BWAKUKÄHA FAHRTEN UNO FOßSCHUNOfN HIT BÜCHSE UND FILM IM UNBEKANNTEN AFRIKA VOM HAM$ JCHOt^BU/tüK p i y T s c u i I TgnAmitCHii I M s T I T yr ataitm pliui A. MoL?.i. Ildiiibur^. BWAKUKAMA FAHRTEN UND FORSCHUNGEN MIT BÜCHSE UND FILM IM UNBEKANNTEN AFRIKA VON HANS SCHOMBURGK MIT ZWEI FAKSIMILES ZWEI KARTEN BEI LAGEN HUNDERT ORIGINALAUFNAHMEN DES VERFASSERS DEN EINBAND ZEICHNETE JUPP WIERTZ FÜNFTE AUFLAGE DEUTSCH LITERARISCHES INSTITUT, BERLIN W 55 Alle Rechte, auch das der Ueberse^ung, vorbehalten. Copyright 1922 by Deutsch Literarisches Institut, Beriin. Meiner Frau, der mutigen Afrikanerin, die als erste weiße Frau unser Togo durchiquerte, widme ich in Liebe dieses Werk. \ni\> VORWORT Der Krieg ist Schuld daran, dalJ dies Werk erst je^t er- sclieint, denn weder als Offizier im Felde noch später in der Heimat hatte ich Lust, die Arbeit zu vollenden. Zu nichtig erschienen mir alle Erlebnisse in Afrika gegen das, was wir im Kriege täglich vor Augen sahen. Erst vor einem Jahre begann ich wieder, den Bitten großer Zeitschriften folgend, über meine Erlebnisse zu schreiben. Mein Verleger weiß, welche Mühe es gekostet hat, mich zur Vollendung des vorliegenden Werkes zu bewegen. Sechzehn Jahre habe ich Afrika bereist. Im Jahre 1898 betrat ich als Siebzehnjähriger zum ersten Male afrikanischen Boden. Ich taugte nicht für die Heimat. Das Blut meiner Forscher- Ahnen war zu mächtig in mir. Voller Abenteuerlust zog ich hinaus und bin trotjdem nicht in Afrika gescheitert. Zweimal durchquerte ich den dunklen Erdteil. Durch- streifte in jungen Jahren als Reiter der Natal Police Zululand und Natal. Der Burenkrieg lehrte mich Transvaal kennen und den damaligen Oranjefreistaat. Ich besuchte Deutsch- Südwest, kam durch die Kapkolonie und Rhodesia, nach den Viktoriafällen, von dort aus zu Fuß nach Angola und dann quer durch Afrika nach Dares-Saläm. 8 VORWORT Ich sprach von meinen Forscherahnen. Mein Großonkel, der Forschungsreisende Sir Robert Hermann Schomburgk, erforsdite 1855 — 1859 für die Geographische Geseilschaft London und 1840— 1844 im Auftrage der britischen Regierung Brit.-Guayana, Die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forschungen legte er in einem großen englischen Werke (1840) nieder, sein Bruder Otto übertrug es ins Deutsche (1841) und A. von Humboldt gab ein Geleitwort dazu. 1848 wurde er zum Konsul und Geschäftsträger bei der Republik Santo - Domingo ernannt, wo er 1850 einen wichtigen englischen Handelsvertrag abschloß, und 1857 als Generalkonsul für Slam nach Bangkok verseht. Seine drei Brüder — Otto, Theologe und Natur- wissenschaftler, Mori(? Richard, Botaniker und Julius, der jüngste — und vor allem er selbst trugen das Wander- und Forscherblut in ihren Adern. Und manchmal ist es mir, als habe in das Neue, Unbekannte mir mein Vorfahre diesen Trieb aus der Vergangenheit hinübergereicht wie ein Licht, das der Ahn dem Enkel reicht. Dreizehn Jahre hatte ich Afrika bereist, als idi das erste Mal in Liberia landete. In manches Gebiet bin ich als erster Europäer eingedrungen. In Urwald und Steppe habe ich das Wild belauscht, lernte die Zeichen der Wildnis lesen wie ein offenes Buch. Auch die Menschen lernte ich kennen, die das Land bevölkern. Ich kenne noch den Zulukrieger der alten Zeit, der stolz daherschritt im Schmuck seiner Waffen. Mit den Induna (alte Krieger), die noch unter Cctewayo kämpften, habe ich am Feuer gesessen. Heute sind sie ver- schwunden, Opfer der Kultur. Was blieb, traurige Gestalten in europäischem Tand. Wie mögt ihr heute aussehen, ihr VORWORT 5» schlanken Inf ombitjungc Mädchen), die ihr nur einen schmalen Gürtel aus Perlen trugt und doch keusch und sittsam wäret. Deutsch-Südwest-Afrika lernte ich noch vor dem Auf- stand (1901) kennen, wai aber nur kurze Zeit dort. So ist das Land mir verhältnismäßig fremd geblieben. Ich kannte euch noch, ihr Mashukulumbwc am Kafuc- fluß (Nordwest-Rhodesia) im Schmucke eurer hohen Haar- frisuren. Gänzlich unbekleidet kamt ihr daher, tapfere Krieger, aber gegen die Hinterlader der Europäer wäret auch ihr machtlos. Eure Haartracht meterhoch. Die Haare eurer Frauen flochtet ihr ein. Nachts beim Schlaf mußtet ihr die Spitze des meterhohen Kopfschmuckes an einem Querstab der Hüttenwand hochbinden. Sie waren euer ganzer Stolz, und mußten fallen. Die Kultur verlangte es. Mit einer meter- hohen Haarfrisur lassen sich keine Lasten tragen; doch tragen mußtet ihr, so gebot es das Gesetz eurer weißen Herren. Es war gut für euch, denn ihr wilden Krieger wurdet fleißige Arbeiter und Ackerbauer. Doch ist es auch wieder schade. Ein Mashukulumbwi, der von der Arbeit in einer Mine in Hosen, mit einem zerbeulten Hut zurück- kehrt, ist wirklich kein schöner Anblick. Ihr Walunda, nahe der ZambesiqucUe, die ihr mir viel Aerger und Verdruß bereitet habt, ich denke gern an euch, denn ihr wäret freie Männer, die sich dem Chindele (Weißen), dem Eindringling in euer Land, nicht fügen wollten. Es war schwer, euer verschlossenes Herz zu finden, eure ge- heimnisvollen Sitten kennen zu lernen. Wir wurden Freunde, wenn ich auch manchmal glaube, daß ihr froh wäret, als ich euer Land verließ. Noch manche Stämme lernte ich kennen, Waushi, Wakahonde, Barotse, Batoka, Wayauo 10 VORV/ORT Wangoni und viele, viele andere. Euch, Awemba, die ihr die verwegensten Elcfanfenjäger stellt, die ihr mich treu begleitet habt von eurer fernen Heimat am Bangweolosec bis an das große Wasser bei Dares-Saläm, liebe ich noch heute. Mit vielen Stämmen aus deutschen Kolonien kam ich in Berührung; aber über sie brauche ich nicht zu schreiben, berufenere Federn haben sie der Welt bekannt gemacht. Es war nicht der Mangel, sondern die Fülle des Er- lebten und Gesehenen, die das Schreiben dieses Buches erschwerte. Viel ist bereits über Afrika geschrieben worden, und darum habe ich versucht, in diesen Blättern alles nach Möglichkeit fortzulassen, was schon von anderen Forschern behandelt wurde. Ueber Liberia habe ich mich ausführlicher ausgelassen, da ich glaube, daß fast alles, was ich dort sah und erlebte, noch gänzlich unbekannt ist. Mein Buch ist das erste Reisewerk eines Deutschen über Liberia. Außer dem Werk des holländ. Professors Dr. Büttikofer, welches in den achtziger Jahren erschien, sind die wenigen anderen Bücher nur eine Zusammenstellung gesammelter Informa- tionen und rein wissenschaftliche Bearbeitungen der bisher bekannten Fauna, Flora und Sprachen. Da nun diese Werke jedem Wissenschaftler zur Verfügung stehen, erübrigte es sich, näher darauf einzugehen. Der zweite Teil, „Afrikanische Blätter", ist rein auf Unterhaltung eingestellt. Ich habe hier Erlebtes und Er- lauschtes sowie die interessantesten, spannendsten Jagd- abenteuermeinerAfrika-Zeitin kleinen Geschichtenzusammen- gestellt. Vielen habe ich zu danken, daß dieses Buch überhaupt zustande gekommen ist. An erster Stelle meinem leider VORWORT II verstorbenen väterlichen Freunde Carl Hagenbeck und seinen Söhnen Heinrich und Lorenz, die mir die Reise nach Liberia ermöglichten. Dem Hauptvertreter von C.Woer- mann in Liberia, Herrn Chas. Eichinger und Frau, die mich in ihrem Hause in Liberia auf das Rührendste auf- nahmen, sowie den anderen Angestellten der Firma kann ich nicht genug danken für alles Gute, das sie mir während meines Aufenthaltes in Liberia erwiesen haben. Sr. Exzellenz dem damaligen Präsidenten der Republik Liberia, Arthur Barclay, und seinem Nachfolger, Exzellenz Charles Howard, sowie den Staatssekretären und Be- amten, die alles taten, um die Ziele meiner Expedition zu fördern, schulde ich tiefen Dank Auf meiner Film-Expedition, die ich in diesem Buche nur flüchtig streife, war es die Firma West in Liberia, die sich meiner annahm. In Togo war es besonders der damalige Gou- verneur Se. Hoheit der Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, der in hochherzigster Weise meine Be- mühungen unterstützte, und dem ich an dieser Stelle noch- mals ganz besonders meinen tiefgefühlten Dank aussprechen möchte. Mein Freund, der Baron Anton Codelli v. Fahncn- feldt, der Erbauer der Telefunkcn-Großstation Kamina, war nicht nur finanziell an dem Unternehmen beteiligt, sondern erwarb sich auch durch seine tatkräftige Mitarbeit große Verdienste um die Erfolge. Allen Beamten und Kauf- Icuten der Kolonie, von denen ich noch besonders den leider verstorbenen Bezirkamtmann von Sokode, Herrn von Parpart, sowie den Major und damaligen Bezirksleiter 12 VORWORT von Mangu, Alexander v. Hirsch fei d, erwähnen möchte, taten alles, was in ihren Kräften stand, meine Pläne zu fördern. Bei vielen, vielen Anderen in Afrika und Europa stehe ich noch in tiefer Dankesschuld, und wenn ich auch nicht alle einzeln hier erwähnen kann, so können sie doch ver- sichert sein, daß ich nie vergessen werde, was sie mir Gutes getan haben. Ein „Waidmannsdank" noch an dieser Stelle unserem Altmeister Fri^ Bley für sein selbstloses Eintreten vor zwölf Jahren für den damals noch wenig bekannten jungen Jäger. Und so sende ich auch mein zweites Buch hinaus in die Welt. Die Liebe zu Afrika, seinen Urwäldern und Steppen, seinen Menschen und Tieren möge es erwecken und immer daran erinnern, daß wir Kolonien besaßen und verloren, an deren Wiedergewinnung wir nie verzagen dürfen. Berlin, im Herbst 1922. Hans Schomburgk. ZUR FÜNFTEN AUFLAGE. Die Überaus freundliche Aufnahme, die „Bwakukama" in allen Volksschichten gefunden hat, erfordert schon ieljt, kaum zwei Monate nach Erscheinen, einen Neudruck. Mein Dank gebührt vor allem der gesamten deutschen Presse, die sich in wahrhaft großzügiger Weise des Werkes angenommen hat und mich mit günstigen Be- urteilungen geradezu beschämte. Führende Männer aus dem Kolonialleben, der Wissenschaft und dem Wirtschaftsleben haben mir durch Zuschriften und An- erkennung meiner Arbeit große Freude bereitet. Ihnen allen an dieser Stelle meinen tiefgefühlten Dank auszu- sprechen, ist für mich eine ebenso große Genugtuung wie Ehrenpflicht. Hans Schomburgk. ERSTER TEIL LIBERIA LAND UND LEUTE 14 LIBERIA, LAND UND LEUTE- In Westafrika liegt zwischen der englischen Kolonie Sierra Leone und der französischen Elfenbeinküste ein kleines Land, von dem in Europa eigentlich recht wenig bekannt ist, trohdem es gerade in letzter Zeit wohl ver- dient hätte, mehr in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt zu werden, nämlich Liberia, der einzige freie Negerstaat in Afrika. Seine Küstenlänge beträgt 560 Kilometer und die Gesamtausdehnung 48 OOOQuadratkilomcfer. Es ist richtiges Tropenland, durdi und durch dicht bewaldet. Die Be- wohner — und hier heißt es einen sehr scharfen Unter- schied zu machen, um überhaupt Liberia und seine Ver- hältnisse richtig zu verstehen — sind 15000 zivilisierte Neger amerikanischen Ursprungs, die über 1500 000 Ein- geborene verschiedener Stämme herrschen. Liberia ist ein freier Staat, anerkannt von den Großmächten, mit denen es verschiedene Abkommen hat, und steht nicht, wie meistens Tdlschlich angenommen wird, unter dem Pro- tektorate Amerikas; es hat vielmehr seine eigene Regierung, einen Präsidenten und Staatsminister, ein Unterhaus von dreizehn und einen Senat von neun Mitgliedern. Im Anfange des 19. Jahrhunderts bildete sich in Amerika eine Gesellschaft, die sich „Colonisation Society of Amerika" nannte und den Zweck verfolgte, freigewordene Sklaven, die zur Zeit in Amerika Seite an Seite mit den Weißen arbeiteten und so eine ökonomische Gefahr hätten werden können, nach Afrika zu schicken und dort ansässig zu machen. Diese ersten Kolonisten landeten in Sierra Leone. LIBERIA. LAND UND LEUTE 15 WO ihnen ein wenig herzlicher Empfang bereitet wurde. Unter ihrem weißen Führer, Ashmun, fuhren sie die Küste entlang und faßten zuerst auf der von ihnen „Providence Island" genannten Insel an der Mündung des St. Paul- Flusses, der damaligen Pfefferküste, festen Fuß. Unbeschreibliche Strapazen hatte das tapfere Häuflein Farbiger zu erdulden. Tatsächlich mit dem Gewehr in der Hand mußten sie ihre Felder bestellen, da sie unausgesetzt von den Eingeborenen angegriffen und belästigt wurden. Man kann fürwahr den Heldenmut dieser tapferen Schar nicht genug bewundern, die ohne Aussicht auf Untcrstü^ung eines mächtigen Mutterlandes sich Schritt für Schritt die neue Heimat erkämpfte. Die Geschichte Liberias weist denn auch Heldentaten auf, die sich getrost mit denen anderer mächtigerer Staaten vergleichen lassen! Nachdem die amerikanischen Ansiedler die Küsfenlinie in langen, schweren Kämpfen unter ihre Oberhoheit ge- bracht hatten, nannten sie ihre neue Heimat, in der sie die ersehnte Freiheit zu finden hofften, Liberia. Im Jahre 1847 wurde Liberia von seinen Bürgern zum Freistaat erklärt, und eine Unabhängigkeitserklärung Declarafion of Independence, die in der Hauptsache ungefähr folgenden Wortlaut hatte, aufgestellt: „Das Volk der Republik Liberia ist von Rechts wegen und in der Tat ein freier, souveräner und un- abhängiger Staat, im Besil? aller Rechte, Gewalten und Funktionen einer Regierung. Indem es die ungeheure Verantwortung auf sich nimmt, fühlt das Volk dieser Republik sich durch die Notwendigkeit der Umstände dazu berechtigt, auf Grund dieser Überzeugung ver- 16 LIBERIA, LAND UND LEUTE trauensvoll die ehrliche Beachtung der zivilisierten Welt zu beanspruchen," Kurz nach dieser Erklärung wurde die neue Republik von allen Staaten offiziell anerkannt, nur Amerika, das doch sozusagen Mutterstelle vertreten hatte, folgte selt- samerweise mit der Anerkennung erst einige Jahre später. Die Hauptstadt des Landes wurde zu Ehren des Präsidenten Monroe „Monrovia" genannt. Unter dem ersten Präsidenten Roberts nahm das Land einen großen Aufschwung. Die Eingeborenen unterwarfen sich teils gutwillig, teils wurden Expeditionen ausgesandt, so daß nach einigen Jahren auch der größte Teil des Hinterlandes wirklich und nicht nur dem Namen nach unter liberianischer Oberhoheit stand. Bald aber tauchten von außen und von innen, wie vorauszusehen war, Schwierig- keiten auf. Grenzschwierigkeiten mit England und Frank- reich, die rücksichtlos ihre Grenzen in das schwache Liberia hineinschoben, verbunden mit internen und finanziellen Nöten, verhinderten die gesunde Weiterentwicklung des jungen Staates. ]el?t machte es sich besonders fühlbar, •daß kein Mutterland, wie bei jeder anderen afrikanischen Kolonie, hinter Liberia stand, und gerade dieser Punkt muß besonders hervorgehoben und den Leuten, die auch heute noch über die Negerrepublik spotten, entgegen- gehalten werden. Was wäre wohl z. B. aus einer unserer deutschen Kolonien geworden, wenn keine finanzielle Hüte und kein geschultes Regierungs- und Militärmaterial den ersten Ansiedlern zur Unterstützung hätte zugewiesen Averden können. LIBERIA. LAND UND LEUTE 17 Am ungünstigsten für Liberia gestaltete sich die An- leihe, die im Jahre 1870 in England gemacht wurde. Es ist natürlich, daß nicht jeder Präsident oder Minister der Republik von dem hohen patriarchalischen Geist der ersten Ansiedler beseelt war, und so kam es, daß — wohl zum Teil auch durch Unkenntnis des allgemeinen Geldverkehrs — Liberia sich verleiten ließ, diese englische Anleihe aufzu- nehmen, von der tatsächlich kaum ein Drittel zur Aus- zahlung kam. An dieser Anleihe hat das ganze Land Jahre hindurch gekrankt. Inzwischen hatten sich deutsche Handelshäuser in Liberia niedergelassen, die alle mit gutem Erfolge in dem von der Natur so reich bedachten Lande arbeiten konnten, und die es, wenn der Staat in Geldverlegenheit war, auch an tatkräftiger Unterstützung nicht fehlen ließen. Deutsche Interessen waren von jeher die größten und wichtigsten in Liberia, und gerade aus diesem Grunde ist CS zu bedauern, daß die Deutschen noch heute in so abso- luter Unwissenheit über dieses interessante Land ge- blieben sind. Im Jahre 1910 wurde endlich die Grenztrage zwischen Liberia, England und Frankreich entscheidend geregelt, so daß die Regierung sich nunmehr ganz der inneren Politik widmen konnte. Als wieder eine Anleihe aufgenommen werden sollte, war das Ansehen der deutschen Kaufleute und das Ver- trauen zu ihnen derartig gefestigt, daß die ganze Sache mit Leichtigkeit von Deutschland hätte finanziert werden können. 2 18 LIBERIA, LAND UND LEUTE Aber die Staaten hatten sich bereits im Jahre 1912 entschlossen, ein internationales Komitee unter amerika- nischem Vorsi^ zur Verwaltung der Finanzen von Liberia einzusetzen. Die Anleihe im Betrage von 1 700 000 Dollar wurde durch die Zölle gedeckt und so den Geldgebern eine vollkommene Sicherheit geboten. Wie im menschlichen Leben die Anverwandten sich zusammentun, um einem schwachen Kinde zu helfen, so hatten sich in der zivilisierten Welt vier Großmächte ver- bunden, um dem kleinen Liberia den Fortschritt auf dem Wege zur Kultur und Zivilisation zu erleichtern. Amerika, Deutschland, England und Frankreich hatten je einen Abgesandten ernannt und diesen die Sorgen für die finanzielle Sanierung Liberias überfragen. Es ist dies ein Versuch, dessen Erfolg noch nicht erwiesen ist. Wenn aber die einzelnen Bevollmächtigten einsehen und ver- stehen lernen, daß sie für Liberia und nicht für ihr eigenes Vaterland arbeiten sollen und müssen, so kann man mit Sicherheit ein günstiges Resultat voraussagen. Der vorige Präsident, Mr. Barclay, ein Farbiger aus Westindien, hat in seiner Amtsperiode Bedeutendes für sein Vaterland geleistet, und Mr. Daniel Howard, der am 2. Januar 1910 als Präsident auf vier Jahre eingesetzt wurde, ist ein hochgebildeter Mann, der, von wahrer Vaterlandsliebe beseelt, sicherlich zum Wohle des Landes gewirkt haben wird. Eine besondere Genugtuung für jeden Deutschen war es, bei den Antrittsfeierlichkeiten des neuen Präsidenten festzustellen, daß Mr. Barclay von den vielen Orden, die er besaß, nur den deutschen angelegt hafte. FORSCHUNGSGESCHICHTE. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde mit unheimlicher Schnelligkeit das innerste Afrika von Forschern aller Nationen erschlossen. Sir Samuel Baker entdeckte Anfang der 50 er Jahre die Nilqucllen in Abessinicn, während Specke und Grant die Hauptquellen in den nordzcntral- afrikanischen Seen bestimmen konnten. Livingstoncs wunderbare Reisen erschlossen die Seengebictc des Tan- ganjika und Bangweolo. Stanleys und von Wißmanns kühne Durchquerungen des schwarzen Kontinents riefen in Europa und Amerika wahre Begeisterungsstürme hervor. Nachdem die verschiedenen Staaten auch an der West- küste Afrikas Kolonien erworben hatten, rüsteten sie Expeditionen zur Erforschung ihrer jeweiligen Gebiete aus, sodaß in verhältnismäßig kurzer Zeit auch das Hinterland der Westküste erschlossen wurde. Sozusagen in einem toten Winkel aber lag Liberia. Der liberianischen Regierung fehlte es an Mitteln und geschultem Material, um wissen- schaftlich das Hinterland zu erforschen. In Europa geriet das Ländchen in Vergessenheit, und so ist heute noch Liberia Afrikas terra incognita. Und doch hat gerade Liberia unter den afrikanischen Gebieten die interessanteste Forschungsgeschichte aufzu- weisen. Schon im Jahre 520 v. Chr. hat Hanno mit seinen Karthagern die damalige Pfefferküste erreich! und mit der einer karthagischen Gottheit gewidmeten, in punischer Sprache verfaßten Beschreibung den Grundstein der Literatur Westafrikas gelegt. 20 LIBERIA, FORSCHUNQSGESCHICHTE Jahrhundertc vergingen, Westafrika blieb unberührt. Viliauit de Bcliefonds behauptet im Jahre 1364, daß nor- mannische Abenteurer, die von Dieppe aus ihre Fahrten unternahmen, die Pfefferküste, also das jetzige Liberia, erreicht hätten. Da wir aber für Beliefonds' Behauptung keinen sicheren Beweis haben, müssen wir den Herbst des Jahres 1461 als geschichtlichen Zeitpunkt annehmen, wo Eingeborene Liberias zum ersten Male einen Weißen sahen. Es waren Portugiesen, die unter Pedro de Sintra als die ersten Europäer an der Pfefferküste landeten. De Sintra benannte das Vorgebirge von Cape Mount und das Cape Mcsurado, beides Namen, die bis heute beibehalten sind. Von de Sintra stammt auch die erste Beschreibung der Eingeborenen, denn Hannos Erzählungen von wilden, behaarten Menschen, die er „Gorilla" nennt, sind doch zu sagenhaft, um ernst genommen zu werden; es kann sich ja auch um Schimpansen handeln, die noch heute dort an der Küste auftreten. De Sintra erzählt, daß, nachdem sein Schiff vor Anker gegangen war, Kanoes vom Lande kamen, in denen je zwei oder drei nackte Menschen saßen, die mit Speeren, Pfeil und Bogen und einige wenige, die mit Lederschilden ausgerüstet waren. Die Ohren waren an verschiedenen Stellen durchbohrt, auch die Nasen; die Zähne waren spi^gefeilt. Auf Befehl seines Königs brachte de Sintra einen Eingeborenen mit nach Lissabon, der dort eine schwarze Sklavin im Dienste eines Lissaboner Bürgers traf, mit der er sich verständigen konnte. Die einzige Neuigkeit, die dieser Liberianer in Lissabon erzählte, war, daß ein Einhorn in Liberia vorkomme. Jahrhunderte sind seitdem vergangen und kein Nashorn, wohl das einzige LIBERIA, FORSCHUNGSGESCHICHTE 2t Tier, das mit Unikornu gemeint sein kann, wurde in Liberia gefunden. Indcl? erhielt ich aus dem Hinterlande von Cape Palmas vor kurzer Zeit die Nachricht, daß dort ein Zwerg- nashorn vorkommen soll. Die gesamten Namen der Liberiaküsfc sind portu- giesischen Ursprungs. Die Veranlassung zu Forschungs- expeditionen im Mittelalter waren Gold, Elfenbein und Sklaven; hierzu kam in Liberia noch der Pfeffer, von dem ja auch die ganze Küste ihren Namen erhielt. (Es handelt sich um zwei Arten: Piper subpeltatum und Piper guincensc). Nachdem die Portugiesen so erfolgreichen Handel an der Westküste getrieben hatten, fingen auch englische Abenteurer an, Forschungsreisen nach der Pfefferküste zu unternehmen. Im Jahre 1553 betraten zum erstenmale Engländer liberianischen Boden. Aber keiner dieser Reisenden hat uns nennenswerte Aufzeichnungen hinter- lassen. Dies blieb einem Deutschen vorbehalten. Levinus Hulsius, der berühmte deutsche Geograph, veröffentlichte im Jahre 1626 in Frankfurt a. M. eine Beschreibung der Reise eines Schweizers namens Samuel Braun, der auf seinen Fahrten, die sich bis zum Kongo und nach Angola erstreckten, auch für längere Zeit an der liberianischen Küste weilte. Er schreibt über die Ein- geborenen von Liberia: „Die Eynwohner sind grawsame und böse leute doch an einem Ort besser als am andern, gedenken stetigs wie sie die fremde Nationen so dahin kommen handthieren. Doch ist ihnen ein Nation angenemmer und lieber als die ander nembiich die Französen, so dcß Orts lang gereiset und gefahren haben, aber die Portugaleser 23 LIBERIA, FORSCHUNGSGESCHICHTE kommen felsiger Zeit gar selten dahin. Unser Teutsdic Nation ist an einem Ort angenemmer als an andern und dasselbe daher daß sie es bißweilen da selbst gar grob gemacht und sehr verderbet haben derhalben dann die Mohren offt Versuchs ob sie sich an ihnen rechen möchten." Dr. O. Dapper veröffentlichte im Jahre 1686 in Amster- dam ein umfangreiches Werk über die Forschungsreisen der Holländer im 17. Jahrhundert. Die in dem Werke enthaltenen Beschreibungen Liberias beziehen sich meistens auf den nördlichen Küstenstrich, das Gebiet des Vey- Country. Er gibt uns eine Beschreibung der Völker- stämme und eine genaue Aufzeichnung der Waldbäume und deren Nuhen. Auch über die Tierwelt hat er bemer- kenswerte Aufzeichnungen hinterlassen. Das ganze Bild, das Dapper von dem Leben der Eingeborenen und besonders von den Zeremonien der Beschneidung der Knaben und Mädchen entwirft, ist so naturgetreu, daß es noch heute als Muster gelten kann. Eine hübsche Schilderung des Cape Mesurado, also des ledigen Monrovia, überlieferte uns der Franzose Chevalier des Marchais, der im Jahre 1724 dort landete. Es scheint, als ob während dieser Zeit die Franzosen es am besten verstanden hätten, mit den Eingeborenen um- zugehen. Der König Peter, scheinbar ein erblicher Name des Königs von Mesurado, machte das Bushrod Island an der Mündung des St. Paul-Stromes dem Chevalier zum Geschenk, der sofort seiner Regierung vorschlug, eine französische Kolonie am Cape Mesurado anzulegen. Hätte die damalige Senegal-Gesellschaft diesen Vorschlag zur Ausführung gebracht, so gäbe es heute kein Liberia. LIBERIA, FORSCHUNGSGESCHICHTE 23 (Während alle modernen Forscher übereinstimmend behaupten, dal? das Flußpferd (Hip. amph.) in Liberia nidit vorkomme, bis ich jel?t das Gegenteil beweisen konnte, schreibt der Chevalier des Marchais schon im Jahre 1724: „In keinem Fluß an der Küste gibt es so viele Flußferde, wie im Mesurado.") Eine Beschreibung der Küste Liberias, die sich aber hauptsächlich mit dem Sklavenhandel befaßt, hat uns der Italiener Kapt. Thcod. Canot hinterlassen (1820—40). Die gesamten hier aufgeführten Forscher sind kaum über den Küstengürtel hinausgekommen, das Hinterland blieb un- betreten. Mit Benjamin Anderson (1868) beginnt sozusagen die moderne Forschungsgeschichte Liberias. Er wurde 1834 in Liberia geboren, genoß eine gute Erziehung und wurde als Landvermesser ausgebildet. 