu ; fi

eu afjof iirxsii bHav. inauditus plane vo*

caljulorum ufus, ne de cupula perperam o*

miffa

Digitized by Googie

»97

miffa dicam. Itaque haeret aqua, quoeunque nos convertamus. Obrcuritatem tamen non tam librariis, quam ipG pbilofopbo imputan* da in puto, cujus verfus minus bonos iam CI> cero notavit Acad. Quaeft.IV, a3. et erixt* nQilat Plutarchus vituperio non eximendam pu* tavit de Audit, p. 147* T. VII. ed. Hutt. (lo- co admodum notabili) quae judicia tantum abeft ut folos numeros duriores tangant, ut potius de poetae oratione afpera et dictiqne parum concinne juncta orrminoque ambigua ct obfcura accipienda effe pateat. Iam omni- bus fentatis placet hanc rationem, quamvis du iufculain, fequi: J «ai/ft, icSavircivi,

iTtxcif Udvtiv, o fili ^ diis fodatis, e(/uis

frriio flexis domum noftram ingrediens. Item.

V. 29. novum pro veritatis adyta,

non tnera pciiphrafis. Saltem paulo longius abludunt ab Hoc exempla a clarilH editore adiata.

V. 32. 9' t!9«{ traA^rf<f«y iiiv nicrit

rt{d$

Aut xo\£rii(ee junge, aut «r«A^tr«r

foc erit via multis tentata, Iam y. 34* proba- verim omnino Laei lianum vtAvl>>e<» ^Ai do- ctrinam coutentiofam, de qua multorum funt

N 3 dif-

r

Digitized by Googie

198

dlff.-nfus; ne intra paucos verfus eadem rex dircrfo fignificatu inculcaretur, (nam xoAi!rtifo( aliter interpretanda effet ac, quod antea fuit , ttdt wtAur.) tametii in Parmenidis veriibus minus bonis ejusmodi repetitionem inelegantem non adeo indigne feram.

V. 37* 38. EI i’ ayt , tSI» ieim KOfiltmi ii

I itv5ev kiu^tatf

a7x$( I}«) fieSfai glr) ittSftst

Sic priorem verfum interpunge fodes. At malim legere

KOitltmt ffd iiuCeac,

Ut fit Homerica oratio i' fi&AAte rjf«

aiy. Alter verfus videtur meliores Codices ex* fpectare. Inaudita enim vox fteJae;, qua ver* fus inquinatus eft.

V. 1 27 feqq. Adfurgit poeta pauloque ma- jorem anquirit ornatum, ut nudam cityaisy, per fe tenuem et nimis pedefirem, magis ad poefeos indolem efferat. Sol >uiSa*li Aourlit #• «i'tA/010 magnifice dicitur, et notum ex poetis Komanis, lampadem de Solis fulgore ufurpari. Ceterum tiwyie illuftrat lo. Toup. £mendd. in Suid. P. III. p. Soq. ed. LipC et perinde eft mox v. i3o. k^kAmiJ' de Lunae orbe, quod quomodo nitida, fpUndida ex- plica*

Digitized by Googie

199

plicari queat, prorfus non intelligo. Mox X. i32. iwfinvn Homericum, 11.

118. (, 18. quo fundo fuperftructa funt Kif« nuper tam egregie dilucidata

a Jacobjioy Viro amicifRmo, Exercitt. in Script. vet. T. I. p. 97 fp.

V. »34* l35. 'AaV «t» xa)

T^atf »vKA«Tff))C, J/vp Alter verius fub En: peduclis nomine adfer- lur apud Marcum Auton, XII, 3. vide de eo criticam disputationem Bentleji ad Horat. Serui. II, 7, 86. quod latuit Heerenium, nuperum Jo Stobenjis editorem, quem omnino in liis Par.nenidis vv. conftituendis et Saiinafti pi ac- clara emendatione dijudicanda invitis, quoJ ajunt, iVlufis veiTatum effe, doienduiu eii. Salmqfius fcilicet, fummus Vii , ad Sulinum p. 97. emendaverat verfum, in Codd. et apud Cauterum vilioliflimc lectum, hunc in muduin: KUKAertf^t , ihf xtfniyti yaiu:. Palmaria prolecto emendatio, quam non ca- lumniatus eflet Vir celeber t imus , Ii modo Antunini memor fuilTet, quo ea unice uililur. e^u'^9i xbxAvrffilc recle. Sic Empedocles et Par- UiCnides JVlundum, indeque translata notione

N 4 Siuiri

Digitized by Googie

Stoici Sapientem totam teretem atque rotun* dum, appellarunt, vid. Mare, Anton. VIK, 41. et Bentlej. 1. ]. ymiat non typographi error, ut pronuntiat Heerenius, fed feriptura unice vet a et manus poetae pro altera quam ut

merum gloireiua ejicere debuilTet Vir doctif* Smus. Quis enim verbum ya/m non novit ex Homero, quod exponunt gloffograpbi ?

TANTUM.

Scilpt.

monf. J«n. 1797.

C<7f. t'i\ Heinrich.

Digitized by Googie

RETURN CIRCULATION DEPARTMENT

TO»^ 202 Moin Library

LOAN PERIOD 1

HOME USE

2

3

4

5

6

AU ROOKS MAY BE RECAUEO AFTEI 7 OAYS

NCCHAMGES MAV DF. made 4 DAYS PRIOR TO DDE DATE LOAN PERIOOS AA£ I-mONTh 3-MONIhS ANO l-VEA^ TO OUE OATE.

aiMElMAl,», CAhh IMij »t »|W9 *■

DUE AS STAMPED BELOW

UNIVERSITY OF CALIFORNIA, BERKELEY FORAA NO. DD6, 60m, 1 /03 BERKELEY, CA 94720

(»»

Digitized by Googie

Digitized by Googie