1866 ging er nach Amerika und fand dort einige Philanthropen, die ihm das Kapital für die Erforschung des Hinterlandes zur Verfügung stellten. Anderson war ein Farbiger, aber seine Reise war zu der Zeit eine der größten, die in Westafrika unternommen wurden, und ist in Liberia auch heute noch nicht wieder- holt worden. Andersons Reise ist von vielen Seiten angezweifelt worden. Seine Routenaufnahmen sind auch so erratisch, daß man daran zweifeln muß, ob er die ein- gezeichneten Wege wirklich zurückgelegt hat. Auf jeden Fall ist er aber durch die Urwaldregionen nach dem Man- dingo-Plateau vorgedrungen und hat Musardu, damals eine große befestigte Stadt, erreicht. Seine Beobachtungen hat er in einem Werke: Narrative of a journey to Musardu with Map, Newyork 1870, niedergelegt. Chr. von Cassal 24 LIBERIA. FORSCHUNQSGESCHICHTE unternahm es sogar im Jahre 1905, nachzuweisen, daß Andersons Reise überhaupt unhistorisch und er überhaupt nicht in das Hinterland vorgedrungen sei, sondern seine Aufzeichnungen von Gefangenen und anderen, die zufällig ihren Weg zur Küste fanden, "bekommen habe. Daß Anderson aber Musardu erreicht hat, ist zweifellos; denn von verschiedenen Seiten wurde mir unaufgefordert erzählt, daß noch heute ein von Anderson in Musardu gepflanzter Baum stehe. Unter diesem Baum soll er einen Krug wahrscheinlich mit dem Datum seiner Ankunft in Musardu, vergraben haben. Von großem wissenschaftlichem Werte waren Andersons Reisen ebensowenig wie die zweier anderer Liberianer, Seymour und Asch, die eine Expe- dition bis an das Hinterland der Elfenbeinküstc unter- nahmen. Der Stettiner Naturaliensammler Schweizer ist kaum in das Innere vorgedrungen und hat auch keine Auf- zeichnungen hinterlassen. Einen Wendepunkt erreichte die Forschungsgeschichte Liberias mit der Ankunft des Schweizers Büttikofer, der, ausgerüstet von dem zoologischen Reichsmuseum in Leyden, zum ersten Mal eine wissenschaftliche Forschungreise durch Liberia unternahm. Büttikofer, von Haus aus Botaniker, mußte sogar kontraktlich festlegen, sich während dieser Reise, die ganz zoologischen Studien gewidmet sein sollte, nicht mit seiner geliebten Botanik zu be- schäftigen. Er hatte die Absicht, über Boporu nach dem Mandingo-Plateau vorzudringen, mußte aber, soweit ich aus seinen Aufzeichnungen ersehen kann, diesen Versuch wegen mangelhafter Organisation seiner Karawane auf- LIBERIA, FORSCHUNGSGESCHICHTE 36 geben. Jedenfalls schuf Büffikofer mit seinen Reise- bildern aus Liberia ein Werk, das noch heute unübertroffen dasteht und in seiner absoluten Zuverlässigkeit und Genauigkeit wohl als das Nachschlagewerk über Liberia gelten kann. Ein englischer Distrikt-Kommissar T. J. Alldridge ließ 1901 ein Buch „The Sherbro and its Hinterland" er- scheinen, in dem er seine vielen, während einer 30jährigen Amtsperiode in Sierra Leone unternommenen Reisen, die ihn auch teilweise in das Hinterland von Liberia führten, schildert. Eigentlich ist es aber auffällig, wie wenig man von ihm gerade über Liberia erfährt. Die kurze Reise A- Hübners im Jahre 1903 nach Boporu ergab wenig Neues. Seine Behauptung, die Franzosen hätten vom Sudan aus Boporu besucht, ent- behrt jeder Wahrscheinlichkeit. Im Jahre 1906 unternahm der Schweizer Dr. W. Volz eine Reise durch das Hinterland von Liberia, die ihn bis Bussamai führte, wo er am 2. April 1907 einen tragis«jhen Tod fand. Wenn man die von Dr. Zöller veröffentlichten Aufzeichnungen Volz' liest, muß man staunen, wie es ihm überhaupt gelungen ist, so weit vorzudringen. Ohne eigene Karawane, sich vollständig auf die Güte der eingeborenen Chiefs verlassend, ihm Träger zu stellen, drang er in Liberia von Sierra Leone aus ein und gerade zu einer Zeit, als es im Innern des Landes gärte und die Franzosen rücksichtslos ihre Grenzen verschoben. Volz machte zwar einen Besuch bei dem Präsidenten in Monrovia, wobei noch unglücklicherweise der Verdacht auftauchte, er sei französischer Agent. Volz war sicher ein bedeutender 26 LIBERIA, FORSCHUNGSGESCHICHTE Wissenschaftler und hatte auch in Sumatra Erfahrungen für Expeditionen gesammelt, aber was ihm absolut fehlte, waren Erfahrungen in der Behandlung der Eingeborenen. Nach allem, was man aus seinen Aufzeichnungen ersieht, war Volz zu bescheiden und zu wenig selbstbewußt, um den Eingeborenen den nötigen Respekt einzuflößen. Volz' Tod war eine Tücke des Schicksals. Er fiel nicht durch die Hand feindlicher Eingeborener, sondern durch die Franzosen, von deren Erscheinen er so viel erhofft hatte. Seine Reise war jedenfalls der erste Versuch, Liberias Hinterland wissenschaftlich zu erschließen. Ein Jahr später, am 18. April 1908, brach der damalige britische Generalkonsul in Monrovia, Kapt. Braithwaite Wallis, zu einer Reise durch das Hinterland von Liberia auf; er stieß auf die unglaublichsten Schwierigkeifen. Das Resultat dieser Reise veröffentlichte er im Geographischen Journal, XXXV, 1910. Meine eigenen Liberia-Expeditionen führten mich durch die Gebiete des Duquca-Flusses und durch das Gola-Land bis an die englische Grenze bei Jenne. Ich hatte die Genugtuung, größere Erfolge zu erringen, als ich je an- nehmen durfte. Gleichzeitig aber habe ich einen Einblick in die liberianischen Verhältnisse gewonnen, der mir zeigte, daß in dem von der Forschung so stiefmütterlich be- handelten Liberia noch ungeahnte Schäle zu heben sind. Mein Auftrag band mich an ein verhältnismäßig kleines Gebiet, aber dies konnte ich größtenteils als erster karto- graphisch aufnehmen. Durch den Pesse-Krieg wurden mir unvorhergesehene Schwierigkeiten in den Weg gelegt, gleichzeitig aber lernte ich so die gänzlich unbekannten LIBERIA. FORSCHUNGSGESCHICHTE 27 Kriegsbräuche und Tänze der Gola- Leute kennen. Auf einem meiner Jagdzüge stieß ich ganz unvermutet auf ein Steinmonument, das sonst nur im Sudan gefunden wird. Und das Resultat all dieser Forschungen, die schon beinahe ein Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung be- gannen? Im Grunde genommen ist es recht gering. Noch heute ist das Hinterland von Liberia ein weißer Fleck auf der Karte, in dem punktierte Linien vermutliche Flußläufe angeben. Hier ist ein reiches Feld für den Forschungs- reisenden! Es ist kein Steinboden, auf dem die Saat keine Ernte verspricht, im Gegenteil, ein fruchtbarer Boden, wo jedes im Schweiße des Angesichts gestreute Samen- korn einen reichen Ertrag bringen wird. Hier sind große Aussichten für den Zoologen, Ruhm durch die Entdeckung noch unbekannter Vertreter der afrikanischen Fauna zu er- werben. Dem Geologen verspricht die sachgemäße Durch- forschung der Höhenzüge im Hinterland einen reichen Ertrag. Das Feld für den Geographen ist so groß, daß ein Einzelner es wohl kaum bewältigen werden wird. AUF DER FÄHRTE DES ZWERGFLUSSPFERDES. 29 REISEN AM DUQUEA-FLUSS. Als ich im Oktober 1910 die letzten Seiten meines längst vergriflFenen Budies „Wild und Wilde im Herzen Afrikas" schrieb, war ich schon eifrig damit beschäftigt, eine neue Expedition auszurüsten, die mich in die un- bekannten Urwaldgegendcn des französischen Kongo führen sollte. Aus politischen Gründen — inzwischen wurde das Gebiet, welches ich im Auftrage einer englischen Gesellschaft durchqueren sollte, an Deutschland abgetreten — mußte diese Reise aufgegeben werden. Sobald Carl Hagenbeck erfuhr, daß ich frei geworden war, ersuchte er mich dringend, ihn umgehend aufzusuchen. Seine ersten Worte, als ich ihn in Stellingen begrüßte, waren : „Wollen Sie für mich nach der Westküste Afrikas gehen, um dort ein Tier zu fangen, das bisher noch von keinem europäischen Jäger gesehen, geschweige denn lebend nach Europa gebracht wurde. Sie würden mir da- mit helfen, einen dem Aussterben geweihten Vertreter der afrikanischen Fauna zu erhalten. Sie müssen nach Liberia gehen; aber um was es sich handelt, kann ich Ihnen erst sagen, nachdem Sie Ihre Zu- stimmung gegeben haben, dies gefährliche und klimatisch schlechte Land überhaupt zu bereisen." Wenn ich in früheren Jahren mit meinen Kameraden in Zenfral-Afrika abends am Lagerfeuer saß und die Karten Afrikas studierte, um neue Jagdgründe ausfindig zu machen, war CS stets Liberia, das wir von vornherein bei unseren Plänen gänzlich unberücksichtigt ließen, denn wir alten er- 30 REISEN AM DUQUEA-FLUSS fahrencn Afrikaner waren übereinstimmend der Ansicht, daß es eine Unmöglichkeit sei, in einer Negerrepublik mit irgend weicher Aussicht auf Erfolg reisen und jagen zu können. Ich stand nun also vor einer schwierigen Entscheidung: Auf der einen Seite bot sich mir die Gelegenheit, in der zoologischen Forschung Afrikas mit einem Schlage etwas wirklich Großes zu leisten, andererseits aber handelte es sich darum, gerade das Land aufzusuchen, das mir in ganz Afrika am unsympathischsten erschien. Aber: — „Wer wagt, gewinnt!" — Kurz entschlossen gab ich meine Zustimmung. Als mir daraufhin der Altmeister des Tierimports sagte, daß ich versuchen sollte, das sagenhaft gewordene liberia- nische Zwergflußpferd zu fangen, von dessen Existenz seit Büttikofers Zeiten in den achtziger Jahren nichts mehr ge- hört wurde, ergriff mich doch ein starker Zweifel, die Ver- antwortung für die Ausführung dieses Projektes auf mich nehmen zu können. Da Hagcnbcck aber entschlossen war, auf jeden Fall den Versuch zu machen, das Tier in seinen Besit? zu bekommen, nahm ich die Führung der Ex- pedition an. Mit Eifer ging ich nun an die Ausrüstung. Während ich auf meinen früheren" Reisen mein sämtliches Aus- rüstungsmaterial aus England bezogen hatte, rüstete ich diesmal vollständig in Deutschland aus. Meine Gewehre wurden mir von derFirma Stahl & Berger in Hamburg geliefert. Ich hafte in Ost- und Zcntral-Afrika mit einer Mauserbüchse, Modell 98, deren Lauf die Länge eines Militärgewehres hatte, so gute Erfahrungen gemacht. REISEN AM DUQUEA-FLUSS 31 daß ich mich entschloß, auch dieses Mal zwei solche Büchsen mit zu führen. So ich auf Elefanten stoßen sollte, nahm ich eine hahnlose Doppelbüchse, Kaliber 9,3 mit; denn da ich mich ja nicht auf die Elefantenjagd legen wollte, hielt ich es nicht für nötig, mir ein schweres Elefantcn- gewehr, wie ich es in früheren Jahren führte, anfertigen zu lassen. Eine einfache Schrotflintc und ein 6 mm Tesching, zu denen zum persönlichen Schut? noch eine automatische Browning-Pistole kam, vervollständigten die WafTenausrüstung. Die Zelte wurden mir von der Firma Lültge & Braun in Hamburg geliefert. Da ich voraussichtlich monatelang im Zelt leben würde, schaffte ich mir das größte ver- fügbare Zelt, 9X12 Fuß, an. Die in Deutschland her gestellten Zelte sind ja an und für sich vorzüglich, leider aber zu schwer, wenn es sich um eine Expedition handelt, wo jeder Träger besonders zu erwägen ist. Daher ließ ich das Zelt und auch die Zelt-Möbel, die die bekannte X Marke trugen, durch Lüttge & Braun aus England besorgen. Mit diesen ebenso leichten wie haltbaren Möbeln hatte ich schon auf meinen früheren Expeditionen die besten Erfahrungen gemacht. Deutsche Zelt-Möbel sind entweder zu schwer, oder wenn sie den X-Möbeln nachgebildet sind, nicht hallbar. Die nötigen Stahl-Tropen- koflfer und hunderterlei Kleinigkeiten, die für eine Expe- dition unerläßlich sind, vervollständigten die Ausrüstung. Mein Jagdschuhzeug erhielt ich von der Firma J. H. Ch. Denker in Hamburg nach Maaß gemacht. Dasselbe hat mir so gute Dienste geleistet, daß ich nicht umhin kann, mich hier etwas näher darüber auszusprechen. 52 REISEN AM DUQUEA-FLUSS Bekanntlich ist doch Schuhzeug- auf einer Expedition von der aliergröUten Wichtigkeit. Was nü^t dem Jäger das beste Gewehr, wenn er auf der Fährte des Wildes durch unbequemes Fußzeug behindert wird und schließlich miß- mutig die Jagd aus diesem Grunde aufgeben muß! — Außer zwei Paar Safari- (Karawanen-) Stiefeln bekam ich ein Paar Pürsch-Sfiefel mit dicker Gummisohle. Die Safari- Stiefel habe ich während der ersten Expedition 4 Monate lang unausgesetst im Regen getragen; während dieser ganzen Zeit sind die Stiefel wohl kaum je trocken ge- worden. Beständig mußte ich durch Sumpf und Schlamm waten, und tro^dem waren sie am Ende der Expeditionen noch in genau so guter Verfassung wie zu Anfang. Die PürschsHefel kann ich besonders jedem Elefantenjäger warm empfehlen, denn es ist bedeutend bequemer, sofort auf der Fährte Pürschstiefel anzuziehen, als erst im letiten Augenblick, wenn man den Elefanten schon hört oder gar sieht, seine Jagdstiefel gegen leichte Tennisschuhe um- tauschen zu müssen, wie ich das fälschlicher Weise früher einmal getan habe. Hierzu kam noch eine ganze Trägerlast Medizin hinzu, die mir aber, wie sich zu spät herausstellte, leider nicht in der richtigen Tropenverpackung geliefert wurde, wodurch mir in der Regenzeit recht viel verdarb. Für photographische Aufnahmen begnügte ich mich auch dieses Mal wieder mit einem 9X12 Kodak. Nach den Erfahrungen, die ich wieder auf meinen lebten Reisen gemacht habe, kann ich jedoch nur jedem raten, eine Platten- Kamera zu führen, die eine Bildgröße von mindestens 15X18 hat. Die Transportschwierigkeiten, die eine größere REISEN AM DUQUEA-FLUSS 35 Kamera verursacht, werden doppelt und dreifach durch die besseren Bilder aufgewogen. Mit den nötigen Empfehlungen an die Liberianische Regierung versehen, fuhr ich am 25. April 1911 mit der „Kamerun" der HAPAG von Hamburg ab. Als mir am Morgen des 14. Mai der Steward meinen Kaffee in die Kabine brachte, meldete er mir, daß die Küste Liberias bereits in Sicht sei. Ich eilte an Deck, um EINE REGENZEIT IM LIBERIANISCHEN URWALD Es dauerte wiederum zehn Tage, um eine Karawane zusammenzubringen, mit der ich Monrovia zu einer neuen Expedition verlassen konnte. Ich brauchte diesmal be- deutend mehr Leute, denn diese zweite Reise sollte ins Deh-Land gehen und, wenn möglich, noch höher hinauf ins Gola-Land. Ich hatte diesmal dreißig Mann, denn von nun an gab es keine Flußfahrten mehr, sondern ich wollte versuchen, zu Fu(J meinen Weg ins Innere zu nehmen, ein Unterfangen, das von sämtlichen Europäern und Liberianern in Monrovia recht skeptisch aufgenommen wurde Auch auf dieser Expedition begleitete mich Brown. Von meinen alten Leuten waren mir außer dem Headboy, dem Jäger Momoro und meinem Diener nur drei Getreue geblieben, den andern war die Regenzeit doch zu schlimm. Während meines Aufenthaltes in Monrovia hörte ich viel Neues über das Hinterland. Allgemein war die An- sicht verbreitet, daß ich überhaupt nur weit oben im Gola- Lande Aussicht auf Erfolg haben würde. Eines Tages kam ein Liberianer und schilderte mir die Gorjc-Section des Gola-Landes in den glühendsten Farben als ein wahres Jagdparadies. Elefanten, Büffel und Flußpferde, alles sei dort zu finden. „Und dann," sagte er, „muß ich Sie als Zoologen doch fragen, was für eine Antilope es sein kann, die ich vor einiger Zeit dort gesehen habe. Ich war auf dem Wege durch den großen Suc-Busch, als mir ,einer meiner Leute plö|?lich eine ziemlich große Antilope zeigte, mit langem Hals, ohne jegliches Gehörn, aber sehr markiert 70 EINE REGENZEIT IM LIBERIANISCHEN URWALD gestreift. Ich habe das Tier früher nie gesehen, und auch meinen Leuten schien es unbekannt." Diese Beschreibung wurde mir ohne irgendwelches Nachfragen meinerseits ge- geben. Wenn die Schilderung auf Wahrheit beruhte, so mußte damit doch ganz gewiß das Okapi oder eine Abart desselben gemeint sein. Auch Präsident Barclay, den ich verschiedentlich be- suchte, gab mir den Rat, ins Gola-Land zu gehen, nur dürfte ich mich wegen des ausgebrochenen Pesse- Auf- standes nicht zu weit ins Innere wagen. Man nahm da- mals allerdings noch nicht an, daß dieser Aufstand eine so gro^e Ausdehnung annehmen und sich soweit ir.s Gola-Land hineinziehen würde, wie ich es zu meinem Leidwesen auf meiner zweiten Liberia-Reise erfahren mußte. Präsident Barclay gab mir ein zweites Empfehlungs- schreiben mit, das mir gute Dienste leistete. Einer der Hauptgründe, weshalb das Hinterland von Liberia auch heute noch, selbst in nächster Nähe der Küste, eine absolute Terra incognita ist, liegt darin, daß die Faktoreien, um die Transportkosten möglichst niedrig zu halten, nur an den schiffbaren Flüssen angelegt werden. Nach diesen Handelszentren bringen dann die Eingeborenen ihre Produkte, denn nur in den seltensten Fällen kommt es vor, daß ein Europäer die Leute in ihrem eigenen Lande aufsucht. Es gibt eben noch keine Wege durch diesen undurchdringlichen Urwald. Es würde sich wohl kaum lohnen für einen weißen Händler, wenn er, wie es in Ost- und Zentral-Afrika gemacht wird, das Land durch- reisen würde, um Produkte aufzukaufen. EINE REGENZEIT IM LIBERIANISCHEN URWALD 71 Am Nachmittag des 29. Juni fuhr ich mit der Wocrmann- baikasse nach Virginia, eineinhalb Stunden von Monrovia entfernt. Diese Ansiediung liegt ganz entzückend am Ufer des stolzen St. Paul -Stromes, der mit dem Mcsurado durch den Slockton-Creek verbunden und bis nach White- plains hinauf auch für Motorfahrzeuge schiffbar ist. Von Virginia marschierte ich eine Stunde weit nach Brcwersville, der größten liberianischen Ansicdiung des Mesurado-Country. Eine liberianische Ansiedlung macht einen eigentümlichen Eindruck. Sie erstreckt sich häufig über mehrere Kilometer, da jedes Gehöft in sich voll- kommen abgeschlossen ist. Die Häuser sind auf Pfählen erbaut, und zwar die neueren aus den im Lande gesägten Brettern, mit Wellblech gedeckt, einige ältere noch aus Schindeln primitiv zusammengezimmert. Da ich in der dortigen Woermann-Faktorei ein nettes Zimmer fand, brauchte mein Zelt nicht aufgeschlagen zu werden. Zum Essen wurde ich von dem Vertreter der Firma West eingeladen. Bei diesem lernte ich auch den Agenten der holländischen Faktorei in Brewersville kennen. Als ich am nächsten Morgen aufbrechen wollte, ging ein- mal wieder alles quer. Schon in Monrovia hatte ich den liberianischen Bezirks- leiter von der Gorje-Section kennen gelernt, der mir Träger versprochen hatte. Leider aber hielt er sein Wort nicht. Das ist überhaupt ein großes Leidwesen bei den Liberianern: sie versprechen alles und haben auch den besten Willen und die feste Absicht, es zu halten, sind Feuer und Flamme für jedes neue Unternehmen; aber schon nach kurzer Zeit vergessen sie mit der den Negern eigentümlichen Gleich- 72 EINE REGENZEIT IM LIBERIANISCHEN URWALD gültigkeit alle Versprechen und verstehen es hinterher aus- gezeichnet, sich selbst aus der schwierigsten Lage geschickt herauszureden. Natürlich gibt es audi recht viele lobens- werte Ausnahmen ; besonders derdamaligePräsidentHoward ist ein Mann, dessen gesprochenes Wort so gut wie ein schriftlicher Kontrakt ist. Der Faktorei -Leiter gab mir schließlich zehn seiner eigenen Leute, die mich nach Wani-Town, zwei Stunden von Brewersville, am Po-Fluß gelegen, bringen sollten; dort, so versicherte er mir, würde ich mit Leichtigkeit die nötigen Leute auftreiben können. Ich marschierte also in diesem frommen Glauben ab. Am Po-Fluß fand ich ein paar armselige Hütten, suchte aber vergebens nach Wani-Town, bis mir ein Eingeborener die aufklärende Mitteilung machte, daß ich bereits dort sei. Da hafte man mir also einen bösen Streich gespielt. Leute gab es hier überhaupt nicht. So mußte ich am folgenden Tög unter Zurücklassung eines Teils meiner Lasten nach der nächsten Stadt weiter marschieren, um dort mein Heil zu versuchen. Wenn man über Liberia schreibt, so kommt der Aus- druck „Stadt" einem unwillkürlich in die Feder; denn ,;Town" ist dort ein allgemein üblicher Ausdruck. Eine „Town" ist jedes Dorf, in dem ein sogenannter „King", den man in Ostafrika aber als Jumben, Dorfältesten, be- zeichnen würde, seinen Wohnsif? hat. Half-Towns dagegen sind schon zwei oder drei Hüttchen, die meistens von Sklaven auf den Farmen erbaut sind. In Ccss-Town, etwa zehn Kilometer vom Po-Fluß ent- fernt, mußte ich wieder mein Lager aufschlagen. Bis EINE REGENZEIT IM LIBERIANISCHEN URWALD 75 hierher führt eine breite, von der Regierung in Ordnung gehaltene Straße. Fast die ganze Zeit über marschierte ich durch schön angelegte, zum größten Teil noch junge Kaffeeplantagcn. Die Kaffeckultur der Eingeborenen über- flügelt hier bei weitem die der Liberianer, So erfreulich dies Zeichen des Fleißes auch sein mag, für mich hatte CS doch nur eine schlimme Vorbedeutung, denn, daß ich hier, wo fast jeder Eingeborene seine kleine Kaffeeplantage besaß, keine Träger finden würde, war mir von vornherein klar. Mit meinen eigenen Trägern wollte es auch nicht recht gehen. Nach einem zweieinhalbstündigen Marsch mußte ich tatsächlich drei Stunden auf die faulen Kerle warten. Das Einarbeiten einer neuen Karawane ist furcht- bar. Man darf die Leute in den ersten Tagen auch nicht zu scharf anfassen, besonders nicht in Liberia. Später, wenn man erst genügend Lohn von ihnen in den Händen hat, kann man schon strengere Maßregeln treffen, um das Bummeln zu verhindern. In Cess-Town wurde ich mit der größten Gleichgültig- keit behandelt. Der Chief hielt es nicht einmal für nötig, mich zu besuchen; schließlich mußte ich ihn holen lassen. Er versprach mir für den folgenden Tag Leute, die mein Gepäck holen sollten, hielt aber natürlich nicht Wort, und so mußte ich meine eigenen Leute zurückschicken und den ganzen folgenden Tag auf ihre Rückkehr warten. Daß ich hier auch keinen Jagd-Erfolg haben würde, sah ich bald ein und beschloß dalier, nach Ankunft meiner Sachen sofort weiter zu marschieren. In Gorje-Town kam ich lange vor meiner Karawane bei strömendem Regen an. Ich hatte unterwegs ver- 74 EINE REGENZEIT IM LI3ER1AN1SGHEN URWALD schiedcnc Half-Towns passiert, in denen ich mich aber nicht aufhielt. Kurz vor Gorje mußten wir den Moe- River, der mit dem Po identisch ist, auf einer sehr schwanl in Kinshassa. Station an der Kongobalin. DEN KONGO AUFWÄRTS 113 iraven Dampfroi? einen wohlverdienten Trunk zu verab- reichen. Nach 40 Kilometern haben wir die Höhe erreicht. Von hier geht es weiter durch weiliges Gelände nach Thysville, so genannt nach dem Miterbauer der Eisenbahn, Colone! Thys. Thysville hat nicht nur einen vollkommen europäischen Anstrich, sondern auch ein empfindlich kaltes, an Europa gemahnendes Klima. In dem mit modernem Komfort eingerichteten Hotel -der A. B. C. finden wir für die Nacht ein Unterkommen. Mindestens drei Waschungen waren notwendig, bevor man sich, auch nur einigermaßen von dem Kohlenstaube ge- säubert, zum Essen begeben konnte. Es war noch bitterkalt, als wir am nächsten Morgen um sechseinhalb Uhr die Fahrt nach Kinshassa fortsetzten, Dieser zweite Tag führt durch langweiliges, afrikanisches Busch- und Steppenland, das dem Auge wenig Reize bietet. Ganz ohne Unfall ging auch diesmal die Reise nicht von- statten. Einige Stunden nach Thysville brach der Kolben •der Maschine, sodaO wir auf freiei Strecke warten mußten, h\s wir von dem uns folgenden Güterzuge Hilfe bekamen, der uns auf eine kleine Station brachte, wo glücklicherweise eine Extra-Maschine stand. Nun dauerte es nicht lange, da hielten wir wieder mit einem Ruck. Der Maschinist hatte versucht, einen von Elefanten über das Geleise ge- worfenen Baum einfach mit Gewalt aus dem Wege zu fahren. Mit einer Verspätung von drei Stunden kamen wir nachmittags um sechs Uhr in Kinshassa an. Damit hatte ich die Fahrt auf einer Bahn beendet, deren Bau jeder Kilometer das Leben eines Europäers und jeder Meter das Leben mindestens eines Farbigen gekostet hat. 8 114 DEN KONGO AUFWÄRTS Kinshassa ist der Handelshafen für den oberen Kongo, Leopoldville, der Regicrungshafcn, liegt neun Kilometer weiter unterhalb am Stanley-Pool. In Kinshassa mußte ich einige Tage warten, um einen Dampfer nach Brazza- ville zu bekommen. Von einem Portugiesen hatte ich für verhältnismäßige wenig Geld einen wunderbaren Schimpansen, oder richtiger gesagt, eine Schimpansen-Dame gekauft, die ich aus leicht begreiflichen Gründen „CIco de Congo" taufte. Brazzaville ist die Hauptstadt des französischen Kongo. Während meines Aufenthalts in Kinshassa hatte ich Gele- genheit, mich zu überzeugen, welch enorme Quantitäten Kautschuk und Elfenbein der obere Kongo liefert. Am Orte war nur eine einzige deutsche Firma, die ihr Geschäft ständig erweiterte und allmählich Faktoreien am ganzers Kongo anlegte. Brazzaville ist der Ausgangspunkt für sämtliche fran- zösisdien Dampfer, die nach Ugambi und Sangha fahren. Es existierte sogar eine besondere Schiffahrtsgescilschatt, die Messagerie Fluviale. Brazzaville liefen außerdem auch die Dampfer der Gesellschaft Südkamerun an, die als einzige deutsche Firma selbständig ihre Transporte über den Kongo führte. Die Dampfer sind Heckrad- Dampfer, die ganz flach gebaut sein müssen, da der Fluß in der Trockenzeit sehr seicht ist. Sie werden mit Holz geheizt und müssen deshalb ein- bis zweimal am Tage atr den vorhandenen Holzstationen anlegen. Auf einem solchen Dampfer fuhr ich den Kongo aufwärts. Bei Beginn der Fahrt sind die Ufer bergig und der Fluß verhältnismäßigr schmal, etwa 400 Meter breit. Je weifer man flußaufwärts. DEN KONGO AUFWÄRTS 11& kommt, desto flacher wird die Umgebung und desto breiter der Fluß. Wir passierten Unmengen von Inseln, teils bewaldet, teils unbcwaldet, auf denen sich in der Mittags» sonne Scharen von trägen Krokodilen wälzten. Nach fünftägiger Fahrt erreichte der Dampfer die Mündung des Sangha, den südlichsten Punkt unseres damaligen neuen Gebietes. An dieser Stelle liegt der Hauptpla^ Bonga, berüchtigt durch die Unmengen Moskitos, die dort den Menschen plagen. Der dort lebende Europäer ist sogar gezwungen, in seinem Hause zum Schul? gegen die Moskitos ein besonderes moskifosicheres Zimmer einzu- bauen. Aber weit mehr hat der Passagier auf dem Dampfer zu leiden, da ihm nur ein einfaches Moskitonet? zur Ver- fügung steht, um sich vor den Plagegeistern, denen die schwüle Luft auf dem Dampfer besonders anziehend er- scheint, zu schütten. Der Sangha bildet bei seiner Einmündung ein mächtges Delta, sodaß man die eigentliche Mündungsstelle nicht bezeichnen kann. Der Dampfer bcnu^t in der Trockenzeit nicht den eigentlichen Fluß, sondern einen schmalen seit- lichen Arm, der den Namen Buyenge-Kanal führt. Bis zur Einmündung tritt der dichte Urwald an das Ufer heran, dann aber wechselt Galerie- Wald mit Grasflächen ab. Bis zur Südostecke des alte Kamerun, der Einmündung des Tscha, ist das Gebiet sehr flach und sumpfig und war von jeher wenig bewohnt. Diese spärliche Bevölkerung ist in den legten Jahren durch die Schlafkrankheit noch stark: verringert worden. Alles in allem erschien mir dieses neue Gebiet wenig einladend. Dichter Urwald und das so gefürchtetc Pota- 116 DEN KONGO AUFWÄRTS Pota (Sumpf) wechseln miteinander ab. Für ständige europäische Ansiedlungen ist das Gebiet durchaus unge- eignet. Die Regelung der politischen Verhältnisse würde viel Geld und Arbeit gekostet haben. Sicherlich ist das Land einst äußerst gummircidi gewesen, aber schon seit Jahren durch französische Konzessionen ausgebeutet worden. Auf dem Rückwege holte ich in Lefini den von Hagen- bcck gekauften Elefanten ab. Wir hatten unbeschreibliche Schwierigkeiten, das Tier zu verladen, da es, wie die meisten Elefanten, nicht die Planken betreten wollte, die an Bord führten. In Brazzaville mußten wir ihn aufs Neue nach Kinshassa verladen. An einem großen Affenbrot- baum brachten wir eine Winde an, um ihn so mit ungefähr vierzig Schwarzen auf den Eisenbahnwagen zu heben. Unterdessen hatte ich noch zwei kleinere Schim- pansen gekauft und trat nun mit meiner Menagerie auf dem Dampfer „Leopoldville" meine Reise nach Antwerpen an, wo ich mit allen Tieren wohlbehalten am 25. Oktober 1911 anlangte. Vom Kongo aus hatte ich den Tag meiner Ankunft in Antwerpen Hagenbeck telegraphisch mitgeteilt. Ich er- wartete, daß mich ein Wärter dort treffen würde, um mir die Tiere abzunehmen, aber so sehr ich auch meine Augen anstrengte, kein bekanntes Gesicht war am Kai zu sehen. Ich bat den Kapitän, mir zu gestatten, meine Tiere noch eine Nacht an Bord zu lassen, aber er verweigerte mir die Erlaubnis. So stand ich nun nachmittags auf dem Kai und wußte nicht, wohin mit den Tieren in der fremden Stadt. Durch den Hafcnlärm wurden sie ängstlich. An jedem Bein halle ich einen kleinen Schimpansen und um DEN KONGO AUFWÄRTS 117 den Hals den großen, und alle drei klammerten sich nach Kräften an mich. Der Elefant benahm sich wie ein Irr- sinniger in seiner Holzkistc. Gott sei Dank waren die Bretter stark genug, um all' seinen Versuchen, zu ent- kommen, Widerstand zu leisten. Die kleinen Affen und die übrigen Tiere taten ihr Bestes, um das Konzert zu ver- vollständigen. Es muß ein hübsches Bild gewesen sein! Als fJetter in der Not erschien endlich ein Angestellter des Zoologischen Gartens, der von meiner Ankunft mit den Tieren gehört hatte. Liebenswürdigerweise wurde mir dort für meine Pfleglinge ein Unterkommen angeboten. Als ich abends mehr tot als lebendig mein Bett aufsuchte, konnte ich mich wenigstens mit dem sicheren Bewußtsein schlafen legen, daß für meine Menagerie aufs Beste ge- sorgt sei. Die Reise von Antwerpen nach Hamburg verlief ohne weiteren Zwischenfall und in bester Verfassung konnte ich meine Pfleglinge dort abliefern. DER FANG DE5 ZWERGFLU55PFERDE5. Einseljiingsfeierlichkeiten des neuen Präsidenten. Das euiopäische diplomalische Korps erwailel den nev;en Piäsidenien. Major Brown, welcher den Verfasser auf der ersten Liberiareise begleilcle. Die Fesllribiine. 119 HINEIN INS UNBEKANNTE Nach kaum sechswödientlichcm Aufenthalt in der Heimat trat ich zum zweiten Maie die Ausreise nach Liberia an. Ich war froh, wieder hinaus zu kommen, denn während meiner Anwesenheit in Europa wurden meine Entdeckungen recht skeptisch aufgenommen. Niemand wollte mir glauben, -daß ich wirklich ein Zwergflußpferd, eine neue Art, gesehen hatte. Immer und immer wieder hieß es, es wäre sicher ein junges Flußpferd gewesen, in der Aufregung hätte ich mich getäuscht. Ais ich in Hamburg den Dampfer bestieg, wußte ich, daß diese Reise für mein ganzes zukünftiges Leben von Entscheidung sein würde. Diesmal mußte ich einen Erfolg erringen, mußte mindestens ein Tier lebend nach Europa bringen, denn allen Freunden und Bekannten hatte ich die Versicherung gegeben, daß ich nicht ohne das gesuchte Tier zurückkehren würde. Eine kalte, unfreund- liche Fahrt bis beinahe nach Madeira trug nicht dazu bei, meine Stimmung zu heben. Aber als erst die Sonne <]urchbrach und das Tropenklima sich bemerkbar machte, stieg auch mein Mut, und mit froher Zuversicht fuhr ich meiner Bestimmung entgegen. Als am Nachmittag des ■24. Dezember 1911 die Lucia Woermann um das Cape Mesurado herumdampfte, waren es nur frohe Gefühle, die midi beseelten. Ich freute mich, wieder im Lande meiner Tätigkeit zu sein, alte Freunde begrüßen zu können und hinauszuziehen in den mir liebgewordenen Busch, um dort mein freies Leben wieder zu beginnen. Als wir in Monrovia anlangten, war alles in freudiger Erregung. Ueberall wurden Vorbereitungen für die am 120 HINEIN INS UNBEKANNTE 1. Januar stattfindende Einsel^ung des neuen Präsidenten getroffen. Acht Jahre hindurch hatte Präsident Arlhur Barclay, der mir auf meiner vorigen Reise so hilfreich zur Seite gestanden hatte, das Liberianische Staatschiffchen mit sichererer Hand durch die Wogen des politischen Ozeans geführt. Zwei Amtsperioden, denn nach je vier Jahren mu(J nach dem Gcse^ die Wahl erneuert werden, hat er am Steuer gestanden. Sein Nachfolger war der in Liberia geborene Charles Howard. Die Einse^ungsfeierlichkeiten fanden unter dem be- geisterten Mitwirken der gesamten Bevölkerung statt. Sämtliche europäischen Staaten waren durch ihre Konsuln vertreten. Aus dem Innern kamen die Häuptlinge mit großem Gefolge, um dem neuen Präsidenten ihre Huldigung darzubringen, natürlich nur jene, die sich der liberianischen Regierung angeschlossen hatten. Durch diese Festlichkeiten wurde meine Abreise ins Innere bedeutend verzögert. Wie sein Vorgänger, so hat auch Präsident Howard alles getan, was in seinen Kräften stand, um mir meine Aufgabe nach Möglichkeit zu erleichtern. Seinerzeit wurde von der liberianischen Regierung ein Offizier gesucht, um den westlichen Teil Liberias bis an die englische Grenze hin kartographisch aufzunehmen. Ich bewarb mich um diesen Posren und wurde, da ich lange in englischen Diensten gewesen war, mit dem Range eines Majors am geogra- phischen Stabe eingestellt. Damit ich auf meinen Reisen im Innern eine größere Machtbefugnis hätte, wurden mir die Rechte eines Bezirksamtmannes verliehen. Auch von allen Europäern wurde ich aufs herzlichste willkommen geheilten und darf wohl sagen, daO ich mich auf meineti Oola-Schmied. Alle Korbflcchlerinnen im Oola Land. HINEIN INS UNBEKANNTE 121 langen Reisen durch Afrika nirgends so heimisch gefühlt habe wie nun in Liberia. Da idi jetjt im Lande bePcannt und, wie ich wohl sagen darf, auch beliebt war, wurde es mir leicht, genügend Träger für eine große Reise ins Gola-Land anzuwerben. Nachdem dann noch die nötigen Vorbereitungen getroffen waren — alle Gewehre und Expeditionsiasten wurden wiederum auf Verfügung des Präsidenten zollfrei ins Land gelassen — konnte ich meine Reise antreten. Diesmal war es eine Freude, den mächtigen Urwald zu durchstreifen. Wenn auch bei diesen Urwaldreisen der weite Blick der ostafrikanischen Steppe fehlt, so wird man andererseits doch wieder entschädigt durch die reiche Flora und die Kühle unter den mächtigen Urwaldriesen. Meine Reise lührte mich wieder über Mana, wo ich in der Regen- zeit so schreckliche Tage verlebt hatte. Von hier aus versuchte ich mich dem sogenannten Vulkan zu nähern, von dem man übrigens vom Dorfe aus jel?t in der Trocken- heit nichts gewahrte. Aber alle Versuche, bis an den Berg vorzudringen, waren vergeblich. Ich konnte fest- stellen, daß dieser Berg äußerst eisenreich ist. Verschiedent- lich traf ich auch, im Busche versteckt, kleine Weiler, so- genannte Haif-Towns, in denen Schmiede ihre Werkstätte aufgeschlagen hatten. Aber nirgends gelang es mir, Führer zu bekommen, und Versuche, allein durch den dichten Urwald durchzudringen, mußte ich leider aufgeben. Die Eingeborenen behaupteten Angst zu haben, denn auf dem Berge hause ein großer Fetisch! Kleine Zwerge sollen dort wohnen, die ein Feuer unterhalten. Leute, die in den Busch gegangen waren, sollen sie manchmal ge- 122 HINEIN INS UNBEKANNTE sehen haben. Ich nehme an, daß diese Geschichte von den Sdimieden In Umlauf gesetzt wurde, um andere Leute davon abzuhaken, den Berg zu besuchen, von dem sie ihr Eisen beziehen. Zuviel Zeit durfte ich auf diese, wenn auch noch so interessante Entdeckung nicht verwenden, denn mein Haupt- ziel war und blieb der Fang des Zwergflußpferdes. Nach einigen Tagen marsdiierte ich weiter und kam ohne Zwischenfälle nach Yangaia, der ersten großen befestigten Gola-Stadt. Da ich den Eingeborenen dem Namen nach hier schon bekannt war, wurde ich auf das freundlichste aufgenommen. Yangaia ist die fröhlichste Stadt, die ich in Afrika kennen gelernt habe. Alt und jung eilte herbei, mich zu begrüßen, und selbst die jungen Mädchen, die sonst in Afrika schüchtern und zurückhaltend sind, fielen mir vor Freude bald um den Hals. Selten habe ich so viel hübsche junge Mädchen in Afrika zusammen gesehen wie hier. Der Häuptling bat mich, mein Zelt im Dorf aufzuschlagen, aber da war es mir zu lustig. Denn sofort nach meiner Ankunft wurden große Krüge Palmwein her- bei geschafft, und nur mit Mühe gelang es mir, meine Träger überhaupt noch zu bewegen, vor der Stadt mein Zelt aufzuschlagen. Die ganze Nacht wurde im Dorfe ge- tanzt und gesungen. Am Abend war ich hingegangen, um mir das Fest anzusehen. Meine Träger spielten die großen Herren von der Küste. Sie hatten ihre besten Sachen angelegt und schienen den Schönen von Yangaia mächtig zu imponieren. Jeder von ihnen hatte in der kurzen Zeit seiner Anwesenheit mindestens zwei Bräute gefunden. So ganz nüchtern schien keiner mehr im Dorf HINEIN INS UNBEKANNTE 125 ZU sein, aber dennoch waren die Leute anständig und höflich. Dann ging ich hinunter zu meinem einsamen Zelt. Kein Lagerfeuer brannte, selbst meine Diener und Momoro hatten um Urlaub gebeten. Mein Koch und meine Diener waren die einzigen, die mich am nächsten Morgen beim Erwachen begrüßten. Dann kam Momoro, ihm schien nicht sehr wohl zu sein. Von den Trägern war niemand da. Sonst herrscht im Lager vor Tagesanbrucli schon ein reges Leben. Die Lasten werden zusammengepackt, und kaum hat man Zeit, sich im Zelte anzuziehen, schon stürzen sich die Träger darauf, um es umzulegen und zu verpacken. Es dauerte eine geraume Zeit, bis Momoro, den ich ins Dorf geschickt hatte, mit den Trägern erschien. Endlich kamen sie lang- sam und widerwillig, ohne ihre eigenen kleinen Pakete und ohne die Stricke, die sie zum Zusammenschnüren der Lasten braudien. Ich merkte, dal? etwas in der Luft lag, nahm aber die Sache nidit ernst, da ich ihnen wohl glaubte, daß die durchtanzte und durchzechte Nacht nicht ganz ohn^ Folgen geblieben war. Sic traten geschlossen vor mein Zelt, sechzig Mann, niemand sdiien zu fehlen. Ein Murmeln ging durch die Reihen. Keiner wagte als Sprecher her- vorzutreten. Etwas Feindseliges lag in ihrer ganzen Haltung. Ich merkte, daß sie nicht als Bittsteller auf- treten wollten, sondern den Versuch machten, midi ein- zuschüchtern. Bisher hatte ich sie lächelnd angesehen und alles als Folgen des Nachtfestes betrachtet. Als nun aber ein Mann vortrat und im Namen seiner Kameraden er- klärte, sie wären müde, verlangten einen Tag Rast, und wollten dann erst beraten, ob sie überhaupt weiter marschierten. 124 HINEIN INS UNBEKANNTE da vor ihnen im Gola- Lande Krieg sei, war es mif meiner Geduld zu Ende. Die ganze Expedition stand auf dem Spiele. Hätte ich ihnen auch nur das kleinste Zu- geständnis gemacht, wäre alles verloren gewesen. Ich forderte die Leute nochmals auf, ihre Lasten zu nehmen und das Zelt zu packen. Ein drohendes Gemurmel war die Antwort. Sie waren alle bewaffnet mit kleinen Äxten, Speeren und Holzknütteln. Sie faßten ihre Waffen fester, und als gar einige wagten, sie drohend gegen mich zu schütteln, stieg mir das Blut zu Kopf. Das bedeutete offene Meuterei. Ich sprang ins Zelt, steckte die Brownings zu mir und ergriff meine Peitsche. Im nächsten Augenblick war ich zwischen den Leuten, und rechts und links sauste die Peitsche auf die nackten Körper. Und bald hafte ich sie zusammengetrieben wie eine Herde Schafe. Ich trieb sie zum Dorf. An dem engen Eingang staulen sie sich. Je^t schienen sie wirklich wie eine Herde dummer Tiere. Jeder drängte als erster hinein zu kommen. Sie versuchten sogar, übereinander zu klettern. Im Dorfe selbst war noch alles ruhig, nur Frauen und Mädchen waren zu sehen. „Bwakukama", riefen ihnen meine Leute zu, „Bwakukama!" — Die Frauen wollten fortlaufen, doch als ich ihnen zu- lächelte und Momoro mit ihnen sprach, blieben sie stehen, aber in respektvoller Entfernung. Mit großen erschrockenen Augen wurde ich betrachtet. Bwakukama, flüsterten sie ängstlich, Bwakukama. Schon mehreremale war mir auf der Reise dieses Wort zu Ohren gekommen. Abends am Lagerfeuer der Träger machte es die Runde. Es sprang plötzlich heraus aus der Nacht, wenn die Leute tanzten Monioro mit dem Fahrrad, das der Verfasser in Liberia benutzte. Als SatlelslUtje eine gebogene Liane. Momoro mit zwei Schönen aus Yangaia . HINEIN INS UNBEKANNTE 125 und sangen. Ich hatte bisher nicht darauf geachtet. Jel?t fragte ich Momoro und erfuhr, daß Bwakukama der Name sei, den mir die Gola gegeben. Im Zululande (1898 bis 1901) hieß ich Isipaqua (qu als Klicklaut gesprochen), weil ich jung und auffallend schlank war. Ein Missionszögling, der mir schmeicheln wollte, sagte, weil ich eine Leuchte der Menschheit sei. Ihm habe ich heimgeleuchtet. Auf meiner Afrikadurchquerung behielt ich den Namen Shiamby, den mir meine Soldaten in N.W.-Rhodesia gegeben hatten. Nun war Bwakukama mein Landesname geworden. Kama heißt in der Gola-Sprache Elefant; Bwakukama: „Lord Elephant who breaks the bush before him". Ins Deutsche überseht würde es ungefähr heißen: „Der Lord Elefant, welcher jeden Widerstand des Busch vor sich niederbricht." Der Neger will damit sagen, daß ich wie der Elefanf unbeirrt trot? aller Hindernisse meinen Weg ging. Als Bwakukama wurde ich im ganzen Lande bekannt. Es war ein Ehrenname, auf den ich stolz war. Aus Eitelkeit, ich will es hier ganz ruhig bekennen, habe ich ihn daher auch als Titel dieses Buches gewählt. Im Lande leistete er mir große Dienste. Weigerte sich ein Eingeborener, einem von mir gegebenen Befehl nachzukommen, so brauchte nur einer meiner Leute ganz freundlich „Bwakukama" zu flüstern, das immer wie ein Zauberwort auf die Gemüter wirkte, um sofortigen Gehorsam zu erreichen. Nachdem die Lasten gepackt, ließ ich die Träger ab- marschieren. Ich blieb als letzter im Dorf. Die Leute kamen, um sich zu verabschieden und nochmals das weiße Wundertier mit dem Rade zu bestaunen. Für sie war es ein Fetisch, ein neuer Zauber, von dem selbst die weit- 126 HINEIN INS UNBEKANNTE gereisten Männer, die schon am Meere, in Monrovia waren, nichts zu erzählen wußten, denn auch dort gab es keine Fahrräder. Ich mußte noch ein Schaufahren im Dorfe veranstalten. Alt und Jung lief singend und johlend hin- terher. Bwakukama, Bwakukama ho, scsse-se ho — Bwa- kukama, in endloser Wiederholung. Und als ich noch zum Schluß ein junges Mädel ergriff und lachend aufs Rad set?te, kannte der Jubel keine Grenzen Dann fuhr ich ab, folgte meiner Karawane, hinter mir her das halbe Dorf. Doch da der Weg von Yangaia nach Taquema viel benul?t und daher gut ausgetreten war, ließ ich meine Begleitung bald zurück. — Bwakukama-ho hörte ich noch lange in der Ferne. Gespannt war ich auf das Verhalten meiner Träger. Bestimmt würden sie für die nächsten Tage mürrisch und brummig sein. Ich hörte vor mir singen. Sicher Leute, die von Taquema kamen. Kräftig trat ich in die Pedale. Es ist herrlich, in Afrika auf einem glatt getretenen Negerpfade mit einem guten Rade dahinzusausen. Selbst auf schlechten Buschwegen war mir das Rad lieb. Wenn ich auch nur ein Vierfei des Tagemarsches das Rad benutzen konnte, war es doch eine Kräfteersparnis, die man wohl spürte. Ganz nahe hörte ich jet?t das Singen und siehe da, als ich um eine Wegbiegung herumkam, war es meine eigene Karawane, die fröhlich singend dahinzog. Lustige Zurufe, als ich an den Leute« vorbeifuhr. Schelmische Augen, lachende Gesichter. „Massa, you done catsch me for true!" (Herr, Du hast mich gut erwischt!) „You bc sfrong for true" (Du bist sehr stark) riefen sie mir lachend nach. „You be fit for dash us cold water" (Du wirst uns doch Schnaps schenken) meinte noch ein besonders Kluger. HINEIN INS UNBEKANNTE 127 Das ist der Neger — wie ein Kind. Er versucht etwas durchzusehen, wird frech, empfängt dafür eine gerechte Strafe, im nächsten Augenblick ist alles vergessen, wird als Scherz aufgefaßt, und dann versucht er, wenn möglich, noch einen kleinen Profit herauszuschlagen. Meine singende Karawane ließ ich hinter mir. Fuhr weiter auf der glatten Straße. Nur hier und da ein alter Baumstamm quer über den Weg, über den ich mein Rad hinwegheben mußte. Man hafte mich in Yangaia gewarnt. Marodierende Pcsse-Banden seien diesseits Taqucma gesehen. Doch noblesse oblige, hieß ich doch Bwakukama, wie durfte ich da Furcht zeigen. Offen gestanden, war ich sicher, daß die Yangaia-Lcute mir dies auf Veranlassung meiner Träger erzählt haften, um mich zurückzuhalten. Es war also leicht, mutig zu sein. — Was ist überhaupt Mut? Nach meinen Erfahrungen ist im tropischen Afrika der Mut vom Magen abhängig und vom Wetter. Mit gesundem Magen und bei Sonnenschein bin ich jedem Elefanten sorglos zu Leibe gegangen. Aber wehe, wenn der Magen streikt und man bei kaltem, regnerischem Wetter auf der Fährte ist. Ein aufschwirrendes Rebhuhn läßt das Herz stocken. Man verflucht den Tag, an dem man auf die Idee kam, Elefantenjäger zu werden. Innerlich hoffend, daß der Wind einen verraten möge, pirscht man^ mißmutig weiter. Man muß ja weiter, denn seinen Leuten darf man nicht zeigen, wie einem zu Mute ist. Plötzlich ein Windstoß im Nacken, vorne ein Krachen und Brechen, fort sind die Elefanten. Erleichterndes Aufatmen. Dann ein Fluchen, wie es sich für einen braven Jäger gehört, aber nicht aus tiefem Herzen wie sonst. Nur zur Schau 128 HINEIN INS UNBEKANNTE für die Neger. Das sind keine schönen lagderinncrungrcn. Es gibt auch Leute, die im ich vor- sichtigerweise den Schlagbolzen entfernte, sonst war es in Ordnung. „Tawe", sagte ich, schicke einen Boten mit diesem Gewehr an die Pesse, lasse ihnen sagen, daß Bwakukama mit vielen Gewehren und Soldaten in Deiner Stadt weilt und dir zu helfen versprochen hat!" Noch am selben Tage ging der Bote ab. Geführt von Tawe, unternahm ich jet?t einen Rundgang, Eingang von Taquema. Gola-Zaubcrcr, Die Stelle des Lofa-Flusses, wo der Verfasser ein ZwergnuDpferd im Wasser sah. HINEIN INS UNBEKANNTE 157 um die Befestigungen zu besichtigen. Taquema ist eine Stadt von etwa 500 Häusern. Viereckige und runde Hütten stehen wahllos durcheinander. Die viereckigen Hütten sind in den Urwaldgebieten üblich, während die runden schon den Mandingoeinfiuß erkennen lassen. Die Stadt ist mit vier Pallisaden umgeben. Diese Pallisaden sind aus starken Bambusstäben errichtet und mit dichten, eigens angepflanzten Dorngebüschen durchrankt. Sie sind fast 5 Meter hoch. Hinter jeder Pallisade sind Plattformen an- gebracht, auf denen die Schüben stehen, um die Stadt zu verteidigen. Vor und zwischen den Pallisaden sind Fall- gruben und Fußangeln, die aus spil?en im Feuer gehärteten Stäben bestehen, eingegraben. Auch in den Fallgruben findet man spi^e Stäbe, auf welche die Leute, die das Unglück haben, hineinzufallen, aufgespießt werden. Die Stadt hat drei Tore, so eng, daß gerade ein Mann sich hindurchzwängen kann. Die Tore werden mit festen Holzbohlen verschlossen. Sie sind im Zick-Zack angelegt, um zu verhindern, daß man vom ersten bis zum legten Tor hindurchschießen kann. Neben jedem Tor liegen trockene Bambus-Bündel aufgeschichtet. Zwischen jeder Pallisade gehen des Nachts je vier Posten, immer zwei zusammen, und zwar so, daß sie bei ihrem Rundgang um die Stadt sich an einem bestimmten Platte treffen. Sie gehen also vom Ausgangspunkt in entgegengese^ter Richtung fort. Ein Mann jedes Postens trägt ein brennendes Bambus- Bündel, das er an dem Treffpunkt mit dem ihm begegnen- den Posten austauscht. Sobald sie sich treffen, rufen sie den zwischen den anderen Pallisaden gehenden Posten an, der ihnen antwortet. Auf diese Weise ist es sofort fest- 158 HINEIN INS UNBEKANNTE zustellen, wenn ein Posten schläft oder ihm irgend etwas zugestoßen ist Sobald das erste Bambusbündel abgebrannt ist, nimmt der Wächter von dem an den Toren auf- geschichteten Haufen ein neues, welches er ansteckt und nun weiter trägt. Nähert sich dem Posten ein Fremder, so wird er genau wie in Europa angerufen „Yinde" (Halt wer da!). Dann muß er das Losungswort geben, welches aber scheinbar nur selten oder garnicht gewechselt wird. In Taquema war es Tawc, einfach der Name des Häupt- lings, und bei den Pesse sollte es Yakpau lauten, der Name des dortigen Führers. Als während des Weltkrieges deutsche Heerführer feindliche Städte belagerten und da- bei nur von drei Seiten zum Angriff übergingen und die vierte Seite oiTen ließen, glaubte man an eine neue Art der Kriegstührung. In Liberia ist es seit jeher so gewesen. Man läßt dort immer ein Tor frei, um den Frauen und Kindern Gelegenheit zu geben, sich in den Busch zu flüchten. Die Eingeborenen gehen dabei von der Ansicht aus, daß es viel leichter sei, eine Stadt einzunehmen, wenn den Verteidigern die Möglichkeit zur Flucht gegeben werde. Im Busch versteckt liegen dann auf der freien Seite kleinere Truppen, die die Fliehenden verfolgen, um möglichst viel Gefangene zu machen. Der Angriff auf eine Stadt ge- schieht immer morgens gegen vier Uhr und scheint sonder- barerweise in den meisten Fällen zu glücken. Feiglinge gibt es allenthalben, und beginnt erst die Flucht durch das offen gelassene Tor, so werden die zurückgebliebenen Krieger demoralisiert und folgen den Flüchtlingen. Vor dem Angriff ruft der Feind vier mal: Sesse ho ho! Die Pessc-Leute sind wie die Gola mit Vorderladern, Speeren, HINEIN INS UNBEKANNTE 139 vielfach auch noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Ihre gefährlichste und gefürchtetste Waffe ist aber das kurze Schwert, das sie beim Angriff an einem Riemen um das rechte Handgelenk tragen und mit großer Geschicklich- keit von unten nach oben zu gebrauchen wissen. Die Kwe-Pcsse standen unter ihrem berühmten Führer Nyak- palopae, der schon seit zwei Jahren mit der liberianischen Regierung und allen ihr befreundeten Stämmen im Kriege lag. Die vor Taquema liegenden Pesse wurden von einem Unterführer befehligt, dessen Namen ich leider ver- säumt habe testzustellen. Nyakpalopae hat es durch per- sönliche Tapferkeit verstanden, vom gewöhnlichen Soldaten zum Führer und König des gesamten Pesse-Stammes aufzusteigen. Von den Kwe-Pesse-Leuten erzählten die Gola die haarsträubendsten Geschichten, unter anderem auch, daß sie Kannibalen seien und ihre Gefangenen auffräßen. Dies ist aber nicht der Fall. Zwar gibt es im Hinterlande von Liberia verschiedene Stämme, so zum Beispiel die B a r 1 i n e und B u s s i , die noch heute Menschenfresser sind und Kriegsgefangene systematisch mästen. Soll ein Gefangener verzehrt werden, so geht jemand mit ihm zum Wasserholen, und während er sich bückt, um das Wasser zu schöpfen, schlagen ihn seine Begleiter mit Keulen zu Boden. Wie man mir erzählte, wird diese Todesart gewählt, um das Fleisch süß zu erhalten, denn, sagen sie, wenn der Mann weiß, daß er getötet werden soll, hat er große Angst, und dann behält das Fleisch nicht seine Frische. Eine hübsche Geschichte, für deren Wahrheit ich aber nicht bürgen möchte, trotjdem ich sie auch schon in ähnlicher 140 HINEIN INS UNBEKANNTE Form am Kongo gehört habe, ist folgende: Ein Barlinc oder Busse will ein Fest geben, zu dem er unbedingt Menschcnfleisch braucht. Gefangene sind nicht vorhanden, so muß er sich anderweitig umsehen. Er geht nun zu einem Freund, der eine alte Mutter oder Schwiegermutter hat, erzählt ihm von seinem beabsichtigten Fest und bittet ihn, ihm doch seine Mutter oder Schwiegermutter, die ja doch alt und unbrauchbar sei, für sein Fest zu schenken. Er sei gern bereit sich dafür zu revanchieren. Diese Bitte soll nie abgeschlagen werden. Er nimmt nun die Verwandte seines Freundes mit nach Hause, dort wird sie geschlachtet und verspeist. Nach einiger Zeit kommt nun der Freund, der ebenfalls Fleisch braucht, um sich für die geliehene Schwiegermutter eine andere Anverwandte zu holen. Es lebt sich doch schön in Afrika! Diese Geschichte ist mir verschiedentlich erzählt worden, jedoch muß ich die Verantwortung für die Wahrheit meinen Golafreunden überlassen. Nachdem ich die Stadt und die Verteidigungsanlagen besichtigt hatte, ließ ich mir von Tawe den Plat? anweisen, den ich mit meinen Soldaten im Falle eines Angriffes einzunehmen hatte. Nachdem ich so Tawes Wünschen in jeder Weise entgegengekommen war, begann ich mit ihm auch über meine Pläne und Wünsche zu sprechen. Er sagte mir seine Hilfe bereitwilligst zu, wenn der Krieg beendigt sei. Nach seinen Erzählungen sollten Zwerg- flußpferde, Elefanten und anderes Wild in der Umgegend und besonders am Lofa-Fluß häufig vorkommen. Am Abend mußte ich noch eine Zaubervorstellung geben, mit Grammophonmusikbegleitung. Nachdem ich bei meiner ^g '^t' '*°nJB ^P ^J Die erste Golaradlerin. Deh-Gola-Schönheiten Ein Bundumädclien aus dem Vey-Stamm nacli der Waschung (bis zu seiner Entlassung darf es kein baumwollenes Tuch am Körper fragen). Golafrau, welche sich aus irgend einem Grunde (Krankheit, Trauer) weif) ange- strichen hat. Sie ist nicht mehr im Bundubusch. HINEIN INS UNBEKANNTE 141 ersten Liberia-Reise den Aberglauben der Eingeborenen zur Genüge kennen gelernt hatte, kaufte ich mir während meiner Anwesenheit in Deutschland einen erstklassigen Zauberkasten und kam bald durch die Vorstellungen, die ich mit Hilfe Momoros, den ich in die Geheimnisse ein- geweiht hatte, gab, in den Ruf eines großen Fetischmannes. Ich bin überzeugt, daß dieser Zauberkasten nicht wenig zu meinen großen Erfolgen in Liberia beigetragen hat. Schade nur, daß keiner der eingeborenen Zauberer es wagte, mir seine Kunststücke zu zeigen; denn nachdem sie meine Kunst gesehen hatten, glaubten sie, daß ich sie sofort entlarven würde. Manchmal kam in dunkler Nacht heimlich ein eingeborener Zauberer zu mir, um unter größten Versprechungen zu versuchen, mir meine Geheim- nisse zu entlocken. Hier in Taqucma und auch in verschiedenen anderen Dörfern war es mir autgefallen, daß einige hochsdiwangere Frauen mit einem Fuß in einen kleinen Sklavenblock ein- geschlossen waren. Dieser Block ist aus einem Stück weichen Holz angefertigt, durch dessen Mitte ein Loch geschlagen wird, groß genug, um den Fuß hindurchzu- zwängen. Durch einen vorgetriebenen Keil wird der Block geschlossen, sodaß es unmöglich ist, den Fuß wieder herauszunehmen. Für Sklaven und Gefangene werden diese Blöcke aus schwerem harten Holz angefertigt, sodaß der Gefangene sich nicht mit demselben fortbewegen kann. In dem vorbeschriebenen Falle handelt es sich aber um einen leichten Block aus weichem Holz, mit dem die Frauen, wenn auch vorsichtig, sich doch von der Stelle bewegen können. Ueber diese Sitten sind die verschiedensten Er- 142 HINEIN INS UNBEKANNTE klärungen im Umlaufe. So behauptet z. B. Volz, die Frauen tragen den Block, weil sie hoflcn, daß hierdurch das Kind, welches sie unter dem Herzen tragen, so gut wird, dal? man nie nötig habe, es zur Strafe in den Block zu legen. Sie wollen also durch diese freiwillig auf sidi genommene Buße das noch ungeborene Kind von späteren Sünden erlösen. In Baffilo im Norden Togos trafen wir auf unserer leisten Reise eine schwangere Frau, die einen dicken Knüppel am Bein befestigt hatte, den sie beim Gehen mühselig hinter sich herschleppte. Auf die besorgte Frage meiner Frau, warum sie dies tue, wurde uns durch den Dolmetscher erklärt, daß es sich hier um eine Vor- sichtsmaßnahme handele, um die Frauen zu verhindern, eine unvorsichtige Bewegung zu machen, durch welche sie dem ungeborenen Kinde schaden könnte. Diese le^te Erklärung, die vollständig aus dem Stegreif gegeben wurde, erscheint mir nach allem, was ich in Afrika gesehen habe, als die Richtigste. Man soll es doch vermeiden, den Negern zu große ideale Gesinnung zuzuschreiben. Ich kann mir mit dem besten Willen nicht vorstellen, daß eine Negerfrau aus dem liberianischen Busch für ein noch ungeborenes Kind eine Sühne auf sich nimmt, und zu diesem Zwecke einen Sklavenblock trägt. Warum nach weitschweifenden Erklärungen in solchem Falle suchen. Ist es nicht menschenverständlich und zu gleicher Zeit rührend, daß eine Negerfrau, die an sich die Schwanger- schaft leicht übersteht, sich selbst durch ein unbequemes Hindernis ständig daran erinnert, daß sie ein Kind unter dem Herzen trägt und alles vermeiden muß, was ihm schon vor der Geburt schädlich sein könnte. HINEIN INS UNBEKANNTE 143 Die nächsten Tag^e benutzte ich zu kleinen Ausflügen nach dem Süden und Westen, die ja noch von den Pcsse trei waren. Als ich eines Abends nach Taquema zurück kam, fand ich das g-anzc Dorf in heller Aufregung. Die Boten mit meinem Gewehr waren zurückgekehrt, begleitet von einigen Pesseführern, die gekommen waren, um mit Tawe Frieden zu schließen. Am Abend kam der König zu mir, um mir mitzuteilen, daß ief?t nach dem Friedens- schluß sofort der Bundu-Bund eröffnet würde. GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA. Bunduleufel „Bucko" mit Schnurrbart und echten Menschenzähnen, Der Bundutcufel schuht sich mit der Pule gegen die Kamera. Entlassungsfeier des Bundubusches. Alle Mitglieder sind mit grünen Zweigen geschmückt. 145 GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA. Auf meinen früheren Afrikareisen waren mir die ver- schiedensten Fetischgebräuche bekannt geworden. Be- sonders im Walunda-Lande an der Wasserscheide des Kon9;o und Zambesi hatte ich die Macht der Fctischleute bewundert, aber Geheimbünde, die durch ihre glänzende Organisation beinahe mit Freimaurerlogen zu vergleichen sind, waren mir bisher nicht bekannt geworden. Dies findet zum Teil seine Erklärung darin, dal? diese Bünde in anderen von mir bereisten Teilen Afrikas nidit so an die Öffentlichkeit treten und mithin auch nicht solch ge- waltigen Einfluß auf das ganze Leben der Eingeborenen ausüben. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, daß es bisher noch keinem Europäer gelungen ist, in die inneren Geheimnisse dieser Bünde einzudringen. Und doch ist es möglich. Ich darf nach meinen Er- fahrungen wohl mit Bestimmtheit behaupten, daß einem Europäer, der lange genug unter den Gola-Leuten gelebt hat, keine Schwierigkeiten gemacht würden, in den Bund einzutreten, wenn er sich dem countrylaw, dem Landcs- geset? unterwerfen würde. Dies gilt gleich für Mann oder Frau. Daß ich vielleicht eine etwas tiefere Einsicht in die Geheimnisse des Bundu, oder wie die Gola es oft nannten, •Grigri-Busch, tun konnte, verdanke ich dem Umstand, daß ich Tawc Dadwe zu einem schnellen Friedensschluß gegen die Kwe-Pcsse verheilen konnte. 10 146 OEHEIMBÜNDE IN LIBERIA Sofort nach Beendigung der Feindseligkeiten konnte der Bundu seine Tagung beginnen, und da dies der Frauenbund ist, hatte ich mich besonders bei der holden Weib- lichkeit beliebt gemacht und durfte mancher Zeremonie bei- wohnen, die sonst vor dem Fremdling geheim gehalten wird. Der Bundu ist ein reiner Frauenorden, zu dem Männer unter keinen Umständen Zutritt erhalten. Im Poro, dem Männcrorden, können dagegen unter Umständen Frauen aufgenommen werden. Verschiedene andere Orden, von denen ich noch den Yassi erwähnen werde, sind dagegen gleichzeitig für Männer und Frauen. Der Bundu ist von allen Bunden zweifellos der mächtigste. Er ist eine stän- dige Einrichtung, hält aber aus leicht ersichtlichen Gründen nur in der Trockenzeit seine Tagungen ab. Sobald der ßundu beginnt, herrscht unbedingter Frieden. Kein Krieg Itann ausgefochten werden und kein feindlicher Stamm würde es wagen, den Frieden zu brechen, so groß ist die Furcht vor der Zauberkraft des Ordens. Die Tagungen des Bundes finden im dichten Busche statt. Hier wird ein freier Plal? geschlagen, der mit Matten, manchmal auch nur mit Lianenschnüren umgeben wird. Der Bundu fürchtet keine Überraschungen, denn wehe dem Mann, der es wagen würde, das Heiligtum zu betreten, oder die Frauen bei ihren Zeremonien zu beobachten. Sicherer Tod wäre die Folge, ohne daß jemand ahnen würde, was aus dem Schuldigen geworden ist. Auf keinen Fall würde es jemand wagen, darüber zu sprechen. Schon eine zu- fällige Annäherung wird mit schweren Geldstrafen belegt, unter Umständen kann der Schuldige auch als Sklave verkauft werden. GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA 147 Auf dem Plaf^e werden kleine Laubhütten errichtet, in denen die Zögiingfc wohnen, in erster Linie ist der Bundu-Busdi eine Erziehungsanstalt für junge Mädchen. Alle h-cigeborenen Mädchen müssen, Sklavinnen können Mitglieder des Ordens werden, werden aber nicht in die höheren Grade aufgenommen. Die Mädchen im ersten oder Aufnahmegrad heißen „B u m b w e - S o w e" im zweiten Grad „B ockb i n y a". Die Frauen im dritten und höchsten Grad, den nur einige wenige erreichen, heißen „Kinde". Erst im zweiten Grad können die Mädchen zu besonderen Funktionen herangezogen werden. Aus diesem Grad werden hauptsächlich die „Digbwa", die Boten gewählt. Im dritten Grad bekleiden dagegen alle Frauen hohe Acmfcr. Aus diesen „Kinde" wird auch die höchste Vorsteherin des Bundes, die „S o b w c" ge- wählt. Ein bestimmtes Alter zur Aufnahme gibt es nicht, Bedingung ist nur, daß die Eltern, der Bräutigam oder sogar der Mann, das Eintrittsgeld bezahlen. Das Durch- schnittsalter liegt jedoch zwischen acht bis fünfzehn Jahren. Die Aufnahmegebühren betragen ungefähr den Wert von £ 3 in Waren, richten sich aber nach den Vermögensver- hältnissen der Angehörigen. Sie sind höher für eine Jungfrau als für ein älteres Mädchen oder eine verheiratete Frau. Der wichtigste Akt, der möglichst bald nach der Aufnahme erfolgt, ist die Beschneidung (Clitoris). (An- merkung: Die Beschneidung der Frauen ist auch bei den Völkern im nördlichen Sudan üblich. Unter anderem erwähnt diese Sitte Dr. Nachtigall bei den Wadawa (Wadai). Es wäre interessant, festzustellen, ob die Sitte vom nörd- lichen Sudan ausgehend nach Liberia gelangt ist, oder ob 10* 148 GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA sie dort von jeher heimisch war). Während dieser Zeremonie, die in einer der Laubhütten vorgenommen wird, tanzen und singen die anwesenden Mitglieder zum Schlag der Trommeln und schütteln den Gcdc, einen kleinen langhal- sigen Kürbis, der mit harten Samenkörnern, die auf Bind- faden gezogen sind, lose umgeben ist. Durch den Lärm des Tanzes sollen die Schmerzenslaute des Opfers über- tönt werden. Der operierte Teil wird getrocknet, mit Heilkräutern vermischt in ein kleines Ledertäschchen genäht und als Amulett getragen. Die Zeichen des Ordens werden auf den Leib tätowiert. Sic sind in jedem Grade verschieden. Vor dem Eintritt in den Bundu hat das Mädchen keinen Eigennamen, sondern heißt nach irgend einem Gegenstand, wie z. B. Stein, Holz, Blume; erst nach der Beschneidung erhält es einen Namen. Die Erziehung der Mädchen er- streckt sich auf alle weiblichen Pflichten, Geburtshilfe, Verwendung von Heilkräutern, besonders solcher, die bei künstlichen Aborten verwendet werden. Besonderer Wert wird aber auf den Tanz gelegt. Tag und Nacht hört man während der Tagung des Bundu die langgezogenen, wim- mernden Töne, die die Mädchen während des Tanzes singen. Solange der Bund tagt, dürfen die Mädchen, die noch nicht entlassen sind, keine baumwollenen Tücher tragen. Als einzige Bekleidung dienen ihnen breite Gürtel aus Perlschnüren, die aus zerschlagenen und polierten Palm- kernen oder aus einem harten Rohr gemacht werden. Diese Silte scheint allerdings in neuerer Zeit nicht mehr so streng genommen zu werden. Sobald die neu aufgenommenen Mädchen in die Ge- heimnisse des ersten Grades eingeweiht sind, erscheint Bundu-Mädchcn mit zwei Kinde oder Hauplfrauen (Deh-Gola). GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA 149 eines Abends der Bundu-Teufel, gefolgl von einer Reihe Bockbinya (2, Grad) und den Kinde (3. Grad) in der Stadt und verkündet, daß der Bundu die Stadt am nächsten Abend besuchen werde. Die Besuche des Bundu finden fast aussdiiießiich während des Vollmondes statt. Der Bundu-Teufel ist in ein Gewand aus schwarz- gefärbten Fasern gekleidet, die auf Eingeborenen -Tuch genäht sind. Auf dem Kopfe trägt er eine Holzmaske, deren Mund häufig mit echten Menschenzähnen geschmückt ist. Diese Zähne sollen von Männern herstammen, die von dem Teufel getötet wurden. Kein Teil des Körpers darf sichtbar sein. Die Enden der Ärmel und Hosen sind zugenäht. In der Neuzeit wird auch europäisches Tuch verwandt, und an den Füßen der Teufel prangen häufig die schönsten Kommißstiefel. Daß für den Europäer ein solcher Teufel mehr grotesk als schreckenerregend ist, läßt sich wohl denken. In der Hand trägt er eine Rute, mit der er Zeichen gibt. Diese Zeichen werden von der Soodji, der Dolmetscherin, übersetzt. Nie spricht er selbst, denn niemand darf auch nur ahnen, wer der Teufel sein kann. Die Soodji trägt eine Matte, die sie sofort vor dem Teufel ausbreitet, wenn sich bei den Tänzen, die derselbe ausführt (gegen die die Bewegungen eines Nil- pferdes graziös sind), ein Teil der Kleidung verschiebt, oder derselbe, um Luft zu schöpfen, die Maske lüften will. Der Name des Hauptteufels richtet sich stets nach dem Poronamen des Häupfiings, er hieß in Taquema Buko, der Poro-Name Tawe Dadwe's. — Die Rute des Teufels ist der mächtigste Fetisch des Landes. Es genügt, daß er nur mit der Rute auf einen Mann zeigt, um seinen Toi 150 CEHEIMBÜNDE IN LIBERIA herbeizuführen. Der Glaube an diesen Fetisch ist bei den Eingeborenen Liberias so groß, daß ein Mann durch reine Autosuggestion zugrunde gehen würde, wenn der Teufel ihn mit der Rute verwünsditc. Am nächsten Abend erscheint nun der Bundu in der Stadt, geführt von der Vorsteherin, der Sobwe. Ihr folgt der Teufel mit den begleitenden Digbwa, die fast alle mit der Gede, dem Musikinstrument, bewaffnet sind. Die Mattenlrägerin und Dolmetscherin bleibt immer in der Nähe des Teufels, aber immer in einem solchen Absland, daß eine körperliche Berührung möglichst vermieden wird. Dann folgen die Zöglinge unter der Aufsicht der Kinde. Die Zöglinge (Bumbwe Sowe) erscheinen weiß angemalt. Zu diesem weißen Anstrich wird eine mit Fett vermischte weiße Tonerde verwandt. Bei den Vey- und Mende-Leuten dürfen die Zöglinge die Stadt nicht betreten, sondern müssen ihre Tänze außerhalb ausführen. Bei den Gola dagegen kamen sie während meiner Anwesenheit häufig in die Stadt, um vor dem Palaverhaus auf dem freien Pla1?e zu tanzen. Die Zöglinge müssen immer in geduckter Haltung gehen und dürfen, auch wenn sie sich niedersetzen, ihre Blicke nicht aufschlagen. Während des Tanzes sind sie von dieser Vorschrift entbunden. Es ist ein phantastisches Bild, im hellen Schein des afrikanischen Mondes diese schneeweiß gestrichenen Mädchenkörper zwischen den ebenholzfarbigen der älteren Frauen im wilden Tanze herumwirbeln zu sehen. Ohren- betäubend der Schall der Trommeln, das Ratteln der Gede und der eigentümliche, langgezogene Gesang der Mädchen, Nach einigen gemeinschaftlichen Tänzen treten besonders GEHEIMBÜNDE IN LIBERIA 151 geschickte Tänzerinnen hervor, die einzeln oder in Paaren im Kreise ihre Kunst zeigten. Hat eine Tänzerin durcli besondere Geschici 3 1 Das erste von einem Europäer, dem Verfasser, erlegte Zwergflußpferd. Zwergflußpferd in der Fanggrubc. Verfasser mit Transportkorb an einer Grube, in der sich ein ZwergfluDpfcrd gefangen hat. IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 175 in der Aufregung gctäuschf." Ich fühllc, daß man mir überhaupt nicht glaubte, denn wenn er wirtciich ein Tier gesehen, sagten sich die klugen Leute, hätte solch ein passionierter Jäger sicher geschossen. Die langen Monate hindurch halte ich einen schier verzweifelten Kampf geführt. Bitterer Haß hatte sich mir ins Herz gefressen. Wer die Einsamkeit kennt, weiß, was es heißt, allein zu kämpfen und zu ringen, einem Phantom nachzujagen! Allein saß ich abends an meinem Lagerfeuer. Ideen kamen und gingen. Pläne, kaum geboren, wurden verworfen, Hoff- nungen begraben, bevor sie entstanden. Und keinen Menschen, der mich verstand, nicht hier, nicht in der Heimat. „Er läuft einem Tier nach, das es nicht gibt", sagte man dort, wenn jemand nach mir fragtet Die übcr- spannlen Nerven ließen nachts den Schlaf fliehen. Ich konnte nicht schreiben, mochte nicht lesen. Ich stand wie erstarrt. Er sprang auf mich zu wie ein wildes Tier, packte mich und rüttelte mich bis ins Innerste, der Ruf: „Massa dem Mwe done catch." — Ich flüchtete in mein Zelt. Brach zusammen. Flog wie in Fieberschauern. Dann kamen mir die Tränen, mir, dem harten afrikanischen Großwiidjäger. Bwakukama weinte. Lächerlich, nicht wahr? — Aber die überspannten Nerven verlangten gebieterisch ihr Recht. Es dauerte Minuten, bis ich mich sammeln und heraustreten konnte zu meinen vor Freude und Aufregung zitternden Leuten. Wie hatte ich mich auf diesen Tag gefreut, um den ich ein Jahr ge- kämpft und gerungen. Aber keine Freude wollte auf- kommen, nur ein bitteres Gefühl der Genugtuung den Zweiflern gegenüber, die an meine Worte nicht geglaubt 174 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS halfen. Doch als ich meine braven Schwarzen sah, die mich strahlenden Auges umdrängten, als mein treuer Jäger Momoro mir immer und immer wieder die Hand schüttelte und mich beglückwünschte, schmolz alle Bitter- keit wie Eis in der Sonne. Was mir meine Landsleute versagten, gabt ihr mir, ihr einfachen Kinder des Urwaldes. Ihr schenktet mir Vertrauen. Unermüdlich seid ihr mir ge- folgt. Nicht einen Augenblick habt ihr daran gezweifelt, da.'} wir unser Ziel erreichen würden. Dabei kanntet ihr am besten die Schwierigkeifen, die wir zu überwinden hatten, die den klugen Leuten in ihren bequemen Sesseln in Europa so klein erscheinen. Euch verdanke ich meinen Erfolg! Nodi am selben Abend marschierte Momoro ab, der brave Kerl, der Leid und Freud mit mir teilte. Man muß verstehen, was es für einen abergläubischen Vey- Mann heißt, nachts durch den Urwald zu reisen, um die Tat recht zu würdigen. Nach schlafloser Nacht brach ich am nächsten Tage noch vor Morgengrauen auf. Dichter Nebel lag über dem Urwald, kroch zwischen den Bäumen dahin, schmiegte sich an einen Baum, umarmte ihn, um dann plötzlich in Nichts zu zerfließen. Auch uns umfingen die Nebclgeister, umarmten uns, daß uns vor Kälte und Nässe schauderte. Wir marschierten quer durch den Urwald, auf Elefanten- pfaden und alten Kriegswegen der Gola, die nur noch wenige Leute kannten. Still und schweigsam schritten wir dahin, bis die Sonne aufstieg, die bösen Schatten ver- scheuchte und uns mit der Wärme auch den Frohsinn zu- IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 17& rückgab. Wir marschierten und marschierten ohne Rast und ohne Pause und erreichten nach fünf Stunden Tindoa. Wir wurden über den Fluß gesetzt, kamen in die Stadt, wo mich schon Leute erwarteten, die mich weifer führten und auf der anderen Seite der Insel wieder über den Fluß selten, und bald darauf stand ich vor der Grube, in der das Zwergflußpferd gefangen war. Momoro hatte schon Leute ausgeschickt, und rings im Walde klangen Äxte, die Bäume fällten, um die Umzäunung anzulegen. Die Grube, in der das Tier lag, war mit dicken Baumstämmen bedeckt, damit es nicht wieder heraus konnte, wie es schon so oft geschehen war. Ein junger Halblibcrlancr namens Henry L. Sherman, den ich angestellt hatte, um in der Umgegend von Tindoa Gruben für midi anzulegen, hatte das Tier gefangen. Ihm gebührt die Ehre, das erste Zwergflußpferd gefangen zu haben, das je nach Europa gekommen ist. Mit den Eingeborenen zusammen hat er gearbeitet und die Grube angelegt. Die Leute hatten Zaubcrmittel gebraucht, und denen schrieben sie den Erfolg zu. Keiner der Leute, der an der Grube gegraben hatte, durfte die Nacht vor dieser Arbeit mit seiner Frau zu- bringen. Dies ist übrigens ein Aberglauben, den ich bei den meisten Elcfanfenjägern in Afrika gefunden habe. Der Jäger muß in der Nacht vor der Jagd enthaltsam sein. Betrügt ihn eine seiner Frauen, während er im Busche auf Elefantenjagd ist, bedeutet es für ihn den sicheren Tod. Ich ließ vorsichtig einige Bohlen abnehmen, um mir das Tier zu besehen. Es war ein schönes, ausgewachsenes junges Männchen. Hier stand ich nun vor einem Tiere, das vor mir noch nie lebend von einem Europäer gesehen 176 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS worden war. Viele Expeditionen mit groDen Mitteln waren ausgeschiciif worden, das Tier zu fangen. Den wenigsten dieser Expeditionen war es überhaupt geglückt, ins Innere vorzudringen. Der frühere Hagenbecksche Tierwärter Schulz, der in der Gefangenschaft während des Weltkrieges mit Unterstü^ung des Zoologen Eduard Eloen ein Buch schrieb, behauptete zwar, er wäre dem Tiere auf der Spur gewesen. Ich mut? hier ausdrücklich feststellen, daß Herr Schulz nie in das Innere von Liberia eingedrungen ist. Es ist möglich, daß er während seiner Anwesenheit an der liberianischen Küste, wo er für Hagenbeck Tiere auf- kaufte, von dem Vorkommen des Zwergflußpferdes gehört hat. Mich wundert nur, daß Hagenbeck, der mir doch alle Informationen zur Verfügung stellte, nicht davon er- zählte. Es wäre zu empfehlen gewesen, wenn sidi Herr Schulz vor Bearbeitung seines Buches etwas mit der afrikanischen Literatur vertraut gemacht hätte. Er erhebt zum Beispiel Anspruch darauf, Entdecker des Jonstons Gnu (Connochaetes johnstoni) in Deutsch-Ost- Afrika zu sein. In meinem schon 1910 erschienenen Buch „Wild und Wilde im Herzen Afrikas" bradite ich bereits eine Abbildung gerade dieses Gnu, ohne natürlich daran zu denken, Anspruch auf die Entdeckung zu machen, denn schon der Name johnstoni besagt zur Genüge, daß es von Sir Harry Johnsfon ent- deckt wurde. Die von Schulz später beschriebene Film- expedition wurde einzig und allein von meinem leider ganz im Anfang des Weltkrieges gefallenen Freunde Robert Schumann geführt, der allerdings eine Zeit lang mit Herrn Schulz zusammen reiste. Die Negative sind noch heute Eigentum der Gesellschaft resp. von derselben an die Ufa IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 177 abgetreten. Einem Toten auf diese Weise seine Verdienste zu schmälern, ist beschämend. Auch mir war bei meiner Ankunft in Monrovia nur Schlechtes prophezeit worden. Wie ich schon erwähnte, hieß es allgemein, es existierten überhaupt keine Zwergfluß- pferde und ins Innere des Landes einzudringen wäre ohne größere bewaffnete Macht unmöglich. Einige Zeit vor mir habe ein Ocsterrcichcr versucht ins Gola-Land einzu- dringen. Er sei jedoch von den Leuten ausgeplündert und halb totgeschlagen in einem erbärmlichen Zustande wieder an der Küste angelangt. Daß mich die Neger verprügelten, wagte ich zu bezweifeln. Andererseits war es natürlich möglich, daß sie mich überfallen könnten und ich dabei im Kampfe mein Leben lassen würde. Die Hauptfrage, welche alle Leute an mich stellten, war, wie es mir denn möglich sein würde, ein Zwergfluß- pferd, das ja, nebenbei gesagt, garnicht existiere, wenn ich es erst gefangen hätte, aus der Grube herauszube- kommen. Wie einfach dies war, wird sich ja herausstellen. Das gefangene Tier verhielt sich äußerst ruhig. Mit seinen kleinen Augen guckte es mich treuherzig an. Ich war sehr erstaunt, es so vernünftig zu sehen. Einige Kassada- wurzeln, die sich die Leute zum Kochen geholt hatten, lagen umher. Im Scherz nahm ich eine Wurzel, spießte sie auf einen Stock und hielt sie dem Tier vor die Nase. Und nun geschah ein Wunder. Ich erwartete, daß es wütend auf den Stock losfahren würde, aber nein. Ruhig beschnupperte es die Kassadawurzcl und fing dann zu meinem allergrößten Erstaunen an, dieselbe in aller Ruhe zu verzehren. Eine zweite und dritte folgte. Es verzehrte 12 178 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS sie alle. So etwas hatte ich in meiner langen Praxis noch nicht erlebt. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Denn an sich ist ja das Fangen wilder Tiere noch nicht das Schwerste, viel sdiwcrcr dagegen, sie zu bewegen, Futter zu nehmen und das richtige Futter für sie zu finden. Den ganzen Tag arbeiteten wir an einer festen Umzäunung der Grube. Gegen Abend war sie fertig. Jc^t ließ ich vor der Nase des Tieres Pfähle eintreiben, die nur oben lose von den Leuten gehalten wurden. Vor diesen Pfählen gruben wir nun eine schräge Fläche ab, auf der das Tier bequem heraussteigen konnte. Dann wurden die Pfähle hochgezogen. Wir stiegen über die Palisade. Ich schickte die Leute fort und blieb ruhig si^cn, um das Tier zu be- obachten. Als es den Weg vor sich frei fand, kam es langsam herausspaziert. Ruhig besah es sich seine neue Wohnung. Ich hatte geschnittene Kassaden und Haufen grüner Blätter der süßen Kartoffel hinwerfen lassen. So- fort fing es in aller Ruhe an zu futtern. Mein Zelt hatte idi dicht an den Kraal hcranbauen lassen. Sobald sich das Tier in der Nacht bewegte oder versuchte, einen Aus- gang aus der Umzäunung zu finden, stand idi auf. Ich fürchtete, daß es, wie die meisten gefangenen Tiere ängst- lich herauslaufen und vielleicht versuchen würde, mit dem Kopf gegen die Palisaden zu rennen. Aber nichts der- gleichen gesdiah. Nachdem es sich satt gefressen und eingesehen hafte, daß es keinen Ausweg gab, kehrte es ruhig in seine Grube zurück und legte sich sdilafen. Den ganzen nächsten Tag saß ich und beobaditetc das Tier. Es schien gegen die Sonne sehr cmpfindlidi. Sobald es herauskam, bildete sich ein schleimiger weißer IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 179 Schaum auf seinem Körper. Als ich das sah, fiel mir die Geschichte ein, die mir allenthalben von den Eingeborenen erzählt wurde, sowohl am Duquca-Fluß wie im Gola- Landc und die ich eigentlich für ein Märchen gehalten hatte, tro^dcm sie mir von Eingeborenen erzählt wurde, die nie mit einander in Berührung kamen. „Manchmal", so erzählten sie mir, „finden wir im Busch das Zwerg- flußpferd schlafend. Es schläft ganz fest und hat sich dann über und über mit einem weißen Schaum bedeckt, so daß man von dem Tiere selbst nichts sieht. Wenn es so schläft, kann man ganz nahe herangehen, kann es sogar berühren und den Busch rund herum mit Äxten wegschlagen, ohne daß es aufwacht." Ueber die Gewohnheiten des Zwergflußpferdes war in Europa so gut wie nichts bekannt. Im Jahre 1844 be- stimmte der Amerikaner Dr. Samuel G. Morten den Schädel eines der Wissenschaft unbekannten Tieres, dem er den Namen Choroepsis liberiensis beilegte, was für die Welt eine neue Entdeckung bedeutete. Blättert man aber in der Geschichte Liberias, findet man in dem Buche des Holländers Dr. Dapper, welches im Jahre 1688 erschien und die Erforschung der Westküste Afrikas behandelt, in der Beschreibung der Tierwelt Liberias — der damaligen PlefTerküste — die Schilderung von drei Schweinearten. Aus diesen Schilderungen sind das Pinselohrschwein (potamochoerus pencillafus) und das Warzenschwein (phacochoerus aethiopicus) sofort erkenntlich. Er erzählt ferner von einem riesigen schwarzen Schwein, das von den Eingeborenen sehr gefürchtet ist und dessen Zähne so scharf sind, daß sie alles glatt durchbeißen. Wenn nun 12* 180 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS auch in Liberia sicher das Pinselohr- und das Warzen- schwein und vielleicht auch noch das Riesen-Waldschwein (hylochoerus Meiner^hageni) vorkommen — von letzterem will der Engländer M. Pye Smith von den Eingeborenen gehört haben — so ist doch keine dieser Schweinearten dem Menschen gefährlich oder hat ein Gebiß, wie Dapper es schilderL Meiner sicheren Ucberzeugung nach kann hiernur das Zwergflußpferd (choroepsis liberiensis) gemeint sein. Die Gola-Leute beschrieben mir das Zwergflußpferd immer folgendermaßen: „Him be big past pig, but him be pig and love water, but him be saucy too much, we all fear him for true. Him teeth be like knife, he fit to bite man in two one time." (Es ist größer als ein Schwein, aber es ist ein Schwein und hält sich mit Vorliebe im Wasser auf, ist sehr gefährlich und wir alle fürchten es außerordentlich. Seine Zähne sind wie ein Messer und es kann einen Menschen glatt durchbeißen). Diese Be- schreibung im Jahre 1686 gemacht, als man noch nicht an die Existenz des Zwergflußptcrdes dachte, würde doch sicher- lich die Vermutung hervorgerufen haben, daß es sich um ein Riesenschwein handle. So ist also eigentlich die Ent- deckung des Zwergflußpferdes, wenn sie auch nicht auf wissenschaftlicher Basis beruhte, schon auf das Jahr 1686 zurückzuführen. Das Verdienst, dieses seltene Tier der Wissenschaft bekannt zu machen, erwarben sich der deutsche Forscher Schweizer und später der bekannte Liberia-Forscher Bütti- kofer, denen es gelang, einige von den Eingeborenen erlegte Exemplare europäischen Museen zuzuführen, wenn sie selbst auch das Tier nicht lebendig zu Gesicht bekamen. IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 181 Ein wahrheitsgetreues Bild des ZwcrgflufJpferdes konnte man sich aber trotzdem noch nicht machen. Die verschie- denen ausgestopften Exemplare in den europäischen Mu- seen weichen ganz entschieden von der wahren Form ab, da eben noch kein lebendes Exemplar als Muster dienen konnte. Nach Büttikofer geriet das ZwergflulJpferd vollständig in Vergessenheit, sodaß man sogar annahm, es sei, wie viele andere Vertreter der afrikanischen Fauna, ausge- storben. Ich habe die Beobachtung gemacht, daß das Zwerg- flu[?pferd einzeln oder paarweise durch den Wald streift. In der Trockenheit zieht es sich am Tage in Höhlen zu- rück, die vom Wasser unter den Ufern ausgewaschen sind. Das Tier erweitert sie zu einem bequemen und kühlen Ruheplap. Ich habe derartige Höhlen zwanzig Schritt von dem Flußlauf entfernt gefunden. Das eine Zwergflußpferd, das ich geschossen habe, fand ich in einer solchen Höhle. Alle Höhlen, die ich gesehen habe, hatten einen Eingang, der nach dem Wasser zu lag und einen Ausgang, der auf der Höhe des Flußufers mündete. Nach meinen Erfahrungen darf ich ruhig behaupten, daß das Zwergflußpferd in der Regenzeit überhaupt nur dann ins Wasser geht, wenn es einen Fluß oder Bach überschreiten muß. Tagsüber schläft es in dunklen Verstecken im dichten Wald, meist auf er- höhtem Terrain, weit entfernt vom Wasser. Das Zwergflußpferd ist viel geschickter im Graben als sein großer Vetter, da sich dieser nur mit Gras und Kräutern begnügt. Wenn man die Schneidezähne des Zwergfluß- pferdes betrachtet, so sieht man, daß sie fast immer un- 182 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS gleichmäßig durch eine harte Masse abgenu(jt sind und dies kann nur durch Sand oder Erde geschehen, in der das Tier nach Wurzeln gräbt. Das Zwergflußpferd ver- schmäht die zarten Schößlinge der jungen Rcispflanzen nicht, aber seine Lieblingsnahrung in den Plantagen der Eingeborenen ist doch Cassada (manihot ultissima pol.)- Die Jungen werden zu Anfang der Trockenzeit, im November oder Dezember, geboren und werden zu dieser Zeit manchmal von den eingebornen Frauen beim Fischen gefangen. Die Jungen bleiben bis zum dritten Jahr bei der Mutter. Wie die jungen Elefanten, Rhinoceros' und gewöhnlichen Flußpferde gehen die jungen Zwergflußpferde stets vor ihrer Mutter her. Wie bei allen Dickhäutern wird immer nur ein Junges geboren. Die Eingeborenen fürchten die Zwergflußpferde sehr. Der König der Gola-Leutc, Tawe Dadwe, erzählte mir, daß eingeborene Jäger häufig bös von den „Mwes" zu- gerichtet und manchmal sogar getötet werden. Das Zwergflußpferd ist nicht nur über den liberia- nischen Küstenstreifen verbreitet, sondern kommt auch an den Grenzen des französischen Sudan vor, kurz, in allen waldreichen Gegenden Liberias. Dort findet man es über- all, jedoch scheinbar nirgends in größerer Anzahl. Wie weit sich sein Vorkommen in das angrenzende Sierra Leone und die französische Elfenbein-Küste hinein erstreckt, entzieht sich meiner Kenntnis. Wie leicht ist es in Ost-Afrika ein großes Flußpferd zu fangen. Dort liegen sie in den Tümpeln der sonst ausgetrockneten Flüsse, und tief ausgetretene Wechsel IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 183 zeigen deutlich die Stellen, an welchen die Tiere nachts aus dem Wasser zur Aesung- herauskommen. Das liberianische Zwergflußpferd dagegen hat keinen bestimmten Ruhcpla|?. Es streift durch den Wald wie ein Elefant und benu^t nur selten zweimal den gleichen Wechsel. Manchmal dauerte es Tage, che ich einen geeigneten Pla^ für eine Grube fand. Während jedoch beim großen Flußpferd die eigent- lichen Schwierigkeifen erst nach der Gefangennahme be- ginnen, ist das Schwerste überwunden, wenn das Zwerg- flußpferd einmal gefangen ist. Der Transport eines großen „Hippos" ist unglaublich schwierig. Das Tier ist so dumm und bösartig, daß es jedes Hindernis umzurennen sucht. Selbst im Transportkorb auf dem Wege nach Europa tobt es noch wild umher, rennt gegen die Eisenstäbe und verschiebt den Korb während einer Nacht manchmal mehrere Meter weit. Das Zwergflußpferd dagegen ist ein vernünftiges liebes, kleines Tier. Der einzige Versuch, den es macht, seine Freiheit wieder zu erlangen, ist, an den Wänden des Kraals hinaufzuklettern. Es ähnelt in seinem Wesen eigent- lich mehr einem Tapir. Am nächsten Tage begann ich mit Zähmungsversuchen. Mit einem dicken Stabe in der Linken und einer guten Peitsche in der Rechten begab ich mich in den Kraal. Sobald ich dem Tiere nahe kam, nahm es mich wütend an. Ich ließ es dann auf den Stab beißen, während ich ihm mit der Peitsche einige kräftige Hiebe verseife. Einige Male kam es allerdings vor, daß es mich durch seine Schwere an die Wand drückte, die ich schleunigst erklettern mußte, um seinen Zähnen zu entgehen. Ich halte das 184 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS Zwergflußpferd geistig für bedeutend höher stehend als seinen großen Vetter. Schon am zweiten Tage ließ es mich ruhig herankommen. Ich konnte es anrühren, ohne daß es versuchte, mich zu beißen. Und nach wenigen Tagen war es ganz zahm und fraß mir aus der Hand. Dadurch, daß es mir gelang, das Zwergflußpferd zu zähmen, erhöhte sich bei den Gola-Leuten mein Ruf als Zauberer. Dies kam mir später sehr zu statten. Wir haften den Kraal nicht stark genug gebaut, und eines Tages wäre mir mein wertvolles Tier um ein Haar entwichen. Ich war allein im Lager. Meine Leute hatten um Urlaub gebeten, um auf die Insel, in das DorfTindoa zu gehen. Ich saß in meinem Zelte und schrieb. Da be- merkte ich plö^lich, wie sich das Tier am Gitter auf die Hinterbeine stellte und versuchte, mit seinem Kopf die Pfähle auseinanderzustoßen. Zu meinem Schrecken sah ich, daß es ihm gelang. Sofort sprang ich hinzu. Schon hatte es den Kopf durch die Stäbe gezwängt, und wo ein Tier einmal seinen Kopf durchbekommt, bekommt es bekanntlich immer den Körper nach. Ich schlug es je^f so lange mit der Faust auf die Nase, bis es sich zurückzog. Aber nachdem es einmal gemerkt hatte, daß eine Möglichkeit da war, den Kraal zu durchbrechen, versuchte es dies immer und immer wieder. Ich verlebte böse Stunden, bis meine Leute wiederkamen. Dann machten wir uns sofort daran, den Kraal zu verstärken. Ein Bote kam von Macca mit der freudigen Mitteilung, daß dort ein zweites, ganz junges Tier gefangen sei. Sofort machte sich Momoro auf. Auch ich beschloß, nach Macca zurückzukehren, um dort eine Sammelstation an- Junge Zwergflußpferde nach der Zähmung. Zwergflußpferde in Macca. Der Verfasser mit dem in Tindoa gefangenen Zwergflußpferd in Europa. IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 185 zulegen. Als idi anlangte, fand ich, dal} Momoro das kleine Tierchen schon dorthin gebracht hatte. Er hatte es mit Netzen aus der Grube geholt und an einen Stoci< ge- bunden, der von zwei Trägern getragen wurde. Er erzählte mir, daß es nach Macca gereist sei wie ein Häuptling, denn Häuptlinge im Gola-Lande reisen immer in einer Hängematte. Er hatte einen hübschen Kraal errichtet, mit einem Wasserloch, über das er ein Palmdach gebaut hatte. Es war ein allerliebstes junges Weibchen, ungefähr sechs Monate alt. Ich ging in den Kraal, um es zu begrüßen. Da fuhr der kleine Satan wie besessen auf mich los. Es hatte schon hübsche, scharfe Zähne. Nur dadurch, daß ich im leisten Augenblick einen Sack mit Grünfutter ergreifen konnte, den ich ihm vor die Schnauze hielt, ge- lang es mir, über die Barriere zu entkommen. Den Sack riß es wie besessen in Stücke. So klein es war, hätte es mich bös zurichten können. Der große Bulle in Tindoa hatte sich nie so wahnsinnig benommen. Wenn er mich auch einige Male annahm, er behielt immer seine Ruhe. Aber dafür war dies ja auch ein Weibchen und Frauen sind ja immer unberechenbar. Das Geschäft blühte. Schon nach wenigen Tagen erhielt ich die Meldung, daß bei Gong-Town der dortige Häuptling Gongzoo ein weiteres Tier gefangen habe. So- fort marschierte ich dort hin. Es war ein junger Bulle, nicht ganz so groß, wie der bei Tindoa gefangene. In Macca hatte ich inzwischen eine Reihe fester Kraale an- gelegt und mit Wasserlöchern versehen, die Dächer gegen die Sonne bekamen. Ich beschloß jet?t, das in Gong-Town gefangene Tier sofort nach Macca zu bringen. 186 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS Gongzoo sagte mir Träger zu. An Ort und Stelle bauten wir einen Transportkorb, genau nach dem Muster eines afrii herauskam, erlegte, waren die Ne^e natürlich nicht zur Stelle. An die Tür des Korbes band ich oben und unten je einen langen Strick, die ich auf der anderen Seite durch das Geflecht durchführte. Auf diese Weise konnte ich die Tür von oben schließen, ohne daß einer der Leute in die Grube hineinbrauchte. Bevor ich daran ging, das gefangene Tier in den Korb zu bringen, ließ ich vorsichtshalber erst wieder einen Kraal um die Grube hcrumbauen In der Grube selbst kann sich das Tier nicht umdrehen. Vor seine Nase ließ ich wieder Pfähle einrammen. Dann wurde der vordere Teil der Grube abgeschrägt und der Korb hinuntergezogen. Nun zogen wir die Pfähle hoch und sdioben den Korb herab, so daß das Tier, ob es wollte oder nicht, hinein mußte. Es fiel hinein, da wir ihm ja die Vorderfüße unter dem Leib fortschoben. Als es beinahe im Korbe war, zogen wir die Tür von oben zu. Es fühlte sich von hinten geschoben und ging auch ganz IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 187 ruhigr hinein. Nun wurde der Korb herausgeholt, die Tür fest verschnürt und dann das Ne^ auch hinten drüber gebunden. Mit meinen Leuten brachte ich das Tier ins Dorf und bat Gongzoo um die versprochenen Träger. Er machte Ausflüchte, Iro^dem er sie mir zugesagt hatte. Es wären keine Träger da. Die Leute wären alle auf den Feldern. Dabei saßen mindestens zweihundert kräftige Männer um ihn herum. Ich mußte das Tier sofort nach Macca bringen, denn auf unbestimmte Zeit konnte ich nicht wagen, es im Korb zu lassen. Ich mußte noch einmal im Gola-Lande Poker spielen, mit nichts in der Hand einen großen Bluff wagen. Mit dem Revolver in der Rechten holte ich mir Gongzoo aus seinen Leuten heraus. „Was", sagte ich, „Du wagst es, Bwakukama Träger zu verweigern? Weißt Du nicht, wie ich mit Deinem Herrn, dem mächtigen König Tawe verfahren bin? Du bist kein König, denn nur ein Sklave bricht sein Wort. Ich brenne Dein Dorf nieder und Dich hänge ich an den nächsten Baum." Freudestrahlend machte Momoro einen Strick fertig. Er, der Veymann, war immer selig, wenn ich einen Gola-Häuptling demütigte. Mein Bluf! half. In einigen Minuten waren die Träger zur Stelle. Sicherheits- halber befahl ich Gongzoo, mich bis Macca zu begleiten. Schon am nächsten Abend hatte ich die Freude, mein Tier wohlbehalten in seinem neuen Kraal herumspazieren zu sehen. Nach einigen Tagen marschierte ich nach Tin- doa, um auch das dort gefangene Tier nach Macca zu überführen. Während in Tindoa der Korb gebaut wurde, marschierte ich weiter nach Yangaia, um dort nach dem rechten zu sehen. Meine Karawane war vor mir ab- 188 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS marschiert. Ich folgte auf dem Rade. In einem kleinen Weiler (Halftown) fand ich meinen Koch in einem erregten Palaver mit einem Eingeborenen. Sie stritten sich um ein Huhn. Mein Koch erklärte mir, er habe das Huhn gekauft, jeht wolle es der Mann wieder haben. Der Eingeborene, ein auffallend langer, frech aussehender Gola-Mann, be- stätigte, daU er das Huhn verkauft habe, habe aber seine Meinung geändert und verlange es zurück. Auch Gongzoo, den ich dort zufällig auf seinem Wege nach Taquema traf, war bei dem Verkauf zugegen gewesen. Ich hielt das Huhn in der Hand. Plö^Iich sprang der Eingeborene auf mich zu und versuchte, es mir zu entreißen. Das war zu viel. Ein kurzer Rechfshaken warf den Rüpel zu Boden, Gongzoo, der dem Schauspiel beiwohnte, konnte sich vor Freude nicht halten. Er erstickte beinahe vor Lachen. Er schlug sich auf den Mund, das Zeichen der Freude und Bewunderung. Ganz erstaunt erhob sich der Lange. „Siehst Du," sagte Gongzoo, noch immer vor Lachen prustend, „habe ich es Dir nicht gesagt, habe ich Dich nicht gewarnt, Du sollst mit Bwakukama keinen Streit anfangen? Das hast Du davon." Unter dem Lachen meiner Leute und der Einwohner schlich sich der Schuldige beschämt von danncn. In Yangaia waren die Leute wütend, daß es ihnen nicht zuerst gelungen war, ein Zwergflußpferd zu fangen. Sie scheinen sich wirklich Mühe gegeben zu haben, halten aber bisher noch kein Glück gehabt. Nachmitags ging ich mit meinem kleinen Tesching in der Nähe des Dorfes spazieren, um Vögel zu schießen. Ich hatte nur Tennis- schuhc an, keine Strümpfe oder Gamaschen. Plötzlich IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 189 stand kaum einen Schrift vor mir eine schwarze Giftschlange auf. Nur durch einen Sprung gelang es mir, aus dem Bereich ihrer Zähne zu kommen. Leben und Tod sind Nachbarn in Afrika. Mit dem bei Tindoa gefangenen Tiere kehrte ich nach Macca zurück. Je^t hatte ich schon drei Tiere auf meiner Sammelstation und war daher an das Lager gebunden. Es folgten langweilige Zeiten. Ich wagte kaum noch auf die )agd zu gehen. Schon nach dem Fang des zweiten Tieres hatte ich einen Boten mit einem Kabel nach Mon- rovia gesandt, um Hagenbeck zu bitten, mir einen Wärter zu schicken. Für mich allein war die Verantwortung zu groß. Wenn ich mich auch auf Momoro verlassen konnte, er war doch immer nur ein Neger, dem ich die Tiere nicht für längere Zeit allein anvertrauen mochte. Ein viertes Tier wurde gefangen, ein kleiner Bulle, ein wenig größer als das junge Weibchen. Es wurde Zeit, alles zur Abreise vorzubereiten. Ich mußte deshalb nach Monrovia und beschloß schweren Herzens, die Tiere unter Momoros Obhut zu lassen. In Eilmärschen, nur von ausgesuchten Trägern begleitet, marschierten wir ab. Ich benutzte mein Rad. Der Weg war fürchterlich. Fort- während mußte ich das Rad über umgefallene Baumstämme hinwegheben. Eine Nacht lagerte ich nahe an einem Fluß, und hier machten sich zum ersten Male auf dieser Reise die Moskitos bemerkbar. Nach Dunkelwerden mußte ich schleunigst unter mein Moskitonetz kriechen. Ich hatte nur das Zeltdach mitgenommen, um leichter zu marschieren. Ohne Dach zu schlafen, war nicht mehr möglich, da es schon fast jede Nacht wieder regnete. In Monrovia be- t90 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS rcitcte ich alles zur Abreise. Ich beschloß, die Tiere nach Cape Mount zu bringen, da ich von Japaca aus Boote benu^en konnte. Ein Kabel, daß ein Wärter unterwegs sei und mit dem nächsten Dampfer eintreffen werde, er- reichte mich dort. Ich besuchte den Präsidenten, um mich von ihm zu verabschieden und ihm für alles zu danken, was er und seine Beamten für mich getan hatten. Zu meiner Freude verlieh er mir die höchsten Klassen des Ordens der Republik von Liberia für meine Entdeckungen und die Karte, die ich ihm im rohen Entwurf vorlegen konnte. Ich habe mich sehr über die Verleihung des Ordens gefreut. Ich lasse nachstehend die Überse^ung der nebenstehend faksimilierten Urkunde folgen: Republik Liberia, Allen, denen diese Urkunde gezeigt werden wird, zum Gruß. Wißt, daß ich, Daniel E. Howard, Präsident der Republik Liberia, nadidcm ich Ihre Menschlichkcitsgefühle, welche Sie, Major Schomburgh, gezeigt haben, berücksichtigt und Ihren ernsthaften Wunsch kennen gelernt habe, ein nü^- licher Helfer bei dem christlichen Werke der Zivilisierung unserer Brüder, die das Nachbarland unserer Republik bewohnen, zu sein, wünsche, Ihnen ein öffentliches Zeugnis unserer Dankbarkeit zu geben, und so benu^e ich die Möglichkeiten die uns die Gese^e der Republik geben, Sie durch diese Urkunde zum Ritter und Kommandeur des Liberianischen Menschlichkeitsordens der afrikanischen Erlösung zu kleiden, einzusetzen und zu ernennen. Kraft dessen ist es Ihnen erlaubt, von diesem Tage an die Ab- zeichen des Ordens in der genannten Klasse zu tragen 192 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS und zu benutzen. Möge der allmächtige Gott Sic bei Ihren Bemühungen für das Wohl unserer wilden Brüder beschulen. Als Zeichen dafür habe ich das Siegel der Republik beifügen lassen. Gegeben unter meiner Hand in Monrovia am 27. März, im Jahre 1912 unseres Herrn und im 65. Jahre der Republik. gez. Joseph J. Sharp, gez. D. E. Howard, stellvertretender Staatssekretär. Praesidcnt. Nach Erledigung meiner Geschäfte in Monrovia kehrte ich sofort nach Macca zurück, wo ich alles in bester Verfassung antraf. Kurze Zeit darauf traf der Angestellte von Hagenbeck, ein Herr namens Moltmann, ein erfahrener Tierpfleger und, was mehr sagen will, ein prachtvoller Mensch und großer Tierliebhaber, ein. Er wurde mir ein guter Freund und Mitarbeiter, dem ich hier noch einmal für alle Hilfe, die er mir erwiesen hat, meinen Dank aussprechen möchte. Ais wir schon alles zum Abmarsch fertig haften, wurde noch ein fünftes Tier gefangen, ein großer ausgewachsener Bulle, der schon zweimal von Eingeborenen angeschossen war. Moltmann und Momoro gingen ihn holen. Ich sandte Boten an die Häuptlinge der Umgegend und lud sie zu einem Palaver ein. Alle erschienen. Ich bewirtete sie und als sie alle versammelt waren, ging ich in den Kraal hinein, zu dem in Tindoa gefangenen Bullen. Ich zeigte ihnen, wie mir das Tier aus der Hand fraß und sagte zu ihnen: „Ihr Gola-Häuptlinge! Ihr seht, wie das Mwe, das Kind Eures Busches, welches Ihr fürchtet, mir IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 195 aus der Hand frißf. Ihr habf mich ausgelacht, als ich ins Land it schon so vertraut mit ihren Gewohnheiten, daß ich sie, ohne erst einen Kraal zu bauen, frei von ihrem Buschkorb in ihre neue Wohnung überführte. Während meiner Film-Expedition, die mich im nächsten Jahre wieder nach Cape Mount führte, unternahm ich von dort aus einen Abstecher nach einem Dorie namens Sugary, um zu versuchen, ein heiliges Krokodil, von dem mir schon viel erzählt worden war, zu filmen. In Sugary an- gekommen, bedurfte es langer Palaver (Unterhandlungen) und Versprechungen, bis es gelang den Mann, der das Krokodil hinter sich hatte, zu bewegen, uns dasselbe vor- zuführen. Als man mir seinerzeit erzählte, daß dieses Tier auf den Ruf seines Fetischmannes aus dem Wasser käme und ihm wie ein Hund folge, wollte ich der ganzen An- gelegenheit keinen Glauben schenken. Ich mußte mich jefjt jedoch eines Besseren belehren lassen. Der Mann ging Dorfeingang von Sugary (Vcy-Land Liberia ) Das heilige Krokodil von Sugary. IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 195 zum Ufer des Flusses hinab, und nachdem er einigcmalc in eigenartiger Weise gerufen hatte, erschien der Kopf des Krokodils über dem Wasser. Es kam ans Ufer ge- schwommen und folgte seinem Herrn wie ein Hund in das Dorf. In aller Eile wurden die Apparate aufgebaut und wir begannen mit der Aufnahme. Hier hatten wir aber nicht mit dem Darsteller gerechnet, denn kaum hörte das Krokodil das Surren des Apparates, als es ohne sich zu besinnen auf uns losfuhr, so dal> wir uns zur Freude der versammelten Eingeborenen gezwungen sahen, einen be- schleunigten Rückzug anzutreten. Wir ließen ihm nun ein Huhn reichen, und während es dasselbe verschlang, hatten wir genügend Gelegenheit, einige interessante Film-Auf- nahmen zu machen. Dieses Krokodil ist ein uraltes Tier, welches seit un- zähligen Jahren alsGott desDorfes verehrt wird. In früheren Zeiten wurde es öffentlich mit Menschenopfern gefüttert und man darf wohl annehmen, daf? auch heute noch manchesmal verstohlen ein Baby im Dorf verschwindet, das sicher sein Grab im Magen dieses heißhungrigen Sauriers findet. Jedenfalls ist es das Totemtier einer dort ansässigen Familie, in der sich das Geheimnis vererbt, das Tier aus dem Wasser zu rufen. Man erzählte mir, daß es besonders zu den Gerichtsverhandlungen mit hinzugezogen würde und danr? aufmerksam lauschend neben dem Häuptling säße. Mit besonderer Leidenschaft soll es auch Schnaps trinken, aber leider gelang es uns nicht, hierfür den Beweis zu bekommen, da es, nachdem es sein Huhn verschlungen hatte, in den Fluß zurückkehrte und durch kein Rufen zu bewegen war, wieder herauszukommen. Mir schien, als 15* 196 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS wenn ihm nichts daran läge, Filmschauspieler zu werden. Die Eingeborenen erzählten mir, es sei der Gott des Dorfes. Aber vor einiger Zeit habe es ein Kalb gestohlen, darauf hat es der Fetischmann aus dem Fluß gerufen und im Dorfe hat man ihm eine gehörige Tracht Prügel versetzt. Jedenfalls eine bequeme Art, mit einem unbequemen Gotte zu verfahren. „Er denkt noch an die Tracht Prügel" sagten die Leute, „und darum will er nicht wieder heraus- kommen". Diese Art heilige Tiere findet man an vielen Stellen in Afrika. So gibt es z. B. in Kamerun bei einem kleinen Dorfe im Ossidinge -Bezirk eine heilige Flußpferd- herde von 16 Stück. Dann braucht man nur an die ver- schiedenen Arten des Schlangen -Kultes zu denken, der ja in fast ganz Afrika, insbesondere aber an der Westküste bekannt ist. An sich sind auch heilige Krokodile nicht ungewöhnlich, aber daß sie dem Rufe ihres Herrn ge- horchen, kommt doch wohl selten vor. Durch liebenswürdiges Entgegenkommen der Woer- mann-Linie wurde die „Lucie Woermann", ein großer Passagierdampfer, nach Cape Mount beordert, wo er sonst nicht anläuft, um mich mit meinen Zöglingen an Bord zu nehmen. In Cape Mount blieben wir einige Tage. Dann wurde der Dampfer gemeldet, früh am nächsten Morgen sollte er eintreffen. Noch einmal einige ängstliche Stunden. Würde das Meer glatt bleiben und uns die Barre keine Schwierigkeiten machen? Denn die großen Holz- kistcn, in denen je1?t die Tiere untergebracht waren, mußten auf Brandungsboote verladen und so an den Dampfer gefahren werden. Ich schlief wenig diese Nacht, wachte IM UNERFORSCHTEN URWALD LIßERIAS 197 fortwährend auf und horchte auf die Brandung. Doch als es Tag wurde, lag die See spiegelglatt da. Liberia wollte uns einen freundlichen Abschied gcbelh. Noch einmal traten meine Leute an zu ihrer le^iten Arbeit in meinen Diensten. Sie sangen ihren alten Träger- gesang, den ich so manchesmal gehört hafte. Hoyadabe — Hoyadabe — Hoyaeeh — Hoyadabe Sie trugen die schweren Kisten zu den Booten. Ohne Unfall wurden die Tiere verladen. Die Boote fuhren über die Barre, um drautJen auf den Dampfer zu warten. Gegen zehn Uhr bog die Lucie Woermann um das Cape. Un- endlich groß und weiß erschien sie auf dem glatten Meeres- spiegel in der glitzernden Sonne. Der Anker rasselt in die Tiefe, schon sind wir mit unseren Booten langseit. Winden rasseln, Befehle schnarren, Matrosen um mich herum. Ein Käfig nach dem anderen schwebt in der Luft Ich merke, hier habe ich nichts mehr zu sagen. Still gehe ich an Bord. Meine Arbeit ist be- endet. Glückwünsche schwirren durch die Luft, Hände strecken sich mir entgegen, die ich mechanisch drücke. Braune Tropengesichter, die mir freundlich zulachen. Fremde, auch alte Bekannte darunter von früheren Reisen. Alle freuen sich über meinen Erfolg. Nur ein alter Geheimrat meinte näselnd, daß es doch unerhört sei, wegen ein paar Tieren den Fahrplan eines Posfdampfers zu ändern. Ich begrüße Kapitän Ihrcke, dem ich auf früheren Reisen manchen lustigen Streich gespielt hatte. Lachend und schimpfend zu gleicher Zeit drückt er mir die Hand. „Der Deibel soll Sie holen, daß man um Ihret- willen mit einem Postdampfer nach diesem gottverlassenen 198 IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS Nest kommen muß. Über zwei wertvolle Stunden habe ichschon ob Ihrem Viehzeug verloren!" Dabei hielt ermeine Hand, seine Augen leuchteten, und ich wußte, daß sich niemand mehr über meinen Erfolg freute als gerade Kapitän Ihrcke. Aber ein richtiger Westküsten-Kapitän muß immer schimpfen. Ich nahm Abschied von Moltmann und meinen Leuten, die über Land nach Monrovia zurückkehren wollten. Zu meinem Bedauern mußte ich Moltmann zurücklassen, da mir noch der Fang eines weiteren Tieres gemeldet war. Momoro und meinen Hausjungen nahm idi mit, damit sie während der Reise für die Tiere sorgten. Das war Mo- moros zweite Reise nach Deutschland, die er mit mir machte. Der Anker ging in die Höhe und der Dampfer se^te sich langsam in Bewegung. Die Boote mit Molt- mann und meinen Leuten strebten dem Ufer zu. Leiser und leiser schallt der Gesang zu mir herüber: „Hoyadabe Hoyadabe Hoyaeeh Hoyadabe " Langsam entschwand Li- beria, vor mir winkte, nodi in nebelgrauer Weite, die Heimal. Die Zwergflußpferde haben die Reise nach Europa glänzend überstanden. Sie fraßen, was man ihnen gab. Gemüseabfälle, Brot, KartofTelschalen. Wir behandelten sie wie zahme Schweine. Als im Golf das Wetter schlecht wurde und die Käfige hin und her rutschten, legten sie sich ruhig hin und warteten auf bessere Zeiten. Ich hatte viel Schweres durchgemacht in Liberia im Kampf mit dem finsteren Urwald, aber alles war vergessen. Gern hätte ich die Reise nodi einmal unternommen, als ich die Freude des alten, damals schon kranken Carl Hagen- bcck sah, da ich ihm in Stellingen die Zwergflußpferde vorstellen konnte. Wieder und immer wieder schüttelte er IM UNERFORSCHTEN URWALD LIBERIAS 199 mir die Hand, dicke Tränen liefen ihm über die Wangen: „Junge, Junge, daf hast Du gut gemacht, es war der Wunsch meines Lebens, die ZwergfluOpferde zu sehen. Ich danke, daß Du ihn mir erfüllt hast!" Ich konnte ihm nur von ganzem Herzen danken, daß er als Einziger doch noch Vertrauen zu mir gehabt hatte, um mir so zu dem größten Erfolge meiner afrikanischen Tätigkeit zu verhelfen. Eine weitere ehrende Anerkennung wurde mir in Ham- burg zuteil. S. M. Kaiser Wilhelm II. kam von Kiel herüber, ließ sich von mir über meine Expedition berichten und drückte mir im Namen des Deutschen Reiches seine Anerkennung aus. Drei Tiere wurden sofort an den Zoologischen Garten in New York verkauft, ein weiteres ging nach London, so daß einstweilen nur eins bei Hagenbeck zurückblieb. Die Zwergflußpferde haben sich in der Gefangenschaft geradezu glänzend gehalten, auch die andern Tiere, welche später nach Europa kamen. Jc^t, wo ich gezeigt hatte, wie man Zwergflußpferde fing und wie man sie behandelt, war es nicht mehr schwer, frische Zufuhr aus Liberia zu bekommen. Der Weltkrieg kam. Die Tiere, besonders die Pflanzenfresser im Zoologischen Garten starben nach und nach aus. Nur die Zwergflußpferdc hielten die schweren Zeiten aus. Es war eine große Freude für mich, als im Berliner Zoologischen im Dezember vorigen Jahres sogar zwei Junge geboren wurden, die sich prachtvoll entwickelten. Oft stehe ich im Zoologischen Garten, betrachte die Tiere und denke an die mühevollen Tage, die ich auf ihrer Fährte in Liberia verbraditc und die ich doch um keinen Preis der Welt aus meinen afrikanischen Erinnerungen streichen möchte. 200 AFRIKANISCHE INDUSTRIEN. Baumwolle. Die Baumwolle ist von Asien nach Afrika gekommen und hat hauptsächlich durch die Reisen der Mandingo und Haussa ihren Weg ins Innere gefunden. Soweit ich fest- stellen konnte, ist sie aber nie über den 10. Grad südlicher Breite hinaus angebet worden. Portugiesische und andere europäische Reisende, die im 14. Jahrhundert an der Küste des je^igen Liberia landeten, fanden dort bereits baum- wollene Tüdier von vorzüglicher Arbeit. Die Könige um Cape Mount trugen damals schon zum Staunen der Por- tugiesen die heute wohlbekannte Mandingo-Toga. Wahr- scheinlich sind vor dem 18. Jahrhundert von Europa keine Baumwollwaren nach Afrika gekommen. Dagegen sandten schon die ersten portugiesischen Ankömmlinge baumwollene Tücher von Westafrika nach Europa. Bradite doch sogar Columbus im Jahre 1495 BaumwoUbuiben als Sehenswür- digkeit mit. Es existierte also in Afrika bereits eine Baumwollindustrie, bevor man in Europa dieselbe aufge- nommen hatte. Meine Beobachtungen der Baumwollindustrie beschränken sich auf Liberia und Togo. Da die Bear- beitung aber in diesen beiden vollständig von einander getrennten Ländern die gleiche ist, so darf man wohl an- nehmen, daß auch in den übrigen Teilen Afrikas keine oder nur ganz wenige Abweichungen vorkommen. Die Baumwollfelder der Eingeborenen sind ziemlich unregelmäßig angelegt, ohne daß jedoch dadurch ihr Ertrag geschmälert würde. Die reifen Bulben werden von den jungen Frauen und Mädchen gepflückt und ins Dorf gebracht. Die Entkernung geschieht mit der Hand. Dann wird die m WKd ''*^',-^-^^^=^ 771 sl 1 W ^"0^^!' H W i j3' tL-^ .m^M.' 1 ,D'f.7 f iHMwUMm f ^ ^^WWi r Wytffllg^ j^Kj^^^ b '^f tW^m^^^S^ vKl 'L:•^I w i41^^i ül f ■ IK^'^' '-' •-• t ■ aP^ ^. : . >^^ -^. l^'flp^l p ' Golafraiicn beim Pflücken und Spinnen von Baumwolle. Männcrtriltwebstuhl in Batfilo (Nordlogo). AFRIKANISCHE INDUSTRIEN 201 Baumwolle gesponnen. Als Spule dient ein einfaches Stäbchen, das durch einen weichen Stein, den sogenannten Seifenstein, durchgeführt wird, oder es wird unten einfach mit etwas Lehm beschwert. Um eine feste Unterlage zu haben, lassen die Frauen die Spule in einer Kalebasse, einem durchgeschnittenen, getrockneten Kürbis, laufen. Manchmal benutzen sie auch ihre Knie als Unterlage, denn die Haut am Knie der Afrikanerin ist hart wie Leder. Die Männer übernehmen nun die weitere Verarbeitung. Die von den Frauen gesponnenen Fäden werden zwischen Pfählen, die etwa zwanzig Meter voneinander entfernt stehen, aufgespannt und von den Knaben auf die große Spule für die Webstühle aufgerollt. Die Knaben werden schon in früher Jugend zu dieser Arbeit herangezogen. Die Web- stühle, an denen die Männer arbeiten, die sogenannten Männertritt-Webslühle, sind einfachster Art, aus Knütteln einfach zusammengebunden. Um gegen die glühende Sonne geschürt zu sein, arbeiten die Leute unter Strohdächern. Die aufgerollten Fäden werden in einiger Entfernung vor den Webstühlen hingelegt und mit einem Stein beschwert. Die Leute arbeiten dann den Faden an sich heran. Die auf diesem Webstuhl hergestellten Tücher sind nur acht bis zehn Zentimeter breit. Die Webstühle werden gleichzeitig mit Händen und Füßen in Beirieb gehalten und das Schiffchen von rechts nach links und von links nach rechts durchgeworfen. Man arbeitet wechsclhändig. Mit der einen Hand wird das Schiffchen durchgeworfen und mit der an- dern der Kamm heruntergezogen. Es ist nun ein Irrtum anzunehmen, daß nor diese eine Webart in Afrika vorkommt und immer nur diese schmalen 202 AFRIKANISCHE INDUSTRIEN Tuchsfrcifen in Afrika gewebt werden können. Es gibt noch eine andere Webart, die wieder seltsamerweise aus- schließlich in den Händen der Frauen liegt. Es ist dies der Frauengriffwebstuhl, der gleichzeitig wohl die älteste überhaupt existierende Webart darstellt. Wenn dieses zweite Verfahren weniger bekannt ist, liegt es daran, daß die Frauen ihre Webstühle immer in ihren Hütten aufbauen und der europäische Reisende daher selten oder nie Gelegenheit hat, diesen Webstuhl kennen zu lernen. Hier ist es aber auch einfachste Handarbeit. An zwei oder drei Meter von einander entfernt stehenden Pfählen wird unten und oben im Abstände von ungefähr eineinhalb Metern ein Querbalken angebracht, und darüber werden senkrecht die Fäden gespannt. Dann werden Fäden in horizontaler Richtung von Faden zu Faden durchgezogen. Die Frau arbeitet mit einem Stabe, mit dem sie nadiher die durchgebogenen Fäden herunterschlägt. Zu bewundern ist nur, daß sie bei dieser einfachen Webart es dennoch verstehen, hübsche Muster und Hohlsäume einzuweben. Die fertigen Tücher, sowohl die schmalen von den Männertritt-Webstühlcn, wie die breiten von den Frauen- griff-Webstühlen, deren Fertigstellung allerdings monate- lange Arbeit erfordert, werden auf die primitivste Art und Weise gefärbt. Aus einer Baumrinde wird ein Indigoblau gewonnen. Dies wird mit Wasser vermischt in eine Grube gegossen, in welche die Tücher für eine bestimmte Zeit hineingelegt werden. Wenn auch nicht nur Blau als Färbemittel verwandt wird, ist es doch fast aus- schließlich in Verwendung, da es wohl die einzige Farbe ist, mit der die Leute waschecht färben können. . AFRIKANISCHE INDUSTRIEN 203 Die schmalen Streifen von den Trittwebstühicn werden von den Schneidern, die man in jedem Dorfe, wo die Baum- woliindustric eingeführt ist, vor ihren Hütten arbeiten sehen kann, zu breiten Tüchern oder zu den großen Sudan-Togen verarbeitet. Die fertigen Produkte kommen auf den Markt und werden hier an das Publikum verkauft. Die Handwerke sind in Afrika erblich. Es bilden sich Kasten, zwar nicht so ausgesprochen wie in Indien, aber doch deutlich erkennbar. Eisenindustrie. Während die Baumwolle und die damit verbundene Industrie von Asien und Afrika gekommen ist, scheint die Eisenindustrie im Lande heimisch zu sein. Autoritäten, ich berufe mich besonders auf Professor von Luchan, glauben sogar feststellen zu können, daß die Eisenindustrie von Afrika nach Europa gelangt ist. Eisenarbeiter findet man verstreut in ganz Afrika. Im Grunde bleibt der Arbeits- gang derselbe, wenn auch die angewandten Methoden in verschiedenen Landstrichen nicht die gleichen sind. Es gibt z. B. eine ganze Anzahl verschiedener Arten Blase- bälge. Auch die Formen der Hochöfen sind verschieden. Hier sind es auch wieder die Frauen, welche die erste Arbelt verrichten. Sie schlagen den Eisenstein los, zer- kleinern ihn an Ort und Stelle und suchen die besten Eisenstücke heraus. Es wird durchweg nur Oberbau be- trieben, nur ganz vereinzelt werden primitive Schächte an- gelegt. Die ausgesuchten Stücke des Eisensteins werden von den Frauen und Mädchen zu den Hochöfen gebracht, hier übernehmen nun wieder die Männer die Arbeit. Zu- erst werden die Formen, das sind die Venlilationsöffnungen, 204 AFRIKANISCHE INDUSTRIEN von denen ein jeder Ofen sieben bis neun Stück hat, neu eingebohrt. Die Hochöfen bestehen, wie sämtliche Bau- werke in Afrika, aus Lehm. Ich glaube, man kann ruhig behaupten, daß sämtliche afrikanischen Bauten nur aus Lehm ausgeführt sind, denn Steinhaufen oder deren Ueberreste in Afrika sind immer Zeichen einer fremden Kultur. Nachdem die Formen ausgebohrt sind, werden für dieselben Stöpsel gemacht. Lehm wird um Stäbe herumgeknetet. Diese Stöpsel von der Stärke der Ven- lilationslöcher werden noch feucht in die Form eingeführt. Wird nun der Ofen geheizt, trocknen diese naturgemäß, und die Stäbe können nach Belieben herausgezogen oder hineingesteckt werden, sodaß die Zugluft nach Bedarf ge- regelt werden kann. Nun wird der Ofen beschickt, geladen. Ein Mann steigt mit einer primitiven Leiter, meistens einem Baumast, in welchen Kerben eingehauen sind, auf den Boden des Ofens hinab, um ihn mit Sand auszulegen und so gegen die flüssige, glühende Schlacke zu schüren. Der Ofen wird dann schichtweise geladen. Es kommen zuerst einige Körbe Holzkohle hinein, die die Eingeborenen zu brennen verstehen, darauf ein paar Arme Knüttelholz, dann wieder eine Schicht Holzkohle und nun etwa neun Kale- bassen Eisensteine, darauf wieder Holzkohle, Knüttelholz, Eisensteine, und so schichtweise weiter, bis der Ofen ge- laden ist. Der Ofen wird von oben angezündet und bren.nt nach unten durdi. Man läßt ihn drei Tage und drei Nächte ungestört brennen; während dieser Zeit wird nun die Zugluft durch die Formsföpsel reguliert. Am dritten Tage fällt nun mit deutlich hörbarem Gepolter das Eisen Dorf Banyeli. Eisenlupe. Querschnitt eines Hochofens. Hochöfen der Eingeborenen. AFRIKANISCHE INDUSTRIEN 205 im Ofen zu Boden. Die am unteren Ende des Ofens angebrachte öffnungr, die mit einer dichten Lehmschicht verklebt war, wird nun aufgebrochen und das noch heiße Roheisen herausgeholt. Es ist ein rauhes, zackiges, huf- eisenförmiges Gebilde, meist im Gewichte von durch- schnittlich sechzig Pfund, aber noch kein reines Eisen, sondern stark durchsetzt mit Schlacke und Holzkohleteilchen. Eine solche Eisenlupe, ein solches Stück Roheisen hatte zu meiner Zeit einen Durchschnittswert von fünf bis sechs Mark. Im Verhältnis muß man sich aber immer vor Augen halten, daß ein gutes Pferd im Innern Afrikas damals auch nur fünfzig bis sechzig Mark kostete. Dieses Eisen wird nun wieder auf den Markt gebracht, und hier kauft es der Schmied. Der nimmt es mit nach Hause und zerschlägt es in lauter kleine Stücke, aus denen er die besten Eisenteile heraussucht. Hieraus formt er mit trockenem Gras und nassem Lehm eine ungefähr faust- große Kugel, die er in der Schmiede verarbeitet. Der Blasebalg ist aus Leder mit Holzringen, um ihn aus- einander zu halten. Oben sind zwei Handgriffe angebracht, mit denen der Schmiedegeselle den Blasebalg in wunder- bar geschickter Weise ständig in Bewegung hält. Als Amboß dient den Leuten ein einfacher Feldstein und als Schmiedehammer ein zweiter Stein. Die Schmiede arbeiten immer in ihren Hütten und zwar größtenteils, besonders in Liberia, versteckt im Busch. Diese Kaste hat es ver- standen, einen gewissen Nimbus um sich zu erhalten, wie ihn ja auch in früheren Jahrhunderten der Schmied in Eu- ropa hatte. Die Geschicklichkeit der Schmiede ist nicht in allen Teilen Afrikas die gleiche. Die besten Schmiede, 206 AFRIKANISCHE INDUSTRIEN die ich kennen lernte, fand ich im Bassary-Bezirk in Ban- jeli (Nord-Togo). Hergestellt werden von den Schmieden Äxte in verschiedenen Größen, Werkzeuge zur Bearbeitung der Felder, Speer- und Pfeilspitzen, Messer, Dolche und anderes Haus- und Kriegsgerät. Herstellung von Schmuckgürteln aus Palmnüssen. Dieseinteressante Heimindustrie, die bisher kaum bekannt, jedenfalls noch nie beschrieben worden ist, entdeckte meine Frau auf unserer Expedition durch Togo zufällig bei dem Dorfe Baffilo im Sokodc-Bezirk. Diese Heimindustrie liegt vollständig in den Händen der Frauen. Zuerst werden die Palmnüsse zerschlagen. Die zer- schlagenen Stücke werden mit Sand und Wasser zwischen Steinen geglättet. In die glatten flachen Stückchen werden mittels eines Handbohrers, den die Frauen mit großer Geschwindigkeit zwischen den Handflächen drehen, Löcher gebohrt. Die Stücke werden dann auf eine Schnur gereiht. Die Schnur wird an einen Pfahl befestigt, dessen Oberseite mit Aexten flach geschlagen ist. Die Schnüre werden mit Sand, Wasser und Steinen so lange bearbeitet, bis sie gleichmäßig rund sind. Dann werden sie poliert und sehen aus wie glänzendes Ebenholz. Diese Schnüre werden von den Frauen und Mädchen als Hüftgürtel getragen. Außer den vorgenannten Arbeiten findet man allent- halben sehr geschickte Korbflechter, die entweder aus Gras oder aus Blattstreifen der Raffia-Palme hübsche Korb- arbeiten herstellen. Ebenso machen die Fischer ihre Netjc und Fisch- räusen selbst. AFRIKANISCHE INDUSTRIEN 207 UcbcrafrikanischePlastikcnisf bereits soviel geschrieben, daß ich wohl nicht näher daraul einzugehen brauche. Alles inailemsiehtmanwohl ausdem Vorhergegangenen, daß der Afrikaner nicht auf einer so niedrigen KuUur- stufc steht, wie man im allgemeinen annimmt. Die Neger sind durchweg fleißige Arbeiter, und wenn auch die Großen des Landes persönlich keine Arbeit verrichten, überwachen sie doch die Arbeit ihrer Sklaven und Untergebenen und sorgen in ihrer Art dafür, daß sich das Land zu einem gewissen Wohlstand entwickelt. 208 I Büfrsl^ die ich er/egre n Meine gefährlichste Elefanrenjagd m Eine NacHt mischen iowen IV Boösies Ted V C'eo vom Kongo M Afrilia und dsr f-ilm vn Eine Woche im Wildparadies Vffl Mayiyä Weta K Afrikanische Industrien X Jumbo, das Leben eines afrik Elefänfgn LIBERIA. j/eAe Spezialkarte 20 20 CiiVi.3noe v.Greenw *rO GeaVerlsgG.m.b.HJAbr.Kart.) Berlin W, '5 pf?rliii?rürt>o!)rdpiiischeslnslihjrßerlinW35 ÜBERSICHTSKARTE VON AFRIKA. Die römischen Zahlen im Texl korrespondieren mit den römischen Zahlen in der Karle und zeigen die Gegend, in denen die einzelnen Geschichten spielen. ZWEITER TEIL AFRIKANISCHE BLÄTTER TIER- UND JAGDGESCHICHTEN AUS ALLEN TEILEN AFRIKAS 210 BÜFFEL, DIE ICH ERLEGTE. Ein alter Zulu führte mich — ein kleines, unschein- bares Männchen. Und doch ein mäditiger Nimrod. Es war Umdabuko, der Leibjäger Dinizulus, wie er schon der Leibjäger Cctewayos gewesen war. — Ich ging zu Fuß, mein Pferd hatte ich zurücklassen müssen, denn im Tal des Umfolozi-Flusses, wo wir jagen wollten, gibt es viele Tsetse-Fliegen (Glossina morsitans). Auch meine Hunde waren zurüdigeblieben. Es war mir schwer geworden, mich von ihnen zu trennen. Sie mitzunehmen in das Tsetse-Gebiet wäre Mord gewesen, denn jedes Haustier erliegt dieser Plage Afrikas. Nur zwei meiner nonquai (eingeborene Polizisten) begleiteten mich. Sie trugen unsere Decken, etwas Proviant und Patronen. So jagten wir im Jahre 1898 im schönen Zululande. — Träger- karawanen wie in Zentral-Afrika kannten wir nicht. Eine Decke zum Einwickeln und ein Kochgeschirr war alles was wir brauchten. Kein Zelt, kein Stuhl, kein Tisch, auch nicht der geringste Luxus. In der freien Natur lebten wir ganz mit der Natur. — Wir erreichten den Rand des Hochlandes. Unter uns das Tal des Umfolozi, zu dem es steil hinabgeht. Dichter Dornenbestand im Tal. Wie ein grauer Teppich liegt es unter uns. Ein silbernes Band schlängelt sich hindurch, der weiße Umfolozi, der weiße genannt, weil er je^t in der Trockenzeit wenig Wasser führt, sodaß die Sandbänke überall hervortreten. Der schwarze Umfolozi, mit dem er sich später vereint, ist schmaler und fließt über Steine und Geröll; er hat en düsteres Gepräge, sodaß sein Name wohl zu ihm paßt. Bevor wir ins Tal hinabstiegen, machte Umdambuko halt. Mit großer Geste zeigte er über das unter uns liegende Land. „Hier Isipaqua (mein Zulunamc, der Kerze bedeutet, weil ich so schlank war) ist das Land des Großwildes!" Wir stiegen hinab und schlugen am Flusse BÜFFEL, DIE ICH ERLEGTE 211 unser Lager auf. Welche Mengen Großwild gab es hier noch im Jahre 1898, trot?dcm erst vor wenigen Jahren die Rinderpest über das Land hinweg gerast war, jene furchtbare Pest, die mit ihrem giftigen Atem alle Zwei- hufer dahinraffte. Die Herden der Zulus wurden dezimiert. Die reichen Zulu wurden zu Bettlern, wie die Massai und Wadschagga am fernen Kilimandscharo. Mit den zahmen Rindern starb auch das Großwild im Tale des Umfolozi und auf der Steppe in Ostafrika. Skelette liegen, von der Sonne gebleicht, am Fluß, wo sich die kranken Tiere hingeschleppt haben, um den rasenden Durst zu löschen, der ihre Eingeweide verzehrte. Im kühlen Wasser hatten sie sich niedergetan, um nie wieder aufzustehen. Und doch noch Leben überall. Wasserböcke, unserem Rotwild gleich, wechseln über den Fluß. Eine Zebra- Herde kommt zur Tränke. Als ich am Nachmittag zum Flusse ging, um zu baden, sah ich etwas Schwarzes am Rande des Schilfes. Es schien mir ein großer Felsblock, sodaß ich wenig Notiz davon nahm. Aber geschehen denn heute noch Zeichen und Wunder? Plötzlich fing mein Felsen an, sich zu bewegen. Nun erst sah ich auf- merksam hin. Aus dem Schilf heraus trat ein mächtiges Nashorn, eines der seltenen Art, das breitmäulige (Rhinocerussimus), fälschlich auch das weiße Nashorn genannt. Nach dem Elefanten der größte Dickhäuter unseres Planeten. Welch ein herrlicher Anblick, dieser mächtige Koloß. Pechschwarz hebt er sich ab vom weißen Sande des halbtrockenen Flußbettes. Nie wieder in den siebzehn Jahren, in denen ich Afrika bereiste, habe ich diesen mächtigen Vertreter einer aussterbenden Gattung gesehen. Wenn ich auch damals tief bedauerte, daß ein strenges Jagdgese^s ihn schüzte, so denke ich noch heute mit Freuden an das herrliche Bild. Wie aus Erz gegossen stand er da. Ruhig und selbstbewußt durchschritt er das seichte Wasser des Flusses. Dann verschwand im Schilf 14* 212 BÜFFEL, DIE ICH ERLEGTE am jenseitigen Ufer das erste und lefjte weiße Nashorn, das ich gesehen. Früh am nächsten Morgen ging's auf die Pirsch auf schmalen Wildpfaden durch den dichten Dornenbusch. Vorsichtig hieß es gehen. Kam man zu nahe an den Busch, so hieß es: „Warte ein bischen", ein Dorn hatte gepackt, ein „wait a bit", wie ihn die Engländer nennen, fingerlang und spif?. Noch heute denke ich mit Grausen an diese spi(?en Dornen. Gewalt war vergeblich. Nur tiefer dringen sie dann ins Fleisch. „Wait a bit", vor- sichtig, bedächtig muß man sich loslösen. Schadenfroh grinst Umdambuko über den Grünling. Ihn kann kein wait a bit fassen. Wie ein Wiesel gleitet er durch das dichteste Dornengestrüpp. Welch ein Morgen! Taufrisch und kühl. Auf den kleinen Wiesenparzellen, die den Dorncnwald unterbrechen, breitet sich ein frischer grüner Teppich aus. Das Land schwi^t, wie der Zulu sagt. Gestern noch war alles schwarz vom Grasbrande, der hinüberfegte. Heute schon keimt neues, saftiges, grünes Gras, vom Nachttau geweckt. Willkommene Aesung für das Wild. Vorsichtig pirschen wir weiter. Plötzlich im Busch ein Gebrüll, ein Getöse. Wie angewurzelt bleiben wir stehen. Was kann es sein? Vergeblich versuchen unsere Augen den Schleier des Dickichts zu durchdringen. Welches Drama spielt sich dort drinnen im undurchdringlichen Busch ab? Nur wenige Meter entfernt und doch so unsichtbar, als wenn ein grauer, eiserner Vorhang dazwischenläge. Ist es ein Löwe, der ein Stück Großwild geschlagen hat? Kämpfen zwei Nashörner? Nichts ist zu sehen. Doch das Getöse geht weiter. Es entfernt sich. Nein, es kommt näher. Krampfhaft umklammere ich den Kolben meiner treuen Büchse. Da, was ist das? Ich glaube etwas Gelbes zu sehen. Inyonyama? (Löwe) flüstere ich fragend. Umdambuko schüttelt den Kopf. Er hat nichts gesehen. Einhandeln von Lebensmillcln im Masliul.^-A ■■■■■■' '^^ P- 1 ^^^^^^M^HR^r'-'jl-' ^^^■1 ,x ■ ■ . Hr r"T!s^- ^??^ ■ i- ^^ Wm ' ^ j ;'t^ "1 i ™1 Wr '1 ■ __Q1 ^^^ ii» ^ Ww^^ ^ • ■ ^""ffs, ^ "N . " - ' ' . ■ '^". ', ..'-•» ^ ■ '. Mein schönster und slärksler Büffelbulle, erlegt am 17.;X11. 06 a n Londoishi-FluD, Angola. Im Jahre 1912 vom Verfasser in Liberia en;decldcm mich das Tier weder gehört noch gewindet haben konnte, merkte ich, daß es unruhig wurde. Dieser Instinkt, der die Tiere eine Gefahr ahnen läßt, ist besonders bei dem seit Jahrhunderten gejagten Elefanten stark ausgeprägt. Er fing an unruhig mit den Ohren hin und her zu schlagen, mit dem Rüssel suchte er die Luft ab. Es hätte eines noch so schwachen Windstoßes aus entgegen- 15 226 MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD geseilter Richtung bedurft und in voller Flucht wäre er davon gerast. Vorsichtig nahm ich die schwere Büchse, zielte hinters Blatt, und mit der Absicht, den zweiten Lauf sofort folgen zu lassen, zog ich den Abzug. Aber durch den Rückschlag der schweren Büchse fiel ich von meinem unsicheren Standpunkt, und bevor ich mich wieder auf- richten konnte, war der Elefant in voller Flucht abge- braust. Es war leicht genug, ihm zu folgen auf dem Weg, den er durch das hohe Schilfgras hindurchgerissen hatte. Ich war ihm kaum einige Kilometer gefolgt, da merkte ich, daß der eine Schuß nicht ganz verfehlt war. Kürzer und kürzer wurden die Schritte des Waidwunden, und wenn auch der Schuß nicht die beabsichtigte Wirkung erzielt hatte, ihn sofort niederzustrecken, konnte ich mit Sicherheit darauf rechnen, daß ich ihn bald wieder einholen würde. Wenn idi auch keine Schweißspur (Blut) fand, merkte ich doch, daß er innerlich schwer bluten mußte. Meine Träger, welche ich nicht weit zurückgelassen hatte, waren inzwischen eingetroffen. Die S^ur des Elefanten ging über einen Bach. Hier ließ ich die Träger wiederum zurück. Nur mit Mongoosa und dem Führer von Kassoma ging ich weiter. Nachdem wir der Spur ungefähr eine Stunde gefolgt waren, hörten wir plötzlich den Elefanten. Er hatte sich v/ieder eingestellt. Der Schuß mußte die Lunge verletzt haben, denn hin und wieder hörten wir ein hustenähnliches Geräusch. Vorsichtig, jeden einzelnen Grashalm sorg- fältig umlegend, pürschtc ich heran. Dann sah ich den Elefanten. Nur Kopf und Rücken ragten über das hohe Gras hinaus. Ich hatte mir vorgenommen, jel?t Schluß zu machen. In vollem Vertrauen auf meine altbewährte Büchse kroch ich auf zehn Schrift heran. Der Elefant stand völlig bewegungslos. Nur der schlangenförmig nach oben gewundene Rüssel war in MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD 227 ständiger nervöser Bewegung. Jeden Windhauch versuchte er aufzusaugen. Die mächtigen Ohren waren vom Kopfe weit abgespreizt, um das leiseste Geräusch aufzufangen. Vorsichtig, ganz vorsichtig, brachte ich das Gewehr an die Schulter. Je^st oder nie. Zielte auf die tötliche Stelle, die sich ungefähr fünf Cenfimeter hinter dem Ohrloche befindet, wo die Kugel das kleine Gehirn trifft und unfehlbar selbst den mächtigsten afrikanischen Elefantenbullen wie vom Blil?e getroffen zusammenbrechen läßt. Nochmals setzte ich ab. Zielte wieder, sah, daß die Schußbahn frei war, und schoß. — Ein scharfer metallener Schlag. Mein Gewehr hatte versagt. Mit einer Geschwindigkeit, die sich nicht beschreiben läßt, fuhr der Elefant herum. Mit dem furchtbaren Schrei, der dem angreifenden afrikanischen Elefanten eigen ist, nahm er ohne Besinnung an. Jeder Versuch, dem wahnsinnig heranstürmenden Tiere auszuweichen, wäre sicherer Tod gewesen. Ich blieb stehen. Als der Elefant ziemlich über mir war, gab ich ihm den zweiten Schuß direkt vor den Kopf. Zum Glück diesmal kein Versager. Wenn ich auch in dieser Stellung keinen töt- lichcn Fleck erreichen konnte, genügte doch der An- schlag des schweren Geschosses, um den Elefanten wenigstens für einige Sekunden zu betäuben. Der mächtige Körper schwankte hin und her. Ich warf mich auf die Erde. Im nächsten Augenblick war der Elefant über mich hinweggerast. Mit dem einen Hinter- fuß schlug er mir gegen die Rippen, sodaß mir beinahe Hören und Sehen verging. Aber bemerkt hatte er mich nicht. All Dies geschah so schnell, daß ich überhaupt nicht zur Besinnung kam und wie es oft in lebensgefähr- lichenMomentcn der Fall ist, hatte ich nicht einen Augen- blick Furcht empfunden. Wie der Elefant dahinraste, Blätter und Staub hinler sich aufwirbelnd, dachte ich nur, 15* 228 MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD wie er eigentlich einem Schnellzuge gleiche, der in voller Fahrt durch eine kleine Station saust. Aber was Angst heißt, richtige niederträchtige Angst, sollte ich noch erfahren, bevor der Tag zu Ende ging. Kaum war der Elefant vorbei, sprang ich tro^ meiner schmerzenden Rippen auf, lud zwei Patronen ins Gewehr und jagte sie dem Elefanten nach, der gerade den Führer gesichtet hatte und im BegrifT war ihn anzu- nehmen. Wieder brachten meine Schi.isse das Tier ins Schwanken, sodaß es von der Verfolgung des Einge- borenen abließ. Mongoosa, der sich gleich durch einen Kopfsprung ins hohe Gras gerettet hatte, kam aschgrau heran (wie wir blaß werden, wird ein Neger grau). Er schien ganz erstaunt, mich noch am Leben zu finden und soweit er sehen konnte unverle^t. Wie mich meine Rippen schmerzten konnte er ja nicht wissen. Jetjt ging die Jagd weiter. Aber umgekehrt. Während ich bisher der Jäger war, übernahm der Elefant meinen Posten und jagte mich, ganz systematisch, mit voller Ueberlegung und mit der Klugheit, die unter allen Tieren nur der Elefant besi^t. Ich hockte mit Mongoosa im Grase und überlegte, was wir machen sollten. Plötzlich, ganz unerwartet, wieder der furchtbare Schrei des an- nehmenden Elefanten. Ganz nahe. Er hatte einen Bogen geschlagen. Sowie er uns gewindet hatte, kam er. Gras, Schuf und kleine Bäumchen vor sich niedertretend, auf uns zu. Das hohe Gras brach wie eine Woge über uns nieder. Wie ein großer schwarzer Felsen, von der Woge getragen, erschien vor uns der Kopf des Elefanten. Ein Schrei von Mongoosa. Mit einem Kopfsprung verschwand Cr wieder im Grase. Verdenken konnte ich es ihm nicht. Was sollte er machen. Das Mausergewehr, welches er trug, war gegen den Elefanten genau so wirkungslos, wie wenn ein kleiner junge mit dem Blasrohr Erbsen auf ein MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD 229 Pferd geschossen hätte. Er konnte leicht verschwinden. Unbekleidet wie er war, nur mit einem kleinen Lenden- tuch versehen. Ich mußte stehen bleiben. Mir blieb nichts anderes übrig, denn unfehlbar wäre ich im Grase hängen geblieben. Zeit zum Zielen war nicht. Blindlings schoß ich beide Läufe dem Elefanten ins Gesicht und, getragen von dem furchtbaren Rückschlag der schweren Büchse, warf ich mich seitwärts ins Gras. Ich fiel auf den Rücken, blieb regungslos liegen und wagte nicht zu atmen. Der Elefant schwankte umher, wiederum betäubt und verwirrt von den aus nächster Nähe abgegebenen Schüssen. Er versuchte mich zu finden. Aber durch das Blut, das ihm aus der Lunge in den Rüssel stieg, war wohl die feine Witterung geschwächt. Mehrere Male war der Rüssel in allernächster Nähe, und einmal setzte er nur einige Zoll von meinem Kopf entfernt seine riesigen Hinterfüße nieder. Er hätte nur ein wenig seitwärts zu treten brauchen, um mir den Kopf zu Brei zu stampfen, wahrscheinlich ohne es zu wissen, so wie wir Menschen manchmal ahnungs- los einen kleinen Käfer zertreten. Endlich schwankte er weiter. Ich drehte mich zur Seite. Nun kam die Reaktion. Meine Nerven versagten ihren Dienst. Mir flimmerte es vor den Augen. Ich mußte mich übergeben, erst dann kam ich einigermaßen wieder zur Ruhe. Mongoosa kroch heran. Wie ich ausgesehen haben mag, weiß ich nicht, wohl aber, wie ich mich fühlte. Er überredete mich die Jagd aufzugeben und dem Elefanten zum Sterben Zeit zu lassen. Wie gern ging ich auf seinen Vorschlag ein. Mir lag genau soviel daran wie Mongoosa, möglichst weit aus dem Bereiche dieses wahnsinnig gewordenen Kolosses zu gelangen. — Aber wir hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. — Kaum waren wir einige hundert Meter auf unserer Spur zurückgegangen, um wieder zu den Trägern zu gelangen, als wir zum 230 MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD drittenmal den furchtbaren Schrei hörten und sahen, wie sich die Graswclle wieder in Bewegung se^te. Der Ele- fant wollte sich rächen. Er wußte, daß er sterben mußte. Ich bin überzeugt, er war auch bereit zu sterben, aber seinen Angreifer wollte er ins Jenseits mit hinübernehmen. Es folgte dasselbe Schauspiel wie vorhin, wenn auch mit kleinen Abweichungen. Ich schoß, warf mich hin, und wie eine Dampfwalze der Elefant über mich weg oder nahe an mir vorbei. Zur Abwechslung geriet ich einmal in einen Dornbusch, welchen der Elefant im Vorbeisausen mit dem Rüssel packte und mich samt Dornbusch einige Meter zur Seite schleuderte. Sobald er vorbei war, fing er wieder an. Bogen zu schlagen. Zerkra^t und zerschunden ver- suchte ich ihm zu entweichen. All das im hohen Grase und in der tropischen Mittagssonne. Meine Kräfte fingen an zu versagen. Ich konnte nicht mehr sprechen. Mongoosa und ich sahen uns an. Wir wußten, daß wir beide dasselbe fühlten, daß es nur eine Frage der Zeit wäre, wann der Elefant den einen oder anderen von uns fassen würde, jet^t kam es zum Aeußersten. Zu meinem Schrecken bemerkte ich, daß ich nur noch eine Patrone hatte. Ungefähr zwölf Schuß hatte ich abgegeben. Ich weiß es nicht mehr genau. Vielleicht hatte ich auch in der Eile und Aufregung Patronen verloren. Nur eins stand fest, eine einzige Patrone war noch da. Es ging ums Le^te. Wir fanden einen Baumstumpf. Neger hatten den Baum wohl in früherer Zeit umgeschlagen, um aus einem Bienennest, welches in der Baumkrone hing, Honig zu bekommen. Der abgeschlagene Baum war in den Grasfeuern früherer Jahre verbrannt, nur der Stumpf, der zwei Meter aus der Erde ragte, stand noch. Hier nahmen wir unsere Stellung. Dies sollte unser letzter Verteidigungsstand sein. Hinter uns näherte sich MEINE GEFÄHRLICHSTE ELEFANTENJAGD 251 ein mächtiges Grasfeuer, höchstens ein Kilometer entfernt. Laut it sich in Augen und Nasen. Wir sehen aus wie die Mohren. Der Schweiß zieht Furchen über das Gesicht. Die Hände zerkratzt, die Knie blutig ge- schunden. Aber weiter, nur weiter, zu verlockend ist die Jagdbeute. — Selbst im Angesicht des mächtigsten Elefanten- bullen hat nie mein Herz so vor Jagdfieber geklopft wie je^t. — Noch hundert Meter sind wir vom Flußrand ent- fernt. — Eine kurze Pause — wir legen uns auf den Rücken, um .Atem zu holen. — Weiter, nur weiter! Die Böschung ist erreicht. Vorsichtig richte ich mich etwas auf um hinüberzusehen; keine 20 Meter trennen uns von dem friedlichen Tieridyll. — Die Kamera wird vorgeschoben, da — ein Geflatter — die Madenhacker haben uns be- merkt. Lautlos gleiten die Krokodile in die Tiefe. Das Flußpferd richtet sich verschlafen auf, es weiß noch nicht von wo Gefahr droht — unsanft schiebt es das Baby ins Wasser und verschwindet hinterher. — Leer liegt die Sandbank, vergeblich die Mühe! Ermattet sinken wir hin. — Ein Mißerfolg, wie schon so oft. Aber gerade in 566 AFRIKA UND DER FILM den Mißerfolgen liegt der größte Reiz der kinemafo- graphisciien Jagd, denn iicin Stück ist angeschweißt um elend zu verkommen oder einem Raubtier zum Opfer zu fallen, wie es so oft vorkommt. Und wie das Wild, so erbeuten wir auch die Wilden, die Neger, in ihren Sitten und Gebräuchen, ihren Spielen und Tänzen. Die uralten Industrien, die von der fort- schreitenden Zivilisation hinweggefegt werden, retten wir im Film für die Nachwelt. Für die Nachwelt retteten wir auch im Bilde auch den Bau der Tclefunkcnsfalion Kamina, jenes Meisterwerk tech- nischer Pionierkunst, das den Funkenverkehr zwischen Nauen und Togo vermittelte und von unseren eigenen Truppen gesprengt werden mußte, um nicht in Feindes- hand zu fallen. In Ewigkeit werden die Pole unverändert bestehen. — Vergessen sind aber die Sitten und Gebräuche der afri- kanischen Eingeborenen, die nicht im Filme erhalten sind. — Die blutlose Eroberung Afrikas, das ist das Verdienst der kinematographischen Forschungsreisenden. Eine Karawane zieht singend über die flimmernde Steppe in Afrika, und zieht zu gleicher Zeit über die flimmernde Leinwand in Europa. Konkoiiibwa-Krieger. Nordlogo. 267 EINE WOCHE IM WILD -PARADIES. Trockenzeit. Schwarz gebrannt die Steppe. Wellen- artig wogt die Luft in siedender Hi^e. Grün am Ufer des Ulanga der Gaiierie-Wald, in dessen Schatten mein Zelt steht. Am anderen Ufer im Wildreservat das Dorf des Jumbcn Rupia. — Grasbrände im Westen. Hoch züngeln die Flammen. Rauchschwaden steigen trage zum Himmel. Tiefer sinkt die Sonne. Selbst ein blutroter Ball, scheint sie im Feuer zu versinken. Kampf ums Leben. Feuer- garben züngeln gierig empor. Rauchschwaden umklammern sie, — türmen sich vor ihr auf und blassen Antlitzes ver- schwindet sie am Horizont. Doch ihre Trabanten bleiben. Die Strahlen, die sie am Tage niedersandte, entspringen Kobolden gleich dem ausgedörrten Boden. Kämpfen gegen die liebliche Kühle der Dämmerung, bleiben Sieger. Blei- erne Schwere lastet über dem nach Kühle lechzenden Abend. f2in leiser Wind stiehlt sich über den Fluß. Schel- misch kräuselt er das träge dahinfließende Wasser. Bricht die Mondstrahlcn, die sich durch die Blätter der über den Fluß hängenden Bäume neugierig auf das Wasser gewagt haben. Langsam zögernd breitet sich die Kühle aus. Zieht durch die Kronen der Bäume. Facht das Lagerfeuer an, weht durch das offene Zelt des weißen Jägers, erfrischen- den Schlaf den Menschen versprechend, Erholung den Tieren des Pori (Busch). Ruhe herrscht im Lager, breitet sich aus über das Dorf am andern Ufer des Flusses. Endlich finde auch ich die langersehnte Ruhe, schlummere ein in der kühlen Um- armung des barmherzigen Windes. Moskitos summen um mein Ncl?. Tierstimmen nah und fern, die der Tropen- nacht ihr Gepräge geben. Leise plätschert der Fluß. Tief grollend erhebt ein alter Flußpferdbulle seine mächtige Stimme. Tausend Stimmen und doch tiefe Ruhe. Wider- spruch, wie so vieles in Afrika. — 268 EINE WOCHE IM WILD-PARADIES Plö(?Iich ein Sdirci. — Schneidend, gellend. Aus- gestoßen von einem Menschen in Todesnot. Er springt aus der dunklen Nacht, wirft sich, vom Echo vervielfältigt, auf das Lager. Packt mich, daß mir der Atem stockt. Reißt mich aus dem Schlummer, jagt mich hinaus, das Gewehr in der Hand, wo schon ängstlich lauschend meine Schwarzen stehen. Der Todesschrei einer Frau. Auch das Dorf erwacht. Glühwürmchen gleich schlängeln sich Fackeln zum Fluß. Rufen und Schreien. Wir eilen hinab zum Ufer, werfen Fragen hinüber. Aus dem Dunkel kommt Antwort. „Eine junge Frau ist noch hinuntergegangen zum Fluß, um Wasser zu holen. Ein Krokodil hat sie gepackt, hinuntergezogen in die Tiefe . ." Es war zweck- los, an Rettung auch nur zu denken. Ein Drama, wie es sich täglich in Afrika abspielt. Doch der Schlaf floh mein Lager. Der Schreck saß mir in den Gliedern. Ich schwor den Mamba (Krokodilen) Rache. Ungefähr 100 alte Patronen 8 mm, denen ich nicht mehr recht trauen konnte, sollten je^t einem guten Zwecke dienen. Am Morgen zog ich aus zum Kampf gegen die feigen Echsen — wo ich sie fand, im Wasser dahinziehend, nur den Rücken dem Schusse bietend oder sich träge sonnend auf der Sandbank, mußten sie daran glauben. Ein Schuß, deutlich hörbar der weiche Aufschlag. Hoch wirft sich das getroffene Tier, sinkt zurück in das dunkle Wasser, wo unten schon seine Sippe wartet, um es gierig zu zerreißen, wie Kannibalen, die sich nicht scheuen, ihr eigen Blut zu vertilgen. Ueber 40 Krokodile fielen als Opfer. 40 Feinde schickte ich der Frau ins feuchte Grab. Wenige Häuptlinge können sich rühmen, daß ihnen 40 Feinde das Totengeleit gegeben haben. Ein wahrhaft fürstliches Begräbnis bereitete ich der armen Frau aus dem kleinen Dorfe am Ulanga. — AmNadimittag zogen wir weiter flußaufwärts. Glühend heiß der Boden auf der Steppe. Meine Träger trugen EINE WOCHE IM WILD-PARADIES 269 Sandalen aus Wildhaut geschnitten. Mit bloßen Füßen zu gehen war selbst ihnen unmöglich. Wie einladend schattig der Galleriewald am Fluß. Aber unmöglich dort zu marschieren. Lianen winden sich von Baum zu Baum. Dichtes Gestrüpp und Dornen verwehren den Eintritt. Wildpfad auf Wildpfad. Vom Fluß führen sie über die Steppe in den Pori (Busch). Tief ausgetretene Flußpferd- wechsel. Pfade, auf die der Antilopen zierliche Füßchen ihr Siegel gesc^t. Nashornfährten, schwere Antilopen, die Pranke des Löwen und, nur erkenntlich an feinen Linien im Sande, der mächtige Fuß des Elefanten. Doch aus- gestorben liegt die Steppe. Kein Laut in der Natur, selbst die Vögel halten ihren Miltagsschlaf. Nur das Brodeln der Hi^e glaubt man zu hören und hier und da dumpfes Stöhnen eines schlafenden Flußpferdes. Wo sich der Galleriewald öffnet und Aussicht auf den Fluß gewährt, liegen schlafende Flußpferdc. Herden von 20 bis 30 Stück. Faul liegen sie im Wasser. Auf den Sandbänken ist es zu heiß. Dort sonnen sich Krokodile. Auf einem Marsch von wenigen Kilometern kann man Hunderte von Fluß- pferden zählen hier oben im Ulanga. Eine offene Stelle im Galierie-Wald ladet zum lagern. Ein ßiesenbaum breitet schaftenspendend seine mächtigen Aeste. Steil abfallend das Fiußufer. Ein breit ausgetretener Flußpferdwechsel, der auch von Elefanten benufjt wurde, erleichtert den Trägern das Wasserholen. Herrlidie Aus- sicht über den Fluß, freier Blick zur Steppe. Im Augen- blick haben meine geschulten Awemba-Träger, die mich schon seit zwei Jahren begleiten, mein Zelt errichtet. Noch ist der lefjte Träger nicht im Lager, und schon steht auf dem gesäuberten Pla^ vor dem Zelt mein Tischlein-deck- Dich. Tes ist serviert. — Euch afrikanischen Köchen, die ihr hinauszieht mit euren weißen Herren auf Jagd und Kriegs- safari, (Reise) ein Denkmal müßte man euch selben, eurer Taten würdig. Ihr seid Künstler und Hexenmeister zugleich! 270 EINE WOCHE IM WlLD-PARADlES Während ich am Teetisch si(?e, belebt sich vor mir die Steppe. Die Natur erwacht. Perlhühner gackern am Fluß, „Frankoline" antworten. Eine Antiiopenherdc tritt aus dem Busch. Vorsichtig windend verhoffen sie am Rand. Zierliche Schwarzfersen- Antilopen. Einige Wasser- böcke folgen. Einige Gnus, die unter einem schattigen Baum am Rand der Steppe gelegen haben, werden lässig hoch. Sie scheinen noch müde von der Hil?e. Im Flusse erwachen die Hippo. Donnernd schallt der Schlachtruf eines alten Bullen über das Wasser. Plö^lich steht Longoma, mein treuer Awemba-Fundi, vor mir, ein frisch gebrochenes Zweiglein in der Hand: „Herr, ich bin ausgegangen, das Gelände zu sehen. Ele- fanten sind soeben vom Flui? in den Pori gewechselt." Zur Bekräftigung seiner Worte reicht er mir den Zweig, den die Elefanten gebrochen. Alle Müdigkeit ist vergessen. Schon reicht mir mein Diener den Gürtel mit den schweren Patronen der Elefantenbüchse. Geführt von Longoma und nur gefolgt von meinem Gewchrträger verlasse ich das Lager. Zu meinem Erstaunen führt mich Longoma zurück auf den Weg, den wir gekommen. Nach kaum zehn Minuten bleibt er stehen, zeigt auf den Weg. Deutlich abgedrückt auf unserer Spur das Trittsiegcl eines großen Elefanten, der unseren Weg nach uns gekreuzt. Ich folge der Fährte. Nach wenigen Schritten sehe ich, daß nicht einer, sondern fünf starke Bullen zusammen sind. Jeden Augenblick erwarte ich an der Fährtc zu sehen, wie sie flüchtig dahingestürmt sind nach derfrischen Wif tcrungder Menschen. Aber nichts dergleichen. Ruhig äsend waren sie gezogen. Gibt es überhaupt Geselle auf der Eletantcnjagd ? Longoma schmunzelt. „Herr, gibt es noch dumme tembo (Elefanten), sie glauben sich noch sicher im Reservat". — Vorsichtig weiter. Frische Losung, noch feucht und glänzend, kaum Minuten alt. Brechen links unter uns. Schnell den Wind geprüft mit dem Rauch der Zigarette. EINE WOCHE IM WILD-PARADIES 27t Er Steht günstig. — Acußerstc Vorsicht, denn jeden Augen- blick können wir auf einen der Bullen stoßen, der zurück- geblieben ist. Wir befinden uns am Rande eines trockenen Flußlaufes. Das Gelände abfallend in eine kleine Niederung, in der alte Gärten der Eingeborenen mit diditem Gestrüpp verwachsen. Ruhig äsen dort die Elefanten. Fünf mächtige Bullen, aber nur einer mit schweren Zähnen. Ich stehe und beobachte. Komme nicht zum Schuß. Immer und immer ist der große Bulle von seinen Kameraden gedeckt. Je^t schiebt er sich vor. Gibt mir das Blatt frei. Schon folgt ein anderer. Wird ihn wieder decken. Nur eine Sekunde freies Schußfeld. Die Büchse im Anschlag. Jeht, nein, ein Busch verdeckt das Ziel. Er verhofTt, die anderen kommen noch. Jef^t tritt er vor! Donnernd schallt der Schuß durch den stillen Abend. Wildes Getöse. Die Elefanten schließen zusammen, brechen fort und stauen sich im dichten Gestrüpp. Ich stehe wenige Meter hinter ihnen, sehe zum ersten mal, daß es auch Busch- werk gibt, das selbst Elefanten nicht durchdringen können. Wie leidit wäre es gewesen, alle fünf zur Strecke zu bringen. Der waidwunde Bulle in der Mitte, unmöglich einen Schuß anzubringen. Die Tiere drängen und schieben, können sich keinen Durchgang verschaffen. Da ich nicht schieße, werden sie ruhiger. Sie wenden und im Eil- schritt ziehen sie bei mir vorbei. Als Leiter der Kranke. Wieder zwei Schüsse. Er bricht in die Knie, rafft sich auf. Schwer waidwund zieht er ins freie Gelände. Müh- selig folgen wir, sehen ihn bald darauf langsam durch lichtes Pori (Busdi) wechseln. „Warte", ruft Longoma, „ich bringe ihn Dir!" Ohne Gewehr läuft er laut rufend hinter dem Elefanten her. Der Elefant verhofTt, wendet, und als er den mutigen Awemba sieht, versucht er ihn anzunehmen. Longoma bleibt stehen, dann läuft er vor ihm her, nur schwerfällig kann der kranke Riese folgen. Auf zehn Schritte bringt ihn Longoma heran. Ein Schu& 272 EINE WOCHE IM WILD-PARADIES bringt den Elefanten zum Stehen. Ein Zittern geht durdi den mäditigen Körper. Hin und her schwankt er wie ein gefällter Baum, um dann gleich jenem krachend zusammen- zubrechen. — Es war ein phantastisches Bild, den Jäger zu beobachten, wie er mit ruhiger Ucbcrlcgung den Elefanten zum Angriff reizte und ihn mir schußgerecht zuführte. Ein Wagestück, wie es die Awemba-Fundi (Jäger) lieben. — Mein Lager stand mitten in einem Wild-Paradies. Antilopen aller Art kamen zur Aesung auf die gebrannte Steppe, wo das junge Gras zu sprießen begann. Täglich sah ich Elefanten drüben auf der anderen Seite des Flusses im Reservat, im Fluß badend und häufig auch in der Nähe des Lagers. Drei prächtige Bullen erlegte ich auf abend- lichen Pirschgängen. Sie kamen aus dem Wildreservat über den Fluß, um im Galleriewalde zu äsen. Eines Nachmittags si^e ich vor meinem Zelte. Vor mir flimmert die Steppe im Sonnenlicht. Zwei große gelbe Tiere treten aus dem Busch. Ich halte sie für Elen-Anti- lopen. In der zitternden Luft sind sie nur undeutlich zu erkennen. Ein Blick durch das Glas. Löwen, die lang- sam auf mein Lager zutrollen. Ein leiser Pfiff, Longoma steht neben mir. Ich zeige hinüber. „Dio bwana, simba", Ja Herr, Löwen — entgegnet er ruhig. Die Löwen ver- schwinden in einer Talmulde, in der das Gras ungefähr ^U m hoch steht. Als das Grasfeuer über die Steppe fegte, war es dort noch feucht gewesen, das Feuer war darüber hinweg gesprungen, und nur die hohen trockenen Halme waren verbrannt, während das grüne Gras wohl verdorrt, aber doch stehen geblieben war. Wir beobachten die Löwen, sehen sie verschwinden, aber sie kommen nidit wieder zum Vorschein. Gefolgt von Longoma pirsche ich hinüber, vorsichtig jede Deckung ausnüpend. Gegen 100 m lang, kaum 20 m breit steht das Gras, in welchem sich die Löwen niedergelegt haben. Wie idi auch mit meinem guten Glase suche, nichts ist zu sehen, und doch weiß ich, Am Rufiii in Ost-Afrika vom Verfasser erlegle Elcfanlen. EINE WOCHE IM WILD-PARADIES 273 dal? wenige Mefer von mir entfernt zwei mächtige Raub- tiere mich beobachten. Wie vorsichtig wir auch pirschcr, sie müssen uns gehört haben, denn die ausgedörrte Steppe ist ein zu guter Resonanzboden. Wir umkreisen die Gras- fläche, nichts zu sehen. Vorsichtig gehen wir jcht hinein, das Gewehr im Anschlag. Jeden Augenblick müssen die Löwen hoch werden. Werden sie uns annehmen oder ihr Heil in der Flucht suchen? Ein Rascheln im Grase läl?t uns zusammen fahren, aber es ist nur eine Eidechse die vor uns flüchtet. Wir kommen ans andere Ende des Gras- bestandes, ärgerlich und doch innerlich erleichtert atme ich auf. Verständnislos schauen wir uns an. Piöftlich packt Longoma meinen Arm, zeigt, da seh' ich die beiden Löwen tief geduckt, die Ellenbogen höher als der Rücken, schon ungefähr 300 m entfernt. Sie gewähren keinen königlichen Anblick, wie feige, verprügelte Straßenköter schleichen sie dahin. Eine alte Löwin und ein scheinbar noch junger Löwe. Schießen ist unmöglich, denn mit meisterhaftem Geschick verstehen sie es, jede Deckung des Bodens aus- zunüt5cn. Auf wenige Schritte nur müssen wir an ihnen vorbeigekommen sein, sie haben sich geduckt wie Hasen im Lager. Mir fielen die Worte eines alten Löwenjägers ein, der im vollen Ernst einmal erklärte, daß eine Löwin sich auf einem Billardtisch hinter einer Streichholzschachtel verstecken könne, ohne dal? man sie gewahre. Am Zelte stehen meine Träger und zeigen auf die Steppe. Zwei mächtige schwarze Kolosse wechseln zum FIulJ. Riesengroß erscheinen sie im flimmernden Lichte. Es sind zwei Nashörner, die, vom Durste gepeinigt, schon am frühen Nachmittage zum Flusse wechseln, um zu trinken und sich zu suhlen. Ich pirsche mich am Gallerie-Wald entlang, um ihnen den Weg abzuschneiden. Gemächlich kommen sie auf mich zu. Zwei Schüsse donnern aus der schweren Elefantenbüchse. Das Echo überm Flusse nimmt den Schall auf, vervielfältigt ihn 18 274 EINE WOCHE IM WlLD-PARADlES flußauf- und flußabwärts, um den Tod zweier Vorwelt- riesen weit zu verkünden. Früh am Morgen kommt ein Bote vom Jumben Rupia. Elefanten haben sich eingestellt auf einer Insel im Fluß. Sofort breche ich mit meinem Jäger auf. Nur einige Leute mit Mundvorrat begleiten mich. FluOäbwärts geht es. Nach einer Stunde sind wir angelangt. Ein Einbaum wartet, uns überzusehen. Die Insel ist mit hohem, ver- wachsenem Gras bestanden, Bäume und Gestrüpp da- zwischen. Nach wenigen Minuten sind wir auf der Spur, um gleich darauf die Elefanten zu hören. Der Wind ist unbeständig. Langsam, vorsichtig bahnen wir uns den Weg durch das dichtverschlungene Gras, das sich hocli über unseren Köpfen zusammenschließt, sodaß wir wie in einem Tunnel dahin kriechen. Es ist dumpf und heiß. Aufdringlich der penetrante Geruch der Elefanten. Wir sind ganz dicht heran, hören das eigentümliche Kullern iin Magen der Tiere. Vorsichtig weiter. Das Gras ist trocken. Jeder Halm muß einzeln aus dem Weg gelegt werden, denn wenn man darauf tritt, knallt es wie ein Pistolen- schuß. Die schwarzen Körper der Elefanten schimmern durch das Gras. Noch einen Schritt weiter. Vorsichtig richte ich mich auf und stoße mit dem Nacken gegen ein Bündel Juckbohnen. Wie viele heben schon versucht, die Upupo (Juck- bohne) zu beschreiben. Wie viele Klagelieder sind ihret- wegen schon angestimmt. Aber alles, was man auch sagen mag, schildert nicht den hundertsten Teil dessen, was der unglückliche Jäger leidet, der in diese harmlos aussehende Pflanze gerät. Die Upupo ist eine Schling- pflanze, die sich am starken Elefantengras empor rankt; aus ihrer Blüte sprießt eine bohnenartige Frucht mi' Milliarden feinster Härchen besetzt. Stößt man noch so leise an das Gras oder an die Frucht selbst, so fallen die Härchen herunter, se^en sich am menschlichen Körper fest, kriechen weiter und weiter und brennen und beißen tausend- EINE WOCHE IM WILD-PARADIES 275 fach, schlimmer als Brennesseln und Ameisen. Selbst der Neger, dessen Haut wohl das unempfindlichste ist, was man sich vorstellen kann, flüchtet vor der Upupo. Kein Jucken und Krallen hilft, es verschlimmert nur die Qual. Das einzigste Mittel ist, ins Wasser zu gehen und sich mit Schlamm abzureiben. Kein Jagdgesc^, von Hunderten von Beamten und Askari unterstützt, gibt dem Großwild einen solchen Schutz, wie es die Upupo vermag. Wecliseln Elefanten in einem mit Upupo bestandenem Grasfeld, sind sie vor jedem alten Elefantenjäger sicher; nur der Neu- ling wird ihnen dort hinein folgen. Hier stehe ich nun, zehn Schritte von dem Elefanten entfernt. Tausend spitzen Nadeln gleich laufen mir die Juckbohnen den Buckel hinunter. Ich möchte schreien, brüllen, Kriegstänze aufführen und darf mich doch nicht rühren. Der Schweiß läuft mir in Strömen den Körper hinunter und verhundertfacht die Qual der beißenden Härchen. Longoma scheint es nicht besser zu gehen, er beißt die Zähne zu- sammen, versucht zu kraften, aber nichts hilft. Weiter vor- zugchen ist zwecklos. Wir müssen zurück. Alle Energie zusammennehmend, kriechen wir langsam, um die Elefanten nicht zu stören, auf unserem Wechsel zurück, um so bald als möglich aus dem Hörkreise der Tiere zu kommen, und dann wie Wahnsinnige dahin zu stürzen zum Fluß, in den wir uns hineinwerfen und uns gegenseitig mit Sand abreiben. Unsere Leute, die wir am Flusse zurückließen, müssen uns für wahnsinnig gehalten haben, bis ihnen Longoma das Wort „U p u p o" zurief; da verstanden sie und kamen uns ohne weiteres zu Hilfe. Nachdem wir uns von unseren Qualen befreit, gehts wieder heran an die Elefanten. Jcljt, wo wir wissen, daß hier die Upupo wächst, heißt es nach oben und unten aufpassen. Aber unangefochten kommen wir durch. Regungslos stehen die Tiere, sieben große Bullen, im Kreise, die Köpfe nach innen. Kein Elfenbein ist zu sehen, bis ich mich hinlege und unten durchspähend sehe ich ein Wirrwarr von Elfenbein, aus denen die einzelnen 276 EINE WOCHE IM Wl LD-PARADIES Zähm nicht zu erkennen waren. Ich versuche mich herum- zupirschen, aber es ist unmöglich, durchs dichte Gras ge- räuschlos hindurchzukommen. Etwas zurück steht ein Baum, mittelstark, mit einladenden Aesten. Longoma versteht meinen Blick. Wir pirschen zum Baum. Wie eine Katje ist mein Jäger oben. Gestikulierend zeigt er mir an Armes- länge gemessen, große Zähne, die er oben von deutlich erkennen kann. Ich reiche ihm mein Gewehr und im Augen- blick stehe ich neben ihm auf dem Ast. Unter mir 20 Schritte entfernt die Elefanten. Ich wage nicht recht zum Angriff vorzugehen, ein eigentümliches Gefühl, auf schwan- kendem Ast zu stehen. Ich fürchte den Rückschlag der schweren Büchse, die mich schon auf der Erde, wenn ich nicht in fester Stellung war, manchmal umgeworfen. Be- merk) mich einer der Elefanten, bin ich verloren, weit höher als mein Stand reichen die Rüssel. Longoma fühlt, was ich denke. Er stellt sich hinter mich. Fest aufgestütjt aut zwei Aesten die nackten Füße, breitbeinig, steht er da, um mich aufzufangen, sollte es die Not gebieten. Drei der BuHcn habe ich ausgemacht, die die schwersten Zähne tragen. Als ersten nehme ich den am günstigsten stehenden aufs Korn, und als der Schuf? kracht, bricht er wie vom Blitze getroffen zusammen. Ratlos rennen die übrigen durcheinander, sie können nicht feststellen, von wo die Gefahr droht. Es ist schwer, die ausgewählten im Auge zu behalten. Wie eine einzige schwarze, riesige Fleisch- massc wogt es dort unten durcheinander. Elfenbein schlägt laut ratternd an Elfenbein. Aengstlich trompetend suchen sie die Gefahr. Wieder zwei Schüsse, stöhnend bricht einer der Riesen in die Knie, rafft sich noch einmal auf, um dann endgültig niederzusinken. Noch einen habe ich dem Tode geweiht. Ein einziger Schul) genügte, um ihn hinzustrecken. Hochatmend stehe ich auf meinem Ast. Longomas Augen glühen. Unser Werk war vollbracht, doch nun erst begann für uns die schlimmste Gefahr. Nashornbulle. Kiiduhiille -dft^ *"-^'-f« ^•^^?^liche Situation. Ringsum die mächtigen Riesen, deren unheimliches Gurgeln man auf wenige Schritte Entfernung zu hören glaubt, jedes Brechen eines Astes durchfährt uns wie ein elek- trischer Schlag. Fester umklammere ich die treue Büchse und überwinde mit aller Energie das unwillkürliche Entsetzen, um lächelnden Mundes wieder und wieder den Leuten zu versichern: „Der Gott der Weißen ist stärker als der Teufel der Schwarzen". Eine Minute gesellt sich zur anderen und sie werden zu Stunden. Kalte Schweißtropfen sammeln sich auf der Stirn. Jeden Augenblick glaube ich einen mächtigen Kopf vor mir auftauchen zu sehen. Aber das Schicksal ist uns gnädig, denn gegen 3 Uhr wechselt die ganze Herde weiter. Ich werfe mich auf das Lager, jedoch die Aufregung der legten Stunden verscheucht den Schlaf. Ruhelos wälze ich mich umher; bei jedem Knacken, ja bei dem Rauschen des Nachtwindes fahre ich empor. Endlich schlummere ich ein. Aber überspannte Nerven rufen in dem überreizten Gehirn quälende Träume wach. Schatten nahen, gigantische Elefanten. Näher kommen sie und näher. Gequälten Riesenwürmern gleich winden sich Rüssel durch die Luft. Riesenohren schlagen. Lautlos wälzt sich das Unheil heran. Weiß glänzen Stoßzähne, wie nie menschliche Augen gesehen. Aus jeder Pore bricht mir der Angstschweiß. Rächende Götter. Ohnmächtiges Gefühl des winzigen Menschen. Hoch reiße ich das Gewehr. Verzweifelte Hoffnung. Ziehe am Abzug. Ziehe — zerre — vergebens. Da, lautloser, schwacher Aufschlag des Hammers. Faul brennt das Pulver. Zischt wie eine ersterbendeFlamme. Müde kriecht die Kugel aus dem Lauf. Sichtbar dem Auge, schwankt sie feige zum Ziel. Schlägt an auf dem Riesen- körper des ersten Feindes, weich wie eine Lchmkugel. Fällt zu Boden. Näher und näher wanken die Riesen. UnabwendbaresSchicksal, nimm deinen Lauf! Zugeschnürt 282 MAYl-YA-WETA ist mir die Brust. Eiserne Fesseln, die mich drückei.. Ring-c verzweifelt um Lult und Stimme. Reiße und zerre. Da — über mir der erste Riesenfuf? — hebt sich. Senkt sich nieder. Leister Kampf im Angesicht des Todes. Lc^te Kraft sprengt die Fesseln. Ausziehender Atem wird zum Schrei. Schweißgebadetes Erwachen. Dann aber kommt der langersehnteMorgen. Vergessen ist alle Furcht der vergangenen Nacht. Schnell wird ein frugales Frühstück eingenommen, die Kalabassen werden gefüllt und guten Mutes geht es auf der Fährte dreier starker Bullen weiter, die sich von der Herde abgesondert haben. Nach menschlicher Berechnung muß man gegen Mittag die Elefanten erreichen, aber es kommt anders. Es wird Mittag und noch immer gibt die in gerader Linie dahinziehende Fährte kein Zeichen, daß die Elefanten Rast gemacht haben. Mit versengender Glut brennt die Sonne aus einem grausam blauen Himmel auf die kleine Karawane nieder. Wiederum neigt sich das Wasser in den Kalabassen dem Ende zu. Tro^dem heißt es auf der Fährte bleiben, denn in der Richtung, die die Elefanten einge- schlagen haben, soll nach Aussage der Führer eine Wasser- grube sein. Gerade will die Sonne aberma's untergehen, als einer der Wambunga nach vorn zeigt und ruft: „Dort in der Baumgruppe ist das Wasserloch!" Alles drängt vorv/ärls, aber —.grausame Enttäuschung! — das Wasser- loch ist ausgetrocknet! Tro^ ihres Durstes triumphieren die Wambunga: „Siehst du, Herr, das hat Shaitani getan, denn es waren gar keine wirklichen Elefanten, sondern nur seine Abgesandten, die wir verfolgt haben". Diesen Abend ohne Wasser, bemühen sich die er- schöpften Leute nicht einmal, Feuer anzuzünden; denn ohne Trinken zu essen, ist ihnen unmöglich. Bald sind sie tro^ ihres Durstes in tiefen Schlaf gesunken. Ich aber kann keinen Schlaf finden. Von wahnsinnigem Durst gepeinigt wälze ich mich ruhelos auf meiner Lagerstatt. Die Phan- MAYl-yA-WETA 285 tasic gaukelt mir trüg-erische Bilder klar sprudelnder Quellen vor. Ich beneide meine Leute, die mit der dem Neger eigenen Gl?ichgültig-keit selbst in dieser verzweifelten Lage sorglos schlafen können. Aber schon vor Morgengrauen sind alle Leute wieder munter und zerstreuen sich nach verschiedenen Seilen mit der kargen Hoffnung, Wasser zu finden. Nach kurzer Zeit schon kehren drei von ihnen atemlos zurück: „Herr, dort unten im Tal, keine 200 Schritte entfernt, steht ein mächtiger Elcfantenbulle. Wir haben ihn genau gesehen, er hat große, starke Zähne." Mutlosigkeit und Durst sind vergessen, sofort eile ich mit meinen Gewchrträgern fort, um mein Heil zu versuchen. Geführt von den Leuten, die die Meldung gebracht haben, stehen wir bald an dem Pla^e. Aber keine Spur von einem Elefanten! Vorsichtig wird nach allen Richtungen ausgespäht, aber nichts ist zu sehen. Ich gehe nach dem von den Leuten bezeichneten Baum, wo der Elefant gestanden haben soll, aber nicht einmal eine Fährte ist zu entdecken. Da die Leute unentwegt auf ihrer Aus- sage beharren, wird weiter und weiter gesucht. Schon steigt die Sonne langsam am Horizont empor und immer noch können wir uns nicht entschlielJen, die Hoffnung aufzugeben, bis endlich die Wambunga sagen : „Sieh, Herr, das war wiederum ein Abgesandter von Shaitani, der uns solange aufhalten sollte, bis es auch heute wieder zu spät ist, noch Wasser zu erreichen, so daß wir im Busch ver- schmachten müssen." Ich schüttelte mich, wie um mich von einem häßlichen Alp zu befreien und gebe widerwillig den Befehl zum Ab- marsch. Es wird Mittag, und noch immer kein Wasser t Mit nur noch krächzender Stimme flüsterten mir die Wam- bunga immer und immer wieder zu : „Die Rache des Teufels! Wir werden im Busch verdursten." Tro es selbst dem größten Bullen der Herde weit über den Rücken geht, sodaß sie in einem richtigen Tunnel marschieren. Dann wird das Gras kürzer. Vor ihnen eine weite Ebene, auf der sich zum Erstaunen des Kleinen eine Menge Elefanten angesammelt haben. Sie stehen in Herden von 20—30 Stück. Abseits einige ganz alte Bullen, die sich zusammengefunden haben und ihre Erlebnisse des letzten Jahres auszutauschen scheinen. Sie mögen nichts mit der Herde zu tun haben, wollen ihre Ruhe haben, wie es allen Herren zukommt, denn bei der Herde, wo die jungen Tiere miteinander spielen, ist es immer laut und unruhig. Die ganze Ebene steht auch jeht in der Trockenzeit ständig unter Wasser. Einige Er- höhungen ausgenommen, auf denen sich auch schon eine Reihe Eleianten, meist junge Tiere, zur Ruhe niedergetan haben. Schilfgras und Wasserpflanzen bieten reiche, wenn auch zuerst ungewolinte Nahrung. Es ist die Simikwe- Ebene, auf der sich zur Trockenzeit die Elefanten des ganzen Bezirkes zusammenfinden. Hier sind sie fast gänzlich geschürt. Die eingeborenen läger wagen sich nicht hinein, da ihnen im Wasser zu leicht das Pulver auf der fanne ihrer alten Vorderlader feucht wird. Auch euro- 19* 292 JUMBO, DAS LEBEN EINES AFRIKANISCHEN ELEFANTEN päische Jäger vermeiden hier einen Elefanten anzugreifen, da keinerlei Deckung vorhanden und durch das hohe Gras in Wasser und Schlamm kaum durchzukommen ist. Hier verlebte nun unser Kleiner einige glückliche Wochen. Eine ganze Anzahl junger Elefanten hatte sich zusammen- geiunden. Wohl 20 mochten es sein, die den größten Teil des Tages abseits von den Erwachsenen unter der Obhut einer alten Elefantenmutter spielen durften. Die Elefantenpflegemufter halte selbst zwei Junge, von denen aber nur das eine ihr richtiges Kind war. Das zweite hatte sie angenommen, als seine Mutter von eingeborenen Jägern erlegt worden war. Diese gute alte Dame sammelte die ganze Kinderschar um sich, und unfer ihrer Aufsicht konnten sie sich nach Herzenslust austoben. Hier durften sie auch so laut sein, wie sie wollten, ohne einen ermah- nenden Rüsselschlag befürchten zu müssen. Wurde ein Kleines hungrig, bevor die Mutter es abholte, so konnte es sich ruhig an der Brust der Pflegemutter sättigen. (Anmerkung: Im Dezember 1908 vom Verfasser am Tagalasee, Bezirk Mohoro D. O. A. beobachte!). Nachts wurden häufig Ausflüge in das am Bergrand gelegene Dornenrevler unternommen. Ein Negerdorf lag am Rande der Simikve-Ebene. Dies mußte passiert werden, aber da man ja auch auf der Ebene den ganzen Tag Menschen singen und schreien hörte, deren Witterung einem der Wind zutrug, war man nicht mehr furchtsam. Vor Tagesanbruch waren aber alle Elefanten wieder auf der Ebene versammelt. Eines Tages halten sich einige alte Bullen verspätet und, durch die lange Ruhe in Sicherheit gewiegt, sich am Tage in dem Dornengebüsch eingestellt. Plötzlich, es mochte so gegen Mitlag sein, ein mächtiger Knall, hundertfach zurückgeworfen vom Echo der Berge dröhnt er über die Ebene. Ein Schuß, noch einer. Die Elefanten, die ruhig träumend an verschiedenen Stellen der Ebene stehen, JUMBO, DAS LEBEN EINES AFRIKANISCHEN ELEFANTEN 295 stürzen panikartig dem Fluß zu, wo das Wasser am tiefsten und das Schiifgras am höchsten. Wie eine weiße WoIl